. er a ® BR" f Lug DZ nn 5 ee Re ANATOMISCHE HEFTE. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 43: BANN D-(129;, 130, 131. HEET): STE U Ira aa. Be 11 3 Eve MW, nf s id: Zr 4 n De 77 r . . 5 Ei u ee er ” ee ANATOMISCHE HEFTE. BEITRÄGE UND REFERATE ZUR ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL UND R. BONNET 0. 0. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GÖTTINGEN. 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN BONN. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 43. BAND (129, 130., ı3r. HEFT). MIT 68 TAFELN UND 92 FIGUREN IM TEXTE. WIESBADEN VEREAGVON J F.BERIEGMANN. 1911. Nachäruck verboten. ‚Übersetzungsrecht in alle Sprachen vorbehalten. MABE IN GERMANY?” Druck der Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A. 6., Würzburg. 129. 130. 131. Imh alt Heft (ausgegeben im April 1911). Erik Müller, Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse und die Körperwand bei Acanthias vulgaris. Mit 11 Textfiguren und 45 Figuren auf den Tafeln 1/26 Fr. Heiderich, Zur Histologie des Magens. 1. Das Oberflächen- epithel. Mit 19 Abbildungen im Text J. Aug. Hammar, Zur gröberen Morphologie und Morphökeme der Menschenthymus. Mit 6 Textfiguren und 28 Figuren auf den Tafeln 27/32 . NER EU Heft (ausgegeben im Juni 1911). F. Hochstetter, Über den Ursprung der Arteria caudalis beim Orang und beim Kaninchen nebst Bemerkungen über sogenannte „Gefässwurzelwanderung.“ Mit 39 Textfiguren und 6 Figuren auf Tafel 83 . SE: : Miriam P. Olmstead, Doz emoranlereen eines ne embryo. Ein Beitrag zur Morphologie des Säugetierschädels. Mit 17 Figuren auf den Tafeln 34/48 . . - Th. Christen, Der Streit um den Gelenkdruck. Mit 4 Anildungen im Text R. Fick, Zum Streit um ‚den Getenkdmmen Mit 5 me eneen im Texte Th. Christen, Richliestellune zum eh um den le Mit 2 Abbildungen im Text : R. Fick, Schlusswort zum Streit um den (Bela Heft (ausgegeben im Juli 1911.) M. Penkert, Ein junges menschliches Eileiterei. Hierzu die Tafeln 44—51 NE Er el u Holger Möllgaard, Die vitale Fixation des Zentralnerven- systems. Über eine neue histologische Methodik und deren vorläufige Resultate. Mit 6 Abbildungen im Text und den Tafeln A—K Herbert von berg Cosa nteanchunsen über Ban und Entwickelung des zusammengesetzten Magens der Schlank- affen. Mit 12 Figuren auf den Tafeln 52/53 - : ; Georg Haas, Über die Gefässversorgung des Tedeilangesyatems des Herzens. Mit 5 Figuren auf den Tafeln 54/58 Seite 201 243 415 508 5y1l 627 ven ee Mg Et A BER D Tr . Kr AUS DER ANATOMISCHEN ANSTALT DES GAROLINISCHEN INSTITUTES IN STOCKHOLM. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE MUSKELN UND NERVEN DER BRUSTFLODSE UND DER KÖRPERWAND BEI ACANTHIAS VULGARIS. VON ERIK MÜLLER, STOCKHOLM. Mit 11 Textfiguren und 45 Figuren auf den Tafeln 1/26. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) 1 38. - H u DE = S xx . s 5 ws ’ J . j * . e ' u > . . 1 a [® a r j - ’ Dr ar j A he x F7 1 j Kr A . Fed a ur 7 ö ü - gu \ A. a» van N > j h i - * » r “ 11 x | % 2 \ TE 0. h N ' - * “ z I 2 - ar i E \ - $ = 8% hy ’ > “ - | s j . Br cu | \ BB, Prri rn | y n 4 “ 3 a Eur R ‚ ; en: H t r r , 0 Bi - j j fi u \ 4 j f » ‚ıLı@ ’ PET Ber aa“ “ ’ Inhaltsverzeiehnis. Seite Einleitung .. ; ee ne ee ee ee re ed Antwort auf die Erwiderung von in Be us N 7 Über die Innervation der Radialmuskeln der Brustflosse bei Acanthias vulgaris. . . : : - 2:80 Die Entwickelung der. Muskeln ah Nerre en in 2 Erusttloe von ee thlas- vulgarish 2 9 ae See re IElistorikeg 2 2.88: 5) Morphogenie der lesen: Muskeln ad on 2 A ee LOS Beschreibung der einzelnen Stadien . .. #08 Übersicht der Befunde der morphogenetischen een erle Die oceipitalen Nerven bei Acanthias vulgaris und die Bestimmung des ersten Flossennerves . . . 2.2... 76 Die Entwickelung der Flossenmuskeln . . ». 2. ......8 Die Morphogenese der Flossennerven . : .». 2.2. .2....8 Das Verhältnis der Flosse zu der Rumpfw a | Histogenie der Flossen-Muskeln und -Nerven . . . . 992 Vergleichung meiner Untersuchungen mit denjenigen früherer er . 109 Über die Metamerie der Flossen-Muskeln und -Nerven . . . LO Über die Innervation der Myomeren der Rumpfwand bei Mens a EATIBE Sr ehe A ee ee See A 2 Buckeblicke: au u8 lea na Se a N a Se ee Kiourenerklarungvae. le, Mel en a er Be at Biteraturverzeichnis, „0. 00 cr Ya me a et Ir Einleitune. Die vorliegende Abhandlung schliesst sich genau an eine in dieser Zeitschrift früher veröffentlichte Untersuchung (35) über die Brustflosse der Selachier an. In dieser beschäftigte ich mich hauptsächlich mit der descriptiven Anatomie der Flossen- nerven bei Raja und Acanthias. Ich berichtete über den Ver- lauf, die Verästelung und die topographische Lage der Nerven zu den Skeletteilen. Gewisse Fragen, vor allem über die moto- rische Innervation und die Anastomosenbildung zwischen den Nerven, konnten, wie ich damals hervorhob, nicht allem durch anatomische Untersuchungen gelöst werden, hier war es not- wendig, teils durch physiologische Experimente, teils durch ent- wickelungsgeschichtliche Untersuchungen der Sache näher zu treten. Die Ergebnisse dieser fortgesetzten Untersuchungen, welche meine vorherigen Resultate teils bestätigen, teils er- weitern, bilden nun den Hauptgegenstand der nachfolgenden Abhandlung. In der Zeit, welche nach dem Erscheinen meiner Arbeit über die Brustflosse der Selachier verflossen ist, hat H. Braus eine Schrift (11) publiziert, in welcher er meine Resultate an- 6 E. MÜLLER, sreift. Dieser Angriff fordert von meiner Seite eine eingehende und deutliche Antwort. Der Hauptinhalt seiner Ausstellungen besteht teils in einer Missdeutung meiner Resultate, teils in einem Berichte über einige Versuche, welche seine präpara- torischen Befunde über die Polyneurie der Flossenmuskeln stützen sollen, welche jedoch irrtümlich sind. Die Aufgabe, eine Schrift dieses Inhaltes zu beleuchten, ist nicht angenehm. Dass ich dennoch diese Arbeit unternehme, hat einen zweifachen Grund. Von meinem persönlichen Standpunkte aus kann ich nicht stillschweigend die Unrichtigkeiten übergehen, welche nach meiner Meinung die Arbeit von Braus enthält. Vor allem bestimmen mich aber Erwägungen allgemeiner Art, eine Kritik der Brausschen Arbeit zu unternehmen. Es ist wohl kein Zweifel, dass die Arbeiten von Braus den vornehmsten Boden für das spätere Aufblühen der Archipterygiumtheorie abgeben. Dies kann aber keinen anderen Grund haben, als dass man zu- folge der diesem Autor eigenen Ausdrucksweise den Inhalt seiner Schriften nicht kennt oder versteht. Ein Studium seiner Arbeiten hat mich indessen überzeugt, dass die Archipterygium- theorie, wie sie von Braus besonders im Schluss seines Cera- dotus-Werkes dargestellt ist, einen bedeutenden Irrtum reprä- sentiert. Im folgenden wird nun ein Versuch gemacht, den Schleier, welcher den Kern dieser Arbeit verhüllt, wenigstens etwas zu lüften. Untersuchungen über ‚die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 7 Antwort auf die Schrift von H. Braus: Präpara- torische und experimentelle Untersuchungen über die motorischen Nerven der Selachier. In meiner Abhandlung über die Brustflosse der Selachier nehme ich es in aller Bescheidenheit für mich in Anspruch zum ersten Male eine genaue und ausreichende Darstellung der descriptiven und topographischen Anatomie der Brustflossen- nerven bei Raja und Acanthias geliefert zu haben. Dies wird jedoch von Braus bestritten. Die Befunde, die ich zu machen geglaubt habe, meint er schon seit lange zu kennen. Es wird also notwendig darzulegen, was jeder von uns gebracht hat. In der Dissertation von Braus: Über die Rami ventrales der vorderen Spinalnerven trägt ein Kapitel den Titel: Nervenäste der Brustflosse. Hier werden zuerst auf zwei Seiten (S. 20, 21) in sehr ausführlicher Weise einige unbedeutende Details über die Ab- zweigungsverhältnisse der Brustflossennerven von Acanthias, Scymnus und "Odontaspis behandelt. Dann schreibt der Autor: „Die Verzwei- gung der Nerven in der Extremitätenmuskulatur präparatorisch klar- zustellen, bot grosse technische Schwierigkeiten und gelang bisher nur in unvollkommenem Masse. Ich muss mich daher auf weniges be- schränken.“ Dann folgt eine allgemeine Charakteristik der ventralen und dorsalen Flossennerven, nach der diese zwischen den Muskel- fascikeln eintreten und hier „in der mannigfaltigsten Weise“ sich teilen. In der weiteren Fortsetzung liefert der Autor einige spezielle Angaben über die Nerven bei Scymnus. Sie gehen mannigfache Verbindungen ein. Er teilt mit, zwischen welchen Nn. brach. superior. Verbindungen nachweisbar sind. Von den Endästen zwischen den Muskelfaseikeln ist gewöhnlich einer besonders kräftig, und es folgen Angaben in einer Tabelle, zwischen welchen Fascikeln diese Nerven belegen sind. Weiter stellt er fest, dass die Ursprungspartien eines Muskelfazeikels nicht immer von Ästen des Nervs oder Plexus versorgt werden, welcher die Haupt- und Insertionsportion desselben innerviert, sondern von den Nachbarnerven kommen. Schliesslich folgt eine ganz ähnliche Dar- stellung bei Odontapsis. Die Komplikation der Plexusbildungen ist hier viel grösser. Von Acanthias wird nichts mitgeteilt. Ich habe diese Arbeit in meiner Abhandlung nicht zitiert. Die Ursache hierzu ist nicht Unbekanntschaft mit derselben. Im Gegenteil. | 00 E. MÜLLER, Ich habe die Kenntnis der Flossennerven ursprünglich nur benutzt, um die Lage der Gefässe zu denselben festzustellen und habe des- wegen die Arbeiten von Braus, also auch diese, sehr genau studiert. Es war mir jedoch nicht möglich, aus dieser ersteren Arbeit sowohl wie aus der letzteren, auch nur eine bofriedigende Vorstellung von den Nerven zu erhalten. Warum ich die betreffende Dissertation nicht zitiert habe, beruht auf folgendem Umstand. In seiner 1901 heraus- gegebenen Hauptarbeit über dasselbe Thema schreibt Braus nämlich: „soweit ich die Literatur kenne, wurde dieses Nervengebiet bei der Brustflosse der Squaliden, d. h. die Verteilung der Nerven innerhalb der Brustflosse, bisher nicht untersucht“. Da Braus nun seine frühere Arbeit ganz negligiert, so dachte ich, dass er wegen der Unvollständig- keit der betreffenden Arbeit kein Gewicht auf die darin niedergelegten Ansichten legte. In seiner Kritik gegen mich benutzt aber Braus nun diese seine erste Untersuchung, um zu zeigen, dass er die von mir genau beschriebenen Hauptnerven sehr gut schon zu dieser Zeit gekannt habe. Aus Vorstehendem erhellt, dass dies zu bezweifeln ist. Die referierte Untersuchung muss als eine sehr unvollständige, teilweise unzutreffende Darstellung der Flossennerven bezeichnet werden. Schon die Benennung Eindäste für die zwischen den Muskelfascikein liegenden Hauptnerven beweist die. Braus hat nur die Nerven zwischen den Fascikeln verfolgen können. Die Endäste der Nerven, welche in dem Flossensaume liegen, hat er weder jetzt noch in seinen späteren Ar- beiten gesehen. Direkt unrichtig ist die Angabe, dass die Nerven zwischen den Muskelfascikeln sich „in mannigfaltigster Weise“ teilen. Richtig ist nur die Beobachtung der regelmässigen Lage der von ihm so genannten Endäste zu den Muskeln. Diese Beobachtung ist aber in den folgenden Arbeiten vernachlässigt worden, was aus dem Folgenden deutlich hervorgehen dürfte. Ich gehe jetzt zu dem Hauptwerıke von Braus über: Die Muskeln und Nerven der Ceratodus-Flosse. Die uns hier inter- essierende Frage wird auf der $. 186 in der Abteilung II, Die Selachier- flosse, unter der Überschrift: „Die Nerven der Brustflosse“ behandelt. In dem ersten Teile dieses Kapitels: „Sensible und motorische Äste und deren Verzweigungen“ werden sehr ausführlich die sensiblen Äste besprochen, welche von den Flossennerven abgehen, bevor diese in die eigentliche Flosse eintreten. Die schon lange bekannte Teilung der Flossennerven in dorsale und ventrale Äste wird auf einer halben Seite minutiös beschrieben. Der folgende Teil des Kapitels mit dem Titel: „Der Plexus omopterygialis distalis beim ventralen Hauptmuskel“ ist der, welcher uns besonders interessiert. Unter Plexus pterygialis distalis fasst unser Autor sämtliche Plexusbildungen zusammen, welche sich in der freien Flosse finden. Diesen Plexus teilt er dann in Unter- abteilungen. Dicht am medialen Rande des Metapterygiums liegen Ver- bindungsäste zwischen den einzelnen Nerven, welche als Plexus medialis s. postaxialis bezeichnet werden. Zu diesen Plexus gehören Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. I auch andere Geflechte an der Oberfläche des ventralen Muskels. Braus hat sie am genauesten bei Acanthias studiert. Hier gehen von den hintersten Nerven zahlreiche feine Astchen ab, welche Schlingen und Netze bilden und dabei überall Endästchen in die Muskulatur entsenden. Schliesslich kommt die Beschreibung der tiefen Nerven, welche ich wörtlich wiedergebe: „Verfolgt man die Extremitätennerven von der medialen Kante des Metapterygiums weiter distalwärts, so findet man, dass sie an die Unterfläche des ventralen Haupt- muskels treten und hier zum Teil mit langen Ästen noch weite Strecken ausserhalb des Muskels, zwischen ihm und den Knorpelskelett verlaufen (Acanthias, Taf. XXIII. Fig. 2). Es finden sich bei diesen viele netzförmige Verbindungen, welche um so zahlreicher werden, je weiter sich die Nerven vom lateralen Rande des Metapterygiums entfernen. Ieh nenne diese Geflechte Plexus lateralis s. praeaxialis. Von ihnen aus dringen Äste direkt oder nach kürzerem Verlauf an der Unterfläche des Muskels in diesen ein. Innerhalb des Hauptmuskels finden sich die Nerven meistens in den Zwischenräumen zwischen den Musculi radiales, sind aber durchaus nicht auf denjenigen Zwischenmuskeispalt heschränkt, in welchen sie einmal eingetreten sind, sondern können denselben verlassen, den nächstbegrenzenden Muse. radialis durchbrechen und sich in diesem und dem nächsten Spalt, sowie an die jenen begrenzenden Muskeln ver- zweigen. Die Textfiguren 9 und 11, 8. 