a LU. 20 Ba Di be | YA [y 2 Inf ja “ N 2 Minh ANATOMISCHE HEFTE. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 38. BAND (114. ı15., 116. HEFT), ANATOMISCHE HEFTE. BEITRAGE UND REFERATE ZUR ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE. UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL UND R. BONNET 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GÖTTINGEN. 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN BONN. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 38. BAND (114, ı15,, 116. HEFT) MIT 64 TAFELN UND 59 FIGUREN IM TEXTE. ee WIESBADEN. VERLAG VON )J F. BERGMANN. 1909. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht in alle Sprachen vorbehalten. WBBE in german) Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. 114. 115. 116. Inhalt Heft (ausgegeben im Januar 1909). F. Dedekind, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Augen- gefässe des Menschen. Mit 1 Doppeltafel 1/2 SW Gaston Backman, Über Inselbildungen im Gefässystem. Mit 1 Abbildung im Texte. : Hans Ehrlich, Varietäten des Brastbeines bei hornlem Ansabe der II. Rippen. Mit 12 Abbildungen im Text und 6 Figuren auf den Tafeln 3/6 ee DE RENT Otto Veit, Über Sympodie. Mit 11 Figuren auf den Tafeln 7/11 Rud. Kolster, Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. III. Über den Uterus Gravidus von Rangifer tarandus h. sm. Mit 57 Figuren auf den Tafeln 12/19. Heft (ausgegeben im März 1909). U. Yoshii, Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen und bei Phthisikern im besonderen. Mit 1 Figur im Texte und 4 Figuren auf den Tafeln 20/21 s Elisabeth Cords, Die Entwickelung der Paukenhöhle von Tacerka agilis. Ein Beitrag zur Lehre vom schalleitenden Apparat der Wirbeltiere. Mit 17 Figuren im Texte und 9 Figuren auf den Tafeln 22/23 ö re ei Fr. Merkel, Betrachtungen über die Entwickelung des Binde- gewebes. Mit 39 Abbildungen auf den Tafeln 24/29 Julius Tandler, Über die Entwickelung des V. Aortenbogens und der V. Schlundtasche beim Menschen. Mit 1 Textfigur und 10 Figuren auf Tafel 30/34 Heft (ausgegeben im April 1909). Max Voit, Das Primordialeranium des Kaninchens unter Berück- sichtigung der Deckknochen. Ein Beitrag zur Morphologie des Säugetierschädels. Mit 27 Figuren auf den Tafeln 35 50 Guido Fischer, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne und zur Resorption des Milchgebisses nebst Untersuchungen „ über die Genese der Östeoklasten und Riesenzellen. Mit 27 Text- figuren und 38 Figuren auf den Tafeln 51/64 . Seite 101 193 425 617 “ ® - u + ”i . 8 Ac % Dale "u: > f = k i ß B i ; u Ta [N . u 7} 3 ur B Br ü » r 0 DZ N £ Fani & LJ i 3 ‘ + r j .d 12 ‘4 Wind. B) . GR Be i Banane rd ROM: , ' E F \ A I, uber 1 & h ' h ‘ “De Mer di 5 2 2 H er PR Tor en ; D 4 | Li r v a hr De Li St f 4 - “ “ ” “ Li - - ” N Ü ni ] Der ul 3n..} Ao% 1 n RI URE ar u u (« Ti 002 28 RT ITS EHE FERN EPER, f Kun. N eh Dar SHE ABER re 4 eh 7. f A u Ss . f ArsE.. . EERIHTGE I N, 5 or j RT » Lie [0 x \ D [73 si, Pa Far x x 2 ir En: wa: {E5 I | L B B aß ' e q “ 5 “ l a) SUR ur t 1 ‘ Ir) 'J Bahn. arg i ax j a RE 2) “ In u , 7 pn & . en a ’ . Bir AN, ZEN) ı ZU Te PaL Peer 2 TEer Pr a u ‘ = a 7 SE rn Du 2 = 2 Ar . f & \ i ANATOMISCHE HEFTE BEITRÄGE UND REFERATE ZUR ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE. UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL UND R. BONNET 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GÖTTINGEN. 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN BONN. ERSTE ABTEIEUNG ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 114. HEFT (38. BAND, HEFT 1). MIT 13 TEXTFIGUREN UND 19 TAFELN. WIESBADEN. VERLAG VON )J. F BERGMANN. 1908. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht in alle Sprachen vorbehalten. Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. AUS DEM K. K. ANATOMISCHEN InsTituUTE DER UNIVERSITÄT ZU InnsBRuck. BEITRÄGE ZUR ENTWICKELUNGSGESCHICHTE DER AUGENGEFÄSSE DES MENDCHEN, VON F. DEDEKIND, INNSBRUCK, Mit 1 Doppeltafel 1/2. Anatomische Hefte, I. Abteilung. 114, Heft (28. Bd., IH. 1). l Über die Blutgefässe des Auges junger menschlicher Em- bryonen liegen bisher in der Literatur nur sehr spärliche An- gaben vor. Ich möchte diesbezüglich auf folgende Arbeiten hinweisen: O0. Schultze, Zur Entwickelungsgeschichte des Gefässystems im Säugetierauge (Festschrift zum 50 jährigen Doktor-Jubiläum des G.R. v. Koelliker. Leipzig 1892). — Vossius, Beiträge zur Anatomie des N. opt. (Archiv für Ophthalm. Bd. XXIX, Abt. 4). — Deyl, Über den Eintritt der A. centralis retinae in den Sehnerven beim Menschen (Anat. Anzeiger, Bd. XI). — Tandler, Zur Entwickelungsgeschichte der Kopfarterien bei den Mammalia (Morph. Jahrbuch 1902, Bd. 30). — Elze, Beschreibung eines menschlichen Embryos von ca. 7 mm grösster Länge unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach der Entwickelung der Extremitätenarterien und nach der morph. Bedeutung der lat. Schilddrüsenanlage (Anat. Hefte, Bd. 35, 1908). Nachdem ich nun im Innsbrucker anatomischen Institute Gelegenheit hatte, eine Anzahl menschlicher Embryonen auf ihre Augengefässe genauer zu untersuchen, möchte ich kurz berichten, was ich dabei gefunden habe. Alle Embryonen, von denen im folgenden die Rede sein soll, stammen aus der Samm- lung des Herrn Prof. Dr. Hochstetter, dem ich für die liebenswürdige Bereitstellung dieses wertvollen Materials gleich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche. 1* 4 F. DEDEKIND, Ich will nun zunächst von der Beschreibung des Auges eines menschlichen Embryos (Ma,) ausgehen, der ungefähr von der Mitte des zweiten Monats stammen dürfte, dessen Länge vom Scheitel zum Steiss gemessen 19 mm und dessen Kopflänge 12 mm beträgt. Von den in den Hisschen Normen- tafeln abgebildeten Embryonen dürfte er seinem Alter nach ungefähr jenem entsprechen, der in Fig. 24 der X. Tafel wieder- gegeben. ist. Dass ich gerade diesen Embryo zum Ausgangspunkt wähle, geschieht. hauptsächlich deshalb, weil er für die Zwecke meiner Untersuchung ganz besonders geeignet war. Denn abgesehen von seiner völlig einwandsfreien Konservierung und Verarbei- tung zeigen sich in der Serie die Blutgefässe ad maximum er- weitert und mit Blutkörperchen erfüllt, so dass es verhältnis- mässig leicht möglich war, den Verlauf der einzelnen Blut- gefässe zu verfolgen. Durch die Doppelfärbung mit Para- karmin und Bleu de Lyon ist in den Schnitten die Differenzierung der einzelnen Gewebe besonders deutlich ausgeprägt. Der Embryo ist in eine Querschnittserie zerlegt und so verläuft entsprechend seiner Krümmung die Schnittrichtung im Kopf- gebiete annähernd frontal. Die Untersuchung wurde in der Weise durchgeführt, dass nach dem bekannten Bornschen Verfahren ein Plattenmodell in 200 facher Vergrösserung hergestellt wurde. Die geringen Fehler, die durch das Ausgleichen der Stufen zwischen den Rändern der 3 mm dicken Platten vielleicht entstanden sind, dürften wohl kaum die Genauigkeit des Modells beeinträchtigen. Ich beginne im folgenden zunächst mit der Schilderung der Verhältnisse des Auges selbst und knüpfe dann daran die Be- schreibung seiner Blutgefässe. Obwohl, wie ich später aus- führen werde, ausser der Anlage der Cornea noch die der Chorioidea und Sclera bereits zu erkennen ist, habe ich, da sowohl die Chorioidea gegen die Sclera als auch letztere gegen Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 5 die Umgebung nicht scharf abgegrenzt ist, abgesehen von den Blutgefässen nur den Augenbecher mit dem Nervus opticus, die Linse und das Epithel der Cornea modelliert. Was nun die Formverhältnisse des Augenbechers anbelangt, so zeigt derselbe, wenn wir vom Foramen lenticulare absehen, annähernd Kugelgestalt (Fig. 2B). Denken wir uns diese Kugel ergänzt und die Augenachse als Kugelachse gezogen, errichten wir dann senkrecht auf diese Achse die Äquatorialebene, so zerfällt der Augenbecher in eine vordere und eine hintere Hälfte. Denken wir uns ferner noch eine horizontale und eine vertikale Meridianebene durch diese Kugel gelegt, so erhalten wir an der Oberfläche 8 Teilfelder, die wir zur leichteren. Orientierung als Octanten der Augenbecheroberfläche bezeichnen wollen. Die Stelle nun, an welcher der Nervus opticus sich in die Wand des Augenbechers einpflanzt, fällt nicht mit jenem Punkte zusammen, in welchem die Augenachse den Hintergrund des Augenbechers trifft, sondern liegt — wie auch im fertigen Zu- stande — weiter medial. Stellen wir uns das modellierte Auge gleich gross vor wie das des fertig entwickelten Menschen, sJ sehen wir, dass, während in letzterem Falle die Entfernung zwischen Fovea centralis und Papilla nervi optiei 3,9 mm (nach Merkel) beträgt!), das embryonale Auge in diesem Stadium eine Distanz von ca. 5,4 mm aufweisen würde. Einen weiteren Unterschied erblicken wir ferner noch darin, dass bei dem modellierten Auge die Insertio nervi optiei nicht rein medial sondern auch allerdings nur in sehr geringem Masse gegen den hinteren unteren nasalen Octanten verlagert ist. Die Oberfläche des Augenbechers ist allenthalben glatt, das Foramen lenticulare annähernd rund (Fig. 2). Um nun einen Ein- blick in den von der hinteren Linsenfläche und der Innenlamelle des Augenbechers begrenzten Raum zu gewinnen, wurde der 1) Merkel, Handbuch der topographischen Anatomie. I. Bd. 1885—1890. S. 282. 6 F. DEDEKIND, Bulbus durch einen Schnitt halbiert, der aber nicht genau horizontal geführt wurde, weil zugleich die Insertionsstelle des Sehnerven bei der Schnittführung miteinbezogen wurde (Fig. 3). Durch diesen Schnitt sind natürlich auch die beiden Lamellen des Augenbechers quer getroffen. Die äussere ist sehr dünn und besteht aus einer einzigen Lage bereits stark pigmentierter Zellen. Die innere ist insbesondere in der hinteren Hälfte relativ dick, so dass die Dicke beider Lamellen in diesem Bezirke un- gefähr dem Verhältnisse 1:10 entspricht. Wir sehen ferner, dass gegen den Augenbecherrand zu das Pigmentblatt an Dicke etwas zu-, das innere Augenbecherblatt dagegen abnimmt. — Beide Lamellen erscheinen durch einen breiten Spalt von- einander getrennt und ausserdem buchtet sich das Innenblatt an verschiedenen Stellen gegen den Glaskörperraum vor, was begreiflicherweise am Modell nicht wiedergegeben wurde. Denn zweifellos handelt es sich dabei um postmortale resp. bei der Fixierung entstandene Veränderungen, da wohl anzunehmen ist, dass die Innenlamelle des Augenbechers der Aussenlamelle am lebenden Objekte ziemlich innig anliegt und von ıhr nur durch einen capillaren Spalt getrennt erscheint. — Das innere Blatt zeigt bereits eine Reihe von Schichten differenziert (Fig. 4). Zu äusserst sieht man eine verhältnismässig breite Schichte dicht gelagerter Zellkerne, dann folgt eine erheblich dünnere kernarme Zone, in der man bei starker Vergrösserung radıär verlaufende Faserzüge wahrnimmt, weiters sehen wir dann nach innen vorschreitend abermals eine an Zellkernen reichere Schichte, an welche sich endlich zu innerst das Ausbreitungs- gebiet der Nervenfasern des Opticus anschliesst. Was den Durchmesser des Foramen lenticulare anbelangt, so übertrifft derselbe um ein Geringes den Durchmesser des Linsenäquators, so dass man also am Modell die Linse aus dem Augenbecher herausheben kann (Fig. 3). Die Linse selbst zeigt sowohl an ihrer vorderen als auch an - Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. f ihrer hinteren Fläche eine ziemlich gleichstarke Wölbung. Sie ist bereits zu einem soliden Organ geworden, wenn wir von dem capillaren Spalte absehen, der das Linsenepithel von den Linsen- fasern trennt. Der Übergang letzterer in das Linsenepithel voll- zieht. sich in derselben Weise wie bei der fertig entwickelten Linse. Die Linsenoberfläche ist überall glatt (Fig. 3L). Die Grösse ihres äquatorialen Umfangs beträgt ca. 1,25 mm. Während beim erwachsenen Menschen das Verhältnis des sagit- talen Linsendurchmessers zum äquatorialen bei ausgeschalteter Accomodation ungefähr 1: 1,8 beträgt, finden wir bei der embryonalen Linse unseres Stadiums ein Verhältnis von 1: 1,14. Der Raum, den die Linse im Innern des Augenbechers verdrängt, beträgt schätzungsweise 1/, des gesamten Inhaltsvolumens. Zwischen der hinteren Linsenfläche und der Innenlamelle des Augenbechers finden wir die Anlage des Glaskörpers, der unter dem Mikroskope bei starker Vergrösserung eine fein- faserige Struktur zeigt. In unmittelbarer Nachbarschaft der Retina treten diese Fasern deutlicher hervor als im Centrum. In jenem Gebiete des Glaskörpers, der sich an die hintere Linsen- fläche anschliesst, sehe ich ferner noch einzelne sternförmig verästigte Zellen, über deren Herkunft und Bestimmung ich keine Angaben zu machen vermag. Der Stiel des Augenbechers wird vom Nervus opticus gebildet, der sich als ein solider Strang markloser Nervenfasern präsentiert. Nur an seiner Abgangsstelle vom Zwischenhirne erstreckt sich eine kleine Ausladung des Zwischenhirnhohlraums in die Wurzel des Opticus hinein. Diese Ausladung hat die Gestalt eines kurzen, sehr bald blind endigenden Trichters. Der Verlauf des Opticus ist ein ziemlich geradliniger, sein Quer- schnitt in der Nachbarschaft des Augenbechers rundlich, im cerebralen Drittel annähernd dreieckig mit einer hirnwärts ge- richteten Ecke. Was den Winkel anbelangt, den die Verlaufs- richtung des Nervus opticus mit der Medianebene einschliesst, [0 6) F. DEDEKIND, so ist es interessant hervorzuheben, dass derselbe ziemlich stark gegenüber jenem Winkel differiert, den wir im fertigen Zustande antreffen. Durch möglichst genaue Berechnung habe ich nämlich bei dem modellierten Auge gefunden, dass der Opticus mit der Medianebene einen Winkel von ca. 650 bildet, während im fertigen Zustande derselbe bedeutend kleiner, näm- lich ungefähr nur 38-400 ist. Betreffs der lokalen Orientierung in bezug auf den Nervus opticus will ich alles, was innerhalb des genannten Winkels liegt, als nasal, was sich ausserhalb befindet, als temporal vom Opticus gelegen bezeichnen. Un- mittelbar vor der Stelle nun, an der der Nerv in den Augenbecher eindringt, findet sich an der nasalen Seite seines peripheren Endes eine Öffnung, die dem Eintritte der Arteria hyaloidea dient. Diese Öffnung führt in einen Kanal, der den Opticus in der Weise durchsetzt, dass beim Eintritt in den Bulbus die Aus- mündungsstelle genau in der Mitte des Sehnerven gelegen isi (Fig. 2 und 3). Die in das Innere des Augenbechers gelangten kompakten Faserbündel des Nervus opticus breiten sich von ihrer Eintrittsstelle aus nach allen Seiten hin an der Innenfläche der inneren Augenbecherlamelle gleichmässig aus und bilden die schon früher erwähnte Sehnervenfaserschichte. Dieselbe ver- jüngt sich peripheriewärts allmählich und verschwindet schliess- lich vor dem Äquator des Augenbechers gänzlich. Betrachten wir nach einer photographischen Abbildung von aussen die Augengegend des Embryos, so sehen wir bereits ganz deutlich eine querovale Augenspalte, die oben und unten bereits von den schwach hervortretenden Lidwülsten begrenzt wird. Wie die Schnittserie zeigt, ist das untere Augenlid dem oberen in der Entwickelung etwas voraus. Zwischen beiden Lid- anlagen sehen wir ferner von aussen noch eine dem Hornhaut- epithel entsprechende, gleichmässig sphärisch gekrümmte Vor- wölbung des Ectoderms, die, trotzdem sie zwischen sich und der vorderen Linsenfläche eine Lage dicht gedrängter Mesoderm- Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 9 zellen aufweist, dennoch die Linse nach aussen hin durch- schimmern lässt. Selbst in unmittelbarer Nachbarschaft der Linse sieht man in der genannten mesodermalen Zellschichte noch nichts von einer Spaltbildung, die etwa als Anlage der vorderen Augenkammer anzusehen wäre. Sonstige bemerkenswerte Einzelheiten weist das Auge nicht auf. Wichtig zu erwähnen wäre nur noch der Umstand, dass eine dichte Anordnung des Mesoderms eng um das an der Bulbusoberfläche gelegene Capillarnetz herum in der Serie schon die erste Anlage der Sclera andeutet. — Desgleichen sind schon die Muskeln des Augapfels angelegt, die in der Schnittserie ebenfalls als entsprechende dichter gruppierte Meso- dermpartien hervortreten. Ihre Insertion an der Oberfläche des Bulbus erfolgt in der Weise, dass die das Muskelgewebe vor- stellenden Zellen direkt in die noch vollkommen gleichartig beschaffenen Sclerazellen übergehen. Die Blutgefässe des Auges zeigen, soweit ich sie verfolgen konnte, bereits recht grosse Ähnlichkeiten mit den Blutgefässen des Auges älterer Embryonen, etwa vom 4. oder 5. Monate. Auf die Differenzen, die sich mit Berücksichtigung der Ver- laufsrichtung, der Lage und des Abgangs der Gefässe bei den verschiedenen Stadien ergeben, kommen wir im folgenden zurück. Die A. ophthalmica verläuft bei unserem Stadium an der caudalen Seite des N. opticus bis zu dem Orte ihrer weiteren Verzweigung. Auf dieser Strecke gibt sie temporalwärts zwei kleine Gefässe ab, welche sich jedoch nicht lange verfolgen lassen und sich bald in der nächsten Umgebung des Opticus verlieren. Ob diese Gefässe jenen entsprechen, die im aus- gebildeten Zustande zur Opticusscheide ziehen oder ob sie die Anlage von Muskelarterien sind, will ich dahingestellt sein lassen. Dort, wo das Distale dieser Gefässchen abgeht, teilt sich der Stamm der Ophthalmica in 2 Äste, von denen der eine 10 F. DEDEKIND, als A. ciliaris longa temporalis sive lateralis zur temporalen Seite des Augenbechers zieht, der andere aber nach ganz kurzem Verlauf als sekundäre Zweige die A. hyaloidea und A. ciliaris longa nasalis sive medialis abgibt. Die direkte Fortsetzung der A. ophthalmica bildet in diesem Stadium nicht die A. hyaloidea sondern die A. ciliarıs longa temporalis, da diese 1. die Ver- laufsrichtung der Stammarterie ziemlich genau beibehält und 2. das stärkste von den genannten Gefässen ist (Fig. 3, a. c. 1. t.). Sie ist also die direkte Fortsetzung der A. ophthalmica, während die A. hyaloidea und ciliarıs longa nasalis nur Abzweigungen von einem kurzen Nebenaste des Hauptstammes sind. — Die beiden Ciliararterien verlaufen in annähernd gerader Richtung zu den entsprechenden Bulbuspartien, woselbst sie sich dann schliesslich in ihre Endcapillaren auflösen. Da der unmittelbare Übergang dieser Arterien in das venöse Stromgebiet der mitt- leren Augenhaut nicht sicher festzustellen war, endigen sie im Modell blind (Fig. 1 u. 2). Die A. hyaloidea befindet sich in der Gegend ihres Ab- gangs an der temporocaudalen Seite des N. opticus, erreicht bald dessen caudale Seite, umgreift im weiteren Verlaufe den. unteren nasalen Abschnitt des Sehnerven und dringt, wie be- reits früher erwähnt, im unteren nasalen Quadranten der Opticus- insertion in das Centrum des Nerven ein (Fig. 2, E), um von da geraden Weges zur Gegend der Papilla nervi optici zu ziehen. Hier betritt sie den Glaskörperraum, ist aber nur mehr von kurzem Bestande. Denn nach einer Verlaufsstrecke von ungefähr 0,2 mm beginnt sie sich derart zu verzweigen, dass man keinen der vorhandenen Äste als direkte Fortsetzung der A. hyaloidea oder überhaupt als Hauptstamm der Glaskörper- gefässe mehr ansehen kann. Dabei handelt es sich nicht um eine blosse dendritische Verzweigung, sondern zwischen den einzelnen Ästen fand ich wenigstens bei diesem Stadium im peripheren Anteil des Glaskörperraums auch Anastomosen vor. Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 11 Man kann also direkt von einem arteriellen Wundernetze im Innern des Augenbechers sprechen. An der hinteren Linsen- fläche bilden die miteinander anastomosierenden Gefässe ein dichtes Netzwerk, das die Anlage der Tunica vasculosa lentis darstellt. Diese Gefässverzweigungen befinden sich also vor- läufig nur an der hinteren Linsenfläche und reichen bis zum Äquator der Linse (Fig. 3, t. v. 1.). Zwischen den einzelnen Vasa hyaloidea propria und um dieselben herum findet man allenthalben die feinfaserige Masse des Glaskörpers, der in seinem peripheren Anteil noch ausserdem, wie schon erwähnt, sternförmige Mesodermzellen enthält. Ausser den besprochenen Arterien konnte ich bei diesem Stadium keine mehr finden. — Das an der hinteren Linsenfläche befindliche Gefässnetz findet seine Fortsetzung in der Weise, dass einige kleine Gefässtämme über den Augenbecherrand hinweg in jenes Capillarnetz übergehen, das der Aussenfläche des Augenbechers eng anliegt und denselben überall umspinnt. Dieses Capillarnetz stellt die Anlage der Chorioidea vor (Fig 1, Ch), worauf wir später noch zurückkommen werden. Es bezieht also dieses Gefässnetz sein Blut einerseits aus den Verzweigungen der A. hyaloidea, andererseits aus den beiden langen Ciliararterien, was wir schon oben andeuteten. Nur muss nochmals hervorgehoben werden, dass es nicht möglich war, den Übergang der Zweige dieser Ciliararterien in das Capillarnetz mit Sicherheit zu verfolgen. Letzteres wird an der hinteren Bulbushälfte immer dichter und man sieht hier bereits eine ausgesprochene Differenzierung zweier Gefäss- schichten: 1. ein Netz sehr feiner Capillaren eng der Pigment- schichte der Retina anliegend und 2. ein viel gröberes Netz mit weiteren Gefässmaschen, das gesondert von ersterem an die Oberfläche tritt. Wir haben also hier bereits Zustände vor uns, die den fertigen entsprechen, indem eine Schichtung in eine Lage feinerer und gröberer Capillaren schon vollzogen 12 F. DEDEKIND, ist. An der vorderen Hälfte des Bulbus ist etwas Derartiges noch nicht wahrzunehmen. — Ein weiterer Umstand, der an die ausgebildeten Verhältnisse erinnert, ist ferner der, dass sich schliesslich das venöse Blut in 4 kleinen Venenstämmen, den Venae vorticosae sammelt, von denen je ein Gefäss aus je einem der hinteren Octanten das Blut cerebralwärts fort- führt. Nach kurzem Verlaufe münden die beiden oberen in einen grösseren Venenstamm, die Vena ophthalmica superior (Fig. 1), die zwei unteren in die erheblich stärkere Vena oph- thalmica inferior, die erst im hintersten Anteil der Orbita die obere Augenvene aufnimmt. Verfolgen wir diesen durch den Zusammenfluss beider Venae ophthalmicae entstandenen Ge- fässtamm in der Schnittserie weiter, so sehen wir, dass er lateral vom N. opticu$ gelegen in das Cavum cranii eintritt und im weiteren Verlaufe die Hypophyse an ihrer lateralen Seite passiert. Dieser zuletzt erwähnte Abschnitt entwickelt sich später, wie H. Salzer (‚Über die Entwickelung der Kopf- venen des Meerschweinchens‘) gezeigt hat, zum Sinus caver- nosus. Von einem solchen ist aber, wie derselbe Autor angibt, selbst bei einem dreimonatlichen menschlichen Embryo noch nichts zu sehen, da auch zu dieser Zeit noch an Stelle des Sinus cavernosus ein einfacher Gefässtamm gefunden wird. Anschliessend an die hintere Partie des Bulbus sehen wir endlich im Modelle noch ein engmaschiges venöses Capillar- netz, das vor allem den Raum innerhalb des Augenmuskel- kegels erfüllt und dessen Dichte im rückwärtigen Anteile der Augenhöhle wieder abnimmt. Der Abfluss dieses Capillarnetzes erfolgt teils in die V. ophthalmica sup., teils in die inf. (Fig. 1). Die zuletzt genannten Venen empfangen auch entsprechend ihrer Lage das venöse Blut von der oberen resp. unteren Lidanlage. Ausser dem besprochenen Stadium untersuchte ich auch noch einige andere auf die Entwickelung der Augen und ihrer Gelässe, ohne jedoch die gefundenen Verhältnisse zu model- Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 13 lieren. Es standen mir da folgende Embryonen zur Verfügung, die ich nun entsprechend ihrem Alter aufzählen will. Von dem jüngsten, der sich im Besitze des Herrn Prof. Braus in Heidelberg befindet, stellte ich, nachdem der Be- sitzer diesen Embryo Herrn Prof. Hochstetter mit der Er- laubnis übersandt hatte, die Augen zu modellieren, ein Platten- modell her, das aber leider betreffs der Gefässe des Auges nicht instruktiv ist. Die grösste Länge dieses Embryos be- trägt 6 mm, seine Kopflänge 4,75 mm. Das Stadium ist in- sofern interessant, als das Linsensäckchen gerade im Begriffe steht sich zu schliessen und vom Ectoderm abzuschnüren. Man sieht also von aussen im Ectoderm eine kleine kreisrunde Öff- nung, die in das Lumen des Linsensäckchens führt. — In der fötalen Augenspalte war es wohl möglich, den Verlauf der A. hyaloidea bis zur Linsengegend zu verfolgen, allein der weitere Zusammenhang dieser Arterie mit der Carotis interna, also der eigentliche Stamm der späteren A. ophthalmica, ent- zog sich gänzlich meiner Beobachtung. Ich will mich daher gleich zu den nächsten Stadien wenden, die ich der Übersichtlichkeit halber schematisch anführen will. Sie alle stammen aus der Sammlung des Herrn Prof. Hoch- stetter, wobei ich an dieser Stelle bemerken will, dass die Embryonen Nr. 1, 2, 6, 7 und 8 in der jüngst erschienenen Mappe „Bilder der äusseren Körperform einiger menschlicher Embryonen aus den beiden ersten Monaten der Entwickelung“ von Prof. F. Hochstetter nach Originalphotogrammen ver- grössert wiedergegeben sind. Nr; Ch, Grösste Länge ca. 7 mm Kopflänge = 5,25 mm , Ma; a3 5 — 99 35 e a no: H. Sch, = Mi = al. EA: N; : r — 10 s =, » ee Ma, f : — 19 r — Eu 0: RP} 1; ; = i —\ . LE Ch, ; — nd ; — 14 F. DEDEKIND, Nr. 8. Eh, Scheit.-Steiss-Länge — 300 mm Kopflänge =,12 mm „ 9. Peh, E2 ’ ” = 33,4 „ ” = 15,9 „ „10: Peh, u 2 . =AbDu = — ae Von diesen Embryonen waren für die Zwecke meiner Untersuchung verwendbar Nr. 1, 3, 4, 6, 8, 9 und 10. Beim Embryo Ma, fand ich die Konservierung nicht so einwandsfrei wie bei dem eingangs besprochenen modellierten Stadium, zudem war die Füllung der Blutgefässe nur mangel- haft. Ich will daher von diesem Embryo, sowie von den beiden anderen Ma, und Ch,, bei denen ich gleichfalls wie beim Brausschen Embryo den Stamm der Ophthalmica nicht mit völliger Sicherheit finden konnte, im folgenden vollständig absehen. Betrefis der Beschreibung des Auges vom Stadium Ch, verweise ich auf die eingangs angeführte Arbeit von C. Elze, der sich mit der Untersuchung dieses Embryos eingehend be- schäftigte. Die Blutgefässverhältnisse gestalten sich bei diesem Auge ‚olgendermassen. Auch hier sieht man die A. ophthalmica, leren Ursprung in der Schnittserie äusserst schwer auffind- bar war, caudal und zugleich temporal vom Sehnerven ver- laufen. Von einem Arterienlumen ist in der Serie nichts zu sehen, so dass man in manchen Schnitten das Schnittbild der Arterie fast nur vermuten kann. Dennoch aber war es mir möglich, dieses Gefäss peripherwärts weiter zu verfolgen. In ungefähr der halben Entfernung vom Bulbus erfolgt die nächste Verzweigung. Als direkte Fortsetzung findet man auch hier wieder die temporale Ciliararterie, die allerdings selbst bei starker Vergrösserung sich nur eine kurze Strecke weit ver- folgen liess. Die A. hyaloidea und ciliaris longa nasalis — letztere verschwindet gleichfalls rasch im mikroskopischen Bilde -- zweigen in einiger Entfernung vor der Gegend der Ein- pllanzungsstelle des Augenbecherstiels in den Augenbecher von Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 15 einem äusserst feinen gemeinsamen Gefässtamm ab, ein Ver- halten, das wir ja auch im ersten Falle gefunden haben. Die nasale Ciliararterie muss, um an ihren Bestimmungsort zu ge- langen, den Augenbecherstiel an seiner caudalen Seite kreuzen. Die A. hyaloidea sucht die fötale Augenspalte auf und betritt ungefähr im unteren nasalen Quadranten der späteren Opticus- insertion das Innere des Augenbechers. An dieser Stelle zeigt die Arterie zunächst eine relativ mächtige Anschwellung, die um so auffälliger ist, da bis dahin das Gefäss in der Serie sich von seiner Umgebung kaum abhob und sich nur mit Mühe weiter verfolgen liess. In der Höhlung des Augenbechers teilt sich dann die Arterie in zwei Äste, die sich aber an der hinteren Linsenfläche gleich wieder vereinigen. Das arterielle Strom- gebiet weiter zu verfolgen, war mir nicht möglich. Eng um den Bulbus herum sieht man bei diesem jungen Stadium zarte Venen, die in weiten Maschen vielfach mit- einander anastomosieren, ohne jedoch vorläufig auch nur die Spur irgend einer Schichtung aufzuweisen. Venae vorticosae fand ich keine. — Da die Embryonen H. Sch, und N, hinsichtlich ihres Alters kaum einen nennenswerten Unterschied zeigen, will ich sie zugleich nebeneinander besprechen. — In beiden Fällen finden wir das Colobom eben geschlossen und die Linse vom Ecto- derm losgeschnürt. Das Linsenbläschen besitzt noch ein weites Lumen und weist in dem dem Glaskörperraum zugewendeten Anteile die Anlage der langgestreckten Linsenfasern auf, wo- durch die hintere Linsenwand im Vergleich zur vorderen stark verdickt erscheint. Die Pigmentierung des Aussenblattes des Augenbechers ist bei beiden Augen spärlich, kaum angedeutet. Von einer Lidanlage sieht man noch nichts, dagegen breitet sich im Innern des Augenbechers bereits die feinfaserige Glas- körpermasse aus. Die A. ophthalmica zieht von ihrer Abgangsstelle aus der 16 F. DEDEKIND, Carotis an der temporalen Seite des Augenbecherstiels gegen die Peripherie und entsendet als Fortsetzung in annähernd gleicher Richtung die A. ciliarıs longa temporalis. Als ersten Nebenzweig fand ich bei N, ein kurzes rückläufiges Gefässchen, dessen weiteren Verlauf und Bestimmung ich aber nicht fest- stellen konnte. Ferner fand ich bei dem gleichen Objekt, ähn- lich wie bei Ch,, als nächsten Zweig der Ophthalmica eine feine, kaum verfolgbare Arterie an die caudale Seite des Opticus ziehen, woselbst sie sich gabelt, d. h. einen Ast, die nasale Ciliararterie, zur hinteren nasalen Bulbuspartie, einen anderen, die A. hyaloidea, ın das Innere des Augenbechers schickt. Zu diesem Zwecke betritt die Arterie den Augenbecherstiel nahe seiner Einpflanzungsstelle in den Bulbus, und zwar in seinem caudonasalen Anteil, zeigt dann beim Durchtritt eine starke ampullenförmige Anschwellung und verzweigt sich dann weiter im Glaskörperraum, von wo bereits über den Augen- becherrand hinweg Verbindungszweige mit den Gefässen an der Oberfläche des Bulbus nach aussen treten. Was die Ciliararterien und die A. hyaloidea anbelangt, so verhält sich der Embryo H. Sch, ziemlich ähnlich. Die einzige Differenz besteht nur darin, dass die Glaskörperarterie und die nasale Ciliararterie gesondert voneinander aus der Ophthalmica entspringen, dass also hier das gemeinsame Ur- sprungsgefäss jener beiden Arterien, wie wir es sonst gefunden haben, vermisst wird. An der Aussenfläche des Bulbus finden wir bei diesen Stadien die Chorioidea als einfaches, einschichtiges Gefässnetz ‚angelegt, aus dem zwei kleine Venenstämmchen hervorgehen, die sich bis zur Vena ophthalmica inferior verfolgen liessen. Letztere übertrifft die V. ophthalmica superior an Stärke sehr beträchtlich, was in gleicher Weise auch für das Auge von Ch, gilt. Über das Auge des Stadiums P, ist nur wenig zu berichten. Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 17 Die Linsenfasern bilden hier bereits eine starke, wulstige Vor- ragung gegen das Lumen der Linse, so dass letzteres im Ver- gleich zu den früheren, jüngeren Stadien schon beträchtlich mehr ausgefüllt erscheint. Die Pigmentierung der äusseren Lamelle des Augenbechers ist schon deutlich zu sehen. Eine leicht oval umgrenzte, von aussen nur wenig sichtbare Faltung des Ectoderms deutet die Gegend der ersten Anlage der Augen- lider an. Was die arterielle Blutversorgung dieses Auges anbelangt, so ist kaum etwas Neues hinzuzufügen. Im Verlaufe, ın der Lage und Verzweigung der A. ophthalmica hat sich im wesent- lichen nichts geändert. Auch hier entspringen die Aa. hyaloidea und ciliaris longa nasalis gemeinschaftlich aus einem kurzen Aste der Ophthalmica. — Das Venennetz der Bulbusoberfläche erscheint hier etwas dichter als in den früheren Fällen. Beı diesem Embryo war es mir gleichfalls noch nicht möglich, die vier Wirbelvenen aufzufinden. Der nächste von mir untersuchte Embryo Eh, ist nur um weniges älter als das Stadium Ma,. Der Opticus ist bedeutend dicker geworden, enthält aber an seiner Abgangsstelle noch immer eine ganz kurze Fortsetzung der Zwischenhirnhöhlung. Im übrigen hat sich am Auge wenig geändert. Zunächst verläuft die A. ophthalmica genau caudal vom N. opticus, rückt aber zugleich peripherwärts fortschreitend immer mehr an dessen temporale Seite, so dass ihre schliess- liche Verlaufsrichtung in bezug auf den Sehnerv als eine caudo- temporale bezeichnet werden kann, ein Verhalten, das uns ja von den früheren Embryonen her bereits geläufig ist. Die ersten abzweigenden Arterien sind auch hier wiederum feinste Ästchen, die allem Anscheine nach nur für die Opticusscheide bestimmt sind. Ungefähr in der Gegend der Hälfte der Ver- laufsstrecke des Sehnerven fand ich eine Gabelung ın drei Äste, die sich in der Weise vollzieht, dass ein ziemlich starker Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114. Heft ı38. Bd., H. 1). 2 18 F. DEDEKIND, Ast an der temporalen Seite des Opticus aufsteigt, denselben cranialwärts kreuzt und so in den medialen Abschnitt der Orbita gelangt, wo er in annähernd sagittaler Richtung nach vorne zieht, immer dünner wird und schliesslich verschwindet. Der zweite Ast, der ungefähr gleich stark wie der erste ist, behält in bezug auf den Nerv die Richtung der A. ophthalmica bei, nur mit dem Unterschiede, dass die Distanz zwischen ihm und dem Opticus allmählich um weniges zunimmt, so dass dieses Gefäss schliesslich genau temporal vom Sehnerven ge- legen zur hinteren lateralen Bulbushälfte zieht. Der dritte Ast endlich ist auffallend dünn, zieht zur caudalen Seite des Opticus und teilt sich bald in zwei Äste, von denen der eine der nasalen Bulbuspartie zustrebt, der andere in der Gegend der Opticus- insertion im caudonasalen Anteile derselben in den Nerv ein- dringt. Die Deutung dieser drei Äste ist nicht schwer. Die zuletzt genannten beiden dünnen Zweige, die von einem kurzen gemeinsamen Stamme abgehen, sind, wie ihre Verlaufsrich- tung ganz unzweideutig ergibt, einerseits die A. ciliarıs longa- nasalis, andererseits die A. hyaloidea. Der zweite Ast, der über den Opticus hinwegzieht, ist die Anlage der A. nasofron- talis, die wir bei keinem der früheren Stadien bisher angetroffen haben. Kurz nach ihrer Kreuzung mit dem Nerven gibt sie ein feines Gefäss zum Bulbus ab, das wohl sicher nur eine kurze Ciliararterie sein kann. Weitere Abzweigungen konnte ich nicht feststellen. Der letzte Ast endlich, der die Richtung der Ophthalmica ziemlich genau beibehält, ist die A. ciliaris longa temporalis. Sie entsendet nahe der Einpflanzungsstelle des Opticus einen feinen Nebenzweig in cranialer Richtung zum Bulbus. — Im Glaskörperraume ist die Verzweigung der A. hyaloidea äusserst reichlich. Infolge der grossen Zahl quer- getroffener Gefässlumina war es durch blosses Verfolgen der einzelnen Schnitte nicht möglich, eine sichere Entscheidung zu treffen, ob sich bei diesem Embryo die Vasa hyaloidea Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 19 propria nach Art eines Wundernetzes ausbreiten oder sich nur rein dendritisch verzweigen. Injizierte Präparate würden in dieser Hinsicht instruktiver sein. Die Tunica vasculosa lentis ist vollkommen ausgebildet, die Gefässschichten der Chorioidea deutlich differenziert. Was endlich die Venen im allgemeinen anbelangt, so sehen wir, ‚wenn auch in primitiver Art, schon fertige Zustände vor uns. Bei dem nun folgenden Embryo Peh, zeigt auch die arte- rielle Gefässausbreitung des Auges, abgesehen natürlich von den Verästelungen der A. hyaloidea im Bulbusinnern und von der in voller Ausdehnung vorhandenen Tunica vasculosa lentis, bereits fertige Verhältnisse. Von der A. nasofrontalis sehen wir gleich nach ihrem Abgange vom Stamm der Ophthalmica in sagittaler und zugleich etwas lateraler Richtung eine Arterie abzweigen, die entsprechend ihrer Verlaufsrichtung nichts anderes als die A. lacrimalis sein kann. Die Nasofrontalis selbst umgreift in der bekannten Weise den N. opticus und gibt, an die mediale Wand der Orbita gelangt, die beiden Ethmoidal- arterien ab. Die A. hyaloidea und ciliaris longa nasalis gehen wieder von einer kurzen und äusserst dünnen gemeinsamen Ursprungsarterie ab und, wie die frontal geschnittene Serie deutlich zeigt, dringt die Glaskörperarterie auch bei diesem Stadium genau im unteren nasalen Quadranten des Opticus in das Centrum desselben ein. Die Verzweigung der A. hyaloidea in der Höhlung des Augapfels ist eine ungemein reichliche und, wie die genaue Durchsicht der Serie mit Bestimmtheit ergibt, sind die Retinagefässe noch immer nicht angelegt. Der Glaskörper zeigt so wie in den früheren Stadien seine fein- faserige Struktur sowohl zwischen den Vasa hvaloidea propria als auch im peripheren Gebiete des Bulbusinnern. Neben den langen Ciliararterien sehen wir auch einige kurze ausgehend von der A. nasofrontalis zur hinteren Bulbushälfte ziehen. 2* 20 F. DEDEKIND, Das letzte Stadium endlich, das mir zur Verfügung stand, der Embryo Peh,, zeigt uns die Verhältnisse, die wir beim ausgebildeten Auge finden, in noch weitgehenderem Masse aus- geprägt. Speziell hervorzuheben wäre etwa nur folgendes: Obzwar die Verzweigungen der A. hyaloidea den Glaskörper- raum dicht erfüllen, daher auch manche dieser Gefässe in unmittelbarer Nähe der Retina verlaufen, kann man doch mit Bestimmtheit sagen, dass Blutgefässe der Retina auch bei diesem Stadium noch nicht angelegt. sind. Es sei ferner ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Eintrittsstelle der Glaskörperarterie in den Opticus wieder im unteren nasalen Viertel gelegen ist, und zwar ca. */,, mm hinter der Insertionsstelle des Seh- nerven. — Wollen wir nun das Gefundene kurz zusammenfassen, SO ergibt sich folgendes: Soweit ich die Verhältnisse an gut kon- servierten und in jeder Hinsicht einwandsfreien Präparaten. untersuchen konnte, fand ich, dass jene Gefässe, die einmal zur Anlage gekommen sind, auch dauernd bestehen bleiben, sich folglich auch im ausgebildeten Zustande noch vorfinden. Wir sehen also, abgesehen selbstverständlich von der Glas- körperarterie mit ihren Verzweigungen, keine Rückbildung eines bereits vorhandenen Gefässes auftreten. Das gleiche wie für den Bestand der Gefässe gilt, wenn auch in etwas beschränk- terem Masse, für ihren Abgang und ihre Verlaufsrichtung, wenn man vielleicht von geringen Verschiebungen absehen will. Es scheint diese Tatsache nicht allein für die Augengefässe im engeren Sinne, also für die Verzweigungen der A. ophthalmica zu gelten, sondern auch für letztere selbst, da diesbezüglich Tandler in seiner Arbeit, welche ich zu Beginn dieser Ab- handlung zitierte, unter anderem auf Seite 367 sagt: „Geradeso wie bei der Ratte findet sich auch beim Menschen die A. oph- ‘ thalmica als primärer Ast der Carotis cerebralis.‘‘ Bis hinauf zu dem ältesten besprochenen Stadium fanden wir ferner nie Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 21 irgend eine Andeutung von Retinagefässen, weshalb ich auch immer nur von einer A. hyaloidea und nicht centralis retinae sprach. O0. Schultze, der etwas ältere Stadien menschlicher Embryonen auf ihre Augengefässe hin untersuchte und Injek- tionspräparate herstellte, kam zu dem Ergebnis, dass die Retina- gefässe bei dreimonatlichen Embryonen bestimmt noch nicht angelegt seien, während er sie bei einem sechsmonatlichen bereits vollständig bis zur Ora serrata ausgebildet fand. — Betreffs des fast konstant vorgefundenen Abgangs der A. eiliarıs longa nasalis und hyaloidea von einem kurzen gemeinsamen Arterienstamme möchte ich darauf aufmerksam machen, dass auch für das fertige Auge dieses Verhalten in den meisten Fällen zutreffen soll. Ausdrücklich hervorheben will ich schliesslich noch die Beziehungen der A. hyaloidea zum Sehnerven, da ja bei dieser Gelegenheit die vielumstrittene Behauptung einer Rotalion des Bulbus und auch des peripheren Anteiles des Opticus in Frage kommt. Wie ich schon bei Besprechung der einzelnen Augen- stadien immer wieder betonte, geht aus den Schnittserien ganz zweifellos hervor, dass der Eintritt der Arterie immer an der gleichen Stelle des Sehnerven erfolgt und im Laufe der Ent- wickelung, soweit wenigstens wir dieselbe verfolgten, mit Be- stimmtheit keine Rotation stattfindet. Nach diesen Befunden erscheint daher die Behauptung von Vossius zweifelhaft, der auf Seite 119 seiner bereits erwähnten Arbeit angibt, dass sich der Augapfel im Laufe der embryonalen Entwickelung um seine Achse mindestens um 90° drehe, und zwar in der Rich- tung von innen nach unten und aussen. Der Zustand, den wir in allen Präparaten in gleicher Weise ganz unzweideutig vorfanden, müsste sich also nach Vossius m der Weise ändern, dass die Eintrittsstelle der A. hyaloidea in den Sehnerv schliesslich an dessen unteren temporalen Quadranten zu liegen komme. Letzteres sieht er auch als normales Verhalten beim DD DV F. DEDEKIND, ausgebildeten Auge an. Nach den Untersuchungsresultaten von Deyl jedoch muss aber auch diese Behauptung angefochten werden, da dieser Autor in einer kurzen Abhandlung (siehe Anfang!) den Beweis zu erbringen versucht, dass die Annahme einer Rotation während des embryonalen Lebens nicht zu- treffend sei. Durch Präparation der Orbitagefässe von unten fand er nämlich auch im fertigen Zustande in jedem Falle die Eintrittsstelle der A. centralis retinae im unteren nasalen Quadranten, also ganz entsprechend unseren Befunden liegen. Das gleiche konnte er auch bei älteren Embryonen mit Sicher- heit feststellen. Nach unseren schliesslichen Ergebnissen nun liegt kein Grund vor, die Annahme einer Rotation des Auges samt der orbitalen Partie des Sehnerven wenigstens für den Menschen aufrecht zu erhalten. Es spricht dafür weiter noch der Umstand, dass die zum Augapfel ziehenden Muskeln schon zur Zeit ihrer Anlage annähernd so verlaufen, wie es auch dem fertigen Zustand entspricht, was natürlich nicht der Fall sein könnte, wenn sich der Bulbus drehte. Nach Vossius beteiligt sich nämlich auch der Muskelkegel an der Rotation. — Auch die übrigen Augengefässe müssten bei einer eventuellen Drehung des Bulbus sicher in Mitleidenschaft gezogen werden, wodurch aber der Verlauf dieser Gefässe beim erwachsenen Menschen ganz anders beschaffen sein müsste, da, wie wir gesehen haben, alle Blutgefässe in bezug auf Abgang, Lage und Verlaufsrichtung von allem Anfang an so angelegt werden, wie es beiläufig den fertigen Verhältnissen entspricht. Es wäre nun interessant, die Entwickelung der Blutgefässe des menschlichen Auges mit den Befunden bei einem höheren Wirbeltiere zu vergleichen. Allein die Arbeiten auf diesem Gebiete sind bisher sehr spärlich und nur vom Kaninchen liegt eine ausführliche Arbeit über die Entwickelung der Augen- gefässe vor: H. Fuchs, „Zur Entwickelungsgeschichte des Wirbeltierauges. 1. Über die Entwickelung der Augengefässe des Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 23 Kaninchens.‘“ — Da also vorläufig das Kaninchen das einzige Wirbeltier ist, bei welchem die Entwickelung der Augengefässe eingehender studiert wurde, will ich es nicht unterlassen, wenigstens auf die hauptsächlichsten Verschiedenheiten und. Ähnlichkeiten hinzuweisen, die wir einerseits beim Menschen, andererseits beim Kaninchen hinsichtlich der sich entwickelnden, sowie der definitiven Augengefässe vorfinden. Es erscheint mir zweckmässig, dabei vom ausgebildeten Zustande auszugehen und zunächst die fertigen Augengefäss- verhältnisse beim Menschen und Kaninchen kurz zu skizzieren und einander gegenüberzustellen. Auf alle näheren Details je- doch will ich dabei verzichten, da dies für den Rahmen dieser Abhandlung viel zu weitläufig wäre. Da ferner die arteriellen (Gefässverhältnisse das Hauptinteresse beanspruchen, will ich im folgenden nur von diesen reden. Als Schema für die Anordnung der Augengefässe beim Menschen wähle ich zu diesem Zwecke jenes, das F. Meyer in seiner Arbeit „Zur Anatomie der ÖOrbitalarterien“, die sich im XI. Bande des morphologischen Jahrbuches findet, als Schema für die Norm angibt. Demnach gestaltet sich die arterielle Blutversorgung für das fertig entwickelte menschliche Auge folgendermassen: Von der A. ophthalmica gehen zunächst im hintersten Abschnitte der Orbita als erste Zweige kleine Muskeläste und Äste für die Sehnerven- scheide ab. Der nächst grössere von ihr abzweigende Stamm ist die A. centralis retinae, die für gewöhnlich mit der A. ciliaris medialis an der caudalen Seite des Opticus von einer kurzen gemeinsamen Ursprungsarterie abgeht. In einem Abstande von ca. 10—12 mm vom Bulbus entfernt betritt dann die A. centralis retinae den Sehnerv. Als weiterer Zweig der Ophthalmica folgt dann die A. ciliaris lateralis, die ebenfalls noch caudal vom Opticus gelegen entspringt, allein nach kurzem Verlaufe schon dessen laterale Seite erreicht. Der dritie grössere Stamm ist die 24 F. DEDEKIND, A. lacrimalis, die gewöhnlich dort abzweigt, wo die A. nas9- frontalis nasalwärts umbiegt, um über den Opticus zu ziehen. An der Kreuzungsstelle von Arterie und Nerv geht weiters die A. supraorbitalis ab, von deren Anfangsteil in der Mehrzahl der Fälle die A. ethmoidalis posterior entspringen soll. Schliess- lich wäre noch die vordere Ethmoidalarterie zu nennen, die vom peripheren Anteile der A. nasofrontalis medialwärts zieht. Im Gegensatze zum Menschen sehen wir beim Kaninchen im ausgebildeten Zustande die Augen- und Orbitalgefässe aus zwei Quellen stammen, von denen die eine die A. bulboorbitalis aus der Carotis externa, die andere die A. ophthalmica interna aus der relativ schwachen Carotis interna ist. Über den Ver- lauf und Eintritt der erstgenannten Arterie in die Orbita sei kurz folgendes gesagt. Die Carotis externa teilt sich in einen lateralen und medialen Ast. Letzterer ist der stärkere und zieht medial vom Musculus pterygoideus gelegen, den 3. Trigeminus- ast rückwärts und medial kreuzend nach aufwärts und gelangt so schliesslich zum Canalis pterygoideus. Fuchs nennt dieses Gefäss A. pterygoorbitalis und gibt weiterhin an, dass es sich beim Durchtritt durch den genannten Kanal in zwei Endäste teilt, von denen der eine eben als A. bulboorbitalis die Augen- höhle betritt. Hier gibt sie hauptsächlich folgende vier grössere Endäste ab: die A. lacrimalis, die A. glandulae Harderianae, die A. frontalis, von der als Nebenzweig eine A. ethmoidalis abgeht, und endlich die sich zur Unterseite des Opticus wendende A. ophthalmica externa, aus welcher kurze Ciliararterien, ferner die A. ciliaris longa temporalis, sowie ein Verbindungsast zur A. ciliaris longa nasalis hervorgehen. — Die A. ophthalmica interna gelangt durch das Foramen opticum in die Orbita, wobei sie in der Gegend ihres Durchtrittes an der unteren temporalen Seite des Opticus verläuft. Sie liefert, abgesehen von einer Ana- stomose, die sie mit der A. glandulae Harderianae eingeht, nur die A. centralis retinae, ferner entsendet sie in gleicher Weise \ "dungzuny "anIS°H N ladayonıq-suaaıuf E/I 12/9 L ReVe] ec ou IAN Uueurdusg If UOA 5 PPLOGSEN] PU [981 058) rl o ‘91 UHPEISEIYAT III Punposqy I Oyayy "Wtogwup Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 25 wie die A. ophthalmica externa einen Zweig zum Aufbau der A. eiliaris longa nasalis. Zur leichteren Übersicht sei auf die Abbildungen in den Tafeln der Fuchsschen Arbeit hin- gewiesen ! Aus diesen kurzen Angaben lässt sich schon ersehen, dass die Verhältnisse der Blutgefässe des Kaninchenauges viel kom- pliziertere sind als die des menschlichen Auges. Denn abgesehen davon, dass die Arterien, welche das Auge des Kaninchens mit. Blut versorgen, aus zwei Quellen stammen, finden wir bei diesen Tiere auch noch eine beträchtlich grössere Zahl von Arterienzweigen an das Auge selbst herantreten wie beim Men- schen. Ferner sehen wir beim Kaninchen eine ausgesprochene Neigung zur Bildung von Anastomosen zwischen den einzelnen Arterienzweigen. — Sind nun schon die Verhältnisse der Augen- gefässe beim ausgebildeten Kaninchen, wie wir sahen, recht komplizierte, so gestaltet sich ihre Entwickelung im Vergleiche zu dem ziemlich einfachen und klaren Entwickelungsgang, den wir bein Menschen fanden, noch ganz besonders verwickelt. Ich will daher in möglichster Kürze eine Übersicht über die Entwickelung der Augen und Orbitalgefässe des Kaninchens, wie sie Fuchs schildert, geben. Nach diesem Autor ziehen am 9. Tage der Entwickelung von der A. cerebri anterior feinste Capillaren zur medialen Wand der primären Augenblase. Direkt von der Carotis interna geht. nur die sogenannte A. hypophthalmica ab, die caudal vom Augenblasenstiel zur Gegend des ventralen Bulbusabschnittes nach vorne zieht. — Die genannte Arterie ist am nächsten, d.i. am 10. Tage, das stärkste Augengefäss. Neben den Ästen der A. cerebri anterior finden wir am gleichen Tage als schwächstes Gefäss schon die A. ophthalmica interna angelegt, deren Abzweigung aus jener Gegend erfolgen soll, wo die A. cerebri anterior aus der Carotis interna entspringt. Auch die Anlage der Choriocapillaris sehen wir am 10. Tage bereits 96 F. DEDEKIND, vollzogen. — Der nächste, der 11. Tag, bringt folgende Ver- änderungen in der Gefässanordnung mit sich. Die A. hyp- ophthalmica ist wieder verschwunden, an den übrigen Gelässen hat sich im wesentlichen nichts geändert. Hervorzuheben wäre ferner, dass der periphere Abschluss der Choriocapillarıs nun- mehr von einer Ringarterie, die die Gegend des Augenbecher- randes umkreist, gebildet wird. Diese Arterie, welche also den Umschlagsrand beider Augenblätter kreisförmig umfasst, ent- sendet gegen das Innere des Augenbechers die primäre A. hyaloidea, die durch die Augenspalte in den ventralen Abschnitt des Glaskörperraums zieht, wo sie nahe der hinteren Linsen- fläche eine Erweiterung, den Bulbus arteriosus hyaloideus, bildet. — Wir sehen dann weiterhin am 12. Tage eine Reduk- tion der Äste der A. cerebri anterior eintreten. Die Ophthalmica interna ist bedeutend stärker geworden. Sie entsendet die tem- porale Ciliararterie und gibt ferner noch einen zweiten Ast ab, der immer näher zu dem erwähnten Spross der früher genannten Ringarterie heranrückt, um schliesslich mit diesem Gefässe eine Verbindung einzugehen und so die definitive A. hyaloidea zu bilden. An dem Gefässnetze um den Bulbus ist schon eine deutliche Schichtung in eine Lage grösserer und feinerer Ge- fässe wahrzunehmen. — Von den Ästen der A. cerebri anterior ist am Ende des 13. Tages schliesslich nur noch die nasale Ciliararterie übrig geblieben. — Der 14. Tag endlich bringt weitgehende Veränderungen in der Anordnung der Augengelässe mit sich, die sich kurz folgendermassen gestalten. In der Gegend zwischen Cavum tympani und Labyrinth soll sich die Carotıs interna in einen medialen stärkeren, ihre eigentliche Fortsetzung bildenden und einen lateralen schwächeren Ast teilen, welch letzterer die A. stapedia ist. Diese gewinnt nun am 14. Tage für die Blutversorgung des Auges und seiner Umgebung insofern eine grosse Bedeutung, da sie mit einem Ramus orbitalis sämt- liche nunmehr zum ersten Male auftretende Orbitalarterien über- Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe d. Menschen. 27 nimmt. Denn von allen bisher genannten Gefässen sahen wir, dass sie nur Bulbusarterien im engsten Sinne des Wortes waren. Dieser Ramus orbitalis nun „zieht an der lateralen Seite des Ursprungs des 2. Trigeminusastes und weiterhin am ventralen Abschnitte der lateralen Seite des Ganglion Gasseri vorbei nach vorne und gelangt so in die Nähe der temporalen Seite des Auges.“ Seine Endzweige in der Orbita sind die A. lacrimalis mit der A. supraorbitalis, die A. frontalis mit der Ethmoidalis und A. glandulae Harderianae, ferner noch einige feine Muskel- zweige. Die A. cerebri anterior liefert von diesem Tage ab gar keinen Zweig mehr für das Auge, ist somit aus der Reihe der Bulbusarterien geschieden. Es entspringt nämlich jetzt sowohl die A. ciliaris longa nasalis wie temporalis, ferner noch die A. hyaloidea aus der Ophthalmica interna. Es wäre dies das einzige Stadium beim Kaninchen, das wir mit einem der oben besprochenen menschlichen Stadien in Parallele setzen könnten, indem hier die arterielle Blutversorgung des Auges so ziemlich mit jener übereinstimmt, die wir bei dem von uns modellierten menschlichen Auge gefunden haben. — Am 15. Tage werden endlich die oben geschilderten definitiven Verhältnisse erreicht, indem die A. carotis externa weiter vorwächst und mittelst der der von ihr abzweigenden A. bulboorbitalis sämtliche Äste der Stapedia übernimmt. Die beiden langen Ciliararterien sollen abermals noch einmal ihren Ursprung wechseln, so dass die temporale von der A. ophthalmica externa, einem Nebenaste der A. bulboorbitalis, abgeht, währenddem die nasale sowohl von einem Zweige der Ophthalmica interna als externa gebildet wird. Auf diese Weise sehen wir also nach einem äusserst kom- plizierten Entwickelungsgange am Ende des 15. Tages die end- gültigen Zustände erreicht. Was uns dabei im Vergleiche zur Entwickelung der Augengefässe beim Menschen besonders auf- fällt, ist das fortwährende Wechseln der Abgangsstellen der 28 F. DEDEKIND, Beiträge z. Entwickelungsgeschichte d. Augengefässe etc. einzelnen Arterien innerhalb des Zeitraumes vom 9.—15. Tage. Ganz besonders gilt dies für die beiden langen Ciliararterien, von denen die nasale nicht weniger als dreimal ihren Ursprung ändert. Da uns vom Menschen nur einzelne Entwickelungsstadien zur Verfügung standen, wir also keineswegs eine so kontinuier- liche Reihe benützen konnten, wie sie Fuchs für seine Unter- suchungen am Kaninchenauge vorliegen hatte, wäre es wohl möglich, dass bei der Durchsicht eines grösseren Materials noch manche interessante Details gefunden würden, die viel- leicht den vorläufig so einfach erscheinenden Entwickelungs- gang komplizieren. Nach allem jedoch, was wir sehen konnten, ist letzteres sehr unwahrscheinlich. Zu berücksichtigen wäre etwa die Möglichkeit, dass in sehr frühen Stadien auch beim Menschen vielleicht die A. cerebri anterior für die Blutversorgung des Augenbläschens in Betracht kommt, wofür ich bis jetzt allerdings in Ermangelung des hierzu nötigen Materials gar keinen Anhaltspunkt habe. — Nachtrag. Hinsichtlich der von mir gemachten Literaturangaben möchte ich noch einiges ergänzend hinzufügen. Dies geschieht deshalb leider erst an dieser Stelle, weil ich mich ursprünglich auf die Vollständigkeit des Literaturverzeichnisses von Fro- riep im grossen Hertwigschen Handbuche der Entwick- lungslehre verlassen hatte, nachträglich aber auf weitere Ar- beiten aufmerksam gemacht wurde, welche dort nicht ange- geben sind. Zunächst meine ich eine kurze Abhandlung von H.Strahl im 14. Bande des anatomischen Anzeigers (1898), betitelt „Zur Entwicklung des menschlichen Auges“. Dieselbe ist nur die Ankündigung einer zweiten in den anatomischen Heften er- schienenen Arbeit von Fr. Henckelt), in der speciell die Frage der Rotation des Bulbus und Opticus eingehender behandelt wird und die diesbezüglichen Untersuchungsergebnisse dar- gelegt werden. — Dass sich im Laufe der Entwicklung beim Menschen der Bulbus selbst drehe, konnte dieser Autor nicht konstatieren, da die Insertionsstellen der M. recti am Augapfel von Haus aus so situiert seien, wie es dem fertigen Zustande entspreche. Dem entgegen scheint es nun merkwürdig, dass Henckel hinsichtlich des N. opticus zu einem andern Resultat kommt. 1) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges. Ana tomische Hefte B. X, 1898. 28b F. DEDEKIND, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte etc. Es soll nämlich gegen Ende des zweiten Monats die Gegend der einstigen fötalen Augenspalte in der Weise verschoben werden, dass sie vom untern medialen Quadranten des Opticus genau an dessen caudale Seite, also ungefähr an die Grenze der beiden untern Quadranten gelange. Die Grösse des infolge dieser Drehung beschriebenen Bogens betrage ungefähr 45°. Nach dem, was ich gefunden und beschrieben habe, konnte ich eine derartige Verschiebung nicht feststellen, obgleich ich gerade Stadien untersuchte, bei denen diese Drehung stati- finden soll. Allein ganz abgesehen davon wäre es entschieden sehr auffallend, dass sich zu einer bestimmten Zeit der Ent- wicklung zwar der Opticus drehe, nicht aber der Bulbus, in den ja das hauptsächlich in Betracht kommende periphere Ende des Opticus sich inseriert. Für die Möglichkeit einer derartigen Tatsache mangelt mir die nötige Vorstellung. — Sollte sich aber bei der Durchsicht von Schnittserien wirklich eine kleine Verlagerung der Eintrittsstelle der A. centralis retinae in dem oben besagten Sinne vorfinden, so wäre allenfalls noch zu erwägen, ob nicht durch die Entwicklung und Anlagerung neuer Opticusfasern in dieser Gegend eine Drehung nur vorgetäuscht werde. Wäre letzteres der Fall, so liesse sich diese scheinbare geringe Drehung des Opticus ohne Mitbeteiligung des Bulbus ja leicht vorstellen. Ob aber diese Vermutung auch wirklich zutrifft oder nicht, müssten dann weitere exakte Untersuchungen an Schnittserien wohlkonservierter Embryonen aus den ersten drei Monaten ergeben, wobei das Hauptgewicht natürlich auf die Entwicklung der Opticusfasern zu legen wäre. — Ausserdem fand ich noch bei der nachträglichen Durch- sicht der einschlägigen Literaturamgaben eine Abhandlung von Franz Hook, „Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges“, Berliner med. Inaug.-Diss., 1893, über die ich aber nichts Näheres aussagen kann, da sie mir bisher nicht zugänglich war. Erklärung der Abbildungen. Buchstabenerklärung. n. o. Nervus opticus. B. Bulbus. L. Linse. i. L. innere Augenbecherlamelle. a. L. äussere Augenbecherlamelle. E. Eintrittsstelle der A. hyaloidea in den Sehnerven. a.o.i. A. ophthalmica interna. a.c.1.t. A. ciliaris longa temporalis. a.c.1.n. A. ciliaris longa nasalis. a. h. A. hyaloidea. v. h. pr. Vasa byaloidea propria. t. v.1. Tunica vasculosa lentis. Ü. G. Übergangsgefässe aus dem Bulbusinnern zur Chorioidea. Ch. Anlage der Chorioidea. v. v. Venae vorticosae. v.o.s. V. ophthalmica superior. v.o.i. V. ophthalmica inferior. Fig. 1. Linkes Auge des Embryo hum. Ma, von der temporalen Seite gesehen. Vergrösserung 66fach. Fig. 2. Linkes Auge von Ma, nach Hinwegnahme der Venen von der nasalen Seite gesehen. Vergr. 66 fach. Fig. 3. Linkes Auge von Ma, durch einen annähernd horizontal ge- führten Schnitt eröffnet. Ansicht von oben. Vergr. 66 fach. Fig. 4. Schnitt durch die Retina des Auges von Ma, bei 500 facher Vergrösserung. Hided.nele Hl, E- . x» - eh? .s "ERIHEBEADISTOERTSAT SEE m FR Cru 0 ey n v x ‘ £ I taBLpreNTHA Stat NETTER FO er u j . Pi A a u ö \ IE IE WER STEH IL ar Bra rt = Yorlı ee a R PARSE HTER arte nn 2 | £ AUERFBE m y D u re 5 ya a e | ra KIYIEHIEET ı 7 j LE WE | we UN BRUDER ara ANSAE RAT KR TD y en ? h BHO TU US ri 5 : ar I Pays a Bere Lim Pan i A NELFTIEN tar Aue: eat een . ee 14 y er R os e t . 4 vadır BEE NRZ LI b Zap EFF Ar BE TIGE} eıuiller I DEN BI Y N 2 } al Find IPEzEZ £ Pr D) e Sa ln At. te DIENEN j pr’ Aa) 7 2 y F SELTEN RE 5 5% 7 5 ’ PL) )," BEN LA u 2 - a euren: kulxr Badirdn 28 Jr Eee A: FI BE Ts 5 BD; - j A a Be 2 4 b) Ss FzE hal Eh . A FE x ” =; ve Va EI u FR pt 2 rei VopAirt a ee ' $ ur AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT IN UPSsALA. ÜBER INSELBILDUNGEN IM GEFÄSSYSTEN. VON GASTON BACKMAN. Mit I Abbildung im Texte. ——- Er le Te 1 « nt u Ar, {9 IS ER ah 5 Em Eh 2 u De Sogenannte Inselbildungen im Gefässystem werden unter die grössten Seltenheiten, die überhaupt im Seciersaal angetroffen werden können, gerechnet und die Literatur bietet uns demnach nur eine sehr geringe Anzahl Mitteilungen und Angaben von dergleichen Gefässanomalien dar. Es dürfte daher vielleicht von einem gewissen Interesse sein, hier in Kürze teils die Litera- tur, die — sofern ich herausfinden konnte — betreffs dieser . Erscheinung. publiziert worden ist, teils auch einen Fall von Venenperforation oder venöser Inselbildung vorzulegen, der während des verlaufenen Arbeitsjahres im hiesigen anatomischen Institut angetroffen wurde, und so desgleichen in diesem Zu- sammenhang zu versuchen, die entwickelungs-mechanischen Faktoren, die als Gründe der Inselbildung im allgemeinen an- gesprochen werden können, zu diskutieren versuchen. Die erste Angabe von einer Inselbildung, die ich in der Literatur vorgefunden habe, rührt von Turner (1879) her, der beim Secieren eines Negers fand, dass der tiefe Palmarbogen eine elliptische, ringähnliche Anordnung bildete, die dadurch entstanden war, dass die Radialis in gleicher Höhe mit dom zweiten Metacarpalspatium sich in zwei Gefässe teilte, die sich in gleicher Höhe mit dem vierten Spatium wieder zu einem Gefäss vereinigten. Von dem vorderen Schenkel wurden zwei der Aa. inteross. palmar. abgegeben, während die dritte von dem Bogen nach der Wiedervereinigung der beiden Schenkel abgegeben wurde. Sämtliche Rami recurreutes wurden aber von dem hinteren Schenkel abgegeben. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114. Hett (38. Bd., H. 1). 3 34 GASTON BACKMAN, Im folgenden Jahr (1880) legt Stephenson Richmond eine Schilderung einer Inselbildung vor, die er beim Secieren am tiefen Palmarbogen angetroffen hatte. Diese Inselbildung war gerade da vorhanden, wo die A. profunda ulnaris sich mit dem tiefen Bogen vereinigt. Durch den vorhandenen Arterien- ring verlief der Nervus palmaris profundus. Ferner hat Kulezycki (1890) eine abnorme Maschenbildung an der Art. collateralis ulnaris beim Pferde vorgefunden und beschrieben; durch diesen Arterienring verlief der Nervus ulnaris. Desgleichen beim Secieren eines Pferdes wurde von Storch (1891) eine Inselbildung an der inneren Sprunggelenkarterie (Art. malleolaris int.), durch die der Nervus plantaris int. passierte, vorgefunden. Endlich erstattet auch Bartels (1900) Bericht über eine von ihm angetroffene Inselbildung an der Art. recurrens radialis, welche Anomalie er als „eine ganz enorme Seltenheit‘ bezeichnet. Der Stamm der A. recurrens radialis teilte sich nämlich in zwei Äste, der eine radial und von etwa gleich grossem Kaliber, der andere ulnar und von feinerem Kaliber, nach einem Verlauf von ungefähr 12 mm vereinigten sich beide wieder und bildeten somit eine Masche oder Insel, durch welche der tiefe Ast des Nervus radialis verlief. Hiermit sind — sofern ich habe finden können — alle in der Literatur vorhandene Angaben über arterielle Inselbildung angegeben worden. Die Beobachtungen von venösen Inselbil- dungen sind wie es aus dem Folgenden hervorgeht, beinahe ebenso selten. _ Somit wurden von Altuchow (1895) eine Inselbildung an der Vena femoralis und von Botujew (1898) eine solche an der Vena renalis sinistra vorgefunden. Ebenso bildet Quain (1844) Venenringe ab, von der Vena iliaca communis dextra und der Vena iliaca interna sinistra rings um die gleichgenannten Arterien gebildet, alles beim Menschen. ot Über Inselbildungen im Gefässystem. > Treadwell (1898) bemerkte bei einer Katze, dass die Art. iliaca communis dig gleichnamige Vene durchbohrte. In dem Variantenverzeichnis Tiehomirows (1990) werden auch Inselbildungen an den Ven. iliacae hervorgehoben. Delitzin (1902) schildert eine Ringbildung der Vena iliaca externa in der rechten Beckenhälfte eines Menschen. Es war dabei gerade die Wurzel der Art. iliaca externa dextra, die von dem venösen Ring umschlossen wurde, und diese Umfassung war selbst am Präparate, wo die Venen doch nur schlecht gefüllt worden waren, so eng, dass man mit Sicherkeit vermuten kann, dass die Umfassung während des Lebens nicht unbeträchtlich enger gewesen sein muss, besonders bei einer stärkeren Blut- füllung der Venen. Die von dem Venenring eingeschlossene Art. iliaca externa war auch erheblich schwächer entwickelt als die Art. hypogastrica. Diese erschien anderthalbmal so dick wie die Art. iliaca externa und war nebenbei in ihrem Wurzel- teil wulstig angeschwollen. Me. Clure erstattet 1900 Bericht über die Variationen, die er während einer Serienuntersuchung der Vena cava po- sterior und ihrer Äste bei der Katze vorgefunden hat. Ausser verschiedenen anderen Anomalien traf er dabei gerade Insel- bildungen des untersuchten Venensystemes an, welche in 6 Fällen Arterien durchliessen, nämlich zweimal Lumbalarterien durch die Cava, viermal die Art. iliaca interna durch die Vena iliaca communis (zweimal rechts, zweimal links), in drei Fällen aber Nerven durchliessen, indem an drei Katzen der Nerv. obturatorius durch ein Loch am Vereinigungsort der Vv. iliacae externa et interna passierte. Endlich fand Weysse (1903) an einer Katze eine 1 cm lange Inselbildung der Vena iliaca communis dextra nahe an dem Ort, wo die Art. glutaea superior abgeht, und durch diese Inselbildung passierte die letztgenannte Arterie. Wie es aus dieser kurzgefassten, historischen Übersicht 3" 36 GASTON BACKMAN, hervorgeht, haben Turner, Stephenson Richmond, Kulezycki und Bartels Inselbildungen An den Arterien der oberen, Storch dagegen an denen der unteren Extremität vor- gefunden. An den übrigen Arterien des Körpers sind, sofern es mir bekannt ist, keine solchen Inselbildungen angetroffen worden. Quain, Treadwell, Tiehomirow, Delitzin, Me. Clure und Weysse haben die venöse Inselbildung an den grösseren Stämmen der Beckenvenen angetroffen, Altuchow eine solche an der Vena femoralis und endlich Botujew ebenso eine an der Vena renalis sinistra. Waren somit die Funde der arte- riellen Inselbildungen bisher auf die Extremitäten eingeschränkt, so sind die Funde der venösen Inselbildungen desgleichen nicht weniger eingeschränkt, nämlich auf die abdominalen Venen. Ebenso fällt es in die Augen, dass diese Inselbildungen von Nerven perforiert werden, wenn sie arterieller Natur sind, von Arterien oder Nerven aber werden sie perforiert, wenn sie venöser Natur sind. Von dieser Regel macht nur der Fall Turners eine Ausnahme. Venae als perforantes, sowie Arteriae als perforantes für Arterien wurden bisher nicht angetroffen. Mein eigener Fall stellt eine solche Inselbildung venöser Natur dar. Sie wurde beim Secieren eines menschlichen Leich- nams entdeckt. Die Vena iliaca sinistra externa teilt sich in gleicher Höhe mit dem Abgang des Arterienstammes der Aa. vesicales und der Arteria obturatoria in zwei offenbar gleich starke Stämme. Nach einem Verlauf von etwa 25 mm fliessen sie wieder zusammen, um die Vena iliaca communis zu bilden, wodurch eine etwa 12 mm lange und 4 bis 5 mm breite Öffnung (oder eine Art Ring) entsteht, durch welche der vorgenannte Arterienstamm frei und leicht hindurchgeht. In die untere, mediale Hälfte des Venenbogens entleert sich die Vena hypo- gastrica (V. iliaca interna), in die obere, laterale Hälfte aber ein paar Muskelvenen. Um die Verhältnisse mehr direkt beurteilen zu können, habe ich den Venenstamm und den Venenring der Über Inselbildungen im Gefässystem. 3 Länge nach eröffnet und habe mich dadurch überzeugt, dass keine Klappen oder überhaupt keine damit vergleichbaren Bildungen im Inneren des Venenpräparats vorhanden sind. Mit diesen Inselbildungen im Gefässystem dürfte man viel- leicht die von Münz (1821), Tiedemann (1846), Gruber (1852), —-- Art. iliaca comm. n V, iliaca comm. — 2 Art, 3liaea int. Art. iliaca ext. -------"" Vv. musc. Art. iliaca int. - Ä: ---- W. iliaca int. Art. pudaäntscon 1 Art. ves. sup. Art. glutaea inf. ------- f a - Art. ves. inf. Art. glutaea sup.” ee a V. iliaca ext. Fig. 1. V. iliaca sinistra, vom Stamm der Aa. vesicales perforiert, Das Präparat von hinten gesehen. Natürliche Grösse. Baader (1866), Krause (1880) und besonders von Ruge (1884) erwähnte und untersuchte Inselbildung an der Arteria brachialis, von der Art. brachialis und der Art. brachialis collateralis gebildet, zusammenstellen können. Mit grösserer Sicherheit dürfte man aber mit den mehrgenannten Inselbildungen die von Verneuil 38 GASTON BACKMAN, (1858) entdeckten und von seinem Schüler, Jarj avay (1883) später publizierten ‚canaux de sürete‘“ zusammenstellen. Sie zeigen nämlich eine in gewissen Fällen so gut wie vollständige Über- einstimmung mit den oben beschriebenen arteriellen und venösen Inselbildungen, nur darin von diesen abweichend, dass sie nicht von Arterien oder Nerven perforiert werden. Jarjavay hebt des- gleichen hervor, dass: „si les deux canaux divergent & l’origine pour s’unir plus loin par convergence, la disposition est celle d'une boutonniere ou d’une ellipse plus ou moins allongee. Ce dernier exemple est assez frequemment observe dans les veines des membres. Le canal de sürete presente alors souvent un calibre egal A celui du vaisseau d’ou il part et la veine parait bifurquee.‘‘ Diese Kanäle sind gewöhnlich mit Klappen versehen, nur die, welche dem abdominalen System angehören, machen eine Ausnahme hiervon. Diese Venenringe sollen indessen nach Verneuil und Jarjavay einen ganz besonderen Zweck er- füllen, nämlich den als Druckableiter bei heftigen, lokalen Steige- rungen des venösen Blutdruckes zu dienen. Wenn es gilt die Art, in welcher diese Inselbildungen ent- standen sein mögen, klarzulegen, sind zwei Wege a priori denkbar. Teils könnte man sich nämlich vorstellen, dass — wenn jedesmal die Entstehung der verschiedenen Arterien- und Venenstämme wirklich durch ein Erzeugen neuer Bahnen in einem schon vorhandenen, mehr allgemeinen Rete arteriosum, resp. venosum, zustande kommt — der Blutstrom an einer etwaigen Stelle zufolge der lokalen Verhältnisse, wie beispiels- weise gleichförmiger Winkelabbiegung vom Wurzelgefäss und gleichmässiger Entwickelungmösgslichkeit, sich teilte, um daselbst während der folgenden Entwickelung gleichmässig zwei Bahnen zu erzeugen, dass aber diese am Ende der in Rede stehenden Masche wieder zusammenfliessen, um mit der Bildung des ge- meinsamen Stammes dann fortzusetzen. Teils könnte man sich auch andererseits vorstellen, dass eine Inselbildung im Gefäss- Über Inselbildungen im Gefässystem. 39 system da entstehen könne, wo ein Nebengefäss nebst einer gleich nach der Verzweigungsstelle abgehenden, dem Hauptgefäss zu- fliessenden Anastomose desselben in seinem supraanastomotischen Teil und in der Anastomose selbst eine mit dem Hauptgefäss rivalisierende Entwickelung erreiche. Diesen letztgenannten Weg der Entwickelung ist man jedoch, soweit ich sehen kann, wegen des Vorhandenseins der perforierenden Arterien oder Nerven genötigt, sich als schon während des Fötalstadiums entstanden vorzustellen, und er bildet somit nur einen speciellen Fall jenes erstgenannten Weges. Der Unterschied zwischen beiden Eutwickelungsgängen besteht offenbar nur darin, dass man betreffs jenes von dem Vorhandensein eines mehr allge- meinen Rete, betreffs dieses aber von dem Vorhandensein eines mehr lokalen solchen ausgeht. Der erstgenannte Entwickelungsweg wird von Ruge ganz und gar verneint, und dieser Beobachter hebt hervor, dass er in den Embryonalstadien, die er untersucht hat (die frühesten untersuchten Stadien: 25 mm „S.-S.-L,‘) kein allgemeines Rete vorgefunden hat, zufolgedessen ihm eine mehr direkte Ent- wickelung der Gefässtämme wahrscheinlicher erscheint. Aus den neueren Untersuchungen, beispielsweise von denen B. De Vrieses (1902) und Erik Müllers (1903 und 1904), erscheint es indessen hervorzugehen, dass die alte von u.a. Baader (1866), Krause (1876) und Aeby (1871) ausgesprochene Ansicht gewissermassen und wenigstens betreffs des Arteriensystemes, die richtige sei, und sie möchte somit mit aller Wahrscheinlich- keit auch wohl betreffs des Venensystems gelten. Die Arterien werden wirklich als Rete längs der Nerven angelegt, und die endgültigen Arterienstämme entstehen, indem einzelne Maschen- teile der Netze zurückgebildet, andere dagegen weiter fortge- bildet werden. Die Annahme, dass diese Inselbildungen im Gefässystem als Hemmungsbildungen, als Persistenz fötaler Anastomosen- 40 G. BACKMAN, Über Inselbildungen im Gefässystem. ketten, anzusprechen seien, scheint mir also gewissermassen wahrscheinlich. Die Ursache dieser Persistenz dürfte wohl am nächsten in der oben angedeuteten, gleichförmigen Abbiegung vom Wurzelgefäss und in einer gleichförmigen Entwickelungs- möglichkeit liegen. Es bleibt jedoch noch ein Verhältnis übrig, das einer Erläuterung bedarf, nämlich warum so oft — und wie erwähnt macht nur der Fall Turners hiervon eine Aus- nahme — ein Nerv oder eine Arterie durch die Inselbildung verläuft. Bekanntlich strebt immer ein Flüssigkeitsstrom die Krümmungen und Biegungen, die in der Röhrenleitung, durch die er passiert, etwa vorhanden sind, gerade zu machen. So verhält es sich natürlich auch mit dem Blutstrom in den Gefäss- bahnen, während er seine endgültige Bahn aus dem allgemeinen Rete herausgearbeitet hat. Zwar dürfte bei den oben ange- gebenen Voraussetzungen dabei eine gleichförmige Entwickelung der beiden Schenkel zustande kommen, da aber diese beiden Bedingungen in der Wirklichkeit wohl niemals in beiden Schen- keln in vollständig demselben Grad erfüllt werden können, so wird es notwendig, dass eine andere Ursache hinzutritt, die ver- hindert, dass der für das Durchfliessen des Blutstromes dienlichste Schenkel sich geradlinig in der Richtung des Blutstromes aus- strecke, sowie dass er sich in der Fortsetzung ausschliesslich oder hauptsächlich entwickele, und diese Ursache möchte ich in einer relativen Fixierung der beiden Schenkel finden. Diese relative Fixierung dürfte hauptsächlich durch die Arterien oder den Nerv, der durch die Inselbildung verläuft, zustande kommen, dürfte auch — wenigstens teilweise — durch andere Ursachen, z. B. durch in den beiden Schenkeln einmündende Äste u. d.M., entstehen können. Anatom. Hefte. I Abteilung. 11. Heli (38. Bd) 7 7 Tafel 12. F ig. 1: Fig. 3 Fiß.2. innen med. Ebersberg del Be 1 Anatom, Hefte I. Abteilung 114. Heft Verlay von J. Fı Birgmann, Wiesbaden. Crayondruck yon. Obernetter, München Literaturverzeichnis. Aeby, Der Bau des menschlichen Körpers. 1871. Altuchow, Eine sehr seltene Anomalie der Vena cruralis — ein Venen- ring. Chirurgische Annalen. Moskau 1895. Zit. nach Delitzin (1902). Baader, Über die Varietät der Armarterien des Menschen und ihre mor- phologische Bedeutung. Diss. Bern 1866. Backman, Gaston, Om öbildningar i kärlsystemet. Upsala Läkareför. Förh. N. F. Bd. XIII. H.1 oo. 2. Bartels, Über eine Ösenbildung der Arteria recurrens radialis für den Nervus radialis profundus kombiniert mit anderen Abnormitäten. Ana- tomische Hefte. Abt. I. Bd. 15. 1900. S. 205. Botujew, Abnormität der linken Nierenvene und in Verbindung mit dieser ein restierender Teil der linken Kardinalvene. Wratsch 1897. Zit. nach Delitzin (1902). 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Eine Reihe dieser Fälle ist mit Defekten des übrigen Thoraxskelettes kombiniert!) una daher den Missbildungen an- zureihen. Bei der anderen Gruppe sind die Formveränderungen des Brustbeines keine so hochgradigen; meist finden sich in diesen Fällen abnorme Rippenansätze, wodurch, wenn die Ab- normität nur einseitig ausgebildet ist, Asymmetrien verschiedenen Grades zustande kommen, während bei den Brustbeinen, bei welchen die Abnormität ein Rippenpaar betrifft, die Asymmetrie mehr in den Hintergrund tritt, gegenüber einer Formveränderung, die sich durch ein von dar Norm verschiedenes Längenverhältnis zwischen Corpus und Manubrium sterni ausdrückt. Da die Grenze zwischen Corpus und Manubrium in normalen Fällen durch die Verbindungslinie der Ansätze der II. Rippen gegeben ist, so müssen besonders Varietäten des Ansatzes dieser Rippen einen Einfluss auf die Form des Brustbeines ausüben. Als Ursache für die verschiedenen Formen von Varietäten des Brustbeines sind bisher von den Autoren zahlreiche Momente geltend gemacht worden, wie es ja bei der Beurteilung eines Skeletteiles, der von so vielerlei Einflüssen beherrscht ist wie das Sternum, nur ganz natürlich erscheinen muss, indem an der Hand geeigneter Präparate bald das eine, bald das andere 1) Die diesbezügliche Literatur siehe bei Ranzi. 46 H. EHRLICH, beeinflussende Moment in den Vordergrund gerückt wurde. Aus der diesbezüglichen Literatur ergibt sich auch, dass es für die Entstehung von Formvarietäten des Brustbeines keine einheitliche Ätiologie geben kann. Hermann Adolphi beschreibt asymmetrische Brustbeine und glaubt, dass die Asymmetrie durch abnormen Rippenansatz bedingt ist; derartige Brustbeine bieten für die Abgliederung in Corpus und Manubrium mechanisch ungünstige Bedingungen, weshalb die Synchondrosis sternalis entweder fehlt oder um ein Segment verschoben ist. Markowsky führt die Asymmetrien des Brustbeines auf eine schon im frühen Embryonalleben zustande kommende asymmetrische Verschmelzung der Sternalleisten zurück, wodurch auch das Auftreten von asymmetrischen Knochenkernen bedingt sein soll. Helm sieht in der rudimentären Entwickelung einer Rippe und in den dadurch veränderten Zug- und Druckverhältnissen die Ursache der Asymmetrie. An einem von Zuckerkandl beschriebenen Brustbeine war die abnorme Form durch einen Defekt in der Continuität einer Rippe bedingt, in einem anderen Falle desselben Autors wird die Verwachsung des I. und II. Rippenknorpels beiderseits als mögliche Ursache für das Auftreten einer persistierenden Knorpelfuge zwischen den Ansätzen der III. Rippen hingestellt. Birmingham erklärt Asymmetrien durch einseitigen Druck des Schultergürtels auf das Brustbein und Mayet durch eine in der Fötalzeit abgelaufene Rachitis. Auf eine Arbeit von Alfred Fischel soll später eingegangen werden. Die im folgenden zu beschreibenden Brustbeine haben ein gemeinsames Kennzeichen, nämlich den abnormen Verlauf der Synchoudrosis sternalis. Da sich bei Durchsicht einer grossen Zahl von kindlichen, noch nicht vollständig ossifizierten Brust- beinen einige auffinden liessen, die mit den zu beschreibenden Varietäten des Brustbeines bei abnormem Ansatz der II. Rippen. 47 Brustbeinvarietäten der Erwachsenen eine weitgehende Ähn- lichkeit haben und so gewissermassen die Varietät in ihrer Entstehung vergegenwärtigen, erscheint mir die Publikation der Varietäten besonders gerechtfertigt. Zur Erklärung des abnormen Verlaufes der Synchondrosis sternalis glaube ich in einigen Fällen auch den Atmungs- DR er ne u EEE Fig. 1. Fig. 2. Natürliche Grösse. Natürliche Grösse, a ET 1 ® @ N en) Fig. 3. Fig. 4. Natürliche Grösse. !/a natürlicher Grösse. mechanismus heranziehen zu müssen, und da sich der Einfluss desselben in einem von Zuckerkandl publizierten Falle zweifellos erkennen lässt, halte ich mich für berechtigt, auch diesen Fall zu verwerten. Das in Tafelfig. 1 abgebildete Brustbein bietet Veränderungen nur ganz geringen Grades dar. Die zweite Rippe und ebenso 48 H. EHRLICH, alle folgenden setzen sich rechts höher oben am Sternum an als die korrespondierenden linken. Die Synchondrosis sternalis verläuft von rechts nach links absteigend zwischen den Ansätzen der II. Rippen. Der I. und II. Intercostalraum rechterseits sind etwas verengt. Das Wesen der Abnormität liegt in diesem Falle in dem schiefen Verlauf der Synchondrosis sternalis oder in der asym- metrischen Gestalt des Manubrium, indem dessen linker Rand und mit ihm der Ansatz der 1I. linken Rippe tiefer herabreicht als rechts. Unter 200 kindlichen Brustbeinen konnte ich 4 analoge Fälle finden und zwar an Brustbeinen von 2—--Sjährigen Kindern; bei diesen liegt die Varietät in ihrer Entstehung vor. (Text- figur 1—4 auf S. 47.) Das knorpelige Manubrium entsendet auf einer Seite einen Fortsatz abwärts, wodurch die Trennungsfuge zwischen Corpus und Manubrium einen schiefen Verlauf erhält. In diesem Fort- satz ist es zur Entwickelung eines asymmetrischen Knochen- kernes gekommen; es hätte also den Anschein, als ob durch die Entstehung dieses Knochenkernes das asymmetrische Wachstum des Manubrium bedingt wäre. Doch ist in Fig. I und 3 dieser Knochenkern so klein, offenbar erst seit kurzer Zeit bestehend, dass von vornherein die Asymmetrie der vorgebildeten Knorpel- anlage nicht auf ihn bezogen werden kann. Gegen die Auffassung, dass ein asymmetrischer Knochenkern die Form des Manubrium wesentlich beeinflusst, sprechen auch die folgenden 2 Fälle (Textfig. 5 und 6) von kindlichen Brust- beinen aus dem zweiten Lebensjahr. In beiden Abbildungen finden sich im Manubrium asym- metrische Knochenkerne, ohne dass dadurch die Symmetrie des knorpeligen Manubrium im geringsten gestört würde. Andererseits gibt es asymmetrische Brustbeine, bei welchen es in dem die Asymmetrie bedingenden Knorpelfortsatz des Varietäten des Brustbeines bei abnormem Ansatz der II. Rippen. 49 Manubrium nicht zur Entwickelung eines Knochenkernes ge- kommen ist, wie Textfig. 7 und 8 von Kindern aus dem zweiten Lebensjahre zeigen. Es erscheint daher die Annahme berechtigt, dass das asymmetrische Wachstum des knorpeligen Manubrium in diesen ® se 7 © Fig. 5. Fig. 6. Natürliche Grösse. Natürliche Grösse. Fig. 7. Fig. 8. Natürliche Grösse. Natürliche Grösse. Fällen (1, 2, 3, 4, 7, 8) als das Primäre aufzufassen ist. Von dem Auftreten von Knochenkernen in dem asymmetrischen Fortsatz dürfte es dann abhängen, ob die Asymmetrie eine dauernde wird oder ob sie beim Übergang vom knorpeligen in das knöcherne Sternum verschwindet. Ich glaube also als Ursache für die Entstehung der zuerst beschriebenen Varietät Tafelfig. 1 eine primäre Asymmetrie des knorpeligen Manubrium Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114. Heft (38. Bd., H. 1). 4 50 H. EHRLICH, annehmen zu können, die durch das Auftreten eines asym- metrischen Knochenkernes dauernd fixiert wurde. Eine wesentlich abweichende Varietät fand ich an einem isolierten Brustbein mit Rippenansätzen (Tafelfig. 2a). Der Thorax wurde nicht konserviert, weil im nichtmace- rierten Zustand nichts Abnormes zu bemerken war. Die erste und zweite Rippe sind einander beiderseits ge- nähert und an ihrem Ansatz rechterseits knorpelig miteinander verwachsen. Die II. und III. Rippe setzen sich rechts höher oben am Sternum an als links. Die Trennungsfuge zwischen Handgriff und Körper des Brustbeines verläuft zwischen dem Ansatz der III. Rippen von rechts nach links absteigend. An dem entkalkten und frontal durchschnittenen Sternum (Tafel- fir. 2b) sieht man, dass die II. und IV. Rippenknorpel mit dem Sternum durch ein einfaches Gelenk verbunden sind, während das Gelenk der III. Rippen durch eine Zwischenscheibe geteilt ist, wie sie am normalen Brustbein im Gelenk der I. Rippen regelmässig, in dem der III. Rippen nach Tschaus- sow nur in einem Bruchteil der Fälle vorkommt. An diesem Sternum ist die Asymmetrie keine hochgradige und wohl am ungezwungensten durch die Verwachsung der 1. und II. Rippenknorpel zu erklären. Auffallend ist jedoch das Fehlen der normalerweise zwi- schen den II. Rippen verlaufenden Trennungsfuge und das Auftreten einer solchen zwischen den Ansätzen der III. Rippen, so dass die III. Rippen sich nicht am Corpus, sondern an der Grenze zwischen Manubrium und Corpus ansetzen. Dieser Umstand ist um so bemerkenswerter, als die Fuge zwischen Corpus und Manubrium nach Ruge schon im frühen Embryonalleben vorgezeichnet ist durch eine Querleiste, welche die sternalen Enden der II. Rippen verbindet. Zur Zeit, in der die Knochenkerne auftreten, ist die Fuge bereits in bindegewebiger Um- wandlung begriffen und so findet man beim normalen Neuge- Varietäten des Brustbeines bei abnormem Ansatz der II. Rippen. 51 borenen Corpus und Manubrium durch eine zwischen den sternalen Enden der II. Rippen verlaufende bindegewebige Leiste getrennt. Um das Fehlen der Fuge zwischen den II. Rippen zu er- klären, wäre an zwei Möglichkeiten zu denken. Entweder war diese Fuge bindegewebig vorgebildet, ist jedoch später im Laufe der Verknöcherung verschwunden, oder es ist überhaupt an Fig. 9. Fig. 10. Natürliche Grösse, Natürliche Grösse. Fig. 11. Natürliche Grösse. normaler Stelle nicht zur Entwickelung einer Trennungsfuge gekommen. Da mir weder aus der Literatur, noch der eigenen Beobachtung ein Fall bekannt ist, in welchem die schon ent- wickelte bindegewebige Fuge bei einem jugendlichen Individuum durch das Wachstum eines Knochenkernes überschritten wird, und mir andererseits Präparate zur Verfügung stehen (Textfig. 9, 10, 11), welche die zweite Möglichkeit beweisen, so möchte ich mich für letztere aussprechen. 4* 59 H. EHRLICH, Textfig. 9, 10, 11sind Abbildungen von kindlichen Brustbeinen ausdem1. und 2. Lebensjahre. In allen 3 Fällen besteht das Sternum aus einem einheitlichen Knorpelstück, in welchem es nicht zu einer Abgliederung in Manubrium und Corpus gekommen ist, wodurch auch für das Wachstum der Kerne des I. Segmentes abwärts und jener des lI. Segmentes aufwärts kein Hindernis gegeben ist. Dementsprechend sieht man in Fig. 9 die Verbindungslinie der II. Rippen von einem Knochenkern bereits überschritten, in Fig. 10 und 11 ist durch Annäherung der Kerne die tren- nende Knorpelbrücke bereits auf ein Minimum reduziert. In Fig. 9 und 10 findet sich die I. und Il. Rippe durch Knorpel miteinander verwachsen, ein Umstand, der vielleicht das Aus- bleiben der Gliederung des Sternum begünstigt. Auf Grund dieser 5 letzten Präparate (Textfig. 9, 10, 11) dürfte sich also auch bei dem in Rede stehenden Brustbein (Taf.-Fig. 2) das Fehlen der Fuge zwischen den Ansätzen der II. Rippen damit begründen lassen, dass unter dem hemmenden Einfluss der Verwachsung des I. mit dem II. Rippenknorpel schon während des Embryonallebens die Trennung in Manubrium und Corpus ausgeblieben war, wodurch die Verschmelzung der Kerne des Manubrium mit dem angrenzenden Knochenkerne des Corpus ungestört vor sich gehen konnte. Für die Erklärung einer persistierenden Fuge zwischen den Ansätzen der III. Rippen kann die fötale Entwickelung nur insofern herangezogen werden, als sich nach Ruge in frühen Entwickelungsstadien auch zwischen den sternalen Enden der III. Rippen eine Querleiste vorfindet, die jedoch schon bei Embryonen von 5,5 cm Länge verschwindet. Eine ähnliche bindegewebige Verbindungslinie, wie sie bei normalen Brust- beinen regelmässig zwischen den II. Rippen besteht, findet sich im knorpeligen Stadium und im Stadium der beginnenden Össi- fication zwischen den III. Rippen niemals. Eine Gliederung des Brustbeines in der Verbindungslinie der III. Rippen muss daher erst im späteren Leben erworben sein. Varietäten des Prustbeines bei abnormem Ansatz der 1]. Rippen. 53 Alfred Fischel kommt in seinen „Untersuchungen über die Wirbelsäule und den Brustkorb des Menschen‘ betreffs der Asymmetrien des Brustbeines zu dem Resultat, dass letztere durch drei Momente bedingt sind: Vergrösserung durch Hals- rippen, Verkleinerung durch rudimentäre Entwickelung der I. Rippen und die Art der Einstellung der Synchondrosis ster- nalis. Er stellt also die Art der Einstellung der Synchondrosis sternalis und ihre Wirkung auf die Form des Brustbeines als etwas Primäres hin und setzt sie dem Momente der Ver- grösserung oder Verkleinerung durch Rippenabnormitäten gleich- wertig. Das ‚‚vicariierende Eintreten der die III. Rippen verbindenden Querleiste für die zwischen den II. Rippen befindliche, normaler- weise der Synchondrosis sternalis entsprechende Leiste‘ be- gründet er nicht näher; er sieht darin den Ausfluss der Tendenz zur Bildung eines normal grossen Manubrium sterni. In diesem Sinne wäre auch an dem Falle Zuckerkandls nach Fischel das Offenbleiben der Fuge zwischen den Ill. Rippen zu er- klären. Da mir aber gerade dieser Fall geeignet erscheint, den Ein- fluss mechanischer Momente auf das Bestehenbleiben der Fuge zwischen den III. Rippen zu erweisen, so sei die Beschreibung dieses Brustbeines hier kurz wiederholt, wobei einige von Zuckerkandl nicht berührte Einzelheiten, die gerade den mechanischen Einfluss erkennen lassen, hervorzuheben sein werden. Musealpräparat 155 (Tafelfig. 3a und 3b). Der I. und II. Rippenknorpel sind an ihrem Sternalansatz durch eine bis 1 cm breite Knorpelplatte verbunden. Die II. Rippe ist der I. genähert und daher beiderseits der I. Intercostalraum verengt, der II. erweitert. Die Grenze zwischen Manubrium und Corpus sterni verläuft schief von rechts nach links absteigend zwischen den Ansatzstellen der III. Rippenknorpel. 54 H. EHRLICH, Ferner konnte ich noch folgendes feststellen: Die Querfort- sätze des II. Brustwirbels neigen sich von ihrem Abgang vom Wirbelbogen schief nach oben und nähern sich den weiter vom entspringenden Querfortsätzen des I. Brustwirbels. Ihr laterales Ende, beziehungsweise ihre Fovea costalis transversalis, ist vom Querfortsatz des I. Brustwirbels 7 mm, von dem des III. Brust- wirbels 1,7 cm entfernt. Die Achse der Rippenwirbelgelenke der II. Rippen verläuft nahezu parallel zur Achse der Rippenwirbelgelenke der I. Rippen, während normalerweise diese beiden Achsen, wenn man sie durch Parallelverschiebung bis zur Berührung aneinander bringt, einen spitzen Winkel einschliessen. Die Achse des Gelenkes der IH. Rippe verhält sich in ihrer Richtung zur Achse der oberen und unteren Rippe wie normalerweise die Achse der II. Rippe zu der der I. und III., sie hat demnach dieselbe Richtung wie die Gelenksachse einer normalen II. Rippe. Da, abgesehen von der Länge der Rippe, ihre Drehungs- achse ausschlaggebend ist für die Länge und Form der Bahn, welche das sternale Rippenende bei der Atmung beschreibt, und in dem Falle die Drehungsachse der III. Rippe der einer normalen II. entspricht, so wird das sternale Ende der III. Rippe bei der Atmung jene Bahn beschreiben, wie sie am normalen Thorax von dem sternalen Ende der II. Rippe zurückgelegt wird. Die III. Rippe des in Rede stehenden Thorax stimmt nun auch bezüglich ihrer Länge mit einer normalen II. überein. Um dies festzustellen, mussten vergleichende Längen- messungen an einer grossen Zahl von Brustkörben vorgenommen werden. Dass die absoluten Zahlen, die sich aus den Rippen- messungen ergaben, nicht verwertet werden können, ist selbst- verständlich wegen der grossen individuellen Unterschiede. Es ergab sich aber eine gewisse Konstanz in den Längen- differenzen der aufeinanderfolgenden Rippen, so dass diese Varietäten des Brustbeines bei abnormem Ansatz der II. Rippen. 55 Zahlen mit den vom abnormen Thorax erhaltenen wohl ver- gleichbar sind. | Wegen der grossen Konstanz der Längendifferenz normaler Rippen seien hier (S. 56) nur zwei Beispiele von einem grösseren und kleineren Thorax angeführt. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass an dem abnormen Thorax die Längendifferenz zwischen I. und II. Rippe gegen- über der Norm um 2 cm kleiner, die Differenz zwischen II. und IH. Rippe um 1 cm grösser ist, woraus man schliessen kann, dass sich die II. Rippe in ihrer Länge der I. und die III. Rippe einer normalen 1I. nähert. Unter Berücksichtigung der früher geschilderten Stellung der Gelenksachsen ist nun der Gedanke naheliegend, dass an dem in Rede stehenden Thorax die ll. Rippe funktionell zu einer I. und die III. Rippe zu einer IH. geworden ist, dass die sternalen Enden dieser beiden Rippen bei der Atmung jene Bahn zurücklegen, wie sie am normalen Thorax von der I. und II. Rippe beschrieben wird. Nach den Untersuchungen Hermann Meyers nehmen Corpus und Manubrium sterni an der während der Inspiration zustande kommenden Schiefstellung des Sternums insofern nicht gleichmässig Anteil, als es bei der Atmung zu einer Verschiebung des Manubrium gegen das Corpus sterni kommt. Meyer unterscheidet zwei Formen der Thorax-Respiration, die Unterrippen- und Oberrippen-Respiration. Die erstere besteht in der Ausdehnung der unteren Brust- gegend, womit natürlich eine Entfernung des unteren Brustbein- endes von der Wirbelsäule verbunden ist. Da dabei das Manubrium nahezu ruhig bleibt, so ist dieser Vorstoss des unteren Brustbeinendes notwendig mit einer Verschiebung des Corpus gegen das Manubrium verbunden. Aber auch bei der Oberrippenrespiration werden die beiden Teile des Sternum gegeneinander verschoben, indem der Vorstoss des unteren 56 H. EHRLICH, Normaler Thorax. | Rippe Koaale In IM: IV. Absolute Länge. . 12,3 20,3 24,8 21,2 | EN u ae Re | links Längendifferenz . . 8 4,5 2,4 | Absolute Länge. . 12 20 243 | 278 um em mm em en | rechts Längendifferenz . . 8 4,3 3 | Normaler Thorax. Rippe I. 108 II: IV. | | ' Absolute Länge. . 15 23 | 27,5 30 a ee 1 links Längendifferenz . . 8 4,5 2,9 | Absolute Länge . . a7 | 28 | 276 | 308 | mn mm mn m mn rechts Längendifferenz . . 8,3 4,6 2,1 | Abnormer Thorax. Rippe I. I: III. IV. e | Absolute Länge. . 12,5 | 19,2 24,5 27.5 | mn mm men un men - links Längendifferenz . . 6,7 9,3 3,0 | Absolute Länge . . 124 | 185 | 240 28,0 | mn m Tun m un . rechts Längendifferenz . . 6,1 8,0 4,0 | Anatom. Hefte I. Ableilung 114. Heft (38. Bd. H. 1) Tafel 5/6 Fig. 3a Fig. 35 Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. Crayonc iruck vonJ. B Obernetter, München Varietäten des Brustbeines bei abnormem Ansatz der II. Rippen. 57 Endes viel stärker zur Geltung kommt, als dass er durch die einfache Schiefstellung des ganzen Sternum ausgeglichen werden könnte. Es ist daher „die Symphysenverbindung zwischen dem Manubrium und dem Körper des Brustbeines als Hilfsmittel dafür zu erkennen, dass die Bewegung des untersten Teiles des Brustbeines in eine gewisse Unabhängigkeit von derjenigen seines obersten Teiles gestellt sei.“ Wenn nun, wie in den 3 erwähnten Fällen (Tafelfig. 2 und 3), begünstigt durch die Verwachsung des I. mit dem II. Rippenknorpel, die Trennung des Sternum in Manubrium und Corpus an normaler Stelle zwischen den Ansätzen der II. Rippen ausgeblieben ist, so dass einer Verschmelzung der benachbarten Knochenkerne kein Hindernis im Wege stand, und die im knorpeligen Stadium bestehende Fuge zwischen den III. Rippen dauernd erhalten blieb, während alle anderen zwischen den Knochenkernen gelegenen Knorpelfugen von der Össification überschritten wurden, so erscheint es nach dem oben Gesagten nicht unbegründet, zur Erklärung für das Offenbleiben der Fuge zwischen den III. Rippen den Atmungsmechanismus heran- zuziehen und zwar in dem Sinne, dass in Fällen von abnormem Manubrium,, wenn die normale Synchondrosis sternalis ver- knöchert ist, der Atmungsmechanismus sich insofern ändert, als die Verschiebung der beiden Teile des Brustbeines gegeneinander in der Verbindungslinie der III. Rippen erfolgt, und dass da- durch das Offenbleiben der Fuge an dieser Stelle bedingt ist. Im folgenden soll noch ein Präparat beschrieben werden, welches mit den beiden bisher besprochenen in gewissen Punkten übereinstimmt, bei dem jedoch die Abnormität vorwiegend ein- seitig entwickelt ist, wodurch eine hochgradige Asymmetrie zu- stande kam. Dasselbe stammt von einem erwachsenen Indi- viduum (Tafelfig. 4). Links sind die Rippenansätze an normaler Stelle, rechts cranialwärts verschoben, und daher der I., II. und III. Intercostalraum verengt. Die Ansatzstellen der II. linken 58 H. EHRLICH, und III. rechten Rippe liegen einander gegenüber und sind durch eine offene Fuge miteinander verbunden. Das Manubrium bildet mit dem Corpus einen nach rechts offenen Winkel, während der caudale Teil des Brustbeines von der Längsachse des Corpus nach links abweicht. Beiderseits erreichen 8 Rippen- knorpel das Sternum. An diesem Brustbeine ist ausser der Asymmetrie der Rippenansätze besonders der abnorme Verlauf der Trennungs- fuge zwischen Corpus und Manubrium von der IH. linken zur III. rechten Rippe auffallend. Fig. 12. 2 natürlicher Grösse. Da mir ein ganz ähnlicher Fall aus einem früheren Ent- wiekelungsstadium zur Verfügung steht, möge seine Beschreibuug zunächst folgen. Textfig. 12 zeigt das Sternum eines 4jährigen Kindes. Links sind die Rippenansätze anscheinend normal. Rechts ist der I. und II. Rippenknorpel durch eine Knorpelplatte verwachsen, der I. Intercostalraum verengt, der II. erweitert. Die Trennungsfuge zwischen Manubrium und Corpus verläuft von links nach rechts absteigend zwischen der II. linken und III. rechten Rippe. Im Anschluss an die Fälle, Tafelfig. 2 und 3, wäre auch die Entstehung dieser Varietät so zu erklären, dass infolge der einseitigen Verwachsung des I. mit dem II. Rippenknorpel die Trennung in Manubrium und Corpus rechts nicht zustande kam, Varietäten des Brustbeines bei abnormem Ansatz der II. Rippen. 59 links nur andeutungsweise sich entwickelte. Die Verschiebung der beiden Teile des Brustbeines während der Atmung dürfte nun, da die II. rechte Rippe durch ihre Annäherung an die I. mit dieser zu einem funktionell untrennbaren Ganzen verbunden ist, zwischen jenen Rippen erfolgt sein, welche funktionell der normalen II. Rippe entsprechen, und dies ist die II. linke und Ill. rechte Rippe. Daher dürfte sich die Fuge an dieser Stelle erhalten haben. Dieselbe Erklärung wäre nun meiner Ansicht nach auch für die Entstehung der in Tafelfig. 4 abgebildeten Varietät zu- lässig. Zum Schluss wäre noch einem Einwande zu begegnen, welcher gegen die Auffassung erhoben werden könnte, dass der Atmungsmechanismus beim Fehlen einer normalen Trennungs- fuge eine abnorme Fuge zwischen den Ansatzstellen jener Rippen schafft, zwischen welchen das Sternum bei der Atmung einknickt. Es kommen nämlich bei erwachsenen Personen Brust- beine vor, an welchen überhaupt keine "Trennung in Corpus und Manubrium vorhanden ist. In der Sammlung des Wiener anatomischen Institutes finden sich mehrere solche ungegliederte Brustbeine, an welchen jedoch ein Merkmal, nämlich eine ab- norme Kürze durchwegs nachzuweisen ist. Es ist nun ohne weiteres klar, dass bei abnorm kurzen Brustbeinen, bei welchen die Rippenansätze sehr nahe aneinander gerückt sind, der Atmungsmechanismus eine ganz andere Wirkung ausübt, so dass es gar nicht zum Einknicken des Brustbeines zwischen den II. Rippen kommt, weil der Vorstoss des caudalen Sternalendes bei der Inspiration durch die Schiefstellung des ganzen Brustbeines ausgeglichen werden kann. Es fehlt daher in diesen Fällen, wenn die Trennungsfuge an normaler Stelle nicht zur Entwickelung gekommen ist, jeder Grund für das Auftreten einer solchen an abnormer Stelle. uk 12, Literaturverzeichnis. Adolphi, Hermann, Über Variationen des Brustkorbes und der Wirbel- säule des Menschen. Morph. Jahrbuch 1905. Birmingham, zit. nach Markowski. Asymmetrie of the sternum, Transact. of the royal academy of medicine in Ireland. Vol. 14. Lublin 1396. Fischel, Alfred, Untersuchungen über die Wirbelsäule und den Brust- korb des Menschen. Anat. Hefte. Bd. 31. Helm, F., Einseitige rudimentäre Entwickelung der I. Rippe nebst einer Anzahl anderer Anomalien am Thorax einer und derselben Person. Anat. Anzeiger 1895. Markowski, J., Über die Varietäten der Ossifikation des menschlichen Brustbeines und über deren morphologische Bedeutung. Lemberg 1902. .— Über den asymmetrischen Bau des Brustbeines. Lemberg 1905. Mayet, Recherches sur l’ossification du sternum chez les sujets normaux et chez les rachitiques. Bulletins de la societe anatomique de Paris. 1895. Meyer, Hermann, Die Statik und Mechanik des menschlichen Knochen- gerüstes. Leipzig 1873. Paterson, The Sternum. Journ. of anat. and phys. 35. 1900. Ranzi, Egon, Über kongenitale Thoraxdefekte. Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Med. und Chir. Bd. 16. 1906. . Ruge, G., Untersuchungen über Entwickelungsvorgänge am Brustbein und an der Sternoclavicularverbindung des Menschen. Morph. Jahrbuch 6. Tschaussow, M., Zur Frage über die Sternocostalgelenke und den Respirationstypus. Anat. Anz. 1891. Zuckerkandl, E., Beitrag zur deskript. und topograph. Anatomie des unteren Halsdreieckes. Zeitschr. f. Anat. und Entwickelungsgeschichte 2. 1877. Tafelerklärung. Fig. 1. Brustbein eines noch jugendlichen Individuums. Asymmetrie des Manubrium, schiefer Verlauf der Synchondrosis sternalis. Fig. 2a. Brustbein eines erwachsenen Individuums. Verwachsung des I. und II. Rippenknorpels. Abnormer Verlauf der Synchondrosis sternalis. Fig. 2b. Frontalschnitt durch das entkalkte Brustbein von Fig. 2a. Zwischenscheiben im Sternocostalgelenk der III. Rippen. Fig. 3a. Thorax eines erwachsenen Individuums. Verwachsung des I. und II. Rippenknorpels. Abnormaler Verlauf der Synchondrosis sternalis zwischen den III. Rippen. Fig. 3b. Ansicht des Thorax 3a von rückwärts. Abnorme Stellung des Querfortsatzes des II. Brustwirbels. Fig. 4. Brustbein eines jugendlichen Individuums. Hochgradige Asym- metrie, abnormer Verlauf der Synchondrosis sternalis. Aus DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT FREIBURG I BR: UBER SYMPODIE VON OTTO VEIT, MARBURG. Mit I1 Figuren auf den Tafeln 7/11. yet an nn nn inne ln nn mn en e ur .: nd SR ” ie 4 ı“ he A F S DIEER) Ey an. year Rh ea 5 . 4 . anadnransarmn | raprinhgei ea je nal Nasen Beauyp m ah Fries er er ne Es könnte fast überflüssig erscheinen die Zahl von ver- öffentlichen Fällen von Sympusbildungen um einen weiteren zu vermehren. Bei Durchmusterung der einschlägigen Literatur muss man aber zu der Erkenntnis kommen, dass wir zu einer defi- nitiven, befriedigenden Erklärung dieser interessanten Miss- bildungen noch nicht gelangt sind. Dazu hoffe ich in der folgenden Untersuchung einen Beitrag zu liefern, wenn das Resultat selbst auch mehr negativer Natur ist. Es sind bisher eine ganze Reihe von Sirenenbildungen beschrieben worden, so dass wir über das allgemeine Verhalten und die meisten Details ziemlich genau orientiert sind. Fast alle Autoren haben nun aber nach einer mehr oder weniger exakten Untersuchung der unteren Körperhälfte sich sofort über die Ursachen dieser Missbildung verbreitet ohne erst den Ver- such zu machen den morphologischen Aufbau eines Sympus dem Verständnis näher zu bringen. Diese Art der Behandlung birgt den einen grossen Fehler in sich, dass spekulative Betrach- tungen angestellt werden, ehe man wirklich darüber orientiert ist, was eigentlich vorliegt, dass versucht wird die causale Genese zu ergründen, ehe man über die formale im klaren ist. Nur von einer Seite ist meines Wissens der Versuch gemacht worden festzustellen, nicht nur welche Merkmale man an einem Sympus findet, sondern wie sich ein Sympus in morphologischer Beziehung verhält zu einem normal gebildeten Individuum, nicht Anatomische Hefte, I’ Abteilung. 114. Heft (38. Bd., H. 1). 6) 66 O. VEIT, nur was einem Sympus fehlt, sondern wie der Bau einer solchen Missbildung zu verstehen is. Bolk ist derjenige, dem das Verdienst gebühıt, zuerst in dieser Weise vorgegangen zu sein. In einem Vortrage, den er im Jahre 1899 in dem „genees- kundige kring van Amsterdam‘ hielt, suchte er den Bau dieser Missbildung unserem Verständnis näher zu bringen unter spe- zieller Berücksichtigung der von ihm mit Eifer vertretenen Segmentalanatomie. Mit seiner Auffassung über die Sympodie werden wir uns im folgenden ganz besonders zu befassen haben. Zunächst wollen wir aber in einem kurzen Rückblick uns mit den früheren Anschauungen über diese Missbildung bekannt machen. Ich kann mich dabei natürlich nur auf das Principielle der bisher geäusserten Ansichten einlassen. Auch werde ich nur die in den letzten Jahrzebnten erschienenen Arbeiten berücksichtigen, da alles früher Geäusserte bei dem damaligen gänzlichen Mangel einer genaueren Kenntnis der hierfür wichtigen Tatsachen der Anatomie und Entwickelungsgeschichte sich nicht über das Niveau jetzt wertloser Spekulationen erhebt. Unter Sympodie oder Sirenenbildung versteht man be- kanntlich eine Missbildung der hinteren Körperhälfte, deren auffallendestes Merkmal das Vorhandensein einer einheitlichen hinteren Extremität ist. Diese einheitliche Extremität setzt sich zusammen aus den beiden mehr oder weniger vollständig an- gelegten hinteren Extremitäten, die in der Weise miteinander vereinigt erscheinen, dass ihre ursprünglich caudalen Ränder, die den lateralen Rändern der normal ausgebildeten Extremität entsprechen, verschmolzen sind, während die Streckseiten nach dorsal schauen. Nach der grösseren oder geringeren Vollkommen* heit in der Anlage der beiden miteinander verschmolzenen hinteren Extremitäten hat man nach dem Vorbilde von I. Geoffroy Saint Hilaire eine Einteilung der Sympusbildungen vorge- nommen, der allerdings nach unserer jetzigen Auffassung keine weitere Bedeutung zukommt, als eine rasche Verständigung Über Sympodie. 67 über den Grad der Verbildung zu ermöglichen. Man teilt die Sirenen in drei Untergruppen ein, und zwar in Sympus apus, Sympus monopus und Sympus dipus. I. Geoffroy Saint Hilaire selbst hatte dıe drei Gruppen mit den Namen Symele, Urome&le und Sirenomele bezeichnet, doch ist die erst genannte Nomenkclatur, welche wohl von A. Foerster zuerst angewandt wurde, gebräuchlicher und auch zweckentsprechender. Unter Sympus apus versteht man Sirenen, deren hintere Extremität nur einen Oberschenkel und einen rudimentären Unterschenkel unterscheiden lässt. Bei Sympus monopus findet man Ober- schenkel, Unterschenkel und einen Fuss mit einer grösseren oder geringeren Zahl von Zehen. Ein Sympus dipus lässt schon deutlich zwei Füsse erkennen. Der geringste Grad von Sympodie zeigt zwei vollständige hintere Extremitäten, die nur verkehrt gestellt erscheinen und deren laterale Ränder nach medial gedreht durch eine Hautbrücke verbunden sind. Ausser diesen drei Unterabteilungen der Sympodie, die sich dadurch kenn- zeichnen, dass die hintere Extremität sich als ein fast vollkommen symmetrisches Gebilde präsentiert, kennt man noch eine vierte, seltenere Gruppe, bei der die beiden Extremitäten, deren Ver- schmelzung die Sympodie bedingt, sehr verschieden vollständig angelegt sind. So kann es vorkommen, dass bei einem einheit- lichen aber nicht ganz symmetrisch gebauten Oberschenkel eine Tibia mit darauffolgendem mehr oder weniger vollkommenem Fusskelet die eine Körperseite repräsentiert, während auf der anderen nur ein Tibiarest nachweisbar ist. In ähnlicher Weise wären dann auch die Weichteile der Extremität an beiden Seiten verschieden vollständig angelegt. Diese Bildungen werden als atypische oder asymmetrische Sympodie bezeichnet. Entsprechend der äusseren Form der Sympusextremität sind Nervensystem, Muskulatur und Skelet von freier Extremität und Beckengürtel nur sehr unvollständig angelegt. Ausser dieser einheitlichen hinteren Extremität, die der ganzen Miss- 5* 68 O. VEIT, bildung ihren Namen gegeben hat, sind nun noch weitere von der Norm abweichende Befunde zu erheben. Die Nabelschnur zeigt stets neben der Vena umbilicalis nur eine Arterie, die nach Weigert meist als persistierende Arteria omphalomesaraica aufgefasst wird. Äussere Genitalien pflegen vollständig zu fehlen, ebenso besteht meist Atresia ani et recti und ist höchsten eine kleine Anusdelle der äusseren Haut vorhanden. Nur Julliard beschreibt einen Fall mit durchgängigem Rektum und rudimen- tären äusseren Genitalien. Auch Cichorius beschreibt eine Sirene, welche einen Sinus urogenitalis und durchgängigen Aus- führungsgang der Harnwege besessen haben soll. Das Uroge- nitalsystem ist auch sonst sehr unvollständig, wenngleich die inneren Genitalien fast nie ganz zu fehlen pflegen. Die Wirbelsäule zählt weniger Wirbelelemente als normal, sodass das Becken mit dorsal verschmolzenen Ossa iliunı caudal von den letzten Wirbeln liegt. Auch findet sich nicht selten eine Rachischisis der letzten vorhandenen Wirbel. Diese Befunde, welche in einzelnen Details wechseln können, sind im allgemeinen absolut konstant, und beweisen, dass bei der Sirenenbildung morphologisch durchaus nicht das Symptom der Sympodie ausschlaggebend ist, sondern dass ein Defekt des ganzen hinteren Körperendes vorliegt. Es ist wichtig hierauf von vornherein hinzuweisen, da, wie sich nachher zeigen wird, dies nicht stets hinreichend beachtet worden ist und dann bei abweichender Auffassung des Baues auch die Ansichten über die Genese sich in ganz anderen Bahnen bewegen müssen. Neben diesen typischen Anomalien werden bei Sympodisten oft noch andere Abweichungen beobachtet. Ein häutiger Schwanz- anhang ist ein sehr häufiges Vorkommnis. Gesichtsmissbildungen, Radiusdefekte, verschiedene Verbildungen der inneren Organe sind desgleichen nicht selten zur Beobachtung gelangt. Gebhard, Voorthuyzen und Kuliga haben die in der Literatur be- kannt gewordenen Fälle daraufhin zusammengestellt, so dass ich wohl nicht näher darauf einzugehen brauche. Über Sympodie. 69 Sehen wir uns nun nach dieser kurzen skizzenhaften Charakteristik der Sirenenbildungen um, welche Anschauungen man sich über ihre Genese gebildet hat, so ist hervorzuheben, dass die meisten Autoren bei ihren Erklärungsversuchen von der Verschmelzung der hinteren Extremitäten ausgegangen sind. I. F. Meckel hielt die Sirenenbildung wie fast alle ange- borenen Formabweichungen für das „Produkt einer regelwidrig wirkenden bildenden Tätigkeit“ unter strikter Ablehnung einer mechanischen Veranlassung wie Druck oder Stoss. Cruveilhier, dem die Vorgänge, welche sich normalerweise bei der Ex- tremitätenbildung abspielen, nicht genauer bekannt waren, glaubte eine Drehung der Extremitäten um ihre Längsache bis zu 180° und eine Compression von beiden Seiten annehmen zu müssen. I. Geoffroy Saint Hilaire wandte auch zur Erklärung der Sirenenbildungen sein bekanntes Gesetz — loi de l’affinite de soi pour soi — an, um die symmetrische Verschmelzung der hinteren Extremitäten bei Verkümmerung des Schwanzendes des Embryo zu erklären. Bischoff hielt eine mangelhafte Bildung des Caudalendes des Embryo für gegeben, die den Defekt in den inneren Organen erkläre und ein Aneinanderdrücken und Verschmelzen der Extremitäten- anlagen bedinge. Julliard verwirft die Anschauungen von Cruveilhier und Geoffroy Saint Hilaire, nimmt viel- mehr eine frühe Störung der Entwickelung an, die vielleicht auf äusseren Gewalteinwirkungen beruhen könne; die Extre- mitätenanlagen sollen verschmelzen, die Anlage von äusseren Genitalien und Anus würden zum Teil unterdrückt, innere und äussere Genitalien sollen sich bei dem Gegeneinanderwachsen verfehlen; die Verdrehung der Beine sei bedingt durch ein Überwiegen der Muskeln der Hinterseite über die Adduktoren. Foerster tritt für eine primäre verkümmerte Bildung und Verdrehung des Schwanzendes des Embryo ein. Gegenüber diesen Anschauungen, die sich in ganz allge- 70 O. VEIT, meinen Ausdrücken und vagen Vorstellungen bewegen, bedeutete Dareste’s Erklärungsversuch schon einen wesentlichen Fort- schritt. Er suchte die Verbildung des Embryonalkörpers zu erklären durch eine Enge der Schwanzkappe des Amnion. Dieses drücke die Extremitätenanlagen gegeneinander, sodass sie unter Drehung um ihre Längsachse verschmelzen. Die übrigen Anomalien seien dann direkte Folgeerscheinungen dieser Verwachsung der hinteren Extremitäten. Die Amnionenge selbst könne eine endogene Hemmungsbildung sein. Dareste stützte sich bei dieser Anschauung auf Befunde bei Hühnerembryonen, bei denen er eine Annäherung der Extremitätenstummel gegeneinander fand und zugleich eine Enge der Schwanzkappe des Amnion glaubte konstatieren zu können. Die hier angeführten Ansichten über die Entstehung der Sympodie sind in der Folgezeit für fast alle Autoren mass- gebend gewesen. Besonders die Theorie von Dareste hat mannigfache Zustimmung erfahren, wenn auch gelegentlich die eine oder andere Modifikation angebracht wurde. So wurde die Bildung eines häutigen Schwanzanhanges auf amniotische Adhäsionen zurückgeführt, die auch die Haut des Dammes so stark anspannen sollten, dass eine Bildung von Anus und äusseren Genitalien unterbleiben sollte. Gebhard wies im Anschluss an Fischer besonders darauf hin, dass die Verdrehung der Extremitäten nur scheinbar sei und ihre Erklärung in der nor- malen Entwickelung der Extremitäten finde, bei der eine Drehung stattfinde, die eben bei Sympodie ausbleibe. Die zeitliche Ent- stehung der Sympodie datiert Gebhard auf eine sehr frühe Embryonalzeit zurück, ehe Extremitätenanlagen sichtbar auftreten. Die Anomalitäten der Bauchorgane sucht er durch Druck der Sympusextremität auf den Unterleib zu erklären. Clauss hält es für nicht unmöglich, dass die Amnionenge die Folge des Defektes des W olffschen Körpers sei; es werde vom Fetus zur Bildung des Amnionwassers nichts beigetragen und daher ent- stehe eine Enge des Amnion. Über Sympodie. al Von anderer Seite ist nun wieder energisch gegen Dareste Stellung genommen. So greift Ahlfeld auf die Foerster- sche Erklärung zurück und verwirft die Amnionenge als ätio- logisches Moment, da niemals amniotische Stränge nachgewiesen seien. Manner-Smith ist geneigt die Ansicht von Geoffroy Saint-Hilaire in modifizierter Form für richtig zu halten ohne aber genauer auseinanderzusetzen, wie sich er das vorstellt. Koch wendet sich gegen die Dareste-Gebhardschen An- schauungen, kann aber etwas Neues dafür nicht an die Stelle setzen. Voorthuyzen spricht sich sehr energisch gegen Dareste aus und hält es geradezu für unmöglich, dass das Amnion die Extremitäten von beiden Seiten aneinanderdrücke und dabei nicht auch in der Längsrichtung eine Kompression ausübe. Er erörtert die Möglichkeit, dass ein Nichtauswachsen des End- darmes die primäre Ursache sei, muss aber zum Schluss zugeben, dass er damit auch nicht alles erklären kann. Rabaud kommt an der Hand von Befunden bei Hühnerembryonen, bei denen er Vorstufen von Sympodie glaubt konstatieren zu können, unter Ablehnung der Erklärung von Dareste zu der Ansicht, dass eine primäre, im Keim gelegene Ursache den ersten Anstoss zu der abnormen Entwickelung abgebe, zu der dann später noch andere sekundäre Momente hinzukämen. Interessant und überleitend zu der meines Erachtens wichtigsten Theorie von Bolk ist eine Bemerkung von Arnold, der für die causale Genese Amnionenge für wahrscheinlich hält, die formale Genese rückdatiert auf eine sehr frühe Embryonalzeit und eine Schä- digung der caudalen Somiten annimmt. Bolk sucht nun das Problem von einer ganz anderen Seite anzufassen. Er kommt zu der Ansicht, dass der Bau eines Sympus in ganz gesetzmässiger Weise sich erkläre durch die Annahme eines Ausfalles von Segmenten an der hinteren Körper hälfte. Er legt besonders Wert darauf festzustellen, dass die 2 0. VEIT, ee nn u TI — — — Einheitlichkeit der hinteren Extremität nur eine einfache Begleit- erscheinung und notwendige Folge des Ausfalles am hinteren Körperende ist. Er nimmt an, dass aus inneren, uns un- bekannten Gründen die Segmentbildung zu früh aufhört, und demzufolge ein Defekt am hinteren Ende des Embryo vorhanden sei. Nur die eranialen Teile von Beckengürtel und freier Extre- mität werden angelegt, der Rest und das ganze auf die Extre- mitäten folgende Rumpfstück fehlen vollständig. Daraus erkläre sich die Form des Beckens und des Extremitätenskeletes, sowie das Muskel- und Nervensystem der hinteren Extremität. Dem- nach seien die Sirenen als primäre Hemmungsbildungen auf- zufassen. Aber auch im Eingeweidesystem sei der Defekt primär, wenn wir auch vorläufig noch nicht genauer die Grenzen der Enteromeren angeben können. Diese Auffassung von Bolk hat in der Literatur der letzten Jahre kaum die ihr gebührende Berücksichtigung gefunden. Nur Slingenberg kommt in seiner Arbeit über die Miss- bildungen der Extremitäten kurz auf sie zu sprechen und schliesst sich ihr rückhaltlos an, während Kuliga in seiner jüngst erschienenen Publikation sie ablehnt, dagegen als primäre Ursache das Ausbleiben der Entwickelung der Allantois ansieht, von der aus er dann glaubt, die gesamten Erscheinungen er- klären zu können. Die Sirene, welche nunmehr beschrieben werden soll, wurde nachdem sie im Verein der Ärzte zu Halle a/S. von meinem Vater, dem Direktor der Universitäts-Frauenklinik in Halle demonstriert worden war, mir zur Bearbeitung überlassen. Sie gehört zur Gruppe der Sympus monopus-Bildungen. Es handelt sich um ein ausgetragenes Kind mit allen Zeichen der Reife. Die Gesamtlänge beträgt 46 cm, der Abstand von Scheitel zu häutigem Schwanzanhang 23 cm, von dort zur Zehen- spitze desgleichen 23 cm; von Schenkelbeuge zu Zehenspitze gemessen weist das Bein eine Länge von 15 cm auf, die Fuss- Anatom. Hefte. Veit. I. Abt. 114. Heft (38. Bd., H. 1). Tafel 7. Haut- Schwanz Bergmann in Wiesbaden. Tafel 8. Anatom, Hefte. I. Abt. 114. Heft (38. Bd., H. 1). --- Crista ossis ilium -- Spina iliaca ant. sup. Os ilium Dre Foram. ischiad. Spin. iliae. __ ant. sup. kam. sup. os. pubis. 2 = \ Foram. obturat. ; | So B--------- Foram. ischiad. Symphyse a Be Troehanter maior Fi 8. A NE u Trochanter minor _-—- Crista ossis ileum = Spina iliaca ant. sup. ee Foram. ischiad. > Femur —un Acetabulum } =--- Ram. sup. os. pubis. iE Foram. "obturat. Fig. 5. N Patella in ihrer Band- masse Spin la. 0 222 £EIöSTeEZG Zp______ >Os ilium AntSUp en Trochanter_ AT FRA —. maior \ Ä "\""-Foram. obturat. Trochanter —---—— N. —g minor f -—Z Sun: Symphyse Being == anne, Femur ee Tarsus Metatarsus Seel. Phalangen Patella in ihrer Band- masse Fig. 6. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden Veit, " I [e ö ri © fl = n j ar Ü It 1 Fl i ‘ M r rl i A ui D vi x k TC er i - 2 um vr RR N HLIM SL) r} if: Y Bl ld: ) rin Ur KR a } ya Ve AIRES N h* " Shen ae LAT u 1 Mi Yo pe Ir i FON „ Fllen ws 7 par NE? UL y ER Irdlae Aa rule, lea ur ER Ren Na He: Pe ” ö “ u EN j 2 N \ RE: IRA UN ! : u \ “ 0 Yet ’ In Über Sympodie. 73 sohle ist 4 em lang. Der fronto-occipitale Kopfumfang beträgt 37 cm, der Körperumfang in Brustwarzenhöhe 33 cm, in Nabel- höhe 30 cm. Der Umfang des Beines direkt unter der Schenkel- beuge ist 20 cm, in Kniehöhe 11 cm. Auch die Masse der oberen Körperhälfte und des Kopfes ergeben, dass das Kind voll ausgetragen ist, im Vergleich mit einem normalen aus- getragenen Kinde sind die Kopfmasse besonders reichlich gross. Schon bei der Betrachtung der Körperoberfläche (Taf. 7, Fig. 1—3) fallen neben der Sympodie noch manche weitere Miss- bildungen sofort in das Auge. Statt der Ohrmuscheln finden sich beiderseits nur kurze Hautläppchen, in denen durch Palpation kein festeres Stützgewebe nachweisbar ist. Hals und Brust scheinen äusserlich normal gebildet zu sein. Die Unterarme sind beider- seits sehr kurz, die Hände gegen den Unterarm rechtwinklig nach radial abgeknickt; an der rechten Hand fehlt der Daumen, links sind noch ausserdem der 2. und 3. Finger verwachsen. Der hiernach schon zu vermutende doppelseitige Radiusdefekt wird durch eine Röntgenaufnahme erwiesen. Der Unterleib ist bis zur Nabelhöhe äusserlich normal gebildet; dann geht er ganz allmählich sich verjüngend direkt in die einheitliche hintere Extremität über. Der Bauch ist flach concav eingezogen, zeigt aber sonst keine weiteren Besonder- heiten. Im Nabelstrang sind nur zwei Blutgefässe nachweisbar. Auf der Rückseite (Fig. 3) findet sich etwa an der Grenze von Rumpf und Extremität in der Mittellinie ein nach unten ge- richtetes Hautläppchen, welches in einer Hautvertiefung gelegen ist und nur aus Elementen der Cutis besteht. Es entspricht einem gerade bei Sirenen nicht selten beobachteten schwanzähnlichen Hautanhang. Zwei Zentimeter caudal davon, ebenfalls in der Mittellinie, ist die Haut nach der Tiefe radiär eingezogen, so dass das Bild einer Analgrube entsteht. In der Tiefe fühlt man hier deutlich eine härtere Konsistenz. Wie sich später bei der Präparation herausstellt, findet sich hier der direkt unter der 74 O.-VERT, Haut gelegene Trochanter major. Von äusseren Genitalien ist keine Spur zu entdecken. An den Rumpf schliesst sich direkt die hintere Extremität an. Sie setzt sich an der Bauchseite durch eine querverlaufende Hautfalte ab, während dorsal eine Grenze überhaupt nicht an- zugeben ist. Auch die ventrale Hautfalte kommt hauptsächlich nur dadurch zustande, dass die hintere Extremität nicht die Längsachse des Rumpfes fortsetzt, sondern mit ihr einen nach vorne offenen Winkel bildet. Die Ventralfläche der Extremität ist abgeplattet, während die Dorsalseite stark gewölbt ist. Man kann deutlich drei Abschnitte an der Extremität unterscheiden. Im Bereiche des Oberschenkels nimmt der Umfang nur all- mählich ab, dann erfolst am Knie eine rasche Abnahme des- selben und setzt nun Unterschenkel und Fuss sich fast in un- verändertem Umfange bis an das Ende fort. Das Knie bildet einen nach ventral offenen stumpfen Winkel. Der Fuss setzt sich kaum vom Unterschenkel ab. Seine Plantarfläche sieht nach ventral. Der Fuss trägt drei Zehen, von denen die beiden äusseren kräftig entwickelt sind. Die Haut ist überall prall gespannt und lässt nur sehr undeutlich die tieferen Teile durchfühlen. Dies wird bedingt durch ein ganz ausserordentlich reichhaltiges subcutanes Fett- gewebe, welches auch die Präparation sehr erschwert, da überall noch zwischen die Muskulatur reichlich Fettgewebe eingelagert ist. Bei der Präparation habe ich mich auf die untere Körper- hälfte beschränkt, da die Veränderungen, die ja hier auch sicher an der oberen Körperhälfte vorhanden sind, für die Auffassung der Sympodie doch zunächst nicht in Betracht kommen. Skeletsystem (Taf. 8, Fig. 4—7). Das Skelett der unteren Körperhälfte ist sehr mangelhaft ausgebildet und zeigt einen von der Norm durchaus abweichenden, für die Sirenenbildungen im allgemeinen typischen Befund. Die Lendenwirbelsäule besteht nur aus zwei Ele- Über Sympodie. (5 menten, die noch deutlich dem Bau nach als Wirbel zu erkennen sind. Der erste Wirbel, welcher dem normalen letzten Brust- wirbel folgt, ist vollständig ausgebildet, und lässt \Virbelkörper, Bogen und Fortsätze in normaler Entwickelung erkennen. Nur ist der Wirbelkörper etwas weniger hoch als man den sonstigen Dimensionen nach erwarten sollte. Der zweite Lendenwirbel weicht nun schon sehr erheblich von der Norm ab. Der Wirbel- körper ist sehr flach, daran schliessen sich jederseits die kräf- tigen, mit den typisch ausgebildeten Fortsätzen versehenen Anfangsteile des Wirbelbogens an. Dorsal ist der Bogen offen und sind die beiden Hälften nur durch straffe Bandmassen, die den Wirbelkanal dorsal decken, verbunden. Von den beiden nächsten Lendenwirbeln bestehen nur je zwei kleine rundliche Knorpelstückchen, die in der Verlängerung der Bogenhälften des zweiten Wirbels gelegen, hier die austretenden Nervenstämme unvollkommen trennen. Von den Bogenteilen des zweiten Lendenwirbels gehen kräftige Bandmassen zu den Darmbein- schaufeln und stellen die einzige Verbindung des Beckengürtels mit der Wirbelsäule dar. Das Gliedmassenskelet besteht aus dem Beckengürtel und dem daran anschliessenden Skelet der freien Extremität. Das Becken (Fig. 4 u. 5) ist sehr difform und in seinen ein- zelnen Abschnitten zunächst kaum wiederzuerkennen. Es liegt caudal von der Wirbelsäule, mit der es durch Bandmassen ver- bunden ist, die eine ausgedehnte Beweglichkeit des ganzen Beckens gegen den Rumpf zulassen. Man kann an dem Becken drei Ab- schnitte unterscheiden, einen centralen knorpeligen Teil, eine daran nach dorsal sich anschliessende Knochenplatte, welche in die beiden Darmbeinschaufeln übergeht, und einen ventralen Knochen — Knorpelbogen. Der centrale massige Abschnitt ist in ganzer Ausdehnung knorpelig, er trägt an seiner dorsalen resp. caudalen Seite (Fig. 5) die unpaare einheitliche Gelenkpfanne für den Femurkopf und lässt sonst keine Besonderheiten erkennen. 76 O. VEIT, Dorsal schliesst sich an diesen Knorpelteil eine knöcherne Platte an, von welcher weiterhin die paarigen Darmbeinschaufeln ausgehen. Die Knochenplatte wird von einem kleinen Kanal durchbohrt, durch welchen die Nervi glutaei hindurch verlaufen. Dorsal fügen sich die beiden, durch eine tief einschneidende Incisur von- einander getrennten Darmbeinschaufeln an. Sie sind nach hinten umgebogen; ihr freier Rand ist von einem dicken Knorpelbelag gedeckt, der lateral einen kleinen Vorsprung bildet, welcher als Spina iliaca ant. sup. zu deuten ist. Diese über- knorpelten Cristae iliacae sind es, welche das Ende der Wirbel- säule zwischen sich nehmen und mit ihm durch Bandmassen verbunden sind. Zu erwähnen ist noch, dass die linke Darm- beinschaufel nicht unerheblich kleiner ist als die rechte. Der ventrale Teil des Beckens bildet einen bogenförmigen Abschnitt, an den sich ein nach unten resp. caudal gerichteter Knorpel- fortsatz anschliesst. Der Bogen setzt sich mit einem knöchernen Anfangsteil jederseits an die mittlere knorpelige Masse an und umschliesst eine Öffnung, welche durch ein medianes Binde- gewebsseptum in zwei Hälften zerlegt wird; hier treten die beiden Nervi obturatorii hindurch. An die vordere knorpelige Partie schliesst sich continuierlich ein kleiner Knorpelfortsatz nach caudal an. Wie die einzelnen Abschnitte dieses Beckens aufzufassen sind, ergibt sich unschwer aus der Form und den Nerven- und Muskelverhältnissen. Der centrale Knorpelabschnitt, welcher als besondere Differenzierung nur die Gelenkpfanne trägt, gibt sich dadurch zu erkennen als der Teil, welcher aus der Vereinigung der beiden Acetabula also der y-förmigen Fuge der Ossa coxae und ihrer Umgebung entstanden zu denken ist. Von hier müssen also nach dorsal die Ossa ilium, nach ventral die Ossa pubis, nach caudal die Ossa ischii zu verfolgen sein. Was zu- nächst die Ossa ischii anbelangt, so ist von ihnen keine Spur nachweisbar. Es liegt dies daran, dass der Teil der Ossa ischii, Über Sympodie. 77 welcher vielleicht angelegt ist, sich durch Verknöcherung noch nicht abhebt von der knorpeligen Centralmasse des Beckens. Die Ossa pubis lassen sich im Gegensatz dazu deutlich erkennen. Der ventrale Bogen des Beckens, welcher mit knöchernen Stücken beginnend, dann in eine breite Knorpelmasse übergeht, ist als Rami superiores ossium pubis und Symphysis ossis pubis an- zusprechen; der kleine nach abwärts gerichtete Knorpelfortsatz stellt dann die verschmolzenen Rami inferiores ossium pubis dar, welche frei endigen, da die Rami inferiores ossis ischii nicht angelegt sind. Die Öffnung, welche der ventrale Bogen das Becken umschliesst, muss nun wohl als Foramen obturatorium, und zwar entstanden durch Verschmelzung der beiden Foramina obturatoria, angesehen werden. Hierfür spricht, dass dies Fo- ramen durch eine bindegewebige mediane Scheidewand in zwei Hälften geteilt wird, durch welche je ein kräftiger Nervus ob- turatorius verläuft, sowie die umgebenden Skeletteile, deren Bedeutung wir soeben kennen lernten. Mit dem Beckenkanal hat diese Öffnung demnach nichts zu tun. Dass in dem dorsalen Beckenabschnitte die beiden Ossa ılıum zu suchen sind, ergibt sich aus dem Vorhergesagten von selbst. Die unpaare Knochenplatte, welche die oben erwähnte kleine Öffnung enthält, ist aus den Körpern der beiden Darm- beine entstanden zu denken. Daran schliesst sich dann jeder- seits die Ala ossis ilium an. Die kleine mediane Öffnung ist nun ähnlich wie das unpaare Foramen obturatum als das un- paare, aus den beiden Incisurae ischiadicae entstandene Foramen ischiadicum zu deuten. Dies beweist seine Lage median zwischen den beiden sonst innig zusammenhängenden Ossa ilium, sowie sein Inhalt. Es treten hier, durch kein Bindegewebsseptum von- einander getrennt, die beiden Nervi glutaei durch das Becken aus. Die Beckenform erklärt sich demnach so, dass eine Ver- einigung der beiden Ossa coxae in der Mediane vorliegt und zwar mit ihren caudalen Rändern unter Wegfall einiger Teile 78 O. VEIT, des caudalen Randes, im besonderen fehlen ganz die Ossa ischii, während die Ossa pubis vollständig angelegt sind, die Ossa ilium nur an ihrem caudalen Rande Defekte aufweisen. Das Skelet der freien Extremität (Fig. 6 u. 7) ist in dem- selben Sinne wie das des Beckengürtels mangelhaft angelegt, d.h. nur die cranialen Teile sind vorhanden. Im Oberschenkel findet sich nur ein einziges Os femoris. Der Knochen, dessen Länge dem übrigen Entwickelungsgrade der Missbildung entspricht, lässt Diaphyse und Epiphysen deutlich unterscheiden. Er ist symmetrisch gebaut, was schon sofort darauf hinweist, dass er aus einander entsprechenden Teilen der beiden Ossa femoris zusammengesetzt ist. Das kräftige proximale Ende trägt den vollkommen einheitlichen Gelenkkopf, sowie ventral den daran direkt anschliessenden ebenfalls einheitlichen Trochanter minor, und dorsal den stark ausgeprägten Trochanter major. Der Schaft weist keine besonderen Bildungen auf, er verbreitet sich allmählich und geht so in die distale Epiphyse über. Diese trägt zwei direkt aneinander anstossende, aber deutlich getrennte Gelenkflächen, welche jede die Konfiguration aufweisen, wie sie für die distale Femurgelenkfläche typisch ist. Aussen neben der Gelenkfläche setzt sich jederseits ein Epicondylus gut ab. Die Anordnung des Femur ist dabei so, dass die Ventralseite den Charakter trägt, wie er bei einer normalen Extremität der Beugeseite zukommt, die Dorsalseite umgekehrt wie eine Streck- seite ausgebildet erscheint. Die Facies patellaris liegt rechts hinten aussen, links fast rein hinten an der distalen Femur- epiphyse. Die beiden kleinen knorpeligen Patellae liegen an diesen Stellen dem Femur auf; durch kräftige Ligamenta patellae sind sie mit den Tibiae verbunden. Von den Unterschenkelknochen sind nur die beiden Tibiae vorhanden, während die Fibulae vollkommen fehlen. Die Tibiae sind nicht in ganzer Länge frei nebeneinander gelagert, sondern am oberen Ende der Diaphyse und an der unteren Epiphyse Über Sympodie. 9 miteinander für eine kleine Strecke verwachsen. Besondere Bildungen sind an den beiden Knochen nicht zu erwähnen, hervorzuheben ist nur, dass hier gleichfalls die Streckseite dorsal, die Beugeseite ventral liegt, sowie, wie hier besonders aus der lateralen Lage der Malleolen deutlich hervorgeht, die Seite, welche normalerweise medial liegt, hier sich lateral findet. Im ganzen genommen ist die rechte Tibia etwas kräftiger entwickelt als die linke, der rechte Malleolus tritt dementsprechend auch stärker hervor. Zwischen beiden Tibiae ist eine derbe Membrana interossea ausgespannt. Das Kniegelenk ist doppelt, da jede Tibia mit einem vollständig abgeschlossenen, normal aus- gebildeten Gelenk am Femur artikuliert. Die Skeletstücke, welche den Tarsus zusammensetzen, sind noch alle vollkommen knorpelig. Die Knorpel sind in zwei Reihen angeordnet. In der ersten Reihe liegt ein grosser breiter Knorpel, welcher von den Malleolen zum Teil umgriffen mit den Tibiae artikuliert. Daneben findet sich ein nur auf der rechten Seite vorhandener kleiner Knorpel, der sich der Spitze des rechten Malleolus anlegt. In der zweiten Tarsalreihe finden sich vier kleine Knorpelstücke. Je eines an der freien Kante verbindet sich gelenkig mit den Metatarsalia der beiden Rand- zehen. Ventral stossen die beiden Tarsalia aneinander, dorsal schiebt sich das Metatarsale der Mittelzehe zwischen sie ein; es liegen hier in der Tiefe zwischen diesen beiden Tarsalia und dem Metatarsale der Mittelzehe noch zwei weitere ganz kleine Knorpel- stücke. Welchen Teilen des normalen Fusswurzelskeletes die hier gefundenen Knorpel entsprechen, lässt sich bei dem Fehlen jeglicher Muskulatur am Fuss nicht feststellen. Auf den Tarsus folgen drei Mittelfussknochen, von denen der mittlere sich dorsal in den T'arsus hineindrängt. Die Randzehen besitzen je zwei Phalangen, die Mittelzehe deren drei. Das Skelet der freien Gliedmasse ist, wie aus der Be- schreibung hervorgeht, in der für Sirenen typischen Weise so O. VEIT, r aus dem zweier hinterer Extremitäten zusammengesetzt, so dass nur die cranialen, d. h. die bei der normalen, fertig entwickelten Extremität medial gelegenen Teile des Skeletes dabei beteiligt: sind, während die caudalen vollständig fehlen. Muskelsystem(Taf.9/10, Fig.8—10). Die Muskeln des Bauches und Rücken zeigen nur dadurch ein von der Norm abweichendes Verhalten, dass ihre Stützpunkte am Beckengürtel nicht in nor- maler Weise ausgebildet sind. Es ist dadurch der Faserverlauf etwas modifiziert, ohne dass dies irgendwelche Schwierigkeiten für das Verständnis bieten könnte. Der Sacrospinalis ent- springt mit der grössten Masse seiner Fasern von der Bandmasse, welche den Bogen des zweiten Lendenwirbels verschliesst, zum Teil gehen seine Fasern mit den Bandmassen, die das Becken an die Wirbelsäule fixieren, bis nahe an die Crista ossis ilium heran. Der Latissimus dorsi nimmt seinen Ursprung aus einer sehnigen Platte, die den Anfangsteil des Sacrospinalis deckt, weiter cranial von den Proc. spinosi der letzten Brust- wirbel, weiter caudal von der Crista ossis ilium bis fast herunter an die Spina ossis ilium, an welcher der Sartorius entspringt, an der linken Seite von einem deutlich ausgeprägten Sehnen- bogen, der von der linken Bogenhälfte des zweiten Lendenwirbels zur Crista ossis ilium hinüberläuft. Von den Glutaei sind nur einzelne Muskelbündel auffindbar, die eine genaue Trennung und Identifizierung nicht zulassen. Zu oberst liegen zwei rund- liche Muskeln, die in der Medianen von der Sehnenplatte der Latissimi dorsi entspringend in die nicht deutlich abgesetzte Fascie ausstrahlen. Unter diesen Muskeln finden sich Muskel- fasern, die von der Rückseite der Alae ossium ilium entspringend nach median ziehen, hier von beiden Seiten aufeinander stossen, sich aufbiegen und in die Fascie ausstrahlen; bis an den Trochanter major reichen diese Muskelfasern nicht heran. Als Glutaei sind die beschriebenen Muskeln anzusprechen ihrer Lagebeziehungen wegen, die nur auf Glutaealmuskeln schliessen Über Sympodie. 8 lassen können, sowie der Innervation nach. Ihre Nerven erhalten sie von den durch das Foramen ischiadieum hindurchtretenden Nervi glutaei. An der Rückseite des Beckens sind hier noch einzelne andere Muskelbündel zu finden, die von dem Rand des Beckens zum Trochanter major ziehen, zum Teil auch direkt von beiden Seiten querverlaufend ineinander übergehen. Einzelne Muskelindividuen lassen sich hier nicht sondern, so dass es nicht möglich ist exakt festzustellen, welche Hüftmuskeln sie reprä- sentieren. Der paarig vorhandene Quadriceps femoris be- deckt als mächtiger Muskel die dorsalen und lateralen Flächen des Femur. Die Muskeln jeder Seite gehen hinten median direkt ineinander über. Es lassen sich aus der Muskelmasse jederseits mehr oder weniger deutlich vier einzelne Köpfe trennen, von denen drei den Femur direkt umgeben und bis in die Höhe der Trochanteren reichen, während der vierte vom Rande des Becken und zwar vom Os ilium unterhalb der Spina iliaca ant. sup. ent- springt. Nach distal geht der Quadriceps in eine kräftige Seline über, welche die Patella umbüllend zur Tibia zieht, wo sie lateral hinten breit inseriert. Seine Nerven erhält der Quadriceps direkt aus dem Nervus femoralis. Dies sind die Muskeln an der Dorsalseite der hinteren Extremität. Denn weiter unten an Unterschenkel und Fuss sind von Muskulatur auch nicht die geringsten Reste mehr nachweisbar. Der Psoas entspringt beiderseits lateral von den Körpern und Seitenteilen der beiden Lendenwirbel; er vereinigt sich mit dem von der Innenfläche der Beckenschaufel entspringenden Iliacus und zieht nun als Iliopsoas über den Beckenrand zum Oberschenkel, an dem er in der Tiefe lateral neben dem: Tro- chanter minor inseriert. Der Sartorius ist rechts kräftig, links dagegen nur schwach entwickelt. Er entspringt von dem etwas prominierenden, unteren Ende der Crista ossis ilium, also der Spina iliaca ant. sup. und zieht links sehr bald, reclıts erst später sehnig werdend Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114. Heft (38. Bd., H 1). 6 82 O. VEIT, aussen am Oberschenkel herab, um mit schmaler sich dann etwas verbreiternder Sehne an der Tibia zu inserieren. Seine Nerven erhält der Muskel hoch oben am Oberschenkel direkt aus dem Nervus femoralıs. Der Graeilis entspringt median von der Symphyse; von hier laufen die beiden Muskeln divergierend zur Aussenseite des Oberschenkels, um innen vor dem Sartorius mit am Ende etwas verbreiterter Sehne sich an der Tibia anzuheften. Innerviert wird der Muskel von feinen Ästen des Nervus obturatorius. Es findet sich nun an der Vorderseite des Oberschenkels eine kräftige Muskulatur, welche zum Teil von der Symphyse und dem Knorpelfortsatz, der von der Symphyse ausgeht, zum Teil median vom Femur entspringt und divergierend nach lateral an den Femur zieht; weiter distal zieht eine Muskelplatte von rechts oben nach links unten über die Ventralfläche des Femur. Eine Zerlegung in einzelne Muskelindividuen ist aber nicht möglich, und lässt sich nur aus der Lage und der Innervation durch den Obturatorius schliessen, dass diese Muskelmasse den nicht aus- differenzierten Adduktoren entspricht. An Unterschenkel und Fuss finden sich auch an der Ventralseite keine Muskeln, bis auf einige wenige Fasern, die quer zwischen den proximalen Enden der Tibiae verlaufen. Nerven zu diesen kleinen Muskel- bündeln liessen sich nicht verfolgen, so dass ihre Identifizierung nicht möglich ist. Die Muskulatur zeigt also dasselbe Verhalten, wie es bei dem Skelet festgestellt werden konnte. Es sind nur die Muskeln nachweisbar, welche dem cranialen Rande der Extremität an- gehören, während die Muskeln des caudalen Randes und die gesamte Beckenboden — und Dammmuskulatur vollständig fehlen. Zugleich weist die dorsale Lagerung des Qnadriceps, die ventrale von Gracilis und Adduktoren, sowie die rein laterale des Sartorius auf das Ausbleiben der normalen Drehung des Beines hin. Über Sympodie. 83 Nervensystem. (Taf. 9/10, Fig. 9 u. 10.) Das Rückenmark reicht bis an das Ende der Wirbelsäule herab. Der Subdural- raum am Ende des Wirbelkanales ist weit und von einer dunklen, krümlichen Masse prall gefüllt. Der Nerv, welcher zwischen letztem Brust- und erstem Lendenwirbel austritt, verläuft sofort in die Rumpfwand weiter ohne mit Sicherheit nachweisbare Verbindungsfasern zu den Lumbalnerven abzugeben. Der erste Lumbalnerv geht mit einem Teil seiner Fasern in die Rumpf- wand direkt ein, ein nicht unerheblicher Teil legt sich an den zweiten Lumbalnerven an. Am Ende der Wirbelsäule, also hinter dem zweiten Lumbalwirbel tritt jederseits eine Nerven- masse aus, welche durch die Rudimente des dritten und vierten Lendenwirbels unvollständig in drei Stränge zerlegt wird und wohl dem zweiten bis vierten Lumbalnerven entspricht. An diese Nervenmasse legt sich ein grosser Teil der Fasern des ersten Lumbalnerven an. Unter mehrfacher plexusartiger Schlingenbildung verlaufen die Nerven durch den Psoas hin- durch, dabei ihn mit Nerverfasern versorgend, und treten nun die einzelnen Äste hervor. Zunächst erscheint medial aus dem Psoas heraustretend ein Nerv, der sich mit einzelnen Fasern wenigstens über den Rand des Iliacus weg seitlich in die Haut des Oberschenkels verfolgen lässt, und demnach alsOutaneus femoris lateralis anzusprechen ist. Ein zweiter Nervenstamm tritt in der Furche zwischen Iliacus und Psoas aus und verläuft als Nervus femoralis mit den Gefässen zum Oberschenkel hinab. Er gibt sehr bald einen Hautast ab, der lateral und vorn am Öberschenkel herab zieht, mit einem Hautast des N. obturatorius eine breite Anastomose ein- geht und den Oberschenkel ventral und lateral mit Hautästen versorgt, zugleich auch einen Ast an der Seite des Unterschenkels herab bis zum Fuss hin entsendet. Der Stamm des Femoralis selbst löst sich frühzeitig in feine Äste auf, die lateral in den Sartorius, hinten in den Quadriceps eintreten. 34 O. VEIT, Der Nervus obturatorius kommt medial unter dem Psoas hervor, verläuft direkt zu dem Foramen obturatum, durch welches hindurchtretend er die Vorderfläche des Oberschenkels erreicht. Er liegt hier zwischen Gracilis und Adduktoren, die er beide mit Ästen versorgt und sendet einen Hautast lateral unter dem Gracilis hervor, der sich mit dem Ramus cutaneus nervi femoralis verbindet und an der Versorgung der Haut an der Ventralseite des Oberschenkels beteiligt. Frühzeitig löst sich aus der Masse der Lumbalnerven ein Stamm ab, der durch das Foramen ischiadicum auf die Dorsal- seite tritt, dort die als Glutaei beschriebene Muskulatur versorgt und einen Hautast zu der Hinterseite des Oberschenkels sendet, welcher lateral und unterhalb des Trochanter major an die Oberfläche tritt. Dieser Nerv entspricht demnach im wesent- lichen einem Nervus glutaeus, enthält aber dann noch sensible Fasern, die ihrem Hautgebiet nach als Nervus cutaneus femoris posterior zu bezeichnen wären. Die Beschreibung zeigt ohne weiteres, dass auch an dem Nervensystem, und hier sehr deutlich, die Erscheinung auftritt, dass alle caudalen Nervenstämme, die den Plexus sacralis und pudendus bilden würden, bis auf die Äste zu den Glutaeal- muskeln und zur Haut der Dorsalseite des Schenkels fehlen, während die Äste des Plexus lumbalis ziemlich vollständig und einigermassen normal angeordnet vorhanden sind. Gefässystem (Taf. 10, Fig. 10). Nach ihrem Durchtritt durch das Zwerchfell gibt die Aorta sofort zwei grössere Gefässe ab, welche den gesamten Darmtractus mit Blut versorgen. Ausser den sehr feinen segmentalen Gefässen entspringen sodann aus der Aorta zwei grosse Gefässe direkt hintereinander. Diese ziehen in einer kleinen vom Ende der Bauchhöhle aufsteigenden Peritoneal- falte zur vorderen Bauchwand und vereinigen sich auf dem Wege dorthin zu einem Stamm, der nun als einzige Arterie in den Nabelstrang eintritt. Nach Abgabe dieser beiden Äste läuft Uber Sympodie. 85 die an Kaliber nun sehr viel kleiner gewordene Aorta noch eine Strecke weiter und teilt sich dann in der Höhe des Unter- randes des zweiten Lendenwirbels in die beiden Arteriae iliacae. Vom Stamm selbst ziehen einige feine Gefässe über das Becken zur Symphyse hin. Die Arteriae iliacae verlaufen ohne hypo- gastrische Äste abzugeben zum Bein weiter, senden dort zahlreiche kleine Zweige in die Muskulatur und vereinigen sich in der Mittellinie unterhalb des Kniegelenkes zu einem Stamm, der ventral als unpaare Arterie bis zum Fuss zieht und einen Ast durch die Membrana interossea auf die dorsale Seite des Unter- schenkels entsendet. Vom Venensystem ist nichts Besonderes hervorzuheben. An der Extremität begleiten je zwei Venen eine Arterie. Die unpaare Vena umbilicalis verläuft normal. | Die einzige Schwierigkeit in der Deutung der Gefässe geben die Arterien, welche von der Aorta zum Nabelstrang ziehen, ab. Sie entspringen aus der Aorta selbst und sind meines Erachtens in Analogie mit den sonst beobachteten Fällen bei Sirenen als persistierende Arteriae omphalomesaraicae aufzufassen, wenn auch in diesem Falle sicher keine Eingeweideäste von ihnen abgegeben werden. Dass sich zwei Gefässe zu einem Stamm vereinen, ist nichts Seltenes; Scanzoni gibt auch an, dass er es beobachtet habe, dass die Arteriae umbilicales sich noch in der Bauchhöhle zu einem Stamm vereinen, während Hyrtl behauptet, dass dies nur ausserhalb der Bauchhöhle im Nabel- strang selbst vorkäme. Baucheingeweide (Taf. 11, Fig. 11). Die Bauchhöhe ist klein und endigt in der Höhe des zweiten Lendenwirbels. Von dort schlägt sich das Peritoneum ohne nach dem Becken zu sich vorzubuchten auf die vordere Bauchwand um. Das Peritoneum ist hier median zu einer leichten Falte erhoben, in der die beiden Arterien von der Aorta zum Nabelstrang verlaufen, so dass der untere Teil der Bauchhöhle unvollständig in eine s6 O. VEIT, linke und rechte Hälfte zerlegt wird. Die Leber ist gross und füllt die rechte Zwerchfellkuppel, sowie den grössten Teil der linken aus. Ihr unterer Rand zeigt sowohl rechts wie links einige seichte Einkerbungen, ihre Lappung ist normal. Ein kleiner, etwa erbsengrosser Teil prominiert über die Kuppe des rechten Leberlappens und liegt in einer nur durch Pleura und Peritoneum verschlossenen Lücke der Zwerchfellmuskulatur, sich herniös in die Brusthöhle vorbuchtend. Die Gallenblase liegt an normaler Stelle. Die Ligamente der Leber zeigen das gewöhnliche Verhalten. Der normal gestaltete und gelagerte Magen ist kontrahiert und wird vollständig durch die Leber verdeckt. Das fettarme Omentum majus ist sehr kurz und auf- gerollt. An den Magen schliesst sich das Duodenum an, von dem ebenfalls Besonderheiten nicht zu erwähnen sind. Der kontrahierte, inhaltarıne Dünndarm ist mit dem grössten Teil seiner Windungen durch das erweiterte Colon in die Tiefe der Bauchhöhle gedrängt. Das Colon ist stark aufgetrieben, sein blindes Endstück besonders ist durch grünlich durchschimmernden, zähflüssigen Inhalt prall angefüllt.e An der Grenze vom Dünndarm und Colon findet sich das Coecum mit dem kurzen Processus vermiformis. Das Colon besitzt ein sehr langes Mesocolon und liegt dadurch in mehreren Schlingen atypisch im unteren Teil der Bauchhöhle. Das Mesocolon ist noch nicht über den Anfangsteil des Dünn- darms geschlagen, sondern inseriert noch in der Mittellinie der Bauchhöhle. Nur der Endabschnitt des Colon ist an der hinteren Bauchwand fixiert, doch ist dies vielleicht einfach eine Folge der starken Auftreibung durch das Meconium. Dieser Teil liegt links in der Bauchhöhle und reicht mit seiner blind geschlossenen Kuppe an ihre untere Grenze. Der Inhalt des ganzen Darm- tractus, besonders des Colon, ist zähflüssiges, gelbliches bis grünliches Meconium, in dem Zelldetritus, verschluckte: Haare, aber nichts Pathologisches nachweisbar ist. Von den übrigen Bauchorganen finden sich nur noch die Über Sympodie. 87 beiden Nebennieren, welche als flache Körper am unteren Ende der Bauchhöhle retroperitoneal zu beiden Seiten der Wirbel- säule liegen. Als Nebennieren erweisen sich die Organe durch die mikroskopische Untersuchung. Ausserdem liegt noch unter der linken Nebenniere ein kleiner, rundlicher, in den Bauchraum vorspringender Körper, der sich mikroskopisch als aus Fett- gewebe mit einzelnen, spärlichen Resten Nierengewebes, und zwar Glomeruli und Tubuli contorti, zusammengesetzt erweist. Auf der rechten Seite ist ein entsprechendes Organ nicht nach- weisbar. Desgleichen sind innere Genitalien nicht zu entdecken, doch hängt dies vielleicht damit zusammen, dass die vordere Bauchwand durch Fäulnisproasse schon so weitgehend zerstört war, dass eine genauere Untersuchung, ob hier vielleicht Testikel sich befanden, nicht mehr möglich war. Sehen wir uns uunmehr nach der Beschreibung des Befundes um, was uns der Bau der Sirenenbildung lehrt, so muss ich mich dabei in einen gewissen Gegensatz zu den Auffassungen der meisten Autoren setzen und mich voll und ganz hierin der Ansicht, welche Bolk ausgesprochen hat, anschliessen. Das Wesentliche des Baues der Sirene kann ich nicht, wie zumeist geschieht, in der Sympodie seben, sondern vielmehr in dem Fehlen des caudalen Körperendes. Dadurch rücken, worauf Bolk schon besonders hingewiesen hat, die hinteren Extremi- täten an das caudale Körperende und gehen demzufolge von vornherein einheitlich mit ihren caudalen Seiten ineinander über. Dies ist ein nicht unwichtiger Unterschied gegen die übliche Auffassung, bei der das Symptom der ‚einheitlichen Extremität in den Vordergrund geschoben wird und daraus versucht wird die übrigen Anomalien zu erklären. Noch ganz kürzlich ist Kuliga in dieser Weise vorgegangen. Er erklärt die Einheitlichkeit der hinteren Extremität durch ein Ausbleiben der Allantoisentwickelung. Durch Streckbewegungen der unteren Extremität sollen dann secundär infolge der Druckwirkung ss 0. VEIT, Kreuzbein, Nerven und Muskulatur zugrunde gehen. Dagegen ist erstens anzuführen, dass zwar allerdings in der Nabelschnur keine Allantoisreste nachweisbar sind, wie bei dem vollständigen Fehlen von Enddarm und Harnwegen nicht anders zu erwarten ist, die Extremitäten aber gar nicht ventral sondern caudal ineinander übergehen und von ihnen nur die eranialen Teile angelegt sind. Sodann ist die Erklärung des Defekts der übrigen Körperteile doch wohl zum mindesten als auffallend zu bezeichnen. Dass durch Bewegungen der Sympusextremität, also zu einer relativ späten Epoche der Entwickelung, als die Mus- kulatur schon kräftig ausgebildet war, eine solche typische Defektbildung, wie sie an dem hinteren Körperende der Sirenen stets nachweisbar ist, sollte auftreten können, ist doch nicht gerade anzunehmen, zumal die Hauptrückwärtsstrecker, die Glu- taealmuskeln selbst, meist zu fehlen pflegen. Ausserdem bleibt dann immer noch der regelmässige Defekt im Darm- und Uro- genitalsystem zu erklären. Die Fälle von asymmetrischer Sympodie, bei denen also die beiden Extremitäten, welche die Sympusextremität bilden, sehr ungleich vollständig angelegt sind, lassen sich meines Erachten überhaupt morphologisch nur verstehen, wenn man den Defekt des hinteren Körperendes in den Vordergrund stellt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nicht unerhebliche Differenzen bis zu cinem Segmente in der Stellung der Extremitäten zum Rumpfe vorkommen können, ist es erklärlich, dass eben in solchen Fällen starker Differenz im segmentalen Bezug beider Extremitäten die mehr caudal gelegene Extremität sehr viel unvollständiger ist als die mehr craniale. Über die Art des Defektes am hinteren Körperende kann ich mit Bolk aber nicht übereinstimmen. Es liegt meines Er- achtens durchaus kein reiner Segmentdefekt vor. Darauf weist. schon die Tatsache hin, dass zumeist von der unteren Extre- mität nur das Skeletsystem entwickelt ist, während von der Tafel 9, 114. Heft (38. Bd., H. 1). I. Abt. Anatom. Hefte. 8a a vom — Bee srouoF sdoanıpend srIowor sdoonıpend ----- AOIBUL AOFUWLIDONT, oo SITDEIH urn ee -—- SUMONLS STB. LOTLOF "U "URND WR 19T SISSO BISLID -______. 7 h / '% N __--"dus 'yun worır wurdg nn oyeınygo uegna "wem : ö e ' SIEIOWEF "IN ------_ ! -— - I9B4n]9 See UB.LOPONPPY 1810P SNWISSIYET ---- SNLIONLS-------—--- r = sosunadsipn-snwis -SI4U T Sop uogrjueuyeg SNISOJLAL Verlag von J. F Bergmann in Wiesbaden. Veit, N { “ ' Y ak" 4 | AR « = % ; Rah war D3 $ k; Yoga u. | j Pa Anatom. Hefte. I. Abt. 114. Heft (38. Bd., H. 1). Tafel 10, } f Durchschnittene Vena ....-.-- hepatiea Bez Diaphragma al Ber Norte Venareaya inf. — === = a R a Nebenniere ee NEE Niere | ee - N. eutan. femoris lat. NUN ----> N. femoralis Nabelstrangarterie --------- a— N ee ee er SA a N. obturatorius Tleopsoas +" 8 Pe VE WEINE: Art. femoralis Vena femoralis ---” Bee | .:: Fi Sartorius Oberer Rand der _.-----""""" Symphyse == 22-20 - Ram. eutan, obturator, a Graeilis a amt n, femoralis een nn nn Sehne des Sartorius Fig. 10. Veit, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden, Über Sympodie. 39 Muskulatur höchstens kleine Reste nachweisbar sind. Da nun aber gerade nach Bolk das Skelet und seine Muskulatur in das gleiche Segment gehören, wäre hier schon ein Fall, dass ein Segment nicht vollständig ausgebildet ist. Ausserdem stimmt auch nicht zu dieser Ansicht, dass in einigen Fällen noch ein rudimentäres Kreuzbein, ja Steissbeinwirbel mit entsprechenden Muskelresten nachgewiesen sind, sowie andererseits der sehr häufige Befund einer Rachischisis, ja des Fehlens einiger Lendenwirbel, also Defekte in sicher angelegten Segmenten. In diesem spe- ziellen Falle ist das ja auch sehr deutlich zu erkennen: einer- seits hochgradiger Defekt der Lendenwirbelsäule, anderseits Anlage von Muskulatur und Nerven der untersten Lumbal- segmente, besonders von Resten der Glutaealmuskeln und der Glutaealnerven. Wenn ich unter Zugrundelegung des Segmentschemas, wie es Bolk für Becken und Oberschenkel angegeben hat, dies ge- nauer ausführe, so lässt sich in diesem Falle folgendes feststellen. Die Muskeln des zweiten bis vierten Lumbalsegments sind zwar sämtlich vorhanden, aber nur die dorsalen Extremitätenmuskeln, Iliopsoas, Quadriceps und Sartorius sind voll ausgebildet, während von den ventralen Muskeln der gleichen Segmente, den Adduc- toren, nur der Gracilis als solcher erkennbar, die übrige Adduc- torenmasse aber nicht ausdifferenziert ist. Dabei gehört der Gracilis dem dritten und vierten, die übrigen Adductoren der Hauptsache nach dem zweiten und dritten Lumbalsegmente an. Von den Muskeln der nächstfolgenden Segmente sind überhaupt nur Teile der Glutaealmuskeln, also dorsale Muskeln, die im wesentlichen dem fünften Lumbalsegmente angehören, noch als solche erkennbar, von den kurzen Hüftmuskeln dagegen nur einzelne Faserzüge festzustellen, während die langen Muskeln, Semitendinosus, Semimembranosus, Biceps vollkommen fehlen. Ein ganz gleiches Verhalten zeigt das Nervensystem, welches in demselben Masse wie die Muskulatur entwickelt ist, und das 90 O..VEIT, Skelet. Auch beim Skelet liegen die Verhältnisse nicht einfach so, dass geradezu wie abgehackt an einer Segmentgrenze die Anlage aufhört, sondern hier ist die Linie, bis zu der das Skelet vorhanden ist, ebenfalls eine ganz unregelmässige. Das Stammskelet wird schon in der Höhe des zweiten Lumbal- segmentes defekt und hört mit dem vierten ganz auf. Das Becken zeigt in seinem dorsalen Gebiete eine ziemlich weit caudal reichende Ausbildung bis in das erste Sacralsegment hinein — Ansatz der Glutaei und Incisura ischiadiea —, während ventral schon das ganze Os ischii, also Gebiete des vierten und fünften Lumbalsegmentes, fehlt. Morphologisch lässt sich also nichts weiter sagen, als dass das caudale Körperende fehlt und dass darin die Erscheinungen des Baues ihre Erklärung finden. Eine exakte Grenze, etwa eine Segmentlinie, bis zu der der Körper vollständig angelegt ist und an der dann der Defekt beginnt, ist aber nicht anzugeben. Ob der Defekt ein primärer, in der Keimanlage gegebener ist, lässt sich aus der anatomischen Untersuchung ohne weiteres nicht ersehen. Dass sekundäre Vorgänge jedenfalls auch eine Rolle spielen, beweist für diesen Fall schon der Befund der linken Niere, welche äusserlich noch wie ein Organ aussieht, das spezifische Gewebe aber fast vollständig durch Fett ersetzt zeigt. | Wenn ich jetzt dazu übergehe, zu den Theorien über die Entstehungsweise der Sympodie, welche ich in der Einleitung erwähnt habe, Stellung zu nehmen, so ist es nach dem Vorher- gehenden klar, dass mich keine der geäusserten Ansichten voll- kommen befriedigen kann. Die älteren Anschauungen kann ich, ohne näher darauf einzugehen, beiseite lassen, da sie von allen Seiten schon seit längerer Zeit als unzureichend und zu- meist auf falscher Grundlage aufgebaut erkannt worden sind. Es bleiben nur zwei Ansichten als diskutabel bestehen, erstens die Annahme einer Amnionenge von Dareste, welche die Über Sympodie. 91 Erscheinungen der Sympodie auf für den Embryo rein äusser- liche Ursachen zurückzuführen sucht, und zweitens die Ansicht von Bolk, welche im Gegenteil innere, das heisst uns "unbekannte in der Keimanlage gelegene Momente für mass- gebend hält. Was nun die Theorie von Dareste betrifit, welche be- sonders von Gebhard übernommen und weiter ausgeführt wurde, so ist zwar auch sie schon mannigfach bekämpft worden, hat doch aber auch vielfache Anerkennung gefunden bis in die neueste Zeit. So scheint auch Ernst Schwalbe, soweit sich das jetzt schon im allgemeinen Teil seines Lehrbuches erkennen lässt, ihr nicht abgeneigt zu sein. Dareste führt als Haupt- momente Befunde bei Hühnerembryonen an, bei denen er die Extremitätenstummel stärker als normal gegeneinander gedrückt fand und zugleich eine Enge der Schwanzkappe des Amnion glaubte feststellen zu können. Wenn ich diese Befunde bei Hühnerembryonen im speziellen auch ausser acht lasse, so muss doch betont werden, dass ihre direkte Übertragung auf den Menschen nicht zulässig ist. Die meisten Embryologen, die sich mit der Eihüllenbildung beim Menschen beschäftigt haben, sind der Ansicht, dass die Amnionbildung nicht durch Faltungsprozesse zustande kommt, sondern dass die Amnionhöhle als ein von vornherein einheitlicher Spaltraum im Innern einer soliden Zellmasse auftritt. Jedenfalls ist in den jüngsten mensch- lichen Eiern, die bisher zur Beobachtung gelangten, das Amnion schon stets fertig gebildet gewesen, also lange vor der Zeit, wo die Extremitätenanlagen über die Körperoberfläche prominieren und leichter als der übrige Embryonalkörper von aussen kom- menden Insulten ausgesetzt sind. Eine Amnionenge kann dem- nach für die Ätiologie gar nicht in Frage kommen, wenn viel- leicht auch sekundär in späterer Fetalzeit der Nierendefekt Fruchtwassermangel bedingen kann. Sie müsste auch, da eben die Amnionhöhle von vornherein als ein einheitlicher Raum 92 O. VEIT, entsteht, auf die gesamte Embryonalanlage einwirken, und lässt sich nicht ersehen, wie in so frühen Stadien die hinteren Extre- mitäten allein gerade geschädigt werden sollten. Es bleibt also nur die Theorie von Bolk übrig. Aber auch ihr kann ich nicht voll und ganz zustimmen. Wenn Bolk der Ansicht ist, dass eine primäre, endogene Ursache ein zu frühes Aufhören der Segmentbildung, das Wachs- tum des Embryo durch Apposition, wie er es nennt, be- dingt, so ist solch ein Vorgang an sich sehr gut denkbar. Fraglich und mir kaum plausibel ist nur, ob dann die letzten Segmente tatsächlich in ihrer prospektiven Bedeutung den Seg- menten gleichzusetzen wären, die bei normaler Entwickelung zwar dieselbe Rangnummer führen würden, aber nicht am cau- dalen Ende, sondern mitten in der Embryonalanlage sich befinden würden. Allerhöchstens kann ich mir vorstellen, dass das vor- letzte Segment eines Sympus in seiner speziellen prospektiven Bedeutung dem ihm der Rangnummer nach entsprechenden Segmente des normalen Embryo gleichzusetzen wäre; in dem letzten Segmente müsste doch aber der ganze Rest des Embry- onalkörpers stecken und eben als nicht ausdifferenzierte Masse dem letzten differenzierten Segmente folgen. Neben der Schwie- rigkeit, die sich hier ergibt, bei dem Versuch die Missbildung auf eine endogene Ursache zurückzuführen, muss aber der ganze Erklärungsversuch schon deshalb fallen gelassen werden, weil ja, wie oben näher ausgeführt, schon der Bau durch die Segmental- anatomie in dem Sinne von Bolk gar nicht erklärt werden kann. Für wichtig an den Ausführungen von Bolk halte ich nur ganz besonders, dass er, in dem Bestreben zunächst den Bau der Sirenen klar zu legen, den Nachdruck darauf legte, dass morphologisch ein Defekt des Caudalendes das ausschlaggebende Moment für die Beurteilung sein muss, woraus das Symptom der Sympodie und die scheinbare Verdrehung der hinteren Extremitäten sich ohne weiteres ableiten lässt. Ich neige nun der Ansicht zu, dass man sich die Erschei- nungen nur durch die Annahme erklären kann, dass secundär zu einer Zeit, als die Segmente, schon im Prineip alle angelegt und in der ihnen typischerweise zukommenden Entwickelung begriffen waren, eine Schädigung der Embryonalanlage eintrat, die zu einem Untergang des caudalen Körperendes führte, während der erhalten gebliebene Teil des Embryonalkörpers sich nun in typischer Weise weiter differenzierte. Es wäre dies ein ähnlicher Vorgang wie ihn Luksch experimentell bei Entenembryonen erzeugt hat. Es gelang ihm nämlich, das caudale Ende der Keimscheibe zu schädigen, so dass es vollständig zugrunde ging, während der vordere Teil sich in der ihm typischen Weise vollständig weiter entwickelte. Welche Ursache allerdings bei der Sympodie die Schädigung bewirkt, entzieht sich vorläufig jeder genaueren Kenntnis. Es muss aber eine Ursache sein, die in ganz früher Embryonalzeit eintritt, lange ehe Extremi- tätenstummel oder sonstige Differencierungen am Körperende auftreten, und die vorzugsweise das hintere Körperende betrifft, meist aber auch den übrigen Embryonalkörper in Mitleidenschaft zieht, wie aus den fast stets vorhandenen, wechselnden Miss- bildungen der vorderen Körperhälfte zur Genüge hervorgeht. Neben den rein morphologischen Fragen spielen bei solchen Missbildungen natürlich eine ganze Reihe physiologischer Pro- bleme mit herein. Trotz der hochgradigen Defekte wichtiger Teile des Nierensystems hat im allgemeinen eine Entwickelung und Ernährung des Fetus stattfinden können, die etwa der normalen analog ist und ein volles Ausgetragenwerden er- mösglichte. Soweit sich dies nachträglich aus der anatomischen Unter- suchung feststellen lässt, haben auch die vorhandenen Organe während des Fetallebens normal funktioniert; z. B. weist der Befund von Haaren im Darminhalt darauf hin, dass Schluck- bewegungen normalerweise stattgefunden haben. Doch sind 94 O. VEIT, Über Sympodie. dies Probleme, die an der Hand solch eines einzelnen Falles überhaupt nicht im einzelnen verfolgt werden können. Es wäre in Zukunft wohl erwünscht, die Sympodie nicht mehr als eine Missbildung sui generis zu betrachten, sondern im Rahmen der gesamten Defektbildungen des hinteren Körper- endes. Erst so wird man zu einer auf breiterer Basis auf- gebauten Auffassung über die causale Genese kommen können. Es ist dies ein Weg, wie ihn schon Bolk als empfehlenswert bezeichnet hatte, und Kermauner in ähnlicher Weise bei seiner Abhandlung über Missbildungen mit Störungen des Körperverschlusses eingeschlagen hat, ohne dass man allerdings bisher zu mehr als Vermutungen über die Genese gekommen wäre. — Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geheimrat Wiedersheim, in dessen Institut diese Unter- suchung zum grössten Teil ausgeführt wurde, sowie ins- besondere meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Gaupp für seine liebenswürdige Unterstützung an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen. Literaturverzeichnis. Das Literaturverzeichnis erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern es sind nur die Arbeiten angeführt, welche mir im Original zugänglich waren. 1. Abramow, S. und Rjesanow, M., Ein Fall von Sirenenbildung. Virchows Archiv. Bd. 171. 1903. Ahlfeld, F., Die Entstehung des Nabelschnurbruches und der Blasen- spalte. Arch. f. Gynäkol. 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Ansicht der Sirene von hinten. Tafel 8. Becken von oben, ?/s natürlicher Grösse. Becken von unten, ?/s natürlicher Grösse. Skelet der hinteren Extremität, rechte Seite. ?/s natürlicher Skelet der hinteren Extremität, dorsal. ?/s natürlicher Grösse. Tafel 9. Muskeln der hinteren Extremität, von dorsal. °/s natürlicher Weichteile des Oberschenkels, linke Seite. ?’s natürlicher Grösse. Tatel. 10, Fig. 10. Hinterwand der Bauchhöhle und untere Extremität. Links ist der Iliopsoas zum Teil entfernt. Die rechte Arterie und die linke Vena femo- ralis sind abgeschnitten. ?/s3 natürlicher Grösse. Fig. 11. Tatell1l. Situs der Baucheingeweide. ?/s natürlicher Grösse. Er = AvS DEM HISTOLOGISCHEN LABORATORIUM ZU HELSINGFORS. WEITERE BEITRÄGE KENNTNIS DER EMBRYOTROPHE. Il. ÜBER DEN UTERUS GRAVIDUS VON RANGIFER TARANDUS H. SM. RUD. KOLSTER, HELSINGFORS. Mit 57 Figuren auf den Tafeln 12/19. Inhaltsverzeiehnis. Seite Anleihe VER rei: [MaterialgundLechnik ar 8 ee see er 108 Stadium 1. Uterus bis zur Anheftung des Eies . . . . 2 .2....115 Stadium II. Periode der Placentomentwickelung . . . » 2... . 131 Stadium III. Periode bis zur vollständigen Ausbildung der Placenta. . 142 Stadium IV. Periode der ausgebildeten Placenta . . re 2 LOL DiesBmbryotrophas.. u ur ee lo nn ae 2 170 Kiteraturverzeichnis se eure hauen era (SS Brklärung@der Abhbildunzens en. een 28 Einleitung. Über den Uterus gravidus von Rangifer tarandus liegt so weit mir bekannt nur eine Beobachtung von Beauregard und Boulart (2) vor. Dieselbe berücksichtigt nur macrosco- pische Verhältnisse aber nicht die feineren anatomischen Details. Weiter ist eine Untersuchung der Fihäute einer Nachgeburt noch von Turner (11) ausgeführt. Unsere Kenntnisse, welche sich nur auf diese wenigen Arbeiten stützen, sind daher noch sehr fragmentarischer Natur. Speciell über die Art der Ent- wickelung des placentaren Organes ist nichts bekannt ebenso- wenig wie über die Vorgänge innerhalb desselben, welche in Verbindung mit der intrauterinen Ernährung des Embryos stehen. Eine genauere Untersuchung der Placenta des Renn erschien um so mehr angebracht als Strahl (10) vor kurzem über die Cervidenplacenta nach Bearbeitung eines Materiales von Cervus elaphus Beobachtungen veröffentlicht hat, die von grosser Bedeutung sind. Es war besonders zu erforschen, ob die grossen Einschmelzungen mütterlichen Gewebes, welche hier zur Bereiche- rung des fetalen Nährmateriales dienen, eine regelmässige Er- scheinung in den Placentomen dieser Familie darstellen oder nicht. Meine eigenen fragmentarischen Untersuchungen an Cerviden-uteri hatten gerade die Placentome aus Furcht vor 106 R. KOLSTER, schlecht konserviertem Material, da mir Vergleichsobjekte nicht verfügbar waren, nicht berücksichtigen können. Schon seit mehreren Jahren hatte ich vergeblich versucht mir einwandfreies Material von Rangifer tarandus zu ver- schaffen. Es müsste eigentlich leicht sein von diesem Tier, welches im Haushalt des nördlichsten Teiles unseres Landes eine so bedeutende Rolle spielt, Material für die geplante Arbeit zu verschaffen. Dem ist aber aus verschiedenen Gründen nicht so; trotzdem während der Tragzeit ohne Übertreibung ganze Herden dieser Tiere dem Messer des Schlächters verfallen, lebt doch die Bevölkerung des nördlichen Finnlands, wenn es Fleisch gilt, fast ausschliesslich von „Poroliha“. Die eigentliche Schlachtzeit fällt in die Wintermonate, zu welchen hier allerdings auch ein Teil der sonst als Herbst- monate gerechneten tritt. Nach der reichlichen Sommerweide sind die Tiere gut ge- mästet und bis in den Februar genügen gewöhnlich die kärgeren in der Nähe der wenigen Flecken Lapplands liegenden Weide- stellen um ein stärkeres Abmagern zu verhindern. Von dieser Zeit an sind die Lappen gezwungen sich in die Einöden zu begeben um ihren Tieren weitere Nahrung zu verschaffen. Schon aus diesen Gründen wird von Mitte Februar an das eigentliche Schlachten unterbrochen, vielleicht noch wichtiger ist aber, dass die oft weiten Wanderungen, die Anstrengung die um diese Zeit bedeutenden Schneemassen wegzuscharren um ihre Nahrung zu gewinnen, eine rapide Abmagerung besonders der Renntierkühe bewirkt, so dass ihr Fleisch als Handelsware nicht weiter zu verwerten ist. Um aus dieser oder noch späterer Zeit brauchbares Material für eine Arbeit wie die vorliegende zu erhalten, müssen die Herden auf ihrer Wanderung aufgesucht und die gewünschte Kuh durch besonders ausgesandte Leute zurückgeholt werden. Bei der geringen Bevölkerungsziffer in Finnisch-Lappland ist letzteres Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 107 nicht leicht zu bewerkstelligen, selbst wenn man die Kosten nicht in Betracht zieht. Sieht man von der Schwierigkeit gänzlich ab, welche mit einem kunstgerechten Einlegen oder Fixieren eines so empfind- lichen Organes wie gerade ein gravider Uterus, verbunden ist, so war noch der Umstand zu berücksichtigen, dass eine mög- lichst schnelle Verarbeitung placentaren Gewebes eine nicht zu umgehende Forderung ist. Frühere Erfahrungen haben mir zur Genüge gezeigt, dass ein längeres Verweilen in den ver- schiedenen Flüssigkeiten, dessen Anwendung notgedrungen vor der schliesslichen Einbettung stattfinden muss, möglichst zu beschränken ist, um einer Auslaugung irgend einer Art zu entgehen. Das konservierte Material musste deswegen sofort versandt werden. Ein regelmässiger Postverkehr existiert allerdings mit den hier in Betracht kommenden Gegenden. Die Zeit, in welcher aber der Versand auszuführen war, zeichnet sich durch grosse Kältegrade aus, so dass mit einem Gefrieren der Präparate beim Schlittentransport fest zu rechnen war. Bei der Konservierung musste also auf ein Gefrieren und Wiederauftauen, vielleicht sogar wiederholt, Rücksicht genommen werden. Ausser einer für diesen Fall besonders auszuarbeitenden Technik waren also noch gewisse Schwierigkeiten zu überwinden, welches sich erst im vergangenen Winter durch das Zusammen- treffen einer Reihe günstiger Umstände ermöglichen liess. Von diesen ist die Versetzung eines früheren Schülers Dr. Bläfield, als stellvertretenden Physikus nach Muonio in Finnisch-Lappland der wichtigste gewesen. Dr. Bläfield legte nicht nur eine Reihe Uteri selber ein, er hatte ausserdem die Liebenswürdigkeit sich der Mühe zu unterziehen Herrn Kaufmann A.Anttila für vorliegende Frage zu interessieren und anzulehren, so dass dieser nach Dr. Bläfields Abreise das Technische fehlerfrei ausführte. 108 R. KOLSTER, Herr Kaufmann A. Anttila unterzog sich ausserdem der Mühe, mir noch, nachdem die Renntierherden Muonio längere Zeit verlassen hatten, eine Renntierkuh zurückholen zu lassen und den Uterus zu fixieren. Auch hier will ich diesen beiden Herren, Dr. Bläfield und Herrn Kaufmann A. Anttila, noch meinen Dank für ihr Interesse und ihre Hilfsbereitschaft aussprechen. Material und Technik. Da das Konservieren des Materiales immerhin ungeübten Händen überlassen werden musste, lag die Notwendigkeit vor, hierfür ein möglichst einfaches Verfahren zu wählen. Es mussten alle Methoden als unbrauchbar ausgeschlossen werden, wo sich an ein kürzeres Verweilen der Präparate in der Fixierflüssig- keit ein Auswaschen oder auch allmähliches Härten anzuschliessen hatte. Die einmal eingelegten Präparate mussten wenigstens so lange in der Fixierungsflüssigkeit liegen bis sie in Helsing- fors ankamen. Wie schon oben erwähnt, kam aber hierzu noch ein wichtiges Moment. Es war bestimmt damit zu rechnen, dass auf dem Wege von Lappland nach Helsingsfors ein Gefrieren des Materiales eintreten würde. Dass hierbei das Material wenigstens keinen grösseren Schaden litte, musste berücksichtigt werden. Legt man hierzu die natürliche Forderung, dass ein möglichst vielseitiges Verarbeiten ermöglicht werden sollte und berück- sichtigt, dass gerade eine wirklich gute Konservierung des lockeren Placentargewebes selbst im Laboratorium schwierig ist, so ist es leicht erklärlich, dass zur Lösung dieser Fragen schon früher eine Reihe von Experimenten vorgenommen wurden. Boten dieselben auch manche interessante Beobachtung, so würde es doch ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit fallen, wenn dieselben hier aufgenommen würden. Das Ergebnis Anatom. Hefte I. Abt. 114. Heft. (38. Bd. H. 1.) Verlag von I. F. Bergmann, Wiesbaden. J. B. Obernetter, München, reprod. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 109 derselben war, dass eine schon früher mehrfach in Verwendung gezogene Konservierungsflüssigkeit, 10°/o Formalinlösung die zu stellenden Anforderungen am besten erfüllte. Als Testobjekt war hierbei die Beschaffenheit im Gewebe vorhandener Mitosen gewählt. Diesem Laboratoriumsresultat entsprach aber auch später das erhaltene Material vollkommen. Für placentares Gewebe ist aber auch sonst die 10° For- malinlösung ein vorzügliches Konservierungsmittel. Die Haupt- vorzüge desselben lassen sich in 2 Punkte zusanımenfassen: schnelles Eindringen auch in grosse Stücke und die Möglichkeit das fixierte Material in ausgiebiger Weise verwerten zu können. Speciell der erste Punkt ist für Placenten von grosser Bedeutung, da bei Zerschneiden derselben selbstverständlich nur allzuleicht ein Ausfliessen der Gewebssäfte stattfindet, wodurch ein Zusammenfallen des Gewebes hervorgerufen wird. Infolgedessen wird die natürliche Lagerung der verschiedenen Teile gestört. Selbst grosse, uneröffnete Fruchtsäcke werden nebst dem in ihnen enthaltenen Embryo vorzüglich konserviert, wenn nur darauf geachtet wird, dass in dem verwandten Gefäss eine genügende Menge Fixierungsflüssigkeit Platz findet. Letzteres ist bei Uterus V in meinem Material nicht beachtet worden. Aus diesem Grunde ist auch hier von einer weiteren Verwendung der Placentome Abstand genommen worden. Aber auch hier war die Uteruswand nebst anliegenden Eihäuten stellenweise so gut fixiert, dass die Mitosen vollständig erhalten waren. Der zweite Punkt verdient auch eine kurze Erläuterung, obwohl auf denselben meinerseits schon mehrfach hingewiesen worden ist. So unter anderem in einer vor kurzem erschienenen Arbeit eines meiner Schüler, Herrn Ö. Holsti. In Formol fixierte Präparate ermöglichen einen späteren Fettnachweis nicht nur an Gefrierschnitten mittelst Scharlachrot, sondern auch durch Nachosmierung. Ein Nachteil gegen von 110 R. KOLSTER, vornherein mit Osmium enthaltende Flüssigkeiten fixierten Materials liegt darin, dass Färbungen der Schnitte erschwert sind und daher nicht die Eleganz von safraningefärbten Flemming- Präparaten zu erreichen ist. Immerhin ist die erhaltene natür- liche Lagerung, ein Zerschneiden des frischen Materials in kleine Stücke ist wie oben hervorgehoben nicht nötig, von so ein- schneidender Bedeutung, dass gerne auf eine höhere Eleganz verzichtet werden kann. Für ein Studium der Placenta ist weiter ein guter Erhal- tungszustand des Hämoglobins von grosser Bedeutung. Es kommt oft genug gerade auf den Nachweis der Erythrocyten an. In dieser Beziehung ist gegen die Verwendung von Formalin z. B. von Teilyesniczky (12) Einspruch erhoben worden. Derselbe erscheint mir aber vollkommen unberechtigt. Ich habe daraufhin Material untersucht, welches mehr als 5 Jahre in Formalin gelegen hat, unter anderem einen Tumor, den ich vor 10 Jahren selber eingelegt habe und welcher noch in derselben Flüssigkeit lag und habe tadellose Färbung einzelner ausgewanderter Ery- throeyten mit Eosin erzielen können. Nach meinen Erfahrungen liegt gerade in dem Erhaltenbleiben des Hämoglobins, sowohl desan Erythrocyten gebundenen, wie des in Fruchtsäcken oft gelöst vorkommenden einer der grossen Vorzüge dieser Fixierflüssigkeit. Auch für den microchemischen Eisennachweis sind in Formol eingelegte Präparate ausserordentlich geeignet. Mit Formalinfixierung lassen sich genau dieselben Resultate erzielen wie mit Fixierung in Schwefelammoniumalkohol nach Hall, nur sind die Gewebe bei Anwendung von Formalin besser erhalten. Für gewöhnlich wurde der Eisenreaktion mit Ferri- cyankalium und Salzsäure eine Färbung mit Boraxcarmin vor- ausgeschickt. Ein schwacher Punkt unserer heutigen mieroscopischen Technik liegt eingestandenermassen darin, dass es bisher noch nicht gelungen ist in Gewebsschnitten eine ebenso scharfe Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 111 Färbung der verschieden gegen Farbgemische reagierenden Granula zu erzielen wie an Ausstrichpräparaten. Für Blut- präparate hat aber vor nicht zu langer Zeit Weidenreich auch eine F ormolfixierung angegeben, welche vorzügliche Dienste leistet. Damit steht in Übereinstimmung, dass mir von allen Fixierungen in dieser Hinsicht gerade das Formol für Gewebe die besten Dienste geleistet hat. Hier sind besonders Eosin- lösungen, aber auch die Romanowskysche Färbung in der von Giemsa gegebenen Modifikation in Anwendung gezogen worden. Leider sind aber die Präparate nach der letzten Methode nur von äusserst beschränkter Dauer, indem sie bald entfärbt werden. Für gewöhnlich ist eine Hämatoxylinfärbung mit ver- schiedener Nachfärbung in Gebrauch genommen worden. Von ersterer sind bald gesagt unzählige Modifikationen angegeben worden. Dieselben sind aber eigentlich heutzutage nur von historischem Interesse, seitdem Hansen eine fertige Eisen- hämotoxylinlösung angegeben hat, weche je nach Wunsch zu einer reinen Kernfärbung oder auch zu einer gleichzeitigen Protoplasmafärbung gestaltet werden kann und allerhand Nach- färbungen erlaubt. In letzter Beziehung ist besonders Eosin verwandt und zwar in Form schneller Überfärbung mit starken Lösungen, welcher ein Differenzieren in 80 °/o Alkohol folgte oder in Form pro- gressiver Färbung mit stark verdünnten Lösungen. Beide Methoden geben bei richtiger Handhabe eine isolierte Färbung des Hämoglobins und der acidophilen Granula. Von den übrigen Hämatoxylinmethoden verdient nur noch die Heidenhainsche eine Beachtung. Leider gibt aber die- selbe an Formalinmaterial den Schnitten eine schmutzig-gelbe Grundfarbe. Sie war deswegen aber nicht zu umgehen, weil sie im vorliegende Falle gewisse Zellen mit sehr dichtem Proto- plasma deutlich gegen die Umgebung hervortreten liess. 112 R. KOLSTER, Für photographische Wiedergabe sind rote Färbungen os- mierter Präparate im ganzen ungünstig, weil auch bei Ver- wendung besonderer Lichtfilter nur schwache Differenzierungen zwischen Rot und Schwarz sich erzielen lassen. Dagegen ist eine grüne Nachfärbung sehr vorteilhaft, Fig. 35 und 36. Von dieser Erkenntnis habe ich leider nur sehr beschränkten Gebrauch machen können, da mir erst nach voll- ständigem Abschluss der Untersuchung die Unmöglichkeit bekannt wurde früher verwendete, zeichnerische Hilfe zu erlangen. Da die Arbeit aus äusseren Gründen nicht fortgesetzt werden konnte, liessen sich nur einzelne Präparate noch nach diesem Prinzip verfertigen. Weil an osmierten Präparaten eine Darstellung der Kerne nicht so notwendig ist, wenn das Osmium nur zum Nachweis von Fett dienen soll, habe ich dieses Mal allein Lichtgrün zur Kontrastfärbung verwandt, bin aber überzeugt, dass eine genauere Prüfung der verfügbaren grünen Farben, sicher ein Darstellen auch für photographische Reproduktion weit detailreicherer Präparate möglich machen wird. In der oben angegebenen Weise konserviert habe ich im ganzen 15 Uteri erhalten. Einer der jüngsten Fruchtsäcke und der älteste waren geöffnet, der Rest ging mir uneröffnet zu. Der Embryo in dem ältesten Fruchtsack mass ‘Höhe 32 cm, Länge 44 em und machte den Postversand durch die Grösse der nötigen Gefässe so schwierig, dass seine Herausnahme aus dem Uterus angebracht erschien. Der Embryo selber wurde nicht mitgesandt. Um die natürliche Spannung der Wand des Fruchtsackes möglichst zu bewahren, hatte der Konservator in einen Teil des Frucktsackes Holzstäbe eingefügt, deren Länge nach der äusseren Besichtigung abgeschätzt war. Wenn auch so ideale Verhältnisse wie durch Aufstecken einzelner Stücke auf Korkscheiben vor der Fixierung in dieser Weise nicht erreicht waren, so spricht Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 113 doch diese selbstgefundene Modifikation des Einlegen sein beredtes Urteil für das der Fixierung entgegengebrachte Verständnis, und lässt immerhin in diesem Teil grössere, deformierend wirkende Schrumpfungen ausschliessen. Wie schon oben erwähnt war die Fixierung mit Ausnahme eines Stadiums, als Uterus V unten bezeichnet, ausgezeichnet gelungen. Von diesen 15 Uteri sind 6 genau histologisch untersucht worden. Für die Auswahl derselben war die Längenzunahme der Embryonen nebst dem Termin der Tötung der Renntierkuh bestimmend. Aus allen übrigen wurden aber auch Stücke untersucht um festzustellen, ob die erhaltenen Ergebnisse wirk- lich allgemein gültig für das entsprechende Entwickelungsstadium des Embryos wären. Uterus V war leider der einzige, welcher mir aus dem Februar zur Verfügung stand. Die übermässige Grösse des Fruchtsackes im Verhältnis zu dem für den Versand bestimmten Gefäss hatte hier zu wenig Raum für die Fixierungsflüssigkeit gelassen, welche dadurch nicht auf alle Teile einwirken konnte. Infolgedessen waren die Placentome nur teilweise gut fixiert. Da aber tadellos fixierte Placentome aus früherer und späterer Zeit verfügbar waren, liessen sie sich doch zur Feststellung der gröberen Züge der hier stattfindenden Vorgänge vergleichsweise verwerten. Die genau untersuchten Fruchtsäcke enthielten Embryonen der hier in der Tabelle angegebenen Länge und waren an den bezeichneten Schlachttagen gewonnen Uterus I Embryo 1,5 cm Kuh am 19 28/XI 07 geschlachtet 5 EIS A: DAR EELTIHRT 07 R a U 35 „ 17199807 R PE IVany 40n1200:0, ;; zeit 219617110608 % 5 VAL: 30.525, se Eur 9rol 08 H SH LUVIERAF: 440 „ „. „19 16/III 08 Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114. Heft (38. Bd., H. ]). 8 114 R. KOLSTER, Nach den Ergebnissen der genaueren histologischen Unter- suchung sind in der Entwickelung der Placenta des Renn IV Stadien unterschieden worden. Der ersten Periode entspricht Uterus I, der zweiten Uterus II und II, der dritten Uteras IV und V, der vierten Uterus VI. Da der Tag der Deckung der Kühe nicht bekannt war lässt sich das genaue Alter der einzelnen Embryonen nicht angeben, und muss ich mich in dieser Beziehung mit einer sehr unsicheren Schätzung begnügen. Über die Brunstzeit habe ich nur Angaben, dass diese im Herbst einträte und recht lange währte, erhalten können. Dagegen etwas bestimmtere über das Ende der Tragzeit. Gegen Ende April sollen schon die ersten Jungen geboren werden. Die eigentliche Geburtsperiode fällt aber in Mai und Juni. Dem würde also wohl auch eine ungefähr zweimonatliche Brunst- periode entsprechen, welche sich der Zeit nach aus Angaben über das Verhalten des Renn in Norwegen berechnen lässt. Nach Brehm dauert dort die Tragzeit 30 Wochen und werden die Jungen gegen Mitte April geboren, also früher als in Finnisch-Lappland nach obigen Angaben, welche mir gesandten brieflichen Mitteilungen entnommen sind und mit denen von Mela (9) ungefähr übereinstimmen. Die Brunst in Norwegen soll gegen Ende September einsetzen. Da die Tragzeit wohl in Norwegen und Finnland die gleiche ist, darf man annehmen, dass diese bei uns mit einer etwas später beginnenden Brunst verbunden ist, welche in Oktober und November fallen würde. Mit einer solchen längeren Brunstzeit stehen auch meine Beobachtungen an den 10 Uteri der im November ge- schlachtete Kühe in Übereinstimmung. Dieselben waren an zwei verschiedenen Tagen am 15. und 28. gewonnen, aber sowohl der am wenigsten, wie der am weitesten entwickelte Embryo Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 115 aus diesem Monat fand sich innerhalb der Uteri vom späteren Schlachttage. Alle Uteri enthielten nur je ein Ei. Die Witterungsverhältnisse dieses Jahres speciell die lang- anhaltende starke Kälte machten es zur Unmöglichkeit ein älteres Stadium als das durch Uterus VI dargestellte zu erhalten. Auf eine Reihe von Fragen, welche im Zasammenhang mit der Lösung der Placenta stehen, hoffe ich ein anderesmal zurück- kommen zu können. Bei Erwähnung der färberischen Behandlung der nach- osmierten Präparate ist schon hervorgehoben worden, dass mir plötzlich wider Erwarten für die Wiedergabe der Präparate keine zeichnerische Hilfe verfügbar war. So müssen die ur- prünglich als Hilfsmittel für das genaue Ausführen angefertigten Photogramme allein das Gefundene verdeutlichen. Stadium I. Periode bis zur Anheftung des Eies. Diese Periode dauert bis der Embryo ungefähr eine Länge von 2 cm erreicht hat: Nachdem diese Länge überschritten ist, war das Ei stets an den Karunkeln der Uteruswand so fest angeheftet, dass eine Trennung nur unter Substanzverlust einer- seits zu lösen war. Der von diesem Stadium genau untersuchte Uterus ist in Fig. 1 wiedergegeben und enthielt einen Embryo von 1,5 cm Länge. Der unpaare Teil hat eine Länge von 4,5 cm. Von den beiden Hörnern ist das Haupthorn, gestreckt gemessen, 20,5 cm, das Nebenhorn 17 cm lang. In einer Länge von 15 cm sind die beiden Hörner fest miteinander verwachsen. Die Wand- stärke ist an den zusammengewachsenen Teilen stets bedeutend grösser als an der freien Seite. Sr 116 R. KOLSTER, Die beiden Hörner sind spiralig gewunden, noch mehr die dünnen Tuben, Fig. 1, welche kaum einen Durchmesser von 3 mm erreichen. Noch bei einer Länge des Embryo von 2 cm gelingt es ohne Schwierigkeit am fixierten Präparat durch einen schwachen Wasserstrahl das Ei von der uterinen Schleimhaut abzulösen. In beiden Hörnern erstreckt sich das Ei bis an das letzte Ende derselben. Dabei ist die Stelle, wo das Ei vom Haupthorn ins Nebenhorn übergeht, stark zusammengeschnürt, Fig. 3. Gestreckt gemessen zeigt das Ei bei einer Länge des Embryo von 2 cm den im Haupthorn liegenden grösseren Teil 17 cm lang, den das Nebenhorn einnehmenden 15 cm lang. Am losgelösten Ei fallen jederseits von der erwähnten Ver- engerung drei beinahe in einer Linie liegende, leicht bräunlich gefärbe Dellen auf, welche die konkave Seite des Eies einnehmen. In Fig. 3 treten 2 am Nebenhornteile des Eies deutlich hervor. Diese entsprechen den später zu berührenden Karunkeln der uterinen Schleimhaut. Im übrigen lässt sich auf der Eiober- fläche nur ein System dicht stehender, senkrecht zur Längsachse verlaufender feiner Rillen und Falten wahrnehmen. An der Innenseite des Uterus fallen sowohl im Haupt- wie Nebenhorn, zuvörderst die Karunkeln, Fig. 2, als langgestreckte, bis 1,5 cm auf diesem Stadium, schmale und wenig mehr wie 2 mm sich über die Schleimhaut erhebende Gebilde auf. In beiden Hörnern sitzen sie der zusammengewachsenen Partie auf. Nur die beiden, den tubaren Enden am nächsten liegenden, greifen auf die freien Enden der Hörner über. Bei der Entnahme von Stücken für die microscopische Untersuchung gelang es im Haupthorn die mit der uterinen Schleimhaut verklebte Eiwand in situ zu erhalten, während diese im Nebenhorn sich meistens, an den Karunkeln immer, von der Uteruswand löste. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. HR In Fig. 7 ist bei schwacher Vergrösserung ein Übersichts- bild aus dem Haupthorn gegeben. Die Eihaut liegt hier der Uteruswand recht dicht an, nur durch eine geringe Menge ge- ronnener Masse von derselben getrennt. Wie die Fig. 8, 9, 10, 11, 12 und 13 zeigen, ist das uterine Epithel überall erhalten, wenn auch die Form desselben sehr verschieden sein kann. Teilweise hat dasselbe noch seine ursprüngliche hohe Zylin- derform bewahrt, Fig. 10. Dieses ist besonders in der Umgebung der Karunkeln der Fall. Aber auch an anderen Stellen wie z. B. in den Enden der Hörner ist diese Form noch vorhanden. Dieses ist auf zwei Umstände zurückzuführen. Einerseits ist die Wand dort, wo das Epithel seine Zylinderform bewahrt hat, bedeutend dicker als dort, wo die in den Fig. 8 und 11 wiedergegebene Formveränderung angetroffen wird. Dieses spricht meines Erachtens dafür, dass im ersteren Falle die mit der Grössenzunahme des Eies parallel verlaufende Dehnung der Uteruswand hier von noch geringem Einfluss gewesen ist und infolgedessen die erhöhte Seitenspannung noch nicht auf das Epithel hat einwirken können. Andererseits hat sich die Eihaut dort, wo die urspüngliche Epithelform erhalten ist, nicht an die Uteruswand angelegt wie an den basalen und teilweise auch den seitlichen Teilen der Karunkeln und der nächsten Umgebung derselben, und dadurch auch nicht den Reiz ausüben können, der das Flimmerepithel, wie aus dem weiter unten Folgenden noch hervorgeht, in ein stark secernierendes umwandelt. Das Epithel, welches die Stellen im Haupthorn auskleidet, wo vermehrte Seitenspannung und Anlagerung der Eihaut ihre Wirkung entfaltet haben, hat eine unregelmässig kubische, Fig. 11 oder sogar platte Form, Fig. 8 angenommen. Im Nebenhorn liegt die Veränderung des Epithels wie Fig. 13 zeigt, zwischen der zylinderförmigen in Fig. 10 und 118 R. KOLSTER, derjenigen von Fig. 11. Dass diese Form hier die gewöhnliche ist, findet daraus ihre naturgemässe Erklärung, dass die beiden herangezogenen Ursachen der Epithelveränderung weit weniger eingewirkt haben. Das Nebenhorn ist dünner als das Haupt- horn und die Eihaut liegt der uterinen Schleimhaut nur ganz locker an. Das Vorhandensein aller dieser Übergangsformen vom ur- sprünglichen zylindrischen bis zum beinahe platten Epithel von Fig. 8 wie auch das vollständige Fehlen jeglicher Epithel- defekte in den diesem Stadium angehörenden Uteri genügt voll- ständig zum Nachweis dessen, dass sich das Uterusepithel bisher erhalten hat. Von einer syneytialen Umwandlung ist ebenfalls nichts zu bemerken. An gut gefärbten Präparaten ist jede einzelne Zelle scharf abgrenzt. Ebensowenig lassen sich bisher degenerative Vorgänge, welche auf das Entstehen eines Symplasma hinweisen könnten, auffinden. Überall sind die Kerne scharf umrissen und zeigen ein deut- liches Chromatinnetz und gar nicht selten sind Mitosen anzu- treffen. Wo die Epithelveränderungen eingesetzt haben, sind die Zellen aber nicht mehr überall gleichförmig. Hin und wieder, manchmal sogar in vielen nebeneinander, tritt ein bedeutend helleres Protoplasma auf, welches sogar einzelne recht deutliche, wenngleich noch sehr kleine Granula zeigt. Diese sind rein acidophil und nehmen besonders schön eine Eosinfärbung an. An nachosmierten Stücken der Uteruswand zeigt sich eine reichliche Schwärzung des Epithels der uterinen Schleimhaut. Diese schwarzen Massen nehmen besonders den basalen Teil der Zellen ein, während die dem Ei zugekehrte Seite nur selten Sitz schwarzer Körner ist. Ein gleiches Resultat erzielt die Behandlung in Häma- toxylin vorgefärbter Gefrierschnitte mit Scharlachrot nur mit Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 119 dem Unterschied, dass hier anstatt der Schwärzung eine rot- orange Farbe den Fettkugeln erteilt worden ist. Mit Ausnahme der weiter unten zu besprechenden uterinen Schläuche und der pigmentierten Zellen findet sich sonst in keinem Teil der Uterusschleimhaut weiter Fettreaktion. Unter dem Epithel macht sich eine Neubildung von Capil- laren .bemerklich. Diese jungen Schlingen wölben manchmal das Epithel vor sich her oder richtiger graben sich von unten in dasselbe ein, so dass der Anschein erweckt wird, dass sie innerhalb desselben verliefen. Meistens sind dieselben voller Erythrocyten. Die Schicht, in welcher sich die neugebildeten Capillaren finden, tritt gegen das tiefer liegende Stroma durch einen weit grösseren Kernreichtum hervor, obgleich nicht so ausgesprochen wie z. B. bei der Stute (5). Das eigentliche Stroma der uterinen Schleimhaut erscheint in allen Präparaten sowohl des Haupt- wie Nebenhornes auf- fallend locker. Die Lymphgefässe sind stark erweitert Fig. 11, aber auch die einfachen Gewebsspalten fallen durch Grösse auf Fig. 8. Unter den verschiedenen Zellformen, welche das Stroma beherbergt, treten gehäuft liegende, grosse bräunlich bis beinahe schwarz pigmentierte besonders hervor. Dieselben lassen teilweise den Kern durch Tinktion deutlich hervortreten, teilweise ist derselbe aber gänzlich von den Pigmentschollen verdeckt, Fig. 20. Vielfach liegen diese Pigment führenden Zellen in der nächsten Nähe von grösseren pigmentierten Schollen, welche gar keine kernähnlichen Elemente nachweisen lassen und als Reste früherer Hämorrhagien aufzufassen sind. Dass diese die Quelle des Pigmentes in den Zellen der Umgebung sind, ist sicher. Mit Ferrieyankalium und Salzsäure behandelte Schnitte ergeben, dass wo dieses Pigment vorhanden ist, an Zellen ge- 120 R. KOLSTER, bunden oder nicht, stets ein reicher Eisengehalt desselben nach- gewiesen werden kann, indem dasselbe eine tiefblaue Farbe an- nimmt. Eine Nachbehandlung der fixierten Gewebe mit Osmium fördert in diesen pigmentierten Zellen feine schwarze Fettkörner zutage. Gegen die schon erwähnte subepitheliale Zellschicht zu nehmen diese pigmentführenden Zellen an Menge ab. Be- sonders lassen sie sich in der Nähe der Muskelschicht antreffen, teils vereinzelt, teils in Haufen, ebenso wie in nächster Nähe der uterinen Schläuche, durch deren Epithel sie in das Lumen derselben einwandern. Diese uterinen Schläuche zeigen in ihren Endteilen äusserst dicht gestellte, sich tieffärbende Kerne, welche gar nicht selten in indirekter Teilung stehen. An Serienschnitten lässt sich fest- stellen, dass dieser Teil der Schläuche stark geschlängelt verläuft, was in geringerem Grade ebenfalls für die der Oberfläche näher- liegenden Teile gilt. In zwei Schnitten wurde in der Nähe der Muskelschicht innerhalb der Schläuche ein Ring von Zellen gefunden, welche mit denen der Schlauchwand übereinstimmten. Sonst liessen sich Abschnürungen des Schlauchepithels nirgends nachweisen. Dieses ist insofern auffällig, als ein Abschnüren von Schlauchepithelien sonst bei Indeciduaten in grosser Ausdehnung zur Beobachtung kommt, wie ich schon früher nachgewiesen (5,6). Leer sind die Schläuche in ihren Endteilen aber keineswegs. Sie enthalten hier ein eigenartiges, körnig geronnenes Secret, dem hin und wieder eingewanderte, pigmentierte Zellen bei- gemischt sind. Weiter gegen die Oberfläche zu, erweitern sich die uterinen Schläuche bedeutend. Auch hier sind dieselben mit Secret gefüllt, welches aber von homogener Beschaffenheit ist. Im Gegensatz zu dem körnigen Secret der Endteile, welches keine Anatom. Hefte I. Abt. 114. Heft. (38. Bd. H. 1.) DUDEN A EI TE TEE EEE ER ; e ER MEISTE eu * 71 13 Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. J. B. Obernetter, München, reprod. Taf. 13. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 121 Eosinfärbung annimmt, lässt sich hier das Secret mit dieser Farbe leicht tingieren. Ein zweiter Unterschied gegen den Inhalt der blinden Enden liegt darin, dass hier nicht nur eingewanderte, pigment- führende Wanderzellen vorkommen, sondern auch verhältnis- mässig viele andere Leucocyten. An Präparaten, welche einer Eisenreaktion unterworfen sind, findet man nicht allein die pigmentführenden Zellen stark gebläut, sondern ausserdem noch oft eine schwächere Blaufärbung des ganzen Schlauchinhaltes. Da die pigmentierten Leucocyten sich in den Ausführgängen der uterinen Schläuche nicht mehr nachweisen lassen, sondern allein Kernfragmente, während der Inhalt bei Behandlung mit Ferrieyankalium und Salzsäure ausgesprochen blau gefärbt wird, ist die Annahme gerechtfertigt, dass das eisenhaltige Pigment innerhalb der Schläuche gelöst worden ist. Fett in dem Inhalt lässt sich weder mit Osmium noch Scharlachrot in den tieferen Teilen der Schläuche nachweisen, dagegen wohl in den Ausführgängen. Dem entspricht, dass hier allein die Schlauchepithelien in ihren basalen Teilen eine Fettreaktion geben, welche an Stärke gegen die Oberfläche zu abnimmt. Die Ausführgänge der Schläuche sind nicht in bestimmte Gruppen geordnet, sondern ziemlich regellos über die ganze, von den Karunkeln nicht eingenommene Schleimhautoberfläche verstreut. An den Karunkeln fehlen sie stets, wie es ja auch bei anderen Indeciduaten der Fall ist. Manchesmal kann man auch in denselben mehrkernige, dunkle Zellen antreffen, welche bei dem Besprechen der Eihäute weiter unten noch besondere Erwähnung finden werden. Die Karunkeln unterscheiden sich im Haupt- und im Neben- horn beträchtlich. Da die in letzterem liegenden wohl dem 122 R. KOLSTER, Verhalten im nichtgraviden Uterus am nächsten stehen, sollen dieselben in der Beschreibung vorangestellt werden. Wie der in Fig. 5 wiedergegebene Querschnitt derselben zeigt, sind dieselben an der Basis eingeschnürt, so dass schon hier die Andeutung einer Stielbildung hervortritt. Durch diesen, allerdings nur an reinen Querschnitten deutlich hervortretenden Stiel, Fig. 6 zeigt denselben kaum, da dieselbe einem Schrägschnitt entnommen ist, treten recht grosse Blutgefässe in die Karunkel ein. Dieselben lösen sich in einzelne, fächerförmig gerade gegen die Oberfläche zustrebende kleinere Zweige auf. Um dieselben trifft man für gewöhnlich verhältnis- mässig grosse, bisweilen zweikernige Zellen in Stränge geordnet an, ohne jedoch berechtigt zu sein, von wirklichen Gefässscheiden, wie sie aus manchen Vollplacenten bekannt sind, zu sprechen. Hier lassen sich auch manchmal die schon erwähnten pigment- führenden Zellen antreffen, welche genau dieselben Reaktionen wie in der Uterusschleimhaut ergeben. Im ganzen ist aber der eigentliche Stiel, ebenso wie der centrale Teil der Karunkel verhältnismässig zellenarm, wie auch aus der helleren Färbung dieser Teile in Fig. 5 bervorgeht. Unterhalb des Stieles liegt genau so wie sonst unterhalb der subepithelialen Schicht ein lockeres Stroma mit uterinen Schläuchen, welche seitlich vom Stiele die Oberfläche erreichen. “ Eine auffallend dichte Lagerung von Zellen trifft man aber in breiter Zone unterhalb des Epithels an. Sie liegen hier so dicht, dass sogar bei specifischer Bindegewebsfärbung nur eben die feinfaserige Grundsubstanz sichtbar bleibt. Dicht unter dem Epithel macht sich eine etwas lockere Beschaffenheit des Gewebes wieder bemerkbar, welche ihrer Art nach kaum anders als wie ein Ausdruck für ein hier vor- handenes Ödem oder einer Lymphstase aufgefasst werden kann. In ganzer Ausdehnung ist über den Karunkeln das Epithel Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 123 erhalten, wie es auch aus Fig. 5 trotz der geringen Vergrösserung hervorgeht. Seinem Aussehen nach wechselt es aber bedeutend. In Fig. 10 ist das hohe, zylinderförmige wiedergegeben, welches die unteren, dem Stiele am nächsten liegenden Teile, bekleidet. Dasselbe entspricht wohl noch demjenigen, welches im nichtgraviden Zustande sich an den Karunkeln vorfindet. Wie aus der Abbildung hervorgeht, ist die Höhe der Zellen hier etwas grösser als an der gegenüberliegenden, eigentlichen uterinen Schleimhaut. An den übrigen Teilen zeigt es meistens eine ganz unregel- mässige Form, Fig. 14 und 15. In ersterer ist dasjenige ab- gebildet, welches sich an der Spitze findet. Dasselbe besteht aus einer Reihe niedriger Zellen. Die von solchem Epithel über- zogenen Bezirke sind stets nur sehr klein. Am meisten herrscht das in Fig. 15 Wiedergegebene vor. Hier liegen die Zellen unregelmässig, oft in zwei-, sogar drei- facher Lage. Die äussere Begrenzung des Epithels ist nicht glatt. Einzelne Zellen springen bedeutend über die Umgebung hervor. Da Mitosen gar nicht selten sind, muss angenommen werden, dass diese veränderte Beschaffenheit Ausdruck einer regen, hier eingetretenen Wucherung ist, welche mit den weiter zu beschreibenden Umwandlungen an den Karunkeln in Ver- bindung steht. Fig. 6 gibt einen Schnitt durch eine Karunkel des Haupt- hornes wieder. Von dieser hatte sich die Eihaut nicht abgelöst. Der Schnitt ist schräg gefallen, zeigt aber dadurch sowohl an der einen Seite eine Beschaffenheit, wie wir sie schon aus der Beschreibung der Karunkeln des Nebenhornes kennen, wie an der anderen die ersten Andeutungen zur Ausbildung der Krypten, in welche sich später die Cotyledonen einsenken werden. Infolge der beginnenden Kryptenbildung zeigen die Schnitte eine zahnradähnliche Form. Diese Zähne, ebenso wie die 124 R. KOLSTER, zwischenliegenden Einsenkungen, welche den Krypten ent- sprechen, sind mit einem oft mehrschichtigen, unregelmässigen Epithel bedeckt, welches nur darin von dem auf der Karunkel des Nebenhornes vorhandenen abweicht, dass es mehrschichtiger und unregelmässiger erscheint, Fig. 16. An der Spitze ver- einzelter Zähne verliert sich allerdings diese Unregelmässigkeit wieder ein wenig, Fig. 16. An osmierten Präparaten lässt sich vielfach eine ausgeprägte Schwärzung dieses unregelmässigen Epithels beobachten. Das ist aber niemals über den ganzen Umkreis der Karunkel an- zutreffen, geschwärzte Partien wechseln mit solchen, an welchen die Reaktion versagt hat, ab. Eigenartig ist es, dass hier die Oberfläche des Chorion oft noch keine Auswüchse zeigt, Fig. 6 oben, welche den später sich ausbildenden Cotyledonen entsprechen. Die Umformung der Karunkel scheint früher einzusetzen als diejenige der gegen- überliegenden Eihaut. Das Grundgewebe der Karunkel hat sich im Bereich der erwähnten Zähne gegen früher und gegen die tieferen Teile derselben sehr verändert. Durch seinen Zellenreichtum fällt es noch längere Zeit bedeutend auf, aber eine starke Lockerung desselben ist unverkennbar. Diese muss als Ausdruck einer starken Durchsaftung aufgefasst werden, Fig. 16. Von den schon aus den Nebenhornkarunkeln beschriebenen, durch den Stiel aufsteigenden und sich fächerförmig verteilenden Arterien aus, hat sich ein reichlich Erytrocyten enthaltendes Kapillarnetz entwickelt, dessen Endverzweigungen in allen Zähnen des Schnittes zu beobachten sind. Hier tritt nicht allein stets ein grösserer Ast ein, sondern löst derselbe sich schon in weitere Verzweigungen auf. Die Anhäufung grösserer, oft zweikerniger Zellen um die Gefässe ist nicht mehr so bemerkbar wie an den Karunkeln des Nebenhornes. Diese Zellen sind nicht verschwunden, ilıre An- Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 125 ordnung ist nur eine weit diffusere. Wirkliche Stränge, wie in der erst beschriebenen Karunkel, treten nicht mehr in Erscheinung. In den tieferen Teilen der Karunkel finden sich noch ein- zelne pigmentführende Zellen. An denselben erzielt die Be- handlung mit Blutlaugensalz und Salzsäure eine dunkle Blau- färbung. Diese beschränkt sich aber nicht auf die pigmentierten Zellen allein, sondern tritt auch in der Umgebung auf, um weiter von den Pigmentzellen allmählich gänzlich zu ver- schwinden. Dieser später abnehmende Hof um die einzelnen Zellen ist wohl der Ausdruck der Lösung der eisenhaltigen Pigmentschollen. Nur diese pigmentierten Zellen geben bei Osmierung in dem Grundgewebe der Karunkel Fettreaktion. Zwischen der Karunkelbasis und der Muscularis trifft man ein lockeres Gewebe an, welches vollkommen mit demjenigen der Schlauchschicht der schon beschriebenen karunkelfreien Schleimhaut übereinstimmt. Nur fehlen, wie schon hervorgehoben, hier alle Ausführgänge. Man kommt ungezwungen zu der Anschauung, dass die Karunkeln eigentlich nur einen Ersatz für die nicht allzumächtig, wenn auch unverkennbar vorhandene, subepitheliale Zellschicht bilden, der in anderen Uteri eine bedeutende Rolle zukommt, wie ich früher ausgeführt (5,6). Wo sich die Eihaut der uterinen Schleimhautfläche dichter angelagert hat, wie eigentlich im ganzen Haupthorn, ist dieselbe auch an den Präparaten mit der mütterlichen Wand durch eine Masse verklebt, welche nach meinen Präparaten auffallend homogen erscheint, oft ein geradezu glasiges Aussehen darbietet. Sie ist ausgesprochen acidophil, färbt sich intensiv mit Eosin und kommt teils als dünne Schicht, teils in Klumpen zur Beo- bachtung, Fig. 9, 11 und 12. Ersteres ist überall dort der Fall, wo die Schleimhaut des Uterus und die Oberfläche des Eies einander parallel laufen. 126 R. KOLSTER, Vielfach verhält sich aber die Eihaut anders, Fig. 9 und 12. Letztere Figur zeigt das häufigere Vorkommen. Hier hat eine Ansammelung der das Ei und die uterine Schleimhaut ver- kittenden Masse ein Emporwölben der Eihaut vorgebracht. Denn die Verfolgung dieser Erscheinungen, wie sie Fig. 12 zeigt, in Serienschnitten ergibt, dass stets in der Nähe dieser Chorionblasen, deren geringe Grösse sie einer Erkennung durch Lupenbetrachtung der Schleimhaut entzieht, Ausführgänge der uterinen Schläuche münden, und sich sogar direkt in dieselben ergiessen können. Durch die schon mehrfach erwähnte, in Gebrauch gezogene Eisenreaktion lässt sich nicht nur am Inhalt dieser Chorionblasen, sondern überhaupt überall an der Eihaut und Uterusschleimhaut verkittenden Masse eine Blaufärbung hervorbringen. Wo Bilder wie sie Fig. 9 wiedergibt, angetroffen werden, ist nur selten ein Zusammenhang mit Ausführgängen der ute- rinen Schläuche nachweisbar. Infolgedessen können diese nicht gut als Resultate einer Secretansammlung betrachtet werden, welche zu einem Empor- heben der Eihaut geführt hat. Im gleichen Sinne ist auch die Erscheinung zu verwerten, dass diese Bilder selten kleinen, um- schriebenen Gebilden entsprechen, sondern in langen Serien von Schnitten sich eigentlich unverändert erhalten. Ihr Verlauf ist dabei stets senkrecht zur Längsachse des Uterus-Hornes. Sie müssen wohl als Faltenbildungen der Eioberfläche an- gesehen werden, deren Entstehung in Zusammenhang mit dem Öberflächenwachstum des Eies steht und welche Falten von dem von der uterinen Schleimhaut abgesonderten Secret ausgefüllt worden sind. Im allgemeinen haben die homogenen Secretklumpen oder Massen eine schon erwähnte starke Affinität für Eosin. Erstere zeigen oftmals eine concentrische Schichtung, wobei die inneren Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 127 Teile rein rot sind, die äusseren dagegen allmählich mehr in Grau übergehen können. Neben dieser Grundmasse der Ei- und uterine Schleimhaut verkittenden Substanz, finden sich aber noch recht bedeutende Mengen von Zellen oder Zelltrümmern. Für einen grossen Teil ist leicht nachzuweisen, dass es mütterliche Leucocyten sind, welche man auf der Auswanderung aus der mütterlichen Schleimhaut oft antrifft. Diese enthalten dann auch stets Fett. Andere Zellen stammen aber sicher vom Ei ab und werden weiter unten im Zusammenhang mit den Vorgängen an der Eioberfläche Erwähnung finden. Fett lässt sich durch Osmierung hin- und wieder nachweisen. Allerdings in weit geringerem Grade als eigentlich sich erwarten liesse, wenn man das Fett des Epithels in Betracht zieht und annimmt, dass dieses zur Abscheidung bestimmt wäre. Dass auch vereinzelte Erythrocyten durch das Epithel die mütterliche Schleimhaut verlassen, mag noch angeführt werden. Die Eioberfläche ist von einigen in der Querrichtung der Hörner verlaufenden Falten abgesehen, der Hauptsache nach glatt, und zwar gilt dieses sowohl dort, wo dieselbe der karunkel- freien Schleimhaut, wie den eigentlichen Karunkeln anliegt. Die Bedeckung derselben bildet ein grosszelliges, zylinder- förmiges Epithel (Fig. 9), welches ein deutliches System von Schlussleisten zeigt. Der freie Teil dieser Zellen erscheint dem basalen gegen- über oft recht hell, lässt aber an dünnen, günstig gefallenen Schnitten eine Eigentümlichkeit erkennen, welche meines Wissens bisher für die Chorionepithelien der Indeciduaten nicht an- gegeben ist. Ich sehe hierbei von einer von Strahl (10) gemachten An- gabe ab, welche an anderer Stelle ihr Analogon findet. 123 R. KOLSTER, Dem freien Raume entspricht so häufig eine feine, stäbchen- förmige Zeichnung, dass dieselbe sicher als eine besondere Eigen- tümlichkeit dieser Epithelien betrachtet werden muss. Hin und wieder tritt dieselbe nicht mit gleicher Deutlichkeit hervor, ein Umstand. welcher darin seine Erklärung findet, dass die resorbierende Tätigkeit der Zellen Stoffe einführt, deren Lichtbrechung oder deren Aufnahmefähigkeit für Farbstoffe die gleiche, wie die der Stäbchen ist, und diese unkenntlich macht. Leider waren diese Präparate nicht für photographische Wieder- gabe geeignet. Zwischen diesen zylinderförmigen, recht hellen Zellen welche nicht selten Mitosen zeigen, fallen andere auf, die ein sehr dichtes, dunkeles Protoplasma zeigen, Fig. 9 und 11. Sie besitzen der Mehrzahl nach mehrere Kerne, oder sind Kern- teilungen in denselben sichtbar. Einkernige, aber dann mit grossen Kernen, finden sich nur wenige. Die Kerne derselben sind etwas grösser als diejenigen der anliegenden eigentlichen, zylinderförmigen Zellen; besonders tritt aber die dichte Be- schaffenheit des Chromatinnetzes hervor, wodurch dieselben an allen Präparaten eiue tiefe Färbung zeigen. Diese Zellen liegen zuerst zwischen den basalen Teilen der Zylinderzellen, welche sie ganz von der Oberfläche abschliessen. Nach erfolgter Kern- teilung und Grössenzunahme erreichen sie bald die Oberfläche und treten allmählich sogar über dieselbe hervor. Ihre Form ist meist rund und die am weitesten ausgebildeten stellen sich als grosse Riesenzellen dar, welche gegen ihre Umgebung stark abstechen. Die Zusammenstellung aller beobachteten Formen, wie eine Berücksichtigung ihrer wechselnden Lage ergibt, dass dieselben umgewandelten Chorionepithelien entsprechen, in welchen die den Kernteilungen für gewöhnlich folgende Protoplasmateilung ausgeblieben, vielleicht aus dem Grunde, weil die Kernvermehrung sehr schnell erfolgt ist. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 129 Chorionsprossen dieser Art finden sich nicht nur an den Teilen des Eies, welche der uterinen Schleimhaut selber gegen- über liegen, sondern auch den Karunkeln gegenüber. Im Verbande mit ihren mütterlichen Boden verbleiben sie scheinbar nicht allzulange. Überall lassen sie sich innerhalb der Masse nachweisen, die Eihaut und uterine Schleimhaut im Haupthorn verkittet und auch im Nebenhorn findet man die gleichen Gebilde innerhalb der Massen, welche der uterinen Schleimhaut oder der Eihaut anhaften. Sie legen sich der uterinen Schleimhaut oft an, zer- fallen aber darauf ohne zwischen die Epithelien derselben ein- zudringen. Dass dieselben stets fetalen Ursprunges sind, geht weiter daraus hervor, dass sie im mütterlichen Epithel dort nicht zur Beobachtung kommen, weder an den Karunkeln, wo die ursprüng- lichen Verhältnisse noch angetroffen werden, noch an zwischen- liegenden Teilen, während die gegenüberliegende Eihaut grosse Mengen derselben enthält. Dieser Umstand ist deswegen besonders hervorzuheben, weil wie weiter unten noch besonders besprochen werden soll, den- selben später in den weiter ausgebildeten Placentomen eine be- sondere Rolle zufällt. Hier hat aber Strahl (10) bei Cervus elaphus dieselben als symplasmatisch degeneriertes maternes Epithel aufgefasst. Diese Zellen entsprechen aller Wahrscheinlichkeit nach den von Assheton (1) beim Schafe gefundenen und von ihm als Trophoblastzellen bezeichneten Elementen. Nach diesem Forscher sollen dieselben nach ihrer Loslösung vom Ei an dem mütterlichen Schleimhautepithel eine Reihe destructiver Vorgänge auslösen, welche zu einem Untergang desselben führen. Das widerspricht aber meinen eigenen, früher erhaltenen Resultaten am Schaf, wo ich das uterine Epithel stets erhalten gefunden habe. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114, Heft (38. Bd., H. 1). 9 130 R. KOLSTER, Es lag also Ursache vor, hier ihr Verhalten genau zu ver- folgen. Als Resultat dieser Untersuchung ergab sich, dass ausserhalb der Karunkeln keine Destruktion des maternen Schleimhautepithels durch diese Zellen in diesem Stadium hervor- gebracht wurde. Anders verhält es sich aber in den Karunkeln. Schon auf diesem frühen Stadium, welches die Karunkeln des Haupthornes zeigen, liess sich zeigen, dass diese Chorionsprossen oder Tropho- blastzellen mehrfach zwischen die maternen Epithelien ein- dringen. Die Einwirkung desselben auf das mütterliche Epithel wird weiter unten besprochen werden, da dieser Verlauf erst in den späteren Entwickelungsstadien deutlicher hervortritt. In den Karunkeln des Nebenhornes fehlen sie ganz. Die Chorionepithelien zeigen bei Ausführung der ange- wandten Eisenreaktion an ihren freien Enden eine diffuse Blau- färbung, den Ausdruck der Resorption der eisenhaltigen Masse, welche sie umspüilt. Bei einem Ösmieren der Schnitte lässt sich vielfach eine bedeutende Schwärzung der basaleren Zellteile erzielen. Überall tritt dieselbe nicht auf, sondern ist auf zerstreut liegende Regionen beschränkt, welche sowohl den Karunkeln, wie der Schleimhaut selber gegenüber liegen können. Vor Anheftung des Eies zeigt also das Epithel der Schleim- haut des Uterus, vorzugsweise im Nebenhorn noch stellenweise ursprüngliche Verhältnisse. Der grössere Teil desselben hat aber begonnen, sich seiner späteren Funktion gemäss umzuwandeln. In dieser Beziehung ist besonders das Auftreten der acidophilen Körner enthaltenden Zellen beachtenswert. Wo die zylinderförmige Form der Epithel- zellen erhalten ist, fehlen sie noch vollkommen. Weiter tritt schon um diese Zeit eine Umbildung der Karunkeln ein, indem sie beginnen, sich in spongiöse Form umzuwandeln. Dieses tritt am Haupthorn früher als am Nebenhorn auf. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 131 Stadium II. Periode der Placentomentwickelung. Diesem Abschnitte liegen die Ergebnisse der Untersuchung einer Reihe Uteri zugrunde, welche macroscopisch kaum zu unter- scheiden waren und deren äussere Form in Fig. 4 wiedergegeben ist. Uterus II und III wurden genauer untersucht. Die Länge der Embryonen dieses Stadiums erreichte maximal 3;5 €m. Macroscopisch kennzeichneten sich die uneröffneten Uteri dadurch, dass das Hauptliorn bedeutend ausgedehnt war und in dem mittleren Teil ein blasenförmiges Aussehen angenommen hatte. Das tubare Ende derselben war dagegen dem früheren Stadium gegenüber nur wenig erweitert. Letzteres gilt auch für das Nebenhorn, welches eine gleich- mässige, wenn auch nur geringe Dickenzunahme zeigt. An dem aufgeschnittenen Uterus tritt die Scheidung in die beiden Hörner noch deutlich hervor, indem die Verbindung der beiden Hörner durch eine stark verengte Stelle gekennzeichnet ist. Diese fällt auch an dem herausgenommenen Ei auf, wenn- gleich weit weniger als es Fig. 3 nach dem Ei des ersten Stadiums zeigt. In dem am meisten erweiterten Teile des Haupthornes welcher den Embryo enthält, ist die Uteruswand stark verdünnt. Hier hat sich die später eintretende Hypertrophie der Muscularis noch nicht ausgebildet, welcher es zuzuschreiben ist, dass in den späteren Stadien die Uteruswand durchgängig eine grössere Dicke besitzt. Dieser Dehnung zufolge ist auch die Schleimhaut selber sammetartig glatt. Die feinen, concentrischen Rillen, welche sich im vorigen Stadium auch im Haupthorn deutlich beobachten liessen, sind höchstens andeutungsweise sichtbar, während das tubare Ende und das ganze Nebenhorn sie sehr leicht erkennen lassen. g* 132 R. KOLSTER, Bei einem Versuch durch Spülung das Ei von der Uterus- wand zu lösen, zeigt es sich, dass eine festere Verbindung zwischen Karunkel und Ei eingetreten ist und dass diese nur unter Hinterlassen von Defekten an einem von beiden gelöst werden kann. Von einem solchen Lösen wurde daher weiter- hin abgesehen. Was die uterine Schleimhaut anbetrifft, so zeigt dieselbe im grossen und ganzen, nur wenig Abweichungen von dem Verhalten im ersten Stadium. Vereinzelt trifft man im tubaren Ende des Haupthornes und auch im Nebenhorn noch Stellen an, welche die ursprüngliche hohe zylinderförmige Beschaffenheit des Schleimhautepithels bewahrt haben. Im erweiterten Teil des Haupthornes hat die schon erwähnte Dehnung der uterinen Wand sich aber auch am Epithel bemerk- bar gemacht, so dass wir hier der Hauptsache nach nur platte ausgezogene Zellen antreffen, Fig. 8. Da diese vielfach Mitosen aufweisen, muss eine Vermehrung derselben angenommen werden, worauf auch stellenweise das Vorkommen unregelmässig liegender, scheinbar in einander gekeilter Zellen hinweist, Fig. 18 und 19. In Uterus III, welcher den grössten Embryo der zu dieser Gruppe geführten enthielt, liessen sich einzelne Epitheldefekte nachweisen, auf welche im Zusammenhang mit den Erscheinungen am Chorion noch zurückzukommen sein wird, Fig. 19. Zwischen den Epithelzellen treten aber einzelne besonders hervor. An einfachen Hämatoxylinpräparaten stellen sie sich heller als die angrenzenden dar, meistens ist ihre Grösse auch etwas bedeutender. In dem helleren Protoplasma finden sich runde granulaähnliche Gebilde. Durch Eosin lassen diese sich deutlich rot färben und zwar ist der von den Granula ange- nommene Ton etwas von demjenigen der Erythrocyten verschieden. Meistens liegen die roten Granula im Zellenleibe zerstreut. Es kommen aber auch solche Zellen vor, welche dieselben zu Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 133 einem Häufchen vereinigt zeigen, welches dann entweder im basalen Teil der Zelle liegt oder der freien Fläche mehr genähert ist. An einzelnen Zellen dieses Stadiums findet man aber auch schon Bilder, welche zeigen, dass diese Granula als Secret ent- leert werden. Durch Osmierung wird in den Epithelzellen das Vorkommen feinster, schwarzer Körner in nicht geringen Mengen festgestellt. Ebensolche finden sich in den Epithelzellen der Schlauchaus- führgänge und dem oberflächlichen Teil derselben. Die uterinen Schläuche lassen noch deutlich eine Wuche- rungszone in den tieferen Teilen erkennen, welche aber ebenso- wenig wie im früher beschriebenen Stadium zu Abschnürungen oder Einstülpungen führt. Dagegen ist die Secretion recht reichlich. Ebenso wie im ersten Stadium nimmt das Secret in den Endteilen, wo eingewanderte Leucocyten kaum vorkommen, Eosin nicht an und ist körniger Natur. In den etwas oberflächlicheren Teilen, welche recht bedeutend erweitert sind, und wo eine starke Einwanderung von Leucocyten mit Zerfallserscheinungen beobachtet wird, ist das homogener gewordene Secret ausgesprochen acidophil und nimmt das Eosin mit dunklem Ton an. Zwischen den uterinen Schläuchen sind die Lymphgefässe und Gewebsspalten bedeutend erweitert und oft mit geronnenen Massen erfüllt, Fig. 17. Die Blutgefässversorgung ist weit reichlicher wie vorher, besonders tritt dieses an dem Kapillarnetz, welches dicht unter dem Epithel vorhanden ist, hervor. In dem Gewebe zwischen den Schläuchen liegen grosse Mengen pigmentführender Zellen, welche sowohl eine Eisen- wie eine Fettreaktion ergeben, Fig. 20. Dieselben wandern durch das Epithel in die uterinen Schläuche ein, wo sie sich auflösen oder zerfallen. Eine Folge dieses Vorganges ist, dass 134 R. KOLSTER, der Inhalt der Schläuche ebenfalls eine Blaufärbung bei Behand- lung mit Ferrieyankalium und Salzsäure zeigt. Allgemein genommen muss das eigentliche Stroma der uterinen Schleimhaut in diesem Stadium als zellarm bezeichnet werden. Allein dicht unter dem Epithel ist eine etwas reich- lichere Lage Zellen anzutreffen, an Mächtigkeit erreicht dieselbe aber keineswegs die von anderen Indeciduaten mir bekannte, subepitheliale Schicht. Das Interesse fesseln in diesem Stadium aber vorwiegend die Placentome. Fig. 21 gibt ein Übersichtsbild einer Entwickelungsstufe, welche sich direkt an die aus dem Haupthorn des vorigen Stadiums schon bekannten anschliesst, Fig. 6. Die mütterliche Karunkel hat sich schon ein wenig ver- grössert. Auf dem Querschnitt tritt die Stielbildung deutlicher hervor. Dieses ist in Fig. 1 nicht zu sehen, weil der Schnitt dem Ende des Placentomes entnommen ist. | Die durch denselben eintretenden Gefässe verzweigen sich bald, so dass die fächerförmige Anordnung der Hauptstämme verwischt wird. In der Nähe der Oberfläche ist ein dicht- maschiges Kapillarnetz ausgebildet, welches überall an das Epi- thel herantritt. Das zellenreiche Stroma der Karunkel hat sich wohl durch reichlichere Zufuhr lymphatischer Flüssigkeit bedeutend gelockert. Besonders bemerkenswert ist das an der Peripherie der Karunkel, we die aus dem früheren Stadium bekannte Zähnelung der Schnittbilder bedeutend komplizierter geworden ist, Anstatt der seichten früheren Krypten, welche noch keine Cotyledonen beherbergten, Fig. 6 und 15, haben wir es hier schon mit sich verästelnden Einsenkungen in das Gewebe der Karunkel zu tun, Fig. 21 und 22. Diese Einsenkungen sind an verschiedenen Stellen der Oberfläche verschieden weit ent- wickelt. Wo die Verästelungen noch geringgradig sind, löst Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 135 sich die Eihaut leicht ab, Fig. 21 rechts, wo sie weiter ausge- bildet sind, ist dieses nur unter Entstehung eines Defektes auf seiten des Eies oder der uterinen Schleimhaut möglich, Fig. 21 links. Diese Figur ist dem Uterus II entnommen, der einen 2,4 cm langen Embryo enthielt. An den äussersten Zacken der von den Karunkeln gebildeten Matrize ist das Epithel regelmässig kubisch geworden. Irgend- welche Defekte sind nicht zu beobachten, dagegen ist vielerorts die Menge auswandernder Leucocyten recht gross. In den tieferen Teilen der Einsenkungen ist meistens wohl auch ein einschichtiges Epithel zu finden; die Regelmässigkeit ist aber weit weniger ausgeprochen, da die sich durch das Vor- handensein von Mitosen kennzeichnende epitheliale Wucherung vielerorts zur Entstehung eines mehrreihigen führt. Auch als Folge dieser Wucherung ist zu bezeichnen, dass einzelne Zellen bedeutend über ihre Umgebung hervorragen. Wie durch Osmiumbehandlung nachgewiesen werden kann, enthalten die Epithelien hier vielfach Fett in feinverteilter Form. Zwischen den Epithelien machen sich an vielen Stellen grosse, dunkle Zellen, gewöhnlich mit mehreren Kernen versehen bemerkbar. Man trifft dieselben sowohl dem Epithel anliegend, wie zwischen dessen Zellen an, Fig. 22. Dieselben finden weiter unten eine nähere Erwähnung. Fig. 23 zeigt einen Querschnitt durch das Placentom eines Uterus, welcher einen 3,5 cm langen Embryo enthielt. Aus derselben ist ersichtlich, dass in der Ausbildung der Placentome sich bedeuteude Fortschritte eingestellt haben. Von dem eigentlichen Grundgewebe der Karunkel sind nur noch geringe Reste erhalten, welche den basalen Stiel bilden. Dagegen ist der grössere oberflächliche Teil in ein schwammiges Gewebe umgebildet, in welches sich die vom Ei aus entwickelten Cotyledonen eingesenkt haben. 136 R. KOLSTER, In dem Balkensystem, dieses schwammigen Gewebes, ist das Stroma, obgleich zellreich, dennoch verhältnismässig locker, so dass die bindegewebigen Fibrillen der Grundsubstanz deutlich sichtbar sind, Fig. 24. | Das reichlich entwickelte Kapillarsystem der vorher be- schriebenen Entwickelungsstufe hat sich noch weiter ausgebildet und als Ausdruck desselben trifft man in den Balken der Ka- runkel massenhafte Gefässdurchschnitte, welche von Erythrocyten strotzen. Grössere Gefässstämme wie sie z. B. die Karunkeln des Nebenhornes im vorigen Stadium fächerförmig geordnet in den Schnitten zeigten, trifft man hier nur im Stilus an, wo sie oft sehr dicht gedrängt verlaufen. Dieses spricht dafür, dass die- selben keineswegs eine Rückbildung mit dem Auftreten des reichlichen auch peripherer liegenden Kapillarsystems erlitten haben, sondern dass wohl eher die mütterliche Karunkel mit dem Übergang in das schwammige Gewebe eine Ausdehnung erlitten hat. Überall ist das materne Epithel erhalten. Sowohl an den am meisten vorspringenden Teilen wie tiefer im Placentom. Der aus dem Vorhergehenden bekannte Charakter desselben ist ebenfalls noch vollständig erhalten. In den äusseren Teilen hat das Epithel wieder mehr und mehr eine regelmässig einschichtige Anordnung angenommen. Hier sind auch Mitosen ein seltener Befund. Je weiter gegen den Stiel zu, um so mehr treten Kernteilungsfiguren auf und um so mehr verschwindet die regelmässige Anordnung der Zellen. Teils lagern sie sich so, dass ein zweireihiges vorgetäuscht wird, teils treten einzelne über die Oberfläche hervor, teils haben wir wirklich ein mehrreihiges vor uns. Letzteres ist durchgängig an den blinden Enden der Einsenkungen der Fall, welche bei weitem nicht von peripheren Enden der Cotyledonen erreicht werden, Fig. 23. Anatom. Hefte I. Abt. 114. Heft. (38. Bd. H. 1.) a 2 ar» a... 1m» > Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. J. B. Obernetter. München. reprod. SIER Er t ee a N "eo > ’ u. ur eg Ya er s ‚u en ZA en BSR 3 R Er Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. J. B. Obernetter, München, reprod. Anatom. Hefle I. Abt. 114. Heft. (38. Bd. H. 1.) Taf 16. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 137 Bedeutend häufiger als in der früher beschriebenen Ent- wickelungsstufe findet man in Verbindung mit dem maternen Epithel Zellen mit bedeutend dunklerem Protoplasma, welche einen grossen, oft aber auch zwei oder mehr Kerne gewöhnlicher Grösse enthalten. Sie liegen dem mütterlichen Epithel teils an, teils trifft man sie auch in gleicher Flucht mit demselben, Fig. 22, oder sie liegen nicht selten der das Epithel gegen das Stroma abgrenzenden Membran an. Dass diese vom Chorion herstammen wird aus dem weiter unten Folgenden hervorgehen. Einige wenige der blinden Enden der Vertiefungen in der Karunkel erscheinen stets leer, Fig. 23, andere sind von einer noch später zu beschreibenden Detritusmasse bis an die Enden der sich einsenkenden Cotyledonen erfüllt, Fig. 24. Die Möglichkeit, dass bei der Aufklebung der vorwiegend verwandten Paraffinschnitte sich Stückchen gelöst hätten, ist dadurch ausgeschlossen, dass in Celloidin eingebettete Stücke ein vollkommen gleiches Bild ergaben. Fig. 23 gibt noch nicht die schliessliche Form der Placentome wieder. Da diese aber ihrem Aussehen nach vollständig im Querschnitt der Fig. 28 gleicht ist von einem Beifügen einer besonderen Abbildung abgesehen worden. Das ausgebildete Placentom stimmt so ziemlich mit der eben beschriebenen Entwickelungsstufe überein, nur hat sich das schwammige Gewebe ein wenig weiter entwickelt und wölbt sich beiderseits von dem bedeutend verdünnten Stiel etwas vor. Die Details in demselben weichen nicht von den eben beschrie- benen ab. Da von dem ursprünglichen Gewebe der Karunkel mit Ausnahme der Stielgegend alles in das jetzt vorhandene schwam- mige Gewebe aufgegangen ist, kann die definitive Form der Karunkel als erreicht betrachtet werden. Die nunmehr hier auftretenden Erscheinungen sind ganz anderer Art und werden in folgendem Abschnitt besprochen werden. 138 R. KOLSTER, Die Masse, welche zwischen Eihaut und uteriner Schleimhaut liegt, ist kaum von der schon früher beschriebenen verschieden. Wo sich in der Nähe der Ausführgänge der uterinen Schläuche grössere Mengen angesammelt haben, zeigt sich an Hämatoxylin- Eosinpräparaten vielleicht etwas deutlicher als vorher, dass die centralen Teile dieser Massen reiner eosingefärbt als die peri- pheren sind. Oft ist aber gerade der an der uterinen Schleim- haut liegende Secretstreifen scharf rot gefärbt, wenngleich dieser rote Streifen noch nicht überall hervortritt. Leucocyten treten in derselben schon recht reichlich auf und enthalten geringe Fettmengen. Sie zerfallen scheinbar sehr bald. Neben diesen finden sich zahlreiche, zwei oder mehrkernige Gebilde, welche sich von der weiter unten zu beschreibenden Eihaut abgelöst haben. Fett findet sich bisweilen in dieser zwischen uteriner Schleim- haut und Chorion liegenden Masse und ebenso lässt sich mit Ferrieyankalium und Salzsäure, besonders in der Nähe der Ausführgänge der uterinen Schläuche eine Blaufärbung erzielen, In den Placentomen trifft man zwischen den fetalen Coty- ledonen und der maternen Karunkel neben körnigem Detritus oft Zellfragmente an. Diese sind sicher nicht mehr allein aus- wandernde Leucocyten, sondern vielfach vom maternen Epithel gelöste Elemente. Besonders bedeutend sind diese Massen in den blinden Enden der maternen Hohlräume. Hier liegt eine sich mit Eosin rötlich färbende Masse, welche teils gänzlich homogen, teils fädig geronnen ist, Fig. 24. Sie haftet dem maternen Epithel fest an, wenigstens bei der verwandten Methode, denn an allen unter- suchten placentomen hat sich das Epithel der Karunkel in Zu- sammenhang mit dieser Masse vom bindegewebigen Stroma gelöst. Auch die Eihaut an den placentomfreien Stellen zeigt bei- nahe ganz dieselbe Beschaffenheit wie früber Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 139 Vielfach liegt dieselbe in dem erweiterten Teil des Haupt- hornes der uterinen Schleimhaut gestreckter an als vorher, Fig. 17 und 18. Wenigstens verflachen sich die im früheren Stadium angetroffenen Chorionblasen und treten weniger hervor. Falten der Eihaut wie sie Fig. 9 zeigt, finden sich dagegen sehr häufig. In dem Chorion herrscht, den Mitosen zu urteilen nach, eine rege Neubildung von Zellen, und sehr häufig entstehen infolge ausgebliebener Protoplasmateilungen mehrkernige Gebilde. Diese grenzen sich gegen die Umgebung scharf ab, bleiben aber wohl nicht allzulange in ihrem ursprünglichen Verbande, sondern lösen sich aus demselben. Die Folge dieses Vorganges ist, dass sie in der Masse zwischen Ei- und Uteruswand vielfach frei angetroffen werden. Eine zerstörende Einwirkung auf das mütterliche Epithel muss ihnen hier zuerkannt werden, wenngleich diese nur bin und wieder voll zur Geltung kommt. Mit Ausnahme der gleich zu behandelnden Stellen ist das Epithel der Schleimhaut erhalten und zeigt weit deutlicher als vorher Anzeichen einer beginnenden Secretion acidophiler Massen. Es lassen sich sogar Stellen auf- finden, welche allerdings nicht in dem am meisten gedehnten Teile des Haupthornes liegen, wo das Epithel schon in die später ‚allgemein vorherrschende Form übergegangen ist, die z. B. Fig. 26 zeigt. Dass dieses eine vollständige Neubildung wäre, ist sicher auszuschliessen. Schon in erstem Stadium fanden sich ja An- deutungen zu dem Übergang in ein secernierendes Epithel. Diese vom Chorion stammenden Zellen legen sich hierbei oft an das uterine Epithel an, dringen aber nirgends in dasselbe hinein, sondern zerfallen bald. Es wurde allerdings oben darauf hingewiesen, dass an Prä- paraten aus diesem Stadium materne Epitheldefekte kleinerer Ausdehnung an einzelnen Schnitten beobachtet wurden, Fig. 19. 140 R. KOLSTER, Mehrere derselben sind vollständig im Bereich der angefertigten Serien gefallen und erlauben daher eine genauere Prüfung. Diese Defekte liegen stets nur im Bereich des am stärksten gedehnten Teiles des Haupthornes. In dem tubaren Ende und im Nebenhorn fehlen sie vollständig. Schon aus dieser Lage geht die Wahrscheinlichkeit hervor, dass der mechanischen Dehnung ein bedeutender Einfluss auf ihre Entstehung zuzuschreiben ist. Eigentlich zur Gewissheit wird diese Ansicht, wenn man die Umgebung derselben genau beachtet. An der Mehrzahl dieser Defekte lässt sich die Beob- achtung machen, dass das mütterliche Epithel immer flacher wird und in dieser Hinsicht das in Fig. 8 Dargestellte weit übertreffen kann. Hier liegen die Kerne der Epithelzellen schon weit auseinander. In der Nähe der meisten Defekte geht aber das mütterliche Epithel allmählich noch in eine bedeutend plattere Form, mit weit voneinander abstehenden, flach liegenden und langgestreckten Kernen über, um schliesslich zu verschwinden. Allein der Dehnung kann aber die Entstehung der Defekte im mütterlichen Epithel nicht zugeschrieben werden, denn für Fälle, wie sie Fig. 19 wiedergibt, ist eine solche auf einen isolierten Bezirk besonders einwirkende Dehnung nicht annehm- bar, da in der Umgebung das eben erwähnte Abflachen des Epithels fehlt. Hier ist eine deutlich symplasmatische Umbildung des mütterlichen Epithels eingetreten, wie die unregelmässige An- häufung isolierter Kerne zeigt. Auch das Auftreten vollkommen kernfreier Detritusmasse spricht für diese Annahme. Fig. 19 zeigt es allerdings nicht, dass in der Nähe und zwischen dem symplasmatischen Detritus die schon erwähnten gross- und auch mehrkernigen losgelösten Chorionsprossen ge- wöhnlich auftreten. Sie wurden in den Photgrammen leider stets zu undeutlich und deswegen eine Stelle gewählt wo sie fehlen. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 141 Dass diesen Chorionderivaten aber sicher ein deletäres Ver- mögen dem mütterlichen Gewebe gegenüber zukommt, obwohl dasselbe sich hauptsächlich an den Placentomen entfalten kann, wird noch mehrfach gezeigt werden. Man darf daher diese kleinen Defekte im mütterlichen Schleimhautepithel darauf zurückführen, dass dem unter- gehenden Epithel durch die mechanische Dehnung eine so bedeutende Schädigung zugefügt worden ist, dass ihre normaler- weise vorhandene Widerstandskraft dem histolytischen Ver- mögen der Chorionsprossen gegenüber, verloren gegangen ist. In den Placentomen tritt eine auffallende Geneigtheit des fetalen Epithels zur Bildung gross- und mehrkerniger Gebilde besonders hervor, Fig. 22. Dieselben lösen sich allerorts, wo sie vorkommen, von den Cotyledonen ab. Man trifft nicht selten Stellen in den Schnitten an, wo sie im fetalen Epithel und losgelöst von demselben liegen, das mütterliche Epithel dagegen keine Andeutung derselben zeigt. Dieses lässt ihren fetalen Ursprung als bewiesen hinstellen. Im Gegensatz zu dem normalen Vorgang im Bereich der karunkelfreien, uterinen Schleimhaut zerfallen diese Chorion- sprossen nach ihrer Ablösung aber nicht. Sie fressen sich in das mütterliche Epithel ein und sind hier an ihren grossen Kernmassen leicht erkenntlich, Fig. 22. In den Üteri dieses Stadiums liess sich ein auch auf die epitheliale Umgebung aus- gestreckter destruktiver Einfluss nicht erkennen. Sowohl in dem maternen wie fetalen Epithel ergab eine Nachosmierung der Präparate nicht geringe Mengen schwarzer Körner und zwar ziemlich gleichmässig. Eine Eisenreaktion liess sich dagegen nicht im Bereich der Placentome erzielen. Es mag hier noch angeführt werden, dass die microscopischen Präparate eines der Placentome in der Nähe eines derselben eine vollständig von demselben abgetrennte, kleine Anhäufung 142 R. KOLSTER, von Gewebe zeigt, das mit der Beschaffenheit der Karunkeln des Nebenhornes im vorigen Stadium vollständig übereinstimmte. Die grosse Nähe zu einer der drei Hauptkarunkeln lässt die Annahme wohl wahrscheinlich erscheinen, dass diese Gewebs- anhäufung keiner eigentlichen vierten Karunkel in diesem Horn entspricht, sondern als ein zufällig abgetrennter Teil aufzu- fassen ist. Stadium II. Periode bis zur vollständigen Ausbildung der Placenta. Diesem Stadium gehören die Uteri an, welche im Januar und Februar geschlachteten Kühen entnommen waren. Dieselben unterscheiden sich bedeutend von den früheren, nicht allein durch ihre Form und Grösse, sondern speciell durch die an den Placentomen auftretenden Vorgänge. Die Länge der in denselben enthaltenen Embryonen wechselt zwischen 20 und 31 em. Besonders charakteristisch für dieses Stadium der embryonalen Entwickelung war die Form des Nabelstranges, von welchem ein Querschnitt in natürlicher Grösse in Fig. 27 wiedergegeben ist. Die beiden Paare von Nabelstranggefässen bilden im Querschnitt ein beinahe regel- rechtes Quadrat. Am Amnion sind eine Menge weissgelber Verdickungen aufgetreten, welche von Stecknadelkopf- bis beinahe Erbsengrösse wechseln. Dieselben bestehen, wie es schon Turner (11) be- kannt war, aus grossen Zellen, welche an das Stratum spinosum der Haut erinnern. Im Centrum der Verdickungen zerfallen sie zu einer käsigen Masse. Die Erweiterung der Uterushöhle, welche nötig geworden, um den stark gewachsenen Embryo aufnehmen zu können und ausserdem noch die bedeutend vergrösserten Placentome, betraf Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 143 beide Hörner jetzt ziemlich gleichförmig. Nur durch eine genaue Untersuchung liessen sich am ungeöffneten Uterus Haupt- und Nebenhorn unterscheiden. | Die früher nach Aufschneiden des Fruchtsackes als enge Öffnung erscheinende Verbindung zwischen dem tauben und dem graviden Horn, macht sich nicht mehr besonders bemerk- bar, so dass am Ei eigentlich die früher so stark hervortretende Einschnürung verschwunden ist. Dagegen springen nunmehr die Placentome weit in das Cavum uteri vor. In Fig. 49 links ist eine der Mitte ent- nommene Scheibe in natürlicher Grösse abgebildet. Die Scheibe entspricht einem Querschnitt durch das Placentom. Die äussere Form der Placentome ist ellipsoid und zwar beträgt die Länge hier das Doppelte der Breite. Die 6 vor- handenen Placentome sind alle ungefähr gleich gross. Wie aus Fig. 23 und 49 hervorgeht, sitzen dieselben auf einem schmalen Stiel, der in seiner Länge ungefähr der halben grössten Breite der Placentome entspricht. Er führt ungefähr bis an die Mitte der Placentome um hier mit einer längs- verlaufenden Verdickung zu enden. Durch denselben laufen einige wenige, recht grosse Gefässe, welche in der leistenförmigen Endverdickung in kleinere Äste zerfallen, deren Durchschnitte in Fig. 28 als dunkle Flecken hervortreten. Eigentlich un- vermittelt lösen diese sich sodann in capillare Zweige auf, welche in dem spongiös geformten, mütterlichen Gewebe des Placentoms ihre Verbreitung haben. Von den zwei Paaren Nabelstranggefässen Fig. 27, ist je eines für das Haupt- und das Nebenhorn bestimmt. Der Anzahl Placentome entsprechend, zerfallen diese Gefässe in je drei Äste, welche ebenfalls paarweise an die Placentome herantreten und sich nach kurzem, oberflächlichen Verlauf in kleinere Zweige auflösen, welche in die fetalen Cotyledonen des Placentoms ein- treten. 144 R. KOLSTER, So lange die uterine Schleimhaut von den Eihäuten bedeckt ist, ist dieselbe glatt. Wird aber die Eihaut von der Uteruswand an zwischen den Placentomen liegenden Stellen abgelöst, so beob- achtet man schon macroscopisch, dass glatte Flächen mit solchen, welche der Hauptsache nach eirkulär verlaufende Falten zeigen, abwechseln. Diese Schleimhautfalten sind an Uterus IV von einer im Januar getöteten Renntierkuh, wie Fig. 25 zeigt, nur einfache Wülste. Gegen Ende der diesem Stadium entsprechenden Periode können sie aber schon Formen angenommen haben, welche eigentlich erst für die folgende Periode charakteristisch sind. Dass dieses aber nur stellenweise der Fall ist, zeigt Fig. 38 aus einer Schnittserie, welche überall das gleiche Bild ergab. Die Länge der Schnitte war dabei ungefähr 30 mm. Zwischen Eihaut und uteriner Schleimhaut liegen im Ver- hältnis zu früher oft grosse Mengen käsig geronnener Massen, Fig. 38, welche aber stellenweise auf ein Minimum reduziert sein können, Fig. 26. Die mieroscopische Untersuchung des+ Uterus IV ergibt am Epithel eine auffallende Veränderung gegen das vorige Stadium. Während dasselbe dort mehr kubisch und unregelmässig war, ist diese Form hier eigentlich gänzlich verschwunden. Nur an wenigen Stellen werden noch Andeutungen davon gefunden. Epitheldefekte, die ebenfalls vorkamen, sind nirgends mehr an- zutreffen. Statt dessen hat sich ein hohes, eylinderförmiges Epithel entwickelt, welches weit höhere Zellen zeigt, als die Stellen in Uterus I, welche als den Verhältnissen im nichtgraviden Uterus entsprechend angesehen wurden. Ein Vergleich der bei gleicher Linsenkombination und Cameralänge aufgenommenen Abbil- dungen, Fig. 10 und 26, bestätigt dieses sofort. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe, 145 Da hier Epitheldefekte wie gesagt fehlen, und das aus den früheren Stadien bekannte unregelmässige Epithel noch stellen- weise vorhanden ist, darf man als sicher annehmen, dass hier Derivate der ursprünglichen Zellen vorliegen. Dass diese sich in ein secernierendes Epithel umwandeln, ist schon mehrfach hervorgehoben und durch das früh einsetzende Auftreten aci- dophiler Granula, welche sogar entleert wurden, bewiesen. Diese Form des secernierenden Epithels besteht auch später hin, Fig. 26. Die für ihre Höhe recht schmalen Zellen bilden ein mehr- reihiges Epithel. Für die verschiedene Lage der Kerne, welche wohl nicht das Normale ist, es kommen Stellen vor, wo alle Kerne in einer Reihe liegen, sind zwei ganz verschiedene Vor- gänge bestimmend. Der eine steht in Zusammenhang mit der Funktion der Zellen. Die meisten Zellen zeigen an einfachen Hämatoxylinprä- paraten helle Vacuolen, welche bei einer nachfolgenden Eosin- färbung rot gefärbte Granula enthalten. Diese Vacuolen nehmen ganz verschiedene Lagen innerhalb der Zelle ein und beeinflussen infolgedessen auch die Lage des Kernes. Von besonderem Interesse ist, dass diese Secretmengen auch an der Zellenbasis auftreten können, so dass der Kern der Oberfläche stark ge- nähert wird. Für gewöhnlich liegt ja der Ort der Secretbildung zwischen Kern und freiem Ende der Zelle. Man könnte annehmen, dass hier eine Täuschung vorläge, indem auch noch wie schon früher Erythrocyten durch das Epithel hindurch die mütterliche Schleimhaut verlassen und ebenfalls Eosin annehmen. Der denselben durch das Eosin ver- liehene Ton weicht aber viel von dem der Secretgranula ab und erlaubt sofort eine Unterscheidung. Vollständig wird diese An- nahme aber dadurch entkräftet, dass einfache Hämatoxylinprä- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114. Heft (38. Bd., H. 1). 10 146 R. KOLSTER, parate, die hier hellen Secretvacuolen genau ebenso verteilt zeigen. Neben dieser Abgabe eines specifischen Secretes acidophiler Natur, das vielfach als continuierliche Lage die Oberfläche des Epithels bedeckt, kommt aber diesen Zellen noch eine weitere Funktion zu. An nachosmierten Präparaten enthalten dieselben nicht selten, wenn gleich weit weniger als früher, geschwärzte Massen, welche augenscheinlich Fett darstellen. Sie färben sich mit Scharlachrot an Gefrierschnitten ebenfalls. Dieses muss von den Epithelzellen den mütterlichen Gewebs- säften entnommen sein, denn als Zeichen einer Degeneration kann dasselbe bei dem Bestehenbleiben der Epithelzellen nicht aufgefasst werden und in den angrenzenden Geweben kommt Fett nicht vor. Dagegen wohl in der Masse, welche zwischen dem uterinen Epithel und dem Chorion liegt. Da fettenthaltende Leucocyten nicht überall dort vorzufinden sind, wo dieses Fett der Embryotrophe nachweisbar ist, muss dasselbe wohl von dem uterinen Epithel abgeschieden worden sein. Diese Fettkügelchen nehmen besonders den basalen Teil der Zellen ein; in Uterus V war ihr Vorkommen weit seltener als in Uterus IV, wo sie aber schon den früheren Stadien gegen- über bedeutend abgenommen hatten. Ihr Fehlen oder Vor- handensein kann daher auch für die Lage des Kernes in der Zelle von gewissem Einfluss sein. Diese Secretbildung und Fettübertragung trägt wohl den Hauptanteil zu der unregelmässigen Anordnung der Kerne bei. Allein verursachen dieselben diese aber nicht, denn zwischen den eigentlichen Zylinderzellen des Epithels trifft man häufig Zellen an, deren Form und Aussehen sofort auf einen anderen Ursprung hinweisen und welche durch ihr Eindringen ebenfalls die Regelmässigkeit des Epithels stören. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 147 Diese recht zahlreichen Zellen besitzen ein helles Proto- plasma, in welchem 2 oder auch manchesmal mehrere kleine, scharf umrissene Kerne liegen. Je tiefer in dem Epithel sie liegen, um so mehr kommt dem Protoplasma die Fähigkeit zu Eosin anzunehmen und dieser aeidophilen Umwandlung des Protoplasmas parallel verlaufen Degenerationen der in denselben liegenden Kerne, welche schliesslich ganz schwinden, so dass zwischen den Epithelzellen tiefrot gefärbte, rundliche Massen zurückbleiben. In Fig. 26 sind diese Zellen an paarweise liegenden Kernen zu erkennen, Fig. 40 enthält auch eine solche, aber sehr deutlich hervortretende Zelle. Auf die Herkunft und Bedeutung derselben wird weiter unten zurückgekommen werden. Die früher unter dem Epithel deutlich wahrnehmbare sub- epitheliale Zellschicht lässt sich kaum mehr unterscheiden. Das Stroma der uterinen Schleimhaut ist in seinen ober- flächlichen Lagen lange nicht mehr so locker wie früher. Lymph- gefässe und Gewebsspalten treten nur wenig mehr hier hervor, Fig. 25 und 38. In den tieferen der Muscularis näher liegenden Teilen sind sie dagegen oft noch auffallend weit, Fig. 38. Dicht unterhalb des Epithels lassen sich zahlreiche, erythro- cytengefüllte Capillaren beobachten, welche beinahe unvermittelt aus den recht grossen Gefässtämmen der Mucosa entspringen. Die uterinen Schläuche zeigen sich ihrer ganzen Länge nach stark erweitert, Fig. 25, und verlaufen mehr der Schleimhaut- oberfläche parallel als senkrecht zu derselben, so dass auch die Ausführgänge schräg gegen diese gerichtet sind. Die Epithel- zellen haben in ihrem ganzen Verlauf eine kubische Form an- genommen und enthalten runde Kerne. Die Secretion derselben ist sehr reichlich. Nur selten werden secretleere Abschnitte angetroffen. Auch jetzt noch scheint die Aufnahmefähigkeit des Seceretes für Eosin an ein Vorhandensein 10* 148 R. KOLSTER, eingewanderter Leucocyten gebunden zu sein. In den tieferen Schlauchteilen, wo diese fehlen, lässt sich der Schlauchinhalt nicht mit dieser Farbe tingieren. Unter den eingewanderten Zellen fallen immer noch die bräunlich pigmentierten auf, welche sowohl einen Eisen-, wie einen Fettgehalt besitzen. Ihre Menge in dem interglandularen Gewebe hat gegen früher eigentlich nicht abgenommen. Sie finden sich hauptsächlich in dem Stroma in der Nähe der Mus- cularis vor. Was die äussere Muskelschicht anbelangt, so zeigt sie gegen früher eine auffallende Mengenzunahme. Trotz der starken Er- weiterung des Cavum uteri ist sie mindestens ebenso mächtig wie in den früheren Stadien, meistens aber weit breiter. Dieses fällt besonders an Uterus IV auf. Uterus V besitzt dagegen wieder etwas dünnere Wände. In der Masse, welche zwischen uteriner Schleimhaut und dem Chorion liegt, fällt zuerst der schon erwähnte, durch Eosin tiefrot gefärbte Secretstreifen auf. Der demselben gegebene Farbton weicht soviel von denjenigen der Erythrocyten ab, dass einzelne durch die uterine Epithelschicht ausgewanderte, rote Blutkörperchen leicht unterschieden werden können. Die übrige Grundmasse nimmt in der Nähe der Ausführ- gänge der uterinen Schläuche meistens eine deutliche blaue Farbe an, wenn der Boraxcarminfärbung eine Behandlung mit Ferricyankalium und Salzsäure angeschlossen wird. Auch finden sich an nachosmierten Präparaten hier nicht selten geschwärzte Körner vor. Wenn auch die Menge dieser zwischen Ei und Uteruswand liegenden Masse an verschiedenen Präparaten stark wechseln kann, siehe z. B. Fig. 26 und 38, so ist immerhin der Nachweis zu führen, dass dieselbe gegen früher bedeutend zugenommen hat. Besonders tritt dieses an Uterus V hervor, Fig. 38 und 39. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 149 Es erscheint ziemlich natürlich, hierin ein direktes Resultat der erfolgten Umbildung des uterinen Epithels in ein secer- nierendes zu sehen. Uterus V unterschied sich noch in anderer Hinsicht von Uterus IV. In der Masse zwischen Chorion und uteriner Schleim- haut fanden sich grosse Mengen Kernfragmente vor. Hierin eine Folge der immerhin schlechteren Konservierung dieses Präparates zu sehen, ist deswegen ausgeschlossen, weil an den berücksichtigten Stellen die Erhaltung dennoch so gut war, dass nicht nur sowohl das uterine Epithel, wie das gegenüberliegende Chorionepithel vollkommen intakt war, sondern sogar, wie Fig. 39 zeigt, die Cilien des letzteren deutlich zu sehen waren. Der grösste Teil dieser Kernfragmente lässt sich auf aus- gewanderte, mütterliche Leucocyten zurückführen. In denselben sind jedoch nur geringe Spuren von Fett nachzuweisen. Ein anderer kleinerer Teil ist aber sicher fetalen Ursprunges. Zu diesem gehören einzelne, verhältnismässig grosskernige, wie die zwei- und mehrkernigen Elemente, welche sich häufig er- kennen lassen, selbst wo Zerfallserscheinungen an denselben auf- getreten sind. Durch ihr helles Protoplasma, wo sie noch verhältnismässig unverändert sind, ebenso wie durch Form und Grösse, lassen sie sich als Elemente bestimmen, deren Vorkommen und Ab- lösen vom Chorion eigentlich überall zur Beobachtung kommt. In allen untersuchten Uteris dieses Stadiums, bestand die Hauptmasse des Chorionepithels aus zylinderförmigen Zellen mit basal liegenden runden Kernen (Fig. 26). Zwischen den freien Enden derselben lässt sich ein deutliches Schlussleistennetz nachweisen. An gut gefallenen Schnitten lässt sich feststellen, dass die Schlussleisten nicht mit dem freien Ende der Cylinderzellen zusammenfallen, sondern ein wenig tiefer liegen, genau so wie 150 R. KOLSTER, Fig. 52 aus einem Präparat vom Uterus VI zeigt. Auch Fig. 39 aus Uterus IV lässt dieses, wenn auch weniger, scharf erkennen. Der über die Fläche des Schlussleistennetzes hervorragende Teil der Zellen zeigt eine ausgesprochene Längsstreifung und lässt sich bei geeigneter Vergrösserung als Bündel von Cilien erkennen. Schon in manchen Präparaten der vorhergehenden Stadien, war wie erwähnt, eine Längsstreifung des freien Randes der Chorionepithelien auffällig gewesen. Die verhältnismässig dichte Beschaffenheit der zwischen Chorion und uterinem Epithel lie- senden Masse gestattete aber nicht ein deutliches Erkennen der Ursache dieser Erscheinung. So weit mir bekannt, ist an den eigentlichen Chorionzellen ausserhalb der Placentome bei an deren Indeciduaten ein Cilienepithel bisher nicht beschrieben worden. Berücksichtigt man die Schwierigkeiten, welche sich einem Erkennen der wirklichen Beschaffenheit des freien Randes dieser Epithelien dadurch entgegenstellen, dass dieser von geronnenen Massen verdeckt ist, so ist es nicht zu verwundern, wenn ein hier vorhandener Flimmerbesatz bisher der Beobachtung ent- gangen wäre. Die Untersuchung dieser Frage mit geeigneteren Fixierungsmethoden ist in meinem Laboratorium auch schon begonnen worden. Zwischen diesen langen Cilienzellen des Chorions liegen sowohl basal, wie den freien Enden derselben mehr genähert, ovale Zellen. Für gewöhnlich sind dieselben nicht regelmässig verteilt, sondern kommen in einigen Teilen häufiger vor, während sie anderen beinahe ganz fehlen. Diese Zellen besitzen meistens zwei runde Kerne, aber solche, welche nur einen grossen oder mehr als zwei kleinere enthalten, werden ebenfalls beobachtet. Schon aus den früheren Stadien ist das Auftreten derartiger Gebilde mehrfach erwähnt worden. Zwischen denselben und Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 151 den in diesem Stadium gefundenen lassen sich aber bedeutende Unterschiede nachweisen, welche nicht nur ihr Aussehen, sondern auch ihre Bedeutung und ihr Schicksal betreffen. Allein das Verhalten derselben erlaubt auf dem ersten Blick Schnitte als diesem oder dem späteren Stadium angehörig zu erkennen. In den früheren Stadien traten diese Zellen dadurch sofort hervor, als ihr Protoplasma stets eine dunkle Farbe zeigte, welches an nach Heidenhains Methode gefärbten Schnitten sich besonders stark bemerkbar machte. Auch an anderen reinen Kernfärbungspräparaten, wie z. B. nach Boraxcarmin- färbung liessen sie sich sofort unterscheiden, weil den Kernen durch ihren Chromatinreichtum stets eine sehr intensive Tinktion zukam. Ausserdem waren die Kerne noch weit grösser als in den zylinderförmigen Zellen. So lange diese Form vorherrschte, kam es an der eigent- lichen Schleimhaut nicht zur Beobachtung, dass sie in das mütterliche Epithel eindrängen. Sie legten sich demselben wohl an, zerfielen aber alsdann. Einen deletären Einfluss zeigten sie manches Mal, wenn sie an durch die erfolgte Dehnung mechanisch geschädigte Zellen herantraten, welche alsdann . sich symplas- matisch veränderten und schliesslich kleine, umschriebene Epitheldefekte entstehen liessen. Hier fallen sie im Gegenteil gerade dadurch auf, dass in der Mehrzahl der Fälle ihr Protoplasma auffallend hell verbleibt und sie daher manches Mal als Vacuolen erscheinen würden, wenn in ihnen nicht zwei oder auch mehr runde und scharf tingierte Kerne enthalten wären. Dass dieses die gleichen Gebilde wie früher sind, nur einer Umwandlung unterworfen, geht aus dem Auftreten vermitteln- der Übergangsformen hervor. Nach wie vor lösen sie sich von dem Chorion ab und treten an das mütterliche Epithel heran. Teilweise gehen sie auf diesem Wege schon dem Zerfall entgegen, 152 R. KOLSTER, Mit der Veränderung ihrer Beschaffenheit ist ihnen aber das Vermögen zuerteilt worden in das mütterliche Epithel ein- zudringen und sogar bis an die Basis dieser Zellen zu gelangen. Dagegen scheint mit der Veränderung auch ihre deletäre Kraft verloren gegangen zu sein. Auf die angrenzenden Fpithelzellen wirken sie gar nicht ein, zerfallen dagegen selber bald. Dieser Zerfall zeigt sich im Präparat dadurch, dass die Kerne allmählich schwinden, wobei das Protoplasma sich immer mehr für eine Eosinfärbung zugänglich zeigt. Schliesslich er- scheinen sie an einfachen Hämatoxylinpräparaten als helle Vacuolen zwischen den miütterlichen Epithelzellen oder nach Eosinfärbung als tiefrote, kugelförmige Gebilde (Fig. 40). Genau die gleichen Gebilde waren mir schon seit längerer Zeit aus den späteren Stadien der Tragzeit von anderen In- deciduaten, beispielsweise der Kuh bekannt. Während meiner früheren Untersuchungen berücksichtigte ich aber principiell die Vorgänge am Chorion nieht und konnte dahe. für diese roten Kugeln im mütterlichen Epithel keine sichere Erklärung geben. Eine Durchsicht meiner wenigen erhaltenen alten Präpa- rate ergab eine so vollständige Übereinstimmung mit den ent- sprechenden, oben beschriebenen Vorgängen bei Rangifer, dass ich nicht den geringsten Zweifel mehr hegen kann, dass sie nicht in gleicher Weise entständen. An den Placentomen finden wir, wie schon erwähnt, einen centralen compacten Teil aus mütterlichem Gewebe bestehend, welcher recht grosse Blutgefässe führt. Von diesem Centrum strahlt nach der Peripherie zu ein schwammiges Gewebe aus,, dessen Hohlräume immer grösser werden und die baumförmig verästelten fetalen Zotten aufnehmen. In den centralen Teilen der Placentome stimmen die feineren Vorgänge noch mit denjenigen, aus den früheren Stadium be- kannten, überein. Nach der Peripherie zu treten dagegen voll- kommen neue Vorgänge auf. Taf. 16: Hl.) (38 Ba. Anatom. Hefte I. Abt. 114. Heft. 38 J. B. Obernetter, München, reprod. Verlag von I. F. Bergmann, Wiesbaden. b - D h ” 3 \ r r a s 7 e ERRE h m. E en , = “ P % . # { Rn + 7 “ “ ‚ m - ’ . - =. 1 s \ ' ‘ c- “+ = P u ri HE . 4 . \ — F; o v r- ber. . ii » . r ilnatom. Hefte I. Abt. 114. Heft. (38, Bd. H. 1.) Top. 12. 42 Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. J. B. Obernetter, München, reprod. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 153 Wie Fig. 29 und 30 zeigen besteht das Grundgewebe des vom Centrum des Placentomes ausstrahlenden mütterlichen Maschenwerkes aus einem ziemlich zellreichen Bindegewebe. Innerhalb desselben verlaufen zahlreiche mit Erythrocyten gefüllte Capillaren, aus welchen manchmal eine Diapedese einzelner Erythrocyten in das umliegende Gewebe auftritt. Dieses bindegewebige Stroma ist hier mit einem vollständig erhaltenen Epithel bedeckt, das nur insofern unregelmässig ist, dass die eigentlich einschichtige Beschaffenheit desselben, Fig. 30, öfters in eine scheinbar mehrschichtige übergehen kann. Die einzelnen Epithelzellen sind insofern nicht immer ganz gleicher Art als einzelne kleine [Anhäufungen acidophile Granula enthalten, welche genau mit den aus dem Schleimhaut- epithel beschriebenen Secretgranulis übereinstimmen. Dem- entsprechend lässt sich die dem Epithel anliegende Masse mit Eosin tingieren, auch wo sie nur spärlich vorhanden ist. An mit Osmium nachbehandelten Präparaten lässt sich auch hier eine etwas diffuse Schwärzung dieses Epithels erzielen, wenngleich die Intensität derselben nur sehr gering ist, und diese Schwärzung keinesweges überall auftritt. Recht reichlich ist in diesen centralen Teilen das Aus- wandern von miütterlichen Leueocyten, welche kaum Spuren von Fett enthalten und bald zugrunde gehen, sodass nur die verklumpten, kleinen Kernreste noch zeitweilig sichtbar bleiben, Fig. 29 und 30. Zwischen den Spitzen der Cotyledonen und den blinden Enden der mütterlichen Hohlräume lassen sich hin und wieder bedeutende Mengen glasiger, Eosin stark annehmender Massen finden, wie im vorigen Stadium, Fig. 24. Gross- und mehrkernige Zellen trifft man innerhalb des mütterlichen Epithels demselben anliegend.. Auch frei zwischen mütterlichem Epithel und Zottenspitze liegen sie oft. Es i.\ jedoch hervorzuheben, dass gar nicht selten auf weiten 154 R. KOLSTER, Strecken das mütterliche Epithel gänzlich frei von diesen Ele- menten sein kann, trotzdem nicht wenige derselben frei zwischen mütterlichem Epithel und fetalem oder letzterem anliegend an- getroffen werden. Die Spitzen der fetalen Cotyledonen, welche bis an das Centrum des Placentoms heranreichen, besitzen ein sehr lockeres Stroma, welches von grossen Zylinderzellen bedeckt ist. Letztere können sich dabei oft einer kubischen Form nähern. Der basale Teil derselben ist bedeutend dichter und dunkeler als der ober- flächliche Teil, an welchem nicht selten eine feine Strichelung wahrzunehmen ist, ohne dass jedoch wirkliche Cilien hier zur Beobachtung kämen. Zwischen diesen Epithelzellen liegen aber überall zahlreiche, grosskernige Gebilde, welche meistens zwei, oft aber auch mehrere sich teilweise deckende Kerne enthalten. Für gewöhnlich ist ihr Protoplasma weit dichter als das der anliegenden Zellen und nimmt einen weit dunkleren Farbton an. Diese Epithelsprossen treten immer mehr aus der ursprüng- lich basalen Lage heraus, nähern sich der Oberfläche und lösen sich schliesslich gänzlich von ihrem ursprünglichen fetalen Bil- dungsorte ab. Sie bilden dann die schon früher besprochenen, frei flottierenden Zellen zwischen fetalem und maternem Epithel um schliesslich in das mütterliche Epithel einzudringen, Fig. 29, 30, 31, 32, 33 und 34. Hier, wo dieselben verhältnismässig selten sind, üben sie keinen weiteren zerstörenden Einfluss auf das materne Epithel aus, als dass sie sich im Bereich desselben Platz verschaffen. Anders verhalten sie sich dagegen, wenn man weiter peripher- wärts liegende Teile des Placentomes in Betracht zieht. An den entsprechenden Teilen der fetalen Cotyledonen treten sie in zunehmender Menge auf. Dabei wird ihre Grösse immer beträchtlicher, die Anzahl in denselben vorkommender Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 155 Kerne steigt, so dass dunkele, plasmodiale Massen mit 5 oder sogar mehr Kernen zur Beobachtung kommen. Dadurch, dass diese fortgesetzterweise sich vom fetalen Boden lösen um nach kürzerem oder längerem Freiliegen in das mütterliche Epithel einzudringen, kann man nicht selten Regionen der mütterlichen Matrizenwände antreffen, in welchen nur vereinzelte materne Epithelzellen noch vorhanden sind. Unter dem immer reichlicheren Eindringen dieser fetalen Cho- rionsprossen geht das mütterliche Epithel im steigenden Umfange zugrunde, Fig. 54. In den Teilen des Placentomes, wo dieses gerade stattfindet, liegt meistens zwischen maternen und fetalen Teilen ausser den überwandernden Chorionsprossen eine helle Detritusmasse, welche nunmehr, da der grösste Teil der früheren secernierenden mütter- lichen Epithelzellen untergegangen ist oder gerade zerfällt, weniger aus ihrem Secret als aus ihren Resten besteht. Dem entspricht auch die gering gewordene Aufnahmefähigkeit für Eosin. Nach Ablösung der mehrkernigen plasmodialen Chorion- sprossen wird das fetale Epithel immer gleichmässiger und wo fetale und miütterliche Teile in den Präparaten nicht zu dicht gelagert oder durch zwischenliegende Massen verklebt sind, welche ihr Oberende nur undeutlich erkennen lassen, tritt der Stäbchensaum desselben immer deutlicher hervor. An osmierten Präparaten lässt sich feststellen, dass der Zerfall des maternen Epithels mit einer Fettwandlung einher- geht. Das dabei entstehende Fett wird von den fetalen Zellen aufgenommen. In den basalen Teilen derselben lassen sich von dieser Zeit an stets grosse Fetttropfen nachweisen. Es ist kaum annehmbar, dass diese Aufnahme direkt ohne vorhergehende Spaltung des Fettes erfolgt, sonst müsste man ja doch auch in dem Oberende der Chorionzellen Fetttropfen nachweisen können, 156 R. KOLSTER, was jedenfalls zu den grössten Seltenheiten zu gehören scheint, Fig. 36. Ein wenig weiter peripherwärts im Placentom ist das mütter- liche Epithel vollständig verschwunden und von den fetalen Chorionsprossen ersetzt. Dabei beginnt das bindegewebige Stroma der maternen Teile zu degenerieren. Die einzelnen Fibrillen desselben quellen auf, tingieren sich stark mit Eosin und bilden schliesslich eine vollständig homogene Masse. Die in demselben enthaltenen Zellkerne verlieren gleich- zeitig ihre Färbbarkeit. Die in denselben früher vorhandenen Blutgefässe lassen sich nicht mehr nachweisen. Dieses ist schon früher erschwert, indem mit Verlust des maternen Epithels ein gleichzeitiger Verlust des Vermögens der in den entsprechenden Kapillaren liegenden Erythrocyten eintritt, sich tingieren zu lassen. Diese Umwandlung derselben erfolgt in besonderer Weise, welche einen Eisennachweis hierselbst mit der in Anwendung gezogenen Methode nicht gestattete. Hämorrhagien, welche in anderen Placentomen häufig vor- kommen, liessen sich bei Rangifer niemals beobachten, Aus dem fetalen Epithel sind die plasmodialen Chorion- sprossen jetzt vollständig geschwunden und tritt eine weitere Bildung solcher nicht mehr ein. Das zurückbleibende, fetale Epithel ist ein gleichmässiges Zylinderepithel, welches sich stellen- weise einem kubischen nähern kann. Der Stäbchensaum des- selben ist meistens sehr deutlich, vielfach sind auch wirkliche Bündel von Cilien wie in Fig. 52 zu beobachten. Nähert man sich im Präparat noch mehr der Peripherie des Placentomes, so findet man, dass die fetalen, plasmodialen Elemente, welche das materne Epithel zur Degeneration gebracht und ersetzt hatten, unter fettigem Zerfall gänzlich schwinden, wobei sie aller Wahrscheinlichkeit nach, von den fetalen Coty- ledonen rückresorbiert werden. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 152 Das materne Stroma ist ineine homogene, glasig erscheinende Masse umgewandelt, welche Eosin mit dunklem Ton annimmt. Demselben liegen die fetalen Cilienzellen dicht an, Fig. 55 und 56. An letzteren lassen sich zwei Formen unterscheiden. Wo noch grössere Klumpen degenerierten Bindegewebes zu resorbieren sind, Fig. 56, ist dasselbe ein hohes zylinderförmiges, wo da- gegen das materne Gewebe schon geschwunden ist, zeigt das fetale Epithel eine weit niedrigere, beinahe kubische Form, Fig. 57. Mit dieser Formänderung gehen auch die früher deutlich hervortretenden Oilienbündel wieder in eine Art Stäbchensaum über. Durchgehend lässt sich das materne untergehende Stroma- gewebe mit Osmium stark schwärzen, Fig. 36. Ganz in der Peripherie des Placentomes findet man ver- einzelte Räume zwischen den fetalen Epithelzellen, welche voll- kommen leer sind, Fig. 57. Da diese aber in solche übergehen, welche noch degenerierende Fetzen maternen Gewebes enthalten, darf man annehmen, dass hier auch früher mütterliches Gewebe vorhanden gewesen, aber vollständig resorbiert worden ist. Um Wiederholungen zu vermeiden, mag hier vorweg be- merkt werden, dass genau die gleichen Vorgänge an den Pla- centomen des folgenden Stadiums zur Beobachtung kommen. Auf die Unterschiede in der Intensität derselben wird daher allein noch zurückgekommen werden. Dass unabgestossenes, maternes Gewebe in so grossen Mengen in einer Semiplacenta der Resorption der fetalen Chorionzellen verfiele, war bisher nur von Strahl (10) an einer anderen Cervidenplacenta beobachtet worden. Nach ihm treten an den Placentomen bei Cervus elaphus ganz gleichartige Vorgänge auf. Auch hier tritt in grossem Umfange eine Einschmelzung des aus der maternen Karunkel hervorgegangenen, sponglösen Gewebes ein unter gleichzeitiger Aufnahme von seiten des 158 R. KOLSTER, fetalen Chorions. Über die Zellen desselben hebt Strahl eben- falls hervor, dass vielfach die fetalen Epithelzellen einen so hohen Stäbchenbesatz zeigen, „dass man fast von einem Flimmer- epithel reden kann“. Ob diese auch schon von vornherein bei Ausbildung der Placentome in Form einer feinen Strichelung der Chorionzellen- oberfläche vorgebildet ist, erwähnt Strahl nicht, ebensowenig wie ihm, der allein die Placentome beachtet, die ganz gleich- artigen Erscheinungen an den ausserhalb der Placentome liegenden Chorionzellen zu Gesicht gekommen sind. In weiterer, erfreulicher Übereinstimmung mit Strahls Angaben für Cervus elaphus steht auch das Fehlen von eigent- lichen Hämorrhagien in den Placentomen von KRangifer. Dieser sonst der Semiplacenta multiplex zukommende Vorgang scheint somit der Cervidenplacenta abzugehen. Meine alten Präparate des Uterus gravidus von Cervus elaphus liessen in einzelnen uterinen Schläuchen frei ergossenes Blut beobachten. Bei Rangifer habe ich vergeblich danach gesucht und da Strahl dieses ebenfalls bei Cervus elaphus nicht gesehen hat, allerdings hat er der eigentlichen Schleim- haut nur wenig Beachtung geschenkt, so ist es ja möglich, dass dieses Blut in den Schläuchen keine normaloa Erscheinung ge- wesen ist. Auffällig ist das Fehlen der Hämorrhagien immerhin. Die einzelnen aus der maternen Schleimhaut der Embryotrophe zu- wandernden Erythrocyten können dieselben kaum ersetzen. Stimmen also für die gröberen Züge der Vorgänge Strahls Beobachtungen bei Cervus elaphus mit den von mir bei Rangi- fer tarandus gefundenen gut überein, so ist dieses in bezug auf die feineren Details keineswegs der Fall. Da nahestebende Tiere in ihren Placenten grosse Unter- schiede beobachten lassen, wäre dieses nicht so auffällig. Aber das von mir bei Rangifer an den Placentomen Beobachtete Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 159 stimmt genau mit dem, was meine wenigen Schnitte aus den Placentomen des mir früher verfügbar gewesenen Uterus von Cervus elaphus zeigen, überein. Derselbe wurde nicht weiter bearbeitet, weil die dort gefundenen grossen Gewebszerstörungen einer schlechten Konservierung zugeschrieben wurden. Ver- gleichsobjekte fehlten mir und dieser Irrtum ist durch Strahls Ergebnisse beseitigt worden. Strahl (10) schreibt, nachdem er eine mit meinen Beob- achtungen an Rangifer vollständig übereinstimmende Beschrei- bung der peripheren Zone gegeben hat: „In der Mittelzone liegen die Verhältnisse wesentlich anders; in dieser sind die mütterlichen Septen nicht necrotisch und auf dem Bindegewebe ist durchweg ein, wenn auch niedriges, so doch deutliches Uterusepithel nachweisbar. Dieses Epithel zeigt in einzelnen seiner Teile die Tendenz sich symplasmatisch zu verändern, indem Gruppen von viel- kernigen Zellen in ihm auftreten, dieselben sind an dieser Stelle wohl als Vorstufen des Zerfalles anzusehen, und hier und da findet man auch in dieser Region schon etwas zerfallendes Gewebe zwischen uterinem und fötalem Epithel. In den tiefsten Schichten des Placentomes werden die mütterlichen Septen kräftiger und namentlich zahlreicher, sie sind von einem sehr wohl erhaltenen Epithel überzogen, welches keine Spur von Rückbildungserscheinungen zeigt und zumeist sehr fest mit dem Zottenepithel verbunden ist. Auch die Zotten verhalten sich in den verschiedenen Zonen sehr ungleich, was in minderem Grade an dem bindegewebigen Grundstock, sehr auffällig aber am Epithel hervortritt. Das Bindegewebe ist in dem basalen, nach der Membrana chorii zu gelegenen Abschnitt der Zotten lockerer als in den Spitzen, sehr viel zellärmer als dort. Das Epithel der Zottenspitzen und das der Mittelzone besteht aus unregelmässig polygonalen Zellen, welche zum Teil in 160 R. KOLSTER, Schichten übereinander gelagert und dem Uterusepithel dicht angeschmiegt sind.“ Die hier angeführten histologischen Details sind recht dürftig, ein Umstand, welcher vielleicht darauf beruhte, dass der sicher beobachtete Untergang des maternen Gewebes, nicht aber die Art dieses Vorganges, im Vordergrund des Interesses stand. Über denselben wird jedoch eine Angabe gemacht, welche sehr überraschend ist. Strahl hat die vielkernigen Massen, welche bei Rangifer sich von den Zotten ablösen und das mütterliche Epithel zerstören, ebenfalls bei Cervus elaphus beobachtet, hält dieselben aber für symplasmatisch veränderte materne Epithelien, welche den Unter- gang des mütterlichen Epithels einleiten. Es ist nun kaum wahrscheinlich, dass bei vollständig gleichen Processen ein so fundamentaler Unterschied zwischen Rangifer tarandus und Cervus elaphus vorherrschen könne. Es ist nun sicher nötig diese Angabe einer erneuten Nachprü- fung zu unterziehen, um so mehr als bei Strahl eine weitere Angabe zu finden ist, welche darauf hinweist, dass doch wohl ein anderer Ursprungsort für dieselben in Frage kommen könnte. Es ist dieses die Angabe, dass das Zottenepithel an den Spitzen der Cotyledonen mehrschichtig wäre. ‚Das könnte allerdingseine zufällige Wachstumswucherung sein. Leichter verständlich scheint, dass diese Mehrschichtigkeit nur durch das Vorhandensein plasmodialer Chorionsprossen vor- getäuscht wäre, welche sich einem Erkennen dadurch entzogen haben, dass maternes und fetales Epithel fest verbunden lagen. Solche Stellen kommen auch in den Placentomen von Rangifer vor, eignen sich aber weniger zur Erforschung feinerer Details Dass plasmodialen, fetalen Elementen ein zerstörendes Ver- mögen maternem Gewebe gegenüber zukommt, ist eine aus den verschiedensten Placenten genügend bekannte Tatsache. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 161 Eigenartig war die Umänderung, welche die gross- oder mehrkernigen Chorionelemente in der eigentlichen Eihaut gegen früher zeigten. Dass diese gleicher Natur wie früher waren, liess sich daraus ersehen, dass Übergangsformen wie erwähnt zur Beobachtung kamen. Es ist nun eigentlich selbstverständlich, dass dieselben den gleich gebauten, sich in den centraleren Teilen des Placentomes vom Chorion ablösenden Elementen entsprechen, welche allerdings fortsetzungsweise ein dunkles Protoplasma besitzen, und ausgesprochen destruktiv auf das miütterliche Epithel einwirken. Man geht wohl kaum fehl, wenn man annimmt, dass die mit hellem Protoplasma versehenen einfach unnötig gewordene, degenerierende Formen darstellen, nachdem in den Placentomen für eine genügende Nahrungszufuhr aus dem untergehenden maternen Gewebe gesorgt wird. Stadium IV. Periode der ausgebildeten Placenta. Für dieses Stadium war nur ein Uterus verfügbar, welcher einer speciell für die Gewinnung desselben geschlachteten Renn- tierkuh entnommen war. Wegen der Grösse des Fruchtsackes musste der Embryo herausgenommen werden. Um dennoch möglichst an einem Teil wenigstens die natürlichen Spannungs- verhältnisse zu bewahren, hatte der Konservator hier Holzstäbe eingeführt, darauf Formalinlösung in den offenen Fruchtsack gegossen und das Ganze in Formalinlösung gelegt. Infolge dieser Behandlung lässt sich annehmen, dass wenig- stens annähernd die natürlichen Verhältnisse in dem ausge- spannten Teil erhalten sind. Bei der macroscopischen Besichtigung des Präparates fiel sofort die eigentümliche Veränderung des Nabelstranges auf. Anatomische Hefte, I. Abteilung. 114. Heft (38. Bd., H 1). 11 162 R. KOLSTER, Wie Fig. 27 aus dem vorigen Stadium zeigt, hatte derselbe damals noch einen annähernd rektangulären Querschnitt und waren die beiden Gefässpaare so angeordnet, dass ihre Quer- schnitte die Eckpunkte eines Quadrates bildeten. Hier aber lag ein plattes, bandartiges Gebilde vor, von welchem Fig. 44 ebenfalls einen Querschnitt in natürlicher Grösse wiedergibt. In demselben liegen die Querschnitte der beiden Gefässpaare nunmehr in einer Linie und zwar so, dass die beiden Arterien die Mitte einnehmen. Die im vorigen Stadium erwähnten, weissgelben Verdickungen am Amnion haben anscheinend an Grösse und Menge zuge- nommen, sind aber sonst genau so wie früher gebaut. Dem ausgespannt gewesenen Teil ist das Stück entnommen, welches den in natürlicher Grösse genommenen Photogrammen 46, 47 und 48 als Vorlage diente. Fig. 46 zeigt die innere Seite der Eihaut. An derselben lassen sich eine Reihe geschlängelter Wülste erkennen, welche von seichten Furchen abgegrenzt sind. Die gegen die uterine Schleimhaut gewandte Seite der Eihaut zeigt Fig. 47. Auf derselben macht sich ein regel- mässiges System von wulstartigen Erhöhungen bemerkbar, welche den auf der uterinen Schleimhaut vorhandenen Vertie- fungen entsprechen wie ein Vergleich mit Fig: 48 ergibt. Dass hier wirkliche Verdickungen und nicht nur Falten vorliegen, geht aus der weit glatteren, inneren Oberfläche der Eihaut hervor. Trotzdem die Form dieser unregelmässigen Eihautprominen- zen wenig dem Begriff Zotten entsprechen, muss man sie doch wohl diesen Gebilden anderer Placenten gleichstellen, da sie ebenfalls wirkliche Neubildungen darstellen. Als entsprechende Neubildungen sind die Schleimhautwülste ebenfalls anzusehen, welche die Eihautsprossen matrizenartig Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 163 umfassen und der uterinen Schleimhaut ein von den früheren Stadien gänzlich abweichendes Aussehen geben. Die Anzahl der Placentome ist in dem einen Horn 3, im anderen 4. Von den letzteren sind 3 ungefähr gleich gross und entsprechen den 3 des anderen Hornes. Das vierte ist dagegen weit kleiner als die Placentome aus Uterus IV. Dasselbe liegt einem grossen dicht an und ist wohl aus einem abgesprengten Teil der eigentlichen Karunkel entstanden und keineswegs den von mir bei der Kuh beobachteten accessorischen Placentomen gleichzustellen. Dieses lässt sich aus einer bei Besprechung des Stadiums II mitgeteilten Beobachtung schliessen. An Schnitten aus einer Karunkel und deren nächsten Umgebung wurde bier in nächster Nähe der eigentlichen Karunkel eine kleine, oberflächlich liegende Anhäufung ähnlichen Gewebes angetroffen. Diese war durch zwischenliegende Schleimhaut vollständig von der eigentlichen Karunkel getrennt, nur war auffallend, dass zwischen den beiden kein Schlauchausführgang nachzuweisen war. Es ist somit wahrscheinlich, dass hier nur ein abgesprengter Teil der Haupt- karunkel vorlag, aus welchem sich aber im weiteren Verlaufe wohl ein kleines isoliert liegendes Placentom hätte entwickeln können, wie es in dem vorliegenden Uterus der Fall war. Die 6 Hauptplacentome haben ungefähr die gleiche Grösse, 9 cm X 45 cm. Eine Scheibe aus der Mitte eines derselben ist in natürlicher Grösse in Fig. 49 rechts wiedergegeben worden, verkleinert bildet Fig. 45 ein unzerschnittenes Placentom ab. Die Form desselben ist die eines einerseits abgeplatteten Ellip- soides. Durch einen in der Längsrichtung verlaufenden dünnen Stiel steht der centrale Teil des Placentomes in Verbindung mit der uterinen Schleimhaut. Grosse, fetale Gefässe lassen sich auf der Oberfläche wahrnehmen. Schon macroscopisch lassen sich am Querschnitt des Pla- centomes 3 verschiedene Zonen erkennen. Ir 164 R. KOLSTER, Zu äusserst liegt ein schmaler, heller Ring. Darauf folgt eine breite dunklere Zone, welche durch eine excentrisch ver- laufende Bogenlinie in einen äusseren und einen inneren Teil zerlegt wird. Das Centrum bildet eine Anschwellung des Stieles, welche grosse Blutgefässe enthält. Die verschiedene Bedeutung dieser Abschnitte wird weiter unten ihre Erörterung finden. Bei der mieroscopischen Untersuchung der uterinen Schleim- haut lässt sich nachweisen, dass die frühere glatte, nur durch cirkuläre Rillen unterbrochene Schleimhautoberfläche gänzlich umgewandelt ist. Wie Fig. 37 aus Uterus V zeigte hatte gegen Ende des vorigen Stadiums an derselben schon ein Ausbilden sich teilender Schleimhautwülste eingesetzt, obgleich dieselben damals noch ganz vereinzelte Beobachtungen an den Schnitten bildeten. Hier ist das Verhalten der Schleimhaut ein ganz anderes. Die macroscopisch sichtbaren Wülste derselben haben schon Erwähnung gefunden. Aber auch die Schleimhautoberfläche zwischen diesen ist nicht mehr glatt, sondern wie die Fig. 41 und 42 zeigen, durch unregelmässige Querschnitte darbietende Schleimhautfalten eingenommen. Die beiden erwähnten Figuren sind der ausgespannt gewesenen Abteilung des Fruchtsackes entnommen und daher nicht als Folgen einer Schrumpfung der Musecularis zu betrachten. Das uterine Epithel ist auf der ganzen Oberfläche erhalten und macht den Eindruck als ob die Höhe der Epithelzellen gegen früher etwas zugenommen hätte. Kleine Risse in dem- selben, wie Fig. 53 einen solchen zeigt, sind wohl auf die vor- hergehenden, technischen Manipulationen zurückzuführen. Es zeigt grosse Übereinstimmung mit demjenigen des früheren Stadiums und ist aus schmalen, zylinderförmigen Zellen zu- sammengesetzt, zwischen deren Oberenden ein Schlussleistennetz nachweisbar ist. Die Secretionserscheinungen an demselben Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 165 sind stark hervortretend, und bringt die Anhäufung der Secret- stoffe in der Zelle eine sehr wenig regelmässige Lage der Kerne hervor. Die Abgabe des Secretes ist sehr reichlich, eigentlich über- all in den Schnitten findet man die Oberfläche der Zellen von einem tiefrot tingierten Secretstreifen bedeckt. An Dicke kann derselbe allerdings stark wechseln. In den Photogrammen tritt derselbe als schwarzer Streifen auf. Häufiger noch als früher liegen zwischen den Zylinderzellen des Epithels zweikernige, bläschenförmige Zellen mit auffallend hellem Protoplasma. Dieselben können nicht nur zwischen den oberflächlicheren Teilen des Epithels nachgewiesen werden, sondern sind oft auch zwischen den basalen Teilen seiner Zellen anzutreffen, Fig. 50, 5l und 53, Sie unterliegen augen- scheinlich einem Zerfall, da die Kerne allmählich schwächer | tingierbar, das Protoplasma dagegen immer mehr acidophil wird, so dass ganz wie im vorigen Stadium schliesslich mit acidophiler Masse gefüllte, runde, kernlose Klumpen entstehen. Wo eine Nachfärbung mit Eosin unterlassen ist, treten sie als durchsichtige Vacuolen auf, Fig. 56. Als solche bestehen sie indessen nicht lange, sondern schwinden bald. Spurenweise gelingt es noch Fett im Epithel durch Osmie- rung nachzuweisen. Die Menge ist aber gegen früher bedeutend geringer geworden. Gar nicht so selten sind dagegen das Epithel verlassende Leucocyten, wenn schon dieses nicht den von Uterus V bekannten Umfang erreicht. Ebenso treten einzelne Erythro- cyten auch durch dasselbe aus. Die in den früheren Stadien unter dem Epithel vorhandene subepitheliale Zellschicht tritt nur noch wenig mehr hervor. Dagegen liegen Massen von Capillaren dicht unter dem Epithel und besonders die Spitzen der Schleimhautwülste er- scheinen reichlich damit versorgt, Fig. 52. Die früher so er- 166 R. KOLSTER, weiterten Lymphgefässe und Gewebsspalten sind aber nicht mehr zu erkennen. In dem dadurch jetzt ziemlich dichten Stroma der Schleim- haut finden sich noch recht grosse Mengen der pigmentführenden Zellen vor, welche einen Eisen- und Fettgehalt nachweisen lassen. Diese wandern ganz wie in früheren Stadien in die uterinen Schläuche über. Die uterinen Schläuche sind in ihrem ganzen Verlauf stark erweitert. Als Folge der bedeutenden Dehnung der uterinen Wand ist es zu betrachten, dass dieselben jetzt in einem grossen Teil ihres Verlaufes der Oberfläche der Schleimhaut parallel liegen und weit weniger Schlängelungen als vorher zeigen. Dieses geht weniger aus einzelnen Schnitten als aus Rekonstruk- tionen hervor. In denselben finden sich die schon aus früheren Stadien bekannten Massen vor. Im ganzen Verlauf enthalten diese eingewanderte Leucocyten, erscheinen gleichartig und lassen sich mit Eosin tingieren. Fett enthalten diese Massen nur sehr wenig und wo dasselbe sich nachweisen lässt, ist es auf die Ausführgänge beschränkt, in dem entsprechenden Teil enthalten auch die Schlauchepithelien Spuren dieses Stoffes. Dass ein wichtiger Anteil an den zwischen uteriner Ober- fläche und Ei liegenden Massen vom Secret des Oberflächen- epithels der Uterusschleimhaut gebildet wird, wurde schon oben erwähnt. Ebenso dass hier materne ausgewanderte Leucocyten enthalten sind. Ausserdem enthalten dieselben aber auch Derivate der in die Schläuche eingewanderten pigmentführenden Zellen, da eine Blaufärbung derselben durch Ferrieyankalium und Salzsäure bewirkt werden kann. Gewöhnlich tritt dieselbe aber nur in der Nähe der Schlauchausführgänge auf. "Bläschenförmige, meistens zweikernige Zellen bilden ausser- dem häufig in dieser Masse zu beobachtende Bestandteile. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 167 Diese zeigen vollständige Übereinstimmung mit den aus dem Epithel beschriebenen und dort untergehenden Elementen. Diese Masse ist in den Präparaten nicht gleichmässig ver- teilt, sondern kommt stets in grösserer Menge an den Kämmen der uterinen Schleimhautwülste vor. Die Eihaut trägt ein hohes, zylinderförmiges Epithel. An demselben ist das Schlussleistennetz sehr deutlich. Es ist an gut gefallenen Schnitten ein leichtes sich von dem Vorhanden- sein recht langer Cilien zu überzeugen, Fig. 52. Zwischen den eigentlichen Cilienzellen, an welchen recht häufig Mitosen gefunden werden, liegen meistens in Gruppen gehäuft mehr oder weniger ausgesprochen bläschenförmige Ele- mente, Fig. 50, 51 und 52. Diese enthalten, wie es die bei- gefügten Photogramme deutlich zeigen, beinahe stets 2 Kerne, welche gewöhnlich senkrecht zur Oberfläche stehen. Dadurch dass sich das in ihnen enthaltene Protoplasma gegen die ver- wandten Färbungen sehr abwehrend verhält, das pycnotische Chromatinnetz der Kerne dagegen Farben tief aufnimmt, treten diese Elemente weit auffallender als früher hervor. In den früheren Stadien liess sich meistens eine Neubildung dieser Elemente nachweisen, obgleich diese schon in Stadium III viel geringer als vorher war. Hier ist davon nichts mehr zu bemerken, im Gegenteil erhält man den Eindruck, dass dieselben im Verschwinden aus dem Öhorion begriffen sind und dege- nerieren. Dafür spricht besonders, dass die Kerne um so kleiner werden, je mehr diese Zellen sich der Chorionoberfläche nähern. Von dieser lösen sie sich stets noch ab und treten in das uterine Epithel ein, Fig. 50 und 5l, wo sie darauf in schon besprochener Weise untergehen. Durch diese Ablösung und Überwanderung sind sie aus grösseren Regionen des Chorions schon vollständig geschwun- den, so dass hier nur ein einschichtiges Cilienepithel zu beob- achten ist. 168 R. KOLSTER, Von Fett sind nur noch Spuren in den Chorionepithelien nachweisbar. Dagegen kann es noch gelingen, wenn gerade ein Aus- führgang der uterinen Schläuche in den Schnitt gefallen ist, in der gegenüberliegenden Eihaut eine Eisenreaktion zu erhalten. Die Ergebnisse der Untersuchung der Placentome stimmen, wie schon im Anschluss an die Beschreibung der Beobachtungen aus Stadium IlI hervorgehoben wurde, gänzlich mit letzteren überein. Das Centrum derselben besteht aus mütterlichem Gewebe mit grossen Gefässen, deren unmittelbare, kapillarenähnliche Verzweigungen in die maternen Septen eintreten. Darauf folgt die Schicht der blinden Enden der mütterlichen Hohlräume, in welche die äussersten Spitzen der baumförmig verästelten, fetalen Cotyledonen hineinragen. Hier findet sich das materne Epithel beinahe vollständig erhalten. Es kommen weite Strecken zur Beobachtung, wo in demselben keine einzige, dunkle und mehrkernige Protoplasmamasse vorhanden ist, wäh- rend solche an den Spitzen der Cotyledonen in deren Epithel häufig sind und auch frei zwischen maternem und fetalem Epithel liegen. An anderen Stellen sieht man diese plasmodialen Massen sich dem mütterlichen Epithel anlegen und weiterhin auch in dasselbe eindringen. Je weiter peripherwärts das Placentom untersucht wird, um so mehr ersetzen diese fetalen Plasmodien das mütterliche Epi- thel, um schliesslich allein das materne Stroma zu bedecken. Dieselben verschwinden darauf selber durch fettigen Zerfall und das nunmehr mit deutlichem Stäbchensaum oder auch Cilien ausgestattete, fetale Epithel schreitet zu einer Resorption der hierbei gebildeten fettigen Zerfallsprodukte, um darauf auch das ebenfalls fettig degenerierende Stromagewebe der maternen Septen anzugreifen. AInatom. Hefte I. Abt. 114. Heft. (38. bd. H. 1.) 4: Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. J. B. Obernetter, München, reprod. Anatom. Hefte I. Abt. 114. Heft. (38. Bd. H. 1.) \, En Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden, J. B. Obernetter, München, reprod. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 169 Ganz peripher liegt schliesslich eine recht breite Schicht, aus welcher alles materne Gewebe schon resorbiert worden ist. Bei Beschreibung der macroscopisch zu machenden Beo- bachtungen an Querschnitten der Placentome wurde darauf hingewiesen, dass hier drei Zonen zu unterscheiden wären, von welchen die mittlere durch eine excentrisch verlaufende Bogen- linie in zwei geteilt wurde. Dass das Centrum aus einer Fortsetzung des Stieles mit darin enthaltenen grossen maternen Blutgefässen bestände, wurde dort schon erwähnt. Die microscopische Untersuchung ergibt aber, dass die helle mehr peripher liegende Zone allein aus fetalem Gewebe besteht, aus dessen epithelbekleideten Spalten schon das materne Gewebe vollständig resorbiert worden ist. Der mittleren, dunkleren Zone entspricht dagegen der Teil des Placentomes, in welchem das materne Gewebe zerfällt und zur Resorption kommt. Die hier excentrisch verlaufende Bogen- linie grenzt aber die peripheren Teile ab, aus welchen die fetalen Plasmodien schon geschwunden sind und allein zer- fallendes, maternes Stroma noch zur Aufnahme kommt. Der Verlauf dieser Linie zeigt also deutlich darauf hin, dass die Resorption des maternen Gewebes des Placentomes nicht gleichmässig vor sich geht und dass an einzelnen Teilen dieselbe früher als an anderen das Centrum desselben erreichen wird. Leider stand kein Fruchtsack aus späterer Zeit zur Ver- fügung und müssen daher eine Reihe Punkte, wie das Schicksal des noch compakten, maternen Placentomcentrums, des Stieles usw. unentschieden gelassen werden. Die erreichte Form der Placenta wird aber wohl als die definitive betrachtet werden dürfen, wenn schon nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine weitere Complieierung der maternen Schleimhautwülste und dem ent- sprechend der fetalen Cotyledonen eintreten kann. 170 R. KOLSTER, Nach Strahls Terminologie hätten wir also eine Semi- placenta multiplex composita bei Rangifer tarandus. Die Embryotrophe. In Bezug auf die Vorgänge, welche in Zusammenhang mit der intrauterinen Ernährung des Embryos zu setzen sind, ist es zweckmässig, die Prozesse in den Placentomen von den in den zwischenliegenden Teilen gesondert zu besprechen. Letztere zeichnen sich, soweit mein Material die Frage ver- folgen lässt, durch eine grosse Gleichartigkeit die ganze Tragzeit hindurch aus. Das vorliegende Material ist in Bezug auf eine Klärung dieser Frage dadurch unvollständig, dass keine virginelle Stadien vor und nach der ersten Brunst vorliegen. Wie ich in früheren Arbeiten gezeigt habe (5,6), stehen aber die Vorgänge während letzterer oft in direktem Zusammenhange mit der späteren embryonalen Ernährung. Zwischen Eihaut und Schleimhautoberfläche liegt in allen verfügbaren Stadien eine spärliche, fein geronnene Masse, welche sich hin und wieder aber etwas mehr anhäufen, so dass ein regionäres Abheben des Chorions von der uterinen Oberfläche stattfinden kann. Die Flüssigkeit, welche zu dem Entstehen dieser geronnenen Massen geführt hat, muss auf zwei verschiedene Quellen zurück- geführt werden. Der wichtigste Beitrag zu derselben wird von den uterinen Schläuchen geliefert. Dieselben vergrössern sich zu Anfang der Tragzeit durch Wucherungen ihrer blinden Enden bedeutend. Zu diesem Längenwachstum tritt allmählich ausserdem noch ein Weiterwerden des Lumens. Beide Prozesse führen zu einer bedeutenden Vermehrung der secernierenden Elemente. Die Schnitte aus den verschiedenen Entwickelungsstadien zeigen Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. at alle, dass die secretorische Tätigkeit derselben ununterbrochen im Gange ist. In dieser Beziehung lässt der stets durch Secretmassen voll- ständig ausgefüllte Ausführungsgang, wie das regelmässige An- treffen von Seeretmengen in den tieferen Teilen der Schläuche keinem Zweifel Raum. Ein wenig anders stellt sich die Frage, ob das Secret, so wie es von den Zellen geliefert wird, sofort für die Chorionzellen aufnahmefertig ist. Ein Vergleich der Massen, welche in den tieferen Teilen der Schläuche liegen, mit denjenigen, welche die ausführenden Teile erfüllen, lassen bedeutende histologische Unterschiede wahrnehmen. Hier mag zuvörderst darauf hingewiesen werden, dass im Fundus und den tieferen Teilen eine ausgesprochen körnige Beschaffenheit des Secretes an den Präparaten auffällt. Dieselbe stimmt genau mit dem Bau der Secrettöpfehen überein, welche oft noch den einzelnen secernierenden Schlauchzellen aufsitzen. In den Ausführgängen und noch mehr zwischen uteriner - Schleimhaut und Chorionoberfläche fehlt diese feine Körnelung vollkommen. Hier ist die Masse homogen, oft ist man geneigt, die Bezeichnung „glasig“ für dieselbe zu gebrauchen. Der eben geschilderten Veränderung läuft aber eine andere tinctoriell nachzuweisende parallel. In den tieferen Teilen der Schläuche verhält sich das Secret gegen die Einwirkung saurer Farbstoffe vollkommen ab- wehend. Es ist nie gelungen, hier z. B. eine Eosinfärbung zu erzielen. Ganz anders ist dagegen das Verhalten der Massen, welche die nahe der Oberfläche der Schleimhaut liegenden Ausführgänge der uterinen Schläuche ausfüllen. Eine noch so schwache Eosin- wirkung lässt sich hier stets sofort wahrnehmen, indem der Inhalt der Schläuche sofort eine schmutzig rote Farbe annimmt. 172 R. KOLSTER, Nach dem alten Grundsatz, dass bei gleicher Färbung ver- schieden aussehende Teile verschieden sein müssen, gleich- gefärbte dagegen nicht gleich zu sein brauchen, ist man wohl zu der Annahme gezwungen, dass das Secret der uterinen Schläuche, ehe es die Oberfläche der Schleimhaut erreicht und in das Bereich der phagocytären und resorbierenden Wirksamkeit der Chorionzellen gelangt, Veränderungen durchmacht, welche es zu einem günstigeren Nährmittel gestalten. Die schmutzig rote Farbe, welche für den Inhalt der aus- führenden Teile der uterinen Schläuche kennzeichnend ist, findet sich an der zwischen uteriner Schleimhaut und Chorionepithel liegenden Masse so ziemlich überall, wo nicht die etwas grösseren Ansammlungen wie erwähnt, das Letztere etwas mehr ab- gehoben haben. Hier tritt eine auffallend klare Rotfärbung derselben auf, welche sich aber — auf Eosinfärbung wird allein Rücksicht genommen — von derjenigen der Erytrocyten ihrem Ton nach bedeutend unterscheidet. Eine Art konzentrischer Schichtung lässt sich weiter an diesen Stellen wahrnehmen, insofern als der centrale Teil dieser grösseren geronnenen Anhäufungen stets heller rot, der peri- phere Teil dagegen noch mit Anklängen an die schmutzig rote Farbe in Erscheinung tritt. Wie diese eigenartige Veränderung des Secretes der uterinen Schläuche vielleicht zu erklären sein könnte, wird weiter unten bei Besprechung eines anderen Teiles des Inhaltes derselben erwähnt werden. Die zwischen Chorion und uteriner Schleimhaut liegende Masse ist aber nicht allein als Produkt der uterinen Schläuche aufzufassen, wenn auch demselben der Löwenanteil an derselben zugeschrieben werden muss. Im vorhergehenden ist darauf hingewiesen worden, dass schon von den frühesten verfügbaren Stadien an eine eigen- Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 173 artige Beobachtung an dem uterinen Epithel gemacht werden kann. Dasselbe wird bei Rangifer die ganze Tragzeit hindurch erhalten, macht aber im Laufe derselben eine Reihe Umwand- lungen durch, wenigstens an den Teilen, welche zuvörderst der starken Spannung ausgesetzt werden, die mit der Grössenzunahme des eingetretenen Eies in direkte Verbindung zu setzen ist. Während aber das Epithel an den Teilen, welche als un- veränderte angesprochen werden müssen und in welchen wir uns berechtigt halten das Epithel zu sehen, welches den durch Conception nicht veränderten Uterus kennzeichnet und Unter- schiede zwischen den einzelnen Epithelzellen nicht bemerken lässt, tritt ein solcher dort sofort hervor, wo eine Anlagerung der Eihaut stattgefunden hat. Die Zellen verlieren nicht nur ihre Cilien, sondern gehen nach und nach alle in secretorische Elemente über. Das Secret derselben ist acidophil und nimmt bei Eosinfärbung eine tief- rote Farbe an. In den Zellen selber macht es sich als An- häufung kleiner Granula zuerst bemerkbar, welche an Menge zunehmen und sich schliesslich entleeren. Auf dieses Secret ist ein dunkler roter Streifen, der die uterine Oberfläche an Eosin- hämatoxylinpräparaten häufig abgrenzt, zurückzuführen (Fig. 43, 50 und 51). - In dem letzten Stadium, welches mir vorlag, war der grössere Teil der Epithelzellen in diese secernierenden Zellen umgewandelt. Daraus lässt sich ohne weiteres ersehen, dass die von denselben gelieferte Secretmenge sehr bedeutend sein muss. Da nun die Flüssigkeit, welche zwischen Chorion und uterinem Epithel liegt, nach der Menge geronnener Substanz zu urteilen, welche die Präparate hier zeigen, nicht allzureichlich ist, so genügen wohl die Produkte der Schläuche und des Epithels zur Lieferung derselben. Es scheint, als ob hier die erweiterten Lymphgefässe nicht in direkter Beziehung zur Bildung der Embryothrophe ständen, 174 R. KOLSTER, Su insofern als eine Transsudation aus denselben bei der relativ geringen Menge, welche zwischen Eihaut und Uterusschleimhaut liegt, kaum wahrscheinlich ist. Neben dem Secret des Epithels und der Schläuche finden sich aber hier noch zahlreiche Zellelemente vor. Bei den früher von mir untersuchten Indeciduaten trat eine reichliche Beimischung von Gewebstrümmern zu der Embryo- throphe von seiten der Schläuche auf. Bei der Wucherung derselben, welche in die erste Hälfte der Gravidität fällt, werden die nicht mehr Platz findenden neugebildeten Teile teils an den Schlauchenden eingestülpt, teils von den Wänden abgeschnürt. Dieselben verfallen einer Reihe Degenerationsprozesse und ge- langen schliesslich in das Bereich der Chorionzellen, von welchen sie resorbiert werden. Beim Renn tritt dieser Vorgang ganz zurück. In einigen Schnitten aus Uterus I wurden einzelne eingestülpte Schlauch- enden angetroffen, aber sonst fehlten sie vollkommen. Eine grössere Bedeutung kommt ihnen also sicher nicht zu. Wie später bei der Besprechung der Vorgänge an den Placentomen hervorgehoben wird, findet auch das Ei in anderer Weise sein Bedürfnis an Nährstoffen, welche dem festen mütterlichen Gewebe zu entnehmen sind, gedeckt. Die Zellen, welche man als beinahe regelmässige Beimischung zu dem in den uterinen Schläuchen enthaltenen Secret antrifft, sind wohl ausschliesslich Leucocyten. Es ist eine sehr gewöhn- liche Beobachtung, dass gerade in der Umgebung der Schläuche Anhäufungen von solchen gefunden werden und auf dem Wege durch das Schlauchepithel sind sie ebenfalls oft fixiert worden. Sehr schnell zerfällt ihr Protoplasma, während die restierenden, freien Kerne sich lange erhalten. Oben wurde schon darauf hingewiesen, dass sich am Schlauch- secret auf dem Wege zur Oberfläche Veränderungen wahrnehmen Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 179 “ lassen, indem es seine körnige Beschaffenheit verliert, homogener wird und für Eosinfärbungen empfänglicher. Es ist nun auffallend, dass diese Veränderung mit dem Auftreten von eingewanderten Leucocyten in Verbindung zu stehen scheint. Wo diese in den tieferen Teilen fehlen, kann man stets das noch seine ursprüngliche Beschaffenheit wahrende Secret finden, und ist einmal zufällig ein Schlauchinhalt bis zum eigentlichen Ausführgang ohne eingewanderte Leucocyten, was allerdings als grosse Seltenheit bezeichnet werden muss, so ist auch sicher das Secret in den entsprechenden Teilen noch körnig und hat sich mit Eosin nicht färben lassen. Undenkbar ist nun ein solcher Zusammenhang allerdings nicht. Dass die Leucocyten oftmals Stoffe führen, welche das umgebende feste Gewebe verflüssigen, ist eine Erscheinung, welche uns die pathologische Anatomie in vielen Fällen vor Augen führt. Allerdings spielen bei zahlreichen, pathologischen Gewebsverflüssigungen nicht immer die Leucocyten allein die führende Rolle, sondern werden die Verhältnisse durch Bakterien oder vielleicht richtiger noch durch ihre Toxine getrüht. Dass aber auch Leucocyten allein diese gewebslösende Eigenschaft zukommt, geht aus einer Reihe Experimente mit voller Sicherheit hervor, welche seiner Zeit von mir im Finsen- institut zu Kopenhagen ausgeführt worden sind (7). Können nun aber Leucocyten sogar lebendes Gewebe in grosser Ausdehnung verflüssigen, so ist es eigentlich leicht ver- ständlich, dass sie aus einem körnigen Secret ein homogenes und vielleicht leichtflüssigeres bereiten. Die Tätigkeit der Schlauchepithelien und derjenigen der Schleimhautoberfläche in Bezug auf Lieferung von Stoffen zur Embryotrophe ist mit diesem besprochenen Secret aber keines- wegs erschöpft. In Schlauchinhalt und in der Masse zwischen Eihaut und mütterlichem Epithel lassen sich recht grosse Fettmengen durch 176 R. KOLSTER, Ösmierung oder Scharlachrotfärbung nachweisen. Dieselbe Be- handlung zeigt aber weiter, dass das Öberflächenepithel und ebenso dasjenige der äusseren Teile der Schläuche nicht geringe Mengen Fett enthalten kann. In allen untersuchten Uteris waren die Befunde in dieser Beziehung gleichartig. So gut wie stets, enthielten die Epithelien der Ausführungs- teile der uterinen Schläuche reichliche Fettmengen. Im Ober- flächenepithel dagegen waren die Verhältnisse sehr ungleich- mässig. Neben Strecken, welche einen starken Fettgehalt zeigten, kamen recht ausgedehnte Teile vor, wo auch eine jede Andeutung von Fett fehlte. Mit früheren Beobachtungen von Bonnet (3,4), und mir (5,6), stand in Übereinstimmung, dass sich eine Fettreaktion sonst in der uterinen Schleimhaut nicht nachweisen liess. Es ist daher wohl nur die schon früher für diesen Umstand gegebene Erklärung möglich, dass die Oberflächen und Schlauch- epithelien das Vermögen besitzen aus den Körperflüssigkeiten Fett zu entnehmen und abzuscheiden. Über die Form, in welcher dieses geschieht, haben frühere Arbeiten keine Anhaltspunkte geben können und hat sich Bonnet (4) nach Untersuchungen an der Hundeplacenta dahin ausgesprochen, dass Fett in nicht verseifter Form wahrscheinlich abgegeben werde. Meine früheren Untersuchungen liessen mich über diesen Punkt ebenfalls dieselbe Ansicht umfassen. Beim Renn findet sich aber ein Umstand, der für eine andere Deutung spricht. In allen fettführenden Epithelzellen lässt sich das Fett mit den genannten Reaktionen nur in den mehr basalen Teilen der Zellen nachweisen. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, ist der oberflächliche Teil der Zellen fettfrei. Da aber Fett in nicht geringen Mengen in der Embryothrophe vorkommt und ebenso in den Chorionepithelzellen, welche letztere, wie ich schon früher hervorgehoben, nur als Fettaufnahme, nicht als fettige Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. BEER, Degeneration betrachtet werden darf, muss das Fett in einer die verwandten Reaktionen nicht gebenden Form, das äussere Ende der Zellen passieren. Mit der Annahme einer Ausscheidung in Form von ungespaltenem Fett lässt sich der Ausfall der Fettreaktionen also nicht vereinigen und bleibt daher nur die Annahme übrig, dass die in Betracht kommenden Epithelien das Fett vor. der Abgabe verseifen müssen. Bestätigen spätere Untersuchungen diese Ansicht, so müssen wir wohl annehmen, dass dieser Vorgang beim Renn nicht isoliert besteht, sondern allgemein vorkommt. Dass derselbe bei den früher untersuchten Tieren nicht sich hat nachweisen lassen, fände seine Erklärung darin, dass die Verseifung dort in den Epithelzellen nicht so ausgesprochen an das oberflächliche Ende der Zellen gebunden wäre. Wie bei allen früher untersuchten Indeciduaten, finden sich auch beim Renn in der uterinen Schleimhaut zahlreiche grosse, braun bis beinahe schwarzpigmentierte Schollen. In den grös- seren derselben gelingt es nicht mehr, wie eine amorphe Structur zur Darstellung zu bringen, in den kleineren kann man dagegen ohne jede Schwierigkeit einen Kern färben. Letztere stellen sich somit als Wanderzellen dar, welche das Pigment auf- genommen haben. Durch geeignete Reaktionen lässt sich in diesen Pigment und sowohl Fett wie Eisen nachweisen. Die Intensität der Blau- färbung, welche mit Ferrieyankalium und Salzsäure erzielt wird, übertrifft bedeutend diejenige, welche ich bei anderen Tieren früher unter ähnlichen Verhältnissen habe erzielen können. Eine Blaufärbung des Inhaltes der uterinen Schläuche, ebenso wie eine an der zwischen Ei- und Schleimhaut liegenden Masse findet bei Benutzung der erwähnten Reaktion ebenfalls statt. Dass diese auf ein Überwandern der pigmentierten Zellen in die Räume der Schläuche zurückgeführt werden muss, worauf Anatomische Hefte. I. Abteilung. 114. Heft (88. Bd. H. 1). 12 178 R. KOLSTER, ein Auflösen der Zellen eintritt, lässt sich aus der verschiedenen, angetroffenen Lage der blaugefärbten Leucocyten sofort schliessen. Man findet diese Zellen sehr häufig in der nächsten Nähe der Schläuche, zwischen ihren Epithelzellen und in verschiedenen Stadien des Zerfalles innerhalb derselben. Auf die Oberfläche scheinen sie nur selten zu wandern. Durch das OÖberflächen- epithel eintretende lassen sich überhaupt nicht beobachten. Dass dieses Pigment vom Hämoglobin zerfallender Ery- throcyten herrübrt, steht wohl ohne weiteres fest. Dafür spricht allein der nachgewiesene Eisenhalt desselben. Die ganze Zeit hindurch, welche von den verfügbaren Uteri repräsentiert wird, findet durch das Austreten dieser pigmen- tierten Leucocyten eine Zufuhr von Eisen zur Embryotrophe beim Renn statt, ohne dass eigentlich eine Abnahme dieses Vor- ganges nachzuweisen wäre. In den späteren Stadien beschränkt sich aber die Eisen- versorgung des Eies nicht auf diesen Weg allein. Die Ausbildung eines dichten, oberflächlichen Kapillarnetzes, welches dem Oberflächenepithel anliegt, sich manchmal sogar zwischen den basalen Teilen der Epithelzellen einzwängt, tritt vom Januar, Uterus IV, an immer stärker hervor. Gerade diese oberflächlichen Schlingen strotzen stets von Erythrocyten, welche in nicht geringer Zahl aus denselben auswandern. Als Folge dieses Vorganges treten Erythrocyten von nun an durch das Epi- thel aus und mischen sich der Embryotrophe bei. In dieser lassen sich noch häufig Bröckel derselben nach- weisen. | Bei dieser reichlichen Beimischung von Zerfallsprodukten mütterlicher Erythrocyten zur Embryotrophe ist es erklärlich, dass an Boraxcarminpıäparaten, welche nachträglich mit Ferri- cyankalium und Salzsäure behandelt wurden, die fetalen Chorion- zellen in einen blauen Brei eintauchen. Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 179 Zwischen Eihaut und uteriner Schleimhaut liegt aber noch eine Masse anderer Zellgebilde. Ihre Anzahl kann an ver- schiedenen Schnitten innerhalb weiter Grenzen wechseln. Ein Teil dieser Zellen besteht aus fettführenden, mütterlichen Leuco- cyten. Ein anderer ist fetaler Herkunft. Diese zerfallen, in Berührung mit dem mütterlichen Epithel gelangt, scheinbar sehr bald und gehen in die Embryotrophe auf. Schon oben ist ihre Abkunft vom Chorion besprochen worden und kann hier dieser Punkt daher unerörtert gelassen werden. Dagegen verdient ihre Funktion wohl einige Bemerkungen. Dass dem Chorionepithel als solches histolytische Eigen- schaften zukommen, welche sich mit phagocytären und resor- bierenden verbinden, ist wohl heute eine anerkannte Tatsache, und wäre sie es auch nicht, so würde dieselbe doch aus den bei den Placentomen zu behandelnden Vorgängen sichergestellt. Es ist nun wohl natürlich, dass diese von dem Chorion abstammenden Zellen die gleichen histolytischen Eigenschaften besitzen. Damit wäre eine Möglichkeit, die reichliche Über- produktion im Chorion und die Loslösung und Beimischung dieser oft mehrkernigen zur Embryotrophe zu verstehen gegeben. Man darf ihnen wohl das Vermögen zuschreiben auf ihre Umgebung lösend zu wirken und dieselbe in eine für die im ursprünglichen Verbande gebliebenen Chorionepithelien leicht resorbierbare Form überzuführen. Eine gewisse Stütze fände diese Ansicht darin, dass in der Nähe eben abgelöster mehrkerniger Chorionzellen gar nicht selten noch verhältnismässig gut erhaltene Leucocyten liegend gefunden werden, dagegen dort wo weiter vorgeschrittene Degene- rationen an den mehrkernigen Zellen eingetreten sind in der Mehrzahl Fälle höchstens noch Zelltrümmer. Es ist schon früher hervorgehoben worden, dass sich das Epithel der uterinen Schleimhaut die ganze Zeit hindurch erhält und nicht untergeht. 12* 150 R. KOLSTER, Eine Ausnahme machen in einem früheren Stadium nur ganz umschriebene Bezirke, in welchen geringe Epitheldefekte vorkommen. Diese sind so unbedeutend, dass ihnen eine grössere Wichtigkeit für die Zusammensetzung der Embryotrophe nicht zugeschrieben werden kann. Ein starker Gewebsuntergang mütterlicherseits tritt dagegen in den Placentomen auf. Diese letzteren wachsen zu recht grossen, einerseits abge- platteten, ellipsoiden Gebilden heran und finden sich zu je dreien im Haupt- wie Nebenhorn. Ihre eigentliche Ausbildung aus den mütterlichen präformierten Karunkeln ist oben behandelt worden und erübrigt sich daher hier nur noch eine Besprechung der direkt mit der Bildung der Embryotrophe in Zusammenhang stehenden Vorgänge. Bevor sich das Ei an diese Karunkeln durch Entwickelung seiner Cotyledonen festsetzt, bestehen dieselben allein aus scharf gegen die Umgebung abgegrenzten Anhäufungen von Zellen, welche so dicht liegen, dass die bindegewebige sie tragende Grundsubstanz beinahe verdeckt ist. Zwischen den Zellen laufen nur einige wenige Gefässe senkrecht auf die Oberfläche zu. Inmitten dieser Zellanhäufungen finden sich grössere, braune Pigmentmassen vor, an welche Leucocyten herantreten und sich mit Pigmentkörnern beladen. Sowohl die Massen selber wie die das Pigment aufnehmenden Leucocyten geben ausge- sprochen Eisen- und Fettreaktionen. Eine Fettreaktion zeigt ebenfalls das uterine diese Karunkeln bedeckende Epithel, wie auch das anliegende Chorionepithel. Zwischen diesen beiden liegt eine Masse, in welcher nicht geringe Mengen ausgewanderter Leucocyten vorhanden sind. Diese die Karunkeln bildenden Zellenanhäufungen haben einen zweifachen Zweck zu erfüllen. In erster Hand bilden sie das Material, welches für den Aufbau der mütterlichen Anteile der Placentome nötig ist, wobei Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 181 sich aber ihre Komponenten noch durch Zellteilung in hohem Grade vermehren müssen, um den Anforderungen an Masse zu genügen. Da aber die grössere Menge des mütterlichen Teiles in weiter unten zu besprechender Weise der Auflösung und darauf der Resorption von seiten der fetalen Cotyledonen verfällt, so muss diese vor Beginn der Tragzeit schon ausgebildete Anhäu- fung von Zellmassen ebenfalls vom Gesichtspunkte eines Nähr- mitteldepots betrachtet werden. Während der ganzen Umformung der ursprünglich com- pacten Karunkel in das schwammige Gewebe, welches dieselbe zuletzt darstellt und wobei wie schon erwähnt in den Hohl- räumen die fetalen verzweigten Cotyledonen Platz finden, wandern von der Oberfläche in erster Hand, aber auch recht reichlich innerhalb der Maschenräume, besonders an den blinden Enden der sie bildenden Schläuche Leucocyten aus und zerfallen alsbald. Auch hier liegen mit denselben vermischt geronnene Massen, welche eine tiefrote Färbung mit Eosin einnehmen. Dieselben müssen hier als Produkte der Epithelzellen aufgefasst werden. Die uterinen Schläuche münden niemals im Bereich der Karunkel und können daher zu diesen Massen nicht beitragen. Das materne Epithel ist hier regionenweise fettführend und gibt dieser Masse nicht geringe Mengen davon ab. Eigentlich vom ersten Beginn der Ausbildung des Placen- tomes durch Auftreten materner Vertiefungen, in welche sich darauf fetale Chorionsprossen einsenken, tritt im Epithel der letzteren eine rege Zellvermehrung auf. Wie schon oben er- wähnt führt die Kernteilung bei weitem nicht stets zu einer Protoplasmateilung, so dass mehrkernige Gebilde entstehen, welche sich von dem Chorion loslösen. Wo dieses stattgefunden, trifft man diese Zellen meistens dem mütterlichen Epithel anliegend, oftmals auch in dasselbe 182 R. KOLSTER, eingedrungen an, so dass sie scheinbar einen wirklichen Bestand- teil desselben vortäuschen können. Ein genaues Verfolgen dieser Erscheinung stellt es bald ausser Zweifel, dass wo die Zellen in das mütterliche Epithel eindringen, dieses mit dem lokalisierten Untergang einer oder mehrerer einzelner Epithelzellen verbunden ist, deren Platz als- dann von den fetalen, plasmodialen Gebilden eingenommen wird. Es findet also im Gegensatz zu den Vorgängen am eigent- lichen Schleimhautepithel schon von früh aus an ein Unter- gehen einzelner, materner Epithelzellen in den Placentomen statt. So lange das Placentom aber noch nicht ausgebildet ist oder mit anderen Worten von dem ursprünglichen, compacten, zellen- reichen Gewebe der maternen Karunkel noch grössere Reste bestehen, welche nicht zu dem spongiösen, mütterlichen Grund- gewebe der Placentome verbraucht worden sind, hält sich dieser Untergang mütterlichen Epithels innerhalb der eben erwähnten Grenzen. Dasselbe bildet zu dieser Zeit nur einen noch nebensäch- lichen Bestandteil der Embryotrophe. Sobald aber das ganze Materialdepot zur Bildung des maternen Anteils in Verwendung gezogen ist und das Placentom seine definitive gestielte Form, wenn auch noch bei weitem nicht seine definitive Grösse erlangt bat, beginnt die Rolle des mütterlichen Epithels in Bezug auf die Zusammensetzung der Embryotrophe eine ganz andere zu werden. Diesen wichtigen Zeitpunkt repräsentiert der verfügbare Uterus IV. Ausser dem hier beschriebenen, stand mir noch ein anderer vom selben Schlachttage zur Verfügung, welcher ein wenig weiter vorgeschrittene Veränderungen zeigte. Die Proliferation des Chorionepithels nimmt in den peri- pheren Teilen des Placentoms, also am basalen Teile der Zotten in bedeutendem Masse zu. In voller Übereinstimmung mit Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 183 den früheren Stadien lösen sich aber auch weiterhin stets die gebildeten polynucleären Sprossen vom eigentlichen Chorion ab und treten an das materne Epithel heran, welches dadurch be- sonders begünstigt wird, dass zwischen fetalem und maternem Gewebe nur ein äusserst geringer Raum vorhanden zu sein scheint. Ihre histolytische Tätigkeit entfalten sie darauf auch hier und als Folge derselben findet man vielfach im Präparate Stellen, wo nur noch ganz vereinzelte materne Zellen zwischen dem eigentlichen nunmehr nur aus fetalen, polynuclearen Zellen be- stehenden Besatz des bindegewebigen Stromas der äussersten Teile des spongiösen mütterlichen Gewebes vorhanden sind. Diese letzten Reste verfallen aber auch binnen kurzem der Auflösung. Als erstes Resultat dieser histolytischen Tätigkeit der eigenartigen, vielkernigen fetalen Sprossen findet sich daher zwischen Chorionepithel und dem bindegewebigen mütterlichen Stroma des karunkulösen Anteils des Placentomes, in dessen Peripherie eine feinkörnige mehr oder weniger amorphe Masse, innerhalb welcher die polynucleären Gebilde liegen. Diese amorphe Masse, die Embryotrophe an diesem Orte und auf diesem Stadium, muss ohne Zweifel auf das gelöste mütter- liche Epithel zurückgeführt werden. Für das Ei des Renn genügt aber dieser Beitrag zur Embryotrophe aus dem mütterlichen Epithel nicht. Die Tätigkeit der vielkernigen vom Chorion abgelösten Sprossen ist mit der Bearbeitung des mütterlichen Epithels zu einer der resorbierenden Kraft des restierenden Chorionepithels entsprechenden Masse nicht erschöpft. Sie wirken auch noch auf das bindegewebige Stroma in unten beschriebener Weise ein, wobei ihre Tätigkeit allerdings nur eine vorarbeitende ist. Selber gehen sie bald zugrunde und werden dabei vom Chorion zurückresorbiert. Das Bindegewebe des Stromas der Karunkel, dem die viel- kernigen fetalen Vorarbeiter anliegen, quillt unter dem Einfluss 184 R. KOLSTER, derselben stark auf. Die einzelnen Fasern verlieren ihre di- stincte Begrenzung und wo der Prozess etwas weiter vorge- schritten, findet sich zwischen den Cotyledonen nur eine homo- gene mit Eosin verhältnismässig stark färbbare Masse, der kleine Kernbröckel beigemischt sind. Der Umwandlung des maternen Bindegewebes der Karunkel in eine glasige, homogene, Eosin leicht aufnehmende Masse folgt bald ein vollständiges Resorbieren derselben vom Chorion aus. Dieser Prozess hat im Uterus IV aus der Mitte Januar schon begonnen, denn hier und da in der Peripherie des Placen- tomes finden sich die Cotyledonen aneinander gelegt, ohne zwischenliegende Gewebstrümmer oder noch erhaltenes mütter- liches Gewebe. Man kann von dieser Zeit in den Placentomen 3 concen- trische Teile unterscheiden. Zu innerst liegt um das Ende des Stieles eine Schicht, in welcher durch rege Wachstumsvorgänge maternes Gewebe neu- gebildet wird, dem ein Auswachsen der Cotyledonen gleichen Schritt hält und worauf die Grössenzunahme der Placentome zurückzuführen ist. Durch diese Zone wird die Masse mütter- lichen Gewebes, welches in die Placentome eingeht, lange Zeit hindurch vermehrt, wie daraus hervorgeht, dass eine Grössen- zunahme derselben noch in dem Uterus VI aus der Mitte März nachzuweisen ist. In diesem centralen Teil findet durch das mütterliche Epi- thel eine nicht geringe Fettabgabe, so lange dasselbe erhalten bleibt, statt, ebenso wie eine Sekretion des charakteristischen, mit Eosin sich tiefrot färbenden Secretes. Um diesen centralen Teil des Placentomes liegt eine Zone, welche wohl am richtigsten als Umwandlungszone bezeichnet werden muss (Figg. 54, 55 und 56). Hier wirken die plasmodialen, abgelösten Sprossen des Chorions auf das Epithel ein und bringen dasselbe zum Zer- Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 185 fallen. Schreitet man periphererwärts fort, so stösst man auf die Teile der Karunkel, welche schon ihres Epithels beraubt sind, und wo von seiten des fetalen Gewebes die materne, binde- gewebige Unterlage in Angriff genommen ist, und allmählich durch die resorbierende Eigenschaft des Chorionepithels aufge- nommen wird. Bei diesem Untergange des maternen Gewebes tritt sowohl am Epithel wie an dem bindegewebigen Stroma eine fettige Degeneration ein. Dadurch steht dem Ei eine sehr bedeutende Masse von Fett von dieser Zeit an zur Verfügung. Dasselbe findet sich auch in den basalen Teilen der Chorionepithelien sehr reichlich aufgenommen vor (Fig. 36). Ganz zu äusserst im Placentome finden wir darauf nur noch fetales Gewebe, die basalen Teile der Cotyledonen, welche sich aneinander legen, und deren Epithelien hier, nachdem ihre Tätigkeit aufgehört hat, die in Stadium III beschriebene Form angenommen hat (Fig. 57). Durch diesen Auflösungsprozess mütterlichen Gewebes, dem wenigstens lange Zeit durch die centralen Wachstumsvorgänge Ersatz geschaffen oder richtiger neues Material zugeführt wird, erhält das Ei bei Rangifer zu der Embryotrophe eine Menge mütterlicher fester Gewebsbestandteile geliefert. Oben wurde darauf hingewiesen, dass in den uterinen Schläuchen so gut wie gänzlich Abschnürungen von Schlauch- epithelien, welche der Embryotrophe zugeführt wurden, fehlen. Dieses war etwas auffällig, denn wie aus meinen früheren Untersuchungen hervorgegangen, kommt diese Form von An- reicherung der Embryotrophe sonst regelmässig bei Indeciduaten vor und ist sogar in Vollplacenten, beim Hunde z. B. von Bonnet (4) beobachtet worden. Nehmen wir das Schaf von den früher bearbeiteten in- deciduaten Placenten aus, wo möglicherweise in den Placentomen der späteren Stadien ein Einschmelzen des mütterlichen Gewebes 156 R. KOLSTER, stattfinden kann, wenigstens deuten einige neuerdings gesehene Präparate darauf hin, so fehlen Placentome gänzlich bei Stute und Schwein und in denjenigen der Kuh bleibt wie Leder- mann (8) vor kurzem bestätigt, das mütterliche Gewebe sicher erhalten. Man darf diese Beobachtungen wohl einander gegenüber- stellen und kann dabei den Schluss ziehen, dass durch Unter- gang und Resorption der maternen Karunkel bei Rangifer hier dem Ei in so ausgedehntem Masse festes, mütterliches Gewebe und Epithel als Nahrung zugeführt wird, dass ein. Abschnüren von Schlauchepithelien an Bedeutung verloren hat. Bei Cervus elaphus habe ich allerdings Schlauchinvagina- tionen gesehen (6). Mein Material war aber zu gering — ein Uterus — um ein sicheres Urteil über die Ausdehnung dieses Prozesses gewinnen zu können und kann diese vereinzelte Be- obachtung kaum gegen die ausgesprochene Ansicht eines Er- satzes der untergehenden Schlauchepithelien durch Auflösung des maternen Gewebes in den Placentomen, welche hier von Strahl beobachtet worden ist, ins Feld geführt werden. Ein anderer Umstand ist dagegen an den Placentomen von Rangifer und wie mir aus Strahls (10) Beschreibung über die einschlägigen Vorgänge von Üervus elaphus für dieses Tier auch hervorzugehen scheint, auffällig. Sowohl bei Bos wie Ovis kommen in den Placentomen freie Blutergüsse vor, welche einen wichtigen Beitrag zur Em- bryotrophe bilden. Diese scheinen bei den beiden Cerviden aber zu fehlen. Allerdings sind dieselben immer eine Erscheinung der letzten Zeit der Schwangerschaft und da mir aus derselben Material fehlt, kann ich mich heutzutage noch nicht mit Sicher- heit darüber aussprechen. Ich will mich hier daher mit dem Hinweis darauf be- schränken, dass eine reichliche Eisenzufuhr zum Ei durch Weitere Beiträge zur Kenntnis der Embryotrophe. 