178—180, welche isolierte Radialmuskeln von der Seite darstellen, enthalten dafür zahlreiche Beispiele. Ich will nieht auf all das Detail dieser Geflechte eingehen, welches sehr variiert und wenig Interesse bietet. Das Notwendige ist aus den Abbildungen zu entnehmen!)). Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass überall innerhalb der Muskeln und in den Zwischenräumen zwischen ihnen feinste Nervengeflechte nachweisbar sind, die wie ein Filz das Muskelgewebe durchziehen. Es kommt auch häufig vor, dass die feinsten motorischen Ästehen bis zur Oberfläche der Mm. radiales vor- dringen, sich an dieser verzweigen und mit rückläufigen Ästehen wieder in andere Mm. radiales eindringen (siehe beispielsweise die in Textfigur 14, S. 190 eingetragenen Nerven)“. Der Inhalt des eben mitgeteilten Kapitels ist das Wichtigste, weil es die Beschreibungen der Flossennerven enthält. In dem folgenden Abschnitte wird über die Endbezirke der serialen Nerven im ventralen Hauptmuskel gesprochen. Braus teilt mit, dass es ihm gelungen ist, die Verbindungen der Nerven am medialen und lateralen Rande des Metapterygiums fast alle präparatorisch aufzulösen und die motorischen !) Kurs. von mir. 10 E. MÜLLER, Endbezirke der einzelnen serialen Nerven festzustellen Die Resultate werden in einer Zeichnung mitgeteil, wo man die Muskeln sieht. Diese sind in Zonen eingeteilt, und deren Innervation ist durch ein- gedruckte Ziffern ausgedrückt. Aus diesen Resultaten zieht er den Schluss, dass die Musculi radiales sämtlich polyneure Muskeln sind. Ich komme in einem folgenden Kapitel ausführlich auf diese Angaben zurück. Am Schlusse des Abschnittes folgen Angaben über die sensiblen Nerven, von denen die wichtigsten die sind, dass. aus den an der Unter- fläche des Muskels verlaufenden langen Nervenstämmen Äste hervor- gehen, welche bis an die Hornfädchen und durch diese zur Haut ver- laufen. In dem folgenden Abschnitte werden die Nerven des dorsalen Hauptmuskels Objekt der Untersuchung. Sie zeigen ähnliche Verhält- nisse, haben aber eine andere Lage zu den Knorpelradien als die ven- tralen. Um dies zu beweisen, Br er eine Tabelle, wo die Knorpel- radien mit römischen Ziffern und die Nervenäste mit gewöhnlichen Ziffern gezeichnet sind. Das gegenseitige Verhältnis dieser Ziffern soll die topographischen Verhältnisse ausdrücken. Sehr beachtenswert ist hierbei, dass jeder metamere Nerv in den allermeisten Fällen von mehreren Ästen repräsentiert wird. Ich habe ein so langes Referat über die Arbeit von Braus mitgeteilt, damit jeder Leser sich ein eigenes Urteil darüber bilden könne. Der Inhalt seiner Untersuchugen ist kurz zu- sammengefasst folgender: Vor den Brausschen Untersuchungen wusste man, dass ein Nervennetz oder -geflecht in der Selachier- flosse vorhanden ist. Braus teilt nun mit, dass dies Geflecht, das er Plexus pterygialıs distalis nennt, ausserordentlich kom- pliziert ist. Weiter teilt er es in verschiedene Teile ein: nämlich einen Plexus postaxialis, welcher von Verbindungsästen zwischen den metameren Nerven medial von dem Metapterygium ge- bildet wird, und einen Plexus präaxialis, welcher zum Teil von langen Ästen, hauptsächlich von vielen netzförmigen Ver- bindungen gebildet wird. Das Detail dieser Geflechte varliert sehr und hat wenig Interesse. Die post- und präaxialen Plexus lassen sich auflösen, und im Zusammenhang mit der Feststellung der serialen Zonen kommt er zu dem Resultate, dass die Musculi radıales sämtlich polyneur sind. Dies ist, was ich als die Hauptsache der Brausschen Unter- Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete., 11 suchungen aufgefasst habe. Um zu zeigen, dass ich hierbei mich nicht geirrt habe, führe ich an, was der Referent in Schwalbes Jahresbericht für 1902 hierüber mitteilt: ‚,Die Flossennerven bilden bei Ceratodus innerhalb der Extremität Geflechte, die besonders dicht zu beiden Seiten der Achse an- geordnet sind und in der Längsrichtung der Flosse verlaufen. Dieselben bestehen bei der Brustflosse im wesentlichen noch aus lockeren Anastomosen, sind aber bei der Beckenflosse stellen- weise zu einheitlichen Stämmen zusammengeschlossen. Bei Acanthias können mit diesen Längsstäimmen Nervenverbindungen verglichen werden, die ebenfalls prä- und postaxial liegen. Bei der Brustflosse sind sie im allgemeinen lockerer als bei der Beckenflosse. In der Brustflosse ist der Plexus am postaxialen Rande schmächtiger als auf der präaxialen Seite, wo er ein lockeres Geflecht mit zahlreichen Maschen bildet. In der Becken- flosse ist der Plexus postaxialis feiner, der Plexus praeaxialis dagegen viel fester gefügt und einem Längsstamme ähnlicher als bei der Brustflosse. Bei Ceratodus liegen die Rr. pterygiales mediales et laterales resp. dorsales et ventrales, entsprechend der kleinen Stelle, an welcher die Flosse mit der Rumpfwand verbunden ist, eng zusammen. Bei den Squaliden (und in noch höherem Masse bei den Rochen) nehmen sie gemäss der breiteren Verbindungsfläche zwischen Extremität und Rumpf eine viel längere Linie ein. Im weiteren Verlauf der Nerven zwischen Knorpelskelet und Muskulatur verwischt sich dieser Unter- schied, indem die Nerven, nachdem sie Äste zum Plexus post- axıalis abgegeben haben, schräg über die Achse des Skeletes wegziehen, um dort den präaxialen Plexus zu bilden. Die Übereinstimmung der Extremitäten von Selachiern und Dip- noern hat durch die Ähnlichkeit der Muskel- und Nervenver- hältnisse beider eine Stütze erhalten, im Sinne der Gegen- baurschen Ansicht, welche nach den Befunden am Skelet für beide eine biseriale Ausgangsform annimmt.“ 12 E. MÜLLER, Aus diesem Referate geht wohl zur Genüge hervor, was die Hauptsache in der Darstellung von Braus über die Nerven der Selachierflosse ist. Es ist ohne Zweifel die Feststellung eines Plexus prae- und postaxialis und deren Homologisierung mit Längsstämmen bei Ceratodus. Über den gesetzmässigen Verlauf und die Lage der Hauptnerven der Flosse, welche in meimen Figuren die Aufmerksamkeit fesseln, findet man in dem Referat kein Wort. Ich bin nun zu ganz anderen Resultaten als Braus gelangt. ‘Das Geflecht in der Flosse ist sehr einfach gebaut. Es be- steht zuerst aus den ausserordentlich distinkten und deutlichen Hauptnerven, welche ich Pterygialnerven genannt habe. Nach der Flosse begibt sich eine Anzahl von Nerven, von welchen jeder eine direkte Fortsetzung eines Spinalnerven ist. Jeder von diesen teilt sich gabelförmig in einen ventralen und dorsalen Nerven. Diese Nerven sind es, die das hauptsächlichste Objekt für meine Untersuchung bilden. Sie haben einen ausserordent- lich charakteristischen Verlauf und ebensolche Verästelung. Sie geben eine Menge feiner Äste ab, erhalten sich aber als Stämme, bis sie sehr regelmässig gabelförmig in zwei ungefähr gleich- förmige Äste zerfallen, welche dann weiter in das sensible Netz im Gebiete der Flossenstrahlen übergehen. Ferner haben diese Pterygialnerven eine bestimmte und gesetzmässige Lage zu den Strahlen, indem jeder längs jedem zweiten Strahl verläuft. Zwischen diesen Hauptnerven finde ich feinere Nerven, Nn. intermittentes. Sie sind dadurch entstanden, dass feine Äste von den naheliegenden Nerven zu Längsstämmen zusammen- treten, welche parallel zu den vorigen und zwischen diesen gelagert sind. Ferner finde ich zahlreiche Anastomosen, von sehr einfacher Art, indem sie nur ein Bündel von Nervenfasern bilden, welche von dem einen Nerven zu dem anderen übergehen. Konstant sind diese Anastomosen nur zu finden in dem cranialen und caudalen Teile der Basis der Flosse. In dem übrigen Teile sind sie sehr variierend. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 13 Wenn man nun unsere Resultate vergleicht, dann findet man bedeutende Unterschiede. Nach Braus ist der Plexus sehr kompliziert. Nach mir ist er sehr einfach gebaut. Braus teilt den Plexus ein in zwei Bestandteile: den Plexus praeaxfialis und Plexus postaxialis, welche sich beide in einer Richtung parallel mit der Flossenbasis ausbreiten. Ich teile den Plexus in regelmässige, in bestimmten Verhältnissen zu den Strahlen liegende Fortsetzungen der Spinalnerven und feinere dazwischen liegende Zwischennerven ein und bestreite das Berechtigte in der Aufstellung des präaxialen und postaxialen Plexus, weil es sich in beiden Fällen um prinzipiell ähnliche Anastomosen handelt. Ich finde die Details des Flossengeflechtes sehr regel- mässig und bedeutungsvoll, weil sie die ausgeprägte, immer bei- behaltene metamere Beschaffenheit der Selachierflosse be- weisen. Braus findet alle Details dieser Geflechte sehr variierend und ohne Interesse. Es besteht also ein bedeutender Unterschied in den Unter- suchungsresultaten zwischen Braus und mir. Nun kommt aber Braus in seiner gegen mich gerichteten Erwiderung zu der überraschenden Behauptung, dass ich seme Sachen bestätigt habe. Auf 8. 442 schreibt er: ‚Denn seine Befunde sind nichts anderes als eine glatte Bestätigung meiner längst vor seiner Arbeit publizierten Präparation.“ Wie Braus zu einer solchen Auffassung gekommen ist, werde ich jetzt zeigen. Die Grundlage für Braus’ Beschreibung der Flossennerven bei Acanthias bildet seine Fig.2 Taf. XXIII, welche ich hier in photographischer Aufnahme nach dem Originale, 43 ver- mindert als Textfigur 1, mitteile. Man sieht hier in Übereinstimmung mit der Beschreibung einige lange Äste. Nur zwei von diesen Ästen zeigen Zusammen- hang mit den Hauptnerven der Flosse. Zwischen den langen Ästen verlaufen kürzere, welche sich mit den vorigen verbinden. Man sieht weiter sehr gut die gabelförmigen Teilungen der Flossen- 14 E. MÜLLER, Textfigur 1. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 15 nerven. Die Nerven sind aber nur zu der Grenze der Muskulatur verfolgt. Da die Präparation wohl kaum ausreicht, wird das Bild zu unbestimmt und lässt sich daher in verschiedener Weise deuten. Wir werden im folgenden erfahren, was Braus aus dieser Figur herausgelesen hat. Nun verfährt Braus gegen mich in folgender Weise. Er zeichnet die betreffende Figur noch einmal und verändert sie insoweit, als er Verbindungen zwischen den langen Ästen und den Hauptnerven, welche in der Originalabhandlung nicht zu finden sind, hineinzeichnet. In seiner Streitschrift gegen mich reproduziert er diese veränderte Figur als „die genaue Wieder- gabe‘‘ der in seiner Hauptabbildung der Acanthiasflosse (1889) von ihm selbst gezeichneten Nerven- und Skeletverhältnisse. Weiter reproduziert er meine schlechteste Figur, welche nicht wie z. B. die Fig. 36 und 37 meiner Abhandlung eine vollständige Färbung zeigt, sondern nur die proximalen Teile der Flossen- nerven enthält, und bloss deshalb beigegeben ist, um die Varia- tionen zu zeigen. Nun stellt er die beiden Figuren nebeneinander. Darauf druckt er meine Beschreibung über die Verhältnisse zwischen den Flossenstrahlen und den Nerven ab. Dann hebt er hervor, dass meine Beschreibung ebensogut auf seine wie auf meine Figur passt und kommt dann zu den oben angeführten Resultaten: ‚Denn seine Befunde sind nichts anderes als eine glatte Bestätigung meiner, längst vor seiner Arbeit publizierten Präparation.‘ — — — ‚Die tiefen, zwischen den Muskeln und dem Flossenskelette belegenen Hauptstämme, denen sich das Hauptinteresse Müllers zugewendet hat, waren also in allem Wesentlichen vollkommen bekannt.‘ — Zu der Charakterisierung dieser Schlussätze von Braus brauche ich nur noch einmal daran erinnern, dass er die obengenannten „Hauptstämme‘ kaum mit einer Silbe in seinen Arbeiten erwähnt hat, wie aus den vorhergehenden Referaten deutlich hervorgeht. Um kennen zu lernen, wie Braus sich die Hauptnerven 16 E. MÜLLER, der Brustflosse vorstellt, muss man in seiner Abhandlung weiter gehen und die Darstellung studieren, welche er zum Vergleich zwischen der Dipnoi- und Selachierflosse gibt. Zu diesem Zwecke reproduziere ich hier die Textfigur 15a und b ($. 196) von seiner Arbeit, soweit diese die Brustflosse betrifft. Die linke Textfigur 2. Textfigur 2a und b sind die halbschematische Wiedergabe der Anordnung der Nerven zwischen Knorpel und Muskulatur der Flosse, geholt aus der Arbeit von Braus: Die Muskeln und Nerven der Ceratodusflosse. a) Brustflosse von Ceratodus, b) Brustflosse von Acanthias. Figur a soll die Nerven der ÖCeratodusflosse darstellen, die rechte Figur b, welche uns besonders interessiert, zeigt die Nerven der Acanthiasflosse, wie Braus sie sich vorstellt. Zum Vergleiche habe ich auch zwei Tafeln aus meiner Arbeit über die Brust- flossennerven reproduzieren lassen. (Textfigur 3 u. 4.) Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 17 Was die Textfigur 2b von der Brausschen Hauptarbeit bedeutet, das kann man aus Braus’ letzter Arbeit kennen lernen. Er sagt selbst S. 449, dass die hier reproduzierte Abbildung den Zweck hat, „dem Leser eine schematische Vorstellung von der Anordnung der Geflechte selbst und von ihrer Lage zum Skelet zu geben‘. Wie jeder Leser sich selbst durch Studium des Zitates der Brausschen Üeratodus-Abhand- lung, das ich auf S. 8—9 abgedruckt habe, überzeugen kann, stimmt diese Textfigur auch völlig mit der Darstellung in dem Texte. Hier in der Textfigur bilden die ursprünglich segmen- talen Nerven medial von dem Metapterygium einen Längsstamm, den Plexus postaxialıs, dann lateral von dem Metapterygium ein Geflecht, den Plexus praeaxialis, wo sie ihre metamere Individualität ganz verloren haben. Ich bitte nun den Leser, diese Braussche Textfigur mit den aus meiner Arbeit ge- wonnenen Bildern Textfig. 