187 Leucocyten aus zerfallenen Blutmassen innerhalb der uterinen Schleimhaut weit länger stattfindet, als bei den von mir in dieser Hinsicht früher untersuchten Indeciduaten mit einem Auswandern einzelner Erythrocyten vereint. Sowohl bei der Kuh wie beim Schaf stösst man innerhalb der Placentome auf nicht geringe Pigmentmassen. Auch bei Rangifer kommen Spuren derselben vor, wenn auch soweit meine Untersuchungen die Tragzeit umfassen, in viel geringerem Grade. Dieses Pigment ergibt keine Eisenreaktion. Ob dasselbe überhaupt mit der Embryotrophe direkt in Verbindung steht kann nach meinem Material nicht entschieden werden, doch bin ich geneigt einer solchen Auffassung beizutreten, da ich dasselbe auch im Chorionepithel gefunden. In dein mütterlichen Stroma und Epithel der Karunkeln kommt es aber hauptsäch- lich vor. 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Ledermann, Über den Bau der Cotyledonen von Bos in verschiedenen Schwangerschaftsperioden. I. D. Berlin 1903. Mela, Suomen luurankoiset. Helsingissä 1882. Strahl, Über die Semiplacenta multiplex von Cervus elaphus. L. Anat. Hefte. H. 93. 1906. . Turner, Note on the foetal membranes of the reindeer (Rangifer taran- dus). Journ. Anat. and Phys. London. Vol. 12. 1878. . Tellyesniczy, Diskussion zu Keibels Vortrag: Über ein junges operativ gewonnenes menschliches Ei in situ. An. Anz. Ergänzungsheft zum 30. Bd. 1907. Erklärung der Abbildungen. Barelsl2: Fig. 1. Uterus [I von aussen uneröffnet, verkleinert. Fig. 2. Uterus I geöffnet, so dass die Innenfläche des Haupthornes nach Herausnahme des Eies sichtbar ist, verkleinert, Fig. 3. Ei aus Uterus I. Dasselbe ist soweit geöffnet, dass der darin enthaltene Embryo sichtbar gemacht werden konnte, verkleinert. Fig. 4. Uneröffneter Uterus vom Stadium II, verkleinert. Fig. 5. Querschnitt einer Karunkel des Nebenhornes aus Uterus I, 5 fache Vergrösserung. Fig. 6. Querschnitt einer Karunkel aus dem Haupthorn eines Uterus, dessen Embryo die gleiche Länge wie in Uterus I besass. Die der Karunkel anliegende Eihaut teilweise in ihrer natürlichen Lage erhalten, 5fache Ver- grösserung. Tafel 12. Fig. 7. Schnitt durch Eihaut und Uteruswand aus dem Haupthorn eines Uterus vom Stadium I, ungefähr 10fache Vergrösserung. Fig. 8. Stück aus dem Schnitt, welcher als Vorlage für Fig. 7 diente, 300 fach vergrössert. a) das erhaltene, stark abgeplattete uterine Epithel. Fig. 9. Schnitt durch Uteruswand und anliegende Eihaut eines Uterus vom Stadium I, 300 fache Vergrösserung. Mit Embryotrophe gefüllte Falte der Eihaut. a) unregelmässig gewordenes, uterines Epithel. Fig. 10. Schnitt durch Uteruswand und Karunkel aus Uterus I. 300 fach vergrössert. a) Epithel der uterinen Schleimhaut mit auswandernden Leuko- cyten. b) Epithel der Karunkel. Fig. 11. Schnitt durch Uteruswand und Eihaut eines Uterus vom Sta- dium I. 300 fach vergrössert. a) erhaltenes, unregelmässig gewordenes, ute- rines Epithel. b) Chorionepithel, in welchem sich gross- und mehrkernige Plas- 190 Erklärung der Abbildungen. modien ausbilden. Solche liegen rechts innerhalb der Embryotrophe auch dem uterinen Epithel an. Die schwarzen zackigen Massen links hatten im Präparat KEosin stark abgenommen. Fig. 12. Schnitt durch eine kleine Chorionblase aus der Nähe eines Aus- führganges der uterinen Schläuche. Uterus vom Stadium I. 300 fach ver- grössert. a) erhaltenes uterines Epithel. Fig. 13. Schnitt aus der Schleimhaut des Nebenhornes von Uterus 1. 300 fach vergrössert. a) erhaltenes, unregelmässiges, uterines Epithel. Fig. 14. Nach demselben Schnitt wie Fig. 5. 3fach vergrössert. a) das erhaltene aber veränderte Epithel der Karunkelspitze. Matel- id. Fig. 15. Nach demselben Schnitt wie Fig. 5. 300 fach vergrössert. a) das erhaltene Epithel des Seitenteiles der Karunkel, mit durchtretenden Leuko- cyten. Fig. 16. Nach demselben Schnitt wie Fig. 6. 300 fach vergrössert. Das Epithel der Karunkel erhalten. Im Chorion zahlreiche 2 kernige Zellen, welche dem uterinen Epithel noch vollkommen fehlen. Fig. 17. Schnitt durch Uteruswand und Eihaut eines Uterus vom Sta- dium II. 10 fache Vergrösserung. Fig. 18. Stück aus demselben Schnitt wie Fig. 17. 300 fach vergrössert. a) erhaltenes, uterines Epithel. Fig. 19. Schnitt durch Uteruswand und Eihaut aus dem erweiterten Teile des Haupthornes von Uterus III. 300 fach vergrössert. a) uterines Epi- thel mit begrenztem Defekt, in welchem teilweise noch symplasmatisch ver- ändertes Epithel vorkommt. Fig. 20. Schnitt durch die der Museularis anliegende Schleimhaut eines Uterus vom Stadium II, nach Ausführung der Eisenrektion. 300 fach ver- grössert. Die im Präparat blauen, pigmentführenden Zellen treten hier als grosse, schwarze Klumpen zwischen den Schlauchenden auf. Fig. 21. Schnitt durch ein Placentom aus Uterus ll. 5 fach vergrössert. Fig. 22. Stück aus demselben Schnitt wie Fig. 21. 300 fach vergrössert. a) materner Anteil mit erhaltenem Epithel, in welchem jedoch einzelne gross- kernige Elemente auftreten. b) Chorionzotten, dessen schräg getroffenes Epi- thel bedeutende Mengen gross- oder mehrkerniger Elemente enthält. Tafel’19: Fig. 23. Schnitt durch ein Placentom aus Uterus III. 5fache Ver- grösserung. Fig. 24. Stück aus der Tiefe des Placentomes, Fig. 23. 300 fach ver- grössert. Das erhaltene materne Epithel mit der in den Hohlräumen liegenden Masse verklebt und teilweise abgelöst. Erklärung der Abbildungen. 191 Fig. 25. Schnitt durch Uteruswand und Eihaut aus Uterus IV. 10 fach vergrössert. Fig. 26. Schnitt durch Uteruswand und Eihaut aus Uterus IV. 300 fach vergrössert. a) zylinderförmiges, uterines Epithel mit 2kernigen eindringenden Zellen. Fig. 27. Querschnitt des Nabelstranges aus Uterus IV. Natürliche Grösse. Fig. 28. Querschnitt eines Placentoms aus Uterus IV. 2fache Ver- grösserung. Fig. 29 und 30. Stücke aus den tieferen Teilen der Fig. 28. 200 fach vergrössert. a) materne Septen mit erhaltenem Epithel, welches mehrfach durch eine scharf hervortretende Linie begrenzt erscheint. Diese entspricht einem Eosin stark annehmenden Secretstreifen. Vereinzelt finden sich in dem maternen Epithel grosskernige Elemente. b) Chorionzotten mit zahlreichen, grosskernigen Zellen. Zwischen fetalen und maternen Teilen liegen ausge- wanderte Leucocyten und einzelne freie, grosskernige Zellen. Tafel 16. Fig. 31, 32, 33 und 34 entsprechen Schnitten aus einem Placentome von Uterus VI. 300 fache Vergrösserung. a) das erhaltene, materne Gewebe mit seinem Epithel, in welches vielerorts grosse, mehrkernige Gebilde eindringen. b) Chorionzotten, dessen Epithel Massen dieser Gebilde produziert. Fig. 35. Schnitt durch die Eihaut eines nachosmierten Stückes aus Uterus IV, welches mit Lichtgrün gefärbt war. 300 fach vergrössert. Die basalen Teile der Chorionepithelien voller geschwärzter Körner. Fig. 36. In Lichtgrün gefärbtes Stück aus der peripheren Zone eines nachosmierten Placentoms aus Uterus IV. 3fach vergrössert. Das zwischen den Fett enthaltenden Chorionzellen liegende, materne Gewebe in fettiger De- generation. Fig. 37 und 38. Schnitte durch Uteruswand und Eihaut aus Uterus V. 10 fach vergrössert. Tarekı: Fig. 39. Stück aus Fig. 38. 300 fach vergrössert. a) Chorionepithel mit ‚Cilien. b) Embryotrophe. | Fig. 40. Uterine Schleimhaut aus Uterus V. 300fach vergrössert. Inner- halb des zylinderförmigen Epithels einzelne, mehrkernige Gebilde in Auflösung begriffen. Fig. 41 und 42. Uterine Wand und Eihaut aus Uterus VI. 10fach ver- grössert. Fig. 43. Stück aus demselben Schnitt wie Fig. 42. 300 fach vergrössert. a) maternes Epithel mit einem Eosin stark annehmenden Secretstreifen be- deckt. b) Chorionepithel mit hellen 2 kernigen Zellen. Fig. 44. Nabelstrang aus Uterus VI, natürliche Grösse. 192 Erklärung der Abbildungen. Arabelelo: Fig. 45. Placentom aus Uterus VI, verkleinert. Fig. 46. Innere Seite der Eihaut aus Uterus VI. Natürliche Grösse. Fig. 47. Äussere Seite der abgelösten Eihaut von Präparat Fig. 46, natürliche Grösse, Fig. 48. Der Fig. 47 entsprechende, uterine Schleimhautfläche. Natür- liche Grösse. Fig. 49. Scheiben aus den Placentomen von Uterus IV und VI. Natür- liche Grösse. Tafel 19. Fig. 50 und 51. Stücke von Uteruswand und Chorion aus Uterus VI. 300 fache Vergrösserung. a) uterines Epithel mit untergehenden, eingedrunge- nen, 2kernigen Zellen. b) Chorionepithel mit auswandernden 2 kernigen und grosskernigen Zellen. Fig. 52. Stück von Uteruswand und Chorion aus Uterus VI. 300 fach vergrössert. a) uterines Epithel. b) Cilientragendes Chorionepithel. Fig. 53. Spitze eines uterinen Schleimhautwulstes aus Uterus VI. 300 fache Vergrösserung. Fig. 52. Schnitt aus einem Placentom von Uterus VI. 300 fach ver- grössert. a) materner Teil mit untergehendem Epithel, das von fetalen, gross- und mehrkernigen Elementen ersetzt ist. b) Chorionzotten, nur noch mit ver- einzelten mehrkernigen epithelialen Gebilden. Fig. 55, 56 und 57. Stücke aus den peripheren Teilen eines Placentoms von Uterus VI. 300 fach vergrössert. ANATOMISCHE HEFTE BEITRÄGE UND REFERATE ZUR ANATOMIE UND ENTWICKRLUNGSGESCHICHTE. UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL UND R. BONNET u. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GÖTTINGEN. 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN BONN. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 145. HEFT (38. BAND, HEFT 2). MIT 15 TAFELN UND 19 TEXTFIGUREN. WIESBADEN. VERLAG VON ]JFBERGMANN. 1909. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht in alle Sprachen voıbehalten. Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. Auvs DER OTO - LARYNGOLOGISCHEN UNIVERSITÄTSKLINIK IN BasEL. DIREKTOR PROF. F. SIEBENMANN. ÜBER DIE GRÖSSENVERHÄLTNISSE DER MENSCHLICHEN TUBE IM ALLGEMEINEN UND BEI PHTHISIKERN IM BESONDEREN. VON VB. YOSHIT TOKYO, JAPAN. Mit 1 Figur im Texte und 4 Figuren auf den Tafeln 20/21. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 13 Mr AR IR Be , Brad R } - f Er... v> IB . | ' Fan: Para, BR 5 ; ( ’ Deu s u d d: aM 7 >) ’ { , ri [ P . r 1 1 i Ar 5 DE \ N ö . k At i A - r 4 ‘ fi „> nl u ’ ) 5 1 v4 t i gg‘ il , vs \ P 7 ' = h . ‘ . * « Seit ihrer richtigen Würdigung durch Bartholomeo Eu- stachio war die Tube vielfach Gegenstand der anatomischen Untersuchung und literarischen Bearbeitung, doch konnten die Grössenverhältnisse erst neuerdings, an Hand des Korrosionsver- fahrens genauer bestimmt werden. Hier waren es vor allem die grundlegenden Arbeiten von Hyrtl (Die Korrosionsanatomie und ihre Ergebnisse, 1373), und von Bezold (Korrosionsanatomie des Ohres 1882), welche nach dieser Richtung hin unsere Kenntnisse erweiterten. Diese Autoren benützen als Injektionsmasse eine Mischung von Harz und Wachs. Seit der Einführung der Metallkorrosionen in die Otologie durch von Brunn und Siebenmann gelingt es relativ leicht, tadellose Präparate dieser Art herzustellen. Auf Anregung von Prof. Siebenmann hin unternahm ich es, eine grössere Zahl von solchen Metallkorrosionspräparaten der Tube anzufertigen, um an ihnen durch Kontrolle der Masse die Grössenverhältnisse der Tube im allgemeinen und speziell bei tuberkulösen Indi- viduen zu bestimmen. Von verschiedenen Autoren (Bezold, Körner, Haber- mann, Hegetschweiler) wird nämlich die tuberkulöse Mittel- ohrerkrankung mit einer abnormen Weite der Tube in Zusammen- hang gebracht. Als Ursache dieser Erweiterung wird das Schwinden des Fettpolsters betrachtet, welches der lateralen Wand anliegt. Über das Verhalten des knöchernen Teiles der 13* 196 UYOSHS, Tube ist dagegen noch nichts bekannt und es erhebt sich daher die Frage, ob die knöcherne Tube nicht ebenfalls bei tuberkulösen Personen erweitert sei. Zur Entscheidung dieser Frage musste eine grössere Reihe von Tuben bei tuberkulösen und richttuber- kulösen Personen gemessen werden. Bevor ich indessen über die Ergebnisse meiner Messungen berichte, sei es mir gestattet, die Technik dieser Injektion zu schildern, so wie sie sich im Verlaufe der Arbeit als zweckmässig erwiesen hat. Darstellungsweise. Schon bei der Herausnahme des Felsenbeines ist darauf zu achten, dass die Paukenhöhle nebst Tube und besonders die pharyngeale Mündung intakt bleibe. Um letztere möglichst un- versehrt zu erhalten ist es nötig, die hintere und seitliche Pha- rynxwand mitzunehmen, sodass der Processus pterygoides des Keilbeins und ein Teil des harten Gaumens am Präparat er- halten bleibt. Ferner muss man sich hüten, bei der Loslösung des Unterkiefergelenkes die Tube mit der Messerspitze zu ver- letzen. Als Injektionsstelle für den Ausguss hat Hyrtl die pharyn- geale Mündung der Tube gewählt, in welche er nach Freilegung der unteren zwei Drittel der knorpeligen Tube eine Kanüle hinein- steckte. Mit dieser Methode tadelose Metallkorrosionen zu erhalten ist schwer, weil die Kanüle das pharyngeale Tubenostium verändert. Hyrtl hat die Injektion auch vom äusseren Gehörgang aus vorgenommen, ein Verfahren, welches etwas bessere Resultate gibt, den Abguss des Trommelfelles aber von vornherein ganz oder teilweise verunmöglicht. Bezold und Siebenmann!) 1) Vgl. den von Siebenmann geschriebenen Abschnitt über Metall- korrosionen in Politzer, Zergliederung des menschlichen Gehörorgans, 1889 speciell pag. 172. Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen ete. 197 haben als Injektionsstelle den Processus mastoideus gewählt und zwar in der Weise, dass derselbe nahe der Spitze oder an der Incisura mastoidea angebohrt und darein die Kanüle ganz dicht hineingesteckt wurde. Die letztgenannte Methode ist sicherer; aber das Trommelfell wird dabei abnorm stark hinaus getrieben und von der Spitze des Processus mastoideus bis zu der Tube ist der Weg etwas eng und lang, so dass das Metall auf dem- selben Gefahr läuft zu erstarren, bevor die Tube vollkommen ausgegossen ist. Bezold schreibt: „Schwieriger ist es, von der Tube vollständige Abgüsse ihres Hohlraumes durch die Korrosion zu gewinnen. In der grossen Mehrzahl der Fälle erhält sich, wenn wir von den Warzenzellen aus injizieren, nur der knöcherne Teil und der Ausguss endet im Anfang des knorpeligen mit einer starken Kante oder in unregelmässiger Weise im Verlauf des knorpeligen Teiles.“ Um die Tube mit grösserer Sicherheit in toto auszugiessen, habe ich daher einen kürzeren Weg gewählt, nämlich derjenige vom Aditus ad antrum aus. Zu diesem Zwecke wurde der Processus mastoideus durch einen vertikalen Sägeschnitt bis ans Antrum heran abgetrennt und die Kanüle in das mit dem Meissel erweiterte Antrum hineingesteckt. Als Kanüle erwies sich ein eigens dazu konstruiertes kleines Glastrichterchen brauch- bar. Es hat eine einfache, nur in der Spitze geknickte Form, wie die Figur zeigt. Der Durchmesser des oberen weiteren Endes be- trägt 6 mm, derjenige des unteren Endes 3mm, der Knickungswinkel kaum 90°, die Höhe des Trichters 9 em, die Länge des Schnabels 3—4 cm. Das untere schmale Ende mit dem Schnabel wird in das erweiterte Antrum gesteckt und zwar so, dass das Glastrichter- chen und die pharyngeale Mündung der Tube ebenfalls nach 198 U. YOSHII, oben gerichtet sind. Vor dem Eingiessen wird auf den Glas- trichter ein anderer, 10—13 cm langer passender Trichter aus Zeichnungspapier aufgesetzt. Um das Glastrichterchen im Antrum luftdicht zu fixieren und Verbiegungen der Tube, wie sie durch nach später vorzunehmendes Erwärmen des Präparates einzutreten pflegen, möglichst zu verhindern, wird letzteres samt dem Trichter in der von Siebenmann angegebenen Weise eingegipst. Die Tube wird vorher mit einer Watte-umwickelten feinen Sonde gereinigt. Für das Eingiessen wird ein ziemlich dicker Gipsbrei bereitet und nicht nur die Umgebung des Glastrichters sondern auch das Tegmen tympani und der äussere Gehörgang damit bedeckt. Die Weichteile nebst der pharyngealen Mündung der Tube habe ich immer frei von Gips gelassen. Wie Siebenmann habe ich vor dem Eingiessen des Metalls den Gipsklotz erwärmt, worauf das Metall in einem mit Aus- guss versehenen Pfännchen im "Wasserbade geschmolzen und rasch in möglichst dickem Strahle in den Trichter gegossen wird, bis letzterer gänzlich gefüllt ist. Nun lässt man das hin- eingegossene Metall durch die pharyngeale Mündung der Tube so lange abfliessen, bis die Höhe des Metalles im Trichter auf das Niveau der pharyngealen Mündung gesunken ist. Dann wird der Klotz mit der Kanüle bis zum Erkalten ruhig stehen gelassen. Wenn das hineingegossene Metall durch einen kleinen Riss seitlich ausfliesst, muss man denselben schnell schliessen durch ein fest aufgedrücktes kaltnasses Tuch. Nach völligem Erkalten des Klotzes nimmt man sorgfältig mit dem Meissel den Gips vom Felsenbein weg, bis das Glas- trichterchen und der Knochen zutage treten. Das Glastrichter- chen wird durch ein leichten Schlag mit dem Hammer zerbrochen und die Metallsäule, welche im Glastrichter ausserhalb des Fels- beines liegt, mit einer erhitzten Nadel abgetrennt. Der aus Knochen, Weichteilen und Metallfüllung bestehende Block wird Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen ete. 199 dann während 10—14 Tagen der Korrosionsflüssigkeit ausgesetzt, welche nach Siebenmann und von Brunn aus 10° Kali- lauge bestehen soll. Die noch anhaftenden Weichteilreste können nach Ablauf dieser Zeit durch sorgfältiges Abspülen des Korro- sionspräparates sicher entfernt werden. Als Grundlage meiner Untersuchungen habe ich nur tadel- lose Präparate gewählt. Alle unvollkommenen Präparate sind nicht berücksichtigt worden. Ergebnisse. 1. Das Bild des Tubenlumens, wie es sich aus den Korrosions- präparaten ergibt, entspricht jedenfalls nicht dem Lumen der ruhenden Tube, sondern stellt dieselbe, wie Bezold richtig an- gibt, in mittlerer, jedoch nicht in maximaler Erweiterung dar; aber diese Erweiterungen betreffen nur die knorpelige Tube, während die knöcherne davon natürlicherweise unberührt bleibt. Fast alle Präparate meiner Sammlung zeigen eine geringe Abbiegung und Torsion des Tubenkanals. Bereits Huschke!') der sich ein Bild der Tube durch Abgüsse verschafft zu haben scheint, spricht von einer S-förmigen Drehung der Tube. Auch Hyrtl?) sah an seinen Abgüssen „eine Torsion“ dieses Kanals. Er sagt: „Die Korrosion der injizierten Ohrtrompete bringt zwei bisher unberücksichtigt gebliebene Attribute derselben in Sicht. Das eine besteht in einer Torsion dieses Kanals, welche aber nicht mehr als eine halbe Spiraltour beschreibt. Sie ist im rechten Gehörorgan rechtsläufig, im linken linksläufig.“ Er hat diese Tatsache als ein Accidens der Korrosion betrachtet: „Nicht an allen Güssen fällt diese Torsion des Tubenkanals in gleichem Masse in die Augen. Mehrere derselben lassen sie gar nicht absehen. Möglicherweise ist sie ein Accidens der 1) ]. ec. nach Bezold (Korrosionsanatomie des Gehörorganes). 2) Hyrtl, Die Korrosionsanatomie und ihre Ergebnisse. 1873. Wien. 200 U. XOSHI, Korrosion, obwohl ich sie ihres auf beiden Seiten symmetri- schen Verhaltens wegen nicht für ein solches halten kann.“ (e:,8..56), Auch Bezold!) betrachtet diese Torsion und Ablenkung des knorpeligen Tubenlumens als wahrscheinlichen Artefakt. Er bat an seinen Ausgüssen sehr ausgesprochene Drehungen bis um die Hälfte einer Spiraltour konstatiert, doch hat er diese Ab- lenkung in der Weise erklärt, dass sie nicht normalerweise vorhanden sei, sondern dass sie durch die während der Injektion vom Gehilfen ausgeübte Kompression des Tubenkanals entstehe. Er nimmt an, dass nur diejenigen Präparate der Norm ent- sprechen, in welchen weder eine Drehung um die Achse noch eine Abbiegung, wenigstens in der oberen Kante, vorhanden ist. Bei meinem Verfahren habe ich während des Eingiessens die Felsenbeine immer in ihrer natürlichen Lage gelassen und nicht komprimiert, aber trotzdem häufig solche Torsionen und Abbiegungen des Tubenausgusses erhalten. Dieselben sind aber sehr wenig ausgesprochen, wahrscheinlich ist es die Einwirkung der Wärme, welche diese Deformitäten verur- sacht. Denn im Gegensatz dazu hat Siebenmann diese Verhältnisse bei seinen eigenen Ausgüssen vermisst. Seine Technik unterscheidet sich nämlich von der meinigen da- durch, dass er bei Verwendung von frischen Weichteilpräpa- raten die Tuben bis zu ihrer pharyngealen Öffnung ganz ein- gegipst hat. Auch seine Ausgüsse von Semper-Riehm- schen Trockenpräparaten — sogenannte trockene Korrosionen — zeigen keine Detormität, da die fixierten getrockneten Weich- teile derselben sich in der Hitze nicht verändern. Bezüglich der genauen Beschreibung über die Form der Tube kann ich auf die Arbeiten von Hyrtl, Bezold und Siebenmann verweisen. 1) Bezold, Korrosionsanatomie des Gehörorganes. Anatom. Hefte. I. Abt. 115. Heft (38. Bd., H. 2). Tafel 20. Fig. 1. Yoshü, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Anatom. Hefte. Yoshii, I. Abt. 115. Heft (38. Bd, Tafel 21. Cellula tubaria sup. - Cellula tubaria sup. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. pi KL, 2 Aus N: - r e ig Ba En u en, \ 2 u { R Br EI . = Fang} N .* { r . { u ß ug a i # * x . ri} i r A e; RE 3 . - E R . Dr i . E ö Dre 27 Aus n Tas y R Y i [a be % Re * Ward u Pi rd, . Fr eu h 4 rs Mr Pu r u ” 2%} i i- \ E tr = s Rn ’ EF Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen ete. 201 Bemerkenswert und noch sehr wenig bekannt ist das gelegent- liche Auftreten von grossen in der Pyramidenspitze gelegenen Zellen der Tube (ef. Fig. 3 und 4). Ich habe von solchen Präparaten unter 50 Ausgüssen zwei gefunden. Das eine stammt von einem tuber- kulösen, das andere von einem nichttuberkulösen Individuum. Diesen Zellen kommt bei der Eiterung des Mittelohres unter Umständen eine grosse Bedeutung zu, insofern als man bei den üblichen operativen Eröffnungsmethoden des Mittelohres incl. „Totalaufmeisselung“ dieselben nicht erreicht. Zu ihrer Frei- legung muss man über der oberen vorderen Pyramidenfläche die Dura bis nahe an der Spitze vom Knochen abheben, wie es Krause bei der intracraniellen Durchschneidung des Trige- minus und Siebenmann!) zur Freilesung eben dieser Zellen und des vereiterten Sinus cavernosus zuerst ausgeführt hat. Bei den tuberkulösen Arrosionen der Carotis spielt diese Zelle jeden- falls eine nicht unwichtige Rolle. Sie wurde zuerst von Bezold?) beschrieben, seither hat Siebenmann (Anatomie des Mittelohres S. 237, Jena 1897) über solche Befunde genauer berichtet. Wegen ihrer klinischen und anatomischen Wichtigkeit sei es mir gestattet, die Angabe von Siebenmann zu zitieren. Er schreibt: „Wie die meisten Stellen der knöchernen Mittelohrwände zeigt auch die knöcherne Tube mit Schleimhaut eingekleidete, lufthaltige Ausbuchtungen — die Cellulae tubariae. Dieselben sind trotz ihrer wich- tigen Stellung, welche sie in der Pathologie der knöchernen Tube einnehmen, ausser von Bezold von keiner Seite einer näheren Untersuchung unterzogen worden. Die Ursache davon liegt darin, dass sie am frischen Präparat schwer zu finden sind, um so mehr, als sie zu den am wenigsten kräftig entwickelten Zellen 1) Siebenmann und Oppikofer, Jahresbericht der oto-laryngo- logischen Klinik in Basel. Zeitschrift f. Ohrenheilkunde. Bd. XL. p. 331. 2) Bezold, Korrosionsanatomie des Ohres, p. 63. Verg]. dessen Tab. V. Fig. IVa. 202 U. YOSHII, des knöchernen Mittelohres gehören. Bei Neugeborenen fand ich sie nicht, doch machen sie sich schon nach Ablauf des ersten Halbjahres deutlich bemerkbar. — Beim Erwachsenen entspringen sie teils vom Boden (Cellulae tubariae inferiores), teils von der medialen Wand (Cell. tub. mediales), teils vom medialen oberen Winkel der Tube (Cell. tub. superiores.)‘ Die grösste Zelle dieser Art fand Siebenmann an einem Knochenausguss, wo dieselbe als eine grosse flache Kappe Cell. tub. superior das ganze Knie des karotischen Kanals überdacht. (l. e.) Ganz ähnliche Verhältnisse fand ich in meinen beiden oben erwähn- ten Präparaten: Die grossen Zellen entspringen an der medialen Wand der knöchernen Tube und verlaufen nach oben und median. Ihre Gestalt ist Nügelförmig; sie überdecken das Knie der Carotis so, dass ihre untere Fläche der Form seiner Kanal- wandung entspricht. (cf. Fig. 3—4.) Bei dem einen Fall hat sie 18,2 mm Länge, 6,3 mm Breite und 4,0 mm Tiefe (an der dieksten Stelle), während beim anderen die Länge 13,4 mm, die Breite 6,4 und die Dicke 3,8 mm beträgt. 2. Die Länge der Tubae wurde von diversen Autoren verschieden angegeben, jedoch konnten, wie Hyrtl ausdrücklich betont, einwandfreie Resultate erst mit den Korrosionspräparaten erhalten werden. Nach der Messung von Hyrtl beträgt die ganze Länge der Tube 35 —45 ımm,nach Bezold 34-40 mm, bei meiner Sammlung 34—42 mm. Ich lasse auf Seite 204 eine genauere Tabelle folgen über die Grössenverhältnisse der Tube unter gleichzeitiger Angabe der Körperlänge des betr. Individuums, sowie über die Höhe und Breite des Gesichtsschädels, welcher jeweilen vor dem Heraus- nehmen des Felsenbeins gemessen wurde. Von den 50 Korrosionspräparaten stammen 20 von tuber- kulösen und 30 von nichttuberkulösen Individuen. Von den 20 Phthisikern waren 10 männlichen und 10 weiblichen Ge- 203 Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen etc. Zar en) 60 0% 60 GE 0% fehl) ui 7 jwus,, |030 { snury4s] Sop oeag 1oyun 19qn g’g EI 69% 07 &3 se | 07 &T 16% cF7 0% 08 ; snwgs] Sop oygy eg 08 - \888 0° 6 ı 8 Es 0% ag 07 CS &8 ee) umorued | -wAs4 wnsOQ SOp ooag 89 ve /9% 08 or 674 08 Te SET 09 08 7 or wmorurd | -wsg4 wmıSsOQ Sop oyoy 0'%8 Se 6898 085 Ges |68’°8 || 062 8.06 161,920 0.2 Ines wareela nl gone, | uosıpdıouy sop our] 081 0L 16901 | 091 08 Ir | 0%1 0L Ss6°0L || CL 'g Aa Dr ichr usulo9ouy Sop Odurr] sor | oe |80%LE || 0 er8 Tele | 0% 088 |LTLE || 007 078 | 79 dqnL 19p dur 9zueH) a sn ee NEL UINUITLILAT un WMULXBI | WUNWTUTT nd WINWIXER] WINWTUTTL a WNWIXEN WINLITULAT Fe Son TIOgNIIUDIN ISONNTOANL, wowswogg]® wp ; 2 Br ee Zur Zr Te a Pe Se pP I 0209 4 uosunssom auadıy SS NSS DENE, 204 U. YOSHII, Ta- io | | | Nr. || Alter | Geschlecht | a ie | | ns | P AT | | Gesichtes | Gesichtes | Gesichtes = | | 1|| 67 | weiblich | 147 134 | 65 | 48,5 Bronchitis und Emphysem 2 | 32 B | 158 | 64 | 50,3 | Mammacareinom 311282 £ 152 129 56 43,0, lIeterus, Cholaemie 4 || 38 s 155 130 60 46,1 , Perimetritis, Peritonitis 5 | 40 j 165 132 58 41,6 \ Gastritis phlegmonosa 6| 57 f 150 138 60 43,4 | _ Degeneratio cordis 7 65 männlich 162 150 65 As Bronchopneumonie, Ery- | | | sypel 8| 37 | weiblich | 152 130 | 60 | 46,3 Gastroenteritis, Abortus 920 98% a 158 193 57 ee Coloncarecinom 10 || 19 5 157 126° | 60 47,6 Diabetes mellitus 11 24 ı 4 | 156 130 | 65 ı 50,0 ‚Cholelithiasis, Pneumonie Oslo 146 1230 eo Te Pneumonie 13 | 42 g 157 186 | 60 | 47,6 \Mitralinsuffieienz, Degene- | | | ratio cordis 14 | 22 R 156 123 62 | 50,0 Eclampsie 15 | 81 | männlich 165 137 u | 51,8 Arteriosclerose, Broncho- pneumonie 16 ol | 2 167 130 60 46,1 Trachealcarecinom aA 163 137 67 49,6 | Nephritis und Peritonitis purulenta, 13 | 55 | weiblich 160 122 92 42,6 Degeneratio cordis 19 76 = 156 130 61 | 46,1 Arteriosclerose, Degene- | | ratio cordis 20 | 56 männlich 166 138 | 66. | EATSE Pyonephrose 21 | 67 : 160 137 59 | 480 Carcinoma hepatis 22 || 29 B 171 141 72 510 |Vitium cordis, Myocarditis | fibrosa 23 | 44 weiblich | 160 135 63 | 47,4 Carcinoma propagatum in | omentum minus 24 | 60 156 133 62 | 46,6 Dilatatio cordis, Nephritis, Fettsucht Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen etc. 205 belle TE. Höhe | Breite | Entfernung | Entfernung \ Breite Höh | Breite | Länge des | des des des | Höhe des ae 2 | des der Tubenlumen Tubenlumen‘ Isthmus | Isthmus des Lumens 0 Be Lumens Tube am am vom vom | Isthmus im Be | im Ost. tymp. | Ost. tymp. | Ost. tymp. | Ost. phary.| Isthmus | PAaTIDE: Ost. phar. | | | 370, |° 260. P\ wasse 10.0. 1220054.) 20 a 3,3 34,8 N Pe ea N 1,0 4,5 3,4 | | | | 2350 |. 50139170 100. | 250 2,0 12 5:8 3,2 | 338 | 54 40..| mo | 228 | 24 0,7 So 202 380 | 50 Sa 29827125089 Die 31 1,0 50 | 53 91 | 40 | 38 Bro, 201 2,9 1,0 so | 30 arg na u 1al7a.1227:00 |..92,9 1,3 5,0 1,6 34,0 4,0 5 | 170 27,0 1,3 1,0 7,3 5,6 Ze 3,0 109,8 28,2 2,9 0,9 761 5,8 | 37,0 50 | 30 9,0 28,0 2,2 1,0 a | 85,5 | 5,0 3,5 10,5 25,0 3,0 1,4 6,5 1,4 s44 | 43 33, Bug 54 | 22 1,5 71 4,0 330 | 40 3,2 11,0 27,0 1,4 0,8 5,9 3,0 17320. 40 302 | ..11,0: 260 3,6 0,7 6,5 2,1 | 358 | 50 sa" 108. | 250 2,0 17 8,0 4,8 | | | 38,0 5,0 £037,.611.0.. 1, 2007.10 72,2 1A? 8,0 5,0 38,4 3,5 2 0A 503,0 2,4 0,8 5,0 4,0 38,8 4,5 3,0 13.0. 7 25,83 3,5 0,8 90 | 30 39,2 5,4 40 | 120 | 272 3,4 11 or Al | | | | | 39,1 5,8 ee 2,3 BORN. 691 1 840 35550 3:02, 11,5, ,| 240 27 |,206 80 | 48 36,0 6,0 36 } 11,0 | 250 3,8 1,0 660 | 30 350 | 40 3 Ro 2,8 0,5 50 | 25 | | | | 34,0 4,1 25 | 110 23,0 DEM, |3.:0,75 + 50 3,0 | | 206 U. YOSHII, Nr. || Alter | Geschlecht | Körper- u ie a Ealhol „anzienehE Jänge Gesichtes | Gesichtes | Gesichtes Diagnose 25 | 80 | weiblich 150 135 60 45,1 Altersschwäche 26 85 | männlich 177 143 73 51,0 Arteriosclerose, Degene- ratio cordis 27| 35 ß 179 140 69 49,0 | Alter Abscess nach Peri- typh. Sepsis 23 || 62 s 170 141 63 44,6 Schädelfraktur 29 | 72 2 162 140 72 51,4 Arteriosclerose 30 | 483 £ 178 157 65 47,4 Degeneratio cordis 81 | 25 | weiblich 150 119 60 50,4 Tuberculosis pulmonum und Meningitis 82 | 43 | männlich 162 127 66 51,9 Phthisis pulmonum 33 | 38 | weiblich 158 129 62 48,1 | Phthisis pulmonum 34 | 34 männlich | 166 139 62 44,5 Phthisis pulmonum 35 | 87 s 165 135 75 95,9 Phthisis pulmonum 36 | 35 | weiblich 145 115 60 52,2 Phthisis pulmonum, Peri- tonitis 37 | 853 R 152 130 72 55,4 ‚ Phthisis pulmonum, Peri- tonitis 38 | 20 | männlich 158 130 60 46,1 | Phthisis pulmonum 39 | 33 | weiblich 152 125 64 91,2 Tuberculosis pulmonum 40 | 43 |männlich 158 135 68 50,8 Phthisis pulmonum, Peri- tonitis 41 | 55 | weiblich 145 125 61 48,8 Miliartuberkulose 42 | 67 » 154 122 64 52,4 Phthisis pulmonum 43 18 |männlich 158 138 67 48,6 |Phthisis pulmonum, tuber- kulöse Peritonitis 44 | 53 : 163 135 65 48,1 Phthisis pulmonum 45 ı 49 | weiblich 160 126 62 49,2 Tubereulosis pulmonum 46 | 47 | männlich 176 144 65 92,0 Tuberculosis pulmonum 47 | 52 | weiblich 155 127 61 48,0 Tuberculosis pulmonum 48 | 57 3 148 127 64 50,3 Tuberculosis pulmonum 49 | 47 | männlich 166 140 70 50,0 Tuberculosis puimonum 50 || 35 R 162 122 70 97,8 Tuberculosis pulmonum Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen etc. 207 | | Höhe Breite Entfernung | Entfernung Breite | Höh | Breite Länge | des des des des Höhe | des L < des der Tubenlumen Tubenlumen, Isthmus Isthmus des Lumens 5 | Lumens Tube | am am vom vom Isthmus im Ostium | im | | Ost. tymp. | Ost. tymp. | Ost. tymp. |Ost. phary. Isthmus pharyng. | Ost. phar RN | 350 | 65 2,8 105. |,205 |. 98 0,5: 1.280 4,0 139.0, 112 2408 3,7 12,0 27,0 3,0 0,9 | N | | | 239,5. | 35 2,8 10,5 29,0 2,3 0.3 1 376:0 5,0 | | | | | 40,8 6,4 3,5 11,0 238.0 |02,,3:7 0,8 On. 465 | 38,8 6,8 3,0 11,0 a8, | Rai Os 2.70 3,0 ı 382 3,7 2,5 102 | 280 Sn al Wr 3,0 | 39,8 |. 6,4 4,3 12,8 27,0 3,3 Demn E60 22 | 35,2 4,8 3,4 11,2 40 | 29 1,0 Seh. 12 ı 35,0 5,0 2,9 11,8 23,2 3.5 19 622 0735 | 87,2 42 3,9 10,2 27,0 300 52.580 82.2, 48 | 40,0 | 80 4,0 | 13,0 27,0 SAT ae 8,0 3,0 | 85,3 6,3 3,0 9,8 25,5 25 ll A ln | | | | | 366 | 5,0 - 4,0 11,8 24,8 2,8 INISEENe :8.0, eo 358 | 5,8 18 | 115 | 243 ar ss | 32 34,3 | 5,6 4,6 10,0 24,8 02 | [5° nass 4,2 8,0 27,2 3,4 2,0 5,0 4,0 | N | | 384 | 5,5 3,9 lo 20063 40 | 19 8,9 6,0 | 36,6 4,7 3,2 11,8 24,8 220 25179 9,0 8 | 39,2 4,3 3% 12,2 27,0 3,9 13 6,8 2,0 ' 39,0 6,0 4,0 11,0 28,0 3,4 1,0 7001.30 | 89,5 5,0 3,4 13,0 236,5 3,2 1,0 45 30 40,0 BA 3,8 13,0 27,0 3,8 1,0 53 | 40 42,0 5,5! 3,0 14,0 28,0 3,9 1.3 9,0 3,0 36,0 4,3 5,0 10,0 26,0 2,3 0,9 6,0. 717 75,0 36,1 5,7 3,9 10,6 25.5 2,8 1,2 52 | 30 35,0 5,4 4,6 10.527.245 2,9 1,3 4,7 3,0 208 U. YOSHII, schlechtes, während unter den Nichttuberkulösen 12 männlichen und 18 weiblichen Geschlechtes waren. Was das Alter der Untersuchten anbetrifft, so variiert es von 18 bis 85 Jahren. Vergleichen wir unsere Resultate mit der Angabe von Bezold, so zeigt sich das Ergebnis auf Seite 203. Die Differenzen zwischen den Zahlen von Bezold und von mir sind keine bedeutenden; unsere Zahlenreihe ist die grössere und dürfte daher in ihren Durchschnittsziffern dem wirklichen Mittel etwas näher stehen. Rechnet man die 7 Bezoldschen Nummern, deren Dimensionen alle gemessen sind, zu den 30 Nichttuberkulösen unserer Sammlung hinzu, so ergeben sich folgende Mittelzahlen: Tabelle II. nn 111111 Dimension der menschlichen Tube Mittelzahl Ganze Könge, der Luber o..0. ra. a en Er | 36,94 Länge des knöchernen Teiles . . . . 2. 2... 0. 10,90 Länge des knorpeligen Teiles . . -» -» - . 2 0... 26,04 Höhe des Ostium tympanicum. . - » 2 220. 0. 4,75 Breite des Ostium tympanicum . . .. 2 ee. | 3,98 HiohetdeszIsthmusi tt 2. 20 De ee ee ee 2,74 Breite deswlschmn st ee 0,9 3. Verhältnis der Tubenlänge zur Körperlänge. Tabelle IV. nun NH | Durchschnittliche Masse | Körperlänge | Tubenlänge | knöch. Teil | knorpel. Teil Tuberkulöse Männer . ae TOT 1 2,615 Nichttuberk. Männer . 163,4 3,823 hl 2,706 TuberkulöseFrauen . 152,0 | 3,139 1,171 2,064 Nichttuberk. Frauen . 150,9 | 3,632 1,038 2,594 Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen ete. 209 Es geht aus den Zahlen der zwei ersten Kolonnen hervor, dass zwischen derganzen Tubenlänge und der Körper- länge keine bestimmte Parallele besteht. Eine grosse Körperlänge bedingt keine grosse Tube, aber die Tube ist bei den Frauen relativ erheblich grösser als beiden Männern. 4. Verhältnisse zwischen der Gesichtsbreite und der Tubenlänge. Um zu untersuchen, ob eine bestimmte Beziehnng zwischen Gesichtsbreite und Tubenlänge besteht, haben wir folgende Proportion aufgestellt: Gesichtsbreite : Tubenlänge = 100: x Daraus lässt sich der : j an 3 Tubenl. x. 100 Gesichtsbreitetubenlängenindx=x= ech bestimmen; er wächst proportional der Grösse der Tube und umgekehrt proportional der Grösse der Gesichtsbreite. Der durchschnittliche Wert des Gesichtsbreitetubenlängen- index beträgt bei nichttuberkulösen Männern 27,45 tuberkulösen „ 27,11 „ nichttuberkulösen Frauen 28,56 2 tuberkulösen „ 30,00 Daraus geht nun hervor, dass dieser Index bei tuberkulösen Personen beider Geschlechter grösser ist als bei nicht tuber- kulösen. Dieser Unterschied kommt wohl dadurch zustande, dass das Gesicht bei tuberkulösen Personen meistens schmäler istals bei nichttuberkulösen Individuen(Siebenmann, Minder). Desgleichen ergibt sich, dass bei Frauen der Gesichtsbreite- tubenlängenindex grösser ist als beim männlichen Geschlecht, was zum Teil wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Tube Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 14 210 U. YOSHII, bei den weiblichen Individuen unserer Untersuchungsreihe relativ änger ist als bei den männlichen. Die Zahlen sind zwar so klein, dass bindende Schlüsse kaum gestattet sein dürften; immerhin beweisen sie, dass ein konstantes Verhältnis zwischen Tubenlänge und Gesichtsbreite nicht be- steht. 5. Altersverschiedenheiten am Tubenlumen. Über die Grössenverhältnisse des Tubenlumens bei älteren Leuten schreibt Rüdinger (Monatsschrift für Ohrenh. 1868 8.137): „Bezüglich des Verhaltens der einzelnen Gebilde der Eustachischen Röhre bei Greisen kann ich einige Tatsachen mit- teilen, welche zur Erklärung des fühlbaren ÖOffenseins jener Röhre bei manchen Menschen dienen dürften. Untersucht man nämlich die Eustachische Röhre bei 70 bis 80 jährigen Individuen beider Geschlechter, so zeigt sich häufig bei ihnen die trichterförmige Pharynxöffnung viel weiter als bei Personen in mittleren Lebensjahren. An Querschnitten solcher Tuben ergibt sich, dass der ganze Binnenraum weit klatft. Der pneu- matische Kanal unter dem Knorpelhaken ist weiter als gewöhn- lich und zwar wesentlich dadurch, dass die laterale Knorpel- platte etwas auswärts gerichtet ist, während dieselbe unter nor- malen Verhältnissen noch dem Binnenraum eingerollt erscheint usw.“ Als Ursache dieser Anomalie nimmt Rüdinger das Ver- schwinden des Fettes an. Er fährt fort: „Das an der lateralen Seite befindliche Fett fehlt fast vollständig an drei von mir untersuchten Tuben: an seine Stelle ist ein faseriges Bindege- webe getreten. Der Musculus dilatator tubae erscheint sehr schwach, wenn nicht teilweise atrophiert, dann in vielen Fasern vermisse ich die Querstreifung.“ Auch Bezold (Lehrbuch der Ohrenheilkunde S. 63, 1906) schreibt: „Mit zunehmenden Jahren wird der Tubenverschluss Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen etc. 211 (ohne weitere gleichzeitige Veränderungen) immer weniger häufig und in höherem Alter kommen nur vereinzelt mehr reine Tuben- prozesse vor.“ Ostmann (Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. IV, S.180) hat aus seinen microscopischen Untersuchungen der Tuba von ab- gemagerten und fetten Personen folgenden Schluss gezogen: 1. Das Fettpolster der lateralen Tubenwand bildet eine Schutzvorrichtung für das Mittelrohr. 2. Bei der Abmagerung verschwindet dasselbe in mehr oder weniger ausgedehntem Masse. 3. Durch diesen Fettschwund wird die zuweilen beobachtete zeitweilige Eröffnung der Tuba bei stärker abgemagerten Personen erklärt. 4. Eine kräftige Wirkung der Tubenmuskeln, inbesondere des Musculus dilatator tubae, sowie eine direkte Verbindung desselben mit der lateralen häutigen Wand kann die zeitweilige Eröffnung der Tuba nur fördern. Die Resultate meiner Messung für die Entscheidung dieser Frage sind folgende: Tabelle V. Die durchschnittlichen Masse der Tube. Höhe des Ost. |Breite des Ost. |Höhe des Isth- |Breite des Isth-| Höhe und Breite tymp. tymp. mus mus phar. Mündung | unter 4 | 5 ahrenı .g >01 3,51 2,96 | 1,11 5,85 | 3,20 über | EN 50 Jahren 5,24 3,61 2,86 | 1,12 7,22 | 4,12 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die Grössenver- hältnisse der knöchernen Tuba im höheren Alter sich nicht verändern, während der knorpelige Ab- schnitt nach meinen Messungen und konform den Angaben von Rüdinger und Bezold um ein Beträcht- liches weiter wird. 14* 212 UNYOSHII 6. Unterschiede zwischen den tuberkulösen und den niehttuberkulösen Individuen. Im Verlauf der Lungenphthise tritt bekanntlich in einem grösseren Prozentsatze (14° Herzog!) der Fälle Otitis media tuberkulosa ein. Bezold (Überschau über den gegenwärtigen Stand der Ohrenheilkunde S. 1252, 1895), hat in seiner ohren- ärztlichen Praxis unter 17087 Gesamtkranken bei 127, also 0,7°/o, phthisische Mittelohreiterungen beobachtet. Am Schlusse seiner klinischen Beschreibung drückt er sich folgendermassen aus: „Wir haben somit durch unsere Erfahrungen am Gehör- organ des Phthisikers auch einen tieferen Einblick in den dunklen Begriff „Habitus phthisicus“ erhalten; und es geht aus demselben hervor, dass bei der Beurteilung der phthisischen Prozesse überhaupt auch das Ohr, in welchem die tuberkulösen Zerstörungsprozesse so häufig wie nur an wenig anderen Loka- litäten bereits im Leben betrachtet werden können, künftig nicht mehr vernachlässigt werden dürfen.“ Über die Ursache der tuberkulösen Otitis äussert sich der gleiche Forscher (Arch. für Ohrenheilkunde Bd. XX1, S. 246): „Die akuten eitrigen, wie nichteitrigen Paukenhöhlenentzündungen werden häufiger durch das direkte Hineinschleudern von Par- tikeln infektiösen und septischen Materials per tubam hervor- gerufen als durch das allmähliche Fortschreiten der Entzündung per continuitatem.“ Auch Habermann (Prag. Zeitschrift für Heilkunde Bd. IX S. 132) kommt auf Grund seiner Untersuchung zu folgender An- nahme: „Was den Weg betrifft, auf dem die tuberkulöse In- fektion des Mittelohres zustande kam, so möchte ich mich in diesem Falle dafür aussprechen, dass die Tuberkelbacillen auf dem Wege der Tuba Rustachii in die Paukenhöhle gelangen.“ ı) Herzog, Beiträge zur Klinik der Ohrtuberkulose 1907. Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen ete. 213 Hegetschweiler (Phthische Erkrankung des Ohres S. 105 1895) schliesst sich in Berücksichtigung der Sektionsbefunde bei tuberkulösen Otitiden der Annahme von Bezold und Haber- mann an: „Wie der Larynx, namentlich bei der sogenannten colliquativen Form der Lungenphthise, häufig durch direkten Kontakt seiner Schleimhaut mit den bacillenreichen Auswurfs- stoffen der Lungen infiziert, ich möchte sagen geimpft wird, so, stellt man sich vor, wird auch das Mittelohr direkt durch kleine Partikel phthischer Sputa, die beim Husten in die Tuba hinein- geschleudert werden, angesteckt.“ Er stützt diese Ausführung durch die Erfahrung, dass „die Tube tuberkulöser Personen ge- wöhnlich weit und leichter durchgängiger ist.“ Allerdings sind genaue Messungen bisher ausstehend. Nach Bezold (Lehrbuch der Ohrenheilkunde 1906 S. 169) kann infolge der Veränderungen in der Umgebung der Tube ihr Lumen andauernd geöffnet bleiben. Es ist dies ein verhält- nismässig sehr seltenes Vorkommnis. Er schreibt: „Die wenigen Kranken, welche ich mit den charakteristischen Erscheinungen der offenstehenden Tube untersuchen konnte, boten sämtlich das Bild starker Abmagerung, welche unter dem Einfluss von Phthisis im letzten Stadium, sonstigen schweren Allgemeinerkrankungen oder senilem Marasmus sich rasch entwickelt hatten. Da der knorpeligen Tuba ein starkes Fettpolster anliegt, so kann durch Schwund desselben die äussere membranöse Wand von der inneren knorpeligen sich abheben und das Tubenlumen klaffen.“ Hier dürfen auch die schon 8. 2il erwähnten Untersuchungen von Ostmann an den Tuben abgemagerter Leichen noch einmal Erwähnung finden. Durch diese Erklärungen wird es verständlich, dass die Tube des Phthisikers in ihrem knorpeligen Teil, infolge des Schwindens des Fettpolsters, weiter wird. Unsere Zahlen ergeben als mittlere Tubenweite am pharyngealen Ostium: 214 U.YOSHN; an Höhe an Breite Bei Nichtphthisikern 6,33 3438) Phthisikern 6,73 3,69 bestätigen also die Ansicht von Bezold über die grössere Weite der knorpeligen Tube bei Phthisikern. Immerhin muss betont werden, dass die Vergrösserung des Lumens in beiden Durchmessern keine bedeutende ist. Würde sich nachweisen lassen, dass neben dem knorpeligen Abschnitte auch der knöcherne Teil der Tuba bei tuberkulösen Personen weiter ist, so würde das tatsächlich gesteigerte Risiko der Infektion des Mittelohres auf dem oben erwähnten Wege des Hineinschleuderns von bacillenhaltigen Partikeln noch besser sich erklären lassen. Diese Frage war bisher nicht gelöst. Prof. Siebenmann, der auf Grund von anatomischen und klinischen Erfahrungen ver- mutete, dass wirklich auch eine abnorme Weite der knöchernen Tube zum phthisischen Habitus gehöre, veranlasste uns zu be- sonderen Messungen der betreffenden Verhältnisse. Zur Fesstellung der Grösse des knöchernen Abschnittes der Tube bestimmten wir ihre Höhe und Breite am Isthmus und am tympanalen Eingang. Die durchschnittlichen Masse derselben bei den tuberkulösen Personen und bei nicht tuberkulösen sind folgende: Tabelle VI. TympanaleMündung | Isthmus Höbe | Breite Höhe | Breite ? Tuberkulöse Männer . . ... 5,66 4,00 3,25 1,29 Nichttuberkulöse Männer . . . . 5,10 3,47 2,83 1,00 Tuberkulöse Frauen . . ... 5,38 18 3,25 141 Nichttuberkulöse Frauen . . . . 471° | 3,32 71° .2,607°7220:98 | | Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube im allgemeinen etc. 215 Differenz. | ‚TympanaleMündung lsthmus Höhe | Breite | Höhe | Breite, | | | Bei tuberkulösen Männern . . . | +0,56 | +0,53 | +0,42 | +0,39 Bei tuberkulösen Frauen . . . . +0,62 | +0,41 | 40,65 | + 0,48 | Die vermuteten Unterschiede treten somit in beiden Durch- messern sehr deutlich zutage; sie sind am grössten bei den Frauen und zwar sowohl am Isthmus als am oberen, in die Paukenhöhle mündenden Ende. Auf Grund dieser Tatsachen kommen wir zu folgendem Schluss: Das Tubenlumen der tuberkulösen Individuen beider Geschlechter ist nicht nur im knorpligen Abschnitte sondern auch im knöchernen Teil der Tube höher und breiter als bei Nichttuberkulösen. Es ergibt sich als neues Charakteristikum des phthisischen Habitus eine Tubenweite, welche auch im knöchernen Abschnitt über der Norm steht. Schlussfolgerung. 1. Beim Korrosionverfahren kommen als Artefakte sehr häufig Abbiegungen und Drehungen der knorpeligen Tube zu- stande. 2. Die Tubenlänge beträgt beim Erwachsenen 3,4—4,2 cm, sie steht in keinem bestimmten Verhältnis weder zur Körperlänge noch zur Gesichtsbreite. 9216 U. YOSHII, Über die Grössenverhältnisse der menschlichen Tube etc. 3. Genaue Messungen der Tube ergeben keine grösseren Verschiedenheiten für die beiden Geschlechter, immerhin scheint die Tube des weiblichen Individuums relativ, d.h. mit Berück- sichtigung der Körperlänge etwas länger zu sein als diejenige des Mannes; ferner findet sich in höherem Alter häufig eine Er- weiterung im Gebiete des knorpeligen Abschnittes. 4. Die Tube der Tuberkulösen ist durchschnittlich nicht nur im knorpligen, sondern auch im knöchernen Abschnitt weiter als diejenige der Nichttuberkulösen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Korrosionspräparat der Tube. (37jähriger tuberkulöser Mann.) (Vergr. 5:3). Fig. 2. Korrosionspräparat der Tube. (19 jähriges, nicht tuberkulöses Weib.) (Vergr. 3:2). Fig. 35. Korrosionspräparat der Tube. (49jähriges tuberculöses Weib.) Grosse flügelförmige Cellula tubaria sup. (Vergr. 3:2). Fig. 4. Korrosionspräparat der Tube. (80 jähr., nicht tuberkulüses Weib.) Grosse flügelförmige Cellula tubaria sup. (Vergr. 3:2). AUS DEM VERGLEICHEND-ANATOMISCHEN Institut zu FREIBURG 1. Br. DIE ENTWICKELUNG DER PAUKENHÜHLE LAGERTA AGILIS. EIN BEITRAG ZUR LEHRE VOM SCHALLEITENDEN APPARAT DER WIRBELTIERE. VON ELISABETH CORDS. Mit 17 Figuren im Texte und 9 Figuren auf den Tafeln 22/23. Inhaltsverzeiehnis. Seite en ee. re ee pn 205 A. Descriptiver Teil. I. Frühere Untersuchungen über die Entwickelung und das Ver- halten der Paukenhöhle bei den Reptilien . . . . - . . 225 II. Eigene Untersuchungen . . - : 5 ne ee! 1. Beschreibung der Serien 1— 7 von Tacses amılıse 20.2201 3. Zusammenfassung der Befunde . . » 2 2. none 276 B. Vergleichend anatomischer Teil. Literatur-Verzeichnis . . . Va re ee AL ID 1 Erklärung der Figuren 1—9 auf ER "Tafeln a N ES Einleitung. Das Material zu vorliegenden Untersuchungen verdanke ich Herrn Professor Gaupp, auf dessen Veranlassung hin auch die Arbeit unternommen worden ist. Ebenso habe ich ihm zu daniken für das Interesse, das er jederzeit für dieselbe zeigte, sowie für manche sonstige Anregung und nützliche Winke bei Verfolgung derselben. Es lagen mir zahlreiche Serien von Lacerta agilis vor, grösstenteils in Horizontalschnitten ; nur einige warenin Sagittal- schnitte zerlegt. Die Objekte waren meistens in Hämatoxylin- Eosin, zum Teil auch in Bismarkbraun oder Hämatoxylin-Orange gefärbt. Die Schnittdicke betrug 15 und 20 u. Der kleinste Embryo hatte eine Kopflänge von 1,7 mm, das grösste genauer untersuchte Exemplar war ein ausgeschlüpftes Tier, dessen Kopf- länge 8 mm betrug bei einer Gesamtlänge von 65 mm. Zum Vergleich und zur Kontrolle der Befunde wurden auch die Ver- hältnisse von erwachsenen Tieren in Schnittserien untersucht. Unter diesen Serien wählte ich eine Reihe von sieben auf- einanderfolgenden Stadien aus, die ich der nachstehenden Be- schreibung zugrunde lege. Fünf von ihnen wurden ausserdem zur Anfertigung von Modellen nach dem Bornschen Platten- Rekonstruktionsverfahren benutzt. Die Kleinheit der Objekte und die Kompliciertheit der darzustellenden Verhältnisse machten eine recht beträchtliche Vergrösserung notwendig. So ist bei 924 ELISABETH CORDS, den Modellen der vier jüngeren Stadien eine 100fache Ver- grösserung gewählt worden, während das fünfte aus rein tech- nischen Gründen!) bloss T5fach vergrössert wurde. Bei allen zur Anfertigung von Modellen benutzten Stadien wurden die Epithel- schichten, sowohl Ectoderm als Entoderm, modelliert, wobei allerdings stellenweise eine geringe Vergrösserung der Dicke des Epithels nicht zu umgehen war. Die Verdickung wurde dann an der der freien Oberfläche entgegengesetzten Seite der be- treffenden Epithelschicht angebracht, um das Oberflächenrelief der interessierenden Teile nicht willkürlich abzuändern und be- sonders das Lumen der Hohlräume nicht noch mehr zu ver- engen. [Sie ist übrigens im Vergleich mit der starken Ver- grösserung so unbedeutend, dass die Resultate dadurch in keiner Weise beeinflusst werden.] An den beiden ersten Modellen ist wegen des Zusammenhanges der Schlundspalten mit der Kör- peroberfläche auch die äussere Körperbedeckung in dem be- treffenden Gebiet mit zur Darstellung gebracht worden. An den anderen, spätere Stadien darstellenden Modellen ist nur noch die Umwandlung der Entoderm-Ausstülpungen verfolgt und model- liert worden. Sobald es möglich war, die einzelnen Blastem- grenzen in den Mesodermmassen auch nur einigermassen sicher zu bestimmen, habe ich auch die in der Anlage begriffenen Knorpel- und Knochen-Teile in den Modellen zur Anschauung zu bringen gesucht. Ich ‘werde in nachfolgenden Blättern nach Berücksichtigung des bisher über die Entwickelung der Paukenhöhle und der Tuba Eustachii bei Reptilien bekannt gewordenen, zunächst eine Beschreibung dieser Modelle und der sonstigen ausgewählten 1) Bei dem mir zur Verfügung stehenden Projektionsapparat hätten dıe an diesem Objekt schon recht grossen Schnittbilder bei noch stärkerer Ver- grösserung in den Randteilen eine zu bedeutende Verzerrung gezeigt, um noch als genau genug gelten zu können; ausserdem ‚zeigt dieses Stadium, das älteste, das modelliert wurde, alle Teile schon von so beträchtlicher Grösse, dass eine noch stärkere Vergrösserung überflüssig erscheinen musste. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 225 Serien geben, um alsdann die Resultate, die sich aus der Unter- suchung ergeben haben, kurz zusammenzufassen und sie den an anderem Material von anderen Untersuchern gewonnenen Ergebnissen gegenüberzustellen und mit ihnen zu vergleichen. Dabei lässt sich nun die Erörterung verschiedener anderer Punkte, — auch solcher, die sich nicht direkt auf die Entwicke- lung der Paukenhöhle bei Reptilien beziehen — nicht umgehen. So wird z. B. die Frage nach der Homologie der Paukenhöhlen- und Trommelfell-Bildungen bei den verschiedenen Klassen der Wirbeltiere hier eine nähere Berücksichtigung finden müssen. Ferner werden wir uns Rechenschaft über den Wert des Nerven- verlaufes zum Cavum tympani sowie über die Natur und Her- kunft der Columella auris zu geben haben. Auch die Frage nach der Neubildung eines Kiefergelenkes und dem Funktions- wechsel von Quadratum und Articulare im Sinne der Reichert- schen Hypothese wird hierbei gestreift werden. A. Deskriptiver Teil. Es soll hier zunächst eine kurze Übersicht über die bisher gewonnenen Anschauungen hinsichtlich der Entwickelung des tubo-tympanalen Raumes bei den Reptilien gegeben werden. Dabei sollen auch die Zustände dieses Organsystems bei er- wachsenen Tieren und die Deutungen, die sie erfahren haben betrachtet und verwertet werden. I. Frühere Untersuchungen über die Entwickelung und das Verhalten der Paukenhöhle bei Reptilien. Nur eine kleine Reihe von Arbeiten ist es, die hier aufzu- führen sind. Die Entwickelungsgeschichte der Paukenhöhle speciell bei den Reptilien hat sich bisher nur eines geringen Interesses zu erfreuen gehabt. Und doch sind sicher gerade hier interessante Aufschlüsse zu erwarten nicht nur in bezug auf dieses Hohlraum-System bei den Reptilien selbst, sondern auch Avatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (35. Bd., H. 2). 15 6 ELISABETH CORDS, hinsichtlich der morphologischen Bedeutung der Bestandteile des schalleitenden Apparates in der Reihe der Wirbeltiere über- haupt. Rathke (1861) sagt über die Bildung des tubo-tympanalen Raumes in seiner Entwickelungsgeschichte der Wirbeltiere fol- gendes: „Bein... 1.7.2). den Schildkröten und den Sauriern ver- wächst die vorderste Schlundspalte nur in ihrem äussersten Teile oder dem Eingange, und aus der Substanz, die dazu verwandt ist, entwickelt sich das Trommelfell; der übrige Teil der Spalte aber nimmt mit dem Wachstum des Kopfes bei den meisten von diesen Tieren bedeutend an Weite und Tiefe zu und bildet eine verhältnismässig beträchtlich weite Höhle, welche die Trommel- höhle und Eustachische Trompete der höhern Tiere representiert. Bei den Krokodilen hingegen entwickelt sich aus ihm eine lange enge Eustachische Trompete und eine weite Trommelhöhle..... Bei den Schlangen und schlangenartigen Sauriern ..... Ver- wächst jene Spalte gänzlich oder beinahe gänzlich.“ Die Bemerkungen, die Parker (1877—1883) in seinen ver- schiedenen Schädel-Arbeiten über die Paukenhöhle bei Reptilien macht, sind auf gelegentlichen Notizen über das Vorhandensein und die gröberen Formverhältnisse dieses Organs bei den ein- zelnen der von ihm untersuchten Stadien beschränkt. Die Columella ist nach seiner Ansicht „manifestly a compound organ, both periotice and visceral.“ Auch van Bemmelens (1886) Angaben sind sehr kurz. Von den fünf Paar Schlundspalten, die er bei Schlangen und Eidechsen fand, wird „das erste Paar, so wie bei allen Amnioten, zur Tuba Eustachii und Cavum tympani, die wie bekannt, bei Schlangen rudimentär bleiben.“ Etwas ausführlicher sind die Angaben, die wir ©. K. Hoff- mann (1884—1889) verdanken, obgleich auch dieser die Ent- wickelung der Paukenhöhle nur nebenher und im Anschluss anseine Untersuchungen über die Gehörknöchelchen betrachtet. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilıs. 227 Nach seiner Auffassung entsteht die Paukenhöhle der Reptilien in Übereinstimmung mit ihrem Verhalten bei Vögeln oder Säugern, aus der sehr lange in embryonalem Zustande beharren- den ersten Schlundtasche, und zwar „aus einem nach aussen, oben und vorn gerichteten Fortsatz, dem Canalis tubo-tympaniecus“. — Hoffmann weist selbst darauf hin, dass er hier zu einem etwas anderen Befunde kommt als Koelliker (1879), mit dem er sich sonst in Übereinstimmung befinde, und bei dem der genannte Fortsatz als „nach oben, aussen und hinten“ gerichtet angegeben wird. Später rückt unter Resorption des umgebenden embryo- nalen Gewebes die ursprünglich hinter der ersten Kiementasche gelegene Columella in die Paukenhöhle; eine vordere und eine hintere Aussackung der Höhle vereinigen sich über dem Gehör- knöchelchen, so dass dann „der Stapes“ an seiner freien Ober- fläche von Schleimhaut, „der unmittelbaren Fortsetzung der Schleimhaut der Schlundhöhle* bekleidet ist. Hoffmann kommt zu dem Schluss, dass „dieser Canalis tubo-tympanicus vollkommen der Spritzlochkieme bei den Selachiern und der embryonalen Spritzlochkieme bei den Knochenfischen entspricht, wie aus seiner Lage zwischen dem Nervus trigeminus und dem Nervus acustico—facialis, die vollständig mit der der Fische über- einstimmt, deutlich hervorgeht.“ Die Columella entsteht nach ihm aus zwei genetisch verschiedenen Stücken, von denen er das mediale als „Otostapes* von der Labyrinthwand herleitet, während das laterale, der „Hyostapes“ dem Zungenbeinbogen seine Entstehung verdanken soll. Nach ihm wäre also die Colu- mella doppelter Herkunft. Während demnach die Angaben über die Untwickelung der Paukenhöhle bei den Reptilien sich als sehr spärliche und wenig eingehende erwiesen haben, fanden die Verhältnisse des tubo-tympanalen Raumes in ihrer definitiven Ausgestaltung mehr Beachtung. Von älteren Untersuchern wären vor allem zu nennen: Windischmann (1831), Leydig (1872)und Hasse(1871—1873). 15* 228 ELISABETH CORDS, Der letzte Forscher, der die diesbezüglichen Fragen mit grosse Genauigkeit und an einem ausserordentlich reichhaltigen Material boarbeitete, ist J. Versluys (1898). Es kann nicht meine Ab- sicht sein und entspricht auch durchaus nicht dem Ziel dieser Arbeit, hier im einzelnen auf die sorgfältigen Untersuchungen Versluys’ einzugehen. Nur einige Punkte werde ich näher berücksichtigen, hinsichtlich aller Einzelheiten muss auf die Original-Arbeit verwiesen werden. Schon den älteren Beobachtern fiel die ungemeine Weite der Verbindungsstelle der Paukenhöhle mit dem Rachen auf. Leydig sagt darüber: „Hier bleibt es immer von Bedeutung, sich leicht überzeugen zu können, dass der Paukenraum nur eine Ausbuchtung der Raclıenhöhle um den diekbauchigen Mus- culus pterygoideus externus herum nach hinten und oben vor- stellt;“ er hält deshalb die Benennung: Tuba Eustachii nicht für angebracht. Auch Versluys ist der Ansicht, dass man diesen Namen „der eingrejfenden Umbildungen“ wegen, die beiden Reptilien stattgefunden haben, besser nicht anwendet; nur bei Chamäleonten und einigen Iguaniden „liegt im Auftreten von Schleimhautfalten eine Vorrichtungzur Verengerung der Kommu- nikation von der Paukenhöhle mit der Rachenhöhle vor.“ Auch die Form der Paukenhöhle soll sehr variabel sein, „da sie der Haupt- sache nach von den Proportionen einiger Knochen, weiter auch von verschiedenen Muskeln, die ein sehr veränderliches Volumen haben, bestimmt wird; die Variationen sollen sich besonders am medialen Teil der Paukenhöhle bemerkbar machen. Hasse unterscheidet bei den Reptilien zwei Abschnitte des tubo-tym- panalen Raumes: er spricht sich darüber in seiner Arbeit „über das knöcherne Labyrinth der Frösche“ folgendermassen aus: „Der Teil der Paukenhöhle, welcher bei den Eidechsen im Be- reich des Os quadratum sich findet und von demselben teilweise umlagert ist, ist das eigentliche Cavum tympani, der Teil da- gegen, der zwischen der Innenwand desselben und der äusseren Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 229 Labyrinthwand liegt, ist der Recessus.*“ Ein Nebenanhang ist der nach hinten gewendete Recessus scalae tympani. Bei Kroko- dilen, Vögeln und Säugern ist der Recessus auf eine Vertiefung im Bereich des Foramen vestibulare reduziert. Versluys hält die Einteilung in ein eigentliches Cavum tympani und einen Recessus nicht für berechtigt, da er auf Grund seines reichen Materials zu der Anschauung gekommen ist, dass „die Trennung beider Teile of sehr unvollkommen ist; den medialen Abschnitt, der bei weitem der geräumigste ist, als Recessus dem lateralen Abschnitt als eigentliches Cavum tympani gegenüberzustellen, wird schon dadurch unmöglich.“ Ebenso tritt er einer von Hasse vertretenen Homologisierung des an der medialen Pau- kenhöhlenwand gelegenen Recessus bei den Vögeln mit dem Recessus bei den Reptilien entgegen. Die Weite der Pauken höhle kann wechseln, bis zum völligen Verschwinden des Hohl- raumes; ebenso kann das äusserst verschieden in Grösse und Dicke entwickelte Trommelfell verloren gehen, was Versluys mit der verschiedenen Lebensweise in Zusammenhang bringt. Immer vorhanden ist dagegen die Columella, welche aus „einem inneren, knöchernen Teil, dem Stapes, dessen Basis in der Fenestra utricularis befestigt ist, und aus einem lateralen, hyalin- knorpeligen Teil, der sich mit dem Trommelfell verbindet und von Gadow (1889) Extracolumella genannt wird,“ zusammen- gesetzt ist. Beide Teile sind vielfach durch ein Gelenk ver- bunden, das aber auch verloren gehen kann. In einer zweiten Arbeit (1903) beschäftigt sich Versluys alsdann mit der Entwickelung der Columella auris bei den La- certiliern. Er kommt auf Grund dieser Untersuchungen zu dem Schluss, dass Columella und Zungenbeinbogen dem gleichen „Dlastemstab“ entstammen, dessen ventraler Abschnitt zum ersten Zungenbeinhorn (dem Zungenbeinbogen im engeren Sinne) und dessen dorsaler Abschnitt zur Columella wird. Vom lateralen Ende der Columella-Anlage aus entsteht etwas später der Inser- 230 ELISABETH CORDS, tionsteil, der schliesslich ins Trommelfell zu liegen kommt. Die Verknorpelung von Zungenbeinhorn und Columella erfolgt unabhängig voneinander. Seine Ansicht über den morpholo- gischen Wert der Gehörknöchelchen hat Versluys geändert. Während er früher die Peters-Gadowsche Anschauung ver- trat, wonach die drei Gehörknöchelchen der Säuger in der Columella der Sauropsiden potentiell enthalten sein sollen, ist er jetzt der Meinung, dass aus den Untersuchungen von Parker, Hoffmann, Suschkin sowie aus den in dieser (seiner zweiten) Arbeit mitgeteilten Befunden hervorgeht, doch Peters’ Angriff auf die Reichertsche Hypothese ein verfehlter gewesen ist.“ Dagegen sind einige seiner Angaben, die mit den Beobach- tungen Gaupps von 1900 in Widerspruch zu steben scheinen, meiner Ansicht nach nur auf ein Missverstehen der Gaupp- schen Darstellung zurückzuführen. Während nämlich Gaupp in seiner Beschreibung des Lacerta-Schädels streng zwischen Crista parotica (der Ohrkapsel) und Processus paroticus (der Columella) unterscheidet, denen er, weil sie in frühen Entwicke- lungsstadien getrennt angelegt werden, verschiedene Namen gibt, und die später erst zu einem Ganzen verschmelzen, glaubt V er- sluys auf Grund einer Verwechslung von „Processus parotieus“ und „Crista parotica“ aus Gaupps Angaben herauszulesen, dass dieser die Urista parotica (Versluys’ Processus paroticus), also einen Teil der knorpeligen Ohrkapsel, vom Zungenbeinbogen ableiten will. Soviel ich aus der Gauppschen Darstellung er- sehe, hat dieser unter der Benennung Crista parotica das darge- stellt, was Versluys als Processus paroticus aufführt, während der Processus paroticus von Gaupp dem Processus dorsalis columellae von Versluys entspricht. -—- Auch über die Mus- keln des Mittelohres macht Versluys eingehende Angaben, auf die ich bei der Darstellung meiner Befunde noch zurück- kommen werde. Ganz kürzlich (1907) sind noch einige kurze Mitteilungen Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 231 von Fuchs über die Entwickelung der ‚„Bicolumella“ oder des „Distelidiums‘‘ bei Reptilien erschienen. Fuchs leitet den medialen Abschnitt der Columella von der Ohrkapsel ab, den lateralen vom Skelet des Hyalbogens, steht also, wie er selbst angibt, „im wesentlichen auf dem Standpunkt von ©. K. Hoff- mann‘. Er betrachtet „Operculum bezw. Operculum —- Stilus der Urodelen für homolog dem Otostapes der Reptilien und beide für homolog dem Stapes der Säugetiere; alle drei aber“ hält er „ontogenetisch für Abkömmlinge der Gehörkapsel.‘“ II. Eigene Untersuchungen. 1. Beschreibung der Serien I.—VII. von Lacerta agilis. Ich lasse jetzt die Beschreibung der Serien und Modelle folgen, die mir bei der Untersuchung vorgelegen haben. Serie I. Modell la und Ib (vergl. Textfig. 1; Tafelfigg. 1 und 2.) Der Embryo weist eine Koptlänge!) von 2,4 mm auf; er ist in Horizontalschnitte zerlegt. Bei der äusseren Betrachtung zeigen sich rechterseits cau- dal von der noch weit durchgängigen Hyomandibularspalte noch drei, in der Reihenfolge von vorn nach hinten an Grösse ab- nehmende Branchialspalten, die ebenfalls noch alle durch- gängig sind. Auf der linken Seite finden sich nur zwei offene Spalten; die dritte ist bloss durch eine leichte Einsenkung auf der Aussenfläche des Embryo, der auf der Innenseite eine kleine Aussackung in der Wand des Schlundrohres entspricht, darge- stellt. Eine vierte Branchialspalte ist beiderseits aussen und ') Die Angaben der Kopflänge beziehen sich auf die Entfernung von der Schnautzenspitze bis zur höchsten Erhebung des Mittelhirns. Es ist dies eine genauere Massangabe als die der Gesamtlänge des Tieres, da diese bei der starken und wechselnden Krümmung des embryonalen Körpers gar nicht direkt messbar ist. ELISABETH CORDS, innen nur durch Furchen des Ecto- resp. Entoderms angedeutet, ohne dass es jedoch zur Verschmelzung der beiden Epithel- schichten an den betreffenden Stellen oder gar zum Durchbruch kommt. Ich werde im folgenden bei der Zählung der Kiemen-Spalten und Bogen dem von Gaupp (1905) vorgeschlagenen Modus folgen, und somit die Bogen von vorn nach hinten als Mandi- bular-, Hyal’, erster, zweiter etc. Branchial-Bogen aufzählen; dasselbe gilt für die die Bogen trennenden Spalten, von denen also die zwischen Hyal- und erstem Branchialbogen (caudal von der Hyomandibularspalte) gelegene als erste Branchialspalte im eigentlichen Sinne aufzufassen ist. Zum Modellieren wurde die rechte als die vollständigere Seite gewählt (vergl. Tafeltig. 1), der Übereinstimmung mit den fol- genden, teilweise schon früher fertig gestellten Modellen wegen aber durch Umkehrung der Schnittbilderzeichnungen im Modell 1b als linke Seite modelliert. DieHyomandibularspaltereicht, von aussen betrachtet, unter allen Spalten am weitesten dorsalwärts; dort befindet sich auch die Durchbruchsöffnung nach innen, an die sich ventral- wärts eine rinnenförmige Furche anschliesst, welche die Grenze von Mandibular- und Hyalbogen markiert. Die Schlundhöhle auf diesem Stadium zeigt in ihrem oralen Abschnitt die Gestalt eines plattgedrückten Rohres, das sich erst weiter caudal, etwa vom Abgang der dritten Schlund: spalte ab, allmählich erweitert, indem von dort an seine dorsale und ventrale Wand in der Medianlinie auseinanderweichen, so dass im Querschnitt eine etwa rhombische Gestalt erreicht wird. Von ihrer lateralen Kante erheben sich paarweise die Schlund- taschen mit je einer dorsalen und einer ventralen Aussackung flügelförmig nach aussen. Die Kommunikationsöffnungen der einzelnen Spalten mit der Schlund- oder Rachenhöhle sind ver- hältnismässig eng. An der Hyomandibularspalte ist, wie auf Anatom, Heite. I Abteilung; 13. Heil (38. Bar?) Eerds ad.nab. fbo Verlag vo= 3.1: Bargmans, Wirt Schlund- Höhle Tafel. 22/23. e iPeoK D 2 7. Dr x „u 5 ’ 2 ’ ? ß . in Ar . . 1 5 t P > r . u 1% “ ‘ x } i ’ « - i Y ° =. 2. D * . rn, Er \ ’ > Er Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 233 der Aussenseite, die Öffnung wegen Verschlusses des ventralen Abschnittes dieser Tasche weit (proximal-) dorsalwärts gerückt. Ausserdem zeigt der dorsale Rand dieser Entodermausstülpung eine im Vergleich mit den anderen Taschen recht beträchtliche Aussackung (pF auf Tafelfig. 2), die sich lateral und ventral zur Vena capitis lateralis in rostral-dorsaler Richtung erstreckt, so dass dadurch die ganze Spalte aus ihrer ursprünglich trans- versalen Richtung mehr in eine Längs- oder Sagittalstellung gedreht erscheint; dieselbe Verschiebung zeigt auch die Kom- munikationsöffnung, die dadurch an der Dorsalwand des Ra- chens weit rostral- und medialwärts ausgedehnt ist. An den beiden folgenden Spalten (der ersten und zweiten Branchial- spalte) ist die Verbindung mit dem Darmrohr dadurch kompli- ziert, dass hier das Lumen der in dorso-ventralem Durchmesser abgeplatteten Schlundhöble in die gleichfalls abgeplatteten, aber senkrecht zur Ebene des Hauptrohres orientierten Spalten sehr plötzlich übergeht. An der dritten Spalte ist die innere Öffnung bei der grösseren Weite des Schlundrohres einfach rundlich, während die äussere gleichfalls durch eine quergestellte Spalte gebildet wird. Die Visceralspalten — resp. in früheren oder späteren Stadien die Furchen oder Taschen — würden sich vom Schlund- darm etwa senkrecht zu dessen Längsachse nach den Seiten erheben, so dass ihr annähernd spaltförmiges Lumen quer zu dem ebenso gestalteten Hohlraum des Schlundes stehen würde, wenn man die starke Krümmung des embryonalen Halsteiles ausschalten könnte. Infolge dieser Krümmung aber zeigen sie eine, man kann wohl am besten sagen, fächerförmige Anord- nung, bei der ihre ventralen Enden konvergieren. Von dieser Orientierung macht nur die Hyomandibularspalte eine Aus- nahme durch ihre vorhin schon erwähnte stärkere dorsale Aus- buchtung, die sich proximal mit ihrer Kommunikation bis nahe an das Dach der Mundbucht ersireckt. Es handelt sich von jetzt 234 ELISABETH CORDS, ab immer nur um den dorsalen Abschnitt der Hyomandibular- tasche, da der ventrale verschlossen und auch seine ehemalige Abgangsstelle vom Schlundrohr kaum noch angedeutet ist. Hyomandibular-Spalte Ganglion genieuli Ganglion des Acustieus Vena capitis lateralis . Fig. 1. Ganglion geniculi des Facialis mit den beiden Ästen des Nerven. *ı. Nach van Bemmelen (1886) und Maurer (1902) finden sich bei Reptilien vier resp. fünf Paare von „Schlundspalten‘, von denen aber das fünfte nur kurzen Bestand haben soll. Da Maurer die Hyomandibularspalte als „erste Schlundspalte“ bezeichnet, kommt er bei der Zählung zu einer Spalte mehr Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 235 als ich; es würde also seine vierte meiner dritten Spalte ent- sprechen (vergl. das oben Gresagte). Von Gefässen wäre hier zunächst die Vena capitis late- ralis!) zu nennen; diesen Namen haben Grosser und Bre- zına (1895) für die Vena jugularis facialis Rathkes eingeführt. Sie liegt nahe der Aussenfläche des Körpers, dorsal zu den Aus- stülpungen der Schlundtaschen, in dem Winkel zwischen deren dorsalen Zipfeln und dem Ectoderm der Körperwand; an der Hyomandibularspalte zieht sie, etwas entfernter vom Ectoderın, eine Strecke weit über die dorsal-orale Kante dieser Tasche hin, etwas medial zu dem dorsalen Divertikel derselben. Medial zu den dorsalen Schlundtaschen-Divertikeln und ventral- medial, bezw. medial von der Vene liegt der Kopfteil des Aortenbogens, der zwischen den Schlundtaschen hindurch von der ventralen Seite her seine Kiemenbogengefässe aufnimmt, um dann an der dorsalen Schlundwand entlang als Art. caro- tis dorsalis zum Kopfe zu verlaufen. Der N. facialis liegt, nachdem er sich vom Acusticus getrennt hat, zunächst medial zur Vene und somit auch medial zur Hyomandibularspalte. Er geht dann an der ventralen Fläche der Vene vorbei auf ihre laterale Seite und wendet sich schliesslich schräg lateral-ventralwärts in die Gewebsmassen des Hyalbogens, wo er nicht mehr weiter zu verfolgen ist. Vorher gibt er einen dünneren Ast ab, der in entgegengesetzter Rich- tung wie der Hauptstamm an der caudal-medialen Wand der Hyomandibularspalte eine Strecke weit proximalwärts zu ver- folgen ist. Wir sehen also schon hier die typische Teilung des Nerven in einen Ramus posterior oder hyomandibularis und einen Ramus anterior oder palatinus. Nach dem Schema, welches Gegenbaur (1871/72) für die Kiemenbogennerven der Sela- chier aufgestellt hat, entspricht der letztere einem Ramus pha- ryngeus + Ramus praetrematicus, während der erstere einen Ramus posttrematicus repräsentiert. ') Broman nennt das Gefäss beim Menschen Vena iugularis primitiva. 236 ELISABETH CORDS, Serie Il. Modell 2 (vergl. Textfig. 2, 3, 4; Tafelfig. 3). Der in Horizontalschnitte zerlegte Embryo weist eine Kopf- länge von 3 mm auf. Zwei Spalten, die zweite und dritte Branchialspalte, zeigen sich noch nach aussen geöffnet; die erste (hinter der Hyomandibularspalte gelegene) dagegen hat sich von ihrer Verbindung mit dem Ectoderm vollständig gelöst. Vom Epithel der ersten und zweiten Branchialspalte wachsen medial-dorsalwärts die Thymusknospen aus, welche mit ihrem freien Ende medial gewandt, sich zwischen Vena capitis late- ralis (dorsal) und Aorta dorsalis (ventral) lagern; die Epithelver- diekungen beider Spalten sind miteinander zu einem Körper verschmolzen. Die Hyomandibularspalte, welche von jetzt ab für die Untersuchung allein noch in Betracht kommt, hat im Vergleich mit dem vorhergehenden Stadium absolut und relativ an Grösse zugenommen, während an den anderen Spalten, wenigstens relativ, eher ein gegenteiliges Verhalten zu konstatieren ist. Ihre ehemals laterale, jetzt ventro-caudale Kante ist in ihrem ventralen Abschnitt nur wenig vom Ecto- derm entfernt, in ihrem dorsalen berührt sie es in geringem Umfang mit einer Spitze, die lateral zur V. cap. lat. liegt. Eine Durchbruchöffnung nach aussen besteht nicht mehr, auch ist die Berührungszone von Eetoderm und Entoderm nur noch von ganz geringem Umfang, wie die Schnitte lehren. Von dieser lateralen Spitze an beginnt die dorsale Kante der Tasche, die sich alsbald dicht ventral zur Vena cap. lat. lagert und dieser angeschlossen zunächst proximal (und leicht ventral) verläuft. Von einer pro- ximal gerichteten Aussackung (vergl. Tafelfig. 3 p. F.) an steigt die Kante der Tasche alsdann steil ventralwärts zur dorsalen Schlundwand herab, wobei sie dem vorderen blinden Ende des embryonalen Darmrohres sehr nahe kommt. Die Richtung der Tasche, die wie im vorigen Stadium in lateraler Ausdehnung ziemlich flach zusammengedrückt ist, weicht von der ursprüng- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 237 lichen queren Stellung jetzt recht beträchtlich in der Weise ab, dass ihr laterales Ende sich distal wendet und ihre ursprünglich caudale Fläche sich medianwärts kehrt, mit leichter caudaler Abweichung. Dabei liegt die Tasche mit ihrer Hauptmasse noch ganz lateral zur Vene und Arterie; nur das proximale Ende der dorsalen Kante zeigt die Tendenz sich ventral an der Vene vorbei medianwärts zu verschieben. Die Schlund- höhle zeigt auch hier noch eine starke Abflachung in dorso- ventraler Richtung. Auf diesem Stadium werden auch die ersten Blastem- Verdichtungen erkennbar. Ich werde im folgenden diese blastematösen Gewebsverdickungen nur an denjenigen Stellen näher berücksichtigen, wo sie für mein Thema von Bedeutung sind, .d. h. in der Umgebung der Hyomandibularspalte und im Gebiet des Mandibular- und Hyalbogens. Beim Modellieren habe ich sie an diesem Modell noch nicht mitdargestellt, weil mir ihre Konturen noch zu undeutlich waren, um ein Modell herzustellen, das auf objektive Genauigkeit Anspruch erheben kann. Dagegen gebe ich zur besseren Veranschaulichung eini- ger zu beschreibender Punkte ihre Lage auf den Schnittbildern an. Bei Betrachtung der Textfiguren 2—4, die zur Ergänzung der Fig. 3 auf Tafel 23/24 dienen mögen, erkennt man solch eine Verdichtungszone in der Gegend der späteren Basis cranil. Eine sehr kräftig gefärbte, durch dichte Anhäufung ihrer Zellen ausgezeichnete Blastemmasse findet sich ferner im Mandibular- bogen; sie reicht ventral-medianwärts bis zur Verschmelzung mit der anderseitigen, dorsalwärts dagegen bis in die Gegend des Facialis-Ganglions. In ihrer Mitte sehen wir den kräftigen dritten Ast des Trigeminus, der vom Ganglion Gasserl herabsteigt, welches sich lateral zur Vene und der proximalen Spitze der Hyomandibularspalte zeigt. Eine Ohrkapselan- lage ist noch nicht deutlich zu erkennen; das Gewebe in der Umgebung des häutigen Labyrinths zeichnet sich zwar durch seine 238 ELISABE'TH CORDS, intensivere Färbung aus, geht aber au den meisten Stellen ohne Abgrenzung in die umgebenden Teile über. Dagegen zeigt sich ein deutliches Wachstumscentrum in der Mesenchymmasse, die Mundspalte gi andibularboge Re V,, im Man arbogen REN Paukenausstülpung Vena cap. lat. Gehörbläschen Fig. 2. Verhalten der Tuben-Paukenausstülpung zu Arterie und Vene. Dritter Ast des Trigeminus im Mandibularbogen-Blastem. */ı. zwischen Hyomandibular- und erster Branchialtasche liegt. Wie aus dem Vergleich mit späteren Stadien hervorgeht, handelt es sich um die Anlage der Columella auris. Lateral-caudal geht die betreffende (ewebsverdichtung ohne Grenze in das Mesenchym auf der Aussenfläche der ersten Branchialtasche, Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 239 also in den Hyalbogen über. Medial dagegen, nach der Ohrkapselanlage zu, ist es durch einen deutlichen Streifen weniger intensiv gefärbten Gewebes gegen diese abgesetzt. Nach diesen Befunden scheint es also, dass die Columellaanlage in ihrer Entwickelung der Ohrkapsel um ein Geringes voraus ist, woraus man vielleicht auf eine Zugehörigkeit der ganzen Columella zum Zungenbeinbogen schliessen könnte. Auch die deutlich erkennbare Trennung des Fussplattenabschnittes, von dem Ohrkapselblastem, die besonders im ventralen Teil ausge- sprochen ist, würde darauf hindeuten. Zur Entscheidung dieser Frage reichen aber meine Präparate aus den betreffenden Stadien sowohl an Zahl wie an Konservierung nicht aus. Ich möchte den Befund aber nicht unerwählt lassen, weil Versluys bei Geckoniden ebenfalls die Beobachtung gemacht hat, dass das Blastem des Stapes „deutlich früher angelegt wird“ und sich in früheren Stadien auch „bestimmt gegen das Blastem der Labyrinthkapsel abgrenzen“ lässt; in späteren Entwickelungs- zuständen verschmelzen dann beide Blasteme allerdings, was man aber, wie Versluys auch ausdrücklich hervorhebt, „nicht als einen Beweis des genetischen Zusammenhanges dieser Skelett- teile (Stapes- und Labyrinthkapsel) betrachten darf“. Auch Gaupp steht bereits 1898 auf dem Standpunkt, „dass beide Stücke, das innere wie das äussere, hyalen Ursprungs sind, und dass nur das Bildungsgewebe des inneren sehr früh innig mit dem Ohrkapselblastem verschmilzt, so als dessen Fortsatz erscheinend‘“. Ich möchte hier noch einige Worte einschieben über das Abhängigkeitsverhältnis, welches mir zwischen Schlundspalten und Blastemmassen zu bestehen scheint. Man hat an vorliegen- dem Präparat direkt den Eindruck, als wenn durch die Drehung der Hyomandibularspalte in die Längsrichtung der dorsale Teil des Hyalbogenblastems neben die in Differenzierung begriffene Schädelseitenwand, zwischen diese und die Hyomandibularspalte gerückt worden ist, sich gleichsam an ihr in die Höhe und naclı 240 ELISABETH CORDS, vorn geschoben hat. Ich glaube nun annehmen zu dürfen, dass in diesem frühen Stadium die Hyomandibularspalte, resp. die anderen Schlundspalten, das bestimmende Moment für die Anordnung der Blastemmassen in ihrer Umgebung sind, denn sicherlich kann eine zusammenhängende Epithelschicht beim Wachstum einen grösseren Druck ausüben als eine in Bildung und Umordnung ihres Zellmateriales begriffene, verhältnismässig noch recht lockere Mesenchymmasse. Ebenso sicher aber wird dieses Labyrinth KÖ-— Vena cap. lat. Blastem der Columella A. carotis mit abgehender "=. Ar faeialis re Tuben-Pauken- Ausstülpung Fig. 3. Abgang der A. facialis aus der Carotis int. und Verhalten zum Blastem der Columella. *ı. Verhältnis sich in späteren Stadien, wenn man bereits von „Skeletteilen“, oder wenigstens ihren Anlagen, sprechen kann, zugunsten der letzteren umkehren. Die Vena capitis lateralis liegt mit ihrem vorderen Abschnitt, wie schon erwähnt, auf der proximal-dorsalen Kante der Hyomandibulartasche, weiter hinten dagegen dorsal zu den Thymusknospen der ersten und zweiten, respektive zu der dorsalen Ausbuchtung der dritten Branchialtasche. Die Arterie, welche jetzt, wenigstens in ihrem proximalen Teil, nach Rathkes Vorgang als A. carotisinterna zu bezeichnen Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 241 ist, liegt etwas weiter ventral ais die Vene und läuft parallel zu dieser, an der dorsalen Schlundwand entlang, wobei sie sich medial zu den Abgangsstellen der Schlundtaschen und ventral zu den Thymusanlagen hält. Vor der proximalen Kante der ersten Branchialtasche gibt sie die kleine Arteria facialis (Verluys) ab, die in lateral-dorsaler Richtung aufsteigend A. earotis int. Tuben-Pauken- Ausstülpung Vena cap. lat. Gangl. genieuli m Ganglion des Acustieus Labyrinth Fig. 4. Verhalten von Acustieus und Facialis. *%ı. hinter dem Blastem der Columella, in der Nähe ihrer Fussplatte verläuft. Der Facialis bildet bald nach seiner Trennung vom Acu- sticus an der medial-caudalen Wand der Hyomandibulartasche zwischen Vene und Artrie, etwas medial zur ersteren, das Gan- glion geniculi. Von diesem geht der dünnere Ramus anterior oder palatinus in Begleitung der Arteria carotis interna zum Rachen- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 16 242 ELISABETH CORDS, dach, während der bedeutend stärkere Rest als Stamm des Facialis oder als Ramus hyomandibularis (s. posterior) lateral- ventralwärts zwischen der Vene und der caudal-medialen Wand der Hyomandibulartasche hindurch ins Mesenchym des Hyal- bogens verläuft. Serie III. Modell3 (vergl. Textfigg. 5, 6, 7, 8; Tafelfigg. 4 und 5). Die Kopflänge des Embryo beträgt 3,7 mm. Die Schnitt- richtung ist annähernd quer!) zur Längsachse des Kopfes. Ich übergehe die Beschreibung der übrigen Formverhältnisse und beschränke mich auf eine Darstellung der uns beschäftigenden Schlundgegend und der dort sich bemerkbar machenden Fort- schritte oder Umwandlungen. Die Hyomandibulartasche, oder wie man sie von jetzt ab schon nennen kann, der tubo- tympanale Raum hat sich gänzlich vom Eetoderm gelöst, und sein laterales Ende ist durch eine ziemlich dicke Gewebs- schicht von der Aussenfläche des Kopfes getrennt. Die Hyoman- dibulartasche hat ihre schon einmal erwähnte Drehung weiter fortgesetzt und steht jetzt annähernd parallel zur Längsachse des Embryo, so dass ihre ehemals laterale Kante jetzt fast rein caudal gewendet ist, während die ursprünglich caudale Wand medial sieht. Sie bildet eine flache, etwa dreieckige Tasche, mit breiter Basis der lateral-dorsalen Seite des Schlundrohres auf- sitzend, die zwar in seitlicher Richtung stark zusammengedrückt erscheint, aber durchweg ein Lumen aufweist. Von der Schlund- höhle, die hier in ihrem vorderen Teil schon beträchtlich an Weite zugenommen hat, erhebt sie sich lateral-dorsalwärts unter einem flachen Winkel, wobei sie sich mit ihrer medialen Wand ziemlich genau an die laterale Fläche der Oberkapsel anschliesst. Während der früher erwähnte proximal gerichtete Fortsatz ihrer proximal-dorsalen Kante sich nur wenig, auch hinsichtlich seiner ') Vergl. das bei Serie 1lV. gesagte. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 243 Grösse, verändert hat, zeigt diese Kante selbst fast in ihrer ganzen Länge eine beginnende Einbuchtung, die durch die be- nachbarte, ihr eng anliegende Vena capitis lateralis hervorgerufen wird und sich bis fast zur lateralen Spitze, der ehemaligen Ver- bindungsstelle der Schlundspalte mit dem Ecetoderm, erstreckt. Hier weicht die Tasche nach der lateralen Seite der Vene aus, um dann mit ihrer dorso-caudalen (der ehemals lateralen) Kante bis zum Abgang des Restes der ersten Branchialtasche von der Schlundhöhle herabzusteigen. Diese ist mit der folgenden (der zweiten) Branchialtasche verschmolzen und so gelagert, dass sie sich mit ihrem oralen Ende lateral zur caudalen Kante der Hyomandibulartasche findet. Vielleicht kann man die erste Ursache für die Drehung der Schlundspalten in dem ungleichmässigen Wachstum der Schlundbogenmassen suchen. Maurer (1902) erwähnt aus- drücklich ein „dachziegelartiges“ Übereinandergreifen der Bogen. Es wäre dann also anzunehmen, dass die Massen des Mandi- bularbogens bereits jetzt eine grössere Wachstumsenergie zeigten, als die des Hyalbogens, der es niemals zu einer so starken Ent- faltung bringt. Da nun das dorsal-laterale Ende der Hyoman- dibularspalte noch lange mit dem Ecetoderm in Zusammenhang steht, wird es, wie ein Blick auf die Innenansicht von Modell 1b lehrt, durch ein starkes Wachstum des Mandibularbogens in die Dicke an einen weiter distal gelegenen Punkt gedrängt, d. h. die ganze Tasche mehr in die Länge gezogen und aus einer mehr queren in eine der Sagittalebene stärker genäherte Richtung gebracht werden. Wieich sehe, ist augenscheinlich Hammar (1902) bei seinen Untersuchungen an menschlichem Material zu äbn- lichen Vorstellungen geführt worden; er sagt darüber: „es ist offenbar dieser übergrosse Zuwachs der Schlundbogen in der Breite, welcher Veränderungen in ihrer Lage und in der Rich- tung der sie trennenden Furchen hervorgerufen hat.“ Das Blastem der Ohrkapsel ist fast überall gut abgegrenzt. 16* 244 ELISABETH CORDS, Nach unten hängt es mit der Anlage der Basis cranii zusammen; über dem lateralen Bogengang wölbt sich lateral-ventralwärts vorspringend die Crista parotica vor. Über dem Einschnitt zwischen Hyomandibulartasche und vereinigter erster und zweiter echter Kiementasche erhebt sich von der lateralen Wand der Ohrkapsel die Anlage der Columella, die mit ihrem Insertionsteil, an dem besonders die kräftige Ausbildung der Pars inferior (Versluys) auffällt, über den freien Rand der Hyomandibulartasche etwas hinausreicht. Sie ist im ganzen lateralwärts gerichtet, weicht aber in ihrem peripheren Teil von dieser Richtung etwas caudal ab. Wenn ich auch in diesem Falle das Blastem der ÜColumella an dem Modell schon mit- dargestellt habe, so möchte ich doch hervorheben, dass die Grenzen des Gewebes stellenweise noch recht undeutlich sind, und man daher auf die Formverhältnisse im einzelnen kein all- zugrosses Gewicht legen darf. Immerhin lässt sich die Gestalt der Columella, wie sie auf späteren Stadien erscheint, in ihren Umrissen auch schon hier einigermassen erkennen, wenngleich das Gebilde im ganzen sich auffällig durch seine plumpen Formen von dem zierlichen Knöchelchen des erwachsenen Tieres unterscheidet. Etwas lateral von der Mitte des Stieles der Colu- mella erstreckt sich ein Fortsatz dorsal- und ein wenig caudal- wärts in der Richtung gegen den lateralen Bogengangswulst, resp. die Crista parotica. Es ist der Processus paroticus (Gaupp), Versluys’ Processus dorsalis, der hier noch mit der Anlage der Columella in kontinuierlichem Zusammenhange steht, während seine Spitze von der Ürista parotica durch die kräftige Vena capitis lateralis getrennt ist. Das ventro-caudale Ende der Columella-Anlage steht um die laterale Fläche der Hyomandibularspalte herum in kontinuierlicher Verbindung mit der blastematösen Anlage der hyalen Skeletspange, die sich in ihrem ventralen Teil schon vorknorpelig zu differenzieren besinnt. Die Übergangsstelle von Columella- und Hyalbogen-An- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 245 lage ineinander ist aber immer noch etwas medial vom Insertionsteil gelagert. Versluys nennt dies Übergangsstück in Über- V. cap. lat. N. faeialis Columella Tuben -Pauken- Ausstülpung A. carotis int. Meckelscher Knorpel Fig. 5. Zusaınmenhang der Columella mit der Ohrkapsel. *ı. einstimmung mit der bei Sängern gebräuchlichen Bezeichnung Interhyale. Auch noch in diesem Stadium ist der Fussplatten- Abschnitt der Columella um ein Geringes weiter in der Ent- 246 ELISABETH CORDS, wickelung vorgeschritten als die nebenliegenden Partien der Ohrkapsel sowohl wie der lateralanschliessende Teil der Colu- mella selbst. Eine Grenze, welche etwa dem Gelenk zwischen „Otostapes“ und „Hyostapes“ entsprechen würde, und welche nach Hoffmanns Angaben (1889) schon sehr früh die deut- liche Scheidung der betreffenden Skeietteile möglich macht, kann ich nicht finden. Auch Versluys (1904), der von ver- sleichend-anatomischen Rücksichten geleitet, das Gelenk für einen alten Besitz der Stammform der Reptilien hält, konnte eine solche frühzeitige Trennung der beiden Skeletelemente nicht konstatieren und hält das Gelenk für „eine in einem einheit- lichen Skeletstück entstandene, sekundäre Grenze.“ Besonders muss man ihm recht geben, wenn er sagt: „die Grenze ist kein Beweis für Hoffmanns Angabe, es entstehe die Columella auris aus einem labyrinthären und einem hyoidalen Abschnitt. Sie bezeichnet nur die Grenze zwischen zwei getrennt verknor- pelnden Abschnitten der Columella.“ Die Skeletanlage des Zungenbeinbogens zeigt hier sehr deutlich die Gabelung ihres proximalen Endes, wie dies für Lacertilier von Versluys (1904) festgestellt worden ist. Versluys hat auch bereits die Homologien mit den Zu- ständen bei Säugern, wie sie uns durch die Untersuchungen von Dreyfuss (1893) und Broman (1899) bekannt geworden sind, aufzustellen versucht. Das dorsale Ende des hyalen Skelet- teiles bei Säugern zerfällt bei seiner Teilung in Interhyale und Stapes (medial) einerseits und andererseits in das Intercalare (latero-dorsal), das Laterohyale von Broman; bei Lacertiliern gehen aus ihm Stapes oder Columella (medial) und Processus paroticus [dorsalis] (lateral) hervor. Bei Säugetieren wie Lacer- tiliern finden sich in seine Gabelung eingelagert Vena capitis lateralis (V. jugularis primitiva Bromans) und Nervus facialis. Die Chorda tympani geht, wie diese Beschreibung zeigt und wie schon Versluys (1898, 1904) feststellen konnte, dorsal- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 247 caudal zum Processus paroticus vom Stamm des Facialis ab und lateralwärts um ihn herum nach vorn. Bei Säugern schlingt sie sich nach Bromans Darstellung in gleicher Weise caudal um das Laterohyale oder Intercalare. Es scheint daher nach Versluys „eine Homologie des Intercalare der Sauropsiden mit dem Intercalare (Laterohyale) der Säugetiere sehr wahr- scheinlich.“ Auch im Gebiete des Mandibularbogens hat sich jetzt bereits eine Differenzierung der Mesodermmassen in Knorpel und Muskulatur vollzogen. Man kann den Meckelschen Knorpel einerseits bis zur Berührungsstelle mit dem der anderen Seite verfolgen, andererseits aber an einem proximalen Ende einen kontinuierlichen Übergang in das gleichfalls vorknorpelige Quad- ratum feststellen!), welches sich an die äussere und dorsale Seite der Hyomandibulartasche anlagert. Es zeigt die Gestalt einer annähernd sagittal gestellten Leiste, die erst wenig (mit ventraler Concavität) gebogen ist und noch nicht die auf spä- teren Entwickelungsstufen bemerkbare Aushöhlung auf ihrer lateralen Seite erkennen lässt; an seinem ventral-oralen Ende weist es eine kleine medialwärts gerichtete Verbreiterung auf. Der an dieses Ende sich anschliessende Meckelsche Knorpel weist bereits einen wohlentwickelten Processus retroarticularis auf. Eine Verbindung zwischen Quadratum und Columella (Processus internus) ist noch nicht zu konstatieren. ') Broman (1899) unterscheidet drei Phasen der Knorpelentwickelung: 1. Blastem, 2. Vorknorpel, 3. Jungknorpel (oder Knorpel). Ich lasse hier seine Definition, der ich mich anschliesse, folgen. „il. Blastem. Die Zellen sind kleip, rund oder oval. Die Kerne sind gross und füllen die Zellen zum grössten Teil aus. Sie lassen sich durch Hämatoxylin stark färben“. „2. Vor- knorpel. Die Zellkerne zeigen die gleiche Grösse wie bei den Blastemzellen. Dagegen hat die Protoplasmamenge stark zugenommen, so dass die Vor- knorpelzellen 3—4 mal grösser sind als die Blastemzellen. Sie zeigen eine unregelmässige Form und nehmen von Hämatoxylin im allgemeinen nur eine schwache Färbung an“. „3. Jungknorpel oder (Knorpel). Hierhin rechne ich allen embryonalen Knorpel von der Zeit ab, wo Intercellularsubstanz anfängt, deutlich sichtbar zu werden‘. 248 ELISABETH CORDS, Die Vena capitis lateralis steigt, wie schon früher hervorgehoben wurde, an der proximal-dorsalen Kante der Vena cap. lat. A. faeialis Columella Tuben-Pauken- Ausstülpung A. cearot. int. Meckelscher Knorpel Meckelscher Knorpel Fig. 6. Columella und Arteria facialis. *%ı. Hyomandibulartasche in die Höhe, verläuft dann im Bogen über die Columella, wobei sie sich in eine flache Nische der Ohrkapselwand, die durch die über die Prominentia lateralis vorspringende Crista parotica gebildet wird, einlagert; dann geht Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 249 sie wieder bis auf die Dorsalkante der folgenden (verschmolzenen ersten und zweiten) Schlundtaschen herab. Diese liegen dem- Vena capitis lateralis En facialis Columella-Anlage Hyomandibulartasche Meckelscher Knorpel Ram. palatinus VII. Va Fig. 7. Lage des lateralen Teiles der Columella-Anlage zur Hyomandibulartasche; N. facialis, V,,; im Mandibularbogen. *")ı. nach, wie auf früheren Stadien, zwischen der Vene und der Arteria carotisinterna, die etwas weiter medial und ventral an der lateral-ventralen Fläche des Schädels und der Ohrkapsel 250 ELISABETH CORDS, Vena capitis lat. N. faeialis Fussplatte der Columella Chorda tympani Hyomandibulartasche Verhalten der Chorda tympani zur Hyomandibulartasche. Zusammenhang der Columella-Anlage mit der Ohrkapsel. 91. hinzieht. Distal zur Columella geht von ihr lateralwärts die Arteria facialis (Versluys) ab (vergl. Textfig. 6), die dann über diesen Knochen lateral-aufwärts an die Aussenfläche der Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 201 Ohrkapsel und in die Temporalgrube verläuft!). Der Rest der Carotis interna bleibt ventral von der Columella und geht mit dem Ramus palatinus des Facialis zum Rachendach. Der Nervus facialis ist mit seinem Ganglion geniculi ein wenig weiter von dem des Acusticus abgerückt; er lagert sich wie dieses jetzt gleich nach dem Durchtritt durch die Schädelwand zwischen die Aussenfläche der Ohrkapsel, die Vena capitis lateralis und die proximo-dorsale Kante der Hyoman- dibulartasche; von hier gibt er seinen Ramus anterior ab, der in Begleitung der Arteria carotis interna zur Basis ceranii verläuft. Auf Schnittbildern kann man alsdann verfolgen, wie der Ramus posterior seinen Weg zunächst an der medialen Seite der Vene entlang nimmt, dann unter dem Gefäss, d. h. zwischen ihm und der Columella verläuft, und schliesslich auf die laterale Seite der Vene, zwischen sie und die kleine Arteria facialis (Rathke-Versluys) zu liegen kommt. Dorsal und caudal zu dem als Processus paroticus bezeichneten Fortsatz gibt er die Chorda tympani ab, die einen oralwärts offenen Bogen um den Fortsatz beschreibt und dann lateral vom Stamm des Facialis über den äusseren Abschnitt der Columella vor- wärts verläuft, wobei sie sich der Aussenfläche der Hyoman- dibulartasche dicht anlagert (vergl. Textfig. 8). Serie IV. Modell 4 (vergl. Textfigg. 9, 10, 11; Tafelfig. 6). Bei einer Gesamtlänge von 31 mm weist dieser Embryo eine Kopflänge von 4 mm auf. Die Schnittrichtung ist quer zur Längsachse des Kopfes?) geführt worden. 1) Versluys unterscheidet bei den Reptilien drei verschiedene Arten des Verhaltens der Arteria facialis zur Columella: 1. caudal und dorsal von ihr (alle Lacertilier, Chamäleon, Amphisbäna); 2. durch die Columella hin- durch (ein Teil der Geckoniden); 3. ventral und oral von ihr (ein Teil der Geckoniden, Sphenodon). Versluys hält den unter 2 aufgeführten Verlauf für den ursprünglichen. 2) Mit dem Aufhören oder wenigstens Geringerwerden der starken Kopf- krümmung ist die Schnittriehtung jetzt möglichst quer zur Längsachse des 252 ELISABETH CORDS, Die Schlundhöhle zeigt sich an der Stelle, von der die Paukenhöhlenausstülpung abgeht in dorso-ventraler Richtung recht eng, während in oral-aboraler Ausdehnung die Kommu- nikation nach wie vor durch einen langen Schlitz bewirkt wird; stellenweise haben sich die Epithelschichten der beiden Wände einander bis zur Berührung genähert. Die unter der Vena capitis lateralis gelegene proximo-dorsale Kante der Hyoman- dibulartasche ist durch das Gefäss noch etwas tiefer eingedrückt worden, doch ist dies von keiner Bedeutung für die weitere Ausgestaltung des Tuben- und Paukenhöhlen-Raumes. Dagegen wird der lateral zur Vene gelegene Teil, der Saccus prae- columellaris!), wie wir ihn nennen können, bei seinem Auf- steigen vor der Columella durch die darüber hinziehende Chorda tympani in zwei gesonderte Ausstülpungen getrennt. Die mediale, Recessus medialis, bleibt klein und schmal; viel- leicht ist die durch die Nähe der Ohrkapselwand und das grosse Quadratum verursachte Raumbeschränkung die Ursache hierfür; sie ist aber in annähernd horizontaler Lage schon weit über die Columella nach hinten gewachsen, wo sie dann zwischen Vena cap. lat. und Chorda gelagert ist, von der letzteren noch durch den Processus internus getrennt. Die laterale Ausstülpung, Recessus lateralis, wölbt sich über den lateralen Teil der Columella, die sogenannte Extracolumella Gadows und Vers- luys,, in die Höhe, und lagert sich, ihren oberen Rand der Gestalt dieses Skeletteiles anpassend, in die caudal-ventral schau- ende Aushöhlung des Quadratum. Dabei ist sie an ihrer Ab- gangsstelle von vorn nach hinten schmäler, während ihr freies Ende sowohl ventral wie dorsal eine Auftreibung zeigt, so dass Kopfes angelegt, während sie früher quer zur Längenausdehnung des ganzen Körpers geführt wurde, wobei der verschieden stark gebeugte Kopf in jeweils verschiedener Richtung getroffen werden musste. 1) Es scheint mir am zweckmässigsten, diese sekundären Ausstülpungen der Tuben-Paukenhöhle in bezug auf die Columella, resp. Chorda tympani, zwei für das Mittelohr fast konstante Gebilde, zu orientieren und zu benennen. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 253 dort ihr antero-posteriorer Durchmesser bedeutend überwiegt. Die laterale Fläche dieser Ausstülpung bleibt immer medial zur N. faeialis Quadrat. Den) cap. Proe. int. 2 Chorda Cavum tymp. Ram. palat. VII. Fig. 9. Verhalten des N. facialis und der 'Chorda tympani zu den umliegenden Skelet- teilen und zur Paukenhöhle. */ı. Ebene der Fortsätze des Insertionsteiles der Columella, und diese wieder sind noch durch eine beträchtliche Gewebsschicht von 254 ELISABETH CORDS, der Oberfläche des Kopfes getrennt; man kann also auch hier von einem Trommelfell im eigentlichen Sinne noch nicht sprechen. Nach hinten reicht der Recessus lateralis nicht so weit als der vorhin erwähnte Recessus medialis. Eine ganz geringe Entfaltung zeigt die caudal zur Columella gelegene Aussackung, der Saccus retrocolumellaris. Eigentlich besteht er nur aus einer ganz kleinen Vorwölbung, die mit ihrer dorsal gewendeten Spitze sich zwischen Columella und hinteres Ende des Quadratum einlagert. Hinter dem Saccus retro- columellaris steigt die aborale Kante der Hyomandibulartasche sehr steil herab, um in das dorso-ventral abgeplattete Schlund- rohr überzugehen. Die Ohrkapsel befindet sich im Vorknorpelstadium ; auf ihrer Aussenfläche markiert sich deutlich die innere Ausgestaltung. Besonders hervorheben will ich nur die Ausbildung der Crista parotica, die sich von der am meisten prominenten Stelle des lateralen Bogengang-Wulstes ventralwärts erstreckt. Ihr an- gelagert und durch einen Knorpelstiel mit ihr in Verbindung findet sich der ebenfalls vorknorplige Processus paroticus (Gaupp), der sich, medial am Quadratum vorbei, durch einen Strang von verdichtetem Gewebe an die mediale Hälfte der Columella befestigt. Im Gegensatz zu dem vorigen Stadium hat also der Processus paroticus jetzt seine Verbindung mit der Columella zu lösen angefangen, und hat seine Verschmelzung mit der Crista parotica ihren Anfang genommen. Lateral von seiner Insertionsstelle erhebt sich von der Colu- mella-Anlage der (vorknorplige) Processusinternus, der sich, in oral-dorsaler Richtung!) verlaufend, bis dicht an den unteren con- caven Rand des Quadratum erstreckt. Die Columella zeigt eine an- nähernd kreisförmige Fussplatte, welche die Fenestra vestibuli fast 1) Versluys gibt an (Zool. Jahrbuch 1903, S. 140), dass der Processus internus nach „vorn und ventral“ gerichtet sei, worin ich ihm aber nicht bei- stimmen kann. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 255 ganz verschliesst. Ihr Insertionsteil weist bereits die Gliederung in vier Fortsätze auf. Versluys nennt den nach hinten-oben Vena cap lat. N. faeialis 1 Chorda N H- ER Be en Columella ö 5 i % Ram. Cavum palatin. tymp- Fig. 10. Verhalten des N. facialis und der Chorda tympani zur Columella. 1 — Recessus lateralis, m — Recessus medialis des Saccus anterior der Paukenausstülpung. “0, gehenden Fortsatz Pars superior, den nach vorn-unten ver- laufenden Pars inferior des Insertionsteiles des Stapes; die beiden anderen bezeichnet er als Processus accessorius anterior 256 ELISABETH CORDS, und posterior. Die Richtung der Fortsätze hat sich demnach, worauf Gaupp schon 1900 aufmerksam gemacht hat, während der Entwickelung so verändert, dass eine ursprünglich hori- zontal durch die beiden ersten hindurchgehende Achse sich später mit ihrem oralen Ende ventralwärts senkt. Als ein Fort- schritt gegenüber den früheren Stadien ist hier auch das Auf- treten von Deckknochen zu erwähnen. Der Deckknochenbelag des Unterkiefers zeigt eine kräftige Entwickelung; ebenso lest sich von aussen her auf die Crista parotica das Squamosum und noch etwas weiter nach vorn das Paraquadratum. Die Arteria carotis interna, welche relativ an Stärke abgenommen hat, steigt zwischen Schlundhöhle und Schädel- basis, bezw. Ohrkapsel in die Höhe und gibt in der Gegend des unteren Randes der Ohrkapsel, eine kleine Strecke lateral- wärts vom Recessus scalae tympani, die Arteria facialisab. Während der Stamm der Arterie in der alten Richtung weiter- geht, steigt die Arteria facialis von hinten über die Columella auf, sie lateral vom Facialis (Ramus hyomandibularis) kreuzend, um sich alsdann zwischen Quadratum und Schädelseitenwand zu lagern und in der Kaumuskulatur zu enden. Die Vena capitis lateralis läuft, wie schon erwähnt, an der dorsal- oralen Kante der Tuben-Pauken-Ausstülpung entlang; hierauf kreuzt sie den Facialis, wobei sie dorsal von Nerven gelagert ist, und legt sich dann zunächst an die mediale Seite des Re- cessus medialis; weiterhin begibt sie sich, dorsal von der Colu- mella, auf die mediale Fläche des Processus paroticus, um unter der Crista parotica hindurch an die Aussenwand der Ohrkapsel zu gelangen. Der Facialis bildet nach Verlassen der Schädelhöhle das Ganglion geniculi, von dem aus der schwächere Ramus palatinus in Begleitung der Arteria carotis interna zur Unter- fläche der Schädelbasis und zum Rachendach verläuft. Der stärkere Ramus hyomandibularis geht zwischen Schädel- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 257 wandung und Mittelohranlage nach hinten; er lagert sich dabei an der Ohrkapsel in dem Winkel, den die Vorwölbung der Promi- nentia cochlearis mit dem oberen Abschnitt der Ohrkapsel bildet. Quadrat Gangl. A vorderes geniculi Ende von | e Bi Br ——_yena gnoxda cap. lat. tymp. Meckel- scher Knorpel Cavum tymp. Fig. 11. Herabsteigen der Chorda tympaui zum Unterkiefer. 1— Recessus lateralis des Saceus anterior der Paukenausstülpung. *ı. Über die Columella geht er dicht neben der Fussplatte der- selben und dem ovalen Fenster hin, zieht unter der Vena capitis lateralis hindurch, an der Spitze des Recessus medialis vorbei und lagert sich an die ventral-laterale Seite der Vene. Etwas weiter hinten, ungefähr ventral vom distalen Ende des Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 17 258 ELISABEIH CORDS, Quadratum und distal zum Processus paroticus geht unter vor- wärts offenem Winkel die Chorda tympani von ihm ab. Sie wendet sich in der Richtung des Stammes, ihm ziemlich parallel, zurück, überschreitet die Dorsalfläche der Columella lateral vom Processus internus und lagert sich so zwischen die beiden Ausstülpungen der Recessus medialis und lateralis, dass man geradezu den Eindruck erhält, der Nerv sei die Ursache für diese Teilung des von unten heraufwachsenden Schleimhaut- sackes. Dass die Chorda, obgleich ursprünglich ein Ramus post- trematicus (Gegenbaur 1871, 1872, Drüner 1903), sich nach Ablauf der Entwickelung schliesslich an der dorsalen und oralen Wand der Tuben-Pauken-Ausstülpung befindet, kommt dadurch zustande, dass sie durch ihre Verbindung mit dem dritten Trigeminusaste sich um die lateral-ventrale Kante der Hyomandi- bularspalte diesem entgegen, also oralwärts wenden muss. Durch frühzeitigen Verschluss des ventralen Abschnittes und bald dar- auf erfolgende Loslösung der ganzen Tasche vom Ectoderm ge- gelangt die Chorda nun anfänglich auf die laterale Seite der ehemaligen Schlundtasche. In dorsale und orale Lagerung zu dieser kommt sie dann dadurch, dass der Hauptanteil der de- finitiven Paukenhöhle eine sekundäre Bildung ist, bei deren Ent- faltung sich der in Betracht kommende Schleimhautsack zu- nächst an ihr ventral vorbei schiebt und sich schliesslich lateral zu ihr weiter entfaltet. Von der Kreuzungsstelle mit der Columella ab schlägt die Chorda einen schräg oral- und ventralwärts gerichteten Verlauf ein und legt sich dann bald dem Quadrato-Articulargelenk medial an, um mit dem Ramus lingualis des dritten Trigeminusastes zu verschmelzen. Der Rest des Ramus hyomandibularis wendet sich nach Abgabe der Chorda lateral-ventralwärts, um zu seinem Endgebiet zu gelangen. Es zeigt also hier der Facialis mit der Chorda tympani das Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 259 gleiche Verhalten zur Skeletspange des Zungenbeinbogens, wie es von Gaupp 1893 für Anuren und von Broman 1399 für den Menschen dargestellt wird. Da der Insertionsteil der Columella als ein sekundärer Auswuchs des ursprünglichen vom Zungen- beinbogen gebildeten Gehörknöchelchens bei den Sauropsiden zu betrachten ist, kreuzt der Facialis nur bei den Sauropsiden zweimal, erstens als Stamm des Facialis und zweitens als Chorda, dieses Skeletelement. Bei den Anuren geht nach Gaupps Dar- stellung der homologe Ramus mandibularis internus caudal von der Columella, über die der Facialis hinweggetreten ist, von diesem ab, um aussen um das Zungenbeinhorn herum nach vorn zu verlaufen. Ganz ähnlich müssen die Verhältnisse bei den Säugern liegen, wenn Bromann bei Darstellung der Ent- wickelung der Gehörknöchelchen des Menschen angibt, dass „der Facialis dazu kommt eine halbe Spirale um den Hyoidbogen zu machen“. Dass auch hier die Regel durch eine Ausnahme nur be- stätigt wird, zeigen zwei Beispiele: bei Didelphys verläuft nach Gaupps Angabe (1904) die Chorda tympani „innen vom oberen Ende des Cornu hyale nach vorn“; das gleiche Verhalten soll sich nach van Kampen (1904) bei Manis finden, und wird von diesem Untersucher durch eine Verschiebung der Chorda erklärt, die zu einer Zeit, als das obere Ende des Cornu hyale (der Zungenbeinanlage) noch nicht mit der Ohrkapsel verwachsen war, aufgetreten sein soll. Serie V (vergl. Textfig. 12.) Die Gesamtlänge dieses Tieres betrug 40 mm, die Kopf- länge 5mm. Die Schnittrichtung ist quer zur Längsachse des Kopfes geführt. Die Schlundhöhle ist an der Abgangsstelle des tubo- tympanalen Raumes von mässiger Weite in dorso-ventraler Ike 260 ELISABETH CORDS, Richtung. Auffällig ist dagegen die auch schon an der vorigen Serie bemerkbare Längenausdehnung (in oral-aboraler Richtung) der Kommunikationsöffnung zwischen beiden Hohlräumen. Be- merkenswert ist ferner, dass die Wände des tubo-tympanalen Raumes auf diesem Stadium bereits überall voneinander entfernt sind, die Paukenhöhle also schon jetzt in ihrer ganzen Aus- dehnung lufthaltig ist. Die Aussenfläche des Recessus lateralis des Saccus praecolumellaris hat sich der Körperoberfläche mehr genähert durch Resorption der trennenden Zwischenschicht, trotzdem kann man bei der Dicke des noch vorhandenen Gewebes von einem Trommelfell noch nicht sprechen. Auch die Columella ist noch allseitig von indifferentem Gewebe überkleidet und durch das- selbe ebenso wie das Quadratum, vom Lumen der Paukenhöhle getrennt. Wie auch schon bei dem vorhergehenden Stadium ist der Recessus lateralis grösser, besonders höher als der Recessus medialis, dabei aber nicht soweit nach hinten vorgewachsen; er reicht caudalwärts nur sehr wenig über den Stiel der Columella hinaus und lagert sich von lateral und ventral her in die Aus- höhlung des Quadratum. Der Recessus medialis verdünnt sich über der Columella zwischen deren Processus internus und der medial zu ihm gelegenen Vena capitis lateralis bedeutend reicht aber schon bis an den flachen dorsalen Saccus retro- columellaris heran, mit dessen Epithel das seine bereits ver- schmolzen ist, so dass also hier der Beginn einer allseitigen Um- wachsung des Gehörknöchelchens bei Lacerta sich findet. Die Skeletteile befinden sich teils im Vorknorpel, stellen- weise aber auch noch im Blastemstadium. Der auf ersterer Ausbildungsstufe stehende Processus paroticus ist mit der Crista parotica durch das gleiche Gewebe (Vorknorpel) ver- bunden. Durch einen Streifen dichtzelligen, blastematösen (aber nicht vorknorpeligen) Gewebes steht er, medial vorbei am Quadratum mit der Columella in Verbindung, etwas lateral Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 261 Ram. recurrens Quadrat. Vena cap. lat. GERZE ee Proe. parotis. Chorda EL ERS Ram. hyomand. Cavum tymp. Sehlundhöhle - Fig. 12. Abgang der Chorda tympani und des Ramus recurrens vom hinteren Hauptast des Facialis. *°ı. von der Stelle. wo von dieser dorsal-oralwärts der Processus internus abgeht. Von der Aussenfläche des Insertionsteiles der Columella gehtein ziemlich dicker Strang von dichtzelligem Ge- 262 ELISABETH CORDS, webe zum Processus paroticus (Näheres siehe beim folgenden Stadium). — Am Unterkiefer macht sich die Deckknochenbildung stärker bemerkbar. Über das Verhalten der Nerven und Gefässe ist im Ver- gleich mit dem vorherbeschriebenen Stadium nichts Besonderes zu bemerken. Die Abbildung Textfig. 12 zeigt sehr deutlich den Abgang der Chorda tympani vom Stamm des Facialis zusammen mit der Trennung des Ramus recurrens ad Trigeminum(Versluys),dernach V ersluys’ Untersuchungen ein die Arteria facialis begleitender sympathischer Nerv ist. Fischer (1852) führt diesen Nerv unter den Zweigen des zweiten Trigeminusastes auf unter dem Namen eines „Ramus recurrens ad nervum facialem“, welche Bezeichnung wohl die präcisere ist. Serie VI (vergl. Textfig. 13, 14.) Das Tier mass 4 mm im ganzen, während der Kopf eine Länge von 7 mm hatte. Schnittrichtung quer zur Längsachse des Kopfes. In der Ausgestaltung des tubo-tympanalen Raumes macht sich gegenüber dem letzten Stadium als Fortschritt der Anfang zur Bildung eines Tromımelfelles bemerkbar. Während nämlich die übrige Haut schon die ersten Anlagen von Schuppen und Schildern zeigt, ist sie hier in einem bereits ziemlich an- sehnlichen Bezirk um den Insertionsteil der Columella herum ganz glatt und etwas unter das Niveau der umgebenden Körper- oberfläche eingesunken. Auch hat die zwischen den beiden Epithellagen, der äusseren Körperbedeckung einerseits und der Lateral-Fläche des Saccus retrocolumellaris und des Recessus lateralis des Saccus praecolumellaris andererseits befindliche Bindegewebeschicht absolut und relativ bedeutend an Dicke abgenommen. Die gleiche Erscheinung, wenn auch in etwas Die Entwiekelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 263 geringerem Grade, zeigt das Gewebe, welches die Columella ein- schliesst und vom Lumen der Paukenhöhle trennt. _ Quadratum Na) eialis Chorda Columella Cavum tymp. Fig. 15. Beginnende Verdünnung des Trommelfell-Bezirkes. SE Der Recessus lateralis zeigt ausser einer allgemeinen Vergrösserung seines Umfanges eine weitere Annäherung an den Saccus retrocolumellaris, ohne ihn jedoch zu erreichen. Der 264 ELISABETH CORDS, RecessusmedialishatsichdemSaceusretrocolumellaris stark genähert, ist ihm aber doch nicht so nahe gerückt, wie Cavum tymp. Recessus ven- tralis Fig. 14. Recessus ventralis der Paukenausstülpung, am Cornu hynle des Zungenbeins befestigt. °°ı. bei dem Embryo der vorigen Serie. Es scheinen also in dem Wachstum der Paukenausstülpungen individuelle Variationen vorzukommen, die man vielleicht mit der zeitlich sehr wechseln- den Resorption des „peritympanalen Grallertgewebes“, wie sie Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 265 v. Troeltsch für den Fötus des Menschen nachgewiesen hat, in Parallele stellen kann. Wenn man die ventral zum Abgang der Tubenpaukenhöhlen- Ausstülpung gelegenen Teile der Rachenschleimhaut mustert, so fällt eine ziemlich umfangreiche Aussackung auf, die lateral- wärts ziehend sich dem Cornu hyale des Zungenbeines dicht an- legt, mit dessen lateraler Kante sie durch ihr submticöses Binde- gewebe verbunden ist, und so bis dicht unter die Haut reicht; wir wollen sie der Kürze wegen Recessus ventralis nennen. Dorsal gegen die Paukenausstülpung wird sie durch den stark vorspringenden Wulst des mächtig entwickelten M. pterygoideus (Versluys; M. pterygoideus externus Leydig) abgegrenzt. Ich mache auf diesen Punkt besonders aufmerksam, da er uns später noch ‚beschäftigen wird. Der Vorknorpel in den Skeletteilen befindet sich an mehreren Stellen im Übergang zum Knorpelstadium. Die Fussplatte der Columella ist deutlich von dem (Gewebe der lateralen Wand der Ohrkapsel abgesetzt; ihr Processus internus ist kräftig entwickelt und reicht, medial von der Chorda tympani gelegen, bis an das Quadratum, welches durch Entwickelung einer von seinem oberen (convexen) Rande aus- gehenden Leiste anfängt, sich seiner definitiven Gestalt zu nähern. Dem Insertionsteil der Columella, welcher die typischen vierFortsätze aufweist, findet sich auf seiner Aussenseite auf- gelagert ein Bündel dichteren Gewebes, welches, die Pars superior des Insertionsteiles dorsal umgehend, seinen Verlauf median- dorsalwärts zum Processus paroticus nimmt. Die Chorda tympani liegt nach ihrer Loslösung vom Ramus hyomandibularis dorsal zu diesem Gewebsstreifen, während der Rest des Ramus hyo- mandibularis caudal von ihm vorbeizieht. Es handelt sich um die von Versluys 1898 bei allen Sauriern nachgewiesene „Sehne der Extracolumella“. Hoffmann (1889) hat an gleicher Stelle (man vergleiche die Fig. 5 auf Tafel 3 seiner 266 ELISABETH CORDS, Arbeit von 1889) einen Muskel bei Lacerta- Embryonen ge- funden und ihn als „M. stapedius“ beschrieben. Versluys, der in seiner früheren Abhandlung von 1898 gleichfalls für die Homologie des „M. stapedius“ (Hoffmann) mit seiner „Sehne der Fxtracolumella“ eintrat, neigt neuerdings (1903) der Ansicht zu, dass beide nicht homologe Gebilde sind, sondern als ‚‚M. extra- columellaris“ und ‚Sehne der Extracolumella“ zu bezeichnen sind; letztere soll stets sehnig sein. Den ,M. extracolumellaris‘ homologisiert Versluys mit dem von Killian 1890 bei Kroko- dilen beschriebenen „M. stapedius“ ; ausser bei diesen Tieren soll es sich im ausgewachenen Zustande nur noch bei den Geckoniden, embryonal aber auch bei anderen Lacertiliern finden. Es war mir an meinen Embryonen von Lacerta agilis nicht möglich einen muskulösen (oder sonstwie faserig differenzierten) Strang in der von Versluys angegebenen Verlaufsrichtung, d. h. „von der Pars superior des Insertionsteiles der Columella zur ventro- lateralen Ecke des Processus paroticus“ zu finden. (Versluys nennt, wie ich nochmals wiederhole, „Processus paroticus‘‘ das, was ich im Anschluss an Gaupp unter der Bezeichnung „Urista parotica“ beschrieben habe.) Nach ©. K. Hoffmanns Angaben 1889 soll der „Musculus stapedius“ allerdings auch ‚vom Processus paroticus (Huxley) zur Endplatte des Hyostapes‘‘ (= Extracolu- mella) verlaufen, doch glaube ich aus der oben angeführten Abbildung schliessen zu können, dass Hoffmann, resp. Hux- ley unter „Processus paroticus“ gleichfalls die „Crista parotica‘“ (Gaupp) dargestellt haben, dass somit der „Stapedius“ Hoff- manns der „Sehne der Extracolumella“ (Versluys) hömolog ist. Die Gefässe dieser Serie bieten in ihrem Verlauf keine nennenswerten Umgestaltungen, dagegen zeigt die Chorda tympani in ihrer Lagerung zum Unterkiefer ein sehr typisches Verhalten, auf das etwas näher einzugehen ist. Nachdem die Chorda, wie in früheren Stadium auch, dorsal die Columella gekreuzt hat, geht sie zwischen den Recessus medialis und lateralis Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 267 des Saccus praecolumellaris nach vor- und abwärts zum Unter- kiefer. An der medialen Seite desselben tritt sie durch einen dort dem Merkelschen Knorpel aufgelagerten Deckknochen hin- durch, der von Gaupp früher als Postoperculare!), neuer- dings aber als Goniale bezeichnet wird; zwischen Meckelschem Knorpel und Goniale verläuft sie eine Strecke weit nach vorn, um sich dann dem dritten Ast des Trigeminus anzuschliessen. Gaupp (1905) weist auch auf die bis ins einzelne gehende Übereinstimmung hin, die sich in diesem Verlauf der Chorda bei Sauriern und Säugern zeigt: wie bei Lacerta durch das Goniale, tritt die Chorda bei Säugerembryonen durch einen „am ventral- medialen Umfang des Meckelschen Knorpels‘“ gelegenen Deck- knochen, „der im ausgebildeten Zustand den Processus anterior s. Folii des Hammers bildet.“ Auch der Durchbohrung, die das Goniale bei den Sauriern zeigt, begegnen wir beim Processus anterior mallei einiger Säuger wieder, so bei Öentetes, Erinaceus (Alban Doran), Didelphys, Mus musculus (Gaupp) und Ornitho- rhynchus (Wilson). " SermesV Ir Modell 5 Mmerelrshexthe 15,16. 217: Pextfis: 78, 9). Es handelt sich hier um ein junges, ausgeschlüpftes Tier von 65 mm Gesamtlänge, bei dem die Kopflänge 8 mm betrug. Der Kopf ist wie die vorigen in Querschnitte zerlegt. Die Haut weist wohlentwickelte Schuppen und Schilder auf. Die Verknöcherung des Kopfskelets ist weit vorgeschritten. Grosse Partien der Ohrkapsel zeigen sich knöchern umwandet; der Meckelsche Knorpel liegt nur noch in einem kurzen distalen Bezirk des sehr langen Processus retroarticularis frei, zeigt aber in den übrigen Abschnitten bereits seine knöcherne Scheide. Auch das Quadratum ist in seinem mittleren, 1) Cuvier führt diesen Knochen, der später mit dem Articulare ver- schmilzt, als einen Teil desselben auf. 268 ELISABETH CORDS, grösseren Teil verknöchert; der laterale Rand dieses Knochens bildet fast genau einen Halbkreis, der von seiner Verbindungs- Quadratum Sehne d. Extra- Columella Columella (In- sertionsteil) = —- Meckel- zuhon „ scher AN 4 Knorpel Fig. 15. Sehne der Extracolumella (vom Insertionsteil deı Extracolumella zum Processus paroticus verlaufend). °%ı. stelle mit der Crista parotica der Ohrkapsel aus mit oral-dorsaler Convexität zur Articulation mit dem Unterkiefer verläuft. In seine lateral-ventral-distal schauende Concavität lagert sich der Recessus lateralis des Saccus retrocolumellaris ein; an seinen Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilıs. 269 scharfen lateralen Rand inseriert sich der obere, vordere und teil- weise auch der hintere Rand des Trommelfelles; an seine ventrale concave Kante, bindegewebig mit ihr verbunden, schliesst sich der Processus internus der Columella, der von hier schräg ventral-caudalwärts zur Extracolumella absteigt. Diese ist knorpelig und geht ohne Gelenkandeutung in die verknöcherte eigentliche Columella (Stapes Peters-Gadow) über. Ihr Inser- tionsteil ist ausgezeichnet durch die wohlentwickelte Parssuperior (Versluys), die dorsalwärts gegen das distale Ende des Quadratum aufsteigt, mit dem sie in bindegewebige Verbindung tritt. Die Pars inferior des Insertionsteils ist kleiner, die Processus accessorii anterior und posterior sind ganz unbedeutend. Auf der Aussenfläche des Insertionsteiles beginnt die „Sehne der Extracolumella“, die wir schon im vorigen Stadium bemerkten; sie verläuft um den dorsalen Rand der Pars superior und wendet sich dann scharf ımedianwärts zur Insertion an der Unterfläche des Processus paroticus. Medial zur Crista parotica und nahe der hinteren Kuppel der Ohrkapsel liegt in einer kleinen Vertiefung der Schädel- wand, der Fossa hyoides Siebenrocks, das proximale Ende eines Knorpelstäbchens, das von dort im Bogen abwärts, median- wärts und vorwärts verläuft, um dann an der Ventralwand des Schlundes frei unter der Schleimhaut zu enden. Es ist auch auf dem vorhergehenden Stadium (Serie VI) bereits ganz deutlich vorhanden, aber noch nicht mit dem Schädel in so enge Verbindung getreten. Von Cope (1892) wird es als das Epibranchiale des ersten Branchialbogens ge- deutet, während Versluys es (1898) als „vierten Branchial- bogen‘ bezeichnet. Bemerkenswert ist, dass das proximale Ende dieser Knorpelspange, kurz bevor es sich mit der Schädelseiten- wand verbindet, lateralwärts einen leicht hakenförmig gebogenen Fortsatz entsendet, wodurch dieser branchiale Skeletteil eine grosse Ähnlichkeit mit dem dorsalen Ende der hyalen Skelet- 270 ELISABETH CORDS, spange (vergl. das bei Beschreibung von Modell 3 Gesagte) be- kommt. Da ich an meinen Serien von Lacerta agilis keine Pharyngo- Branchiale I Rachen- höhle Fig. 16. Anlagerung des Branchiale an die Schädelseitenwand. vollständige Klarheit über seine Zugehörigkeit zu einem der Hörner des Zungenbeins erlangen konnte, untersuchte ich sein Verhalten bei einigen mir zur Verfügung stehenden Serien von Lacerta vivipara (crocea). Bei Lacerta agilis war es mir nur Die Entwiekelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 271 möglich, an einem Embryo von 22 mm Körperlänge einen Zusammenhang der noch nicht knorpelig differenzierten Anlage des fraglichen Skeletstückes mit dem Cornu branchiale I fest- zustellen. Ich will dies Skeletstück als Pharyngobran- chiale I bezeichnen; die Gründe, warum ich diese Bezeichnung und nicht die von Cope vorgeschlagene „Epibranchiale‘“ wähle, werde ich weiter unten auseinandersetzen. Bei einer Lacerta vivipara von 37 mm Länge zeigten die Verhältnisse eine grosse Ähnlichkeit mit denen bei gleich- weit entwickelten Stadien von Lacerta agilis, d. h. das Pharyngo- branchiale liegt mit seinem ventralen Ende dicht neben (lateral) dem dorsalen Abschnitt des Cornu branchiale II. Bei einem Embryo von 26 mm Länge findet es sich ziemlich weit ab- gerückt vom Cornu branchiale II, etwa in gleicher Entfernung von demselben, wie das Cornu hyale. Bei dem vorhergehenden Embryo dagegen, der eine Länge von 21 mm aufweist, bieten die Zustände ein noch ganz anderes Bild. Hier geht das schon bis an den Schädel heranreichende Stück direkt mit einer scharfen Knickung aus dem Cornu branchiale I hervor, einen gemeinsamen Vorknorpel-Stab mit ihm bildend. Medial von der Knickungsstelle findet sich aus dem Vorknorpelstrang hervor- gehend ein hakenförmiger kleiner Fortsatz; beide Teile werden von einer gemeinschaftlichen Hülle von dichtzelligem Gewebe umschlossen. Irgend einen Zusammenhang mit einem anderen branchialen Skeletteil konnte ich nicht finden, es scheint mir also die Zugehörigkeit zum Cornu branchiale I hiermit, wenigstens für Lacerta vivipara, festgestellt zu sein. Die Bezeichnung Pharyngobranchiale habe ich im Anschluss an van Wijhe (1882) gewählt in Hinsicht auf das Verhalten des dorsalen Endes dieses Knorpelstabes. In der gabelförmigen Spaltung, die es, wie früher gesagt, mit dem dorsalen Abschnitt des Hyalbogens teilt, zeigt sich ein Anschluss an die Zustände bei Ganoiden (van Wijhe) und Rochen (Parker). Für Gano- DD ı LVO ELISABETH CORDS, iden hat van Wijhe festgestellt, dass in dieser Gabelteilung die Kiemenvene verläuft, ähnlich wie sich bei Lacerta die Vena capitis lateralis zu den Gabelstücken des Hyalbogens verhält. Auch noch in einer anderen Beziehung ist dieses Verhalten des dorsalen Endabschnittes des Cornu branchiale I von Wich- tigkeit, nämlich für die Bestimmung des morphologischen Wertes der Kiemenbogenspangen. Man hat bekanntlich die Einheitlich- keit der Branchialbogen bei den höheren Wirbeltierklassen, resp. die geringere Anzahl der ausihnen hervorgehenden Teilstücke, durch Fortfall ihrer dorsalen Abschnitte erklären wollen. Eine gewisse Stütze findet diese Auffassung der Gliederung der Kiemenbogen als eines primären Zustandes in den Befunden von Braus (1904) und van Wijhe (1905), wonach die einzelnen Segmente der Kiemenbogen schon bei den Selachiern selbständig verknorpeln. Allerdings ist dieser ontogenetische Vorgang durchaus kein zwingender Grund anzunehmen, dass die Entwickelung auch phylogenetisch in gleicher Weise vor sich gegangen sei. Es scheint vielmehr, als weun hier die Auffassung von Dohrn (1884) den Tatsachen näher kommt. Dohrn hält die Gliederung der Selachier-Kiemenbogen für eine sekundäre Erscheinung, erworben durch Anpassung an die Zustände der Muskulatur: er geht da- bei, — ob ganz mit Recht, bleibe dahingestellt, — von den Verhältnissen bei Petromyzon aus, wo die einzelnen Kiemen- bogenknorpel durch einheitliche Spangen representiert werden. Nach dem Verhalten seines dorsalen Endes, d. h. der gabeligen Spaltung desselben in zwei Knorpeläste, ist es wohl als sicher zu betrachten, dass das „Pharyngobranchiale I“ bei Lacerta tat- sächlich dem primär dorsalen Ende eines Branchiale entspricht. Ob es sich dabei um eine strikte Homologie mit dem Pharyngo- branchiale der Selachier handelt, bleibe unentschieden. Ich halte es sogar für wenig wahrscheinlich, glaube vielmehr, dass, wie Dohrn für die Selachier annimmt, auch hier die Trennung des Branchiale I in zwei, später teilweise nebeneinander gelagerte Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 273 Knorpel-, resp. Knochen-Spangen erst eine sekundäre Erscheinung ist, entstanden unter dem Einfluss der Umgestaltungen der um- gebenden Weichteile. Denn „warum soll nicht auch einmal noch an Teilen des Hyobranchialskelets bei höheren Wirbeltieren eine Gliederung unter den Einflüssen neuer Momente neu ent- stehen?“ (Gaupp 1905.) Kehren wir nach diesen allgemeinen Betrachtungen zur Untersuchung der Verhältnisse bei Lacerta agilis zurück. Der Mund-Rachenraum ist von mässiger Weite; in den lateralen Partien des Bodens weist die Schleimhaut zahl- reiche kleine Falten auf. Die Kommunikationsöffnung des tubo- tympanalen Raumes mit dem Schlunde zeigt die schon an früheren Serien erwähnte Weite, die besonders in oral-aboraler Richtung sehr bedeutend ist und keine Abgrenzung der beiden Hohlräume gegeneinander gestattet. Der Saccus retrocolumellaris, der nicht viel an Grösse zugenommen hat, hat zwei kleine sekundäre Ausstülpungen gebildet, die medial und lateral von dem mit der Crista parotica jetzt ein Ganzes bildenden Processus paroticus ein wenig in die Höhe gewachsen sind. Dagegen hat der Saccus praecolumellaris ganz bedeutend an Grösse zugenommen, und zwar, wie auch in früheren Stadien haupt- sächlich der Recessus lateralis. Während nämlich der Recessus medialis augenscheinlich durch seine Lage zwischen Ohrkapselwand und Quadratum an einer grösseren Entfaltung gehindert wird, hat sich der Recessus lateralis, der besonders nach der lateralen Seite hin auf kein Hindernis stösst, in der ganzen Aushöhlung des Quadratum ausgebreitet, so dass er nach oben, vor allen Dingen aber nach vorn an Ausdehnung den medialen ganz bedeutend übertrifft. Aboral-dorsal zur Columella vereinigt er sich durch Resorption der beiden Schleimhautwände und dadurch bewirkten Durchbruch mit der entsprechenden (lateralen) Ausstülpung des Saccus retrocolumellaris, während der mediale Recessus sich zwar der gegenüberstehenden (inedialen) Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 18 274 ELISABETH CORDS, Ausbuchtung des Saccus retrocolumellaris anlagert, aber nicht in Kommunikation mit ihr getreten ist. Dadurch gewinnt es Quadratum Chorda tymp. Proe. internus _Columella (In- sertionsteil) Cavum iymp. Fig. 17. Einlagerung des Insertionsteils der Columella ins Trommelfell. 30/,, den Anschein, als läge die Columella, wie Versluys (1898) an- gibt, in einer von der dorsalen Wand vorspringenden Falte der Paukenhöhlenschleimhaut. Bei Krokodilen scheint übrigens, wor- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. DD EN | ı a auf Iwanzoff (1894) hinweist, diese Falte sich zurückzubilden durch Resorption der Schleimhautstrecken, die den Überzug der Columella mit der Paukenhöhlenwand verbinden, so dass also dann die Öolumella frei die Paukenhöhle durchsetzt. Das Trommelfell hat seine definitive Dünne erreicht; es inseriert jetzt an der Aussenkante des Quadratum in der ganzen Ausdehnung dieses Knochens vom Processus resp. der Crista parotica bis zur Artikulationsstelle mit dem Unterkiefer. Dort geht der Ansatz auf den, wie schon mehrfach hervorge- hoben wurde, sehr kräftig entwickelten Processus retroarticularis über, doch ist die Befestigung hier, wie auch Versluys angibt, keine so innige, sondern bleiben die beiden Teile durch eine Bindegewebsschicht getrennt. Ein kleiner Teil des hinteren Randes endet frei neben der Muskulatur an der allerdings sehr festen und wenig beweglichen Haut des Halses. Es macht sich ein auffälliger Unterschied in der Höhe des Epithelüberzuges an der Innenfläche des Trommelfells und der übrigen Pauken- höhlenwände bemerkbar; die Schleimhaut, welche die Innenseite der Membrana propria bekleidet, zeigt ausserordentlich niedrige Zellen, und damit eine sehr geringe Dicke, ähnlich wie dies mit der äusseren Hautbedeckung auf seiner lateralen Oberfläche der Fall ist (vergl. Textfig. 17.). Es ist also die Verdünnung, die zu seiner endgültigen zarten Beschaffenheit führt, auf Rechnung aller drei, an seinem Aufbau beteiligten Schichten zu setzen, wenn auch der bindegewebigen Mittelschicht unstreitig die Hauptrolle dabei zufällt. Das Verhalten der Nerven und Gefässe bietet, wie auch die Abbildungen erkennen lassen, im Vergleich mit den vorher- gehenden Stadien nichts Neues, nur scheinen diese Gebilde durch die weitgehende Resorption des die Paukenhöhle umgebenden Gewebes, wodurch sie selbst bedeutend an Weite ihres Hohl- raumes gewonnen hat, näher an die Wand (Schleimhaut) heran- gerückt zu sein. 18° 276 ELISABETH CORDS, Die Befunde an dieser Serie schliessen sich überhaupt schon ganz denjenigen an, die Versluys (1898) an erwachsenen Lacertiliern (er untersuchte speciell Lacerta ocellata und Lacerta viridis) gemacht hat, weshalb ich auf eine weitere Schilderung der Verhältnisse verzichten kann. 2, Zusammenfassung der Befunde. Nach der vorhergehenden Darstellung der Verhältnisse in den verschiedenen Entwickelungsstadien will ich jetzt noch ein- mal kurz zusammenfassen, was uns darin über die Entwickelung der einzelnen Organe bekannt geworden ist, um so den Zu- sammenhang zwischen den einzelnen Stufen der Ausbildung herzustellen. Schlundspalten. Von Kiemenspalten finden sich bei dem jüngsten von mir untersuchten Embryo hinter der Hyoman- dibularspalte noch drei wohlausgebildete, im dorsalen Abschnitt noch durchgängige, und eine vierte rudimentäre, nur durch äussere und innere Kiemenfurchen angedeutete. Nach der Ab- lösung auch des dorsalen Abschnittes vom Ectoderm, welche bei der ersten bis dritten in der Reihenfolge der Taschen von vorn nach hinten erfolgt, verkleinern sie sich und wenden ihre freien Enden noch mehr dorsalwärts. Aus der ersten und zweiten (hinter der Hyomandibulartasche) entstehen durch einen medial gerichteten Sprossungs- und Abschuürungsprozess die Thymus- knospen, die aber bald zu einem einheitlichen Körper ver- schmelzen. DieHyomandibulartasche nimmt insofern eine isolierte Stellung ein, als sie sich später als die folgenden Taschen vom Ectoderm loslöst und statt kleiner zu werden bedeutend an Grösse zunimmt. Paukenhöhle. Die Paukenhöhle entwickelt sich aus dem dorsalen Abschnitt der Hyomandibularspalte, die in frühen Stadien an dieser Stelle nach aussen geöffnet ist. Indem die laterale dorsale Spitze der Hyomandibulartasche sich, — Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta asilis. 277 später als dies bei der folgenden ersten Branchialtasche geschieht, — vom Ectoderm loslöst, erfährt die Schleimhauttasche eine Drehung aus der queren in eine annähernd longitudinale Rich- tung, so dass ihre ursprünglich caudale Wand zur medialen, ihre orale zur lateralen wird; dabei wird die caudale (mediale) Wand zugleich etwas dorsalwärts, und die orale (laterale) etwas ventral- wärts gewendet, so dass die anfänglich laterale Kante schliesslich caudal und dorsal gekehrt ist. Durch die von dem Ohrkapsel- Blastem sich in lateraler Richtung erhebende Anlage der Colu- mella auris wird die dorsale Kante der Tasche eingebuchtet, so dass man dann eine kleinere caudale und eine grössere orale Aussackung unterscheiden kann, die hinter, bezw. vor der Colu- mella in die Höhe wachsen: Saccus retrocolumellaris und Saceuspraecolumellaris. DerSaccusretrocolumellaris bleibt — vielleicht wegen der starken Entwickelung des Quadratum, das sich mit seinem caudal und dorsal gerichteten Ende über die Columella nach hinten wölbt, — unbedeutend, dagegen wächst der Saccus praecolumellaris vor der Columella stark dorsalwärts aus und wölbt sich vor- und aufwärts in die Aus- höhlung des Quadratum hinein. Durch die Chorda tympani die in frühen Stadien aussen um die laterale Kante der Hyomandibu- lartasche, später von hinten nach vorn dorsal über die Columella zum Kiefergelenk herabzieht, sowie durch den sich von der Columella in oral-dorsaler Richtung erhebenden Processus inter- nus wird der Saccus praecolumellaris in einen Recessus medialis und Recessus lateralis geteilt. Beide wachsen, getrennt durch die Chorda, resp. den Processus internus über die Columella in caudaler Richtung hinweg und legen sich an zwei kleine entsprechende Ausstülpungen des Saccus retrocolumellaris an. An der Anlagerungsstelle des Recessus lateralis kommt es zur Resorption der beiden Schleimhautwände und damit zur Kommunikation des prä- und des retrocolumellaren Saccus, am medialen Recessus bleibt die Trennung bestehen. 278 ELISABETH CORDS, Eine Scheidung in Tube und eigentliche Pauken- höhle findet nicht statt, vielmehr gehen Mittelohrraum und Rachenhöhle stets mit weiter Kommunikationsöffnung ineinander über. Daher ist es auch nicht möglich, mit Bestimmtheit aus- zuschliessen, ob an der Bildung des tubo-tympanalen Raumes nicht auch Teile des Schlundrohres oder der ersten Branchial- spalte (tasche) mitbeteiligt sind. Im Gegensatz zu dem Verhalten des tubo-tympanalen Raumes bei Amphibien und Säugern weist er bei Lacerta von Anfang an ein mit der Schlundhöhle kommunizierendes, verhältnismässig weites Lumen auf. Trommelfell. Das Trommelfell bildet sich durch Ver- dünnung aller drei es zusammensetzenden Schichten, besonders der ursprünglich sehr dicken mesodermalen Mittelschicht, in ge- ringerem Grade aber auch durch Abflachung des Epithels auf seiner Innenfläche und durch Ausbleiben der Verdickung der Haut auf seiner Aussenseite. Eine scharfe Begrenzung ist in frühen Stadien, so lange diese Unterschiede noch nicht hervor- treten, nicht zu geben. Zum Paukenhöhlenanteil des Trommel- felles wird nicht nur die Verschlussmembran der Hyomandibu- larspalte, welche etwa der caudalen Kante der Tasche entsprechen würde, sondern in ziemlicher Ausdehnung die ventral zu diesem Be- zirk gelegene laterale Fläche des Recessus lateralis des Saccus prae- columellaris (also ein Teil der ursprünglich oralen Wand der Hyomandibulartasche), sowie ein kleiner Teil der lateralen Wand des Saccus retrocolumellaris.. An der Aussenseite des Körpers entspricht ihm, soweit man bei dem Mangel einer Abgrenzung in frühen Stadien nach Verstreichen der Hyomandibularspalte solche Angaben machen kann, ein ziemlich ausgedehnter Bezirk des Mandibular- und Hyalbogens in der Umgebung des ehe- maligen dorsalen Abschnittes der Hyomandibularspalte. Dem- nach werden auch die Mesodermmassen, die die mittlere Schicht des Trommelfelles bilden, aus Material des Mandibular- und Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 279 Hyalbogens sich zusammensetzen. Der Insertionsteil der Colu- mella liegt mit seinen Fortsätzen in die bindegewebige Mittel- schicht, das Stratum proprium, eingebettet, so dass die Fortsätze bei der schliesslichen Verdünnung dieser Schicht, auf ihrer lateralen Fläche von der äusseren Haut, auf der medialen von der Schleimhautauskleidung der Trommelhöhle überzogen werden. Skeletteile. Die Columella auris hängt auf frühen Entwickelungsstadien einerseits mit dem Bildungsgewebe der Ohr- kapsel andererseits mit der Anlage des hyalen Skeletstabes zu- sammen. Dieses Skeletgebilde des Zungenbeinbogens zeigt, wenn es zuerst in den gemeinsamen Blastemmassen er- kennbar wird, an seinem dorsalen Ende eine Gliederung in zwei Teile, von denen der eine in oral-dorsaler Richtung gegen die Crista parotica (Gaupp) gerichtet ist, während der andere medial- wärts umbiegt und mit dem Gewebe der Ohrkapsel selbst ver- schmilzt (vergl. Tafelfig. 5). Dieser letztere Teil ist der mediale Abschnitt des Stieles der Columella mit ihrer Fuss- platte, der erstgenannte dagegen bildet die Grundlage des Processus paroticus (Gaupp), Processus dorsalis oder Inter- calare (V ersluys). Auf ganzjungen Stadien ist eine Abgrenzung der Blastemmassen der ÖOhrkapsel einerseits, der Columella andererseits nicht möglich. Etwas später aber zeigt die Colu- mella einen kleinen Fortschritt in ihrer Entwickelung gegenüber der Ohrkapsel, ein Zustand, der auch noch beim Übergang ins Vorknorpelstadium deutlich ausgesprochen ist; ausserdem macht sich im ventralen Teil der Verbindungsstelle mit der Ohrkapsel eine schmale Zone weniger verdichteten Gewebes bemerkbar, während dorsal ein ununterbrochenes Ineinanderübergehen beider Anlagen stattfindet. — Dieser Befund würde also für eine Entstehung der ganzen Columella aus dem Hyalbogen sprechen; dagegen sind aus der Lage ihres Blastems an der Dorsalwand des Schlundes und an der medialen ehemals caudalen Seite der Hyomandibulartasche keine Rückschlüsse auf ihre Zugehörigkeit 280 ELISABETH CORDS, zu einem Bogen des Kiemenskelets oder zum Cranium selbst zu ziehen. — Von der Abgangsstelle des Processus paroticus entwickelt sich lateralwärts der Insertionsteil, der demnach als eine sekundäre Bildung der Columella zu betrachten ist. In frühen Stadien ist besonders seine Pars inferior (Versluys) gut aus- gebildet; die anderen Fortsätze treten erst später hervor. Ebenso entwickelt sich der Processus internus erst in relativ später Zeit, wo er dann etwa von der Mitte des Columella-Stieles aus in oral-dorsaler Richtung gegen den Unterrand des Quadratum vorwächst. Der Processus paroticus zeigt sich nach dem oben Gesagten also, wie dies schon Gaupp (1890) hervorgehoben hat, als ein Fortsatz der Columella und somit als ein Abkömmling des hyalen Skeletstabes, der aber später seinen Zusammenhang mit diesem Skeletteil aufgibt und sich, medial am Quadratum vorbeiziehend, mit der Crista parotica kontinuierlich verbindet. Andeutungen einer Gelenkbildung innerhalb des Gewebes der Columella finden sich zu keiner Zeit, auch die beiden Teile, die Hoffmann (1889) an ihr unterscheidet, Otostapes und Hyo- stapes, lassen sich erst beim Auftreten der getrennten Knorpel- kerne im medialen und lateralen Teil unterscheiden, sind also, auch wenn man die Namen beibehalten will, nicht als Ausdruck einer doppelten Herkunft der Columella zu betrachten. Ein- gehendere Untersuchungen über die Genese dieses Skelettstückes anzustellen lag nicht in meiner Absicht; ich kann in diesem Punkte auf die Arbeit von Versluys (1903) verweisen. Das Quadratum entwickelt sich mit dem Knorpel des Unter- kiefers (Meckelscher K.) zusammen aus einem Blastemstab als dessen dorsaler Abschnitt. In frühen Stadien, wenn eine Unterscheidung beider Skelettelemente eben deutlich wird, ist es eine einfache annähernd sagittal gestellte Leiste, welche über die schmale Kante mit ventraler Concavität gekrümmt ist. Später wächst es mit seinem oberen Rande lateralwärts aus, und in die Die Entwieckelung der Paukenhöhle von Lacerta agılıs. 281 unter dem vorspringenden Rande entstehende Aushöhlung lagert sich der Recessus lateralis der vorderen Paukenhöhlenausstülpung. Am eigentlichen Unterkiefer fällt die frühe Ausbildung des Processus retroarticularis auf. Das am lateral-ventralen Teile des Petrosum ansetzende, frei in der ventralen Schlundwand endende Knorpelstäbchen, dessen Zugehörigkeit zum ersten oder zweiten Branchialbogen bis jetzt unentschieden war, hat sich bei Lacerta vivipara als dorsaler Abschnitt des Branchiale I („Pharyngobranchiale I“) er- wiesen. Gefässe und Nerven. Die Vena capitis lateralis entsteht nach den Untersuchungen von Grosser und Brezina (1895) durch den Zusammenfluss von Venen der Temporalgrube, der Augenhöhle und des Gehirns. Sie liegt in frühen Stadien dicht unter der Körperoberfläche in dem Winkel zwischen dor- salen Schlundtaschenzipfeln und Ectoderm. Später lagert sich derjenige Abschnitt, der für uns von Bedeutung ist, dicht an die oral-dorsale Kante der Hyomandibulartasche, diese allmählich tiefer einbuchtend. In der weiterentwickelten Paukenhöhle liegt die Vene in einer Nische der dorsal-medialen Wand, die durch das Vorspringen der Crista parotica vom lateralen Bogengangs- wulst gebildet wird. Sie verläuft hier dorsal von der Columella, medial vom Processus paroticus. Zum Stamm des Facialis hat sie zunächst vorn eine laterale, dann eine dorsale und schliess- lich hinten, etwa an der Abgangsstelle der Chorda tympani, eine mediale Lage. Die Arteria carotis interna (Rathke) liegt ventral von der Vena capitis lateralis. Sie läuft ursprünglich medial zur Abgangsstelle der Schlundtaschen an der dorsalen Schlund- wand nach vorn. Zwischen Hyomandibular- und erster Branchial- tasche. distal zur Anlage des Gehörknöchelehens, gibt sie die Arteria facialis (Rathke-Versluys) ab, die über die Columella und dann lateral-dorsalwärts aufsteigend zwischen Öhrkapsel 282 ELISABETH CORDS, und Quadratum in die Temporalgrube geht. Die Fortsetzung des Stammes zieht in Begleitung des Ramus palatinus nervi facialis zur Schädelbasis und zum Rachendach. Der Nervus facialis zeigt schon bei seinem ersten Er- kennbarwerden die typische Teilung in einen Ramus anterior oder palatinus (Ramus praetrematicus + Ramus pharyngeus) und einen Ramus posterior oder hyomandibularis (Ramus posttrematicus), welche beide aus dem an der medial- caudalen Wand der Hyomandibularspalte (tasche) gelagerten Ganglion geniculi in einander entgegengesetzter Richtung hervorgehen. Der Ramus palatinus verläuft gemeinsam mit der Arteria carotis interna nach vorn zur dorsalen Schlundwand, indessen der Ramus hyomandibularis sich zwischen Ohrkapsel und Tubenpauken-Ausstülpung nach hinten wendet, wobei er sich (später) in die Rinne zwischen Prominentia cochlearis und oberem Abschnitt der Ohrkapsel einlagert. Begleitet von der Vena capitis lateralis, die zuerst medial, dann ventral und schliesslich lateral zu ihm liegt, geht er dorsal über die Columella hinweg, medial vom Processus internus derselben. Etwas weiter hinten, caudal zum Processus paroticus, wendet sich der Ramus hyo- mandibularis lateral-ventralwärts zu seinem Endgebiet. Vorher aber, ebenfalls caudal zum Processus paroticus, gibt er aufwärts den Ramus recurrens ad Trigeminum (Versluys)'!) ab, der sich der Arteria facialis anschliesst. Ungefähr von der gleichen Stelle geht auch die Chorda tympani ab, die sich in einem oralwärts offenen Bogen um den Processus paroticus nach vorn wendet, um in gleicher Richtung wie der Stamm des Facialis zurück, d. h. oralwärts, zu verlaufen. Sie kreuzt die Columella dorsal wie der Facialis, aber lateral vom Processus internus und wendet sich dann abwärts und vorwärts zum dritten Ast des Trigeminus im Unterkiefer, wobei sie durch das dorsale 1) Vergl. das bei Beschreibung der Serie V darüber gesagte. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 283 Auswachsen der Hyomandibulartasche in einer Schleimhautfalte in die Paukenhöhle zu liegen kommt. Beide Nerven, sowohl der Stamm des Facialis wie die Chorda tympani, liegen frei unter der Schleimhaut der Paukenhöhlenwände, ohne eine Spur einer knöchernen Umhüllung, wie sie bei den Säugern auftritt. B. Vergleichend-anatomischer Teil. Wie die vorhergehende Beschreibung zeigt, kann ich also durch meine Befunde die freilich recht spärlichen Angaben früherer Untersucher im grossen und ganzen betätigen. Es bleibt dann die Aufgabe, die Zustände bei den Reptilien mit denen bei anderen Wirbeltierklassen zu vergleichen. Hierfür stelle ich zunächst die Angaben zusammen, die sich auf das specielle Verhalten der Hyomandibulartasche und die Ent- wiekelung des tubotympanalen Raumes bei den übrigen Wirbel- tierklassen beziehen. 1. Fische. Das Verhalten der Hyomandibulartasche bei den Fischen erfuhr eingehende Bearbeitung durch zahlreiche Forscher, von denen ich hier nur einige aufführen will: Reichert (1837), Agassiz (1878), Parker (1878), Balfour (1878, 1882), Salensky (1881), Dohrn (1884, 1885), van Bemmelen (1885), Maurer (1886)und Rabl 1889). Danach bleibt die genannte Tasche nur bei den Selachiern und einem Teile der Ganoiden (z. B. Acipenser, Polypterus) dauernd als durchgehende Spalte erhalten, in Form des Spritzlochkanales, der auf der Aussenseite des Kopfes dicht hinter dem Auge sich öffnet, dann nahe am Ohrlabyrinth vorbeizieht und endlich seine innere Aus- mündung im oberen Rachenabschnitt findet. Bei den übrigen Fischen (ein Teil der Ganoiden und die Teleostier), bei denen ein Spritzloch nicht besteht, schliesst sich die erste Schlundspalte bald wieder. 2. Amphibien. Das Verhalten der Hyomandibularspalte bei den Amphibien, d. h. bei den Anuren, denen allein eine Paukenhöhle und ein Trommel- 284 ELISABETH CORDS, fell zukommen !) ist kompliziert, und ihre Entwickelung teilweise schwer verständlich, indem die grossen Umwandlungen, die die Metamorphose dieser Tiere im Bereiche des Kopfes und Haises mit sich bringt, natür- lich auch in der Entwiekelung und Umbildung der Paukenhöhle zum Ausdruck kommen werden. Nachdem schon Huschke 1826 die Auffassung ausgesprochen hatte, dass die vor dem ersten Kiemenbogen gelegene (also die hyobranchiale) Spalte?) sich zum Paukenraum und ihre innere Öffnung sich zur Tuba Eustachii umbilde, kam auch Reichert (1837) zu der Ansicht, dass sich die erste Schlundspalte?) früh wieder schliesst, während sich aus der zweiten „öfters eine Eustachische Trompete, zuweilen auch eine T'rommelhöhle“ bilden. Rathke (1861), der früher eine sekundäre Entstehung der Pauken- höhle von der Mundhöhle aus (an der Stelle der ehemaligen ersten Schlundspalte) annahm, liess sie später beim Frosch aus der vordersten Visceralfalte*) durch eine „Zunahme an Weite und Tiefe“ entstehen. In Übereinstimmung mit Reichert gab Goette (1875) für Bom- binator igneus an, dass die Hyomandibularspalte (seine „erste Schlund- spalte“) sich in weitgehendem Masse zurückbildet: „nachdem sie sich von der Oberhaut wieder abgelöst hat und ihre beiden Blätter lateral- wärts zu einer einfachen Platte verschmolzen sind, schrumpft dieselbe zu einem unansehnlichen Klümpehen zusammen, welches sich endlich vom medialen Teil abschnürt und entweder ganz vergeht oder den gleichen Resten der zweiten Schlundfalte sich anschliesst.“ In ähnlicher Weise wird die zweite Schlundfalte zurückgebildet, „so dass nur der mediale Abschnitt ..... unmittelbar vor dem inneren Kiemenapparat zu einer Seitenbucht der Schlundhöhle sich öffnet.“ „Bald nach der 1) Einer Anzahl von Anuren und sämtlichen Urodelen und Apoden fehlt sowohl eine Paukenhöhle als ein Trommeifell; dagegen besitzen alle ein ÖOperculum, welches die Fenestra vestibuli (ovalis) der Ohrkapsel verschliesst. 2) Huschke fasst, allerdings in erster Linie von vergleichend-anatomi- schen Beobachtungen ausgehend, den wirklichen ersten Schlundbogen als „ersten Kiemenbogen“ auf und nıcht, wie man wohl gemeint hat, den Zungen- beinbogen. Nach ihm würde also die Paukenhöhle aus der ersten Schlund- spalte (hinter der Hyomandibularspalte) ihren Ursprung nehmen. 3) Reicherts erste Schlundspalte entspricht der Hyomanüibularspalte unserer heutigen Nomenclatur; es sind also die Auffassungen von Huschke und Reichert dem Sinne nach die gleichen und der scheinbare Gegensatz nur durch die verschiedene Benennung zustande gekommen. 4) Diese vorderste Visceralfalte ist nach Rathkes Angaben folgender- massen begrenzt: vorne durch das Quadratbein und durch das Horn des Zungenbeines, hinten aber durch den ersten oder vordersten Kiemenbogen. Rathke kannte früher die wirkliche erste, d. h. die hyomandibulare Spalte noch nicht; sein erster Bogen entspricht demnach dem ersten und zweiten Bogen anderer (späterer) Untersucher; später nennt er sie auch. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 285 Metamorphose wird sie (zweite Schlundspalte) bei der Unke, einigen verwandten Anuren und allen Urodelen vollständig ausgeglichen; bei anderen Anuren (Rana, Bufo etc.) bleibt sie aber ...... als Anlage der Paukenhöhle und der Tuba Eustachii erhalten.“ Im Gegensatz zu diesen beiden Untersuchern finden die folgenden, dass der Ausgangsort für die Entwickelung des tubo-tympanalen Raumes in der ersten Schlundspalte d. h. der Hyomandibularspalte zu suchen sei. Bei Rana temporaria konnte Villy (1890) eine Tubenanlage erst bei Larven von 25 mm nachweisen. Das Verhalten von Hyoid und Quadratum soll nach ihm die Ursache sein, dass die Hyomandibular- spalte eine Zeitlang verschwindet, um dann später wieder zu er- scheinen. Obgleich Villy za der Ansicht kommt, dass die Tube wahrscheinlich nicht der Hyomandibularspalte ihren Ursprung verdankt (is probably not formed from the hyomandibular cleft, but is an al- together new organ), versucht er doch eine Homologie mit der Hyoman- dibularspalte der Fische nachzuweisen. Gaupp (1893) gelang es, bereits bei 10 mm langen Larven von Rana fusca „an der Stelle, wo der Vorderrand des Processus muscularis des Quadratum auf die Pars articularis übergeht, aussen am Knorpel ..... einen kurzen, soliden, transversal gerichteten Zellstrang“ zu finden, „der sich weiterhin zum peripheren blinden Ende der Tube umgestaltet.“ Ob und wann eine Verbindung mit der Mundhöhle besteht oder auftritt, liess sich bei den jungen Larven, die zur Untersuchung kamen, nicht feststellen. — In frühen Entwiekelungsstadien liegt die Tube an der Unterfläche des Quadratum und steigt hinter der Quadrato-Hyoid-Ver- bindung lateral zur Aussenseite des Processus muscularis auf. „Erst gegen das Ende der Metamorphose gibt das Hyoid seine Verbindung mit dem Quadratum auf und schiebt sich hinter der Tube in die Höhe an die Schädelbasis“, so dass dann die Tube zwischen dem Quadratum und dem Hyoid liegt. Ihre Lage zum Quadratum bleibt dieselbe, nur wird sie von ihm durch das Tympanicum etwas abgedrängt. Sie rückt auch mit ihm, seiner Stellungsänderung folgend, aus der Orbital- in die Labyrinth-Region. Auch Spemann (1898), der in seiner speciell darauf gerichteten Arbeit mit Hilfe der Rekonstruktionsmethode die Entwickelung des tubo- tympanalen Raumes beim Frosch verfolgte, tritt für die Ableitung der Paukenhöhle von der Hyomandibularspalte ein. Die erste Anlage der Tube ist nach ihm in einem Zellstrang zu suchen, der von dem dorsalen Rand der Hyomandibularspalte nach vorn wächst. Der zwischen Quadra- tum und Hyoid gelegene Abschnitt dieses Zellstranges wird beim weiteren Auswachsen so dünn, dass es dem Untersucher „trotz aller aufgewendeten Mühe“ unmöglich war, „zu entscheiden, ob der Zusammenhang des Stranges während der Entwickelung gewahrt bleibt oder nicht.“ Der basale und der Endteil des Stranges bleiben bestimmt erhalten, und später findet sich an derselben Stelle die Tube. Auch Spemann hebt hervor, dass diese in früheren Stadien „in der Falte zwischen 286 ELISABETH CORDS, Quadratum und Hyoid“ liegt, während sie später ihren Platz hinter dem Hyo Quadrat-Gelenk hat; er bringt diese scheinbare Rück wärts- wanderung des tubo-tympanalen Rohres in Zusammenhang mit einer Neigung der Längsachse des M. orbito-hyoideus nach vorn. Er kommt zu dem Schlusse, dass „also bei Urodelen und Anuren die erste Visceral- falte in früher Jugend ähnlich gestaltet ist wie bei den Selachiern. Während aber die Urodelen im Laufe der weiteren Entwickelung die ganze erste Falte rückbilden, bleibt sie bei den Anuren erhalten und zwar trotz der stark abgeänderten Entwickelung.“ Auch Drüner (1903) bestätigt die Angaben von Gaupp und Spemann hinsichtlich der Entwiekelung der Paukenhönle durch Unter- suchungen, die er an Bufo vulgaris anstelltee „Die Paukenhöhle geht aus einem Epithelstrang hervor, welcher unmittelbar von der hyomandi- bularen Schlundspalte abstammt. Frühzeitig wird aber auch hier der Epithelstrang in mehrere Abteilungen zerrissen, deren Zusammenhang sich nachher wiederfindet.“ Trotzdem „die topographische Lage der Paukenhöhlenanlage bei umgewandelten Tieren ..... einer Hombologi- sierung mit dem Spritzloch nicht im Wege steht“, hält Drüner doch „den unmittelbaren phylogenetischen Zusammenhang auch damit nicht für bewiesen“, sondern „eine metagenetische Bildung der Paukenhöhle unter Benutzung der in der Ontogenie vorhandenen ersten Schlund- spaltenanlage für sehr wohl denkbar“. Engere Beziehungen dagegen findet er zwischen der Reptilien- Paukenhöhle und der sogenannten Plica hyomandibularis bei Urodelen, die „unabhängig von der hyomandibularen Spalte, unter dem Einfluss der Bewegungen des Hyoidbogens gegen den Kieferbogen“ entsteht. „Ihrer Lage nach stimmt die Plica hyomandibularis der Urodelen mit der ventral und caudal von der Chorda tympani gelegenen Pauken- höhle der Reptilien überein.“ „Beide Bildungen, Trommelfell und Paukenhöhle der Anuren einerseits, der Reptilien andererseits sind nicht homologe, sondern homöomorphe Bildungen“, da die Paukenhöhle und das Trommelfell der Anuren prochordal, die der Reptilien meta- chordal liegen, während die Säuger eine amphichordale Pauken- höhle aufweisen. 3. Vögel. Während der eine Zweig der Sauropsiden, die Reptilien, schon im ersten Teil dieser Arbeit eine nähere Berücksichtigung fand, haben wir uns hier noch kurz mit den Zuständen des Mittelohrraumes bei den Vögeln zu beschäftigen. Wie die Reptilien haben sich auch die Vögel hinsichtlich der Entwiekelung des tubo-tympanalen Raumes bei den Untersuchern bisher nur geringen Interesses zu erfreuen gehabt. Dies ist um so befremdlicher, als sie ein leicht in jedem Alter und in beliebiger Anzahl zu beschaffendes Material vorstellen. Immerhin wurden die ersten Untersuchungen in dieser Richtung überhaupt an Vogel- material angestellt, und Huschke gebührt das Verdienst, schon 1826 Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 287 den Gedanken ausgesprochen zu haben, dass sich der tubo-tympanale Raum der höheren Wirbeltiere aus einer Kiemenspalte der Fische ent- wiekle. — Allerdings sprach er die erste wirkliche Kiemenspalte, die hyobranchiale, in diesem Sinne an. Auf Untersuchungen an Hühnerembryonen gründete dann 1827 Huschke auch seine Auffassung vom Wesen des schalleitenden Apparates, nach weicher Ohrtrompete, Paukenhöhle und äusserer Ge- hörgang ihre Entstehung beim Vogel aus der ersten Kiemenspalte (Hyobranchialspalte) allein nehmen. Dieser Auffassung trat ©. E. von Baer in seiner Entwickelungs- geschichte (1828) entgegen. Nach ihm verschwindet die „erste“ von Huschke entdeckte, von ihm bestätigte Kiemenspalte wieder und erst nach ihrem Verschluss bilden sich die Tube und das Cavum tympani aus einer sekundären Ausstülpung vom Rachen aus, der von der Körper- oberfläche her der äussere Gehörgang entgegenwächst, allerdings in einem Bezirk, der „dem Raum zwischen dem ersten und zweiten Kiemen- bogen‘ entspricht. Reichert (1836—1838) kehrte scheinbar wieder zu der An- schauung Huschkes zurück, dass nämlich sowohl der tubo-tympanale Raum als der äussere Gehörgang bei den Vögeln von der ersten Vis- ceralspalte abzuleiten seien. Doch fasste er nach der inzwischen er- folgten Entdeckung einer vor der „ersten“ Huschke-Rathkeschen Spalte gelegenen, also einer „hyomandibularen“, diese als die wirkliche erste Visceralspalte (im Sinne unserer Hyomandibularspalte) auf. Eine im Innern dieser Spalte auftretende Verschlussmembran bilde das Trommelfell und damit eine Scheidewand zwischen mittlerem und äusserem Ohre. Die gleiche Ansicht vertrat Rathke (1861). Dadurch, dass diese beiden Untersucher unter „erster Visceralspalte“ die Hyomandibular- spalte verstehen, unterscheiden sich ihre Befunde wesentlich von denen Huschkes in der Bedeutung. Eine eingehende Darstellung der Entwickelung des mittleren und äusseren Ohres lieferte Moldenhauer (1877). Er beschreibt an den von ihm untersuchten Hühnerembryonen „einen länglichen Hügel, welcher mit schwacher Wölbung an der Innenfläche des Oberkieferfortsatzes nahe seinem Ursprung sich erhebend, senkrecht gegen die erste Kiemen- spalte herabsteigt und beim Herabsteigen an Höhe gewinnt, um schliess- lich abgerundet in den unteren Rand des ersten Bogens auszulaufen.“ Moldenhauer hält diesen Hügel für das Homologon der von Dursy (1869) bei Säugetieren beschriebenen Gaumenplatte und gibt ihm den Namen „Colliculus palato-pharyngeus.“ Er „wird jederseits gegen den übrigen Bogenteil durch eine Rinne abgegrenzt.“ Beide Rinnen laufen nach abwärts in die erste Kiemenspalte aus; nach auf- wärts mündet die vordere von ihnen nach aussen in den Winkel zwischen Ober- und Unterkieferfortsatz und wird so zum „Suleus lingualis.“ Aus der hinteren, allmählich immer seichter werdenden Rinne, dem „Suleus tubo-tympanieus“, geht die erste Anlage der Tuba Eustachii 288 ELISABETH CORDS, und des Cavum tympani hervor. Aus dem erweiterten Endstück des Suleus tubo-tympanicus entwickelt sich sekundär die Paukenhöhle „infolge eines allmählich vorausschreitenden Resorptionsprozesses im Bereiche der lockeren Bindesubstanz in der Umgebung des lateralen Endes des Suleus“; sie ist also streng genommen kein Produkt der ersten Schlundspalte(Hyomandibularspalte). Das Trommelfell istnach Molden- hauers Auffassung „als ein an die erste Kiemenspalte grenzender Abschnitt des ersten Kiemenbogens (Mandibularbogen) zu betrachten.“ Strasser (1905) macht über die Entwickelung der Paukenhöhle bei der Taube folgende Angaben: Nach ihm vergrössert sich das „erste innere Schlunddivertikel“ nach vorn hin „als zeltartig sich gestaltender Raum zwischen den Trabekelwurzeln und den Processus basipterygoidei (vorderes Divertikel der Paukenhöhle)“. Der „seitliche, resp. hintere Teil des Rachendivertikels, die eigentliche Paukenhöhle“ umwächst von oben und unten den medialen Abschnitt des zweiten Schlundbogen- knorpels, die Columella, welche alsdann als freies, querverlaufendes Knorpelstück die Paukenhöhle durchsetzt. Zwischen Aussenfläche des Quadratum und Trommelfell schiebt sich ein Divertikel der Pauken- höhle vor, bis „schliesslich das Quadratum an seinem proximalen Ende von der Paukenhöhle rings umgriffen“ wird. 4. Säuger. Im Gegensatz zu den Sauropsiden haben sich die Säugetiere, was die Entwickelung des Mittelohres betrifft, einer recht grossen Be- liebtheit bei den Untersuchern zu erfreuen gehabt. Schon 1825 machte Rathke an Schweineembryonen die wichtige Entdeckung, dass auch bei Säugetieren am Halse wie bei Fischen, mit deren Kiemenspalten er sie auch bereits homologisierte, sich Spalten fänden, von denen er annahm, dass sie eine Verbindung der Rachen- höhle mit der Körperoberfläche darstellten. In seinem letzten, erst nach seinem Tode veröffentlichten Werke (1861) sagt er über die Entwickelung der Tube und Paukenhöhle folgendes: „Bei den Vögeln und Säugetieren verwächst die vorderste Schlundspalte!) ungefähr in der Mitte ihrer Tiefe, und es bildet sich darauf an dieser Stelle das Trommelfell. Die äussere Hälfte aber wird zum äusseren Gehörgange, die innere zu der Paukenhöhle und Eustachischen Trompete.“ Dagegen fasste ©. E. von Baer (1825) die Paukenhöhle der Säugetiere als eine sekundäre Ausstülpung der Rachenhöhle auf. Ähnlich wie Rathke lässt auch Reichert (1837), dem gleichfalls Schweine-Embryonen zur Untersuchung vorlagen, aus der ersten Vis- ceralspalte (unserer Hyomandibularspalte), die durch eine Scheidewand — das künft'ge Trommelfell — in einen äusseren und inneren Ab- 1) Rathke meinte hier bereits die ihm früher nicht bekannte Hyoman- dibularspalte, Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 289 schnitt zerlegt wird, einerseits den äusseren Gehörgang, andererseits den Mittelohrraum und die Tube sich entwickeln. AuchK oelliker (1861— 1879) trat fürdie Entwickelung desmittleren und äusseren Ohres beim Menschen aus der ersten Kiemenspalte ein, und zwar „aus dem medialen Teile des hinteren Abschnittes derselben, welcher jedoch nicht ohne weiteres und unmittelbar zu diesen Teilen sich umbildet, sondern in einen nach aussen, oben und hinten ge- richteten Fortsatz auswächst, der wesentlich zur Paukenhöhle sich gestaltet.“ Zu ganz anderen Resultaten kam dagegen Moldenhauer (1877). Er findet beim Säugetier eine weitgehende Übereinstimmung der Ent- wickelungsvorgänge mit denen beim Hühnchen. Es entsteht somit nach seiner Auffassung die Paukenhöhle, unabhängig von der ersten Schlund- tasche, als eine Rinne der Rachenwand, die von der ersten Kiemen- spalte ab nach dem Winkel zwischen Ober- und Unterkieferfortsatz verläuft und durch ihre sekundäre Erweiterung die Paukenhöhle bildet. Die anfänglich weite Kommunikationsöffnung mit der Schlundhöhle wird durch Vorwachsen und Vereinigung der beiden Kiemenbogen verengt. Das Trommelfell entsteht nach ihm aus dem ersten Schlundbogen. Auch Urbantschitsch (1877) kam bei der Untersuchung von Kaninchenembryonen zu der Überzeugung, dass „die Anlage des Mittel- ohres keineswegs von der ersten Kiemenspalte abzuleiten, sondern aus- schliesslich in den beiden Seitenbuchten der gemeinschaftlichen Mund- Nasen-Rachenhöhle zu suchen“ sei. Mit der Auffassung, dass „die Auskleidung sämtlicher dieser Höhlen vom äusseren Keimblatt gebildet ist“, dürfte Urbantschitsch wohl vereinzelt dastehen. C. K. Hoffmann (1884) kehrte zu Koellikers Auffassung zurück. Nach ihm entsteht die Paukenhöhle, der „Canalis tubo-tympanicus‘, bei den Amnioten „aus einem nach aussen, oben und vorn gerichteten Fort- satz der ersten Kiementasche“ Hoffmann homologisiert diesen Fortsatz auf Grund „seiner Lage zwischen dem Nervus trigeminus und dem Nervus acustico-facialis, die vollständig mit der der Fische übereinstimmt“ mit der Spritzlochkieme bei Selachiern und Teleostier- Embryonen. Gradenigo (1887) gibt für Säuger und den Menschen wieder an, dass der tubo-tympanale Raum aus einem Abschnitt der Rachenhöhle entstehe, während die erste Schlundspalte sich vollkommen zurückbilde. Der gleichen Ansicht ist Kastschenko (1887). Er macht für die Säuger (Schwein) die Angabe, „dass das mittlere Ohr keineswegs aus der ersten Schlundspalte, sondern infolge der Verengerung des Seitenteiles des embryonalen Schlundes entsteht.“ Er nennt diesen Seitenteil „primäre Paukenhöhle“ und gibt an, dass sich an ibrer vorderen und hinteren Ecke die erste und zweite Schlundtasche befinden, während sie gegen den Schlundraum nicht abgeschlossen sei. Durch Einwachsen der Ohrkapsel wird sie in sekundäre Paukenhöhle und Tube zerlegt. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 19 290 ELISABETH CORDS, = Seine „primäre Paukenhöhle“ entspricht so ziemlich dem tubo-tympanalen Raum, wie ihn Gradenigo angibt; nur reicht sie aboral nicht wie jene bis zum zweiten, sondern bis zum dritten Kiemenbogen ; trotzdem soll sich die zweite Schlundtasche, wie man nun eigentlich erwarten könnte, nicht an der Bildung der Paukenhöhle beteiligen. Nach seinen Rekonstruktionsbildern kommt Kastschenko zu dem Schlusse: „dass wenigstens der grösste Teil des Trommelfelles aus dem vorderen Teil des zweiten Schlundbogens gebildet wird.“ Zu noch anderen Resultaten kommt Piersol (1888). Nach ihm ist die Entstehung des mittleren Ohres beim Kaninchen ein komplizierter Vorgang: ausser der ersten Schlundtasche beteiligen sich daran eine sogenannte „Rachenrinne“ und eine seitliche Erweiterung des Schlund- rohres, die den dorsalen Abschnitt der zweiten Schlundtasche aufnimmt. Der dorsale Teil der ersten Schlundtasche bildet den Hauptteil „des pharyngo-tympanalen Raumes“, der zusammen mit den Resten der zweiten Schlundtasche und mit der Rinne, die von der Spitze der ersten Visceraltasche am Rachendach medialwärts zieht, den Ausgangs- punkt für die Bildung der Paukenhöhle abgibt. Die definitive Ver- teilung gestaltet sich dann so, dass die Paukenhöhle hauptsächlich aus Material der ersten Schlundtasche und der Rachenrinne sich auf- baut, während die Tube durch Verengung des übrigbleibenden pharyngo- tympanalen Raumes entsteht. Auch Siebenmann (1894) sieht nach seinen Untersuchungen an sehr jungem menschlichem Material in der ersten Schlundtasche die Bildungsstätte für die Paukenhöhle. „Wenn wir die weitere Entwicke- lung der ersten Schlundtasche ins Auge fassen, so müssen wir in letzterer die erste Anlage der Mittelohrräume erblicken“, und zwar nimmt er an, dass sich am frühesten derjenige Teil der Paukenhöhle entwickele, „der dem mittleren Drittel der späteren Paukenhöhle entspricht.“ Später beginnt die Bildung der Tube durch „Apposition“ am medialen, unteren Ende der Paukenausstülpung, doch steht sie noch verhältnismässig lange „durch eine direkte, unvermittelte, freie Kommunikation mit dem Rachen“ in Verbindung, worin Siebenmann ähnliche Verhältnisse wiedererkennt, „wie wir sie bei den Batrachiern als Endstadium der Entwickelung im postembryonalen Leben finden.“ — „Die äussere Trommelfellfläche entspricht nicht der Verschlussplatte, sondern sie wird auf der ventralen Wand der Kiementaschenspitze durch den Gehör- gangswulst ..... abgegrenzt.“ Eine ungemein eingehende Bearbeitung erfuhr die Entwickelung der Paukenhöhle beim Menschen durch Hammar (1902) in seinen „Studien zur Entwickelung des Vorderdarmes und einiger angrenzenden Organe“. Er unterscheidet drei Perioden der Entwickelung: die An- legungs-, die Abtrennungs- und die Umformungsperiode. In der ersten „entsteht schon früh am Schlunddache eine dorsale Verlängerung der ersten Schlundtasche ..... als spitz ausgezogene, schief medio-oralwärts gestellte, platte Tasche ....,, deren Spitze die Anlage der vorderen Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 291 Paukenfelltasche bildet. Die an ihrem oralen Rande entlang ver- laufende Rinne wird als tubo-tympanale Rinne, die längs dem aboralen Rande verlaufende als Tensorrinne bezeichnet. Letztere geht in eine medial von der Wurzel des 2. Schlundbogens laufende Rinne, die hintere tympanale Rinne, über, welche ihrerseits aboralwärts in die dorsale Verlängerung der 2. Schlundtasche ausläuft. Nach innen zu ist das Dach des Schlundrohres durch die Gehörblase als Impressio cochlearis eingebuchtet.“ Tubo-tympanale Rinne, Tensorrinne, vordere Paukenfelltasche und benachbarter Teil der Impressio eochlearis bilden die primäre Paukenhöhle. Nach Trennung der 1. Schlundtasche von der 1. Schlundfurche wird die tubo-tympanale Kante durch eine Knickung in eine kurze tubare und eine längere vordere tympanale Rinne geteilt. Die tympanale Rinne bildet die hintere Paukenfelltasche, welche zu- sammen mit der vorderen die Tensorrinne zwischen sich fassen, die als Ineisura tensoris tympani zwischen beide Paukenfelltaschen einschneidet. Abwärts dazu buchtet sich die Impressio manubrii vor; „der Hammer- griff steckt somit im Gewebe des früheren 2. Bogens. In der Ab- trennungsperiode wird die bisher länglich spaltförmige Schlundmündung der primären Paukenhöhle durch eine aboralwärts fortschreitende Ein- schnürung immer mehr verkürzt.‘ In der Umformungsperiode endlich nimmt die Tube mehr an Länge, die Paukenhöhle mehr an Breite zu, „vorzugsweise das hintere Ende der Höhle. Hierdurch wird der ursprünglich endständige Tensoreinschnitt bis etwa an die Mitte des oberen Paukenhöhlenrandes verlagert.“ — „Die Umhüllung des Steig- bügels wird von drei verschiedenen Aussackungen bewirkt: dem vorderen, dem hinteren und dem unteren Steigbügelsäckchen“; durch Verschwinden der trennenden Falten verschmelzen die drei Steigbügelsäckchen zu einer einheitlichen Fossula fenestrae ovalıs. „Beim Erweitern der medialen Wand der vorderen Paukenfelltasche verursachen die Fasern des Lig. mallei ant. eine Einbuchtung, die vordere Hammerbandfalte. Eine ähnliche, aber tiefere Falte, die Chordafalte, wird im Bereiche der hinteren Tasche durch die Chorda tympani hervorgerufen. Diese letztgenannten beiden Falten schneiden von aussen und oben, die Tensorfalte von vorn, der Facialiswulst und der epitympanale Wulst von innen und hinten in die Paukenhöhle ein, wodurch der Isthmus tympani entsteht, welcher die eigentliche Paukenhöhle von dem nach oben davon gelegenen Aditus absetzt.“ Zu ähnlichen Resultaten wie Hammar ist Drüner (1903/04) bei seinen Untersuchungen über das Mittelohr der Maus gekommen. Leider liegen darüber erst einige kurze Mitteilungen vor, doch hebt er darin selbst die „weitgehende Übereinstimmung“ seiner Befunde mit den von Hammar beim Menschen festgestellten Verhältnissen hervor, wenn er auch hinsichtlich einiger, „für die morphologische Beurteilung wichtiger Punkte“ zu anderen Anschauungen gelangt ist. Das Ergebnis seiner Untersuchungen ist folgendes: „Paukenhöhle und Tube können so nicht mehr als Homologon des Spritzloches der Selachier angesehen werden, ılehs 992 ELISABETH CORDS, sondern stellen einen vorgeschobenen Teil der Kopfdarmhöhle dar, in dessen Bereich die erste Schlundspalte einst lag. Sie sind als Ganzes eine Neuerwerbung des Säugetierstammes, ebenso wie der sekundäre Gaumen und die Schnecke. Dass sie sich ebenso wie jene aus bei niederen Formen schon vorhandenen Teilen entwickelt haben, ist selbst- verständlich.“ In letzter Zeit hat auch Fuchs (1905—1906) in seinen Arbeiten über „die Entwickelung der Gehörknöchelehen beim Kaninchen“ Beob- achtungen über die Umbildung der ersten Schlundspalte (Hyomandi- bularspalte) zur Tube und Paukenhöhle mitgeteilt. Von besonderer Wichtigkeit scheint ihm der Umstand zu sein, „dass sie“ (die Hyomandi- bularspalte) „sich ganz besonders nach zwei Richtungen hin entfaltet, einmal in caudo-cranialer und zweitens in fast rein ventro-dorsaler. Ihr dorsaler Abschnitt läuft in seinem cranialen Ende in eine lang- ausgezogene Spitze oder Tasche aus, die man am besten vielleicht einen Recessus nennt, und die sich ganz allmählich mehr und mehr lateral wendet, um schliesslich mit der Epidermis sich zu vereinigen. Wie aus den Abbildungen deutlich erhellt, ist man völlig berechtigt zu sagen, dass die erste Schlundtasche am 13. Tage der Entwickelung eine nahezu sagittal gestellte Ausbuchtung des Kopfdarmes darstellt ..... So kommt es, dass die beiden ersten Visceralbogen direkt lateral zu ihr gelegen sind, der erste teilweise etwas craniolateral, der zweite teilweise etwas caudolateral. Jedenfalls aber kann kein Organ, das medial von ihr liegt, zum Gebiet eines der beiden ersten Visceralbogen gerechnet werden!). Im weiteren Verlaufe seiner Arbeit unterzieht er die Bromanschen Untersuchungen (1899) einer abfälligen Kritik und spricht sich bei dieser Gelegenheit noch deutlicher über seine An- schauung hinsichtlich der Stellungsänderung der Hyomandibularspalte aus. Seiner Darstellung zufolge, sowie aus den zur Erläuterung der fraglichen Verhältnisse beigegebenen Textfiguren 7a und 7b ergibt sich, dass die anfänglich rein lateral ziehende Schlundtasche später ihre Lage so geändert haben soll, dass ihre ursprünglich craniale Wand zur medialen, ihre ursprünglich caudale zur lateralen wird. Fuchs tritt mit dieser Auffassung von der Schwellungsänderung der Hyomandibulartasche in direkten Gegensatz zu den Befunden, die Hammar?) an menschlichem und zum Vergleich auch an Kaninchen- Material gemacht hat. Dieser letztere machte an den äusseren Kiemen- furchen die Beobachtung, dass ihre Richtung „von einer fast quer einschneidenden in eine schief medio-oralwärts eindringende umgewandelt‘“ 1) Fuchs kommt denn auch zu dem Schluss, „dass der Säugerstapes ontogenetisch nur von der Gehörkapsel abgeleitet werden könnne, falls man ihn überhaupt von einem Skeletstück ableiten will... Keinesfalls lässt sich ontogenetisch eine hyoidale Abkunft für ihn erweisen.“ 2) Hammar, Studien über die Entwicklung des Vorderarmes ete. Arch. f. microsc. Anat. Bd. 59. 1902. p. 477; vergl. auch seine Figuren 8—18. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agılis. 293 wird. Da ausserdem seiner Schilderung zufolge „das tubo-tympanale Rohr sich, von den Seitenteilen des Schlunddaches ausgehend, nach einem ganz kurzen lateral gerichteten Anfangsstück — der Tube — in latero-aboraler Richtung mit nur ganz schwacher Abweichung dorsal- wärts“ erstreckt, müsste man, da nichts weiter bemerkt ist, annehmen, dass die Kaninchen, die Hammar untersuchte, sich anders verhielten als die Fuchsschen, oder dass Hammar der fundamentale Unter- schied in der Anordnung der Hyomandibulartasche beim Menschen und beim Kaninchen entgangen ist. — Auf eine weitere Besprechung der Fuchsschen Angaben will ich hier nicht eingehen, da es sich um Säuger handelt und ich über eigene Untersuchungen auf diesem Gebiet nicht verfüge; doch scheint mir eine Nachprüfung an dem gleichen Material, welches Fuchs untersuchte, bei den überraschenden Re- sultaten, zu denen er kam, sehr erwünscht. Auch Ingalls (1907) kommt bei seiner „Beschreibung eines menschlichen Embryo“ zu einer der Hammarschen Auffassung ähn- lichen Ansicht; es heisst dort bei Darstellung der Schlundspalten: „sie haben alle im allgemeinen eine frontale Stellung und sind senkrecht dazu stark abgeplattet. Sie sind, besonders die zweite, etwas cranial von den entsprechenden äusseren Furchen gelagert ..... “ Dieser letztere Ausdruck ist, wie mir scheint, doch auch nur so aufzufassen, dass sie von medio-oral nach latero-aboral verlaufen, also in demselben Sinne wie Hammar es darstellt. Bender (1906 - 1907) kommt auf Grund ausgedehnter ver- gleichend-neurologischer Untersuchungen zu dem Resultat, „dass das Spritzloch der Selachier, die Paukenhöhlen der Amphibien, Sauropsiden und Säuger insofern einander homologe Bildungen darstellen, als un- zweifelhaft in allen ein gemeinsames Stammgebiet enthalten ist, welches sich nach seiner übereinstimmenden Innervation auf den Dorsalbereich der ersten Schlundspalte zurückführen lässt.“ Durch den recht variablen Verlauf der Chorda tympani kommt er zu der von einigen Untersuchern (Drüner) beanstandeten Überlegung, dass „der Verlauf der Chorda tynpani zur Paukenhöhle kein ausschlaggebender Faktor bei Beur- teilung dieser Frage ist.“ „Die Verlaufsstrecke dieses Nerven inner- halb des Paukengebietes ist ebenso variabel wie seine Abgangsstelle vom Facialis, seine Lage zum schalleitenden Apparat und zu den Deck- knochen des Unterkiefer. Einzig konstant habe ich nur die Be- ziehungen der Chorda tympani zum nonmammalen Kiefergelenk und zum Meckelschen Knorpel, sowie zum mammalen Hamm er- Amboss- gelenk gefunden.“ Vergleichen wir dieses Ergebnis mit den sonstigen Befunden, die die vergleichende Anatomie geliefert hat, so werden wir Bender vollkommen zustimmen müssen, „dass der im Paukenbereich variable Verlauf der Chorda tympani und damit die Begriffe pro-, meta- und amphichordal nichts über eine dementsprechend wechselnde Lokalisation der Paukenhöhle besagen“. 294 ELISABETH CORDS, Überblicken wir die in den vorstehenden Blättern aufge- führten Untersuchungsergebnisse, so sehen wir, dass bei den drei Gruppen der Wirbeltiere, bei denen überhaupt eine Pauken- höhle entsteht, d. h. bei den Anuren, den Sauropsiden und Säugern, die Bildung derselben von der Hyomandibulartasche ihren Ausgang nimmt. (Die meist auf ältere Autoren zurück- gehenden Angaben, nach denen auch Abschnitte der Rachen- höhle selbst sich daran beteiligen sollen, können dabei über- gangen werden.) Wir sind somit wohl zu dem Schlusse berech- digt: alle Paukenhöhlenbildungen bei den Wirbeltieren gehen ontogenetisch in der Hauptsache aus der Hyomandibulartasche hervor, sind also phylogenetisch auf das Spritzloch der Selachier zurückzuführen und somit ihrer Herkunft nach im grossen und ganzen wohl zu homologisieren. Im einzelnen zeigen sich aber in der Entfaltung die aller- grössten Unterschiede, die davor warnen, auf den speciellen Modus der Entwickelung einen allzugrossen Wert zu legen. Am deutlichsten zeigen die Anuren, dass die Paukenhöhlen-Ent- wiekelung in höchstem Masse durch die Entwickelung der übrigen Teile des Kopfes beeinflussbar ist, so beeinflussbar, dass das Epithel, das die Paukenhöhle auszukleiden bestimmt ist, eine Zeitlang sogar in einzelne Stücke zersprengt, scheinbar ohne bestimmte Gesetzmässigkeit im Bindegewebe des Kopfgebietes liegt. Zeigt sich so, dass die rein entwickelungsgeschichtlichen Vorgänge, ganz besonders soweit es sich um die Chronologie handelt, bei einem Vergleiche nur mit Vorsicht verwendet werden dürfen, so ist es um so notwendiger, auch die Endresultate der Entwickelung genauer ins Auge zu fassen, und namentlich die Ausdehnung des tubo-tympanalen Raumes und seine topographischen Be- ziehungen kritisch zu vergleichen. Da aber zeigt sich bald, dass Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 295 von einer vollständigen bis in Einzelheiten gehenden Homologie keine Rede sein kann. Das ist wohl auch kaum anders zu erwarten, da ein Hohlraumsystem wie die Tube und die Pauken- höhle naturgemäss wenigstens bei seinen sekundären Um- formungen und seiner endgültigen Ausgestaltung sich doch ziemlich passiv verhalten und von den umgebenden Hart- und auch Weichteil-Gebilden abhängig sein wird, so dass es bis zu einem gewissen Grade in seiner Form alle Veränderungen dieser angrenzenden Teile mitmachen und in seiner Gestalt zum Aus- druck bringen muss. Wir wollen auch das etwas genauer be- trachten. Zunächst ergibt sich die Unmöglichkeit einer genauen Ho- mologisierung bei dem Versuch, die Grenze des tubo- tympanalen Raumes gegen die Rachenhöhle genau zu bestimmen. Für die Lacertilier, — und nach Versluys verhält es sich bei der Mehrzahl der anderen Reptilien ebenso — ist die Beantwortung der Frage nach einer genauen Begrenzung des Ursprungsgebietes der Tube und Paukenhöhle dadurch er- schwert, dass hier, abgesehen von den allerfrühesten Zuständen, wo es sich aber noch nicht um die Paukenhöhle sondern nur um eine Schlundtasche handelt, in keinem Entwickelungssta- dium eine Grenze zwischen Hyomandibulartasche und Schlund- höhle auch nur annähernd genau anzugeben ist; ebenso zeigt auch das Epithel in beiden Räumen ganz gleichen Charakter. Es ist daher unmöglich, von den dem Schlundrohr näherge- legenen Teilen der weiten Ausstülpung, die zum Mittelohrraum wird, mit Bestimmtheit anzugeben, ob ihre Wandungen von jeher der Hyomandibularspalte zuzurechnen waren, oder ob sie ursprünglich einem angrenzenden Teile des Schlundrohres an- gehörten. Ebensowenig lässt sich der Beweis führen, dass nicht auch Material der ersten Branchialspalte mit zur Verwendung kommt, denn der Rest derselben verstreicht nach Abschnürung 296 ELISABETH CORDS, der Thymusknospe in der dorsal-caudalen Kante des Schlundroh- res, wobei er allerdings auf dem Stadium, welches Modell 3 (vergl. Tafelfig. 4) zur Darstellung bringt, in ziemlicher Nähe der Üo- lumella auris, also jedenfalls nicht weit von dem Bereich der zukünftigen Paukenhöhle, zu finden ist. Gänzlich ausschliessen lässt sich daher, wie gesagt, auch eine Beteiligung des Epithel- gebietes der ersten Branchialspalte (resp. -tasche) an der Bildung des Mittelohres nicht; wohl aber kann man behaupten: wenn sie stattfindet, so kommt sie jedenfalls nur für den dorsal-cau- dalen Teil des tubo-tympanalen Raumes und auch für diesen nur in geringem Umfange, sowie für die dorsale Kante der weiten Kommunikationsöffnung nach dem Schlund, des Ho- mologons der eigentlichen Tube anderer Vertebraten, in Betracht. Zu dem gleichen Resultat, d. h. der Unmöglichkeit, eine deutliche Abgrenzung des tubo-tympanalen Raumes gegen die Schlundhöhle zu geben, kommt auch Versluys auf Grund seiner eingehenden Untersuchungen an erwachsenen Reptilien; er sagt: „bei der verschiedenen Weise der Abgrenzung der Paukenhöhle gegen die Rachenhöhle ist es sehr begreiflich, dass die Paukenhöhle eigentlich nicht immer ganz gleichwertig ist“. Auch Leydig (1872) bezeichnet den Paukenraum „eigentlich nur als eine Ausbuchtung der Rachenhöhle“, kann also im Grunde auch keine Grenze zwischen beiden annehmen. Was hier innerhalb einer Klasse sich zeigt, ist natürlich in noch höherem Masse der Fall, wenn wir über diese Klasse hinaus den Homologisierungsversuch auch auf die anderen Ab- teilungen des Wirbeltierstammes ausdehnen. Die Weite der Kommunikationsöffnung nach dem Rachen bei Amphibien („Fröschen und Kröten“) hebt schon Ou vier(1809) hervor, welchen Befund spätere Untersucher im allgemeinen bestätigen; anderer- seits finden sich aber auch schon innerhalb der Amphibienklasse bedeutende Abweichungen: bei den Aglossa stellt die Mündung beider Tuben eine gemeinsame mediane Öffnung dar. (Dass Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 297 es bei einem Teil der Anuren allen Urodelen und Apoden überhaupt nicht zur Bildung einer Paukenhöhle kommt, wurde schon früher hervorgehoben.) Eine ähnliche Verschmelzung beider 'Tuben- mündungen finden wir übrigens unter den Reptilien bei den Krokodilen, wo sie zuerst von Owen (1850) genauer dargestellt worden ist. Bei allen diesen Formen ist natürlich eine deutliche Abgrenzung des Mittelohr-Gebietes gegen den Rachen vorhanden, und derselben wohlentwickelten Abtrennung des tubo-tympanalen Raumes begegnen wir auch bei den Vögeln, wo gleichfalls die Tuben durch einen unpaaren medianen Abschnitt hinter der Choane in den Rachen münden. Ähnliche Verhältnisse, d. h. eine deutliche Trennung der Paukenhöhle vom Rachenraum, liegen im allgemeinen auch bei den Säugern vor. Bei den meisten mündet die erweiterte Pau- kenhöhle durch Vermittelung einer engeren Tube in die Schlund» höhle; doch finden sich auch hier einige Ausnahmen. So soll nach Zuckerkandl (1886) und Eschweiler (1899) der tubo- tympanale Raum bei Ornithorhynchus auch beim erwachsenen Tiere in weiter Verbindung mit dem Rachen stehen; und Sieben- mann (1894) hebt für den menschlichen Embryo ausdrücklich das lange Bestehen einer „direkten, unvermittelten, freien Kom- munikation der Paukenhöhle mit dem Rachen“ hervor. Nach Hammars (1902) Angaben kommt die Abgrenzung gegen den Schlund beim Menschen erst später durch einen in aboral-oraler Richtung fortschreitenden Einführungsprozess der Basis der tubo-tympanalen Ausstülpung zustande, wodurch die Mündung dieses Raumes in den Schlund eingeengt und dann durch wei- teres Wachstum in die Länge die Tube gebildet wird. In den, wie wir gesehen haben, recht wechselnden und sich zum Teil sogar widersprechenden Angaben der verschiedenen Autoren über Mitbeteiligung angrenzender Teile des Schlund- rohres, resp. anderer Schlundspalten an der Auskleidung des tubo-tympanalen Raumes möchte ich gleichfalls einen Hinweis 298 ELISABETH CORDS, darauf sehen, wie schwer oder unmöglich es den betreffenden Untersuchern wurde, eine genaue Begrenzung des Gebietes der Hyomandibularspalte gegen diese anderen Bezirke anzugeben. Ein genauerer Homologisierungsversuch würde also schen hier auf Schwierigkeiten stossen angesichts der Unmöglichkeit, die mediale Begrenzung des tubo-tympanalen Rohres einwandfrei anzugeben. Nur die oberen Partien der Medialwand der Paukenhöhle, die Umgebung der Fenestra ovalis und diese selbst, gestatten eine Vergleichung zwischen den Reptilien und den Säugern, wie mir die übereinstimmende Art der Entwickelung (vergl. Hammars und meine Untersuchungen) darzutun scheint. Der laterale Abschnitt der Paukenhöhle der Mammalia dagegen ist als etwas Neues zu betrachten. Ich werde darauf noch zu- rückkommen. So wenig nun die Ausdehnung der Paukenhöhle gegen den Rachenraum genau zu bestimmen und als gleich durch die Reihe der Wirbeltiere anzunehmen ist, ebensowenig ist auch ihr lateraler Abschluss, d. h. das Trommelfell in den verschiedenen Wirbeltierklassen als homolog zu betrachten. Wäh- rend frühere Untersucher wie Reichert (1837), Rathke (1861) und Goette (1875) noch einfach die Verschlussmembran der Hyomandibularspalte für die Entstehung des Trommelfelles in Anspruch!) nahmen, kam man später allmählich zu der Über- zeugung, dass es sich hier um eine vollständige Neubildung handle. In neuerer Zeit versuchte Gegenbaur (1898) das Trommelfell auf den Spritzlochknorpel der Selachier nnd auf die bei Rochen zum Stützorgan für eine Klappe im Spritzlochkanal werdenden Kiemenstrahlreste zurückzuführen. Den phylogenetischen Be- weis lieferten ihm Formen wie Pipa und Dactylethra, bei denen 1) Allerdings hebt schon C. E. von Baer (1829) hervor, dass „diese Öffnung (der äussere Gehörgang) über der Mundspalte liest. Man kann sie nicht mit der Kiemenspalte verwechseln. .... x Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 299 das Trommelfell durch eine bald dünnere, bald dickere Platte von Knorpel gebildet wird, also „hier eine zweifellose Skelet- bildung“ darstellt; den ontogenetischen sieht er in den bei manchen Säugern das Stratum medium des Trommelfelles durch- setzenden Knorpelzellen. Nach seiner Auffassung wären dem- nach die Trommelfellbildungen in den verschiedenen Klassen der Wirbeltiere als homolog zu betrachten, und würden sich nur durch ihren histologischen Bau voneinander unterscheiden. Übrigens hält auch Dreyfuss (1893) das Trommelfell, welches „an Stelle der ersten Kiemenfurche liest“, nach einer ähnlichen Auffassung in seiner mittleren Schicht für „eine nichtossifizierte Partie des Anulus tympanicus“. Demgegenüber macht Gaupp (1899) mit Recht darauf aufmerksam, dass das Trommelfell, wie Ontogenese und Phylo- genese lehren, „eine sekundäre Bildung sei, die aus der Ver dünnung eines sehr ausgedehnten, anfangs dicken Substanz- gebietes hervorgehe“. Da nach Kastschenkos Darstellung (1887) für die Säugetiere nicht allein die Verschlussmembran der ersten Kiementasche (Hyomandibulartasche) zur Bildung des Trommelfelles Verwendung findet, sondern vielmehr auch Teile des ersten und zweiten Visceralbogens neben einem weiter ven- tral gelegenen Punkt der Hyomandibularfurche dazu benutzt werden, so wirft Gaupp die Frage auf, „ob denn die einzelnen Trommelfellbildungen ohne weiteres ‘als untereinander gleich- wertig aufzufassen sind, und ob es nicht vielleicht berechtigter ist, das Anuren-, Sauropsiden- und Säugertrommelfell als Paral- lelbildungen zu betrachten, die sich selbständig zur definitiven Vollendung ausgebildet haben. — Für eine solche Auffassung spricht nicht nur das, was die Ontogenese des Trommelfelles lehrt, sondern auch die Verschiedenheit der Einschlüsse, die sich bei den verschiedenen Wirbeltieren in ihm finden.“ Dass sich „Trommelfelle,“ d. h. schwingungfähige Membranen an den verschiedensten Stellen der Körperoberfläche 300 ELISABETH CORDS, bilden können, lehren zahlreiche Beispiele. Bekannt sind die Fälle unten den Wirbellosen: hier finden sich bei Locustiden und Grylliden (Heuschrecken) an den Tibien der Vorderbeine, bei den Acrididen am ersten Bauchring die sog. tympanalen Gehörorgane, die in ihrem Bau zum Teil eine wunderbare Über- einstimmung mit den Einrichtungen des Gehörorganes höherer Klassen zeigen. Unter den Wirbeltieren beobachtete Howes (1883) eine analoge Bildung bei Raja und gewissen Haien: bei diesen verdünnt sich eine Stelle des Labyrinthes in der Nähe der Parietalgrube zu einer Membran, die sich an die Haut an- legt, und wodurch eine Art von „Trommelfell“ erzeugt wird. Wie dieses Vorkommen an den verschiedensten Körper- stellen, so zeigt auch der histologische Bau aller dieser Trommelfelle, dass ihre Bildung lediglich die Folge einer sekun- dären Umgestaltung der ursprünglich dort gelagerten Gewebs- strecken ist. So handelt es sich bei den vorgenannten Insekten um eine in einem festen Chitinring ausgespannte elastische Chitinmembran, während bei der Mehrzahl der mit einem Trommelfell ausgestatteten Wirbeltiere die Grundlage desselben, wie bekannt, von einer Bindegewebsschicht gebildet wird, die für ihre Funktion, die Aufnahme von Schallwellen aus der Luft, durch eine besondere Anordnung ihrer Elemente geeignet ge- macht wird. Auf der Innenfläche wird diese Biudegewebs- schicht von Schleimhaut, auf der Aussenseite von einer aller- dings oft stark modifizierten Fortsetzung der äusseren Körper- bedeckung überzogen. Die sehr veränderliche Dicke des Trommelfelles innerhalb der Klasse der Reptilien hebt Vers- luys hervor; ob bei anderen Klassen vergleichende Unter- suchungen über diesen Punkt vorliegen, ist mir nicht bekannt. Besonders dünn soll das Trommelfell bei den Geckoniden sein. Infolge vollkommener Rückbildung der Hyomandibular- tasche unterbleibt die Bildung eines Trommelfelles unter den Amphibien bei Urodelen und Gymnophionen. Unter den Rep- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 30l tilien zeigt sich ein solcher Rückbildungsprozess bei Chamä- leoenten und Schlangen, bei denen sich nach Versluys’ Angaben „keine Spur eines 'Trommelfelles mehr findet, und die frühere laterale Ausdehnung, welche die Paukenhöhle hatte, als das Trommelfell noch funktionierte, nur durch das laterale Ende der Columeila auris bezeichnet wird“. Versluys bringt das Verschwinden des 'Trommelfelles in Zusammenhang mit dem von ihm bei manchen Arten beobachteten Fehlen der lateralen Leiste des Quadratum, welche in ihrer stärkeren oder schwä- cheren Entwickelung von der Ausdehnung des Temporalisur- sprunges abhängig sein soll. Interessanter noch als diese mehr oder minder vollständige Rückbildung ist für unsere Betrachtung ein Blick auf die verschie- dene Grösse des Trommelfelles. Ich meine nicht seine absolute Grösse, welche selbstverständlich schon in Abhängig- keit von der Grösse seines Besitzers erheblichen Schwankungen unterworfen ist; was ich betrachten möchte, ist seine relative Ausdehnung im Verhältnis zur Grösse des Kopfes, d. h. eine Übersicht über die verschiedenen Elemente, die zu seiner Be- grenzung herangezogen werden. Während bei Amphibien das Trommelfell soweit es vor- handen ist, in einem ringförmigen Knorpelrahmen, dem Anulus tympanicus, nach Gaupp (189) einem Abkömmling des Qua- dratum und „einer den Anuren allein zukommenden Bildung“ ausgespannt ist, sind es von den Reptilien an umliegende Skelet- gebilde des Kopfes und Halses oder auch Weichteile, die zu seiner Umrandung und Befestigung herangezogen werden. An Reptilien kommt Versluys nach seinen zahlreichen Untersuchungen zu folgenden Resultaten darüber: „Der vordere Rand des Trommelfelles inseriert sich immer am Quadratum, sei es am lateralen Rand dieses Knochens oder an dessen Hinterfläche. (Bei Sphenoden inseriert er am Quadrato-Jugale, das lateral dem Quadratum aufliegt.) Der dorsale Rand inseriert 302 ELISABETH CORDS, sich meist in derselben Weise am Quadratum, wobei auch noch das Paraquadratum Dienst tun kann. Dorsal und caudal dient oft das dorsale Ende des Zungenbeinbogens, der dort dem Pro- cessus paroticus fest verbunden ist, oder sonst ein knorpeliger Anhang dieses Knochenfortsatzes als Basis für die Insertion des Trommelfelles‘“. Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse bei den Vögeln, bei denen nach Platner (1839) sich unter Beteiligung mehrerer Knochen des Gehirnschädels ein knöcherner Anulus tympanicus entwickelt. Beteiligt sind an seiner Bildung das Quadratum, das Occipitale laterale und Occipitale basilare; doch findet sich bei einigen Hühnervögeln das Quadratum nicht mehr unter diesen Knochen, wird überhaupt nicht mehr zur Begren- zung der Paukenhöhle verwendet. Bei den Säugern sehen wir das Trommelfell in einem einheitlichen knöchernen Anulus tympanicus ausgespannt, der mehr oder minder vollständig die Gestalt eines Ringes darstellt. Während Gaupp früher die Homologie des T'ympanicum der Säuger mit dem Paraquadratum der Amphibien (d. h. dem (Quadrato-Jugale der Reptilien) für wahrscheinlich hielt, neigt er neuerdings (1907) mehr der Auffassung zu, die van Kam- pen (1904/05) ausgesprochen hat. Nach diesem Untersucher ist als Homologon des Tympanicums der Säuger ein Deckknochen des nonmammalen Unterkiefers, vielleicht das Supraangulare, vielleicht auch das Angulare aufzufassen. Für die frühere Auffassung (Tympanicum — Paraquadratum = Quadrato-Jugale) würde die Boebachtung von Versluys bei Sphenodon sprechen, bei dem der Trommelfell-Ansatz vom Quadratum auf das lateral dazu gelegene Quadrato-Jugale übergreif. Dagegen fällt ins Gewicht der Umstand, den Gaupp selbst hervorhebt, dass man nämlich alsdann „eine sehr beträchtliche Verschiebung des Paraquadratum gegenüber dem Quadratum (dem Amboss) an. nehmen muss, da ja das Tympanicum ventral vom Meckel- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 303 schen Knorpel, also in grösserer Entfernung von dem Amboss entsteht“. Dass auch die Verschiedenheit der Einschlüsse des [rommelfelles von Gaupp (1898) im Sinne einer Nichthomo- logie desselben in den verschiedenen Wirbeltierklassen verwendet worden ist, wurde schon früher erwähnt. Wie die mediale und laterale Abgrenzung der Paukenhöhle sich als nicht genau bestimmbar und häufig wechselnd erweisen, so sind es fast selbstverständlich auch ihre anderen Be- grenzungsflächen und machen damit jeden Versuch, eine vollständige Homologie aufzustellen unmöglich. Die Verschiedenheiten in ihrer Ausbildung sind schon inner- halb der Klasse der Amphibien so beträchtlich, dass, wie früher erwähnt, bei den Urodelen und Apoden die Bildung einer Pau- kenhöhle durch vollständige Reduktion der embryonalen Hyo- mandibularspalte ganz unterbleibt. Ebenso findet sich unter Reptilien in mehreren Fällen eine mehr oder weniger weit gehende Rückbildung des Mittelohrraumes, welcher dann zunächst seinen lateralen, zwischen Quadratum und Mus- culus depressor mandibulae gelegenen Teil einbüsst; so bei Cha- maeleon vulgaris, dem mit der Paukenhöhle auch das Trommel- fell vollständig verloren gegangen ist. Bei Amphisbäna und Trogonophis, ebenso wie bei den Schlangen, ist jede Andeutung eines Paukenraumes verschwunden, „da Muskeln, Gefässe und der massive Stapes keinen Raum zwischen sich lassen“ (Vers- luys). Im allgemeinen handelt es sich bei den Formen unter Amphibien und Reptilien, die eine mehr oder minder vollstän- dige Reduktion der Paukenhöhle anfweisen, um Tiere, die im Wasser oder am Boden kriechend leben, bei denen also andere Einrichtungen den Mangel in der Ausbildung schalleitender Or- gane ausgleichen werden. (Eine Ausnahme hiervon bilden aller- dings die Chamäleonten und Agamiden, bei denen diese Art der Erklärung nicht zutreffen kann.) Daher ist es auch selbst- 304 ELISABETH CORDS, verständlich, dass wir bei den folgenden Klassen, von den Vögeln an, solchen hochgradigen Rückbildungserscheinungen nicht mehr begegnen. Während der eine Zweig des Amphibienstammes, die Urodelen, und mit ihnen auch die Apoden, es überhaupt nicht zur Ausbildung eines Öavum tympanıi bringen, finden sich auch bei dem anderen Zweig, den Anuren, weitgehende Diffe- renzen in der Zusammensetzung seiner Wände. Bei den Aglossa wird die Paukenhöhle fast ganz von knöchernen Wänden um- geben, und die pharyngealen Mündungen beider sind zu einer einfachen „Tube“ vereint. Bei den Fröschen wird der vordere Teil des Paukenraumes vom Anulus tympanicus umschlossen, der hintere Teil dagegen ist membranös umwandet; die Ver- bindung mit dem Rachenraum wird durch eine weite Öffnung vermittelt. Die mediale Wand des tubotympanalen Raumes der Rep- tilien wird in der Hauptsache durch die Basalplatte des Schä- dels und die Ohrkapsel gebildet. Den lateralen Abschluss ergibt für den peripheren Teil das Trommelfell, für den dem Rachen näher gelegenen Abschnitt der sehr kräftige, wulstig gegen das Lumen vorspringende M. pterygoideus (Versluys). Die obere schmalere Wand wird durch das Quadratum, teilweise auch durch die Crista parotica der Ohrkapsel dargestellt. Von einer unteren Wand kann man bei der Weite der Kommunikationsöffnung gegen den Rachen nur im vorderen Teil sprechen, wo sie vom Qua- dratum und einem Abschnitt des Unterkiefers gebildet wird. Eine hintere Wand ist ebenfalls nur in beschränktem Masse vorhanden, sie wird durch den M. pterygoideus gebildet, der nach Versluys in zwei Portionen vom Pterygoid entspringt und am Processus retroarticularis des Unterkiefers ansetzt; ausser- dem stösst die Paukenhöhle hier an das Pharyngobranchiale I Iden sog. „vierten Visceralbogen“ (Versluys)| Nach vorm zu bildet für den lateralen Teil das ausgehöhlte Quadratum eine Die Entwiekelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 305 Begrenzung, während medial dazu der Abschluss vermittelt wird durch eine Membran, die nach Versluys’ Angabe „zwischen dem Processus parotiecus“ (Crista parotica Gaupp), „dem Qua- dratum, dem Pterygoid und dem Prooticum“ ausgespannt ist. Bei den Vögeln treffen wir die Paukenhöhle in tieferer Lage und ihre Wände ganz von Knochen dargestellt, und zwar beteiligen sich daran das Prooticum, Oceipitale laterale und Squamosum; bei einigen Familien, z. B. bei der Gans, geht auch das Quadratum mit einem sog. Paukenhöhlenfortsatz in die Begrenzung derselben ein, in anderen Fällen dagegen tritt das Quadratum in keine Beziehung mehr zur Paukenhöhle. Bemerkenswert ist noch, dass sich bei Vögeln nach Hasse (1873), ähnlich wie es auch bei Krokodilen der Fall ist, Nebenhöhlen vom Cavum tympani aus in benachbarte Knochen erstrecken; so besonders ins Os quadratum und in ‚den Unterkiefer. Ein Anhängsel der Paukenhöhle, das sich nach der Gegend der Fenestrae vestibuli und cochleae erstreckt, belegt Hasse mit dem Namen eines Recessus cavi tympani. — Strasser (1905) hebt hervor, dass bei der Pneumatisation des Vogelschädels (Taube) „ein Divertikel der Paukenhöhle aussen aın proximalen Ende des Quadratum zwischen ihm und dem Trommelfell“ ent- steht. „Schliesslich wird das Quadratum an seinem proximalen Ende von der Paukenhöhle umwachsen.“ Es macht sich also auch nach dieser Richtung die Neigung der Paukenhöhle zu weiterer Ausbreitung in benachbarte Gebiete bemerkbar. Ähnlich wie bei den Vögeln gestalten sich die Verhältnisse bei den Säugern. Auch bei ihnen sind die Wände der Pau- kenhöhle in den meisten Fällen knöchern; nach van Kampens (1905) zusammenfassender Darstellung sind „die Knochen, welche an der Begrenzung der Paukenhöhle teilnehmen können: Petrosum, Squamosum, Tympanicum, Alisphenoid, Entotympanicum, Basi- sphenoid, Basioceipitale, Exooceipitale, Pterygoid, Teile von Kiefer- und Hyoidbogen. Von diesen Knochen sind nur Petrosum und Tym- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 20 306 ELISABETH CORDS, panicum notwendige Bestandteile der Paukenhöhlenwand . Alle übrigen sind entbehrlich und können jeder zu seiner Veit fehlen. Das Squamosum felılt jedoch nur selten ...... .“— „Wiederholt ist auch im Laufe der Entwickelung der Säugetiere eine Reduktion aufgetreten, wobei die Verknöcherungen in der Wand der Paukenhöhle wieder ganz oder teilweise verloren gingen,“ so dass „also die Wand wieder ausschliesslich mewm- branös geworden ist“; so bei gewissen Insectivoren, bei Orey- cteropus und den Sirenen. Aus den angeführten Tatsachen geht zur Genüge hervor, wie vielgestaltig bei den Wirbeltieren die Beziehungen der Pau- kenhöhlenbildungen zu den umgebenden Teilen des Kopfes sind. Abzuwägen, wieweit dabei aktive Ausbreitungstendenz und passive Anpassung an die Umgebung im Spiele sind, wird eine dank- bare Aufgabe für vergleichende Untersuchungen sein. Nicht minder wichtig wäre es, durch Bearbeitung zahlreicherer Forınen festzustellen, wie weit sich gemeinsame Entwickelungsvor- gänge und Einrichtungen nachweisen lassen, um daraus Anhalts- punkte für einen rationellen Vergleich der einzelnen Zustände zu bekommen. Die Frage, auf die es dabei in erster Linie an- kommt, ist die nach der Bildung des Trommelfelles. Die funktionelle Bedeutung, die demselben zukommt, lässt a priori annehmen, dass Veränderungen an ihm, in bezug auf Aus- dehnung und Zusammensetzung, sich immer nur langsam und allmählich abspielen werden, dass es also gegenüber der Varia- bilität im Bereich der übrigen Paukenhöhle mehr einen konser- vativen Charakter zur Schau tragen wird. Diese Überlegung ist es wohl auclı gewesen, die Gaupp zu der Vorstellung veranlasst hat, dass die Trommelfellbildungen der Sauropsiden und Säuger nicht aneinander anzuschliessen sind, sondern Parallelbildungen darstellen (Merkel-Bonnets Ergebnisse 1899, pag. 1146.). Massgebend für diese Anschauung war vor allem die morpho- logische Verschiedenheit der Skelettelemente, die in den Trom- Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 307 melfellen bei den genannten Formen eingeschlossen das äusserste Glied der schalleitenden Kette bilden. Da ich von Reptilien nur eine Form, Lacerta, genauer untersucht habe, so kann ich mich zu der angeregten Frage nur mit Vorsicht äussern, indessen möchte ich ihr auch nicht ganz aus dem Wege gehen und wenigstens eine Vermutung darüber aussprechen, in welcher Weise wohl die Verhältnisse bei Lacerta mit denen bei den Säugern — denn dieser Vergleich interessiert doch wohl am meisten — in Zusammenhang zu bringen sind. Zugrunde lege ich dabei die sehr genauen An- gaben von Hammar, die sich auf den Menschen beziehen. Was bei diesem Vergleich zunächst in die Augen fällt, ist die grosse Einfachheit der Vorgänge bei Lacerta, im Gegensatz zu der grossen Komplikation beim Menschen. Bei Lacerta haben wir nur einen prä- und einen retrocolumellaren Saccus der Paukenhöhle, die beide sich lateralwärts bis an die Haut ausdehnen und durch Anlagerung an diese das Trommelfell bilden helfen. Demgegenüber entstehen beim Menschen zahlreiche und sehr komplizierte Blindsäcke, Bildungen, die mannigfache Verände- rungen durchmachen, ehe der definitive Zustand erreichtist. Unter diesen Blindsäcken scheinen mir die von Hammar als Saccus anterior + medius und Saccus superior bezeichneten einen Vergleich mit dein Saccus praecolumellaris und dem Saccus retrocolumellaris von Lacerta recht wohl auszuhalten. Ihre Lage zum Stapes ist die gleiche wie die der genannten Säcke bei Lacerta zur Columella. Dagegen lassen sich die Paukenhöhlen-Abschnitte, die bei beiden genannten Formen bis an das Trommelfell reichen, nicht ohne weiteres miteinander vergleichen. Was besonders auffallend erscheint, ist der Umstand, dass beim Menschen der vor dem Manubrium mallei befindliche Teil der Paukenhöhle ventral vom Musculus tensor tympani liegt. Die Morphologie dieses Muskels ist leider bis heutigen Tages unklar; nur ganz im allgemeinen lässt sich unter Zugrundelegung der Vorstellung, 20* 308 ELISABETH CORDS, dass Hammer und Amboss der Säuger dem Articulare und Quadratum der Nonmammalia entsprechen, sagen, dass er ans einem zum Articulare gelenden Kiefermuskel der Reptilien entstanden sein müsse. Dann aber gibt seine Lagebeziehung zur Paukenhöhle bei den Säugern zu denken und fordert zu weiteren vergleichenden Untersuchungen auf. Am nächsten liegt natürlich die Vermutung, dass das Trommelfell bei den Säugern tatsächlich, im Sinne der Vorstellung von Gaupp, gegenüber dem Trommel- fell der Reptilien eine selbständig entstandene Bildung darstellt, die ventral vom hinteren Ende des Meckelschen Knorpels und der zu ihm gehenden Muskulatur entstand, während das Trommelfell der Reptilien dorsal von den genannten Gebilden liegt. Mit allem Vorbehalt möchte ich dabei darauf hinweisen, dass auch bei Lacerta ventral von dem hinteren Ende des Meckelschen Knorpels und seiner Muskulatur ein Recessus der Mund- Rachenhöhle lateralwärts dringt, der Recessus*ventralis, der nur durch das wulstige Vordrängen der sehr kräftigen Pterygoid- muskulatur von dem Lumen der Tuben-Paukenausstülpung ab- gegrenzt wird (vergl. die Textfigg. 14, 15, 17, sowie die Tafel- figg. —9). Es wäre zu verfolgen, ob ihm nicht für das Verständnis der Trommelfell-Bildung bei den Säugern eine Bedeutung zu- kommt. Jedenfalls haben meine Untersuchungen gezeigt, dass die Paukenhöhlen- und Trommelfellbildung bei Lacerta wesentlich einfacher erfolgt als bei den Säugern, und dass, wenn man die Verhältnisse bei beiden vergleicht, nur medial, in der Umgebung des Stapes, übereinstimmende oder doch vergleichbare Zustände feststellbar sind, während in den lateralen, an das Trommelfell anstossenden Partien die Verhältnisse bei den Säugern viel kompli- zierter sind. Die Komplikationen, die beim Menschen die von Hammar als Saccus medius bezeichnete Ausstülpung durch- macht und die zum Einschluss der dorsalen Abschnitte von Hammer und Amboss in die Paukenhöhle führen, seien dabei nur nebenbei noch erwähnt. Die Entwickelung der Paukenhöhle von Lacerta agilis. 309 Für den, der an der Reichertschen Theorie festhält, ist das soeben Gesagte eigentlich selbstverständlich. Wenn das Articulare und das Quadratum, die bei den Reptilien ausser- halb der Paukenhöhle liegen, bei den Säugern in dieselbe eingeschlossen werden, so ist es ganz natürlich, dass bei den Säugern die lateralen Gebiete der Paukenhöhle, die die ge- nannten Skeletteile umgeben, Komplikationen zeigen müssen, die den Reptilien fehlen. Denn die Paukenhöhle der Säuger muss sich ja gegenüber der der Reptilien wesentlich vergrössert haben. (Natürlich kommt hier nur die relative Vergrösserung in bezug auf die Umgebung, nicht aber die absolute (Grösse in Frage.) Somit steht also das Ergebnis der Paukenhöhlen-Unter- suchung in vollem Einklang mit der Reichertschen Theorie. Dabei ‚möchte ich es noch gar nicht einmal für allein möglich halten, dass die Trommelfelle der Reptilien und Säuger, wie Gaupp meint, lediglich Parallelbildungen darstellen ; ich glaube, es wäre sogar denkbar, dass sie sich wirklich aneinander an- seschlossen haben, dass das Trommelfell der Säuger aus dem der Reptilien durch allmähliche Umbildung hervorgegangen ist. Freilich wären dazu recht bedeutende Veränderungen nötig gewesen, vor allem die Verdrängung der Extracolumella der Reptilien und die Einschaltung des Quadratum und Articulare. Aber unmöglich erscheint mir das nicht. Eine Verbindung der Columella mit dem Quadratum besteht ja schon bei Reptilien (wie auch bei Amphibien), und die Mitteilungen von Strasser, nach denen bei Vögeln das Quadratum wenigstens teilweise von der Paukenhöhle umwachsen wird, zeigen schon bei Sauropsiden eine Tendenz der Paukenhöhle zu weiterer Vergrösserung. Die Kiefer- und Gehörknöchelchen-Frage hat man früher ausschliesslich als ein skeletologisches Problem behandelt. Die Unzulänglichkeit dieser Behandlungsmethode hat Gaupp (1905) in seinem Genfer Vortrag scharf hervorgehoben; er hat zugleich für das Unterkiefer-Problem den Weichteilen zu ihrem Rechte 310 ELISABETH CORDS, Entwickelung der Paukenhöhle etc. verholfen. Das gleiche muss nunmehr für die Frage des schall- leitenden Apparates geschehen, und da ist eine Vergleichung der Entstehung und des definitiven Verhaltens der Paukenhöhlen- Bildungen die nächste und wichtigste Forderung. Die vor- liegende Untersuchung sollte dazu beitragen, dieser Forderung zu genügen. Haupt-Ergebnisse. 1. Die Paukenhöhle von Lacerta agilis wird aus den von der Hyomandibularspalte ableitbaren Sacci prae- und retro- columellaris gebildet. 2. Diese umwachsen von vorn und von hinten her den Stiel der Columella in gleicher Weise, wie dies beim Stapes der Säuger durch die Sacei medius + anterior und superior (Hammar) geschieht. 3. Der mediale Abschnitt der Säuger-Paukenhöhle ist im grossen und ganzen als Homologon der Gesamtpaukenhöhle der Reptilien zu betrachten. 4. Die Paukenhöhle der Säuger zeigt gegenüber der der Reptilien eine lateral-, dorsal- und ventralwärts gerichtete Ver- grösserung. 14. 15. 16. 17. Literaturverzeichnis. Albrecht, P., Sur la valeur morphologique de l’articulation mandibulaire, du cartilage de Meckel et des osselets de l’ouiö. Bruxelles 1883. Sur la valeur morphologique de la trompe d’Eustache et les derives de V’are palatin, l’arc mandibulaire et ’arc hyoidien des vertebres. Bruxelles 1884. v. Baer, C. E., Über die Kiemen und Kiemengefässe in den Embryonen der Wirbeltiere. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1827. — Über die Kiemenspalten der Säugetierembryonen. Arch. f. Anat. u. 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Schlundspaltengegend eines Embryo von 2,4 mm Kopflänge (la); linke Seite; Ansicht von dorsal und etwas medial. Aus der dorsalen Wand des Darmrohres ist ein Stück herausgeschnitten; 100fach ver- grössert, '/» nat. Grösse. M. Mundbucht. Hm. Sp. Hyomandibularspalte. Sp: I, II, IIE 1., 2, 3. Branchialspalte. E. Schnittlinie des Ektoderm. D. Schnitt- linie des Darmrohres, dorsale Wand. Hyp. Hypophysenanlage. p. F. proxi- maler Fortsatz der Hyomandibularspalte. Fie. 3. Modell 2. Vorderer Abschnitt des Darmrohres eines Embryo von 3 mm Kopflänge; linke Seite; Ansicht von dorsal und medial; 100 mal vergrössert, '/2 nat. Grösse. S.D. Dorsalwand des Kopfdarmes. Th. 'Thymus- Anlage. p.F. proximaler Fortsatz der Hyomandibulartasche. A. e.i. Arteria carotis interna. Hm. Sp. Hyomandibularspalte (Tasche). Sp. I, II, IIT 1, 2., 3. Branchialspalte (Tasche). pd. proximal-dorsale Kante der Hyomandibular- tasche. dv. distal-ventrale Kante der Hyomandibulartasche. E. Schnittlinie des Ektoderms. Fig. 4. Modell 3. Hyomandibulartasche und Umgebung von einem Embryo von 3,7 mm Kopflänge; linke Seite; Ansicht von lateral und ventral; 100 mal vergrössert; '/2 nat. Grösse. Cr. p. Crista parotica. P. p. Processus paroticus. l-- m. Saccus praecolumellaris der Hyomandibulartasche. p. Saccus retro- eolumellaris. TI. Pars inferior des Insertionsteiles der Columella. Sp. II 9, Branchialtasche. Hg. Übergang der Columella in den Hyalbogen-Skelett- stab. V.e.l. Vena capitis lateralis. pd. proximal-dorsale Kante der Hyo- mandibulartasche. p. F. proximaler Fortsatz der Hyomandibulartasche. Fig. 5. Modell 3 (ohne die Branchialtaschenausstülpung). Columella im Zusammenhang mit Schädel und Zungenbein; linke Seite; Ansicht von hinten; 100 mal vergrössert, '/. nat. Grösse. Cr. p. Crista parotica. P.p. Processus parotieus. Fp. Fussplatte der Columella. I. Pars inferior des Insertionsteiles der Columella. Hg. Übergang der Columella in den Hyalbogen - Skeletstab. VII. Foramen faciale. Erklärung der Tafelfiguren. 319 Fig. 6. Modell 4 Paukenhöhlengegend eines Embryo von 4 mm Kopf. länge; rechte Seite; Ansicht von lateral nnd etwas ventral. 100fach ver- grössert, '/s nat. Grösse. Ok. Ohrkapsel. Q. Quadratum. Md. Meckelscher Knorpel + Deekknoten (Supraangulare). Cr. p. Crista parotica. P.p. Pro- cessus paroticus. |. Recessus lateralis des Saccus praecolumellaris der Hyo- mandibulartasche. m. Recessus medialis des Saccus praecolumellaris der Hyo- mandibulartasche. p. Saccus retrocolumellaris der Hyomandibulartasche. V.e.l. Vena capitis lateralis. VII. Stamm des Facialis. Rhm. Ramus byomandi. bularis des Facialis. Ch. Chorda tympani. Fig. 7. Modell 5. Paukenhöhlengegend einer ausgeschlüpften jungen Lacerta agilis; Kopflänge 8 mm; linke Seite; Ansicht von lateral und etwas caudal. 75fach vergrössert, '/s nat. Grösse. ©. P. Crista parotica und Pro- cessus paroticus (verschmolzen). Q. Quadratum. Md. Unterkiefer mit stark entwickeltem Processus retroarticularis. I. Insertionsteil der Columella, durch ein Band * mit dem Processus paroticus in Verbindung. Br. I. Pharyngo- branchiale I. r. Saccus retrocolumellaris der Hyomandibulartasche. 1. Recessus lateralis des Saccus praecolumellaris der Hyomandibulartasche. v. Recessus ventralis des Rachenraumes; das Cornu hyale, bis zu dem er mit seiner late- ralen Kante reicht, ist der Übersichtlichkeit wegen fortgelassen. V.o.1. Vena capitis lateralis. Ch. Chorda tympani. Der senkrechte Strich SS. deutet die Teilungsebene in die Präparate für Figg. 8 und 9 an. Figg. 8 und 9. Stellen die beiden Hälften des in der Ebene des senk- rechten Striches SS. durchtrennten Präparates von Fig. 7 von der Trennungs- ebene aus dar; Fig. 8 ist die vordere, Fig. 9 die hintere Hälfte des Präparates. Die Vergrösserung ist die gleiche wie bei Fig.7. Ok. Ohrkapsel. Q. Quadratum. Co. Columella. Md. Unterkiefer. m. Recessus medialis des Saccus praecolumel- laris der Hyomandibulartasche. 1. Recessus lateralis des Saccus praecolumel- aris der Hyomandibulartasche. r. Saccus retrocolumellaris der Hyomandibular- tasche. v. Recessus ventralis des Rachenraumes. V.c.!. Vena capitis lateralis. VJI. Stamm des Facialis. Ch. Chorda tympani. AUS DEM ANATOMISCHEN InsTItuUT ZU GÖTTINGEN. BETRACHTUNGEN ÜBER DIE ENTWICKELUNG DES BINDEGEWEBES. VON FR. MERKEL. Mit 39 Abbildungen auf den Tafeln 24/29. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). al Das Bindegewebe des ausgebildeten Körpers zeigt in seinem histologischen Bau allenthalben eine ziemlich weitgehende Übereinstimmung, was es nahelegen musste, auch die Entwicke- lung für eine einheitliche zu halten; die Untersucher glaubten deshalb öfters, die Berechtigung zu haben, nur eine be stimmte Körperstelle oder ein bestimmtes Organ zu studieren und die gewonnenen Resultate zu verallgemeinern. Dies ist jedoch nicht ganz durchführbar, da immerhin jede Lokalıtät ihre Eigenart hat, welche sich nur bei fortschreitender Ent: wickelung mehr und mehr verwischt. Es schien deshalb an- gebracht zu sein, die Beobachtungen etwas weiter auszu- dehnen, um eine grössere Übersicht zu gewinnen. Mein Material bestand hauptsächlich in den Embryonen von Amphibien und Säugetieren, welche sich bezüglich der Bindegewebsentwickelung in gewisser Weise ergänzen, doch wurde nicht versäumt, auch Präparate von Fisch-!) und Vogel- embryonen zur Kontrolle herbeizuziehen. Geeignetes Material von Reptilien zu erlangen, war mir leider nicht möglich. 1) Ich bedauere sehr, dass mir ein so ausgezeichnetes und für das Stu- dium der einschlägigen Verhältnisse geeignetes Material an Fischen, wie es Studnicka (72) bearbeiten konnte, nicht zur Verfügung stand. Ich bezweifle nach der Darstellung und den Abbildungen dieses Gelehrten nicht, dass es ganz besonders geeignet sein müsste, meine im folgenden entwickelten An- schauungen zu stützen. Leider hat den genannten Gelehrten die Absicht, seine Anschauungen über das „Exoplasma“ breiter auszuführen, verhindert, seine Objekte nach allen Seiten hin auszunützen. 21* 324 F. MERKEL, Was die angewandten Methoden anlangt, so waren die- selben ziemlich einfach. Die Fixierung wurde zumeist in Zenkerscher oder Müllerscher Flüssigkeit vorgenommen; ein Zusatz von Formol zu letzterer schadet nichts, Formol allein aber alteriert die Struktur des jungen Bindegewebes an vielen Stellen durch starke Quellung so sehr, dass damit behandelte Stücke un- brauchbar sind. Auch nicht jede Chromverbindung ist zu emp- fehlen, so hat mir z. B. Lithion bichromicum ganz unbefrie- digende Resultate gegeben. Für die Einbettung wurde vielfach Gelloidin benützt, da Paraffin durch die unvermeidliche Schrumpfung die überaus zarten Strukturen der jüngsten Stadien so sehr angreift, dass man nicht immer sicher ist, ob nicht Täuschungen vorliegen. Leider ist aber trotz ihrer Mängel die Paraffinbehandlung oft genug nicht zu umgehen. Zuweilen musste auch zu feinen Rasiermesserschnitten ohne alle Einbettung gegriffen werden, um jeden Zweifel zu zer- streuen. Für die Färbung wurden die verschiedensten Methoden versucht, um schliesslich bei einigen wenigen stehen zu bleiben. Am besten erwiesen sich mir ebenso wie anderen Untersuchern für die meisten Fälle die durch van Gieson, Hansen u. a. empfohlenen sauren roten Farbstoffe in Ver- bindung mit Pikrinsäure, wobei es ziemlich gleichgültig ist, welchen derselben man wählt; ebenso wie S. Fuchsin wirkt Ponceau, Rotviolett, S. Grenat. Ich benützte fast nur das letztere, seiner sehr bequemen Anwendungsweise wegen und wegen der angenehmen Färbung der Zellen, welche nicht strohgelb werden, sondern einen mehr bräunlichen Ton annehmen, der die Untersuchung sehr erleichtert. Eine Lösung von 1 ccm S. Grenat aus der Badischen Anilin- und Sodafabrik (in den achtziger Jahren bezogen) in 200 ccm Aqua destillata hält man sich, gegen Licht geschützt, in Vorrat, ebenso eine gesättigte Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 32 I wässerige Lösung von Pikrinsäure. Unmittelbar vor dem Ge- brauch mischt man sie zu gleichen Teilen. Der zu färbende Schnitt verbleibt in der Flüssigkeit nur etwa eine Minute und wird dann am besten direkt in Alkohol übertragen, in Celloidin eingebettete Schnitte in 96 prozentigen, aus Paraffin stammende in absoluten. Aus dem Alkohol kommen nach der Entwässerung erstere in Origanumöl, letztere in Xylol, dann werden sie in Balsam eingeschlossen. Besonders gute Resultate wurden mit einer Kombination der vorstehend beschriebenen Färbung mit der durch Eisenhämatoxylin erzielt, wie ähnliches schon von mehreren Seiten, zuletzt von v. Korff (31) empfohlen worden ist. Die Färbung mit dieser letzteren Methode kann sehr ab- gekürzt werden. Man lässt die Schnitte in der Beize, wie in der Farbe nur etwa eine halbe Stunde liegen, differenziert ganz kurze Zeit, bis sich in der Flüssigkeit die erste Farb- stoffwolke zeigt und überträgt nach kurzem Waschen in die Pikrogrenatlösung. In ihr wird während der Rotfärbung die schwarze Farbe noch weiter ausgezogen, wobei man Sorge tragen muss, den richtigen Färbungsgrad nicht vorübergehen zu lassen. Dann überträgt man in Alkohol usw. Sind die Präparate gelungen, dann leistet die kombinierte Färbung für viele Feststellungen erheblich mehr, als jede einzelne von ihnen. Auch hält sich die so gerne verbleichende Rotfärbung weit. besser, als wenn sie allein. angewandt wird. Dass die in Rede stehende Färbung für Bindegewebe nicht ganz spezifisch ist, braucht nicht hervorgehoben zu werden, nachdem schon Hansen (22) darauf aufmerksam gemacht hat. Ich habe darauf auch keineswegs ausschlaggebenden Wert gelegt, es war mir im Gegenteil erwünscht, ausser den fertigen collagenen Gebilden auch die präcollagenen gefärbt zu erhalten. Eine Färbung mit Naphtolschwarz L 115 hat mir für viele Zwecke ebenfalls gute Dienste geleistet, ich wandte sie besonders gern für Darstellung der Basalmembranen an, welche durch sie 326 F. MERKEL, überaus scharf hervortreten. Auch für die Darstellung der Zellen leistet sie mehr als Pikrogrenat. Eine einprozentige Lösung von Naphtolschwarz, eine kalt gesättigte Lösung von Orange G. und eine ebensolche von Pikrinsäure werden in Vorrat gehalten; zum Gebrauch mischt man die Lösungen von Naphtolschwarz und Pikrinsäure zu gleichen Teilen und gibt auf ein Uhrschälchen davon 2—3 Tropfen der Orange-Lösung. In dieser Mischung belässt man die Schnitte etwa 10 Minuten, spült ganz kurz in Wasser ab und überträgt in 96°/,igen oder absoluten Alkohol. In diesem belässt man sie nur s9- lange, bis sie sicher entwässert sind, da der Alkohol das Orange stark auszieht, und überträgt dann in Origanumöl oder Xylol und schliesslich in Balsam. Für die Färbung von Gallerte und von manchen Membran- bildungen leistet das Beste die Methode von Mallory (41), bei welcher, dem Rate von Mall (40) folgend, der Gehalt an Anilinblau verdoppelt wurde. Es wurde bei dieser Methode oft auf Anwendung der Rotfärbung verzichtet und nur die blaue Flüssigkeit benützt, welche durch ihre sehr grosse Färbekraft manches hervortreten lässt, was mit den anderen Methoden nicht in gleicher Klarheit hervortrat. Eine Färbung mit den von Heidenhain für Bindegewebe empfohlenen Chromo- tropen ist umständlich, hat mir aber nicht mehr geleistet wie die vorstehend beschriebenen. I. Membrana terminans und Verwandtes. In der ersten Zeit der Embryonalentwickelung existiert, wie bekannt, noch nichts, was histologisch dem späteren Binde- gewebe irgendwie entspräche. Szily (73, S. 727) sagt: „Über- all dort, wo in frühen Stadien die epithelialen Zellschichten Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 327 der embryonalen Organanlagen durch kleinere oder grössere Zwischenräume voneinander getrennt sind, kommt es zunächst zur Ausbildung feiner Interzellularbrücken bezw. von anasto- mosierenden Protoplasmafortsätzen. Ist der Spaltraum eng, sd stellen diese Verbindungen nichts anderes dar, als protoplasma- tische Zusammenhänge der gegenüberliegenden Zellen. In dem Masse, als sich der Spaltraum verbreitert, verlängern sich diese Fortsätze, bekommen zahlreiche Seitenäste und bilden auf diese Art ein Fasergerüst von höchst kompliziertem Bau.” Wandern erst Mesenchymzellen in den Raum ein, dann treten diese nach Szily mit dem vorhandenen Gerüst in unmittelbare, protoplasmatische Verbindung. Auch jetzt kann man von den ersten Spuren eines Binde- gewebes noch nicht sprechen. Da diese bei Vogelembryonen, welche Szily benützte, weniger bequem zu untersuchen sind, wandte ich mich an Säugetiere. Man sieht bei ihnen die Mesen- chymzellen bald sehr überhand nehmen, so dass wegen der Menge der vorhandenen Kerne, welche einen genaueren Ein- blick verhindern, im nächsten Stadium nicht überall tatsächlich festgestellt werden kann, ob die Netzstruktur erhalten bleibt. Sind aber in der Folge die Zellen wieder etwas auseinander ge- rückt, dann ist es nicht schwierig, das netzförmige Gefüge wieder zu beobachten (Fig. 30). Schon in dieser frühen Zeit erscheint als erstes Produkt der Bindegewebsentwickelung eine Membran, welche das Mesenchymnetz gegen andersartige Gewebe abgrenzt. Vor langen Jahren bereits beschrieb Hensen (27, 28) aus dieser Zeit die Bildung einer solchen, welche das äussere Keim- blatt gegen das mittlere abgrenzt. „Während sich das mittlere Keimblatt von dem Epiblast löst — so sagt er, (28, S. 364) —, bildet sich, dieser Loslösung von der Seite her folgend, und wie es scheint, damit Hand in Hand gehend, eine feine struktur- lose Membran, die Membrana prima, aus, welche alsbald auch noch weiter seitlich, selbst über die Keimscheibe hinaus, 328 F. MERKEL, gefunden werden kann .... Dieselbe liegt in der Norm dem mittleren Keimblatt dicht an und ist so zart, dass man sehr genau untersuchen muss, um sie in dieser Lage zu erkennen.“ Bonnet (7) begegnet ihr an einem Hundeembryo kurz vor Bildung des ersten Urwirbelpaares und Spuler (68, S. 132) sagt, dass bei jungen Katzenembryonen das Ectoderm gegen, das Mesenchym durch eine basale Schichte abgegrenzt sei. Ist. die Entwickelung erst etwas weiter fortgeschritten, dann macht es so wenig Schwierigkeiten, sie wahrzunehmen, dass sie von vielen Seiten erwähnt wird. Schon Hensen war sich über die weite Verbreitung seiner Membrana prima klar; er lässt aus ihr hervorgehen: „Die erste Anlage der Pia mater, die Membrana limitans retinae interna und die erste Grundlage der Chorioidea (homogene Grundlamelle), die Hülle der embry>- nalen Linse und die äusserst feine Umhüllung der Labyrinth- blase, ferner, wie man u. a. am Schwanz der Froschlarve sehr schön wahrnimmt, die Grenzlage der Cutis, während die Cutis selbst wie die Pia mater dadurch sich entwickeln, dass sich Zellen des Cutisblattes an die Membran anlegen und mit ihr innig verwachsen. Die Tunicae propriae der Drüsen des Epiblast dürften wohl kaum ohne Mitwirkung der Membran. entstehen.‘ Bonnet sagt in seinem Lehrbuch (8, S. 237) kurzweg, dass die Membrana prima die Vorläuferin der Innenschicht sämt- licher zwischen ectoblastischen Organen und dem Bindegewebe nachträglich auftretenden Grenzhäute ist. Auffallenderweise hat weder Hensen noch Bonnet be- achtet, dass auch zwischen Darmepithel und Mesenchym ganz die gleiche Membran auftritt, wie unter den Zellen des Ecto- blasts, wo sie sich ebenso auf die Anhangsorgane erstreckt. wie dort. Endlich machen auch die aus dem mittleren Keim- blatt hervorgehenden epithelialen Gebilde keine Ausnahme, so dass man also sagen kann, unter allen Epithel- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 329 schichten des embryonalen Körpers kommt es zur Ausbildung einer Grenzmembran, ob es sich um die Fläche einer Mucosa oder Serosa, um eine Drüse, um ein Gefäss, um die Linsenkapsel, die Descemetsche Haut oder um etwas anderes handelt. Diese Grenzmembran erhält sich auch im ausgebildeten Körper nicht selten unverändert und ist dort selbstverständlich sehr wohl bekannt. Sie geht unter dem Namen Basal- membran oder Hyaloidea oder Vitrea, Glashaut; auch den Namen Membrana propria oder Membrana limitans hat man ihr mehrfach beigelegt. Alle diese Namen sind nur für ganz bestimmte Bildungen des erwachsenen Körpers eingeführt. Sie passen nicht auf die noch indifferente embryo- nale Anlage, und es würde nur Missverständnisse geben, wenn man einen davon für sie benützen wollte. Es wird daher nötig, eine neue, noch nach keiner Seite hin festgelegte Bezeichnung zu benützen, als welche ich vorschlage: Grenzhaut, Mem- brana terminans. Wie bekannt, ist über die Herkunft und Bedeutung der ım fertigen Körper zu beobachtenden Basal- und Glashäute so wenig eine Übereinstimmung erzielt, dass Schuhberg (64) noch im Jahre 1908 sagen kann, dass der histologische Begriff der „Basalmembran“ ein recht unklarer und unbestimmter sei und dass es nach seiner Meinung vielleicht am besten wäre, ıhn ganz aus der histologischen Literatur zu streichen. In der Tat werden diese Membranen hier als ein Produkt des Bindegewebes, dort als eine Cuticularausscheidung der Epithelien aufgefasst, selbst eine Doppelentstehung aus beiden Quellen findet man für sie beschrieben. Man wird durch solche Unstimmigkeiten von selbst darauf hingeführt, den Dingen bis auf den ersten Anfang nach- zugehen. Bei der nahen Verbindung der Terminans mit den Epithel- schichten versteht man sehr wohl die Geneigtheit, sie für ein 330 F. MERKEL, Produkt derselben zu halten. In der Tat möchte denn auch Hensen für seine Membrana prima annehmen, dass sie eine Ausscheidung ist, für welche er allein das äussere Keimblatt in Betracht zieht. Bonnet (8) sagt: Da zur Zeit des Auftretens der Membrana prima „der Mesoblast, noch aus einzelnen poly- morphen Zellen bestehend, den Bau eines lockeren Mesenchyms zeigt, ist die Limitans prima als eine vom Epidermisblatt ge- lieferte Basalhaut zu betrachten.‘ Ich kann mich dem nicht anschliessen, muss vielmehr die Membrana terminans, wie oben erwähnt, als ein Produkt des Mesenchyms ansehen, mit welcher Ansicht ich mich in Übereinstimmung mit v. Korff (31), auch mit Hansen (24, S. 649) befinde. Man wird sich einer solchen Anschauung kaum entziehen können, wenn man das Verhalten der Membran und ihre weitere Fortbildung berücksichtigt. Gleich von Anfang an zeigt sie die Farbreaktionen des collagenen Ge- webes in der ausgesprochensten Weise und es kann für ihre Darstellung, wie erwähnt, besonders die Naphtolschwarz- oder Mallorymethode empfohlen werden, durch welche sie auf Quer- schnitten in einer scharf hervortretenden dunkelblauen Linie deutlich gemacht wird. Aber auch die Hansensche Färbung ist für sie sehr geeignet und Laguesse (35) hat mit ihr die Terminans an der Oberfläche der Milz von Acanthiasembryonen studiert und sich klar davon überzeugt, dass sie dem unter- liegenden Bindegewebe und nicht dem darüber liegenden Epithel entstammt. Er sagt (S. 129) wörtlich: „Cette membrane appar- tient en propre a la couche cellulaire conjonctive sous-jacente et non & l’endothelium, car a ce stade et aux suivants elle lui adhere intimement partout, la suit dans son retrait, tandıs qu’une fente la separe souvent de l’endothelium souleve par l’effet des reactifs. Sur d’autres pieces oü ce dernier avait completement disparu, nous l’avons toujours retrouvee en place, et adherente. D’autre part, elle est tr&es nettement limitee exterieurement, souvent un peu estompee au contraire du cöte Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 331 des cellules conjonctives, dont elle epouse toutes les inegalıtes de surface. Intimement reli6e a ces dernieres, elle nous parait des maintenant en &tre une differenciation superficielle.“ Ich habe dieser Beschreibung auch für die von mir untersuchten Objekte nichts hinzuzufügen. Bei Amphibienlarven (Axolotl) beschreibt Schuberg (63) die fragliche Membran als eine Schichte, deren Entstehung mit dem Epithel nichts zu tun hat, welche vielmehr die erste An- lage des Coriums darstellt. Von Bedeutung ist es, dass sich die Terminans ausser mit den erwähnten, für Darstellung des collagenen Gewebes ge- eigneten Farbreaktionen auch mit der Weigertschen Elastin- methode scharf und deutlich färben lässt. Man hat es in ıhr also mit einer besonderen chemischen Modifikation des Binde- gewebes zu tun, welche jedoch nicht allein steht, wovon unten noch mehr zu sagen sein wird. Wie verhält sich die Terminans zu den Zellen des Binde- gewebes? Dies ist eine Frage ven besonders grosser Wichtig- keit. Hensen hat sie in sehr frühem Stadium isoliert und betont, dass sich zu keiner Zeit Kerne oder Zellen als Kom- ponenten derselben erkennen liessen. Bonnet meint, dass der Mesoblast anfänglich in der Tat nicht aus Zellen bestünde, aus welchen man die Terminans ableiten könnte, weder als eine unmittelbare Ausscheidung, noch auch als eine direkte Umwandlung von solchen. Bei Amphibienlarven (Axolotl) be- schreibt Schuberg (63) die Membran ebenfalls als zellen- los. Diese Zellenlosigkeit ist es ja gerade, was so viele Be- obachter veranlasst hat, die Membran als eine Cuticularaus- scheidung der Epithelzellen zu deuten. Schuberg, der dies nicht tut, glaubt einen unmittelbaren Einfluss der Bindegewebs- zellen nicht entbehren zu können und da er an der Spitze der Schwanzflosse, an welcher er seine bezüglichen Untersuchungen anstellte, solche nur in deren Mitte fand, so nımmt er an, dass F. MERKEL, 2 OD ID diejenigen Zellenfortsätze, welche im rechten Winkel zur Ter- minans aufsteigend, dieselbe erreichen, sie zu bilden haben. Eine Begründung dieser Annahme kann ich in Schubergs Aufsatz nicht entdecken. Noch weniger wie bei der embryonalen Terminans gelingt es natürlich an den Basalmembranen des ausgewachsenen Körpers Zellen zu entdecken. Die Korbzellen von Boll (5), welche bei Speicheldrüsen, der Tränendrüse, Brustdrüse zwischen der Membran und den Drüsenepithelien liegen, haben mit der ersteren durchaus nichts zu tun und man kann sich Unna und Renaut (53) anschliessen, wenn sie dieselben mit den myoepithelialen Zellen der Knäueldrüsen zusammenstellen und geneigt sind, sie als contraktile Elemente zu betrachten. Nur Vincenzi (75) beschreibt von der Basalis Zellen und zwar an serösen Häuten, sagt jedoch nicht, ob sie in der Mem- bran selbst liegen oder ihr nur aufgelagert sind. Man darf wohl schon nach Analogie mit allen anderen Stellen annehmen, dass letzteres der Fall ist, ausserdem sagt Bizzozero (4), welcher die Grenzmembran der Serosa zuerst gesehen hat, ausdrücklich, dass sie zellenlos sei, aber an die mit zahlreichen Bindegewebszellen versehene Substanz der Serosa anstiesse. Dass übrigens Vincenzi typische Bindegewebszellen vor sich gehabt hat, zeigen seine Abbildungen. Retterer (57), welcher die Grenzmembran der Haut von den Epithelzellen ableitet, glaubt in ihr hier und da eine sternförmige Zelle anzutreffen, deren Fortsätze mit dem Epithel anastomosieren. Aus den bisherigen Ausführungen geht zweierlei mit Sicher- heit hervor, erstens, dass die Terminansüberallbinde- gewebiger Herkunft ist und zweitens, dass bei ıhrer Entstehung und Weiterbildung niemalseindirekterEin- fluss von Zellen des Bindegewebes nachweisbar ist. Es widerstrebt natürlich gar manchem Fachgenossen eine Feststellung, durch welche eine grosse Anzahl von Gebilden, Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 333 welche man bisher unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten gewohnt war, einheitlich zusammengefasst und dem ganz direkten Einfluss der Zellen entzogen wird. Man muss sich eben von der so fest eingewurzelten dogmatischen Auffassung frei machen, dass alles Heil von den Zellen kommt. Gerade hier bei den Bindesubstanzen gibt es zellenlose lebende, das heisst mit Stoffwechsel begabte, Materie, welche sich selbst- ständig fortzubilden vermag. Dies haben auch andere Beob- achter sehr wohl gefühlt, einige auch ausgesprochen (vergl. Heidenhain, 25), die meisten aber haben es nicht über sich gewinnen können, den allgewaltigen Einfluss der Zelle zu verneinen und haben, um ihn zu retten, als Aushilfsmittel für gewisse Fälle den so schwankenden Begriff des Exoplasmas eingeführt. Wenn schon bei der Entstehung der Membrana terminans kein Zweifel bestehen kann, dass sie dem Bindegewebe zu- zurechnen ist, so wird dies im weiteren auch durch ihr Ver- halten während ihrer Fortbildung erwiesen, welche allerdings je nach der Örtlichkeit eine recht verschiedene sein kann. Ent- weder erhält sie sich lange Zeit in ihrer ursprünglichen Be- schaffenheit, oder sie verdickt sich in höherem oder geringerem Grade. Ihre chemische Natur ändert sich häufig und zwar manchmal schon frühzeitig, indem sie gegen die Einwirkung von Säuren und Alkalien widerstandsfähiger wird und mehr und mehr die Beschaffenheit des elastischen Gewebes annimmt. Morphologisch kann sich die Strukturlosigkeit der ersten Zeit erhalten oder die Membran kann eine fibrilläre Struktur an- nehmen, welche früher oder später auftritt, welche mehr oder weniger deutlich ist. Sie kann ferner von dem allmählich immer mächtiger sich ausbildenden benachbarten Bindegewebe assi- miliert werden, so dass sie sich dann gar nicht mehr nach- weisen lässt. Ob freilich nicht doch im postembryonalen Leben allenthalben eine äusserst feine strukturlose Oberflächenhaut 334 F. MERKEL, des Bindegewebes vorhanden ist, auch wenn man sie nicht ohne weiteres zu Gesicht bekommt, dies wäre erst noch im einzelnen mit empfindlichen Reaktionen zu prüfen. Wo man nach ihr gesucht hat, hat man sie meist auch gefunden. So- weit ich sehe, macht nur Krauss (33) bezüglich der Haut einiger Reptilien abweichende Angaben. In ihrer ursprünglichen Dicke und Struktur verharrt die Terminans, wie man weiss, an vielen Stellen, so besonders unter den meisten Drüsenepithelien und in den serösen Mem- branen. Eine beträchtliche Verdickung erfährt sie in der so- genannten Glashaut der Haare, in den Membranen an beiden Oberflächen der Cornea oculi, in der Linsenkapsel. Die Grenzhaut unter der Epidermis der Amphibienlarven verdickt sich ebenfalls schon frühzeitig beträchtlich; es wandern Zellen in sie ein, deren Fortsätze nur die unmittelbar an das Epithel angrenzende Schichte frei lassen. Wie Schuberg (63) genau schildert, wandeln sich die mit Zellen versehenen Teile der Terminans in der Folge zu Coriumgewebe um. Auch bei Säugern findet man an manchen Stellen, dass die ursprünglich dicke Terminans durch Eindringen der Fibrillierung von dem unterliegenden Bindegewebe aus sich mehr oder weniger ver- dünnt. Als Beispiel sei die Bowmansche Membran der Horn- haut erwähnt, welche mit den Jahren immer dünner wird, weil sich die Fibrillenbildung von der Hornhaut her immer tiefer in die früher homogen erscheinende Schichte hineinerstreckt. An der Grenzmembran der Haut im allgemeinen (Kromayer, 34) und an der Glashaut der Haare im besonderen (Stöhr, 69) beobachtet man gelegentlich das gleiche; das eine Mal bildet sie auf dem Durchschnitt ein breites Band, das andere Mal ist sie kaum nachweisbar, weil ihr fibrillärer Zerfall so weit gediehen ist, dass sie sich nur noch als schmaler Saum von dem umgebenden Bindegewebe abhebt. Ganz und gar in fibrilläres Bindegewebe umgewandelt finde ich die Ter- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 335 minans öfters an der Oberfläche der Nabelschnur. So sieht man beispielsweise an der junger Schweinsembryonen die Grenzhaut deutlich, während sie später in dem gewöhnlichen Bindegewebe aufgeht. Auch die sog. Membrana praeformativa des Zahnes geht in der Zone der Korffschen Fasern völlig in dem ausgebildeten Dentin unter. v. Korff (31, S. 11) sagt von ihr: „Ihre Grundsubstanz setzt sich aus sehr feinen colla- genen Fibrillen zusammen, welche aller Wahrscheinlichkeit nach von den embryonalen verästelten Bindegewebszellen des lockeren subepithelialen Bindegewebes (Mesoderm) gebildet werden und wahrscheinlich von den Protoplasmafortsätzen der- selben aus nach dem Epithel (Ecetoderm) laufen. Hier legen sich die Bindegewebsfibrillen zu der Grenzlage der Cutis, der Basalmembran, zu einem sehr zierlichen Geflecht von Fibrillen zusammen und bilden in ihrer Gesamtheit eine bindegebige Hülle um den ganzen Körper, welcher nur das Oberflächen- epithel aufsitzt.‘‘“ Dieser glücklicherweise etwas hypothetisch gehaltenen Beschreibung kann ich mich in keiner Weise an- schliessen. Aus meinen Ausführungen dürfte vielmehr hervor- gehen, dass die Terminans als eine völlig amorphe Haut ent- steht und dass die Fibrillierung, wenn sie auftritt, erst eine spätere Erwerbung ist. Am Zahnkeim ist das Verhalten der Terminans auch in anderer Weise interessant. An einer Reihe verschieden alteriger Präparate lässt sich mit Leichtigkeit nachweisen, dass man ın der Membrana praeformativa nur die Grenzhaut vor sich hat, welche das Corium allenthalben gegen die Epidermis abschliesst, was auch für v. Korff (31) nicht dem geringsten Zweifel unter- liegt. Man sieht denn auch, dass die Membran durchaus nicht mit der Papille zu Ende ist, sondern um die Spitze der sie deckenden Epithelkappe umbiegt (Fig. 36), um an der äusseren Spitze des Schmelzorganes weiter zu gehen !). Erst höher oben, ı) Präparate der Zahnentwickelung, welche ich der (rüte des Herrn Prof. v. Korff verdanke, zeigen dies ın ausgezeichneter Weise. 336 F. MERKEL, wo an älteren Zahnsäckchen die Epithelzellen die verzweigte Gestalt des Schmelzorganes angenommen haben, wird es unklar, ob sie noch vorhanden ist oder nicht. Der Zahnkeim eignet sich auch sehr gut zum Vergleich mit einer dem Epithel ent- stammenden Cuticula. Eine solche findet man an der dem Schmelzorgan zugekehrten Seite der Schmelzzellen. Diese Mem- bran färbt sich stets durchaus anders, wie die Basalmembran. In den Fällen, in welchen die fibrilläre Umwandlung der Terminans begonnen hat, ist eine deutliche Grenze gegen das unterliegende Bindegewebe nicht mehr nachzuweisen. Die Be- obachtungen von Laguesse (s. oben) tun dar, dass schon in sehr früher Zeit eine solche Abgrenzung vermisst werden kann. Aber nicht nur durch Umwandlung in das gewöhnliche fibrilläre Bindegewebe kann die Terminans eine Veränderung erfahren, es tritt in ihr gelegentlich ganz selbständig eine Diffe- renzierung in Fasern auf. Das am leichtesten zu beobachtende Beispiel dieser Art ist die Grenzhaut des Coriums bei Amphi- bienlarven. Betrachtet man dieselbe von der Fläche, dann sieht man die längst bekannte parallele Streifung, wobei sich die in verschiedenen Ebenen liegenden Streifen im rechten Winkel kreuzen, ganz ebenso, wie man es in den Lamellen der Horn- haut und in denen des Knochens findet. Die Membranae fene- stratae der Arterien sind ganz in der gleichen Weise gebaut; eine weitere Analogie mit diesen ist noch darin zu sehen, dass sie von zahlreichen Löchern durchbohrt wird, durch welche, wie man ebenfalls längst weiss, Fortsätze der Epithelzellen. hindurchtreten; es wäre eine dankenswerte Aufgabe, zu er- gründen, ob auch die Löcher der Membr. fenestratae zum Durchtritt von irgendwelchen Gebilden benützt werden, was sehr wahrscheinlich ist. Dass auch strukturlos erscheinende Grenzhäute eine fibrilläre Struktur haben können, welche durch geeignete Behandlung sichtbar wird, hat besonders die Leip- ziger Schule nachzuweisen vermocht; so hat Rühle (60) ın Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 337 der Grenzmembran der Nierenkanälchen, Spalteholz (66) in der der Lieberkühnschen Drüsen des Darmes, Flınt (19) in der der Speicheldrüsen einen faserigen Bau aufdecken können. Nur an den Harnkanälchen sind die Fasern rings- und längsverlaufend angeordnet, in der Grenzhaut der Lieber- kühnschen und Speicheldrüsen zeigen sie sich retikulär ver- zweigt. Dies ist nicht ohne Bedeutung, da daraus erhellt, dass die gekreuzte Richtung paralleler Faserzüge ın den Basal- membranen nicht unter allen Umständen wiederkehren muss. Dass die Grenzmembranen vielfach eine chemische Veränderung erleiden, ist durch mancherlei Beobachtungen unschwer nachzuweisen. Oben wurde schon auf die Eigen- tümlichkeit hingewiesen, dass manche derselben auf reine Bindegewebsfärbungen ebensogut reagieren, wie auf Elastin- färbungen. Es ist dies gewissermassen ein indifferenter Zu- stand, von dem aus die endgültige Ausbildung nach zwei Seiten hin erfolgen kann. Zwei Gegensätze dieser Art sind die Grenz- haut des Coriums der Amphibienlarven und die Innenhaut der Arterien. In ihrer Struktur sind beide ganz gleich, auch in ihren Reaktionen. In ausgebildetem Zustand aber ist die erstere reines Bindegewebe, die letztere ebenso rein elastisch. Die Grenzhaut des Coriums eines erwachsenen Frosches färbt sich mit Weigertscher Elastinfärbung nicht, die Innenhaut der Arterien ebensowenig mit den Färbemitteln des fibrillären Bindegewebes. Anders verhält sich die Terminans an der Haut des erwachsenen Menschen. Dort hat sie schon Biesia- decki (3) studiert und konnte nachweisen, dass sie in Chlor- gold ungefärbt bleibt, während sowohl die Schleimschichte der Epidermis wie das Bindegewebe des Coriums einen blauen bezw. roten Ton annehmen. Mit Weigertscher Elastinfärbung tritt sie nicht hervor, so dass sie sich also sowohl vom colla- genen wie vom elastischen Gewebe unterscheidet. In neuerer Zeit wurde sie von Kromayer (34) wieder untersucht, von Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 22 338 F. MERKEL, ihm aber als ein gemeinsames Produkt von Epithel und Binde- gewebe aufgefasst. Er verfolgte auch ihre Regeneration bei Überhäutung äusserer Wunden. (Auffallenderweise wird die Basalis des Coriums, wie nebenbei bemerkt sein mag, in einer Anzahl neuerer Lehrbücher überhaupt nicht mehr erwähnt.) Es mag an vorstehenden Beispielen genügen, um den oben ausgesprochenen Satz zu erhärten, dass die chemisch ursprüng- lich gleichartig gebauten Membranen später verschiedene Wege einschlagen. Zugleich aber lehren die beiden ersten Beispiele, dass collagenes und elastisches Gewebe der Basalhäute aus einer und derselben Quelle stammen und dass sie von einer gemeinsamen Grundlage aus ohne Dazwischenkunft von Zellen ihr sehr verschiedenes Endstadium erreichen können. Die in Rede stehenden Membranbildungen sind nun nicht auf die Grenzlinie zwischen Epithel und Bindegewebe be- schränkt, sondern man findet den Grenzhäuten verwandte Dinge auch an anderen Stellen. In erster Linie sind hier die. Muskeln zu nennen, glatte sowohl wie gestreifte. Was zu- erst die glatten Muskeln anlangt, so sieht man bei jüngeren Embryoner zwischen den einzelnen Fasern eine reichliche homogene Substanz, welche sich mit Pikrogrenat oder Naph- tolschwarz lebhaft färbt. Die einzelnen Muskelfasergruppen der Nabelstrangarterien sind durch ein netzförmiges Binde- gewebe in Zusammenhang gesetzt (Schaffer [61], Fig. 14), welches im Augenblick beiseite bleiben kann; in den Gruppen selbst aber findet man die fragliche Substanz in der Art, wie es Figur 13 zeigt. Die Muscularis des Darmes bietet ein ganz ähnliches Bild. Zellen oder auch nur Kerne fehlen auf weite Strecken vollkommen und man kann nicht umhin, die Masse ihrer Entstehung nach wie auch in ihrem späteren Verhalten mit der Terminans zu identifizieren. Die fragliche Substanz wird, wahrscheinlich durch Dehnung seitens der wachsenden Muskelfasern, im weiteren dünner, wie man es auch bei Grenz- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 339 häuten mehrfach beobachten kann, und bildet in fertigem Zu- stand ein in sich zusammenhängendes Wabenwerk aus zarten strukturlosen Häutchen (Fig. 14), welches von Schaffer(61) und Henneberg (26) genau und ausführlich beschrieben worden ist. Es sieht in der Tat auch bei ausgebildeten Muskeln so aus, als habe sich eine Flüssigkeit zwischen die Fasern er- gussen, welche nachher erstarrt ist, indem alle Zwischen- räume zwischen ihnen, ob weiter oder enger, gleichmässig aus- gefüllt sind. Auch im erwachsenen Körper fehlen der waben- artigen Bindesubstanz der glatten Muskeln Zellen und Kerne vollständig, es handelt sich also in der Tat um eine Substanz, welche nicht an Ort und Stelle aus Zellen entstanden, sondern von aussen her zwischen die Muskelzellen eingedrungen ist, und sich dort zu Membranen verdichtet hat. Vielleicht er- geben erneute Untersuchungen, dass die von Henneberg beschriebenen mehr oder weniger regelmässigen Reihen von Löchern in den Membranen der glatten Muskulatur, ähnlich wie bei manchen Grenzhäuten, protoplasmatische Fäserchen durchtreten lassen. Die quergestreiften Muskeln verhalten sich nicht anders und Hansen (24, S. 650) sagt sehr mit Recht, dass das Sar- colemm aus morphologischen Gründen als dem collagenen Ge- webe nahestehend betrachtet werde. Anfänglich sind die ge- streifter Muskeln vollkommen nackt. Sie liegen erst in kleinen Gruppen, welche augenscheinlich durch Teilung der ursprüng- lichen Zellen entstanden sind. Die einzelnen Fasern sind so dicht aneinander gedrängt, dass man zwischen ihnen durch- aus nichts wahrzunehmen vermag. Die Gruppen sind durch weite Zwischenräume voneinander getrennt, welche von spär- lichem Bindegewebe durchsetzt werden, dem auch Zellen nicht fehlen (Fig. 15). Der weitere Vorgang unterscheidet sich ın nichts von dem beim glatten Muskelgewebe beobachteten und zum Schluss kommt es wie dort zur Ausbildung eines Waben- 22* 340 F. MERKEL, werkes, in welchem nicht nur die einzelnen Muskelfasern Platz finden, sondern in welchem auch Lücken für die das Muskel- gewebe durchsetzenden Capillargefässe ausgespart sind. Die landläufige Ansicht, dass jede Muskelfaser für sich von einem Sarcolemmschlauch umhüllt ist, welcher ihr allein angehört, ist unrichtig, wie jeder Blick auf den dünnen Querschnitt eines Muskels, der in geeignter Weise gefärbt ist, dartut (Fig. 16) 1). Dies trifft nur da nicht zu, wo zwischen die einzelnen Muskel- fasern gewöhnliches lamelläres oder fibrilläres Bindegewebe eindringt, welches je nach Art des Muskels und der Örtlich- keit in grösserer oder geringerer Menge vorhanden sein kann. An solchen Stellen zeigt sich eine abgrenzende Oberflächen- haut, welche jede einzelne Muskelfaser vom Bindegewebe scheidet, man hat also hier eine Bildung vor sich, welche der Grenzmembran unter dem Epithel durchaus entspricht. In chemischer Hinsicht steht das ausgebildete Sarcolemm in der Mitte zwischen collagenem und elastischem Gewebe. Es färbt sich noch mit den Bindegewebsfärbemitteln und nicht mit denen des elastischen Gewebes, ist aber dem fibrillären Gewebe durchaus nicht identisch, wird ja doch in jedem Kurs gezeigt, dass es in verdünnter Essigsäure nicht quillt, auch wird es durch Kochen weit weniger schnell angegriffen wie das gewöhnliche leimgebende Bindegewebe. In jedem Lehrbuch der Histologie ist angegeben, dass man das Sarcolemm der einzelnen Muskelfasern durch Wasserzusatz sichtbar machen könne, da es sich hierbei blasenförmig von der kontraktilen Substanz abhöbe. Dies wird ja auch in den histologischen Kursen stets demonstriert. Man wolle dies je- doch nicht als einen Gegenbeweis gegen das Gesagte ansehen, denn da man den Versuch an zerzupften Muskeln anstellt, wird man natürlich genug Fasern finden, an welchen Teile 1) Man wolle die ganz ähnliche Figur von Laguesse (37, S. 126) ver- gleichen. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 341 des Wabenwerkes anhaften. Diejenigen Fasern, welchen die Bedeckung fehlt, werden eben als schlecht erhalten nicht weiter beachtet. Die gegebene Darstellung von der Entwickelung des Sar- colemms steht nicht in Übereinstimmung mit den Angaben von Maurer (44, 45), welcher (44, 5. 613) sagt: „Das sich hier (auf der Oberfläche einer Muskelfaser) entwickelnde Sarco- lemm hat den morphologischen Wert einer Cuticula, phyl>- genetisch geht es hervor aus der Basalmembran des Muskel- epithels. Die Bilder, welche die sich entwickelnden Muskel- fasern junger Knochenfische darbieten, sprechen dafür, dass das Sarcolemm aus der äussersten Plasmaschicht der Muskel- faser sich bildet und dass die Sarcolemmkerne aus den äusseren Muskelkernen hervorgehen.“ In der Bewertung des Sarcolemms als epitheliale Cuticula und der Beschreibung von „Sarcolemmkernen“ liegt an sich ein Widerspruch, denn eine Cutieula kann der Natur der Sache nach keine Kerne besitzen, was nicht näher ausgeführt zu werden braucht. Die Kerne sind aber da. Mit der Cuticula ist es demnach nichts, aber - auch nicht mit dem Sarcolemm, da auch dieses kernlos ist. In den von Maurer beschriebenen Gebilden handelt es sich vielmehr um die Anlage der Bindegewebssepta, welche zwischen die Gruppen der Muskelfasern eindringen. Diese letzteren haben in einer so frühen Zeit noch keine unmittel- bare Umhüllung, dieselbe kommt erst weit später zur Aus- bildung, was auch Renaut (l. ce.) richtig erkennt. Beim Herzmuskel der Säugetiere kommt es sogar überhaupt nicht zur Ausbildung eines Sarcolemms, das Bindegewebe zwischen den Muskelfasern bleibt äusserst spärlich und das Myocard verharrt auch beim Erwachsenen auf einem Zustand, welcher bei den Skeletmuskeln ein vorübergehender ist. Der einzige Unterschied ist nur, dass im ausgebildeten Herzen die ein- zelnen Muskelfasern dicker und dass die Zwischenräume der 32 F. MERKEL, Fasergruppen enger sind (Fig. 17). Ein erwünschter Beweis für die Richtigkeit der eben gegebenen Darstellung ist darın zu sehen, dass an der Oberfläche des Herzens dicht unter dem Epicard, wo reichliches Bindegewebe zwischen die äussersten Muskelfasern eindringt, diese mit einem wohlent- wickelten und kräftigen Sarcolemm ausgestattet sind, welches ebenso wie bei den stärker bindegewebshaltigen Skeletmuskeln jede einzelne Faser für sich überzieht (Fig. 18). Was die Nerven anlangt, so beschreibt sieNeumayer (Sl, S. 524) in dem Stadium, von welchem auszugehen ist, als eine gleichmässige, feine längsstreifige Substanz, welche von einer Scheide umschlossen ist, die epitheliales Aussehen hat. Die einzelnen Fasern sind nicht unmittelbar aneinander gelagert, sondern es ist eine homogene, die diskreten Fasern umschlies- sende Zwischensubstanz vorhanden, so dass Querschnitte die punktförmigen Durchschnitte der Fasern in deutlichen Ab- ständen voneinander zeigen. Ein solcher Querschnitt ıst in Figur 19 gezeichnet. Man erkennt, dass die tunlichst genau mit Hilfe des Zeichenapparates eingezeichneten Faserdurch- schnitte nicht gleichmässig über die Oberfläche verteilt sind, sondern dass sie hier nahe zusammenstehen, dort grössere faserlose Räume zwischen sich lassen. Die ganz schwach ge- färbte Zwischensubstanz ist nicht gleichmässig, sondern er- scheint vielfach in verdichteten Streifen, in welchen dann Reihen von Achsencylindern liegen. In einem weiter fortgeschrit- tenen Stadium, wie es in Fig. 21 bei schwächerer Vergrösserung vom Frosch gezeichnet ist, liegen die Nervenfasern sämtlich in Streifen der Zwischensubstanz, zwischen welchen man Lücken scheinbar ohne Inhalt findet. Man hat den Eindruck, als handle es sich um ein System von Lymphspalten. Man könnte auch an ein durch die Fixation hervorgerufenes Trug- bild denken, doch widerspricht dem erstens der gute Erhal- tungszustand der Präparate im übrigen und zweitens der Be- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 343 fund in dem Stadium der Figur 19. Jezt sind auch zahl- reiche Zellen in den Nerven eingewandert, deren Kerne auf dem Querschnitt allenthalben sichtbar sind. In einem weiteren Stadium (Fig. 22) wird die Verteilung der Nervenfasern über das Gesichtsfeld hin eine immer gleichmässigere und es dringen von der Umhüllung her Septa gewöhnlichen Bindegewebes ein, welche den vorher einheitlichen Stamm in eine Anzahl von Bündeln zerlegen, welche sich später immer mehr abrunden. und sich so in das Querschnittsbild umwandeln, wie man es von ausgebildeten Nerven kennt. Im Inneren der einzelnen Bündel vollzieht sich nun ebenfalls eine Umwandlung in der Art, dass die einzelnen Fasern durch eine Masse voneinander geschieden werden, welche sich mit der Hansenfärbung rot, mit der Naphtolschwarz- oder Mallorymethode blau färbt. Der Querschnitt gleicht nun frappant dem eines glatten Muskel- bündels (vergl. Fig. 20 und Fig. 14). Es sind dies die An- fänge der Schwannschen Scheiden. Die Umhüllungen sind aber für die einzelnen Fasern durchaus nicht voneinander ge- trennt, sondern bilden, wie ganz besonders betont sein mag, ein zusammenhängendes Wabenwerk. Dass nicht etwa Tren- nungslinien, welche die Hülle einer Faser von der der anderen scheiden, übersehen worden sind, wird dadurch bewiesen, dass immer, wenn ein Riss oder eine Spalte das Nervenbündel durch- setzt, die Scheidewand nur an den Fasern der einen Seite anhaftet, während die der anderen nackt erscheinen. Auch in den Nerven Erwachsener kommen noch Bündel- chen vor, welche das beschriebene Wabenwerk erhalten zeigen. In der Hoffnung, im Nerv. lateralis der Amphibienlarven ein Objekt zu finden, welches eine Untersuchung des Quer- schnittes besonders leicht gestatten würde, sah ich mich ge- täuscht, weil bei ihm in frühen Entwickelungsstadien die Kerne so zahlreich sind, dass man die zwischen ihnen liegen- 344 F. MERKEL, den zarten Fasern nur schwer beobachten kann, und dann, weil schon sehr frühe, z. B. bei 8 mm langen Tritonlarven, die Ausbildung bis zu dem in Fig. 20 abgebildeten Stadium gediehen ist. Aber für die von da ab folgenden Vorgänge erwies sich der Nerv. lateralis als ein durchaus günstiges Objekt. Bei älteren Larven von Salamandra traf ich einen Zustand des Nerven an, in welchem sich das bis dahin einheit- liche Wabenwerk zwischen den Fasern zu zerklüften beginnt, indem von den dicksten Stellen aus äusserst feine Spalten zwischen die einzelnen Fasern vordringen, und bei 16 mm langen Tritonlarven waren die einzelnen Fasern durch deut- liche Zwischenräume voneinander getrennt und jede einzelne derselben hatte ihre separate Umhüllung, wie man sie am ausgebildeten Nerven findet. Diese Weiterentwickelung der Scheiden der Nerven hat ihre Analogie in denen derjenigen quer- gestreiften Muskeln, bei welchen jede einzelne Faser ihre ge- trennte Sarcolemmumhüllung bekommt, wenn reichliches Binde- gewebe zwischen sie vordringt, wie es bei den Damm- oder Gesichtsmuskeln der Fall ist. Was die Bindegewebs- und Scheidenverhältnisse der sym- pathischen Nerven anlangt, so möchte ich mir über sie eın Urteil noch vorbehalten. Nach meiner Ansicht sind sie im ganzen einer gründlichen Neubearbeitung so sehr bedürftig, dass es zur Zeit nicht angängig ist, nur einen Teil derselben einer Untersuchung zu unterziehen. Wären die besprochenen Membranbildungen lediglich als Basalhäute auf die Unterlage der Epithelien beschränkt, dann würde man nicht umhin können, diesen immerhin irgend einen specifischen Eimfluss auf die Entstehung jener einzuräumen. Da dies jedoch nicht der Fall ist, so ist dergleichen nicht anzunehmen. Dass aber die Berührung des Bindegewebes mit Geweben anderer Herkunft im allgemeinen doch nicht bedeu- tungslos ist, dies geht daraus hervor, dass man an Binde- « Anatom. Hefte. I_Abteilung. 13. Heft (38.Ba.H.2). Fig „1: Triton dmm. Schwanz. Fig. 2. N a nn m Me) aan! TREE # Zn. Pi % ZR: VEN A7 T ) ll BI E : < E \ \ PS IE % AN: ! = u) STR = Scalarmandra Bauchfell. or Triton 5 mm.Ilyosepten.. Verlag von J.F. Berömann, Wiesbaden. Fig. 8. / Triton &mm Ilyosgptu.Sehne. Triton ca. T5mm.Zntschen Nasenknorpeln. Triton ca PH mm.Sehne. Tafel 24,25. Nersch.Fötus. 20.Wocke Kal. Univers.-Druckerei v. H.Stürtz, Würzburd. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 345 gewebsoberflächen, welche nicht an andere Körpergewebe an- grenzen, keine solche Membranbildung wahrnimmt, wenigstens war es mir nicht möglich, an jungem Bindegewebe, welches sich um einen in Einheilung begriffenen Celloidinblock ge- bildet hattet), eine Grenzhaut nachzuweisen. Auch an einem atypischen Gewebe, nämlich an einem Carcinom der Gervix uteri habe ich vergeblich darnach gesucht, das junge Binde- gewebe und die Epithelzellen schoben sich so ineinander, dass eine Grenzschicht nicht in die Erscheinung trat. Das Bild er- innerte in gewisser Weise an das des Schmelzorgans, bei wel- chem ja, wie erwähnt, eine deutliche Terminans nur soweit nachzuweisen ist, als die Epithelzellen ihren geschlossenen Ver- band aufrecht erhalten, lösen sich die Zellen erst mehr von- einander, dann ist es auch mit der Grenzhaut des Binde- gewebes zu Ende. Ist so einerseits die typische Beschaffen- heit der angrenzenden Schichte nötig, um die Bindegewebs- grenzschichte zu garantieren, so muss anderseits auch die typische Beschaffenheit des Bindegewebes vorhanden sein, wenn sie sich bilden soll. Dies erweist der Herzmuskel, bei welchem nur da ein Sarcolemm entsteht, wo zunächst der Ober- fläche eine grössere Menge fibrillären Bindegewebes vorhan- den ist, während das spärliche Bindegewebe im Inneren augen- scheinlich für die Membranbildung nicht ausreicht; es muss eben, wie es scheint, alles in ganz bestimmter Weise inein- andergreifen, um die Membranen zu erzeugen. Wie bei allen zusammenfassenden Feststellungen aber, so tauchen auch hier zahlreiche neue Fragen auf, welche einer Durcharbeitung bedürfen. Warum haben die besprochenen Mem- branbildungen eine so weite Verbreitung im Bereich der glatten und der Skeletmuskeln, wo doch das Ausgangsmaterial, die Gallerte, aus relativ grosser Entfernung herbeigeschafft wer- den muss? Warum werden die Häute bei fortschreitender Aus- 1) Präparate von Dr. Golowinski. 346 F. MERKEL, bildung das eine Mal dicker, das andere Mal dünner? Auf derartige Fragen gibt die rein morphologische Betrachtung keine Antwort. Eine solche ist nach meiner Ansicht nur von che- mischen Untersuchungen zu erwarten, welche den gegenseitigen Einfluss der miteinander in Kontakt stehenden Gewebe aul- hellen. Für jetzt muss es genügen, nachgewiesen zu haben, dass die besprochenen Bildungen sämtlich einer Quelle, näm- lich dem Bindegewebe entstammen und dass sie sich sämt- lich ohne direkte Abhängigkeit von Zellen bilden. II. Genese der Fibrillen. Die Bildung der collagenen Fibrillen des Bindegewebes hat die Forscher beschäftigt, solange eine Gewebelehre be- steht. Die Ansichten gehen weit auseinander und es hat der Streit über den Gegenstand seit mehr als 60 Jahren niemals ganz geruht, wenn auch Perioden geringeren Interesses für die Sache solchen grösserer Anteilnahme gegenüberstanden. Augenblicklich ist durch einige eindringende und inhaltreiche Arbeiten die Frage wieder „aktuell“ geworden. Ihr Stand ıst zur Zeit nach den Arbeiten der letzten Jahren der folgende: 1. Ein Teil der Untersucher vertritt die Ansicht, dass die collagenen Fasern direkt aus dem Protoplasma der Bindegewebszellen entstehen, Flemming (18), Mall (40), Zachariades (76), Studnicka (71) Spalte- holz (67), Masur (43), Meves (50). Sie stehen dabei, ob bewusst oder unbewusst, unter dem Einfluss der gewaltigen Autorität M. Schultzes, der ın seinem Aufsatz über Muskelkörperchen (65, S. 13) sagt: „Aber wie bei der Entwickelung der Muskelfasern Spuren unverän- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 347 derten Protoplasmas zwischen den Fibrillen übrig bleiben und sich namentlich um die Kerne ansammeln, so bleibt auch beı den Zellen, deren Protoplasma sich in fibrilläres Binde- gewebe umwandelt, ausser den Kernen noch ein wenig un- verändertes Protoplasma übrig, welches erstere in frei- lich’ oft nur. sehr geringer Menge umgibt.“ Boll (6), einer der intimsten Schüler M. Schultzes, hat dann in einer grösseren Arbeit den Gedanken seines Lehrers schriftlich und bildlich genauer ausgeführt und hat mit seiner sehr bestimmt vorgetragenen Meinung bis heute grossen Erfolg erzielt. 2. Eine zweite Ansicht, welche mit den Anschauungen M. Schultzes und der Darstellung von Boll nicht ganz brechen will, rückt die Entstehung der Fasern an die Ober- fläche der Zellen und sagt: Die collagenen Fasern ent- stehen aus einer Randschichte der Zellen, Mal (40), Studnrecka (0, 71, 2), Hansen (23); auch Flemming (17) und Golowinski (20) gehören hierher. Die drei ersten der genannten Autoren belegen diese Aussen- schichte mit dem Namen Exoplasma oder Ektoplasma, wobei die Exoplasmaschichte bald mehr die Zusammensetzung des eigentlichen Zellprotoplasmas bewahren, bald eine grössere oder geringere Umwandlung erfahren soll. Die Unstimmigkeit in dem, was die einzelnen Untersucher als Exoplasma be- zeichnen, veranlasste v. Ebner (12) zu der Bemerkung, „dass die Einführung der Begriffe Exoplasma oder Ektoplasma ın die Frage der Bildung der Grundsubstanz des Bindegewebes keineswegs den Gegenstand klarer macht‘. 3. Die dritte Meinung lässt, ganz revolutionär, die colla- genen Fasernineineramorphen Grundsubstanz entstehen, welche mit den Zellen ganz direkt nieehts zu tun hat, w Ebner (IHM) Merkel (47, 43), Renaut (53), Laguesse (5). 348 Y. MERKEL, Alle Untersucher stützten ihre Darstellung mit gewichtigen Gründen und es fehlt auch nicht an solchen, welche den Ver- such machen, zwischen den verschiedenen Ansichten zu ver- mitteln (Laguesse, 35), so dass es für Forscher, welche sich für die Sache interessieren, nötig wird, an der Hand eigener Untersuchung erneut Stellung zu nehmen. Dabei sind neue Beobachtungen nur in beschränktem Masse zu machen, da nicht allein in den genannten Arbeiten der neuesten Zeit, sondern auch in den älteren !) alle erdenklichen Möglichkeiten der Faserbildung erschöpft sind; es handelt sich bei der Nach- prüfung zum Teil nur darum, dasjenige herauszuschälen, was von bleibendem Werte ist. In neuerer Zeit haben auch die lamellösen Bildungen des Bindegewebes eine grössere Beachtung gefunden (Laguesse, 37), was sie auch vollauf verdienen. Die im Bindegewebe vorkommenden Zellen sind von sehr mannigfaltiger Form und Funktion. Für die vorliegende Be- trachtung aber kommt nur eine einzige Art in Betracht, näm- lich die als Fibroblasten bekannte. Maximow (46, S. 687) sagt: „Über ihre Struktur und Bedeutung sind eigentlich alle Autoren einig. Diese eigentlichen Bindegewebszellen sind es, welche im Laufe der ontogenetischen Entwickelung und auch bei der entzündlichen Gewebsneubildung die faserige ‘ Collagensubstanz erzeugen.‘ Man kann dem vollkommen zu- stimmen, freilich unter dem Vorbehalt, dass die Zellen nicht unmittelbar die collagenen Fasern aus sich hervorgehen lassen. Maximow sagt weiter, dass die Form der Fibroblasten eine sehr mannigfaltige sei, „der Zelleib löst sich in breite, flache, band- oder segelförmige Ausläufer auf“; man kann hinzu- !) Die ältere Literatur ist in den obenstehend angeführten Publikationen namhaft gemacht, besonders übersichtlich bei Flemming (18), so dass es sich hier erübrigt, sie nochmals im einzelnen anzuführen. Wo es nötig ist, wird sich auf den folgenden Seiten Gelegenheit geben, sie zu berücksichtigen. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 349 setzen: welche in der überwiegenden Zahl der Fälle miteinander anastomosieren und so ein syneytiales Netz bilden. Die zwi- schen ihnen vorhandenen Räume sind von einer mucinhaltigen Gallerte erfüllt, für deren Entstehung zwei Annahmen mög- lich sind: entweder handelt es sich um die Umwandlung einer Oberflächenschichte der Zellen, also um das so viel berufene Exoplasma, oder um eine Ausscheidung dieser Zellen, welche ihre Analogie in der Tätigkeit der Drüsenzellen haben würde. Dass die Gallerte ganz ohne Mitwirkung der Zellen entsteht, könnte man als eine dritte Annahme hinstellen, doch ist dies nach allen bisherigen Beobachtungen so unwahrscheinlich, dass man sie von vorneherein ausschliessen kann, überdies werden die folgenden Seiten ihre Unrichtigkeit erweisen. Schon die Beobachtungen an den Grenzmembranen lassen die zweite Alternative wahrscheinlich erscheinen, untersucht man aber die Faserbildung selbst, dann überzeugt man sich klar von ihrer Richtigkeit. Bei der Untersuchung empfahl es sich mir, in erster Linie Objekte zu wählen, bei welchen das Gallertgewebe in reichlicherer Menge vorhanden ist, da zu er- warten war, dass bei ihnen die geformten Bestandteile durch grössere Zwischenräume voneinander getrennt und dadurch leichter zu beobachten sind. Die Embryonen aller Kaltblüter eignen sich in gleicher Weise, doch wurde meine Unter- suchung im wesentlichen an Amphibienlarven angestellt, beı welchen das Material so gut wie lückenlos vorlag. Ausserdem bieten manche von ihnen noch den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass ihre Zellen so gross sind, dass sie schon bei etwas geringerer Vergrösserung sehr gute Bilder geben. Diese sind Salamandra und Triton, auch Rana ist noch gut zu be- obachten, während z. B. Alytes!) kleine Zellen hat, welche keine besonderen Vorteile bieten. 1) Für die Überlassung von konserviertem und frischem Material von Triton, Salamandra mac. und Siredon bin ich Herrn Dr. Poll in Berlin zu grossem Dank verpflichtet. 300 F. MERKEL, Dem günstigen Verhalten der Zellen der untersuchten Am- phibien stehen freilich Nachteile gegenüber, welche in der Zart- heit der für die Faserbildung in Frage kommenden Strukturen und in der augenscheinlich wenig widerstandskräftigen Be- schaffenheit der Gallerte ihren Grund haben, welche einer- seits leicht aufquillt, anderseits ebenso leicht schrumpft. Ich musste die Erfahrung machen, dass ein Aufenthalt der Ob- jekte in der Fixierungsflüssigkeit, welcher nur nach Tagen und nicht nach Wochen zählt, sie gegen die Angriffe des abso- luten Alkohols und des Paraffins nicht in genügender Weise iestigt, so dass man verzerrte Bilder erhält. Dazu kommt noch der stete Argwohn, ob nicht am Ende in dem stark mucinhaltigen tewebe Gerinnungserscheinungen Strukturen vortäuschen, welche in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. Es wurden des- halb neben im vergangenen Jahr in verschiedener Art kon- servierten Froschlarven diesjährige Tritonlarven benützt, welch letztere für einige Wochen in verschiedener Weise fixiert wur- den und zwar in absolutem Alkohol, in 10% igem Formol, ın Müller-Formol, in Zenkerscher und in Flemmingscher Flüssigkeit. In allen Präparaten ohne Ausnahme kamen je- doch die gleichen Verhältnisse zum Vorschein, wenn auch nicht überall in gleich gutem Erhaltungszustand. Als beste Objekte erwiesen sich die in Zenkerscher und die in Flemming- scher Flüssigkeit fixierten. Da sich letztere Präparate jedoch, wie bekannt, wenig willig färben, zog ich die Präparate aus Zenker- scher Flüssigkeit vor, wenn es sich nicht um Feststellungen besonderer Art handelte. Zur Färbung zeigte sich ausser den oben angeführten Methoden eine Behandlung mit Neuviktoria- grün, welches durch Phosphormolybdänsäure fixiert wurde, recht brauchbar. Als ein besonders günstiges Objekt erwies sich der Flossen- saum, welcher besonders an Längsschnitten und zwar Hori- zontalschnitten des ganzen Körpers studiert wurde. Bei Triton- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 351 larven von 6 mm Länge findet man dort das Bindegewebe noch ganz undifferenziert. Die Zellen erscheinen mit zahlreichen stark verästelten Fortsätzen von rundlichem Durchschnitt ver- sehen, eine Anzahl derselben ist auch wie Spreizen zwischen die Epithelschichten der breiten Oberflächen des Schwanzes eingeklemmt. Zwischen den Zellen, den übrigen Raum aus- füllend, findet man eine homogene mit Naphtolschwarz oder Mallory sich blau färbende Masse. Dies stimmt überein mit den Beobachtungen von Laguesse (35), welcher an der Milz von Acanthias als erstes Stadium der Bindegewebsent- wickelung eine durch Hansenfärbung in rosenrotem Ton er- scheinende homogene Substanz beschreibt. Die Möglichkeit einer Färbung der Gallerte an der untersuchten Stelle nimmt rasch ab, so dass man in späteren Stadien nicht selten Mühe hat, etwas von ihr wahrzunehmen. Dies deutet darauf hin, dass sie eine physikalische oder chemische Modifikation er- leidet. Am Flossensaum ganz wenig älterer Tritonlarven er- kennt man dann bei bester Beleuchtung und bei stärkster Ver- grösserung in der Gallerte eine unbestimmte Struktur, welche bald aussieht wie eine ganz schwache Granulierung, bald wie ein äusserst zartes Netz. Dass es sich um ein Netzwerk han- delt, lehrt eine Betrachtung des Kopfes der gleichen Tiere, wo die Netzfäden bereits eine derbere Beschaffenheit ange- nommen haben, wenn sie auch immerhin noch fein ge- nug sind. Mit der Feststellung, dass im Anfang ein die Gallerte durch- ziehendes Netz vorhanden ist, stimmen — wenn man die Grenz- häute mit der Gallerte vergleichen darf — die erwähnten Be- schreibungen von Spalteholz und Flint überein, welche in der Basalis der Lieberkühnschen und Speicheldrüsen Fasernetze darstellen konnten, die sich sogar durch die Ver- dauungsmethode als collagen nachweisen liessen. Laguesse (l. c. S. 134) sagt ebenfalls, dass die Glashaut der Milz von 352 F. MERKEL, Acanthias bei Beginn ihrer Differenzierung sehr fein und un- bestimmt retikuliert sei. Hansen (24, S. 735) findet bei der Entwickelung der Bindegewebsfibrillen in den fibrillogenen Sternen des Knorpels unzweifelhafte Anastomosen. Bei einer Tritonlarve von 8 mm Länge bietet das Binde- gewebe des Schwanzes deutlich die Struktur eines Netzes. Ein Teil der Zellen — nicht alle — liegt in Hohlräumen, um welche sich das Netz zusammengeschoben hat, als stünde es unter einem gewissen von dem Hohlraum ausgeübten Druck (Fig. 1). Gegen das Ende des Schwanzes, wo derselbe sehr dünn wird, sieht man, wie sich das Netz auflöst und wie aus ihm durch Verschwinden der Querbrücken Fäden hervorgehen, welche von der Basalhaut der einen Oberfläche zu der der anderen herüberziehen. Die im Gallertgewebe liegenden stern- förmigen Zellen haben mit dem Netz sicher nichts zu tun, wenn auch ihre Fortsätze oft so fein werden, dass sie sich von den zarten Netzbälkchen nicht unterscheiden lassen. Zu- weilen biegen sie in die Richtung der Fasern um, was nicht verwundern kann, da natürlich die obwaltenden mechanischen Verhältnisse auf beide ganz in der gleichen Weise einwirken. In ähnlicher Weise hat sich auch v. Ebner (11, S. 514) aus- gesprochen. Ist ein Zellfortsatz an der Terminans der einen Seite festgeheftet, dann wird er beim Dickerwerden der ganzen Schichte eine Verlaufsrichtung annehmen müssen, welche der- jenigen der Fasern in der Zwischensubstanz, die sich zwischen den Basalhäuten beider Oberflächen ausspannen, parallel ver- läuft. Zellfortsätze, welche im rechten Winkel zu den Fasern stehen oder anders verlaufen, zeigen bei geeigneter Behandlung keine Bilder, welche man als einen Zusammenhang mit dem Netz deuten könnte. Überdies ist die Zahl der Zellen so ge- rıng, dass man sie auf verhältnismässig grösseren Strecken ganz vermisst, wo jedoch das Netz und die gespannten Fäden ebensogut entwickelt sind, wie in der Nähe der Zellen. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 353 Wie wenig zuweilen die Richtung der Zellen und die der Fasern miteinander übereinstimmen, erweıst ein Blick auf das Bindegewebe zwischen den beiden Nasenkapseln etwas älterer Tritonlarven. Die Zellen erstrecken dort ihre Längsrichtung von einer Kapsel zur anderen, die neugebildeten Fasern aber verlaufen in nahezu rechtem Winkel auf sie von hinten nach vorn (Fig. 6). Die Gallerte und das in ihr entstandene Netz ist von sehr weicher Konsistenz, was man daraus erschliessen kann, dass das letztere verzogen erscheint, wenn der Flossensaum eine Falte zeigt oder wenn er im ganzen gekrümmt ist, ganz ebenso wie man die Maschen eines aus Schnüren bestehenden Netzes durch Zug an zwei Seiten in die Länge strecken kann. Bei älteren Larven, bei welchen der Schwanz bereits dicker ist, findet man die Wirkung der mechanischen Verhältnisse auf das jetzt schon recht deutlich gewordene Netz sehr aus- geprägt. Nahe der Chorda dorsalis ist in der Mitte des Hori- zontalschnittes eine mehr indifferente Stelle mit rundlichen Maschen zu finden, während zu beiden Seiten, wo offenbar das Dickenwachstum des ganzen Organes vor sich geht, der Zerfall in Einzelfäden, welche im rechten Winkel auf die Ober- fläche des Schwanzes orientiert sind, dominiert, ohne dass jedoch Anastomosen zwischen denselben vollständig fehlen (Fig. 2). Noch sind die Fäden leicht granuliert, sie haben auch noch keine ganz glatten Konturen. Dies kommt erst, wenn dıe collagenen Fasern vollkommen zu homogenen und glän- zenden Fäden ausgebildet sind. Dann ist auch die Netzstruktur verschwunden und die Fasern erscheinen unverzweigt. Wo sie sich überkreuzen, handelt es sich dann um einen Filz, nicht mehr um ein Netz (Fig. 3). Dies sei ganz ausdrück- lich bemerkt, da v. Ebner (12, S. 10) die Ansicht-ausspricht, dass die Fibrillen des Bindegewebes stets unverzweigt seien, Ich stimme dem für die fertigen collagenen Fasern zu, nicht Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 23 354 F. MERKEL, aber für deren Vorstufen, an welchen durch die spezielle me- chanische Beanspruchung erst die Richtung festgelegt werden muss, in welcher sich die Einzelfaser aus dem Netzwerk dif- ferenziert. Hansen (24, S. 736 Anm.) ist ebenfalls der An- sicht, dass das Verhalten der Bindegewebsfasern in mehr ent- wickeltem Zustand durchaus nicht einer Verästelung oder Anastomosierung in den früheren Stadien der Entwickelung widerspricht. Die Tatsache, dass man Schritt für Schritt die Umwandlung der ganz unzweifelhaften Bindegewebsfasern aus einem erst unbestimmten Netz, dann einem solchen, welches schon deutlich die späteren definitiven Zustände erkennen lässt, verfolgen kann, scheint mir eine wichtige Stütze für die An- nahme zu sein, dass das Anfangsnetz keine Gerinnungserschei- nung ist, welche der Fixation ihr Dasein verdankt, sondern dass man es mit einer reellen Struktur zu tun hat. Die Ausscheidung der Gallerte, der Muttersubstanz der Fasern, dauert während der Bildung des Netzes an, was man daraus erschliessen kann, dass sich, wie erwähnt, um die Zellen scheinbar leere Hohlräume bilden, von deren homagenem und durchsichtigen, vielleicht noch flüssigem Inhalt, ein Druck auf das schon fertige Netzwerk ausgeübt wird, welcher das- selbe zusammenschiebt (Fig. 1). Dass es sich nicht etwa um eine Sckrumpfungserscheinung der Zellen oder der netzhaltigen Gallerte handelt, geht mit Sicherheit einerseits daraus hervor, dass die rundliche Form der scheinbaren Hohlräume von der der in ihnen enthaltenen Zellen abweicht, anderseits daraus, dass von unmittelbar benachbarten Zellen die eine den Raum zeigt, die andere ıhn vermissen lässt. Betrachtet man die Verhältnisse der Bindegewebsbildung an anderen Stellen, — es wurde der Kopf von Tritonlarven gewählt — dann findet man sie dort zwar ebenso wie an dem so einfach gebauten Flossensaum, doch nicht immer gleich klar und durchsichtig. Um völlig vergleichbare Resultate zu . Betrachtungen über die-Entwickelung des Bindegewebes. 355 erhalten, wurde in allen Stadien die gleiche Stelle untersucht und zwar die zwischen Auge, Ohrbläschen, Centralnervensystem und Haut bleibende Lücke, welche mit werdendem Bindege- webe ausgefüllt ist. Studiert man sie auf Horizontalschnitten des Kopfes, dann findet man bei kleinen Larven (6 mm) den Raum mit kleinen, anastomosierenden Zellen ausgefüllt, welche in eine sich gut färbende Gallerte eingelagert sind. Noch bei Larven von 10 mm Länge sind diese sternförmigen Zellen mit ihren kurzen, anastomosierenden Fortsätzen und die mit allen Methoden dunkler gefärbte Gallerte nächst dem Central- nervensystem vorhanden (Fig. 4). In ihr sieht man die An- deutung einer Struktur, für deren genaue Analyse jedoch die optischen Hilfsmittel nicht ausreichen. Nach aussen hin rücken bei letzteren Larven die Zellen mehr auseinander, die Färbung der Zwischensubstanz wird, ohne dass eipe scharfe Grenze bestünde, verwaschener und heller, bis sie schon nach einer ganz kurzen Strecke nur noch mit Mallory einen blauen Ton aufweist, mit anderen Färbemitteln aber ungefärbt bleibt. In der Gallerte ist jetzt auch das Netz deutlicher geworden (Fig. 7). Bei Smm langen Larven zeigt es noch nicht die Beschaffenheit von Bindegewebsfasern, bei 10 mm langen aber sind die ersten glatten und unverzweigten Fäden entstanden, welche aussen an der Terminans unter der Epidermis ange- heftet sind, nach innen sich verlieren (Fig. 8 u. 5). Die Anasto- mosen der durch weitere Zwischenräume voneinander ge- trennten Zellen sind nicht überall zu verfolgen, die Fortsätze verästeln sich und werden immer feiner, so dass man in jüngeren Stadien Mühe hat, sie von den Netzmaschen zu unter- scheiden. Oft genug scheinen sie in dieselben geradezu über- zugehen und solche Bilder könnten wohl die Meinung hervor- rufen, dass das Netz in der Gallerte lediglich aus äusserst zahl- reichen, weit verästelten Zellfortsätzen bestünde, wenn nicht die Betrachtung der Bindegewebsentwickelung an anderen gün- DDES ae 356 F. MERKEL, stiger gelegenen Stellen die unzweifelhafte und ıichtige Er- klärung gäbe. In der Tat ist auch Flemming (17) zu dem Resultat gekommen, dass bei der Salamanderlarve das in Rede stehende Netz lediglich aus äusserst zahlreichen und fein ver- zweigten Ausläufern von Zellen bestünde. Die zarten Anfänge des Netzes sind ihm entgangen, was mir aus folgendem Satz (S. 183} hervorzugehen scheint: „Beim Vergleich junger und älterer Stadien ist es nämlich unverkennbar, dass die Zellen in den ersteren dichter beieinander liegen und verhältnismässig spärlichere verbindende Ausläufer haben wie in den letzteren.“ Bei jungen Larven ist das ın der Gallerte vorhandene Netz so zart, dass es nur mit den neueren Färbungsmethoden, welche Flemming vor 10 Jahren noch nicht zu Gebote standen, dargestellt werden kann. Er sah deshalb nur die Zellfort- sätze. Diese letzteren ziehen sich aber nicht, wie Flemming meint, während sie auseinander rücken, zu immer feineren und immer zahlreicheren Verästelungen aus, ihre Zahl vermehrt sich vielmehr nicht, während dagegen das zwischen ihnen ge- legene Netz der Gallerte deutlicher und reichhaltiger wird. Ich könnte mich auch nicht entschliessen, mit Laguesse (55) anzunehmen, dass sich die Fasern bald aus der Gallerte dif- ferenzieren, bald aus Zellfortsätzen hervorgehen, sondern muss vielmehr den Zusammenhang mit den letzteren für ein Trugbild halten, welches dadurch hervorgerufen wird, dass alle mir bekannten Färbungsmethoden versagen, wenn es gilt beide scharf von einander zu unterscheiden. Das Netz besteht eben nicht aus echter collagener Substanz, seine Bälkchen sind nicht alle gleich dick. Sind aus ihm erst unzweifelhaft collagene Fasern entstanden, dann wird an den von mir beobachteten Objekten niemand mehr im Zweifel sein können, dass ein solcher Zusammenhang auch hier am Binde- gewebe des Kopfes der Tritonlarven nicht vorhanden ist. Die Darstellung von Mall (40) ist mit ihrer nicht ganz Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegswebes. 357 scharfen Definition des Ausdruckes Exoplasma schwer ver- ständlich. Bei 6 mm langen Froschlarven findet er an den Protoplasmabrücken zwischen den Zellen des Synceytiums eine leicht fibrilläre Struktur, in Anschluss an welche sich das erste Exoplasma bildet. Wenig später bilden protoplasmatische Fasern des Exoplasmas ein dichtes Netzwerk von Fibrillen. Sie sind nun in Bündeln gelagert, zwischen welchen zahlreiche Zwischenräume sind. Das Endoplasma ist über das fibrilläre Netz des Exoplasmas gebreitet. Von einem noch etwas älteren Stadium heisst es: In the tail the connective-tissue syncy- tium forms a very dense network of exoplasm with nuclei and a small amount of endoplasm Iying upon, or imbedded within, some of the nodal points. The endoplasm about the nuclei form stellate bodies with their points running out into the general mass of exoplasm. — — Tch muss leider ge- stehen, dass ich mir kein klares Bild davon machen kann, was Mall gesehen und wie er es gedeutet hat. Die beigegebenen Figuren zeigen sternförmige miteinander anastomosierende Zellen, wie man sie bei jüngeren Stadien von Amphibienlarven zu sehen pflegt. Die Untersuchungen der Bindegewebsentwickelung beı Säugetierembryonen wurden zuerst an einem Gewebe ange- stellt, welches sich ebenfalls durch eine besonders reichliche Entwickelung von Gallerte auszeichnet, nämlich an der Nabel- schnur. Die Zellen bilden in diesem Organ von den jüngsten bis zu den ältesten Stadien ein durch das ganze Organ hin- durchgehendes Syneytium mit weiten Netzmaschen, in deren Zwischenräume die Gallerte ergossen ist (Merkel, 47, S. 400) (Fig. 23). In den jüngsten Stadien überwiegen feinere faden- förmige Fortsätze der Zellen, welche ein enges Netzwerk bilden. Man könnte hier zuweilen sehr wohl, wie bei gewissen Bil- dern des Amphibienbindegewebes, auf den Gedanken kommen, dass das zarte Netz ein Gerinnungsprodukt sei, welches den 35 F. MERKEL, 0 angewandten Fixierungsmethoden seine Entstehung verdankt, wenn nicht der Zusammenhang mit den Zellkörpern jeden Zweı- fe] ausschlösse. In späterer Zeit nehmen die Fortsätze an Zahl ab, an Dicke und Derbheit aber zu. Sie erscheinen nun zumeist plattenförmig, wie die Zellkörper selbst und es sınd die Zwischenräume zwischen den Netzmaschen weit geräumiger geworden wie sie anfangs waren. Bei guter Färbung, z. B. mit Eisenhämatoxylin, sind die Zellen gegen die Umgebung durchaus scharf abgegränzt und kein unbefangener Beobachter wird daran zweifeln, dass nirgends Übergänge des Zellproto- plasmas in die Gallerte. vorhanden sind, was man. bei vor- handener exoplasmatischer Umwandlung doch wenigstens ge- legentlick beobachten müsste. Die Zellen nehmen auch bei fortschreitender Bildung der Gallerte an Volumen keineswegs ab, sie werden sogar grösser. Dies wäre allerdings kein durch- schlagendes Bedenken gegen die exoplasmatische Umwandlung der peripherischen. Teile der Zellen und ich gebe Flemming (17, S. 185) ganz recht, wenn er sagt, „dass jede Zelle ın einem wachsenden oder überhaupt tätigen Gewebe selbst wachstums- und regenerationsfähig ist, und während sie... einen Teil des Leibes zu geformten Substanzen umgestaltet, den übrigen Teil fortdauernd wieder vergrössern kann‘. Die Zahl der Zellen wird nicht geringer, sie vermehren sich aber auch nicht er- heblich, sie weichen vielmehr: beim Wachstum der Nabelschnur auseinander. Dass auch in späteren Stadien die Ausscheidung von neuer Gallerte nicht aufhört, wird durch das Verhalten der in diesen Stadien bereits reichlich vorhandenen Fibrillen erwiesen. Erst liegen dieselben den Zellen nahe und verlaufen. zumeist der Längsachse derselben parallel, dann aber werden sie durch einen neuen Erguss von Gallerte von diesen ab- gedrängt. Sie werden dadurch häufig gezwungen, ihre Ver- laufsrichtung zu ändern und die Zellen im Bogen zu umkreisen, was dem Durchschnitt der Nabelschnur ein überaus charak- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 359 teristisches Aussehen geben kann. Augenscheinlich geht die Ausscheidung der Gallerte unter einem gewissen Druck vor sich, ganz ebenso, wie es bei den Amphibien geschildert wurde. Die Sache verhält sich ähnlich wie bei der Drüsensekretion. Der Unterschied der Gallerte des Bindegewebes gegen das Se- kret einer Drüse ist freilich insoferne kein geringer, als die Gallerte im Verband des Gesamtkörpers verbleibt und in ıhm noch wichtige Funktionen auszuüben hat, während das Sekret dazu bestimmt ist, ausgestossen zu werden. Die Gallerte des Bindegewebes der Nabelschnur erscheint vollkommen homogen und strukturlos und lässt sich durch Fär- bung nur schwer hervorheben. Sie ist von derber Consistenz, was man durch Anfühlen einer frischen Nabelschnur jeder- zeit leicht feststellen kann, nicht aber ‚so gut wie flüssig‘, wie sie Flemming (18, S. 9) ebenso wie Boll (6) nennt, welch letzterer meint, dass es sich in der Gallerte des ent- stehenden Bindegewebes um eine seröse mucinhaltige Flüssig- keit handelt, welche ‚den Anschein einer homogenen Inter- cellularsubstanz vorspiegeln kann“. Hätte er die Nabelschnur in seine Untersuchungen einbezogen, dann würde er wohl schwerlich zu einer solchen Ansicht gekommen sein. Das Er- scheinen der ersten Spuren der Fibrillen vollzieht sich ganz in derselben Weise, wie es von den Amphibien geschildert wurde. Auch an der Nabelschnur lässt sich mit unzweifel- hafter Sicherheit nachweisen, dass in der Gallerte zuerst ein an der Grenze der Sichtbarkeit stehendes Netz auftritt. Den Amphibien gegenüber wird die Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse nicht wenig dadurch erleichtert, dass die Zell- fortsätze kein so feinmaschiges Netzwerk mehr bilden, wenn erst das Netz erscheint, welches bestimmt ist, sich zu Binde- gewebsfasern umzuwandeln. Auch die Unterscheidung von ge- ronnenem Fibrin ist nicht schwierig, da man solches gelegent- lich in Nabelschnüren, besonders in solchen älterer Föten, 360 F. MERKEL, findet. Es hat ein ganz anderes Aussehen, indem die Fibrin- bälkchen an ihrer Oberfläche rauh, auch viel derber sind. Der beste Beweis dafür, dass man es mit den ersten Anfängen der Fibrillen zu tun hat, liegt auch hier wieder darin, dass man den Übergang des Netzes in die Fasern direkt beobachten kann. Die Maschen strecken sich und mit der einseitigen me- chanischen Beanspruchung verschwinden die queren Verbin- dungen und es bleiben die glatten und unverzweigten Fasern ubrig, wie sie das fertige fibrilläre Bindegewebe zeigt. Zuerst sind sie sehr fein, dann aber wachsen sie sowohl an Länge wie an Dicke immer mehr heran, was ja längst allgemein bekannt ist. Die Neubildung geht in gleicher Weise bis zur Geburt vor sich und man findet noch in der Nabelschnur eines ausgetragenen Kindes in den hellen mit Gallerte gefüllten Räu- men in der Umgebung der Zellen gelegentlich das zarte An- fangsreticulum der Fasern (vergl. Fig. 24). Bilder, welche man von älteren Nabelschnüren verschie- dener Säuger, z. B. vom Schwein, erhält, scheinen der vor- getragenen Ansicht direkt zu widersprechen, indem man dort weite Strecken findet, auf welchen sich die Fasern enge an die Zellen anschliessen. Diese bilden gewissermassen einen Stab, um welchen die Fasern unordentlich herumgewickelt sind (Fig. 25), so dass nichts näher zu liegen scheint, als dass erstere die letzteren unmittelbar erzeugt haben. Betrachtet man aber Querschnitte der Zellen und ihrer Umgebung, dann findet man, dass die Fasern den Zellen niemals direkt anliegen, son- dern stets durch einen kleinen gallerthaltigen Zwischenraum von ihnen getrennt sind. Man erkennt, dass in solchen Fällen die Ausscheidung der Gallerte träger und spärlicher vor sich geht als sonst. In der primär entstandenen haben sich nur wenige Fasern voll entwickelt. Dieselben bleiben natürlich wie ihre Muttersubstanz in nächster Nähe der Zellen und lassen zwischen den einzelnen Fasergruppen grössere Räume frei. Anutom. Hefte. I, Abteilung 115. Heft (38.Bd.H.2). u: Fig. In » \ 8 \S “4 f BT 5 . 23 3 >> N » *, 320rmm.SchwanzNerv.gter 25 Wochen Mensch. Nerv ir Mirskelsentum d.Unterarmes. Verlag von J.F.Berömann, Wiesbaden. Tafel 26/27. Schweirs 30 mım. Nabelschnur. Fig. 26. Kol. Univers.-Druckerei v. H.Stürtz, Würzburd. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 31 An anderen Stellen, wo mehr Gallerte zur Verfügung steht, füllen die aus ihr sich bildenden Fasern den ganzen inter- cellulären Raum aus. Die sekundäre Ausscheidung von Gallerte ist ganz in der gleichen Weise vor sich gegangen wie ander- wärts, sie hat die Fasern von der Zelle abgedrängt und hat ihre Verlaufsrichtung bald mehr bald weniger beeinflusst. Wieder an anderen Stellen älterer Nabelschnüre beobach- tet man, dass die Ausscheidung der Gallerte ganz aufgehört hat und zwar besonders in den centralen Teilen, d. h. um die Nabelgefässe herum. Man findet dort an den Nabelschnüren ausgetragener Kinder die Zellen von den Fasern eng umschlos- sen, was dem fertigen Zustand des Bindegewebes entspricht. Ehe ich die Betrachtung der Nabelschnur verlasse, möchte ich noch der von Golowinski (20) beschriebenen Struktur ihrer Zellen gedenken. Er sagt, dass auf der Oberfläche der Zellen zuerst unregelmässig zerstreute Körnchen zu beob- achten sind, welche sich in Eisenhämatoxylin dunkel färben. Sie stellen sich in der Folge, vermutlich unter dem Einfluss der Zellen selbst, reihenweise ein, wobei sie von einer Zelle auf die andere übergehen. Die Körnchenreihen fliessen endlich zu Fasern zusammen, welche er „präcollagene‘ nennt, da sie sich in ihren Reaktionen von den collagenen Fasern unter- scheiden. Sie werden dann von den Zellen frei und wandeln sich endlich in collagene Fasern um. Die Arbeit Golowinskis entstand unter meinen Augen und ich kann seine Beschrei- bung vollinhaltlich bestätigen, mit Ausnahme des letzten Satzes, welcher allerdings gerade der springende Punkt ist. Das Prä- parat, welches seiner Figur 2 zugrunde liegt, habe ich ge- sehen und es kann die Richtigkeit der Wiedergabe keinem Zweifel unterliegen. Als Dr. Golowinski aus äusseren Grün- den seine Beobachtung abbrechen musste, habe ich die von ihm zurückgelassenen Präparate einer nochmaligen genauen Durchsicht unterzogen und wurde deshalb an der Richtigkeit 362 F. MERKEL, seiner Deutung zweifelhaft, weil Fasern, wie die gezeichnete, welche sich von der Zelle ablösen und frei werden, zu den grössten Seltenheiten gehören. Diese Feststellung war für mich die Veranlassung, der Genese der Bindegewebsfibrillen über- haupt nachzugehen. Es fand sich, dass die „präcollagenen“ Fasern der Nabelschnur nicht immer ‚so regelmässig glatt und unverzweigt sind, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat, was durch meine Figuren 26 und 27 bewiesen wird, welche mit peinlichster Beobachtung jedes einzelnen dunkel gefärb- ten. Streifens gezeichnet sind. Zellen von anderen Stellen des Embryonalkörpers lassen eine mehr netzförmige Beschaflen- heit der durch Eisenhämatoxylin schwarz gefärbten Substanz erkennen und sehr viele andere Bindegewebszellen zeigen die fragliche Struktur überhaupt nicht. Mittlerweile erschienen die Mitteilungen von Meves (49, 50), welcher Golowinskis präcollagene Fasern für identisch erklärt mit seinen Chondrio- conten. Er dürfte damit vielleicht recht haben. Flemming (15, 17, 18) lagen augenscheinlich die gleichen Bildungen vor, welche nach seinen Zeichnungen in Zellen, deren Teilung sich dem Ende nähert, eng zusammengefasst werden und über die Einschnürungsstelle hinweg, von einer Tochterzelle in die an- dere übergehen. Auf einem Bild (15, Fig. 3, wiederholt 18, Fig. 3) strahlen sie nach der unmittelbar vor der Trennung stehenden Teilungstelle zusammen. An dem von ihm beob- achteten Objekt, dem Peritonaeum parietale der Salamander- larve habe ich einmal ein Zellenpaar angetroffen, welches in Fig. 9 abgebildet ist. Bei ihm ist die Teilung nahezu vollendet und es sind an der Durchschnürungsstelle die Fibrillenbildungen beider Tochterzellen bogenförmig abgeschlossen. Dieses Bild erlaubt es nicht, einen Übergang der Fasern von einer Zelle auf die andere anzunehmen, sie halten sich vielmehr strenge im Rahmen ihres ursprünglichen Entstehungsortes. Reinke (52, S. 385) erklärt sich das Freiwerden der Fasern im Sala- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 363 manderbauchfell folgendermassen: „Nach der Teilung rücken die Zellen auseinander und es scheint mir wahrscheinlich, dass durch das mechanische Auseinanderrücken der beiden geteilten Zellen durch Intercellularsubstanz, während die Fibrillen na- türlich!) in Continuität bleiben, diese sich gleichsam aus dem Zelleib herausspinnen, während indess das körnig netzige Pro- toplasma, das man um den Kern liegen sieht, für die Fi- brillen neue Substanz bildet.‘ Diese Annahme wird durch mein in Figur 9 abgebildetes Präparat hinfällig. Dasselbe be- antwortet auch die Frage Flemmings (17, S. 179), ob die Fibrillen, die in einer Zelle gebildet wurden, bei der Teilung dieser Zelle alle zeitweilig im Zwischenkörperchen zusammen- gefasst werden und sich erst nach geschehener Teilung wieder ausbreiten, oder ob sie gleich ausserhalb der Trennungsstelle verbleiben, dahin, dass weder das eine noch das andere der Fall ist, sondern dass ihre Continuität unterbrochen wird. Auch die schon von Flemming gemachte Beobachtung, dass die beschriebenen Fibrillen in sich teilenden Zellen stärker ge- färbt sind, muss bedenklich machen, da sonst die fertigen Bindegewebsfibrillen, als welche sie doch gedeutet werden, stets die gleiche Färbung annehmen, sie mögen liegen wo sie wollen. Ich kann nicht umhin zu erklären, dass ich mich nach meinen lange fortgesetzten Beobachtungen der Ansicht von Flem- ming, Reinke, Golowinski und anderen nicht anschlies- sen kann, vielmehr erklären muss, dass die fraglichen faser- artigen Gebilde mit der Entstehung der collagenen Fasern nichts zu tun haben, dass sie vielmehr der inneren Proto- plasmastruktur angehören. Es kommen einerseits Fibrillen- bildungen, welche ihnen durchaus gleichen, in Zellen vor, die zur Bildung collagener Fasern nicht befähigt sind, wie z. B. ın den glatten Muskelfasern des Darmes von Salamanderlarven, und in gewissen Epithelien, andererseits werden sie in Zellen 1) Im Original nicht gesperrt. 364 F. MERKEL, vermisst, welche ganz zweifellos zur Bildung des collagenen Gewebes in nächster Beziehung stehen, wie z. B. im werdenden Bindegewebe des Kopfes und Schwanzes von Salamandra. Von Interesse sind auch die Versuche von Golowinski (l. c.) über die Neubildung von Bindegewebe unter pathologischen Umständen, bei Einheilung von Celloidinwürfeln. An den von diesem Untersucher in meinem Institut zurückgelassenen Prä- paraten sind die Fibrillen nur in einem ganz bestimmten Sta- dium (am 10. Tag nach der Operation) zu sehen, während sie nachher fehlen, obwohl dann die Neubildung von calla- genen Fasern zweifellos noch fortdauert und man kommt auch dadurch zur Annahme, dass es sich bei Anwesenheit. der frag- lichen Strukturen um einen bestimmten Zustand des Proto- plasmas handelt, welcher mit der Bildung der collagenen Fasern in gar keinem, mit. der der Gallerte entweder auch in keınem oder doch nur in sehr lockerem Zusammenhang steht. Ein zweites sehr günstiges Untersuchungsobjekt bei Säuge- tierembryonen bildet das Amnion, welches an Präparaten vom Schwein untersucht wurde. Man findet bei ihm in jungen Sta- dien nächst dem Epithel weite Strecken* welche ganz zellen- los und nur von Gallerte erfüllt sind, in welcher aber die Faserbildung in ausgezeichneter Weise beobachtet werden kann. In Figur 29 ist eine Falte der Haut abgebildet, welche dies be- weist. In älteren Stadien begegnet man weiter nach aussen einer Bildungsweise, welche von der bis jetzt beschriebenen abweicht. Zerreisst man die Eihaut bei Schweinsembryonen von 60 mm Länge vorsichtig mit zwei Pinzetten, dann kann man Platten isolieren, welche sehr grosse Zellen zeigen; es sind dies die Bildungen, welche Spuler (68) in seiner Figur 14 unter e abbildet. Sie sind leicht färbbar, was ihre Beobach- tung ausserordentlich erleichtert. Dieselben sind flächenhaft ausgebreitet und stehen durch zahlreiche Fortsätze miteinander in Verbindung (Fig. 28). Ihr Protoplasma wurde von Spuler Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 365 sehr genau studiert und abgebildet. Eine Streifung desselben ist leicht in der aus Figur 33 ersichtlichen Art nachzuweisen. Ihre Unterlage bilden dünne, strukturlose Lamellen, welche augenscheinlich der Tätigkeit der flächenhaft ausgebreiteten Zellen ihr Dasein verdanken. Dieselben sind mit den Grenz- häuten an den Oberflächen augenscheinlich nicht identisch, da sie sich nicht wie jene lebhaft färben lassen, sondern ent- weder ganz ungefärbt bleiben oder nur einen schwachen Farben- ton annehmen. Betrachtet man das Bild von der Fläche, dann können sie dieser Eigenschaft wegen sehr leicht der Beobach- tung ganz entgehen, während sie in der Kantenansicht oder auf einem Schiefschnitt ohne Schwierigkeit gesehen werden können. Sitzen die Zellen fest auf den Lamellen auf, dann kann man sehr gut verstehen, wie manche Gelehrte zur An- nahme eines Exoplasmas kamen, doch ist die Verbindung von Zellen und Lamellen keine feste, was daraus hervorgeht, dass man auf Querschnitten nicht selten solchen Zellen begegnet, welche sich abgelöst und jeden Zusammenhang mit der Unter- lage aufgegeben haben. In diesen strukturlosen Membranen treten nun die ersten Spuren der Fasern auf und man sieht, dass dieselben mit den Zellen nichts zu tun haben, dass sie vielmehr über dieselben hinziehen, ohne ın ihrer Richtung irgendwie beeinflusst zu werden (Fig. 33). Es kann nicht ver- wundern, wenn ich sage, dass zuweilen eine Faser scheinbar an der Zelle aufhört, da diese mit ihrem dunklen Protoplasma sehr geeignet ist, die überaus zarten Fibrillen zu verdecken; beobachtet man aber mit stärksten Immersionssystemen, dann wird es fast immer gelingen, die Faser doch noch über die Zelle hin zu verfolgen. Die Faserbildung wie sie in vorstehendem in der Gallerte der Nabelschnur und in den Lamellen des Amnion beschrieben wurde, ist im Körper der Säugetierembryonen selbst ganz in der gleichen Weise zu finden, nur sind .dort die Verhältnisse 366 " F. MERKEL, weniger durchsichtig, weil die Zellen kleiner und weniger be- quem zu beobachten sind. Als Beispiel für die Fibrillenbildung direkt aus der Gallerte kann das Corium genannt werden und zwar wurde die Untersuchung hauptsächlich an den Extremi- täten von Schweine- und Katzenembryonen vorgenommen, bei welchen eben die Fingerstrahlen zu erscheinen beginnen. Man findet dort in den distalen Teilen jüngere, in den proximalen Teilen etwas weiter fortgeschrittene Stadien, was einen Ver- gleich schon durch Verschieben eines und desselben Präparates gestattet. An der Spitze der Extremität liegen die Zellen dicht ge- drängt, die Kerne sind im Verhältnis zum Zellkörper sehr gross und liegen so sehr übereinander, dass Einzelheiten nicht zu erkennen sind. Weiter proximal rücken die Zellen etwas aus- einander; es bleiben zwischen ihnen mit Gallerte gefüllte Zwı- schenräume, welche zwar noch klein, aber doch immerhin so gross sind, dass man erkennen kann, wie die Zellen durch sehr zahlreiche Fortsätze miteinander zusammenhängen (Fig. 30). Geht man noch weiter proximal, dann sind die Körper der Zellen mehr auseinandergezogen; sie sind oft so zart und flach, dass man Mühe hat, sie zu sehen, die Fortsätze sind das eine Mal ebenfalls flach und sehr durchsichtig, ein andermal fein und fadenförmig (Fig. 31). Nun erscheint in der Gallerte das Netz, welches den Vorläufer der collagenen Fasern bildet. Dieses aber hier im Corium gegen das Netz der Zellfortsätze ab- zugrenzen, gelingt nur sehr unvollkommen. Schon v. Ebner (12, S. 27) sagt, dass sich feine und feinste Protoplasmaver- zweigungen mit „collagen‘ färbenden Farbstoff anfärben; ıch selbst habe mir mit Färbemitteln verschiedener Art alle erdenk- liche Mühe geben, beide voneinander sicher zu unterscheiden, immer aber färbten sich beide Netze ganz gleich und es könnte scheinen, als ob sie in continuierlichem Zusammenhang stün- den. Man wird mir sagen, unter diesen Umständen ist es logisch Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 367 anzunehmen, dass sie eben wirklich identisch sind. Dies ist aber doch nicht der Fall, wie eine Umschau im Kreise der anderen Bindegewebsbildungen zeigt. Abgesehen von den Be- obachtungen an den Amphibienlarven, beweist dies schon die Nabelschnur, an welcher man die Nichtidentität beider auf das Klarste dartun kann; im Körper des Embryonen selbst bietet das Mesenterium ein willkommenes Vergleichsobjekt und zwar dort, wo unmittelbar am Ansatz am Darmrohr seine Lamellen arıseinander weichen und lockeres Bindegewebe zwischen sich aufnehmen. Die Zellen sind an dieser Stelle ziemlich gross, die Zwischenräume zwischen ıhnen sind weiter, so dass auch die in ihnen enthaltenen Fasern besser hervortreten. Dass das Netz ın der Gallerte nicht aus Zellfortsätzen bestehen kann, zeigt, weiter der in Fig. 28 abgebildete Durchschnitt der Eihaut, sowie der Glaskörper. Bei Triton findet man in ihm genau das gleiche Netz wie im Corium, trotzdem dass ihm Zellen voll- kommen fehlen. Wäre nicht schon durch diese Präparate Sicherheit ge- wonnen worden, dann wäre jeder Zweifel über die extracelluläre Entstehung des Fasernetzes durch Querschnitte von Katzen- embryonen beseitigt worden, aus dem Stadium, in welchem sich an den vorderen Extremitäten die Fingerstrahlen eben zeigen, während sie in den hinteren noch nicht vorhanden sind. In der Körperwand der Herzgegend färbten sich die Zellen etwas lebhafter, sie erschienen mit den Golowinskischen Streifen versehen, während die Fäden des Initialnetzes über die Zellen hinweg leicht zu verfolgen waren (Fig. 32). Die vorstehend mitgeteilte Beschreibung der ersten Phasen der Fasernentwickelung steht nicht in Einklang mit der der meisten Autoren. Dies kommt daher, dass viele von ihnen die erwähnten Netzbildungen gar nicht kennen, oder sie doch verkennen. Die oft lang ausgezogenen fadenförmigen Zellfort- sätze werden für junge Bindegewebsfasern gehalten, was sie doch nicht sind, auch niemals werden. 368 F. MERKEL, Im Unterhautbindegewebe, wo sie von Laguesse (37) im ausgebildeten Zustand sehr treffend mit dem Aussehen eines Blätterteiges verglichen werden, in der Umgebung der Muskeln, in den Nerven-, Gefäss- und Sehnenscheiden, in dem lockeren Bindegewebe des retrovisceralen Spaltraumes und an vielen anderen Stellen stellen strukturlose Lamellen die erste Grundlage der Bindegewebsbildung dar. Man findet die Zellen so, wie sie oben von dem Amniıan beschrieben wurden, doch sind ihre Fortsätze besonders im Subeutangewebe oft ausserordentlich schwer zu sehen, selbst der Zellkörper ist oft so dünn, dass man ıhn in der Flächen- ansicht nur als einen dunklen Schleier im Präparat wahrnimmt und ich habe mich anfänglich vergeblich abgemüht, Sicher- heit darüber zu gewinnen, ob das Netz, welches auch hier als erste Spur der Fasern auftritt, den Zellen angehört oder nicht, das heisst also ob die Beobachter im Rechte sind, welche sie aus Zellfortsätzen hervorgehen lassen, oder die, welche das Gegenteil behaupten. Die grosse Schwierigkeit der Fest- stellung kann auch nicht verwundern, sonst würden so viele ausgezeichnete Forscher, welche sich mit dem Gegenstand be- schäftigt haben, längst zu einer Einigung gekommen sein. So oft ich auch meinte, meine alte Ansicht aufgeben zu müssen, ebenso oft erhielt ich Präparate, welche mir dieselbe zu be- stätigen schienen. Lässt man sich aber die Mühe nicht ver- driessen, eine grössere Anzahl von Querschnittbildern der La- mellen zu durchmustern, dann findet man immerhin eine An- zahl von Fällen, ın welchen sich die Zellen von den fibrillen- haltigen Platten abgelöst haben. Noch instruktiver waren Schief- schnitte. In Serien der Extremitäten von 30 mm langen Schweineembryonen fanden sich in den proximalen Teilen Stellen, an welchen die Lamellen schief getroffen waren; sie erschienen als schmale schräg gestellte Bänder, an welchen die Zellen durch die Schnittführung mehrfach von der Unter- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 369 lage abgelöst und verschoben waren. Das Netz gehörte stets dieser letzteren an, während die abgehobenen und verschobenen Zellen keine Fasereinlagerung, sondern nur eine Granulierung zeigten, wie man sie an anderen Zellen auch findet (Fig. 35). Noch deutlicher lassen Flächenschnitte der Arachnoidea er- kennen, dass die Fasern mit den Zellen nichts zu tun haben, sondern über sie hinweglaufen, wobei es natürlich gelegent- lich auch vorkommen kann, dass sie eng an einen Zellfortsatz angeschmiegt sind, sie sind jedoch von deren Protoplasma stets leicht zu unterscheiden (Fig. 34). Ich habe mich davon über- zeugt, dass bei Vogelembryonen die Arachnoidea ganz ebensd gebaut ist, wie bei Säugetieren, nur sind die Zellen weniger plattenförmig und mehr langgestreckt. Insoferne sind die Ab- bildungen, welche Boll (5) gibt, verständlich. Die Spaltung des Zellprotoplasmas, wie er sie zeichnet, existiert jedoch nicht und ich weiss nicht, wie er dazu kommt, sie zu sehen, wenn nicht vielleicht die Golowinskischen Streifen, welche auch hier nicht fehlen, dazu Veranlassung gegeben haben. Noch weniger klar ist mir eine Abbildung desselben Autors geworden (seine Fig. 11), in welcher er aus dem Subcutangewebe des Schädels stammende Zellen mit vielen kurzen Fäserchen aus- abbildet. Ich bedauere, dass Flemming (18) diese ganz unzutreffende gestattet, — sie sehen aus wie mit Pelz besetzt Figur reproduziert hat. Die Figg. 32 und 34 zeigen eine Eigentümlichkeit der Fasern, welche man zwar von feinsten Nervenfasern sehr wohl kennt, von Fasern bindegewebiger Natur aber nicht gewöhnt ist: sie sind varıcös. Dies ist zweifellos auch anderen Unter- suchern schon aufgefallen, so zeichnet z. B. Retzius (58) solche Fasern aus dem Glaskörper in mehreren seiner Figuren, er nennt sie „gekörnt“. Ich halte diese Beschaffenheit hier ebensowenig für präformiert wie bei den Nervenfasern, nehme vielmehr an, dass es sich um eine bei der Fixation eingetretene Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 24 370 F. MERKEL, Veränderung der Fasern handelt. Immerhin aber ist das Auf- treten der Varicositäten ein sicheres Zeichen dafür, dass man dieselben noch nicht als fertige collagene Fasern anzusehen hat, da diese niemals varicös, sondern immer vollständig glatt sind. Ist erst die Fortbildung der collagenen Fasern abgeschlos- sen), dann haben sie bei den Säugern ganz ebenso wie bei den Amphibien sowohl in der freien Gallerte, wie in den La- mellen die netzförmige Struktur eingebüsst und zeigen keine Anastomosen mehr. Was die strukturlosen Lamellen anlangt, so lassen sie sich zwar bei Tieren höheren Alters noch an vielen Stellen nachweisen, an anderen aber sind sie augen- scheinlich vollständig in der Bildung der Fasern aufgegangen. Es gelingt aber auch dann noch oft selbst bei Erwachsenen die ursprüngliche Herkunft der Fasern aus einer lamellösen Anlage nachzuweisen, indem sie in dünnen Bändern angeord- net sind, welche sich bei der Zerfaserung voneinander lösen. Sehr schön konnte ich dies im interstitiellen Bindegewebe zwi- schen den Schultermuskeln eines Hingerichteten beobachten. Ich stehe mit vorstehender Beschreibung ganz im Ein- klang mit Laguesse (37, S. 131), welcher sagt, dass die Bindegewebszellen an vielen Stellen eine feste Substanz bilden. „C'est dans son &€paisseur que se developpent, souvent au moins, les fibrilles, c’est elle que j’ai cru par consequent pou- ‘is voir appeler pr&ecollagene.“ Auch die weitere Entwicke- lung der lamellösen Anlagen des Bindegewebes bei geborenen Tieren hat dieser Autor bereits richtig und treffend geschildert. Sehnen. Zu den Sehnen gehören selbstverständlich auch die sehnen- ähnlichen Fascien und Aponeurosen, welche sowohl in ihrem ı) Mallory (42) beschreibt „Fibroglia*-Fasern. Ich kenne seine Ar- beiten nur aus Referaten. Weder aus diesen, noch aus einem kurzen Aufsatz von Coca (9) über den gleichen Gegenstand konnte ich mit Sicherheit er- schliessen, was darunter zu verstehen ist. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 371 ausgebildeten Zustand wie in ihrer Entwickelung mit den Sehnen im engeren Sinne identisch sind. Die Entwickelung hat in der neueren Zeit die Untersucher nur wenig beschäftigt und ich selbst bin, soweit ich sehe, vor nunmehr 13 Jahren (48) der letzte gewesen, welcher sich, und zwar nur wenig ausführlich, zur Sache geäussert hat. Aus früherer Zeit sind nur die Be- schreibungen von Boll (5), Rollet (59), Lwoff (38a) und Mall (39) zu erwähnen. Boll sagt über die Bildung der Sehnen von Hühnerembryonen: „Stets während des ganzen Verlaufs der Entwickelung der Sehne liegen die fibrillenbildenden Em- bryonalzellen hart nebeneinander und bleiben bis zur Ver- schmelzung genähert.‘‘ Zur Ausscheidung einer flüssigen Inter- cellularsubstanz (unsere Gallerte oder amorphe Grundsubstanz) kommt es nach diesem Untersucher nicht, was auf die mangelnde Ausbildung eines Capillarnetzes geschoben wird. Hätte er die Nabelschnur untersucht, dann würde er gefunden haben, dass die Capillaren bei der Bildung der Gallerte keine Rolle spielen. Boll lässt trotz der engen Verbindung, in welcher die Zellen der sich entwickelnden Sehne stehen, doch auch hier wie anderwärts die Fibrillen aus den beiden Enden der langgestreck- ten Zellen durch Aufsplitterung ihres Protoplasmas hervor- gehen. Lwoff, der unter Rollet seine Arbeit machte, be- richtet über seine Beobachtungen an Sehnen von Schafs- embryonen folgendes: Zuerst findet er dicht aneinander liegende spindelförmige Zellen mit ovalen Kernen und daneben eine „längliche Streifung‘“. Beim Zerzupfen findet man die Zellen allseitig von feinen parallel laufenden Fibrillen umhüllt, die der Masse das streifige Ansehen geben. Die in der Mitte der Fibrillenhülle liegende Zelle kann man isolieren. Es ist augenscheinlich, dass seine Beobachtungen etwas spät ein- setzen, zu einer Zeit, in welcher die Fibrillenbildung, welche gerade in Frage steht, bereits beendet ist. Mall (39, S. 325) beschränkt sich darauf, zu sagen: „Die 24* 372 F. MERKEL, Fasern einer kleinen in der Entwickelung begriffenen Sehne findet man niemals in der Verbindung mit Zellen, aber sie nehmen an Zahl zu und werden länger.‘ Ich selbst habe ge- sagt, dass es unmöglich sei, zu irgend einer Zeit die Sehnen- entwickelung beim Menschen Gallertsubstanz zu entdecken. „Die entstehenden Fasern liegen der Oberfläche der Bildungs- zellen dicht an.“ Ich kam trotzdem zur Annahme, dass durch die Tätigkeit der Zellen eine Substanz ausgeschieden wird, welche dann fibrillär zurfällt. Bei meinen erneuten Untersuchungen wandte ich mich, wie beim anderen Bindegewebe, zuerst an die Amphibienlarven und gewann bei ihnen, welche nach dieser Richtung, soweit ich sehen kann, noch von niemandem durchforscht worden sind, einen weit besseren Einblick, als bei den schwieriger zu untersuchenden Warmblütern. Bei etwas älteren Amphibienlarven kann man an den Myosepten des Schwanzes die Sehnenentwickelung an einem und demselben Objekt in allen Stadien ohne Schwierigkeit stu- dieren, da distal die Ausbildung weiter fortgeschritten ist, als proximal. Schon bei Tritonlarven von 6 mm Länge ist ein deut- licher Unterschied zu bemerken, was man begreift, wenn man sich daran erinnert, dass die für das Schwimmen unerläss- lichen schlängelnden Bewegungen des Schwanzes in dessen distalen Teilen von Anfang an am intensivsten ausgeführt wer- den müssen, was eben eine frühzeitigere Ausbildung er- fordert. Anfänglich ist ein Myoseptum ein auf dem Durchschnitt linear erscheinender völlig strukturloser Streifen, welcher lateral mit der Terminans des Coriums zusammentfliesst, auch ganz die gleiche dunkle Färbung in Naphtolschwarz und Mallory annimmt wie sie, medial in das die Chorda umgebende Binde- gewebe übergeht (Fig. 10). In der Folge wird der Zusammen- hang nach beiden Seiten hin lockerer und besteht bald aus Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 373 Fasern, welche aus der homogenen Substanz des Myoseptum hervorgehen und nach Haut und Chorda hin ausstrahlen. Die Ver- bindung mit der Haut ist trotzdem noch immer so fest, dass sie an der Stelle des Ansatzes der Septa eingezogen erscheint. Vorgreifend sei bemerkt, dass dies allmählich aufhört, es schiebt sich subcutanes Bindegewebe zwischen Haut und Muskeln ein und beide gehen ihren eigenen Weg. Während im Anfang das Myoseptum durchaus frei von Zellen ist (Fig. 10), werden später hie und da solche be- obachtet, deren Kerne mit ihrer Längsachse rechtwinkelig zum Verlauf der Muskelfasern gestellt sind. Im weiteren rücken die Enden der Fasern der beiden aneinander grenzenden Muskel- segmente auseinander und der Raum zwischen ihnen erweitert sich. Infolgedessen muss sich das denselben einnehmende Myo- septum verdicken. Dabei bleibt es aber nicht homogen, sondern zerfällt sofort in Fasern, welche die Enden der Muskel- fasern des einen Segmentes mit dem des nächsten verbinden. Man trifft Segmente an, in welchen die Enden der lateralen Muskelfasern noch nahezu aneinander stossen, so dass das Myo- septum in seiner ursprünglichen Form verharrt, während die medialen schon auseinander gewichen sind. Zwischen diesen zeigen die neugebildeten Bindegewebsfasern einen unregel- mässigen Verlauf (Fig. 11). Wird aber der Zwischenraum im ganzen grösser, dann ist auch die Richtung der Bindegewebs- fasern der mechanischen Beanspruchung entsprechend eine parallele, indem sie von einem Muskelsegment zum andern ver- laufen und zwar das eine Mal straff, das andere Mal geschlängelt. Zellen fehlen jetzt nicht mehr, sie sind inzwischen von den Seiten her eingewandert. Mit ihrer Längsachse sind sie, oft aber nicht immer, der Faserrichtung gleichgestellt, haben aber mit den Fasern keinen engeren Zusammenhang gewonnen, was sowohl Längs- wie Querschnitte unzweideutig nachzuweisen erlauben. Das Zellprotoplasma ist sehr hell, doch färbt es 374 F. MERKEL, sich mit Fisenhämatoxylin immerhin so deutlich, dass man es ohne Schwierigkeit nachzuweisen vermag, während es mit den gewöhnlichen Färbungsmethoden, z. B. Eosin und Häma- toxylin, aussehen kann, als seien die Kerne nackt. Damit ist die Entwickelung der Sehnen der Amphibien- larven beendet, soweit sie hier zu besprechen ist. Bei den Embryonen von Warmblütern spielt sich die Ent- wickelung in etwas anderer Weise ab, als im den Myosepten der Amphibien, indem bei ihnen, wie bekannt, die erste Spur in dicht aneinander liegenden Zellen besteht, deren ovale Kerne mit ihrer Längsachse in der Richtung der späteren Fasern orientiert sind. Das Material an amorpher Substanz wird also nicht von weither herantransportiert, sondern an Ort und Stelle produziert. Die heute zur Verfügung stehenden Methoden er- lauben es, diese Gallerte nachzuweisen, was ja früher keinem der Untersucher einwandfrei gelingen wollte. Auch die jetzigen Färbungsmittel lassen in den ersten Stadien das Zellprotoplasma noch so hell erscheinen, dass sein Nachweis grosse Aufmerksam- keit erfordert. In den Zwischenräumen zwischen den Zellen aber findet man eine mit Mallory sich blau färbende Substanz, welche bei ihrem Erscheinen eine Struktur nicht erkennen lässt. Zu ihrem Nachweis wurden die distalen Teile der Extremitäten und des Schwanzes von 30 mm langen Schweinsembryonen benutzt. Im Anfang umgibt sie die Zellen in einer zusammen- hängenden Masse; diese sind in sie gleichsam eingegossen (Fig. 37). Das Bild ähnelt sehr dem des Anfangszustandes des Zwischengewebes der glatten Muskeln. Sehr bald häuft sich die fragliche Substanz hier in etwas grösserer, dort ın etwas geringerer Menge an. Nun. formiert sich die Substanz zu Fasern von rundlichem @Querschnitte (Fig. 38). Es stehen augenscheinlich die Sehnen und die mit ihnen verwandten Bildungen von Anfang an unter einer so ausgesprochenen Span- nung, dass der initiale netzförmige Zustand des Bindegewebes Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 315 anderer Stellen gar nicht zur Ausbildung kommen kann, sondern dass sofort die Bildung gesonderter Fasern in die Erschei- nung tritt. Von Interesse ist es, dass die Ursprungssubstanz der Sehnenfasern und diese selbst bei Säugern eine weit inten- sivere Färbung in rot oder blau, je nach der angewandten Me- thode, annehmen, als anderes Bindegewebe. Die Sehnen von mit Picrogrenat behandelten Präparate bleichen auch weit weniger und weit später aus, als die Fasern des umgebenden Bindegewebes. Dies nähert sie dem Verhalten der Terminans und deutet darauf hin, dass sich die Sehnen physikalisch oder chemisch von Bindegewebsfasern anderer Provenienz einiger- massen unterscheiden. Ein Vergleich der Figg. 37 und 38 zeigt, dass die Kerne in den Zellen älterer Sehnen einen nicht unerheblich kleineren Querschnitt haben, als in denen jüngerer Sehnen. Auf dem Längsschnitt erscheint das Verhalten eher umgekehrt, so dass man annehmen möchte, die Kerne seien durch den vermehrten Zug in der Richtung der Fasern verlängert. Man weiss ja, dass auch die Flügelform der Zellen in den Sehnen Erwachsener im ganzen der Spannung der Fasern ihr Dasein verdankt. Vergleicht man die Bildung der einzelnen Arten des Binde- gewebes, dann sieht man, dass nach vorstehendem die An- nahme von Thürler (74) einer mikroskopischen Prüfung der Entwickelung nicht stand hält. Er sagt: „Das fibröse Gewebe ist eine Varietät des weichen, formlosen Bindegewebes (des „Zellgewebes‘), welche genetisch zurückzuführen ist auf parallele Anordnung der fibrillären Elemente durch die me- chanische Einwirkung des Zuges und der Spannung.