3 u. 4 zu vergleichen. Dann wird er konstatieren, dass das, was gerade für die Nerven der Selachierflosse charakteristisch ist, nämlich die me- tamere Ordnung, in der Brausschen Figur nicht zu finden ist, während das, was für dieselbe Braussche Figur und Darstellung im Texte am meisten charakte- ristisch ist, nämlich der Plexus prae- und postaxaalis, nicht in der Wirklichkeit besteht. In der Figur von Braus vermisst man die charakteristischen gabelförmigen Teilungen der Flossennerven, welche von mir sowohl bei Raja wie bei Acanthias ausführlich beschrieben sind, ebenso auch die regelmässigen und deutlichen Lageverhältnisse der Nerven zu den Strahlen, sowie die Nn. intermittentes und die einfachen queren oder schrägen Anastomosen, welche die Hauptnerven in meinen Präparaten verbinden. Ich sehe mich deshalb ge- nötigt, die Darstellung von Braus für unrichtig zu erklären und kann der Ansicht dieses Autors, dass ich seine Untersuchungen „glatt‘‘ bestätigt hätte, nicht beitreten. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) 2 18 E. MÜLLER, Textfigur 3. = % E2.9S.n. Auf meine Bemerkung, dass die von Braus in der Text- figur gezeichneten Plexus prae- und postaxialis nicht in der Wirklichkeit zu finden sind, wird Braus vermutlich, wie aus Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 19 Textfigur 4. den Andeutungen in seiner Streitschrift hervorgeht, antworten, dass Müller diese Plexus durch seine Präparationsmethode ent- fernt hat. Aber diese Antwort würde nicht zutreffen. Denn man sieht in der mehrmals zitierten Textfig. 15 von Braus (Textfigur 2b dieser Arbeit S. 16), dass es die grossen segmen- talen Nerven sind, welche sich in dem Plexus praeaxialis auflösen. Diese grossen Nerven sind aber mein Hauptuntersuchungsobjekt 9% = 0 E. MÜLLER, sewesen. Ich habe sie nicht entfernt, sondern sie sind in meinen Bildern so dargestellt, wie sie wirklich vorhanden sınd. Sollte Braus anführen, dass die mehrerwähnte Textfigur nur eine „halbschematische‘ Abbildung darstelle, dann möchte ich aber bemerken, dass sowohl ganzschematische wie halbschematische Abbildungen vereinfachte Darstellungen von tatsächlichen Verhältnissen wiedergeben müssen, wenn sie Wert haben sollen. Die mehrgenannte Textfigur kann ich aber als solche nicht anerkennen. Es muss auch betont werden, dass diese Textfigur eben den wichtigsten Teil, den Kernpunkt der Brausschen Ab- handlung illustrieren soll: nämlich die Homologisierung zwischen den Nerven der Selachierflosse und denjenigen der Dipnoiflosse. Nun habe ich aber in meiner Abhandlung gezeigt, dass diese Homologisierung unrichtig ist. Die von Braus als Plexus prae- und postaxialis bezeichneten Geflechte sind bei Acanthias nur einfache Kettenanastomosen zwischen den segmentalen Nerven. Die prä- und postaxialen Längsstämme der Ceratodus- flosse sind dagegen Stämme, welche durch Konzentration und intimes Aneinanderlegen der segmentalen Nerven mit Auf- hebung der metameren Anordnung entstanden sind. Es lässt sich auch beweisen, dass Braus noch in seiner letzten Schrift eine unzutreffende Vorstellung von den Flossen- nerven hat. Zuerst muss ich konstatieren, dass er in seiner Streitschrift eine ganz andere Ansicht von den Flossennerven hat als vorher in der Ceratodus-Abhandlung. In dieser lässt er die Hauptnerven der Flosse in den Plexus praeaxialis ganz über- sehen (siehe seine Textfigur S. 16 in dieser Abhandlung). Nach dem Erscheinen meiner Untersuchung kann er ja nicht ver- neinen, dass diese Nerven als solche bis zu ihren Endteilen ver- folet werden und also nicht in einen Plexus praeaxialis aufgelöst werden können. Darum lautet sein Urteil nun so: die von Müller beschriebenen Nerven sind sensible Nerven, neben Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse et. 21 diesen besteht nun ein motorisches Geflecht, welches Müller nur teilweise oder gar nicht gesehen hat, weil er es durch seine Methode entfernt hat. Ich weiss nicht, ob Braus selbst be- merkt hat, welcher bedeutende Unterschied zwischen diesen seinen beiden Ansichten besteht. In seiner ersten Abhandlung findet man kein Wort für eine solche Scheidung zwischen den motorischen und sensiblen Nerven, welche nun ohne ersichtliche Unterlage gemacht wird. Nun wird aber jeder, der die genannten Hauptnerven einmal sorgfältig und vollständig präpariert hat, durch die zahlreichen Muskeläste, welche die Nerven während ihres Verlaufes abgeben, überzeugt, dass sie gemischter Natur sind, welche erst, nachdem sie unter dendritischer Verästelung ihre Muskeläste abgegeben haben, als sensible Endäste in den Hornsaum auslaufen. Um die Differenz in den Befunden von Braus und mir noch deutlicher hervortreten zu lassen, ist ein weiteres Ein- sehen auf die Geflechte der Brustflosse notwendig. Ich habe in meiner Abhandlung geschrieben: „Ganz fehlerhaft ist es, 'zu sagen, dass sie (die Flossennerven) sich in ein Netz von in- differenter Art und regelloser Beschaffenheit auflösen.‘ Die Anmerkung war gegen Braus gerichtet. Denn wie aus dem Vorhergehenden deutlich hervorgeht, ist dies das Fazit seiner Untersuchungen. In seiner Erwiderung äussert sich nun Braus über den Inhalt dieses Punktes in der Art, dass mein oben ge- nannter Ausspruch auf einem Missverständnis beruhe. ,,Das- selbe ist,“ sagt er, ‚einmal rein sprachlicher Natur, weıl der Autor unter ‚„‚Netzen‘‘ solche Nervenverbindungen versteht, bei welchen die einzelnen Nervenäste ihre Individualität verlieren. Diese, erst seit Apathy eingeführte Vorstellung lag mir voll- ständig fern, was rein zeitlich daraus hervorgeht, dass meine ersten Beschreibungen der Innervation (1892), in welchen schon diese Plexus beschrieben werden, den betreffenden Arbeiten Apathys vorangegangen sind.‘ Und auf 8. 483 sagt er direkt: 22 E. MÜLLER, „Dass diese Geflechte keine ‚Netze‘ im Sinne Apathys sind, wie Müller angibt, kann man an guten ÖOsmiumpräparaten daran erkennen, dass an den Knotenpunkten ganz deutlich nur eine Überkreuzung der Nervenfasern, keine Verbindung der- selben stattfindet.‘ Zu diesen Bemerkungen von Braus muss ich folgendes erwidern. Die Nervennetze in Apathys Sinne haben mit unsern Untersuchungen durchaus nichts zu tun. Jeder- mann weiss ja, dass Apathy durch eine ausserordentlich subtile mikroskopische Technik Netze zwischen den Elementarfibrillen des Nervengewebes dargestellt hat. Die Netze oder Geflechte, welche das Objekt der Untersuchungen von Braus und mir bilden, sind aber grobe, makroskopische oder mit Lupen- vergrösserungen darstellbare Strukturen. Es geht also nicht an, diese verschiedenen Dinge miteinander zusammenzuwerfen. Es findet sich in meiner Abhandlung kein Wort, welches dafür spricht, dass ich in den Fehler verfallen wäre, grobe Nerven- netze oder -geflechte Apathyschen Netzen gleichzustellen. Im Zusammenhang hiermit hält es Braus für notwendig zu sagen, dass in den von mir beschriebenen osmiumgefärbten Netzen die Nervenfasern sich kreuzen, ohne Verbindungen ein- zugehen. Ich denke, dass dies Faktum wohl schon vor mehr als 50 Jahren festgestellt ist, und die ganze Angelegenheit reduziert sich darauf, dass ich das Wort Netz gebrauche in derselben Bedeutung wie Geflecht. Da es sich um makroskopische Strukturen handelt, so konnte ich nicht glauben, dass ich dabei missverstanden werden könnte. Nach den Beschreibungen von Braus verlieren die Flossen- nerven der Selachier ihre vorherige metamere Natur und lösen sich in unregelmässige und komplizierte Geflechte auf. Diez geht ganz deutlich aus seinen Beschreibungen hervor. Und ebenso deutlich geht dies aus der obengenannten Textfigur hervor. Das ist es, was den ganzen Gipfelpunkt der Brausschen Unter- suchung bildet, denn hieraus schliesst er auf die Umlagerungen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 23 der Muskeln und Nerven, welche den notwendigen Boden für die Archipterygiumtheorie bilden. Gerade dieser Satz ist es, gegen den meine Untersuchungen sich richten. Ich betone, wie aus meinen Präparaten deutlich hervorgeht, dass die Flossennerven ihre Selbständigkeit bis zu Ende behalten. Ich habe dies auch so ausgedrückt, dass ich sage, dass die Pterygialnerven, d.h. die Nerven ın der Flosse ihre Individualität während ihres ganzen Verlaufes besitzen. Hiermit verstehe ich natürlich nicht, dass die Nerven ganz unabhäneig voneinander verlaufen. Ich be- schreibe ja ausführlich die Anastomosen zwischen den besonderen Nerven. Ich meine vielmehr, wie wohl leicht zu verstehen ist, dass jeder Flossennerv durch Verästelung und Lage seine Eigen- art besitzt, während die Anastomosen quantitativ zurücktreten und qualitativ sehr einfach gebaut sind, da sie nur feine Bündel darstellen zwischen den Flossennerven oder zwischen diesen und den Nn. intermittentes. Ich erlaube mir, die Sache durch ein Beispiel zu illustrieren. Wir haben Epithelien, wo die Zellen, scheinbar wenigstens, ohne Verbindung nebeneinander liegen, wir haben Epithelzellen, wie die Stachelzellen der Haut, welche durch zahlreiche Ausläufer miteinander verbunden sind, wir haben schliesslich Zustände, wo die Zellen ganz ohne Grenze zusammengeflossen sind, die sog. Syncytien. Deutlich ist, dass sowohl im ersten wie im zweiten Falle die Individualität der Zellen beibehalten ıst. Was nun die Nerven betrifft, so ver- halten sie sich wie ım Falle 2, die Nervenindividuen sind mit- einander durch Ausläufer verbunden. Sie behalten aber ihre Individualität noch. In dem Vorhergehenden habe ich nun gezeigt, wie meine Untersuchungen zu denjenigen von Braus sich verhalten. Ich glaube bewiesen zu haben, dass die Darstellung, welche Braus von den Flossennerven gibt, weder in Schrift noch in Bild zu- trifft. Er hegte auch zu dem Zeitpunkt seiner letzten Schrift eine falsche Vorstellung von den Brustflossennerven. Ich be- 24 E. MÜLLER, streite weiter entschieden, dass ich seine Präparationen, welche ich für unvollständig halten muss, bestätigt habe. Zwischen unseren Untersuchungen befindet sich eine tiefe Kluft. Im vorhergehenden habe ich mich mit dem Teile der Braus- schen Erwiderung beschäftigt, in dem Braus behauptet, dass meine Befunde nur eine Bestätigung seiner Untersuchungen seien. Es wäre nun meine Aufgabe, den Teil seiner Schrift zu beleuchten, worin er zu zeigen versucht, dass meine Präparationen und die darauf sich gründenden Schlüsse fehlerhaft sind. Er benutzt hierbei die Resultate der Experimente, welche er über die Reizung der Flossenmuskeln angestellt hat. Da ich aber selbst über eine Reihe experimenteller Untersuchungen berichten kann, welche die geringe Beweiskraft der Brausschen Experi- mente vollständig beweisen wird, so muss ich diese Kritik für ein folgendes Kapitel sparen. Ich gehe nun zu einer Beleuchtung der Anmerkungen über, welche Braus gegen die von mir ge- brauchte Methode gerichtet hat. Braus macht mir den Vorwurf, dass ich nıcht die ‚.Vor- geschichte‘ der von mir gebrauchten Methode, die Flossennerven darzustellen, mitgeteilt habe. Diese Methode sei von Nussbaum erfunden worden, und es sei nun ein Fehler, dass ich dies nicht erwähnt habe. Ich gestehe in diesem Punkt gerne meine Un- kenntnis ein. Zwar wusste ich schon lange, dass Gerlach (18) und Ranvier die von Max Schultze in die Histologie ein- seführte Osmiumsäure zur Darstellung der markhaltigen Nerven gebraucht haben und dass K oelliker die verdünnte Essigsäure für denselben Zweck vorgeschlagen hat. Es war mir auch be- kannt, dass Mays (33), so viel ich weiss, als der erste die Ver- bindung dieser beiden Reagentien gebraucht hat, indem er zuerst die Essigsäure als Vorbehandlung und dann die Osmium- säure zusammen mit Goldchloridkallum und Essigsäure zur Tafel 1/2. Anatom. Hefte. 1. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) a er... bs RS RE . > £ Gustaf Wennman del, u Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 25 Darstellung der Nerven brauchte. Ich wusste aber nicht, dass Nussbaum neun Jahre nach den Untersuchungen von Mays eine Methode gefunden hatte, welche sich auf ganz dasselbe Prinzip gründete, wie die von Mays. Dass die Essigsäure-Osmiummethode sich für das Studium der Selachier-Nerven sehr gut eignete, fand ich ganz zufällig. Ich arbeitete in Kristineberg mit einem von O. Hertwig zur Fixierung gebrauchten Essigsäure-Osmiumgemisch. Aus reinem Zufall war ein kleines Exemplar von einem Raja-Fötus eines Abends in diese Flüssigkeit gefallen, und den nächsten Morgen fand ich eine ausgezeichnete Färbung des ganzen sensiblen, periferen Nervensystems. Danach fing ich an, in verschiedenen Kom- binationen die beiden obengenannten Reagentien zu brauchen und zwar mit sehr gutem Erfolge. In meiner Abhandlung findet man kein Wort, nach dem ich für mich in Anspruch nehme, ein prinzipiell neues Verfahren ausprobiert zu haben. Ich dachte und denke noch, dass die Anwendung von Essigsäure und Os- miumsäure dem Fachgenossen so bekannt war, dass eine „Vor- geschichte‘ der von mir gebrauchten Methode unnütz war. In seiner Schrift richtet sich nun Braus gegen meine Hand- habung der sogenannten ,„Nussbaumschen Methode“ (8. 456 und folgende). So viel ich weiss, hat Braus selbst diese Methode vor der Bekanntmachung meiner Abhandlung nie angewandt. Nach Kenntnisnahme meiner Untersuchungen aber hat er eine Xeise nach Triest gemacht und einige Rochen-Flossen darauf geprüft. Er glaubt danach, die für bestimmte Aufgaben ganz vortreffliche Methode in Schutz nehmen zu müssen. In der Art, wie ich die Methode gebraucht habe, war es nicht mösglıch, die feinen motorischen Nervengeflechte vollständig zu Gesicht zu bekommen. Durch das Macerationsverfahren habe ich „das Gros des Plexus pterygialis‘‘, welches Braus bei Squaliden präpa- ratorisch gefunden hatte, entfernt. In seiner Hand aber gibt die Methode auch in dieser Beziehung gute Resultate. Mein Fehler soll E. MÜLLER, 26 nämlich darin bestehen, dass ich bei der Präparation von der integumalen Oberfläche eingedrungen bin. Dies führt, wie er meint, zu ganz fehlerhaften Resultaten. Der Kunstgriff besteht darin, dass man die Fiosse spaltet und die Präparation von der Tiefe vornimmt. Er hat nun eine solche Präparation vorge- nommen und zeichnet ein solches Präparat ab, welches ungefähr die meisten Nerven enthalten soll. Durch Verwendung der Nussbaumschen Methode bei Raja hat er bewiesen, ‚dass die Enden in den Präparaten Müllers meistens künstliche sind und die Färbungen also nur Fragmente des Gesamtnervensystems der Flosse darstellen; denn bei richtiger Anwendung der Methode kommt ein grosser Teil dessen zum Vorschein, was in Müllers Präparaten fehlt.