“ Weit richtiger sagt v. Ebner (11, S. 513): „Es liegt der Gedanke nahe, dass die leimgebenden Bindegewebsfibrillen aus leimgebender Substanz, welche zunächst als nicht fibrilläre, 376 F. MERKEL, colloidale Masse von den Zellen gebildet wird, unter dem Ein- flusse orientierter Zug- und Druckspannung zu bestimmt ge- ordneten Fibrillen wird.“ Für Sehnen und sehnenähnliche Ge- bilde ist die Annahme dieses Forschers sogar vollständig zu- treffend, für Bindegewebe anderer Art aber nicht, da hier stets ein indifferentes netzförmiges Stadium der in Formung be- begriffenen Substanz vorausgeht, ehe die orientierte Span- nung ihre Wirkung geltend macht und die glatten collagenen Fasern aus dem Netz entwickelt. Reticuläres Bindegewebe. Dass das Stützgewebe der ausgebildeten Lymphdrüsen und der im Bau mit ihnen identischen Organe mit collagenen Fasern ausgestattet ist, bedarf keines Beweises, da schon die alten, seit mehr als sechzig Jahren benutzten Reaktionen dies nach- weisen. Behandelt man eine getrocknete oder in Alkohal fixierte Lymphdrüse eines erwachsenen Tieres mit verdünnter Kalilauge und wäscht dann das Reagens wieder aus, dann er- hält man ein zierliches Netz, welches nach allem, was wir über die Kalireaktion wissen, nur aus collagenem Gewebe be- stehen kann, während die zugehörigen protoplasmatischen Ge- bilde endgültig zerstört sind. Die Bielschowskysche Me- thode, welche das collagene Gewebe schwarz färbt, konnte diese alte Erfahrung nur bestätigen. Das collagene Gewebe muss dem Zellnetz unmittelbar anliegen, da es vollkommen das gleiche Aussehen hat wie dieses. Über die Entwickelung äussert sich Mall (40), indem er von Untersuchungen Sabins berichtet. Dieser letztere sagt: Die primitiven Lymphstränge bestehen aus einem Syncytium von zarten Exoplasmabändern mit ovalen Kernen, welche von spindelförmigem Endoplasma umgeben sind. Bei Schweinsembryonen von 10 em Länge zeigt das Syneytium alle Zeichen eines voll entwickelten Reticulums ı% pi . — Pe 2 Ko Adnatom. Hefte. I, Abteilung; 113. Hett (38.Ba.H.2) Schwein I7mm. Eihaut. Fi6.32. Hatze mit Extremitätenstummeln Bauchwund nahe d.Nabelstrang: Pihaut. Schwein 60 man. Verlag von J.F. Berömann, Wiesbaden. Tüufel 28/29. Schwein alt. Fötus. Membr. In. LZarmelle Schiefschnitt 30 mm. Schwein. Hund-Lymphdrüse Retie. Schwein 30mm. Sckwanzsehne. Kol. Univers-Druckerei v. H.Stürtz, Würzburg. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 377 mit vielen Kernen und aufliegendem Endoplasma. Mall fügt hinzu, dass sich nach dieser Beschreibung das Reticulum direkt von dem Exoplasma des Syneytiums entwickelt, während sich die Kerne und das Endoplasma in die Zellen umwandeln, welche auf den Fasern des Reticulums aufliegen. Laguesse (35) ging an der Milz von Acanthias der Bildung des collagenen Gewebes vom ersten Anfang an nach und fand, dass sich an den Bildungszellen eine Bedeckung von amorpher collagener Substanz nachweisen lässt, welche sogar einen vollständigen Mantel um sie bilden kann, den er treffend mit der Kapsel der Knorpelzellen vergleicht. Die Berührung des Zellprotoplas- mas und des Collagens ist so innig, dass er sogar meint, es wandelten sich Zellteile, selbst ganze Zellen, direkt in letzteres um. In dieser amorphen Substanz treten dann blattrippenartige Verdickungen auf, welche auch netzförmig miteinander ver- bunden sein können. Diese noch etwas unbestimmte Struktur geht in der Folge in richtige Fibrillen über, welche man ge- legentlich über mehrere Zellen weit durchs Gesichtsfeld hin verfolgen kann. „Il semble ici (et cela jusque chez l’adulte) qu‘on soit en presence d’une tendance generale de la substance amorphe ä la fibrillation sous l’influence des causes mecanı- ques, comme le veut v. Ebner, et que cette fibrillation, d’abord vague, atteigne son plus haut degr& dans la fibre collagene A contours nets et vivement colorable“ (S. 143). Balabio (1) untersucht das retikuläre Gewebe der Lymphdrüsen mit Hilfe derBielschowsky schen Methode an erwachsenen Tieren und an Embryonen von Rindern und Scha- fen. Die Zellen besitzen eine Sternform und er konnte nicht mit voller Sicherheit nachweisen, ob die Fortsätze überein- ander gelagert waren, oder ein zusammenhängendes Netz bil- deten. Denselben ist ein schwarz gefärbtes Fasernetz aufge- lagert, welches mit ihnen aber nicht kontinuierlich ist, sondern nur mit ihnen in Berührung steht. Die Fasern sind den Zellen F. MERKEL, vs SI (69) entweder nur einseitig angelagert, oder sie bilden Netze, welche die Zellen umgeben. Balabio geht also nicht soweit zurück wie Laguesse, doch deckt sich seine Beschreibung mit der des letzteren Forschers im wesentlichen vollständig. Ich selbst habe die Milz von Salamandralarven untersucht und von derselben Bilder erhalten, welche den von Balabıo gezeichneten so vollständig entsprechen, dass ich auf eine zeich- nerische Wiedergabe verzichten kann. Milz und Lymphdrüsen von Schweineembryonen verschiedener Grösse erwiesen sich nicht als günstige Objekte, da die Lymphocyten so ausserordent- lich zahlreich sind, dass sie das reticuläre (serüst fast ganz verdecken. Ich beschränke mich darauf, in Fig. 29 das mit Mallory gefärbte Reticulum aus einer Lymphdrüse eines jungen Hundes darzustellen, an welchem man sieht, dass die (im Prä- parat blau gefärbten) collagenen, schon recht dicken, Bälk- chen auf den Zellen liegen, ohne dass jedoch eine direkte Um- bildung derselben in das Netz irgendwie zu vermuten oder gar zu erkennen wäre. Obgleich wohl die Mehrzahl der Fachgenossen annimmt, dass die Zellen des reticulären Gewebes dem Netz- werk nur anliegen und nicht in dasselbe direkt übergehen, so kann man doch selbst in neuerer Zeit immer noch gegenteilige Beschreibungen finden (z. B. Demoor, 10). In den Bälkchen des ausgebildeten Netzes ist ein fibrillärer Zerfall häufig zu beobachten. Es lag zur Zeit nicht in meiner Absicht, die Entwickelung des Bindegewebsgerüstes einzeln stehender Organe zu studieren, wie es etwa die Leber ist, oder die Drüsen ohne Ausführungs- gang, oder Carotiden- und Steissdrüse. Es ist mir nicht zweifel- haft, dass solche Organe mancherlei spezielle Eigentümlich- keiten zeigen werden, wie etwa der Bau der Chordascheiden (v. Ebner, 11), wenn auch das Grundprinzip der ersten und der fortschreitenden Ausbildung kein anderes sein kann, wie Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 379 das des Bindegewebes ım allgemeinen. Die Untersuchung der Entstehung der rein elastischen Gebilde, sowie der Vorgänge bei der Bildung von Knorpel und Knochen wird von so vielen Untersuchern und zum Teil von so berufener Seite gefördert, dass es mir im Augenblick nicht nötig erscheint, hierzu das Wort zu ergreifen. Es ist zu erhoffen, dass ın nicht allzu ferner Zeit eine gewisse Klärung der Ansichten eintreten wird. Schlussübersicht. In den folgenden Zeilen soll ganz in kurzem der Stand der Kenntnisse von der Entstehung des Bindegewebes skizziert werden, wie er sich mir nach meinen eigenen Studien und denen anderer Untersucher ergeben hat. Es wird sich dabei die Gelegenheit bieten, einiges schärfer hervorzuheben, was in vor- stehendem nur kurz berührt wurde. Die ursprüngliche Quelle für alles Bindegewebe ist das bekannte Zellsyneytium des Mesenchyms. Dasselbe scheidet eine amorphe Gallertsubstanz aus, welche entweder nur spär- lich (Sehnen, reticuläres Bindegewebe der Iymphoiden Organe), oder in grösserer Menge, selbst reichlich vorhanden ist (Am- phibien, Nabelschnur). Sie erfüllt dann die Lücken des Zall- netzes, kann sich sogar relativ weit über dasselbe hinaus er- strecken, ohne dass Zellen ihr folgen (Muskeln). Überall da wo die Gallerte mit anderen Geweben zusammenstösst (Epı- thelien und ihre Derivate, Muskeln, Nerven) verdichtet sie sich zu einer amorphen Grenzschichte (Membrana terminans, Umhüllung der Muskeln- und Nervenfasern). Diese Grenz- schichte ist an sich zellenlos, doch kommt es vor, dass später 380 F. MERKEL, Zellfortsätze in sie hinein vorgestreckt werden, welche jedoch mit ihrer Genese nichts zu tun haben. Sie erweist sich an- fänglich überall gleich dünn, verhält sich aber in der Folge verschieden, indem sie zwar an der einen Stelle in ıhrer ur- sprünglichen Gestalt verharrt, an einer anderen aber wieder verschwindet, wieder an einer anderen sich mehr oder weniger verdickt. Ihre ursprünglich collagene Beschaffenheit kann sich erhalten, die Schichte kann aber auch bald mehr, bald weniger das Verhalten des elastischen Gewebes annehmen. ‚Sie bleibt nicht immer amorph, sondern zeigt in ausgebildetem Zustand nicht selten eine streifige oder faserige Struktur, welche an manchen Stellen erst nach Anwendung von Reagenzien sicht- bar wird, an anderen auch ohne solche deutlich ist. Mit der Tätigkeit von Zellen hat die Entstehung dieser Struktur durch- aus nichts zu tun. Im Inneren des Bindegewebes selbst nehmen die Zellen an der Bildung der Fasern ebenfalls keinen direkten Anteil, die- selben entstehen vielmehr ausschliesslich in der Gallerte, die Zellen dienen nur zur Erzeugung dieser letzteren. Die Faser- struktur tritt in der Gallerte meist als ein indifferentes, sehr zartes Netz in die Erscheinung, welches erst in der Folge durch Zer- reissen der weniger beanspruchten Fäden zu glatten und un- verzweigten Fasern umgewandelt wird. Die Faserbildung er- folgt entweder direkt in der Gallerte oder in Lamellen, welche sich zuvor aus dieser abscheiden. Diese Lamellen (inter- stitielles Bindegewebe, Scheiden aller Art) sind vielleicht mit den Grenzmembranen nicht vollständig identisch, da es den Anschein hat, als wenn sie sich weniger lebhaft färbten wie diese, doch wird ein solches Verhalten möglicherweise nur durch die extreme Dünne und Feinheit der strukturlosen Häut- chen bedingt. An Stellen, an welchen gleich von Anfang an eine ausge- sprochene Spannung vorhanden ist (Sehnen), wird das netz- Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 381 förmige Stadium nicht durchgemacht, sondern es kommt so- gleich zur Bildung parallel verlaufender, unverzweigter Fasern. Die fertigen Bindegewebsfasern sind also in jedem Fall lediglich die Folge mechanischer auf die Gallerte oder die in ihr entstehenden Lamellen einwirkender Verhältnisse t). Da diese Verhältnisse die benachbarten Zellen in ähnlicher Weise beeinflussen, so kann es natürlich gelegentlich vorkommen, dass die zarten und schmiegsamen Ausläufer derselben die gleiche Verlaufsrichtung zeigen, wie die nächstliegenden Fasern, doch ist dies durchaus keine Conditio sine qua non, da die Zellen mit ihrem bewegungsfähigen Protoplasma ein weit selb- ständigeres und unabhängigeres Leben führen wie die Fasern. Dies wird besonders deutlich illustriert durch das Ver- halten der Zellen und Fasern zwischen den Nasenkapseln von Tritonembryonen, wo die ersteren ihre Längsrichtung von einer Kapsel zur anderen erstrecken, während die letzteren im rech- ten Winkel auf jene verlaufen. Bei ihrem ersten Auftreten sind die Fasern noch nicht collagen, sie sind auch zumeist noch nicht glatt und glänzend wie echte Bindegewebsfasern, man findet sie vielmehr noch körnig, nicht selten varicös. Erst später, wenn auch oft schon sehr zeitig, nehmen sie das vom fertigen Bindegewebe her bekannte Aussehen an. Nur die erste Bildung der Bindegewebsfasern hat zu Mei- nungsverschiedenheiten Veranlassung gegeben; dass dieselben, wenn sie erst vollkommen fertiggestellt sind, mit Zellen nir- gends mehr in unmittelbarem Zusammenhang stehen, darüber dürfte seit langer Zeit jeder Zweifel geschwunden sein. Trotz- dem aber stimmen die Untersucher darin überein, dass aus- ı) Herr Prof. Heiderich hat mir Präparate von einem Muein vorgelegt, in welchem sich durch Säurezusatz Strukturen gebildet hatten, welche denen des werdenden Bindegewebes ausserordentlich ähnlich waren; ohne jede Span- nung Netze mit rundlichen Maschen, bei der geringsten Zuwirkung lange von einander isolierte Fasern. w fe ID F. MERKEL, gebildete Bindegewebsfasern des Embryonalkörpers noch an Dicke, wohl auch an Länge, wachsen. (Vergl. Grönroos, 21.) Dies hat nichts Wunderbares, wenn man weiss, dass die Faserbildung überhaupt keine Funktion der Zellen, sondern der zwischen ihnen vorhandenen Gallerte ist. Erinnert man sich aber daran, dass im Bindegewebe erwachsener Tiere die Fasern des collagenen Gewebes zwar als unmessbar fein, aber als gleich dick isoliert werden können, so muss man sagen, dass in diesen beiden unleugbaren Tatsachen ein gewisser Widerspruch liegt. Den Schlüssel zur Lösung gibt die Be- trachtung der Grenzhäute. Wie diese ursprünglich amorphe Gebilde mit collagener Reaktion sind, so verhält es sich auch bei den in Rede stehenden „Fasern“. Sie sind eben keine eigentlichen Fasern, sondern Stränge eines an sich amorphen collagenen Gewebes, welches ebenso durch Assimilation von der umgebenden Gallerte her sich verdicken kann, wie man es bei manchen Grenzhäuten beobachtet. Der Vorgang des Wachstumes der collagenen Stränge wurde von manchen Seiten mit dem Wachstum der Kristalle verglichen; in der Tat be- steht ja auch eine oberflächliche Ähnlichkeit. Erst in der Folge organisieren sich diese Stränge in der Art, dass in ihnen bei wachsender Beanspruchung Fibrillen auftreten, welche durch die Reste der unveränderten Ursprungssubstanz zusammenge- halten werden. Man kennt diese letztere unter dem Namen der „Kittsubstanz“ (Schaffer, 62) und sie ist es, welche ihre ursprüngliche Beschaffenheit so wenig verändert, dass sie noch in Reagenzien löslich ist, welche die fester und derber ge- wordenen Fibrillen nicht angreifen. Diese werden nach Ent- fernung der Kittsubstanz sichtbar, während sie sich vorher optisch von ihr gar nicht oder nur sehr wenig unterscheiden. Das Primäre ist nach dem Gesagten nicht die Fibrille, son- dern die Kittsubstanz, so paradox dies vielleicht auch klingen mag. Betrachtungen über die Entwickelung des Bindegewebes. 383 Ebenso wie bei den Grenzmembranen kann auch beim fibrillären Bindegewebe die Entwickelung bald mehr, bald weniger weit fortschreiten, es kann auch die Beschaffenheit bald eine rein collagene bleiben, bald sich mehr oder weniger der des elastischen Gewebes nähern, was offenbar auf lokale Ein- flüsse zurückzuführen ist. Als Beispiel möge die Supra- choroioidea des Erwachsenen dienen. In ihrem Bau gleicht sie ganz den ersten Stadien des lamellösen Bindegewebes, in der chemischen Beschaffenheit ihrer Fasern nähert sie sich dem elastischen Gewebe. Auch die Grundmembranen des Ge- hörlabyrinthes und der Lungenalveolen gehört hierher. Ebenso wie bei den Grenzhäuten, so wäre es auch bei den Fasern un- richtig, wenn man einen scharfen Unterschied zwischen collagen und elastisch machen wollte, dies sind nur die beiden End- punkte einer Reihe, in welcher je nach Lokalität und Bedürf- nis des ausgebildeten Körpers Zwischenstufen vorkommen, welche jedoch sämtlich auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zurückgehen. Man wird deshalb auch gut tun, bei der Betrach- tung der Entwickelung dem Ausdruck „collagen“ und dem Nachweis der leimgebenden Beschaffenheit keine allzu grosse Bedeutung zuzuschreiben, sondern in erster Linie die morpho- logische Ausbildung zu betrachten. Das chemische Verhalten der einzelnen Bindegewebsarten erwirbt sich ihr Recht erst, wenn die Entwickelung abgelaufen oder doch mehr oder weniger weit fortgeschritten ist. 10. 11. 12. 13. 14. Benützte Literatur. Balabio,R., Contributo alla conoscenza della fina struttura delle Lympho. glandulae. Anatom. Anzeig. Bd. 33. 23. Aug. 1908. Nr. 6/7. . Baur, A., Die Entwicklung der Bindesubstanz. Inaug.-Diss. Tübingen. 1858. Biesiadecki, A., Haut, Haare und Nägel inStreckers Handbuch der Lehre von den Geweben. 1. Bd. Leipzig. 1871. S. 585 f. Bizzozero, Über die innere Grenzschicht der menschlichen serösen Häute. Centralb]. f. die medizin. Wissenschaften 1874. Nr. 14. Boll, F., Über den Bau der Tränendrüse. Arch. f. mier. Anat. Bd. 4. 1868. S. 146. —, Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der (Gewebe. Arch. f. microsc. Anatom. Bd. 8. 8. 28. 1872. Bonnet, R., Die Entwickelung der Membranae propriae oder Glashäute, sowie der Membranae limitantes. Mediz. Verein in Greifswald. 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Fig. 4 Tritonlarve, 10 mm, mit Flemmingscher Flüssigkeit fixiert. Bindegewebe zwischen Auge, Ohr und Hautoberfläche. In der Tiefe liegen die Zellen dichter, die zwischen ihnen befindliche Gallerte ist (mit Mallory) dunkler gefärbt. Struktur netzförmig. Nach der Hautoberfläche Zellen spar- samer, Gallerte heller, Faserverlauf im rechten Winkel zur Oberfläche. Ver- gröss. 450. Fig. 5. Tritonlarve, ca. 11 mm lang. Durchschnitt der Haut von der Scheitelgegend. Die ersten collagenen Fasern. Unter dem Oberflächenepithel eine dunkle Pigmentzelle. Vergr. 450. Fig. 6. Tritonlarve, ca. 15 mm lang. Bindegewebe zwischen den Knorpelkapseln der Riechorgane. Die platten Zellen sind zumeist im optischen Querschnitt zu sehen. Die Bindegewebsfasern verlaufen in nahezu rechtem Winkel zu denselben. g Gefässquerschnitt, k Knorpel. Vergr. 450. 3 Figurenerklärung. Fig. 7. Tritonlarve, 8 mm lang. Zelle und Fasernetz von der in Fig. 4 abgebildeten Stelle bei einer Vergr. von 1350. Fig. 8 Tritonlarve, 10 mm lang. Zelle von der gleichen Stelle wıe Fig. 7. Unter dem Kern zwei Dotterplättchen. Die ersten collagenen Fasern. Vergr. 1350. Fig. 9. Grössere Salamanderlarve, wie Fig. 3. Bauchfell. Zelle, deren Teilung fast beendet ist. Die Faserstrukturen im Protoplasma schliessen in jeder Tochterzelle bogenförmig ab, ohne dass sie durch die ebenfalls streifige schmale Brücke miteinander in Zusammenhang stehen. Vergr. 1350. Fig. 10. Tritonlarve, 85 mm lang. Längsschnitt einiger Muskelseg- mente (Musk.) bei ganz schwacher Vergrösserung. Die Myosepten (Myos.) gehen einerseits in die M. terminans, andererseits in das Bindegewebe nächst der Chorda dors. über. Fig. 11. Tritonlarve, 8,0 mm lang. Längsschnitt zweier Muskelseg- mente mit dazwischenliegendem Myoseptum. Links ist dasselbe noch amorph und mit Naphtolschwarz dunkelblau gefärbt. Nach rechts weichen die Enden der Muskelfasern immer weiter auseinander und das zwischen ihnen liegende Gewebe hat sich zu netzförmigen Fibrillen umgewandelt. G Gefässquerschnitt; neben ihm eine Zelle. Vergr. 450. Fig. 12. Triton, ca. 45 mm lang. Ausgebildete Sehne zwischen zwei Muskelsegmenten. Vergr. 450. Fig. 13. Menschlicher Fötus von 20 Wochen. Muskeln der A. umbili- calis im Querschnitt. Die Fasern sind in eine grössere Menge einer mit Picro- grenat collagen gefärbten, amorphen Masse eingebettet. Müllersche Flüssig- keit. Vergr. 1350. Fig. 14. Querschnitt glatter Muskelfasern aus dem Dünndarm der er- wachsenen Katze. Die zwischen den Faserquerschnitten befindliche Binde- substanz ist mit Picrogrenat rot gefärbt. Vergr. 1350. Fig. 15. Schweinsfötus, 90 mm. Scheitelsteisslänge. Unterschenkel- muskel, Querschnitt. G Gefässquerschnitt. Schwächere Vergr. Fig. 16. Erwachsener Mensch. Schultermuskel, Querschnitt. Müller- sche Flüssigkeit. Sarcolemm. Fig. 17. Erwachsener Hund. Herz, Querschnitt der Muskelfasern aus der Mitte der Wand des linken Ventrikels. Müllersche Flüssigkeit. Fig. 18. Ebenso von der Oberfläche, dicht unter dem Epicard. Die Muskelfasern besitzen ein mit Picrogrenat sich rot färbendes Sarcolemm. Fig. 19, Schweinsembryo, 30 mm. Scheitelsteisslänge. Querschnitt eines Nerven des Schwanzes. Vergr. 1350. Fig. 20. Menschlicher Fötus. Querschnitt eines Nervenästchens in einem Muskelseptum der Unterarmmuskulatur. Müllersche Flüssigkeit. In der aus lamellösem Bindegewebe bestehenden Scheide sind die Nervenfasern selbst in eine amorphe Masse eingelassen. * Eine Faser mit ausgebildeter Markscheide. Vergr. 1350. Figurenerklärung. 391 Fig. 21. Froschlaryve mit durchgebrochenen Hinterbeinen, Querschnitt eines Beinnerven. Müllersche Flüssigkeit. Schwächere Vergröss. Fig. 22. Katze, älterer Fötus. Querschnitt des N. laryngeus sup. Müllersche Flüssigkeit. Schwäch. Vergröss. Fig. 23. Katzenembryo 13 mm. Scheitel-Steisslänge. Zellnetz aus der Nabelschnur. Fig. 24. Schweinsfötus, 30 mm lang. Nabelschnur, Längsschnitt. Eine Zelle liegt in einem hellen, von Bindegewebsbündeln begrenzten Raum. In dem Raum die ersten Spuren der netzförmigen Faserbildung. Fig. 25. Schwein, älterer Fötus. Nabelschnur Längsschnitt. Müller- sche Flüssigkeit. Die Zellen sind mit fertigen Bindegewebsfasern umwickelt. Schwächere Vergröss. Fig. 26. Aus der Nabelschnur eines neugeborenen Menschen. Golo- winskische Streifen. Müllersche Flüssigkeit. Vergr. 1350. Fig. 27. Zellen aus der Nabelschnur eines Schweinsfötus von 60 mm Länge. Golowinskische Streifen. Vergr. 1350. Fig. 28. Schweinsfötus, 60 mm lang. Amnion. Zellnetz und Bindege- websfasern. Fig. 29. Schweinsembryo, 17” mm lang. Bindegewebsbildung in einer Falte der Eihäute. Fig. 30. Schweinsembryo, 30 mm lang. Zellen aus dem Corium des distalen Teiles eines Beines. Vergr. 1350. Fig. 31. Schweinsembryo, 30 mm lang. Proximaler Teil einer Extremi- tät. Zellen aus der unterhalb des Coriums gelegenen Schichte. Vergr. 1350. Fig. 32. Katzenembryo aus dem Entwickelungsstadium, in welchem an den vorderen Extremitäten die Fingerstrahlen schon sichtbar sind, an den hinteren noch nicht. Zelle aus der Bauchwand mit Golowinskischen Streifen, umgeben vom Anfangsnetz der Bindegewebsfasern. Vergr. 1350. Fig. 33. Zelle aus der Eihaut eines Schweinsfötus von 60 mm Länge In der Umgebung Bindegewebsfasern, welche noch netzförmig zusammen- hängen. Vergr. 1350. Fig. 34. Schweinsfötus von 90 mm Länge. Flache Zelle aus der An- lage der Hirnhäute. Varicöse Bindegewebsfasern. Vergr. 1350, Fig. 35. Schweinsembryo von 30 mm Länge. Bindegewebslamelle aus dem Bein, Schiefschnitt. Eine Zelle hat sich in der Art verschoben, dass die unterliegende strukturlose Lamelle zum Vorschein kommt. In derselben Faser- netze, die ersten Spuren des fibrillären Bindegewebes. Vergr. 1350. Fig. 36. Schwein, älterer Fötus. Unteres Ende der Epithelkappe einer Zahnpapille. Die sog. Membrana praeformativa geht auf die Aussenseite des Schmelzorgans über, wo sie allmählich undeutlich wird. Fixation unbekannt. (Präparat von Herrn Dr. von Korff.) Schwache Vergr. 392 Figurenerklärung. Fig. 37. Schweinsembryo 30 mm Länge. Schwanzsehne. Querschnitt, Die Zellen liegen in einer amorphen Substanz, welche sich mit den Färbe- mitteln für Collagen färbt. Ob die Spalten in derselben bei der Fixierung entstanden oder präformiert sind, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden- Vergr. 1350. Fig. 38. Schweinsembryo von 60 mm Länge. Schwanzsehne. Quer- schnitt. In der amorphen Substanz -haben sich Fasern differenziert, deren Querschnitte sich besonders dunkel färben. Vergr. 1350. Fig. 39. Junger Hund. Schnitt durch das Reticulum einer Lymph- drüse. Zellen und netzförmig verbundene Fasern, mit Mallory dunkelblau ge- färbt. Trichloressigsäure. Vergr. 1350. ÜBER DIE ENTWICKELUNG DES V. AURTENBOGEND UND DER V. SCHLUND- TASCHE BEIM MENSCHEN, VON JULIUS TANDLER, WIEN. Mit 1 Textfigur und 10 Figuren auf Tafel 30/34. u en den INH In einem am 4. Dezember 1906 in der morphologisch- physiologischen Gesellschaft in Wien gehaltenen Vortrage „Der fünfte Aortenbogen des Menschen“ habe ich die Resultate meiner Untersuchungen über das Verhalten des V. Aorten- bogens an menschlichen Embryonen mitgeteilt und dargetan, dass dieser Aortenbogen an Embryonalstadien zwischen 6,5 und 9 mm grösster Länge konstant auffindbar. ist. Die unmittelbare Veranlassung für diesen Vortrag bildete ein kurze Zeit vorher im „Anatomischen Anzeiger“ erschienener Aufsatz von Fr. T. Lewis, in welchem der Autor sich über das Vorkommen eines V. Aortenbogens folgendermassen äussert: „Le interpretation of the postbranchial body in mammals as a fifth pouch and of the irregular vessels in front of it as a fifth arch are morphological speculations of much interest. .... 5 Da ich seinerzeit über den V. Aortenbogen des Menschen berichtet und in der Zwischenzeit von dem Erscheinen meiner eigenen Arbeit bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Auf- satzes von Lewis den Gegenstand an einer Zahl von mensch- lichen Embryonen untersucht hatte, so glaubte ich mich be- müssigt, meine Resultate um so mehr zu veröffentlichen, als sie meine seinerzeitigen Untersuchungen vollinhaltlich bestätigten. Die vorliegende Arbeit enthält nun die in meinem Vortrage vor- gebrachten Beobachtungen erweitert und ergänzt, wobei nicht nur das Verhalten des V. Aortenbogens, sondern auch das 396 J. TANDLER, der V. Schlundtasche berücksichtigt werden soll. Die seit meinem Vortrage erschienenen Arbeiten sollen zusammen mit den schon seinerzeit von mir angezogenen am Ende dieses Auf- satzes Berücksichtigung finden. Die von mir für die Untersuchung verwendeten Embryonen sind aus der folgenden Tabelle ersichtlich. 1. Embryo hum. Hal; er. L. 5,2 mm /KeibeliN.2 77216. 2 n 5, re OHR a n 277. 3 4 „. Hal En GE A 2 2% EEE sy He NEN. s n : 29. by 5 JUDE CAT. B A Teen alle 6 ; WIEN RR 8 s E + 30. 7, N le De 8 5 x ; 30. 8 5 „. 'stbg; ge 8 f . 5 30. 9. = Ma = 0 DALE: 8 R . 2 34* 10. i alle BE y 2 2 2 Bar ale . REDE LH SAREN ) N 3 3 338 12. 3 en. ars 92 u; z . 39*. 13. R = :BaR, Be Ian a a 42*, Die mit * bezeichneten Embryonen sind in der Keibelschen Normen- tafel enthalten, Von diesen Embryonen gehört der Embryo III dem Herrn Prof. H. Rabl, welcher mir dieses Objekt schon seinerzeit über- lassen hatte, Embryo I Herrn Hofrat Toldt, Embryo Stbg- Herrn Prof. Sternberg. Es sei mir gestattet, diesen Herrn meinen besten Dank für die freundliche Überlassung des Materiales auszusprechen. I. Stadienbeschreibung. 1. Embryo hum. Hal, (Tafel 30, Figg. 1 u.:2). Dieser Embryo hat eine grösste Länge von 5,2 mm. Sein Photogramm entspricht beiläufig der Fig. 9 der Keibelschen Normentafel. Die Durchsicht der Serie ergibt, dass der Embryo _Anatom. Hette. I_ Abteilung. 15. Heft (38.Bd.H 2) Tafel 30. Köl. Univers--Druckerei v. H.Stürtz, Würzburd. 5 5 Verlag von J.F. Bergmann Wiesbaden. -Inatom. Hefte. I. Abteilung: 115. Heft (38.Ba.H.2) Tafel 31. FB. 3% Kpl. Univers-Druckerei v. H.Stürtz, Würzburg. Verlag von J.F. Bergmann, Wiesbaden. 3 Y ER: D -dnatom. Hefte. I. Abteilung; 115. Heft (38.Ba.H.2) Tafel 32. Fig. 3. Kol. Univers.-Druckerei v. H.Stürtz, Würzburg. Verlag von J.F. Bergmann, Wiesbaden. Über die Entwickelung des V: Aortenbogens ete. 391 bezüglich seiner Organentwickelung so sehr dem Stadium 16 der Keibelschen Normentafel (N. T.) gleicht, dass von einer weiteren Beschreibung dieses Embryo abgesehen werden kann. Um das Verhalten des Pharynx genau feststellen zu können, wurde ein Platten-Modell desselben bei 200facher Vergrösserung angefertigt. Zur Darstellung kam dabei das Epithelrohr des Pharynx, und, um seine Beziehungen zum Eetoderm festzu- stellen, auf einer Seite auch dieses. Bemerkt sei gleich hier, dass auch bei allen folgenden Modellen der äussere Kontur des Pharynxepithels als Aussen- fläche des Pharynx modelliert wurde. Die III. Schlundtasche hat, wie die Besichtigung des Modells von der Seite lehrt (vgl. Fig. 1), ein gut entwickeltes dorsales Divertikel, welches durch eine tiefe Furche von der lateralen Pharynxwand geschieden ist. Der ventrale Anteil dieser Schlundtasche ist gross und geräumig. Vom dorsalen Ende der III. Schlundtasche zieht eine ziemlich scharfe Kante lateralwärts über die Schlundtasche hinweg zum ventralen Ende derselben. Längs der ganzen Kante berühren sich Ecto- und Entoderm. In der Figur ist die Berührungsfläche durch eine punktierte Linie angegeben. Die dorsale Wand der caudal von der III. Schlundtasche gelegenen Pharynxausstülpung geht all- mählich abfallend aus dem Pharynx hervor, so dass in diesem Stadium kein dorsales Divertikel der IV. Schlundtasche nachweisbar ist. Die orale und die aborale Wand dieser Tasche hingegen erheben sich ganz plötzlich aus dem Niveau der seit- lichen Schlundwand, während die ventrale Wand der Schlund- tasche rinnenförmig gegen den Pharynx abgesetzt ist, wie dies bei der Betrachtung des Modells von unten her (vgl. Fig. 2) zu sehen ist. Die laterale Wand der ganzen Pharynxausstülpung ist beiläufig dreieckig, trägt eine dorsale abgerundete Spitze, eine ebenso beschaffene oral-ventrale und eine aboral-ventrale, von welchen die erstere weiter medial liegt als letztere. Die ‚398 J. TANDLER, Seitenwand der ganzen Ausstülpung ist daher schief von hinten aussen unten nach vorne innen oben gerichtet. Ausschliesslich der dorsale Anteil dieser Wand ist mit dem Ectoderm in Contact. Das betreffende Feld ist in Fig. 1 durch eine punktierte Linie umrandet. Unmittelbar ventral von dieser Berührungsstelle zwischen Ento- und Eetoderm beginnt eine anfangs seichte, ventralwärts immer tiefer werdende Furche, welche an die ventrale Seite der Schlundtasche reicht und so die ganze Tasche in zwei Teile zerlegt, in einen kleineren vorderen, ventralen Anteil, IV. Schlund- tasche und in einen grösseren hinteren dorsalen Abschnitt, V. Schlundtasche. Besichtigt man das Modell von unten her (vgl. Fig. 2), so zeigt sich zunächst der stark entwickelte ventrale Anteil der Ill. Schlundtasche, dahinter, durch eine tiefe Einkerbung getrennt, eine mächtige Ausstülpung des Pharynx, welche durch eine deutlich sichtbare Furche in einen vorderen (IV. Schlund- tasche) und in einen hinteren Abschnitt (V. Schlundtasche) ge- schieden ist. Im ganzen handelt es sich also hier um eine am Quer- schnitt unregelmässig dreieckige Ausstülpung der seitlichen Pharynxwand, welche sich nach ganz kurzem Verlauf ventral- wärts in zwei Divertikel, in die IV. und in die V. Schlundtasche, teilt. Caudal von der IV. äusseren Kiemenfurche, welche, wie erwähnt, noch mit dem Entoderm der 1V. Schlundtasche in Berührung steht, befindet sich eine kurze seichte Furche, welche als V. Kiemenfurche zu bezeichnen ist. Dafür spricht Lage und Richtung der Furche. Der hier in Betracht kommende Anteil des Aortenbogen systems zeigt folgendes Verhalten: Der IV. Aortenbogen ist stark entwickelt. Der VI. Aortenbogen ist schwächer und zieht, lateral- wärts von der V. Schlundtasche überragt, dorsalwärts. Zwischen den Ursprungsstellen des IV. und des VI. Aortenbogens ent- Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 399 steht aus der Aorta ventralis ein feines Gefäss, welches sich ein Stück weit dorsalwärts verfolgen lässt und dabei in die „wischen IV. und V. Schlundtasche gelegene Rinne zu liegen kommt. Die Einmündungsstelle des Gefässes in die Aorta dor- salis, respektive in den VI. Aortenbogen ist nicht nachweisbar. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass es sich hier um die Anlage des V. Aortenbogens handelt. 2. Embryo humanus H,. Der Embryo hat eine Länge von 6,5 mm und wurde in die Normentafel zur Entwickelungsgeschichte des Menschen von Keibel aufgenommen. Er trägt dort die Nummer 27. Soweit ‚dies bei der Durchsicht der Serie konstatierbar ist, lässt sich auch bei diesem Objekte zeigen, dass die IV. und die V. Schlundtasche voneinander durch eine Furche geschieden sind. Der Fortschritt in der Entwickelung der letzteren ist darin ge- legen, dass sie sich caudalwärts weiter vertieft hat. Der IV. und der VI. Aortenbogen sind gut entwickelt. Auf der linken Seite des Embryo ist das Abgangsstück des V. Aorten- bogens aus der Aorta ventralis deutlich nachweisbar. Von hier an sieht man beim Verfolgen der Serie die Querschnitte dieses Gefässes. Allerdings gelingt es nicht immer, diese Lumina einwandfrei zur Deckung zu bringen. Viel besser verfolgbar ist das dorsale Endstück des V. Aorten- bogens. Er mündet in den VI. Aortenbogen unmittelbar bevor sich dieser selbst mit der Aorta dorsalis vereinigt. Dass das eben beschriebene Gefäss tatsächlich den V. Aortenbogen dar- stellt, geht aus der Lage des Gefässes zur Schlundwand und aus der Lage seiner Ursprungs- respektive Mündungsstelle hervor. Ähnlich wie auf der linken Seite liegen die Gefässverhältnisse auch rechts. 400 J. TANDLER, 3. Embryo hum. Hal.. Der Embryo hat eine grösste Länge von 6,7 mm. Bezüglich seiner Entwickelungshöhe entspricht er vollständig dem Stadium 27 der Keibelschen N. T. Sowohl rechts als auch links lassen sich Stücke des V. Aortenbogens nachweisen. Ventrales Ursprungs- und dorsales Mündungs-Stück sind deutlich sichtbar. Der Embryo gleicht bezüglich des Verhaltens der Schlund- taschen so sehr dem eben beschriebenen Embryo H,, dass von einer weiteren Beschreibung abgesehen werden kann. 4. Embryo hun. H, (Tafel 31, Figg. 3 und 4). Der Embryo ist ” mm lang und entspricht beiläufig dem Stadium 29 der Keibelschen N. T. Vom unteren Pharynxanteil und dem entsprechenden Ab- schnitte des Aortenbogensystemes wurde ein Plattenmodell bei 200facher Vergrösserung angefertigt. Die Besichtigung des Modells von links aussen (vgl. Taf. 31, Figur 3) ergibt folgenden Befund: Unterhalb des schwach Sförmig gebogenen IV. Aortenbogens springt die seitliche Pharynxwand stark vor und bildet zunächst die IV. Schlund- tasche. Diese trägt nur eine leichte Andeutung einer dorsalen Aus- stülpung (8. T. IV. d.), während die ventrale gut ausgebildet ist. Die beiden Enden der Schlundtasche sind durch einen lateralwärts gerichteten Grat untereinander verbunden. An diesem berühren sich Ento- und Ectoderm. Caudal von dieser Stelle befindet sich eine dorsal seicht beginnende Rinne, welche ventralwärts immer tiefer einschneidet und in welcher der V. Aortenbogen verläuft. Die ganze caudal von der Rinne gelegene Ausbuchtung des Pharynx ist die V. Schlundtasche. Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 401 Dieselbe ist nach innen unten und vorne gerichtet. Bei der Besichtigung des Modells von hinten oder von vorne (vergl. Taf. 31, Fig. 4) wird ihre Form und ihr Verhältnis zur IV. Schlund- tasche klar. Der Vergleich der beiden Figuren 2 und 4 zeigt den Fort- schritt in der Entwickelung der V. Schlundtasche ganz sinn- fällig. Caudal von der überhängenden V. Schlundtasche weicht der scharfe Seitenrand des Pharynx ganz unvermittelt medial- wärts ab und geht in den des Ösophagus über. Caudal und medial von der V. Schlundtasche zieht der VI. Aortenbogen vorbei. Der V. Aortenbogen entspringt aus der ventralen Aorta, wendet sich zunächst nach abwärts und aus- wärts, gelangt in die Rinne zwischen IV. und V. Schlundtasche, entlang welcher er nach hinten und aussen verläuft. Unmittelbar dorsal vom hinteren Ende der Schlundtasche mündet er in den VI. Aortenbogen, knapp bevor dieser selbst in die Aorta dor- salis übergeht. Linkerseits ist der V. Aortenbogen seiner ganzen Länge nach als ein gut entwickeltes Gefäss verfolgbar. Auf der rechten Seite ist seine Abgangsstelle aus der Aorta ventralis nicht deutlich nachweisbar, während das anschliessende Stück bis gegen den vorderen Rand der Schlundtasche sichtbar ist. Hier ist dann der Bogen entweder wirklich unterbrochen oder so stark kontrahiert, dass er nicht auffindbar ist. Beiläufig in der Mitte der Furche zwischen der IV. und V. Schlundtasche erscheint er wieder und lässt sich von da an bis zu seiner Mündung in den VI. Aortenbogen verfolgen. Diese ist ver- schieden von der der linken Seite. Der VI. Aortenbogen trägt nämlich an der Mündungsstelle des V. Bogens eine Ausweitung, in welche dieser gabelartig ge- spalten mündet. Es kommt demnach hier zur Bildung einer kleinen Arterien- insel, ähnlich wie ich solche an anderer Stelle als des öfteren Anatomische Hefte, I Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 26 402 J. TANDLER, vorkommend beschrieben habe. Das Verhalten der Mündung illustriert die beigegebene Textfigur Nr. 1. Von der eben erwähnten Erweiterung des VI. Bogens erhebt sich ein kurzer blindendenderGefässspross, vielleicht als Rest einer eben verschwundenen Inselbildung zwischen dem IV. und dem VI. Aortenbogen. Die beiden VI. Bogen, die mit einem ganz kurzen Truncus pulmonalis entspringen, ziehen zunächst caudal-, später eranio- Textfigur 1. dorsalwärts und kommen medial von der V. Schlundtasche zu liegen. Gerade am Scheitel der caudalwärts gerichteten Krüm- mung entlässt jeder Bogen die Arteria pulmonalis. An der Ursprungsstelle derselben kommt es wieder und zwar auf beiden Seiten zu mehrfachen Inselbildungen. 5. Embryo hum. III (Rab|). Der Embryo ist ca. 7 mm lang und entspricht beiläufig dem Stadium 28 der Keibelschen N. T. Er wurde schon seinerzeit in der Arbeit über die Ent- wickelungsgeschichte der Kopfarterien bei den Mammalia von Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 403 mir verwendet, bei ihm wurde ein typischer V. Aortenbogen gefunden. Ich möchte deshalb nur ganz kurz die damals er- hobenen Befunde hier anführen. Dort heisst es: „Die IV. Schlundtasche ist caudalwärts aus- gezogen und reicht bis an die laterale Seite des VI. Aorten- bogens.“ Es ist wohl klar, dass das caudalwärts ausgezogene Stück die V.Schlundtasche darstellt. „Auf der linken Seite entlässt der VI. Bogen knapp vor seinem dorsalen Ende eine schwache Arterie, die in lateral convexer Krümmung nach vorne zieht und in die Aorta mündet. Es ist dies der V. Aorten- bogen.“ Die hier massgebenden Verhältnisse wurden in einer Profil- rekonstruktion in Fig. 18, Taf. V der zitierten Abhandlungen wiedergegeben. 6. Embryo hum. Wal. (Taf. 32, Figg. 5 und 6). Der Embryo hat eine grösste Länge von 8 mm und ent- spricht dem Stadium 30 der Keibelschen N. T. Von diesem Embryo wurde bei 100facher Vergrösserung ein Plattenmodell der unteren Schlundregion und der Aorten- bogen angefertigt. Im Modell (vergl. Fig. 5\ wurde der caudale Anteil der III. Schlundtasche, welcher den IV. Aortenbogen verdeckt, weg- geschnitten, um diesen selbst zur Ansicht zu bringen. Caudal von der III. Schlundtasche läuft der vordere Rand des Pharynx schief nach vorn, um so allmählich in die IV. Schlund- tasche überzugehen, während sich der Übergang in diese Tasche lateral und dorsal ganz unvermittelt vollzieht. Die IV.Schlund. tasche ist mit ihrem Längsdurchmesser dorsoventral gestellt und besitzt eine kleine dorsale und eine gut ausgebildete ventrale Aus- buchtung, welche lateralwärts durch einen Grat untereinander ver- bunden sind. Der dorsale Anteil desselben enthält die Berührungs- 26* 404 J. TANDLER, stelle zwischen Ento- und Eetoderm. Der im früheren Stadium noch weite Zugang zur IV. undV. Schlundtasche ist relativeng geworden. An seinem äusseren unteren Umfange entspringt die V. Schlund- tasche, lateral, ventral und dorsal durch eine verhältnismässig tiefe Furche gegen die IV. Schlundtasche abgesetzt. Sie stellt ein plattes, lang ausgezogenes bläschenartiges Gebilde dar. Verfolgt man die Schnitte der Serie, um sich über den Aufbau der Pharynxwand zu unterrichten, so ergibt sich folgendes: Unmittelbar nach dem Abgang der III. Schlundtasche zeigen die nach vorne gerichteten Pharynxhörner ein zweizeiliges Epithel, welches sich von der epithelialen Begrenzung der vorderen Pharynxwand nicht unterscheidet, nur die dorsale Wand besitzt ein einzeiliges Epithel. | Sobald sich die Pharynxhörner zur IV. Schlundtasche ventral- wärts zu verlängern beginnen, wird das Epithel höher, mehr- schichtig. Diese Dickenzunahme beschränkt sich zunächst auf die laterale Wand der Tasche und auf die ventrale Spitze, wo die Zellproliferation ihr Maximum erreicht, Thymusanlage der IV. Schlundtasche. Einige Schnitte caudalwärts zeigt auch das dorsale Ende der IV. Schlundtasche eine bedeutende Epithelverdickung, welche die Anlage des Epithelkörper- chens der IV. Schlundtasche darstellt und sich durch ihren ganz unvermittelt eintretenden Übergang in das niedrige Epithel der dorsalen Schlundwand charakterisiert. Etwas ventral von der Stelle der Verdickung berühren Ento- und Ectoderm einander. Schon nach wenigen Schnitten trennen sich die beiden Keimblätter voneinander. In dem hier befindlichen Mesoderm verläuft der V. Aorten- bogen. Am Modell entspricht dieser Stelle die Furche für den V. Bogen. Nach einigen Schnitten hört die Kommunikation der Schlundtasche mit dem Pharynxlumen auf. Die nun all- Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 405 seitig von Mesoderm umgebene V. Schlundtasche stellt eine längliche Epithelblase dar, deren Längsdurchmesser schief von hinten aussen nach vorne innen verläuft. An ihr lässt sich eine dicke ventrolaterale und eine dünnere dorsomediale Wand unterscheiden. In beiden Epithelwänden sind Kernteilungsfiguren nach weisbar. Die Aortenbogen zeigen folgendes Verhalten: Der starke IV. Aortenbogen verläuft von seiner Ursprungs- stelle zuerst caudalwärts, dann zwischen III. und IV. Schlund- tasche dorsalwärts zur Aorta dorsalis. Unmittelbar caudal von der Ursprungsstelle des IV. Aorten- bogens geht zu beiden Seiten je ein schwacher V. Aorten- bogen ab. Der linke ist seiner ganzen Länge nach einwand- frei verfolgbar (vergl. Taf. 32, Figur 5). Er zieht zunächst caudalwärts an den unteren Rand der IV. Schlundtasche, gelangt hierauf in die Furche zwischen IV. und V. Schlundtasche, in welcher er dorsalwärts zieht und mündet in den VI. Aortenbogen, kurz vor dessen Vereinigung mit der Aorta dorsalis. Auf der rechten Seite des Embryo ist das Ursprungsstück des V. Aortenbogens und das dorsale Endstück vorhanden, das Mittelstück ist nicht einwandfrei nachweisbar. Der Truncus pulmonalis entlässt die beiden VI. Aorten- bogen, welche Sförmig geschlungen dorsalwärts ziehen. Die proximale, caudalwärts gerichtete Krümmung wird lateralwärts von dem überhängenden Teile der V. Schlundtasche überlagert. Auf der linken Seite trägt der VI. Bogen ein zapfenartiges Divertikel. Knapp unterhalb der Abgangsstelle des N. lJaryngeus superior vom Ganglion nodosum entsteht ein feiner Nervenfaden, welcher sich ventral- und medialwärts wendet. Er zieht dorsal von der Berührungsstelle der IV. Schlundtasche und des Entoderms vor- 406 J. TANDLER, über und kommt neben den V. Aortenbogen zu liegen. Mit diesem gelangt er, in der Furche zwischen IV. und V. Schlund- tasche dem Entoderm eng angelagert verlaufend, nach vorn und verschwindet hier. Aus später noch anzuführenden Gründen möge dieser Nerv alsN. posttrematicus der IV.Schlund- tasche bezeichnet werden. Figur 6 auf Tafel 32 gibt ein Bild von diesem Nerven. Er ist am Schnitt zusammen mit dem Querschnitt des V. Aortenbogens auf der linken Seite des Eın- bryo getroffen. 7. Embryo huml. Der Embryo ist 8 mm Jaug und entspricht nach dem Ent- wickelungsgrad seiner Organe dem Stadium 30 der Keibel- schen NT. Sowohl bezüglich der Form als auch bezüglich der Epithel- verhältnisse der einzelnen Wände sind IV. und V. Schlund- tasche dieses Embryo so ähnlich denen des eben angeführten Embryo Wal., dass von einer genaueren Beschreibung abgesehen werden kann. Der V. Aortenbogen, nach Ursprung, Mün- dung und Verlauf typisch, ist auf der rechten Seite des Embryo vollkommen ausgebildet, auf der linken in seinem mittleren Anteil nicht deutlich nachweisbar. Rechts ist beim Verfolgen der Serie ein gut entwickelter N. posttrematicus der IV. Schlundtasche sichtbar, dessen Verlauf sich mit dem bei Embryo Wal. beschriebenen deckt. 8. Embryo hum. Stbg. Der Embryo hat eine grösste Länge von 8 mm und entspricht beiläufig dem Stadium 30 der Keibelschen N. T. Bezüglich der Form der V. Schlundtasche gleicht der Embryo fast vollkommen dem Embryo Wal. Es ist daher eine Be- schreibung dieser Verhältnisse überflüssig. Über die Entwickelung des V. Aortenbogens ete. 407 Die hier in Betracht kommenden Gefässe verhalten sich folgendermassen: Rechterseits ist das dorsale Endstück des V. Aortenbogens deutlich nachweisbar. Er vereinigt sich an der typischen Stelle mit dem VI. Aortenbogen und ist ventralwärts in der Rinne zwischen IV. und V. Schlundtasche zu sehen. Linkerseits verhält sich das Gefäss ähnlich, nur ist es weiter ventralwärts zu verfolgen. Auch der Ursprung des V. Bogens aus der Aorta proximal von dem des IV. Bogens ist deutlich. Zwischen dem dorsalen und dem ventralen Anteil des Bogens sind bei der Durchsicht der Serie dem Verlauf des V. Aorten- bogens entsprechende Gefässlumina sichtbar, doch lassen sie sich nicht vollkommen zur Deckung bringen, so dass dieses Zwischen- stück nicht zweifellos nachweisbar ist. 9. Embryo hum. Hi. Nach der Entwickelungshöhe der einzelnen Organe gleicht dieser Embryo von 8 mm grösster Länge dem Stadium 34 der Keibelschen N. T. Die IV. und die V. Schlundtasche verhalten sich so wie die des Embryo Wal. Der Fortschritt in der Entwickelung derselben besteht vielleicht darin, dass die der Anlage der Thymus und des Epithelkörperchens entsprechenden eircumscripten Epithelverdieckungen an Höhe und an Ausdeh- nung zugenommen haben. Vom V. Aortenbogen ist rechterseits das dorsale Endstück eine Strecke weit sichtbar. Das Gefäss zeigt die typische Be- ziehung zur V. Schlundtasche. Links ist nur die dorsale Ein- mündungsstelle des V. Aortenbogens nachweisbar. 10. Embryo hum La. (Taf. 33, Figg. 7 u. 8). Der Embryo, dessen V. Aortenbogen schon seinerzeit von mir beschrieben wurde, hat eine grösste Länge von 9 mm; und 408 J. TANDLER, wurde in die Keibelschen N. T. als Stadium 37 aufgenommen- Die seinerzeit gegebene Beschreibung sei zunächst hier ange- führt: „Vor der Mündung empfängt der linke Pulmonalisbogen den fünften Aortenbogen. Dieser entsteht aus der Aorta, un- mittelbar bevor diese den vierten Bogen abgibt, biegt scharf nach aussen und wendet sich hierauf dorsalwärts. Er nähert sich hierbei dem sechsten Bogen, mit dem er vor seiner Mün- dung ein Stück weit fast parallel verläuft. Zwischen dem fünften und sechsten Aortenbogen ist am Modell von aussen her ein Stück der vierten Schlundtasche deutlich sichtbar. Am Schnitt liegt das Lumen dieses Stückes zwischen den beiden Bogen.“ Modell und Schnitt sind in der angeführten Arbeit wiedergegeben. Während bezüglich des V. Aortenbogens dem hier Angeführten kaum etwas hinzuzufügen ist, bedarf das Ver- halten der Schlundtaschen, auf welches ich seinerzeit nicht ein- gegangen bin, einer genaueren Beschreibung. Zu diesem Zwecke wurde zu dem schon vorhandenen in 100facher Vergrösserung ausgeführten Modell ein Detailmodell der hier in Betracht kommenden Region in 200facher Vergrösserung angefertigt. Dieses Modell ist in Figur 7 von der linken Seite, in Figur 8 von unten her gesehen, wiedergegeben. Caudal von der weit vorge- triebenen III. Schlundtasche ist die seitliche Pharynxwand tief eingesunken. Die dahinter gelegene Ausstülpung der seitlichen Schlundwand hat einen dorsalwärts gerichteten transversal ver- laufenden Grat, der mit einer nach hinten oben gerichteten, bereits der IV. Schlundtasche angehörigen Prominenz endet. Dies ist die Bildungsstelle des Epithelkörperchens. Von dieser Stelle zieht eine schmale Erhebung als laterales Ende der IV. Schlundtasche ventralwärts und endet als stumpfe Aus- sackung, Anlage der Thymus. Nach hinten ist die ganze Region durch eine Furche abgegrenzt. All das, was ventral und caudal von dieser Furche liegt, ist V. Schlundtasche. Diese ist, wie die Seitenansicht des Modells lehrt, lang ausgezogen. Anatom. Hefte. I,_ Abteilung. 15. Het (38.Bä.H.2) Tafel 33. Fis.T. STE. | AJ. | | | AM STI ALT | STDU, AL. al Köl. Univers-Druckerei v..H.Stürtz, Würzburd 3 o Tafel 34 Heft (38.Ba.H.2) D. B Anatom. Hefte. I. Abteilung H 7 67] ILS YBS PHILS AM LS PULS r u] ‘6 Sr r\ Verla von J.F. Berömanı = > ' 5 Re {a} = E m 7} [ah © En E [=] © F Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 409 Bei der Besichtigung des Modells von unten sieht man, dass die Basis des beiden Schlundtaschen gemeinsamen Wurzelstückes relativ breit ist. Ferner zeigt sich die Grenzfurche zwischen den beiden Schlundtaschen, und schliesslich wird auch deutlich, um wieviel die mit einer medialwärts gerichteten Spitze versehene V. Sehlundtasche weiter caudalwärts reicht. Das Verhalten des V. Aortenbogens zu den beiden Schlundtaschen ist in beiden Ansichten klar ausgedrückt. Die Durchsicht der Serie lehrt, dass die dem Epithelkörperchen respektive der Thymus ent- sprechenden Epithelverdickungen an Grösse und Abgrenzbarkeit zugenommen haben. 11. Embryo hum, D.L. Der Embryo hat eine grösste Länge von 9 mm und ist in die Keibelsche N. T. als Stadium 33 aufgenommen. Auch bei diesem Embryo wurde von der in Betracht kommenden Region ein Modell in 200facher Vergrösserung hergestellt. An demselben sind fast genau dieselben Befunde erhebbar, wie an dem Modell des Embryo La, so dass eine Beschreibung überflüssig erscheint. Vom V. Aortenbogen ist nur auf der rechten Seite des Embryo das dorsale Endstück sichtbar. Es reicht ventralwärts bis in die Grenzfurche zwischen IV. und V. Schlundtasche. In dem Mesodermlager ventral von der V. Schlundtasche erscheint, wie die Durchsicht der Serie lehrt, ein zarter Nerv, N. posttrema- ticus der IV. Schlundtasche, der bei der Verfolgung gegen seinen Ursprung lateral von der V. Schlundtasche sichtbar wird und nachbarliche Beziehung zu dem Rudiment des V. Aorten- bogens gewinnt. Er vereinigt sich dorsocranial von der IV. Schlundtasche mit dem N. laryngeus superior knapp vor dessen Ursprung aus dem N. vagus. Der N. laryngeus superior zeigt ein ganz typisches Verhalten zur III. Schlund- tasche. 410 J. TANDLER, 12. Embryo hum. H.. Der Embryo hat eine grösste Länge von 9,2 mm und ent- spricht dem Stadium 39 der Keibelschen N. T. Der Embryo zeigt bezüglich der hier in Frage kommenden Abschnitte gegenüber den beiden zuletzt beschriebenen Stadien nur graduelle Unterschiede. Die Anlagen des Epithelkörper- chens und der Thymus entprechend dem dorsalen beziehungs- weise ventralen Ende der IV. Schlundtasche sind gewachsen, ohne dass es schon zu einer specifischen Differenzierung ge- kommen wäre. Die V. Schlundtasche hat sich stark vertieft und reicht dementsprechend noch weiter caudalwärts als früher. An der für den Verlauf des V. Aortenbogens be. stimmten Stelle sieht man beim Verfolgen der Serie Querschnitte von Gefässen, die sich nur ganz kurze Strecken weit verfolgen lassen. Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass es sich um Reste des in Rückbildung begriffenen V. Aortenbogens handelt. 15. Embryo hum. B.R. (Taf. 34, Figg. 9 u. 10.) Der Embryo hat eine grösste Länge von 9,5 mm, ist 38 Tage alt und ist als Stadium 42 in die Keibelschen N. T. aufgenom- men. Über seine Altersbestimmung und seine Entwickelungsstufe vgl. auch Anat. Anz. Band 31, 1907. Der Pharynx und die Aorten- bogen dieses Embryo wurden in 100facher Vergrösserung modelliert. Fig. 9 gibt dieses Modell von vorne gesehen wieder Um ganz sicher zu sein, wurden die beiden IV. Schlundtaschen an einem Detailmodell in 200facher Vergrösserung dargestellt und in Fig. 10 abgebildet. Die III. Schlundtasche hängt gerade noch durch eine schmale Brücke mit dem Pharynx zusammen. Sie ist in ihrem ventralen Anteil lange ausgezogen und medial- wärts gerichtet. Ihr schmales laterodorsales Ende berührt noch das Eectoderm. Auch der Stiel der IV. und der V. Schlund- Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 411 tasche, durch welchen der am Querschnitt halbmondförmige Pharynx mit diesen Taschen zusammenhängt, ist bereits sehr dünn geworden. Die IV. Schlundtasche hat ein gut entwickeltes dorsales Divertikel, während ihr ventrales Ende nicht nur nicht weitergewachsen, sondern eher kleiner geworden ist. Die V. Schlundtasche ist ventralwärts und medialwärts ge- richtet. Knapp unterhalb des Abganges des rechten IV. Aorten- bogens entsteht aus dem Truneus aorticus der V. Aorten bogen der rechten Seite als ein dünnes Gefäss, welches ein Stück weit lateralwärts zu verfolgen ist. An der Grenze zwischen IV. und V. Schlundtasche sind einige Gefässstücke, zweifellos Reste des V. Aortenbogens zu sehen. Das dorsale Mündungsstück des Bogens in den Pulmonalisbogen ist wieder deutlich. Links fehlt das ventrale Stück des V. Aortenbogens, während das dorsale Stück und dessen Mündung in den VI. Bogen deutlich nachweisbar sind. Der rechte Pulmonalisbogen beginnt bereits sich zurückzubilden. Die Durchsicht der Serie zeigt, dass die dem Epithel- körperchen entsprechende Zellanhäufung an Grösse soweit zugenommen hat, dass das Lumen des dorsalen Divertikels bis auf einen ganz feinen Spalt verschwunden ist. Die Epithelzellen an dieser Stelle charakterisieren sich dadurch, dass sie viel weniger Farbe annehmen, also lichter bleiben, ein Verhalten, das besonders bei schwacher Vergrösserung deutlich sichtbar ist. Bei stärkerer Vergrösserung sieht man protoplasmaarme Zellen mit grossen blasenförmigen Kernen und deutlich wahrnehmbaren Zellgrenzen. Es kommt also in diesem Stadium bereits zur Differenzierung der Epithelkörperchenanlage gegenüber der N ach- barschaft. Am ventralen Ende der IV. Schlundtasche befindet sich die Thymusanlage, welche ein kleines, mit hohem Epithel versehenesDivertikel darstellt. Hingegen istdieV.Schlund- tasche durch ein weites Lumen gekennzeichnet, wenn auch zuzugestehen ist, dass die Wanddicke dieser Tasche stark zuge- nommen hat. 412 J. TANDLER, Ob die im Detailmodell gut sichtbare lateralwärts gerichtete cireumsceripte Ausbuchtung der seitlichen Schlundwand das Rudiment einer VI. Schlundtasche vorstellt, möchte ich nicht entscheiden. Wenn wir die in der Stadienbeschreibung erhobenen Befunde zusammenfassen, so zeigt sich, dass die Existenz eines V. Aortenbogens beim menschlichen Embryo zweifel- los nachweisbar ist. Es muss das um so mehr betont werden, als, wie einleitend erwähnt, der Nachweis eines V. Aortenbogens von Lewis als eine „morphologische Spekulation“ hingestellt worden ist. Die grosse Zahl der untersuchten Embryonen, an welchen der V. Aortenbogen respektive seine Reste regelmässig gefunden wurden, schützt auch vor dem Vorwurf, dass es sich hier um eine Ausnahmserscheinung oder um eine Missbildung handelt. Das konstante Verhalten dieses Bogens in Ursprung und Mündung, sowie seine topische Beziehung zu den Schlundspalten ermög- lichen die Identifikation dieses Gefässes und setzen uns in die Lage, den V. Aortenbogen des Menschen genau zu definieren. Der V. Aortenbogen des Menschen ist an Embryonen von 5—10 mm grösster Länge vorhanden. Er tritt zeitlich später auf wie der VI. Aortenbogen und persistiert nur kurze Zeit. Der V. Aortenbogen entspringt aus dem Truncus aorticus proximal von der Abgangsstelle des IV. Aortenbogens, zieht in der Grenzfurche zwischen IV. und V. Schlundtasche dorsalwärts und mündet in den Pulmonalisbogen knapp vor dessen dorsalem Ende. Seine Mündung in den VI. Aortenbogen zeigt insoferne geringe Variationen, als er etwas näher oder ferner vom dorsalen Ende desselben mündet. In allen von mir untersuchten Fällen konnte ich die seiner- zeit von mir für den V. Aortenbogen beim Menschen gegebene Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc: 413 Beschreibung vollinhaltlich bestätigen. Ein Verhalten, wie es vor Jahren Zimmermann an einem menschlichen Embryo beschrieben hat, konnte ich nicht ein einziges Mal beobachten. An dem von ihm verwendeten Eınbryo geht nämlich der V. Aorten- bogen vom IV. Aortenbogen an der Grenze zwischen erstem und zweitem Drittel desselber ab, um sich wiederum mit diesem Bogen an der Grenze zwischen mittlerem und letztem Drittel zu vereinigen. Soweit meine bisherige Erfahrung reicht, kann es sich in dem Zimmermannschen Falle nur um eine seltene Ausnahme handeln, ja ich bin im Zweifel, ob man überhaupt berechtigt ist, das von ihm als V. Aortenbogen bezeichnete Gefäss als solchen gelten zu lassen, oder ob es sich nicht vielmehr um eine auch sonst an den Aortenbogen vorkommenden Inselbil- dungen handelt. Der V. Aortenbogen wird ferner von Hammar für einen 5 mm langen und von Elze für einen ca. 7 mm langen menschlichen Embryo kurz erwähnt. In beiden Fällen in typischer Lagerung. Dass der V. Aortenbogen so verschieden stark entwickelt ist, kann uns ebensowenig überraschen wie der Umstand, dass er in der Zeitfolge seines Auftretens aus der Reihe fällt, da es sich doch zweifellos um eine rudimentäre Bildung handelt, von welcher auch nicht das kleinste Stück zum Aufbau eines bleibenden Gebildes verwendet wird. Die Rückbildung des V. Aortenbogens tritt nach demselben Modus ein, wie ich ihn seinerzeit für den I. und II. Bogen beschrieben habe. Es kommt zu mehrfachen Unterbrechungen wie bei allen frühzeitig rück- gebildeten Gefässen. Das Vorkommen eines V. Aortenbogens wurde auch bei anderen Mammalia beschrieben und zwar: beim Schaf und beim Kaninchen (Zimmermann, Lehmann), bei der Ratte, aller- dings in einer stark modifizierten Form (Tandler), beim Maul- 414 J. TANDLER, wurf (Soulie und Bonne; ich selbst habe ihn auch nach- weisen können). Diese Befunde, zusammengehalten mit denen beim Menschen (Zimmermann, Tandler, Hammar, Elze) berechtigen wohl zu der Verallgemeinerung, dass es bei den Säugern eben- so wie bei den Sauropsiden (vgl. die Darstellung von H. Rabl. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 70. 1907) zur Anlage von 6 Aortenbogen komme. Der Umstand, dass der V. Aortenbogen gerade beim Menschen so gut zur Ausbildung gelangen soll, verliert viel an Besonder- heit, wenn man bedenkt, dass der menschliche Embryo auch anderweitig einfache Verhältnisse aufweist. Liegt doch gerade in dieser Ursprünglichkeit die Fähigkeit zur Fortentwickelung. Ganz abgesehen davon, dass diese Ursprünglichkeit einen Hin- weis auf den phylogenetischen Weg gibt, den das Genus Homo genommen hat, bringt sie auch die Möglichkeit dieser Fort- entwickelung unserem Verständnis näher. Jede weitgehende Spezialisierung bringt ein frühzeitiges Abirren vom phylogeneti- schen Wege und damit den Verlust der Fähigkeit zur Fortent- wickelung mit sich. In der Arbeit über die Entwickelung der Kopfarterien bei den Mammalien habe ich auf das Verhalten der Schlund- taschen zu dem V. Aortenbogen kein besonderes Gewicht ge- legt und die Frage offen gelassen, inwieweit man berechtigt sei, das von Zimmermann beschriebene Divertikel der IV. Schlundtasche als V. Schlundtasche aufzufassen. In seiner vorläufigen Mitteilung hält sich Zimmermann auf Grundlage seiner Untersuchung für berechtigt, beim Menschen und beim Kaninchen 6 Kiemenarterienbogen und 5 entodermale Schlund- taschen anzunehmen. Wenn ich mich seinerzeit über die V. Schlundtasche nicht bestimmt ausgesprochen habe, so geschah dies, weil mir damals zu wenig menschliches Material zur Ver- fügung stand, und weil die Angaben Zimmermanns, wie es Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 415 eben in einem Referate oder in einer vorläufigen Mitteilung zu ge- scheben pflegt, zu wenig präzis erschienen, um zu denselben Stellung nehmen zu können. Denn der von ihm beschriebene hohle Epithelspross, welcher zwischen die beiden Anteile der IV. Kiemenbogenarterie, d. 1. zwischen IV. und V. Arterien- bogen im Sinne Zimmermanns hineinragt, kann ja nur eine IV. rudimentäre Kiementasche darstellen. Man muss daher konsequenterweise aus den Angaben Zimmermanns folgern, dass beim Menschen eine rudimentäre IV. Schlundtasche zwischen der IH. und der bisher als IV. gezählten, also eigentlich V. Tasche eingeschoben sei. Schon in meinem Vortrage, bei welchem mir der grössere Teil der hier verwendeten Modelle zur Verfügung stand, konnte ich die V. Schlundtasche demonstrieren; auch gelegentlich der Bearbeitung der menschlichen Embryonen unseres Institutes für die Keibelsche Normentafel sprach ich von einer rudi- mentären V. Schlundtasche. In der Zeit zwischen meinem Vor- trag und der Niederschrift dieser Arbeit erschien die Beschrei- bung eines menschlichen Embryo von ca. 7 mm grösster Länge von Curt Elze, in welcher dieser auf das Vorkommen einer rudimentären V. Kiementasche hinweist. Die betreffende Stelle lautet folgendermassen: „Wenn in einer Reihe von Fällen — ich erinnere an die Vermutungen, die z. B. Zimmermann, Piper, Tandler ausgesprochen haben — das Verhalten des „postbranchialen Körpers“ zu den Gebilden der Umgebung es wahrscheinlich macht, dass er einer fünften Kiementasche angehört, und wenn ein weiterer Befund lehrt, dass eine solche Kiementasche tat- sächlich voll entwickelt sein kann, so dürfte die Schlussfolgerung nicht zu umgehen sein, dass der „postbranchiale Körper‘ einer Kiementasche angehört, die freilich in den meisten Fällen nicht mehr voll zur Entwickelung kommt.“ Elze beruft sich zur Begründung seiner Ansicht unter 416 J. TANDLER, anderem auch auf eine Stelle in dem Aufsatze von Hammar: „Über kongenitale Halskiemenfistel“, welche folgendermassen lautet: „Bei einem Embryo von 8 mm niedrigster Länge hat der Schlundspaltenapparat seine höchste Entfaltung erreicht“. In einer Anmerkung sagt Hammar weiter: „Diese Behauptung erfordert in gewisser Hinsicht eine Reservation. Es kommt nämlich bei einem früheren Stadium (Embryo von 5 mm niedrigste Länge) vor, dass der menschliche Schlund- darm vorübergehend die Anlage einer V. Schlundspalte zeigt. Es tritt der Abschnitt des Schlundes, welcher als die erste An- lage des postbranchialen Körpers (der lateralen Schilddrüsen- anlage) zu bezeichnen ist, an einer sehr beschränkten Stelle mit dem äusseren Eetoderm in unmittelbaren Contact. Da diese Berührungsstelle zwischen dem vergänglichen fünften Aorten- bogen und dem sechsten liegt, trägt sie die Kriterien einer epithelialen Verschlussmembran einer Schlundspalte. Bei einem etwas älteren Embryo (von 7,2 mm niedrigste Länge) wird der Contact wieder vermisst.“ In Keibels N. T. ist dieser Embryo, auf welchen sich obiges Zitat aus Hammar als Tabelle 20 bezieht, aufgenommen. Bei den Embryonen 26, 30, 49 und 50 der N. T. spricht Hammar nur von einem telobranchialen Körper. Auch bei anderen Embryonen wird die V. Schlundtasche angeführt, bei Embryo 18 ausdrücklich bemerkt, dass die Tasche das Ectoderm erreiche. Tourneux und Soulig geben in einer vorläufigen Mit- teilung an, dass sie bei einem menschlichen Embryo von 6 mm einwärts von der V. Schlundtasche, über. welche sie nichts Ge- naueres aussagen, eine VI. Tasche gefunden haben. Diese soll in einer Rinne seitlich vom Arywulst bestehen und noch eaudal vom ultimobranchialen Körper liegen. Über die Entwickelung des V. Aortenbogens ete. 417 Mangels ausführlicher Beschreibung oder Abbildung lässt sich vorderhand zu diesen Angaben nicht Stellung nehmen. Auf Grundlage dieser Angaben und meiner systematischen Untersuchungen steht wohl fest, dass es beim Menschen ganz regelmässig zur Entwickelung einer V. Schlundtasche kommt, welche allerdings nicht mehr immer alle Charaktere einer wahren Schlundtasche trägt. Doch ist dieses Gebilde so weit ent- wickelt, dass man es als rudimentäre Schlundspalte bezeichnen muss. Mir selbst ist es zwar in keinem Falle gelungen, eine An- lagerung der V. Schlundtasche an das Ecetoderm nachzuweisen, doch ist bisher in 2 Fällen eine solche beschrieben (RK. N. T. Embryo 18 und Embryo 20). Im Falle Elze (K.N.T. 28) und an dem hier beschriebenen Embryo Hal, ist entsprechend der V. Schlundtasche an der Aussenseite eine V. Kiemenfurche nachweisbar, doch gelangen Ento- und Ectoderm nicht zur Berührung. Wenn die V,. Schlundtasche kein dorsales Divertikel mehr besitzt, ein Verhalten, das scheinbar gegen die Schlund- taschennatur der ganzen Ausstülpung spricht, so ist zu bemerken, dass auch das dorsale Divertikel der IV. Schlundtasche entweder vollkommen fehlt oder nur mangelhaft entwickelt ist. Bezüglich des Umstandes, dass IV. und V. Schlundtasche eine gemein- schaftliche Kommunikation mit dem Pharynxlumen be- sitzen, ist hervorzuheben, dass diese Kommunkiation in frühen Stadien sehr weit ist und sich erst in späteren Stadien continuier- lich verengert. Dadurch gewinnt es immer mehr den Anschein, als ob die V. Schlundtasche nicht eine Ausstülpung der lateralen Pharynxwand, sondern ein Divertikel der IV. Schlundtasche darstellen würde. Die Tatsache, dass regelmässig cranial von der V. Schlund- tasche in der Furche zwischen ihr und der IV. Tasche der V. Aortenbogen verläuft, spricht unwiderleglich dafür, dass beim Anatomische Hefte. I. Abteilung. 115. Heft (38. Bd., H. 2). 27 418 J. TANDLER, Menschen eine wenn auch rudimentäre V. Schlundtasche regel- mässig zur Entwickelung gelangt. Als weitere Stütze ist auch ‚das Verhalten des „N. post- trematicus“ der IV. Schlundtasche anzuführen. Dieser Nerv verläuft mit dem V. Aortenbogen zusammen in der Grenzfurche zwischen IV. und V. Schlundtasche. Es gelang mir diesen Nerven in den Fällen Embryo Wal, Embryo I. u. Embryo D.L. nachzuweisen. Elze hat diesen Nerven ebenfalls beschrieben und ibn R. posttrematicus genannt, nur sind ihm bei der Beschreibung Versehen unterlaufen, welche im Interesse der Sache hier richtig gestellt werden mögen. Auf pag. 426 seiner Arbeit sagt Elze: „Von der medialen Seite des Ggl. nodosum geht derN. laryn- geus superior ab in den dritten Kiemenbogen hinein und verläuft hier dicht an der dorsalen Wand der dritten Schlund- bucht“. Soll wohl heissen vierten Kiemenbogen, da der N. laryngeus sup. nur in diesem, aber nicht im dritten verlaufen kann. Auf S. 427 der zitierten Arbeit heisst es: „Während er (der R. posttrematicus der IV. Kiementasche) auf der linken Seite nach kurzem Verlauf endigt, ist er rechts noch ein Stück weit im Material des vierten Kiemenbogens zu verfolgen“. Der Ramus posttrematicus der IV. Kiementasche kann nun unmög- lich im Material des vierten Kiemenbogens liegen, sondern ver- läuft im V. Kiemenbogen. Auf S. 437 endlich sagt Elze: In dem mesodermalen Gewebe zwischen der vierten Schlundtasche und „postbranchialem Körper“ liegt der oben beschriebene Ra- mus posttrematicus IV. des Vagus‘“. Richtig wäre es wohl, den Nerven entweder als Ramus posttrematicus der IV. Schlundtasche — wie es Elze an anderen Orten tut —, oder als R. posttrematicus V. der ganzen Reihe, oder als R. posttrematicus II. des Vagus zu bezeichnen. Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. 419 Der Nerv scheint nur kurze Zeit erhalten zu sein; es gelang mir nicht, ihn in älteren Stadien aufzufinden. Was immer aus ihm werden mag, sein Verlauf charakterisiert ihn als Ramus posttrematicus der IV. Schlundtasche, die caudal von ihm ge legene Ausstülpung aber als V. Schlundtasche. Es erübrigt nun noch kurz auf das weitere Schicksal der beiden letzten Schlundtaschen einzugehen. Wie schon erwähnt, wird ziemlich bald der Zugang zu diesen Taschen eng. Später zieht er sich immer mehr und mehr in die Länge, wobei sein Lumen continuierlich enger wird, bis schliesslich an einer Stelle Continuitätstrennung eintritt. Es hat sich so IV. und V. Schlundtasche gemeinsam abgeschnürt. Noch später kommt es zur Absetzung der V. Schlund- tasche gegen die IV. Xrstere wird immer mehr medialwärts verlagert und wandelt sich nach Verlust des Lumens in ein solides Körperchen um, welches sich dorsolateral an die schon vielfach verzweigte mediale Schilddrüsenanlage anlegt. Das weitere Schicksal dieser lateralen Schilddrüsen- anlage zu verfolgen, würde den Rahmen dieser Arbeit über- schreiten. Bezüglich der IV. Schlundtasche ist folgendes zu be- richten: An der im ganzen abgeschnürten Schlundtasche war schon früher die mächtige Proliferation des Epithels an der Stelle des Epithelkörperchens IV. nachweisbar, ebenso wie die Ver- dickung des Epithels am ventralen Divertikel als Anlage der Thymus IV. Während nun die Epithelkörperchenanlage sehr rasch an Ausdehnung gewinnt, bleibt die Thymusanlage immer mehr zurück, so dass schliesslich die Thymusanlage nur mehr als ein kleines schlauchförmiges mit hohem Epithel versehenes Anhängsel an dem mächtigen Epithelkörper imponiert. Auch noch an älteren Embryonen (14,5 mm gr. L.) kann man die so gestaltete Thymusanlage IV deutlich sehen. 27* 420 J. TANDLER, Über die Entwickelung des V. Aortenbogens etc. Die IV. Schlundtasche des Menschen trägt also regelmässig die Anlage der Thymus IV. Ob aus ihr wirklich nur manchmal eine Thymus wird (Groschaff, Herrmannund Verdun, Bien) ob sie und in- wie weit sie rudimentär wird, wäre noch zu entscheiden. Das Epithelkörperchen IV bleibt mit der Thymus- anlage in Verbindung und nicht mit der Thyreoideaanlage, welche aus der V. Schlundtasche stammt. Es ist daher der Name Glandule thyroidienne (Tournaux und Verdun) für das Epi- thelkörperchen IV nicht den Tatsachen entsprechend. Es müssten demnach beide Epithelkörperchen (III und IV) Glandule thymique genannt werden, eine Bezeichnung, die wohl richtiger aber gewiss nicht zweckdienlich wäre. Beim menschlichen Embryo kommt es also de norma zur Ausbildung von 6 Aortenbogen und zur Entwickelungvon5Schlundtaschen. DieIV.Schlund- tasche liefert das Epithelkörperchen IV und die rudimentäre Anlage der Thymus IV. Die Schlund- tasche V wird zur lateralen Schilddrüsenanlage. Sie ist identisch mit dem telo- oder ultimobranchia- len Körper im Sinne von Greil. Ob diese Anlage Thyreoideagewebe liefert, ist noch zu entscheiden. Wien, Oktober 1908. I 11: 18. 19. Literaturverzeichnis. . Bien, G., Über accessorische Thymuslappen im Trigonum carotieum. Anat. Anz. Bd. 29. — Über accessorische Thymuslappen im Trigonum caroticum bei einem Embryo von 17 mm grösster Länge. Anat. Anz. Bd. 31. Elze, C., Beschreibung eines menschlichen Embryo von ca. 7 mm grösster Länge. Anat. Hefte. 1907. Heft 106. Greil, A., Über die Anlagen der Lungen, sowie der ultimobranchialen Körper bei anuren Amphibien. Anat. Hefte. Bd. 29. H. 89. Groschuff, K., Bemerkungen zu der vorläufigen Mitteilung von Jakoby: Über die Entwickelung der Nebendrüsen der Schilddrüse. Anat. Anz. Bd. 12. — Über das Vorkommen eines Thymussegmentes der IV. Kiementasche beim Menschen. Anat. Anz. Bd. 19. Hammar, J., Ein beachtenswerter Fall von kongenitaler Halskiemenfistel. Zieglers Beiträge z. path. Anat. Bd. 36. Herrmann,G.et Verdun, P., Persistance des corps postbranchiaux chez l’homme. Compt. rend. de la Soc. Biol. 1899. Keibel, F. und C. Elze, Normaltafel zur Entwickelungsgeschichte des Menschen. Jena 1908. Lehmann, H., On the embryonic history of the aortic arches in mammals. Zoolog. Jahrb. Abt. f. Anat. Bd. 22. . — On the embryonie history of the aortie arches in mammals. Anat- Anz. Bd. 26. Lewis, Fr. F., The fifth and sixth aortie arches and the related pharyngeal pouches in the rabbit and pig. Anat. Anz. Bd. 28. Soulie et Bonne, Contribution a l’etude de l’appareil branchial et des arcs aortiques chez les Mammiferes. Journ. de l’Anat. et de Physiol. Bd. 44. 1908. Tandler, J., Zur Entwickelungsgeschichte der Kopfarterien bei den Mammalia. Morph. Jahrb. Bd. 30. . — Der fünfte Aortenbogen des Menschen. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 20. Tourneux et Soulie: Sur l’existence d’une V. et d’une VI. poche endo’ dermique chez l’embryon humain. Compt. rend. de la Soc. Biol. 1907. Tourneux et Verdun, Sur les premiers developpements et sur la de termination des glandules thyroidiennes et thymiques chez l’homme. Compt. rend. de la Soc. Biol. 1897. Zimmermann, Über einen zwischen Aorten- und Pulmonalisbogen ge- legenen Kiemenarterienbogen beim Kaninchen. Anat. Anz. Bd. 4. — Über die Kiemenarterienbogen des Menschen. Verh. d. X. intern. med. Kongr. Anat. Anz. 1890. Tafelerklärung. Zeichenerklärung. . III. 11I. Aortenbogen. .IV. IV. Aortenbogen. .V. _V. Aortenbogen. ‚VI. VI. Aortenbogen. . v. Aorta ventraiis. „IV. Anlage des Epithelkörperchen IV. .F. Grenzfurche zwischen IV. und V. Schlundtasche. Larynxanlage. N. ptr. N. posttrematicus der IV. Schlundtasche. Oe. Ösophagus. P. Arteria pulmonalis. Ph.1. Laterale Pharynxwand, Ausstülpungsstelle d. IV. u. V. Schlund- tasche. S. Gefässspross. S.T.I. U. Schlundtasche. S. T. III. III. Schlundtasche. S S S Hozkbbb>> ‚T.II.d. III. Schlundtasche, dorsales Divertikel. .T.IH.v. III. Schlundtasche, ventrales Divertikel. .T. IV. IV. Schlundtasche. S,T.IV.d. IV. Schlundtasche, dorsales Divertikel. S,T.IV.v. IV. Schlundtasche, ventrales Divertikel. S,T.V. V. Schlundtasche. S.T. VI. VI. Schlundtasche. T. a. Truneus aorticus. Ta.m. Mittlere Schilddrüsenanlage. Th. IV. Thymusanlage IV. T. p. Truncus pulmonalis. Tafelerklärung. 423 Fig. 1. Modell des Pharynx des Embryo Hal;. Modelliert in 200 fach. Vergrösserung. Figur/auf °”/s verkleinert. Seitenansicht. Fig. 2. Dasselbe Modell von vorne. Figur auf ?/s verkleinert. Fig. 3. Modell des Pharynx des Embryo H,. Modelliert in 200 facher Vergrösserung. Figur auf °’s verkleinert. Seitenansicht. Fig. 4. Dasselbe Modell nach Wegnahme der Gefässe. Ansicht von vorne. Fig. auf ”/s verkleinert. Fig. 5. Modell des Pharynx des Embryo Wal. Modelliert in 100 facher Vergrösserung. Figur in Modellgrösse. Seitenansicht. Fig. 6. Transversalschnitt durch den Embryo Wal. in der Höhe der IV. Schlundtasche. N. posttrematicus der IV. Schlundtasche der Länge nach getroffen. Vergrösserung ”°/ı. Fig. 7. Modell des unteren Pharynxendes und der Aortenbogen des Embryo La. Modelliert in 200facher Vergrösserung. Seitenansicht. Figur auf '/2 verkleinert. Fig. 8. Dasselbe Modell von unten gesehen. Figur auf '/» verkleinert, Fig. 9. Modell des Pharynx und des Aortensystems des Embryo B.R. Modelliert in 100facher Vergrösserung. Figur auf 3: verkleinert. Fig. 10. Modell des unteren Pharynxendes des Embryo B.R. Modelliert in 200facher Vergrösserung. Figur auf °ı verkleinert. si % Druck der Kgl. Universitätsdrı erei von H. Stürtz in Würzb AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT FREIBURG 1. BR. DIREKTOR: GEH. HorRAT PROF. WIEDERSHEIM. DAS PRIMORDIALGRANIUM DES KANINCHENS UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER DECKKNOCHEN. EIN BEITRAG ZUR MORPHOLOGIE DES SÄUGETIERSCHÄDELS. VON MAX VOIT, FREIBURG. Mit 27 Figuren auf den Tafeln 35/50. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd. H. 3). 28 ud 2 .E * ß u u . AED AN: f x - SITE Da A TRATEN IR TG SERIE pP ’ D B & Be nn ee u rer a arme Ei RR i & F: k Pa LEBTE Yosse SEN Ei > y ‚ = TE TıSEar IE HATEETE ZRIEE 3, { N Yiiaz r ws Pie ı er Ei g iM Fu; eu / IBV „3 = y7% A 3 5 i RER IE 1 ©, 22 EI EU EL Lur 7 3 '® % » k > DE ve RR “ a k bi h a A Eur + . Pi FAR, .. 7 D “ # i r 4 \ LEE c F Be ee wand F Fr ?. P \ Pan \ I R [2 1 e 1702 -. .. BR r - roh a a rt Einleitung. Dank den vortrefflichen Untersuchungen E. Gaupps hat in den letzten Jahrzehnten das Verständnis des Wirbeltier- und vor allem des Säugetierschädels einen bedeutenden Aufschwung genommen. Es hatte sich bekanntlich schon im Laufe der zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts allmählich die Überzeugung Bahn gebrochen, dass man sich mit dem Versuche, allein aus der Betrachtung der knöchernen Bestandteile des ausgebildeten, Säugerschädels zu einem morphologischen Verständnis des- selben zu gelangen, auf einem gefährlichen, zu falschen Theorien führenden Irrwege befand. Das Studium der Entwickelungs- geschichte und der vergleichenden Anatomie hatte ergeben, dass ein gemeinsamer Grundplan des Schädels durch die ganze Wirbeltierreihe hindurch sich verfolgen lässt, dass derselbe aber nicht in den Knochen sich zu erkennen gibt, sondern in einer phylo- und ontogenetisch vor diesen auftretenden knorpe- ligen Ausbildungsstufe des Kopfskeletes. Es fand sich nämlich, dass dieses knorpelige Skelet, das Chondrocranium oder Pri- mordialcranium, wie es Jakobson nannte, nicht nur bei den niedersten Wirbeltieren, den Cyclostomen und Sela- chiern zeitlebens das einzige Kopfskelet bildet, sondern dass es sich, mit im grossen ganzen gleichbleibendem Typus, bei 28* 498 M. VOIT, sämtlichen Vertebraten, bis hinauf zu den höchsten Säugern in embryonalem Alter nachweisen lässt. Die Knochen dagegen treten erst secundär bei den höheren Wirbeltieren in den Dienst des Kopfskeletes, sie halten dabei ganz bestimmte Lagebezie- hungen zum Primordialeranium ein und bringen, indem sie all- mählich immer überwiegendere Bedeutung gewinnen, schliess- lich bei den verschiedenen Formen verschieden grosse Be- zirke des Primordialeraniums vollständig zum Schwunde. So wird dann die typische Form des Chondrocranıums mehr und mehr verwischt und die Knochen beherrschen das Bild des definitiven Schädels. Auch ihr Verständnis aber, die Möglich- keit ihrer sicheren Homologisierung bei den einzelnen Wirbel- tierklassen, ist nur durch ihre Lagebeziehungen zum Primordial- cranium gegeben. So trat, als diese Erkenntnis im Laufe der Zeit sich Bahn brach, auch für die Betrachtung des Säuger- schädels das Primordialeranium in den Vordergrund des Inter- esses und eine Reihe von Forschern, wie Koelliker (1849, 1879), Spöndli (1846), Dursy (1869), Parker (1874, 1885), Decker (1883) u. a. gaben mehr oder minder detaillierte Be- schreibungen von Primordialeranien verschiedener Mammalier. Gar manche für die morphologische Betrachtung des Säuger- schädels wichtige Tatsache ergab. sich bereits aus diesen Arbeiten. Eine vollständige und bis ins einzelne gehende Ab- leitung des Schädels der Mammalier von dem niederer Verte- braten und damit die Grundlage für das erschöpfende morpho- logische Verständnis desselben wurde aber erst durch die Arbeiten Gaupps geschaffen. Eine gründlichste Untersuchung der Primordialcranien von Rana fusca (1893) und von Lacerta agilıs (1900) führten Gaupp zu der Überzeugung, dass das Primordialeranium der Mammalier sich ‚von ähnlichen Formen ableiten lasse, wie sie bei den Rep- tilien, speziell bei den Sauriern, vorliegen. Er konnte dabei nicht nur eine weitgehende Übereinstimmung des ganzen Grund- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 429 planes, sondern auch eine oft direkt überraschende Ähnlichkeit in Einzelheiten nachweisen und namentlich alle wichtigeren Unterschiede in befriedigender Weise durch eine funktionell (besonders infolge der Vergrösserung des Gehirns) bedingte Ausgestaltung des Säugerschädels erklären, also damit auch die von den Verhältnissen bei den Sauriern abweichenden Formen auf jene exakt zurückführen. Damit wurde die Arbeit „Über das Chondrocranium von Lacerta agilis“ massgebend für unsere ganze heutige Auffassung vom Säugetierschädel. In einer Reihe folgender Abhandlungen (1901, 1902, 1905, 1906) hat Gaupp dann seine Anschauungen weiter durchgeführt und ergänzt, sowie einschlägige Detailfragen literarisch-kritisch be- arbeitet und schliesslich eine vortreffliche zusammenfassende Darstellung der gesamten Schädelentwickelung bei den Wirbel- tieren im Hertwigschen Handbuch (1905) gegeben. Nachdem einmal die Grundprinzipien für eine erfolgreiche Vergleichung aufgestellt waren, galt es, dieselben bei einer möglichst grossen Anzahl von Formen durchzuführen und so das morphologische Verständnis auch für möglichst viele Einzel- heiten des Säugetierschädels zu gewinnen. Leider stehen den Untersuchungen auf diesem Gebiete ziemlich grosse Schwierig- keiten im Wege, insofern als bei der Feinheit der in Betracht kommenden Details an den nur embryonal in voller Ausbildung befindlichen Chondrocranien unbedingt nur die zwar vortreff- liche, aber ungemein zeitraubende Methode der plastischen Rekonstruktion ernstlich in Betracht kommen kann. Infolge- dessen ist die Zahl der Arbeiten, die sich an dem weiteren Ausbau der neuen Lehre beteiligten, trotz der an sich günstigen Aussichten auf lohnende Resultate, bis jetzt eine verhältnis- mässig geringe geblieben. Der erste, der nach Jen neu gewonnenen Gesichtspunkten eine vollständige Darstellung des Knorpeleraniums eines Säugetieres unternahm, warE.Fischer, der in seiner Arbeit über das Chondrocranium von Talpa euro: paea (1901) nicht nur die von Gaupp bereits festgestellten Homologisterungen zwischen Teilen des knorpeligen Säuger- und Reptilschädels vollauf bestätigen konnte, sondern auch noch eine Reihe neuer wichtiger, im gleichen Sinne für eine Ableitung der Säuger von den Reptilien sprechender Tatsachen feststellte. Derselbe Forscher wandte dann aus anthropologi- schem Interesse seine Aufmerksamkeit den speziellen Aus- gestaltungen zu, die das Primordialcranıum bei den Primaten erfährt und behandelte in einer Veröffentlichung (1903) die Primordialeranien von Semnopithecus pruinosus und Macacus cynomolgus, in einer späteren vorläufigen Mitteilung das von Tarsius spectrum (1905). Mittelst einer anderen technischen Methode, der von van Wijhe angegebenen isolierten Färbung des Knorpelskeletes mit Methylenblau und nachträglicher Aufhellung des ganzen Embryos, suchte Noordenbos (1905) der Lösung einiger hier- hergehörigen Fragen näher zu kommen. Er konnte manche inter- essante Beobachtung, namentlich über die zeitliche Aufeinander- folge der Verknorpelung bei einigen Säugern (Talpa, Lepus cuni- culus) gewinnen, aber zu einer eingehenden Analyse der Formen, namentlich des voll ausgebildeten Chondrocraniums, reichte die von ihm angewandte Methode nicht aus. Neuerdings hat nun wiederum Gaupp eine ausführliche Bearbeitung der ganzen Schädelentwickelung eines Säugetieres, der Echidna, geliefert. Die an dem wertvollen Semonschen Material ausgeführte Untersuchung hat nicht nur ein so er- schöpfendes Verständnis des Schädels dieses seltenen Tieres ergeben, dass wir wohl denselben jetzt als einen der best- gekannten Säugerschädel bezeichnen können, sondern hat, wie es bei der systematischen Stellung von Echnida ja nicht anders zu erwarten war, noch manches helle Licht auf den Säuger- schädel überhaupt, namentlich auf seine Ableitung von reptil- ähnlichen Formen, geworfen. Die Hauptergebnisse dieser Unter- Das Primordialcranıum des Kaninchens etc. 431 suchung hatte Gaupp schon in einzelnen vorangehenden Mit- teilungen (1906, 1907) veröffentlicht, während die ausführ- liche Darstellung im Semonschen Reisewerk (1908a und 1908b) erst kurz vor Abschluss unserer vorliegenden Abhand- lung erschienen ist. Recht gering ist also bis jetzt, wie wir sehen, die Zahl der Säugerspecies, deren Chondrocranien eine auf den Gaupp- schen Auffassungen basierte exakte Untersuchung erfahren haben. Und doch ist es jetzt unbedingt erforderlich, eine mög- lichst grosse Anzahl von Säugercranien in den Kreis dieser Untersuchung einzubeziehen. Denn nicht nur mannigfaltige, den einzelnen Species eigentümliche Formen harren noch ihrer mor- phologischen Erklärung, sondern auch manche der allgemeineren Fragen müssen noch einen weiteren Ausbau erfahren. Was an den bisher untersuchten Formen als spezielle, auf einen engeren Kreis beschränkte Anpassung, was andererseits als charakteristisch für den ganzen Säugerstamm anzusehen ist, das lässt sich für manche Einzelheit nur auf Grund eines reichlichen Vergleichsmateriales entscheiden. So wird also vor- erst die Untersuchung jeder Einzelform noch wesentlich dazu beitragen können, unsere Anschauungen über den Säugerschädel zu befestigen, zu klären und in manchen Einzelheiten zu modifizieren. Ich habe mir nun in der vorliegenden Abhandlung die Auf- gabe gestellt, einen kleinen derartigen Beitrag zu liefern und eine exakte Darstellung des Knorpelcraniums vom Kaninchen auf der Höhe seiner Ausbildung zu geben. Auch die Deck- knochen sollen dabei wenigstens kurze Berücksichtigung finden. Ich bin mir wohl bewusst, dass ein erschöpfen- des Bild von den Eigenheiten des Primordialeraniums eines Tieres durch die Schilderung eines einzigen Entwicke- -lJungsstadiums unmöglich gewonnen werden kann, dass es vielmehr durchaus wünschenswert ist, jedesmal den ganzen 432 M. VOIT, Entwickelungsgang des Craniums zu verfolgen, wie das in vorbildlicher Weise durch Gaupp bei Echidna geschehen ist. Äussere Gründe veranlassen mich, das grosse Zeitopfer, welches eine deratige Untersuchung erfordert, vorerst nicht zu bringen, sondern mich zunächst auf die Bearbeitung eines einzigen Stadiums zu beschränken. Die Berechtigung für dieses Vorgehen liegt darın, dass tatsächlich jedes Chondrocranium, ehe es noch unter dem Einflusse der Verknöcherungen der teil- weisen Reduktion anheimfällt, für längere Zeit einen Zustand aufweist, in welchem im grossen ganzen seine sämtlichen Teile sozusagen auf dem Höhepunkte ihrer Entwickelung stehen und es so gar wohl einen Vergleich mit den entsprechenden Stadien anderer Primordialcranien zulässt. Dass allerdings die gleich- zeitige höchste Ausbildung aller Teile des Knorpelschädels in ganz strengem Sinne nicht zutrifft, dass vielmehr unter Um- ständen einzelne wichtige Bestandteile desselben schon ver- schwinden, ehe andere angelegt oder zu voller Entfaltung ge- kommen sind, habe ich, nachdem es schon von anderer Seite mehrfach hervorgehoben wurde, auch beim Kaninchen wieder bestätigt gefunden, und so war ich gezwungen, für manche Gebiete ausser dem der Beschreibung im wesentlichen zugrunde liegenden Stadium auch noch einige im Alter demselben nahe- stehende Stadien zu Rate zu ziehen. Als Grundlage unserer ganzen Betrachtungen dient die Schnittserie durch den Kopf eines Kaninchenembryos von 45 mm gr.L.1), sowie ein, nach dieser Serie in zwanzigfacher lin. Ver- grösserung nach der Bornschen Methode hergestelltes Platten- modell des Primordialeranıums, bei dem in üblicher Weise auf der rechten Seite die Deckknochen mit dargestellt wurden. 1) Es handelt sich um einen Embryo vom wilden Kaninchen; ich verdanke denselben, sowie eine Reihe weiterer solcher Embryonen der Liebenswürdigkeit meines verehrten Freundes und Kollegen Herrn Dr. A. Frhr. v. Kittlitz. Das Primordialeranium des Kaninchens etc, 433 Der Vergleich dieser Serie mit einigen durch jüngere und ältere Embryonen ergab, dass in dem gewählten Stadium das Primordialeranium tatsächlich in seinen meisten Einzelheiten auf der höchsten Stufe der Ausbildung steht. An einigen Punkten ist zwar bereits primordiale Verknöcherung eingetreten, ohne jedoch eine wesentliche Alteration der Formen hervorgebracht zu haben; Rückbildungen des Primordialskelets unter dem Ein- flusse der Deckknochen sind jedenfalls in irgendwie nennens- wertem Masse noch nicht erfolgt. Andererseits sind die Deck- knochen nicht nur alle angelegt, sondern zeigen einen derartigen Grad der Ausbildung, dass fast überall ohne weiteres die Formen des definitiven Schädels mit aller wünschenswerten Genauigkeit bereits abgeleitet werden können. An wenigen Stellen ergab es sich allerdings, dass der Primordialschädel einige auf jüngerem Stadium vorhandene interessante Gestal- tungen eingebüsst hatte oder dass er in älteren Stadien noch weitere Ausbildung erfährt. Auf diese Verschiedenheiten musste natürlich, unbeschadet des Prinzips, nur die höchste Aus- bildungsstufe des Chondrocraniums zu behandeln, eingegangen werden; und so wurden ausser der Hauptserie, die wir als Serie I bezeichnen wollen, noch die Serie durch den Kopf eines jüngeren und eines älteren Kaninchenembryos an einigen Stellen mit in Betracht gezogen. Erstere, von einem Embryo von 43mm grösster Länge, möge als Serie II, letztere, von einem Embryo von 70 mm grösster Länge stammend, als Serie III bezeichnet werden. Nach Serie II wurde, da sie besonders interessante Verhältnisse in der Otical- und ÖOrbitotemporalregion ergab, von einem Teile dieser Region ein eigenes Modell angefertigt. Wir wollen nun im Folgenden derart vorgehen, dass wir zunächst eine kurze, rein tatsächliche Beschreibung des Haupt- modelles, und zwar zuerst der primordialen Teile, dann der Deckknochen bringen. Wo sich wichtigere abweichende Be- funde bei den jüngeren und älteren Stadien (Serie II und II) 434 M. VOIT, ergeben, soll auf dieselben gleich im Anschluss an die Be- trachtung der betreffenden Region der Hauptserie I eingegangen werden. In einem zweiten Teile soll dann die. morphologische Deutung der beschriebenen Formen, ihre Vergleichung mit denen anderer Tiere behandelt werden. 1. Beschreibender Teil. A. Primordialeranium. Die Gesamtform des Primordialeraniums entspricht voll- kommen dem aus den Beschreibungen Deckers, Fischers u. a. für andere Säugetiere bekannten Typus. Im wesentlichen bildet das die Schädelhöhle nur unvollständig umschliessende primordiale Neurocranium eine oben offene, hinten beträcht- lich tiefere, nach vorn zu infolge allmählicher Erhebung des Bodens flach auslaufende Schale. Bemerkenswert ist die starke winkelige Knickung, welche die Schädelachse an der Grenze zwischen Orbitotemporal- und Ethmoidalregion erfährt (Fig. 3). Alle weiteren Details sollen bei der Besprechung der einzelnen Regionen erwähnt werden. 1. Occipitalregion. Eine vollkommen einheitliche, breite Basalplatte bildet den hintersten Abschnitt der Schädelbasis und erstreckt sich ohne Abgrenzung durch die Oceipital- und Oticalregion hin- durch vom Foramen occipitale magnum bis zur Hypophysen- grube (Fig. 1 u. 2). Ihr hinterer, caudalwärts leicht concaver Rand ist in der Medianlinie noch mit einer kleinen tieferen Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 435 Einbuchtung, der Incisura intercondyloidea, ver- sehen. Lateral von derselben beginnen die nur wenig nach unten vorspringenden Condyli occipitales, die sich auf die lateralen Teile der Oceipitalregion fortsetzen und das Foramen occipitale magnum etwa bis zur Hälfte umgreifen. Die Seitenteile der Hinterhauptsregion, die Occipital- pfeiler, sind ungemein kräftig entwickelt. Als ziemlich dicke Platten seitlich aus der Lamina basalis hervorgehend, nehmen sie zunächst, indem sie sich zwischen Foramen magnum und hinterer Hälfte der Ohrkapsel erstrecken, nahezu horizontale Lage ein, erheben sich dann allmählich, die hintere Kuppel der Ohrkapsel umfassend, mehr und mehr in verticale Rich- tung und gehen schliesslich in eine breite, dünne Knorpelplatte über, die einerseits mit der dorsal von der Ohrkapsel gelegenen Parietalplatte, andererseits mit dem das Foramen oceipitale magnum von hinten her begrenzenden Tectum posterius konti- nuierlich zusammenhängt. Direkt über dem Condylus oceipitalis wird jeder Ocecipital- pfeiler von zwei kurzen, vor-lateralwärts verlaufenden Canaleshypoglossi durchbohrt, deren innere Mündungen weiter voneinander entfernt sind als die äusseren. Recht kompliziert gestalten sich die Beziehungen des Ocecı- pitalpfeilers zur Ohrkapsel. Der von den Canales hypoglossi durchsetzte Anfangsteil des Oceipitalpfeilers ist von dem coch- learen Anteile der Ohrkapsel durch eine Lücke, das Foramen jugulare, getrennt. Der darauffolgende Abschnitt dagegen ist seitlich mit der Pars canalicularis der Ohrkapsel verbunden; er ist dabei auffallend weit nach der Seite verbreitert und bildet so eine dünne, im wesentlichen horizontal gelagerte Platte, Lamina alaris, die in ihrer ganzen Ausdehnung von dem ziemlich breiten, abgeflachten Boden der Pars canalı- cularis der Ohrkapsel derart überlagert wird, dass nur ein schmaler, von der Innenseite her zugänglicher Spaltraum beide 436 M. VOIT, trennt (Fig. 5 und 25). Nach vorne zu verlängert sich die Lamina alarıs noch über ihre seitliche Verbindung mit der Ohrkapsel hinaus in einen unter der Pars cochlearis gelegenen kurzen Abschnitt und zieht sich schliesslich an ihrer lateral vorderen Ecke in den vor-abwärts gerichteten kräftigen, zapfenförmigen Processus paracondyloideus aus (Fig. 2, 3, 4 und 23 u. 24). So wird also die Ohrkapsel auch im Gebiete des Foramen jugulare noch teilweise von der seitlichen Verbrei- terung des Occipitalpfeilers unterlagert und es entsteht da- durch das merkwürdige Verhalten, dass die aus dem Foramen austretenden Gebilde (Nervi glossopharyngeus, Vagus und Ac- cessorius und Vena jugularis) zunächst einen flachen Raum, Recessusjugularis (Fig. 3, 4, 23 u. 24), passieren müssen, dessen Decke von der (hier vom Foramen perilymphaticum durchbohrten) Ohrkapsel, dessen Boden vom vordersten Ab- schnitt der Lamina alarıs gebildet wird; erst über den vorderen, in stark concaver Linie vom Processus paracondy- loideus zur Verbindung der Basalplatte mit der Pars coch- learıs verlaufenden Rand der Lamina alaris treten dann die Nerven und Gefässe frei heraus. Der hinterste, allmählich in verticale Richtung umbiegende Teil des Occipitalpfeilers ist wiederum von der Ohrkapsel durch eine durchgehende Spalte, Fissura occipitocapsularis posterior, getrennt; erst wieder im Gebiete des Tectum posterius ist eine Ver- bindung mit der Ohrkapsel vorhanden. Das Foramen occipitale magnum steht nach dem Gesagten nicht in einer Ebene, sondern seine Fläche ist ge- wölbt, im vorderen Abschnitt horizontal, im hinteren allmäh- lich bis zur Verticalen ansteigend; es ist nicht kreisförmig be- grenzt, sondern verlängert sich hinten in eine zwischen den Oeccipitalpfeilern bis zum Unterrand des Tectum posterius reichende Incisura occipitalis superior (Fig. 1 u. 2). Die Atlantooccipitalgelenke sind getrennt; es besteht keine Das Primordialecranium des Kaninchens etc. 437 einheitliche Gelenkhöhle; vielmehr treten zwischen ihnen hin- durch venöse Gefässstämmchen von der Unterfläche der Basal- platte zu den im Wirbelkanal befindlichen Venen. Ersatzverknöcherung hat an drei Stellen der Oeccipital- region bereits begonnen. Perichondrale Lamellen im medialen Gebiete der Basalplatte stellen die Anlage des Basioccipi- tale, ebensolche im Gebiete der Oeccipitalpfeiler hinter den Condyli oceipitales die der Pleurooccipitalia dar. Auf das ebenfalls schon angelegte Supraoccipitale werden wir bei der Ohrregion zu sprechen kommen. 2, Oticalregion. Die Ohrregion wird in bekannter Weise durch den vorderen Teil der Basalplatte, die Ohrkapseln und die über diesen sich erhebenden Parietalplatten, sowie das Tectum posterius ge- bildet. Die Pars otica der Basalplatte schliesst sich, wie wir gesehen haben, ohne Abgrenzung an die Pars occipitalis derselben an. Sie verschmälert sich nach vorne zu etwas zwischen den medialwärts sich vordrängenden Partes coch- leares der Ohrkapseln (Fig. 1 u. 2); erst entsprechend deren vorderem Ende dehnt sie sich wieder mehr nach der Seite aus. Dabei geht sie fast in ihrer ganzen Länge seitlich homokonti- nuierlich in die Ohrkapseln über; nur ziemlich weit vorn be- steht eine schmale, bindegewebig verschlossene und einige kleinste Venen durchlassende Spaltlücke zwischen Ohrkapsel und Basalplatte, die Fissura basicochlearis; vor dieser ist die Basalplatte noch mit der Deckenpartie der Pars coch- learis verbunden. Kontinuierlich geht die Basalplatte vorne in die medialen Teile der Orbitotemporalregion über; eine leichte leistenförmige Erhebung, Crista transversa, gibt an der oberen Fläche (Fig. 1, 5, 6) einigermassen die Grenze 438 M. VOLT, beider Gebiete an. Vom Vorderrand des Foramen ocecipitale magnum bis zur Crista transversa steigt die Basalplatte in gleichmässiger Neigung an. Die Chorda dorsalis ist an der für das Hauptmodell benutzten Serie I nur mehr in ganz reduziertem Zustande er- halten. An der nur wenig jüngeren Serie II konstatieren wir folgenden Verlauf der Chorda: Sie wendet sich aus dem Dens epistrophei in leichtem Bogen auf die Dorsalfläche der Basal- platte, steigt im occipitalen Teile derselben ventralwärts, ist dann im Gebiete der die Ventralseite deckenden perichondralen Knochenplatte (Basioccipitale) auf längere Strecke unterbrochen, um erst weiter vorne wieder sichtbar zu werden, wo sie sich aufs neue im Knorpel erhebt, um mit einer Anschwellung kurz vor der Fossa hypophyseos, etwa unter der Crista transversa zu endigen. Die Ohrkapsel (Fig. 1, 3, 5) stellt ein mächtiges, an- nähernd ovoides Gebilde dar, dessen Längsachse fast rein horizontal liegt mit nur geringer Neigung nach vorn. Die Be- ziehung zum häutigen Labyrinth ist dabei derart, dass das hintere kuppelförmige Ende den Übergang des Crus commune (s. Sinus superior) in vorderen und hinteren Bogengang birgt, die vordere Kuppel aber das vordere blinde Ende des Ductus cochlearis. Ungemein deutlich sind zwei Teile der Ohrkapsel zu unterscheiden. Die hintere, massigere Pars posterior s. canalicularis, hinter dem Foramen jugulare und im wesentlichen über dem horizontalen Teile des Ocecipitalpfeilers gelegen, nimmt nicht unbedeutenden Anteil an der Seiten- begrenzung des Cavum crani, welch letztere durch die über der Pars canalicularis sich erhebende Lamina parietalis (höher oben auch noch durch das Os parietale) vervollständigt wird. Die vordere, schlankere, seitlich von der Basalplatte nach vorn sich erstreckende Pars anterior s. cochlearis dagegen hat mit der seitlichen Begrenzung der Schädelhöhle fast nichts Das Pıimordialeranium des Kaninchens etc. 439 zu tun, sondern bildet im wesentlichen einen Abschnitt des Bodens derselben. Die beiden Cochlearteile convergieren nach vorn etwas und veranlassen so die oben erwähnte Verschmäle- rung der Basalplatte. An verschiedenen Stellen steht die Ohrkapsel mit anderen Teilen des Knorpelschädels in homokontinuierlicher Verbin- dung. Dass die Pars cochlearis fast in ihrer ganzen Länge medial direkt in die Basalplatte übergeht und nur die kleine Fissura basicochlearis diesen Zusammenhang unterbricht, haben wir bereits hervorgehoben. Die Decke der vorderen Kuppel der Pars cochlearis steht ausserdem durch die Commissuraali- cochlearis mit der Wurzel der Ala temporalis in Zusammen- hang. Die Pars canalicularis (Fig. 3 u. 5) verbindet sich ventral hinter dem Foramen jugulare, wie wir gesehen haben, eine Strecke weit mit dem Occipitalpfeiler, weiter hinten bleibt sie durch die Fissura occipitocapsularis posterior von demselben getrennt. Am Zusammenfluss von Oceipitalpfeiler, Tecetum posterius und Parietalplatte ist wiederum eine kurze Verbin- dung mit der Ohrkapsel vorhanden, ausserdem hängt noch der vordere Teil der Parietalplatte, da wo er in die Commissura orbitoparietalis übergeht, eine Strecke weit durch die Com- missura capsuloparietalis mit der Ohrkapsel zu- sammen, während der grösste Teil des dorsalen Randes der Pars canalicularis vom ventralen Rand der Lamina parietalis durch die lange Fissura capsuloparietalis (s. Foramen jugulare spurium) getrennt ist. Ein vorderster Teil der capsulo- parietalen Commissur spannt sich noch zwischen der Commis- sura orbitoparietalis und dem an der Pars cochlearis inserieren- den vorderen Abschnitt des Tegmen tympani aus; weiter vorn wird die Commissura orbitoparietalis von der Schneckenkapsel durch die grosse Fenestra sphenoparietalis geschieden. Die Form der ganzen Labyrinthkapsel wird so sehr von ihrem Inhalte, dem häutigen Labyrinth bestimmt, dass ich es 440 M. VOIT, für zweckmässig halte, hier die Abbildung eines Modelles ein- zufügen, das ich nach der dem Hauptmodell zugrunde liegenden Serie I von dem häutigen Labyrinth angefertigt habe (Fig. 7). Ich will mich jedoch in eine genauere Besprechung desselben nicht einlassen, sondern verweise bezüglich aller Einzelheiten auf die Abbildung. DieParscanalicularis (Fig. 3 u.5) enthält im wesent- lichen den Utriculus und die Bogengänge und wird in ihrer ganzen Form hauptsächlich durch den Verlauf der letzteren beeinflusst. So besitzt sie ungefähr die Gestalt einer dreiseitigen Pyramide, deren Kanten durch deutliche, von den im Innern verlaufenden Bögengängen erzeugte Vorragungen ge- bildet werden. Eine medial-obere, gegen das Schädelcavum gerichtete Fläche, eine medial-untere, grossenteils über dem Occipitalpfeiler (d. h. über dessen Lamina alaris) gelegene, und eine laterale, gleichzeitig etwas nach hinten sehende Fläche, stossen in einer den hinteren Pol der ganzen Ohrkapsel bildenden abgerundeten Spitze zusammen. An der dieser Spitze entgegengesetzt liegenden vorderen Fläche findet der Übergang in die Pars cochlearis und lateral davon in eine Reihe von Fort- satzbildungen (Tegmen tympani, Crista parotica, Processus mastoideus) statt. Scharf ausgeprägt verläuft (Figur 3), die obere Kante der ganzen Pars canalıcularis bildend, die Prominentia semicircularis anterior (s. superior) vom hinteren Pol aus ın leicht ansteigender Bogenlinie nach vorn, um hier in eine an der Aussenfläche undeutlich vorgewölbte und in- folge des Zusammenhangs mit der Lamina parietalis und dem Tegmen tympanı unklar abgegrenzte Prominentia utri- culo-ampullaris superior überzugehen. Ebenfalls vom hinteren Pol aus zieht in lateral convexem Bogen die Promi- nentia semicircularis posterior vor-, ab- und aus- wärts, bis sie in nahezu rechtem Winkel mit der Promi- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 441 nentia semicircularis lateralis zusammentrifft, die von hier nach vorn oben ansteigt, um kurz vor der Abgangs- stelle des Tegmen tympani undeutlich zu werden. Diese drei genannten Prominenzen sind in der Aussenansicht des Modells (Fig. 3 u. 4) zu erkennen; sie umgrenzen die laterale (gleich- zeitig etwas nach hinten und oben sehende Fläche der Pars canalicularis. Das von ihnen umsäumte Gebiet dieser Fläche ist leicht nach der Seite zu vorgewölbt; es entspricht der im Innern zwischen den Bogengängen gelegenen soliden Massa angularis. Die mediale Kante der ganzen von der Pars canalicularıs dargestellten Pyramide wird durch die scharf an der Innen- seite der Schädelwandung vorspringende Prominentia eruris communıs.(s. simuwsessuperioris.is..Eig;'5]) gebildet. Sie verläuft, ebenfalls vom hinteren Pol der Ohrkapsel kommend, wo sie mit der Prominentia semicircularis anterior und posterior zusammenstösst, vollkommen horizontal und parallel der Medianebene nach vorn und verliert sich vorn in der Gegend des Übergangs der Pars canalıcularis ın die Pars cochlearis. Sie trennt die medial-obere von der medial-unteren Fläche. Etwa an der Grenze ihres hinteren Drittels ist ihre Wandung von dem kleinen, aus dem Innenraum der Ohrkapsel herausführenden Foramen endolymphaticum durch- bohrt, an welches sich nach hinten eine kurze Rinne anschliesst, die zu einer nahe dem hinteren Kapselpol gelegenen grösseren, ins Innere der Ohrkapsel führenden Lücke leitet. In der Rinne verläuft das Endstück des durch das Foramen endolymphaticum durchgetretenen Ductus endolymphaticus, der sich rasch zu einem kleinen Saccus endolymphaticus erweitert, und jene hintere Lücke hat nur die Bedeutung einer unter dem Druck des eng anliegenden Saccus endolymphaticus in der Verknorpe- lung zurückgebliebenen Partie der Öhrkapselwand. Die über der Prominentia cruris communis sich erhebende Anatomische Hefte. I, Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 29 442 M. VOIT, medial-obere Fläche ist etwa in einem Winkel von 45° nach oben und aussen geneigt, bildet also damit schon ebensowohl einen Boden- als einen Seitenwandabschnitt des Cavum cranii (speziell für die seitlichen Teile des Kleinhirns). Ihr oberer Rand ist durch die auf der Innenfläche noch deutlicher als auf der äusseren vorspringende Prominentia semicircularis anterior gebildet, ihre vordere Grenze durch eine wie auf der Aussenfläche so auch hier nur undeutlich vorspringende Pro- minentia utriculoampullaris superior und durch den Übergang in die Pars cochlearis der Ohrkapsel. Die ganze zwischen Prominentia semicircularis anterior und Prominentia cruris communis gelegene Fläche ist nun zu einer tiefen Fossa subarcuata anterior eingesunken; diese ist es nament- lich, die den vorderen Bogenwulst auf der Innenfläche so scharf hervortreten lässt; nach vorne zu, gegen die Prominentia utri- culoampullaris superior, wird sie allmählich seichter. An den Schnitten (Fig. 25) lässt sich erkennen, dass die Aushöhlung des Knorpels noch im Fortschreiten begriffen ist, da unter dem an sich schon tief eingewölbten Perichondrium der Knorpel noch weiterhin in Auflösung sich befindet, derart, dass unter Verschwinden der Grundsubstanz ein lockeres, gallertiges Ge- webe auftritt. Es ist auf diese Weise die ventral von der Pro- minentia semicireularis anterior gelegene Knorpelmasse (ein Teil der Massa angularıs) auf eine Strecke weit zu einer schwachen Knorpelplatte reduziert. Die medial-untere Fläche der Pars canalicularıs ıst nur zum kleinen Teil von der Innenseite her sichtbar; grösstenteils schaut sie gegen die ventral von ihr gelegenen Partien des Oceipitalpfeilers (speziell die Lamina alaris desselben [Fig. 25]) und bildet so in diesem Abschnitt das Dach eines schmalen, von innen her zugänglichen Spaltraumes, des Recessus supraalaris, der im Bereiche der Fissura capsulo-occi- pitalis posterior nach aussen durchgängig, in seinem vorderen Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 443 (Gebiete aber durch die Verwachsung des seitlichen Randes der Lamina alarıs mit der Ohrkapsel lateral abgeschlossen ist und sich ceranıalwärts direkt in den Recessus jugularis’ fort- setzt; medial, d. h. gegen die Schädelhöhle zu, erweitert sich diese Spalte zum Sulcus sigmoideus, in dem der venöse Sinus sigmoideus nach vorn verläuft, um im Gebiete des Recessus jugularıs als Vena jugularis nach aussen zu ireten. Im hinteren Abschnitt bildet die Prominentia semicircularis posterior die seitliche Begrenzung der medial-unteren Öhr- kapselfläche und hier ist die letztere medial von dieser Pro- minenz zu einer ziemlich tiefen, in die Massa angularis von unten her eindringenden Fossa subarcuata posterior eingebuchtet. Die vordere Hälfte der medial-unteren Fläche dagegen erscheint im ganzen leicht nach unten vorgewölbt zur/ Prominentia utrieuloampullaris inferior; diese entspricht dem im Innern liegenden gemeinsamen Hohl- raum für den Recessus utrieuli, die Ampulle des hinteren Bogen- ganges und die unteren Endstücke des hinteren und seitlichen bogenganges. Aus der vorderen, gleichzeitig etwas nach unten und aussen gerichteten Fläche der Pars canalicularıs geht nun die (Fig. 1, 3, 5) Pars cochlearis hervor; doch nimmt dieselbe mit ihrer Wurzel nicht jene ganze vordere Fläche ein, sondern nur deren medial-unteren Abschnitt, d. h. die Wurzel der Pars cochlearis wird sowohl oben (durch die Prominentia utriculo- ampullaris superior), als auch seitlich (durch die Prominentia semicircularis lateralis) überragt. Von diesen die Wurzel der Pars cochlearis überragenden Teilen gehen verschiedene Fort- sätze aus, welche zum Teil mit der Pars cochlearis sich ver- binden, zum Teil an ihrer lateralen Seite frei nach vorne ragen; wir werden auf dieselben erst nachher zu sprechen kommen. Die Pars cochlearis (Fig. 1 u. 2) erstreckt sich: als seitlich leicht abgeplatteter Cylinder neben der Basalplatte vor- 29* 444 M. VOIT, medialwärts und endet vorne, ventral vom. Foramen caroticum mit kuppelförmigem Abschluss. Sie birgt von Teilen des häutigen Labyrinthes im wesentlichen den Sacculus und den Ductus cochlearis und lässt deutlich zwei verschiedene Ab- schnitte unterscheiden. Ihre hintere Hälfte ist durch die An- wesenheit einer Anzahl von Öffnungen charakterisiert, an der Seitenwand die Fenestra vestibuli, an der Unterfläche das Foramen perilymphaticum, an der medialen Wand die beiden Foramina acustica, die alle in den als Vestibulum bezeichneten Abschnitt des Innenraumes führen; es wäre daher meines Er- achtens nicht unangebracht, diesen Abschnitt der Pars anterior der Ohrkapsel mit dem Namen „Pars vestibularis“ zu be- zeichnen, ein Name, mit dem bisher stets die gesamte Pars posterior (von mir hier auch Pars canalicularis genannt) belegt wurde. Die vordere allseitig geschlossene und nur den auf- gewundenen Teil des Schneckenganges bergende Hälfte der Pars anterior wäre dann als „Pars cochlearis“ im engeren Sinne zu bezeichnen. Ich werde näher auf die Nomenclatur der Ohrkapsel im zweiten, kritischen Teile der vorliegenden Arbeit eingehen. Die Seitenwand des vestibulären Abschnittes trägt die ziemlich grosse, ovale, mit ihrer Längsachse horizontal gestellte Fenestra vestibuli, die von der Fussplatte des Stapes ver- schlossen wird. Der ventral von der Fenestra vestibuli, zwischen ihr und dem Foramen perilymphaticum gelegene Streifen der Knorpelwand, das Promontorium, ist stark nach der Seite vorgebuchtet (Fig. 3); ihm liegt innen der vestibuläre Anfangsteil des Ductus cochlearis nahe an. Diese Vorbuchtung setzt sich dann als deutliche Prominentia cochlearis inferior auch auf den vorderen Teil der Schneckenkapsel fort (Fig. 2) und erstreckt sich in langgezogener Spirale von der seitlichen über die untere Fläche bis zur vorderen Kuppel der Ohrkapsel, in deren Rundung sie sich verliert; eine zweite Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 445 kleine, etwas höher oben gelegene Vorbuchtung am vorderen Teile der Schneckenkapsel, Prominentia cochlearis superior, entspricht der zweiten Windung des Ductus coch- learıs. Eine vom vorderen Rand der Fenestra vestibuli nach unten und vorn ziehende seichte Furche, Sulcus septalis, gibt eine Strecke weit die Ansatzlinie des im Innern ein- springenden Septum spirale an. Sie trifft unten mit einer anderen, eben nur angedeuteten Furche, dem Sulcus caro- ticus, zusammen, der an der vorderen Kuppel der Ohrkapsel ansteigt und zur Aufnahme der Arteria carotis interna dient. Ein kleines leicht abgeflachtes oder leicht eingebuchtetes Feld über der Prominentia cochlearis superior bildet als Fovea muscularıs major die Anlagerungsstelle für den M. tensor tympanı. Auf den ebenfalls der Seitenwand angehörigen Sulcus facialis werden wir später erst zu sprechen kommen. Die Ventralfläche des ‚„vestibulären‘‘ Abschnittes der Schneckenkapsel zeigt das grosse Foramen perilympha- tıcum (Fig. 23 u. 24), Wie schon früher erwähnt, bildet der diese Öffnung tragende Teil der Schneckenkapsel das Dach des von der Lamina alaris des Occipitalpfeilers unterfangenen Recessus jugularis, ist also in Fig. 3 durch die Lamina alaris des Ocecipitalpfeilers verdeckt. Die Öffnung selbst befindet sich genau in dem von E.Fischer bei Semnopithecus beobachteten Stadium der beginnenden Aufteilung in das Foramen coch- leae (sensu stricto) (Foramen rotundum) und den Aquaeductus cochleae durch einen von ihrem Voder- rand nach rückwärts einspringenden knorpeligen Fortsatz, den wir vielleicht Processus intraperilymphaticus nennen können (Fig. 23). Die Fenestra ist durch .liesen Fort- satz vorn in eine laterale und mediale Abteilung getrennt, hinten aber noch einheitlich; die laterale und die einheitliche hintere Öffnung ist durch eine straffgespannte derbe Membran abge- schlossen (Fig. 23 u. 24), die später im wesentlichen zur Mem- 446 M. VOIT, branatympanısecundaria wird; im Gebiete des medial- vorderen Abschnittes ist die Verschlussmembran nicht straff gespannt, sondern senkt sich nach abwärts und bildet so die Wandung des Saccus perilvmphaticus, der sich nach unten und hinten vorstülpt, um sich über den Ganglien des Glossopharyngeus und Vagus hinweg medialwärts bis zum Duralsack zu erstrecken und sich hier in den subduralen Lymphraum zu öffnen (Fig. 23 u. 24); durch den vordersten Winkel der medialen Abteilung der Fenestra tritt ausserdem ein kleines Gefäss, das venöses Blut aus der Schneckenkapsel zur Vena jugularis führt. Da infolge der etwas schrägen Stellung der vorderen Fläche der Pars canalicularis die Pars coch- learis seitlich und unten weiter nach hinten reicht als innen und oben, so liegt die Fenestra perilymphatica, die mit ihrem Hinterrand bis dicht an die Pars canalicularis heranrückt, weiter caudal als die Fenestra vestibuli. Die Ventralfläche des vorderen Teiles der Schneckenkapsel mit. der Prominentia cochlearis inferior haben wir oben bereits besprochen. Die mediale Fläche der Pars cochlearis (Fig. 1 u. 5) biegt in ihrem hinteren Abschnitt, d. h. im Gebiete des Foramen jugulare unten direkt in die ventrale, die Fenestra perilymphatica tragende Fläche um; vor dem Foramen jugulare findet sie ihre ventrale Begrenzung durch den in sanfter Bogenlinie erfolgenden Übergang in die Basalplatte. Nach vorne wird die mediale Fläche allmählich niedriger und verschwindet schliesslich ganz, so dass der vorderste Abschnitt der Basalplatte vor der Fissura basicochlearis direkt in die Deckenpartie der Pars cochlearis übergeht, die vordere Kuppel der Ohrkapsel sich also unter dem Niveau der Basalplatte befindet. In ihrem hinteren vesti- bulären Gebiete ist nun die mediale Fläche der Pars cochlearis von den Foramina acustica durchbohrt (Fig. 5). Das kleinere Foramen acusticum superius, für den zum Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 447 Utrieulus, den Ampullen des vorderen und seitlichen Bogen- ganges, sowie zum vorderen Teile des Sacculus ziehenden pberen Acusticusast bestimmt, liegt höher oben, dicht unter der Wurzel der gleich nachher zu besprechenden Commissura suprafacialis. Eine Strecke weit ventral davon befindet sich das grössere, etwas in die Länge gezogene Foramenacusti- cum inferius für den zur Ampulle des hinteren Bogen- ganges, zum hinteren Teil des Sacculus, sowie zur Schnecke ziehenden unteren Ast des Hörnerven. Ein zwischen diesen beiden Foramina gelegenes, resp. dieselben noch mit ent- haltendes annähernd kreisförmiges Feld der medialen Kapsel- wand ist zu einer flachen, aber deutlich ausgeprägten Nische gewissermassen eingesunken, dem noch ganz seichten Meatus acusticusinternus (Fig. 1). Die untere Begrenzung dieser Nische wird durch den ventralen Rand des Foramen acusticum inferius gebildet, die obere aber durch die Commissura suprafacialis, auf deren Besprechung wir jetzt eingehen müssen. Vom vordersten Abschnitt der Pars posterior der Ohr- kapsel, direkt unterhalb der Prominentia utriculoampullaris posterior und dicht über dem Foramen acusticum superius ent- springend, zieht dieselbe als freie rundliche Knorpelspange nach vorn und geht in den Deckenabschnitt des vorderen Teils der Pars cochlearis über. Sie überbrückt den lateralwärts ziehenden N. facialis, bildet also mit dem unter ihr gelegenen Teil der Schneckenkapsel das Foramen faciale, resp. den ganz kurzen primären Facialiskanal. Da, wie wir vorhin erwähnten, die suprafaciale Commissur die obere Begrenzung des Meatus acusticus internus bildet, so lieg auch der Eingang in den Facialiskanal in der Tiefe des Meatus. Letzterer selbst wird im wesentlichen von dem grossen, flachen Ganglion vestibulare des Acusticus eingenommen. Der laterale Boden des Meatus acusticus internus setzt sich unten etwas in das (rebiet des Foramen acusticum inferius fort, so dass dieses nicht als ein- 448 M. VOIT, fache: Lücke, sondern als ein nach unten in den Innenraum der Ohrkapsel führender kurzer spaltförmiger Kanal erscheint. Auch eine allerdings nicht sehr breite obere Fläche der Schneckenkapsel ist vorhanden. Ihr hinterer Abschnitt wird medial durch die Commissura suprafacialis begrenzt, lateral durch die sich direkt anschliessende Knorpelplatte des Tegmen tympanı, das hier, wie wir unten sehen werden, von einem Foramen faciale secundarium durchbohrt ist. In diesem, zwischen dem inneren und äusseren Facialisloch befindlichen leicht vertieften Gebiete ist das Ganglion geniculi des Facialis gelegen; wir wollen es daher als Fovea genicularis be- zeichnen. Nach vorn schliesst sich dann auf dem vorderen Teil der Pars cochlearis ein schmales abgeflachtes Feld an, Planum supracochleare, das mit abgestumpfter Kante in die mediale Fläche übergeht, gegen die laterale Fläche aber durch eine von der Insertion des Tegmen tympani nach vorn ziehende schärfere Kante abgegrenzt erscheint; cranialwärts setzt sich die flache Decke der Pars cochlearis in gleicher Ebene in die Commissura alicochlearis, sowie in den vor der Fissura basicochlearis gelegenen vordersten Teil der Basal- platte fort. Nun sind noch die komplizierten Fortsatzbildungen zu be- sprechen, welche sich von den vorderen und lateralen Teilen der Pars canalicularıs nach vorn erstrecken (Fig. 3). Vom vordersten obersten Gebiete der Pars canalicularis, d. h. von der lateralen Seite der nur wenig deutlich ausgeprägten Promi- nentia utriculoampullaris superior, entspringt das schon ge- nannte Tegmen tympani, das als leicht gewölbtes schirm- förmiges Dach ziemlich weit nach lateral und oben vorspringt (Fig. 2 u. 3). Dasselbe steht an seiner dorsalen Wölbung in kontinuierlichem Zusammenhang mit der Commissura capsulo- parietalis; es wurzelt aber nicht nur an der Pars canalicularis, sondern erstreckt sich noch weiter nach vorn und steht hier Tafel 35. Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). b f — — — — Nasale Foram, epiphan. Zen Crista galli For. eribroethm.- —-—— —- Io777 \ Comm. sphenoethm. — -—— — — n Crista intereribrosa - — 1 Fiss. orbitonas. -— — — — —— 4 eye: Frontale Sept. interorbitale Alaworbitalig-— —— u 52 ==Palatinum / __Fossa hypophys. Lam. pteryg.--- —--7 =. ; —— JPSRZ> Lam, asc. alae temp. -- =? : = — oo Parasphenoid. | Proc. alar.. -—-— —-—-— 7 S ? | — — — — — For. earotie. | Dorsum sellae=— 2275 ’ er. Re zu 8 Comm. alieochl.— —— — + ER N h 3 Tympanie. Fiss. basicochl.-- — — — 2 Plan. supracochl. — —— Een pasal Comm. suprafaeial. -—— — — (Basioceip.) Meat. audit. int. — — —- | — — — —Squamosum Comm. espsulo-pariet. -—— ! \ ; 2 SB Me f A — — — — — — Parietale Hor hypogl, = = Fiss. capsulo-pariet. Fossa subareuata-— = For. endolymph.—---- - — —Interparietale Ineis. oceip. Sup. Tectum post. Fig. 1. Voit. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 449 mit der Pars cochlearis, und zwar mit dem lateralen Rand des Planum supracochleare derselben, in Verbindung. Wo es von der Pars canalicularis auf die Pars cochlearis übergreift, wird es vom N. facialis durchbehrt und enthält also ein Foramen facialeexternums. secundarium, d.h. einen kurzen äusseren knorpeligen Facialiskanal, der aus der Fovea geni- cularis lateralwärts in das Gebiet der späteren Paukenhöhle führt; erst die äussere Mündung dieses Kanales ist als Aper- tura tympanica canalis facialis zu bezeichnen. An die vordere Insertion des Tegmen tympanı an der Schneckenkapsel schliesst sich, wie schon oben erwähnt, jene Kante an, welche die abgeflachte obere von der seitlichen Fläche der Schneckenkapsel trennt. Im seitlichen Anschluss an diese Kante und an den vorderen Rand des Tegmen tympanıi lässt sich noch eine jungknorpelige und weiter vorn erst vorknorpelige Gewebsplatte verfolgen, welche das lateralwärts vorragende Dach des Tegmen tympani nach vorn verlängert; wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, dass hier die Bildung des Tegmen tympani noch im weiteren Vorschreiten be- griffen ist. An seinem hinteren unteren Ende trifft das Tegmen tym- pani mit einer zweiten, nicht minder ausgeprägten Fortsatz- bildung zusammen, die wir in ihrer Gesamtheit als hoch- entwickelte Crista parotica bezeichnen können (Fig. 3). Vom Vorderrand der Prominentia semicircularis lateralis aus ragt dieselbe als ziemlich breite Platte seitlich von der Schneckenkapsel nach vorn. Sie setzt sich oben, nachdem sie mit dem unteren Ende des Tegmen tympani zusammengetroffen, in die niedrige Crista facialis fort, die bis zur Apertura tympanica canalis facialis zu verfolgen ist, in deren oberem Rand sie endet. Unterhalb des Zusammentrittes mit dem unteren Rande des Tegmen tympani beginnt die Crista parotica stärker vorzuspringen; hier ist mit ihrem Vorderrand, und zwar mit 450 M. VOIT, der medialen, gegen die Schneckenkapsel sehenden Fläche des- selben das obere Ende des Hyalknorpels homokontinuier- lich verschmolzen, welcher dann von hier aus als schlanker rundlicher Knorpelstab nach abwärts läuft. Direkt caudal von diesem Zusammenhange sendet die nun bereits breit gewordene Platte der Crista parotica einen schlanken, stabförmigen Fort- satz nach vorn, den Processus mastoideus. Derselbe legt sich von aussen dicht an das Hyale an und begrenzt mit demselben das enge Foramen stylomastoideum (primi- tivum). Unten läuft die Crista parotica einerseits in eine flache Leiste an der vorderen Seite der Prominentia utrieuloampullaris inferior, unter dem hinteren Rand der Fenestra perilymphatica aus, die mit freiem vorderen Rand in den Recessus jugularis ragt, andererseits hängt sie breit mit dem Processus alaris des Oceipitalpfeilers zusammen. An jenen freien Rand setzt sich später der nach hinten auswachsende Processus intra- perilymphaticus an. Durch die geschilderten Fortsätze, die in ihrer Gesamt- heit das Dach, die Hinterwand und teilweise auch die Seiten- wand eines nach vorn und aussen offenen Raumes bilden, den wir als den primordialen Anteil der Paukenhöhle bezeichnen können, werden im einzelnen einige wichtige Gebiete an der vorderen Fläche der Pars canalicularis, resp. der äusseren Fläche der Pars cochlearis abgegrenzt. Die zwischen Crista facialis und Tegmen tympani gelegene, von letzterem über- wölbte Grube ist zur Aufnahme von Hammer und Amboss be- stimmt; wir wollen sie, da sich in dieses Gebiet hinein nach van Kampen später der Recessus epitympanicus der Pauken- höhle entwickelt, als Fovea epitympanica bezeichnen; nach hinten zu vertieft sie sich zu der den kurzen Fortsatz des Amboss aufnehmenden Fossa incudis. Die unter der Crista facialis, zwischen ihr und der Fenestra vestibuli ver- laufende Furche ist als Sulcus facialis zu bezeichnen; 451 derselbe beginnt mit der Apertura tympanica canalıs facialıs und setzt sich nach unten in den seitlich von der Crista parotica gedeckten Raum fort; der oberste Abschnitt des letzteren bis zum Foramen stylomastoideum ist durch den Hyalknorpel auch nach vorne nahezu abgeschlossen. Ein oberer Teil des von der Crista parotica gedeckten Gebietes dient dem M. stapedius zum Ursprung und ist demgemäss als Fossa muscularis minor zu bezeichnen. Der untere Abschnitt der hinter der Crista parotica gelegenen Grube ist besonders tief, weil hier die Knorpelwand medial von der Prominentia semicireularis lateralis zu einer in die Massa angularis eindringenden Fossa subarcuata lateralis eingesunken ist. In Kürze ist nun noch der Binnenraum der Ohrkapsel zu beschreiben (Fig. 21-25). Deutlich lässt auch dieser einen in der Pars anterior gelegenen vorderen und einen in der Pars posterior enthaltenen hinteren Abschnitt unterscheiden, von denen jener wieder in das Cavum vestibulare und cochleare, dieses in das Cavum utriculoampullare und die Räume für die Bogengänge (inkl. Crus commune) gegliedert ist. Das Cavum vestibulare erfüllt den ganzen hinteren vestibulären Abschnitt der Schneckenkapsel und nimmt die Öffnungen der Foramina acustica, lenestra vestibuli und Foramen perilymphaticum auf. An den Rändern dieser Öff- nungen sind nun noch verschiedene Besonderheiten zu be- merken. Der hintere Rand des Foramen perilymphaticum ist nach oben gegen den Hohlraum eingebogen und grenzt dadurch das hinter ihm in der Pars posterior der Ohrkapsel gelegene Cavum utriculoampullare inferius nach vorne gegen das Cavum vestibulare ab. Auch der mediale Rand des Foramen peri- Iymphaticum ist nach oben eingekrempelt, dann aber wieder etwas lateralwärts gebogen, so dass er über dem lateralen Teil des Foramen gleichsam ein kleines Dach bildet, unter dem der Saccus perilymphaticus durchtritt (Fig. 23). Schon erwähnt M. VOIT, 452 haben wir die merkwürdige kanalförmige Gestaltung des Foramen acusticum inferius, die dadurch zustande kommt, dass die den oberen Rand des Foramen bildende Bodenplatte des Meatus acusticus internus sich gewissermassen an der den unteren Rand tragenden Partie der Kapselwand vorbeischiebt und eine kleine Strecke weit wie ein Vorhang in den Binnen- raum herunterhängt (siehe V oit, 1907, Fig. 2). Indem diese einragende Platte sich auch noch hinter dem Foramen etwas fortsetzt und eine Strecke weit mit dem eingekrempelten Rand der Fenestra cochleae verbindet, schliesst sie einen feinen Kanal ab, der von der hinteren Ecke des Foramen acusticum inferius nach hinten und abwärts in das Cavum utriculoampullare in- ferıus führt und für den zur Ampulle des hinteren Bogenganges ziehenden Nerv bestimmt ist (Fig. 23u. 24). Auch vorn setzt sich die ins Lumen einragende Bodenplatte des Meatus nach innen fort in das knorpelige Septum spirale (Fig. 22.u. 21), das in vorwärts ziehender Spiraltour von der oberen, dann seitlichen und schliesslich unteren Wand mit allmählich ab- nehmender Höhe in den Hohlraum der Pars cochlearis einragb und so zuerst das Cavum vestibulare, dann den Raum der ersten Schneckenwindung gegen den noch einheitlichen Raum der zweiten Schneckenwindung abgrenzt. Der zwischen oberem und unterem Foramen acusticum gelegenen Wandstrecke liegt der Sacculus, der gegenüberliegen- den, zwischen Fenestra vestibuli und Fenestra cochleae be- findlichen der vestibuläre Teil des Ductus cochlearis dicht an; nach vorn setzt sich dann der Schneckengang unterhalb des Septum spirale in den vorderen Teil der Pars cochlearis fort. Ein kontinuierlicher bindegewebiger Zug, der von der Gegend des Foramen acusticum inferius zum Ductus cochlearis ver- läuft und die Ausbreitung der Fasern des N. cochlearis, sowie das Ganglion spirale enthält (Fig. 23), trennt eine obere und untere Abteilung des Cavum vestibulare voneinander, in welchen Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 453 nur lockeres Bindegewebe sich findet, dessen Lückensysteme eben im Begriffe stehen, zu grösseren Hohlräumen zusammen- zufliessen und so das obere Cavum perilymphaticum vestibulare (Scala vestibuli) und das untere Cavum perilymphaticumtympanicum (Scala tympani) zu bilden; das letztere ist es, das sich im lateralen Gebiet des Foramen perilymphaticum durch die Membrana-tymp. sec. ab- grenzt und sich in den durch die mediale Abteilung des Foramen perilymphaticum austretenden Saceus perilymphaticus fortsetzt (Fig. 23), während natürlich nur das erstere in Beziehung zur Fenestra vestibuli tritt. Nach vorne zu lässt sich die Scala vestibuli erst über der ersten halben Windung des Ductus cochlearis verfolgen, die Scala tympani unter dem Ductus noch weniger weit. Der Hauptraum des in der Pars posterior der Ohrkapsel enthaltenen Hohlraumsystems wird durch das natürlich mit dem Cavum vestibulare zusammenhängende, mehr in dorso- ventraler Richtung ausgedehnte Cavum utriculoampul- lare gebildet. Dasselbe besteht aus einer grösseren dorsalen Aussackung, Recessus utriculoampullaris supe- rior, die sich in dem die Wurzel der Pars cochlearis über- ragenden Gebiete befindet und den Recessus utrieuli, sowie die Ampullen des vorderen und seitlichen Bogenganges ent- hält, einem schmäleren Zwischenstück und einer unteren, wie schon erwähnt, durch den aufgekrempelten Hinterrand der Fenestra cochlearis nach vorn abgegrenzten Ausweitung, Re- cessus utriculoampullaris inferior, welche den innteren Teil des Utrieulus und die Ampulle des hinteren Bogen- ganges birgt und ausserdem sich nach der Seite zu in eine flache Tasche fortsetzt, in der das untere Endstück des seit- lichen und das ampulläre Endstück des hinteren Bogenganges gemeinschaftlich enthalten sind (Fig. 25). Von dem oberen Raume gehen die Knorpelkanäle für die ampullären Enden des 454 M. VOIT, vorderen und lateralen Bogenganges, vom unteren ausser den schon erwähnten Kanälen für den hinteren und seitlichen Bogen- gang auch noch jener für das Crus commune aus. Den Ver- lauf dieser Kanäle haben wir, da er in dem äusseren Relief der Ohrkapsel deutlich zum Ausdruck kommt, bei der Beschrei- bung der Aussenfläche derselben schon genügend besprochen. Das ganze von den weit ausladenden Kanälen umschlossene Gebiet ist von einer dicken soliden Knorpelmasse, der Massa angularis, ausgefüllt, an deren Kanten also nun die Kanäle verlaufen (Fig. 25); die Massa angularis wird jedoch von aussen her wieder stark eingeengt durch die unter den drei Bogen- gängen einsinkenden Fossae subarcuatae. Noch ist zu er- wähnen, dass die mediale Wandung des Canalis cruris com- munis von einem feinen, schräg nach hinten und medial ver- laufenden Kanälchen durchbohrt ist, das den Ductus endo- Iymphaticus nach der Schädelhöhle durchlässt (Fig. 25); die Mündung desselben an der cerebralen Fläche, das Foramen endolymphaticum, seine hintere Fortsetzung durch eine Rinne, sowie die durch Anlagerung des Saccus endolymphaticus erzeugte Lücke im hinteren Gebiet des Canalis cruris com- munis haben wir bereits besprochen. Der Utrieulus und die häutigen Bogengänge sind im vor- liegenden Stadium von der Knorpelwand allseits durch einen schmalen, von lockerem Bindegewebe durchzogenen Zwischen- raum getrennt; ein zusammenhängender perilymphatischer Hohl- raum hat sich hier noch nirgends ausgebildet. Die über dem dorsalen Rande der Pars canalicularıs sich erhebende Lamina parietalis (Fig. 3 u. 5) geht caudal ohne deutliche Grenze sowohl in das Tectum posterius als in den oberen Teil des Oceipitalpfeilers über und an dieser Stelle findet sich ein schmaler Zusammenhang mit der Ohr- kapsel, dicht lateral von deren hinterer Kuppel; vorn setzt sich die Parietalplatte direkt in die Commissura orbito- Das Primordialeraninm des Kaninchens etc. 455 parietalis fort und steht hier auf eine längere Strecke durch dieCommissuracapsuloparietalis mit dem vordersten Teil (der Prominentia utriculoampullaris superior) der Pars canalicularis, sowie mit dem von hier ausgehenden Tegmen tympani und durch dessen Vermittlung auch mit der Pars coch- learis in Verbindung. Zwischen diesen beiden Zusammenhängen ist ıhr unterer Rand von dem durch die Prominentia semi- circularis anterior gebildeten oberen Rand der Ohrkapsel durch die hinten schmale, vorn etwas breiter werdende Fissura capsuloparietalis (For. jugul. spurium, Fischer) ge- trennt. Diese Lücke, die in ihrem hinteren Abschnitt noch be- sonders dadurch charakterisiert ıst, dass der untere Rand der Parietalplatte seitlich über den Dorsalrand der Ohrkapsel etwas übergreift, ist grösstenteils bindegewebig verschlossen (Fig. 25); nur durch den vorderen, erweiterten Teil tritt ein vom Unter- rand des Os parietale kommender Venenast nach innen, um in den hier die Ohrkapsel umziehenden Venensinus zu münden. Die Parietalplatte ist während ihres ganzen bogenförmigen, d. h. aus vorne sagittaler in hinten fast frontale Stellung um- biegenden Verlaufes ungefähr senkrecht gestellt; doch ist im vorderen (rebiete (entsprechend der hier unter dem Kinfluss des Hemisphärenhirns erfolgten stärkeren Auswölbung des ganzen Schädelraumes) ihr oberer Rand leicht nach aussen, im hinteren Gebiete leicht nach innen resp. vorn umgebogen. Die Grenze zwischen diesen beiden Abschnitten wird durch eine ziemlich scharfe, nahezu horizontal verlaufende, nach innen einspringende Knickungslinie markiert (Fig. 1, 3, 5); diese entspricht dem hinteren Rand des Os parietale, das, wie wir später sehen werden, den vorderen Teil der Parietalplatte von aussen her bedeckt. In dem vom Scheitel- bein belegten Gebiete ist der obere Rand der Parietalplatte unregelmässig ausgezackt; es macht den Eindruck, als ob hier schon unter dem Einflusse des Deckknochens die Reduktion des Knorpels im Gange wäre (Fig. 3, 5). 456 M. VOIT, Das Tectum posterius (Fig. 1—4) stellt eine ziem- lich schmale, senkrecht stehende Knorpelplatte dar, die eine vordere und hintere Fläche, einen oberen und unteren Rand besitzt. Sie hängt, wie erwähnt, beiderseits mit den Ohr- kapseln, mit den Parietalplatten und den Oceipitalpfeilern zu- sammen. Ihr unterer Rand bildet mit dem medialen (dorsalen) Rand des Oceipitalpfeilers (im Gebiete der Incisura occipitalis posterior) einen rechten Winkel; ebenso ist ihr oberer gegen den medialen (oberen) Rand der Parietalplatte rechtwinkelig abgesetzt. Das Tectum posterius ist auf beiden Seiten von perichon- dralen Knochenplättchen überlagert (Anlage des Supraocci- pitale). Ebenso setzt sich vom occipitalen auf den oticalen Teil der Basalplatte die Anlage des Basioccipitale als beiderseitige perichondrale Knochenlamelle fort. Wir wollen nun noch einige Worte über Nerven und Gefässe der Ohrregion anfügen. Wir haben schon er- wähnt, dass die Nervi Glossopharyngeus, Vagus und Accessorius nach ihrem Durchtritt durch das Foramen Jjugu- lare zunächst in den flachen, zwischen Ohrkapsel und vorderem Abschnitt der Flügelplatte des Occipitalpfeilers gelegenen Re- cessus jugularis gelangen und erst dann über den vorderen concaven Rand der Lamina alaris nach unten treten (Fig. 24, 23). Noch im Gebiete des Recessus jugularis liegt das Ganglion jugulare des Vagus, bereits ausserhalb desselben das Ganglion petrosum glossopharyngei und das Ganglion nodosum vagı. Der Vagus entsendet noch im Gebiete des Recessus seinen Ramus auricularis, der sich über Glossopharyngeus und Vena jugularis hinweg medial vom Processus mastoides zum Foramen stylomastoideum wendet, durch das er, caudal vom N. facialıs, hindurchtritt. Der N. tympanicus zieht, vom Ganglion petrosum glossopharyngei kommend, vor der Fenestra vestibuli an der Seitenwand der Schneckenkapsel ansteigend, medial am Tensor Das Primordialeranıum des Kaninchens etc. 457 tympanıi vorbei, nach vorn und oben zum Ganglion oticum. Der N. facıalıs (verbunden mit dem Intermedius) zieht, wie schon erwähnt, zuerst unter der Commissura suprafacialis hindurch auf die obere Fläche des vestibulären Abschnittes der Schneckenkapsel. Hier, im Gebiete der Fovea genicularis, entwickelt er, resp. die Portio intermedia, die, wie sich deut- lich verfolgen lässt, sich in halber Spiraltour von der hinteren über die obere allmählich an die vordere Fläche des Facialis- stammes begeben hat, das Ganglion geniculi und entsendet nach vorne den N. petrosus superficialis major. Dann tritt der Facialis durch das Foramen faciale externum hindurch und gelangt so, aus der Apertura tympanıca canalıs facıalıs austretend, in das Gebiet der späteren Paukenhöhle. Er ver- läuft nun im Suleus facıalıs, also über dem Stapes-Incusgelenk, dann über die laterale Seite des M. stapedius nach hinten und unten und tritt durch das Foramen stylomastoideum nach aussen. Hier gibt er gleich die Chorda tympanı ab. Diese wendet sich sofort um den obersten Teil der Hyalspange nach vorn und innen und verläuft (Fig. 22 u. 21) entlang der oberen Kante der epithelialen Paukentasche, unterhalb des Stapes-Incus- gelenkes nach vorn, gelangt (Fig. 9) an die mediale Seite des verbreiterten Teiles des Hammerhandgriffes, schlingt sich hier dicht um die Insertionsstelle der Tensorsehne von unten nach vorn herum; dann steigt sie an der medialen Seite des Corpus mallei, dessen senkrechter vorderer Kante folgend, nach oben und gelangt so an die medial-untere Seite des Meckelschen Knorpels; indem sie von der medialen Seite her die knöcherne Anlage des Processus folianus, das noch sehr kleine Goniale durchbohrt, gelangt sie zwischen Goniale und Meckelschen Knorpel und zieht dann entlang der medialen Seite des letzteren nach vorn und abwärts bis zu ihrer Vereinigung mit dem N. lingualis. Der N. petrosus superficialis major läuft von der Fovea genicularis aus über die obere Fläche der Capsula coch- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd, H. 3). 30 458 M. VOIT, learis, medial überlagert vom hinteren Teil des grossen Ganglion semilunare trigemini, nach vorn (Fig. 20); an der vorderen Kuppel der Ohrkapsel, lateral von der: Commissura alicochlearis, ver- lässt er erst den Innenraum des Knorpelschädels, indem er sich über die laterale Kante der Commissura alıcochlearis auf deren ventrale Seite wendet; hier läuft er medialwärts (Fig. 19), ver- einigt sich mit einem von der Carotis interna kommenden sym- pathischen Faden (Petrosus profundus major) und zieht dann als N. parabasalis (Fig. 15 u. 17) an der Unterseite des Pro- cessus alarıs, medial vom Processus pterygoideus der Ala tem- poralis und dorsal vom Os parasphenoideum vorwärts zu dem auf der lateral-oberen Fläche des Os palatinum gelegenen Ganglion sphenopalatinum (Fig. 17 u. 16). Der N. acusticus lässt die beiden bekannten Abtei- lungen erkennen, den N. vestibularis und N. cochlearis. Der N. vestibularis ist mit dem grossen, flachen, den Grund des Meatus acusticus internus einnehmenden Ganglion vestibulare versehen; vom oberen Teile desselben geht durch das Foramen acusticum superius ein Ramus superior zu den Cristae acusticae der Ampullen des vorderen und seitlichen Bogenganges, zur "senla acustica des Utriculus, ferner aber auch zum vorderen Teile der Macula acustica des Sacculus (ein Verhalten, das bisher für Säugetiere unbekannt war und auf das ich kürz- lich in einer kleinen besonderen Arbeit näher eingegangen bin); vom unteren Teile des Ganglion vestibulare zieht durch das Foramen acusticum inferius ein Ramus saccularis inferior zum hinteren Teile der Macula des Sacculus und ein Ramus am- pullaris posterior durch den beschriebenen, von der linteren Ecke des Foramen acusticum inferius zum Recessus utriculo- ampullaris posterior führenden eigenen Knorpelkanal (Fig. 23 u. 24) zur Ampulle des hinteren Bogenganges. Der N. coch- learis läuft medial neben dem Ganglion vestibulare vorbei, tritt unter demselben durch das Foramen acusticum inferius Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 459 ein, strahlt dann fächerförmig innerhalb des schon geschilderten bindegewebigen Septums (zwischen Cavum perilymphaticum cochleare und Cavum perilymphaticum vestibulare) zum Ductus cochlearis aus, kurz vor welchem er das langgestreckte Ganglıon spirale entwickelt. Was den N. trigeminus anlangt, so ist hier einstweilen nur zu erwähnen, dass er dicht vor der Commissura supra- facialis in sein grosses Ganglion Gasseri übergeht; dieses liegt mit seiner hinteren Partie auf dem schmalen Planum supra- cochleare und erstreckt sich dabei nach hinten bis dicht an das Ganglion geniculi (Fig. 21); seine vordere Fortsetzung wird bei der Orbitotemporalregion zu besprechen sein. Ebenso werden wir dort erst auf den N. abducens eingehen. Von den Arterien der Ohrregion ist nur hervorzuheben, dass die Carotisinterna, von zwei sympathischen Nerven- stämmcehen begleitet, in dem seichten Sulcus caroticus an der Unterfläche und an der vorderen Kuppel der Pars cochlearis ansteigend zum Foramen caroticum verläuft, ferner dass die Arteria stapedia noch als ein ganz kleines, den Stapes- ring durchziehendes Ästchen vorhanden ist, das nicht mehr mit der Carotis interna, wohl aber nach vorne zu mit dem System der Carotis externa in Verbindung steht. Fin venöser Blutraum (Sinus sigmoideus) um- zieht an der Innenseite die ganze Pars canalieularis der Ohr- kapsel. Vom medianen Sinus sagittalis aus an der Innenfläche des Os parietale und der Lamina parietalis herabgestiegen, kommt er zunächst an die Fissura capsuloparietalis zu liegen, durch deren vorderen, erweiterten Teil er ein von aussen ein- dringendes, aus der Orbitalgegend kommendes Venenstämmehen aufnimmt. Er zieht dann, dicht an der Innenseite der Fissur, also längs des Dorsalrandes der Ohrkapsel, dann um die hintere ‘Kuppel der letzteren nach unten, darauf medial von der Fissura basicapsularis posterior nach vorn,: kommt in den medialen 30* 160 M. VOIT, Teil des zwischen Ohrkapsel und Lamina alaris des Occipital- pfeilers gelegenen Recessus supraalaris und tritt schliesslich durch den Recessus jugularis als Vena jugularisinterna lateral von den Nerven über den vorderen Rand der Lamina alarıs nach unten aus. An zwei Punkten konnte ich nun in der Öhrregion bei Vergleich der dem Modell zugrunde liegenden Serie mit etwas jüngeren und älteren Stadien wesentliche und interessante Ver- änderungen konstatieren, auf die wir jetzt noch in Kürze ein- gehen müssen. Wir werden im zweiten allgemeinen Teile unserer Ausführungen sehen, dass die ganze obere Fläche der Schneckenkapsel, die wir als Fovea genicularis und als Planum supracochleare beschrieben haben, ein erst bei den Säugern mit in den Schädelraum aufgenommenes, bei den Sauriern je- doch ausserhalb der knorpeligen Schädelkapsel gelegenes (e- biet darstellt; die laterale Schädelwand, wie sie bei den Sauriern besteht, würde an der Commissura suprafacialis interna und weiter nach vorn etwa an der medialen Kante les Planum supracochleare anzunehmen sein. Nun ist es ungemein inter- essant, dass sich bei einem jüngeren Kaninchenembryo (grösste Länge 43 mm) gerade an dieser Stelle Knorpelbildungen nach- weisen lassen, die wir daher mit grösster Wahrscheinlichkeit als Reste einer hier noch angelegten primären Seitenwand an- sprechen können. Ebensolche sind auch noch in der Orbito- temporalregion vorhanden. Ich habe daher nach der Schnitt- serie durch den Kopf dieses jüngeren Embryos, die ich als Serie II der dem Hauptmodell zugrunde liegenden Serie I gegenüberstelle, ein die Otical- und Orbitotemporalregion um- fassendes Modell angefertigt und gebe eine Abbildung desselben in Fig. 6; auch die Figuren 17—21 sind nach der Serie II ge- zeichnet. Wir sehen an Fig. 6, dass sich auf der linken Seite die suprafaciale Commissur dorsalwärts in eine nicht sehr hohe, dünne, das Ganglion geniculi und den hintersten Teil Das Primordialeranium des Kaninchens ete. 461 des Ganglion semilunare von der medialen Seite her deckende Knorpelplatte verlängert; auch auf der rechten Seite ist diese Platte, die wir als Restknorpela bezeichnen wollen, vor- handen, ist aber hier nicht homokontinuierlich, sondern nur durch Bindegewebe mit der Ohrkapsel verbunden. Nach vorn wird die Platte allmählich niedriger und findet ihr Ende kurz vor dem nach der Seite auf die Ohrkapsel tretenden mächtigen Stamm des N. trigeminus. Direkt vor dem Trigeminus aber tritt ein neues Knorpelplättchen, Restknorpel b, auf, das nun auf eine ziemlich lange Strecke der dorsomedialen Seite des Ganglion semilunare anliegt. Es ist beiderseits frei, d. h. mit der Ohrkapsel nicht homokontinuierlich verbunden; sein medial-ventraler Rand ist gegen die stumpfe mediale Kante des Planum supracochleare gerichtet, bleibt aber von derselben noch eine Strecke weit entfernt. Der Restknorpel b erstreckt sich noch bis an das Grenzgebiet der Orbitotemporalregion. und wird uns dort wieder beschäftigen. An Fig. 21 kommt der Knorpel a, an Fig. 20 der Knorpel b im Schnitte zur An- schauung. An der Modellserie I sind nur von dem vorderen Restknorpel b noch ganz schwache Andeutungen vorhanden; sie wurden am Modell nicht zur Darstellung gebracht. Auf die theoretische Bedeutung der merkwürdigen Bildungen wird im zweiten Teile der vorliegenden Arbeit ausführlich eingegangen werden. Stellen die geschilderten Knorpelchen a und b eine Eigen- tümlichkeit des Primordialeraniums im Stadium der Serie II dar, die an der dem Hauptmodell zugrunde liegenden Serie I nicht mehr vorhanden ist und meines Erachtens als Rest eines primitiven Zustandes aufzufassen ist, so möchte ich nun noch auf eine Veränderung und weitere Ausgestaltung eingehen, die das Knorpeleranium in der Öhrregion späterhin erfährt und die ich auf der Querschnittserie III (durch den Kopf eines 70 mm langen Kaninchenembryos) konstatiere. Hatten wir es 462 nad ae VOLL, dort mit Resten einer primären, so haben wir es hier mit der Ausgestaltung der secundären knorpeligen Schädelwandung zu tun. Wir hatten oben schon erwähnt, dass in der Serie I im Anschluss an das Tegmen tympani, nach vorne zu längs der lateralen Kante des Planum supracochleare eine vorknorpelige (ewebsplatte sich erstreckt und hatten die Vermutung aus- gesprochen, dass es sich hier um eine noch zu erwartende weitere Ausdehnung des Tegmen tympaniı handle. An den Schnitten der Serie Ill sehen wir nun diese Vermutung vollauf bestätigt. Wir ‘erkennen (Fig. 26 u. 27), dass das Tegmen tympani sich nach der Seite und längs dieser ganzen Kante nach vorne ausgedehnt hat und zu einer in Verlängerung des Planum supracochleare seitlich fast horizontal vorragenden Platte geworden ist. Dieselbe reicht bis über den Meckel- schen Knorpel, kommt bis nahe an den unteren Rand des Parietale und Squamosum und vervollständigt so den Abschluss eines grossen hinteren Teiles der Fenestra sphenoparietalis, Ja auch noch über das Gebiet der Oticalregion hinaus erstreckt sich diese Knorpelplatte nach vorn,: indem sie hier als seit- liche Verbreiterung der Commissura alicochlearis erscheint; für den über den ursprünglichen Seitenrand dieser Commissur nach unten austretenden Nerv. petrosus superlicialis major bleibt bei dem Anschluss des Tegmen tympanı an diesen Rand eine kleine Durchtrittsöffnung ausgespart (auch sonst bleiben mehr- fach kleine Öffnungen in der Knorpelplatte zum Durchtritt von Gefässen und Nerven (wie des. N. tympanicus). Nach. vorn wird die Tegmenplatte allmählich schmäler, bleibt weiter vom Ventralrand des Squamosum entfernt und erreicht auch nicht den Hinterrand der Ala temporalis; so bleibt hier noch ein grösserer Teil der Fenestra sphenoparietalis offen, durch dessen mediale Ecke (Incısura ovalis) der dritte Ast des Trigeminus aus dem Schädelraum austritt. In ihrer ganzen Ausdehnung bildet die geschilderte Knorpelplatte die Decke eines neben Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 463 der Ohrkapsel gelegenen Gebietes, das später durch Ausweitung des in ihm gelegenen tubotympanalen Sackes und durch seit- lichen Abschluss seitens des auswachsenden Os tympanicum zur Paukenhöhle wird; gleichzeitig bildet sie aber einen wesent- lichen Teil des Bodens und der Seitenwand des Schädelcavums und wird bereits nahe vom Hemisphärenhirn überlagert. So ist also ein im Stadium der Serie Il lateral von den Resten der primären Seitenwand gelegener Raum nunmehr vollkommen in das definitive Cavum craniı einbezogen und durch eine secundäre, aber grossenteils knorpelige, vom Pri- mordialeranıum ausgehende Wand nach aussen hin abge- schlossen worden. Ich bezeichne diesen Raum, obwohl er sich nicht nur über der oberen Fläche der Schneckenkapsel, sondern auch noch über der seitlichen Verlängerung derselben, dem Tegmen tympanıi erstreckt, der Einfachheit halber als Cavum supracochleare und sehe in demselben ein Analogon zu dem von Gaupp in der Orbitotemporalregion beschriebenen Cavum epiptericum. Näher wird auf diese Verhältnisse im all- gemeinen Teile einzugehen sein. 3. Orbitotemporalregion. Die allgemeine Configuration der Orbitotemporalregion des Kaninchens entspricht vollkommen dem von anderen Säugern bekannten Typus. Ein unpaarer, medianer Knorpelbalken, die Balken- platte, Lamina trabecularis, erstreckt sich (Fig. 1, 2, 3, 5) in kontinuierlicher Fortsetzung der Basalplatie, nach vorne allmählich ansteigend, bis zur Regio ethmoidalis, um hier direkt in deren mediane Partie, das Nasenseptum, sich fortzusetzen. Von der vorderen, höher gelegenen Hälfte der Balkenplatte entspringt beiderseits mit zwei das Foramen 464 M. VOIT, opticum umfassenden Wurzeln die Ala orbitalis, die als breite, flach schalenförmig gewölbte Platte nach der Seite auslädt und in bekannter Weise nach vorn durch die Com- missura sphenoethmoidalis mit der Nasenkapsel, nach hinten durch die Commissura orbitoparietalis mit der Parietalplatte zusammenhängt. In die zwischen letzterer Commissur und Balkenplatte, zwischen Ohrkapsel und Hinter- rand der Ala orbitalis bleibende grosse Lücke, die Fenestra sphenoparietalis, ragt die mit einer aufsteigenden Platte und einem horizontal gestellten Processus ptery- goideus (Lamina pterygoidea) versehene Ala tem- poralis ein, welche nicht nur durch ihre Wurzel, den Pro- cessus alaris, mit der Balkenplatte, sondern mittelst einer zweiten Knorpelspange, Commissura alicochlearis, auch mit der vorderen Kuppel der Ohrkapsel in Ver- bindung steht. Der hinterste Abschnitt der medianen Balkenplatte, welche, wie gesagt, eine direkte Fortsetzung der Basalplatte bildet und gegen diese nur an der oberen cerebralen Fläche durch eine ganz leichte leistenförmige Erhebung, Crista {ransversa (Fig. 1, 5, 6), abgegrenzt erscheint, ist oben zu einer flachen Mulde ausgehöhlt, in der die Hypophysis cerebri gelagert ist und die wir demnach als Fossahypophyseos oder Sella turcica zu bezeichnen haben. Das hinterste Gebiet der Sattel- grube ist von einem sehr zierlichen Dorsum sellae über- brückt: dasselbe besitzt etwa Hantelform und besteht aus zwei mit feiner Spitze aus der Crista transversa sich erhebenden, nach vorn breiter werdenden Pfeilern, die vorn in querer Rich- tung miteinander verbunden sind. Lateral von den Wurzeln des Dorsum sellae tritt der N. abducens über eine seichte Vertiefung der Crista transversa; eine eigentliche Ineisura nervi abducentis, wie sie Fischer bei Affen beschrieben hat, ist nicht vorhanden. Anatom. Hefte. 1. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 36. er Fra — Cartil. eupul. 2 j; reis gnarına & a Proe. alar. sup. — — — — Lam. transvers. ant. INasaler- er se Ineisivum + === — — — Sule. lat. ant. == Fen. basal. 1 _ Cartil. parasept. SE CE — - Ethmoturb. 1. Eor. infraorbit. — —- —- —- —— —— - — Comm. sphenoethm. SOrR rer @- -—— Lam. transv. post. Masillane ZZ ; 4 E--—-- Fiss. orbitonas. Ds V/omel: > —-- Sept. interorbitale Erontslee oo ——g & ---Ala orbital. &-— — Ala hypochiasm. Balatınum ———— k-— — —. For. optie Zygomatie.-— — — — 5 \ { & — — Balkenplatte \ : — .. Lam. pteryg. ze } RTT N ___ For. alisphenoid. Parasphen *— — —- Lam. asc. alae temp. — - Cartil. parasph. Mandib.*— - For, earotie. — Comm. alicochl. $ — — Proc. styloid. Tympanie —— — - —- Tegmen tymp. — - Promin. eochl. inf. Plan basale — (Basioce.) =—="Pr:oc. mast. = - Proe. paracondyl For. hypoglossi == _— EG -— For. jugulare Condyl. oeeip. —— — ——- \ Interparietale -— — ws - Fiss. oceipitocaps. post. — a -—-Lam. alar. — Pila oceipit. Ineis. intercondyl. Ineis. oceip. Teetum post. sup. (Supraoeeipit.) Fig. 2. Voit, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 465 Die Balkenplatte ist im Gebiete der Sella turcica voll- kommen einheitlich, von keiner Fenestra hypophyseos durch- brochen. Auf der ventralen Seite lässt ihr hinterer Abschnitt eine leichte mediane Einsenkung und eine entsprechende Vor- wulstung der lateralen Partien erkennen (Fig. 2). An der Seite der Sella turcica strebt, wie erwähnt, die Wurzel der Ala temporalis, der Proc. alaris, in direkt hori- zontaler Richtung lateralwärts und verbindet sich bald mit der von der Ohrkapsel kommenden Commissura alicochlearis; so wird das verhältnismässig grosse Foramen caroticum umgrenzt, das von der Carotis interna durchzogen, sonst aber von bindegewebigen Massen ausgefüllt ist Vor dem Abgang des Proc. alaris wird die Balkenplatte etwas schmäler und gewinnt gleichzeitig allmählich an Dicke, indem ihre obere Fläche sich zu einem querverlaufenden Wulst aufwölbt (Fig. 3), von dessen Seite die hintere Wurzel des Orbitalflügels entspringt. Dann wird sie zunächst wieder dünner, niedriger, um aber rasch wieder an Höhe zu gewinnen, und zwar im wesentlichen wieder durch steile Erhebung ihrer oberen Fläche, so dass die von dieser nach der Seite zu entspringenden vorderen Wurzeln der Alae orbitalis wieder ein gutes Stück höher gelegen sind als die hinteren. Dabei weist die zwischen den vorderen und hinteren Orbitalflügelwurzeln gelegene Knorpelpartie eine ungemein interessante Configuration auf. Ihre obere Fläche ist beiderseits zu einer lateralwärts mit con- vexem Rand vorragenden Platte, den Alaehypochiasma- ticae, wie wir sie nennen wollen, verbreitert, während ihre mediane Partie eine unter dieser Platte allmählich mehr und mehr kielartig vorspringende ziemlich dicke Leiste darstellt, die dann, bei nahezu horizontal verlaufendem unteren Rand eben durch jene Erhebung der oberen Fläche nach vorn zu rasch an Höhe gewinnt, zu einer median gestellten Platte wird. Wir haben es also hier deutlich mit einem noch unter dem 466 „Mi. MOIT, Boden des orbitalen Teiles der: Schädelkapsel ventral vor- springenden Septum interorbitale zu. tun,. wie.es in ganz ähnlicher Weise bei den Sauriern vorliegt. Dasselbe er- streckt sich dann noch vor der vorderen Orbitalflügelwurzel in der einmal gewonnenen Höhe als sagittal gestelite, im all- gemeinen ziemlich dünne, an ihrem unteren Rande aber stark verdickte Scheidewand nach vorn und geht vollkommen konti- nuierlich in das Nasenseptum über. In diesem vorderen Ab- schnitt endet das Septum interorbitale auch dorsal mit freiem scharfen Rand und ist also hier auch bei Betrachtung des Primordialschädels von oben her zu erkennen (Fig. 1). Es ist noch zu erwähnen, dass die Alae hypochiasmaticae gegen die wischen ihnen befindliche, den hinteren Teil des Interorbital- septums darstellende mediane Partie durch einen kurzen, binde- gewebig verschlossenen Spalt (in Fig. 1 mit * bezeichnet) teil- weise abgegrenzt erscheinen und dass sie beginnende peri- chondrale Verknöcherung zeigen. Da sowohl die hinteren als auch die vorderen Wurzeln der Ala orbitalis von dorsalen Erhebungen der Balkenplatte entspringen, so erscheint das ganze zwischen ihnen gelegene Gebiet der letzteren, samt den seitlich vorragenden Alae hypo- chiasmaticae, zu einer flachen Grube vertieft, die wir, da in ihr die Sehnervenkreuzung Platz findet, als Fovea hypo- chiasmatica bezeichnen wollen. Dieselbe geht nach der Seite direkt in die grossen Foramina optica über, die dadurch besonders weit erscheinen, dass die Ala orbitalis zwischen ihren Wurzeln eine ziemlich starke, nach unten und innen concave Ausbuchtung erfährt. Die Ala orbitalis selbst stellt, wie wir bereits erwähnt haben, eine verhältnismässig sehr grosse, nach der Seite aus- ladende, flach schalenförmig gewölbte, ungefähr. dreieckige Platte dar, die an ihrer äusseren Randpartie nach vorn mit der Nasenkapsel, nach hinten mit der Parietalplatte in Ver- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. A6T bindung tritt und so die mit etwa horizontaler Dorsalgrenze von der Ohr- bis zur Nasenregion ziehende Randspange des Knorpelschädels vervollständigt. Ihr hinterer, allmählich in die Commissura orbitoparietalis sich verschmälernder Abschnitt ist bedeutend weiter nach der Seite ausgebuchtet als ihr vorderer, so dass der äussere, obere Rand der Ala orbitalis mit leicht S-förmiger Krümmung vor-medialwärts zieht. Der hintere Rand der Ala orbitalis verläuft von der hinteren Wurzel bis etwa zu der Stelle, wo sich die aufsteigende Platte des Temporalflügels anlegt, rein transversal und bildet in diesem Gebiete die obere Begrenzung der Fissura orbitalis superior. Der vordere Rand des Orbitalflügels zieht eine lange Strecke schräg nach vorn und aussen, parallel neben dem hinteren Rand der Siebplatte der Nasenkapsel und geht schliesslich ın die zur Nasenkapsel ziehende Commissura spheno- ethmoidalis über; er begrenzt von hinten die lange schmale Fissura orbitonasalis, die, im wesentlichen binde- gewebig verschlossen, in ihrem vorderen Gebiete den Nervus und die Arteria ethmoidalis aus der Orbita auf die Siebplatte durchtreten lässt. Von der Ala temporalis, auf die wir nun zurück- kommen müssen, haben wir bereits erwähnt, dass sie mittelst des Processus alaris von der Balkenplatte seitlich von der Sella tureica entspringt und ausserdem durch die Com- missura alicochlearis mit der Ohrkapsel in Verbindung steht. Letztere Commissur stellt eine hinten etwas breitere, vorn schmälere, dorsoventral abgeplattete Spange dar, deren öbere Fläche eine direkte Fortsetzung des Planum supracoch- leare der Ohrkapsel bildet.‘ Lateral vom Processus alarıs lässt nun die Ala temporalis zwei charakteristische Bildungen er- kennen, die wir als Lamina ascendens und als Lamina pterygoidea unterscheiden wollen. Die mehr lateral ge- legene Lamina ascendens stellt eine im allgemeinen 468 M. VOIT, flache, in ihren dorsalen Partien aber auffallend dicke, etwa fünfeckige Platte dar, die, nach vorn und aussen ansteigend, mit ihrer oberen Ecke dem Ventralrand der Commissura orbito- parietalis von aussen her sich anlegt, jedoch durch eine binde- gewebige Schichte von demselben geschieden bleibt. Sie weist zum grösstenteil weitgehende Verknöcherung auf, indem beider- seits ein perichondraler Belag die schon durchgehends gross- blasige Knorpelmasse deckt und nur in den obersten Partien der Platte der Knorpel noch frei zutage tritt. Die mediale, direkt an den Processus alaris sich anschliessende Knorpel- partie jedoch ist stark verdickt und ragt nach unten vor. Diese verdickte Partie, an deren mediale Seite sich, wie wir später sehen werden, das Os parabasale anlegt, und in welcher wir den von anderen Säugern bekannten Processus ptery- goideus zu erblicken haben, setzt sich noch eine Strecke weit horizontal nach vorn fort und tritt dann durch eine breite, ım Bogen nach der Seite verlaufende Knorpelbrücke mit der Unterfläche der Lamina ascendens nochmals ın Verbindung; so entsteht ein breiter Knorpelring oder eine horizontalgestellte, von einer Öffnung durchbohrte kreisförmige Scheibe, die wir Lamina pterygoidea nennen und an der wir einen medialen, lateralen und vorderen Schenkel unterscheiden können. Durch die Öffnung der Lamina pterygoidea tritt die Arteria maxillaris interna von hinten-unten nach vorn-oben hindurch (His. 1772,23, 5,6 u.217 n. 18) Eschandeltäsich also um ein nach M. Weber bei manchen Säugern vor- kommendes Foramen alisphenoideum. Hervorzuheben ist nun noch, dass der ganze aus Lamina ascendens und Lamina pterygoidea bestehende Knorpelkomplex vom Processus alaris, sowie von der Commissura alicochlearis durch einen von unten einschneidenden bindegewebigen Spalt unvollständig getrennt ist (Fig. 2 und 18). Es kommt darin die von Noordenbos für das Kaninchen nachgewiesene isolierte Anlage jener Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 469 lateralen Teile der Ala temporalis noch zum Ausdruck. An manchen Stellen sieht man innerhalb jener Spalte ein eigenes kleines Knorpelstückchen, ein Verhalten, wie es bereits Wincza beim Hund und beim Bär beschrieben hat. Dadurch, dass die Lamina ascendens der Ala temporalıs bis zum Ventralrand der Commissura orbitoparietalis heran- reicht, wird die grosse Fenestra sphenoparietalis in einen kleineren vorderen und einen grösseren hinteren Abschnitt ge- trennt. Ersterer stellt die nahezu frontal gestellte Fissura orbitalis superior dar, durch welche die Augenmuskel- nerven, sowie die beiden ersten Trigeminusäste den Schädel- raum verlassen ; ein eigenes Foramen rotundum für den zweiten Trigeminusast ist nicht vorhanden. Durch den medialen Teil des hinteren Abschnittes der Fenestra sphenoparietalis, speziell durch die zwischen Commissura alicochlearis und Hinterrand der Lamina ascendens alae temporalis befindliche Incisura ovalis tritt der dritte Ast des Trigeminus aus dem “avum eranii aus (Fig. 6 u. 19). Ehe wir nun noch etwas näher auf die Nerven und Ge- fässe der Orbitotemporalregion eingehen, wollen wir unsere Aufmerksamkeit den Verhältnissen zuwenden, welche diese Region bei dem jüngeren Stadium der Serie II aufweist und die an dem in Fig. 6 abgebildeten Modell, sowie an den Schnitt- figuren 17—19 zur Anschauung kommen. Wir hatten in diesem Stadium in der Ohrregion die merk- würdigen, als Reste einer primären Seitenwand anzusehenden Knorpelchen a und b kennen gelernt. Der Knorpel b ragt nun noch bis in die Grenze der Orbitotemporalregion hinein. War sein ventraler Rand in der Ohrregion gegen die mediale Kante des Planum supracochleare gerichtet, so ist er hier, an seinem vorderen Ende durch einen (auf Fig. 19 erkennbaren und mit * bezeichneten) bindegewebigen Strang mit der Wurzel des Seiten- pfeilers des Dorsum sellae verbunden. Dieser Strang ist über 470 M. VOIT, den die Crista transversa überschreitenden N. abducens hin- weg gespannt. Das Dorsum sellae besteht einstweilen über- haupt nur (Fig. 6) aus den beiden Seitenpfeilern; die im älteren Stadium vorhandene mittlere Verbindung derselben ist noch nicht entwickelt. Wir sehen, wie im theoretischen Teile unserer Arbeit auseinandergesetzt werden soll, auch in jenem binde- gewebigen Strang, sowie in der Wurzelspange des Dorsum sellae Reste der ursprünglichen Seitenwand. Als ebensolchen fassen wir eine weitere Knorpelbildung auf, die in Serie I nicht vorhanden, aber in der Serie II zu konstatieren ist: Kurz vor der hinteren Wurzel der Ala orbitalis erhebt sich vom lateralen Rande der Balkenplatte eine kleine, rundliche, lateralwärts leicht concave Knorpellamelle; wir wollen sie als Restknorpele bezeichnen (Fig. 6 u. Schnittfig. 17); merkwürdigerweise ist dieselbe nur an einer Seite vorhanden; an der anderen Seite fehlt jede Andeutung von ihr. Zu erwähnen ist hier noch, dass im Stadium der Serie II die Balkenplatte noch von einem kleinen, die Reste des Hypo- physenganges durchlassenden Foramen hypophyseos durchbohrt ist (Fig. 6). Alle die geschilderten knorpeligen Reste der primitiven Seitenwand werden nun noch durch bindegewebige Reste der- selben vervollständigt; so verlaufen von den dorsalen Rändern der Knorpel a, b und ce dichtere bindegewebige Züge bis zum Unterrand der Commissura orbitoparietalis. Wir werden auf die Beschreibung dieser Bildungen, die teilweise gleichzeitig als Anlage der Dura mater anzusehen sind, sowie auf die Art und Weise, wie die Lage der primitiven Seitenwand in dem Gebiete zwischen Wurzel des Dorsum sellae und Restknorpel c sich feststellen lässt, jedoch erst im zweiten Teile der Arbeit eingehen, da die Identifizierung dieser Bildungen nur auf Grund sorgfältigen Vergleiches mit den Verhältnissen bei Lacerta mög- lich ist. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 41 Durch die Feststellung der Lage der ursprünglichen, dem Reptilzustande entsprechenden Seitenwand ist uns nun auch in der Orbitotemporalregion die Abgrenzung eines neben dem primären Schädelraum gelegenen sekundären Abschnittes des Cavum cranii ermöglicht. Es wurde die sekundäre Einverleibung dieses Raumes beim Säugetier schon früher von Gaupp nach- gewiesen und dieser Forscher bezeichnete den Raum als Cavum epiptericum. Wir wollen nun noch kurz auf die weitere Begrenzung des Cavum epiptericum eingehen. Der Boden desselben wird durch die Ala temporalis gebildet und ich glaube, wie ich im allgemeinen Teile der vorliegenden’ Arbeit ausführlich begründen werde, annehmen zu dürfen, dass auch der Processus alarıs, sowie das Gebiet des Foramen caroticum und die Commissura alicochlearis als Bodenabschnitte des Cavum epiptericum, nicht des primären Schädelraumes zu be- trachten sind. Die Lamina ascendens des Temporalflügels bildet einen teilweisen seitlichen Abschluss des Cavum epi- ptericum; sonst ist dasselbe gegen den Raum der Orbito- temporalgrube im Stadium der Serie I und II nicht weiter ab- geschlossen ; eine Membrana sphenoobturatoria, wie sie Gaupp bei Echidna beschreibt, ist nicht vorhanden. Ziehen wir nun wieder die Serie III durch den 70 mm langen Kaninchenembryo zu Rate, so erkennen wir, dass in diesem älteren Stadium ein hinterer Teil des Cavum epipteri- cum durch den vordersten, seitlich von der Commissura alı- cochlearis entwickelten Abschnitt des Tegmen tympani nach unten abgeschlossen wird. Die Ränder von Tegmen tympani, Os parietale und Squamosum und Lamina ascendens der Ala temporalis sind schon recht nahe aneinander gerückt, und durch vollständigen Zusammenschluss derselben erfolgt dann wohl unter Aussparung der Durchtrittsstelle des dritten Trigeminus- astes der vollständige Abschluss dieses hintersten Teiles der Fenestra sphenoparietalis und damit die definitive äussere Ab- grenzung des Cavum epiptericum. Wir wollen nun den Verlauf der Nerven und Gefässe der Orbitotemporalregion gleich an der Serie II verfolgen, da hier eben die Beziehungen zum primären und sekundären Schädel- raum deutlicher als an Serie Il in Erscheinung treten. Wir hatten schon bei der Ohrregion gesehen, dass der N. trigeminus, nachdem er zwischen den beiden Knorpel- platten a und b hindurch — also in das Cavum supracochleare eingetreten ist, auf der Schneckenkapsel in sein Ganglion semi- lunare übergeht; dieses erstreckt sich (Fig. 6) über dem Planum supracochleare nach vorn, bedeckt weiterhin, jetzt m Cavum epiptericum gelegen, die Commissura alicochlearis, überlagert fast das ganze Foramen caroticum, dann noch den Processus alarıs und findet erst kurz vor der Fissura orbitalis superior sein Ende, um hier dorsal den Ramus ophthalmicus, ventral den Ramus maxillaris in die Fissura orbitalis superior abzu- geben. Der dritte Trigeminusast, Ramus mandibularis, tritt, wie schon erwähnt, hinter der Ala temporalis, durch die In- cısura ovalıs, nach unten. Der N. abducens tritt (Fig. 6) seitlich von der Wurzel des Dorsum sellae über eine seichte Furche der Crista trans- versa und dringt sofort unter dem oben erwähnten, vom Unter- rand des Knorpel b zur Wurzel des Dorsum sellae ziehenden Bindegewebsstrang (Fig. 19), in das Cavum epiptericum ein, verläuft hier medial vom Ganglion semilunare nach vorn über den Proc. alarıs weg in die Fissura orbitalis superior. Die Nervi trochlearis und oculomotorius treten erst weiter vorn durch die Dura in das Cavum epiptericum ein und laufen, jener lateral, dieser medial über dem Ganglion semilunare nach vorn bıs zum Eintritt in die Fissura orbitalis superior. Der N. opticus, dessen Kreuzung über der Fovea hypo- chiasmatica gelegen ist, tritt durch das Foramen opticum aus dem Schädelraum. Merkwürdigerweise treten ventral vom Das Primordialkranium des Kaninchens ete. 473 N. opticus die Augenmuskeln durch das Foramen opticum ziem- lich weit in den Schädelraum ein, da sie ziemlich weit innen an der Lamina hypochiasmatica entspringen (Fig. 16). Den Verlauf des N. petrosus superficialis major, der.ja auch für die Regio orbitotemporalis in Betracht kommt, haben wir bereits früher besprochen. Was nun die Arteria carotis interna anlangt, so tritt dieselbe (Fig. 6), nachdem sie an der Ventralseite der vorderen Kuppel der Ohrkapsel im Sulcus caroticus empor- gestiegen, durch das grosse Foramen caroticum nach oben und kommt damit, wie es mir scheint, zunächst in das Cavum epi- ptericum zu liegen. Sie befindet sich hier zuerst lateral vom N. abducens (Fig. 19), tritt dann in ihrem Verlauf nach vorn über den Processus alaris allmählich unter diesem Nerven hin- durch auf seine mediale Seite (Fig. 19, 18). In dieser Strecke ist freilich die Entscheidung nicht leicht zu treffen, ob sie im primären Schädelraum oder im Cavum epiptericum verläuft, da hier die Grenze zwischen beiden Räumen nur ziemlich schwierig festzustellen ist. Um so deutlicher ist dann weiter vorn ihre Lage im Cavum epiptericum zu erkennen, da sie lateral von der als Rest der primären Seitenwand zu betrachten- den Knorpelspange c bleibt und erst um deren vorderen Rand sich medialwärts wendet; damit tritt sie nun in das primäre Schädelcavum ein, um sich nach Abgabe der Arteria ophthalmica zum Gehirn zu begeben. Wir werden auf die Bedeutung dieses Verlaufes der Carotis für die Vergleichung derselben mit der Carotis niederer Vertebraten im allgemeinen Teile der Arbeit näher eingehen. Dass die Arteria maxillaris interna bei ihrem Wege von hinten-unten nach vorn-oben das die Lamina ptery- goidea durchbohrende Foramen alisphenoideum passiert, haben wir bereits hervorgehoben. Avatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). al 474 M. VOIT, 4. Regio ethmoidalis. Cranial schliesst sich an die Orbitotemporalregion unter winkeliger Knickung der Längsachse nach vorn und unten die langgestreckte, doppelt-birnförmige Nasenkapsel an, die in bekannter Weise zwei durch ein medianes Septum getrennte Räume umschliesst. Sie ist im ganzen nur an drei Stellen mit dem übrigen Knorpeleranium verbunden; einmal bildet das Nasenseptum die kontinuierliche Fortsetzung des Septum interorbitale, das wir soeben als vordersten basalen Teil der Regio orbitotemporalis kennen gelernt haben; dann treten die lateral-vorderen Ecken der jederseitigen Ala orbitalis vermittelst der Commissura sphenoethmoidalis mit dem Dach der Nasenkapsel seitlich von der Lamina cribrosa in Ver- bindung; die ganze Hinterwand der Nasenkapsel ist jedoch frei und durch die Fissura orbitonasalis vom Vorder- rand der Ala orbitalis getrennt (Fig. 1 u. 3). Nur der hintere Teil der Nasenkapsel dient mit zur Umgrenzung der Schädel- höhle, indem sein Dach einen Bodenabschnitt des vordersten Teiles derselben bildet; es ıst also dieser Abschnitt als sub- cerebraler von dem vorderen präcerebralen zu unterscheiden. Die Bezeichnung der Nasenkapsel als doppelt-birn.örmiges Gebilde ist dadurch gerechtfertigt, dass sie im ganzen mittleren Drittel ihrer Länge stark nach der Seite zu verbreitert ist, während sie sich nach vorne und namentlich nach hinten zu stark verjüngt. An der im ganzen recht vollständigen Nasen- kapsel können jederseits folgende Öffnungen unterschieden werden: Die in grosser Anzahl den hinteren Abschnitt des Daches, die Lamina cribrosa, durchbohrenden Foraminacri- brosa (Fig. 1, 13 u. 14); eine im vorderen Teil an der Grenze zwischen Seitenwand und Decke bestehende Fenestra superior (Fig. 1, 3, 4, 10); die im Boden befindliche, lang- gestreckte und kompliziert geformte Fenestra. basalis (Fig. 2), die an der vorderen Spitze gelegene Fenestra oder Dbs Primordialeranium des Kaninchens etc. 475 wohl besser Incisura narina (Fig. 2, 3, 4), welche keine untere Umgrenzung besitzt, sondern kontinuierlich mit der langen Spalte zusammenhängt, die in der ganzen Länge der Nasenkapsel zwischen Septum und Cartilago paraseptalis be- steht und wohl als Fissura paraseptalis zu bezeichnen ist (Fig. 2); schliesslich das im hinteren Deckenabschnitt kurz vor der Lamina cribrosa gelegene kleine Foramen epi- phaniale (Fig. 1) für den Durchtritt des Ramus lateralıs nervi ethmoidalis. Wir können an der Nasenkapsel ausser dem Septum nası eine Decke (Tectum nasi), eine Seitenwand (Paries nasi), als Abschnitte des Bodens eine Lamina transversalis anterior und posterior, sowie eine Cartilago paraseptalis, ferner als Rest einer Vorder- wand eine kleine Cartilago cu pularis, schliesslich eine sackförmig nach hinten ausgebuchtete Hinterwand (Planum antorbitale oder vielleicht besser Cupula posterior) unterscheiden. Das Septum nasi stellt eine ziemlich dünne median ge- stellte Knorpelplatte dar, die, wie erwähnt, eine kontinuier- liche Fortsetzung des Septum interorbitale bildet. Es besitzt demnach schon am hinteren Ende der Nasenkapsel eine ge- wisse Höhe, die zunächst im Gebiete des subcerebralen Ab- schnittes noch zunimmt, sich dann rasch wieder etwas ver- mindert, um nun schliesslich bis nach vorne ziemlich gleich- zubleiben. Es ist dieser Wechsel in der Höhenausdehnung da- durch bedingt, dass einerseits der untere Septumrand in fast gerader, nur leicht nach oben concaver Linie nach vorn und unten verläuft, während andererseits der obere Rand zunächst bis zur vorderen Grenze der Lamina cribrosa ansteigt und erst von hier aus nach vorne wieder gleichmässig abfällt. Der dorsale Septumrand ist im hinteren Drittel der Nasenkapsel zwischen den beiderseitigen Laminae cribrosae gelegen und 3l* Ar6 M. VOIT, hier teilweise mit den Spangen derselben verbunden; zwischen den Anheftungsstellen je zweier solcher Spangen endet er frei; am vorderen Ende der Lamina cribrosa ragt er mit einer leichten Verdickung in das Schädelcavum ein und bildet so eine kleine Crista gallı (Fig. 1). Im ganzen vor der Crista galli gelegenen Abschnitt geht der dorsale Septumrand konti- nuierlich beiderseits in das Tectum nasi über; der Übergang erfolgt unter leichter dorsaler Aufwölbung, so dass eine deut- liche mediane Furche in dem Dach der Nasenkapsel ausge- prägt ist. Der ventrale Septumrand ist namentlich im hintersten Gebiete, soweit sich die Lamina transversalis posterior söitlich neben ihm anlegt, leicht kolbig verdickt; er ist in ganzer Aus- dehnung frei, d. h. es ist nirgends der Boden der Nasenkapsel mit ihm homokontinuierlich verbunden. Zwar legt sich ihm vorn die Cartilago paraseptalis, hinten die Lamina transver- salis posterior fast bis zur Berührung an, doch bleiben diese Gebilde immer noch durch schmale bindegewebige Partien vom knorpeligen Septum getrennt (Schnittfig. 2 u. 11—14). Vorn endet das Septum mit vollkommen freiem scharfen Vorder- rand, der geradlinig von hinten-unten nach vorn-oben ansteigt (Fig. 3 u. 4). Am Tectum nası ist sehr deutlich der hintere, sub- cerebrale von dem vorderen, präcerebralen Anteil zu unter- scheiden, von welchen ersterer beinahe horizontal liegt, resp. ein wenig nach vorne hin ansteigt, letzterer in gleichmässiger Linie nach vorn abfällt. Fast der ganze subcerebrale Abschnitt des Nasendaches wird von der durch den Dorsalrand des Sep- tum nasi halbieren Laminacribrosa eingenommen (Fig. 1); hinter derselben erscheint nur noch der dorsale Teil der all- seits geschlossenen hinteren Nasenkapsel (Cupula posterior) als hinterster Anteil des Tectum nasi. Die jederseitige Lamina cribrosa besitzt ganz im ungefähren die Form eines recht- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. a7 winkeligen Dreieckes, dessen kürzere Kathete vorn, dessen Hypotenuse lateral-hinten gelegen ist. Nach vorn ist die Lamina cribrosa deutlich dadurch abgegrenzt, dass ihr vorderer Rand etwas tiefer liegt als der Hinterrand des präcerebralen Dach- abschnittes, so dass eine kleine Erhöhung an der Grenze beider Abschnitte stattfindet; dieser erhöhte Rand läuft von der Crista galli aus vor der Lamina cribrosa mit leichter hinterer Kon- kavität lateralwärts und setzt sich seitlich von der Lamima eribrosa in de Commissura sphenoethmoidaliıs fort. Hinter dieser Commissur erfolgt längs dem lateral-hinteren Rand der Lamina cribrosa ein nahezu rechtwinkeliger Um- schlag des Daches in die Seitenwand der Nasenkapsel; dieser Rand bildet die vordere Begrenzung der langen, spaltförmigen Fissura orbitonasalis und ist durch letztere vom Vorderrand der Ala orbitalis getrennt. Eine leichte Einkniekung unterbricht seine Linie; sie entspricht dem oberen Ende einer über die lateral-hintere Seitenwandfläche verlaufenden seichten Furche, Sulcus lateralis posterior, welche die hintere Grenze des seitlich stark ausgebuchteten mittleren Abschnittes der Nasenkapsel markiert. Die Foramina cribrosa sind deutlich in eine lateral-vordere und eine medial-hintere Gruppe ange- ordnet, die durch eine von jener Einknickungsstelle des Hinter- randes ausgehende Knorpelleiste, Crista intercribrosa, getrennt sind; die medial hintere Gruppe der Foramina mündet im wesentlichen in den hinteren Hauptraum (Recessus posterior), die lateral-vordere in den Recessus lateralis der Nasenkapselhöhle. Durch das vorderste der in der lateralen Gruppe gelegenen Foramina läuft auch der N. ethmoidalis in die Nasenhöhle; es ist also diese Öffnung als Foramen eribroethmoidale zu bezeichnen. Das Dach des präcerebralen Nasenabschnit- tes senkt sich (Fig. 1) vom Vorderrand der Lamina cribrosa an ziemlich gleichmässig nach vorn; es ist kontinuierlich mit 418 M.SVOIT, dem Dorsalrand des Septum verbunden, derart, dass, wie er- wähnt, eine deutliche mediane Längsrinne gebildet wird. Es ist, entsprechend der Konfiguration der ganzen Nasenkapsel hinten, d. h. im Gebiete der starken seitlichen Verbreiterung der Nasenkapsel, weiter lateralwärts ausgedehnt und biegt hier gleichzeitig viel allmählicher in die Seitenwand um als vorn. Seinen hinteren, die Lamina cribrosa begrenzenden Rand, sowie den Zusammenhang desselben mit der Commissura spheno- ethmoidalis haben wir bereits besprochen. An der vorderen Spitze der Nasenkapsel biegt das Dach jederseits in die Carti- lago cupularıs um, die als kleines dreieckiges Knorpel- plättchen mit freier ventraler Spitze herabhängt (Fig. 2, 3, 4). Kurz vor dem Foramen cribroethmoidale wird das Tectum nasi von dem kleinen Foramen epiphaniale durchbohrt (Fig. 1), das dem Durchtritt des Ramus lateralis nervi ethmo- ıdalis dient; von demselben aus läuft eine seichte Furche über das Nasendach nach vorn gegen das obere Ende des tiefen in der Seitenwand befindlichen Sulcus lateralis anterior; die Furche entspricht einer im Innern vorragenden, den Recessus lateralis gegen die medialen Abschnitte des Nasenkapselraumes abgrenzenden Leiste (oberer Schenkel der Crista semicireularis). DieSeitenwandderNasenkapsel,Pariesnasi, lässt drei annähernd gleich lange, voreinander gelegene Ab- schnitte unterscheiden; das mittlere Drittel ist etwa halb- kugelig weit nach der Seite ausgebaucht und durch eine seichte Furche, Suleus lateralis posterior, gegen das hintere, durch eine tiefe Einknickung, Suleuslateralisanterior, gegen das vordere Drittel abgegrenzt (Fig. 3). Im caudalen, kürzesten Abschnitt ist die Seitenwand ver- hältnismässig einfach gebaut, läuft im hintersten Gebiete von der Dorsalkante der Cupula posterior, weiter vorn vom lateral- hinteren Rand der Lamina cribrosa aus unter nur geringer seit- licher Vorwölbung annähernd senkrecht nach abwärts und biegt Das Primordialeranıum des Kaninchens etc. 479 an ihrem unteren Rand unter ziemlich scharfer winkeliger Knickung nach innen und oben um, um auf diese Weise ganz hinten in die mediale Wand der Cupula posterior, weiter vorn in die Lamina transversalis posterior überzugehen. Die Grenz- furche zwischen hinterem und mittlerem Seitenwandabschnitt, der Sulcus lateralis posterior, macht sich am Hinterrand der Lamina cribrosa als jene Einkerbung geltend, von welcher aus nach vorn sich die Knorpelleiste zwischen den zwei Gruppen der Foramina cribrosa, die Crista intercribrosa, erstreckt. Im Innern der Nasenkapsel entspricht dem Sulcus lat. posterior und der Crista intercribrosa die Insertionslinie des den Re- cessus lateralis vom medialen Nasenkapselraum scheidenden Ethmoturbinale 1. Die seitliche Ausladung des mittleren Drittels der Nasen- kapsel ist so stark, dass die Seitenwand des vorderen Ab- schnittes dieses Gebietes nach vorn, die des hinteren Ab- schnittes desselben nach hinten sieht. Dieser letztere nach hinten gerichtete Abschnitt der Seitenwand beginnt oben mit dem die lateral- vordere Gruppe der Foramina cribrosa von hinten her begrenzenden Rand; die nach vorn darauffolgende Partie der Seitenwand geht oben direkt in die laterale Seite der Commissura sphenoethmoidalis über, weiter nach vorn er- folgt eine mehr allmähliche Überleitung in den vor der Lamina cribrosa gelegenen Abschnitt des Tectum nasi. Ausser der all- gemeinen, annähernd halbkugeligen Vorwölbung sind an der Seitenwand dieses mittleren Drittels der Nasenkapsel noch eine Reihe buckelförmiger Vorragungen zu bemerken, die im wesent- lichen den einzelnen Ausbuchtungen des Recessus lateralis des Innenraumes entsprechen, eine obere dem Recessus lateralis superior (Recessus frontalis), eine hinten unten gelegene dem Recessus lateralis posterior (Recessus maxillaris), eine vordere dem Recessus lateralis anterior; wir können sie als Prominentia superior, inferior und anterior bezeichnen. Der untere Rand 480 M. VOIT, auch dieses Abschnittes der Seitenwand ist direkt nach innen und oben umgekrempelt und geht im hinteren Gebiete zum Teil noch in die Lamina transversalis posterior über (Fig. 14), weiter vorn endet er nach der Umbiegung frei (im Gebiete des Recessus glandularis [Fig. 13]). Am kompliziertesten gestaltet ist das vordere Drittel der Seitenwand, das, wie schon erwähnt, durch den tiefen Sulcus lateralis anterior vom mittleren Drittel geschieden ist. Diese Furche setzt sich (Fig. 3) an ihrem oberen Ende noch eine Strecke weit nach vorne fort und markiert hier die Grenze zwischen Decke und Seitenwand, am unteren Ende läuft sie in ein flaches dreieckiges Feld aus, das durch eine bis zum Unterrand reichende, nahezu senkrecht stehende Platte, die Lamina infraconchalis gebildet wird (Fig. 12). Der vor dem mittleren Teile des Sulcus lateralis anterior gelegene Wand- abschnitt ist als kräftiger Wulst nach der Seite vorgebuchtet; er entspricht der im Inneren oberhalb des Maxilloturbinale gelegenen Ausbuchtung des Nasensackes, dem Sulcus supra- conchalis oder dem „Saktergesimse“ (Fleischmann) und kann demnach vielleicht als Prominentia supra- conchalis oder Sakterwulst bezeichnet werden. Am vorderen Ende dieses Wulstes besteht eine ziemlich grosse, etwa bohnen- förmige Öffnung, die wir Fenestra superior nasi be- nennen wollen; dieselbe ist bindegewebig verschlossen und von aussen her grossenteils vom Os nasale bedeckt; innen zieht dicht an ihr vorbei der Ausführungsgang der lateralen Nasendrüse (Fig. 1, 3, 4 u. 10). Vor der Fenestra superior folgt nur noch (Fig. 3) eine ziemlich schmale Knorpelbrücke, die vorn mit freiem Rande endet und so die Incisura narina von hinten her begrenzt. Direkt unterhalb der Fenestra superior geht der Unterrand der Seitenwand in die schmale und fast senkrecht absteigende Lamina transversalis anterior über. ‚Im übrigen wird der Unterrand dieses Gebietes von der Lamina Tafel 37. JEL "DALDTWIOS "TUOAT 7sod sded-"d1990 "SSL -sod "DITUOS "WOLLT “(BIORF "NS -durkyrdo BoAoT '9sod 999], 116. Heft (38. Bd., H. 3). I. Abt. Anatom. Hefte. ‘1£puoow.ıwd D01T PTCÄH ' j "IST DON, ISWLU-0]4IS "10 *yoaed vIst. | yored vIsum nanf "soo ! I \ \ I j j j I \ % yun „Tuos "WOLT organ WOAT I I j } \ I I } ! ' I 1 I } l l j \ j f I I I | ' ! 1 ı ! j j ' I {1 I ! ! l I gonıwd "umer] “wd-sduo ‚uoyds uwdl-"q.10 wd-sdwd'stg umoy UA = | j © I ı 8 "RIOBF "URd 1 3 |, duiy'ıody ee ! Ha | -wadns uoydsvaed 'I.wNd A EST | "wog qrpuru 7 m N ed | Kae ze ar 5 | 3Kaogd I er h | wer } | IE I podäy "IrquLo -1oJurf das j I l | j | I I l jan a facial, _ : durkg 2 wSor, I I | I | ! | l i j 1 rist -TwoF 'E ! ASU "WET »Orydo 107 ı "wed C I | I ' I I j ! l | | } N "TLLLO/) 1 eIV 9sod*dny I x TONPoN 'HUU9 I Ydose.twd TI) I Ar, \ "ASUD.I ‘sodwoag gun “wuorg U9U09 ı -180d 1 “Yun wapur | 5 PRER ‘7sod er ang I wen "sioay "ASUB.LI "TUT 1seu ! I j | | j l 4 B % es | | I | j | 1} I | ı i I | | | | l Re | » i u 3 l A ! N ‚ dns "19s9uoT ISMALOINLS j j ! ! ! i l | 'gup ep 'opng ins "woag ! "sruo0} j 14.00 tu4o-uorgdls Tutor) °SSLI "Io By - dns "ee 00T ser "dog I - ndnd rd Verlag von J. F, Bergmann in Wiesbaden. Voit, Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 481 infraconchalis gebildet, deren Namen sich dadurch rechtfertigt, dass sie von dem nach innen eingekrempelten Maxilloturbinale wie ein lappenförmiger Anhang herunterhängt. Wir hatten ge- sehen, dass an der Grenze des mittleren und vorderen Drittels der Nasenkapsel der Unterrand der Seitenwand (im Gebiete des Recessus glandularis) direkt nach innen-oben eingebogen ist; weiter nach vorn bleibt dann die Einkrempelung nicht am Unterrand lokalisiert, sondern ihre Wurzel erhebt sich an der Innenfläche der Seitenwand höher hinauf (Fig. 8). So ist ventral von ihr die Seitenwand noch fortgesetzt, eben als Lamina infraconchalis. Der ventrale Rand der letzteren setzt zunächst die Richtung des hinteren Teiles des Unterrandes der Seiten- wand fort, biegt dann aber plötzlich scharf nach oben ab und verläuft vor-aufwärts und gleichzeitig etwas nach ınnen (ent- sprechend der hier vorn erfolgenden Verschmälerung der Nasen- kapsel), um kurz hinter der Lamina transversalis anterior den Unterrand der Prominentia supraconchalis und damit gleich- ‚zeitig die Basis der Muscheleinwölbung zu treffen, die dann auf eine ganz kurze Strecke wieder als direkter Umschlag des ventralen Randes der Seitenwand erscheint (Fig. 8). Durch die plötzliche Aufbiegung des unteren Randes der Paries nası hinter der Lamina transversalis anterior entsteht eine tiefe Incisura posttransversalis (Fig. 3), in welcher am Knorpelmodell der vorderste Teil der Cartilago paraseptalis, sowie ein Teil des Septums sichtbar werden; an den Schnitten erkennt man, dass hier ein grösserer Abschnitt des häutigen Nasensackes, aus welchem der Ductus nasopalatinus und das Jakobsonsche Organ ihren Ursprung nehmen, nach aussen hin von Knorpel ungedeckt bleibt. Vor dieser Incisur folgt die Lamina transversalis anterior (Fig. 2, 3, 8), die als eine schmale, dünne Knorpel- platte fast senkrecht nach abwärts und nur wenig nach innen verläuft und so ebensogut als Stück der Seitenwand wie als 482 M. VOIT, Teil des Bodens der Nasenkapsel betrachtet werden kann; ihr vorderer Rand bildet die caudale Begrenzung des hinteren Ab- schnittes der Incisura narina. Diese letztere entspricht der Fenestra narina anderer Säuger, ist aber nicht vollständig nach unten abgeschlossen, sondern setzt sich kontinuierlich in die zwischen Septum und Cartilago paraseptalis nach hinten ziehende Lücke fort. Sie öffnet sich ausserdem im wesentlichen vor-lateralwärts, da die septale Wand weiter cranialwärts reicht als die laterale und ein vorderer Abschluss fehlt. Ihre dorsale Begrenzung wird durch die kleine Cartilago cupularis gebildet, ihre dorso-caudale durch den Vorderrand der vor der Fenestra superior gelegenen Seitenwandpartie, dann den gleich nachher zu besprechenden Processus alaris, und schliesslich durch den Vorderrand der Lamina transversalis anterior. Der freie Rand der vor der Lamina transversalis gelegenen Seitenwandpartie ist etwas nach innen eingekrempelt und bildet so an der Innenfläche eine muschelähnliche Einragung, das Atrio- turbinale (Fig. 8). Der Processus alaris superior ragt als kleiner zapfenförmiger Fortsatz von oben in das Gebiet der Incisura narina und trennt dasselbe in einen vorderen und hinteren Ab- schnitt. Nur der vordere ist für die Apertura nasalis externa bestimmt, d. h. durch ihn wendet sich der Schleimhautsack der Nase nach der Seite, um in die äussere Haut überzugehen. Durch die hinter dem Processus alaris superior, zwischen ihm und dem Vorderrand der Lamina transversalis anterior bleibende schmale Lücke tritt der Ductus nasolacrimalis ins Innere der Nasenkapsel ein. Der Boden der Nasenkapsel (Solum. nasi) ist recht unvollständig und besteht aus der Lamina transversalis anterior (nur in gewissem Sinne) und posterior, sowie der Cartilago paraseptalis. Der grösste Teil des Bodens der Nasen- kapsel wird von der grossen Fenestra basalis. einge- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 483 nommen. Ausserdem erstreckt sich in ganzer Länge neben dem Septum, vorn zwischen Septum und Cartilago paraseptalis, hinten zwischen Septum und medialem Rand der Lamina trans- versalis posterior eine ganz schmale Spalte, die Fıssura paraseptalis, die jedoch grösstenteils nach unten dadurch abgeschlossen ist, dass sich die beiderseitigen Cartilagines para- septales bis zur Berührung aneinanderlegen ; wir können daher in der Ansicht von unten nur den hinteren Teil der Fissura paraseptalis erkennen (Fig. 2); im Schnitt ergibt sich, dass die beiderseitigen Paraseptalknorpel nicht verschmolzen, son- dern durch dünne bindegewebige Züge getrennt sind (Fig. 1118). Die Lamina transversalis posterior (= Lamina terminalis) bildet den Boden fast des ganzen subcerebralen Abschnittes der Nasenhöhle. Im hintersten Gebiet der Nasen- kapsel, der allseitig geschlossenen Cupula posterior, besteht, wie schon erwähnt, nur eine ziemlich schmale ventrale Kante, längs deren die Seitenwand in die frei neben dem Septum liegende mediale Wand übergeht; weiter vorn verbreitert sich, je mehr der untere Rand der Seitenwand lateral rückt, diese Kante allmählich zu einer queren Fläche. Dieselbe liegt jedoch nicht im Niveau des unteren Randes der Seitenwand, sondern höher als dieser; es muss also zunächst eine Aufbiegung des Knorpels nach oben-innen stattfinden, dann erst erstreckt sich die Bodenplatte horizontal nach innen bis zum Septum (Fig. 14). Hervorgerufen wird diese Erhöhung des Bodens durch den unter der Lamina transversalis durchziehenden Ductus naso- pharyngeus. Mit dem Septum vereinigt sich die Lamina transversalis posterior nicht homokontinuierlich, sondern endet neben ihm mit freiem Rand; letzterer zieht sich im hinteren, an die Cupula posterior sich anschliessenden Abschnitt zuge- schärft eine Strecke weit neben dem Septum in die Höhe und legt sich an die kolbenförmige Verdickung desselben an; weiter 484 M. VOIT, vorn bleibt er weiter vom Septum nasi entfernt und hier schiebt sich zwischen beide allmählich der aufsteigende Fortsatz des Vomer ein (Fig. 14); in diesem Gebiet erscheint der mediale Rand der Lamina transversalis sogar etwas nach unten abge- bogen und bildet so eine nach unten leicht vorspringende Leiste, die sich dicht in eine Rinne der seitlichen Platte les Vomer anlegt. Nach vorn setzt sich diese mediale Leiste über den freien vorderen Rand der Lamina transversalis posterior fort; sie bleibt, allmählich schwächer werdend, der Seitenplatte des Vomer eng angeschmiegt und geht durch ein ganz schmales Verbindungsstück kontinuierlich in die Cartilago paraseptalis über. Der freie vordere Rand der Lamina transversalis posterior verläuft nicht quer, sondern zieht sich nach vorn und oben in eine Ecke aus, die sich direkt in den vorderen Rand des in den Binnenraum einspringenden ersten Ethmoturbinalwulstes fortsetzt (Fig. 2). Die Lamina transversalis anterior zieht als schmales Knorpelband fast senkrecht nach abwärts und kann daher, wie gesagt, eher als ein Bestandteil der Seitenwand, denn als solcher des Bodens der Nasenkapsel betrachtet werden. Auch sie reicht nicht bis zum Septum, sondern geht nur in die Cartilago paraseptalis über; der Übergang erfolgt unter Umbiegung nach hinten in den Boden der Cartilago paraseptalis (Fig. 2 u. 3). Die Cartilago paraseptalis stellt im grössten Teile ihres Verlaufes eine Knorpelrinne dar, die aus zwei unten ineinander übergehenden Platten besteht. Die mediale Platte ragt höher nach oben als die laterale, so dass die Rinne nach oben und aussen offen ist. Die medialen Platten der beider- seitigen Paraseptalknorpel kommen sich bis zur Berührung nahe, nach oben und unten von der Berührungsstelle weichen sie dann auseinander (Fig. 12); oben kommen sie bis in die Höhe des unteren Randes des Nasenseptums, der auf Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 485 diese Weise von ihnen umfasst wird; im hinteren Abschnitt schiebt sich zwischen sie und das Nasenseptum der auf- steigende Fortsatz des Vomer ein (Fig. 13). Nach hinten er- streckt sich die mediale Platte der Cartilago paraseptalis weiter als die laterale und geht schliesslich mit ihrem oberen Teil in ein schmales, neben der aufsteigenden Platte des Vomer gelegenes Knorpelstück über, das die vorhin schon erwähnte Verbindung zur Lamina transversalis posterior darstellt. Auch nach vorn ragt die mediale Platte weiter als die laterale, so dass ein von der Seite zugänglicher Eingang in die Rinne der Cartilago paraseptalis entsteht, durch welchen eben das Jakobsonsche Organ mit ganz dünnem Halse ein- dringt; direkt hinter dieser Eingangsöffnung ist die Rinne auf eine ganz kurze Strecke zum Rohr geschlossen, also der Ein- gang ringförmig umschlossen (Fig. 3). Vor der Eingangsöffnung hängt der Boden der Cartilago paraseptalis mit der Lamina transversalis anterior zusammen (Fig. 11). Betrachten wir schliesslich noch die Innenfläche der Seitenwand der Nasenkapsel, wie wir sie auf Fig. 8 er- kennen, welche die eine Hälfte der Nasenkapsel nach Ent- fernung des Septums in der Ansicht von innen her zeigt. Ein überaus komplizierter, formenreicher Aufbau tritt uns hier ent- gegen, hervorgerufen durch eine Anzahl von der Wandung ins Lumen einragender Vorsprünge, Muschelbildungen, und zwischen diesen bestehender Rinnen und Ausbuchtungen der Seitenwand. Noch deutlicher wie an der Aussenfläche markiert sich hier die starke seitliche Auswölbung des mittleren Drittels, da die ihr entsprechende Ausbuchtung des Hohlraumes durch Knorpelvorsprünge sowohl gegen die vorderen als gegen die hinteren Partien des Binnenraumes scharf abgegrenzt erscheint. So können wir hier innen deutlich drei vor einander gelegene Abschnitte der Nasenseitenwand und damit des Nasenkapsel- raumes unterscheiden: eine hintere, durch die Anwesenheit 486 M. VOIT, der Ethmoturbinalia charakterisierte Pars posterior s. ethmoturbinalis, eine vordere, das Maxillo- und Naso- turbinale tragende Parsanteriors.maxillonasoturbi- nalıs, und den zwischen beiden nach der Seite vorgebuchteten und durch eine halbmondförmige Spalte zugänglichen Re- cessus lateralis. Sowohl die Pars ethmoturbinalis als der Recessus lateralis sind, da ihr Dach von der Lamina cribrosa gebildet wird, dem subcerebralen, nur die Pars maxillonaso- turbinalis dem präcerebralen Gebiete der Nasenkapsel zu- zurechnen. Die Pars ethmoturbinalis ıst vollkommen in dem durch die Lamina transversalis posterior unten abgeschlossenen Abschnitte der Nasenkapsel gelegen; sie gewährt ein äusserst zierliches Bild durch die in parallelem, von oben-hinten nach unten-vorn gerichtetem Verlauf hintereinander angeordneten, von der Seitenwand ins Lumen einspringenden Ethmoturbi- naliat). Als Ethmoturbinale| ist die ganze mit abge- stumpfter vorderer Spitze nach vorn ins Lumen der Nasen- höhle einragende Knorpellamelle zu bezeichnen, die sich medial vor den Eingang in den Recessus lateralis legt. Mit seiner Basis inseriert dieser Vorsprung an der Paries nasi längs einer Linie, die dem an der Aussenfläche als Grenzfurche zwischen dem hinteren flachen und dem mittleren nach der Seite vorgewölbten Drittel beschriebenen Sulcus lateralis posterior entspricht; ferner an der Decke der Nasenkapsel längs der die beiden Gruppen der Foramina cribrosa scheidenden Crista inter- cribrosa, sowie unten an der oberen Fläche der Lamina trans- versalis anterior. Der vordere Rand des Vorsprunges lässt einen oberen und einen unteren Schenkel unterscheiden; der obere ') Mit dem Namen Ethmo-, Maxillo-, Nasoturbinale sind im folgenden nicht die gewöhnlich so bezeichneten, mit Weichteilen überzogenen vollständigen Einragungen, sondern natürlich nur deren (hier knorpelige) Skeletstützen gemeint. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. f Schenkel beginnt an der Lamina cribrosa, am vorderen Ende der Crista intereribrosa, verläuft frei nach unten-vorn, während dieses ganzen Verlaufes leicht nach der medialen Seite um- gekrempelt, und biegt dann in abgerundetem Winkel in den unteren Schenkel um; dieser läuft eine kurze Strecke rückwärts, um dann in die oben erwähnte Ecke überzugehen, in welche sich der Vorderrand der Lamina transversalis posterior aus- zieht. Die laterale, convexe Fläche des Vorsprunges sieht gegen den Recessus lateralis, die mediale bildet scheinbar die direkte vordere Fortsetzung der Innenfläche des hintersten Abschnittes der Paries nası und formiert mit ihr zusammen eine gleich- mässige, leicht concav gewölbte Schale, die demnach als ein- heitliche Aussenwand der ganzen Pars posterior s. ethmoturbi- nalis der Nasenkapselhöhle imponiert. Es wird demnach diese beim Anblick von innen her einheitlich erscheinende Fläche, an der sich nun die weiteren Ethmoturbinalia als medial vor- springende Knorpelplatten parallel hintereinander erheben, im vorderen Abschnitt von der Innenseite des Ethmoturbinale I, im hinteren von einem Teil der Paries nasi gebildet. Noch dem vorderen Abschnitt sitzt die erste medial einspringende Knorpelplatte oder -leiste auf; sie entspringt etwas unterhalb der Lamina cribrosa und verläuft parallel mit dem oberen Schenkel des freien Vorderrandes des ganzen Ethmoturbinale I, von diesem Rande durch eine nicht sehr tiefe Furche getrennt, vor-abwärts. Da diese Vorragung nicht direkt von der Paries nasi entspringt und auch sonst eine gewisse Unselbständigkeit aufweist, ist sie nicht als eigenes Ethmoturbinale zu zählen. Es zeigt sich nämlich, dass an dem noch mit Schleimhaut bedeckten Präparate (auch noch beim erwachsenen Tier) der durch diese Platte gestützte Riechwulst mit dem Wulst über dem Vorderrand des ganzen kegelförmigen Fortsatzes oben und unten zusammenhängt; ferner ergibt sich nach den Angaben von Peter (1902), dass der ganze von der Seitenwand aus 488 M. VOIT, einspringende Fortsatz sich ontogenetisch zunächst einheitlich anlegt und erst sekundär spaltet, ausserdem nach Peter, Seydel (1899) u. a., dass derselbe bei manchen anderen Säugern zeitlebens einheitlich verbleibt. Es ist daher wohl gerechtfertigt, den ganzen von der Seitenwand aus einspringen- den Fortsatz als Ethmoturbinale I zu bezeichnen, das jedoch an seinem freien Teil in eine vordere und hintere Lamelle gespalten ist, also auch zwei Riechwülste trägt. Durch eine tiefe Rinne von der hinteren Lamelle des Ethmoturbinale I geschieden, verläuft weiter hinten, nun schon an der Innen- seite der Paries nasi wurzelnd, die Vorragung des Ethmoturbi- nale II herab; ihr freier medialer Rand beginnt wieder oben an der Lamina eribrosa und trifft unten den Vorderrand der Lamina transversalis posterior. Noch weiter hinten, kurz vor der Cupula posterior ist noch eine parallele niedrige Knorpel- leiste vorhanden, die Andeutung eines Ethmoturbinale Ill. Auch am Grunde der tiefen Rinne zwischen Ethmoturbinale II und hinterer Lamelle des Ethmoturbinale I ist eine ganz flache Leiste zu bemerken, die den in jener Rinne gelegenen Schleim- hautsack etwas einbuchtet und als Anlage eines Ektoturbi- nale im Sinne Paullis (1900) aufzufassen ist. Im vorderen Abschnitte, der Pars maxillonaso- turbinalis, ist die Innenfläche der Seitenwand, wie erwähnt, durch die Anwesenheit des Maxilloturbinale und des Naso- turbinale charakterisiert. Dazu kommt noch eine dritte Ein- ragung, das ganz weit vorn gelegene Atrioturbinale. Dieses wird zunächst durch eine einfache Einrollung des oberen Randes der Incisura narina gebildet und erstreckt sich als solche von der Cartilago cupularis bis zur Wurzel der Lamina transversalis anterior; der Processus alaris superior hängt da- bei von ihrem convexen ventralen Rand nach abwärts. Dann verlässt die Ursprungslinie der Muscheleinrollung auf kurze Strecke den freien Rand der Paries nasi, indem sie sich in Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 489 der Höhe des Abganges der Lamina transversalis anterior auf deren Innenfläche horizontal nach hinten wendet. Kurz hinter dem hinteren Ende des Atrioturbinale beginnt das vordere des Maxilloturbinale; beide sind nur durch eine kurze Lücke, In- cisura maxillo-atrioturbinalis, geschieden. Diese Lücke ist jedoch nur am Knorpelpräparat vorhanden; die Schleimhaut spannt sich gleichmässig über sie hinüber, so dass am Weichteilpräparat der ganze aus Maxillo- und Atrioturbinale bestehende Komplex einheitlich erscheint (Fig. 10). Das Maxilloturbinale beginnt hinter der Lamina transversalıs anterior zunächst wieder als direkter Umschlag des unteren Randes der Seitenwand, verlässt aber dann, indem seine Basis sich im Bogen zuerst rein nach hinten, dann nach hinten und unten wendet, diesen Rand, so dass in diesem Gebiete die Seitenwand sich noch unter dem Maxilloturbinale als die an- nähernd senkrecht stehende Laminainfraconchalis nach unten erstreckt. Bemerkenswert ist dabei noch, dass die Muschel hier streckenweise nicht homokontinuierlich mit der Paries nasi vereinigt ist (Fig. 11, links), was auf ursprünglich iso- lierte Anlage der Muschel hinweist. Erst kurz vor der Lamina transversalis posterior erreicht dann die Umschlagslinie wieder den unteren Rand der Seitenwand, so dass dieser wieder direkt umgekrempelt erscheint; die obere freie Kante dieser Eıin- rollung geht schliesslich hinten in den seitlichen Abschnitt des Vorderrandes der Lamina transversalis posterior über. Das ganze hintere, als direkter Umschlag des Unterrandes der Seiten- wand erscheinende Stück der eingerollten Knorpellamelle ıst jedoch streng genommen nicht mehr als Maxilloturbinale zu bezeichnen, da in diesem Gebiete an dem mit Schleimhaut be- kleideten Präparat kein Vorsprung zu bemerken ist; es stülpt sich hier nämlich die Schleimhaut nicht dorsal von der Lamelle zu einer tieferen Furche aus, sondern spannt sich vielmehr von ihrem oberen Rande zu dem unteren Schenkel der nachher Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H, 3). 32 490 M. VOIT, zu erwähnenden Crista semicircularis herüber, über die seit- lich davon gelegene Stenosche Nasendrüse hinweg (Fig. 12). Am Knorpelmodell jedoch ist die Einrollung in ihrer ganzen Ausdehnung dorsal von einer tiefen Furche begrenzt; die vorderen ?/, derselben, an der Aussenfläche als deutliche Vor- ragung (Sakterwulst) kenntlich, enthalten am Weichteilpräpa- rate eine Ausstülpung des Nasensackes, die „obere Legalsche Spalte‘ (Peter, Schönemann) oder das „Saktergesimse“ (Fleischmann-Beecker); wir wollen sie als Sulcus supraconchalis bezeichnen; das hintere Drittel dagegen ist am Weichteilpräparat, wie gesagt, von der Schleimhaut über- deckt und enthält den Drüsenkörper der seitlichen Nasendrüse, mag daher als Recessus glandularis bezeichnet werden. Der Recessus glandularis ist gegen den eigentlichen Sulcus supraconchalis durch eine nur wenig einspringende Leiste ab- gegrenzt, die dem an der Aussenfläche beschriebenen Sulcus lateralis anterior entspricht; er ist also vollkommen im Gebiete des seitlich ausgebuchteten mittleren Drittels der Nasenkapsel gelegen. Wenig deutlich ist das Maxilloturbinale nach unten hin gegen die innere Fläche der Lamina infraconchalis ab- gegrenzt; nur in dem Gebiete direkt hinter der Lamina trans- versalis anterior ist eine einigermassen deutliche „untere Legalsche Furche“, Suleusinfraconchalis, ausgeprägt. In diesem vordersten Gebiete zeigt das Maxilloturbinale auch schon Andeutungen einer weiteren Gliederung, indem es eine obere und laterale Abplattung und an diesen feine Längsfurchen aufzuweisen beginnt; viel deutlicher ist diese sekundäre Gliederung schon an der Schleimhaut ausgeprägt (Fig. 11). Im vorderen Abschnitt des das Maxilloturbinale vomNasoturbi- nale scheidenden Sulcus supraconchalis mündet die ziemlich grosse, schon bei der Behandlung der Aussenfläche der Seiten- wand besprochene Fenestra superior. Das Nasoturbinale, das am Weichteilpräparat als Das Primordialeranıum des Kaninchens etc. 491 deutlich einspringende Falte erscheint (Fig. 10 u. 11), ist am Knorpelmodell nur ganz wenig ausgeprägt; es bildet eine ganz flache Einwölbung ins Lumen an der Grenze zwischen Tectum und Paries nasi. Die Einwölbung beginnt vorn ganz niedrig über der Fenestra superior, springt dann etwas weiter vor in Form einer schmalen, nur zum Teil mit der Paries nasi homo- kontinuierlich verbundenen Leiste, die an einer Stelle sich sogar weiter von der Kapselwand entfernt und ein kleines Gefäss- stämmchen zwischen sich und der Wand durchtreten lässt (Fig. 11) und verliert sich hinten in einen Wulst, der auf der Innenfläche dem oberen Teil des an der Aussenseite be- schriebenen Sulcus lateralis anterior entspricht. Die hintere Abgrenzung der ganzen, eben besprochenen. Pars maxillonasoturbinalis gegen den Recessus lateralis ist mar- kant gekennzeichnet durch eine scharf ins Lumen cinspringende, einen nach hinten offenen Halbkreis beschreihende Knorpel- leiste, die Cristasemicircularis. Dieselbe beginnt hinten oben direkt vor dem Foramen cribroethmoidale, zieht dann an der Grenze zwischen Decke und Seitenwand, entsprechend der an der Aussenseite kenntlichen, vom Foramen epiphaniale aus- gehenden Furche, nach vorn, trifft mit der dem Sulcus lateralis anterior innen entsprechenden Vorragung zusammen, folgt aber dann dieser nicht nach unten, sondern wendet sich mit ihrem unteren Schenkel plötzlich scharf nach hinten, um an der late- ralen Wand des Recessus lateralis zu enden. So wird ein unteres-vorderes Gebiet des Hohlraumes, der dem hinter dem Sulcus lateralis anterior gelegenen mittleren Drittel der Nasen- kapsel angehört, eben der vorhin besprochene Recessus glandu- larıs, aus der vorderen Umfassung durch die Crista semicireu- larıs ausgeschlossen. In ihrem obersten Abschnitte, direkt vor dem Foramen cribroethmoidale wird die Crista semicircularis vom Ramus lateralis nervi ethmoidalis durchbohrt, der nach seinem Durchtritt durch das Foramen cribroethmoidale zuerst 32* 492 M. VOIT, medial von ihr gelegen ist, dann durch sie hindurch auf ihre laterale Seite gelangt, um hier sofort durch das Foramen epi- phaniale auszutreten. Der untere, nach hinten in den Recessus lateralis ragende Schenkel der Crista semicircularis ist nicht als an der Wandung haftende Lamelle ausgebildet, sondern als freie, nur mit ihrem Ende wieder befestigte Spange, so dass man am Knorpelmodell zwischen ihr und der Seitenwand hin- durch aus dem Recessus glandularis in den über der Spange gelegenen Recessus lateralis inferior anterior gelangen kann; am Weichteilpräparate ist hier ein bindegewebiger Abschluss vorhanden (Fig. 12); diese Spange ist der bekannte Pro- cessus uncinatus. Der Recessus lateralis, zu dessen Besprechung wir uns schliesslich wenden wollen, ist also durch eine halbmond- förmige Spalte zugänglich, die hinten und zugleich medial vom convexen vorderen Rand des nach innen vorragenden Ethmo- turbinale I, vorn und zugleich lateral von der Crista semi- circularis begrenzt wird. An der mit Schleimhaut bekleideten Nasenhöhle beschreibt Peter, dass der Verlauf der Crista semicircularis ungefähr dem auf die Seitenwand projizierten Kontur des Ethmoturbinale I entspreche; am Knorpelmodell stehen die beiden Ränder natürlich etwas weiter voneinander entfernt, so dass man bei Ansicht von innen her auch ohne Entfernung des Ethmoturbinale I schon wenigstens einen teil- weisen Einblick in den Recessus lateralis erhält. Da erkennen wir denn, dass derselbe durch eine annähernd horizontal ver- laufende, von hinten her einspringende Knorpellamelle unvoll- ständig in einen oberen und unteren Abschnitt aufgeteilt wird. Medial inseriert diese Lamelle an der leicht convex gegen den Recessus lateralis eingebuchteten lateralen Fläche des Ethmo- turbinale I, etwa in der Mitte der Höhe desselben; nach vorn zu verliert sie sich in eine an der Seitenwand des Recessus lateralis aufsteigende Leiste, welche die Crista semicircularis Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 493 in der Mitte ihres oberen Schenkels trifft. So wird ein oberhalb dieser Lamelle gelegener Recessus lateralis superior s. frontalis abgetrennt von dem ventralen Gebiet, an dem wiederum eine hintere Aussackung, der Recessuslateralis inferior posterior sive maxillaris und eine kleinere vordere Bucht, der Recessus lateralis inferior an- terior zu unterscheiden ist. Im Recessuslateralissuperior, dessen Decke von dem lateral-vorderen Abschnitt der Lamina cribrosa gebildet wird, springen zwei den Ethmoturbinalia annähernd gleich- gerichtete Wülste ins Lumen vor, die Conchae frontales (Conchae obtectae nach Peter). Mit ihrer Basis der hinteren bezw. seitlichen Wandung des Recessus ansitzend, mit ihrem freien Rand von der Lamina cribrosa, und zwar von den die Foramina der lateralen Gruppe trennenden Spangen zur quer- verlaufenden Bodenplatte des Recessus lateralis superior ziehend, begrenzen sie drei Ausbuchtungen des Hohlraumes, von denen die eine nach hinten, die andere lateralwärts, die dritte nach vorn gerichtet ist; die hintere Aussackung ist von der medialen Seite her vollständig gedeckt durch das Ethmo- turbinale I, die vordere grossenteils durch das obere Drittel der Crista semicireularis. Der Recessus lateralis ın- ferior posterior oder Recessus maxillaris ist ebenfalls medial vom Ethmoturbinale I gedeckt; sein Boden ist noch teilweise gebildet vom lateralen Abschnitt der Lamina transversalis posterior, nach vorn setzt er sich am Knorpel- modell direkt in den Recessus glandularis fort; nach vorn und oben geht er in eine lateral vom mittleren Drittel der Crista 'semieircularis befindliche kurze Ausbuchtung über, den Re- cessus lateralis inferior anterior. Mit wenigen Worten wollen wir noch den Inhalt der knor- peligen Nasenkapsel besprechen, den von einer mässig dicken Schicht gefäss- und nervenführenden lockeren Bindegewebes 494 M. VOIT, umgebenen epithelialen Nasensack (Fig. 10—14). Der- selbe entspricht in allen wesentlichen Zügen vollkommen dem von Peter (als ältestes seiner embryonalen. Stadien) be- schriebenen, so dass ich einfach auf Peters Darstellung ver- weisen kann. Der Nasensack ist nicht vollständig von der knor- peligen Nasenkapsel umschlossen; ein schmaler unterer Streifen, und zwar des sekundären Anteils desselben, ragt durch die Fenestra basalis hindurch etwas über den Unterrand der Paries nasi nach abwärts; ausserdem bleibt im Gebiete der Incisura posttransversalis ein Teil des Nasensackes von der Seite her ungedeckt, und zwar derjenige Teil, der sich hinten in den Ductus nasopalatinus verlängert, weiter vorn aber den an der septalen Seite nach hinten umbiegenden Schlauch des Jakob- sonschen Organs aus sich hervorgehen lässt. Hier mögen auch noch einige Worte über den Verlauf des Ductus nasolacrimalis und seine Beziehungen zum Schädel- skelet Platz finden (Fig. 13, 12, 11, 10). Der Tränennasen- gang, an dessen orbitalem Ende beim Kaninchen, wie aus den Arbeiten von Walzberg, Fleischer u. a. hervorgeht, nur das untere Tränenkanälchen zur vollen Entwickelung kommt, während das obere rudimentär bleibt, gelangt von der Orbita aus zwischen Lacrimale und Maxillare hindurch an die Aussen- seite der Nasenkapsel, und zwar im Gebiete der Seitenwand des Recessus lateralis inferior, läuft hier, gedeckt vom Maxillare vor-abwärts, um an der Seite der Lamina infraconchalis in horizontale Richtung überzubiegen; hier übernimmt das In- cisivum die laterale Deckung. Im Gebiete der Incisura post- transversalis überschreitet er dann den unteren Rand der Paries nasi, so dass er hier medialwärts nicht mehr vom Knorpel bedeckt, sondern eine kurze Strecke weit nur durch Binde- gewebe vom epithelialen Nasenschlauch getrennt ist (Fig. 11). Dann läuft er lateral von der Lamina transversalis, direkt an der Wurzel derselben, vorbei, um durch die schmale Incisur Das Primordialeranıum des Kaninchens etc. 495 zwischen Vorderrand der Lamina transversalis und Processus alaris superior ins Innere der knorpeligen Nasenkapsel ein- zudringen und nach kurzem intrakapsulärem Verlauf in den Nasensack einzumünden. Was schliesslich noch die Nerven und Gefässe der Ethmoidalregion anlangt, soweit sie wichtigere Bezie- hungen zum Primordialeranium besitzen, so wäre hier bezüg- lich des N. olfactorius nur noch einmal an die Aufteilung der Fila olfactoria in eine lateral-vordere und medial-hintere Gruppe zu erinnern, von denen jene die Riechschleimhaut im Gebiete des Recessus lateralis, diese die im Gebiete der Pars posterior der Nasenhöhle versorgt. Auch der Verlauf des N. ethmoidalis ist noch einmal im Zusammenhang zu besprechen. Derselbe tritt aus der Orbita durch den vorderen Abschnitt der Fissura orbitoethmoidalis in die Schädelhöhle und zieht, an der lateral- unteren Seite des Lobus olfactorius, aber extradural gelegen, über die Lamina cribrosa nach vorn; die zu der lateralsten Reihe der Foramina cribrosa ziehenden Fila olfactoria ver- laufen von medial her unter ihm durch, er überlagert dieselben also dorsal; im morphologischen Sinne liegt er natürlich lateral von allen Fila olfactoria. Durch das Foramen cribroethmoidale tritt er, gleichzeitig mit einigen Fila olfactoria, in die Nasen- höhle ein; hier ist nun seine weitere Verästelung schwer zu verfolgen, da seine Fasern im mikroskopischen Bild von nahe- liegenden Riechfäden oft nicht zu unterscheiden sind. Ein feines Bündel lässt sich aber auch noch weiterhin abgrenzen, der Ramus lateralis; dieser durchbohrt von medial nach lateral die Crista semieircularis und gleich im Anschluss daran das Tectum nasi und kommt so durch das Foramen epiphaniale an die Oberfläche der Nasenkapsel; hier lässt er sich, in einer Furche der Knorpelkapsel gelegen und vom Os nasale bedeckt, noch eine Strecke weit nach vorn verfolgen. Auch in der Nasenregion finden wir in einem späteren ‘496 M. VOIT, Stadium als das ıst, welches dem Modell zugrunde liegt, eine interessante weitere Ausgestaltung des Primordialskeletes, auf die wir nun noch eingehen wollen. Betrachten wir an der Modellserie I Schnitte durch die mittleren Teile der Ethmoidal- region, welche das Gebiet der Fenestra basalis treffen, so er- kennen wir (Fig. 12 u. 13), dass in der ganzen Ausdehnung vom Hinterrand des Ductus nasopalatinus bis in die Gegend der Trennung des Ductus nasopharyngeus vom Nasensack, also im Gebiete fast der ganzen primären Apertura nasalis interna beiderseits der ventralen Kante des Nasenschlauches (speziell des durch die Bildung des sekundären Gaumens der Nase zu- geschlagenen Abschnittes desselben) ventral, resp. ventromedial je ein Strang verdichteten Gewebes anliegt, der in seinem vor- deren Teile bereits den Charakter von Vorknorpel aufweist. Derselbe liegt also im Gebiete des sekundären Gaumens und schliesst die zwischen Processus palatinus medialis und lateralis des Os incisivum, weiter hinten zwischen Processus palatinus medialis des Incisivum und medialem Rand des Os palatinum bleibende Lücke, das Foramen incisivum mehr oder minder ab. Sehen wir dieselbe Gegend an der Serie III durch den Kopf eines 70 mm langen Kaninchenembryos an, so erkennen wir, dass jetzt dieser Gewebsstrang sich zu einer wohlausgebildeten Knorpelrinne weiterdifferenziert hat, die in der angegebenen Längenausdehnung die untere Kante des Nasensackes umfasst. Es ist das gleiche Gebilde, das in der Fig. 79 des Krause- schen Lehrbuches angegeben und dort als Cartılago naso- palatina bezeichnet ist. An keiner Stelle steht dieser Knorpel mit dem übrigen Primordialcranium in Verbindung, gleichwohl glaube ich ihn als eine Ausgestaltung des Primordialcranıums auffassen zu müssen, die allerdings ontogenetisch recht spät auftritt. Ich glaube, dass wir es hier mit einer Bildung zu tun haben, die der von Gaupp bei Echidna als Processus palatinus des primordialen Nasenskeletes beschriebenen zu ver- Tafel 38. 116. Heft (38. Bd., H. 3). I. Abt. Anatom. Hefte. : 5 > S 7 & une 5 dog our ana © = vngepueM g se 'uvT owÄH 3 Ar A 25 | N Le ' oung 158 Ba le | arorogug HF, Od | | -1pumiu u a N r Al | dos used | | "Rd | E N | IF oT a word [ONP9W "119 | -odAy | ı 1 | er | | "WVT | | | ie] Ne | | | IM | | | | | i | | -11dT990 BIT | re | L EEE | y1d1990 BILA | | \ | | | BL j | | I '150d 'sdwa-"dian0 'SSLI 7sod "DIS "LUOLT j. sno[eN suony umAIsSIOU] ar 4 "Ju OTWOS "ULO.TT aD dns 'aeje 90T _ __ RR = ‘yorwd um Tseu dest 401 ar dno ed -- Bi: ’3 ; | ; 2 £ wd-'sded 'SSLI “ n dns ug ___E — - degoLıwd.roju] | | | | | | | | | 9JeseN H \ [ D OIEIIIXEW. omwÄneT qaowadns sna.Ty OLUOLT “dl qaor.ıdns »OoTLd umsourenDbs OeyoLieT | | | | | | | Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Voit, Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 497 gleichen ist. Wir werden darauf im zweiten Teile unserer Arbeit ausführlich zurückkommen. Visceralskelet. (Fig. 3, 4, 9, Fig. 17—23). In bekannter Weise steht in den vorliegenden Stadien der Hammer in homokontinuierlicher Verbindung mit dem vor- deren stabförmigen Teil des Meckelschen Knorpels. Dieser zieht, zunächst absteigend, dann mehr horizontal nach vorn und innen; so convergieren die beiden Meckelschen Knorpel, legen sich dicht aneinander und verschmelzen zu einem einheitlichen Stück, das noch eine Strecke weit nach vorn sich fortsetzt. Erst in einer kleinen mittleren Strecke beginnt der Knorpel von der Aussenseite her, wo ihm die Mandibula anliegt, resorbiert zu werden, so dass er hier nicht mehr kreis- förmigen, sondern nur mehr etwa halbmondförmigen Quer- schnitt zeigt. An seinem proximalen Ende, neben der Pars cochlearis der Ohrkapsel, geht der Knorpel in das kräftige, seitlich etwas abgeplattete Caput mallei über. Der leicht ge- wölbte Dorsalrand desselben ist direkt unter dem Tegmen tym- pani gelegen, nur durch einen schmalen Spaltraum von ihm getrennt; sein hinterer stark verdickter Rand trägt die sattel- förmige Gelenkfläche für den Incus; mit senkrechter Linie steigt der vordere zugeschärfte Rand nach abwärts; hier unten er- folgt dann der Übergang in das Manubrium mallei, das zu- nächst mit einer starken horizontalen Verbreiterung beginnt und sich dann in einen nach vorn, ventral und medial ziehenden stark sich verjüngenden Fortsatz auszieht. Die Anlage des Trommelfells, in die das Manubrium ein- gebettet ist, stellt eine schon ziemlich dünne Bindegewebs- platte dar, die aussen von dem noch aus solidem Epithel ge- bildeten Meatus auditorius externus, innen vom Epithel des 498 M. VOIT, Cavum tympani begrenzt ist. Der Kopf des Hammers ist vom Paukenepithel noch nicht umwachsen. ! Der Incus lässt deutlich ausser seinem Corpus, dessen nach vorn gerichtete sattelförmige Gelenkfläche mit dem Hammer articuliert, einen kurzen und langen Fortsatz unterscheiden ; ersterer ragt als stumpfer Kegel nach hinten in die zwischen Crista facialis und Tegmen tympani gelegene Fossa incudis, letzterer steigt senkrecht nach abwärts und bildet an seinem unteren Ende eine kleine knopfförmige Verdiekung, die mit dem Stapes articuliert. Der Stapes besitzt schon ganz die definitive Ringform; seine Fussplatte ist in das Verschlussgewebe der Fenestra vesti- buli eingefügt; durch die Öffnung des Ringes zieht, wie wir schon erwähnt haben, noch eine ganz kleine Arteria stapedialis hindurch. Vom Hyobranchialskelet ist an dem Modell nur der obere Teil des Hyalknorpels oder Reichertschen Knorpels dargestellt. Wir haben schon beschrieben, dass derselbe homokontinuierlich mit der Crista parotica verbunden ist und zwar derart, dass er eine Strecke weit den N. facialıs nicht nur von aussen, sondern gleichzeitig von vorn her deckt. Kurz nachdem er von der Crista parotica frei geworden, legt sich ihm von aussen der Processus mastoideus an, so dass dadurch das Foramen stylomastoideum primitivum zustande kommt, durch welches der N. facialis nach aussen tritt. Dann wendet sich die Knorpelspange vor-abwärts, zieht nahe an der Spitze des Processus paramastoideus vorbei und läuft nun unter der Pars cochlearis nach vorn und innen. Auf eine ziemlich lange Strecke ist dann der Knorpel be- reits unterbrochen und erst kurz vor dem Zungenbein beginnt der untere Abschnitt des Hyalbogens wieder, um das kleine Zungenbeinhorn zu bilden. Das Zungenbein zeigt sonst die gewöhnlichen Verhältnisse. Das Primordialeranium des Kaninchens ete, 499 Deckknochen. Die Deckknochen sind schon sämtlich vorhanden und weisen grösstenteils einen Entwickelungsgrad auf, der schon alle wesentlichen Züge der definitiven Formgestaltung wohl erkennen lässt. | Das Interparietale (Fig. 1, 2, 4, 5) ist eine paarige schmale und dünne Knochenplatte, die sich jederseits vom Dorsalrand des hintersten Teiles der Parietalplatte erhebt und mit seinem oberen Ende schon fast die Mittellinie erreicht; sein Vorderrand bleibt noch etwas vom Parietale entfernt, sein Hinter- rand bildet eine direkte Verlängerung des auf der oberen Kante des Tectum posterius senkrecht stehenden Abschnittes des medialen Randes der Parietalplatte. So bleibt zwischen dem Tectum posterius und den beiden Interparietalia ein grösserer Bezirk der Schädeldecke zunächst nur häutig verschlossen. Das Parietale (Fig. 1, 4, 5, 19—25) stellt eine aus- gedehnte schalenförmige Knochenplatte dar, die mit ihrem unteren Abschnitte der Parietalplatte und dem hinteren Teile der Commissura orbitoparietalis sich auflagert und von hier mit starker seitlicher Auswölbung weit nach oben sich erhebt. Seine vordere untere Ecke ragt noch etwas unter den ventralen Rand der Commissura orbitoparietalis ins Gebiet der Fenestra sphenoparietalis herein (Fig. 5) und wird lateral vom Squa- mosum gedeckt. Sein vorderer Rand berührt den hinteren des Frontale; sein oberer Rand bleibt ziemlich weit von der Mittel- linie entfernt; die durch den Hinterrand des Parietale hervor- gerufene Einknickung der Parietalplatte haben wir bereits erwähnt. Ausgedehnter noch als das Parietale ist das Frontale (Bas.i 1,2,.4,,5,.:13, 14, 15), das sich‘'/dem vorderen Teile der Commissura orbitoparietalis, der Ala orbitalis und einem hinteren oberen Teile der Nasenkapsel von aussen anlegt 500 I ME SVIOLT, und sich namentlich in seinem vorderen Abschnitt als Decke über das Cavum cranii wölbt. Es lässt bei der Ansicht von aussen deutlich zwei Gebiete unterscheiden, ein dorsales, das die Stimfläche des Schädels bildet (Pars frontalis) und ein ventrales, welches das Dach der Orbita darstellt (Pars orbitalis); eine Strecke weit ist die Grenze zwischen beiden Gebieten deutlich markiert durch eine scharf vorspringende Leiste, den für das Kaninchen charakteristischen Arcus supraorbitalis, der sich nach hinten in einen freien zapfen- förmigen Processus supraorbitalis posterior ver- längert. Der vordere Rand der Pars frontalis legt sich dicht vor der Lamina cribrosa der Nasenkapsel an, so dass dadurch das Schädelcavum nach vorn abgeschlossen wird; er bleibt dabei noch etwas vom hinteren Rand des Nasale entfernt. Die Pars orbitalis liegt dem lateral-vorderen Teil der Ventral- fläche der Ala orbitalis an und schiebt sich mit ihrem Vorderrand noch etwas in die Fissura orbitonasalis vor. Der in gerader Richtung aufsteigende hintere Rand des Frontale kommt nahe an den vorderen des Parietale zu liegen. Der dorsale Rand erreicht im vorderen Gebiete beinahe die Mittel- linie und läuft hier parallel mit dem der anderen Seite; nach hinten bleibt er dagegen mehr und mehr von der Mittellinie entfernt. So bleibt zwischen den beiden Frontalia und Parietalia eine grosse, etwa rhombische Lücke in der dorsalen knöchernen Begrenzung des Cavum cranii, eine bindegewebig verschlossene grosse Fontanelle (Fig. 1). Das Squamosum (Fig. 1, 4 u. 5, 17-24, 26 u. 27) liegt nur mit einem verhältnismässig kleinen und schmalen hinteren Stücke seitlich von der Ohrkapsel, und zwar von dem obersten Teile der Prominentia semicircularis lateralis und dem Tegmen tympani. Mit seiner Hauptmasse erstreckt es sich lateral von der Commissura orbitoparietalis nach vorn, indem es über deren unteren Rand hinaus in die Fenestra sphenoparietalis Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 501 einragt. Nach vorn reicht es bis an die Ala orbitalis und die Lamina ascendens der Ala temporalis. Hinten überlagert es etwas die vordere untere Ecke des Parietale und schickt einen kleinen Fortsatz am unteren Rande des Parietale caudalwärts. Von der lateralen Seite des Squamosum, etwa an der Grenze des vorderen und mittleren Drittels seiner Länge entspringt der Processus zygomaticus; in der Gegend des Abgangs des- selben ist der untere Rand des Squamosum verdickt und bildet die Gelenkfläche zur Anlagerung der Mandibula (Fig. 17); Knorpel ist an dieser Gelenkfläche nicht zu konstatieren. Der Processus zygomaticus wendet sich lateral vom Gelenkteil der Mandibula nach vorn und unten und legt sich unter allmäh- licher Zuspitzung über das hintere Drittel des Os zygomaticum. Der vor der Wurzel des Processus zygomaticus gelegene Teil des Squamosumkörpers nimmt noch etwas an der Bildung der hinteren Wand der Orbitotemporalgrube teil. Das Nasale (Fig. 1, 2, 4, 10, 11, 12) liegt als flacher, etwa viereckiger Knochen einem grossen Teile des Daches der präcerebralen Nasenkapsel, teilweise auch der Seitenwand derselben auf. Mit seiner vorderen lateralen Ecke deckt es die hintere Hälfte der Fenestra superior, wobei sein lateraler Rand sich der etwas vorspringenden unteren Kante der Fenestra eng anschmiegt (Fig. 10). In den oberen Teil des Sulcus lateralis anterior dringt ein vom lateralen (ventralen) Rand des Nasale ausgehender Fortsatz ein. In diesem Gebiete schiebt sich der von unten und vorn kommende aufsteigende Fortsatz des In- cisivum etwas über das Nasale (Fig. 2 u. 4). Zwischen Nasen- kapsel und Nasale läuft, wie schon erwähnt, der Ramus lateralis nervi ethmoidalis nach vorn. Als Parasphenoid (Fig. 1, 2, 17 u. 18) wollen wir unter Annahme der von Gaupp durchgeführten Homologie- sierung den Knochen beschreiben, der früher allgemein als Pterygoid bezeichnet wurde und im erwachsenen Zustande bei 502 M. VOIT, den meisten Säugern als sogenannte innere Lamelle des Flügel- fortsatzes am Keilbein erscheint. Das Parasphenoid liegt an der Ventralfläche der Schädelbasis in der Orbitotemporalregion, und zwar im wesentlichen unter dem Processus alarıs. Wie bei anderen Säugern ist es auch beim Kaninchen teilweise knorpelig vorgebildet, und zwar ist der Knorpel wohl, wie wir im zweiten Teile der Arbeit näher ausführen wollen, als ein sogenannter sekundärer aufzufassen. Die rundliche Knorpel- masse wurde auf der rechten Seite im Zusammenhang mit dem Knochen, auf der linken isoliert modelliert und kommt auf Fig. 2 u. 3 gut zur Anschauung (Cartil. parasphen.). Sie ragt am unteren hinteren Teil des Parasphenoid, in der Gegend des späteren Hamulus, frei vor und weist hier erst gerade beginnende Verknöcherung auf; weiter vorn und oben ist die letztere schon weiter vorgeschritten und der oberste Teil des Parasphenoid ist anscheinend überhaupt nicht knorpelig prä- formiert, sondern entsteht direkt auf bindegewebiger Grund- lage. Dieser Teil legt sich dicht an die mediale Seite des als kräftige Verdickung nach unten vorspringenden Processus pterygoideus der Ala temporalis an. Durch den ventralen Teil des Parasphenoid wird der letztere nach unten überragt. Der ganze Komplex des Parasphenoid samt seinem Knorpel- kern ist von einer dicken Schicht von Bildungsgewebe rings umschlossen, das aus dicht aneinandergedrängten ziemlich grosskernigen Zellen besteht. An dieser periostalen resp. peri- chondralen Bildungsmasse setzen sich medial Muskelfasern (des Constrictor pharyngis sup.) an; sonst ist derselbe gut gegen das umgebende lockere Bindegewebe abgegrenzt; nur von dem Perichondrium der medialen Fläche des Processus pterygoideus ist es nicht zu trennen (Fig. 18). Von der Unterfläche des Processus alarıs bleibt das Parasphenoid durch einen von lockerem Gewebe erfüllten Zwischenraum getrennt, in dem u.a. der N. parabasalis (= Vidianus) nach vorn verläuft (Fig. 18). Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 503 Nach vorn erstreckt sich das Parasphenoid noch etwas über den Processus alarıs hinaus, also ins Gebiet der Fissura orbi- talis sup. und legt sich dann ein kleines Stück weit medio- ventral neben dem hintersten Teil des Os palatinum (Fig. 1 u. 17). Hier liegt der N. parabasalis zunächst zwischen Para- sphenoid und dem vordersten Teile des Ganglion Gasseri, dann an der lateral-oberen Seite des Os palatinum, wo er in das Ganglion sphenopalatinum übergeht. Die mediale Fläche des Parasphenoid blickt gegen die Schleimhaut des Ductus naso- pharyngeus. Das Palatinum (Fig. 1, 2, 4, 15, 16, 17) lässt wie bei anderen Säugern eine „Pars perpendicularis“ und eine ‚Pars horizontalis‘“ erkennen; doch ist letztere verhältnismässig so klein, dass sie nur als ein Fortsatz der ersteren erscheint und demnach wohl besser als Processus horizontalis (s. palatinus) zu bezeichnen ist. Die Pars „perpendicularis‘“ stellt eine in craniocaudaler Richtung auffallend langgestreckte Platte dar, die jedoch nicht eigentlich vertical steht, sondern von oben innen nach unten aussen geneigt und dabei leicht gewölbt ist, so dass ihre obere Partie im wesentlichen in der Seiten- wand des beim Kaninchen sehr langen Ductus nasopharyngaus, ihre untere im Munddach gelegen ist. Sie erstreckt sich von der Gegend der Ala temporalis bis zum hinteren Ende der Nasen- kapsel. Ihr oberer Rand legt sich dabei an die Ventralfläche der Schädelbasis derart an, dass zwischen den beiden rostral- wärts etwas convergierenden Palatina die hinten breitere, nach vorn zum Septum interorbitale verschmälerte Balkenplatte frei bleibt; ganz vorn kommt er noch etwas unter die Nasenkapsal zu liegen und ist hier nach der medialen Seite umgebogen (Fig. 15). Der hintere Rand der Pars „perpendicularis‘ legt sich unter geringer dorso-lateraler Überschiebung an den vor- deren Rand des Parasphenoid; seine untere Ecke aber ist in einen kurzen, horizontal nach aussen umgelegten Fortsatz (Pro- 504 M. VOIT. cessus pyramidalis) verlängert, der sich an die Lamina ptery- goidea von unten und vorn anlegt. Der untere Rand schliess- lich endet in seinem hinteren Abschnitte frei, im vorderen legt er sich an die mediale Seite der inneren Lamelle des Processus alveolaris ossis maxillaris an. Die medial-untere Fläche der Pars ‚perpendicularis‘ sieht, wie schon erwähnt, gegen den Ductus nasopharyngeus und gegen das Dach der Mundhöhle (Fig. 15—17), die lateral-obere Fläche gegen die Orbita, deren mediale Wand und Boden sie bilden hilft. An ihrem vorderen Ende weicht die Pars perpendicularis des Pala- tinum in drei übereinander gelegene Fortsätze auseinander, die wir als Processus superior s. nasalis, Processus medius s. horizontalis, s. palatinus und Proc. inferior s. maxillaris unterscheiden wollen. Der Proc. superior bildet eine kurze vordere Fortsetzung des der Nasenkapsel dicht anliegenden horizontal umgebogenen oberen Abschnittes des oberen Randes der Pars perpendicularis. Der am weitesten unten und seitlich gelegene Processus inferior legt sich eng an die mediale Fläche des Processus alveolaris des Maxillare an. Am wichtigsten ist der mittlere Fortsatz, der sich rasch, im wesentlichen nach der medialen Seite zu, horizontal verbreitert und so eine an- nähernd rechteckige Platte, die kleine Pars horizontalis oder palatina des Palatinums darstellt. Diese liegt in dem den Nasen- rachengang von der Mundhöhle trennenden sekundären Gaumen und bildet so den hintersten Teil des ‚„Palatum durum“. Ihr medialer Rand erreicht die Mittellinie noch nicht, so dass sich zwischen den beiderseitigen Gaumenplatten noch ein schmaler medianer Zwischenraum findet. Mit ihrem vorderen Teile schiebt sie sich etwas auf die dorsale Seite der Gaumen- platte des Maxillare, ihr hinterer Rand endet frei. Zwischen der Lamina palatina einerseits und dem Processus superior und inferior andererseits findet sich nun je eine von vorn in das Palatinum einschneidende Incisur, die durch benachbarte Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 505 Skeletteile je zu einem Foramen vervollständigt werden. So wird die obere Incisur von oben durch den ventralen Rand der Nasenkapsel, von vorn durch das Os maxillare zu dem längs- ovalen Foramen sphenopalatinum abgeschlossen, das aus der Orbita nach vorm und innen in den Nasenrachengang führt. Die Incisur zwischen der Gaumenplatte und dem seitlich und unten vorragenden Processus inferior aber wird durch den Hinterrand der Lamina palatina des Maxillare zu dem aus der Orbita direkt in die Mundhöhle führenden Foramen pala- tinum vervollständigt. Die orbitalen Mündungen dieser beiden Foramina sind am Modell bei seitlicher Ansicht deutlich zu erkennen; später allerdings werden sie durch die sich mächtig gegen die Orbita vorbuchtenden Alveolen der hinteren Mahl- zähne, die jetzt noch nicht entwickelt sind, vollkommen ver- deckt. Der lateralen oder orbitalen Fläche des Palatinums liegt fast in seiner ganzen Länge das ungemein langgestreckte Ganglion sphenopalatinum nahe an; von dessen vorderster Spitze zieht der N. palatinus durch das Foramen palatinum zur oralen Fläche des Gaumens, der N. sphenopalatinus mit einigen Gefässästchen durch das Foramen sphenopalatinum zum Nasenrachengang; von letzterem Nerven zweigt sich dann auch der N. nasopalatinus (Scarpae) ab, der ventral von der Lamina transversalis posterior, dann im septalen Gewebe neben der Cartilago paraseptalis nach vorn zieht. Der Vomer (Fig. 2, 13, 14) liegt als ein unpaarer, aber an seinem vorderen und hinteren Ende gabelförmig in paarige Fortsätze auslaufender Knochen unter dem ventralen Rande des Septum nasi. Er besitzt in seinem grösseren hinteren Teile die Form einer dorsalwärts offenen Rinne, d. h. er besteht hier aus einer schmalen horizontalen Platte, deren laterale Ränder nach oben in vertical stehende Längsleisten umgebogen sind. Diese Randpartien ragen weiter caudalwärts als das Mittelstück, bilden also auf diese Weise die paarigen hinteren Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd, H. 3). 33 5 “m. mon Fortsätze des Knochens. Sie legen sich im hintersten Abschnitt an den dorsal umgebogenen Rand der Lamina transversalis an, weiter nach vorn, wo die letztere mehr vom Septum ent- fernt bleibt und ihr medialer Rand leicht ventralwärts abge- bogen ist, ragen sie allmählich immer höher werdend zwischen diesem Rand und dem Septum aufwärts (Fig. 14); sie liegen dabei dem medialen Rand der Lamina transversalis, sowie dessen vorderer in die Cartilago paraseptalis übergehenden Ver- längerung auf das allerinnigste, ohne trennendes Bindegewebe an, während sie, ebenso wie der Mittelteil, vom Septum durch eine ziemlich dicke Bindegewebsschichte getrennt sind. Am hinteren Ende der Cartilago paraseptalis wird der Mittelteil des Vomer plötzlich schmal, aber hoch und bildet so eine vertical stehende Platte, die an ihrem oberen Rand in die beiden Seitenteile auseinanderweicht (Fig. 13). Die verticale Mittelplatte kommt zwischen die beiden Paraseptalknorpel zu liegen und hängt wie ein Kiel unter der nunmehr von den Seitenplatten allein gebildeten Rinne; die letzteren liegen den oben auseinanderweichenden inneren Lamellen der Paraseptal- knorpel an und verlängern sich noch über deren dorsale Kante, lateral vom Septum, nach oben. Nach vorne wird der mittlere Kiel immer kürzer und zieht sich so aus dem Spalt zwischen den gleichzeitig einander näher rückenden Paraseptalknorpeln zurück; er hört dann früher auf als die Seitenplatten, die sich noch eine Strecke weit apicalwärts verlängern und so die vorderen paarigen Fortsätze des Vomer bilden. Mit seinem caudalen Ende erreicht der Vomer nicht die Querschnittsebene der hinteren Nasenkuppel, nach vorn ragt er etwa bis in die Mitte der Ethmoidalregion. Er bildet in seiner hinteren Hälfte zusammen mit den beiderseitigen Laminae transversales posteriores die Decke des Ductus nasopharyngeus und ruft durch seine nach unten convexe Wölbung eine leichte mediane Einbuchtung dieser Decke hervor, der eine ebensolche durch Das Primordialcranium des Kaninchens etc. 507 die Processus palatini des Maxillare erzeugte mediane Er- hebung des Bodens entspricht; eine vollständige Trennung des einheitlichen Ductus nasopharyngeus wird durch diese Ein- ragungen jedoch nicht erzielt. Im vorderen Abschnitt liegt der Vomer vollständig in der die beiden Nasenhöhlen trennenden septalen Masse. Das Incisivum (Fig. 2, 4, 10—13) verdankt seine recht ansehnliche Grösse der Anwesenheit der oberen Nagezähne. Es lässt, dem vorderen Teile der Seitenwand des Bodens der knorpeligen Nasenkapsel anliegend, einen Körper, einen Pro- cessus palatinus medialis und lateralis, sowie einen Processus frontalis unterscheiden. Der Körper, welcher die noch ein- heitliche grosse Alveole für die oberen Nagezähne!) enthält und demgemäss aus zwei die Alveole umfassenden, oben bogen- förmig ineinander übergehenden Platten besteht, deckt von aussen her einen vorderen unteren Teil der Paries nasi, nament- lich die ganze Lamina infraconchalis und die Lamina trans- versalis anterior, er überragt aber auch die Nasenkapsel ventral- wärts und schliesst so die Incisura posttransversalis, sowie den unteren hinteren Teil der Incisura narina nach aussen ab. Ventral und vor der Lamina transversalis anterior bildet seine mediale Platte eine senkrecht stehende Fläche, mittelst der die beiderseitigen Incisiva aneinanderliegen (Fig. 10 u. 11). Der obere Rand des Incisivumkörpers bleibt von dem Ventralrand des Nasale etwas entfernt, so dass hier also ein Teil der Paries nasi (speziell der Prominentia supraconchalis) unbedeckt bleibt. !) Im vorliegenden Stadium ist jederseits ausser den schon recht weit entwickelten Anlagen für den grossen und kleinen Nagezahn auch noch die bereits in Rückbildung begriffene Anlage eines vor dem grossen Ineisivus gelegenen Zahnes vorhanden; eine gleiche rudimentäre Zahnanlage findet sich im Unterkiefer vor dem unteren Incisivus. Es handelt sich hier um die von Chabry und Pouchet (1884), später von Freund (189) beschriebenen Gebilde, die nach Adloff (1897), als rudimentäre erste Incisivi zu deuten sind, so dass demnach die grossen Nagezähne als Incisivi II angesehen werden müssen. 33* 508 M. VOIT, Der vordere und obere Rand des Körpers des Incisivum be- grenzt zusammen mit dem vorderen und einem Teil des unteren Randes des Nasale die knöcherne Apertura piriformis, die oben durch die mediane Vereinigung der beiden Nasalıa, unten durch die der beiden Ineisiva geschlossen wird. Aus dieser Apertura piriformis ragt die ganze vordere Spitze der Nasenkapsel noch eine ziemliche Strecke weit nach vorn; unter anderem bleibt auch noch das oberste vom Tränengang direkt umzogene Wurzelstück der Lamina transversalis anterior, sowie die Eintrittsstelle des Tränengangs in die Nasenkapsel hinter dem Processus alaris superior von Knochen unbedeckt. Be- sonders eng liegt die mediale Platte des Incisivumkörpers der Lamina transversalis anterior an; sonst bleibt der Knochen vom Knorpel durch eine dickere Bindegewebsschicht getrennt, namentlich da, wo zwischen den beiden der Ductus nasolacri- malis verläuft. Nach hinten zu spaltet sich das Incisivum in zwei Fortsätze, von denen der eine lateral, der andere medial von der Fenestra basalis caudalwärts verläuft. Der laterale, mächtigere Fortsatz, Processus palatinus lateralis, bildet die direkte Fortsetzung des Körpers des Incisivum; er liegt lateral vom hinteren Teile der Lamina infraconchalis, über- ragt dieselbe ventralwärts und bildet so mit dem unteren Teil seiner medialen Fläche die laterale Wand des vorderen Ab- schnittes des grossen Foramen incisivum. Mit seinem hinteren Rand schiebt er sich ventral und lateral etwas über den vorderen Rand des Maxillare. Eine Einkerbung beider Ränder markiert hier die Übergansstelle des Nervus alveolaris superior aus dem Maxillare ins Incisivum. Viel zierlicher entwickelt ist der Pro- cessus palatinus medialis, der von der Lamina trans- versalis anterior an als wohlausgebildete Knochenrinne die Cartilago paraseptalis bis zu deren hinterem Ende von unten her deckt; mit ihrem medialen, etwas verdickten Rand stossen die beiderseitigen Knochenrinnen nahe aneinander, ihr lateraler Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 509 zugeschärfter Rand ragt ebensoweit in die Höhe als die laterale Lamelle der Cartilago paraseptalis selbst. Mit seinem hinteren Endstück kommt der das Foramen ineisivum von innen be- grenzende mediale Gaumenfortsatz des Os incisivum noch eine kurze Strecke weit auf gleichen Querschnitt mit dem zwischen und über den Paraseptalknorpeln gelegenen vorderen Endstück des Vomer zu liegen (Fig. 13). Schliesslich ist noch der vom oberen Rand des Körpers, resp. der Übergangsstelle des letzteren in den Processus palatinus lateralis ausgehende schmale, stab- förmige Processus frontalis (s. extranasalis) zu er- wähnen, der sich nach hinten und oben gegen den unteren Rand des Nasale wendet und dessen unterste Ecke lateral etwas über- deckt; später wächst, wie der Vergleich mit dem Schädel eines erwachsenen Kaninchens ergibt, dieser Fortsatz zwischen Nasale und Maxillare nach hinten und oben aus, bis er das Frontale erreicht. Am Maxillare (Fig. 2, 4, 12—15) können wir ein Corpus, einen Processus frontalis, Proc. palatinus, Proc. alveolarıs und Processus zygomaticus unterscheiden. Der ziemlich massige Körper liegt einem grossen Teile der Seitenfläche und des Unterrandes der Paries nasi an und setzt sich nach oben direkt in den flacheren Processus frontalis fort, der als breite Platte an der Nasenkapsel-Seitenwand gegen den Winkel zwischen Nasale und Frontale aufsteigt, ohne aber noch diese Knochen zu erreichen. Es ist durchweg nur die stark lateral vorgebuchtete Partie der Paries nasi im Gebiete des Recessus lateralis inferior, der so der Körper- und Frontalfortsatz des Maxillare anliegt. Dabei bleibt längs einer von hinten-oben nach vorn-unten absteigenden Linie der Knochen in grösserer Entfernung von der Knorpelwandung, so dass zwischen beiden ein in der angegebenen Richtung ziehender, von Bindegewebe erfüllter Kanal gebildet wird, in dem der Tränennasengang verläuft. Der vordere Rand des Corpus ossis maxillaris ist 510 M. VOIT, leicht medialwärts in den Sulcus lateralis anterior der Nasen- kapsel eingebogen ; seine vordere untere Ecke wird etwas vom Incisivum lateral überdeckt. In abgerundetem Winkel biegt die laterale, gegen die Gesichtshaut gerichtete Fläche des Ober- kieferkörpers in die ventrale, gegen die Gaumenschleimhaut gerichtete um. Der mediale Rand dieser ventralen Fläche liegt ungefähr unter dem freien unteren Rand der Paries nası und bildet die laterale Begrenzung des hinteren Teiles des Koramen ineisivum; kurz vor dem Beginn der Lamina transversalis posterior greift er etwas auf die Innenseite der Paries nası über (Fig. 13); dann, in der Querschnitthöhe des Vorderrandes der Lamina transversalis posterior, biegt er in abgerundetem, annähernd rechtem Winkel in den vorderen Rand des Processus palatinus um. Der Processus palatinus bildet eine kurze etwa quadratische Platte, die sich horizontal in den sekundären Gaumen bis zur Mittellinie vorschiebt, wo die beiderseitigen Fortsätze sich schon nahezu berühren. Er bildet so den Boden für den vorderen Teil des Ductus nasopharyngeus, dessen Dach von der Lamina transversalis posterior und vom Vomer for- miert wird. Der mediale Rand der Palatinplatte ist ein wenig nach oben aufgewulstet, so dass dadurch eine leichte mediane Vorragung am Boden des Ductus nasopharyngeus erzeugt wird. Das hintere Ende des Processus palatinus wird noch ein wenig von der Pars horizontalis des Os palatinum überlagert. Der Processus palatinus liegt nun schon nicht mehr medial vom eigentlichen Körper, sondern schon von dem an das Corpus nach hinten sich anschliessenden Processus alveolarıs des Ober- kiefers und seine untere Fläche geht gleichmässig und unmerk- lich in die untere Fläche der medialen Platte des Processus alveolaris über. Am Processus alveolaris können wir nämlich eine mediale, eine laterale und eine dieselben verbindende mittlere Platte unterscheiden, von welchen die beiden ersteren die Seiten- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 511 wände, letztere die Decke des grossen, noch gemeinsamen Alveolenraumes für die Molarzähne bilden. Die mediale Platte bildet mit ihrer nach unten und innen gerichteten Fläche einen Teil des knöchernen Daches der Mundhöhle, sie ragt weiter nach hinten als der Processus palatinus und in diesem hinteren Abschnitt legt sich an ihren medialen Rand die seitliche vordere Partie des Os palatinum an. Die laterale Platte erscheint als direkte hintere Fortsetzung der lateralen Fläche des Körpers des Maxillare und bildet, von oben-aussen nach unten-innen gerichtet, die Gesichtsfläche des Processus alveolaris. Die über der medialen und lateralen horizontal ausgespannte Mittelplatte des Processus alveolaris bildet nach unten das Dach des gemein- samen Alveolenraumes, nach oben aber einen knöchernen Boden für den vorderen Teil der Orbita. Nach hinten ist der Alveolen- raum noch nicht geschlossen und überhaupt hat der Processus alveolaris des Maxillare, wie ein Vergleich mit den Verhältnissen beim erwachsenen Tiere ergibt, noch lange nicht seine ganze caudale Ausdehnung erreicht. Von den sechs oberen Molar- zähnen, die das erwachsene Kaninchen besitzt, sind erst die Schmelzorgane der vier vorderen entwickelt und von diesen ist das letzte, also das vierte der ganzen Reihe noch vollkommen frei, von Knochen ungedeckt, während auf dem Querschnitt durch das dritte Schmelzorgan zwar schon die am weitesten caudalwärts reichende mediale, noch nicht aber die laterale und obere Platte des Alveolarfortsatzes getroffen wird (Fig. 15). Nicht nur weiter caudal dehnt sich später der Alveolarfortsatz des Maxillare aus, sondern die Decke der Alveolen buchtet sich später auch mehr dorsalwärts in die Orbita vor, so dass dann die im vorliegenden Stadium noch vollkommen nach aussen freiliegenden orbitalen Mündungen des Foramen palatinum und nasopalatinum absolut verdeckt werden. An der lateralen hinteren Ecke geht der Processus alveolaris in den Processus zygomaticus über, der als dorsoventral etwas abgeflachter 512 M. VOIT, Zapfen sich unter allmählicher Zuspitzung eine Strecke weit ventral unter dem vorderen Ende des Os zygomaticum nach hinten schiebt). Noch ist zu erwähnen, dass sich an der Über- gangsstelle der Aussenfläche des Corpus und des Processus frontalis in die laterale Fläche des Processus alveolaris das grosse Foramen infraorbitale findet, das sich nach hinten in einen auf der orbitalen Fläche des Processus alveo- larıs verlaufenden, weit offenen Sulceus infraorbitalis fortsetzt; dieser liegt medial von der durch die Alveolen er- zeugten leichten Aufwölbung der orbitalen Knochenfläche; seine mediale Wand ist eine Strecke weit als dünne Lamelle an der Aussenseite der Nasenkapsel in die Höhe gezogen (Fig. 14) und stellt damit die Anlage des Processus sphenoorbitalis (Krause) dar. Vom vorderen Ende des Sulcus infraorbitalis aus dringt ein kleiner Nervenast (N. alveolaris superior anterior) in den Körper des Maxillare ein, durchzieht denselben unter Abgabe feiner Äste an die vorderen Zahnanlagen und tritt aus der vorderen unteren Ecke des Maxillare (an der schon erwähnten Einkerbung des Vorderrandes desselben) in das Ineisivum über, wo er noch die Alveolen der Nagezähne mit Ästchen versorgt. (Gerade wo die Paries nasi von ihrer grössten lateralen Aus- buchtung (im Gebiete des Recessus lateralis) aus nach hinten innen umbiegt, um die medial-vordere Wand der Orbita zu bilden, liegt ihr als eine erst ganz kleine Knochenplatte das Lacrimale (Fig. 4 u. 13) an. Zwischen dem Lacrimale und dem Processus frontalis des Maxillare entsteht aus dem unteren Tränenröhrchen und dem Rudiment des oberen der Tränen- nasengang, der, wie schon erwähnt, von hier aus zwischen Nasenkapsel und Maxillare, dann zwischen Nasenkapsel und Incisivum nach vorn verläuft. !) Hier möchte ich nebenbei bemerken, dass an der Querschnittsserie II im Processus zygomaticus des Maxillare ein deutlicher Knorpelkern zu erkennen ist. Es handelt sich wohl auch hier um einen sekundären Knorpel, der mit dem in der Mandibula oder im Parasphenoid auftretenden zu vergleichen ist. Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 39. Tegm.tymp. Prom.utr.-amp. Gomal h sup. Parietale Frontale soniale ı 5 . ! = 2 r. Tac.sec. D . Tympanie. | ı Horsfacsechn r 1 1 ' Ala orbit. __ re --- Henn F Squamos.-. __ 2. ' SEE u---- == -- Lam. pariet. Mandib.----- \ } Lam, ase. al. temp.- j ee S Fiss. orb. sup. --- —— 2 ei Prom.semie.ant. Lam. pteryg. ----— For. alisphen. -- -- Fossa subare. ant. Proc. alar. -- Balkenplatte -- Fossa hypop.---*--- >” ——4--- Lücke der Kapselwand Dors. sellae --- \ ı I 1 "--- Teetum post. Crist. transv, Conm. ! | ! ı N 1 alieochl. a N er 1 1 For. Er \ Y j Eirsm | b arot. SO ee 5 - ar "or. endolymph. Burst ee S 181 Bor, , um! For. endolym} ana ah ir 2 NENyip-n eomm. ! basieochl. 4 2 2 I. ı ! Te er Prom. : ‚ei 2 ae ul“ Pila oceip. 3 & Eins = For. amp.inf. BE 93 2a 3 jugul. — 2 == = Se Fi Rs [ai You, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Das Primordialeranium des Kanınchens etc. 513 Das Zygomaticum (Fig. 2, 4, 17, 18) stellt eine in seitlicher Richtung abgeflachte, annähernd horizontal stehende Spange dar, die nach vorn und hinten je in eine Spitze aus- gezogen ist. Das vordere zugespitzte Ende schiebt sich dorsal über den Processus zygomaticus des Maxillare, das hintere läuft ventral unter dem Processus zygomaticus des Squamosum nach hinten und kommt noch eine Strecke weit lateral vom oberen Teil der Mandibula zu liegen. Das I ympanneum(Kig.. 1, 2,4, 5, 2022, 26,27) besitzt die Form eines zu etwa /, geschlossenen ovalen Ringes. Sehr interessant sind seine Beziehungen zum Meckelschen Knorpel. Sein oberes plattenförmig verbreitertes Ende liegt näm- lich dem Körper des Hammers lateral, dann dem hintersten Stück des spangenförmigen Meckelschen Knorpels lateral und ventral nahe an und macht hier durchaus den Eindruck eines Belegknochens des Meckelschen Knorpels. Dann verlässt die jetzt rundlichen Querschnitt gewinnende Spange den letzteren, läuft erst nach medial, vorn und unten, biegt an der lateralen Seite der vorderen Kuppel der Ohrkapsel wieder nach hinten um und kommt so dorsal von der knorpeligen Hyalspange zu liegen. Längs deren oberem Rand, jedoch stets durch eine dickere Schicht lockeren Bindegewebes von ihr getrennt, ver- läuft sie nach hinten und oben bis etwas oberhalb der Stelle, wo der Processus mastoideus den Hyalknorpel kreuzt. So bildet die Spange des Tympanicum einen hinten und oben offenen ovalen Ring, dessen Ebene von hinten aussen nach vorn innen gerichtet ist. Der Ring ist von der Anlage des Trommelfelles eingenommen; der Verlauf des ins Trommelfell eingefügten Manubrium mallei gibt ungefähr seine Achse an. Das Goniale (Fig. 5, 9 u. 27) liegt als ein kleiner flacher Knochen dem medial-ventralen Umfang des Meckelschen Knorpels an, gerade wo derselbe als rundliche Spange aus dem verbreiterten Teile, dem Hammer, hervorgeht. Es ist vom 514 M. VOIT, Knorpel nur durch eine dünne Bindegewebsschicht getrennt, erscheint also ebenso als ein Deckknochen desselben, wie an der lateralen Seite das Tympanicum. Diesem kommt es mit seinem medial-unteren Rande sehr nahe. Zwischen Goniale und Meckelschem Knorpel verläuft die Chorda dorsalis nach vorn, nachdem sie das Goniale durch eine in seinem hintersten Teile gelegene Öffnung von medial nach lateral durchbohrt hat. Schliesslich ist noch die Mandibula (Fig. 4, 17—20) zu besprechen. Dieselbe ist mächtig entwickelt und lässt deut- lich den Körper und den aufsteigenden Ast unterscheiden, die in stumpfem Winkel ineinander übergehen. Sie liegt dem Meckelschen Knorpel von aussen an, und zwar ist der Körper demselben sehr eng angeschmiegt, während der Ramus as- cendens weiter von ihm entfernt bleibt. Der Körper enthält die grosse noch gemeinsame Alveole für die unteren Mahlzähne und am vorderen Ende die nach vorn und aussen offene Al- veole für den unteren Nagezahn; ausserdem umschliesst er den Canalis mandibularis für den N. alveolaris inferior. Dieser Nerv tritt etwa an der Grenze zwischen aufsteigendem Ast und Körper der Mandibula über den Meckelschen Knorpel: der von ihm sich abzweigende kleinere N. mylohyoideus um- schlingt sofort den Knorpel von aussen (Fig. 18), um dann an dessen Ventralseite, medial vom unteren Rand der Mandi- bula nach vorn zu ziehen; der Hauptstamm des Nerven tritt dagegen in den Körper der Mandibula ein und }äuft ventral vom grossen Alveolenraum (meist nur durch eine bindegewebige Scheidewand von diesem getrennt) nach vorn; am vorderen Ende des Alveolenraumes tritt seine Hauptmasse als N. men- talis durch das Foramen mentale nach aussen, während ein dünnes Nervenbündel noch weiter durch den Knochen zur Al- veole des Schneidezahnes verläuft. Wir erwähnten schon, dass im Gebiete des Körpers die Mandibula dem Meckelschen Knorpel eng anliegt; sie bedeckt ihn hier nicht nur von der Das Primordialeranium des Kaninchens ete. 515 lateralen Seite, sondern umgreift ihn eine weite Strecke auch dorsal und ventral, so dass hier der Knorpel gewissermassen in eine tiefe Rinne der Mandibula eingelagert erscheint; voll- ständig, also auch von der medialen Seite, umschlossen wird der Knorpel nirgends, jedoch ist er selbst in der Strecke, die zwischen der Alveole der Molaren und der Alyeole für den Nagezahn gelegen ist, in Verknöcherung begriffen. Der Ramus ascendens ist von einer mächtigen Schicht kernreichen Binde- gewebes umschlossen; innerhalb desselben liegt nun nicht nur Knochen, sondern zwei ansehnlich grosse Knorpelkerne. Diese letzteren wurden am Modell auf der linken Seite isoliert, auf der rechten im Zusammenhang mit dem Knochen zur Dar- stellung gebracht (Cartil. mandibul.). Der eine grössere findet sich im Gelenkteil und ragt hier ziemlich weit frei über den Knochen heraus. Bei genauerer Betrachtung erkennen wir, dass die vorhin erwähnte Gewebskappe der Mandibula hier an ıhrem oberen, d. h. dem Gelenkende, deutlich zwei Schichten erkennen lässt, eine äussere, in der die rundlichen Kerne eng aneinander gedrängt erscheinen und eine tiefere, in welcher die Kerne mehr länglich, spindelförmig und in dorsal convexen, d. h. der Gelenkfläche der Mandibula parallelen Bogenlinien ange- ordnet sind. Zwischen den Kernen dieser tiefen Lage tritt, je weiter nach ventral, desto mehr, mit Hämatoxylin sich färbende Grundsubstanz auf; noch ein wenig tiefer lassen sich bereits deutliche Knorpelkapseln erkennen ; dieser Knorpel nimmt weiter unten sehr bald den Charakter des sogenannten grossblasigen Knorpels an und hier liegen ihm auch schon perichondrale Knochenlamellen auf; noch weiter ventral ist der Knorpel völlig in Auflösung begriffen und enchondrale Knochenbildung völlig im Gang. So macht es also durchaus den Eindruck, dass der Knorpel in demselben Masse, als er ventral verbraucht wird, dorsal aus jener perichondralen Gewebskappe sich ergänzt. Ein ebensolcher, aber kleinerer Knorpelkern liegt weiter unten 516 M. VOIT, im Angulus mandibulae und ragt auch eine kurze Strecke, vom Knochen unbedeckt, nach hinten und scheint sich hier an seinem caudalen Ende aus dem perichondralen Gewebe zu ergänzen. In dem Gewebe zwischen der Gelenkfläche der Mandıbula und der unteren Fläche des Squamosum sind bereits die beiden Spaltlücken wohl zu erkennen, die als obere und untere Ge- lenkhöhle des Kiefergelenkes zu bezeichnen sind; jede der beiden Höhlen ist noch nicht ganz einheitlich, sondern noch teilweise von bindegewebigen Zügen durchsetzt, ein Zeichen, dass sie durch allmähliche Spaltbildung im ursprüng- lich soliden Bindegewebe entstanden ist. Zwischen ihnen bleibt eine schmale Platte verdichteten Bindegewebes ausgespart, die Anlage des Diseus interarticularis. Ein Übergang der Sehne des Musculus pterygoideus externus in die Discusanlage ist im vorliegenden Stadium nicht mit Sicherheit zu konstatieren. Knorpel ist in der Discusanlage nicht vorhanden. Noch wäre zu erwähnen, dass am hinteren Rande des aufsteigenden Unter- kieferastes der N. auriculotemporalis über den Meckelschen Knorpel hinweg nach aussen tritt. Ieekeil: Allgemeine und vergleichende Betrachtungen. 1. Oceipitalregion. Über die Occipitalregion sind nur wenige Bemerkungen zu machen, da dieselbe keine wesentlichen Besonderheiten gegenüber den bei anderen Säugern bereits mehrfach be- schriebenen Verhältnissen aufweist und andererseits eine Reihe 1 Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 51 von Fragen an den der Untersuchung zugrunde liegenden ver- hältnismässig alten Entwickelungsstadien nicht mehr gelöst werden können, ein Eingehen auf jüngere Stadien aber nicht im Plane der gegenwärtigen Arbeit lag. So wollen wir hier der Frage nach der Metamerie der Oceipitalregion nicht näher treten und nur erwähnen, dass eine Andeutung des metameren Aufbaues noch in der Anwesen- heit der doppelten Foramina hypoglossi gegeben ist. Auch die Frage, inwieweit der occipitale Teil der Basal- platte den morphologischen Wert von Wirbelkörpern oder von hypochordalen Spangen besitzt, kann uns hier nicht ausführ- lich beschäftigen. Die Lagebeziehungen der Chordareste, die noch ein allmähliches Eindringen der Chorda von der dorsalen Seite her in die Basalplatte erkennen lassen, widersprechen jedenfalls nicht der Annahme eines ähnlichen Verhaltens, wie es von Weiss bei der Ratte, von Gaupp bei Echidna kon- statiert wurde. Ebenso kann die Entscheidung, ob beim Kaninchen zu- nächst ein einheitliches Atlantooccipitalgelenk und eine Ver- bindung desselben mit dem Atlantoepistrophicalgelenk auftritt, nur an jüngeren Embryonen getroffen werden; in den unter- suchten Stadien sind die Atlantooccipitalgelenke deutlich ge- trennt und mit dem einheitlichen Atlantoepistrophicalgelenk nicht in Verbindung. Es besteht also schon der von Gaupp (1908) für das erwachsene Kaninchen festgestellte tricoele Typus der Kopfgelenke. Was nun die seitlichen Teile der Oceipitalregion, die Occı- pitalpfeiler, anlangt, so sind dieselben beim Kaninchen, wie bei der Mehrzahl der Säuger grösstenteils in basale Lage gebracht; nur ihr hinterstes Stück erhebt sich um das hintere Ende der Ohrkapsel in mehr verticale Richtung. Hinsichtlich dieser Lagerung, die natürlich von der Grössenentwickelung des Ge- hirns abhängt, nimmt das Kaninchen etwa eine Mittelstellung 518 M. VOIT, zwischen dem Verhalten von Echidna und dem der Primaten ein. Die Occipitalpfeiler erreichen die dorsale Mittellinie nicht; denn die einzige dorsale Schlussspange des ganzen Knorpel- schädels, das Tectum posterius, gehört, wie wir später sehen werden, wahrscheinlich ganz der Ohrregion an. Die auf dem Unterrand des Tectum posterius senkrecht stehenden Seiten- ränder der Incisura occipitalis superior sind als dorsale Grenze der Oceipitalpfeiler anzusehen. Merkwürdig ist die starke Verbreiterung eines Teiles des Oceipitalpfeilers zur Lamina alaris; dieselbe ist wohl als eine Folge der Überlagerung durch die mächtige, vor allem auch sehr breite Ohrkapsel zu betrachten. Es ist durch diese Verbreiterung ermöglicht, dass sich der laterale Rand des Oeccipitalpfeilers mit weit aussen gelegenen Teilen der Ohrkapsel, resp. mit der von der Prominentia semicircularis lateralis ausgehenden Crista parotica verbindet. Dass sich die Lamina alaris auch noch nach vorn ins Gebiet des Foramen jugulare fortsetzt, dürfte vielleicht auf die starke Entwickelung des Processus paracondyloideus zurückzuführen sein und diese wiederum ist wohl bedingt durch die kräftigen, an ihm inserierenden Muskeln, namentlich den zwischen Proc. paracondyloideus und Proc. transversus atlantıs ausgespannten M. rectus capitis lateralis. Der Processus paracondyloideus ist wohl mit Recht dem Proc. transversus eines Wirbels zu vergleichen; seine Lage direkt über dem Querfortsatz des Atlas, mit dem er auch z. B. in Fällen von Assimilation des Atlas beim Menschen verwachsen kann (solche Fälle haben Kollmann, Swjetschnikow u. a. beschrieben) sprechen dafür; es wäre dann der M. rectus capıtis lateralis als ein oberster M. intertransversarius anzu- sehen. Dahingestellt mag es dabei bleiben, ob es sich im Pr9- cessus paracondyloideus um den Processus transversus nur des letzten oder um die verschmolzenen Querfortsätze sämt- licher in die Occipitalregion einbezogenen Wirbel handelt. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 519 Die Fissura occipitocapsularis posterior ist ohne Zweifel als der hintere Abschnitt einer früher vorhanden gewesenen ein- heitlichen Fissura metotica anzusehen, wie sie z. B. bei Lacerta besteht und von Noordenbos bei ganz jungen Talpa- embryonen gefunden wurde; die einheitliche Spalte ist erst durch die Verbindung des lateralen Randes des Occeipital- pfeilers mit der Ohrkapsel in das vordere weite Foramen jugulare und die hintere schmale, aber längere Fissura occi- pitocapsularis posterior zerlegt worden. 2. Oticalregion. a) Pars otica der Basalplaite. Die Pars otica der Basalplatte ist vollkommen einheitlich, von einer Fenestra basicranialis posterior, wie sie bei vielen niederen Wirbeltieren besteht und auch bei einigen Säugern beschrieben worden ist, findet sich beim Kaninchen wenigstens in den zur Untersuchung gelangten Stadien keine Spur. Von dem vordersten Teile der Pars cochlearis der Ohrkapsel ist die Basalplatte durch die schmale, von einigen Venenästchen durchzogene Fissura basicochlearis getrennt. Dieselbe ist insofern von Interesse, als sie den letzten Rest einer in früherem ontogenetischen Stadium, wie Noordenbos nachgewiesen hat und ich es nach der Serie durch einen Kaninchenembryo von 14 mm gr. L. bestätigen kann, die ganze Pars cochlearis von der Basalplatte trennenden Spalte dar- stellt. Nun hat Gaupp bekanntlich die Ansicht ausgesprochen, der ich mich, wie später auszuführen sein wird, vollkommen anschliesse, dass die Pars cochlearis der Säuger sich in ein (rebiet ausgedehnt hat, welches bei niederen Vertebraten zur Basalplatte gehört; damit steht sehr wohl im Einklang, dass bei Echidna die Verknorpelung der Schneckenkapsel im An- schluss an die der Basalplatte erfolgt; auffällig erscheint da- 520 M. VOIT, gegen eben jenes Verhalten bei den höheren Säugern, wo im Knorpelstadium die Pars cochlearis durch eine Lücke von der Basalplatte getrennt ist; Gaupp nimmt an, dass diese Ab- gliederung eine sekundäre ist und vielleicht mit der Lage- veränderung der Öhrkapsel zusammenhängt; es ist nämlich mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass diese Lage- veränderung, auf die wir weiter unten zu sprechen kommen werden, teilweise noch während der Ontogenese vor sich geht und deshalb eine nachgiebige Trennungszone zwischen Ohr- kapsel und Basalplatte notwendig ist. Das Offenbleiben des vordersten Endes dieser Spalte mag vielleicht durch die hier durchtretenden Gefässe mit bedingt sein. b) Ohrkapsel. Ehe wir auf die vergleichende Betrachtung der ÖOhrkapsel näher eingehen wollen, mögen hier einige Worte über die Nomenclatur der beiden Teile derselben Platz finden. Mit grosser Deutlichkeit lassen sich nämlich an der Ohrkapsel der Säugetiere überhaupt und so auch des Kaninchens zwei äusser- lich ziemlich scharf voneinander abgesetzte Abschnitte unter- scheiden, ein im allgemeinen massiger entwickelter und durch die meist weit vorragenden Prominenzen der Bogengänge aus- gezeichneter hinterer (bei Echidna oberer) und ein schlankerer, annähernd cylindrischer vorderer (bei Echidna unterer). Der recht markanten äusserlichen Trennung entspricht eine wesent- liche Verschiedenheit des Inhaltes, indem der erstere Ab- schnitt die sogenannte Pars superior des häutigen Labyrinthes, d. h. den Utriculus und die Bogengänge, der letztere dagegen die Pars inferior, d. h. den Sacculus mit dem Ductus coch- learis birgt. Es wäre daher an sich sachgemäss, auch die beiden Teile der Ohrkapsel als Pars superior und inferior oder unter Berücksichtigung der bei den placentalen Säugern er- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 521 folgten Lageveränderung als Pars posterior und anterior cap- sulae auditivae zu bezeichnen; allerdings hätten diese Namen den Nachteil einer gewissen Farblosigkeit und es war daher wohl berechtigt, nach etwas charakteristischeren Bezeichnungen zu suchen. Nun haben sich merkwürdigerweise die Namen „Pars vestibularis“ und ‚„Pars cochlearis“ zur Unterscheidung der beiden Ohrkapselabschnitte eingebürgert; eine nähere Prüfung ergibt jedoch, dass die Benennung des hinteren Ohr- kapselabschnittes als Pars vestibularis eine völlig unzutreffende ist. Denn das Vestibulum, d. h. der von der grossen Cisterna perilymphatica vestibularis erfüllte Raum, der sich einerseits in die perilymphatischen Räume der Bogengänge, andererseits in die Scala vestibuli der Schnecke fortsetzt, liegt bei den meisten Säugern fast vollkommen in dem vorderen Kapsel- gebiete; letzterem gehören auch durchweg die in den „Vor- raum‘, das Vestibulum führenden grossen Öffnungen, die Fenestra vestibuli, Fenestra cochleae, die Foramina acustica, an. Viel zutreffender wären daher wohl die Bezeichnungen „Pars utrieulocanalicularis“ und ‚„Pars sacculocochlearis“, die aber den Nachteil grosser Länge haben; jedoch dürften unter Annahme der Pars pro toto die kürzeren Bezeichnungen „Pars canalı- cularis“ und „Pars cochlearis‘ zulässig sein, da tatsächlich die Pars posterior ihre charakteristischen Formeigentümlich- keiten im wesentlichen der Anwesenheit der Bogengänge, die Pars anterior aber dem Ductus cochlearis verdankt. Noorden- bos hat schon das Unzutreffende der bisher üblichen Bezeich- nungen erkannt und er unterscheidet drei Abschnitte der Säuge- tierohrkapsel als Pars canalicularis, Pars vestibularis und Pars cochlearis; mir erscheint die Abtrennung einer eigenen Pars vestibularis nicht ganz zweckmässig, da eine scharfe Ab- grenzung derselben gegen die Pars cochlearis sich nicht aus- führen lässt und andererseits das Vestibulum, dem ja z. B. beim Menschen auch der Recessus ellipticus mit dem Utri- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (35. Bd., H. 3). 54 522 M. VOIT, culus zugerechnet wird, unter Umständen noch teilweise ın die Pars posterior sive canalicularis hineinreichen kann. Je- doch halte ich es für möglich, an der vorderen „Pars coch- learis“ noch eine Unterabteilung zu machen und die den ge- wundenen Teil des Ductus cochlearis bergende, allseitig ge- schlossene, vordere Partie als „cochlearen Anteil sensu stricto“, die hintere, durch jene Öffnungen ausgezeichnete Partie als „vestibulären Anteil der Pars cochlearis‘“‘ zu unterscheiden; an der Pars canalicularis lässt sich ein eigener vestibulärer Anteil nicht abgrenzen. Grösse und Lage der Ohrkapsel. Bekanntlich ist, wie Gaupp mehrfach ausführte, ein Charakteristikum des Säugetierschädels gegenüber dem niederer Vertebraten die stark verminderte Anteilnahme der Ohrkapsel an der seitlichen Umschliessung der Schädelhöhle. Eine Reihe von Faktoren sind gleichzeitig an dieser Veränderung beteiligt, nämlich einmal eine relative Verkleinerung der Ohrkapsel und dann eine komplizierte Lageveränderung derselben, die sich wiederum in Drehungen um verschiedene Achsen auflösen lässt. Was zunächst die relative Grösse der Ohrkapsel anlangt, so habe ich versucht, an verschiedenen der bisher vorliegenden Schädelmodelle eine ungefähre Schätzung anzustellen, wie oft etwa die Ohrkapsel im jeweiligen Cavum cranii enthalten sein möchte. Es können die erhaltenen Zahlen, wie ich ausdrücklich bemerken will, durchaus keinen Anspruch auf absolute Ge- nauigkeit machen; auch ist es sehr wahrscheinlich, dass bei ein und derselben Species, namentlich unter den Säugern, das Verhältnis der beiden in Betracht kommenden Volumina während der Öntogenese sich noch ändert, wohl meist zu- gunsten der sich noch weiter vergrössernden Schädelhöhle. Immerhin aber glaube ich, dass die grossen Unterschiede in Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 523 den erhaltenen Zahlen schon ein im wesentlichen richtiges Bild von den Verschiebungen wiedergeben, welche das Verhältnis zwischen Volumen der Ohrkapsel und Volumen der Schädel- höhle in einem Teile der Wirbeltierreihe erleidet. So finde ich dieses Verhältnis an den Zieglerschen Modellen von Kanasinseagungelähr wie. 2.0 2°. 2 1. DArLE4, laeertarasııs@ ungefähr. wie’... 2......% 97 1:10, Echidna aculeata ungefähr wie . . . . ...2.1:30, Mensch (nach Hertwig) ungefähr wie . . . . 1:70, an meinem Modell von Kaninchen ungefähr wie 1:20. Wir erkennen deutlich, dass sich das Verhältnis zuerst schon beim Reptil, dann noch einmal beim Säugetier stark zu ungunsten der Ohrkapselgrösse verschiebt und dass es inner- halb ‚der Säuger noch ziemlichen Schwankungen unterliegt. Beim Kaninchen ist die relative Grösse der Ohrkapsel immer- hin noch eine recht beträchtliche und übertrifft ziemlich die der ım allgemeinen niedriger stehenden Echidna. Es ist wohl die hohe funktionelle Ausbildung des Gehörorganes bei den Leporiden als Ursache hiervon anzusehen. Von den Lageveränderungen, welche die Ohrkapsel bei den Säugern unter dem Einflusse des sich übermächtig aus- bildenden Gehirnes erfährt, ist die hervorstechendste wohl eine Drehung um die transversale Achse, wodurch der bei niederen Vertebraten annähernd senkrecht stehende Längsdurchmesser nach hinten in horizontale Lage umgekippt wird. Während bei Reptilien die Ohrkapsel derart orientiert ist, dass ihre Pars canalicularis dorsal von der noch gering entwickelten Pars cochlearis sich befindet, liegt bei den Säugern im allgemeinen der cochleare vor dem canaliculären Anteil (noch aus- gesprochener wird diese Lagebeziehung infolge des bei den Säugern erfolgten Auswachsens der Pars cochlearis nach vorne ins Gebiet der Basalplatte); nur Echidna hat sich hier das 34* 524 M. VOIT, primitive Verhalten bewahrt. Beim Kaninchen ist deutlich die Voreinanderlagerung der beiden Abschnitte ausgeprägt; die Ver- einigungsstelle zwischen vorderem und hinterem Bogengang, welche bei Lacerta die höchste Stelle der Ohrkapsel einnimmt, bildet hier den hintersten Pol derselben; der bei niederen Verte- braten mehr oder minder vertical aufsteigende Ductus endo- Iymphaticus läuft horizontal nach hinten; während, wie gesagt, bei Lacerta die Pars cochlearis unter der Pars canalicularis liegt, ist beim Kaninchen die vorderste Kuppel der Ohrkapsel von der äussersten Spitze der Pars cochlearis eingenommen und die Verbindungslinie zwischen der hinteren und der vor- deren Ohrkapselkuppel liegst vollkommen horizontal. Hervor- gerufen ist diese Umkippung der Ohrkapsel nach hinten, ebenso wie die gleiche Verlagerung des Occipitalpfeilers natürlich durch eine stark nach hinten drängende Wirkung des sich vergrössern- den Gehirnes. Selbstverständlich wird von dieser Umlagerung auch das Tectum posterius mitbetroffen, das sich bei Amphibien und Reptilien zwischen den obersten Teilen der Ohrkapsel als dorsale Decke des Schädelcavums ausspannt. Der Ansatz des Tectum posterius an der Ohrkapsel bleibt auch beim Säuger im wesentlichen der gleiche, nämlich der oberste Teil der Pr9- minentia semicircularis posterior kurz hinter deren Zusammen- fluss mit der Prominentia semicircularis anterior; aber dieser ursprünglich dorsalste Teil der Ohrkapsel ist eben nun zum caudalen Ende derselben geworden; das Tectum selbst ist aus seiner mehr oder minder horizontalen Lage am Dach des Cavum cranii in Verticalstellung aufgerichtet und zur caudalen (anti- rostralen Begrenzung der Schädelhöhle geworden. So sehen wir denn auch beim Kaninchen das Tectum posterius vertical stehend, mit einer vorderen und hinteren Fläche, einem oberen und unteren Rande versehen. Eine zweite, weniger ausgesprochene Lageveränderung der OÖhrkapsel der Säuger gegenüber derjenigen der Reptilien be- 525 Das Primordialeranium des Kaninchens etc. trifft im wesentlichen die Pars canalicularis und besteht in einer geringen Drehung um die Längsachse, in einer teilweisen seitlichen Umlegung der ursprünglich medialen Kapselfläche durch das sich in lateraler Richtung auswölbende Gehirn, wo- durch jene Fläche, die ursprünglich rein als Seitenwand der Schädelhöhle fungierte, mehr oder minder zu einem Teile des Bodens derselben wird. Es ist diese Erscheinung beim Kaninchen noch nicht sehr stark ausgeprägt; immerhin ist die zwischen der Prominentia cruris communis und Prominentia semicircularis anterior gelegene Fläche in einem Winkel von etwa 45° geneigt und wird von den seitlichen Partien des Kleinhirns teilweise überlagert. Noch eine dritte Lageveränderung der Ohrkapsel lässt sıch bei den meisten Säugern konstatieren, die wir gewissermassen als eine Drehung um die verticale Achse auffassen können. Während beim Reptil die Ohrkapsel von hinten-medial nach vorn-lateral gerichtet ist, verläuft ihre Längsachse bei den Säugern meist von hinten-lateral nach vorn-medial. Es ist diese Richtungsänderung zum Teil bedingt durch das Auswachsen der Pars cochlearis in mediorostraler Richtung in das Gebiet der Basalplatte hinein, zum anderen Teil aber eine Folge der starken seitlichen Ausweitung der hinteren Partien des Schädel- cavums, durch welche die hinteren Pole der Ohrkapseln aus- einandergedrängt werden, während die vorderen Pole gewisser- massen durch ihre Beziehungen zur Basalplatte fixiert sind und in diesem Gebiete die seitliche Ausweitung der Schädel- höhle in anderer, nachher zu besprechender Weise stattfindet. Beim Kaninchen ist diese dritte Drehung der Ohrkapseln nur sehr gering ausgeprägt. Die beiden Partes canaliculares stehen vollkommen parallel und nur eine geringe Convergenz der Partes cochleares ist vorhanden. Offenbar hält sich beim Kaninchen die laterale Verbreiterung der hinteren Partien des Cavum cranii im Verhältnis zu anderen Säugern in mässigen Grenzen. 526 M. VOLT., Pars cochlearis der Ohrkapsel. Wir haben nun schon mehrfach die Ga upp sche Auffassung der Pars cochlearis der Amnioten gestreift und wollen jetzt etwas näher auf dieselbe eingehen. Der Vergleich der Lage und Konfiguration der vorderen Oticalregion von Lacerta mit den Verhältnissen bei den Amphibien einerseits, den Säugern andererseits, vor allem die Lagebeziehungen der Nervenlöcher dieser Region haben Gaupp zu der Annahme gebracht, dass der Ductus cochlearis der Amnioten gewissermassen in das Gebiet der Basalplatte der Amphibien eingewachsen sei, dass also ein Skeletmaterial, welches bei diesen noch einen Teil der soliden Basalplatte bildete, bei jenen zur Umschliessung des Schneckenganges, zur Bildung der Pars cochlearis der Ohr- kapsel Verwendung finde, ferner, dass die bei den Reptilien angebahnte Vergrösserung der Ohrkapsel auf Kosten der Basal- platte bei den Säugern noch bedeutend weiter vorgeschritten sei. Auch die Form- und Lageverhältnisse der Pars cochlearis des Kaninchens entsprechen nun vollkommen den von Gaupp als für die Säuger charakteristisch angesehenen; sie stehen daher mit der oben skizzierten Anschauung in vollem Ein- klang und gestatten bei Annahme derselben eine lückenlose Anknüpfung an die sonst recht abweichenden Verhältnisse bei Lacerta. So sehen wir beim Kaninchen die Schneckenkapsel nach vorn bis an die Grenze der Orbitotemporalregion, d. h. bis in die Querschnittsebene des Hinterrandes der Sattelgrube reichen; ihre vordere Kuppel ist nur durch das Foramen caroticum von der Wurzel der Ala temporalis getrennt; bei Lacerta bleibt die Pars cochlearis viel weiter zurück und durch die ganze lateral von der Fenestra basicranialıs posterior gelegene Partie der Basalplatte von der Wurzel der Ala temporalıs geschieden. Mit freiem lateralem Rand begrenzt der vordere Teil der Basal- platte von Lacerta die Fenestra prootica; beim Kaninchen ist Das Primordialeranium des Kaninchens ete. 52 dıe Basalplatte bis ganz nach vorn von der Schneckenkapsel flankiert und wird zwischen den beiden cranialwärts conver- gierenden Partes cochleares vorn deutlich eingeengt, und die mediale Begrenzung der Fenestra sphenoparietalis, deren hinterer Teil der Fenestra prootica von Lacerta entspricht, wird von der Pars cochlearıs gebildet. Es besteht wohl schon dar- nach gar kein Zweifel, dass die vordere Partie der Pars coch- learis vom Kaninchen in ihrer ganzen Lagebeziehung durchaus den seitlichen Abschnitten des vorderen Teiles der Basalplatte von Lacerta entspricht. In vollem Einklange damit steht das auch schon von Gaupp als besonders charakteristisch hervorgehobene Ver- halten des Foramen faciale und der Commissura suprafacialis. Bei Lacerta tritt der siebente Hirnnerv über der vordersten Kuppe der Pars cochlearis, zwischen ihr und der soliden Basal- platte aus dem Schädelraum hinaus; er ist überbrückt und damit seine Austrittsstelle zu einem Foramen gestaltet durch die von Gaupp als „suprafaciale basicapsuläre Commissur“ bezeichnete Knorpelspange, welche sich von der Pars canali- cularis der Ohrkapsel, und zwar speziell von der Prominentia ampullarıs superior und Prominentia utricularıs zum seitlichen Rande des vorderen Teiles der Basalplatte herüberspannt. Beim Kaninchen dagegen finden wir, wie es auch schon Gaupp als für die Säuger typisches Verhalten beschrieben, das Foramen faciale nicht über der vordersten Spitze, sondern über einer weit hinter der vorderen Kuppel gelegenen Partie der Schnecken- kapsel, es ist das Foramen faciale gewissermassen von der Schneckenkapsel unterwachsen, auf ihren Rücken aufgenommen worden. Demgemäss verbindet sich die suprafaciale Commissur, die auch beim Kaninchen hinten von der Pars canalicularis, und zwar der Prominentia utriculoampullarıs superior ent- springt, nicht mehr mit einem Teile der soliden Basalplatte, sondern mit der jetzt eben bis hier vorn ausgedehnten 528 M. VOIT, Schneckenkapsel; sie wurde, wie Gaupp sich ausdrückt, aus einer basicapsulären zu einer ‚„intercapsulären“ Commissur. 3eachten wir noch einmal, dass sich die suprafaciale Commissur von Lacerta vorn in den freien lateralen Rand der Basalplatte fortsetzt; beim Kaninchen dagegen sehen wir sie nicht in den lateralen Rand der Schneckenkapsel, sondern in jene stumpfe Kante auslaufen, welche die mediale von der ab- geplatteten oberen Fläche der Pars cochlearis trennt. Weiterhin sehen wir, dass der Facialis, nachdem er durch das Foramen faciale getreten, damit nicht neben die Schneckenkapsel ge- langt, sondern auch hier noch auf die obere Fläche derselben zu liegen kommt. Wir müssen uns also wohl vorstellen, dass bei der Umwandlung der unter und vor dem Facıalis gelegenen ursprünglich dünnen soliden Basalplattenpartien in die hohle, kugelig aufgetriebene Schneckenkapsel die Knorpelmassen ım wesentlichen nach der Seite und nach unten ausgedehnt wurden, und demnach die ganze obere Fläche der Pars cochlearis vom Kaninchen eigentlich seitlich von der ursprünglichen, bei Lacerta vorhandenen Schädelhöhle entwickelt ist. Wir werden darauf und auf die Art und Weise, wie diese Fläche beim Säuger sekundär in den Schädelraum einbezogen wird, später noch ausführlich zurückkommen. Dass bei dem Auswachsen der Pars cochlearıs nach vorn, auch wohl noch im Zusammenhange mit der geschilderten Um- kippung der Längsachse der ganzen Ohrkapsel verschiedene räumliche Verschiebungen der einzelnen Teile stattfinden, geht daraus hervor, dass das Foramen acusticum inferius, das bei Lacerta hinter dem Foramen faciale liegt, beim Säugetier unter dieses gerückt ist. Auch das obere Acusticusloch tritt näher an das Foramen faciale heran und die beiden Acusticuslöcher und das Facialisloch liegen nun eng aneinandergedrängt und werden durch Erhebung der umgebenden Knorpelpartien ge- meinsam in den Grund des Meatus acusticus internus auf- genommen. Tafel 40. 116. Heft (38. Bd., H. 3). I. Abt. Anatom. Hefte. [2 put = "JSENOR 14209 S *Ins "Jsnor "10 Bar -ISEA 'SSIT SUSOnpqe "N SI[LIDLF "N jr "9193 [Fuer jtervg | ul 2 181er} "N | 001 | a ) I | N | sonoıy | | \ | I I | | | | | E | j | = — For. carot. e von J. F. Bergmann in Wiesbaden. =. -- -- — — -Comm. alieochl. 98 DEF TOT» E ve jodaouygso „feuer prodns 'sogod "N -. SNUTUOSLIL "N yooovadns "URrIT - — —- ([ [9TTOUYISOY Ne) f ni Q q Todrouggsoy App = ENPERIEN sh ’ M____- 10 '[JurH a TBAo "SToup._ A en _ i % \ = F ‚wdouoyds "uoT N Br 2 - un 1uos [Fun duo} 'fe ose "uer 15 »wd-"4.10 "uwof) — — Ne N e, \ 1 es ; | | | | | | N | | | . 3 | | n | AqTo BIV ---—— -— t ) | | | | | a a | | noBigee a Je -3Kaoyd "DOT en | 9 jodaouy | IT UNUOSLEL | “un N & 950 : a a T ans "sıop "säyd. 9a IUNUooLt, IH *(1O 'SSI] NIPpey -odAy ua ‚S S Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 529 Verbreiterung der Schädelhöhle in der Ohrregion; Cavum supracochleare; Reste der primitiven Schädelseitenwand. Wir haben oben gesehen, wie in den hinteren Teilen der Ohrregion eine Verbreiterung der Schädelhöhle bei den Säugern dadurch zustande gekommen ist, dass die Ohrkapsel nach hinten und nach der Seite umgelegt, gewissermassen basal nieder- gedrückt und teilweise lateral hinausgedrängt worden ist. Ein gleicher Vorgang konnte sich im Gebiete der Pars cochlearis der Ohrkapsel offenbar nicht abspielen; die Schneckenkapsel lag ja von ihrer ersten Entstehung an basal, eine seitliche Ver- drängung war infolge ihrer Beziehung zu den mittleren Teilen der Basalplatte unmöglich. So hat in dieser Region ein ganz anderer Modus der Verbreiterung der Schädelhöhle Platz ge- griffen, indem ein Raumgebiet, welches ursprünglich voll- ständig ausserhalb des Cavum cranii, neben der Seitenwand des Schädelraumes gelegen war, in diesen miteinbezogen wurde. Eine solche sekundäre Vergrösserung des Schädelraumes bei den Säugern hat Gaupp schon in der Orbitotemporalregion be- schrieben und wir werden auf die in jener Region stattfindende Einverleibung des „Cavum epiptericum“ ja unten noch zu sprechen kommen; dass ein vollkommen analoger Vorgang sıch auch in der vorderen Ohrregion abspielt, ist bisher noch nicht klar erkannt worden; doch geht es aus den Befunden am Kaninchenceranium unzweifelhaft hervor. Vergleichen wir einmal die laterale Begrenzung der prımor- dialen Schädelhöhle in der vorderen Oticalregion bei Lacerta und beim Kaninchen. Wir haben oben schon darauf hingewiesen, dass bei Lacerta die präfaciale basicapsuläre Commissur als ein Teil der primordialen Schädelwandung anzusprechen ist und dass diese Commissur sich nach vorn in den lateralen. Rand des vorderen Teiles der Basalplatte fortsetzt. Mit diesem freien Rande beginnt nun allerdings zunächst eine Lücke ın 530 M. VOIT, der knorpeligen Umwandung des Schädelraumes; erst weiter oben und gleichzeitig lateral ist wieder ein knorpeliger Anteil der Seitenwand entwickelt in Gestalt der schmalen Taenia margi- nalıs und ebenso weiter vorn, kurz hinter dem Foramen N. ab- ducentis in der von eben jenem Rand zur Taenia marginalis aufsteigenden Pila prootica. Aber in der ganzen so umgrenzten Lücke, der Fenestra prootica, ist die Seitenwand repräsentiert durch eine Lage verdichteten Bindegewebes, die sich eben vom lateralen Rande der Basalplatte zur Taenia marginalis erstreckt, und es besteht kein Zweifel, dass alle Gebilde, die lateral von der präfacialen Commissur und der an sie anschliessenden Kante der Basalplatte gelegen sind, sich bereits ausserhalb des Schädelraumes befinden. Demnach verlässt z. B. der N. facialis den Schädelraum durch das Foramen faciale; das Ganglion geniculi, das er nach dem Durchtritt durch dieses Foramen entwickelt, liegt also bereits ausserhalb der Schädel- höhle, ebenso die Abgangsstelle des N. petrosus superficialis major. Auch der Trigeminus, der, durch die präfaciale Com- missur vom Facialis getrennt, im Gebiete der Incisura prootica den freien Rand der Basalplatte überschreitet, tritt damit gleich- zeitig aus dem Schädelraum hinaus; auch seine Ganglien (der erste Ast hat bei Lacerta sein eigenes, weiter vorn gelegenes Ganglion) befinden sich bereits ausserhalb des Cavum cranii. Vergleichen wir damit die Verhältnisse beim Kanin- chen, so erkennen wir auf den ersten Blick, dass hier ein Gebiet, das bei Lacerta ausserhalb des Cavum cranii gelegen war, in dasselbe miteinbezogen worden sein muss; denn das Ganglion geniculi des Facialis, das ganze Ganglion semilunare des Trigeminus liegen beim Kaninchen innerhalb des Cavum cranil. Die primordiale Seitenwand, die sich nun, wie wir sehen werden, allerdings auch in lückenhafter Weise, lateral von diesen Ganglien findet, muss also eine neue, von der bei Lacerta verschiedene sein. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 531 Wo wäre nun die ursprüngliche Seitenwand anzunehmen, wie wir sie bei Lacerta kennen gelernt haben? Zunächst be- steht kein Zweifel, dass die suprafaciale Commissur als ein Teil derselben zu betrachten ist. Diese Commissur setzt sich aber, wie wir sehen, in die abgerundete Kante zwischen medialer und oberer Fläche der Pars cochlearis fort und so haben wir oben schon die Folgerung gezogen, dass diese Kante dem freien lateralen Rande der Basalplatte bei Lacerta entspreche; es müsste also die primäre Seitenwand von dieser Kante aus gegen den Unterrand der der Taenıa marginalis von Lacerta ungefähr entsprechenden Commissura oerbitoparietalis ange- nommen werden. Und diese Annahme wird nun nahezu zur Gewissheit durch die auf Fig. 6 und Fig. 19—22 dargestellten Befunde an der Serie Il. Finden sich doch hier gerade in dieser Lage jene merkwürdigen Knorpelplatten a und b, die wir daher wohl mit Recht als palingenetische Reste eben jener primären Seitenwand ansehen können und als Restknorpel bezeichnet haben. Der Knorpel a ist auf der einen Seite teilweise mit der suprafacialen Commissur, von deren dorsaler Seite er sich erhebt, homokontinuierlich verbunden; auf der anderen Seite ist er ganz frei; die Grösse der Knorpel b ist beiderseits etwas verschieden. Diese Ungleichheiten, sowie das gänzliche Fehlen der Knorpel an älteren Stadien weisen schon darauf hin, dass es sich hier um Reste einer im Verschwinden begrifienen Bil- dung handelt. Der untere freie Rand der Knorpel b ist deutlich gegen die stumpfe mediale Kante des Planum supracochleare gerichtet und streckenweise auch durch dichtere bindegewebige Züge an dieselbe angeschlossen. An ihrer vorderen Spitze aber setzt sich die Knorpelplatte b in eine ziemlich derbe Membran fort, die ihren ventralen Anschluss an die Seitenpfeiler des Dorsum sellae findet (Fig. 19, mit * bezeichnet). Dass auch hierin eine Übereinstimmung mit dem Verhalten der Seiten- wand bei Lacerta gegeben ist, werden wir bei Besprechung 532 M. VOIT, der Orbitotemporalregion sehen. Aber auch dorsal von den Knorpeln a und b lässt sich die Lage der ursprünglichen Seiten- wand noch verfolgen; denn wie auf den Schnitten Fig. 11 und 12 zu erkennen ist, erstreckt sich von ihrem oberen Rand bis zu dem ventralen der Commissura orbitoparietalis eine mehr oder minder deutliche Grenzlinie zwischen einem nach innen und oben gelegenen lockeren pericerebralen und einem aussen und unten gelegenen dichteren Gewebe, ja in den vorderen Partien (Fig. 20) besteht diese Grenzlinie aus einer merklich ver- dichteten, wohl schon als Anlage der Dura zu bezeichnenden Bindegewebslage, die sich in die oben schon erwähnte, vor dem Knorpel b zwischen Seitenpfeiler des Dorsum sellae und Unterrand der Commissura orbitoparietalis ausgespannte Mem- bran fortsetzt. So können wir also mit grosser Genauigkeit in diesem jungen Entwickelungsstadium beim Kaninchen noch die Lage der ursprünglichen, dem Zustande bei Lacerta entsprechenden Seitenwand in der vorderen Ohrregion nachweisen. Aber die jetzt noch vorhandenen, später ganz verschwindenden Reste dieser Bildung dienen nicht mehr zur Umgrenzung der Schädel- höhle; es dehnt sich vielmehr, wie schon erwähnt, das Cavum cranii eine ziemliche Strecke weit lateral über diese ursprüng- liche Seitenwand hinaus. Lateralwärts sich ausbildende Teile des Primordialeranıums, vervollständigt durch Deckknochen, bilden eben nun eine neue, weiter ausgreifende Schädel- wandung, so dass dadurch ein ursprünglich ausserhalb des Cavum cranii gelegenes Raumgebiet in dieses miteinbezogen wird. Wir wollen diesen neu erworbenen Teil des Schädel- raumes als Cavum supracochleare bezeichnen, weil er grossenteils über der Pars cochlearis der Ohrkapsel gelegen ist. Es ist nämlich eben jene oben geschilderte lateral von der ur- sprünglichen Seitenwand vorgewölbte Partie der Schnecken- kapsel, die mit ihrer abgeplatteten oberen Fläche einen wesent- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 5) lichen Teil des Bodens des Cavum supracochleare bildet. Ver- vollständigt wird dieser Boden dann durch die an die laterale Kante dieser Fläche sich anschliessende Bildung des Tegmen tympani. Das Tegmen tympani ist ein bei Säugern offenbar in progredienter Entwickelung begriffener Teil des Primordial- craniums, der sich wohl im Anschluss an die schon bei Rep- tilien vorhandene Crista parotica ausgebildet hat. In direkter Fortsetzung der Crista parotica erstreckt es sich von der Aussen- fläche der Pars canalicularis, speziell der Prominentia utriculo- ampullaris superior aus nicht nur als gewölbte Platte lateral- aufwärts, sondern verlängert sich, wie Gradenigo zeigte, nach vorn, zunächst als ein freier Fortsatz (Processusperi- oticus Gradenigos), der sich neben die Pars cochlearis an- legt; auch dieser Processus perioticus verbreitert sich aber dann plattenförmig und gelangt nun, wenigsten beim Kaninchen, zu knorpeliger Verschmelzung mit der lateralen Kante eben jener oberen Fläche der Pars cochlearis. Damit dass das Tegmen tympani den seitlichen Anschluss an das Planum supracochleare gewinnt, bildet es eine Fortsetzung der knorpeligen Wandung des supracochlearen Raumes. Dazu kommt nun noch, dass die zwischen der Prominentia utricoloampullaris superior der OÖhrkapsel und der Commissura orbitoparietalis, resp. der Lamina parietalis bestehende Knorpelverbindung, die Com- missura capsuloparietalis, sich auch noch eine Strecke weit nach vorn fortsetzt, hier mit der dorsalen Wölbung des Tegmen tympani in Zusammenhang steht und so eine homokontinuierliche Verbindung zwischen Tegmen tym- pani und Commissura orbitoparietalis bildet. Damit besteht in diesem hintersten Gebiete nicht nur ein knorpeliger Boden, sondern auch schon eine vollkommene knorpelige Seitenwand des Cavum supracochleare. Es ist diese Seitenwand jedoch von einer Öffnung durchbohrt, durch welche der N. facıalıs 534 M. VOIT, hindurchtritt. Es ist ja klar, dass für diesen Nerven, der beim Reptil direkt nach dem Durchtritt durch das Foramen faciale zu seinem peripheren Verbreitungsgebiete gelangte, der dann beim Säugetier nach diesem Durchtritt erst auf die dorsale Fläche der seitlich verbreiterten Pars cochlearis zu liegen kam, nun beim Anschluss einer knorpeligen Seitenwand an diese Fläche eine Lücke ausgespart bleiben musste. Wir wollen diese Lücke, durch welche der Facialis nun auch das Cavum supra- cochleare und damit den definitiven Schädelraum verlässt, als Foramen faciale secundarium oder externum be- zeichnen. Im Stadium der Modellserie I ıst nun vor dem Foramen facıale secundarium der Anschluss des Tegmen tympanı an das Planum supracochleare erst auf ganz kurze Strecke erfolgt, d. h. in Form einer vor diesem Foramen gelegenen Knorpel- spange. Weiter cranialwärts (rostral) ist in diesem Stadium das Cavum supracochleare seitlich von der lateralen Kante des Planum supracochleare noch nicht abgeschlossen und seine Bindegewebsmassen gehen ziemlich kontinuierlich in die der Umgebung über. Aber schon lässt sich, wie wir sahen, im Anschlusse an das knorpelige Tegmen tympanı und an die Seitenkante des Planum supracochleare vorknorpeliges Gewebe nachweisen und im Stadium III sehen wir dieses zu einer weit seitlich ausladenden Knorpelplatte ausgewachsen, die sich als Decke über den vorderen Teil der Paukenhöhle wölbt. Diese Knorpelplatte kommt lateral schliesslich bis zur Berührung mit dem unteren Rand von Squamosum und Parietale, die ja über die ventrale Grenze der Commissura orbitoparietalis in die Fenestra sphenoparietalis hereinragen, so dass nun mit Hilfe dieser Deckknochen auch hier ein vollkommener seitlicher Ab- schluss der Schädelhöhle erzeugt ist. Weiter vorn schliesst sich in diesem Stadium die Knorpelplatte des Tegmen auch noch an die Seite der Commissura alicochlearis an und dehnt sich Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 535 bis nahe an die Ala temporalis aus. Der ganze hinter der Ala temporalis gelegene Anteil der Fenestra sphenoparietalis ist damit, mit Ausnahme der für den Durchtritt des dritten Trige- minusastes bleibenden Lücke (Foramen ovale), sowie einer kleineren Lücke für den N. petrosus superficialis major voll- ständig abgeschlossen. Und so schliesst Boden und Seiten- wand des Cavum supracochleare direkt an die des Cavum epiptericum an, d. h. das Cavum supracochleare geht rostral- wärts kontinuierlich in das bei der Orbitotemporalregion zu besprechende Cavum epiptericum über. Das ganze Cavum supracochleare ist natürlich von Binde- sewebe erfüllt und birgt ausserdem wichtige Nervenstämme und Ganglien. Der N. facialis trıtt, wie wır gesehen haben, durch das Foramen faciale (primarıum) in das Cavum supra- cochleare ein und durch das Foramen faciale secundarium aus ihm wieder heraus, in ihm entwickelt er sein Ganglion geni- culi, das hier in jener seichten grubigen Vertiefung liegt, die wir als Fovea genicularis bezeichnet haben. Auch der vom Ganglion geniculi aus unter dem lateralen Rande des (Ganglion semilunare nach vorn verlaufende N. petrosus super- ficialis major liegt während dieses ganzen Verlaufes im Cavum supracochleare und verlässt dasselbe erst seitlich von der Com- missura alicochlearis durch eine eigene Lücke im knorpeligen Boden kurz hinter dem Foramen ovale. Der N. trigeminus tritt vor der suprafacialen Commissur, im Stadium der Serie II zwischen den beiden primären Seitenwandknorpeln a und b in den supracochlearen Raum ein; der ganze hintere Teil des Ganglion semilunare liegt in diesem Raume auf der oberen Fläche der Schneckenkapsel, die wohl dadurch zum Planum supracochleare abgeplattet wird. Der vordere Teil des Ganglıon semilunare erstreckt sich noch weit in das Cavum epiplericum hinein. 596 M. VOIT, Verlauf des N. facialis; Canalis facialis. In der Verlaufsstrecke des N. facialis von seinem Eintritt in die Apertura interna bis zu seinem Austritt aus der Apertura tympanica können wir aiso, wie sich aus dem Vorigen ergibt, drei wesentlich verschiedene Abschnitte unterscheiden, zunächst die kurze Kanalstrecke durch die primäre Schädelseitenwand, also das unter der suprafacialen Commissur befindliche Foramen faciale (primitivum), dann eine nach oben ungedeckte mittlere Strecke im Gebiete des Cavum supracochleare und schliesslich das Foramen faciale secundarium, also den Kanal durch das die sekundäre Schädelwand bildende Tegmen tympanı. Am defini- tiven knöchernen Schädel ist auch die mittlere durch das Ganglion geniculi ausgezeichnete Strecke nach oben abge- schlossen; ob ein derartiger Abschluss beim Kaninchen auch schon im Knorpelstadium statthat, kann ich nicht sagen, jeden- falls ist er im Stadium; der Serie III noch nicht vorhanden. Wenn aber eine solche knorpelige Decke über dem Ganglion geniculi entsteht, so kommt ein Verhalten zustande, wie es Fischer bei Talpa beschrieben hat, nämlich ein scheinbar einheitlicher Knorpelkanal, aus dem eine nach vorn sehende Öffnung für den N. petrosus superlficialis major herausführt, der Hiatus canalıs Fallopiae. Dass nicht die ganze dorsale Bedeckung dieses Kanales auf die präfaciale Commissur der Saurier zurückzuführen ist, dass es also unrichtig ist, den ganzen Kanal kurzweg als „primären Facialiskanal“ zu be- zeichnen, glaube ich mit den vorstehenden Ausführungen nach- gewiesen zu haben. Auch eine Angabe von Vrolik schemt mir nun ihre richtige Erklärung zu finden. Fischer hat darauf hingewiesen, dass der genannte Verfasser beim Menschen den primären Facialiskanal am Hiatus Fallopiae enden lässt und glaubt, dass derselbe den Abgang des N. petrosus innerhalb des „primären Facialiskanales“ und die Sonderung von Hiatus Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 537 und Austrittsstelle des Facialis übersehen habe. Mir scheint bei Betrachtung der Vrolikschen Figuren und einem Vergleich derselben mit dem das gleiche Verhalten zeigenden Hertwig- Zieglerschen Modell vom Primordialeranium des Menschen die Sache doch sich etwas anders zu verhalten; ich glaube, dass in beiden Fällen tatsächlich nur die erste Strecke des knorpeligen Facialiskanales, d. h. die innere suprafaciale Com- missur entwickelt ist, während die äussere suprafaciale Brücke noch fehlt; es ist eben die Ausbildung des Tegmen tympanı noch nicht bis zum Anschluss an die Pars cochlearis vor- geschritten, die sekundäre Schädelseitenwand, der laterale Ab- schluss des Cavum supracochleare noch nicht entwickelt. Nach Broman (1899) erfolgt der Anschluss des vorderen Teiles des Tegmen tympanı an die Ohrkapsel beim Menschen teil- weise überhaupt erst bei der Verknöcherung, indem der knor- pelige „Processus perioticus“ (Gradenigo) zusammen mit dem ihn von der Pars cochlearis trennenden Bindegewebe ver- knöchert; für die Auffassung der ganzen Bildung als einer vom Primordialeranium ausgehenden neuen Schädelseitenwand tut dieser Vorgang natürlich nichts zur Sache. Selbstverständlich ist also die Austrittsstelle des Facialis aus dem Knorpelkanal, wie sie in der Vrolikschen Abbildung und im Hertwigschen Modelle sich darstellt, wohl dem Hiatus Fallopiae (exakter der äusseren Mündung des Foramen faciale primitivum), nicht aber der Apertura tympanica gleichzusetzen; aber erst die letztere, die allerdings beim Menschen offenbar erst später deutlich wird, bildet die eigentliche Austrittsstelle des Facialis aus dem Schädelraum und so ist die Annahme Vroliks, dass jene Austrittsstelle aus dem Cavum cranii im Hiatus Fallopiae ge- geben sei, eine irrige. Über den weiteren Verlauf des N. facialis nach seinem Austritt aus der Apertura tympanica ist nicht viel zu sagen; er entspricht ganz dem, wie er bei den übrigen Säugetieren, Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 35 538 M. VOIT, am ausführlichsten durch v. Kampen geschildert wurde. Im Suleus facialis in leichtem Bogen abwärts laufend, gelangt der Nerv hinter die Anheftungsstelle des Hyalknorpels an der Crista facialis (— parotica) und tritt durch das Foramen stylomasto- ideum primitivum zwischen Hyalknorpel und Processus masto- ideus nach aussen. Die spätere Ausbildung eines Foramen stylomastoideum secundarium, das nach van Kampen beim erwachsenen Kaninchen zwischen Bulla tympanica und Mastoid gelegen ist, konnte ich an meinen Stadien nicht verfolgen, will also darauf nicht eingehen. Chorda tympanı. Was den Verlauf der Chorda tympani anlangt, so möchte ich hier nur noch darauf hinweisen, dass dieselbe, nachdem sie sich um die Aussenseite des Hyalbogens geschlagen hat, unter der Sehne des Tensor tympani nach vorn zieht; es fiel mir dieses Verhalten gegenüber dem beim Menschen auf, bei welchem bekanntlich die Chorda dorsal über die Tensorsehne hinwegzieht. Inzwischen erschien die Arbeit von Bondy (1908), in welcher darauf hingewiesen wurde, dass das Verhalten der Paukensaite zur Tensorsehne in der Säugerreihe ungemein schwankt: es wäre eine interessante Aufgabe, die Ursache dieser Schwankung vergleichend-entwickelungsgeschichtlich zu unter- suchen. N. a@ustrcus. Während im wesentlichen die Astfolge des N. acusticus dem bei den Säugern allgemein beschriebenen Schema folgt, ergab sich in einer Beziehung eine interessante Abweichung von diesem Schema, insofern als nicht nur aus dem unteren, sondern auch aus dem oberen Aste ein Faserbündel zur Macula acustica des Sacculus verläuft. Ich habe über diese Tatsache Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 539 schon in einer kurzen eigenen Mitteilung berichtet und gezeigt, dass dieselbe eine Anknüpfung an Befunde bei niederen Verte- braten gestattet. Ich will hier nicht näher darauf eingehen, sondern verweise auf jene Arbeit (Voit, 1907). Innenraum der Ohrkapsel. Der Ohrkapselbinnenraum des Kaninchens lässt sich eben- falls in weitgehendem Grade mit dem von Lacerta vergleichen. Dem von Gaupp bei der Eidechse beschriebenen Cavum vesti- bulare anterius entspricht ziemlich genau die obere Ausweitung des in der Pars canalicularis enthaltenen Hohlraumes, die ich als Recessus utriculoampullaris superior bezeichnet habe, dem Cavum vestibulare posterius von Lacerta der Recessus utri- culoampullaris inferior. Der einzige Unterschied ist der, dass der Sacculus beim Säugetier nicht mehr im Hohlraum der Pars canalicularis neben dem Utriculus gelegen ist, sondern sich vor den Utriculus, an die mediale Seite des Anfangsstückes des Ductus cochlearis, also in den Hohlraum der Pars coch- learis hinein vorgeschoben hat. Es geht diese Lageveränderung des Sacculus gegen den Utriculus ja auch aus den bekannten Figuren von Retzius deutlich hervor. Dass der vordere und hintere Raum von Lacerta beim Säuger zum oberen und unteren geworden sind, hängt natürlich mit der oben geschilderten Drehung der Ohrkapsel zusammen. Eine scharfe Trennung der beiden Räume durch ein Septum, wie sie bei Lacerta besteht, ist beim Kaninchen nicht vorhanden, aber immerhin sind sie nur durch einen verhältnismässig schmalen Kanal miteinander verbunden, der allerdings nach vorn mit dem Raum der Pars cochlearis frei zusammenhängt. Im Gegensatz zu Lacerta sind ferner beim Kaninchen wie über- haupt bei den Säugern die Kanäle für die Bogengänge nicht durch schmale Septen vom Hauptraum getrennt, sondern in- 35* >40 M. VOIT, folge der weiten Ausbuchtung der Bogengänge sind diese Septen zu einer dicken gemeinschaftlichen Knorpelmasse zusammen- geflossen, die Gaupp als Massa angularis bezeichnete. Diese Masse wird dann von aussen her wieder eingeengt durch die unter den Bogengängen einsinkenden Fossae subarcuatae; bis- her wurde allgemein nur die Fossa subarcuata anterior be- schrieben, die sich in der gegen den Schädelraum gerichteten Fläche befindet und häufig auch als Floceulargrube bezeichnet wird, weil ihr die Flocke des Kleinhirns anliegt; doch sind beim Kaninchen ganz analoge Einsenkungen auch unter dem hinteren und seitlichen Bogengang vorhanden, freilich in mehr versteckter Lage. Bemerkenswert ist am Hohlraumsystem der Pars canalicularis noch, dass die unteren Endstücke des hinteren und seitlichen membranösen Bogenganges in einem gemein- schaftlichen, in den Recessus utriculoampullaris inferior führen- den Hohlraum gelegen sind; schon bei Amphibien, Reptilien und Vögeln findet sich nach Gaupp eine mehr oder weniger unvollständige Trennung dieser beiden Kanalstücke; Fischer hat eine solche Kommunikation der Skeleträume des lateralen und hinteren Bogenganges bei Talpa konstatiert und in gleicher Weise ergibt sie sich jetzt beim Kaninchen; es scheint sich also um ein auch bei den Säugern allgemein verbreitetes Ver- halten zu handeln. Der Hohlraum der Pars cochlearis ist im wesentlichen einheit- lich; doch beginnt das Septum spirale die einzelnen Schnecken- windungen zu trennen. Die bindegewebige Platte, in welcher die Ausbreitung des N. cochlearis mit dem Ganglion spirale gelegen ist, ist selbstverständlich als die Anlage der Lamina spiralis ossea anzusehen; durch sie ist schon ziemlich vollständig das Cavum perilymphaticum vestibulare (Scala vestibuli) vom Cavum perilymphaticum tympanicum (Scala tympani) geschieden. Ein Vergleich mit der dem Gaupp schen Modell zugrunde liegenden Lacertaserie ergibt, dass im Prinzip auch bei Jer Eidechse Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 54 schon vollkommen die gleichen Verhältnisse vorliegen, eine Tatsache, auf die meines Wissens bisher noch nicht genügend hingewiesen worden ist. Auch dort finden wir nämlich im Cavum cochleare schon deutlich einen oben und aussen von der Lagena gelegenen perilymphatischen Raum, der mit der Fenestra vestibuli in Beziehung steht und als ‘Scala vestibuli zu bezeichnen ist, und einen unten und innen von der Lagena gelegenen, die Scala tympanı; beide stehen über dem vorderen Ende der noch kurzen Lagena miteinander in Verbindung, sind aber sonst durch eine Bindegewebslage getrennt, in der nicht nur die Fasern des Ramus posterior N. acustici zur Papilla basilaris (und Papilla lagenae) verlaufen, sondern auch (also bereits innerhalb der Knorpelkapsel) die dazugehörigen Ganglien- massen gelegen sind. Wir finden also auch hier schon eın vom Ganglion vestibulare getrenntes Ganglion cochleare und ausserdem deutlich eine Bildung, die wir als Vorläufer der Lamina spiralis ossea der Säuger ansprechen können. Benestra eochleze. Gaupp hatte schon in seiner Lacerta-Arbeil die Ver- mutung ausgesprochen, dass die einheitliche Fenestra peri- Iymphatica der Lacertilier bei den Säugern in zwei Öffnungen, die eigentliche Fenestra cochleae (Foramen rotundum) und den Aquaeductus cochleae zerlegt wurde. Fischer hatte dann diese Vermutung bestätigt, indem er die während der Onto- genese stattfindende Aufteilung der einheitlichen Öffnung durch einen vom vorderen Rand nach hinten wachsenden zapfen- förmigen Knorpelfortsatz bei Semnopithecus nachweisen konnte. Interessant ist, dass bei Echnida diese Aufteilung unterbleibt und hier zeitlebens nur eine einheitliche .als Fenestra peri- Iymphatica (cochleae) zu bezeichnende Öffnung vorhanden ist, ein Aquaeductus cochleae also fehlt. Deutlich ist nun beim 542 M. VOIT, Kaninchen ebenfalls die Aufteilung der Fenestra zu verfolgen, doch gestalten sich die Verhältnisse etwas komplizierter, als es nach den bisherigen Befunden anzunehmen war. Im Stadium der Serie I sehen wir die noch einheitliche Öffnung, die aber schon nicht mehr runde Form besitzt, da von ihrem vorderen Rand ein breiter Knorpelfortsatz nach hinten einspringt, den ich Proc. intraperilymphaticus nenne. Nun liegt der vordere Rand der Fenestra um ein gutes Stück tiefer als der nach oben eingekrempelte, schon der Pars canalıcularıs angehörige hintere, und wenn nun ım Stadium III die Aufteilung vollendet ist, so finden wir den Proc. intraperilymphaticus nicht mit dem eigentlichen Hinterrand der Fenestra cochlearis, sondern mit der weiter unten von der Pars canalıcularıs ins (rebiet des Recessus jugularis vorspringenden freien vorderen Kante der Crista parotica verwachsen. Die den perilymphatischen Raum der Scala tympanı nach unten abschliessende derbe Binde- gewebsmembran ist nun in dem hinteren, höher gelegenen Ab- schnitt der Fenestra straff zwischen deren Rändern ausgespannt, in ihrem vorderen-medialen Winkel als Wand des Saccus peri- Iymphatieus nach medial-unten ausgebuchtet. Der nach hinten auswachsende Proc. intraperilymphaticus bleibt infolgedessen von dem ganzen hinteren Teile dieser Membran ziemlich weit ventral entfernt, ein Verhalten, das ja auch an der Fischer- schen Abbildung von Semnopithecus deutlich zum Ausdruck kommt. So kommt es, dass die nach der definitiven Aufteilung entstandene laterale Öffnung, die Fenestra cochleae sensu stricto, nicht direkt von jener Verschlussmembran überzogen wird, dass diese also nicht ohne weiteres zu einem Bestandteile der Mem- brana tympanı secundaria wird; vielmehr führt nun diese Öff- nung zunächst in einen mit lockerem Bindegewebe erfüllten Raum, der seinerseits erst nach oben durch die straff gespannte Verschlussmembran, nach der medialen Seite durch die laterale Wandung des Saccus perilymphaticus abgeschlossen ist. Wie Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 543 sich hier die definitiven Verhältnisse ausbilden, muss erst weiterer Untersuchung vorbehalten werden. Durch die mediale, aus der ursprünglich einheitlichen Fenestra abgetrennte Öffnung, den Aquaeductus cochleae, tritt nicht nur der Ductus peri- Iymphaticus nach unten, dessen Hohlraum deutlich mit den subarachnoidealen Räumen kommuniziert, sondern medial da- von auch ein kleines Gefässästchen, welches venöses Blut aus der Ohrkapsel zur Vena jugularis führt; es ist dasselbe Venen- ästchen, das Fischer bei Talpa beschrieben hat. Eine kleine Besonderheit möchte ich hier noch erwähnen. Während in der dem Hauptmodell zugrunde liegenden Serie I der vom Vorderrande der Fenestra cochleae entspringende Proc. intraperilymphaticus hinten noch frei ist, ist er ın der sonst durchweg eine jüngere Entwickelungsstufe aufweisenden Serie II schon mit dem Knorpel der Pars canalicularis verschmolzen, es ist also hier die Aufteilung der Fenestra schon vollendet. Es ist das wieder ein deutliches Beispiel der von Mehnert seinerzeit als häufige Tatsache hervorgehobenen mangelnden Korrelation im Entwickelungsgrad der Organe. CrIstapazrotrea, Processus mastolderas. Die von der Prominentia semicircularis lateralis nach der Seite und vorn sich erhebende Knorpelplatte, die von Gaupp mit der Crista parotica homologisiert wurde, ist beim Kaninchen besonders kräftig entwickelt. In bekannter Weise ist mit ihr der Hyalknorpel homokontinuierlich verbunden. Hervorzuheben ist, dass der Occipitalpfeiler hinter dem Foramen jugulare im wesentlichen nicht mit der Ohrkapsel selbst, sondern eben mit der Crista parotica verschmilzt. Vor allem aber ist bemerkens- wert, dass der Processus mastoideus als eine ebenfalls der Crista parotica angehörige Bildung erscheint; er ist ein offenbar unter der Wirkung von inserierenden Muskeln (M. sternomasto- 544 M. VOIT, ıdeus und M. cleidomastoideus) besonders stark hervorgezogener Teil derselben. Te ctum posıkerin:s. Wir haben oben schon hervorgehoben, dass die verticale Stellung des Tectum posterius eine sekundäre ist und im Zu- sammenhange steht mit der Umkippung der ganzen Ohrkapsel nach hinten. Es dient also diese Bildung nicht mehr, wie bei Lacerta zur dorsalen, sondern zur hinteren Begrenzung der Schädelhöhle. Das Tectum posterius ist auch beim Kaninchen im wesentlichen zwischen den Ohrkapseln ausgespannt, während die Oceipitalpfeiler, wie wir sahen, mit freiem dorsalen Rand enden und so die Incisura oceipitalis superior erzeugt wird. Allerdings kommen die Oceipitalpfeiler mit ihren dorsalen Par- tien auch zur Verwachsung mit dem Tectum posterius; denn selbstverständlich entspricht die ganze Knorpelplatte bis zum Anschluss an die Ohrkapseln dem direkt zwischen den Ohr- kapseln ausgespannten Tectum von Lacerta, also nicht nur die mit freiem dorsalem und ventralem Rande versehene Spange, sondern auch jene Platte, die nach hinten kontinuierlich mit dem Oceipitalpfeiler, nach vorn mit der Lamina parietalis zu- sammenhängt. Es ist nur dieser Teil des Tectum posterius eben infolge des Anschlusses von Oceipitalpfeiler und Parietalplatte nicht mehr so deutlich in seiner ursprünglichen Beziehung zu erkennen; er entspricht ohne Zweifel dem hinteren Teile der Lamina supracapsularis bei Echidna, für den Gaupp eben- falls die Zugehörigkeit zum Tectum posterius nachgewiesen hat. Wenn wir nun die Ausdehnung des Tectum von einer Ohrkapsel bis zur anderen mit der bei Lacerta vergleichen, so erkennen wir, dass dieselbe beim Säuger eine verhältnis- mässig viel bedeutendere geworden ist und so kommt auch hier wieder die gewaltige Ausweitung des Schädelcavums unter dem Einflusse des sich vergrössernden Gehimes zur Geltung. Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 41. Amp.ant. Amp.lat. Can. membr. ant. Utrieulus h 5 N Can. membr. lat. Recess, utrie, a x Saeeulus N x 9--- Sace. endolymph. Me Ganzer y autmie. ı r 2 sace. / { Duct. cochl, Duet. endol, Duet. \ Can. membr, post. { Crus eomm. (Sin. sup.) Amp. post. reuniens <: eNS Sinus post. Fig. 7. For. eribroethm. Conch. front. Crista galli \_ | Reeess. front. | For. eribr. RUN RN Crista semieire. : A Balken d. Lam. eribr. DR « 525 \ N j =< J RR Al \ x N N | Nasoturb. | Fen. sup, Sehnittfl. d. Teet. nasi dextr. Schnittfl. d, Sept. nas. Y + — — Cartil. eupul. j Lidi & Ü S Ds > Atrioturb. ! > Cup. post. | > Proe. alar, sup. “ Lam. transv. ant. Ethmoturb, III Su Ethmoturb. IT : | Lam. transv. post. ‚| Cartil. parasept. Ethmoturb. I Reeess. gland., | Reeess. maxill.: Maxilloturb, Proe. uneinat. Fig. 8. Ineus Malleus Goniale Chorda tymp. er | | ‘ Ineis. maxilloatrioturb, | Ineis. posttransv, Cartil. parasept. Lam. infraeonch. | | j j | j J 1 Cartil. Meckel I | | ! | Manubr. mallei Tensor tymp. _Fen. sup. — Duct. nasolaer. Ineisiv. — Lam. transv. ant. Dens. ineis.— Nasoturb. Nasale & Maxilloturb. er Duct, nasolacr. N 2 2 Adit. Jacobs. 5 X j SIEB Pz | Cartil. parasont. = ) IR ) m 7 Dens. ineis. Ineisiv. Fig. 11. Voit, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Das Primordialeranium des Kanpinchens ete. 545 Parietalplatte. Die über der ganzen Pars canalicularıs sich erhebende Parietalplatte ist unzweifelhaft nach Gaupp mit dem hinteren Teile der Taenia marginalis von Lacerta zu homologisieren ; die schmale Spange, die sich dort findet, ist allerdings zu einer recht breiten Platte geworden, ein weiteres Beispiel für pro- grediente Entwickelung eines Teiles des Primordialeranıums bei den Säugern. Die lange Spalte, Fissura capsuloparietalis (Foramen jugulare spurium), welche die Parietalplatte von der Prominentia semicircularis anterior trennt, ıst ohne weiteres auf die gleiche Lücke bei Lacerta zurückzuführen, also die homokontinuierliche Verbindung, die bei Echidna besteht, wohl sicher als sekundäre Abänderung anzusehen. Mit dem vor- dersten Teile der Pars canalicularıs ist nun die Parietalplatte auch beim Kaninchen vereinigt; es handelt sich auch hier um einen neuen, wohl aus irgendwelchen mechanischen Gründen aufgetretenen Zusammenhang; besonders bemerkenswert ist nun, dass im direkten Anschluss hieran sich die knorpelige Verbindung zwischen der Randspange und den ventralen Teilen nach vorn fortsetzt, dabei aber nun der ventrale Anschluss an seitlich von der ursprünglichen Schädelwandung gelegene Teile, an das Tegmen tympani erfolgt, wodurch eben jene oben beschriebene sekundäre knorpelige Seitenwand entsteht. 