“ Mehr als drei Jahre habe ich die Essigsäure-Osmiumsäure- Methode angewandt und in dieser Zeit viele Erfahrungen sowohl von deren Vorteilen wie Nachteilen zu sammeln Gelegenheit gehabt. Ich habe in meiner Abhandlung ausdrücklich die Schwächen der Methode hervorgehoben. Die Ausführungen von Braus dürften deshalb wohl unnötig sein, weil sie der Leser alle in etwas verkürzter Form in meiner Abhandlung finden wird. Es liest ja in der Natur der Sache, dass man durch Ver- änderung des Macerationsgrades alle Nerven, gröbere wie feinere darstellen kann. So habe ich es auch gemacht. Ich habe die ganze Muskulatur wegmaceriert und bekomme dann aus- gezeichnete Abbildungen von den groben Flossennerven in ihrer Gesamtheit. Lässt man die Essigsäure nur kürzere Zeit ein- wirken, dann kann man schichtenweise die Nerven der sub- kutanen Hautschicht darstellen. Dass ich alles gesehen habe, was von den makroskopisch oder mit der Lupe darstellbaren Nervenverhältnissen zu sehen ist, davon sind die mitgeteilten Bilder Beweise. Obwohl nun Braus meint, dass ich das „Gros“ des Plexus pterygialis entfernt habe, dürfte eine Ver- gleichung des „möglichst vollständigen‘ Bildes von Braus mit Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 27 meiner Fig. 35 Taf. 37/38 dartun, dass mein Bild nicht weniger reich an Einzelheiten ist, wie das seinige. Was ich in meinen Präparationen dargestellt habe, sind die Hauptnerven der Flossen. Wenn ich die Aufgabe erhalte, die Nerven des menschlichen Armes darzustellen, so be- schreibe ich natürlich in erster Linie die grossen Nerven, welche unter den Namen der Nn. musculo-cutaneus, medianus, ulnarısund radialis bekannt sind, nebst ihren Verästelungen. Selbstver- ständlich finde ich auch inter- und intramuskuläre Äste und Geflechte, welche immer reichlicher hervortreten, je stärkere Vergrösserungen ich brauche. Ganz verkehrt ist es natür- lich, mit diesen letzten anzufangen und die übrigen grossen Nerven zu vernachlässigen. So aber stellt Braus die Sache dar bei den Flossen der Selachier. ‚Die groben Nerven, welche Müller zeichnet, sind sensibel und darum von weniger Interesse. Daneben findet man einen motorischen Plexus, den ich (Braus) entdeckt habe und den Müller weg- maceriert hat.‘ Braus wirft mir auf mehreren Stellen vor, dass ich die Literatur nicht genügend berücksichtigt habe. Unter solchen Verhältnissen dürfte es mir wohl erlaubt sein, eine Gegenfrage zu tun, warum Brausin seinen Arbeiten niemals die Abhandlungen von Mays erwähnt, die ihm doch geographisch sehr nahe liegen. als sie aus dem Laboratorium des berühmten Heidelberger Physio- losen Kühne hervorgegangen sind. Vor mir liegen jetzt neben- einander die Bilder über intramuskuläre Nervengeflechte, welche Mays 1884 und Braus 1901 veröffentlicht haben. Ein ein- ziger Blick auf die Abbildungen lehrt, dass die Bilder von Mays viel vollständiger und schöner sind als die von Braus. Nun sind zwar Material und Ziel der beiden Abhandlungen ver- schieden. Mays hat Amphibien-, Reptilien- und Säuger-Muskeln vom physiologischen Gesichtspunkte untersucht, Braus da- gegen die Selachier-Muskelnerven vom morphologischen Ge- 28 E. MÜLLER, sichtspunkte behandelt. Trotzdem wäre sicher ein eingehendes Studium der Maysschen Abhandlungen für Braus von grossem Nutzen gewesen. Er hätte dann vielleicht auch die Bemerkungen, welche er über die Geschichte und Gebrauchsweise der ‚„Nuss- baumschen Methode“ äussert, unterlassen. Braus tadelt, dass ich die Literatur nicht genügend berück- sichtigt habe. Die hierfür angeführten Beispiele sind aber nicht glücklich. Braus sagt, dass die Arbeit von J. Schwan, welche er selbst 1898 und 1899 zitiert hat, von mir „ganz ignoriert wird“. Hierzu gestatte ich mir zu bemerken, dass ich (S. 496) in meiner Brustflossenarbeit betreffend die ältere Literatur, also auch die Arbeit von Schwan, den Interessierten ausdrück- lich auf die Abhandlung von Braus (1898) hinweise und be- tone, dass dort eine Übersicht der älteren Literatur gegeben wird. Braus tadelt weiter, dass ich die Arbeit von Monro über die Flossenarterien nicht zitiert habe. Diese Arbeit kenne ich sehr wohl, habe sie aber aus ganz demselben Grunde nicht zitiert. Ich habe auch hier die letzte Arbeit, diejenige von Parker ausführlich zitiert, und Parker wieder hat Monro ausführlich berücksichtist. Die Untersuchungen von Parker bilden also den Punkt, von dem ich ausgegangen bin. Die An- gaben über die Gefässe der Selachierflosse, welche Braus selbst gemacht hat, sind so dürftig, dass er eine Berücksichtigung wohl kaum erwarten wird. Bevor ich diese allgemeine Kritik der Brausschen Er- widerung beendige, um in dem Folgenden auf viele Einzelheiten zurückzukommen, muss ich noch den Abschluss seines Auf- satzes etwas beleuchten. Dort schreibt er nämlich: ‚Ich habe in dieser Arbeit vollständig Abstand genommen von allen theo- Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 29 retischen Schlussfolgerungen, welche ich an meine früheren Be- funde geknüpft habe — und auch heute aufrecht erhalte, weil sie durch den Ausgang der hier mitgeteilten neuen Unter- suchungen eine Bestätigung erfahren haben —; ich habe mich vielmehr einzig und allein mit der „empirischen Grundlage“ beschäftigt, auf welcher meine Schlüsse fussen. Ohne Zweifel ist der Sinn seines Ausspruches der, den Leser zu überzeugen, dass Braus die Kritik, welche ich seinen Arbeiten gewidmet habe, ganz zurückgewiesen hat. Ich muss darum hervorheben, dass Braus auf die wichtigsten Punkte, in denen ich seine Extremitäten-Arbeiten angegriffen habe, gar nicht eingegangen ist. Ich erinnere an folgende: 1. Ich habe gezeigt, dass die Achse des Gegenbaurschen Archipterygiums in der Selachierflosse eine so unbestimmbare Bildung ist, dass Gegenbaur sie durch einen Strahl und Braus durch einen anderen Strahl legt und dass mit dieser Unbestimm- barkeit der Achse die Grundlage für die ganze biseriale An- ordnung fällt. Auf diese Bemerkung habe ich keine Antwort bekommen. 2. Ich habe auf S. 572—574 gezeigt, dass die Lehre von Braus betreffend die Wanderung der Flosse in logischer Be. ziehung unhaltbar ist. In seiner Erwiderung schweigt er hierüber. 3. Schliesslich habe ıch im Anschluss an die Bilder, mit denen Braus die Gegenbaursche Lehre von dem wandernden Kiemenbogen in seiner Ceratodus-Arbeit S. 275 illustriert, den schwierigen Weg hervorgehoben, den der Kiemenbogen hierbei zu passieren hat. Ich äusserte mich folgendermassen: „Er muss durch den zugehörigen Aortenbogen passieren, er muss gerade durch den Vagusstamm marschieren. Er muss endlich gerade durch die rostralen Spinalnerven seinen Weg nehmen, um von der gegenwärtigen Lage eines Kiemenbogens der Se- lachier in die Lage des Schulterbogens desselben Tieres zu ge- 30 E. MÜLLER, langen. Für Braus existieren diese Schwierigkeiten gar nicht, denn sie werden nicht einmal erwähnt.‘ Mir scheint, dass die Anmerkung mit genügender Deutlichkeit formuliert ist, eine Antwort aber habe ich nicht bekommen. Ich konstatiere also, dass Braus in den allerwichtigsten Punkten die Antwort schuldig geblieben ist. Denn es ist ja deutlich, dass die Frage betreffs der Polyneurie der Flossen- muskeln, welche Braus in seiner Erwiderung gestützt zu haben olaubt, gar keine Stütze für diese theoretischen Schlussfolgerungen bilden kann. Nach den Aussprüchen in seinen vorhergehenden Arbeiten scheinen immer die theoretischen Schlussfolgerungen, die er zugunsten der Archipterygiumtheorie zog, der Gipfel- punkt seiner Untersuchungen zu sen. Nun schweigt er gegen die Hauptanmerkungen, welche gegen sie gerichtet werden. Statt einer ausführlichen Erwiderung auf diese betont er nur das, wie er glaubt, von ihm bewiesene Faktum, dass die Muskeln der Selachierflosse polyneur sind. Wie es sich in diesem Punkte verhält, werde ich in einem kommenden Kapitel zeigen. Wenn Braus’ Schweigen über die Archipterygiumtheorie so gedeutet werden könnte, dass diese als definitiv aufgegeben von der Diskussion ausgeschlossen sei, dann wäre allerdings ein Schritt vorwärts getan. In jedem Falle scheint es mir an der Zeit zu sein, dass diese irrtümliche Anschauung endlich aus den Lehr- büchern der vergleichenden Anatomie entfernt werde. Uber die Innervation der Radialmuskeln der Brustflosse bei Acanthias vulgaris. In seiner Ceratodus-Arbeit (9) behauptet Braus, wie schon erwähnt, dass die Musculi radiales sämtlich polyneure Muskeln sind. Doch liefert er gar keine nähere Information hierüber, Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse eie. 31 sondern er fordert hier wie an anderen Stellen der Abhandlung den Leser auf, die Beweise für die Behauptung selbst aus zwei beigefügten Abbildungen zu entnehmen. Ein näheres Studium dieser Abbildungen lehrt jedoch etwas ganz anderes. Um den Leser in den Stand zu setzen, sich selbst ein Urteil über den In- halt der Brausschen Figuren zu bilden, teile ich sie hier mit (Textfigur 5 u. 6). Wenn man nun in einer Tabelle aufschreibt, wie jeder Muskel innerviert ist, dann bekommt man folgendes Resultat: Muskel: Nerven: w 4 Y 3,.4,..5 p 3, 42 2) De © 3, 4,526 5,6 E 6 IT 6,4 m) 07 G 8 v 08 u 8,9 8, 9, 10 x 85 210 L 8.9, 10° 21 + II N 3.10, ee 07 Do 11.212415 ) 12718 v4 18: ß 19, 04 [04 14 E. MÜLLER, Textfigur 5. x Textfigur 13 der Abhandlung von Braus. y IN ATI h Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. Textfigur 6. Textfigur 14 der Abhandlung von Braus. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) 3 34 E. MÜLLER, In seiner Abhandlung schreibt Braus nun wörtlich: ‚Man kann aus Textfig. 13, deutlicher jedoch aus dem Oberflächen- bild (Textfig. 14), in welchem die demselben Metamer zuge- hörigen Bezirke durch besondere Linien umgrenzt sind, ent- nehmen, dass die Musculi radiales sämtlich polyneure Muskeln sind }).“ Wenn man nun das Adjektiv „polyneur‘‘ nach dem Sprach- gebrauche beurteilt, dann sollte natürlich jeder Muskel von mindestens drei Nerven innerviert sein. In seiner Abhandlung 1898 gibt Braus bestimmt an, dass die Musculi radiales von drei bis vier aufeinanderfolgenden Metameren gebildet werden. In seiner Erwiderung an mich geht er noch weiter und sagt, dass die Innervation von drei Spinalnerven das Minimum der Innervation bildet. Ein Blick auf die Tabelle lehrt aber sofort, dass dies nicht der Fall ist, denn nur 11 Muskeln werden von 3 oder mehreren Nerven innerviert, 4 Muskeln sind deutlich haploneur und 8 Muskeln sind diploneur. Die polyneuren Muskeln befinden sich also in der Minorität. Ich konstatiere also, dass selbst in der Hauptfrage über die Inner- vation der Radialmuskeln die Angaben von Braus im Widerspruche zu seinen eigenen Präparationen stehen. Noch deutlicher wird dies, wenn man die Brausschen Bilder mit Kenntnis von dem wirklichen Verhalten der Radialmuskeln beurteilt. Seine beiden Zeichnungen zeigen nämlich, dass in dem grösseren Abschnitte der Flosse, wo die Radialmuskeln deutlich voneinander unterschieden sind, da wo die Ziffern in Fig. 14 stehen, die Innervationsgebiete sehr regelmässig sınd und im allgemeinen aus einem ganzen Radıalmuskel und zwei angrenzenden halben -Radialmuskeln bestehen. Hier ist also jeder zweite Muskel haploneur, und wieder jeder zweite diploneur. Dieses wichtige Verhalten wird jedoch in der !) Kurs. von Braus. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 35 Brausschen Abhandlung nicht berücksichtigt. Die in den Vor- dergrund geschobene Polyneurie kommt hauptsächlich proximal zustande, indem die proximalen, in der Flossenbasis belegenen Enden der Radialmuskeln über drei oder vier Innervations- gebiete verlaufen. Nun ist aber zu bemerken, dass in diesem Abschnitte der Radialmuskeln ihre oberflächlichen Teile zu- sammengeschmolzen sind, was die Feststellung ihrer Innervation auf anatomischem Wege unmöglich macht. Die Angaben von Braus scheinen darum so gewonnen zu sein, dass er die Um- risse der oberflächlichen Teile der proximalen Enden der Radial- muskeln auf die in der Tiefe verlaufenden Nervenstämme pro- jiziert, dann kann man allerdings Bilder, wie Braus sie zeichnet, erhalten. Diese haben ihren Grund nur in dem topographischen Verhältnisse, dass die oberflächlichen Teile der proximalen oder basalen Enden der Radialmuskeln bei dem erwachsenen Tiere fächerartig gegen die Mitte der Flossenbasis zusammengeschoben sind, während die Nerven ihren ursprünglichen nacheinander folgenden queren Verlauf beibehalten haben. Für die Innervation hat dieses topographische Verhalten aber gar nichts zu be- deuten, wie aus der Entwickelung der Flosse deutlich her- vorgeht. Ich komme jetzt zu meinen Angaben in der Brustflossen- Abhandlung über die Innervation der Radialmuskeln. Nach- dem ich den allgemeinen Verlauf der Flossennerven bei Acan- thias beschrieben habe, schreibe ich über die Verästelung folgendes: „Während des genannten Verlaufes geben die Pterygialnerven zahlreiche Äste ab. Von diesen sind erst zu nennen die ober- flächlichen Äste, welche aus den ventralen Ästen bald distal von den Nervengabeln entspringen. Sie verteilen sich in der oberflächlichen Muskelschicht und senden wahrscheinlich auch Fasern nach der oberflächlichen sensiblen Nervenschicht, welche bei Raja ausserordentlich schön hervortritt. Die betreffenden Nerven sind in den Figuren nicht dargestellt, weil sie nach der 3+ 36 E. MÜLLER, Wegnahme der Muskeln ihre natürliche Lage verlieren und das Hauptinteresse sich natürlich an die tiefen zwischen den Muskeln und dem Flossenskelette belegenen Hauptstämme knüpft. Von den zahlreichen übrigen unter spitzen Winkeln ab- oehenden Ästen ziehen einige durch besondere Konstanz die Aufmerksamkeit auf sich. Sie sind von etwas schwächerem Kaliber als die Hauptnerven und verlaufen in der Mitte zwischen zwei Nn. pterygiales. Ich nenne sie die Nn. intermittentes. Sie entspringen aus jenen nicht weit von dem medialen Rande, oft mit zwei spitzwinkelig zusammenlaufenden Wurzeln von den am nächsten cranial- und caudalwärts belegenen Nerven, ver- laufen dann parallel mit diesen distal und nehmen während dieses Verlaufes zahlreiche Anastomosen von den nächsten Pterygialnerven auf. Im Gebiete der Strahlen verästeln sie sich, und die Äste schmelzen mit den Hauptästen der Nn. ptery- giales zusammen. Wir werden bei Raja und Chimaera finden, dass diese Nerven eine der charakteristischsten Eigentümlich- keiten der Verästelungsweise der Flossennerven darstellen. Beachtenswert sind die zahlreichen Anastomosen, welche die Flossennerven verbinden. Gewöhnlich sind sie von sehr einfacher Anordnung. Ein feineres oder gröberes Nervenbündel spaltet sich von einem N. pterygialis ab, läuft schräg hinüber zu dem nächstliegenden Nerven und verbindet sich mit ihm. Die regelmässigsten Anastomosen finde ich in dem basalen Teil der Flosse, aber nicht in der ganzen Ausdehnung der Flossen- basis, sondern nur in dessen cranialer und caudaler Partie. Der Stamm der diazonalen Nerven ist also regelmässig durch eine starke, bogenförmig um das Flossengelenk verlaufende Anastomose mit dem ersten von den metazonalen Nerven ver- bunden (a. kr. Fig. 37). Ebenso konstant finde ich eine Längs- anastomose zwischen den drei caudalen Nn. pterygiales, welche längs dem medialen Rande des Metapterygiums belegen ist (a. kr. Fig. 37). Ohne Zweifel sind diese basalen Anastomosen, Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse et. 37 welche ich Plexus basilaris nenne, von grossem morphologischem Interesse.