3. Regio orbitotemporalis. a) Hintere Hälfte. Primäre Schädelseitenwand. Eine ähnliche Vergrösserung des Schädelraumes der Säuger gegenüber dem niederer Vertebraten, wie wir sie in der Ohr- region als Einverleibung des Cavum supracochleare kennen gelernt haben, hat bekanntlich Gaupp schon längst für die 946 M.>-VOLT, hintere Hälfte der Orbitotemporalregion nachgewiesen. Auch hier erfährt die ursprüngliche primordiale Seitenwand, wie sie bei den niederen Wirbeltieren besteht, eine mehr oder minder weitgehende Reduktion und in einiger Entfernung lateral von ihr bildet sich eine neue Seitenwand aus. Der Processus basi- pterygoideus, der bei den Sauriern als kleiner Fortsatz von der Schädelbasis lateral vorspringt, ist es hier, der bei den Säugern, zur Ala temporalis weiterentwickelt, im wesentlichen den neu hinzugekommenen Raum begrenzt, und Gaup p gab daher dem letzteren den passenden Namen Cavum epiptericum. Das haupt- sächlichste Beweismittel für diese ganze Anschauung lag in dem Verhalten der Nerven, die gleiche topographische Bezie- hungen einerseits bei den Sauriern zum Processus basiptery- goideus, andererseits bei den Säugern zur Ala temporalis be- sitzen; eine wesentliche Stütze für dieselbe bot sich dann auch in den Befunden bei Echidna, wo sich deutlich noch Reste der ursprünglichen Seitenwand nachweisen liessen und so eine ziemlich genaue Abgrenzung der primitiven Schädelhöhle gegen das Cavum epiptericum gestatteten. Allerdings bestehen in anderer Hinsicht bei Echidna in dieser Region ziemlich ein- seitig abgeänderte, von denen der anderen Säuger abweichende Verhältnisse und es ist daher ein glücklicher Zufall, dass wir nun auch beim Kaninchen, wo derartige Abweichungen nicht existieren, die Lage der ursprünglichen Seitenwand und damit die Grenze zwischen primärer Schädelhöhle und Cavum epi- ptericum mit recht grosser Genauigkeit feststellen können. Und es ergeben sich daraus, wie wir sehen werden, einige neue und nicht uninteressante Schlüsse. Wir wollen zunächst wieder, wie in der Öhrregion, ver- suchen, durch einen Vergleich mit den Verhältnissen bei Lacerta die Lage der ursprünglichen Seitenwand am Kaninchencranium möglichst exakt zu bestimmen. Betrachten wir also die Schädel- seitenwand der Eidechse von der Pila prootica an cranialwärts Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 547 (s. Gaupp, in Hertwigs Handbuch, Fig. 382). Dieselbe ist als Knorpelwandung recht lückenhaft ausgebildet; befindet sich doch hier, vor der Pila prootica die grosse Fenestra met- optica. Immerhin lässt sich doch auch hier die Anschlusslinie der Seitenwand an die Schädelbasis feststellen. So besteht kein Zweifel, dass sie zunächst durch jene Knorpelleiste dar- gestellt wird, die von der Wurzel der Pila prootica an in direkt transversaler Richtung medialwärts zieht bis zu der Stelle, wo die Crista sellaris und das lateral-hintere Ende der Trabe- cula baseos eranii aneinanderstossen. Die Leiste überbrückt den N. abducens und es ist klar, dass dieser Nerv, nachdem er durch das so gebildete Foramen hindurchgetreten ist, sich ausserhalb des Schädelraumes befindet. Von hier an nach vorn ist der Anschluss der Seitenwand an den nun recht schmal gewordenen Boden des Cavum cranii offenbar längs der late- ralen Ränder der beiden Trabekel anzunehmen. Von dieser ganzen Linie aus ist nun die Schädelseitenwand bis an die knorpelige Umgrenzung des metoptischen Fensters, d. h. bis an die Pila metoptica, Pila prootica und Taenia parietalis media ergänzt zu denken; sie ist hier eben wieder nur in binde- gewebigem Ausbildungszustand vorhanden. In gleicher Weise ist auch der Anschluss nach oben bis an die Taenia marginalis anzunehmen; wir wollen darauf jedoch nicht eingehen, da es uns zunächst nur auf die unteren Partien dieser Seitenwand ankommt. Da ist denn noch hervorzuheben, dass inkonstant ein weiterer Teil derselben verknorpeln kann in Form der von Gaupp bei einem Lacertaembryo von 47 mm Länge auf nur einer Seite konstatierten Supratrabecularspange; diese läuft von eben jener Stelle medial vom Foramen n. abducentis, wo Crista sellaris, Trabecula und die den Abducens überbrückende Leiste zusammenstossen, nach vorn und geht in die Wurzel der Pila metoptica, resp. die als Subieulum infundibuli bezeichnete plattenförmige Verbreiterung derselben über. Ein Dorsum sellae 548 M. VOIT, ist bei Lacerta nicht vorhanden, wohl aber schliessen sich über der Crista sellaris die bindegewebigen Massen an, die Gaupp als Mittelhirnpolster bezeichnete. Vergleichen wir damit die Befunde am Kaninchenceranium, speziell diejenigen, die sich in der Serie II (Fig. 6 u. 17—19) darbieten. Wir können zunächst wohl sagen, dass der bei der Ohrregion beschriebene Restknorpel b in seiner Lage direkt vor dem aus der primitiven Schädelhöhle austretenden Trige- minus wohl der Pila prootica von Lacerta entspricht. Wie nun vor der Pila prootica, zwischen ihr und der Crista sellarıs resp. der Wurzel der Supratrabecula der N. abducens den Schädelraum verlässt und dabei von jener oben geschilderten Knorpelspange überbrückt wird, so tritt beim Kaninchen der Abducens vor dem Knorpel b, zwischen ihm und der Wurzel des Seitenpfeilers des Dorsum sellae über den lateralen Teil der Crista transversa; diese Crista aber verbindet die oben als Anschlusslinie der primären Seitenwand an die Basıs ın der Ohrregion bestimmte mediale Kante des Planum supra- cochleare mit eben jener Wurzel des lateralen Dorsumpfeilers, und letztere ist, wie wir nachher ausführen werden, mit dem hinteren Teile der Supratrabecula von Lacerta zu vergleichen. So liegt also die Annahme nahe, dass wir in der Crista trans- versa ebenfalls einen Abschnitt der Anschlusslinie der primi- tiven Seitenwand zu erblicken haben, dass auch jener den Abducens überbrückende bindegewebige Zug, der dorsalwärts, wie wir sahen, bis zur Commissura orbitoparietalis sich fort- setzt, der primitiven Seitenwand angehört und also der N. ab- ducens, indem er die Crista transversa überschreitet, den primären Schädelraum verlässt, ins Cavum epiptericum ein- tritt. Es wird diese Annahme bestätigt dureh den Befund, den seinerzeit E. Fischer am Primordialschädel von Semno- pithecus gemacht hat; es fand sich dort ein vom Seitenrand des Dorsum sellae ausgehender Knorpelfortsatz, der lateral- t Das Prmordialeemeen des Kaninchens etc. 549 wärts ziehend, mit seiner Spitze beinahe die vordere Kuppel der Pars cochlearis berührte; die so gebildete enge Spalte wurde von einem derben Bindegewebsstrang überbrückt, so dass ein Foramen entstand und durch dieses trat der N. abducens hın- durch. Fischer bemerkt dazu: ‚Ich zweifle nicht, dass dieser Knorpelzapfen und der ihn ergänzende kurze Strang die Reste der das Reptil-Abducensloch vorn abschliessenden Knorpel- spange der Eidechse sind.“ Wir haben also hier in derselben Lage, als wir sie beim Kaninchen annehmen, einen deutlichen, noch teilweise knorpeligen Rest der primitiven Seitenwand vor uns. Ich habe nun vorhin bereits bemerkt, dass die Seiten- pfeiler des Dorsum sellae wohl dem hinteren Teil der Supra- trabecularspange von Lacerta entsprechen. Sie erheben sich am vorderen Rande der Basalplatte, direkt medial vom N. ab- ducens, also genau von der Stelle, an welcher bei Lacerta die Supratrabecularspange wurzelt. Dann ragen sie seitlich von der Hypophyse eine Strecke weit nach vorn und hören dann beim Kaninchen mit freiem Ende auf; es gibt aber Säuger- formen, wo sie sich nach vorn fortsetzen und schliesslich, wie die Supratrabecula der Eidechse, mit den hinteren Orbital- flügelwurzeln verschmelzen. Wir haben es dann mit einer so- genannten Interclinoidspange zu tun, wie sie in mehr oder minder vollständiger Ausbildung bei verschiedenen Säugern be- schrieben wurde. So kommt sie nach Gaupp (1902 u. 1906) bei menschlichen Embryonen und auch noch bei Neugeborenen vor; bei der Verknöcherung geht hier die mittlere Partie zu- grunde und bleiben nur eine vordere und hintere als Processus elinoideus anterior und posterior erhalten. Am Fischerschen Modell vom Semnopithecuscranium ist eine vol!ständige Taenia interclinoidea vorhanden, bei Macacus ist sie insofern unvoll- ständig, als ihr hinterer Anschluss an die Basalplatte unter- brochen ist. Auch bei Echidna fand Gaupp in der sogenannten 550 M. VOIT, Taenia clinoorbitalis eine Bildung, die teilweise mit der Inter- clinoidspange verglichen werden kann, nur teilweise allerdings infolge von sekundären Verschiebungen in der Orbitotemporal- region dieses Tieres. Die Interclinoidspange wurde nun schon von Gaupp in seiner Arbeit über die Ala temporalis des Säugerschädels (1902) als Rest der ursprünglichen Seitenwand angesprochen und ihre Homologie mit der Taenia supratrabecularis von Lacerta als wahrscheinlich bezeichnet; auch die Taenia clinoarbitalis von Echidna ist durchaus als Rest der primitiven Seitenwand an- zusehen. Beim Kaninchen liegt nun keine vollständige Inter- clinoidspange vor; wohl aber ist es naheliegend, jenen zunächst auftretenden Seitenpfeiler des Dorsum sellae dem hinteren Teile einer solchen zu vergleichen. Ausserdem aber erscheint es mir unzweifelhaft, dass auch die auf der einen Seite vorhandene Knorpelplatte ce durchaus in einem Gebiete gelegen ist, das in anderen Fällen eben von vorderen Teilen der Interclinoidspange eingenommen wird und demnach ebenfalls als Rest der primären Seitenwand aufgefasst werden muss. Das nur einseitige Auf- treten spricht auch hier wohl wieder für den rudimentären, auf phylogenetisch frühere Zustände hinweisenden Charakter dieser Bildung. Diese vordere Knorpelplatte ce ist nun mit dem lateralen Rande der Trabekelplatte homokontinuierlich ver- bunden; es ist also hier der vollkommene Anschluss der primi- tiven Seitenwand an die Basıs des Cranıums und damit eine absolut sichere Grenze zwischen primärem und sekundärem Schädelraum gegeben. Auch vor dem Knorpel c lässt sich als Anschlusslinie der primären Seitenwand an die Basis wohl mit Sicherheit der laterale Rand der Balkenplatte annehmen ; schwieriger ist dieselbe allerdings hinter dem Knorpel c, zwischen ihm und der Wurzel des Dorsum sellae festzustellen. Doch glaube ich auch hier einen Anhaltspunkt für ihre Lage- bestimmung erblicken zu können in einer leichten leisten- Das Primordialeranıum des Kaninchens etc. förmigen Erhebung der oberen Fläche des Knorpels und nament- lich des bindegewebigen Perichondriums, die genau von der Wurzel des lateralen Dorsumpfeilers bis zur Basis des Knorpels c verläuft und einen mittleren, zur Aufnahme der Hypophyse leicht concaven Anteil von den seitlichen Partien der Knorpel- masse trennt (in Fig. 18 mit * bezeichnet). Zwar lässt sich nicht etwa im Anschluss an diese Leiste eine dichtere Gewebs- schichte, eine bindegewebige primäre Seitenwand nachweisen, sondern eine solche, als Duralanlage zu bezeichnende (rewebs- verdichtung beginnt erst höher oben, an der dorsalen Fläche der Hypophyse; dass aber bei anderen Tieren in dieser Region eine bindegewebige primitive Seitenwand bis an die Balken- platte heranreicht, geht aus der Fig. 12 der Gaupp schen Arbeit über die Ala temporalis der Säuger (1902) hervor (die Fig. ist auch im Hertwigschen Handbuch als Fig. 400 des Gauppschen Artikels reproduziert), welche diese Seitenwand bei der Maus darstellt. So haben wir also in der ganzen hinteren Hälfte der Orbito- temporalregion mit möglichster Genauigkeit die Anschlusslinie der primitiven Seitenwand an den Boden des Cavum cranil festgestellt. Ich bin besonders ausführlich auf diese Feststellung eingegangen, weil sie mir für die Beurteilung des Processus alaris und des Foramen caroticum der Säuger von ausschlag- gebender Bedeutung zu sein scheint. Roraämen carotıcum. Processus.alarıs. Ich stelle nämlich die Behauptung auf, dass das Foramen caroticum der placentalen Säuger dem Foramen caroticum der Lacertilier nicht entspricht. Bei Lacerta tritt die Carotis interna durch die laterale Ecke der Fenestra basicranialis anterior, also direkt medial von der Trabecula, in den Schädelraum ein; eventuell kann durch eine medial von dem Gefäss auftretende 552 Knorpelspange ein eigenes Foramen caroticum von der Fenestra basicranialis anterior abgetrennt werden. Sieht man nun das Foramen carotiecum der Säuger, etwa des Kaninchens als identisch mit dem von Lacerta an, so muss man zunächst annehmen, dass sich das zwischen den beiderseitigen Foramina selegene, aus Obliteration der mittleren Teile der Fenestra bası- cranialis anterior entstandene Knorpelgebiet stark nach der Seite verbreitert habe; ferner kommt man zu folgenden von Gaupp namentlich in seiner Arbeit über die Ala temporalis des Säuger- schädels logisch entwickelten Schlüssen: Die das. Foramen caroticum seitlich und vorn begrenzenden Knorpelteile, nämlich die Commissura alicochlearis und der Processus alarıs entsprechen den die gleiche topographische Beziehung zum Carotisloch bei Lacerta aufweisenden Knorpelspangen, also den Trabeculae baseos cranii. Demnach ist der Processus alarıs nicht dem Processus basipterygoideus gleichzusetzen, sondern er gehört noch zur basalen Körpermasse; erst die seitlich von der Verbindung des Proc. alaris mit der Alicochlearspange an- sitzenden breiteren Teile der Ala temporalis sind mit dem Pro- cessus basipterygoideus zu vergleichen. Wenn, wie es beim Hertwig--Zieglerschen Modelle vom menschlichen Primor- dialeranium der Fall ist, ein seitlicher Abschluss des Foramen caroticum fehlt, die Carotis vielmehr durch eine seitlich oflene Lücke zwischen vorderem Pol der Schneckenkapsel und Pro- cessus alaris hindurchtritt, so ist das ein sekundäres Verhalten und auf Schwund der seitlich von der Carotis gelegenen Partie der Trabekel zurückzuführen. Ich komme nun aber beim Kaninchen zu einer ganz anderen Auffassung. Es ergibt sich nämlich, dass das Foramen caro- ticum des Kaninchens gar nicht in den primären Schädelraum, sondern in das Cavum epipterieum führt. Ich möchte da vor allem die Aufmerksamkeit auf das topographische Verhalten. des N. abducens zu der in den Schädelraum eintretenden Carotis Das Primordialcranium des Kaninchens etc. 553 lenken. Wie ein Blick auf das Gaupp-Zieglersche Modell vom Lacertacranium zeigt, tritt die Carotis bei Lacerta weit medial vom N. abducens in den Schädelraum ein; ja der Ab- ducens ist in dieser Querschnittshöhe gerade schon durch das Foramen N. abducentis hindurchgetreten, er liegt also bereits ausserhalb des Schädelraumes und ist daher von der inner- halb der Trabekel befindlichen Carotiseintrittsstelle eben durch die Trabekel, also einen Teil der Schädelwandung getrennt. Wie verhält sich die Sache nun beim Kaninchen? Auch hier tritt der N. abducens, wie wir sahen, bei seinem Übertritt über die Crista transversa, lateral von der Wurzel des Dorsum sellae aus dem primären Schädelraum heraus und damit in das Cavum epiptericum ein; er bleibt selbstverständlich nun- mehr während seines ganzen weiteren Verlaufes ausserhalb des primären Cavum cranii, und es ist klar, dass alles was direkt lateral von ihm gelegen ist, ebenfalls ausserhalb des- selben sein muss. Nun sehen wir aber die Carotis beim Kanin- chen weit lateral vom N. abducens in das Schädelinnere ein- treten. Es ist selbst, wenn wir auf die vielleicht nicht so ganz zweifellose Feststellung der Anschlusslinie der primitiven Seiten- wand zwischen Dorsum sellae und Restknorpel e verzichten wollen, doch schon nach dem Verhalten zum N. abducens sicher, dass die Carotis bei ihrem Durchtritt durch das Foramen caroti- cum nicht in das primäre Cavum cranii gelangt. Die Commissura alicochlearis aber, welche das Carotisloch seitlich abschliesst, liegt sicher weit ausserhalb der ursprünglichen Seitenwand, kann also unmöglich mit der Trabecula identifiziert werden. Wenn wir uns weiterhin die primäre Seitenwand in der vorhin ausführlich festgestellten Lage ergänzen, so erkennen wir, dass nicht nur das Foramen caroticum, sondern auch der ganze Processus alaris des Temporalflügels ausserhalb derselben fällt, dass dieser also nicht als ein Anteil der basalen Knorpelmasse, sondern als ein unterhalb der primären Seitenwand lateral Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 36 554 M. VOIT, vorspringender Fortsatz der basalen Masse erscheint. Es ist demnach der Processus alarıs sehr wohl mit dem Processus basipterygoideus der Reptilien zu vergleichen; wir werden darauf nachher noch zurückkommen. Betrachten wir nun aber zunächst den weiteren Verlauf der Carotis beim Kaninchen; nachdem sie durch das Foramen caroticum in das Cavum epi- ptericum eingetreten ist, läuft sie noch eine ziemlich weite Strecke in diesem nach vorn; sie tritt dabei allmählich unter dem N. abducens hindurch auf dessen mediale Seite, bleibt aber dabei, indem sie über den Processus alarıs hinwegzieht, ausserhalb der primären Schädelwandung. Noch weit vorn finden wir die Carotis mit absoluter Bestimmtheit ausserhalb der primitiven Seitenwand, nämlich lateral vom Restknorpel « (Fig. 17); erst rostral vor diesem Knorpel tritt sie in die primäre Schädelhöhle ein und begibt sich unter Durchbohrung der Dura sofort zum Gehirn. Es fragt sich nun natürlich, ob dieses Verhalten der Carotis, dass sie zunächst in das Cavum epiptericum eintritt und dann eine Strecke weit in demselben nach vorn verläuft, nur beim Kaninchen sich findet, oder bei den Säugern allgemein verbreitet ist. Dass die Eintrittsstelle der Carotis in den Schädelraum beı den höheren Säugern ihrer ganzen Lage nach dem Foramen caro- ticum des Kaninchens entspricht, glaube ich, soweit die Primor- dialeranien derselben bekannt sind, sicher annehmen zu können. Dass auch der weitere Verlauf der Carotis interna innerhalb des Cavum epiptericum allgemein verbreitet ist, scheint mir aus einer interessanten Bemerkung hervorzugehen, die Fischer in seiner Arbeit über den Affenschädel (1903) macht. Ich finde dort (S. 397) folgenden Satz: „An einem mensch- lichen Embryo sah ich weiter eine Knorpelspange zwischen dem Processus clinoideus medius (? Verf.) und posticus, die die Carotis lateral von sich durchziehen lässt.‘ Es besteht wohl gar kein Zweifel, dass hier eine ganz gleiche Bildung vorlag, Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 555 wie wir sie beim Kaninchen konstatierten, also auch ein Rest der primären Seitenwand, und dass auch hier die Carotis lateral von derselben verlief. Dass in den Fällen, wo eine vollständige Taenia interclinoidea entwickelt ist, die Carotis schliesslich unter dieser hindurch ins primäre Schädelcavum eintritt, wie es Fischer bei Semnopithecus und Macacus berichtet, steht nicht im Widerspruche mit dem Befunde beim Kaninchen, wo ja auch schliesslich, kurz hinter der hinteren Orbitalflügel- wurzel die Carotis in den primären Schädelraum eindringt; wir müssen uns nur vorstellen, dass das vorderste Stück der Interelinoidspange dorsal von dieser Eintrittsstelle entwickelt ist. Es ıst also klar, dass weder die Eintrittsstelle der Säuger- carotis in den Schädel, noch ihre nächstfolgende Strecke inner- halb des Schädels, d. h. ihr ganzes im Sulcus caroticus ge- legenes Stück der Lage nach dem Foramen caroticum bezw. irgend einer Strecke der Carotis bei den Reptilien entspricht. Als Erklärung für diese merkwürdige Verschiedenheit sind wohl zwei Möglichkeiten denkbar. Die eine mir durchaus wahr- scheinlichere ist die, dass es sich bei dieser Strecke der Säuger- carotis überhaupt um eine neue Gefässbahn handelt; es liegt dann wohl am nächsten, dieselbe auf dem Wege einer Ana- stomosenbildung entstanden zu denken, wobei sich in irgend einem Stadium eine lateral gelegene Collateralbahn, die ausser- halb der primären Schädelhöhle verlief, zur Hauptbahn aus- gebildet haben und das ursprüngliche, direkt vor der Crista sellaris ins primäre Cavum cranıi eintretende Gefäss, vielleicht im Zusammenhang mit der Obliteration der Fenestra basi- cranialis anterior zugrunde gegangen sein müsste. Auf eine andere Möglichkeit hat Gaupp (1908a) hingewiesen, dem eine verschiedene Lage des Foramen caroticum bei Echidna einer- seits und bei den placentalen Säugern andererseits aufgefallen war. Gaupp meint, dass es sich eventuell um ein „Durch- schneiden“ des Gefässes durch die Trabekel handeln könne, 36* 556 M. VOIT, in ähnlicher Weise, wie es wohl für den N. hypoglossus beı Echidna anzunehmen ist, dessen Durchtrittsstelle gewisser- massen rostralwärts verlagert, mit dem Foramen jugulare ver- einigt ist. Diese Möglichkeit erscheint mir deshalb nicht sehr wahrscheinlich, weil die Verlagerung eine recht grosse Strecke des Gefässes betrifft; immerhin ist sie nicht von der Hand zu weisen und man müsste dann daran denken, dass die be- treffende Gefässstrecke gewissermassen durch eine an ihren beiden oder an einem ihrer Enden wirkende Kraft seitlich hinausgezerrt worden wäre. Eine solche Kraft am vorderen Ende der variierenden Gefässstrecke, im Verbreiterungsgebiete der Carotis, etwa in einer Seitwärtszerrung der Art. ophthal- mica, anzunehmen, ist wohl nicht angängig, da «as (Gefäss ja vor seiner Verästelung wieder in seine ursprüngliche Bahn im primären Schädelraum einlenkt; eher wäre sie für das hintere Ende denkbar und hier vielleicht in der Ausbildung der Pars cochlearis der Ohrkapsel zu suchen, durch welche die Carotis kurz vor ihrem Eintritt in den Schädel ventralwärts und vielleicht auch lateralwärts verdrängt worden sein kann, Ungemein interessant ist es, dass nach der Darstellung von Gaupp Echidna offenbar die primitive Bahn der Carotis beibehalten hat. Es ist ja bei Echidna, wie wir schon sahen, auch noch ein deutlicher Rest der primären Seitenwand er- halten in der Form der Taenia clinoorbitalis, deren hintere Wurzel wir dem Seitenpfeiler des Dorsum sellae beim Kanın- chen vergleichen dürfen. Nun treten hier, wie ein Blick auf Taf. LXIX, Fig. 6 der Gauppschen Echidnaarbeit ergibt, die Carotiden medial von dieser Spange in den Schädel ein. Dazu kommt, dass bei Echidna sich noch deutlich die Anlage paariger Trabekel nachweisen lässt und die Carotiden medial von diesen zum Gehirn emporsteigen. Es führt also ohne Zweifel bei Echidna das Foramen caroticum sofort in den primären Schädel- raum und ist an der gleichen Stelle gelegen wie bei Lacerta. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 557 Betrachten wir dazu die Fig. 14 ın der Gauppschen Arbeit über die Ala temporalis (1902), so erkennen wir, dass auch die Lagebeziehung der Carotis zum N. abducens bei Echidna genau die gleiche ist wie bei Lacerta, aber sich wesentlich von dem Verhalten beim Kaninchen unterscheidet. Wir müssen also wohl annehmen, dass die neue Üarotis- bahn der Säuger eine verhältnismässig junge Erwerbung ist und es besteht durchaus die Hoffnung, bei direkt darauf ge- richteter Untersuchung den Übergang bei irgend einer Form vielleicht auch ontogenetisch noch beobachten zu können und damit die eine der beiden Alternativen über ihre Entstehung zur (Gewissheit zu erheben. Cavum epiptericum. Nachdem wir so den wichtigen Punkt der neuen Bahn der Säugercarotis besprochen haben, wollen wir weiter auf die ‘Abgrenzung und den Inhalt des Cavum epiptericum eingehen. Es fragt sich zunächst, ob wir auch hier, wie in der Ohr- region noch über den knorpeligen Resten bis zum Anschluss an die Commissura orbitoparietalis die Lage der ursprünglichen Seitenwand feststellen können. Es ist das, wie schon erwähnt, zum Teil auch hier möglich, indem eine freilich nicht immer scharfe Grenze das dichtere Gewebe des Cavum epiptericum ‘von dem lockeren pericerebralen Gewebe der primären Schädel- ‘höhle trennt. Der Boden und die Seitenwand des Cavum epi- ‘ptericum wird im wesentlichen von der Ala temporalis ge- bildet, und zwar kommt hier, wie wir gesehen haben, nicht nur der seitliche, verbreiterte Teil derselben, die Lamina as- cendens, sondern auch der Processus alaris in Betracht. Nach "hinten zu wird der knorpelige Boden des Cavum epiptericum -vervollständigt durch die Commissura alicochlearis. Diese bildet ‘eine direkte Fortsetzung des Planum supracochleare nach vorn; 558 M. VOIT, es geht also hier der Boden des supracochlearen in den des epipterischen Raumes kontinuierlich über. Das Foramen caro- ticum erscheint nun, wie wir oben angeführt haben, als eine Lücke im Boden des Cavum epiptericum. Seitlich von der Commissura alicochlearis, .hinter der aufsteigenden Platte der Ala temporalis bleibt in dem modellierten Stadium der Serie I noch eine grosse Lücke der Schädelseitenwand bestehen, die hintere Abteilung der Fenestra sphenoparietalis. Wir haben schon bei Besprechung der Öhrregion gesehen, wie späterhin (Serie III) der Abschluss dieser Lücke erzielt wird, indem ım seitlichen Anschluss an das Planum supracochleare und an die Commissura alicochlearis die knorpelige Platte des Tegmen tym- pani sich ausbildet und diese nach vorn bis fast zur Berührung mit der Lamina ascendens des Temporalflügels kommt, während dorsal das Parietale und Squamosum den Abschluss vervoll- ständigen. Dass dabei eine Lücke für den Durchtritt des dritten Trigeminusastes, eine andere für den N. petrosus superfieialis major ausgespart bleibt, haben wir ebenfalls schon hervor- gehoben. Vor der Ala temporalis steht das Cavum epiptericum durch die noch sehr grosse Fissura orbitalis superior mit der Orbita in freier Verbindung. Bei Echidna wird hier noch eine Strecke weit der Boden des Cavum epiptericum durch das Os palatinum dargestellt. Auch am Kanincheneranium kommt bei der Ansicht von oben an dieser Stelle der hinterste Teil des Palatinum zum Vorschein; doch bildet dieser zufolge seiner mehr verticalen Stellung nicht mehr eigentlich einen Boden des epipterischen Raumes, sondern schon die mediale Wand der Orbita. Das ganze Cavum epiptericum ist, ebenso wie das Cavum supracochleare, mit dem es einen durchaus zusammenhängenden. einheitlichen Raum bildet, von Bindegewebe erfüllt und enthält wichtige Nerven und Gefässe; diese sind jetzt noch im Zu- sammenhange zu besprechen. Dass der N. petrosus superlicialis Das Primordialeranium des Kaninchens ete. 559 major, von dem im hintersten Teile des Cavum supracochleare gelegenen Ganglion geniculi kommend, bis in den epipterischen Raum nach vorn verläuft und seitlich von der Alicochlear- spange denselben nach unten hin verlässt, haben wir schon erwähnt. Auch der Eintritt des N. trigeminus in das Cavum supracochleare und der in letzterem gelegene hintere Teil des Ganglion semilunare ist bereits besprochen. Das Ganglion semi- lunare erstreckt sich nun noch durch die ganze Länge des Cavum epiptericum nach vorn. Es überdeckt dabei dorsal die Commissura alicochlearis und den grössten Teil des Foramen caroticum, dann den Processus alarıs; durch die Fissura orbi- talis treten dann der erste und zweite Trigeminusast aus dem epipterischen Raum in die Orbita ein; ein eigenes Foramen rotundum für den zweiten Ast ist nicht vorhanden (kommt auch beim Kaninchen überhaupt nicht zustande); der dritte Ast tritt, wie schon mehrfach erwähnt, durch die Incisura ovalis zwischen dem lateralen Rand der Alicochlearspange und dem hinteren Rand der aufsteigenden Platte des Temporalflügels aus dem Schädelraum aus, um hier gleich das Ganglion oticum zu bilden ; die Ineisura wird später bei Ausbildung der vorderen Teile des Tegmen tympani fast zum Foramen geschlossen. Auch die Eintrittsstelle des N. abducens in das Cavum epiptericum haben wir schon ausführlich besprochen; Oculomotorius und Trochlearis treten höher dorsal in diesen Raum ein, und alle drei verlassen denselben durch die Fissura orbitalis superior. Die Carotis tritt, wie wir gesehen haben, durch das Foramen caroticum in das Cavum epiptericum ein, läuft in «demselben über den Processus alaris nach vorn und verlässt ihn kurz hinter der hinteren Orbitalflügelwurzel, wo sie in das primäre Schädelcavum übergeht. Schliesslich sind noch eine Reihe von kleinen Venenästchen zu erwähnen, die in der Gegend der Carotis und des N. abducens den epipterischen Raum durch- ziehen und vielleicht als Vorläufer eines Sinus cavernosus zu betrachten sind. 560 M. VOIT, Wir müssen nun noch die einzelnen Teile der Ala tem- poralis einer genaueren vergleichenden Betrachtung unterziehen und wollen der Reihe nach den Processus alaris, die Lamina ascendens, die Lamina pterygoidea, sowie schliesslich die Com- missura alicochlearis vornehmen. Process us ala rs? Aus den vorangehenden Darlegungen ergibt sich, dass der Processus alarıs des Temporalflügels dem Processus basipteri- goideus der Reptilien homolog zu erachten ist. Es treffen auf ihn genau jene topographischen Lagebeziehungen zu, welche Gaupp für die „Ala temporalis‘“ der Säugetiere im ganzen konstatiert hat und welche diesen Forscher zur Aufstellung der Homologie zwischen der Ala temporalis und dem Processus basipterygoideus veranlasst haben. Er entspricht ferner voll- ständig der ‚„Ala temporalis“ von Echidna, d. h. dem dort lateral von der Taenia clinoorbitalis vorragenden Knorpel- gebiete. Lamina ascendens alae temporalis. Wie sind nun aber die seitlichen Teile des Temporalflügels aufzufassen? Der ganze aus der Lamina ascendens und dem Processus pterygoideus bestehende seitliche Komplex ist gegen den Processus alaris ziemlich scharf abgegrenzt durch eine von unten tief in den Knorpel einschneidende Furche, welche die beiden Abschnitte fast völlig voneinander trennt. Diese binde- gewebige Trennungslinie entspricht derselben, die Wincza bei der Katze, dem Hund und Eisbären, Levi (1900) und Gaupp (1902) beim Menschen beschrieben haben und ist jeden- falls als eine sich lange Zeit erhaltende Andeutung der von Noordenbos nachgewiesenen selbständigen Verknorpelung der lateralen Partien anzusehen. Diese selbständige Verknorpe- Tafel 43. 114. Heft (38. Bd., H. 1). I. Abt. Anatom. Hefte. Crista semieire,_ Spitze des __ Ethmoturb. LI Proe. unein.—- Gland. nas. lat. — Duet. nasolaer. _ Ram. lat. N. ethmoid. 1 Nasale lat.) Fig. 12. Ineisiv. (Pr. pal. Pr. pal. med. des Ineisiv. Anlage der Cartil. naso- palat. Cartil. paras. Org. Jakobs, Lob. olfaet. Crista galli Frontale Recess. front.- Coneh. front. — Sept. horiz — Laerimale- Canal. laerim, = Recess. maxillar.- # - Vomer N. infraorbit. Jakobs. Proc. palat. medial. Maxillare des Ineisiv. Fig. 13. "»Ethmoturb. I. = Ethmoturb. II. Cartil. parasept. F. Bergmann in Wiesbaden. Verlag von ). Voit, Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 44. Lob. olfaet. Frontale - Comm. spheno-.. ethmoidal. Fil. olfaet N. infraorbit. -8 m 1 a Lam transv. post. Duet. nasophar. Vomer Fig. 14. ”_.Ala orbit. 4 - Sept. interorbit. RN -Cup. post. nasi N =..N. trig. ram. II. F 1} Maxillare 1 Palatinum Duct. nasophar. Os Fig. 15. Bergmann in Wiesbaden. Voit. Verlag von J. F. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 561 lung und die Konstanz, mit der jene Trennungszone stets bis in späte Stadien erhalten bleibt, lassen die Vermutung gerecht- fertigt erscheinen, dass den seitlichen Partien vielleicht auch eine gewisse phylogenetische Selbständigkeit zukommt, dass sie einen dem Processus alarıs erst sekundär angefügten Komplex darstellen. Gaupp, der ja den Processus alarıs zur basalen Körpermasse rechnete und infolgedessen erst einen medialen Anteil des seitlichen Komplexes als Homologon des ‚Processus basipterygoideus betrachtete, musste in jener binde- gewebigen Trennungslinie die Grenze zwischen basaler Tra- bekelplatte und Processus basipterygoideus sehen, und wies darauf hin, dass letzterer Fortsatz auch bei Lacerta in ganz frühen Stadien eine gewisse Selbständigkeit besitze. Nach unseren vorangehenden Ausführungen ist diese Vergleichung nicht aufrecht zu erhalten, es muss vielmehr jene Trennungs- zone entweder eine sekundär entstandene Abgliederung inner- halb des Processus basipterygoideus darstellen, oder zwischen dem lateralen Ende dieses Fortsatzes und seitlich an dasselbe angelagerten Teilen entstanden sein. Ich habe keine Anhalts- punkte, um mich für die eine dieser Alternativen mit Sicher- heit zu entscheiden. Doch scheint es mir durchaus wahrschein- lich zu sein, dass die aufsteigende Platte der Ala temporalis im wesentlichen der von Gaupp bei Echidna beschriebenen Membrana sphenoobturatoria entspricht; wie diese erhebt sıe sich vom lateralen Ende des dem Processus basipterygoideus zu vergleichenden Fortsatzes bis zur Commissura orbitoparie- talis und schliesst so das Cavum epiptericum nach aussen ab. In welcher Weise aber die Anknüpfung dieser Bildung an die Zustände beim Reptil zu gewinnen ist, darüber bin ich zu einem abschliessenden Urteil nicht gekommen. Ich will die verschiedenen Möglichkeiten, die Gaupp bei Besprechung der Membrana sphenoobturatoria von Echidna schon ausführlich ‘erörtert hat, hier nicht im einzelnen wiederholen, sondern ver- 562 M. VOIT, weise auf jene Ausführungen. Hervorheben möchte ich aber, dass beim Kaninchen, wie es auch schon bei anderen Säugern verschiedentlich konstatiert wurde, die Lamina ascendens, be- sonders ihr unterer Teil, auffallend früh verknöchert; ja ich kann an meinen Stadien nicht konstatieren, ob überhaupt je die ganze aufsteigende Platte in knorpeligem Zustand vor- handen ist, oder ob nicht einzelne Teile von vornherein als bindegewebige Verknöcherung auftreten. Lamina pterygoidea. Nur im Zusammenhange mit der Frage nach der Hom9a- logie der Lamina ascendens scheint mir auch die nach der Bedeutung des Processus pterygoideus der Säuger zu lösen zu sein und so will ich mich auch auf diese hier nicht näher einlassen. Bis jetzt können wir den Fortsatz jedenfalls nur als eine Neuerwerbung des Säugercraniums betrachten. Zu beachten ist seine enge nachbarliche Beziehung zum Os para- sphenoideum, das sich seiner medialen Seite dicht anlegt. 3eim Kaninchen setzt sich der Processus pterygoideus durch eine die Arteria maxillaris interna umfassende Knorpelspange mit der Unterfläche der Ala temporalis in Verbindung und bildet so jene merkwürdige, nahezu horizontal stehende, von einem Foramen alisphenoideum (Krause nennt es Foramen spheno- ideum anterius) durchbohrte Platte, die Lamina ptery- goidea. Ein Foramen alisphenoideum kommt nach M.Weber bei mehreren Säugetieren vor. Commissura alicochlearis. Die Commissura alicochlearis ist, wie wir gesehen haben, nicht einem Teile der Trabecula der Reptilien zu vergleichen, sondern ist eine beim Säugetier neu auftretende Bildung. Bei einigen Säugern scheint sie nicht zur Entwickelung zu kommen; so fehlt in der Deckerschen Abbildung vom Primordial- cranium des Schweines eine seitliche Abgrenzung des Carotis- loches. Auch bei den Primaten scheint sie zu mangeln; so wird sie an den Fischerschen Modellen von Semnopithecus und Macacus vermisst; auch an dem Hertwigschen Modell vom menschlichen Primordialcranium ist sie nicht vorhanden ; jedoch wird sie von Jakobi bei einem jüngeren mensch- lichen Primordialschädel beschrieben und abgebildet; ob es sich hier wirklich um ein späteres Verschwinden der zuerst angelegten Spange, oder um individuelle Variationen handelt, müsste wohl erst weiter untersucht werden. Die Trabecula alicochlearis, die Fischer bei Talpa beschreibt, ist selbst- verständlich nicht vollständig mit der beim Kaninchen vor- handenen Spange zu vergleichen, da sie das Carotisloch nicht seitlich begrenzt, sondern von ihm durchbohrt wird; die merk- würdige Konfiguration bei Talpa ist wohl durch Jie kolossale Entwickelung des Foramen basicochleare (bei Fischer For. lacerum genannt) hervorgerufen; überhaupt scheint die ganze hintere Orbitotemporalregion bei Talpa sehr stark abgeändert zu sein. Trabekelplatte. Noch haben wir einige Worte über die basale Knorpel- partie in der hinteren Hälfte der Orbitotemporalregion zu sagen. Auf die Frage, ob dieselbe bei ihrer ersten Anlage in Form von deutlichen paarigen Trabekeln . auftritt oder, wie es Noordenbos beschrieb, aus Verschmelzung mehrerer ein- zelner Knorpelinseln entsteht, können wir natürlich bei unseren hierfür zu alten Stadien nicht eingehen. Jedenfalls aber glaube ich, dass sie morphologisch durchaus der von Gaupp bei Echidna beschriebenen Trabekelplatte entspricht; die einzige Schwierigkeit, die sich dieser Vergleichung in den Weg stellen könnte, die verschiedene Lagerung zu dem Foramen caroticum 564 M. VOIT, wird ja durch unsere Annahme von der Nichthomologie dieses Foramens bei Reptilien und Echidna einerseits und den placen- talen Säugern andererseits beseitigt. Foramen hypophyseos; Canalis’cranio- pharyngeus. Die paarige Anordnung der Knorpelmasse ist ja auch in dem verhältnismässig späten Stadium der Serie II noch einiger- massen zu erkennen, da, wie Fig. 6 zeigt, ein deutliches Foramen hypophyseos die Trabekelplatte im Gebiete der Sella turcica durchbricht; Reste des Hypophysenganges sind noch in demselben enthalten. Es ergibt sich damit die Behauptung Koellikers (1879), dass ein Hypophysenkanal in der knor- peligen Schädelbasis vom Kaninchen nicht auftrete, als unrichtig. In dem späteren Stadium der dem Hauptmodell zugrunde liegen- den Serie I allerdings ıst die Fenestra hypophyseos nicht mehr vorhanden; wohl erkennen wir noch einen von der Rachen- schleimhaut gegen die Schädelbasis ansteigenden Epithelstrang, den Rest des Hypophysenganges; aber die Knorpelmasse hat sich über demselben vollständig geschlossen, ist zu einer ab- solut einheitlichen Platte geworden. Nun findet sich bekanntlich am definitiven knöchernen Kaninchenschädel das Os sphenoideum posterius im Gebiete der Sella turecica von einem Kanale durchbohrt, der mit spongiösen Räumen im Inneren des Keilbeinkörpers im Zusammenhang steht und an der basalen Fläche mit einer rundlichen Öffnung (Foramen cavernosum nach Krause) mündet. Arai (1908) hat vor kurzem diesen Kanal genauer beschrieben und gezeigt, dass sein Inhalt aus Gefässräumen besteht, welche venöses Blut aus der Spongiosa des Keilbeinkörpers und der 'Temporal- flügel, ferner aus der Hypophyse und der Dura mater auf- nehmen und nach unten in die Vena vertebralis mediana ab- führen. Arai glaubte den Kanal, den er Canalis cranıo- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 565 pharyngeus nennt, auf die embryonale Fenestra hypo- physeos zurückführen zu sollen. Das scheint mir jedoch durchaus unrichtig zu sein. Die Lage jener Öffnung am knöchernen Keilbein entspricht nämlich nicht der Fenestra hypo- physeos, wie sie auf Fig. 6 dargestellt ist, sondern ist eine viel weiter caudale. Wir erkennen ausserdem ihre Bildung an der Serie I schon in Form der durch einen Venenplexus erfüllten grubigen Aushöhlung der basalen Fläche, die in Fig. 2 deut- lich zur Anschauung kommt. Die Stelle, an welcher die ursprüng- liche Fenestra hypophyseos nach unten ausmündete und an welcher auch noch der Rest des Hypophysenganges sich der Knorpelbasis anlegt, ist in derselben Figur durch = -be- zeichnet. Die im knöchernen Sphenoideum posterius des Kaninchens vorhandene, nur als ein Venenemissarium auf- zufassende, Öffnung ist also eine durchaus sekundäre Bildung. Auf die von Arai bei der Katze und beim Menschen be- schriebenen Canales eraniopharyngei will ich hier nicht ein- gehen. Dorsum sellae. Ganz kurz wollen wir noch einmal auf das Dorsum sellae zu sprechen kommen. Fischer hatte seinerzeit bei Macacus auf die selbständige Verknorpelung der oberen Teile der Sattel- lehne aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass man es hier wohl mit einer der Basalplatte fremden Bildung zu tun habe. Ich kann mich dem auf Grund der Befunde beim Kaninchen vollständig anschliessen und glaube, wie oben aus- geführt wurde, dass die bei vielen Tieren zuerst auftretenden seitlichen Pfeiler der Sattellehne als Gebilde aufzufassen sind, die vor der Basalplatte im Gebiete der primitiven Seitenwand gelegen sind und wohl gut mit dem hinteren Abschnitt der Supratrabecularspange von Lacerta verglichen werden können. Zwischen diesen beiden hat sich dann im Gebiete des Mittel- 566 M. VOIT, hirnpolsters eine mediane Verbindung ausgebildet. Onto- genetisch kann nun eine zeitliche Verschiebung derart ein- treten, dass die Querspange sich voll entwickelt, ehe die Ver- bindung der Seitenpfeiler mit der Basalplatte deutlich geworden ist; es finden in dieser Hinsicht offenbar sogar individuelle Schwankungen statt; denn in Fig. 6 sehen wir nur die seit- lichen Pfeiler als Processus clinoidei posteriores entwickelt, in Fig. 1, also einem älteren Stadium, ist der Querpfeiler deutlich vorhanden, dagegen der Anschluss der Seitenpfeiler an die Basalplatte gerade erst angedeutet. b. Vorderer Teil der Orbitotemporalregion. Ala orbitalis. Nur wenig ist über die Ala orbitalis zu sagen. Sie ist in ungemein starker Ausbildung, als breite Knorpelplatte ent- wickelt, die in typischer Weise mittelst der zwei das Foramen opticum umfassenden Wurzeln aus der basalen Knorpelmasse sich erhebt, nach hinten in die Commissura orbitoparietalis sich fortsetzt und sich vorn durch die Commissura spheno- ethmoidalis mit der Nasenkapsel verbindet. Septum interorbitale. Um so interessanter ist der vordere Teil der basalen Körper- masse, in dem wir deutlich ein typisches Septum interorbitale erkennen. Gaupp hat bekanntlich schon in seiner Lacertaarbeit den durch das Interorbitalseptum charakterisierten kielbasischen Typus des Säugetierschädels erkannt und als eine der wich- tigsten Übereinstimmungen mit dem Sauropsidenschädel her- vorgehoben. Fischer konnte dann bei Semnopithecus, Macacus und in höchster Ausbildungsstufe bei Tarsius spectrum Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 567 tatsächlich ein Septum interorbitale nachweisen. Das Kaninchen schliesst sich dieser Reihe in trefflicher Weise an. Schon im Gebiete des Foramen opticum beginnt die mediane Knorpel- partie kielartig nach unten vorzuspringen und erhebt sich dann rasch zu einer ziemlich hohen schmalen Platte, die cranial- wärts von der vorderen Orbitalflügelwurzel noch eine Strecke weit mit freiem dorsalen und ventralen Rand ansteht und vorn kontinuierlich in das Nasenseptum übergeht. So erkennen wir eine absolute Übereinstimmung mit der Konfiguration dieser Gegend bei Lacerta; freilich der freie vordere Teil des Septum ist dort mächtiger entwickelt; aber auch dieser Unterschied findet sehr wohl seine Erklärung; denn wir können, wie wir bei Besprechung der Ethmoidalregion sehen werden, mit Be- stimmtheit annehmen, dass durch Ausdehnung der Nasen- kapseln nach hinten ein grosses Stück des ursprünglichen Inter- orbitalseptums zum hinteren Teil des Septum nasi geworden ist. Lamina hypochiasmatica. Einer recht merkwürdigen Bildung müssen wir noch ge- denken. Im Gebiete des Foramen opticum sehen wir den knor- peligen Schädelboden stark verbreitert, d. h. es springt jeder- seits mit convexem äusseren Rand eine Knorpelplatte lateral- wärts gegen die Orbita vor und so wird im ganzen ein etwa kreisförmiges abgeflachtes Feld gebildet, das über dem kiel- artig allmählich nach unten vorspringenden hintersten Teil des Septum interorbitale gelegen ist; ich habe diese Platte, die nach ihrer Lage annähernd der Cartilago hypochiasmatıca von Lacerta entspricht, als Lamina hypochiasmatica, speziell ihre seitlich vorragenden Teile als Alae hypochiasmaticae be- zeichnet. Merkwürdig ist nun das weitere Schicksal dieser Platte. Betrachten wir nämlich die Foramina optica am knöchernen Schädel des erwachsenen Kaninchens, so sehen wir dieselben nicht durch eine derartige Platte oder überhaupt 568 M. VOIT, durch irgend eine breitere Knochenmasse getrennt; sie fliessen vielmehr sozusagen fast zu einer einheitlichen Öffnung zu- sammen, deren nach vorn ansteigender Boden durch eine schmale Knochenkante gebildet wird; diese setzt sich nach vorn in eine ganz allmählich breiter werdende Scheidewand zwischen den beiden Orbitae fort. Man könnte zunächst meinen, dass hier das typische Interorbitalseptum noch am knöchernen Säugetierschädel erhalten sei; dem ist aber nicht so. Bei ge- nauerem Zusehen erkennt man nämlich, dass jene Scheide- wand durch zwei voneinander isolierte Knochenplättchen ge- bildet wird, die eben ın jener schmalen, den Boden des Foramen opticum bildenden Kante ganz spitzwinkelig ineinander über- gehen, sich unter allmählicher Divergenz flügelförmig nach vorn erstrecken und so einen grossen Teil der medialen Orbital- wand und mit ihrem vorderen Abschnitt gleichzeitig der lateralen Nasenwand formieren. Es sind die von Krause sogenannten Processus ethmoidales des vorderen Keilbeines. Diese Processus ethmoidales sind nun ohne Zweifel auf die Alae hypo- chiasmaticae des Primordialcraniums zurückzuführen. Schon in den vorliegenden Stadien erkennen wir, wie die seitlichen Teile der Lamina hypochiasmatica, also eben die Alae hypo- chiasmaticae gegenüber der mittleren Partie eine gewisse Selb- ständigkeit gewinnen; sie zeigen bereits beginnende Verknöche- rung und sind durch eine seichte Furche, vorn sogar durch eine bindegewebig ausgefüllte Lücke gegen letztere abgegliedert; ihr äusserster Rand ist schon etwas nach vorn umgelegt. Offen- bar klappen nun die beiden Flügel allmählich vollkommen nach vorn um und wachsen zu jenen grossen Platten der Processus ethmoidales aus. Sie legen sich dabei auf eine weite Strecke der lateral-hinteren Fläche der knorpeligen Nasenkapsel an und fassen so nicht nur das freie Interorbitalseptum, sondern auch die hinteren Teile der beiden Nasenkapseln zwischen sich. Wie stark sie sich dabei vergrössern, das geht daraus hervor, dass Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 569 der Processus ethmoidalis des erwachsenen Kaninchens sich mit langem oberen Rande an die Pars orbitalis ossis frontalıs, mit seinem unteren an das Os palatinum und maxillare, mit seinem vorderen an den Processus sphenoorbitalis des Maxillare (dessen Anlage in Fig. 4 mit * bezeichnet ist) mittelst Naht- verbindung anlegt. So wird durch diese Platte des Processus ethmoidalis und durch die genannten Deckknochen {auch das Lacrimale kommt dabei noch in Betracht) schliesslich die ganze, jetzt noch in grosser Ausdehnung freie orbitale Fläche der Nasenkapsel vollkommen verdeckt. Es scheint nun unter dieser Bedeckung die orbitale Wandung der Nasenkapsel selbst zum Schwund zu kommen, oder wenigstens nicht im Zusammen- hang mit dem Ethmoid zu verknöchern (genauer müssten diese Verhältnisse wohl erst untersucht werden). So kam Krause zu der Ansicht, dass der Processus ethmoidalıs der Lamina papyracea anderer Säuger homolog sei, welche eben beim Kaninchen mit dem Keilbeinkörper verwachse. Dass das absolut unrichtig ist, da ja die Lamina papyracea sicher die primordiale Verknöcherung der Nasenkapselwandung selbst darstellt, geht aus obigem klar hervor. Was aber die morpho- logische Bedeutung des, wie wir sahen, als seitlicher Auswuchs der basalen Sphenoidmasse entstandenen Processus ethmoidalis anlangt, so werden wir uns darüber ein Urteil wohl erst dann erlauben dürfen, wenn wir geprüft haben, ob eine solche Bil- dung auch bei anderen Säugern vorkommt und wie sie sich dort verhält; bisher ist mir darüber nichts bekannt. Insbe- sondere dürfte darauf zu achten sein, ob dieselbe nicht in manchen Fällen an der Bildung eines Sinus sphenoidalis, resp. dessen seitlicher Begrenzung beteiligt ist. Bezüglich der ersten Entstehung der Ala hypochiasmatica könnte vielleicht an ein mechanisches Moment gedacht werden. Wir sehen nämlich, dass sich die hintere Kuppel der Nasenkapsel von vorn und unten an die Ala hypochiasmatica anlegt; man könnte annehmen, Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H, 3). 37 70 M. VOIT, dass sie in derselben gewissermassen ein Widerlager findet, das um so mehr von Bedeutung erscheint, wenn wir die mehr- fach erwähnte Abknickung der Schädelachse an der Grenze der Orbitotemporal- und Ethmoidalregion beachten. 4. Regio ethmoidalis. Einbeziehung des Interorbitalseptums in die Nasenkapsel. Gaupp hat mehrfach die Ansicht ausgesprochen und M. Weber ist derselben beigetreten, dass der Nasenschlauch der Säuger im Vergleich zu dem der Reptilien sich caudalwärts ausgedehnt, dass infolgedessen der hintere Teil der Nasen- kapsel sich unter die Schädelbasis geschoben und mehr oder weniger weit neben das Interorbitalseptum angelegt habe; so wurde letzteres oder wenigstens ein Teil desselben aus seiner ursprünglich rein interorbitalen in internasale Lage gebracht, wurde zum hinteren Abschnitt des Nasenseptums. Gerade die Nasenkapsel des Kaninchens erscheint be- sonders geeignet, diese Ansicht zu stützen. Ihr caudalster Ab- schnitt endet, wie wir sahen, in Form der schmalen, allseitig geschlossenen Cupula posterior, die sich vollkommen frei neben das Septum anlegt, nirgends (auch nicht am dorsalen Rande) mit ihm verschmolzen ist; erst caudal von dieser hinteren Nasenkuppel tritt dann das Septum als eigentliches Interorbital- septum frei zutage. So macht die Cupula posterior noch ganz den Eindruck einer blindsackförmig nach hinten ausgebuchteten Partie der Nasenkapsel, die dadurch in seitliche Lage zu einer vorher freien, also rein interorbitalen Strecke des medianen Septums gelangt ist. Aber die caudale Verlängerung der Nasenkapsel betraf jedenfalls nicht nur die blindsackförmig frei neben dem Septum liegende Cupula posterior; dass sie vielmehr eine viel weitergehende war, sich auch auf vor der Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 571 Cupula gelegene Teile der Nasenkapsel erstreckte, geht wohl aus folgenden Überlegungen hervor. Beim Saurier (Lacerta) ist die Nasenkapsel nach hinten durch das fast transversal verlaufende Planum antorbitale ab- geschlossen, dessen oberer Rand von der Commissura spheno- ethmoidalis an medialwärts die vordere Begrenzung der Fis- sura orbitonasalis bildet. Beim Kaninchen verläuft dagegen, ebenfalls von der Commissura sphenoethmoidalis aus der vordere Rand der Fissura orbitonasalis, sowie die unter dem- selben sich erstreckende Fläche der Nasenkapsel nicht quer, sondern stark schräg nach hinten-innen; trotzdem müssen wir wohl diese Fläche zusammen mit der Cupula posterior als dem Planum antorbitale von Lacerta entsprechend ansehen und so bleibt wohl nur die Annahme möglich, dass eben die Nasen- kapsel, und zwar namentlich ihre medialen, dem Septum be- nachbarten Partien stark nach hinten ausgebuchtet wurden. Tatsächlich ist nun nicht nur die Ausbildung des bei den Saur- opsiden noch sehr einfachen hintersten Abschnittes des epi- thelialen Nasensackes zur Ethmoturbinalregion für die Säuger charakteristisch, sondern es geht auch aus der Darstellung, die Peter (1902) von der Entwickelung der Nasenhöhle des Kaninchens gegeben hat, aufs deutlichste hervor, dass dabei gerade die medial-hintere Ecke, sogar noch ontogenetisch, die grösste Wachtumstendenz zeigt und es ist klar, dass gleich- zeitig mit der stärkeren Entwickelung dieser Teile des epi- thelialen Nasensackes eine entsprechende Ausbuchtung der Nasenkapsel nach hinten erfolgt sein musste. Die Möglichkeit dieser Rückwärtsverlagerung ist, wie schon Gaupp (1906) ausführte, dadurch gegeben, dass der ganze hintere Teil der Nasenkapsel, insbesondere sein Boden, die Lamina transversalis posterior, beim Reptil und, wie Gaupp annimmt, auch primitiv bei den Säugern, vom Septum los- gelöst ist. Auch beim Kaninchen sind nun Lamina transversalis 37* 572 posterior und Cartilago paraseptalis nicht mit dem Septum ver- bunden; wir haben es also hier mit dem von Gaupp für die Säuger vorausgesetzten primitiven Zustand zu tun, der bei einer Reihe von Säugern (Echidna, Talpa) offenbar sekundär verloren gegangen ist. Dass trotz der beträchtlichen caudalen Ausdehnung der Nasenkapsel doch noch ein freier Abschnitt des Septum inter- orbitale besteht, letzteres also nicht vollkommen in die Nasen- kapsel eingeschlossen ist, wie etwa bei Echidna oder Talpa, mag seinen Grund in den verhältnismässig grösseren Augen des Kaninchens haben. Fischer fand ja bei Tarsius, der durch besonders grosse Augen sich auszeichnet, ein noch längeres Interorbitalseptum. Subcerebraler Abschnitt der Nasenkapsel. Wenn wir vorhin die Ausbildung des hinteren, ethmoturbı- nalen Anteiles des epithelialen Nasenschlauches als für die Säuger charakteristisch bezeichneten, so schliessen wir uns damit im Prinzip der alten Gegenbaurschen Auffassung an, dass das Maxilloturbinale der Säuger der Reptilienmuschel zu homologisieren, die Ethmoturbinalia dagegen als Neuerwer- bungen der Säuger zu betrachten sind, im Gegensatz zu Seydel, der neuerdings (1899) die Ethmoturbinalregion der Säuger der Reptilienmuschel homolog erachtet. Schon die Darstellungen, die Fleischmann und seine Schüler Beecker und Blendinger von den Formverhält- nissen des Nasensackes der Amnioten gegeben haben, lassen eine so grosse Übereinstimmung des vorderen, durch Maxillo- und Nasoturbinale charakterisierten Abschnittes des Nasen- sackes der Säuger mit der Hauptmasse des Nasensackes der Sauropsiden erkennen, dass wir wohl der von ihnen gezogenen Schlussfolgerung beipflichten müssen, dass der komplizierte Ethmoturbinalabschnitt (das „Cribrum“ nach Fleischmann) 573 Das Primordialeranium des Kaninchens etc. der Säugernase einer Ausgestaltung des kleinen, einfachen „Antorbitalraumes‘‘ der Sauropsiden seine Entstehung verdankt. Auch die Untersuchungen von Peter (1902) über die onto- genetische Ausgestaltung des Nasensackes vom Kaninchen er- gaben, dass sich zwar der vordere maxillo-nasoturbinale Ab- schnitt in analoger, verhältnismässig einfacher Weise ent- wickelt, wie das Muschelgebiet der Nasenhöhle der Saur- opsiden, dass dagegen dem hinteren ethmoturbinalen Abschnitt ein eigenartiger, bei den Sauropsiden nicht vertretener, kom- plizierter Bildungsmodus zugrunde liegt. Wir müssen auf diesen Entwickelungsgang, im wesentlichen in Anlehnung an Peters Darstellung, hier in Kürze eingehen, da sich aus ihm am besten ein morphologisches Verständnis der komplizierten Formen er- gibt, die wir im beschreibenden Teile unserer Arbeit kennen gelernt haben. Wir wollen dabei jeweils gleich auf die Form- verhältnisse bei anderen Säugern eingehen und so feststellen, wie weit der konstatierte Bildungsmodus und die durch ihn erzielten Gestaltungen als nur für das Kaninchen gültig oder für den Säugerstamm typisch zu erachten sind. In einem Stadium, wo im vorderen Abschnitt der Nase schon durch rinnenförmige Ausfaltungen der lateralen Wand das Maxillo- und Nasoturbinale im groben herausmodelliert sind, beginnt erst die Ausbildung der Ethmoturbinalregion; an ihr ist im wesentlichen nicht die seitliche, sondern die hintere Wan- dung des Nasenschlauches beteiligt, die ihrerseits wieder durch Umklappen eines hinteren Abschnittes der ursprünglich medialen Fläche entstanden ist. An der medialen und lateralen Kante dieser Hinterwand, da wo sie unter winkeliger Knickung in die mediale und laterale Fläche übergeht, tritt stärkeres Wachs- tum des Nasenschlauches ein, und so bilden sich zwei Aus- sackungen desselben, zwischen denen der mittlere Teil der Hinterwand als Einwölbung, die wir den ersten Ethmo- turbinalwulst nennen wollen, stehen bleibt. Beide Aus- 574 M. VOIT, sackungen, von denen wir die mediale als Pars posterior sive ethmoturbinalis des Nasenschlauches, die laterale als Recessuslateralis bezeichnen können, gehören, ebenso wie der zwischen ihnen bestehende Wulst, dem über der Lamina terminalis, d. h. hinter der Apertura nasalis interna ‘= primi- tiven Choane) gelegenen Gebiete der Nasenhöhle an und’ be- stehen in ihrem dorsalen Gebiete aus dickem „Riechepithel“, im ventralen aus dünnem „respiratorischem Epithel“. Nun wächst der mediale Blindsack neben dem Septum weiter nach hinten aus und seiner caudalen Verlängerung ist offenbar im wesentlichen die Einbeziehung des Interorbitalseptums in die Nase zuzuschreiben. Während dieses Auswachsens wiederholt sich an ihm mehrmals ein ähnlicher Vorgang, wie er zur Bil- dung des ersten Ethmoturbinalwulstes geführt hat, d. h. er spaltet sich an seinem jeweiligen hinteren Ende in zwei, durch einen nach vorn ragenden Wulst geschiedene Abteilungen; die laterale Aussackung bleibt im Wachstum zurück, während die mediale sich weiter nach hinten verlängert und den gleichen Vorgang noch einmal, eventuell noch mehrere Male wieder- holt. Da die so entstandenen seitlichen Aussackungen aber verhältnismässig klein und schmal bleiben und sich nicht, wie der lateral vom ersten Ethmoturbinalwulst gelegene Recessus lateralis stark nach der Seite zu ausdehnen, so imponieren sie nicht, wie dieser, dem sie im Prinzip natürlich vollkommen gleichen, als eigene Räume der Nasenhöhle, sondern mehr als Teile des medial vom Ethmoturbinalwulst gelegenen Blind- sackes derselben, also der Pars posterior des Nasenschlauches. So entsteht, durch diese Aussackungen gewissermassen aus der Wandung herausgeschnitten, die Reihe der von der lateralen Wand der Pars posterior als vorn spitz zulaufende Wülste ins Lumen einragenden Ethmoturbinalia, die vom vorderen bis zum hinteren allmählich an Grösse abnehmen !). !) Von dem hier geschilderten Entwickelungsgang scheint bei einigen Säugern eine freilich nicht prinzipielle Abweichung insofern vorzukommen. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 575 Fragen wir uns nun, inwieweit der bisher geschilderte Entwickelungsmodus auf allgemeine Gültigkeit bei den Säugern Anspruch erheben kann, so müssen wir zunächst konstatieren, dass die beiden zuerst entstandenen, den ersten Ethmoturbinal- wulst zwischen sich fassenden Aussackungen des Nasen- schlauches, also der Recessus lateralis und die Pars posterior nasi im ganzen Säugerstamm durchaus konstant auftreten; nie fehlt demnach die Einragung des Ethmoturbinale I, nie die vor und lateral von ihm meist tief eingeschnittene und seitlich ausgebuchtete Höhlung. Die weitere Ausgestaltung der Pars posterior unterliegt dagegen recht beträchtlichen Schwankungen und darauf eben beruht die Kompliziertheit der in einer grossen Reihe von Arbeiten verschiedener Forscher behandelten Frage nach der speziellen Homologisierung der Ethmoturbinalia in der Säugetierreihe. Ich kann auf diese Frage hier natürlich nicht näher eingehen. Sie wird dadurch so verwickelt, dass nicht nur durch mehr oder minder weites, stets nach dem oben geschilderten Typus erfolgendes Auswachsen des Nasen- schlauches nach hinten die Zahl der Ethmoturbinalia variiert (z. B. bei Echidna bis auf 6—8 steigen kann), sondern dass die Ethmoturbinalia sekundär durch Spaltung und Aufteilung ihrer freien Ränder, resp. ihrer Flächen, eine reiche und schwer übersehbare Ausgestaltung erfahren können und dass drittens zwischen den typischen Ethmoturbinalia, die sich dann meistens durch Grösse und komplizierten Aufbau auszeichnen, noch weitere, weniger typische und meistens kleinere Vor- ragungen sich ausbilden können, die als „„Eetoturbinaha“‘ (Paulli) oder „Nebenmuscheln“ (Killian) bezeichnet werden. Dazu kommt noch, dass bei Reduktion des Geruchsorganes als hier der mediale Blindsack zunächst mit glatter Wandung sich weit nach hinten erstreckt und dann erst an seiner noch einheitlichen lateralen Wandung, die natürlich als mediale Fläche eines vorerst ungegliederten gemeinsamen Ethmoturbinalwulstes erscheint, die Ausbuchtuug der lateralen Säckchen und damit die Abgliederung der einzelnen Ethmoturbinalia erfolgt. So wird die Entwickelung von Seydel (1899) für Echidna angegeben. 576 M. VOIT, mikrosmatischer Säuger, wie der Primaten, eine verschieden grosse Anzahl der Ethmoturbinalia zum vollständigen Ver- schwinden gebracht werden kann. Beim Kaninchen bilden sich im ganzen, wie wir sahen, drei Ethmoturbinalia aus, deren. erstes in zwei mediale Riechwülste geschieden ist; es stellt das einen nach den Untersuchungen von Zuckerkandl (1887) und Seydel (1891) im Säugerstamm weit verbreitenen Typus dar. Auch der Recessus lateralis erfährt nun eine weitere und, wie wir gleich erwähnen wollen, durch die ganze Säugerreihe im Prinzip gleichbleibende Ausgestaltung. Sein oberer, im wesentlichen von Riechepithel und sein unterer, von in- differentem Epithel gebildeter Abschnitt wachsen zu gesonderten Säckchen aus, die schliesslich durch eine annähernd horizontal verlaufende Wulstung voneinander getrennt sind. Der obere Raum, der als Recessus lateralis superior oder Recessus fron- talis zu bezeichnen ist, ist, wie gesagt, mit Riechepithel aus- gekleidet und bildet so einen nicht unwesentlichen Teil der Pars olfactoria der Nasenhöhle. Auch darin liegt ein für die Säuger durchaus typisches Verhalten; denn bei vielen, viel- leicht bei allen Säugern lässt sich eine eigene, lateral-vordere Gruppe von Fila olfactoria nachweisen, die den Recessus fron- talis versorgt und deutlich von der zur Pars posterior der Nasenhöhle, zu den Ethmoturbinalia, ziehenden medial-hinteren Gruppe der Riechfäden getrennt ist, eine Tatsache, die sich auch noch beim menschlichen Embryo erkennen lässt und auf welche meines Wissens bisher noch gar nicht geachtet wurde. Auch der Recessus frontalis gliedert sich nun wieder in mehrere Einzelausbuchtungen, zwischen denen leistenförmige Vor- ragungen der Wandung stehen bleiben, welche wir als Conchae frontales (Killian) bezeichnen wollen (Conchae obtectae nach Peter). Diese letzteren unterscheiden sich an sich in ihrer morphologischen Wertigkeit natürlich nicht von den als Ethmo- Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3.) Tafel 45. a en LA B ra __Ala orbit. N, optie, Augenmusk. - - Alahypochiasm. (Gl. sphenopal. = ====-- Trig, II. Y za, === -- Palatinum ®) y v9 TA ; O Ze 27 ds palat. post. £ VEWIFEA N; 7 z - D we / i ‚ = er ie END I} wi ' 1 / = N 1 ! i ' l m? 1 1 L 3 I 1 ı ' j I I I Dust! nasophar. Us Fig. 16. N. trochlear. 2 . oeulomotor. ı Restknorpel e \ \ ZEN ß ] \ Comm. orbitopariet.— -— + Oh N REN IN N N o Ku N & Squamos. -—— — —— ‚o Lam. ase. alae temp. - . y. Gangl. semilun.- —— se 2 Hypophys. ? oA H_—-6-— - A, carot. int. Trig. II.-——-- : x a EN & > 7 eu N. abducens A, maxill. int. ie A ou ET —--———. Lam. trabeeul. Cartil. mandib. Zygomatie. = 7 7 | Duct. nasophar. \ Os N. parabasal. N. alveol. inf, Cartil, ' Parasphenoid Meckel Palatinum Fig. 17. Yoit. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Mr‘ Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 46. N. trochlear. ı Proe. alar. I N. oculomot. heil =... nn N. abducens =. iy I ” r Squamos. 1 8) N : 3 Lam. asc. alae tymp.- — -— I zZ Gangl. semilun = --$# -- = ; TAT &_ Hypophys. Cartil. mandib. sup. -- —— N 2 4 i N KENNEN E23, Zygomatie. — — zn \ Lam. pteryg---- erus lat. A. max int, — > N. mylohyoid. "777 Ös. { f Lam. trabeeul i Duct. nasophar. Parasphenoid N. parabasal. ı | Lam. | Cartil. pteryg. erus. med. Cart. mand. inf. Meck. Fig. 18. Parietale-— Comm. orbitopariet __ IE ae: Lam. ase. al.temp.--—— N I ee ee x Ggl. semilun. "7 Trig. III. ---—2 Gel. oticum- — N. abducens A. earot. int. UN. petros. sup. maj. | Tub. andit. Conm. alicochl. Fig. 19. Yo. . Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Cartil. mandib. sup san € Se N - ı i Cartil. Meckel - X IN un nö IR 2 D \“o“ ) P" [9) B It | % N AD) N) m 46 " “ | ' fe SE: INA Cartil. mandib. inf.---—— — ; A | | u De = Duct. nasophar. | | el Os. \ | | I | Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 577 turbinalia beschriebenen Gebilden; der ganze Unterschied be- steht darin, dass sie in der lateralen Blindbucht, dem Recessus lateralis, jene aber im medialen Blindsack, der Pars posterior der Nasenhöhle sich entwickelt haben. Auch diese Conchae fron- tales zeigen in der Säugerreihe eine grosse Konstanz; wir finden sie z. B. in genau derselben Zahl und Anordnung wie beim Kaninchen auch beim menschlichen Embryo wieder (Killian, 1895 u. 1896). Der Recessus frontalis oder eine der zwischen den Conchae frontales befindlichen Ausbuchtungen ist es, der bei manchen Säugetieren und beim Menschen später in Beziehung zu dem aussen anliegenden Os frontale tritt und durch Einwucherung in dasselbe zur Bildung eines Sinus fron- talis Anlass gibt. Der untere, von indifferentem Epithel ausgekleidete Raum des Recessus lateralis erfährt bei den verschiedenen Säuge- tieren eine mehr oder minder weitgehende Ausgestaltung; charakteristisch ist für ihn, dass seine Hauptmasse sich stets zu einem ziemlich glattwandigen, sackförmigen Hohlraum aus- weitet, der später, bei der Verknöcherung der Nasenregion, zu dem Os maxillare nahe Beziehungen gewinnt und demgemäss als Sinus maxillaris bezeichnet wird. In ähnlicher Weise, wie zwischen Recessus lateralis und Pars posterior nasi als eine nach vorn spornartig ins Lumen springende Einragung der erste Ethmoturbinalwulst entstanden ist, wird infolge der starken seitlichen und teilweise auch nach vorn gerichteten Ausbuchtung des Recessus lateralis an dessen vorderer Begrenzung gegen die Pars anterior nasi jene mit freiem concaven Rand nach rückwärts ins Lumen einspringende Leiste erzeugt, die wir als Crista semieircularis kennen gelernt haben. Da dieselbe den Teil der Pars anterior nasi nach hinten abschliesst, in welchem sich die Einragung des Nasoturbinale verliert, so erscheint sie gewissermassen als hintere Ver- längerung des letzteren; so wurde namentlich ihr oberer, den 578 M. VOIT, Recessus frontalis begrenzender Schenkel, dessen Skeletstütze auch häufig mit dem Nasoturbinale in Zusammenhang ver- knöchert, meist als hinterster Abschnitt desselben betrachtet. Erst Peter hat auf seine morphologische Selbständigkeit auf- merksam gemacht. Der untere Schenkel der Crista semicircu- laris, der den Eingang in den Sinus maxillaris von vorn um- grenzt, ist auch bei allen Säugern deutlich ausgeprägt; seine Skeletstütze stellt den bekannten Processus uncinatus dar, der sich in genau gleicher Weise wie beim Kaninchen z. B. auch beim Menschen nicht als an der Wandung haftende Knorpel- lamelle, sondern als freier, nur an den Enden fixierter Knorpel- stab anlegt. kKamıina erıbrosa. Wie oben erwähnt, liegen sowohl der Recessus lateralis als die Pars posterior nasi subcerebral; ihrer beider Dach wird von der Lamina cribrosa gebildet. An dieser konnten wir deut- lich zwei durch eine Crista intereribrosa getrennte : Gruppen von Foramina erkennen, und fanden, dass die lateral-vordere Gruppe Riechfäden für den Recessus frontalis, die medial-hintere solche für die eigentlichen Ethmoturbinalia passieren lässt. Die Durchsicht einer grossen Reihe von Säugetierschädeln aus der hiesigen vergleichend-anatomischen Sammlung ergab nun, dass es sich bei dieser Aufteilung der Foramina cribrosa in eine medial-hintere und lateral-vordere Gruppe um eine bei den Säugern weit, ja vielleicht allgemein verbreitete Erscheinung handelt. Angedeutet findet man dieselbe auch noch an manchen menschlichen Schädeln und jedenfalls konnte ich an einer Schnitt- serie durch den Kopf eines menschlichen Embryos, die Herr Prof. Fischer so liebenswürdig war, mir zur Verfügung zu stellen, nachweisen, dass auch hier noch die Conchae frontales Riechepithel tragen und von einer kleinen vorderen Gruppe von Riechfäden versorgt werden. Es dürfte sich wohl ver- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 579 lohnen, diese Verhältnisse in -der Säugerreihe eingehender zu untersuchen. Wie Gaupp in seiner Abhandlung über den Echidna- schädel näher auseinandersetzt, ist die Lamina cribrosa eine erst bei den Säugern auftretende Bildung und ist gar nicht in der Ebene der der ursprünglichen Schädelwand zugehörigen Fenestra olfactoria, sondern in einer tiefer, ausserhalb des primitiven Schädelraumes gelegenen und nur der Nasenkapsel angehörigen „Fenestra cribrosa“ entwickelt. Es wird dadurch, ähnlich wie in der Otical- und Orbitotemporalregion ein ur- sprünglich ausserhalb des Schädelcavums gelegenes Gebiet sekundär mit in dieses hereingezogen, ein Gebiet, das Gaupp als Recessus supracribrosus bezeichnet. Den Beweis für seine Ansicht erblickt Gaupp in dem Verlauf des N. ethmo- idalis, der beim Reptil durchaus ausserhalb des Cavum craniı aus der Orbita in die Nasenkapsel eindringt, während er beim Säuger durch die Fissura orbitonasalis aus der Orbita in den nunmehrigen Schädelraum, d. h. eben in den Recessus supra- cribrosus gelangt, auf der Lamina eribrosa nach vorn verläuft und erst durch ein Foramen cribroethmoidale in die Nasen- kapsel dringt. In ähnlicher Weise wie bei Echidna, nur etwas weniger deutlich, ist auch beim Kaninchen noch die unter die Ebene der Fenestra olfactoria vertiefte Lage der Lamina cri- brosa zu erkennen. Ihr vorderer Rand setzt, allerdings kaum merklich, unterhalb der mit der Commissura sphenoethmoidalis verbundenen hinteren Kante der Pars präcerebralis des Nasen- daches an; ihr hinterer Rand steht deutlich tiefer als der Vorder- rand der Ala orbitalis. Über der Lamina cribrosa läuft auch hier der N. ethmoidalis nach vorn; seine Lage dorsal von den lateralen Fila olfactoria, die von der medialen Seite her unter ihm lateralwärts ziehen, ist natürlich so zu verstehen, dass er, ursprünglich seitlich von allen Riechfäden gelegen, von den infolge der Ausweitung des Recessus lateralis nach der Seite 580 MSVORT, hinausgezogenen Fila dorsalwärts verschoben wurde. Im weiteren Verlaufe des N. ethmoidalis findet sich gegenüber dem Verhalten bei Echidna insofern eine Abweichung, als sein Hauptast, der Ramus lateralis, nicht direkt aus dem Recessus supracribrosus auf die Oberfläche der Nasenkapsel tritt, sondern mit durch das Foramen cribroethmoidale in die Nasenkapsel eindringt, allerdings um nach kürzestem Verlauf in derselben ' durch das Foramen epiphaniale wieder auf die Oberfläche der Nasenkapsel auszutreten. Präcerebraler Abschnitt der Nasenkapsel. Haben wir im hinteren Teile der Nasenkapsel vom Kanin- chen eine ungemein reiche Formgestaltung kennen gelernt, die in schroffem Gegensatz zu der Einfachheit der entsprechenden Region bei Lacerta steht und eben auf eine weitgehende Aus- gestaltung und Differenzierung des Antorbitalraumes der Saur- opsiden zurückzuführen ist, so finden wir, dass der vordere, prä- cerebrale Abschnitt der Nasenkapsel sich offenbar beim Über- gang zur Säugerstufe weit konservativer verhalten hat. Es lassen sich nicht nur die Hauptzüge, sondern eine grosse Menge von Einzelheiten dieser Region unmittelbar auf die bei den Sauropsiden vorliegenden Verhältnisse zurückführen. In manchen Beziehungen sind selbstverständlich auch hier, teils auf Ausgestaltungen, teils auf Reduktionen beruhende Um- änderungen zu konstatieren. Inceisura narına. Was zunächst den allervordersten Teil der Nasenkapsel beim Kaninchen anlangt, so ist hier eine ziemlich weitgehende Reduktion der Knorpelmassen gegenüber dem Zustande bei den Reptilien und auch bei anderen Säugern, wie Echidna und Talpa festzustellen. Ein eigentlicher vorderer Abschluss der Nasen- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 591 kapsel ist nicht gegeben oder nur angedeutet durch die als ganz kleines, dreieckiges Knorpelchen vom vorderen Rande des Tectum nasi herabhängende Cartilago cupularis. Eine Verbin- dung der Cartilago cupularis mit dem Vorderrande des Sep- tums, eine wie etwa bei Echidna oder Talpa neben dem Septum resp. als dem Rand des Septums angeschlossene Bodenpartie, bis zur Lamina transversalis anterior herablaufende Knorpel- lamelle ist nicht vorhanden; das Septum endet vielmehr vorn und unten mit vollkommen freiem, scharfem Rande. Natür- lich ist daher auch der bei Lacerta und Echidna die Fenestra narina von vorn umgreifende Processus alarıs inferior, der dort eben von jenem ans Septum angeschlossenen Knorpelstreifen ausgeht, beim Kaninchen nicht entwickelt. Ja die Reduktion jener Knorpelpartien geht beim Kaninchen soweit, dass die Lamina transversalis anterior ihre Verbindung mit dem Septum verloren hat und nur noch mit der vollkommen vom Septum losgelösten Cartilago paraseptalis im Zusammenhang steht, dass also eine geschlossene Zona anularis nicht mehr vorhanden ist. So kommt es, dass wir beim Kaninchen überhaupt nicht von einer allseitig begrenzten Fenestra narina sprechen können, sondern nur von einer Incisura narina, die sich nach hinten in die zwischen Cartilago paraseptalis und Septum befindliche Fissura paraseptalis direkt fortsetzt und sich ausserdem frei nach vorn, unten und lateral öffnet. Wenn wir uns nach der Ursache dieser starken Reduktion der Knorpelmassen, dieser Auflösung der bei den Reptilien mehr geschlossenen, vorderen Partie der Nasenkapsel in ein lockeres, beweglicheres Gerüstwerk fragen, so liegt es nahe, dieselbe mit der bei den Säugern, speziell auch beim Kanin- chen sehr ausgebildeten Beanspruchung des vorderen Nasen- endes als Spür- oder Witterungsorgan in Zusammenhang zu bringen. Die geschlossenere Form ist bei Echidna, wo ja auch noch embryonal ein Processus praenasalis des Prämaxillare in 582 M. VOIT, Erscheinung tritt, wohl als ein primitives Merkmal anzusehen; dass sie sich bei Talpa trotz der hier offenbar erfolgten aus- giebigen Verlängerung der Nase nach vorn erhalten hat, mag vielleicht mit der bei diesem Tiere gegebenen starken mechani- schen Beanspruchung der Nasenspitze beim Graben zusammen- hängen. Wo eine solche Beanspruchung fehlt, das vordere Nasenskelet nur in den Dienst der Spürfunktion tritt, scheint eine freiere Beweglichkeit, eine losere Gestaltung desselben nur von Vorteil zu sein. Bei den Primaten ist nach Fischers Beschreibung vom Semnopithecus- und Macacuscranium, sowie nach Hertwigs Modell vom menschlichen Primordialeranium die Reduktion noch weiter vorgeschritten, indem hier sogar die Lamina transversalis anterior vollkommen fehlt und so die Fenestra narina und Fenestra basalis zu einer einheitlichen. Fissura rostroventralis zusammenfliessen. Sehen wir von dieser namentlich die mediale Umgrenzung der Incisura narina betreffenden Knorpelreduktion ab, so bietet doch andererseits vor allem der laterale Rand dieser Incisur enge Anknüpfungspunkte an wohlbekannte primitive Verhält- nisse. In der Anwesenheit eines Processus alaris superior, der ein vorderes, für die Apertura nasalis externa, ein hinteres, für den Durchtritt des Ductus nasolacrimalis bestimmtes Gebiet der Incisura narina abgrenzt, erblicken wir eine Formgestaltung, wie sie nach Gaupp schon bei den Amphibien, im Prinzip auch bei den Reptilien vorliegt und sich in gleicher Weise bei Echidna wiederfindet; dass das gleiche Verhalten für viele Säuger gilt, geht z. B. aus den Ausführungen von Walzberg (1876) hervor, wo der Processus alaris sup. als Processus carti- lagineus anterior bezeichnet ist. Paries nasi. Maxillo- und Nasoturbinale. Recht wohl mit den Verhältnissen bei den Sauriern ver- gleichbar sind auch die Formen der Paries nasi im Gebiete Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 583 der Pars praecerebralis. Wir kommen hier auf die Frage der Homologie des Maxilloturbinale zu sprechen. Wir haben oben schon unsere Meinung dahin ausgesprochen, dass das- selbe im wesentlichen mit der Muschel der Saurier zu ver- gleichen ist. Wie diese stellt es eine Einragung der Seitenwand in dem Gebiete der Nasenhöhle dar, das vor der Lamina trans- versalis posterior, im Bereiche der primitiven Choane gelegen ist. Hier wie dort ist die Knorpelstütze der Muschel grossenteils durch den direkten Umschlagsrand der Paries nasi gebildet. Allerdings erstreckt sich das Maxilloturbinale weiter nach vorn als die Muschel von Lacerta und das war wohl ein hauptsäch- licher Grund dafür, dass Seydel (1899) es der Falte homolog erachtete, welche bei den Sauriern die Gaumenrinne nach oben begrenzt. In der Tat erscheint es mir wohl möglich, dass diese Homologisierung für vordere Teile des Maxilloturbinale zutrifft. Ich will darauf jedoch hier nicht näher eingehen, sondern be- halte mir eine genauere Behandlung dieser Frage für eine spätere Arbeit vor. Jedenfalls ist das eine sicher, dass jene vorderste, vor der Incisura maxilloatrioturbinalis gelegene Ein- rollung des Atrioturbinale, die als Umschlag des dorsalen Randes der Ineisura narina erscheint und mit dem hinteren Teile des Maxilloturbinale durch eine Schleimhautbrücke verbunden ist, mit der Sauriermuschel nichts zu tun hat, sondern eine neue Bildung darstellt. Sie wurde schon von Gaupp bei Echidna beschrieben. Sie verknöchert übrigens späterhin nicht mit dem Maxilloturbinale zusammen, sondern bleibt mit dem ganzen vor der Fenestra superior gelegenen Teil der Paries nasi dauernd knorpelig. Auch diese Bildung ist offenbar bei den Säugetieren weit verbreitet, wie aus den exakten Dar- stellungen dieser Region in der Arbeit von Walzberg her- vorgeht. Unter einem grossen Teile des Maxilloturbinale verlängert sich die Seitenwand der Paries nasi in Form der den unteren 584 M. VOIT, Nasengang teilweise von aussen deckenden Lamina infra- conchalis. Es wird dadurch die von Gaupp bei Lacerta und in gleicher Weise bei Echidna beschriebene Einziehung der Paries nasi unter der Muschel in ihrem hinteren Gebiete ausgeglichen; um so deutlicher kommt sie vorn, direkt hinter der Lamina transversalis anterior, wo die Lamina infraconchalıs fehlt, zum Ausdruck als die von uns sogenannte Incisura posttransversalis. Seitlich von der Lamina infraconchalis verläuft der Ductus nasolacrimalis nach vorn; im Gebiete der Incisura posttransversalis kommt er jedoch in direkte Nachbar- schaft mit dem epithelialen Nasensack, von dem er weiter vorn durch die Lamina transversalis anterior wieder geschieden wird; erst vor dieser tritt er ja dann durch die hintere Abteilung der Ineisura narina in die Nasenkapsel ein und mündet in den Schleimhautsack. Jene Stelle im Gebiete der Incisura post- transversalis, wo der Tränengang direkt neben den epithelialen Nasensack zu liegen kommt, ist nicht ohne Wichtigkeit. Denn Walzberg hat gezeigt, dass bei einer Reihe von Säugetieren (Hund, Schwein) an dieser Stelle der Tränengang eine sekundäre Verbindung mit der Nasenschleimhaut gewinnt; das ganze vordere Stück des Ganges kann verloren gehen und der Tränen- gang mündet dann hinter der Lamina transversalis anterior, direkt unterhalb des verknöchernden Anteils des Maxilloturbi- nale aus. Einen ähnlichen Vorgang beschrieb Grosser (1900) bei einer Fledermaus. Auch die Ausmündung des Tränen- ganges beim Menschen entspricht wohl eher dieser sekundären Mündungsstelle mancher Säuger, als der primären, etwa beim Kaninchen vorhandenen. Schliesslich erscheint es nicht un- wahrscheinlich, dass auch bei Lacerta, wo der Ductus naso- lacrimalis hinter der Lamina transversalis anterior in die Gaumenrinne einmündet, eine ähnliche sekundäre Verlagerung der Mündungsstelle vorliegt, um so mehr als bekanntlich bei Amphibien der Tränennasengang das für die Säuger ursprüng- Das Erimordialeranium des Kaninchens etc. 585 liche Verhalten aufweist, also vor der Lamina transversalis zur Ausmündung kommt. Das Nasoturbinale kommt am Knorpelcranium nur wenig zur Geltung; wohl ragt ein deutlicher Schleimhautwulst längs der Grenze zwischen Dach und Seitenwand ins Lumen der Nasenhöhle ein; aber demselben liegt eine nur leichte Einfaltung der Knorpelwand und eine dieser anliegende und nur stellenweise mit ihr verwachsene Knorpelleiste zugrunde. Die- selbe bildet sich später zu einer mit dem Nasale zusammen ver- knöchernden und einen taschenförmigen Hohlraum einschliessen- den Lamelle um, dem „Marsupium nasale‘ Krauses. Was die Homologisierung des Nasoturbinale anlangt, so glaube ich mich hier vollkommen der Ansicht von Peter und Beecker anschliessen zu können, die es mit der oberen Muschel oder dem „Riechwulst“ der Vögel vergleichen; seine Lage parallel oberhalb des Maxilloturbinale, seine ontogenetische Heraus- modellierung durch einfache rinnenförmige Auswölbungen der Seitenwand des Nasensackes, sprechen für diese Homologie. Dass es mit den Ethmoturbinalia gar nichts zu tun hat, die ja einen ganz anderen Entstehungsmodus aufweisen, ist klar. Auch dass seine hintere scheinbare Fortsetzung in einen zur Lamina cribrosa aufsteigenden und einen absteigenden Schenkel (Processus uncinatus) eben nur eine scheinbare ist, jene Ge- bilde vielmehr der durch den Recessus lateralis hervorgerufenen Crista semicircularis angehören, geht aus unseren obigen Aus führungen deutlich hervor. Die ebenfalls noch der Paries nasi angehörige Fenestra superior stimmt in ihrer Lage ziemlich genau mit der gleich- namigen Öffnung bei Lacerta überein und dürfte wohl mit dieser zu homologisieren sein; die Übereinstimmung erstreckt sich auch darauf, dass der Ausführungsgang der seitlichen Nasendrüse direkt innerhalb von ihr aus der Nasenschleim- haut entspringt; allerdings verlässt dann dieser Gang nicht Anatomische Hefte. J. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 38 586 M. VOIT, wie beim Reptil durch die Öffnung die Nasenkapsel, da bekannt- lich bei Säugetieren die Stensonsche Drüse sich durchaus innerhalb der Nasenkapsel ausbildet; der Gang zieht vielmehr dicht innerhalb der Fenestra superior nach hinten, um, wie wir gesehen haben, im Gebiete des Recessus glandularis sich zu verzweigen, seinen Drüsenkörper zu bilden. Auch die wenigstens teilweise Deckung durch das Nasale hat die Öffnung mit der bei Lacerta gemein. Die Bedeutung der Fenestra beruht viel- leicht darin, dass sie das Gebiet, welches im Verlaufe der weiteren Entwickelung der Verknöcherung anheimfällt, von dem vorderen, knorpelig bleibenden Gebiete frühzeitig sondert. Sol um ması. Werfen wir zuletzt noch einen kritischen Blick auf den durch die Lamina transversalis anterior und posterior, sowie die Cartilago paraseptalis dargestellten Boden der Nasenkapsel. Die Lamina transversalis anterior ist, wie wir sahen, medialwärts nicht mit dem Septum, sondern nur mit der Cartilago paraseptalis vereinigt; es hängt das offenbar mit dem Fehlen jener Knorpellamelle zusammen, die bei Lacerta von der Cartilago cupularis aus dem vordersten Teil des Septum- randes angeschlossen ist, da sich dort eigentlich nur mit dieser die Lamina transversalis anterior verbindet. Infolge einer ım Verhältnis zur Höhenausdehnung enormen Schmalheit des vorderen Teiles der Nasenkapsel, die wohl auf die Anlagerung der die grossen Nagezähne tragenden mächtigen Ossa incisiva zurückzuführen ist, sowie der auffallenden Kürze der lateralen, im Vergleich zur septalen Wand in diesem vordersten Ab- schnitt, ist die Lamina transversalis anterior zu einem ziemlich steil medialwärts absteigenden Verlauf gezwungen und so kommt es, dass sie bei seitlicher Betrachtung des Modells fast als ein Bestandteil der lateralen Wandung der Nasenkapsel imponiert. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 587 Die Lamina transversalis posterior ist beim Kaninchen verhältnismässig sehr lang, entsprechend der starken Ausbildung der subcerebralen Nasenregion. Bei Lacerta fehlt sie so gut wie vollständig, während sie wohl bei den meisten Säugern deutlich vorhanden ist; bei den Primaten allerdings ist sie wieder sekundär reduziert und mangelt dem mensch- lichen Primordialeranium ganz. Sie hängt beim Kaninchen nicht mit dem Septum zusammen, wie etwa bei Talpa oder Echidna, sondern nur mit der Cartilago paraseptalis, ein für die Säuger als primitiv anzusehendes Verhalten, auf dessen Bedeutung für die Ausdehnung der Nasenkapsel nach hinten wir oben schon hingewiesen haben. Auch die Cartilago paraseptalis weist beim Kanin- chen eine recht vollständige Ausbildung auf. Wie bei Lacerta und unter den Säugern bei Halmaturus (nach Seydel) dehnt sie sich von der Lamina transversalis anterior bis zur Lamina transversalis posterior aus, allerdings nicht in gleichmässiger Stärke, sondern während einer kurzen hinteren Strecke nur als schmaler, der lateralen Vomerplatte eng angeschmiegter Knorpelstreif entwickelt. Die Annahme Gaupps, dass die voll- kommene Reduktion der hinteren Hälfte der Cartilago para- septalis, wie sie sich z. B. bei Echidna findet, mit der dort erfolgten Fixation der hinteren Nasenkuppel ın Zusammenhang zu bringen sei, steht in gutem Einklang damit, dass beim Kaninchen freie hintere Kuppel und vollständige Cartilago para- septalis sich kombinieren. Aber auch die bedeutende Länge des hochentwickelten Jakobsonschen Organes, für welches der vordere Teil des Paraseptalknorpels eine rinnen-, ja sogar teilweise röhrenförmige Hülle bildet, mag mit an der Voll- ständigkeit desselben schuld sein. Endlich ist noch die merkwürdige Cartilago naso- palatina zu besprechen, die in Serie I nur in ganz spär- licher und erst teilweise vorknorpeliger Anlage vorhanden, in 38* 585 M. VOIT, Serie III zu einem kräftigen Knorpel entwickelt ist und im ausgebildeten Zustand schliesslich als eine lange, schlanke Knorpelrinne die untere Kante des Nasensackes im ganzen (rebiete des langgestreckten Foramen incisivum, von der oralen Mündung des Ductus nasopalatinus an bis zum vorderen Rand des harten Gaumens von medial-unten her umfasst. Es handelt sich hier also um eine ontogenetisch ziemlich spät in Erschei- nung tretende knorpelige Bildung, welche vollständig im Ge- biete des sekundären Gaumens gelegen ist und nirgends mit dem übrigen Primordialeranıum in homokontinuierlichem Zu- sammenhange steht. Wenn wir uns nach irgend einer bei anderen Säugern beschriebenen Bildung umsehen, die mit ıhr zu homologisieren wäre, so drängt sich uns wohl der Ver- gleich mit dem von Gaupp bei Echidna beschriebenen Pro- cessus palatinus auf. Auch dieser tritt als zunächst paarige Bildung im sekundären Gaumen, jm hinteren Anschluss an den Ductus nasopalatinus auf. Allerdings gewinnt späterhin der Processus palatinus von Echidna in zweierlei Hinsicht eine andere Ausgestaltung; einerseits trıtt er nämlich am lateralen Umfang des Ductus nasopalatinus vorbei nach vorn und oben mit dem Hinterrand der Lamina transversalis anterior in Ver- bindung; andererseits erfolgt in späteren Stadien eine Ver- schmelzung der beiderseitigen Processus palatini in der Mittel- linie, so dass dadurch eine breite einheitliche, in den sekun- dären Gaumen eingelagerte Lamina palatina erzeugt wird. Nun kommt ein Knorpel des Ductus nasopalatinus in ähn- licher Weise wie beim Kaninchen offenbar auch bei vielen anderen Säugern vor; so hat Spurgat (1896) in leider recht unklarer und durch keine Abbildungen gestützter Darstellung einen solchen (als „Cartilago basalıs lateralis“) bei Pferd, Schwein, Schaf beschrieben, und zwar bei diesen Tieren als mit der Lamina transversalis anterior (dort „Processus septi cartilaginei lateralis ventralis“ genannt) im Zusammenhange Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 589 stehend; beim Rind und Hasen wird er als mit dem übrigen Knorpeleranium nicht zusammenhängend bezeichnet, bei Hund, Igel, Nasenbär, Fischotter und bei den Primaten vollständig vermisst. Ich vermute, dass in den Fällen, in welchen Spurgat den Knorpel im Zusammenhange mit der Lamina transversalis anterior fand, diese Verbindung in gleicher Weise erzielt wurde, wie die des Processus palatinus von Echidna. Dass eine solche Verbindung beim Kaninchen nicht erzielt wird, kann vielleicht mit der starken und frühzeitigen Ausbildung des die Nage- zahnalveole tragenden Körpers des Os incisivum im Zusammen- hang stehen, das, unter der Lamina transversalis anterior ge- legen, eventuell direkt ein mechanisches Hindernis für diese Vereinigung darstellt. Aber auch die mediane Verschmelzung der beiden Pro- cessus palatinı zur einheitlichen Palatinplatte bei Echidna findet eine Parallele bei einer Cartilago nasopalatina. Bei Grosser (1902) finde ich nämlich die Bemerkung, dass bei der Fleder- maus Vesperugo noctula die beiderseitigen „‚Cartilagines posteriores laterales‘ in geringer Entfernung caudal vom Ductus incisivus horizontale Lage einnehmen, sich beträchtlich ver- breitern und in der Mittellinie miteinander verschmelzen. Nach all dem scheint es mir ohne Zweifel, dass die Carti- lago nasopalatina des Kaninchens und anderer höherer Säuger dem Processus palatinus von Echidna durchaus entspricht. Nun hat Gaupp darauf hingewiesen, dass der Processus palatinus von Echidna einem schon bei Lacerta vorhandenen Fortsatze der Lamina transversalis anterior zu vergleichen ist, len er dort als Cartilago ectochoanalis beschrieben hat. Selbstverständlich kann jedoch diese Homologie nur für den vorderen, den An- schluss an die Lamina transversalis anterior vermittelnden Teil des Knorpels gültig sein; die hinteren im sekundären Gaumen gelegenen Partien sind, wie dieser selbst, als im Säugerstamm aufgetretene Neuerwerbung oder wenigstens Ausgestaltung an- zusehen. 590 MM MOLL 5. Primordiales Visceralskelet. Nur ganz wenige Worte sind über das primordiale Vis- ceralskelet zu sagen, zu dem der Meckelsche Knorpel (in- klusive seines oberen, später zum Malleus werdenden Endes), der Incus und Stapes, der Reichertsche Knorpel und das Zungenbein zu rechnen sind. Denn es entsprechen diese Ge- bilde absolut den von anderen Säugern her bekannten Form- verhältnissen. Auf die von H. Fuchs (1905) gerade beim Kaninchen neu aufgerollte „Gehörknöchelchenfrage“, d. h. die Frage nach der Homologie von Hammer und Amboss mit Articulare und Quadratum, resp. nach der Homologie oder Nichthomologie des Kiefergelenkes in der Wirbeltierreihe, konnte ich mich hier natürlich nicht einlassen, da die zur Bearbeitung gelangten Stadien für die Entscheidung dieser Frage, resp. für eine Nach- prüfung der Fuchsschen Befunde weitaus zu alt sind. Da mich jedoch die Fuchsschen Ausführungen durchaus nicht von der Unrichtigkeit der alten, auf Reichert zurückgehenden Lehre überzeugen konnten, so behalte ich selbstverständlich die alten Bezeichnungen bei und rechne z. B. den späteren Hammer mit zum Meckelschen Knorpel. Von Einzelheiten sei hier nur hervorgehoben, dass die knorpelige Hammeranlage und der spangenförmige Teil des Meckelschen Knorpels absolut homokontinuierlich ineinander übergehen. Dass die vordersten Enden der beiden Meckel- schen Knorpel zu einer einheitlichen Spange verschmolzen sind, ist eine von anderen Säugern schon bekannte Erscheinung, ebenso dass ein mittleres Stück des Knorpels im Anschlusse an die Mandibula zur Verknöcherung gelangt, in die Substanz des Unterkiefers mit aufgenommen wird. Vom Incus ist nur zu erwähnen, dass er, ebenso wie der Hammer, im Knorpel- stadium eine verhältnismässig beträchtliche Grösse aufweist; gerade diese wurde bekanntlich von mehreren Forschern als ein Hinweis auf die phylogenetische Abstammung von den grossen Skeletteilen Quadratum und Articulare aufgefasst. Der Stapes ist in typischer Weise ausgebildet; es mag hervor- gehoben werden, dass er im verhältnismässig späten Stadium der Serie I noch von einer Arteria stapedia durchbohrt wird. Etwas ausführlicher müssen wir nun noch auf den Knorpel des Hyalbogens, den Reichertschen Knorpel, eingehen. Sein oberes Ende ist in der schon mehrfach beschriebenen Weise mit der Crista parotica homokontinuierlich verbunden; wie diese Verbindung, die natürlich eine sekundäre ist, zustande kommt, ob speziell ein eigenes knorpeliges Zwischenstück, ein Intercalare, dabei zur Entwickelung gelangt, ist nur an jüngeren Entwickelungsstadien zu verfolgen. Wichtig ist die Konsta- tierung der Lagebeziehung des Hyalknorpels zum Facialis, namentlich für die Entscheidung über das Zustandekommen der von Howes (1896) seinerzeit hervorgehobenen post- trematischen Lage des „Processus styloideus“ beim Kaninchen. Die Anheftung des Knorpels an der medialen Seite der Crista parotica bewirkt die Entstehung eines beinahe vollständig ge- schlossenen, vom Facialis durchzogenen Kanales, dessen Vorder- wand eben durch den Hyalknorpel gebildet wird. Bekanntlich ist bei manchen Säugern eine Beteiligung des Hyalbogens, speziell nach der Verknöcherung des Tympanohyale an der Bildung des Facialiskanales beschrieben; eine solche ist auch hier schon angedeutet. Aus diesem Halbkanal tritt nun der Facialis durch das Foramen stylomastoideum (primitivum) aus, das durch die seitliche Anlagerung des Processus mastoideus an den Hyalknorpel zustande kommt. Der Reichertsche Knorpel als solcher verhält sich also durchaus prätrematisch und steht damit in Übereinstimmung mit dem Zustande bei allen anderen Säugern. Im weiteren Verlaufe kommt dann der Hyalknorpel in nahe nachbarliche Beziehung zur Spitze des 592 M. VOIT, Processus paracondyloideus und ist mit derselben durch sehnige Züge der von diesem Fortsatz entspringenden Muskeln (Mm. mandibularis und stylohyoideus) verbunden; er wendet sich dann noch eine Strecke weit unter der Ohrkapsel cranio-medial- wärts und hört dann mit freier Spitze auf, ist also nicht mehr bis zum kleinen Horn des Zungenbeines zu verfolgen. Nun verknöchert später offenbar nur das Stück des Hyalbogens vom Processus paracondyloideus an, als Stylohyale; es ist dann durch jene sehnigen Züge an die Spitze dieses Fortsatzes an- geheftet,; ein knöchernes Tympanohyale kommt nicht zur Aus- bildung; ob das obere Stück noch als Knorpel erhalten bleibt oder vollständig zugrunde geht, müsste noch genauer unter- sucht werden. Da nun das Stylohale, der „Processus styloideus“, vom Processus paracondyloideus zu entspringen scheint, liegt er anscheinend in posttrematischer Situation. Dass damit jedoch keinerlei prinzipielle Verschiedenheit der Lage des ganzen Hyal- bogens zum Facialis gegeben ist, geht aus den obigen Aus- führungen deutlich hervor. Das Zungenbein zeigt durchaus die von anderen Säugern her bekannten Verhältnisse. 6 Derkknachen Nur wenige allgemeine Bemerkungen sind auch über die Deckknochen anzufügen, deren hauptsächliche Formeigentüm- lichkeiten oben bereits geschildert wurden. Das Interparietale entsteht paarig. Zwischen dem hinteren Rand der beiden Interparietalia und dem oberen des als Supraoceipitale verknöchernden Tectum posterius bleibt im modellierten Stadium noch eine grosse dreieckige Lücke. Diese wird offenbar erst später durch einen mit dem Ocecipitale sich vereinigenden Knochen ausgefüllt, der wohl nicht als Deck- knochen, sondern als Ossifikation eines unverknorpelt ge- bliebenen Anteils des Primordialeraniums aufzufassen ist. Das Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). N. trochl. Comm. orbitopariet._-— # Parietale_ 2 7 S FEN TEE Squamos.--- = Cart. mandib. sup. —— Gel. otieum = | | nl .t A. carot. int. Ubergang d. Plan supracochl. | j | | | | ) Cartil. mandib. inf, A. maxill. int. Fig. 20. Comm. orbitopariet.-----— 7 Fir AR Vz 3 ° Tegmen tymp.---—- N 2 BE Malleus--+- 2 - Tympanie.--- ++ Chorda tymp.- Hr M. tensor tymp-- er ss. u Meat. audit. ext.___ I _ Cav. tympan.“---- Sept. spirale Sympanie no Hyale..----------—- o- u \ ı ı Tafel 47. N. oeul. 1 | I ı | | ] | | I | | | Restknorpel b. I N, abducens — Chorda dors. j | | Duet. nasophar. N in d. Comm. alieochl. ee Restknorpel a no — —-- — 2 - Ggl. semilun. sek een Gl. geniculi. Ggl. nodos. vagi ; A. earot. int. A. carot. ext. Fig. 21. Voit. Verlag von J. F. Bergmaun in Wiesbaden. Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 48. Tegmen tymp.” I 3000 ' Malleus--$ Ineus = Apert.tymp.can.fac. Meat. audit. ext. Fibroeart. aurie. == = Chorda tymp. Cav. tymp. E z Ti 2 1 Stapes” y Ä ı I | N | / | 1 Seala tymp. X | ' 1 Ggl. spirale J Er | ; Duet. cochl. nn | Seala vestib. l N. tympanie. Fig. 22. Parietale- = ME N / f / 7) 2 An } Lam. parietal.------ / ae en: Can. semieire. ant. 77 & i E— - Utrieulus Inus - I 7 | - Fibroecartil. aurie.- — A' N, \ - Me ____Sacculus Meat. audit. ext.-- T \ A-Se— -- - N. amp. post. Sehne d. M. staped = 77 A I --3eala vestibuli N. facialis--Fgr EP’; u - Gangl. spirale Need Pproc \--- -— -Saece. perilymph. mast. \ Sur IN. vagus P2 Duct. eochl. -<“ — =" "Pila oceip. Promont.“ Epithel d. Cav.tymp.”“ N. hypogloss. N. glossophar. Scala tymp. h Proe. intraperilymph. : Vena jugular. int. | | I 1 1 ı Proe. paracond. Fig. 23. Voit, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden, Das Primordialecranıum des Kaninchens etc. 53 Interparietale bleibt beim Kaninchen zeitlebens selbständig, während es nach Krause beim Feldhasen mit dem Oceipitale verwächst. Das Parietale liegt der Parietalplatte und der Commis- sura orbitoparietalis als Deckknochen auf, die später beide unter seinem Einflusse der Resorption verfallen. Vom Frontale ist zu bemerken, dass es mit seiner orbi- talen Fläche der Aussenseite eines grossen Teiles der Ala orbi- talis anliegt; soweit dies der Fall ist, wird die letztere später unter ihm resorbiert; nur der hintere Teil der knorpeligen Ala orbitalis wird also durch Ersatzverknöcherung zum Orbital- flügel („Ala parva“) des Os sphenoideum anterius. Auch der vom vordersten Teile des Stirnbeins überlagerte Abschnitt der Nasenkapsel erliegt späterhin der Resorption, so dass dann der Hohlraum des „Recessus frontalis‘“ grossenteils direkt vom Stirnbein gedeckt wird. Ein Einwuchern des Hohl- raumes in das Stirnbein selbst als ‚Sinus frontalis‘“ ist jedoch beim Kaninchen nicht zu konstatieren. Das Squamosum bildet einen Deckknochen am lateralen Umfange der Ohrkapsel und der Commissura orbitoparietalis. Bemerkensweert ist, dass der neben der Ohrkapsel gelegene An- teil, der nach Ga upp entschieden als der phylogenetisch primi- tivere anzusehen ist, nur mehr ganz gering entwickelt ist und so eigentlich nur als Fortsatz des viel mächtigeren vorderen Abschnittes imponiert. Jener hat eben neben der massigen und geschlossen verknöchernden Ohrkapsel keine grosse Be- deutung, während dieser beim Säugetier zu fortschreitender Entwickelung gelangt, da er wichtige neue Aufgaben zu über- nehmen hat. Er wird nicht nur infolge der mehrfach geschil- derten Ausweitung des Schädelraumes mit zur Begrenzung der Schädelhöhle herangezogen, sondern gewinnt ausserdem durch seinen Processus zygomaticus Anteil an der Bildung des Joch- bogens und wird durch die Anlagerung des Dentale zum Träger des Kiefergelenkes; das sind alles Aufgaben, die eine beträcht- 594 M. VOIT, liche mechanische Festigkeit beanspruchen und also sehr wohl die unverhältnismässig mächtigere Entwickelung des vor der Ohrkapsel gelegenen Teiles des Squamosums erklären. Das Squamosum bleibt beim Kaninchen zeitlebens als iso- lierter, nicht mit dem Petrosum verwachsender Knochen er- halten. Als Parasphenoid haben wir den unter dem Processus alaris gelegenen Deckknochen bezeichnet, der späterhin als „mediale Lamelle des Flügelfortsatzes“ des Os sphenoideum posterius erscheint. Wir folgen damit der von Gaupp auf- gestellten und eingehend begründeten Theorie, dass dieser Knochen, nicht wie man bisher annahm mit dem Pterygoid, sondern mit dem seitlichen Teile des grossen unpaaren Para- basale der niederen Vertebraten zu homologisieren sei. Wir wollen auf die Begründung dieser Theorie hier nicht näher eingehen, sondern verweisen bezüglich derselben auf die Arbeiten von Gaupp (1905a und 1908). Der N. parabasalis (= Vidianus) verläuft wie bei der Mehr- zahl der Säuger dorsal vom Parasphenoid, zwischen ihm und dem Processus alarıs, so dass dadurch am definitiven knöchernen Schädel ein Canalis parabasalis entsteht. Hervorzuheben ist der ausgedehnte Knorpelkern, der sich im unteren-hinteren, im wesentlichen zum Hamulus pterygo- ideus werdenden, Abschnitte des Knochens findet und auch bei anderen placentalen Säugern schon mehrfach (durch Wincza 1896, Fischer 1901 u. 1903, Fawcett 1905) be- schrieben wurde. Es ist dieser Knorpel, der bei Echidna fehlt, nach Gaupp in gleicher Weise als sekundäre Bildung auf- zufassen, wie die Knorpel in der Mandibula, im Processus zygomaticus des Maxillare usw. Das Parasphenoid verwächst frühzeitig mit dem Processus pterygoideus (Lamina externa des Flügelfortsatzes); es kommt das schon im Stadium I in der engen Anlagerung des oberen Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 595 Randes des Parasphenoid an den knorpeligen Processus ptery- goideus zum Ausdruck. Am Palatinum ist bemerkenswert die ungemein be- deutende Längenausdehnung der Pars perpendicularis gegenüber der extremen Kürze der Pars horizontalis. Jene steht im Zu- sammenhang damit, dass die ganze vordere Orbitotemporal- region, wohl infolge der recht grossen Augen, sehr in die Länge gestreckt ist, was ja auch am Primordialeranium in der An- wesenheit eines noch freien Interorbitalseptums zum Ausdruck kommt. Es wird dadurch, sowie durch die geringe Entwicke- lung des Oberkieferkörpers, erzielt, dass von einer eigentlichen Fossa pterygopalatina nicht die Rede sein kann, vielmehr auch am definitiven knöchernen Schädel die Fläche des Palatınum, der das langgestreckte Ganglion sphenopalatinum anliegt, bei lateraler Ansicht auf lange Strecke offen vorliegt. Die Kürze der Horizontalplatte hat eine beträchtliche Längenausdehnung des weichen Gaumens zur Folge; im (Gebiete des letzteren wird die mediale Fläche der Pars perpendicularis durch eine, an den Hinterrand der Horizontalplatte sich anschliessende flache Leiste in einen oberen, gegen den Ductus nasopharyngeus und einen unteren, gegen das Cavum oris sehenden Abschnitt geschieden. Der Vomer ist ein zwar unpaarer Knochen, der aber ın vordere und hintere paarige Fortsätze ausläuft; ob seine erste Anlage paarig ist, müsste an jüngeren Stadien festgestellt werden. Gaupp hat eine solche paarige Anlage des Vomer bei Echidna und Mus musculus konstatiert und darin wohl mit Recht einen Hinweis auf die Homologie mit den paarigen Vomeres der Nichtsäuger erblickt, im Gegensatz zu Broom (1895), der den Vomer der Säugetiere auf den vorderen Längs- schenkel des Parabasale der niederen Wirbeltiere zurückführen will. Gaupp betrachtet also die Seitenplatten, die Alae vomeris, als die primitiven Bildungen, durch deren mediane Ver- 596 M. VOIT, schmelzung erst die Mittelplatte erzeugt worden sei; die ur- sprüngliche Anlagerungsstelle für die Alae vomeris ist dabei nicht am Nasenseptum, sondern an den Cartilagines paraseptales zu suchen. Damit stehen sehr wohl im Einklang die engen Beziehungen, die auch beim Kaninchen die Seitenplatten des Vomer zu den Paraseptalknorpeln aufweisen. Allerdings liegen sie nicht mehr deren oraler Fläche auf, sondern haben sich auf ihre mediale Seite emporgeschoben und damit auch Be- ziehung zum Septum gewonnen. Es kann also wohl nicht der bei vielen Säugern eingetretene partielle Schwund der Para- septalknorpel, wie @a up p meint, vielleicht aber doch «lie völlige Loslösung dieser Knorpel vom Septum schuld daran sein, dass der Vomer am Septum und an seinem eigenen Partner eine Stütze suchen musste. Eine bis zum Anschluss an die Gaumenplatten des Pala- tinum und Maxillare reichende, die Nasenhöhlen, resp. Nasen- rachengänge scheidende ventrale Verlängerung der Vomermittel- platte, die sich bei den meisten Säugern findet, ist beim Kanin- chen nicht vorhanden. Als Incisivum haben wir den die Alveole der oberen Nagezähne tragenden Knochen bezeichnet, der früher wohl meist Prämaxillare genannt wurde. Gaupp hat bekanntlich nach- gewiesen, dass bei Echidna das Os incisivum aus zwei onto- genetisch getrennt entstehenden Teilen sich zusammensetzt, von denen der eine dem Prämaxillare, der andere dem Septo- maxillare der niederen Vertebraten zu vergleichen ist. Der dem Septomaxillare entsprechende Anteil stellt bei Echidna nach der Verwachsung den an der lateralen Seite der Nasenkapsel hinter der Fenestra narina aufsteigenden Processus extranasalis dar und Gaupp folgert, dass wohl bei allen Säugern, wo ein solcher Processus extranasalis des Incisivums entwickelt ist, dieser ein mit dem ursprünglichen Prämaxillare verwachsenes Septomaxillare darstellt. Beim Kaninchen steigt nun deutlich Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 597 ein solcher extranasaler Fortsatz des Incisivums an der Paries nasi empor und verlängert sich in den späterhin bis zum Fron- tale reichenden Processus frontalis. Wir werden also wohl auch hier das Incisivum mit der Summe von Prämaxillare und Septomaxillare niederer Vertebraten vergleichen dürfen. Ob ontogenetisch noch eine getrennte Anlage der beiden Bestand- teile sich nachweisen lässt, oder nur mehr eine einheitliche Anlage auftritt (in welch letzterem Falle es sich also um eine „Fusion primordiale‘“ nach Duges handeln würde), kann nur an jüngeren als den unserer Untersuchung zugrunde liegenden Stadien festgestellt werden. Das Incisivum des Kaninchens weist dank der enormen Grösse der Alveole für den vorderen Nagezahn eine recht be- trächtliche Längenausdehnung auf; dieselbe betrifft auch den Processus palatinus lateralis und medialis, welch letzterer als eine wohl ausgebildete Knochenrinne die Cartilago paraseptalis bis weit nach hinten umhüllt. Da zudem der Vorderrand der Palatinplatte des Maxillare ziemlich weit nach hinten verschoben ist, so kommt es, dass am knöchernen Schädel ein ungemein langes, schmales „Foramen incisivum‘ besteht, das nicht nur, wie bei anderen Säugern, das Gebiet der Mündung des Ductus nasopalatinus umfasst, sondern so ziemlich das ganze Gebiet der primitiven Choane; selbstverständlich ist es, mit Ausnahme eben der Mündungen der Ductus nasopalatini, durch die weichen Gewebe des sekundären Gaumens abgeschlossen, in denen ausserdem die oben ausführlich besprochene Cartilago naso- palatina enthalten ist. Das Maxillare zeigt im Prinzip die gewöhnliche Gliederung in Körper, Processus frontalis, zygomaticus, pala- tinus und alveolaris. Der Körper ist wenig ausgeprägt und bleibt auch späterhin klein ; eine wie etwa beim Menschen über der ganzen Ausdehnung des Processus alveolaris sich auswölbende Körperpartie kommt nicht zur Ausbildung; denn 598 M. VOIT, ein Einwuchern des Recessus lateralis inferior /s. maxillaris) des Nasensackes über das Gebiet der knorpeligen Nasenkapsel hinaus in den Knochen hinein findet beim Kaninchen nicht statt. Wie weit unter dem Maxillare die knorpelige Paries nasi zum Schwunde gebracht wird, wie weit sie eventuell noch in Resten erhalten bleibt, müsste wohl erst noch genauer unter- sucht werden. Der im embryonalen Stadium zwischen Maxil- lare und Nasenkapsel verlaufende Tränennasengang ist im defini- tiven Zustande auch auf seiner medialen Seite von einer mit dem Maxillare zusammenhängenden und wohl von ihm aus- gehenden Knochenscheide umhüllt. Im Gebiete des dem vorderen Teile der Paries nası an- liegenden Processus frontalis erfährt der Knochen späterhin eine weitgehende Resorption, eine Auflösung in ein lockeres, spongiöses Gerüstwerk. Der vordere obere Rand des Processus frontalis, der im modellierten Stadium noch dem lateralen Rand des Nasale gegenübersteht, wird später von diesem durch den lang auswachsenden Processus frontalis des Incisivum getrennt. Der Processus palatinus des Maxillare ist beim Kaninchen auffallend kurz und erst unter der Lamina transversalis posterior, also hinter dem Gebiete der primitiven Choane ge-. legen; es trägt dieser Umstand wesentlich zu der enormen Länge des Foramen incisivum bei. Der Processus palatinus bildet mit seiner oberen, infolge der Vorragungen der Alveolen stark gewellten Fläche einen recht wenig ausgedehnten Orbitalboden. Die von ıhm, d. h. vom medialen Rand des Sulcus infraorbitalis aus an der Paries nasi sich erhebende Knochenlamelle, die auf Fig. 4 mit * be- zeichnet ist, wächst später zu einem bis an den Unterrand. des Frontale reichenden Fortsatz aus (dem Processus spheno- orbitalis Krauses), der sich zwischen das Lacrimale und die weit nach vorn vorgerückte Ala hypochiasmatica (,Pro- cessus ethmoidalis des Os sphenoideum“ nach Krause) ein- schiebt. Das Primordialeranium des Kaninchens ete. 599 Der Processus zygomaticus tritt frühzeitig in knöcherne Ver- bindung mit dem Os zygomaticum. Das Lacrimale ist im modellierten Stadium erst als ganz kleine Knochenplatte an der Grenze zwischen facialer und orbi- taler Fläche der Paries nasi aufgelagert. Es gewinnt später ziemlich ansehnliche Grösse und kompliziertere Formgestaltung. Es erstreckt sich dann nach vorn, an der medialen Seite des Maxillare und bildet so die mediale Wand des Anfangsteiles des knöchernen Tränennasenganges; andererseits dehnt es sich weit nach hinten über die orbitale Fläche der Paries nası aus und bildet so einen grossen Teil der vorderen Orbitalwand. Vom Zygomaticum ist nur hervorzuheben, dass es ungemein frühzeitig mit dem Processus zygomaticus des Maxil- lare verknöchert. Es lässt das vielleicht die Vermutung ge- rechtfertigt erscheinen, dass bei Echidna, wo nach Gaupp ein isoliertes Zygomaticum nicht zur Entwickelung kommt, da- für aber der Processus zygomaticus des Maxillare eine unge- wöhnliche Länge besitzt und bis zum Jochfortsatz des Squa- mosum reicht, in diesem Processus zygomaticus ossis maxil- laris auch das Zygomaticum anderer Säuger enthalten ist, dass es sich also dort um eine Fusion primordiale nach Duges handelt. Das Tympanicum liegt mit seinem oberen Ende nahe dem lateral-unteren Umfange des Meckelschen Knorpels an und macht hier durchaus den Eindruck eines Deckknochens desselben. Als solchen fasst ihn auch van Kampen (1905) und neuerdings Gaupp (1908) auf; ich schliesse mich dieser Ansicht vollkommen an. Auf die Frage, welchem der bei Rep- tilien vorhandenen Deckknochen am oberen Ende des Meckel- schen Knorpels es im speziellen entspricht (Angulare oder Supra- angulare), können wir hier allerdings nicht eingehen; ihre Be- antwortung würde eingehende spezielle Untersuchungen er- fordern. 600 M. VOIT, Das Tympanicum stellt in dem am Modell zur Darstellung gebrachten Stadium erst einen einfachen, die Anlage des Trommelfelles umschliessenden knöchernen Ring dar. Später- hin gewinnt es eine weitgehende Ausgestaltung; einerseits schliesst sich ihm auf der lateralen Seite ein ziemlich langer knöcherner Gehörgang an; andererseits erfährt es nach der medialen Seite zu eine ganz bedeutende Verbreiterung und gestaltet sich hier zur Bulla tympanica aus. Diese umfasst als weit ausgewölbte Knochenschale die ganze untere Fläche der Pars cochlearıs der Ohrkapsel und kommt mit ihrem medialen Rande bis an die Basalplatte, resp. das Os basi- occipitale heran. Dabei wird die auf der Unterfläche der Pars cochlearis nach vorn ziehende Art. carotis interna vom Knochen umwachsen und in einen knöchernen Canalis caroticus ein- geschlossen. Ob die Ausbildung der Bulla tympanica unter Mitwirkung eines Metatympanicum (Wincza 189%, van Kampen 1905) erfolgt, kann ich an meinen Stadien nicht konstatieren. Ich will daher auch auf die Bedeutung des Metatympanicum, seine eventuelle Homologisierung mit dem Pterygoid niederer Vertebraten hier nicht eingehen. Das Goniale ist ebenfalls als deutlicher Deckknochen des Meckelschen Knorpels zu erkennen. Es wird in gleicher Weise von der Chorda tympanı durchbohrt, wie das Gaupp (1905) für das Goniale der Saurier beschrieben hat. Bezüg- lich der eingehenden Begründung seiner Homologie mit dem letzteren verweise ich auf die ausführliche Beweisführung Gaupps (1905, 1908). Auch bezüglich der Mandibula wollen wir uns hier ganz kurz fassen, und vor allem nicht näher auf den neuerdings lebhaft entbrannten Streit um die phvlogenetische Stellung des Kiefergelenkes der Säuger und damit des oberen Endes der Mandibel eingehen. Die alte wohlbegründete, auf Reichert Das Primordialcranium des Kaninchens etc. 601 zurückgehende Theorie, dass die das Kiefergelenk der non- mammalen Vertebraten bildenden Skeletstücke, Quadratum und Articulare, im Amboss und Hammer der Säuger wiederzufinden seien, das Säugerkiefergelenk aber eine neue, zwischen zwei Deckknochen, Squamosum und Dentale aufgetretene Articulation sei, wurde zwar von Fuchs (1905) gerade auf Grund von Untersuchungen am Kaninchen heftig angegriffen. An dem unserer Arbeit zugrunde liegenden Material können wir aber die tatsächlichen Grundlagen der Fuchsschen Ausführungen nicht nachprüfen, da diese letzteren sich auf viel jüngere Ent- wickelungsstadien stützen. Da mir aber die Fuchsschen Aus- führungen an sich durchaus nicht beweiskräftig erscheinen, andererseits die Theorie des sekundären, zwischen Deckknochen entstandenen Kiefergelenkes der Säuger wohlbegründet und namentlich durch die Darlegungen Gaupps (1905, 1908) aufs neue gestützt ist, so sehe ich mich nicht veranlasst, von der- selben abzuweichen. Wir betrachten demnach die Mandibula durchaus als einen Deckknochen und sehen in den zwei mächtigen Knorpelkernen, die im Gelenkteil und im Angulus- gebiet die Verknöcherung vorbereiten, sekundäre Knorpel. Ihre Bedeutung besteht vielleicht darin, dass sie dem aufsteigenden Kieferast, der ohne Anlehnung an primordiale Teile eine unge- mein kräftige Ausbildung erfahren muss, während der Ent- wickelung eine gewisse Stütze verleihen und ihm ausserdem gewissermassen innerhalb der umgebenden Gewebe die Bahn freihalten. Von Einzelheiten, die für die sekundäre Natur dieser Knorpel, für ihre Nichtzugehörigkeit zur Cartilago Meckelii sprechen, wollen wir hier nur noch eine erwähnen, den Ver- lauf des N. mylohyoideus. Wir sehen auf Schnittfigur 9, wie derselbe sich um die Aussenseite des Meckelschen Knorpels schlägt, dabei die Mandibel und zwar gerade den durch Knorpel ausgezeichneten Teil derselben lateral von sich lässt. Gaupp hat schon (1905) darauf hingewiesen, dass der entsprechende Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 39 Nerv auch bei Lacerta den Meckelschen Knorpel lateral um- fasst, also jener Mandibularknorpel, wenn er mit zum Meckel- schen Knorpel gehörte, medial vom Nerven gelegen sein müsste. Ob die Mandibula nur einem einzigen Deckknochen der Reptilien, dem Dentale, entspricht, oder ob noch andere mit ihm verschmolzen sind, möchte ich hier nicht entscheiden; eine isolierte Anlage -verschiedener Stücke können wir auf unseren Stadien jedenfalls nicht nachweisen. Hauptergebnisse. 1. Das Primordialeranium des Kaninchens zeichnet sich durch grosse Vollständigkeit aus. Es weist eine beträchtliche Anzahl von primitiven Merkmalen und nur wenige Zeichen einseitiger sekundärer Abänderung auf und kann daher als typisches Beispiel eines Säugetierchondrocraniums gelten. 2. Es illustriert in vorzüglichster Weise die von Gaupp seinerzeit durchgeführte Ableitung des Säugetier- vom Saurier- cranium, indem nicht nur der allgemeine Typus (Tropibasie) übereinstimmt, sondern eine grosse Menge von Einzelheiten direkt mit entsprechenden Formen am Lacertaschädel ver- glichen werden können. 3. Die von Gaupp nachgewiesenen hauptsächlichsten Ver- änderungen des Craniums der Säuger gegenüber dem der Saur- opsiden (im wesentlichen Vergrösserung des Schädelraumes durch basale Niederlegung früherer Seitenwandpartien und durch Einbeziehung eines neuen Raumes ım Gebiete der Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 603 mittleren Schädelgrube, ferner Ausgestaltung der Ohr- und Nasenkapsel) finden am Kaninchenschädel volle Bestätigung und teilweise Ergänzung. 4. In der Oeccipitalregion ist ein primitives Verhalten in der Anwesenheit eines doppelten Hypoglossusloches gewahrt. Die Oeccipitalpfeiler zeigen die für höhere Säuger charak- teristische basale Umlegung nach hinten und Überlagerung durch die Ohrkapseln. 5. Die beiden typischen Teile der Säuger-Ohrkapsel sind als Pars canalıcularis (nicht vestibularis) und Pars cochlearis zu unterscheiden. 6. Das Grössenverhältnis der Ohrkapsel zum (Gesamt- cranıum zeigt in der Stufenfolge: Amphibien, Reptilien, Säuger eine allmähliche Verschiebung zuungunsten der Ohrkapsel; es wurde versucht, diese Verschiebung zahlenmässig zum Aus- druck zu bringen (siehe S. 155). 7. Die durch die Vergrösserung des Gehirnraumes bei den Säugern hervorgerufene Lageveränderung der Ohrkapsel lässt sich in mehrere Einzelbewegungen auflösen; die wichtigste ist die Umkippung der Ohrkapsel nach hinten; sie ist beim Kanin- chen sehr ausgesprochen. 8. Diese Lageveränderung äussert sich auch in der Stellung des Tectum posterius. Letzteres gehört durchaus der Ohr region an. 9. Der Binnenraum der Ohrkapsel kommt im Öberflächen- relief absolut deutlich zum Ausdruck. Es bilden sich drei Fossae subarcuatae. 10. Der Binnenraum der Ohrkapsel lässt sich bis ins ein- zelne mit dem bei Lacerta vergleichen; bei Lacerta ist schon der Gewebsstrang entwickelt, der beim Säugetier zur Lamina spiralis ossea wird. 39* 604 M. VOIT, 11. Die Verteilung des N. acusticus zeigt eine Abweichung von dem bisher für die Säuger angenommenen Typus, welche phylogenetisches Interesse besitzt. 12. Die Aufteilung einer einheitlichen Fenestra perilympha- tica (Reptilienzustand) in das Foramen rotundum und den Aquae- ductus cochleae ist ontogenetisch noch zu verfolgen; dabei er- geben sich interessante individuelle Variationen ım Ausbildungs- grad der Organe. 13. Die Gauppsche Annahme des Einwachsens der Pars cochlearis bei den Säugern in das Gebiet der früheren Basal- platte findet durchaus Bestätigung. 14. Die von Gaupp nur für die Orbitotemporalregion an- genommene Vergrösserung des Schädelraumes der Säuger durch Reduktion der ursprünglichen und Bildung einer neuen Seiten- wand und dadurch erzielte Einbeziehung eines seitlich vom primären Cavum cranii gelegenen Gebietes istauch.a urdnee Ohrregion auszudehnen. Reste der ursprünglichen Seitenwand sind in knorpeliger Ausbildungsstufe sowohl in der Ohr- als in der Orbitotemporalregion nachweisbar und lassen so exakt die Grenze zwischen primärem und sekundärem Schädelraum erkennen. Die neu entstandene Seitenwand kommt grossenteils in knorpeliger Ausbildung, als Ausgestaltung des Primordialeraniums zustande. Das in der Öhrregion zu- geschlagene Raumgebiet — Cavum supracochleare — erhält einen ventralen Abschluss durch die nach der Seite ausgebuchtete Schneckenkapsel, ferner einen seitlichen und auch teilweise noch ventralen durch das lateral von der Schneckenkapsel plattenförmig auswachsende Tegmen tvmpani. Im hintersten Teile des Cavum supracochleare wird der seitliche Abschluss vollständig durch Knorpel erzielt, durch den An- schluss des Tegmen tympani an die Commissura orbitoparie- talis; weiter vorn wird er durch das Os parietale und squa- Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 605 mosum ergänzt. Nach vorn geht das Cavum supracochleare kontinuierlich in den sekundären Raum der Orbitotemporal- region, das Cavum epiptericum, über. Im Cavum supracochleare liegen das Ganglion geniculi des Facıalis, der hintere Teil des Ganglion semilunare trigemini, der N. petrosus superficialis major. 15. Es ergibt sich daraus eine neue Auffassung des Facialiskanales. Der siebente Hirnnerv tritt durch den primären Facialiskanal (unter der inneren suprafacialen Com- missur, welche der präfacialen Commissur der Reptilien ent- spricht), in das Cavum supracochleare ein, entwickelt hier sein Ganglion geniculi und tritt durch einen in der sekundären Seiten- wand gelegenen sekundären Facialiskanal wieder aus dem Cavum supracochleare aus; die äussere Mündung dieses zweiten Kanales ist die Apertura tympanica canalıs facıalis; die letztere entspricht also nicht der äusseren Mündung des Foramen faciale beim Reptil. Wenn die (beim Kaninchen dorsal offene) Facialis- strecke im Gebiete des Cavum supracochleare, also das Gebiet des Ganglion geniculi, durch Knorpel oder Knochen gedeckt wird, kommt ein scheinbar einheitlicher Kanal zustande, dessen innere Mündung durch das primäre Foramen faciale, dessen äussere durch die Apertura tympanica dargestellt wird und der sich ausserdem nach vorn durch den Hiatus canalıis facialis öffnet; dieser ganze Kanal wurde bisher als primärer Facialis- kanal bezeichnet, ist aber, wie aus dem Vorigen hervorgeht, aus drei verschiedenen Teilen zusammengesetzt. 16. Die auch in der Orbitotemporalregion entwickelten Reste der primitiven Seitenwand ermöglichen auch hier eine exakte Abgrenzung des primären Cavum cranii gegen das sekundär zu- geschlagene Gebiet — Cavum epiptericum; dadurch wird eine Reihe wichtiger Schlussfolgerungen ermöglicht. 17. Das Foramen caroticum der placentalen Säuger entspricht nicht der gleichnamigen Öff- 606 M. VOIT, nung bei den Sauropsiden. Die Carotis der letzteren tritt medial von den Trabeculae baseos cranii sofort in den primären Schädelraum ein; das Foramen caroticum der Säuger führt dagegen nicht in das primäre Cavum cranii, sondern in das Cavum epiptericum. Damit steht die verschiedene topo- graphische Lagerung des N. abducens zu der in den Schädel eintretenden Carotis bei den Sauropsiden einerseits, den höheren Säugern andererseits in Einklang. Das Foramen caroti- cum von Echidna entspricht. . dem ..der „Sawr opsiden, nicht dem der höheren Säuger: 18. Die Carotis interna der höheren Säuger verläuft auch nach ihrem Eintritt durch das Foramen caroticum weiterhin noch im Cavum epiptericum; die ganze im Sulcus caroticus enthaltene, eventuell in einen Sinus cavernosus eingeschlossene Strecke liegt im epipterischen Raum; erst kurz hinter der hinteren Wurzel des Orbitalflügels dringt die Carotis in den primären Schädelraum ein. Es ist mit Wahrscheinlichkeit an- zunehmen, dass diese ganze Strecke der Säugercarotis eine neue, wohl auf dem Wege der Anastomosenbildung erworbene (refässbahn darstellt. Es werden weitere, speziell daraufhin ge- richtete Untersuchungen anzustellen sein. 19. Mit der Annahme der Nichthomologie des Foramen caroticum der Säuger und der Reptilien entfallen eine Reihe von Schwierigkeiten in der Deutung einzelner Teile der Orbito- temporalregion; man muss nicht mehr die Commissura alı- cochlearis plus dem Processus alaris alae temporalis als Teil der Trabecula ansehen; vielmehr ergibt sich: Der Processus alarıs entspricht dem Processus basipterygoideus von Lacerta und gleichzeitig der Ala temporalis von Echidna. Die Com- missura alicochlearis ist eine beim Säuger neu auftretende Bil- dung; sie stellt einen Teil des Bodens des Cavum epiptericum dar und bildet ja auch eine direkte Fortsetzung des Bodens des Cavum supracochleare. Das Primordialeranium des Kaninchens etc. 607 20. Der seitliche Abschluss des Cavum epiptericum wird durch die Lamina ascendens alae temporalis, zum Teil auch noch durch den vordersten Teil des Tegmen tympanı und durch das Os squamosum vervollständigt. Ins Cavum epiptericum treten aus dem Cavum supracochleare das Ganglion semilunare und der N. petrosus superficialis major, aus dem Cavum cranii primarium die Nn. abducens, trochlearıs und oculomotorius, durch das Foramen caroticum die Carotis interna ein. Der dritte Ast des Trigeminus verlässt es durch eine Incisura ovalıs hinter der Lamina ascendens alae temporalis, die beiden ersten Trigeminusäste und die Augenmuskelnerven durch die grosse Fissura orbitalis superior. 21. Die Lamina ascendens des Temporalflügels entspricht in ihrer Lage der Membrana sphenoobturatoria von Echidna; die Knorpelbildung in ihr ist vielleicht eine sekundäre. 22. Die basale Körpermasse in der hinteren Orbitotemporal- region entspricht durchaus der Trabekelplatte von Echidna, den Trabekeln der niederen Wirbeltiere. 23. Der am knöchernen Keilbein des erwachsenen Kanın- chens im Gebiete der Sella turcica vorhandene Kanal entspricht nicht, wie Arai meint, der ursprünglichen Fenestra hypo- physeos, sondern ist ein sekundär entstandenes Venenemis- sarıum. 24. Die vordere Orbitotemporalregion ist durch ein ty- pisches Interorbitalseptum ausgezeichnet, das voll- kommen dem von Lacerta gleicht. 25. Die merkwürdigen Processus ethmoidales am vorderen Keilbein des erwachsenen Kaninchens sind nicht durch sekun- däre Angliederung der Lamina papyracea des Ethmoidale ent- standen (Ansicht von W. Krause), sondern als seitliche Aus- wüchse der sphenoidalen Körpermasse im Gebiete des Foramen opticum — Alae hypochiasmaticae. Für die erste Entstehung 608 M. VOIT, dieser Fortsätze, deren Verbreitung bei anderen Säugern unter- sucht zu werden verdient, lässt sich vielleicht eine mechanische Erklärung geben. 26. die Nasenkapseln der Säugetiere haben sich stark caudalwärts ausgedehnt und einen grossen Teil des ursprüng- lich freien Septum interorbitale als Septum nasale zwischen sich aufgenommen. Dafür spricht die Konfiguration des ganzen hinteren Teiles der Nasenkapsel, im Zusammenhange mit den Ergebnissen der Peterschen Untersuchung über die Bildung des epithelialen Nasensackes beim Kaninchen. 27. Auch beim Kaninchen ist die von Gaupp für die Säuger überhaupt festgestellte Einbeziehung eines ursprüng- lich der Nasenhöhle zugehörigen Raumes in die Schädelhöhle durch die Bildung der Lamina cribrosa, d. h. eines Recessus supracribrosus, nachweisbar. 38. Die Modellierung der für die Säuger charakteristischen Ethmoturbinalia geschieht durch Ausbildung einer Reihe von seitlichen Ausbuchtungen der hinteren Wand des Nasensackes. Typisch ist eine das Ethmoturbinale I veranlassende besonders grosse Ausbuchtung, die als Recessus lateralis zu bezeichnen ist. Ihr gegenüber erscheint der Rest des hinteren Abschnittes des Nasensackes mit den sämtlichen übrigen Ausbuchtungen als Recessus posterior oder Pars posterior sive ethmoturbinalıis. Diese Teilung in Recessus lateralis und posterior kommt am Knorpelskelet deutlich zur Erscheinung. 29. Der Recessus lateralis gliedert sich typisch in einen oberen Abschnitt, Recessus frontalis, der Riechepithel trägt und eigene Muschelbildungen (Conchae frontales) entwickelt, und einen unteren, der sich im wesentlichen zu einem grossen glatt- wandigen Hohlraum, Recessus maxillaris, ausweitet. Recessus frontalis und maxillaris sind als deutliche Räume der knorpe- ligen -Nasenkapsel entwickelt. Von ihnen können ausserdem Anatom. Hefte. T. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 49. Parievaler- er & r Lamin. pariet. -— -Crista amp. lat. Macula utrie. Meat. audit. ext. --#-—- Sacculus \\ Q N. amp. post. N. facialis-= Ü > 5 Sace. perilymph. M. staped. -< ERNS N TE; - 127 Ta Gang. jugul. vagi Duet. eco. % N) ; ee Epitheld.Cav.tymp. N. Hypoglossus Vena jugul. Lamin. alar. Ram. aurie. vagi. Fig. 24. { ' \ i ! i ı ' ı ı — 7 ___ Perichondr. - Fossa subare. Fibroeart. aurie._ - Duet. endolymph. Meat. audit. ext. ‚ Can. semie. lat. ' 4 | Pila oeeipit. Lawina alar. Can. semie. post. Recess. supraalar. Fig. 25. Poit. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Anatom. Hefte. I. Abt. 116. Heft (38. Bd., H. 3). Tafel 50. Parietale- Comm. orbitopar. Squamos -+£ N. oculomot. N. trochl. Tegmen tymp.-£ Cartil. Meckel au N. trigem, Goniale > Chorda tymp.- € Tympanie.-\ N. petr. superf. maj. M. tensor tymp.--F Cav. tymp.- Meat. audit. ext. -f’ Manubr. mallei -- \ ) m uw 207 BEREN N) ‘ Basioceipitale } N. abducens 'ı A. carot. int. ı Stylohyale Tympanie. Fig. 26. Squamos.- FE ne & Parietale pe EN % A Tegm. tymp. 12 N. petr. superf. maj.- Tympanie. }- Malleus“ Sehne d. Tens. tymp. Chorda tymp. Meat. audit. ext. Cav. tymp.- N. tympanie.-= Basi- - ‚Sept. spir. oceipitale Tympanie. Fig. 27. Poit. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Das Primordialeranium des Käninchens ete. - 609 später in die anliegenden Deckknochen (Frontale, Maxillare) eindringende Sinusbildungen ausgehen. ‘30. Die Zweiteilung des mit Riechepithel ausgestatteten Bezirkes in Recessus frontalis und Recessus posterior kommt in einer typischen Zweiteilung der Foramina cribrosa in eine lateral-vordere und medial-hintere Gruppe zum Ausdruck. 31. Die ganze hintere (subcerebrale) Partie der Nasen- kapsel der Säuger (Pars posterior plus Recessus lateralis) ist eine Neuerwerbung, bezw. ist auf eine reiche Ausgestaltung des einfachen Antorbitalraumes der Nasenkapsel der Saur- opsiden zurückzuführen (in Übereinstimmung mit den Ergeb- nissen von Fleischmann und seinen Schülern). Die Ethmo- turbinalia entsprechen also keiner Muschel der Sauropsiden, sondern sind neu aufgetreten. 32. Die Pars anterior s. maxillonasoturbinalis der Säuger entspricht im Prinzip und in vielen Einzelheiten der Nasen- kapsel der Reptilien. Das Maxilloturbinale ist homolog der Reptilienmuschel und der unteren Muschel der Vögel, das Naso- turbinale dem Riechwulst der Vögel. 33. Die Pars anterior der Nasenkapsel des Kaninchens zeigt grosse Übereinstimmungen mit vielen bei anderen Säugern be- schriebenen Befunden. 34. Die Cartilago nasopalatina des Kaninchens und anderer Säuger ist der von Gaupp bei Echidna beschriebenen Carti- lago palatina zu vergleichen. 35. Die von Howes betonte posttrematische Lage des Stylohyale vom Kaninchen findet ihre Erklärung durch die sekundäre Verbindung mit dem Processus paracondyloideus; der knorpelige Hyalbogen besitzt vollkommen die normale, für die Säuger typische topographische Lage zum Facialis. 610 M. VOIT, Das Primordialeranium des Kaninchens etc. Bezüglich der überhaupt nur kurz behandelten Deck- knochen ist durchaus auf die vorangehende Darstellung zu ver- weisen. Zum Schlusse möchte ich auch hier meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. E. Gaupp, der mich zu der vorliegenden Untersuchung anregte und mich im Laufe der Arbeit stets in liebenswürdigster Weise unterstützte, meinen innigen Dank aus- sprechen. Nicht minder herzlich danke ich meinem hoch- verehrten Chef, Herrn Geh. Hofrat Prof. R. Wiedersheim, der stets mit regstem Interesse und freundlichstem Entgegen- kommen meine Arbeiten förderte. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Plattenmodell des Schädels vom Stadium I. Bei 20facher Ver- grösserung modelliert. Abbildung auf die Hälfte verkleinert (also 10fach der natürlichen Grösse) Ansickt von oben. Primordiale Verknöcherungen punk- tiert. * Spalt zwischen der Ala hypochiasmatica und der medianen, nach unten als Interorbitalseptum vorspringenden Knorpelmasse. Fig. 2. Dasselbe Modell von unten. Am Vomer ist auf der linken (in der Zeichnung rechten) Seite ein Stück herausgeschnitten, um den Übergang der Cartilago paraseptalis in die Lamina transversalis posterior, sowie die Spalte zwischen letzterer und Septum zu zeigen. Auf der rechten Seite sind Meckelscher Knorpel und Mandibula quer abgeschnitten, auf der linken sind Hammer und Amboss ganz entfernt, vom Meckelschen Knorpel kommt nur ein kleines Stück zur Darstellung. Die beiden sekundären Knorpelkerne der Man- dibula, ebenso der sekundäre Knorpel des Parasphenoid sind auf dieser Seite isoliert dargestellt. Mit * ist die Stelle bezeichnet, au welcher in früheren Stadien die Fenestra hypophyseos bestand (im Schnitt aus der Struktur des Knorpels kenntlich). Vergrösserung wie Fig. 1. Fig. 3. Dasselbe Modell von links. Amboss und Hammer sind, letzterer nach Durchschneidung des Meckelschen Knorpels, entfernt. Vergrösserung wie Fig. 1. Fig. 4. Dasselbe Modell von rechts mit Deckknochen. Vergrösserung wie Fig. 1. Fig. 5. Ohrregion und hinterer Teil der Orbitotemporalregion am gleichen Modell, von oben-innen gesehen. Zeichnung auf 3/, verkleinert. (Also 15fach der natürlichen Grösse). Fig. 6. Plattenmodell der vorderen Hälfte der Ohrregion und hinteren Hälfte der Orbitotemporalregion vom Stadium II. Mit Nerven der linken Seite. Der Verlauf der Carotis interna wurde nachträglich nach der Schnittserie ein- gezeichnet (punktiert). Bei 25facher Vergrösserung modelliert. Zeichnung auf 3/5 verkleinert. (Also l5fach der natürlichen Grösse). Fig. 7. Plattenmodell des häutigen Labyrinthes vom Stadium I. Ver- grösserung wie Fig. 1. Fig. 8. Plattenmodell der linken Hälfte der Nasenkapsel vom Stadium I. Ansicht von innen und etwas von unten nach Entfernung des Septum und eines Teiles der Cartilago paraseptalis. Bei 20 facher Vergrösserung modelliert. Zeichnung auf ?,ı verkleinert (also l5fach der natürlichen Grösse). 612 Erklärung der Abbildungen. Fig. 9. Schema des Verlaufes der Chorda tympani am Meckelschen Knorpel; rechte Seite, von aussen gesehen. Fig. 10. Schnitt aus der Serie I. Durch die Nasenkapsel in der Gegend der Fenestra superior. löfach vergrössert. Fig. 11. Aus Serie I. Durch die Lamina transversalis anterior. 15fach vergrössert. Fig. 12. Aus Serie I. Durch den vorderen Teil der Ethmoturbinalregion. 15 fach vergrössert. Fig. 13. Aus Serie I. Durch die Mitte der Ethmoturbinalregion. 15fach vergrössert. Fig. 14. Aus Serie I. Durch den hinteren Teil der Ethmoturbinalregion 15fach vergrössert. Fig. 15. Aus Serie I. Durch das Septum interorbitale. 15fach ver- grössert. Fig. 16. Aus Serie I. Durch das Foramen opticum. löfach vergrössert. Fig. 17. Aus Serie II. Durch die Orbitotemporalregion auf der Höhe des Restknorpels c. l5fach vergrössert. Fig. 18. Aus Serie II. Durch den Processus alaris. Mit * ist der Quer- schnitt der auf der oberen Fläche der Balkenplatte zwischen Wurzel des Dor- sum sellae und Restknorpel c verlaufenden leistenförmigen Erhöhung be- zeichnet (Grenze zwischen Cavum eranii primarium und Cavum epiptericum). 15 fach vergrössert. Fig. 19. Aus Serie II. Durch die Wurzel des Dorsum sellae. Mit * ist der verdichtete Gewebszug bezeichnet, der sich von der Wurzel des Dorsum sellae zum vorderen Rand des Restknorpels b und zum unteren Rand der Commissura orbitoparietalis ausspannt. 15fach vergrössert. Fig. 20. Aus Serie II. Durch den Restknorpel b. 15fach vergrössert. Fig. 21. Aus Serie II. Durch den Restknorpel a. 15fach vergrössert. Fig. 22. Aus Serie II. Durch den Facialiskanal. 1öfach vergrössert. Fig. 23. Aus Serie I. Durch den vorderen Teil der Fenestra perilym- phatica. l5fach vergrössert. Fig. 24. Aus Serie I. Durch den hinteren Teil der Fenestra perilym- phatica. 15fach vergrössert. Fig. 25. Aus Serie I. Durch die Fossa subareuata (anterior). 1löfach vergrössert. Fig. 26. Aus Serie III. Durch den vordersten Teil der Ohrregion. 10fach vergrössert. Fig. 27. Aus Serie II. Etwa durch die Mitte der Pars cochlearis der Ohr- kapsel. 10fach vergrössert. | 10. 11. 12. 13. Literaturverzeichnis. Adloff, P., Zur Entwickelungsgeschichte des Nagetiergebisses. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. Bd. 32. N. F. Bd. 25. 1898. Arai, H., Der Inhalt des Canalis craniopharyngeus. Anatom. Hefte. Abt. 1. H. 100. (Bd. 33. H. 2). 1908. Beecker, A., Vergleichende Stilistik d. Nasenregion bei d. Sauriern, Vögeln und Säugetieren. (Fleischmann, A., Das Kopfskelet der Amnioten. II.) Morphol. Jahrb. Bd. 31. 1903. Blendinger, W., Das Cribrum der Säugetiere. (Fleischmann, A., Das Kopfskelet der Amnioten. III.) Morphol. Jahrb. Bd. 32. 1904. Bondy,G., Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Gehörorganes der Säuger. (Tympanicum, Membrana Shrapnelli und Chordaverlauf). Ana- tom. Hefte. Abt. 1. H. 106. (Bd. 35. 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DE ee 62e Der Einfluss der Entwickelung der bleibenden Zähne auf das Milch- sebiss 22 > a LT Über den Verbleib der " Sehmelzöpiitielien" ER 3 ee: 22° 600 Die Ursachen der Milchzahnresorption . . 2 2 2 2.2.2.0... 667 Der feinere Verlauf der Resorption. . . ». . . 2 2 .2.2.2..67 Die Genese der Osteoclasten und Riesenzellen sowie deren Schwund 692 Zusammenfassung re ee ee ra 106 Ir hats a En ze ee a en he ee ARE Titsraturverzeichniseen no re a een a u Zen ae alle Erklärung? der Abbildungen zu ae Einleitung. Unter den Entwickelungsvorgängen im menschlichen Orga- nismus nimmt der Eintritt des permanenten Gebisses in seine funktionelle Tätigkeit innerhalb der Mundhöhle nach mancher Richtung hin besonderes Interesse für sich in Anspruch, vor allem deshalb, weil zwei Gebissgenerationen auftreten, in- dem eine lacteale Zahnreihe als Vorläufer einer permanenten nach den ersten Lebensmonaten in Gebrauch genommen wird, schliesslich aber je nach dem Durchbruch der einzelnen Ersatz- zähne successive wieder verloren geht. Dabei vollziehen sich im Innern des Kieferapparates Ereignisse von hoher anatomisch- physiologischer Bedeutung, deren weitere Aufklärung auf Grund vorliegender Forschungen versucht werden soll. Von den zahlreichen über die Milchzahnresorption ver- öffentlichten Arbeiten gebührt derjenigen von Kallhardt (33) das Verdienst, die noch lange bis in die Neuzeit vorherrschende ungenügend geklärte Auffassung vom Wesen des Durchbruches der bleibenden Zahnreihe nach Anwendung moderner Unter- suchungsmethoden vervollkommnet zu haben. Dieser Autor be- nutzte für seine Untersuchungen die Kiefer von Säugetieren, die sich im Zahnwechsel befanden, und beschränkte sich nicht wie die früheren Forscher auf die mikroskopische Betrachtung extrahierter menschlicher Milchzähne. Dadurch wurden 622 G. FISCHER, neue wichtige Beziehungen entdeckt, welche zwischen dem lactealen und permanenten Gebisse zur Zeit des Durchbruches des letzteren, also während des Zahnwechsels bestehen. Wenngleich Kallhardt damals annahm, dass für das Studium der Milchzahnresorption nur Schliffe gebrauchsfähig, entkalkte Präparate aber, wie sie auch Römer angefertigt hat, wertlos seien, weil „Knochen und Zahnbein in ihrer Struktur an Deutlichkeit einbüssen, und auch das im Resorptionsstadium befindliche Knochen- bezw. Zahnbeingewebe und die in der Howshipschen Lacune liegenden sogenannten Riesenzellen solche Veränderungen erleiden, dass die auf Grund derartiger Beobachtungen aufgestellten Behauptungen als nicht ganz ein- wandsfrei zu bezeichnen sind“, so werden meine Präparate und deren Ergebnisse Gegenteiliges beweisen. Ich möchte eher behaupten, dass bei sachgemässer Behandlung des Unter- suchungsmateriales mit Benutzung der Injektion des (Gefäss- systems, sowie durch geeignete Färbungen gerade Schnitte die erforderliche Klarheit und Übersicht weit besser zu geben vermögen als Schliffe. Bekanntlich gelingt es überhaupt nicht, die für den Gang der Untersuchungen nötige Anzahl von Schliffen aus je einem Zahnblock herzustellen, und die, welche man schliesslich gewonnen hat, sind für feinere Beobachtungen bei starker Vergrösserung, wie Kallhardt zugesteht, ihrer Dicke wegen nicht geeignet, abgesehen von dem weiteren Übelstand, dass ihre Färbbarkeit ganz ausserordentlich er- schwert ist. Gegen die Entkalkung spricht nur der Verlust der Kalksalze. Das Schmelzgewebe wird dann allerdings meist vernichtet; > nur in frühen Entwickelungsstadien bleibt dasselbe häufig zum grössten Teil erhalten. Für die Entkalkungsprocedur aber fallen gewichtige Vorteile in die Wagschale: Sicherung genauer Lageverhältnisse und Fixierung der feinsten Zell- strukturen, Herstellung dünner (— 10 «) und sehr gut färb- barer Präparate und Erhaltung sämtlicher Schnitte nach dem Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 623 Verfahren des Serienschneidens. Bei Injektionspräparaten mit Berlinerblaugelatine spielt schliesslich noch die hervorragende Indifferenz des Berliner Blau gegenüber der Entkalkungs- procedur eine besondere Rolle. Und dass es beim Studium der Milchzahnresorption doch auch auf „Verhältnisse feinster Natur“ ankommt, die nur durch die Schnittmethode darzustellen sind, werde ich im Verlauf dieser Arbeit darzutun wissen. Untersuchungsmethoden. Es handelte sich bei vorliegenden Untersuchungen nicht allein darum, die einzelnen Vorgänge beim Durchbruch der bleibenden Zähne zu verfolgen, sondern auch den Beziehungen nachzugehen, welche das Gefässystem zum Zahnwechsel unter- hält. Dabei habe ich grösste Sorgfalt auf die Herstellung langer Serienreihen von Schnitten durch das gesamte Zahngerüst ver- wandt. Infolge früherer guter Erfahrungen mit Injektions- objekten hielt ich die Injektion des Gefässystems für dringend wünschenswert, eine Massregel, der vor allem ich neue Resul- tate verdanke. Zahlreiche injizierte Hunde- und Katzenkiefer wurden in Serienschnitte zerlegt und zur mikroskopischen Unter- suchung vorbereitet. Die Verwendung des Tiermaterials konnte um so mehr geschehen, als durch die ausgezeichneten Er- gebnisse von Lepkowski (46) der Nachweis erbracht worden war, dass die Gefässverteilung in den Zähnen des Menschen mit denen der höheren Säugetiere übereinstimmt, ebenso wie auch die feineren Entwickelungsvorgänge gleichen Prinzipien untergeordnet sind. Es liegt somit kein Bedenken vor, die am Tierexperiment erzielten Resultate auf die im menschlichen 624 G. FISCHER, Organismus herrschenden Zustände zu übertragen. Vergleichs- weise wurden auch Schnitte durch extrahierte menschliche Milchzähne herangezogen. Die Gefässinjektion wurde bei kleineren Tieren von der linken Herzkammer, bei grösseren vom Arcus aorticus bezw. der Carotis communis aus vorgenommen, nachdem die Pleura- höhle des eben in Chloroformnarkose erstickten Tieres unter grösster Vorsicht geöffnet war. Durch einen tiefen kurzen Schnitt in die rechte Herzkammer gibt man dem Blute Abfluss und erzielt durch gleichzeitige kurze Massage des Oberkörpers die nötige Blutleere im Bereich der Carotiden. Die verschiedentlich empfohlene Durchspülung des Gefässystems mit warmer Koch- salzlösung vor der Injektion brachte keinerlei Vorteile und wurde später unterlassen. Für das Zustandekommen einer guten Füllung ist vor allem ein brauchbares, für alle Eventualitäten eingerichtetes Injektionsbesteck notwendig. Die Hartgummispritze muss aus- wechselbare Kanülen besitzen, die wiederum mit je einem Ab- stellhahn versehen sind. In mehreren Stärken vorrätig laufen die Kanülen in eine metallene knopfartige Anschwellung aus, die ein Abrutschen der aufgebundenen Gefässe verhüten soll. Die Ligaturen legt man sehr gut mit Perlseidefäden an. Spritze und Kanülen werden ebenso wie die Gelatinelösung im Wasser- bade auf 500 erwärmt. Nachdem die Kanüle fest eingebunden, sowie die benachbarten Arterienstämme abgeklemmt sind und der Kopf des Tieres tief gelagert ist, injiziert man unter Jangsamem Druck die etwa 45° warme Gelatine- lösung. Sobald die blaue Masse auf dem venösen Wege zu- rückkehrt, werden auch die Venen fest abgeschnürt, und erst jetzt beginnt die eigentliche feinere Füllung der Gefässe. Man drückt in Pausen von 1—2 Minuten kleine Quantitäten der Injektionsmasse vorsichtig nach, bis Mundschleimhaut und Zungenspitze tiefblau gefärbt erscheinen. Das injizierte Tier 776. Heft(38. Bd.H.2) Hung Le _Anatom. Hefte IAb Fi8.1. G ER Qi = x IR So VE . ER f u krafseheehl nt Kal. Univers-Druckgrei v, H. Stürtz, Würzburg. Tafel 51/52. Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden. 2 Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 625 wird nach Abschluss der Kanüle am besten in toto in 20 % Formalinlösung gebracht, wenigstens müssen Kopf und Hals tief in dieselbe eintauchen. Nach 24 Stunden löst man die Kieferstücke einzeln vom Kopfskelet ab, um sie bis zur Weiter- behandlung in 10% Formalin noch einige Tage zu fixieren. In derselben Lösung können sie beliebig lange aufbewahrt werden. Auch Müllersche Flüssigkeit eignet sich zur Fixierung. Als Injektionsmasse hat sich mir eine gesättigte Berlinerblaugelatinelösung bewährt. 100 g farblose Gelatine lässt man 24 Stunden in Aqua destill. aufquellen und bringt die gut ausgedrückte gallertige Gelatine in ein Gefäss mit etwa 750 cem einer konzentrierten Berlinerblaulösung (Berl. Blau Ia Grübler in Aqua dest. glycerin. ää, chloral. hydrat. 2%). Diese Mischung erhitzt man im Wasserbade unter ständigem Umrühren auf 80° und filtriert durch ein doppeltes Flanelltuch. Dieselbe kann in gut verschlossenen Standgefässen sehr lange (bis 1!/, .Jahre) zum allmählichen Verbrauche aufbewahrt werden. Die Entkalkung der Kiefer fand in 10 % Trichloressigsäure- lösung mit 10% Kochsalzzusatz meist im Brutofen bei 25° statt. Sobald der Knochen schnittfähig geworden ist, wird er in kleine Stücke zerteilt, die wiederum 8—14 Tage nachentkalkt werden müssen. Die Einbettung grösserer Stückchen erfolgte nach der Celloidin-, kleinerer nach der Paraffinmethode. Die Schnitte wurden serienweise durchgeprüft und in Hämalaun, Hämat- oxylin-van Gieson, Hämalaun-Schmorl (Thionin-Pikrin- säure) gefärbt. Kurzer historischer Überblick. Die in der Literatur über unsere Frage vorhandenen Arbeiten haben eine solche Fülle verschiedener Ansichten über Ursache und Verlauf der Milchzahnresorption zutage gefördert, 626 G. FISCHER, dass der Entwurf einer auch nur flüchtigen Skizze mehr zur Verwirrung als zur Klärung beitragen könnte. Bei der Suche nach einem spezifischen „Resorptionsorgan“ hat man die ver- schiedensten Gewebe des Kiefers für den Zahnwechsel ver- antwortlich gemacht, so das Zahnsäckchen (Linderer [48], Retzius [61], Robin [66]), das Knochenmark (Baume [4], Wedl [86]), die Wurzelhaut des Milchzahnes (Lieber- kühn [47], Kehrer [36], v. Metnitz [55a], Redier [60], Treuenfels [77], Zuckerkandl [93]) und die Milchzahn- pulpa (Delabarre [20], Waldeyer [81]). Erst Kall- hardt hat sich von der Annahme eines bestimmten Gewebes freigemacht und „einen mit dem Wachstum des Keimes steigen- den Druck angenommen, der in erster Linie in der Richtung vom Keime aus auf dessen Umgebung seine Wirkung äussert.” Wenn auch Kallhardt noch manche der hier interessierenden Fragen offen lassen musste, so hat er doch schon einen Ge- dankengang entwickelt, der das Verständnis der Milchzahn- resorption recht gefördert hat. Mit der Annahme eines vom Zahnsäckchen aus- gehenden Druckes hat sich Kallhardt auf den Boden der zuerst von Linderer im Jahre 1851 ausgesprochenen Ansicht gestellt. „Dass die Wurzeln der Milchzähne,” so führte der letztere bereits damals aus, „durch den Zahn- sack des bleibenden Zahnes resorbiert werden, habe ich zuerst beobachtet, später ist es auch von Retzius bestätigt worden.“ So waren Linderer und seine Nachfolger in der Tat auf dem richtigen Wege, die Ursache der Milchzahnresorption in Einflüssen zu erblicken, die von dem sich ent- wickelnden Zahnkeim ausgehen. Wenn trotzdem R. Burckhardt (18) bei Abhandlung der „Verknöcherungen des Integuments und der Mundhöhle“ in O0. Hertwigs Ent- wickelungslehre 1906 den fundamentalen Irrtum Baumes (6), „dass der Milchzahn, welcher ausfallen soll, seinen Glanz ver- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 627 liere, dass seine Pulpa abstürbe‘‘ von neuem vertritt, so liegt unverkennbar das Bedürfnis vor, die ganze Frage einer gründ- lichen Revision zu unterwerfen. Eine eingehende Darlegung der Literatur kann ich unter Hinweis auf die von Kallhardt gebrachte ausführliche Kritik unterlassen. Der Einfluss der Entwickelung der bleibenden Zähne auf das Milchgebiss. Zu einer Zeit, da sich an den Wurzeln der Milchschneide- zähne der vernichtende Einfluss der am weitesten gediehenen, Keimkronen der Ersatzzähne einzustellen beginnt, liegen die Eckzahn- und Prämolarenkeime noch in der Tiefe des Kiefers, in ihrer Entwickelung weit hinter ersteren zurück. Aber auch diese haben noch keineswegs ihre volle Entwickelung erreicht, wenn sie zu ihrer Ausdehnung die ersten Anzeichen einer Auflösung im Gebiet des Milchgebisses abgeben. Noch ist die Keimkrone von ihrer Schmelzpulpa umschlossen und harrt selbst ihrer endgültigen Ausgestaltung. Schmelz- und Dentinbildung sind im Gange und an der Kronenspitze hat die Verkalkung der Hartgewebe eingesetzt (Tafel 52, 53, Fig. 5, 6). Am Pulpawulste, d. h. an dem ringförmigen basalen Ende des Keimes treten deutlich embryonale Zellverhältnisse hervor, ebenso wie im jungen Pulpagewebe. Dasselbe kann daher keineswegs jetzt schon als fertig ‚ausgebildet‘ betrachtet werden, wie Kallhardt meint, sondern stellt, solange der Keim seinen Durchbruch nach der Mundhöhle nicht vollzogen hat, ein Vorstadium der späteren spindelzelligen Pulpa dar. Die noch plasmareichen runden Pulpazellen der Entwicke- lungsperiode erhalten erst mit Beginn der Funktion des Zahnes mehr und mehr eine gestreckte spindelige Gestalt, während die Intercellularsubstanz an Ausdehnung zunimmt. Das be- weisen specifische Bindegewebsfärbungen nach van wieson 628 G. FISCHER, oder Rubin S an geeigneten Schnitten in prägnanter Weise, indem das stark rot gefärbte embryonale Bindegewebe des Keimes sich markant von der blasser tingierten, darüber ge- lagerten Milchzahnpulpa abhebt (Taf. 51, Fig. 2, Taf. 52, Fig. 5, Textfigur 1). An der Umbeugungsschlinge des Keimes biegt der ein- zellige Epithelsaum im scharfen spitzen Winkel um und zieht als inneres Schmelzepithel kappenartig über dem Pulpakeim dahin (Tafel 51, Fig. 1). Dieses innere Epithel beginnt nun sehr bald eine Differenzierung der an der Umbiegungsstelle noch cubischen Epithelien in eine Reihe cylindrischer Zellen, der Ameloblasten, die zur Schmelzbildung überzugehen scheinen, sobald auch die innere Odontoblastenlage in gleicher Weise parallel nebeneinander geordnet sich zur Dentinbildung anschickt. Der äussere, von zarten Gefässen begleitete Epithelsaum funktioniert aber nur eine kurze Zeit und wird allmählich durch das fortschreitende Wachstum der Keimkrone innerhalb der Schmelzpulpa von dem inneren Epithel, der Ameloblastenreihe erreicht (Tafel 52, Fig. 4), und zwar zunächst stets an Stellen des stärksten Wachs- tums, nämlich an der Spitze beziehungsweise an den Höckern der Krone. Während jener über der Spitze gelegene äussere Schmelzepithelsaum nun resorbiert wird, erhalten sich dessen Seitenflügel bis zum Durchbruch des Zahnes und fungieren mit dem inneren als vereinigtes Schmelzepithel (Tafel 55, Fig. 15). „Einen völligen Schwund der äusseren Schmelz- membran,‘ wie Zuckerkandl schreibt, konnte ich vor dem Zahndurchbruch nicht entdecken, wohl aber eine teilweise Perforation dieser Zellage. Dagegen stimme ich diesem Autor bei, dass mit dem Augenblick der Ver- schmelzung beider Epithelreihen „dem Gefässystem eine Rolle zufalle; es treten im Umkreis der Epithelien zahlreiche Gefässe auf,“ die das in Begleitung des äusseren Epithels Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 629 befindliche Capillarnetz verstärken (Taf. 52, Fig. 4). Gleichzeitig nimmt auch der äussere Saum, das Zahnsäckchengewebe, an der Gefässvermehrung teil (Taf. 51, Fig. 2; Taf. 52, 53, Fig. 5, 6). Damitrist, wie mir scheint, ieiner der Haupt- faktoren aufgetreten, der für das Zustande- kommenderMilchzahnresorptionnotwendigist, die Hyperämie, die eine Veränderung des Stoff- wechsels und der Ernährung oberhalb des Keimes bedingt oder, wie Pommer (59) sich aus- drückt, „die Steigerung des Blutdruckes und da- durch bedingte quantitative und qualitative Änderung des Gewebes, d. i. der Ernährungs- flüssigkeit“ herbeiführt. Während die Keimanlagen des permanenten (rehisses (ie über ihnen liegende Milchzahnreihe zu beseitigen haben, um nach aussen gelangen zu können, bestehen bei der Entwicke- lung der letzteren ungleich günstigere Verhältnisse. Wenn auch die Milchzahnkeime schon frühzeitig bei der Entstehung des Alveolarfortsatzes basal und seitlich mit einer knöchernen Kapsel versehen zu werden pflegen (— gedeckt von einer binde- gewebigen Membran, die zuweilen ossificiert —) und sich in dieser Schutzhülle zur Ausbildung anschicken, so haben sie, wenn überhaupt, doch eine immer nur dünne Spongiosa- schicht an der für ihren Durchbruch geeigneten Stelle zu per- forieren. Die um den jungen Keim gebildete Knochenkapsel ist nın ebenso dem fortgesetzten Wachstum unterworfen, wie der gesamte Alveolarfortsatz, d. h. an bestimmten Flächen er- folgt Apposition neuer Knochensubstanz, an gegenüberliegenden Stellen aber Resorption (Tafel 51, Fig. 1; Tafel 54, Fig. 1). Dadurch, dass dieses Wechselverhältnis in bestimmten gesetz- mässigen Grenzen erhalten bleibt, erfolgt bekanntlich die räum- liche Ausdehnung des Knochengewebes. Bei der Zahnentwicke- lung sieht man die gesamte innere Wandfläche der Keimalveole 630 G. FISCHER, in Absorption begriffen, während peripher Zeichen deutlicher Reproduktion wahrzunehmen sind. Nur die in der Wachs- tumsrichtung des Keimes gelegene Knochendecke ver- hält sich ebenso wie ein „atrophisches Knochengewebe“, indem der durch die lacunäre Resorption, sowie die durchbohrenden Kanäle bedingte Verlust an Knochensubstanz nur unvoll- ständig durch Apposition wieder ersetzt wird, so dass all- mählich eine knochenfreie Schicht über der Keimkrone geschaffen wird. Der Grund für dieses Missverhältnis zwischen An- und Abbau liegt zweifellos in der Veränderung der Ernährungsverhältnisse und feinerer cellulärer Vor- sänge, die durch das in der Tiefe vorrückende Keim- gewebe veranlasst werden und daher naturgemäss vor allem die in der Richtung des Wachstums desselben gelegenen Gewebe betreffen müssen. In ähnlicher Weise sieht man auch im Umkreise des bleibenden Zahnkeimes, solange die Wurzelbildung noch nicht begonnen hatte, an der inneren Spongiosawand Resorptionsprozesse vor sich gehen, denen am Aussenrande Apposition neuen Knochenmaterials ent- spricht (Tafel 51, Fig. 2; Tafel 53, Fig. 6). Der von Walk- hoff (84) vertretenen Ansicht, dass der sich entwickelnde Zahn- keim seinen Platz nicht durch Resorption der Spongiosa, sondern allein durch die Kompression derselben erlangt, muss ich auf Grund meiner zahlreichen mikroskopischen Schnitte entgegentreten. Die Verdichtung der basalen Spon- giosaschale, die bei Röntgogrammen erkenntlich ist, rührt von der sclerotischen Beschaffenheit des hier gebildeten Knochengewebes her. Dieselbe fasse ich aber keineswegs als Ergebnis von Druckwirkungen auf, sondern durch sesetzmässige, dem Zweck der basalen Knochenspange entsprechende Bildungs- vorgänge bedingt. Denn diese basale Knochenleiste wird häufig sehr spät entwickelt zu einer Zeit, wo das Wachstum des Keimes weit vorgeschritten ist. Hier musste der nach oben drängende 631 Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne”ete. Textfigur ie 632 G. FISCHER, Keim die Zeit vorher ohne knöcherne Widerlager an der Basis auskommen, nur gestützt auf die seitlichen Spongiosaschichten (siehe Tafel 63, Fig. 35 u. 36). Im übrigen wird die sclerotisch angelegte knöcherne Basalschicht beim späteren Vorgange der Wurzelbildung pulpawärts wieder resor- biert, durch Anbildung auf der entgegengesetzten Seite aber in der ursprünglichen Stärke erhalten (Tafel 64, Fig. 38; Text- figur 1). Sobald sich aber die junge Pulpa unter Beteiligung des Zahnsäckchens, sowie von Ausläufern des basalen Schmelz- epithels zur Wurzelbildung nach der Tiefe einsenkt, findet auch im Innern der Spongiosa seitlich um die jungen Wurzeln Knochenreproduktion statt, es kommt zum Bau der Alveolar- septen; basal jedoch bleibt die Absorption für das Tiefen- wachstum des Wurzelkörpers noch bestehen (Tafel 54, Fig. 11; Tafel 63, Fig. 35, 36; Tafel 64, Fig. 37). Nur die ın der Um- gebung der jungen Krone befindlichen Gewebe verharren in jenem oben beschriebenen Zustand, indem sie den durch die Resorption entstandenen Verlust durch genügende Apposition nicht auszugleichen vermögen. Sie werden vorwiegend in der Wachstumsrichtung des Ersatzzahnes von diesem Missverhältnis betroffen und zeigen hier die einzelnen Auflösungsprozesse (Tafel 52, 53, Fig. 5, 8; Tafel 53, 54, Fig. 9, 10; Tafel 55, Fig. 14; Tafel 57, Fig. 21; Tafel 63, Tafel 64, Textfigur 1). Am Zahnhals des Keimes geht die Resorptionszone in eine kurze indifferente Zwischenschicht über, die hinter diesem einer osteoblastischen Zellreihe weicht (Tafel 53, Fig. 8, Tafel 54, 55, Fig. 11, 12; Tafel 63, Fig. 35; Tafel 64, Fig. 37). Es findet somit während der Entwickelung der Keimkronean der Innenfläche der dieser anliegenden Knochenkapsel keine Apposition statt, wie frühere Forscher glaubten, sondern vorwiegend Resorption. Im Bereich der Knochendecke Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 633 jedoch und vor allem am äussersten Rande tritt Resorption und Apposition an korrespondierenden Flächen auf, stets aber in einem für die Apposition ungünstigen Verhältnisse, so dass schliesslich die Knochenmasse verschwindet. DieAbwechs- lungvonAn-undAbbauinnerhalbderSpongiosa ist daher von dem jeweiligen Entwickelungs- stadium und der Läge des Ersatzzahnes ab- hängig. Auffällig ist die verschiedene Verbreitung der Resorptions- lacunen, die aber verständlich wird, wenn wir einen vom Keim ausgehenden Einfluss annehmen, der sich in mannigfaltiger Weise äussern kann. In der Wachstumsrichtung er- reichtderselbe seine höchste Intensität und führt hier zum stürmischen Verlauf der Auflösung unter Bildung dichtgedrängter breiter und tiefer Lacunen, während seit- lich und entfernt davon mehr und mehr kleine seichte Knochenmulden zutage treten und den gemässigten Verlauf charakterisieren (Taf. 53, Fig. 8; Tat. 53, 55, Fig. 9; 12; Taf. 57, Fig. 21; Taf. 63; Taf. 64). Eine höchst bemerkenswerte Rolle spielt dabei das Gefässystem, das im Resorptionsbezirk je stärker um so dichtere, kurz gedrungene Capillargeflechte entwickelt im Gegensatz zu den langgestreckten meist parallel dahinziehenden Capillarröhren im Bereich der Appo- sition (Tafel 54, Fig. 11; Tafel 56, Fig. 16) ). Die indifferente Zwischenschicht am Zahnhals ist wieder durch eine sparsame Vascularisierung ausgezeichnet (Tafel 53, Fig. 8; Tafel 55, Fig. 12; Tafel 58, Fig. 19; Tafel 63, Fig. 35; Tafel 64, Fig. 37). Beschränken sich nun diese Auflösungsvorgänge nur auf die der Keimkrone dicht anliegende Knochen- bezw. Dentin- schicht, also auf die Randzone, oder durchsetzen sie mehr oder minder intensiv das gesamte Gewebe über dem Er- satzzahn ? Es wird das gesamte über dem Keim gelegene ı Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 4i 634 G. FISCHER, Gewebe Schritt für Schritt abgebaut, und zwar je nach der Dichte. der sich entgegenstellen- den- Texturen in. -grösserer oder seminsewen Flächenausbreitung. Das Resorptionsgeschäft pflegt an- fänglich, wie Kallhardt richtig erkannte, die Hartgewebe der Milchzahnwurzeln zunächst noch nicht zu befallen. Die ersten Auflösungswirkungen machen sich am Rande und innerhalb der Spongiosa geltend, die zwischen Keim und zugehörigem Milchzahn, sowie seitlich davon in der Durch- bruchszone des Ersatzzahnes gelegen ist (Taf. 52, Fig. 3; Taf. 52, 33, Fig. 5, 6). Das Zahnsäckchen, welches diesem Knochengebiet anliegt, zeigt an der Peripherie eine so starke Überfüllung der Gefässe, dass man ohne Übertreibung von einer wahren Hyperämie sprechen kann. Diese Vermutung wird auch durch genaue Prüfung bei starker Vergrösserung bestätigt. Das gefässreiche Granulationsgewebe zeigt massenhaft Jeuco- cyten (Taf. 59, 61, Fig. 25, 28; Textfig. 