‘ Bei Raja beschreibe ich die Äste der Flossennerven auf folgende Weise: „Die zahlreichen Äste der Flossennerven werden am geeignetsten in lange und kurze eingeteilt. Diese sind teils sensibel und laufen zwischen den Mm. radiales zum Plexus nervosus subcutaneus, teils motorisch und verlaufen zu den Radialmuskeln, innerhalb deren die Flossennerven belegen sind. Unter den langen Ästen unterscheide ich oberflächliche und tiefe. Jene sind von derselben Art und Verteilung, wie ich sie vorher bei Acanthias S. 505 beschrieben habe, und ich finde darum keine Veranlassung, länger bei ihnen zu verweilen. Die tiefen langen Muskeläste sind zweierlei Art. Zwischen den Flossennerven findet man nämlich konstant erstens feine Äste (N. i., Fig. 53 und 58), welche in den Radialmuskeln ver- laufen, die keine grossen Flossennerven besitzen. Sie nehmen während ihres Verlaufes zahlreiche Anastomosen von den beiden Flossennerven auf, zwischen denen sie liegen und sind bis zu den zugespitzten Enden der Radialmuskeln verfolgbar. Sie sind in der Brustflosse der Rochen auf der dorsalen Seite der Flosse besonders stark entwickelt, wie aus der Fig. 53 hervorgeht, welche die dorsalen Nerven von R. batis zeigt. Ihr regelmässiges Vorhandensein und der regelmässige Verlauf motivieren eine besondere Benennung, und ich nenne sie darum Nn. inter- mittentes. Eine zweite Art von konstanten langen Muskel- ästen findet man in den peripheren Gabeln der Pterygialnerven entspringen. Sie laufen in den zu diesen gehörenden Radial- muskeln bis zu den spitzigen peripheren Enden.“ „Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass zahlreiche Anasto- mosen zwischen den Flossennerven vorhanden sind. Es sind feine Äste, welche unter spitzen Winkeln aus einem Nerven entspringen, um dann schräg nach einem anderen zu verlaufen und mit diesem zusammenzuschmelzen. Konstant sind solche 38 E. MÜLLER, medial von dem Metapterygium zu finden. Die Weise, in der die Nn. intermittentes entspringen, nämlich so, dass sie von den nebenliegenden Flossennerven Anastomosen aufnehmen, macht oft, wenn diese Anastomosen auf derselben Höhe belegen sind, dass man lateral von den Basalia des Metapterygiums Längs- anastomosen findet, welche streckenweise mit diesen parallel sind.“ Ich muss noch einmal betonen, dass in diesen Beschreibungen über den Verlauf und die Verästelung der Flossennerven alles das enthalten ist, was man mit grob -anatomischer Prä- paration darstellen kann. Die Behauptung von Braus, dass ich den eigentlichen motorischen Plexus entfernt und also nicht gesehen habe, weise ich als grundlos zurück. Man kann natür- lich gegen die gelieferte Beschreibung die ganz berechtigte Be- merkung richten, dass ich die Innervation der besonderen Radial- muskeln nicht genügend beachtet habe. Die Ursache hierzu ist eine zweifache. Erstens war es für mich des Studiums der Gefässe wegen am notwendigsten, die topographischen " Be- ziehungen zwischen den Nerven und die Skeletteile kennen zu lernen. Zweitens fand ich bald, dass eine genaue Feststellung der Innervation der besonderen Radialmuskeln der zahlreichen Anastomosen wegen auf dem gewöhnlichen Wege der ana- tomischen Präparation nicht möglich war. Was ich bestimmt nachweisen konnte, das war, dass im allgemeinen ein Hauptnerv innerhalb jedes zweiten Radialmuskels verläuft und zahlreiche lange und kurze Äste an diesen abgibt. Weiter, dass jeder zweite Radialmuskel zahlreiche Äste von den zwei nebenliegenden Pterygialnerven erhält, welche sich miteinander zu einem längs- laufenden Nerv verbinden. Was ich aber nicht bestimmen konnte, das war der Verlauf der Fasern innerhalb der Anastomosen, deren grosse Bedeutung ich, wie aus dem Vorhergehenden deutlich ist, genügend beachtet habe. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 39 Aus diesem Grunde habe ich mich nur im allgemeinen über die Innervation der Radialmuskeln ausgesprochen. Ich schreibe hierüber: ‚Man darf sich also nicht vorstellen, dass das motorische Zellenmaterial der Flosse ganz ohne Ordnung in einen Topf ge- worfen ist. Ebenso r@gelmässig wie die grossen Flossennerven nacheinander folgen, ebenso regelmässig müssen die Muskeln in cranio-caudaler Richtung innerviert werden. Das Innervations- gebiet eines jeden Nerven umfasst in dem regelmässigsten Teile in der Mitte der Flosse einen ganzen Radialmuskel plus einen halben cranialwärts von diesem und einen halben caudalwärts von diesem. Innerhalb dieses Gebietes, welches dem Skelett- eebiete genau entspricht, wie es in dem speziellen Teile ausführ- lich abgehandelt ist, kann die Lage des Nerven wechseln. An den beiden Enden der Flosse ist es sehr wahrscheinlich, dass die Nerven über grössere Gebiete sich verteilen, aber diese Aus- nahmen heben nicht die allgemeine Regel auf.“ Weiter schreibe ich: ‚‚Die Muskeln werden in regelmässiger Folge von den in cranio-caudaler Richtung folgenden Nerven innerviert, wobei die einzige Komplikation darin besteht, dass der eine von den sekundären Myotomen sowohl von dem cranialen wie von dem caudalen Nerven innerviert wird und feine Anasto- mosen zwischen den segmentalen Nerven bestehen.“ Es ist ja möglich, dass der Ausdruck von der Umfassung der Innervationsgebiete leicht missverstanden werden kann. Ich habe natürlich nicht gemeint, dass jeder zweite Radialmuskel in zwei strikte getrennte Teile geteilt werden kann, von denen einer von dem cranialen, der andere von dem caudalen Nerv innerviert wird. Dies geht sehr deutlich aus dem speziellen Teile meiner Abhandlung hervor. Dort habe ich ausdrücklich hervorgehoben, dass die Nn. intermittentes, welche die be- treffenden Radialmuskeln innervieren, von Ästen gebildet werden, welche sowohl von dem cranialen wie von dem caudalen Nerven stammen. Die Nn. intermittentes senden die Äste an den 40 E. MÜLLER, Muskel. Also kann unmöglich von einer scharfen Grenze die Rede sein. Die Innervationsgebiete entsprechen also — wenn man zuerst von den Anastomosen zwischen den Segmentalnerven absieht — drei Radialmuskeln. Die motorischen Gebiete decken sich innerhalb eines Radialmuskels, d.h. zwei nebeneinander liegende motorische Gebiete haben einen Radıialmuskel gemein- sam. Dieser Sachverhalt ist ein Ausdruck von der Gesetzmässig- keit, welche in der Anordnung der Nerven und der Strahlen besteht. Von der Richtigkeit dieser Gesetzmässigkeit bin ich durch meine späteren anatomischen und embryologischen Unter- suchungen immer mehr überzeugt worden. Sie hat nämlich ıhren Grund in dem Umstande, dass die Flossennerven längs dem cranialen von den beiden Dohrnschen Muskelknospen sich ent- wickeln. Von dieser Regel können Ausnahmen vorkommen. Wen’ — wie die anatomische Untersuchung zeigt — Anasto- mosen vorhanden sind, welche zwei Flossennerven verbinden, dann ist natürlich die Möglichkeit gegeben, dass ein motorisches Gebiet sich über die genannten drei Muskeln erweitert. Sendet ein Nerv zwei Anastomosen an je einen cranialen und caudalen Flossennerv; dann steigt die Anzahl der von einem Flossennerv innervierten Muskeln auf sieben Radialmuskeln; ist nur eine Anastomose vorhanden, dann entspricht das Gebiet fünf oder vier Radialmuskeln, je nachdem die Nervenfasern über die ganzen oder die halben nächstliegenden Muskelgebiete sich ver- teilen. Diese Ausnahmen heben aber die genannte Regel gar nicht auf, denn die Anastomosenbildung ist quantitativ nur wenig entwickelt im Verhältnis zu der übrigen Verästelung der Nerven. Um nun mit Bestimmtheit zu entscheiden, wie die Inner- vationsgebiete sich in der Selachierflosse verhalten, habe. ich zu der besonders von Sherrington (47) mit so grossem Erfolge bei den höheren Tieren benutzten Methode gegriffen, durch den elektrischen Strom die Flossennerven zu reizen. Bei den Sela- Tafel 3/4. (43. Bd. H. 1.) I. Abteilung. 129. Heft. Anatom. Hefte. a S ER RER NA RM vw. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 41 chiern ist diese Methode schon von Goodrich und Braus, allerdings mit widersprechendem Erfolge, gebraucht worden. Über deren Resultate werde ich später berichten. Ich benutzte bei meinen Untersuchungen ein Induktorium von Sandström mit ablesbarer Stromstärke. Die Untersuchungen wurden im Sommer 1909 auf der zoologischen Station zu Kristine- berg ausgeführt. Ich bin bei den Reizungsversuchen so ver- fahren, dass ich die Nerven während ihres Verlaufes längs der Rumpfwand in der Zone zwischen der Linea paravertebralis und Vena parietalis freigelegt habe, dann wurden die Nerven durch- schnitten, der periphere Teil aufgehoben und auf die Platina- elektroden aufgelegt. In dieser Weise scheint mir am besten für die Isolierbarkeit gesorgt zu sein, welche ganz notwendig ist, wenn man einwandfreie Resultate erhalten will. Es muss aber hervorgehoben werden, dass die Methode eine gewisse Übung erfordert. Indessen ist es sehr leicht, das von der Reizung getroffene Gebiet abzugrenzen. Das kontrahierte Gebiet hebt sich durch eine scharfe Grenze von der Umgebung ab. Man kann aber Wirkungen erhalten, wo es sehr schwierig ist, das Resultat zu beurteilen. Die Zuckungswelle verschwindet gleichsam allmählich peripheriewärts. Ich habe Raja clavata und Acanthias vulgaris für meine Versuche gebraucht. Über die elektrischen Untersuchungen bei Raja clavata habe ich keine Versuchsprotokolle aufgesetzt. Hier sind die erhaltenen Resultate so ausserordentlich einfach und deutlich. Man erhält nämlich bei Raja ganz regelmässig drei Radialmuskeln verkürzt nach Reizung jedes Flossen- nervs. Oft sieht man einen bestimmten Unterschied zwischen dem mittleren von diesen und den beiden seitlichen. Die moto- rischen Felder decken sich innerhalb des Gebietes eines Radial- muskels. Hier stimmen also die Befunde der elektrischen Reizung in auffallendem Grade mit den präparatorischen Resultaten, 42 E. MÜLLER, wie ja auch bei der nabezu mathematischen Regelmässigkeit, die sich in der Verteilung der Nn. pterygiales und intermittentes kundgibt, zu erwarten war. Nachdem ich durch Übung eine solche Fertigkeit in der Handhabung der Methode gewonnen hatte, dass ich sicher war, bestimmte Resultate zu erhalten, habe ich hintereinander zehn Versuche bei Acanthias ausgeführt, welche von grossem Inter- esse sind. Bei Acanthias sind die Verhältnisse etwas komplizierter, wie ja auch aus der anatomischen Untersuchung zu erwarten war. Die folgende Tabelle enthält die Resultate der Unter- suchung. ie II. a ————— ae] | 5 Es Gereizte Radialmuskeln | Sr BE Gereizte Radialmuskeln | Re 22 I ae | | . | | = ar! 110 10,35.100 1 ı[| 0 30 2/0 |. 235 210 4 3| Abductor | 5 3| Abduetor, 1, 2, 3,4 | 55 4| Abductor, 1, 2 “ ADB A NG 5[3,4,5 (6, 7) > DEE ! 6|4,5,6,7 (8) OR 66,7, 8 # 7.46) 7.08 pe 78,9 I) 8| (8), 9, 10 I 8 10.141,12 | 5 9 10, 11, 12 N 9| 11, 12, 13 (14) V 10 | 11, 12, 18 3 10| 13, 14, 15 “ 11| 13, 14, 15 [Ra We 11.)515,16.217 2, 12. (14, 15),.16,.1% 218 2 12| 17, 18, 19 Ir 13| (15), 16, 17, 18 I. 6 13 17,19, 20,21 14 | 18, 19, 20 R 14 | 19, 20, 21 IE 15 (Adductor) = 151020921.02 4 16 0 5 16 Adductor In. 17/0 In Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 43 II. IV. IT Dos meer E70 = ee >: E 2 | Gereizte Radialmuskeln | Sn = 2 Gereizte Radialmuskeln | Deo 52 | stärke 32 | stärke 110 10,70,1001 1 0 | 210 ie 2| Abductor, 1, 2, 3 31/0 > 3| Abductor, 1, 2, 3, 4, (5) 4 | Abductor, 1, 2, 3 10 4| 3, 4,9, 6 SITE 9,3, 4 # 51 5.607 6|(@,3),45,6 7 a 6.147.89.10, 11 216.78 » 7| 10, 11, 12 8| 8, 9, 10 ae a 9/9, 10 N 9| 12, 13, 14 10 | 10, 11, 12 x 10| 15, 16, 17 Er. 10, 18, 14 = ir 12813019 12 | 13, 14, 15 a 12 18, 19, 20 13 | 15, 16, 17 In N 13 | 19, 20 14 | 15, 16, 17, 18 = 14 Adductor 15 | 17, 18, 19 Ve 16 | 17, 18, 19, 20, 21, Ad-| ductor | . 128150 ER I V. VI. 1/0 0 30 10 | 0-100 210 0—10 2.0 2 2 | Abductor 20—30 3 Abductor, 1, 2 0 3|0 0—10 3| Abductor, 1, 2, 3, 4 100 3 | (Abduetor) 1, 2 20-30 | 4 3, 4 | 0-10 3 | (Abductor)1, 2, 3,4,5,6 100 4 3,45,6, 7,8 \ 30—100 12,34 042-100 11.51.56, 7 ' 0—100 SU ERON 3 AN HT. 61 6,7,8 | 0-30 62165.161,7, 6.6,7,89 ' 100 101.72. 