2). Diese Annahme macht es auch verständlich, dass von dem hyperämischen Capillar- netz aus zahlreiche Sprossen in die Knochensubstanz ein- dringen, um dieselbe zu durchbohren (Tafel 53, Fig. 6; Tafel 62, Fig. 34). Andere Gefässschlingen legen sich dicht an die lacu- näre Knochengrenze, von zahlreichen Riesenzellen umsäumt Tafel 52, Fig. 5; Tafel 56, Fig. 16; Tafel 58, Fig. 23; Tafel 62, Fig. 30; Taf. 63, Fig. 35, 36). Auch die innerhalb der Havers- schen Kanäle verlaufenden Gefässe sind prall gefüllt und unter- halten einen lebhaften Resorptions- und Appositionsprozess, wobei aber stets ein Überwiegen der Absorption zu erkennen ist (Tafel 61, Fig. 29). Die Folge davon muss die fortgesetzte Erweiterung der Haversschen Räume sein (Taf. 51, 52, Fig. 2, 3; Taf. 52, 53, Fig. 5, 6). Ferner werden auch die Markhöhlen von hyperämischen Gefässnetzen beherrscht und ausgedehnt (Taf. 53, Fig. 6). So breitet sich die Hyperämie mehr und rıehr aus, um schliesslich auch das eigentliche Milch- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 635 zahngewebe zu befallen, dort ähnliche Veränderungen hervor- rufend, wie weiter unten näher erörtert werden soll. Für die Intensität der Absorption ist stets die Richtung des wachsenden Keimes massgebend; denn die der Kronenspitze zunächst liegende (Gewebsfläche pflest am stärksten resorbiert zu werden. Bei einwurzeligen Milchzähnen Textfigur 2. wird zunächst stets die linguale Wurzelfläche (Taf. 52, Fig. 3; Taf. 63, Fig. 35), bei mehrwurzeligen werden die in der Bifurcation der interalveolären Spongiosa befindlichen Wurzelgebiete zuerst ergriffen (Tafel 52, Fig. 3). Dass ‚bei einwurzeligen Zähnen”, wie Kallhardt glaubt, „die dem Keime nicht zugewandte Wurzelhaut, bei mehrwurzeligen Zähnen das labiale und lin- guale Periodontium ausgedehnte Resorptionstätigkeit an der “ist zutreffend (Taf. 57, 41* Innenseite der Milchzahnalveole aufweise, 636 G. FISCHER, Fig. 21). An Serienschnitten sah ich aber, dass es sich in solchen Fällen um eine Fernwirkung der Auflösung handelt, die von einem in anderer Ebene gelegenen Resorptionsherd desselben Zahnes ausgegangen war (Tafel 57, Fig. 21). Dass die Wachstumsrichtung ausschlaggebend für die Ausbreitung der Absorption sein muss, beweist ferner die Tatsache, dass die Wurzelspitzen, zuweilen grössere Strecken des Wurzel- körpers der Milchzähne, noch in der Tiefe des Kiefers nahe den Wurzeln des eben durchgebrochenen Zahnes persistieren können, um erst später in der Alveole organisiert zu werden. Es handelt sich hier stets um die divergierenden Wurzeln von Milchmolaren. In Fig. 22, Tafel 58 und Tafel 64 sieht man deutlich, wie ein grosser Teil der Wurzelspitze durch die in der Wurzelmitte erfolgte Auflösung der Hartsubsianzen, die zur Perforation führte, vom Kronenabschnitt getrennt wurde. Im Umkreise dieses Fragmentes ist ein spindelzelliges weder osteoblastische noch osteoclastische Funktionen verratendes Bindegewebe angesiedelt. Innerhalb der Resorptionssphäre be- herrscht der Gefässreichtum des Zahnsäckchens das Bild, hier die Intensität der Auflösung markierend (Tafel 53, Fig. 8; Taf. 53, 54, Eig.9, 10; Taf.57, Fig.21; Taf.63; Taf. 64.510.377 Man kann sich beim Anblick eines solchen Bildes der An- nahme nicht verschliessen, dass das Wachstum des Keimes die treibende Kraft abgibt, indem dasselbe die Hyper- ämie auslöst und damit gleichzeitig alle jene Faktoren, welche zur Resorption von Geweben notwendig sind. Nicht ein einziger Befund spricht dafür, dass einzelne Gewebe, z. B. die Wurzelhaut des Milchzahnes, wie noch Kallhardt annahm, eine spezifische resorbierende Tätigkeit entfalten. Alle über dem Keim gelegenen und zu resorbierenden Texturen verhalten sich dem Prozess der Auflösung gegenüber vielmehr völlig passiv. Dass die erste Resorptionstätigkeit nach Kallhardt die Alveole des Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 637 Milchzahnes, nicht das „Zahnbein“ befällt, ist demnach nur natürlich, da eben die alveoläre Spongiosa räumlich zuerst von dem gefässreichen Saume des Zahnsäckchengewebes be- einflusst wird. Wie schon Kallhardt angibt, findet man im vorge- schrittenen Stadium der Auflösung nicht nur die dem Keim benachbarten Gewebe ergriffen, sondern man sieht, wie die Hyperämie, die die Spongiosa auf dem Wege der Ernährungs- kanäle durchsetzt, auch im Bereich des Ligamentum cir- culare aufgetreten ist und hier eine ausgedehnte Absorptions- höhle am Zahnhals schaffen kann (Tafel 53, Fig. 9; Tafel 57, Fig. 21). Dass dieselbe nicht von dem Gewebe des Perio- dontium als solehem, sondern durch das Fortschreiten der Hyperämie vom Granulationsgewebe gebildet wurde, ist ausser Zweifel. In Figur 9, Tafel 53 sieht man, wie die Dentinsubstanz lingualwärts in grosser Ausdehnung zum Schwund gebracht worden ist, wie Riesenzellen und ein gefässreiches Granulationsgewebe den inneren Rand der Re- sorptionshöhle umsäumen. Auffälligerweise wuchert auch das Schleimhautepithel auf der Höhe der Granulationen unter der Dentingrenze hin (Tafel 58, Fig. 22; Textfig. 3). Gegenüber be- wegt sich der gleiche Prozess noch im Anfangsstadium. Auch hier ziehen Proliferationen des Epithels am Zement entlang nach der Tiefe, um an geeigneter Stelle in den Resorptions- prozess einzugreifen (Tafel 57, Fig. 20). Ganz ähnliche Auflösungsherde am Ligamentum circulare hat auch Römer in seiner Arbeit über die Replantation von Zähnen (Deutsche Monatsschr. f. Zahnheilk. 1901, S. 297) fest- gestellt und in seinen Fig. 1, 2, 3, 11, 15 und 16, 20 ver- veranschaulicht. Auch hier handelte es sich um „typische Re- sorptionsbuchten, welche ausgefüllt sind durch ein Bindegewebe, das sehr reich an Blutgefässen und ovalen und spindelförmigen Bindegewebszellen (Osteoclasten) ist.“ Römer nahm ein ge- fässreiches Granulationsgewebe an, welches „durch Hinein- wachsen vom Periost aus, sei es durch tiefgehende Resorptions- lücken oder nach längerer Dauer auch durch das Foramen apicale die necrotischen Pulpareste verdrängt‘, genau so, wie er bei Granulomen, Cystenbildungen an der Zahnwurzel sehr bäufig beobachtet habe, ‚dass das Granulationsgewebe vom Textfigur 3. Foramen apicale aus in die Wurzelkanäle und die Pulpakammer ‘“s hineingewachsen sei.“ In seiner Fig. 20 stellt Römer dieses Verhalten dar, ‚‚wo das hineinwuchernde Granulationsgewebe so- gar Epithelstränge enthält.“ Auch das Verhalten breiter Molarenkronen, die seitlich nach Kallhardt „eine Strecke weit nicht nur zur Zerstörung der Keimalveole, sondern auch des Cementes und Zahnbeines der Milchzahnwurzel‘‘ geführt haben, während ‚die deckende Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 639 Knochenschicht noch unversehrt erhalten ist‘, zeigen die Bezie- hungen zwischen Keimwachstum und Absorptionswirkung. Da anfänglich das Seitenwachstum der Molarenkrone stärker als die Höhenausdehnung zu sein scheint, erlangt hier die seitliche Wachstumsrichtung zunächst grössere Bedeutung. Andererseits wird die über dem Keim befindliche Knochenmasse, dıe dem Textfigur 4. ungleichmässigen Wechsel von Resorption und Apposition unterworfen ist, noch lange Zeit als Deckschicht funktionieren, da die Produktion neuer Substanz immerhin noch zu ihrer Aus- dehnung beiträgt (Taf. 61, Fig. 29). Dieselbe ist nicht selten eine so beträchtliche, dass die neu eingelagerte Knochenmasse oft tief in das an der Bifurcation freigelegte Pulpagewebe des Milch- zahnes vorgeschoben wird, was auch Kallhardt in seiner 640 G. FISCHER, Fig. 4, Taf. 52 zur Anschauung gebracht hat, ohne allerdings das fortgesetzte WachstumvonKnochengewebe darin erkannt zu haben. Wir haben hier keineswegs Druckerschei- nungen seitens des darunter befindlichen Keimgewebes vor uns, wie verschiedentlich angenommen wurde, sondern. ledig- Textfigur 5. lich das Ergebnis der neben der Resorption noch tätigen Reproduktion (Textlig. 4, 5). In der oben zitierten Römerschen Arbeit tritt ebenfalls die neben der Resorption stets vorhandene Tendenz zur Appo- sition neuer Schichten hervor. Dieser Autor schliesst daraus, dass dann, wenn die Periostzellen Energie genug haben, neue Knochen- bezw. Cementsubstanz zu bilden, sekundär eine feste Vereinigung mit der Alveolenwand erfolgen kann. Denn es Anatom. Hefte [Abteitung 116. Het138 Bd11.2) Kgl. Univers-Druckerei v, H. Stürtz, Würzburg. N EEE ur h g En Erg Tafel 53/54 Verlag von J.F.Bergmenn, Wiesbaden. “ . % 0 4 je Anatom, Hefte PAbteitung 116.Heft(38.Bd.H.2) ! Tafel 3; [3 - Na Er, Fig, 13. Fig.17 His 14 Fig 15 Verlag von J.F. Bergmann, Wiesbaden. Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 641 wird der replantierte und bewegliche Zahn einen beständigen Reiz auf die Alveolenwand ausüben, worauf die Periost- zellen physiologisch durch Knochenneubildung reagieren. So sieht man bei Fig. 2 (der Römerschen Arbeit), wie der Alveolarknochen gewissermassen den grossen Resorptions- lücken entgegenwächst und bei Fig. 15, wie es zu einer knöchernen Vereinigung zwischen Wurzel und Knochen ge- kommen ist.“ Mir scheint indes auch bei der Replan- tation der Anreiz zur Knochenbildung nur durch die hoch- gradige Veränderung des Stoffwechsels innerhalb der Spongiosasepten bedingt. Ebenso wie bei der Milch- zahnresorption stellt sich ein gefässreiches Granulationsgewebe ein und führt einerseits zur Resorption, andererseits zur Re- produktion neuer Knochenmasse. Tritt nun der replantierte Zahn unter günstigen Bedingungen, d. h. mit noch lebens- fähiger Wurzelumhüllung mit dem Alveolengewebe in Be- rührung, so werden die beim Wachstum normalen Bezie- bungen zwischen An- und Abbau geschaffen, es kommt zur Befestigung der Wurzel; andererseits aber wird ein im necrotischen Zustande replantierter Zahn niemals in nor- male Wachstums- und Heilungsvorgänge eingeschaltet werden können, da das replantierte tote Gewebe sich im Widerstreit mit der normalen Circulation der Umgebung befindet, und ein Überwiegen der Resorption ebenso wie beim Durchbruch der bleibenden Zähne nicht zu verhindern vermag. Kommt es hier- bei trotzdem zu einer teilweisen Knochenbildung um die als toter Fremdkörper wirkende Zahnwurzel,“ so wird dieselbe keineswegs in die Alveole einheilen können, wie Römer selbst annahm, sondern sich ebenso verhalten wie das Milchzahn- gewebe, das trotz erfolgter Neubildungsprozesse schliess- lich doch verschwinden muss. Das Dentingewebe lässt ebenfalls aber in weit geringerem Masse eine dem Auflösungsprozess parallel gestellte Neubildung 642 G. FISCHER, von Dentinsubstanz erkennen. Es zeigt sich stets, dass an den der Resorption gegenüberliegenden Dentinzonen im Pulpagewebe eine stärkere Zelltätigkeit einzusetzen pflegt, die zum An- bau neuen Dentins führt (Textfig. 6). Sobald aber die Textfigur 6. Pulpahöhle eröffnet und selbst den Schauplatz für die Resorp- tion abgibt, bleibt jede weitere Dentinneubildung aus. Am Dentin findet sich ferner kurz vor Schwund der letzten Lamelle eine Erscheinung, für die keine andere Erklärung ver- bleibt, als dass auch Druckreize vom Resorptionsherd aus auf dıe zarte Elfenbeinschale einwirken müssen. In Fig. 13, Taf. 55 sieht man, wie das Dentin der Milchzahnwurzel noch als Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 643 feiner Streifen erhalten ist, hinter dem an Stelle der Odonto- blasten stärker gefärbte Rundzellen auffallen. Vor demselben be- findet sich das in intensiver Tätigkeit stehende Resorptions- gewebe. Die zarte Dentinlamelle ist deutlich pulpawärts einge- drückt, also der vom Keim herrührenden Spannung ausweichend. Die Pulpa selbst zeigt im Umkreise der ResorptionVeränderungen. ihrer Zellstruktur, als zwischen den Spindelzellen zahlreiche Leu- cocyten aufgetreten sind (Taf. 59, 61, Fig. 25, 28; Taf. 62, Fig. 31 bis 33; Textfig. 2). Die Odontoblasten besitzen nur ausserhalb dieser Zone noch ihre cylindrische Gestalt, die je näher zum Auflösungsherd mehr und mehr verkleinert erscheint. Die unter ihnen gelegentlich sichtbare Weilsche Schicht, über deren Verhalten Landois und ich in einer speciellen Arbeit (25) berichtet haben, ist nicht mehr erkennbar. Mit dem Vordringen des capillarreichen Resorptionsgewebes finden sich auch die Riesenzellen am Dentin ein und schlagen tiefe Lacunen in dessen Grundsubstanz (Taf. 56, Fig. 16; Taf. 55, Fig. 14; Taf. 57, Fig. 21; Taf. 59—61,. Fig. 25—28; Taf. 63). Diese Veränderungen im Pulpagewebe sind aber wieder nur in der Wachstumsrichtung des Keimes am auffälligsten, um ausserhalb dieser Sphäre in den Hintergrund zu treten (Tafel 52, Fig. 3). „Genau gegen- über der Kronenspitze des Keimes,“ wie Kallhardt schrieb, „ist bereits der ganze Boden der Milchzahnpulpa durchbrochen, nur einzelne Reste von Zahnsubstanz zeigen noch den ursprüng- lichen Zusammenhang an.“ Dass das Pulpagewebe, welches nun in direkte Beziehung zum Periost bezw. zur Spongiosa gelangt, „auch in diesem Stadium von dem andrängenden ge- wucherten Periodontium sehr wenig beeinflusst werden soll,“ kann ich Kallhardt nicht beipflichten. Denn das Knochen- gewebe, dessen Züge man in die Pulpa genau verfolgen kann, schiebt das Pulpagewebe nicht zur Seite, ohne dass letzteres nachweisliche Veränderungen erkennen lässt. Die Pulpasubstanz nimmt selbst den Charakter eines entzündlichen Gewebes an 644 G. FISCHER, und gibt in dieser Beschaffenheit die Grundlage zu meta- plastischen Bildungen ab, insonderheit von Knochen- substanz. Da dieser Anbau aber, wie wir sahen, in einem Missverhältnis zum Abbau steht, so muss auch die ın der Pulpa neu gebildete Substanz bei fortgesetzt intensiver Resor- ptionstätigkeit schliesslich verschwinden, so dass der Durch- bruch des Ersatzzahnes erfolgen kann (Textfigur 2, 4, Tafel 59, Fig. 25). Im Verlauf der höchsten Resorptionsbewegung soll nach Kallhardt die Grösse derselben in keinem Verhältnis mehr zum Wachstum des Keimes stehen: „sie ist diesem an Inten- sität und Schnelligkeit weit voraus.“ Dieser Autor gründet seine Annahme darauf, dass die Ausbreitung des resorbierenden Gefässnetzes im letzten Stadium der Auflösung eine sehr viel grössere würde, sobald nämlich die Milchzahnpulpa selbst ın den Prozess miteinbezogen sei. Da dieselbe aber als zartes weiches Gewebe dem vordringenden Resorptionssaum keinerlei Widerstand entgegenzusetzen vermag, so wird sie bald von neugebildeten Gefässen durchzogen (Tafel 54, Fig. 10), und ihre Grundsubstanz in ein grosszelliges Granulationsgewebe ver- wandelt (Tafel 59, Fig. 25). An der dentinogenen Schicht breitet sich dasselbe in Gestalt der lacunären Resorption aus. Hier zeigt sich in klarer Weise, wie die Osteoclasten zu Riesen- zellen angewachsen, am inneren Dentinrand hinkriechen und überall tiefe Lacunen und Buchten bilden (Tafel 57, Fig. 21; Tafel 59-61, Fig. 25—28). Daneben dringt auch von der hyper- ämischen Schleimhautpapille, wie wir wissen, nicht selten wucherndes Epithel vor, um sich am Zahnhals in eine tiefe Resorptionshöhle einzulagern. Wenn daher die Auflösung innerhalb der Pulpa angelangt, hier grössere Fortschritte macht, während der Keim in der gleichen Intensität nachzulassen scheint, so hat das keinen anderen Grund, als dass nach Beseitigung der Hartsubstanzen über der Keimspitze solche Beitrage zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 645 Zustände geschaffen sind, die infolge günstiger Diffusions- verhältnisse eine rasche und grosse Ausbreitung der Re- sorptionsschicht herbeiführen konnten. Diesen neuen Be- dingungen entsprechend nimmt aber auch der Ersatz- zahn ein rascheres Wachstumstempo an und folgt direkt hinter dem Zahnsäckchengewebe, den Kronenrest vor sich herschiebend (Tafel 54, Figur 10; Tafel 58, Fig: 22; Tafel 63, Figur 36). Es ist nicht einzusehen, warum diese Beziehungen, die zwischen der Wachstumsenergie les Keimes einerseits und der Resorptionswirkung andererseits von An- fang an bestanden haben, sich kurz vor dem Durchbruch, wo die Verhältnisse nur günstiger geworden sind, ändern sollen. Berechtigter scheint ein Überwiegen der Wachstums- stärke des Keimes gegenüber dem Auflösungsprozess der Spongiosa am-Anfang der Resorption, wo sich der Ersatz- zahn häufig unmittelbar unter der Wurzel des zugehörigen Milch- zahnes aufhält. Hier pflegt direkt am Wurzeldentin das Ab- sorptionsgewebe und hart darunter wieder die Schmelzkuppe des jungen Zahnes anzuliegen. Das feine Capillarnetz streckt sich dann unter einer flach lacunären Einschmelzungsgrenze aus, von zahlreichen langgeformten Riesenzellen be- gleitet (Tafel. 53, Fig: 9; Tafel’58, Fig. 23; Tafel 62, Fig. 30; Tafel 63, Fig. 36). Es ist anzunehmen, dass hier der Wider- stand des harten Dentingewebes der in der Resorptionszone entwickelten Intensität gegenüber noch im Nachteil ist. Kallhardt will in einem Falle, wo der Milchzahn bereits ausgefallen war, festgestellt haben, dass die in Granulations- gewebe umgewandelte Pulpa zurückgeblieben sei und „nun den früher von der Milchzahnwurzel eingenommenen Raum vollständig ausgefüllt habe und selbst gegen die Mundhöhle zu, genau wie vorher, durch einen derben Bindegewebsstrang abgeschlossen sei.‘“ Nach dieser Darstellung müsste die Pulpa nach Resorption ihrer Dentin- und Schmelzkrone noch als 646 G. FISCHER, solche im Kiefer fortbestehen können, eine Anschauung, die ich dureh nichts gerechtfertigt sehe. Im Gegenteil, die Pulpa wird sogar häufig bis auf die letzten Odontoblasten zum Granu- lationsgewebe umgewandelt, in dessen ganzem Umkreis die Dentinmasse aufgelöst wird. Dieses Granulationsgewebe selbst geht aber in dem andringenden Zahnsäckchengewebe auf (Taf. 58, Fig. 22). Dadurch schwindet die Elfenbeinsubstanz mehr und mehr und büsst die innigen Beziehungen ein, die sie durch die Tomesschen Fasern und Neumannschen Scheiden zur Pulpa unterhalten hatte. Ein geringer Anlass mechan Ls.chhresr Natur ist imstande, das meist pulpalose Kronenscherbehen von seiner Umgebung abzulösen. In Ausnahmefällen kann aller- dings ein Pulparest in der ausgefallenen Krone zurückbleiben (Tafel 58, Fig. 22). Dass zur Exmittierung solcher pulpaloser Kappen auch das wuchernde Epithelgewebe beiträgt, habe ich oben gezeigt (Tafel 64, Fig. 38, Textfig. 3). Desgleichen ist uns bekannt, dass noch Wurzelreste in der Tiefe des Kiefers vorhanden sein können, wenn die Krone längst abhanden ge- kommen ist, „so im oberen Teile eine schmale Partie der labialen Wand der Wurzel mit Cement und Zahnbein, ausser- dem noch die Cementhaube der Wurzelspitze,“ wie sch Kall- hardt beipflichte (Tafel 58, Fig. 22; Tafel 64, Fig. 38). Dabei treten nur von der Pulpa her, also keimwärts an solchen Wurzel- resten noch Resorptionslacunen mit Riesenzellen auf, während der entgegengesetzte Wurzelteil glatt verstreicht (Tafel 64, Fig. 38). Erinnern wir uns der oben mehrfach betonten Tat- sache, dass der Resorptionsakt stets nur in der Durchbruchs- richtung des Keimes erfolgt, so kann es nicht wundernehmen, dass vom buccalen Wurzelrande aus, um Kallhardt zu folgen, „keine Resorptionslacunen zu erkennen sind, wohl aber solche in starker Ausdehnung und mit reichlicher Riesenzellenbildung von innen, also von der Pulpa her“ (Tafel 53, Fig. 8; Tafel 63, Fig. 35). Die dem Keim zugekehrte Fläche der Wurzel Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 647 wird nur soweit von der Resorption ergriffen, als die Auf- lösungssphäre im Umkreise des Ersatzzahnes reicht. Da nun die divergierenden Wurzeln der Milchmolaren meist weit vom Keim besonders hinter seiner Wachstumssphäre liegen bezw. dahinter gelangen, so findet man bei diesen Zahnformen regel- mässig eine Absplitterung des apicalen Wurzelendes, das erst viel später nach erfolgtem Durchbruch des Ersatzzahnes ver- schwindet (Tafel 53, Fig. 8; Tafel 57; Tafel 63, Fig. 35; Tafel 64). Allein diese Beziehungen zwischen Wachstumsrichtung des Keimes und Resorptionswirkung machen es erklärlich, warum die Hauptmasse der Milchzähne infolge ihrer Lagerung über den Keimen zur Einschmelzung gelangt, mehr oder weniger ausgedehnte Wurzelreste aber erst später nach Durch- bruch des jungen Zahnes. „Dass gerade die äussere Zahn- wand die wenigsten Resorptionsvorgänge aufweise,“ wie v. Metnitz konstatiert, und schliesslich auch als letzte Schale persistiere, ja dass sogar allein durch die Resorptionstätigkeit der Pulpa von innen heraus die Milchzahnwurzel in 2 Teile getrennt würde, trifft zwar zu, aber nur für die Fälle, indenendie Wachstumsrichtung des Keimeszur Pulpamitte eingestellt ist oder quer dazu, so dass die Wurzel in zwei ungleichmässige Teile zerfallen muss (Tafel 53, Fig. 8; Tafel 63, Fig. 35; Tafel 64, Fig. 37). Mit diesen hier geschilderten Verhältnissen ist aber die Wirkung der Absorption keineswegs als abgeschlossen zu be- trachten, sondern wir sehen auch an Stellen, die sich In grösserer oder geringerer Entfernung von diesem Herde befinden, so an der inneren Alveolarspongiosa und äusseren Wurzel- fläche ausgedehnte Auflösungsregionen (Taf. 52, Fig. 3; Taf. 53, 54, Fig. 5, 8; Taf. 53, Fig. 9; Taf. 57, Fig. 21, 26; Taf. 61, Fig. 29). Hier herrschen die grossen flachen und seichten Lacunen vor, in denen auch stets Gefässschlingen zu finden sind. Die How- shipschen Gruben zeigen da einen ausserordentlichen Reich- 618 G. FISCHER, tum an Zellen verschiedenster Formen, von kleinen ovalen Plasma- und länglichen Spindelzellen an bis zu den viel- kernigen Osteoclasten (Tafel 56, Fig. 16; Tafel 61, Fig. 28; Tafel''62,. Fig. 31, 32b). Immer also bleibt das Vorhandensein des Einflusses, der von dem wachsenden Keim ausgeübt wird, massgebend für die Unterhaltung des Absorptionsprozesses. Denn sobald die Krone des Ersatzzahnes weiter vorwärts rückt, gleitet sie nicht selten an Gewebspartien, z. B. den Resten von diver- sierenden Molarenwurzeln vorbei und ändert damit die für dieselben vorher massgebenden Faktoren. Der vom Keimgewebe bisher ausgegangene Einfluss, der eben zur Auflösung führte, bleibt nach dem Vorbeigleiten der Krone aus. Unter neue Bedingungen gestellt, finden sich andere Wirkungen ein, und zwar vorwiegend solche, die in einer Reproduktion neuer Schichten ihren Ausdruck finden (Tafel 54, Fig. 11; Tafel 64, Fig. 37). Die Frage, welches Gewebe, ob die Pulpa oder das Dentin, der Absorption den grösseren Widerstand entgegensetze, ent- schied Kallhardt unerklärlicherweise dahin, dass vor der eigentlichen Durchbruchsperiode „mehr die Pulpa das Organ zu sein scheine, das den Widerstand leiste, nicht das Zahnbein; später aber wandele sich diese anfängliche Differenz gerade ın das Gegenteil um. Demgegenüber ist es für mich ausser Zweifel, dass das Verhalten der einzelnen Milchzahngewebe während les gesamten Resorptionsvorganges prinzipiell gleich, nämlich passiv bleibt, je nach ihrer speziellen Struktur aber ver- schieden ausfällt. Das harte Dentin wird schwerer resorbiert als Knochengewebe, und dieses wieder weit langsamer als das kalklose Pulpagewebe. Dass sich diese Texturen der Resorption gegenüber bald günstig, bald ungünstig verhalten sollen, halte ich nicht für wahrscheinlich. Wenn trotzdem der Resorptions- saum am Dentin wie Knochen, also an ungleich harten Geweben, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 649 mit einer relativen Gleichmässigkeit vorwärts schreitet, so dürfte dies durch die verschiedene Intensität des Auflösungs- prozesses erklärt werden können, d. h. grossem Widerstand durch härtere Gewebe wird ein um so intensiver arbeitendes Resorptionsgewebe zugewiesen, ein Umstand, der feinere bio- chemische Vorgänge bei dem hier bestehenden Wechsel- verhältnis zwischen Druck- und Gegendruckwirkungen ver- muten lässt. Im letzten Stadium der Resorption findet Kallhardt, dass „vom Zahnhalse des Keimes das Zahnsäekchen, das sich zur Wurzelhaut des Ersatzzahnes umbildet, als ziemlich derber und fester Faserstrang zwischen dem neugebildeten Zahnbein und der knöchernen Umhüllung hinziehe und nach unten zu das * Ende der Zahnbeinpapille begrenze.‘“ Mit dem nach unten vor- dringenden Zellstrang der Epithelleiste beteiligt sich das Zahn- säckchengewebe am Wachstum der Keimwurzel. Das Zahn- säckchen wird mehr und mehr zum faserigen, von zahlreichen Bindegewebsfibrillen durchflochtenen Polster, das sich zwischen Cement und Spongiosa ausbreitet. Man erkennt nun deutlich, wie sich das junge Periodontium noch innerhalb dieser Gewebs- masse markiert, indem es als spindelzellige, von straffen Faser- bündeln durchsetzte Membran nach dem Foramen apicale zieht und bis an die äusserste Spitze der jungentwickelten Dentin- substanz verfolgt werden kann (s. Textfig. 1; Taf. 63, Fig. 35; Taf. 64, Fig. 37). Der von hier aus zur weiteren Wurzel- bildung vorgestreckte stärker tingierte Zellwulst besteht pulpa- wärts aus Odontoblasten, gegenüber aus einem stark gefärbten Zellstrang von Epithelien, der stets vor der jüngsten Odonto- blastenlage nach der Tiefe zu vordringt und die führende Rolle bei der Wurzelbildung übernimmt. Dieser an der Umbiegungsstelle doppelte Epithelwulst setzt auch hier bei Bil- dung der Wurzel die ursprüngliche Schlingenform fort, bis das Foramen apicale hergestellt ist (Textfig. 7). Bis dahin bleibt diese Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft ı38. Bd., H. 3). 42 650 G. FISCHER, Epithelschlinge als kontinuierlicher Strang bestehen, während die hinter diesem folgende einzellige Epithelreihe sehr bald von Spindelzellen des Zahnsäckchengewebes durchbrochen wird, so dass der anfänglich solide Epithelmantel mit Ausnahme seiner Spitze als ein Maschenwerk imponiert. Die Epithelien sind in diesem wie Knoten eines Netzes zu kleinen Häufchen grup- piert, die aber meist durch feine Zellbrücken mit- KR Epithel- scheide 15% Epithel- scheide Textfigur 7. einander verbunden sind. In Quer- und Längsschnitten erscheinen daher vornehmlich die Knoten des Netzwerkes als „Epithelnester“‘, die Malassez zuerst beschrieben hat. Am Ende der Wurzelbildung angelangt, wird schliesslich auch der bis dahin solide, führende Epithelwulst von Cement- bildnern durchsetzt und in einzelne Zellgruppen gegliedert, die das Epithelnetz über die gesamte Wurzelfläche abschliessen. Es wird mithin die Wurzelhaut nicht von abgesprenglen, unter- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 651 einander isoliert gelegenen Epithelnestern durchsetzt, wie man seit Malassez annahm, sondern von einem mehr oder minder innig zusammenhängenden Netz- werk von Epithelien durchsponnen. Die Bildung des Wurzelcementes geht nun durch die Maschen dieses Netzwerkes vor sich, indem die Cementoblasten wie Osteoblasten aneinandergereiht auftreten. Verfolgt man die Cementoblastenreihe vom Wurzelende bis zum Ligamentum circulare, jener straffen Faserschicht am Zahnhals, so erkennt man deutlich, wie die am Pulpa- Ce, Cemento blasten << Textfigur 8. wulst befindlichen jungen Cementoblasten mehr und mehr ovale Gestalt annehmen und nicht mehr dicht aufeinander folgen. Es treten vielmehr zwischen ihnen immer stärker entwickelte Bindegewebsfasern hervor, die vom Peridontium aus in einzelnen gewundenen Strängen zur Dentinoberfläche der Wurzel ziehen, um hier in breiter Schicht zu inse- rieren (Textfigur 8, menschlicher Molar). Darüber nimmt die Entwickelung des Peridontiums ihren Fortgang, indem sich auch senkrecht zum Verlaufe der Cementfibrillen zahlreiche Faserzüge nebst Spindelzellen zu einer geordneten Membran aneinander schliessen. Am Zahnhals verdichten sich die Cementbündel mehr 42* 652 G. FISCHER, und mehr; an ihrer Basis eng aneinander gereiht, formieren sie die erste solide Cementlage, wobei die Cemento- blasten für den Prozess der Verkalkung wahrscheinlich die gleiche Rolle spielen wie die Odontoblasten bei der Dentin- bildung. Am Zahnhals lässt ihre Tätigkeit aber sehr bald nach und es entsteht nur eine dünne Cementschicht, die stets mit Ce. D. Ligam eirc. Textfigur 9. einer dünnen Spitze über die letzte Schmelzschicht der Krone greift (Textfigur 9, menschlicher Molar). An dieser Figur sieht man, wie das Cementgewebe an das Schleimhautepithel grenzend den vom entkalkten Schmelz gebildeten Hohlraum mit einem kurzen Fortsatz flankiert. Nach der Wurzel zu nimmt die Aus- dehnung des Cementmantels immer mehr zu, um an der apı- calen Region zu grösster Entfaltung zu gelangen. Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 655 An gesunden menschlichen wie tierischen Zähnen findet man ferner nicht selten, dass diese regelmässige Anordnung der Cementoblasten und ihrer Fibrillenbündel, die lebhaft an die Dentin- und Knochenentwickelung erinnern, unterbrochen wird, indem die Faserbündel streckenweise als längere breite Bündelsysteme über der normalen Cementoblastenschicht ent- wickelt sind. Sie sind dann so aneinander geordnet, dass __. Cemento- u — blasten Textfigur 10. zwischen gleichgestalteten Balken feine Spalträume parallel mit diesen verlaufen, so dass man etwa das Bild einer grob kanalı- sierten Dentinsubstanz zu sehen meint (Textfigur 10, ınensch- licher Molar). Es handelt sich hier augenscheinlich um Neu- bildungsprozesse, die ihre Entstehung besonderen Reizen, z. B. des Kaudruckes, zu verdanken haben. Das Zahnsäckchen besitzt während der Wurzelbildung durch seine zahlreichen grossen Zellen noch typischen 654 G. FISCHER, embryonalen Charakter und unterscheidet sich von dem im Entstehen begriffenen Periost, das hart am Knochen als eine straffe spindelzellenreiche Faserschicht inseriert. Somit „stellen diese beiden genannten Faserschichten,“ um Kallhardt zu folgen, „einerseits die eigentliche Wurzelhaut, andererseits das Alveolenperiost vor,‘ Membranen, bei deren Bildung das Zahn- säckchen hervorragenden Anteil genommen hat. Ce. D. BR Textfigur 11. Das anfänglich zwischen Periodontium und Periost ge- legene Zahnsäckchengewebe wird schliesslich infolge der weiteren Ausdehnung des Knochen- und Cementgewebes ver- drängt; zahllose feinere und gröbere Bindegewebsstränge ver- flechten sich, und die Wurzelhaut vereinigt sich mit dem Periost zum späteren Periodontium. Seine Faserbündel ziehen meist parallel aneinander geordnet an den Seiten der Wurzel radıär, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 655 dem Verlaufe der Dentinkanäle folgend, zum Knochen ausser am Zahnhals, wo sie in mehrfach gekreuzter Lage zum knöchernen Alveolarrand verstreichen, durch ihre innige Ver- flechtung das Ligamentum circulare formierend. Auf diese Weise kommt eine feste und doch elastische Vereinigung der Wurzel mit der Alveole zustande (Textfigur 9 u. 11). Noch vor dem Durchbruch des bleibenden Zahnes, etwa zu Beginn der Wurzelbildung, legt sich am Boden der Keim- alveole eine solid gebaute sclerotische Knochenmasse zu- nächst als zarte Spange an, indem sich meist beiderseits von den Alveolarwänden Knochensprossen eine Strecke weit unter der epithelialen Umschlagfalte vorstülpen und einander zustreben, um sich schliesslich etwa mitten unter der Keim- pulpa zu vereinigen (Tafel 63, Fig. 36; Textfigur 1). Interessant ist, dass diese Spange die gleiche sclerotische Beschaffenheit besitzt wie die buccale Corticalis des Os maxillare oder die buccalen und lingualen Wände der Mandibula. Diese gleich- gebauten Knochenschichten stehen miteinander in fester Ver- bindung und geben durch ihre Anordnung ein sinnfälliges Grundgerüst für die Alveole ab (Tafel 63, Tafel 64). Auch ihre Stärke ist gesetzmässig verteilt. Im Oberkiefer stellt die buc- cale Alveolarwand ein dichtgefügtes dünnes Knochengewebe dar, dem die innere palatinale durch umfangreichere von Mark- räumen durchsetzte Spongiosabezirke an Ausdehnung überlegen ist. Im Unterkiefer ist beiderseits eine sclerotische Alveolar- wand vorhanden. Die basal vom Keim beschriebene Knochen- spange wächst nun je nach Ausbildung der Wurzel ebenso wie diese nach der Tiefe, indem sie pulpawärts resorbiert, auf der Gegenseite apponiert wird, wodurch der anfänglich sehr geräumige Markraum des Unterkieferkanales successive ver- kleinert wird (Tafel 63). Diese Knochenstruktur im Umkreise der Wurzeln ist ferner bei den einzelnen Zahnformen nicht gleichmässig verteilt. So pflegt bei einwurzeligen Zähnen die 656 G. FISCHER, äussere Corticalis dünner angelegt zu sein als die innere, ein Verhältnis, das bei mehrwurzeligen Zähnen in höherem Grade zu bestehen pflegt. Für die klinische Beurteilung krankhafter Vorgänge innerhalb der Alveole gewinnen diese Zustände grosses Interesse, ebenso zur Erklärung der ungünstigen Dif- fusionsverhältnisse am Kieferapparat. Ausser dieser Kompaktheit „findet die Anordnung der neu- gebildeten Spongiosa-Bälkchen,“ wie ich Kallhardt zu- stimme, „in einer auffallend regelmässigen, architektonischen Gesetzen folgenden Weise statt, wodurch sie dem auf ihnen lastenden Druck gegenüber die grösste Widerstandskraft ent- ‘ wickeln können.“ Je weiter die Ausstülpung der Wurzeln nach der Tiefe zu voranschreitet, nimmt naturgemäss auch die Vollendung der knöchernen Alveole daran teil, so „dass sie,‘ um mit Kallhardt zu reden, „das ganze Bild in der Um- gebung der bis dahin gebildeten Ersatzzahnwurzel beherrscht‘ (Tafel 63, Fig. .35; Tafel 64, Fig. 38; Textfigur 1). Dass jene Knochenapposition am Boden der Alveole am mächtigsten sei und sich nach Kallhardt dann weniger intensiv bis zum Zahnhals fortsetze, ıst nicht immer zutreffend. Am Zahnhals, in grösster Ausdehnung aber rings um den Wurzel- körper, spielen oft umfangreiche Appositionsvorgänge, die basal sogar wieder mässiger zu werden pflegen (Textfig. 1). Dabei fällt der Gefässreichtum der osteoblastischen Schicht auf, während das am Cement gelegene Periodontium im Ver- gleich dazu relativ gefässarm erscheint (Tafel 58, Fig. 19). Nur dieht unter der Bifurcation mehrwurzeliger Zähne findet sich eine reichere Gefässanlage vor, die mit den Gefässen der inter- alveolären Spongiosa kommuniziert. Am Alveolarboden setzen diese Knochenbälkchen die Richtung der Wurzel fort und nehmen seitlich fast parallel zu den Dentinröhrchen formiert eine Radiärstellung zu derselben ein (Tafel 64, Fig. 38). Auch am Ligamentum circulare behalten sie zuweilen diese _Anatom Hefte [Abteitung 116.Heft/38Bd.H 2) E> DR Es — 2 12 Pr » . 5 . Kgl. Univers-Drucksrei v, H. Stürtz, Würzburg. .%“ PR ‘> Tafel 57/58. Pr 4 u - > Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden, Te 1 A - “ « ai, E FE I A 845 Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 657 Gruppierung bei, zuweilen sind sie schräg gelagert (Tafel 63, Tafel 64). Es strahlen die Bälkchen rings an den Seiten der sich bildenden Wurzel im allgemeinen in radıärer An- ordnung aus und treffen einmal senkrecht, einmal in mehr oder minder schrägem Verlauf auf dieselbe. Die hier- bei beteiligten Osteoblasten entstammen meiner Ansicht nach dem bindegewebigen Zahnsäckchen, das schon an der Bildung des Alveolarpolsters und Cementes beteiligt war. Den gleichen radiären Bau zeigt auch die Spongiosa in der Bifurcation mehrwurzeliger Zähne (Tafel 64, Fig. 37). Hier kann man indes ebenfalls nicht von einer strengen Zwei- teilung der Knochenmasse sprechen, wie es Kallhardt tat. Es können nämlich verschiedene interalveoläre Balkensysteme auftreten, am meisten allerdings solche, die eine Zweiteilung er- kennen lassen, während die Knochenbälkchen selbst in ihrer Neigung zueinander etwa einen rechten Winkel bilden, dann andere, die eine einfache radiäre Durchquerung der Knochen- substanz zeigen und schliesslich solche, welche in der Haupt- sache der Richtung der Mittellinie folgend jede Radiärstellung vermissen lassen. Über den Verbleib der Schmelzepithelien. Bekanntlich spielt das Epithelgewebe bei der Zahnentwicke- lung eine bedeutende Rolle, deren Wichtigkeit keiner weiteren Beweisführung bedarf. Wohl aber ist der Verbleib desselben nach erfolgter Schmelzbildung eine noch ungelöste Frage, zu deren Entscheidung ich beizutragen hoffe. Wie ich oben schon andeutete, verbinden sich mit dem fortgeschrittenen Wachstum der Keimkrone die äusseren und inneren Schmelzepithelsäume (Taf. 52, Fig. 4), ungemeinsam bis zum endgültigen Durchbruch der jungen Krone zu fungieren. 658 G. FISCHER, Betrachtet man die vereinigten Epithelien kurz vor dem eigentlichen Durchbruch des Ersatzzahnes, so lassen die über der Spitze gelegenen Zellen durch ihre schwache Färbung und die Verminderung ihrer Zahl keinen Zweifel am Bestehen eines atrophischen Prozesses aufkommen, der sich ihrer bemächtigt Textfigur 12. hat (Taf. 55, Fig. 15). In späteren Stadien ist diese mittlere Zell- lage nur noch in zarten Umrissen angedeutet (Taf. 56, Fig. 17), bis schliesslich ein vollkommener Zellschwund eintritt. Zu dieser Zeit bricht die junge Krone ungehindert nach der Mundhöhle durch (Ta1l.’56—-57, Fig. 18, 19; Tar. 5%, Eig. 21; Taf. 58, Tie.222 Taf. 64). Die beiden Flügel der restierenden Epithelscheide suchen nun sofort mit dem inzwischen ihnen entgegen ge- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. wucherten äusseren Schleimhautepithel (Taf. 64, Fig. 5%; Taf. 57, Fig. 21; Taf. 55, Fig. 14) eine Vereinigung herzu- stellen, die auch sehr bald stattfindet. Vorher hat aber die vereinte Epithelreihe knospenartige kurze Sprossen und Zapfen in die bindegewebige Umgebung vorgewölbt, zwischen denen zahlreiche Capillaren erscheinen (Textfigur 12 u. 13). Das Schmelzepithel bildet sich mehr und mehr zu Textfigur 13. einem typischen Schleimhautepithel um (areas: Big, 14; Taf. 56, Fig. 18; Taf. 58, Fig. 19; baf- 57, Fie’"2T, Taf. 58. Fig. 22; Taf. 64). Es formiert schliesslich ın Ge- meinschaft mit dem äusseren Epithel eine die spätere Zahn- fleischpapille abgebende Gewebswucherung (Taf. 56, Fig. 18), und damit hat sich das Schmelzepithel zum Mundhöhlen- epithel umdifferenziert. Dieser Vorgang konntein 660 G. FISCHER, allen seinen Einzelheiten an Zähnen aller Gat- tungen festgestellt werden, auch bei der Ent- wickelung der Milchzähne. Dementsprechend ist ferner die Tatsache begründet, dass bei den permanent wachsenden Zähnen der Rodentien die Mundschleimhaut ebenfalls zeitlebens durch einen Verbindungsstrang mit dem fort- gesetzt bestehenden und schmelzbildenden Epithel an der Wurzelbasis vereinigt bleibt. Über breiten Molarkronen fiel eine zweite bemerkens- werte Eigentümlichkeit des Epithelgewebes auf, die hier Er- wähnung finden soll. Es hat sich gezeigt, dass das äussere Schleimhautepithel über der jungen Krone, solange dieselbe sich noch in der Tiefe des Kiefers aufhält, aussergewöhnlich umfangreiche papilläre Wucherungen in die Sub- mucosa einsenkt, und zwar gleichsam zum Schutze am stärksten an den Stellen, die den dünnsten Dentinschichten der darunter gelegenen Krone entsprechen (Tafel 55, Fig. 14). Die Wichtigkeit der „Rückkehr“ des Schmelzepithels zum Muttergewebe wird noch in besonderer Weise durch die Be- trachtung der Epitheltätigkeit vom phylogenetischen Gesichts- punkte aus gekennzeichnet. Bei der Bildung der Zahnleiste scheiden bekanntlich be- stimmte Zellkomplexe aus ihrem epithelialen Mutterboden aus und werden ringsum von Mesenchymgewebe eingeschlossen. Während bei höheren Wirbeltieren die Epithellage von aussen in die Tiefe des Mesoderms eindringt, findet man bei der stammesgeschichtlich frühesten Zahnbildung, die der Placoid- schuppenentwickelung entspricht, als den primitivsten Vorgang eine einfache papilläre Ausstülpung der Epidermis, unter der sich die Cutiszellen wie zu einem Schmelzzellensaum an- legen. Gleichzeitig wölbt sich die mesodermale Bindesubstanz in Gestalt einer Papille unter dieser epithelialen Ausstülpung vor. „Wo aber die Hartgebilde fehlen,“ um 0. Hertwig (32) zu folgen, „werden als Rudimente derselben Papillen der Mund- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 661 schleimhaut angesehen,“ die als epitheliale Ausstülpungen eine Vorstufe der späteren Bezahnung der Mundhöhle darstellen. Dieses Schleimhautgebiss ist zweifellos die primitivste Form der Integumentverknöcherung in der Mundhöhle. Beim Hecht stülpt sich vom Mesoderm gegen den durch weitere Zellspaltung erhöhten Epidermishügel eine kegelförmige Papille vor, in und unter welcher sich immer lebhafter Binde- gewebszellen ansammeln. Was „diesen Modus der Zahn- bildung“ nach Hertwig „ein besonders primitives Gepräge verleiht, das ist, dass der Zahn unmittelbar in der Mundschleim- haut gebildet wird, ohne dass, wie bei den höheren Formen der Zahnentwickelung, eine Ablösung des zahnbildenden Epithel- bezirkes aus seinem vergänglichenVerbande stattfindet. Im Unter- kiefer desselben Tieres indes wird der Zahn nicht oberfläch- lich in der Schleimhaut gebildet, sondern er senkt sich in dem Epithelbezirk, der die Mesodermpapille überzieht, samt dieser gegen das darunterliegende Bindegewebe ein und der Zahn gedeiht zu einer bedeutenden Grösse, ehe er durch die Kiefer- schleimhaut hervorbricht. Von besonderer Bedeutung ist, dass die so gebildeten Unterkieferzähne des Hechtes einzeln aus der Mundschleimhaut sich einsenken, ohne durch eine gemeinsame, dem Unterkiefer parallel laufende Schleimhautfalte unter sich verbunden zu sein. Desgleichen hat sich lingualwärts bereits eine zweite, mit der ersten durch eine gegen das \Mesoderm vordringende Ectodermfalte verbundene Zahnanlage gebildet.” Wir finden also im Unterkiefer des Hechtes zum erstenmal die Tendenz des Epithels, sich zur Zahnanlage in die Tiefe des Mesoderms einzusenken, ohne aberjemalsdieVer- bindung-mit dem Mutterepithel zu verlieren. Bei Amphibien kennen wir primitive wie höhere Ent- wickelungsformen, indem teils einfache epitheliale Aus- stülpungen, teils Einsenkungen in der Tiefe auftreten, noch immer aber in breiter Verbindung mit der Schleimhaut. 662 G. FISCHER, Erst bei den Reptilien, z. B. der Kreuzotter, kann sich die Zahnreihe unter Hinterlassung einiger Rudimente völlig vom Kieferepithel ablösen und auf Zustände überleiten, die bei höheren Säugern fast regelmässig wiederkehren. Dieses bei höheren Wirbeltieren in die Tiefe wuchernde Epithel gibt bekanntlich zur Bildung des äusseren und inneren Schmelzepithels Veranlassung, und das letztere bringt in dieser differenzierten Gestalt die Entstehung des Schmelzgewebes nach Form und Textur zustande. Nach Erfüllung dieser Funktion geht dasselbe keineswegs zugrunde oder wird. ‚zum -Schmelzoberhäutchen, wie v. Ebner (22), Koellicker (40) und Waldeyer an- nahmen, sondern differenziert sich weiter zur Mundschleimhaut. Die cylindrische Matrix der jüngsten Schmelzepithelien geht allmählich in die ältere cubische Zell- schicht über. Der innere Ameloblastensaum, der noch bei der Perforation, die fraglos durch den Druck der vordringenden Kronenspitze ausgelöst wird, erhalten ist, vertauscht erst später seine ceylindrische Gestalt mit der cubischen, und wie ich oben zeigen konnte wird das Schmelzepithel im Verein mit der Schleimhaut zum Mundhöhlenepithel, dabei die Zahntleisch- papille formierend (Tafel 56—58). Wir lernen somit eine neue Charaktereigenschaft kennen, die sämtlichen Epithelien, welche sich bei der Zahnentwicke- lung beteiligen, innewohnt, nämlich sie brechen die Beziehungen zum Muttergewebe nıemalsfürdauerndab. Entweder gelangen ‚die Epıthelzellen überhaupt nıcht ausser Conmex mit der Mundschleimhaut, in- dem ‘sie sich ausstulpen oder einsenken, wie bei primitiven Formen, oder sie werden wiebei höheren Wirbeltieren für eine bestimmte Zeit zur Zahnbildung nach der Tiefe des Kiefers ab- geschnürt, um nach Erfüllung ihrer Mission sich wieder zum Muttergewebe umzubilden. Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 663 Es geht aus der Bildung der Zahnfleischpapille durch äusseres und inneres Schmelzepithel noch die interessante Tal- sache hervor, dass das Epithel auch nach erfolgter Einstülpung und Schmelzbildung bei höheren Vertebraten am Schluss die primitivste Form der Zahnbildung, die papilläre Aus- stülpung, zu der es phylogenetisch befähigt ist, zum Aus- druck bringt, indem es zwischen den Zahnkronen ein „Schleim- hautgebiss“ in Gestalt der Interdentalpapillen anlegt. Trotzdem können noch Reste von Epithelien in der Tiefe des Kiefers zurückbleiben und daselbst indifferent ver- harren. Malassez hat im Jahre 1885 diese als „debris £Epi- ‘ theliaux paradentaires“ bezeichneten überschüssigen Epithel- knospen bei 21/,—6 Monate alten Föten als normalen Befund festgestellt und in der Umgebung der ausgebildeten Zähne Er- wachsener wiedergefunden. Diese von Malassez stammende Angabe, dass ‚‚ver- sprengte Epithelnester“ in der Wurzelhaut erwachsener Zähne konstant vorzukommen pflegen, habe ich mit besonderem Inter- esse auch hier wieder zu studieren Gelegenheit genommen, zumal es bis heute noch nicht ganz sicher stand, ob diese Epithelreste für die epitheliale Auskleidung cystischer Ge- schwülste an Zahnwurzeln in Betracht zu ziehen sind oder nicht. Partsch, Römer und J. Witzel haben die Mög- lichkeit angenommen, während sich P. Grawıtz!) dagegen ausgesprochen hat. Dieser Forscher macht mit Recht darauf aufmerksam, dass versprengteembryonale Epithelreste nicht die Fähigkeit zur Regeneration und Fortentwickelung be- sitzen und daher auch nicht für die Epithelisierung von Abscess- höhlen in Betracht gezogen werden dürften. Wohl aber sei das Schleimhautepithel der Mundhöhle dessen fähig, und da sich der Nachweis direkter Epithelüberhäutung auf dem Wege von 1) Grawitz, P. Die epithelführenden Cysten der Zahnwurzeln. Verh. d. mediz. Ver. z. Greifswald, 1907. 664 G. «ISCHER, Fistelgängen erbringen liess, nahm Grawitz an, dass die epitheliale Auskleidung von Wurzelcysten eben vom Schleim- hautepithel komme. So plausibel dieser Modus der Epithelisierung zweifellos für zahlreiche Wurzelerkrankungen ist, so lässt er doch dort in Stich, wo wir es mit Cysten in der Umgebung gesunder Zahnwurzeln zu tun haben. Hier kann man eine direkte Be- N. D. Va: 2. KR Epithel- scheide Textfigur 14. teiligung des Mundhöhlenepithels nicht nachweisen, es sei denn, dass die Malassezreste selbst eine gewisse dauernde Ver- bindung mit diesem unterhielten. Seit Malassez’ Beobach- tung hat man sich nicht eingehend mit der Entwickelung dieser Zellgruppen beschäftigt, und so huldigt man noch heute all- semein der Ansicht, es handle sich um einzelne voneinander unabhängige abgesprengte Epithelien, die regellos in srösseren oder geringeren Konglomeraten im Wurzelhaut- eewebe gelegen seien. > Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 665 Verfolgt man nun genauer die Entwickelung der jungen Wurzel vom ersten Beginn der Pulpawulstproliferation an, so erkennt man deutlich, wie neben der lebhaften Entwickelung von Cementoblasten aus dem Zahnsäckchengewebe zu- nächst noch ein solider Schmelzepithelstrang zuerst in die Tiefe vorrückt (Textfig. 14). Stets vor Textfigur 15. dem pulpawärts gelegenen Ödontoblastenzuge wuchert die Epithelleiste basalwärts, Richtung und Verlauf der Wurzel angebend, wie ich oben schon bei deren Ent- wickelung dargelegt habe. Allmählich aber wird der anfänglich solide Epithelmantel von den Cementoblasten durchbrochen und schliesslich soweit aufgelockert, dass die Epithelzellen in Ge- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116, Heft (38. Bd., H. 3). 43 666 G. FISCHER, stalt eines grossen weitmaschigen Netzes die Wurzelhaut durchsetzen (Textfig. 15). Auf neben- stehendem Bilde sieht man an einem schrägen Längsschnitt durch den ersten Teil der Wurzel eines Katzenzahnes, wobei die Mundschleimhaut und die Wurzelhaut auf eine grössere Fläche im Schnitte getroffen wurden, wie von der Schleim- haut her zunächst gröbere Zapfen in die Tiefe vordringen und sich schliesslich in ein Netz von zarten Epithelzügen auflösen. In unregelmässiger Verteilung sind grössere Epithelnester wie Knoten eines Maschennetzes zwischen diesen feinsten Zügen eingewebt, und sie sind es vermutlich, die Malassez bei seinen Untersuchungen als depris epitheliaux paradentaires vor- fand und bezeichnete, ohne ihren Zusammenhang mit dem Schleimhautepithel erkannt zu haben. Ich habe diese Beziehungen des Mundepithels zu den Schmelzepithelien an zahlreichen Schnitten menschlicher wie tierischer Zähne gefunden, und zwar stets über die gesamte Wurzelfläche verteilt, bald dicht, bald weitmaschig miteinander verbunden. Somit hat sich zum ersten Mal ein gesetz- mässiger Zusammenhang zwischen dem rege- nerationstüchtigen Schleimhautepithelundden in der Wurzelhaut verborgenen Epithelienver: geben, die an Schnitten meist als Epithelnester imponieren, (Textfig. 9 u. 11), ein Zusammenhang, der die Frage der Genese der epithelialen Cystenauskleidung in ungezwungenster Weise er- klären dürfte. Dieses netzförmig um die Wurzelge- schlungene Epithel, das auch morphologisch dem Schleimhautepithel angehört, dürfte in- folge seiner Verbindung mit der Mundschleim- haut soviel Regenerationskraft bewahrt haben, dassesgegebenen Falles die Auskleidung cysti- scher Hohlräume übernehmen kann. Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 667 Auch Kallhardt spricht mehrfach von einer „Verödung“ des Schmelzorganes, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass dasselbe nach erfolgter Schmelzbildung zugrunde gehe. Dass das Schmelzorgan einen Einfluss auf den Vorgang der He- sorption besitzt, hat Kallhardt bezweifelt, ist aber bei der auffallend aktiven Rolle, die das Epithel als Kronen- und Wurzelbildner während der gesamten Entwickelung spielt, nicht von der Hand zu weisen. Desgleichen legt die Epithel- proliferation über dem Granulationsgewebe, das wieder unter dem zu entfernenden Kronenrest liegt, Zeugnis davon ab. Die Ursachen der Milchzahnresorption. Orientiert man sich näher über die in der Literatur ver- streuten Ansichten über die Ursachen, die zur Auflösung des Milchgebisses führen, so findet man die verschiedensten Mei- nungen. Der grösste Teil der Autoren (Bate [3], v. Metnitz, v. Koellicker, Redier, Retzius, Robin, Tomes, Zuckerkandl) machen die Resorption vom Zahnsäckehen abhängig, während Baume, Kehrer und Tre uenfels die Wucherung bestimmter Gewebe wie des Knochenmarks oder der Wurzelhaut als den Anlass zur Auflösung ansahen. Auf die Kritik dieser Theorien ist Kallhardt ausführlich eingegangen, so dass ich auf deren Wiederholung verzichten kann. Linderer, der bei den letzten Arbeiten keine Berück- sichtigung fand, hat aber doch als einer der ersten wissen- schaftlich arbeitenden deutschen Zahnärzte schon im Jahre 1851 über zum Teil bemerkenswerte Kenntnisse in unserer Frage verfügt, so dass ich deren Angabe des historischen Interesses halber nicht versäumt haben möchte. „Im allgemeinen sieht man,“ so beginnt Linderer, „dass die Resorptionslinie aus lauter kleinen, aber doch verschieden 43* 668 G. FISCHER, grossen concaven Bogen besteht“ (die Mannigfaltigkeit der Howshipschen Lacunen!). „An der unteren Linie sieht man verschiedene grössere oder kleinere Zellen rund, oval, drei- eckig hervorstehen. Man sieht an der Resorptionsfläche die Enden von Saftfasern und peripherischen Fasern (Fibrillen), kleinere Zellen mit Kern, grössere, in denen verschiedene andere sind“ (Formverschiedenheit der Osteoclasten!). „Die Peripherie ist rund, länglich, mehrseitig. Zuweilen liegen sie dieht beisammen, zuweilen getrennt.“ „Die Kalkmasse verschwindet dadurch immer mehr, indem sie flüssig in die als Gefässe dienenden Peripherien dringt und resorbiert wird. Das Gewebe wird dadurch, dass die Zellen ihrem ersten Zustande sich nähern (plasmareiches Granu- lationsgewebe!), lockerer. Zuletzt werden die kleinen Primitiv- zellen sichtbar. Der Kalk verschwindet daraus ebenfalls durch Auflösung und Flüssigwerden, die ganze weiche, feine ani- malische Substanz dieser kleinen Teilchen, die zuletzt noch übrig war, wird nun auch zur Flüssigkeit, und durch den Zahnsack des bleibenden Zahnes vermittelst der vielen Ge- fässe aufgesogen und natürlich zunächst an der Resorptions- fläche. Also auch die Resorption der Milchzähne geschieht auf solche Weise, dass der Weg, den die Bildung der Substanz nahm, ganz wieder zurückgelegt wird. Die gewöhnliche regel- mässige Resorption der Milchzähne wird immer vom Zahn- sack des bleibenden Zahnes veranlasst.“ Bei der Milchzahnresorption wirken offenbar zahlreiche Faktoren zur Erzeugung absorbierender Wirkungen mit, die im nachfolgenden näher gekennzeichnet werden sollen. In erster Linie haben wir an das WachstumdesKeim- gewebes unter der Milchzahnreihe zu denken. In ihm voll- ziehen sich die komplizierten Vorgänge, die jede Entwickelung beherrschen und deren feinere Ursachen noch im vollsten Dunkel liegen. Woher, aus welchem Organe die treibende Kraft Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 669 ihren Ursprung nimmt, ist eine Frage, die heute noch ebenso wie früher ihrer Lösung harrt. Und warum immer mit strenger Notwendigkeit dieselben gesetzmässigen Faktoren beim Ent- wickelungsgange der Organe beteiligt sind, ist eben das Ge- heimnis der Organisation und des Wachstums. Man wird alle diese Erscheinungen im Prinzip nicht anders deuten können, „als durch die allgemeine Eigenschaft der lebenden Materie,“ wie C. Herbst (31) sich ausdrückt, „auf die Quellen gewisser Reize zuzuwandern oder hinzuwachsen, von denen anderer jedoch sich wegzuwenden.“ Da ein jedes Wachstum unter gewissen Spannungs- zuständen einhergeht, so wird man einen im Wachstum des Keimes begründeten Druck annehmen können, der in erster Linie in der Richtung vom Keime aus auf dessen Um- gebung einwirkt. Dass durch die Vergrösserung des Keimes, durch Anlagerung von Schmelz einerseits und Dentin anderer- seits schon in allerfrühester Zeit der Entwickelung ein starker Druck auf die Umgebung ausgeübt wird, der sich durch das fein- faserige Gewebe ausserhalb des Keimes auf die starren Wände der Alveole fortpflanzt, möchte ich nicht annehmen. Direkt oberhalb der Keimspitze, also in der Durchbruchsrichtung, finden wir nun stets die grösste Ausdehnung der Resorptions- tätigkeit, während dieselbe nach den Seiten successive ge- ringer wird (Tafel 53, Fig. 8; Tafel 54, Tafel 64). Daraus ist jedenfalls zu schliessen, dass durch das Wachstum des sich entwickelnden Zahnes oberhalb der Keimkrone die grösste Anregung zur Auflösung gegeben ist, während sie nach den Seiten hin, entfernter von der Durchbruchsachse des Keimes, eine Abnahme erfährt. Dass die Vergrösserung des Zahnkeimes bei Erzeugung der Zahnsubstanzen nach Walk- hoff hauptsächlich eine Kompression und nicht eine Resorp- tion der umgebenden Spongiosa bewirken solle, halte ich nach meinen histologischen Ausführungen nicht für nachweisbar. 670 G. FISCHER, Wenn wir in der Umgebung des Keimes (Tafel 51, Fig. 1) auch Partien sclerotischer Knochenmassen, wie oben ebenfalls ausführlich beschrieben wurde, antreffen, die deutliche Zeichen des An-und Abbaues aufweisen, so handelt es sich zweifel- los um eine unter besonderen Bedingungen gesetzmässig angelegte Knochenstruktur, die ebenso wie spongiöse Sub- stanz der Resorption verfällt, wenn das Wachstum des Keimes einsetzt oder sich die Wurzel vergrössert. Die oben näher gekennzeichnete Anordnung der Spongiosa- bälkchen sieht Kallhardt „als den Ausdruck einerseits eines direkten Druckes, den der Boden der Alveole durch die proli- ferierende Tätigkeit des Pulpawulstes erfährt, andererseits eines indirekten bezw. rückwirkenden Druckes, der dadurch entsteht, dass der nach oben drängende junge Zahn, gestützt auf sein knöchernes Widerlager, in dem deckenden Gewebe einen grossen Widerstand findet, so dass der vom Keim ausgeübte Druck in einer bestimmten Stärke, die je nach der Grösse des Wider- standes wechselt, auf die Wurzelperipherie des Keimes zu- rückgeleitet wird. Dementsprechend wird also an den Stellen des grössten rückgeleiteten Druckes auch die intensivste Knochenneubildung stattfinden.“ Die Grösse des Widerstandes der deckenden Gewebsschicht ist aber bei der Absorption der einzelnen Texturen sehr verschieden, so dass sie die regel- mässige Architektonik der Wurzelspongiosa kaum zu gewähr- leisten vermag. Die um die jungen Wurzeln gebildete Spongiosa ist hingegen bekanntlich gleichmässig und wieKallhardt selbst zugibt, ‚in einer auffallendregelmässigen Weise“ an- gelegt. Dass sie nicht die Folge eines direkten und indirekten Druckes sein kann, beweist übrigens auch dieselbe Gesetz- mässigkeit der Spongiosastruktur schon bei der Milchzahn- bildung, wo von rückwirkenden Druckreizen durch ältere deckende Knochen- und Dentinschichten überhaupt nicht ge- sprochen werden kann, da die letzteren fehlen. Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete, 671 Hinsichtlich der Ursachen, die an gewissen Stellen eine Bildung von Östeoclasten mit nachfolgender Resorption des Knochens hervorrufen, nahm zwar schon v. Koelliker an, „dass es in erster Linie ein von den die Knochen umgebenden und denselben anliegenden Weichteilen ausge- übter Druck sei, der hier von Einfluss ist.“ Ebenso lehrte auch Fick, dass die Knochen im Laufe der regelrechten Ent- wickelung nur in die Lücken oder in die Gegenden sich hinein- bilden, wo die letzteren, d. h. vor allem die Muskeln, nervösen Gebilde und Gefässe dem Knochenwachstum keinen Wider- stand entgegensetzen, während sie an Orten, wo die Weich- teile einen Druck auf sie ausüben, schwinden. Umgekehrt werden, „wie die Untersuchung der so zweckmässigen Archi- tektur der Knochenspongiosa zeigt, die Osteoblasten in den Linien der stärksten Druck- und Zugwirkungen, also durch normale funktionelle Inanspruchnahme zur verstärkten Tätig- keit angeregt und daher alle in der Richtung des Druckes ge- legenen Knochenbälkchen stärker ausgebildet, während die dazwischen liegenden entlasteten Teile der Resorption durch Osteoclasten verfallen.‘ Hierauf beruht der Ausbau der Al- veolenspongiosa um die jüngeren Wurzeln solcher Zähne, die soeben die Kaufunktion des Gebisses aufgenommen haben, da die funktionelle Inanspruchnahme des Kauaktes eben den Still- stand des Stoffwechselverkehrs innerhalb der Alveole verhindert. „Andererseits begünstigt mechanischer Druck nicht in allen Fällen die Knochenapposition, sondern es kann da, wo ein schwacher Druck hinreichend lange auf eine zur Druck- aufnahme nicht specifisch geeignete Fläche des Knochens ein- wirkt, ein Schwund derselben erfolgen, was besonders patho- logische Prozesse oft beweisen. „Die Knochenzellen reagieren eben,‘ wie Biedermann (11) sich äussert, „jenach Um- ständenaufgqualitativgleiche Reizeinganzver- schiedener Weise.“ 672 G. FISCHER, Die vererbte Entwickelungsrichtung ist noch ein Faktor, der für die Entstehung zweckmässiger Strukturverhältnisse der knochen- und bindegewebigen Organe von einschneidender Be- deutung zu sein scheint, als dieselben schon zu einer Zeit und unter Umständen nachweisbar sind, wo eine funktionelle Anpassung noch.nicht woerlieet. K. Schmı1dt2@2) und mit ihm C. Herbst weisen darauf hin, „dass der Bau der Spongiosa bei den Embryonen zwar kein getreues, verkleinertes Abbild der Spongiosa des erwachsenen Individuums, aber dochin seinen Hauptzügen bereits dasselbeist. Zug- und Druckbälkchen convergieren bereits gegeneinander, die Querbälkchen verbinden dieselben senkrecht.“ Hieraus schliesst Schmidt mit Recht, „dass, da die Grundzüge der Architektur sich ausbilden, ehe noch die Muskelelemente con- tractil sind, die Ursache nicht unmittelbar im Gebrauch zu suchen sei.“ Wir werden also Druckwirkungen als ein vor- handenes, aber unwesentliches Moment zur Erklärung der Resorption heranziehen dürfen. Vielmehr scheinen feinere chemische und cellu- läre Vorgänge daran beteiligt zu sein, wie wir aus folgenden Darlegungen erkennen werden. So kann es gelegentlich durch gewisse Umstände in der Tiefe des Kiefers zur Retention von Zähnen kommen, die dort ihre volle Ausgestaltung erhalten haben, ohne dass sie durch die Schleimhaut nach aussen gelangt sind. Man nimmt nun an, dass besonders de VermehrungdesWider- standes, die sich dem wachsenden Keim entgegenstellt, zur Verhaltung des Ersatzzahnes führen solle. Das beweisen offen- bar die Fälle, in denen die jungen Kronen durch die irreguläre Stellung benachbarter früher durchgebrochener Zähne ge- zwungen werden, seitlich von diesen in der Richtung des geringeren Widerstandes vorwärts zu dringen. In ge- wissen Fällen werden die retinierten Zähne, wie erwähnt, sogar Anatom. Hefte IAbteitung 116. Hei 38 Ba Jl >, Kgl. Univers-Druckerei vH. Stürtz, Würzburg. a TEE a a rn LULLLULULUUL Lan 1 2.0 2 2) Tafel 5960. Verlag von J.F.Bergmenn, Wiesbaden, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 673 bestimmt, ihre endgültige Entwickelung der Wurzel, die normaler- weise erst nach dem Durchbruch zu erfolgen pflegt, schon vor- her in der Tiefe der Spongiosa zu vollziehen. Hier hat dann beispielsweise der Wachstumsdruck nicht ausgereicht, das Hin- dernis bezw. die Retention zu überwinden. Man wird darum annehmen müssen, dass andere Gründe: und zwar Reiz- wirkungen chemotactischer Art seitens der Milchzähne und deren Spongiosa oder der Spongiosa allein bei Zähnen ohne Vorläufer im Milchgebiss auf die vom Keim normalerweise unter- haltene Resorption von Einfluss sind, derart, dass dieser Prozess unter Umständen eingestellt wird. Das macht die Tatsache wahrscheinlich, dass häufig gangränöse Milchzähne, soweit sie nicht infolge ihrer Erkrankung frühzeitig zugrunde gingen, den normalen Verlauf des Zahndurchbruches stören und aufhalten können. Nach experimentellen Untersuchungen konnte ich auch feststellen, dass künstlich beigebrachte Schädigungen der Milchzähne und ihrer knöchernen Umhüllung stets auch die zugehörigen Keimanlagen ungünstig beeinflusst hatten, in- dem sie deren Entwickelung zu hemmen imstande waren. Durch Applikation 1% argent. nitr.-Lösungen auf die Milch- zahnpulpa, sowie durch Injektion der Silberlösung in die Mund- schleimhaut im Zahnwechsel befindlicher Kiefer bei Lebzeiten des Tieres entstanden schwere eitrige Entzündungen, die sich über die gesamte Spongiosa verbreiteten. Dabei zeigte es sich nun, dass die normale Resorptionszone im Zahnsäckchen- gewebe ein völlig anderes Bild ihrer histologischen Beschaffen- heit erkennen liess. An Stelle des gefässreichen Resorptions- saumes waren eitrige Herde getreten, deren polynucleäre Leuco- cyten die Resorptionslacunen erfüllten. Es ist daran zu denken, dass diese Leucocytenmassen infolge ihrer proteolytischen Fermentbildung die weitere Einschmelzung der Milchzahn- wurzeln übernehmen, bis schliesslich der in der Tiefe geschädigte Keim je nach der Schwere der Affektion früher oder später 674 G. FISCHER, seine Entwickelungsstörung behebt. Es scheint ungerechtfertigt, auch für die Resorption gangränöser bezw. eitriger Milchzahnwurzeln noch einen Druckreiz anzunehmen, dass sie nach Kallhardt ‚durch den von unten bezw. oben her wirkenden Druck des hervorbrechenden Zahnes wie Fremd- körper aus dem Kiefer ausgestossen werden.“ Die resorbierende Wirkung eitriger Prozesse scheint ferner wahrscheinlich gemacht durch Untersuchungen, die Müller und Jochmann (57) sowie unabhängig von diesen Stern und Eppenstein (75) angestellt haben. Sie fanden, dass die Leucocyten des normalen und leuk- ämischen menschlichen Blutes und dementsprechend auch frischer menschlicher Fiter, sowie rotes Knochenmark schon durch Zusatz geringer Mengen von Blutplasma oder Blut- serum auch bei 50 —55° ihre Verdauungskraft verlieren, obwohl sie bei dieser Temperatur trotz hoher Verdün- nungen mit physiologischer Kochsalzlösung noch eine er- hebliche Fermententwickelung entfalten. „Wir müssen deshalb die prompte Verdauung durch weisse Blutkörperchen bei 509 in erster Linie auf das durch die hohe Temperatur verursachte Absterben der Leucocyten und auf das damit einher- gehende Freiwerden des proteolytischen Fermentes zurück- führen.“ Auch diese Befunde legen die Annahme nahe, dass der Wachstumsdruck des Keimes zur Erklärung der Resorptions- erscheinungen nicht ausreicht. Bei der Frage nach der Herkunft eines Druckes macht Kallhardt seltsamerweise die proliferierende Tätig- keit des Pulpawulstes, verbunden mit einer kräftigen Vas- cularisation dieses Teiles in der eigentlichen Zeit des Durchbruches allein für dessen Entstehung verantwort- lich. Der Pulpawulst sei „die treibende Kraft, die den Zahn zum Durchbruch nach der Stelle des geringsten Wider- standes dränge.“ Im gleichen Sinne haben sich auch Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 675 Eichler (24), Kollmann (41), Wallisch (85), Walk- hoff (8) und Zuckerkandl ausgesprochen. Mit der leb- haften Proliferation des Pulpawulstes geht zwar eine erhöhte Zelltätigkeit einher, und es genügt anzunehmen, dass dieser Reiz die Entwickelung der benachbarten Knochensubstanz fördert, es wäre aber zu weit gegangen, wollte man ihn allein,einen integrierenden Bestandteil des Ganzen, als die treibende Kraft ansehen, die den Durchbruch des Zahnes ver- anlassen könnte. „So verkehrt es ist,“ wie OÖ. Hertwig (32a) mit Recht sagt, „wenn man über der Beschäftigung mit den Zellen die Bedeutung des Ganzen, von welchem doch der Bestand und die Wirkungsweise der einzelnen Zellen abhängig ist, über- sehen wollte, wäre es nicht minder verfehlt, wenn man die Wirkungsweise des Ganzen erklären wollte, ohne dabei auf die Zusammensetzung aus Teilen in gebührender Weise Rück- sicht zu nehmen.‘ Die Ausbreitung der Wurzelpulpa ist ein Teil des Ganzen, eine besonders differenzierte Zellgruppe inner- halb des gesamten Zahnaufbaues. Dass sie den Druckreiz zum Durchbruch nicht abgeben kann, geht auch aus der oben schon verzeichneten Tatsache hervor, dass dieser Pulpawulst. bei retinierten Zähnen ungehindert nach der Tiefe vordringen und die Wurzelbildung beenden kann, trotzdem der Zahn kronenwärts nicht weiter durchzubrechen vermochte. Es muss dabei von der Wurzelspitze aus Platz durch Resorption der basalen Knochenspange geschaffen werden, was auch das Vorhandensein einer Osteoclastenzone in der Tat beweist. Die erfolgte Auf- lösung wird aber stets durch reparatorische Vorgänge auf der gegenüberliegenden Fläche der Knochenspange ausgeglichen, wo- durch diese selbst mitwächst und nicht von der Wurzel- spitze durchbrochen wird. Das Wachstum des Keimes bedingt neben Druckreizen vor allem eine Änderung der Ernährungs- und 676 G. FISCHER, Stoffwechselfunktionjenerinseiner Umgebung und in seiner Einflusssphäre befindlichen Ge- webe, und damit kommen wir zu dem Wesen des Resorptions- vorganges. Trophische Störungen, die sich mit fortschreitendem Wachstum steigern, können im gesamten Milchzahnbezirk die Bedingungen auslösen, welche dem Vordringen der Resorption günstig sind. Es werden hier durch Umwandlungen biochemischer Artgewisse Gewebsbestandteile unfähig, sich ferner an den Lebensvorgängen des Organismus in gewohnter Weise zu betei- ligen. Die von dem Keime beherrschte Absorptionszone kann sich in einem derart veränderten Gewebe leicht ausbreiten und so Schritt für Schritt Platz für den nach aussen drängenden Zahn schaffen. „Denn da der Lebensprozess auf einer be- ständigen Zerstörung und Neubildung organischer Substanz be- ruht, so muss das Gewebe, um erhalten zu bleiben, ständig neu ergänzt werden. Hier bedarf es weiterhin, dass die Zellen unter den gleichen Bedingungen, unter denen sie entstanden sind, verharrenundfunktionieren“ (Hert- wig). Im Milchzahngebiet spricht allein das ungleich- mässige Verhalten von An- und Abbau während des Keim- wachstums für das Vorhandensein trophischer Störungen. Pulpa und Periodontium des Milchzahnes sind ferner auffallend ge- fässarm. Das einst zellreiche Gewebe zeigt später eine grosse Kernarmut und macht den Eindruck eines sog. „ruhenden“ Bindegewebes. Im Gegensatz dazu imponiert der Gefässreichtum im Keim und Zahnsäckchen, die dadurch ihre lebhafte Energie bekunden. Diese auffällige Beschaffenheit des Zahnsäckchens, das die Resorption vermittelt, hätte Kallhardt auffallen müssen, da es ihm gelang, „bei allen Kieferschnitten nie- mals ein Fehlen desselben, nicht allein bei Beginn der Resorptionstätigkeit, sogar auch später, wenn der Zahn sich schon zum Durchbruch durch das deckende Zahnfleisch Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 677 anschickt, weder macroscopisch noch microscopisch zu kon- statieren.“ In ihm spielt das hyperämische Gefässystem im Anfang ebenso wie später vor dem Durchbruch eine be- deutsame Rolle. Das beweist die Tatsache, dass es mir gelang, auf experimentellem Wege durch eine von der Wunde eines extrahierten Milchzahnes ausgehende Hyperämie resorptive Prozesse nach der Tiefe der Alveole hervorzurufen. Der durch die frühzeitige Extraction ebenfalls hyperämisierte Keim zeig! selbst eine Steigerung seiner Zelltätigkeit. In Fig. 7, Tafel 54 sieht man, wie die Vascularisation der durch die Extraction funktionslos gewordenen Wurzelspongiosa eingeleitet wird, in- dem sich die Hyperämie vom Wundgewebe her nach der’ Tiefe zu ausgebreitet und hier schon an einigen Stellen zur Erweiterung von Haversschen Kanälen und Markräumen geführt hat. Die äussere periostale Knochengrenze zeigt ferner eine lebhafte Reproduktion auf der einen Seite, Re- sorption gegenüber. So findet sich auch hier die Tat- sache, dass überall, wo Resorptionsprozesse spielen, seien es physiologische, seien es pathologische, immer ein hyper- ämischesGefässnetzdenSchauplatzbeherrscht. Für die Erzeugung der Milchzahnresorption haben sich mithin zahlreiche Faktoren ergeben, deren Zusammen- wirken erst den eigentlichen Prozess zustande kommen lassen. Der wichtigste Faktor wird zweifellos durch eine vom Keim ausgehende Hyperämie repräsentiert, die im Milchzahn- gebiet durch die resorbierende Tätigkeit der Gefässe und ge- wisser Zellen zur Auflösung der in der Wachstumsrichtung des Keimes gelegenen, sich passiv verhaltenden Gewebe führt. Die Inaktivierung dieser Texturen wird durch Änderung ihrer Existenzbedingungen hervorgerufen, die gleich- falls dem wachsenden Keim zu verdanken ist. 678 G- FISCHER, Der feinere Verlauf der Resorption. Bevor die Hauptmasse des Milchzahnes in den Bereich der Auflösungszone gelangt, hat die über dem Keim gelegene Spongiosadecke ausgedehnte Veränderungen erfahren. Wie wir sahen, beginnen die resorptiven Vorgänge an der Grenze des am Zahnsäckchen befindlichen Knochengewebes schon in einem sehr frühen Stadium der Keimentwickelung. Im gesamten Um- kreise des Zahnsäckchens floriert ein lebhafter Stoffwechsel, der durch das hyperämische Gefässgeflecht und den Zell- reichtum veranschaulicht wird (Taf. 51, Fig. 2). Von hier aus, in der Richtung des Keimwachstums, breitet sich die Hyperämie auf dem Wege der Haversschen Kanäle aus und dringt Schritt um Schritt weiter vorwärts, überall Resorptionsherde bildend. Die Haversschen Kanäle und die Markräume werden zu zahl- reichen einzelnen Centren, in denen die Absorption ihr Lager aufschlägt und schrittweise die Knochensubstanz zum Verschwinden bringt. Daneben bleibt jedoch stets eine mehr oder weniger ausgedehnte Apposition bestehen, die aber eine geringere Intensität entwickelt als der gleichzeitig meist an gegenüberliegenden Bezirken spielende Abbauprozess (Tafel 6i, Fig. 29; Tafel 52, Fig. 3; Textfigur 4 u. 5). Auf diese. Weise nehmen die Ernährungskanäle und Markräume des Knochens fortgesetzt an Umfang zu, so dass die Knochensubstanz trotz bestehender Anbildung schliesslich verschwindet. Die Bildung junger knöcherner Grundsubstanz reicht eben bei weitem nicht aus, dieses Missverhältnis zu decken, wenngleich sie besonders am äusseren Alveolarrand sich bis in die eröffnete Pulpa- substanz des Milchzahnes vorschieben kann (Textlig. 4 u. 5). Neben der Erweiterung der präexistenten Knochenräume wird die Spongiosasubstanz noch durch die resorbierende Tätigkeit von Capillarsprossen aufgeteilt, die in Ge- stalt von durchbohrenden Kanälen die knöcherne Grundmasse zerklüften. Auf ähnliche Zustände wies zuerst Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 679 Volkmann (79) hin, der bei entzündlichen Prozessen, die mit üppiger Gefässentwickelung einhergehen, die Bil- dung von Kanälen beobachtete, die die Knochenbalken durch- bohren und bald die Entstehung von Gefässen erkennen lassen. Sie bieten, an Gestalt und Grösse ausserordentlich wechselnd, zahlreiche Verschiedenheiten im Bau ihrer inneren Wand. Teils sind die Wandflächen mit rundlichen in das Lumen vorspringenden Höckern besetzt, teils von mehr oder minder tiefen Zacken eingefurcht (Textfigur 16, 17). In grösseren Kanälen findet man wieder flache Mulden und Lacunen, die so dicht aufeinander folgen können, dass die Wandungen „wie gewöhnliche Resorptionsflächen“ aussehen, wie v. Ebner (23) schon festgestellt hat. Die durchbohrenden Kanäle durchqueren die Lamellensysteme in der verschiedensten Richtung, bald als kurze Züge, bald als verästelte Hohlraumsysteme. Sie unterscheiden sich von den Haversschen Kanälen dadurch, dass sie durch die Tätigkeit von Gelässsprossen unter ge- eigneten Bedingungen neu geschaffen werden. Diese aus dem Capillargeflecht der Resorptionszone stammenden Sprossen dringen vor, indem sich die Wand eines Capillarrohres buchtig ausstülpt und in einer fein zulaufenden Spitze sich in einen an der Knochenperipherie befindlichen oder neu geschaffenen feinen Spalt einbohrt. Die zunächst noch solide von den Endothelflügeln gebildete zarte Spitze besitzt zweifellos eine resorbierende kalksalzlösende Fähigkeit, der sie ihr Eindringen in die Knochensubstanz verdankt (Tafel 62, Fig. 34). Diese Endothelspitze wird allmählich von der nachdrängenden Blut- flüssigkeit aufgetrieben und zu einem zarten blutführenden Rohre umgewandelt, in dessen Umgebung die weitere Auflösung der Knochensubstanz erfolgt. Mit der Erweiterung des Knochen- spaltes dringen auch ein- bis mehrkernige Zellen aus der Nachbarschaft einer solchen Capillarsprosse an die Knochen- grenze heran und scheinen hier osteoclastische Funktionen zu 650 G. FISCHER, erfüllen. Denn sie liegen meist in kleinen flachen Lacunen, die sie oft in ganzer Ausdehnung erfüllen (Textfigur 18). Die Knochensubstanz erscheint ringsum wie von feinsten Spalt- räumen, die radıiär angeordnet zu sein pflegen, in zierlicher Weise zerklüftet (s. a. Textfig. 17). Das anfangs zarte Gefässchen wird stärker, und die in seiner Umgebung befindlichen Zellen ver- grössern sich unter gleichzeitiger Vermehrung der Intercellular- substanz ebenfalls, so dass Knochenräume entstehen, die von SEE “ g u ” } ? SP TE ; / Textfigur 16. > Textfigur 18. Textfigur 17. Haversschen Kanälen innerhalb des Resorptionsbezirkes nicht mehr zu unterscheiden sind. So beobachtete Kassowitz (34), dass die Lumina der Markgefässe niemals unmittelbar an einen Knochenrand grenzen, dass vielmehr dieser Rand immer in einer gewissen, für dasselbe Gefäss nach allen Richtungen gleichen Entfernung von der Gefässbegrenzung bleibt, dass über- haupt die Einschmelzungserscheinungen an den Knochenrändern senau mit; derVerterlunesder Blutigeiässe’konre spondieren, und dass also ganz offenbar durch die von einem jeden Blutgefässe ausgehende Plasmastörung in einer bestimmten Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 631 Blutgefässe ausgehende Plasmaströmung in einer bestimmten Distanz nicht nur die Bildung neuer Knochensubstanz ver- hindert wird, sondern auch etwa daselbst schon vorhandenes Knochengewebe durch die Strömung von neugebildeten oder dem Knochenrande angenäherten Blutgefässen der Einschmel- zung verfällt. Diese strenge Distanzierung des Knochenrandes von der Blutgefässwandung habe ich in der Tat ausnahmslos in allen normalen und pathologischen Fällen gefunden, wo die Blutgefässe eine distinkte lineare Grenze besassen, und es hat sich dabei in der Regel gezeigt, dass die Distanz auch mit der Grösse des Lumens wuchs, so dass man annehmen konnte, dass im allgemeinen ein Gefäss mit grossem Lumen eine energischere Saftströmung in seine nächste Umgebung aus- sende und dass seine knocheneinschmelzende Wirkung in grössere Entfernung reiche, als ein Gefäss mit kleinerem Lumen.“ Ausser der Erweiterung und Neubildung von Gefässen in den Markräumen beobachtet man immer auch eine vermehrte Bildung neuer Gefässchen mitten im Knochengewebe gleich- zeitig mit der Bildung von durchbohrenden Kanälen. Manchmal erscheint eine früher kompakte Knochenpartie infolge der zahlreichen neugebildeten anastomosierenden Ge- fässchen wie ein Sieb durchbrochen (Textfigur 19). Diese hier geschilderte Tätigkeit durchbohrender Gefässe unterstützt in reichem Masse die in den Haversschen Kanälen und Markräumen statthabende Erweiterung (Textfigur 19) und lässt die Knochensubstanz siebartig durchlöchert erscheinen (Tafel 52, Fig. 3). Diese Auflösung wird aber, wie wir wissen, stets von Appositionsvorgängen begleitet, die sich oft nur mit grösster Mühe als solche erkennen und vom Abbau unter- scheiden lassen. Dazu bedarf es einer genauen Kenntnis der Forschungen eines v. Ebner, Gegenbaur, v. Koel- licker, Rollett und Waldeyer. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 44 682 G. FISCHER, Die Gestalt der Howshipschen Lacunen ist nun je nach der Intensität des Auflösungsprozesses ausserordentlichen Schwankungen unterworfen. Innerhalb der gemässigten Textfigur 19. Resorption, wie z. B. seitlich von der Ersatzzahnkrone und in den von der Keimspitze entfernter gelegenen Partien trifft man die Knochen- und Dentingrenze in höchst wechsel- voller Gestaltung an. Von seichten und sehr flachen Lacunen Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 633 an sind hier alle Übergänge nach Form und Grösse bis zu tiefsten Resorptionsgruben angelegt (Taf. 55, Fig. 12; Taf. 56, Fig. 16; Taf. 57, Fig. 21; Taf. 61, Fig. 29; Taf. 63, 64). In ihnen können die verschiedensten Übergänge von Osteoclasten in ihrer einkernigen spindeligen Form bis zu vielkernigen Riesenzellen auftreten (Taf. 62, Fig. 31, 32). Aber auch Leuco- Textfigur 2]. Textfigur 22. cyten können in grosser Anzahl die Resorptionsbuchten er- füllen, teils allein, teils vergesellschaftet mit Riesenzellen, und zwar sehr häufig an der in Auflösung begriffenen Dentingrenze kurz vor dem Durchbruch des Ersatzzahnes (Taf. 62, Fig. 32a, Fig. 33a u. b). Daneben finden wir stets Capillarschlingen in mehr oder weniger grosser Nähe am Rande der Auflösungs- zone (Taf. 53, Fig. 8; Taf. 54; Taf. 56, Fig. 16; Taf. 59—60; Taf. 62, Fig. 29-31; Taf. 63; Taf. 64, Fig. 37). 44* 684 G. FISCHER, Besonders instruktiv wird diese Variabilität der Osteo- clasten und Riesenzellen auch innerhalb der Haversschen Kanäle veranschaulicht, wie die Textfiguren 18, 20—22 be- weisen. In Fig. 21 sieht man, wie die Knochenzellen nach Eröffnung ihrer Kapsel durch den Auflösungsprozess in das Kanallumen eintreten. Je mehr man sich aber der stürmisch verlaufenden Resorptionszone nähert, so über der Durchbruchsrich- tung des Keimes wie am gefässreichen Zahnsäckchensaum, dann imponieren diehtgedrängt aufeinander folgende tiefe Lacunen, in deren Bucht fast ausnahmslos typische Riesenzellen eingesenkt sind (Taf. 56, Fig. 16; Taf. 59, 60). Häufig sind auch im intensiven Auflösungsbezirk am Rande des Zahnsäckchen- gewebes lange muldenförmige Lacunen, in denen dann ebenso gross gestaltete Riesenzellen eingelagert zu sein pflegen (Taf. 58, Fig. 23; Taf. 62, Fig. 30). Pommer führte diese auffällig breitgestreckten Osteoclastenformen auf den Druck des Inhaltes (der Resorptionsräumme zurück, ‚der die Gestalt der den Lacunen. anliegenden zelligen Gebilde bestimmt, so dass diese gleichsam breitgedrückt wurden.‘ Zwischen ihnen verteilt sich das am dichtesten gefügte Capillargeflecht, das die Intensität der Auf- lösung besonders kennzeichnet (Taf. 53, Fig. 8; Taf. 55, Fig. 9; Taf, 55, Big. 12; Tat. 56, Fig. 16; Taf. 60, Rise, 27, Tara Riv=35; Tar 64, is. 37). Die Lacunen selbst sind bald scharfrandig, bald erscheinen sie wie ausgefranzt oder wie von einem Kranz feiner Wimper- härchen besetzt (Textfig. 20, 21, 22, Taf. 59, Fig. 24). Diese zarte Auffaserung geht meist ohne jede Begrenzung in die anlıegende Riesenzelle über, so dass es scheint, als hinge die resorbierende Zelle durch dieses Faserwerk mit der Knochen- substanz zusammen. Man wird kaum daran zweifeln können, dass diese feine Auffaserung als ein Stadium des eigentlichen Resorptionsprozesses an der Knöchengrenze zu betrachten ist; es Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 685 handelt sich um noch ungelöste Fibrillen der Grund- substanz. Daneben hat sich ferner ergeben, dass die Riesen- zellen, die bis zu einer gewissen Grenze an Umfang zunehmen und schliesslich unter deutlichen Degenerationserscheinungen. wie Kernzerfall und Verminderung ihrer Färbbarkeit zugrunde gehen, häufig in dieser aufgefaserten Gestalt beobachtet werden. Ich glaube daraus schliessen zu können, dass diese Auf- faserung der Ausdruck dessen ist, dass die Resorptionskraft der betreffenden Riesenzelle, noch ehe die letzten Fibrillen verflüssigt wurden, erloschen ist. Das wird auch dadurch be- kräftigt, dass man meist in der unmittelbaren Nähe solcher Riesenzellen den Osteoclasten ähnliche Zellen antrifft, die seit- wärts an die Knochengrenze vorzudringen suchen (Textfig. 20, Taf. 59, Fig. 24, 25). Dasselbe konnte ich in einer speciellen Arbeit über die Pathohistologie des Dentins feststellen, wo auch die in Auflösung begriffene Dentingrenze in cariösen Höhlen die gleiche fibrilläre Auffaserung bot. Andererseits habe ich auch Lacunen mit doppelt konturiertem, glänzendem Rande angetroffen. Die bei der Milchzahnresorption auftretenden Riesen- zellen besitzen runde, oval und länglich gestaltete Formen, in denen bläschenförmige Kerne von wechselnder Anzahl, teils regellos, teils hintereinander gruppiert enthalten sind. Während kleine Riesenzellen oder Osteoclasten in bezug auf Form und Ausdehnung der Berührungsfläche, sowie hinsichtlich des Volumens der Zelle mit ihren Lacunen über- einstimmen, schliessen sich die grösseren Riesenzellen nur an der Berührungsfläche der jeweiligen Gestalt ihrer Lacune an, während ihr Volumen unabhängig davon zu bleiben pflegt (Taf. 58, Fig. 23; Taf. 62, Fig. 30). Dieser den Riesenzellen eigen- tümliche Formenreichtum ist wohl auf die Variabilität ihrer Ent- wickelungsstufen, sowie darauf zurückzuführen, dass ihr Proto- plasma contractile Eigenschaften besitzt und wie Pommer und 686 G. FISCHER, andere mit Recht annahmen vermittelst cilienartiger Fortsätze in das Knochengewebe eindringt, was auch v. Koelliker (39) für wahrscheinlich gehalten hat. Auch andere Forscher teilen den Riesenzellen amöboide und phagocytäre Fähigkeiten zu. „Liegt die Riesenzelle einem Fremdkörper an,“ lasse ich Becher (7) ausführen, ‚so versucht sie, denselben in sich aufzunehmen und streckt hierzu den am leichtesten dehn- baren Teil, das Protoplasma, aus. Naturgemäss resultiert hieraus für die Kerne eine Stellung am Gegenpole,‘“ die ich sehr oft auch bei der Milchzahnresorption konstatieren konnte (Taf. 61, 62, Textfigur 22). Desgleichen sah ich häufig, dass die spindelig ausgezogenen Osteoclasten, die nahe an die Knochen- grenze herangerückt waren, mit kräftigen Fortsätzen versehen sind, die sich bis in die Knochensubstanz hinein verfolgen liessen (Textfig. 22). In Tafel 6, Fig. 24 treten die kräftigen Fortsätze an jungen Riesenzellen besonders eindeutig in Er- scheinung, ausserdem die zahlreichen Fibrillengeflechte, die bei Auflösung der Spongiosa die Wand und den inneren Hohl- raum des Kanales dicht besetzt halten. Je tiefer nun die Grübchen ausgenagt sind, um so vollkom- mener pflegen die Riesenzellen eingelagert zu sein (Taf. 60, 61, Fig. 26, 28), während sie flache Knochenmulden nur mit einer korrespondierend abgerundeten unteren Fläche überdecken (Maf.58,.Rig. 23; Taf. 62, Fig. 30; Taf. 60, Fig 27: =1ar6 Fig. 29). Daneben kommen Reihen von keulenförmig gestellten Myeloplaxen vor, die, wie Pommer schon angibt, ‚mit ihrem breiten gewölbten Ende je einer halbmondförmigen Lacunen- grube anliegen, während ihre sich verschmälernden Körper radiär in den Resorptionsraum hineinstanden“ (Taf. 59, Fig. 25, Fig. 26; Taf. 61, Fig. 23). Neben Kernen besitzen zahlreiche Riesenzellen im Innern ihres Plasmaleibes einen oder mehrere Hohlräume von ver- schiedener Gestalt, die bei nichtinjizierten Präparaten meist mit Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 687 Blutzellen angehäuft, an injizierten Schnitten jedoch stets mit blauer Gelatine ausgefüllt zu sein pehesen. (Taf. 58, Fig 23; 138159, Rigr 25; Taf 2617762, Fig. 29, 30). Dadurch konnte meines Wissens zum ersten Male der eindeutige Beweis erbracht werden, dass die Riesenzellen in direkter Be- ziehung zum Gefässapparat stehen. Diese Hohl- räume dürfen mit den verschiedentlich beschriebenen grösseren Vacuolen im Riesenzellenkörper identisch sein. Daneben finden sich auch Formen, die irgendwelche innere Hohlräume nicht aufweisen und als freie vom Gefässystem abgeschnürte Zellen fungieren. Die Beziehung zwischen Lacune und Riesenzelle erfährt gelegentlich die Modifikation, dass eine Osteoclastenzelle über mehrere Lacunen hingestreckt liegt (Taf. 58, Fig. 23; Taf. 62, Fig. 30). Ausser dem seltenen Vorkommnis, dass zwei und mehr Riesenzellen eine Grube ausfüllen (Taf. 60, Fig. 26; Taf. 61, Fig. 29) teilen sich einzelne Rund- und Spindelzellen mit und ohne Myeloplaxen in den Raum der Howshipschen Lacune (Bam98eR10. 23; Naf.61, Big. 28, 29; Taf.62, Kig. 30, 322,332). Wo aber irgend eine der Riesenzellenformen vermisst wird, beherrschen spindelige oder gelappte runde Zellen in dicht gedrängter Stellung den lacunären Hohlraum (Taf. 62, Fig. 31, Fig. 33b). Bei genauerer Betrachtung findet man hier auch stets feinere Fibrillenfasern in Geflechten und Bündeln oder auch regellos verstreut in der Intercellularsubstanz in die Knochensubstanz übergehend vor (Taf. 59, Fig. 24; Taf. 61, Fig. 28; Taf. 62, Fig. 32). Wie ich oben schon andeutete, erleidet auch das Knochengrundgewebe im Umkreise des Resorptionsherdes eine deutlich erkennbare Veränderung. Es erscheinen in der Knochenmasse radiär angeordnete feine und feinste Spalten, die sich oft auf grössere Strecken ausdehnen können (Text- 688 G. FISCHER, figur 16, 17, 21). Die unmittelbare Randzone des Havers- schen Kanales ist ausserdem durch dunklere Färbung gekenn- zeichnet, was auf den Beginn eines circulären Erweichungs- prozesses schliessen lässt (Textfig. 17). Die radiären Spalt- räume sind ferner an der Kanalwand erweitert. Diese Zer- klüftung der Knochensubstanz wird durch die feinen Zellen- ausläufer der Knochenkörperchen wesentlich gefördert, als Textfigur 25. diese die Wege für das Fortschreiten der entkalkenden Sub- stanzen abgeben (Textfig. 17). Während das normale Knochen- gewebe von feinsten Zellausläufernetzen, die in zierlicher Weise um ihre zugehörigen Zellen angeordnet sind, durchsetzt wird, wie Textfigur 23 zeigt, weist das über der Resorptionszone gelegene Knochensystem desselben Schnittes bei gleicher Ver- grösserung betrachtet eine auffallend gröbere Zerklüftung auf. 2) = e ei v. H. Stürtz, rucker! n ne I. Univers- u) Tafel 6162. Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 689 In Textfigur 24 sieht man die unregelmässig begrenzten Knochen- zellenräume, sowie deren Ausläuferkanäle stark aufgequollen und bei stärkerer Vergrösserung erkennt man deutlich, wie die Zellausläufer je näher am Knochenzellenraum sich mehr und mehr erweitern (Textfigur 25). Diese feineren Auflösungsvorgänge am Rande und inner- halb der Knochensubstanz kehren beim Cement und Dentin in gleicher Weise wieder. Es ist nun interessant, dass selbst im Dentin durchbohrende Kanäle, also durch Gefäss- sprossen neu gebildete Zerklüftungen nachweisbar sind. In Text- figur 26 habe ich die am Boden der Pulpakammer erkenntliche Zerklüftung innerhalb der Dentinsubstanz durch feine Spalträume wiedergegeben, und in Textfigur 27 kann man unregelmässig be- grenzte Spalträume vom Periodontium aus in das Wurzeldentin eines Katzenmolaren deutlich verfolgen. Die beim Knochen- gewebe angenommene Entkalkungszone in einem bestimmten Umkreise des Resorptionsherdes findet sich ebenfalls am Dentin wieder. Auf Tafel 60, Fig. 26 tritt die Erweichungszone an einer Stelle durch eine unregelmässig wellige Zeichnung des Elfenbeines markant in Erscheinung. Auch im übrigen zeigt die Dentingrenze die gleiche Beschaffenheit wie das Knochen- gewebe: nämlich innerhalb der stürmischen Absorption tiefe mit Riesenzellen gefüllte Lacunen (Taf. 60, 61, Fig. 26, 28), an gemässigten Zonen eine höchst wechselvolle Oberflächengestalt (Taf..62, Fig. 31, 32). Die bei der Milchzahnresorption erkennbare Veränderung der Knochen- und Dentinsubstanz, speziell deren Zerklüftung und Erweichung, steht zwar in Widerspruch mit den Angaben von Pommer u. a., die jenseits der Lacunengrenzen eine Veränderung der Knochengrundsubstanz leugnen. Dass es sich bei der physiologischen Resorption durch die vom Grefässnetz und von Osteoclasten sowie Riesenzellen ausgehenden, uns noch unbekannten chemischen Vorgänge um Prozesse handeln 690 G. FISCHER, soll, die nur auf die Resorptionszone scharf begrenzt bleiben, ist nach meinen Ergebnissen nicht wahrscheinlich. Gegen diese Annahme spricht die bei der Milchzahnresorption in so reichem Masse zum Ausdruck kommende Tendenz, die Hyperämie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auszubreiten und dabei selbst das gefässlose Textfigur 26. Dentin mit Hilfe durchbohrender Kanäle zu zerklüften. Ferner ist zu erwarten, dass die von den hyperämischen Ge- fässen und den Zellen ausgehenden chemischen Veränderungen sich in erster Linie auf den präexistenten Bahnen der Knochen- zellenausläufer in der Knochengrundsubstanz ausdehnen und dieselbe rarefizieren. Ausserdem beobachtete ich häufig, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 691 dass geöffnete Knochenzellräume geeignete Angrifispunkte zur FEinfurchung der Grundsubstanz abgaben, indem von ihnen aus die Erweiterung der Ausläufer erfolgte (Textfig. 17). Die dabei frei werdenden Knochenzellen schienen bald in anliegenden Riesenzellen aufzugehen, bald als selbständige Zellkörper weiter zu existieren. Ob sie dann auch zu Osteoclasten werden können, Textfigur 27. wie v. Koelliker annahm, scheint mir nicht unwahrschein- lich, da sie als früher osteoblastische Zellen und Abkömmlinge des Bindegewebes sich diesen neuen veränderten Existenz- bedingungen sehr wohl zu adaptieren vermögen. Dieser Modus der Knochen- und Dentinauflösung stimm!i nun mit den Ergebnissen von Dyrenfurth (21) überein, der ın 692 G. FISCHER, Untersuchungen über die Halisteresis feststellen konnte, dass „häufig mitten in der Entwickelung der Verfall der Grund- substanz eintrat. Dann kann man beobachten, wie die radien- förmig angeordneten Ausläufer noch rundlicher grösserer Zellen (Textfig. 23) in Körnchen zerfallen (Textfig. 24), wobei zugleich die Grundsubstanz ausserordentlich rarefiziert wird, ein helleres homogenes Aussehen bekommt, so dass die Zellen stärker her- vortreten und scheinbar hier im Zeichen des Verfalles eine Vergrösserung und Vermehrung der Knochenkörperchen statt- findet.“ Dyrenfurth geht in der Beurteilung dieser Ver- änderungen sogar soweit, dass er die Halisteresis „für den normalen Entwickelungsgang als den weitaus mächtigsten Faktor des Abbaues ansieht, gegen den die Howshipschen Lacunen und Koellikers Osteoclasten eine sehr untergeordnete Rolle spielen.‘“ Ich kann indes diesen extremen Standpunkt für die Frage der Milchzahnresorption nicht teilen, wenn auch ich den Howshipschen Gruben mit ihren Zellelementen nicht die ganze Verantwortung für die Auflösung beimessen möchte, die sie bisher allgemein fanden. Ich halte das Vor- handensein einer üppigen Gefässvermehrung, die im Gewebe Zustände einer Hyperämie hervorruft, für das wichtigste Moment bei Entwickelung resorptiver Prozesse. Denn die Gefässe sind aller Wahrscheinlichkeit nach die Organe, welche den feineren Chemis- mus der Resorption beherrschen, zumal auch sie die Matrix für die Bildung der Osteoclasten und Riesenzellen abgeben, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll. Die Genese der Osteoclasten und Riesenzellen sowie deren Schwund. Eine der schwierigsten Fragen war auch bei vorliegenden Forschungen die Feststellung der Herkunft der resorbieren- Beiträge zum Durchbruch der bleibendenfZähne etc. 693 den Zellindividuen. Solange man Riesenzellen kennt, hat man ihre Abstammung festzustellen versucht und dafür die verschie- densten Gewebe verantwortlich gemacht. Nach Arnold (1), Heidenhain (30), Maximow (54), Metschnikoff (56), Ziegler (90) sollen sie Abkömmlinge der Leucocyten sein, eine Lehre, die besonders Maximow in bestrickender Weise zu stützen suchte. Die bindegewebige Genese halten Becher, Bohm, König, Ribbert (62, 62a), Stöhr (74) und Weiss (88) für erwiesen, während Friedländer (26), Goldmann (29) und Krauss (42) an eine epitheliale Ab- stammung geglaubt haben. Durch Klebs (37), Krück- mann (43) und v. Rustitzky (70) werden verschiedene Gewebszellen für fähig erachtet, sich in Riesenzellen umzu- bilden, während die grösste Zahl der Autoren deren Ursprung aus den Endothelien der Gefässe des Blut- und Lymph- apparates ableiten: Baumgarten, Bizzozero (13), Bro- dowski (15), Brosch (16), Chiari, Gaule (27), Hernig, Lübimow (50), Manasse (5l), Marchand (53), Pommer, Rindfleisch (63), Ribbert, Ritter (64), Rheinstein (65), Ströbe (76), Wegener (87) und Virchow (78). v. Koelliker verwandte sich für ihre Bildung aus Osteoblasten. Wegener beschreibt die Gefäss- wand geradezu mit Myeloplaxen gepanzert und gibt an, dass man statt der einkernigen Endothelien mehrkernige Platten an- treffe (Taf. 58, Fig. 23; Taf. 62, Fig. 30). Brodowsky lässt die Riesenzellen von den Sprossen neuer Blutgefässe ausgehen, und Pommer fand in Auflösung begriffene Haverssche Kanäle, deren Gefässendothelien zu Riesenzellen geworden seien. „Ich fand,“ so schildert Pommer seine Befunde, „in den betreffenden Präparaten sehr häufig Haverssche Re- sorptionsräume vor, in deren Inhalte grosse Protoplasma- gebilde liegen, die einen völlig geschlossenen Ring oder viel häufiger nur ein verschieden grosses Stück eines Ringes dar- 694 G. FISCHER, stellen. Meist zeigten die Ringstücke knopfartige Anschwel- lungen oder die Gestalt von Halbmonden oder Posthörnern. Dabei waren diese verschieden gestaltigen Riesenzellen oft von der Lacunenfläche durch rundliche, lose liegende Zellen ge- trennt, in sehr vielen Bildern sah ich sie jedoch noch in innigstem Kontakt mit der Lacunenmulde.‘“ Ähnlich verhalten sich auch die in den Textfiguren 18, 20—22 wiedergegebenen Zellgruppen in den Haversschen Räumen meiner Präparate. „Die Riesenzellen können“ nach Brosch ‚nicht nur aus degenerierten Angioblasten, Endothelien, weissen Blut- körperchen usw., sondern in gewissen Fällen durch Vermitt- lung einer eigenartigen „Erkrankung“ der Gefässwand und einer sich daran schliessenden noch nicht näher gekannten regres- sıven Metamorphose auch aus neugebildeten Gefässen grösseren Kalibers hervorgehen.“ C. Ritter hat ebenfalls eingehende Untersuchungen über die Entstehung der Riesenzellen in Epu- liden angestellt und mit der Überzeugung der endothelialen (renese geschlossen. „Die Riesenzellen des Riesenzellensarcoms am Alveolarfortsatz,“ sagt Ritter, „sind keine selbständigen Zellen analog denen des Knochenmarkes, wie man bisher ganz allgemein annahm, sondern sie sind Ausläufer, Knospen von Gefässen, deren Endothelien direkt in das Protoplasma der Riesenzelle übergehen. Man müsste annehmen, dass die Riesenzellen von Gefässendothelien ausgehen und Knochen durch Produktion ihres Protoplasmas bilden und andererseits sich denken, dass sie aus diesen durch Entkalkung ihres Proto- plasmas wieder zu den früheren Gebilden werden, wie Xlebs in der Tat annimmt. Damit stünde dann in Einklang die Be- obachtung Pommers“ (— auch diejenige des Verfassers, Taf. 61, Fig. 29 —), der die Bildung von Osteoclasten in Lacunen nebeneinander mit Apposition von Knochen in demselben Markraum, sogar am selben Knochenbälkchen sah. Der Annahme einer Entstehung der Riesenzellen als Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 695 Knospen von Gefässen steht in der normalen Histologie nichts entgegen. Ritter sah, wie die Capillare durch die Riesen- zelle ging, „während die Wand zu beiden Seiten die Riesen- ‘ zellensubstanz bildete.“ Die Riesenzellen können ferner unter- einander und mit Gefässen in Verbindung stehen, desgleichen senden sie selbst in die Bluträume hinein feine Protoplasma- fortsätze. Freie Riesenzellen hat Ritter nicht gefunden. Ehe ich näher auf die Entstehung der Riesenzellen aus Endothelien eingehe, ist es vorteilhaft, sich die Gruppierung der histologischen Strukturelemente in der Umgebung der Ge- fässe vor Augen zu führen. In anschaulicher Weise bieten dafür die Quer- und Längsschnitte durch Haverssche Kanäle günstige Aufschlüsse. Budge und Schwalbe beschreiben hier je einen von spindeligen Endothelien gebildeten Gefäss- schlauch, der noch von einem deutlichen Spindelzellenmantel umschlossen wird. Zwischen beiden Zellagen soll ein peri- vasculärer Lymphraum bestehen. Zwischen Gefässlumen und knöcherner Kanalwand sah ich ebenso wie auch Pommer häufig Spindelzellen liegen, und zwar teils vereinzelt, teils rings um das Gefässlumen, so dass sie in letzterem Falle eine ge- schlossene Scheide darstellten. Schon bei geringer Ausdehnung des Gefässlumens erfahren auch die Spindelzellen eine Ver- grösserung ebenso wie die Endothelien der Wand, so dass sich schliesslich Formen heranbilden, die typischen Riesen- zellen gleichen und als solche auch an der Knochen- grenze lacunäre Abschmelzungsprozesse hervorgerufen haben (Textfig. 18, 20—22). „Entsprechend solchen Spindelzellen und den Kernanschwellungen der Capillarendothelien finden sich dann in der buckelig zackigen Begrenzung der engen Kanäle einzelne, jenen Zellen an Form und Grösse ähnlich gestaltete seichte Lacunenbuchten, von denen jedoch die Zellen oft ab- gehoben und auch verschoben sind“ (Pommer). Dass die Tendenz zur Absorption von Knochen- und Dentin- 696 G. FISCHER, substanz vom Gefässstrom mit Hilfe der zarten Endo- thelien vor sich gehen muss, könnten allein die durch- bohrenden Kanäle, die oben schon geschildert wurden, beweisen. Der basale Teil einer solchen Sprosse ruht in einer ihrer Ausdehnung gleichgestalteten Knochenmulde. In ihrem Umkreis sind die Endothelien deutlich vergrössert und an einer Stelle werden die endothelialen Flügel lang ausgezogen, einen zarten mit Blut gefüllten Kanal formierend (Taf. 62, Fig. 34). Derselbe senkt sich tief in eimen Knochenspalt ein, der in einer bestimmten Ausdehnung, soweit als das Haar- gefäss reicht, erweitert ist. Am Ausgang des Spaltes wird diese Sprossenspitze erweitert und zeigt 'hier um die endotheliale Wand plasmareiche Spindelzellen, die wieder meist in entsprechend gebaute Mulden eingelagert sind, genau wie wir es in den Textfiguren 18, 20—22 von der Wand der Haversschen Räume kennen gelernt haben. Diese den Endothelzellen ähnlich gebauten mit Fortsätzen versehenen In- dividuen entwickeln zweifellos in dieser einzelligen Form resor- bierende Eigenschaften. Als typische Osteoclasten umsäumen sie die Knochengrenze (Taf. 59, Fig. 24). Daneben freten grössere gleichgebaute Zellen in die Erschei- nung, die sich nur durch die Vermehrung der Kerne von jenen unterscheiden (Tafel 62, Fig. 32) und den Beginn der Riesenzellenformdarstellen (Taf. 61, Fig. 28). Diese massenhaftim Umkreise der Gefässendothelien befindlichen Spindelzellensindnunaller Wahr- scheinlichkeitmachrdie durch mitotische Terz lungvomEndothelabgelöstenTochterzellen, die als Osteoclasten die ,Jugendformen“der Riesen- zellen verkörpern. Die fortgesetzte Zunahme ihres Protoplasmas unter lebhafter Kernver- mehrung bildet schliesslich die Riesenzellen- gestaltaus. Sie treten in Bezirken gemässigter Absorptions- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 697 vorgänge ebenso auf wie in denen stürmischer Resorption. In Fig. 25 auf Tafel 59 sieht man deutlich, wie die Gefässwand eine plasmareiche einkernige Endothelzelle abgibt, während dicht daneben eine zweikernige Zelle bereits näher an die Resorptionslinie herangerückt ist. Hier liegen ausnahmslos die grossen vielkernigen Zellen, zu deren Entsatz die Jugendformen in Bereitschaft dahinter zu stehen scheinen. Desgleichen erkennt man in Fig. 23, Tafel 58 und Fig. 30, Tafel 62 sehr schön, wie zwischen Knochengrenzen und den langgestreckten Riesen- zellen zahlreiche spindelige Zellen vorhanden sind, die ich als junge von den Endothelien abgegliederte Tochterzellen an- spreche, als Osteoclasten, welche mit zunehmender Grösse und 'Kernvermehrung zu Riesenzellen werden können. Die endotheliale Genese der Riesenzellen geht besonders deutlich daraus hervor, dass das Lumen derim Resorp- tionsbezirk liegenden Gefässe auf Kosten der nach innen wie aussen wuchernden Wand- schichte unregelmässig eingeengt wird. Dabei kann der innere Hohlraum durch Einfaltung buchtig gestaltet und differenziert werden (Tafel 61, Fig. 29). Die im Umkreise der Haversschen Gefässe gebildeten Endothelproliferationen führen meist auf einer Seite zur Riesenzellen- bildung,aufderanderenaberzurEntstehungvon Osteoblasten, die an der Grenze so unvermittelt in- einander übergehen, dass man aus diesen Befunden die An- nahme v. Koellickers nicht abweisen kann, dass gelegent- lich die aus den Endothelien gebildeten Osteoclasten zu Osteo- blasten und umgekehrt werden können (Taf. 61, Fig. 29). Am Rande des resorbierenden Zahnsäckchengewebes, im Bereiche der intensivsten Auflösung, haben nun die Endothelanschwel- lungen und Kernproliferationen der Gefässwände ein so charak- teristisches Aussehen, dass hier eindeutig die Bildung von Riesenzellen aus Endothelien nachgewiesen werden kann. Meist er Anatomische Hefte. I. Abteilung. 116. Heft (38. Bd., H. 3). 45 698 G. FISCHER, mit einem mehr oder weniger verengten Lumen ausgestattet, ziehen die von Riesenzellen förmlich gepflaster- ten Capillaren dahin. Je nach dem Verlauf des Capillar- rohres imponieren diese Riesenzellen teils als langgestreckte (Längsschnitt), teils als runde oder ovale plasmareiche Indi- viduen, in deren Zelleib wiederjenachihrem Ver- lauf die eingeengten Luminaalslängliche oder runde Bluträume imponieren (Taf.58, Fig. 23; Taf. 62, Fig. 30). Sobald nun das Lumen infolge Wachs- tums der Endothelhülle abnimmt, scheint sich das kernreiche Wandstück vom Verbande des Gefässystems abzulösen und als selbständiges Organ, als Riesenzelle, zu fungieren (Tafel 62, Fig. 30). Sie scheiden damit gleichzeitig aus dem Verbande des Capillar- netzes aus. „Es kommt,‘ wie auch Brosch fand, „zur Wuche- rung der Gefässendothelien, die bis zur Obliteration des Ge- fässlumens gehen kann.‘ Diese Endothelwucherung der Ge- fässe ist nun nicht nur hier bei der physiologischen Resorp- tion eindeutig nachweisbar, sondern ebenso scharf in patho- logisch veränderten Geweben markiert. An Epulispräparaten konnte ich die gleichen Vorgänge beobachten und muss die von C. Ritter gegebene Schilderung der endothelialen Riesenzellenbildung bei Epuliden bestätigen. Demnach haben sich zwei Wege der endothelialen Riesen- zellenbildung ergeben, die auch hinsichtlich ihres Vorkommens in mässigen und stürmischen Resorptionsbezirken vollem Verständnis begegnen. Bei geringer Intensität des Auflösungs- vorganges tritt an der Gefässwand eine wenigerempfind- liche Beeinflussung der Endothelien hervor, indem diese unter solchen Existenzbedingungen Zeit genug besitzen, ihre Ver- mehrung in Einzelglieder oder Tochterzellen vorzunehmen. Diese lösen sich schon als einzellige Formen aus dem Verbande der Wand ab und werden be- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 699 stimmter Beeinflussung zufolge zu Osteoclasten, Ale resor- bierende Fähigkeiten entwickeln. „Aber nicht nur Jie innerste Epithellage kann sich ablösen,“ lasse ich Brosch bestätigen, „sondern auch die Zellen der äusseren Schichten können ab- gestossen werden.“ Je nach der Schnelligkeit des weiteren Entwickelungsganges können diese eine raschere Zunahme ihrer Kernzahl als ihres Protoplasmas erfahren und teilen sich nicht weiter, bis sie schliesslich die mit einer grossen Bewegungs- freiheit (amöboid) ausgestattete Riesenzelle abgeben. Sind aber die Existenzbedingungen wie innerhalb der stürmischen Absorption auf eine höchst ungünstige Stufe ge- stellt, als hier stärkere Reize eine entsprechend schnellere Kernvermehrung auslösen, mit welcher die Teilung des Proto- plasmas nicht gleichen Schritt zu halten vermag, dann bleibt die Ablösung einzelner Endothelien aus. Es wird die Proliferation der Endothelien noch im Verbande der Gefässwand selbst vor sich gehen, die sich natur- gemäss vorwiegend auf Kosten des inneren Hohl- raumes ausdehnen muss. Es kommt zur mehr oder minder unregelmässigen Einengung desselben und kann schliesslich in einer vollständigen Obliteration enden. Und nun erst löst sich der ganze endotheliale Ge- fässkomplex, da er von der Blutbahn ausge- schaltet wurde, ab und stellt die grosse plumper gebaute vielkernige Riesenzelle dar. Durch einen Vorgang, der mir durch die Obliteration genügend charakterisiert erscheint, kann es eben, wie auch Brosch sah, „zur förm- lichen Bildung eines Aneurysma dissecans kommen. Es schien, als ob infolge von Obliterationsprozessen ganze Teilstücke ausser Continuität mit der Blutbahn gelangt seien, die dann als Riesenzellen mit plumpen, unregelmässigen, wie abgehackten Fortsätzen figurierten, welche den zugrunde gegangenen Ver- bindungsstellen mit der übrigen Gefässbahn entsprechen.“ 45* 700 “ @. FISCHER, Diese Riesenzelle beherrscht bekanntlich insonderheit den höchsten Auflösungsvorgang (Taf. 61, 62, Fig. 30), während in gemässigten Bezirken die einkernigen Osteoclasten die führende Rolle besitzen (Taf. 59, Fig. 24; Taf. 62, Fig. 31, 32). Diese Anschauung trägt in ungezwungener Weise der grossen Variabilität des Baues und der Form der Riesen- zelle Rechnung und reiht manche der bisher mit der endo- thelialen Genese unvereinbar geltenden Befunde in den nor- malen Entwickelungsgang ein. Ich stehe daher voll und ganz auf dem Boden der Theorie v. Koellikers, der bekannt- lich die kleinen einkernigen Zellen, die in entsprechend ge- formten Knochenmulden eingebettet liegen und damit ihre resor- bierende Fähigkeit erwiesen haben, Osteoclasten nannte. Er erkannte mit Recht, dass diese Zellorgane schliesslich zu „Riesenzellen“ heranwachsen könnten, und zwar unter bestimmten Bedingungen. Denn „bei allen Ur- ‘ sachen,“ wie O0. Hertwig sich ausdrückt, „welche in inten- sivster Weise in den normalen Verlauf des Stoffwechsels der Zelle eingreifen, bei nutritiver Reizung der Zelle, wie sich Virchow ausdrückt, werden ausser den Protoplasmaprodukten auch die bildenden Substanzen der Zelle selbst, Protoplasma und Kern, in Mitleidenschaft gezogen. Mehr oder minder leb- hafte Vermehrungsprozesse beginnen alsdann infolge der ver- änderten Existenzbedingungen in einem Gewebe aufzutreten, sowohl bei höheren Graden von Atrophie als von Hypertrophie. Während nun bei höheren Graden der Atrophie die specifischen Strukturen, auf denen die Eigenart der einzelnen Gewebe beruht, zugrunde gehen, bleiben die Zellen selbst nicht nur als solche erhalten, sondern ihre Kerne werden sogar durch den Zerfallsprozess der Protoplasmaprodukte und durch den veränderten Stoffwechselprozess noch zu Wachstum und zu wiederholter Teilung angeregt.“ „Die Beschleunigung der Wucherung,“ wie Ribbert fortfährt, „ist auch schuld daran, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 701 dass die Zellen oft eine ungewöhnliche Grösse erreichen, die relativ ungünstigen Ernährungsbedingungen aber, unter denen die rasch proliferierenden Elemente stehen, lassen die Teilung nicht immer vollständig werden, so dass zwar die Kerne sach vermehren, das Protoplasma ‘aber zu- sammenhängend bleibt. So entstehen häufig Riesen- zellen verschiedenen Umfanges.“ Von Bedeutung für die Entwickelung der Osteoclasten und Riesenzellen ist noch die Frage nach dem Reiz, der ıhre Ent- stehung veranlasst. Wir haben darunter wohl den Einfluss zu verstehen, der an bestimmten Stellen des Gewebes durch eine Störung oder Änderung der Stoffwechselbezie- hungen auf die angrenzenden Gewebszellen ausgeübt wird. Da die Resorptionsprozesse am gesunden wie kranken Knochen in der Hauptsache einen gleichen Verlauf nehmen, so scheint auch eine zwingende Notwendig- keit dafür zu fehlen, diesen Einfluss, der die Resorption aus- löst, in pathologischen Ursachen zu suchen. In allen Fällen lacunärer Resorption geben wohl in erster Linie die aus irgend einem Grunde veranlassten Störungen der Ernährung oder des Stoffwechsels, sei es atrophischer, sei es hypertrophischer Natur, einen der wichtigsten Faktoren ab. Je nach seiner feineren Qualität und je nach dem Chemismus des betroffenen Zellstaates wird dieser Reiz einen verschiedenen Erfolg haben und teils progressive, teils regressiveVer- änderungen auslösen können. In unserem speziellen Falle der physiologischen Resorption muss ein besonders komplizierter Chemismus innerhalb der vom Wachstum des Keimes getroffenen Zellen bestehen; denn wir sehen Produktion und Re- sorption stets mitenander kombiniert auftreten der- gestalt, dass auf der einen Seite z. B. eines Haversschen Kanales Auflösung, gegenüber Anbildung von Knochensubstanz statthat (Taf. 61, Fig. 29). Immeraberüberwiegtder Ab- 702 @. FISCHER, bau gegenüber dem Anbau, es besteht mithin ein Missver- hältnis zwischen beiden Vorgängen, das eben nur durch besondere specifische Reizqualitäten ermöglicht werden dürfte. Da man ferner nicht annehmen kann, dass innerhalb eines Gefässes verschieden wirkende Substanzen getrennt voneinander zur Ausscheidung durch die Gefässwand kommen, so scheint diese verschiedene Reaktion der Zellen in der Um- gebung ein und desselben Gefässes in einem wunderbar ent- wickelten Wahlvermögen der betreffenden Zelle selbst begründet zu liegen. An der Schwelle dieser Erscheinungen macht aber die exakte Wissenschaft Halt und bewundert die in jedem Einzel- glied des Organismus noch zum Ausdruck gebrachte Ent- wickelungshöhe. Ein Vergleich der beiden Produkte dieses Reizeinflusses der Osteoblasten einerseits und der Osteoclasten und Riesen- zellen andererseits macht die oben schon angeregte Vermutung noch wahrscheinlicher, dass ihre gemeinsame Matrix die Gefässwand, im speziellen deren Endothel- zellen sind. Für die Osteoclasten- und Riesenzellengruppe konnte der Beweis geführt werden. Hier handelte es sich zweifellos um regressive Vorgänge der Endothelien, während die Osteoblasten progressive Zustände derselben zu ver- körpern scheinen. Da ferner die Osteoblasten Glieder des Binde- gewebes darstellen, Bindegewebe aber nach den Untersuchungen von Bizzozero und Bozzolo endothelartigen Cha- rakter annehmen kann, so sind die Beziehungen der Osteo- blasten zum Endothel nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Desgleichen wissen wir, dass die Osteoblasten eben- falls nur in der Umgebung eines reicher ent- wickelten Capillarnetzes aufzutreten pflegen, das sich durch seine langgestreckten Schlingen von den kurzen knolligen Capillaren des Resorptionsbezirkes unterscheidet (Tafel 54, Fig. 11) und der Appositionszone daher Endothelzellen eben- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 703 falls stets benachbart liegen. Solange jedoch exakte Unter- suchungen hierüber noch ausstehen, fehlen vorläufig noch zwingende Beweise für ihre unbedingte Annahme. Dagegen sind die regressiven Veränderungen des Endo- thels, die zu Osteoclasten und Riesenzellen führen, in mehr als einem Falle einwandsfrei dargelegt worden. Auch Brosch fand bei manchen Riesenzellen überhaupt keine deutlichen Zellgrenzen, sondern nur diffus umschriebene Schollenmassen. Man sieht nicht selten Riesenzellen, „deren Kernkranz an einer Seite auseinander gewichen ist, wobei an dieser Unter- brechungsstelle des Kernkranzes die Zellsubstanz ohne deut- liche histologische oder tinctorielle Grenze in die benachbarten necrotischen Massen übergeht (Taf. 59, Fig. 25 [grösste Riesenzelle]). Diese Bilder lassen vermuten, dass die Elemente des Kernkranzes (Endothelzellen) von früher her eine festere Verbindung miteinander (intercelluläre Kittsubstanz) be- sitzen.“ Brosch tritt besonders für die Entstehung der Myelo- plaxen aus Endothelien ein und hauptsächlich von solchen Ge- fässen, die „teils in grösserer Ausdehnung, teils in kleineren Ab- schnitten im Zustande einer regressiven Metamorphose sind. Der Endothelkranz ist zwar erhalten, aber die Blutkörperchen sind zum grössten Teil zerfallen. Man kann alle Übergänge von Gefässen mit zerfallendem Inhalte bis zu Riesenzellen verfolgen, welche in ihrer Anordnung an den geschlängelten Ver- lauf eines Gefässes erinnern“ (Taf. 58, Fig. 23; Taf. 62, Fig. 30). v. Rustitzky glaubt, dass ein gewisser Druckreiz einzelne Gefässe verengt, „aber damit in den weniger kompri- mierten Nachbargefässen Fluxionen veranlasst, und dass darum Ernährungsveränderungen resultieren, welche für die Ausbildung der Riesenzellen günstig werden.“ Ihre direkten Be- ziehungen zu Gefässen hat auch das von demselben Forscher angestellte Experiment gezeigt. v. Rustitzky brachte Knochen in den Lymphsack eines Frosches ein, um zu prüfen, ob es 704 G. FISCHER, gelingt, die sich bildenden Riesenzellen, einen Knochenschwund und womöglich Lacunen zu erzeugen. Nach Monaten waren reichlich Riesenzellen da, aber keine Lacunen. Somit scheint es sicher, dass ‘die Entstehung der Lacunen an die Anwesenheit von Gefässen und deren Endothelien (hier Lymph- endothelien !) gebunden ist, die unter gewissen Bedingungen zur Knochenresorption befähigt werden. Dass die Riesenzellen an und für sich als regressive Bildungen aufzufassen sind, zeigt einmal ihre geringere Färb- barkeit. In van Giesonpräparaten z. B. verhalten sich die Osteoclasten bis zu den Riesenzellen ebenso wie necrotisches Gewebe, indem sie einen gleichen grauen bis graugelben Farbenton annehmen (Taf. 60, Fig. 26). Ferner pflegen die Konturen der resorbierenden Zellen je grösser sie selbst werden, eine scharfe Plasmabegrenzung mehr und mehr vermissen zu lassen (Taf. 58, 59, Fig. 23, 24, 25; Taf. 61, Fig. 28, 29; Taf. 62, Fig. 30, 32a). Auch die Kerne nehmen schliesslich an dem Zellverfall teil, indem sie in den Formen, die ihre bedeutenste Grösse erreicht haben, eine unregel- mässige zackige Gestalt bekommen, geringer färbbar erscheinen und sich immer weniger vom Zellplasma abheben (Taf. 59, Fig. 24, 25). Die Riesenzelle ist in ihrer äusseren Partie,‘ wie auch Pommer beschrieb, ‚wie durchlöchert; zwischen den einzelnen Lücken, in welchen einkernige Zellen liegen, bleiben nur schmale Brücken von Protoplasma. Wir sehen das Protoplasma der Riesenzelle direkt in die Intercellularsubstanz übergehen, die ihrerseits wieder ohne Grenzen an das benachbarte neugebildete Knochen- gewebe sich anlegt.“ Weiss lässt die Riesenzelle selbst unter günstigsten Lebensbedingungen der fettigen Metamor- phose verfallen. Dass die Riesenzellen schliesslich im Zustande der Atro- phie zugrunde gehen und zu weiterer Metamorphose nicht Tı af: 63. ‚Inatom. Hefte, Abteilung 116.Heft (38.Bd. 1.2) 7%, 177 Kollurs, vhotog Verlag von. J. F-Bergmann , Wiesbaden on Hefte, [Abteilung 116. Heft (38Bd.H 2) Taf. 64 E. Kallüxs, photag Verlag von JE Bergmann , Wiesbaden - Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 705 mehr fähig sind, möchte ich mit zahlreichen Autoren annehmen. Auf Tafel 59, Fig. 25, sowie Tafel 62, Fig. 32, 33 kann man sich überzeugen, wie die Konturen der Riesenzellen unscharf und undeutlich geworden sind; die sonst lebhaft färbbaren Kerne sind verblasst und machen gleichfalls den Eindruck der Dege- neration (Taf. 59, Fig. 25). Von diesem Zerfallsprozess scheinen gelapptkernigen Leucocyten ähnliche Zellen zu profitieren, in- dem sie sich der in der Auflösung begriffenen Zelle bemächltigen. Man findet nämlich in der Umgebung schwindender Riesen- zellen stets massenhaft leucocytäre Zellen, die sich wahrscheinlich von den zahlreichen Capillaren aus im Haupt- resorptionsgebiet ausbreiten (Taf.59, Fig. 25; Taf. 61, Fig. 28). Sie halten sich an der am Knochen ruhenden, im Zerfall be- griffenen Riesenzelle auf und dringen zwischen Lacune und Zelleib vor (Taf. 61, Fig. 28; Taf. 62, Fig. 32a, 33a). Hier entfalten sie zweifellos eine phagocytäre Tätigkeit und bringen das Riesenzellenplasma zum Schwund. Durch massen- hafte Vermehrung überwuchern sie die schliesslich zu völliger Auflösung gelangte Riesenzelle (Taf. 62, Fig. 33b) und füllen nunmehr die ganze Lacunenbucht aus. Diese beim Schwund der Riesenzelle hervortretende pha- socytäre Tätigkeit gewisser „leucocytoider“ Zellen (Mar- chand), die ich als echte Leucocyten ansprechen möchte, ist an sich nicht erstaunlich, da wir wissen, dass gerade die gelapptkernigen Wanderzellen die specifische Funktion der feineren Plasmaresorption, z. B. bei der Entzündung, be- sitzen. Ihre Beteiligung am Auflösungsprozess der Riesenzellen, wo es sich stets auch um hyperämische Zustände handelt, ist schon von anderer Seite beobachtet und von Ziegler, Maximow u. a. dahin ausgenutzt worden, dass man sie selbst für die Entstehung der Riesenzellen verantwortlich ge- macht hat. Die bestrickend schönen Bilder, die Maxımow vom Entwickelungsgange der Leucocyten zu Riesenzeilen ent- 706 G. FISCHER, worfen hat, haben mich jedoch nicht überzeugen können, dass auch die in meinen Präparaten vorhandenen leucocytoiden Zellen die Vorstufe der Riesenzellen abgeben, sondern haben mich eher in meiner Auffassung von der endothelialen Genese dieser interessanten Zellindividuen bestärkt. Durch welche spezielle Substanz nun die Entkalkung und restlose Aufzehrung der Knochen- und Dentingewebe bewirkt wird, habe ich nicht ermitteln können. Der erste, welcher die am Knochenrande liegenden Zellen als die Träger einer Sub- stanz ansah, die die Kalksalze zu lösen vermöchte, war Bill- roth (12). Dass dabei von den Gefässen eine Säure, etwa Milchsäure, ausgehe, wurde bereits von Volkmann wider- legt mit der Begründung, dass unter dieser Voraussetzung der Knochenknorpel unaufgelöst zurückbleiben müsste, während je- doch die Lacunenbildung auf einer „gleichmässigen Zerstörung des aus Kalk und Knorpel bestehenden Knochengewebes‘ be- ruht. Dagegen wäre denkbar, dass die Osteoclasten und Riesen- zellen die Träger einer Flüssigkeit sind, die noch Basen auf- zunehmen imstande wäre. Sicher ist jedenfalls soviel, dass die Osteoclasten und Riesenzellen während der Absorption einem komplizierten specifischen Stoffwechsel- prozess unterliegen, indem sie die Lösung der Kalksalze und die Assimilation des entkalkten Grundgewebes vermitteln. Zusammenfassung. Nach diesen Untersuchungen beruht somit die Resorption der Milchzähne auf Erscheinungen, die im allgemeinen durch das Wachstum des Keimes, im speziellen durch ver- änderteExistenzbedingungenundStoffwechsel- Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. 707 störungenim Milcehzahngebiet ausgelöst werden. Für die Ausbreitung des Absorptionsprozesses ist stets dieWachs- tumsrichtung des Keimes massgebend. Das Gefäss- system steht im Mittelpunkt der gesamten Re- sorption. Wenn die junge Krone gebildet wird und die ersten Ver- kalkungsprozesse eingeleitet sind, tritt an der Peripherie des Zahnsäckchengewebes eine reiche Vascularisierung auf. Dichte Capillargeflechte, mit zahlreichen Riesenzellen besetzt, dringen an der Knochengrenze vor, dieselbe buchtig ausnagend. Das resorbierende Gefässnetz breitet sich ausser- dem innerhalb des Knochens auf dem Wege der Havers- schen Kanäle aus und durchdringt ferner in Gestalt „durchbohrender Gefässe“ die soliden Lamellen- systeme der Knochen- und Dentinsubstanz. Das Knochen- gewebe wird ferner noch durch Erweiterung der Knochen- körperchenräume und deren Ausläufer in zierlichster Weise zerklüftet. Neben diesen Auflösungserscheinungen findet fort- gesetzt eine Knochenneubildung statt, wenn auch nur bis zu einer gewissen Grenze. Dadurch wird zwar neue Knochensubstanz angelagert, zuweilen bis in die von der Re- sorption eröffnete Pulpa hinein; dieser Anbau bleibt je- doch stets hinter der Absorptionswirkung zu- rück, so dass schliesslich die über der Keimkrone gelegene Knochenschicht schwindet. Der innerhalb der Schmelzpulpa eingeschlossene Keim er- reicht bald mit seiner Spitze und dem darüber befindlichen Amelo- blastensaum die äussere gefässreiche Schmelzzellenlage. Die Schmelzepithelien rücken grösstenteils gemeinsam weiter, während das Zahnsäckchengewebe für Vergrösserung des Raumes sorgt. Der Wachstumsrichtung enispre- chend tritt stets oberhalb der Kronenspitze die Resorptions- 708 G. FISCHER, bewegung mit grösster Intensität auf, charakterisiert durch ein auffallend diehtgefügtes Capillarnetz, das von zahlreichen Riesenzellen umsäumt wird. Die ausserhalb dieser Zone seit- lich und entfernter davon, stets aber noch in der Durchbruchs- richtung gelegenen Gewebe erfahren eine gemässigtere Absorp- tion, welche durch die besonders wechselvolle Beschaffen- heit der Lacunen ausgezeichnet ist. Tiefe Buchten alternieren mit flacheren, oder es überwiegen kurze und längliche flache Mulden, und die in ihnen eingebetteten Zellbestandteile zeigen alle Übergänge plasmareicher einkerniger Zellen (Osteoclasten) bis zu vielkernigen Riesenzellen. Am Zahnhals geht der Re- sorptionssaum oft in ein indifferentes Spindelzellenlager über, apicalwärts längs der Wurzel dagegen in eine Osteoblasten- reihe. Basal hat wiederum an der der Pulpa zugekehrten Knochengrenze eine lebhafte Resorption statt, die erst mit Ab- schluss der Wurzelbildung eingestellt wird. Es findet mithin im Umkreise der Wurzel ein lebhaftes Knochen- wachstum statt, das schliesslich zum Bau der Alveolar- spongiosa führt. Der junge Zahn wächst also nach oben in die Mundhöhle wie nach unten in die Spongiosa hinein, so dass im Bereich der Krone und basal Absorption von Knochensubstanz statt- findet. Während dieselbe in der Durchbruchsrichtung die da- selbst im Knochen noch spielende Apposition stets überwiegt, so dass schliesslich der gänzliche Schwund dieser Knochen- schicht zustande kommt, ist die basale, meist selerotische Knochenspange den Gesetzen des normalen Knochenwachs- tums unterworfen, indem sie pulpawärts resorbiert, auf der gegenüberliegenden Fläche aber verstärkt wird. Durch das successive Fortschreiten der Hyper- ämie vom Keim aus wird ein Gewebe nach dem anderen: Spongiosa, Wurzelhaut, Cement, Dentin und Pulpa des Milch- zahnes zur Auflösung gebracht. Dabei verhalten sich die über Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 709 dem Keim gelegenen Texturen völlig passiv. Kurz vor der Perforation der Krone durch die Mundschleimhaut zeigt auch die letztere eine deutliche Hyperämie, die von einer Epithel- wucherung begleitet ist. Das Epithel dringt unter der in Aul- lösung befindlichen Dentinkappe hin und versucht sich da- selbst auszubreiten. Dadurch scheint ein gewisser mechani- scher Druck auf das durch die ausgedehnte Resorption ohne- hin geschwächte und gelockerte Kronenscherbchen ausgeübt zu werden. Ferner atrophiert das Schmelzepithel an der Stelle des stärksten Wachstumsdruckes der Kronenspitze gegenüber und gewährt derselben den Durchbruch nach aussen. Gleichzeitig hat zu beiden Seiten der durchbrechenden Spitze eine Vereinigung des Schmelzepithels mit der von oben her sich einsenkenden Schleimhaut stattgefunden. Während die Krone ihren Platz in der Mundhöhle aufsucht, wird aus diesen nun vereinigten Epithelien die junge gefässreiche Interdental- papille formiert, nachdem der früher glatt verstreichende Schmelzepithelsaum auch seinerseits papilläre Wucherungen in das umliegende Bindegewebe vorgetrieben hatte. Es differenziert sich mithin das Schmelzepithel nach vollendeter Schmelz- bildung bis zum Schleimhautepithel weiter. Sobald der Ersatzzahn seine funktionelle Tätigkeit in der Mundhöhle aufgenommen hat, ist die grobe Gestalt seiner Wurzel bis auf die meist noch unvollendete Spitze angelegt, so dass nur noch die feinere Ausgestaltung, wie die Verengerung ihres Foramens und Verdichtung des Alveolarpolsters der Vol- lendung harrt. Auch die Wurzel wird ebenso wie die Krone des Zahnes unter dem Einfluss des Epithels entwickelt, als vom Pulpa- wulst aus ein solider Strang des hier umgebogenen doppel- reihigen Schmelzepithels als führende Zellgruppe in die Tiefe dringt. Auch für die Wurzel iist das Epithel mit- hin das formgebende und dirigierende Gewebe. 710 G. FISCHER, Erst hinter diesem Epithelzapfen schicken sich auch die zu Odontoblasten differenzierten Pulpazellen zur Tiefenwucherung an und bilden ihrerseits das Dentin. Während nun der an der Spitze dieses Wulstes abwärts zıehende Epithelstrang bis zum Schluss der Wurzelbildung als eine grössere geschlossene Zellgruppe fungiert, wird die Hauptmasse der Epithelzellenreihe über dem jungen Wurzel- dentin von den lebhaft anstürmenden Bindegewebszellen des Zahnsäckchengewebes, die sich zu Cementoblasten zu differenzieren beginnen, durchbrochen. Die an der Wurzel- spitze lückenlose Epithelkappe setzt sich auf diese Weise in ein epitheliales Netzwerk fort, das wieder bis zur Mund- schleimhaut führt und in dieselbe übergeht. Es imponieren in diesem Netzgeflecht gröbere Zellanhäufungen als markante Epithelnester, die aber stetsdurch feine Zellausläufer und Zellstränge miteinander anastomosieren. Während nun die Cementoblasten und dichte Fibrillenbündel durch die meist weiten Maschen des Epithelnetzes zur An- lagerung von Cementgewebe führen, das am Zahnhals am dünnsten, an der Wurzelspitze zu grösster Ausdehnung gelangt, siedelt sich der die Wurzelbildung beherrschende Epithel- mantel, der schliesslich auch nach Anlage der Wurzelspitze durchbrochen wird, in Gestalt eines Netzgeflechtes um die- selbe. So entsteht ein über die gesamte Wurzel verteiltes mehr oder weniger weitmaschiges Epithelnetz, das mit der Mundschleimhaut zeit- lebens in ständiger Verbindung bleibt; dasselbe ist nicht, wie man seit Malassez allgemein angenommen hatte, als ein in Gestalt versprengter, in einzelnen Epithel- nestern auftretender „Epithelrest“ aufzufassen. Durch diese hier zum ersten Mal gekennzeichneten Ent- wickelungsvorgänge der Wurzelepithelien kann aber ein weiterer wichtiger Schluss registriert werden, dass nämlich diese Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne etc. 711 Epithelnester, d. h. die Knoten des epithelialen Maschennetzes die Fähigkeit, gelegentlich zu proliferieren und in Regenerations- prozesse einzugreifen, eben dieses Zusammenhanges mit dem Mundepithel wegen nicht eingebüsst haben dürften. Sie können mithin für die Auskleidung cystischer Geschwülstein der Umgebung von Zahnwurzeln oder für die postembryonale Entstehung epi- thelialer NeubildungensehrwohlinBetrachtge- zogen werden. Die eigentliche Auflösung der Milchzahngewebe erfolgt zum Teil durch die mit resorbierenden Fähigkeiten ausgerüsteten Capillarsprossen, zum Teil durch die aus der Gefäss- wand stammenden Endothelien, die sich zu Osteoclasten und Riesenzellen heranbilden können. Je nach der In- tensität der Auflösung treten dieselben in bestimmter Gestalt hervor, im Bereich der stärksten Bewegung meist als viel- kernige grosse Zellen, in gemässigten Zonen ın allen Stadien ihrer Entwickelung. Die Riesenzellen stellen Resorptionsorgane dar, die auf einer gewissen Entwickelungshöhe angelangt unter atrophischen Erscheinungen zugrunde gehen. Dabei treten leucocytoide Zellen, die als polynucleäre Leucocyten angesprochen werden müssen, in Erscheinung und bewirken die Assimilation des atrophischen Riesenzellenplasmas. Die Milchzahnauflösung ist somit keineswegs das Produkt der resorbierenden Tätigkeit einzelner Milchzahngewebe, sondern kommt durch den verschiedenartigen Ein, fluss zustande, welchen der wachsende Zahn keim auf seine Umgebung ausübt. Neben Spannungszuständen spielen vor allem die durch das Wachstum veranlassten Er- nährungsstörungen, sowie die feineren biochemi- schen Wechselverhältnisse einzelner Zellen und ganzer Gewebe, die in der Durehbruchsrichtung des Keimes 712 _G. FISCHER, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne ete. gelegen sind, eine Rolle. Das Gefässystem behauptet während des gesamten Resorptionsprozesses die führende Stellung und muss als der eigent- liche Träger desselben betrachtet werden. Anhang. Am Schlusse dieser Abhandlung ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. Kallius, Direktor des anatomischen Institutes zu Greifswald, für die bereitwillige Anfertigung zahl- reicher hervorragend ausgeführter Microphotogramme, sowie für das bei meinen Arbeiten bewiesene grosse Interesse aulf- richtig zu danken. Herr Geheimrat Prof. Dr. P. Grawitz hat mich des- gleichen in liebenswürdiger Weise bei meiner Arbeit unterstützt. Ebenso danke ich meinem Freunde Herrn Dr. Felix Landois-Breslau für die gütige Hilfe bei der Durchsicht dieser Arbeit. co or 172 18. Literaturverzeichnis. . Arnold, Experimentelle Untersuchungen über Blutcapillaren. Virchows Archiv. Bd. 53, 54. 1872. Babes, Beobachtungen über Riesenzellen. Biblioth. med. Abt. C. 1905. Bate, in Tomes, Ein System der Zahnheilkunde. Leipzig 1861. Baume, Der Durchbruch der Zähne. Deutsche Vierteljahrsschr. f. Zahn- heilkunde. Jan. 1873. — Bemerkungen über die Entwickelung und den Bau des Säugetierzahnes. Inaug.-Diss. Leipzig 1875. — Odontologische Forschungen. Leipzig 1882. Becher, Über Riesenzellenbildung in Cancroiden. Virchows Archiv. Bd. 156. S. 62. Berten, Der Mechanismus des Zahndurchbruches. Deutsche zahnärztl. Wochenschr. 1900. Nr. 129. — Das Stehenbleiben der Milchzähne, ihre Deutung und Bedeutung. Deutsche zahnärztl. Wochenschr. 1900. Nr. 136. Bidder, Neue Experimente über die Bedingungen des krankhaften Längen- wachstum von Röhrenknochen. 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Bifurcation. r.B. ruhendes Bindegewebe. D.L. Dentinlamelle. e.D. erweichtes Dentin. E. Epithel der Schleimhaut. E.R. Epithelreste „„Malassez“. e.H. erweit. Haverssche Kanäle. K.M. Mandibularkanal. B.K. Basale Knochenlamelle. K.S. Kronenspitze. d. Z.K. degenerierte Zellkrone. K.R. Kronenrest. E.M. Erweiterter Markraum. O. Osteoblasten. Ü.O. Übergang von Osteoclasten zu Osteoblasten. Od. Odontoblasten. Pe. Periost. R. Resorption. g. R. gemässigte Resorption. S. Schmelz. i. 8. inneres Schmelzepithel, blastensaum. Amelo- i.8.P. innere Schmelzpulpa. v.S. vereinigtes Schmelzepithel. S,V. Schmelzepithel und Schleimhaut- ephitel vereinigt. en. V. endothelialer Verbindungsstrang mit Riesenzelle. | Bi. Bindegewebszellen. D. Dentin, S.D. Schutzdentin. E. W. Epithelwucherung. En. Endothelien. F. Fortsätze der Osteoclasten. K.P. Keimpulpa. K.Z. Knochenzelle. I. Indifferente Schicht. L. Leucocyten. r. L. resorbierende Leucocyten. S.K. Selerotischer Knochen. M. Milchzahn. M.P. Milchzahnpulpa. M. W. Milchzahnwurzel. j.O. junge Osteoclasten. P. Periodontium. i. P. interdentale Papille. i. R. intensive Resorption. N.R. Riesenzelle im Verfall begriffen, nekrotisch. Ri. Riesenzellen. a. Ri. abgelöste Riesenzelle. ä,S. äusseres Schmelzepithel. H. R. Riesenzellenhohlraum — Gefäss- lumen. ä.8.P. äussere Schmelzpulpa. Sp. Sprossung von der Capillarwand aus. W.S. Weilsche Schicht. Z.V. Zellvermehrung. at. S. atrophisches Schmelzepithel. W. Wimperbesatz d. Lacune,. 7. Zahnsäckchengewebe. Ze. Zementgewebe. 718 Tafelerklärung. Tafel 51. Fig. 1. 5monatl. menschl. Embryo, Formal. 10°. Hämalaun, Zeiss B.B.4. Das Schinelzepithel biegt an der Basis des Keimes in scharfem Winkel um und zieht als „inneres“ Schmelzepithel dicht am Pulpagewebe hin. Die unter dem Keim gelegene Spongiosa zeigt eine deutliche Auflösung R, der auf der gegenüberliegenden Seite Apposition neuer Schichten A entspricht. Basal ist die Anlage sclerotischer Knochensubstanz gekennzeichnet. SK. Fig 2. 2 monatliche Katze, Formalin 20°/o, Berlinerblauinjektion, Hämalaun "Zeiss ää 4. Neben der mit breitem Foramen ausgestatteten Milchzahnwurzel liegt der junge Keim in seiner Knochenkapsel eingehüllt und zeigt durch die deutlich hervortretenden Gefässe die reiche Anastomosierung, die zwischen Milehzahn und seinem Nachfolger besteht. Um das Keimgewebe lagert sich die innere und äussere Schmelzpulpa, am Knochenrande schliesst das gefäss- reiche Zahnsäckchen an, dessen Capillaren nach der Milchzahnwurzel die Spongiosa in gleich gerichteten Zügen durchsetzen. An einer Stelle kommuniziert das Zahnsäckchen mit einem in Erweiterung begriffenen Markraum. Tartel’52. Fig. 3. 2'/2 monatliche Katze, Formalin 20°, Berl. Blau-Gelat.- Inj., Hämalaun. Zeiss ää 4. In der Spongiosa unter dem Milchmolaren treten die Erscheinungen der Knochenauflösung auf. Am Rande des Resorptions- herdes imponiert ein reiches Capillargeflecht, sowohl am Knochen wie Dentin tiefe Howshipsche Lacunen beherrschend. In diesen treten zahlreiche Riesen- zellen hervor. Die Spongiosa zeigt ferner zum Unterschied von der meist scharf abgeschmolzenen Dentinsubstanz viele erweiterte Haverssche Kanäle sowie vergrösserte Markräume. Nahe der Bifurcation des Milchmolaren findet dagegen Knochenapposition infolge der durch die Hyperämie gesteigerten Zelltätigkeit statt. Gegenüber der scharfen Bissmulde des Backenzahnes hat die Pulpa ein typisch höckerartiges Schutzdentin angesetzt. Die buccale Wurzel ist in mässig verlaufender Absorption begriffen. Die feinen Spindel- zellenzüge am Dentin deuten auch auf lebhafte osteoblastische Tätigkeit hin. Das vereinigte Schmelzepithel liegt dicht unter der am Dentin verlaufenden Resorption. Fig. 4. 6 wöchentliche Katze, Formalin 20°%0, Berl. Blau-Gelat.-Inj., Hämalaun, Zeiss. B. B. 2. Die innere Schmelzpulpa wird vom äusseren wie inneren Schmelzepithel umsäumt. Durch das Wachstum der Krone erreicht dieselbe allmählich eine Vereinigung dieser beiden Epithelsäume, die alsdanr gemeinsam das junge Schmelzgewebe überdecken. Fig. 5 monatl. Katze. Formal. 20°o, Berl. Blau-Gelat., Inj.-Hämalaun van Gieson, Zeiss, ää4. Dicht uuter der Milchzahnwurzel schickt sich der Keim an, innerhalb der Schmelzpulpa vorzurücken. Durch feinste radiär gerichtete Fibrillen- fäden ist die Kronenspitze bereits mit der höchsten Vorwölbung des äusseren Schmelzepithels verbunden. Oberhalb breitet sich das Zahnsäckchen mit seiner gefässreichen Peripherie aus. Die Auflösung beherrscht zunächst noch das Knochen- Tafelerklärung. 719 gewebe, in welchem zahlreiche erweiterte Markräume und Haverssche Kanäle sichtbar sind. Ausser am Cement zeigt der Milchzahn keinerlei Resorptions- wirkungen. Die zellreiche Keimpulpa markiert sich durch ihre dunkelrote Färbung deutlich von der helleren zellarmen Milchzahnpulpa. Tafel 53. Fig. 6. 7 wöchentl. Katze, Formal. 20°/o, Berl. Blau-Gelat.-!nj., Hämalaun van Gieson, Zeiss ää 3. Dicht an das Cement des Milchzahnes anschliessend, breitet sich die äussere Schmelzpulpa mit dem Zahnsäckchengewebe aus, in ihrem Innern den jungen Keim einschliessend. Man kann deutlich verfolgen, wie von dem peripheren Gefässnetz des Zahnsäckchens die Haversschen Kanäle der Spongiosa durch Vermehrung der Gefässe erweitert, entfernter liegende Markräume ausgedehnt werden. Fig. 8. 10wöchenttiche Katze. Formal. 20%, Berl. Blau - Gelat. - Inj., Hämalaun van Gieson, Zeiss, ää 1. Der Durchbruchsrichtung des Keimes; entsprechend ist der grösste Teil der Milchzahnwurzel zur Auflösung gelangt es finden sich links dichte Capillargeflechte mit zahlreichen Riesenzellen vor, denen gegenüber rechts Schichten gemässigter Absorption am Knochen vor- handen sind. Am Zahnhals beginnen auch die hyperämischen Schleimhaut- partien tiefe Zapfen zu treiben. Hinter dem Zahnhals des Ersatzzahnes geht die Auflösungszone fast unvermittelt in die indifferente Schicht über, die weder An- noch Akbau erkennen lässt. Fig. 9. 9 wöchentliche Katze, Formal. 20/0 Berl. Blau-Gelat., In)., Hämalaun van Gieson Zeiss, ää 1. Dicht unter dem Wurzeldentin des Milcheckzahnes befindet sich eine gefässreiche Auflösungszone, die in der Durchbruchsrichtung des Keimes am intensivsten entwickelt ist. Ausserdem hat die vom Zahn- säckchen ausgehende Hyperämie auch am Zahnhals einen ausgedehnten schweren Auflösungsherd zustande gebracht. Tafel 54. Fig. 7. 10 wöchentl. Katze, Formal 20°/o, Berl. Blau-Gelat-Inj., Hämalaun van Gieson, Zeis aa 2. Nach Extraction des Milchzahnes hat sich nach einigen Tagen eine starke Hyperämie im Wundgebiet und der benachbarten Spongiosa aus- gebreitet. Innerhalb der letzteren sind mehrere erweiterte Markräume und Haverssche Kanäle sichtbar, die offenbar durch die vom Wundherd aus- gegangenen Einflüsse entstanden sind. Daneben sieht man am Knochen an gegenüberliegenden Stellen mehrfach Apposition neuer Schichten. Der Keim ist auffällig durch die frühzeitige Extraction in seinem Wachstum gestört, die eine Seite des Schmelzepithels ist anscheinend atrophisch, ohne scharfe Zell- grenzen, während gegenüber normale Verhältnisse anstehen. Bemerkenswert ist schliesslich die tiefe Wucherung des Schleimhautepithels. Das Zahnsäckchen- gewebe hat sich weit in den freien Granulationsraum vorgeschoben. Fig. 10. 12 wöchentliche Katze, Formal. 20%, Berl. Blau-Gelat.-Inj. Hämalaun, Zeiss, ää3. Der im vorhergehenden dargestellte Verlauf der Resorption 720 Tafelerklärung. unter dem Wurzelkörper des Milchzahnes präsentiert sich hier kurz vor dem Durchbruch des Ersatzzahnes. Man sieht die allmähliche Proliferation des Schmelzepithels wie diejenige der Schleimhaut. Die Pulpa befindet sich im Zustande vollster Hyperämie. Fig. 11. 10 wöchentliche Katze, Formal. 20°/o, Berl. Blau -Gelat. - Inj. Hämalaun Zeiss aa 4. Nahe der Keimkrone, die durch zwei Pfeile markiert ist, tritt an der benachbarten Spongiosa ein wechselvolles Bild der Auflösung hervor, kurz gedrungene dichte Capillarschlingen mit Riesenzellen liegen dem Knochengewebe unmittelbar an. Vom Zahnhals aus nimmt eine Knochen- apposition ihren Anfang, durch Osteoblasten und langgestreckte Capillarröhren charakterisiert. Tafel 5. Fig. 12. 11wöchentliche Katze, Formal. 20°/o, Berl. Blau-Gelat.-Inj., Hämalaun van Gieson, Zeiss, B.B. 2. Die Keimkrone sucht an der langgestreckten Milehzahnwurzel vorbeizugleiten und verursacht genau in der Gegend des Zahnhalses die ersten Resorptionserscheinungen am Dentin. Die demselben apicalwärts anliegenden Spindelzellen zeigen stärkere Färbbarkeit, gleichzeitig treiben die Gefässe vom Beginn der Absorption an Capillarsprossen aus. In ihrer Umgebung zeigen sich auch sehr bald Riesenzellen. Ein dichtes Capillar- geflecht charakterisiert weiterhin die Auflösungszone. Auf der gegenüberliegenden Seite des Wurzelkörpers sieht man die ersten Auflösungszeichen am Cement entwickelt und stärker färbbare Zellelemente in den Lacunen. In der Knochen- substanz verläuft eine Resorptionsbewegung. Fig. 13. 13 wöchentliche Katze, Formal. 20°/, Berl. Blau - Gelat.-Inj., Hämalaun. Zeiss B. B.2. Das Dentin des Milchzahnes ist bis auf einen zarten Saum resorbiert und von einem gefässreichen Auflösungsgewebe begrenzt. Diese zarte Elfenbeinlamelle ist deutlich pulpawärts eingebogen, offenbar gewissen bei der Absorption einhergehenden Druckreizen zufolge. Die Milchzahnpulpa ist auffallend gefäss- und zellarm, lässt aber im Bereiche der höchsten Absorption eine starke Zellvermehrung erkennen. Die im Kronenteil noch erkennbare Odontoblastenreihe ist hier völlig verschwunden. Das vereinigte Schmelzepithel liegt dem Wurzelkörper an einer Stelle dicht an. Fig. 14. 14 wöchentliche Katze, Formal. 20°/0, Berl. Blau -Gelat.- Inj. Hämalaun Zeiss ää 1. Über dem kurz vor dem Durchbruch stehenden Molarkeim zeigt die Mundschleimhant gegenüber der dünnsten Dentinschicht eine tiefe papilläre Wucherung des Epithels. Auch das Schmelzepithel bietet zarte Proliferationen, die von zierlichen Capillaren umsponnen sind. Am Milch- zahn wuchert die Schleimhaut gleichfalls tiefer. Die Pulpa dieses in der Durch- bruchsrichtung zur Auflösung kommenden Milchzahnes besitzt den Typus eines ruhenden Bindegewebes. Fig. 15. 14 wöchentliche Katze, Formal. 20°, Berl. Blau-Gelat.-Inj., Hämalaun Zeiss, D. D. 1. Der junge (hier durch die Entkalkung verloren gegangene) Schmelz wird bis zu seinem Durchbruch von den vereinigten Schmelz- epithelien überdeckt. Kurz vor seinem Eintritt in die Mundhöhle zeigen die über der Spitze gelegenen Zellen eine Abnahme ihrer Färbbarkeit, die sich Tafelerklärung. 721 schliesslich bis zur völligen Farblosigkeit steigert. Unter Schwund der zarten Zellkonturen erfolgt der Zerfall der Epithelien. Tafel 56. Fig. 16. 10 wöchentliche Katze., 20°% Formal., Berl. Blau - Gelat - Inj., Hämalaun B. B. 1. Im Bezirk der stärksten Auflösung ist das Dentin des Wurzelkanales bis auf einen schmalen Streifen abgetragen. Man sieht, wie pulpawärts die intensivste Resorption spielt und nun langsam auch auf die Cementbedeckte äussere Wurzelfläche übergreift. In einer anderen Ebene liegend, kommuniziert das in Resorption begriffene Pulpagewebe bereits mit dem Periodontium und zieht von hier aus auf der äusseren Wurzel hin. Man kann deutlich das Fortschreiten der Intensität des Prozesses am Cementgewebe verfolgen. Im Vergleich zur gefässärmeren Wurzelhaut ist die Resorptionsgrenze pulpawärts dicht besetzt mit Kapillargeflechten, die an der äusseren Auflösungs- ozne, weil in anderer Ebene liegend, nicht getroffen sind. Fig. 17. 13 wöchentliche Katze, 20°%o Formal. Berl. Blau - Gelat. - In]. Hämalaun Zeiss aa 4. Die junge Krone steht kurz vor dem Durchbruch und zeigt an der der Keimspitze anliegenden Schmelzepithelkuppe eine deutliche Zellatrophie. Schleimhaut und Schmelzepithelien sind bereits miteinander verbunden und lassen die ersten Anfänge der Papillenbildung erkennen. Fig. 18. 14 wöchentliche Katze, 20°o Formal., Berl. Blau - Gelat. - Inj., Hämalaun. Zeiss ää 1. Der Ersatzzahn hat die Spongiosa passiert, die noch verschiedentlich Resorptionswirkungen aufweist, und ist durch die Schmelz- und Schleimhautepithelien gedrungen. Dieselben bilden nun beiderseits die Zahnfleischpapillen, indem sie zahlreiche epitheliale Zapfen und Knospen in die Submueosa vorstrecken. Unter der Odontoblastenreihe der jungen Pulpa ist eine Weilsche Schicht deutlich ausgeprägt. Batel 572: Fig. 20. 13 wöchentliche Katze, 20°/o Formal., Berl. Blau - Gelat. - Inj,, Hämalaun Zeiss B. B. 4. Dicht am Zahnhals der kurz vor der Auflösung stehenden Kronen wuchert das Schleimhautepithel in die Tiefe, um von geeigneten Stellen des Kronenrestes aus sich mit dem Granulationsgewebe am Resorptions- akt zu beteiligen. Fig. 21. 14 wöchentliche Katze, 20°/ Formal., Berl. Blau - Gelat.-In]., Hämalaun Zeiss. äa 1. Der Kronenhöcker eines Molaren steht im Begriff in die Mundhöhle einzutreten. Über ihm haben sich Schmelz- und Schleimhaut- epithelien zur Formierung der Zahnfleischpapille vereint. In der Durchbruchs- richtung spielen Resorptionsprozesse am Milchzahn. Im Vergleich zum zell- reichen Auflösungsgewebe fällt die Kernarmut der Milchzahnpulpa besonders auf. Am Knocher, sowie an der gegenüberliegenden Wurzelseite, sind mässige Auflösungsprozesse im Gange. Hinter der Krone des Ersatzzahnes ist eine lebhafte Knochenproduktion erkennbar. 722 Tafelerklärung. Tafel 58. Fig. 19. 14 wöchentliche Katze, 20° Formal., Berl. Blau - Gelat. - Inj., Hämalaun Zeiss ää 1. Der Durchbruch des Ersatzzahnes ist in ein weiteres Stadium gerückt. Die Alveolarspongiosa zeigt eine umfangreiche Apposition, die Wurzelhaut die charakteristischen Epithelreste. Die vereinigten Epithelien differenzieren sich schon mehr zum Schleimhautgewebe um, ausser am Zahn- hals, wo-die Schmelzepithelien noch in ursprünglicher Gestalt verharren. , Fig. 22, 12 wöchentliche Katze, 20°o Formal., Berl. Blau Gelat.-Inj., Hämalaun ää 1. Die Kronenspitze hat das Milchzahnscherbehen aus seinem Gewebspolster gehoben, nachdem sich beiderseits Schleimhaut und Schmelz- epithelien vereint hatten. Unter dem Kronenrest sieht man deutlich die Epithelisierung des Resorptionsgewebes. Etwas seitlich von der Ersatzzahn- krone ist ein noch in weiterer Auflösung begriffener Milchzahnrest sichtbar. Fig. 23. 9wöchentliche Katze, 20°) Formal., Berl. Blau-Gelat.-Inj., Hämalaun Rubin S.-orange G. Zeiss D. D. 4. Gegenüber der Kronenspitze des Ersatzzahnes liegt die gefässreiche Schicht des Zahnsäckchengewebes direkt am Knochengewebe, hier ausgedehnte Auflösungsprozesse bewirkend. Die Capillarschlingen sind im Bereich dieser Zone durch Wucherung ihrer Endothelien im Begriff zu obliterieren und dabei in zahlreiche langgestreckte Riesenzellen zu zerfallen. In den meisten derselben sieht man noch ein kleines mit Injektionsmasse gefülltes Lumen. Zwischen den Riesenzellen sind zahlreiche Plasmazellen mit spindeligen Ausläufern erkennbar. Tarel 59. Fig. 24. 12wöchentliche Katze, 20°o Formal., Berl. Blau - Gelat.-Inj., Hämalaun v. Gieson, Zeiss, '/ı2 Ölimmersion 2. Am Rande des Kronendentins wird die Elfenbeinmasse ähnlich wie der Knochen vom Resorptionsgewebe ausgenagt. In den Lacunen sind alle Übergänge der resorbierenden Organe von den ein- zelligen Osteoclasten an bis zu vielkernigen Riesenzellen anzutreffen. Meist sind die Jugendformen der letzteren mit zarten Fortsätzen versehen, die in die Dentinwand einstrahlen. Ausserdem herrscht innerhalb dieser Resorptions- buchten ein grosser Reichtum an finsten Fibrillen. Fig. 25. 12 wöchentliche Katze, 20°/o Formal., Berl. Blau -Gelat.-Inj., Hämalaun v. Gieson, Zeiss, '/ı» Ölimmersion, 4. Bei starker Vergrösserung der am Dentin spielenden Hauptresorption tritt die Entwickelung von Riesen- zellen aus Endothelien sehr deutlich hervor. Seitlich links sieht man, wie eine grosse Riesenzelle noch mit der Gefässwand lose zusammenhängend durch ihre geringe Farbaufnahme ihren Zustand des allmählichen Verfalles erkennen lässt. Dicht daneben sprosst eine plasmareiche noch einkernige Endothelzelle von der Gefässwand ab, auch grössere Formen mit 2 und mehr Kernen sind im Bilde fixiert. Desgleichen sieht man auch Riesenzellen, in deren Plasma- leib der häufig als Vacuole gedeutete bei injizierten Präparaten meist gefüllte Gefässhohlraum sichtbar ist. Teils ist die Injektionsmasse im Schnitt aus- gefallen, teils durch die Behandlung geschrumpft, so dass auch hier vacuoläre Bıldungen vorgetäuscht werden, die aber beim Vergleich mit anderen Stellen Tafelerklärung. 123 als Gefässlumina erkannt werden können. Im Resorptionsgewebe sind ferner zahlreiche Leucocyten vorhanden. Tafel 60. Fig. 26. 10 wöchentliche Katze, 20°o Formal.,, Hämalaun van Gieson, Zeiss D. D. 1. An einer Stelle der Dentingrenze sind massenhaft keulenförmige und ovale Riesenzellen zwischen üppigen Capillarsprossen erkennbar. Diese haben die raugelbe Färbung angenommen, die man stets bei zerfallenden Zellkörpern zu finden pflegt. Ihre Beziehungen zur Gefässwand treten in nicht injiziertem Präparat sehr viel undeutlicher hervor, sind aber gleichwohl dennoch nachweisbar. Das Dentingewebe zeigt an einer Stelle, die in anderer Ebene von der Resorption ergriffen ist (von unten, man sieht die Lakunen kreisartig durchschimmern), eine auffällige diffuse Verdunkelung, die eine von den Riesenzellen bewirkte zonenartige Erweichung darstellt. Fig. 27. 11wöchentliche Katze, 20°o Formal., Berl. Blau. - Gel.-Inj. Hämalaun-Schmorl, Zeiss D.D.2. Im Schmorlpräparat repräsentiert die Re- sorptionszone eine an dunklen Körnchen reiche Intercellularmasse, in welcher die grossen Riesenzellen schollenartig eingelagert sind. Ein heller Saum rings am Auflösungsrande lässt auf eine (wahrscheinlich entkalkte) Veränderung dieser Dentinzone schliessen, da die unverkalkte dentinogene Zone normaler Dentin- suhstanz sich mierochemisch und färbetechnisch ebenso verhält. Die Capillar- schlingen treten in kurzen knolligen Endgeflechten nahe an die Knochengrenze heran. Für die Entstehung der Riesenzellen aus ganzen Endothelgruppen ist gerade diese varicöse Form der Capillaren im Resorptionsgebiet von ent- scheidender Bedeutung, „sie sind nach allen Richtungen stark geschlängelt, oft geknickt und zeigen an Partien, die von zwei Knickungsstellen begrenzt sind, Ectasien, ja sogar förmliche Varicositäten“ (Brosch). Tafel 61. Fig. 28. 12 wöchentliche Katze, 20°/o Formal., Berl.- Blau. Gelat.-In]., Hämalaun Zeiss '/ız Ölimmers. 1. Innerhalb der stürmischen Auflösung am Dentin, von dem noch lange segmentartig abgetrennte Zapfen restieren, treten die Osteoclasten meist in Form von Riesenzellen auf. Zwischen den- selben sieht man zahlreiche leucoeytoide Körper, die ich als echte polynucleäre Wanderzellen ansprechen möchte. Sie dringen bis an die Dentingrenze vor und wuchern hier rings um die Riesenzellenleiber. Unten am Präparat ist eine in anderer Ebene sich ausbreitende Lacune angeschnitten, in welcher nur zwei Leucocyten sichtbar sind. Fig. 29. 10wöchentliche Katze, 30% Formal., Berl. Blau - Gelat.- In]., Hämalaun Zeiss, D.D.4. Der Querschnitt durch die über dem Keim gelegene Spongiosa gibt ein instruktives Bild für die Verteilung der Resorption und Apposition währead des Wachstums des Ersatzzahnes. Es wird eindeutig das Missverhältnis zwischen An- und Abbau veranschaulicht, als in jedem Kanal- bezirk stets eine grössere Resorptionstätigkeit entfaltet wird als Reproduktion. Im Umkreise des grossen schief getroffenen Gefüsses ist dieses ungleiche 724 Tafelerklärung. Wechselverhältnis eindeutig erkennbar. Desgleichen kann man sich überzeugen, wie die Lumina vorgestreckter Gefässsprossen durch Wucherung ihrer endo- thelialen Wand verengt werden, schliesslich obliterieren und zu selbständigen Riesenzellen werden. Das kleine Gefäss oben links zeigt im Querschnitt den Gang dieser Einengung des Kanalraumes durch Wucherung der Endothelbekleidung sehr hübsch. Während die Wand auf der einen kleineren Seite an Osteoblasten grenzt, zeigt der grössere Wandabschnitt ausgesprochen resorptive Tätigkeit. Tafel &. Fig. 30. 12 wöchentliche Katze, 20° Formal., Berl. Blau - Gelat- Inj., Hämalaun Zeiss, D. D. 4. An der Knochengrenze, innerhalb der stärksten Knochenauflösung, imponieren auch hier die langgestreckten capillarähnlichen Riesenzellen, die zum Teil noch einen vom Blut durchströmten Hohlraum auf- weisen. An einer Stelle ist die Obliteration desselben vollkommen geworden und die gewaltige Zelle im Begiff zugrunde zu gehen. Zahlreiche Spindel-und Rundzellen begleiten den Resorptionssaum. Fig. 31. 10 wöchentliche Katze, 20° Formal., Berl. Blau - Gelat - Inj., Hämalaun Zeiss, D. D. 4. Die Dentingrenze zeigt innerhalb gemässigter Re- sorption ein wechselndes Bild von Zellen, die auch die Lacunen regellos aus- füllen. Es sind teils Bindewebsgezellen, teils Leucocyten, teils einkernige Osteo- clasten, die zur Riesenzellenbildung übergehen können. Fig. 32 und 33. 12 wöchentliche Katze, 20° Formal., Berl. Blau. - Gelat.- Inj., Hämalaun, v. Gieson, Zeiss, !/ıw Ölimmersion2. In Fig. 32a sieht man, wie um eine in Zerfall begriffene Riesenzelle zahlreiche polynucleäre Leucocyten zum Vorschein gekommen sind. An einigen Stellen macht es den Eindruck, als übten auch die Leucocyten in gewissen Zuständen eine resorbierende Wirkung aus, da sie hart an der Dentingrenze in zarte Mulden eingelegt er- scheinen. Nach Müller und Jochmanns Ergebnissen ist diese Vermutung nicht unrichtig da diese Forscher die verdauende Wirkung des Fermentes zu- grunde gegangener Leucocyten nachgewiesen haben. Bei 32b wird eine andere Stelle der Dentingrenze wiedergegeben, wo der mässige kesorptions- verlauf die Entwickelung von einkernigen Osteoclasten zu Riesenzellen weniger begünstigt. Zwischen ein-und zweikernigen Osteoklasten ist eine nur mässig entwickelte Riesenzelle vorhanden. Die Leucoeyten sind hier stark in der Minderzahl vertreten. Fig. 35a bringt noch ein Bild von der Einwanderung zahlreicher Leuco- cyten zwischen Dentin- und Riesenzellengrenze. Hier tritt besonders deutlich die feinere Differenzierung der Resorptionsbucht in einzelne kleinste Lacunen hervor, eine Erscheinung, die höchstwahrscheinlich auf Fermentwirkung an der Wand zugrunde gegangener Leucocyten zurückzuführen sein dürfte. In 33b ist die völlige Besetzung der Lacune durch polynucleäre Wandzellen erfolgt. Fig. 34. 12wöchentliche Katze, 20°%o Formal., Berl. Blau-Gel.-Inj., Häm- alaun Zeiss, '/ı» Ölimmers. 4. An der Knochengrenze imponiert ‘eine grosse unregelmässig begrenzte Bucht, die von verschiedenen grösseren Zellen, Osteo- elasten, erfüllt ist. In ihrer Mitte streckt eine Capillarsprosse zarte Endothel- flügel in einer lang ausgezogenen Spitze in einen tiefen Spalt des Knochens Tafelerklärung. | 725 vor, von einer breiten knochenfreien Zone umgeben. Eine zweite Sprosse wird an der unteren Seite der Capillare vorbereitet, als die Wand hier buckelig vorgewölbt ist. Ihr gegenüber zeigt auch die Knochengrenze eine genau ent- sprechend gestaltete Vertiefung als den ersten Ausdruck einer von der eben angelegten Sprosse ausgehenden resorbierenden Wirkung. Tafel 63. Fig. 35. 10wöchentliche Katze, 20° Formal., Berl. Blau-Gelat.-Inj., Hämalaun Zeiss, 10fache Vergrösserung. In einem totalen Übersichtsbild kommt die Resorptionswirkung des Keimgewebes am Milchzahn augenfällig zum Ausdruck. Man sieht, wie in der Wachstumsrichtung des Ersatzzahnes die Milchzahngewebe zur Auflösung gelangen. In der Tiefe bereitet sich die Bildung der jungen Wurzel vor und um dieselbe diejenige der alveolären Spongiosa. Die Keimkrone gleitet an dem Wurzelende des Vorgängers vorbei, wodurch der hinter die Krone gerückte Wurzelteil ausser Bereich der Re- sorption gelangt. Fig. 36. 12 wöchentliche Katze, 20°o Formal., Berl. Blau-Gelat.-Inj., Hämalaun. Vergrösserung 10fach. Totalübersicht über die Beziehungen eines Keimes, welcher direkt unter dem zugehörigen Milchzahne zur Entwickelung kommt. Man erkennt, dass die Wachstumsrichtung des Ersatzzahnes die Wurzel des Vorgängers in voller Ausdehnung zum Schwund bringt. Das Wurzelwachstum des Keimes befindet sich gleichfalls im höchsten Stadium. Der noch sehr geräumige Mandibularkanal wird durch das fortgesetzte Knochen- wachstum an der Basis des Keimes mehr und mehr verengt. Tafel 64. Fig. 37. 14wöchentliche Katze, 20°/o Formal., Berl. Blau-Gelat.-Inj., Hämalaun. Vergrösserung 10fach, In übersichtlicher Weise kommt der Durch- bruch eines Prämolaren zur Anschauung. Die beiden Epithbelien haben sich bereits verbunden und sind mit der Bildung der Interdentalpapille beschäftigt. Die Milchzahnwurzel wird wieder in der Durchbruchsrichtung aufgelöst, wo- durch der apicale Bezirk in grösserer Ausdehnung zur völligen Abtrennung von der Hauptmasse des Zahnes gelangt. Die Wurzeln des Molaren sind im Stadium des Durchbruches schon weit entwickelt. In ihrer Umgebung be- findet sich die Spongiosa in lebhafter Ausbildung. Jede der Wurzelpulpen hat einen in sich abgeschlossenen Gefässbezirk, der nur durch zarte Ana- stomosen in der Mitte der Kronenpulpa mit den benachbarten in Beziehung tritt. Fig. 33. 13wöchentliche Katze, 20°o Formal., Berl. Blau-Gel.- Inj., Hämalaun. Vergrösserung 10fach. Ein Prämolarenkeim hat kurz zuvor die Mundschleimhaut durchbrochen, nachdem der Milchzahn bis auf kleine Wurzel- reste resorbiert war. Diese stehen noch immer in einer mässigen Auflösungs- bewegung. Das Kronenscherbehen ist durch das epithelisierte Granulations- gewebe nach aussen geschoben und harrt der endgültigen Beseitigung. Um die in Bildung begriffene Keimwurzel tritt der radiäre Bau der Knochenbälkchen markant hervor. Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. 5 rar. N ae: a = $; UHREN