849 r z| 9,10, 11 0—70 819,10, 11 x 7|9, 10,11, 12 100 9 | 11, 12, 13 £ 8110, 1,12 0-—100 10 114, 15, 16 ; 9| 11-12, 13 x De sr 16817 i g| IE. 102 158919 = 12 | 17, 18, 19 # 10 13, 14, 15 5 1321719. ,20, 21 1115, 16 0 14 Adductor 1115,16, 17 100 15 09 R 12 | 16, 17, 18 0-100 3| 17, 18, 19 is 14 | 18, 19, 20 „ 15 20, Adductor ” 44 E. MÜLLER, IE VII. 45 mnıles EB; E Br Gereizte Radialmuskeln u H- Z Gereizte Radialmuskeln Sarguz zz stärke Sz stärke 1270 1-—100 1/0 0— 100 2 Abductor 2, (Abductor) e- Sue) 3| Abductor, 1, 2, 3 H 412,345 4| Abductor, 1, 2, 3 3 DUO S “ 5| 1, 2,3, 4 5, 6 % 6206, 7.89) 61129,20.,.07 zu KO all, 1 e re M 8.711712 : 88,9 » 9 | 13, 14 0 9| 10, 11 „» 9:1132. 14215 100 O1 215 » 10 | 14, 15, 16, 17 0— 100 11| 14, 15, 16 5 11 | 15, 16 „; 12.15, 16, 17, 18 N 22316,217,18 7 15.16, 17, 18, 19, 20% „ 13 | 13, 19, 20 5; 14 | 18, 19, 20 14 | 19, 20, 21 x 15 | Adductor sr 15 ı Adductor Pe 16 Adductor R 16 | 0 ;; 172180 5 | I x: RT) 0—100 110 2 [0 0 2/0 2 (Abductor) 100 3 Abductor 3 Abductor 0—100 41 1,2,345,6 4 ' Abductor, 1, 2 er DOES RE r 617,89 61456 n 7. 9210117012) (She ra 371112715 8208, 910 9, 14, 15, 16 JERIPSLZ2 n; 10:1 19, 210,17 10 | 12, 13, 14 2 el er ke al) 197, 12,13, 14,15, 216 2 12, 217.518,.19,.20 12 | 14, 15, 16, (17) er 13 | 19, 20, (Adductor) 3 | 17, 18, 19, 20 % 14 | (Adductor) 14 | 19, 20, 21 55 15 | 21, Adductor 16 0 Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse et. 45 Hinsichtlich der Benennungen ist zu bemerken, dass ich unter dem Namen M. abductor den Teil der ventralen Musku- latur verstehe, der sich an das Propterygium befestigt. Die oft undeutlich abgegrenzten Muskeln im Gebiete des ersten und zweiten Strahles nenne ich Radialmuskeln 1 und 2. Der undifferenzierte caudale Teil des Radialmuskels im Gebiete der rudimentären caudalen Radien ist mit dem Wort Adductor bezeichnet. Eine starke Zuckung ist dadurch ausgedrückt, dass die Nummer des betreffenden Radialmuskels mit gröberen Ziffern gedruckt ist, während eine schwache Zuckung durch eine Klammer ausgedrückt ist. Wie ich nach meinen präparatorischen Erfahrungen er- wartete, finden weder allgemeine, noch über grössere Gebiete sich erstreckende Kontraktionen der Radialmuskeln bei der Reizung eines Spinalnerven statt. Die motorischen Felder der Selachierbrustflosse sind von ziemlich beschränkter Ausdehnung und folgen in cranio-caudaler Ordnung regelmässig nacheinander. Sie decken sich mit ihren Rändern in verschiedener Ausdehnung. In einer Menge von Fällen werden auch bei Acanthias, wie bei Raja drei Muskeln bei der Reizung von einem Spinalnerven kontrahiert. In anderen Fällen ziehen sich mehrere oder auch nur zwei Muskeln zusammen. Die grösste Anzahl von Radialmuskeln, welche bei der Reizung eines Nerven sich kontrahieren, ist sieben. Dies war nämlich nur zweimal der Fall, und zwar in Versuch V. Die Zusammenziehung von 6, 5, 4 oder 2 Radialmuskeln ist gewöhnlicher. Die mitgeteilten Versuchsprotokolle sind noch in vielen anderen Punkten lehrreich. Man kann aus ihnen direkt heraus- lesen, wie die Radialmuskeln innerviert werden. Im Versuche I z. B. ist der 1. Radialmuskel nur vom 4. Spinalnerven innerviert, also haploneur. Der 4. Radialmuskel ist dagegen sowohl von dem 5. wie von dem 6. Spinalnerv versorgt, ist also diploneur. Der 7. Radialmuskel empfängt Fasern aus drei Spinalnerven, 46 E. MÜLLER, ist also polyneur. Ich habe nun so verfahren, dass ich in jedem Versuch die Anzahl der haploneuren, diploneuren und polyneuren Muskeln je für sich addierte und dann folgende Tabelle erhielt. Versuche | Da EU Eng Ey iv m | vo \vulıx| x HaploneureMuskeln | 6| 5 A 5 8,2 | Be] io ee Diploneure „ s[ujunim| en 5134| 782 18 0 Polyneure ei 5| 5 ORAN 725 I ro | 3 | 6 Sl | Summe: |20|22| 21 | 20 21 | 20 21 | 20 |2ı | m Aus der mitgeteilten Tabelle geht ohne weiteres hervor, dass die Behauptung von Braus nicht zutrifft, dass sämtliche Muskeln in der Brustflosse von Acanthias polyneur wären. Es zeigt sich im Gegenteil, dass die polyneuren Muskeln ganz bestimmt in der Minorität sind. Die überwiegende Anzahl der Radialmuskeln wird von zwei Nerven innerviert. Die Anzahl der haploneuren Muskeln und diejenige der polyneuren Muskeln ist ungefähr gleich. Wenn ich den Versuch V unberücksichtigt lasse, so finde ich in allen den übrigen eine ganz bestimmte Gesetzmässigkeit, welche darin besteht, dass die diploneuren Muskeln ungefähr der Hälfte der gereizten Muskeln entsprechen, während die Anzahl der beiden übrigen Kategorien ungefähr dem Viertel derselben entsprechen. In dem Hervortreten dieser Gesetzmässigkeit sehe ich den besten Beweis für die Richtigkeit meiner Untersuchung. Die Tabelle lehrt auch, wie die Myotome der Flosse innerviert werden. Wenn ich nämlich zwei Radialmuskeln zu einem Myotome rechne, was ja vom embryologischen Gesichtspunkte berechtigt ist, dann finde ich, dass die meisten Myotome von zwei Nerven, eine Anzahl von drei Nerven, einzelne Myotome von einem resp. vier Nerven versorgt werden. Dieses Resultat ist, so einfach es beim ersten Anblicke erscheinen kann, von Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 47 grosser Bedeutung für die ganze Extremitätenfrage, wie unten näher gezeigt werden soll. Ich komme nun zu dem Vergleich zwischen meinen präpara- torischen und experimentellen Resultaten. In meiner Abhandlung über die Brustflosse der Selachier habe ich eine Gesetzmässigkeit in der Innervation der Radıalmuskeln gefunden, welche darin besteht, 1. dass jeder Flossennerv ım allgemeinen drei Muskeln versorgt, 2. dass die Muskelfelder regelmässig nacheinander folgen und sich so untereinander verhalten, dass die nacheinander folgenden Paare einen Radialmuskel gemeinsam besitzen. Bei Raja habe ich diese Regelmässigkeit beinahe mathematisch genau gefunden, indem in jedem zweiten Pterygialmuskel ein ganzer Flossennerv belegen war, während ın den .zwischenliegenden ein N. intermittens lag, und diese kamen zustande durch Ana- stomosen von den nächsten, cranıal und caudal belegenen Nerven. Diese anatomischen Befunde sind nun durch meine funktionellen Ergebnisse bei Raja vollständig bestätigt, wie ich schon oben S. 41 hervorgehoben habe. Bei Acanthias lagen die Verhältnisse etwas mehr unregel- mässig vor. Die Bildung der Anastomosen war zahlreicher, besonders nach den cranialen und caudalen Flossenenden. Kleine Unregelmässiekeiten in der Bildung der Nn. inter- mittentes wie in der Lage der Hauptnerven zu den Strahlen wurden bei den Präparationen auch beobachtet. Unter solchen Verhältnissen ist es von besonderem Interesse, nachzuforschen, wie die Reizungsversuche bei der Acanthiasflosse zu den prä- paratorischen Ergebnissen sich verhalten. Man braucht nun nur einen Blick auf die oben $. 42—44 mitgeteilte Tabelle I zu werfen, um konstatieren zu können, dass die experimentellen Befunde mit den präparatorisch gewonnenen übereinstimmen. Noch deutlicher geht dies aus den neben- stehenden zwei Textfiguren hervor. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflo sse etc. 49 Die Textfigur 7 ist so gewonnen, dass ich in die Figur 37 meiner vorigen Abhandlung, welche ein möglichst vollständiges 2 SER add. f Bild der Flossennerven zeigt, die Ergebnisse eines von mel- nen Versuchen habe hinein- zeichnen lassen. Die Text- figur 8 ist wieder ganz sche- matisch. Sie entspricht dem Versuche IV, in anschaulicher Form dargestellt. Die Nerven sind schwarz, die Radial- muskeln sind als schmale, nacheinander folgende Spin- deln dargestellt. Die Ziffer- reihe links bezeichnet die Ner- ven, die beiden Reihen rechts beziehen sich auf die Muskeln, wobei die linke Reihe dieselben Bezeichnungen wie in den Protokollen der Experimente enthält, während die Reihe rechts die Folge der embryo- nalen Knospen bezeichnet, indem der Abductor der ersten Knospe entspricht. Ganz in Übereinstimmung mit der Entwickelung sind nun die Hauptnerven längs jedem cra- nialen Muskel eines von einem Myotome sich entwickelnden K I. ————— 7 ) Pr} N, 2 — 3 AN 4 N 2 P a —— 6 nd 6 — £ N I 7 SS 70 & LO——. % —z z z—— I FF — 5 70 76 Zr v7 /8 79 72 20 73 Textfigur 8. Sn 5 N RR Muskelpaares eingezeichnet und die Äste jedes Nerven sind nach den Ergebnissen der Reizungen in Versuch IV einge- zeichnet. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) > 50 E. MÜLLER, Die Übereinstimmung mit den präparatorischen Ergebnissen besteht nun darin, dass die Lage der grossen Hauptnerven so in das Schema hat eingezeichnet werden können, wie sie in den anatomischen Präparaten hervortraten, und dass die aller- meisten Nerven nur drei Muskeln versorgen. In dem Schema (Textfig. 8) tritt weiter ein sehr charakteristischer und mit den anatomischen Befunden übereinstimmender Zug hervor. Es ıst der, dass sowohl cranıalwärts, wie caudalwärts die Ana- stomosenbildung viel stärker ausgeprägt ist als in der Mitte der Flosse. Wie bei den anatomischen Untersuchungen, treten auch in den experimentellen Befunden gewisse Unregelmässig- keiten hervor. Die Dreimuskelfelder folgen nicht überall in der gesetzmässigen Weise. Auf gewissen Stellen sind sie scharf voneinander getrennt und greifen nicht ineinander über. Auf anderen Stellen greifen sie so ineinander, dass sie nicht im Gebiete eines Radialmuskels, sondern im Gebiete zweier solcher einander bedecken. Nun wird es sich zeigen, dass die experimen- tellen Befunde nicht nur die präparatorischen bestätigen, sie erweitern die Kenntnisse der Flossenmuskelninnervation auch bedeutend. Dies war ja auch zu erwarten, denn in meiner vorigen Abhandlung habe ich direkt hervorgehoben, dass die rein anatomische Untersuchung die Art und das Wesen der Anastomosen nicht enthüllen konnte. Eine Frage von grossem Interesse ist die, ob die metamere Art der Innervation der Flossenmuskeln, welche so deutlich in den präparatorischen Befunden hervortrat, auch in den experi- mentellen Befunden sich kundgibt. Um dies untersuchen zu können, habe ıch die foleende Tabelle aufgestellt. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. Öl E I: SHARE SE _ "=. ';___ 1.‘ SERSTHENRBRENERRET EBEN En on rin ee He SEE FE Erhaltene Resultate use FE Beobachtete Resultate En 110 10 210 2|0 3 | And Andat Sande 3 And, 4 | Abd, 1,2 1.9803 4| 2, 3,4, 5.6 2 527 3:44,5, (057) 3,45 55,878 13,45 6 | 4, 5, 6, 7, (8) 5,6, 7 66.78 5,6, 7 1. (6)5775°8 108,9 7189 a) SE1R(8179710 9, 10, 11 8107 21,12 |9, 10, 11 9/10, 11, 12 F12-192413 ger, a) IE 1044. 11,.127 13 13, 14, 15 10| 13, 14, 15 13, 14, 15 11 18714 15 15, 16, 17 EN 5 1607 | 15, 16, 17 12244, 15), 16, 12,18 175 18, 19 12. TRa82 19 Es 13 | (15), 16, 17, 18 19, 20, 21 13| 17, 18, 19, 20, 21 | 19, 20, 21 14 | 18, 19, 20 21, 22, 23 14 19, 20, 21 21, 22, 23 15 | Add. 23, 24, 25 15| 20, 21, 22 ! 23, 24, 25 16 Add. | 25, 26, 27 III. IV; FE Beobachtete Resultate a S3 Beobachtete Resultate een 110 1 | 210 2| Abd, 1, 2, 3 | Abd., 1 320 3| Abd,, 1, 2, 3,456), 1.23 4 \ Abd., 1, 2,3 Abd., 1 41 3.4,5,6 3,4,5 BEI 1934 1,2, 8 515,67 5,6, 7 .@ 3,4560 13,455 6 7,89,10, 1 En) I 5,6, 7 71:10, 11,12 9, 10, 11 38279710 7,89 8| 11, 1, 13 11, 12.13 9.9 10 9, 10, 11 9| 12, 13, 14 13, 14, 15 10 | 10, 11, 12 {1° 19; 13 10| 15, 16, 17 15, 16, 17 11 | 12, 18, 14 13, 14, 15 It 17018019 17, 18, 19 12°) 13, 44, 15 15,16, 17 12 18, 19, 20 19, 20, 21 13 | 15, 16, 17 1718; 19 13 | 19, 20 21, 22, 23 14,115 16.17.18 19, 20, 21 14 | Add. 23, 24, 25 15.1617, 18,219 21, 22, 23 16 | 17,18,19,20,21, Add.| 23, 24, 25 52 E. MÜLLER, v. NER => Berechnete @® Rerechnete ER Beobachtete Resultate | Reseitäte 55 Beobachtete Besultate u | | 121°0 2. | Abd. And. a 20 3 Abd. 3. Ay5r6. 1,083 3 Ah, 1, 9,3, 4 Abd., 1 A 120584 3,4,5 4|8,4,5,6,7,8 1,3233 a Sr er as, (el 55 3A 5 6/5,6, 7 7,8, 9 BMG, 7.809 OT 707089 9, 10, 11 77922100 1012 11829 821. 910,,.11 1110413 310 1 179, 10-0 Re 13.274.015 92117107 13, 14 Tıe1o0 10 | 14, 15, 16 1516 27 10| 13, 14, 15 | 13, 14, 15 EIS eIo, 17, 18,19 u al 15, 1607 124 017, 18719 19020, 21 12116, 17,218 17, 18, 19 139.19, 20x21 21, 22, 23 13:°17..18, 19 19, 20, 21 14 | Add. 23, 24, 25 14 | 18, 19, 20 21, 22, 23 | 15 | 20, Add 23, 94.95 VII. VII. a — a E53 Beobachtete Resultate | er =3 Beobaechtete Resultate | a 110 1/0 2 | Abd. Abd., 1 2.0 3 a9 23u4. 05) 1 3 And, OA Abd. 1 420345 4,5, 6 4 Abd. 1, 0,34 1,08 5|5,6,7,8 Kom 8 De 3, A05 6|6,7,8 (9) 8, 9, 10 Bu DT 6, 8 7.10, 11, 12 1, 108. 11.019 27,8 8, 9, 10 811,12 19,13, 14 889 10, 1.2 9113,14, 15 14, 15, 16 9, 10, 31 12, 13, 14 10 | 14, 15, 16, 17 16, 17, 18 10 | 12, 13 14, 15, 16 114, 15,916 18, 19, 20 mA 5, 16 16, 17, 18 19% 16,519, 18 20, 21, 22 1013216, 17.18 18, 19, 20 13 | 18, 19, 20 22,,23,94 13 16, 17, 18, 19, 20.) 20721022 14 | 19, 20, 11 24, 25, 26 au 18,19, 20 22, 23, 24 15 | Add. 26, 27, 28 15 | Add. 24, 25, 26 16 Add. 27, 23, 29 Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 53 IX. X. IT 5 h FE Beobachtete Resultate | ee | 2 Beobachtete Resultate en R7 # 53 nz 1 1 | 20 2 | 3 | Abd. Abd., 1 3| Abd. ' Abd., 1 4 | Abd. 1, 2 23 24 0122523745526 Im 23 57 012,8, 4,5 | 3,45 Sl de 3,45 6 | 45,6 So 617,89 15,6, 7 2,4(2)5,.6,097,58 89 79510511702) | ee) al Im loel 81 11,12:213 19,105 11 92 112 N12913 9714715216 115.19713 10 | 12, 13, 14 | 18, 14, 15 Ol TSMICHIZ 13, 14, 15 nt. 1, ler IE 1170165 17.218..19 115, 16..12 192 142.15,.16, (12), 12218, 19 12717. 218.219,.20 17, 18, 19 13 | 17, 18, 19, 20 19, 20721 131,197 20%&dd)) 18, 19, 20 14 | 1920521 | 21, 22, 23 14 (Add.) | 20, 21, 22 152 021, 2Add. | 23, 24, 25 Die Tabelle zeigt in der ersten Kolumne die Nummer der Spinalnerven, in der zweiten die von ihnen tatsächlich gereizten Muskeln, in der dritten Kolumne unter dem Titel: Berechnete Resultate habe ich die strenge metamere Innervation eingeführt, wie sie so deutlich bei Raja hervortritt, und die darin besteht, dass jeder Flossennerv drei Muskeln innerviert und die Drei- muskelgruppen im Gebiete der Randmuskeln sich decken. Eine Vergleichung der Ziffern dieser Kolumne lehrt nun folgendes: In den ceranialen Segmenten findet eine Übereinstimmung darin statt, dass in den meisten Fällen die Nummern der nach der Berechnung gereizten Muskeln ganz oder teilweise innerhalb der Reihe der wirklich gereizten Muskeln sich finden. Ein Unterschied besteht darin, dass die wirklich gereizten Muskeln zahlreicher sind als die berechneten. Dies Verhältnis steht aber, wie schon hervorgehoben ist, in vollem Einklang mit der en fr E. MÜLLER, anatomischen Untersuchung, indem es erklärt wird durch die nachweisbaren starken, cranialen Anastomosen. Wenn zwei Nerven mit der oben als Regel angenommenen Verästelungsweise durch eine Anastomose von der Art verbunden werden, dass ein Bündel Nervenfasern von einem Nerven nach dem anderen verläuft und dann längs dessen Ästen sich verteilt, dann entspricht das Imnervationsgebiet eines solchen Nervs fünf statt drei Muskeln. Sendet derselbe Nerv auch ein Faserbündel nach dem auf der anderen Seite belegenen Nachbarnerv, dann beherrscht er ein Gebiet von sieben Radialmuskeln. Beispiele beider Art bieten die cranialen Nerven der Brustflosse in den Berichten über die experimentelle Reizung. In der Mitte der Flosse, wo sowohl ın den beobachteten, wie in den berechneten Werten die Dreimuskelgruppen zu finden sind, herrscht hier und da eine vollständige Übereinstimmung. Ich nehme als Beispiel die Reizungen der Segmente 9, 10, 11, 12 des Versuches Il, wo die beobachteten Resultate mit den be- rechneten ganz übereinstimmen. In anderen Fällen findet man aber kleine Abweichungen, welche darin bestehen, dass eine oder zwei Ziffern stimmen, die anderen dagegen verschieden sind. Hierbei ist es zu erinnern, dass nur eine kleine Ab- weichung notwendig ist, um die ganze Reihe zu verändern. Die Hauptsache ist, dass in dem cranialen und in dem mittleren Teile der Flosse die gereizten Nerven innerhalb der metameren Gebiete belegen sind. Eine Ausnahme hiervon bildet nur das Experiment X, welches durch seme Unregelmässigkeit be- deutend von den übrigen abweicht. In dem caudalen Teile der Flosse dagegen findet man eine bestimmt wiederkehrende Nichtübereinstimmung zwischen den erhaltenen und berechneten Werten. Diese Verschieden- heit besteht darin, dass die Nerven regelmässig mehr cranial- wärts, d. h. höher belegene Segmente innervieren, als sie nach der Berechnung tun sollten. Die nähere Art dieses Verhaltens Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 55 geht nun aus den beiden Textfiguren hervor. Man sieht hier, wie die caudalen Nerven ihre motorischen Segmente verlassen haben, um sich in die mehr cranialwärts belegenen Segmente zu verteilen. Der Übergang findet durch die anatomisch nach- weisbaren starken caudalen Anastomosen statt. In diesem Punkte hat sich also die experimentelle Methode, wie zu er- warten war, der anatomischen überlegen gezeigt. Ich rekapituliere das Vorhergehende. Die funktionelle Unter- suchung hat eine Gesetzmässigkeit in der Innervation der Radial- muskeln offenbart von ganz derselben Art, wie die anatomische Präparation. Die Flossenmuskeln sind nicht metamer in der Weise, dass zwei Muskeln zu einem Segmente gehören. Jedes Flossenmetamer wird in der Regel von zwei oder drei, in Aus- nahmefällen von einem oder vier Nerven versorgt. Da nun jedes Metamer in zwei Radialmuskeln geteilt ist und die regel- mässig verlaufenden Hauptnerven in dem cranialen Rande der Flossenmetameren verlaufen, so kommt hierdurch die besonders bei Raja, doch auch bei Acanthias in der Mitte der Flosse deut- liche Anordnung zustande, dass jeder Flossennerv drei Muskeln versorgt. und diese Dreimuskelgruppen decken einander im Ge- biete eines Randmuskels. Das Verdienst, die Reizungsmethode zuerst für das Stu- dium der Innervation der Selachierflosse gebraucht zu haben, kommt Goodrich zu. Sein Untersuchungsobjekt war Raja. Es liess sich mit Gewissheit zeigen, dass die Reizung von einem Nerven aus keine allgemeine Kontraktion der Flossenmusku- latur, sondern nur eine lokale solche, entsprechend der Lage des Nerven zur Folge hatte. Da die Muskeln durch Binde- gewebe sehr fest aneinander und an das Skelett gebunden sınd, war es sehr schwierig, ganz bestimmt zu entscheiden, ob nur zwei Muskeln kontrahiert werden. Nichtdestoweniger war Goodrich überzeugt, dass dies der Fall war, und er kommt also zu dem Schluss, dass jedes Paar von Radialmuskeln von einem Nerv versorgt wird. 56 E. MÜLLER. Die Versuche von Goodrich veranlassten Braus zu einem ähnlichen Unternehmen, welches zu ganz anderen Resultaten führte. Nach der Reizung eines beliebigen Brust- oder Becken- flossennervs bei Scyllium trat stets eine Kontraktion ein, welche etwa die Hälfte der Gesamtausdehnung der Flossenmusku- latur umfasste. Bei der Reizung des sechsten Flossennervs kon- trahierten sich sechs Radialmuskeln, bei der Reizung des fünften Spinalnerven sieben Radialmuskeln. Bei Torpedo beobachtete Braus in den meisten Fällen sichere Kontraktionen bei drei nebeneinander liegenden Musculi radiales.. Bei Reizung von zwei nebeneinander liegenden Spinalnerven konnte er fest- stellen, dass ein Musculus radialis der zu jedem Nerv gehörigen Dreiergruppe beiden gemeinsam war. Nach diesen Resultaten opponiert sich Braus entschieden gegen die Befunde von Good- rich. Die haploneuren Nerventerritorien überlagern sich selbst dort, wo die Muskeln am deutlichsten geschieden sind, beträcht- lich und decken sich nach den Rändern der Flosse zu manch- mal völlig. Nach dem Erscheinen meiner Abhandlung: Über die Brust- flosse der Selachier setzte Braus seine Untersuchungen fort und veröffentlichte seine Resultate in der schon mehrmals zitierten Erwiderung gegen meine Arbeit. Er benützte nun zuerst dasselbe Objekt, welches Goodrich und ich untersucht haben, nämlich die Brustflosse von Raja. Das Resultat war dies: „‚Reizte ich nun mit den allerschwächsten, nur eben wirk- samen Strömen, so kamen stets sieben, anfänglich sogar noch ein achtes Fascicel zur Kontraktion!“ Die Innervations- sebiete laufen nicht in der Richtung der Radialmuskeln, sondern schräg über dieselben von basal und caudal nach distal und cranial. Die mittleren Muskeln werden von je drei Spinal- nerven versorgt, und die Nervenzonen überlagern sich in hohem Grade. Nach der Darstellung dieser Resultate erklärt Braus meine Befunde nach jeder Richtung „hin als völlig irrig”. 2a u ee Anatom. Hefte. I. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) 7 = Tafel 5/6. Fig. 7. Isn | Gustaf Wennman del, “ ‘ Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 57 ‘ Meine ‚so vollständig unrichtige Schilderung‘ ıst nur dadurch erklärlich, dass ich gar nicht die motorischen Nerven von Raja untersucht habe, sondern ganz andere Nerven. — Braus unter- suchte weiter Acanthias vulgaris. Er reizte den Brustflossen- nerv des 10. und 11. Spinalnervs als Repräsentanten für die erossen, in der Mitte verlaufenden Flossennerven dieses Tieres. Er reizte diese Nerven ‚„dutzende Male“ und fand jedesmal mit Sicherheit, dass Nerv 10 neun Radialmuskeln und dass Nerv 11 mehr als neun Radialmuskeln versorgt. Schliesslich hat Goodrich eine neue Untersuchung mit- geteilt. Sie richtet sich gegen die erste von den Brausschen Arbeiten. Die letzte Schrift von Braus. welche die Erwide- rung gegen mich enthält, war sicher Goodrich nicht bekannt, da seine letzte Arbeit den 30. Januar 1910 datiert ist. Good- rich hat neue Versuche angestellt und korrigiert nun seine früheren Angaben. Er gibt Braus recht darin, dass die strenge Metamerie verloren gegangen ist. Doch hebt er hervor, dass seine Reizungsresultate nicht mit denjenigen von Braus stimmen, und er kann darum nicht die Brausschen Ansichten acceptieren. Er arbeitete mit Raja. Er fand hier regelmässig, dass drei ventralen und drei dorsalen Radialmuskeln angehören. Sehr oft fand er, dass die zwei Randmuskeln schwächer als der mittlere auf die Reizung antworten. Er gibt ein Schema über die Radialmuskeln, wo man die Dreimuskelgruppen und ihre Be- ziehung sehr deutlich sieht. Jeder zweite Muskel wird einfach und wieder jede zweite doppelt innerviert, d. h. die Dreimuskel- gruppen bedecken sich mit den Randmuskeln. Die Resultate von Braus mit ihrer unregelmässigen Verteilung der Nerven werden direkt bestritten. Der Verfasser schliesst seine Mit- teilung auf folgende Weise: ‚Since the above statement was written, I have read Müllers paper (Die Brustflosse der Se- lachier, Anat. Hefte 1909) and find that my experiments ex- actly agree with the results of his anatomical researches. 58 E. MÜLLER, Wenn ich nun die Resultate meiner Untersuchungen mit den oben referierten vergleiche, dann finde ich eine vollstän- dige Übereinstimmung mit den letzten von Goodrich. Meine Versuche sind im Sommer 1909 ausgeführt. Die Untersuchungen von Goodrich und mir sind also ganz unabhängig voneinander vorgenommen und haben zu ganz denselben Resultaten geführt. Ich betrachte also die Gesetzmässigkeit in der Anordnung, dem Verlauf und der Verteilung der Brustflossennerven der Selachier, die ich zuerst auf anatomischem Wege sefunden habe und die darin besteht, dass jeder zweite Muskel einen ganzen Flossen- nerv und wieder jeder zweite einen durch Anastomosen von zwei Flossennerven gebildeten N. intermittens einschliesst, als völlig bestätiet. Die Untersuchungen von Braus über die Innervation der Flossenmuskeln kann ich nicht besser charakterisieren als durch den von ihm selbst stammenden Ausspruch. Die Resultate seiner letzten Schrift haben sich ‚nach jeder Richtung hin als völlig irrig‘“ erwiesen. Es ist nicht nur so, dass Braus sowohl in seinen anatomischen wie in seinen experimentellen Unter- suchungen die Gesetzmässigkeit der Innervation nicht be- obachtet hat. Er hat positive irrtümliche Beobachtungen auf- gestellt und energisch verteidigt. In seiner ersten Untersuchung, welche vor Kenntnisnahme meiner Arbeit ausgeführt wurde, hat Braus eine richtige Beobach- tung gemacht. Bei Reizung der Nerven der Torpedo-Flosse hat er die Dreimuskelgruppen und ihre gegenseitigen Beziehungen richtig gesehen und beschrieben. Nun geht er nach dem Er- scheinen meiner Arbeit zu Raja über. Hier findet er etwas ganz anderes. Mindestens sieben Muskeln kontrahieren sich hier nach der Reizung eines Spinalnerven, und die motorischen Innervationsfelder laufen nicht in der Richtung der Muskeln, sondern schräg über diese. Nun kenne ich kein Objekt, wo die Reizung so leicht auszuführen ist, wie bei Raja, auch keines, .- en Fr Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 59 wo die Resultate so deutlich und einwandfrei sind. Wie Good- rich sah ich immer oder mit wenigen Ausnahmen drei Muskeln sich zusammenziehen, wobei die nacheinander folgenden Muskel- felder immer im Gebiete eines Muskels einander decken. In dem vierten Zusatze seiner Erwiderung S. 463 erklärt Braus dagegen, dass die früheren Resultate bei Torpedo fehler- haft waren und der Fehler auf der Anwendung von etwas zu starken Strömen beruhte. Bei Rochen sollen die Nerven gegen stärkere Ströme sehr empfindlich sein: „in dem Sinne, dass die Erreebarkeit oft schon durch die erste Reizung stark herabgesetzt wird und dass weitere Reize kein richtiges Bild mehr ergeben“. Auf die Reizung mit starken Strömen bei Torpedo sollen an- fangs mehrere Fascikel, später nur drei zucken. Bei minimalen Reizen erhält man dagegen die richtigen Zuckungen von meh- reren Muskeln. Die Erklärung dieser sonderbaren Verhältnisse scheint nun für Braus darin zu liegen, dass solche „brutalen Reize‘ wie die stärkeren Ströme oder mechanische Reize von dem Durchschneiden der Nerven an dem Rückenmarke die feineren, peripheren Nervenäste so schädigen und zerstören, dass der Reiz in ihnen gar nicht bis zu den Muskeln fortgeleitet wird. So weit Braus in der Erklärung der verschiedenen Resul- tate seiner Versuche. Eine mechanische Reizung der Nerven an dem Rückenmarke, z. B. eine Durchschneidung sollte seine deletäre Wirkung nicht an der Stelle seiner Applizierung aus- üben, sondern er sollte durch den grössten proximalen Teil der Leitungsbahnen passieren, ohne Schaden anzurichten, erst in dem distalen Teile sollte der ‚brutale‘ Reiz wirken und die feinsten Nervenäste zerstören. Ich fürchte, dass die Physio- logen zu dieser neuen Entdeckung eines Morphologen den Kopf schütteln werden. Es verhält sich ja so, dass gerade das Gegenteil von den Behauptungen von Braus das Richtige ist. Ich erinnere an das Gesetz von A. Fick (15): „Die Muskelarbeit ist Funktion der 60 E. MÜLLER, Stärke eines während einer bestimmten kurzen Zeit den Nerven durchfliessenden elektrischen Stromes. Diese Funktion hat den Wert Null für alle Werte der Stromstärke, welche unter einer gewissen endlichen messbaren Grenze liegen. Wächst die Strom- stärke über diese Grenze hinaus, so wächst der Wert der Funk- tion von Null an continuierlich und proportional dem Wachs- tum der Stromstärke. Überschreitet die Stromstärke einen ge- wissen Wert, so hört das Wachstum der Muskelarbeit plötzlich discontinuierlich auf, und sie behält für jeden grösseren Wert der Stromstärke den in proportionalem Wachsen erreichten Maximal- wert.“ Auf dem hier m Frage stehenden Gebiete, verhält es sich so, dass man mit schwächeren Strömen schwächere, weniger ausgebreitete Zuckungen erhält. Mit der Vermehrung der Strom- stärke vermehrt sich auch die Stärke und ın gewissen Fällen die Ausbreitung der Zuckung. Nachdem das Maximum erreicht ist, bleibt die Wirkung im Falle von genügender Isolierung konstant auch bei grösserer Verstärkung der Reize. So lauten meine Erfahrungen. Es besteht also auch in der Methodik ein fundamentaler Unterschied zwischen Braus und mir. Die Ent- scheidung, wer recht hat, überlasse ich dem Sachkundigen. Die Entwickelung der Muskeln und Nerven in der Brustflosse von Acanthias vulgaris. Historik. Die Geschichte des vorliegenden Themas ist sicher jedem Leser dieser Zeilen bekannt. Trotzdem wird es notwendig, an die Hauptzüge derselben zu erinnern. Nachdem Balfour (1) 1878 eine wichtige, aber kurze und Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 61 unvollständige Mitteilung gemacht hatte, dass die Flossenmus- keln der Selachier als Auswüchse von ‚the muscle-plates ent- stehen, lieferte Dohrn (13) 1884 die erste vollständigere Schil- derung der betreffenden Verhältnisse. Er entdeckte also, dass jedes Myotom, das in nächster Nähe der Brustflosse gelegen ist, zwei Fortsätze in Form von Säckchen oder Knospen in die Flossenleiste einschiebt, welche später, nachdem sie von der kugeligen Gestalt in eine verlängerte übergegangen sind, von den zugehörigen Myotomen sich abschnüren. Dann teilt sich jede Knospe in eine ventrale und dorsale secundäre Knospe, wodurch also jedes Myotom vier getrennte Muskelmassen pro- duziert. Da also Dohrn diese erste grundlegende Schilderung gemacht hat, ist es vom historischen Gesichtspunkte vollständig berechtist, von den Dohrnschen Muskelknospen zu sprechen. Die Zahl der Myotome, welche an der Bildung der Brustflossen- muskulatur sich beteiligten, konnte er nicht bestimmen. Eben- so viele Nerven, als Myotome an der Herstellung der Flossen- muskulatur sich beteilisten, drangen in die Flosse hinein, wobei die wichtige Beobachtung gemacht wurde, dass die vordersten Spinalnerven schräg von vorne nach hinten, die hinteren um- gekehrt von hinten nach vorne verlaufen, aus der dann ganz richtig geschlossen wurde, dass die Flosse ein konzentriertes Ge- bilde ist. Die Flossenanlagen zeigen also eine deutliche segmen- tale Struktur und die Flossenelemente, welche jedem Rumpf- metamer entsprechen, bestehen aus je zwei dorsalen und zwei ventralen Muskelbündeln, zwei Knorpelstrahlen und einem zu- gehörigen Spinalnervenast. In seiner Theorie des Mesoderms lieferte ©. Rabl 1392 eine eingehende Darstellung der Muskelentwickelung der Selachier- flosse. Es werden hier zum ersten Male genaue und bestimmte Angaben über die Zahl der Myotomknospen gemacht. Weiter werden die verschiedenen Formen, welche die Knospen während der Abschnürungen als Platten, Ringe und Sichel zeigen, genau 62 E. MÜLLER, beschrieben. — Nach der Einteilung in ventrale und dorsale Knospen wachsen sie in lange, dünne Stränge aus, welche an- fangs parallel miteinander verlaufen, dann aber im Zusammen- hange mit der Abschnürung der Flossenbasis von dem Rumpf so verändert werden, dass sie an ihren basalen Enden noch näher aneinander treten, während sie gegen den freien Rand der Flosse divergieren. Auf diese Weise bilden die ventralen und dorsalen Knospen zwei Fächern !). Dann verfolgt Rabl die Entwicke- lung der Knospen, bis die Epithelzellen in Muskelfasern um- gewandelt sind, wobei beobachtet wurde, dass die freien birn- förmigen Anschwellungen, welche die strangförmigen Muskel- knospen an ihren freien Enden zeigen, am längsten ihren epi- thelialen Charakter bewahren. — Über die Nerven wird mit- geteilt, dass sie Fortsetzungen ebenso vieler Spinalnerven bilden, als sich Urwirbel an der Muskelbildung beteiligen. ‚Sie treten zwischen zwei Myotomen in die Flosse ein, verlaufen dann eine Strecke weit ungeteilt nach aussen, um sich schliesslich in je einen Ast für die Streckknospen und einen für die Beugeknospen zu spalten. Es sind also anfangs nur halb soviel Nerven als Knospen vorhanden; später sieht man in der Nachbarschaft jeder Knospe einen Nerv, und es muss sich also jeder Streck- und Beugemuskel abermals geteilt haben.“ Bald nach der Arbeit von Rabl erschien die vorzügliche Arbeit von Mollier (34) über die Entwickelung der Selachier- flosse. Die Abschnürung der Knospen und weitere Ausbildung wird hier auch sehr genau verfolet. Die Myotome bestehen zur Zeit der Knospenbildung, welche bei Torpedo im Stadium von s0 zellen, welche eine deutliche Somitenhöhle umschliessen. Die 85 Urwirbeln anfängt, aus dicht gefüsten hohen Cylinder- !) Bei der Ausarbeitung meiner ersten Abhandlung hatte ich diese An- gabe von Rabl übersehen. Es erscheint mir nämlich sehr wahrscheinlich, dass die von mir beschriebene fächerartige Anordnung der Skelettstrahlen hiermit zusammenhängt. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 63 primären Knospen, welche denselben Bau zeigen, haben die Form einer in proximo-distaler Richtung zu einer flachen Scheibe kom- primierten Kugel. Die Knospen wachsen in die Flossenanlage hinein, teils aktiv, teils dadurch, dass die Seitenleiste sich ın dorsaler Richtung ausdehnt, wodurch ein früher ausserhalb der Seitenleiste liegender Teil des Rumpfes nachträglich in dieselbe hineingezogen wird. Gleichzeitig hiermit erfolgt die Teilung ın die Sekundärknospen. Darauf folgt wie bei Rabl eine genaue detaillierte Beschreibung des Durchschnürungsprozesses der Knospen, welche, lateralwärts sich vorschiebend, zu langen soliden Zellzapfen auswachsen. — Wie ich schon in meiner vor- hergehenden Abhandlung mitgeteilt habe, liefert Mollier einige kurze, aber wichtige neue Angaben über die Nerven. Diese ver- laufen zuerst medialwärts von den Myotomen, dann ‚über deren proximale Ränder nach den proximalen Primärknospen. Mit der Teilung dieser letzteren folgt auch die Teilung der Nerven in ventrale und dorsale Äste. Beginnen die sekundären Muskel- knospen lateral auszuwachsen, so machen die Nerven dieses Wachstum mit und bleiben stets mit den lateralen Knospen- enden im Zusammenhang. Die Innervation der distalen Knospen lässt Mollier unentschieden. Nachdem alle Muskelknospen von den Ursegmenten ab- geworfen sind, fängt der wichtige, von Mollier zuerst entdeckte Vorgang an, nämlich die Anastomosenbildung zwischen den Muskelknospen. Er beschreibt dies folgendermassen: ‚Ein neuer Befund kommt in diesem Stadium zum erstenmal an den Muskel- knospen zur Beobachtung. Mit fortschreitendem Wachstum und zunehmendem (@uerdurchmesser gehen dieselben nämlich an ihren basalen Enden breite Anastomosen ein, wie sie von zwei nebeneinander liegenden Knospen bei starker Vergrösserung auf Fig. 15 gezeichnet wurden. Hatten wir bisher die Berechtigung, jede Knospe auch nach ihrer Abschnürung von den Somiten, vermittelst der Spinalnerven als Derivat eines bestimmten Ur- 64 E. MÜLLER, wirbels anzusehen und für jede die Innervation durch einen einzigen, serial bestimmbaren Spinalnerven anzusehen, so hört von diesem Zeitpunkt an dieses Verhältnis auf, und wir können nur von der Gesamtheit der Muskulatur der Flosse, als aus einer bestimmten Anzahl von Urwirbeln hervorgegangen, sprechen, und andererseits ist von nun an jede Knospe nicht mehr aus- schliesslich von einem einzigen Spinalnerven abhängig, haplo- neur im Sinne Fürbringers, sondern polyneur.“ Schliesslich gibt Mollier eine ansprechende, scharfsinnige Erklärung der Konzentrationserscheinung der Flosse. WieDohrn findet er zuerst im Stadium der Primärknospen die Nerven alle fast rein lateral und unter sich parallel zur Flosse verlaufend. In einem folgenden Stadium, wo die Knospen in sekundäre zer- fallen sind, laufen die cranialen stark konvergierend von vorne nach hinten ın die Flosse hinein, während umgekehrt die cau- dalen einen Verlauf von hinten nach vorne nehmen. Unter Zurückweisung der von Dohrn gegebenen Erklärung erklärt nun Mollier den Vorgang aus zwei gleichzeitig wirkenden Momenten, nämlich teils dem Auswachsen der Flosse lateral- wärts, teils dem Längenwachstum des Rumpfes. Die Flossen- basis steht still, während die Rumpfsegmente und die dazu gehörenden Nerven vor allem cranialwärts, em wenig caudal- wärts verschoben werden. Als eine Folge dieses ungleichen Wachstums in der relativ eingeengten Flossenbasis kommen die Muskeln, Nerven und Gefässe einander näher und bilden unter sich bereits Anastomosen. Durch die oben genannten Arbeiten schienen wohl die Ent- wickelungsvorgänge der Flossenmuskeln vollständig geklärt zu sein. Durch die genauen Untersuchungen von Rabl und Mollier war dargelegt, dass jedes Myotom vier kleine Sprossen bildete, welche zu ebenso vielen lang ausgezogenen Muskelbündeln der reifen Flosse auswuchsen. In der grossen Arbeit von Braus (8) (1889) finde ich keine neuen Befunde über die Muskeln und Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brusttlosse ete. 65 Nerven der Selachierflosse. Dagegen wird die Molliersche Ent- deckung der Knospenanastomosen zu weitgehenden theoreti- schen Deduktionen verwertet. Nach Braus bilden die Ana- stomosen zellige Verbindungsstreifen, „in welchen das Zellen- material der bis dahin getrennten Knospen hinüber und herüber wandert‘!). Die Knospen sollen hierdurch als ‚‚meta- mere Gebilde‘ zugrunde gehen und anderen Strukturen Platz machen, die Braus Mm. radiales genannt hat, welche ‚„Ab- kömmlinge zweier oder mehrerer Somiten‘ in sich bergen. Ur- sprünglich teilt sich — ich betone den Gegensatz im Ver- hältnis zu den Angaben von Mollier — jeder Nerv in zwei Äste für die zwei zu ihm gehörenden Knospen. Mit der Ana- stomosenbildung ändern sich die Verhältnisse. Die Nerven- gebiete überkreuzen sich, und ‚es entsteht ein ausserordentlich dichtes Gewirr von Nervenfasern, welches sich immer mehr ver- filzt, je stärker die Überkreuzungen der Nervenfädchen sich ausbilden‘. Ich habe schon in meiner Brustflossen-Abhandlung zu diesen Angaben von Braus Stellung genommen und werde meine Ansicht hierüber später ausführlich äussern. Ein entschiedenes Verdienst der Untersuchung von Braus ist das, dass er viel genauer als seine Vorgänger die seriale Natur der Flossennerven und im Zusammenhang hiermit die Lage der Flosse im Verhältnis zu den Rumpfmyotomen berücksichtigt. Auf Grund der Resultate dieser Untersuchungen glaubt er be- rechtist zu sein, schliessen zu dürfen, dass im Zusammenhang mit der vorher erwähnten Konzentration eine cranialwärts ge- richtete Wanderung der Brustflosse während der Ontogenie statt- findet, welche im Zusammenhang mit bedeutenden Umlagerungen des Muskelmaterials im Verhältnis zu den Nerven steht. Ich werde nach dem Berichte meiner eigenen Untersuchungen auf diese Ergebnisse zurückkommen. 1) Kurs von Braus. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) b) 66 E. MÜLLER, Zu wesentlich anderen Resultaten über die Entwickelung der Flossenmuskeln als Braus haben die neueren ontogeneti- schen Untersuchungen von Goodrich und Osburn geführt. Mit grosser Schärfe hebt Goodrich (20) in Übereinstimmung mit Rabl und Mollier hervor, dass jeder ausgewachsene Radial- muskel aus einer einfachen embryonalen Knospe sich entwickelt und dass niemals bewiesen ist, dass muskelbildende Substanz von der einen Knospe nach der anderen übergeführt wird. Be- achtenswert ist die Angabe von Goodrich, dass in jedem Ende der Flossenanlage von Scyllium, besonders nach der cranialen Seite hin, eine undeutlich segmentierte Masse aus Muskelfasern anzutreffen ist, welche wahrscheinlich von mehreren Knospen stammen. Die Mollierschen Anastomosen findet er zwischen den Basen der Knospen sowohl in den paarigen wie den unpaaren Flossenanlagen von Seyllium canicula. Sie sind am meisten entwickelt bei Embryonen von ungefähr 285 mm Länge. In den frühen Entwickelungsstadien sind sie nicht zu finden. Auf der anderen Seite, wenn die Radialmuskeln histologisch differen- ziert sind, können die Anastomosen nicht deutlich beobachtet werden. Bei älteren Embryonen erscheinen die Radialmuskeln so genau voneinander getrennt wie in den jüngsten Stadien. Aus diesem Grunde schliesst Goodrich, dass die Mollierschen Anastomosen wahrscheinlich die Anlage für den Nervenplexus bilden. Zu der von der Gesenbaurschen Schule postulierten Wanderung der Flosse während der Ontogenie stellt sich Good- rich ablehnend. Alle Flossen bleiben während der Entwicke- lung ungefähr in derselben Stellung. Die Veränderungen der Flossen bestehen in einer Konzentration im Sinne von Mollier, d.h. dass der Körper stärker als die Flosse in der Länge wächst. Gestützt auf ein sehr wertvolles Selachiermaterial hat schliesslich Raymond €. Osburn (38, 39) in zwei wertvollen Abhandlungen alle die embryologischen Facta zusammengestellt, welche über alle Zweifel beweisen, dass die Flosse historisch Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 67 ein Auswuchs von der Rumpfwand ist und gar nichts mit der Kiemenregion zu tun hat. Er behandelt dabei auch die Mollier- schen Anastomosen, welche in den Flossenanlagen von Cestracion in ihrem Hervortreten sehr unregelmässig und variierend sind. Er kann weder die Ansicht von Braus, dass die Anastomosen Brücken für die Überwanderung fremder Zellen bilden, noch diejenige von Goodrich billigen, dass sie den Boden für den Nervenplexus bildet. Er betrachtet sie als Zufälligkeiten in der Entwickelung, ‚to represent accidental points of contact of neighbering muscle-buds, ohne weitere Bedeutung entstanden durch „the juxtaposition of similar cells“. Aus dem mitgeteilten Referate geht deutlich hervor, dass die Frage über die Entstehung der Flossenmuskeln noch nicht abgeschlossen ist. Freilich kann nach den neuesten Unter- suchungen von Goodrich und Osburn nicht der geringste Zweifel darüber obwalten, dass nicht die Muskeln direkt ohne grössere Veränderungen aus den Muskelknospen hervorgehen, wie die älteren Untersuchungen von Dohrn, Rabl und Mollier zeigen. In zwei und zwar sehr wichtigen Punkten befinden wir uns doch noch in Unkenntnis, nämlich 1. über die Bedeu- tung der Mollierschen Anastomosen, 2. über die Entstehung der Innervation der Flossenmuskeln. Betreffend Punkt 1 habe ich im vorhergehenden die verschiedenen Ansichten dargelegt. Viele Fragen drängen sich beim Nachdenken über diese Ana- stomosen auf. Wie entstehen sie und wie gestalten sich ihre ferneren Schicksale? Die letztere Frage ist nicht genügend be- antwortet und die erste kaum aufgestellt. Den Punkt 2 betreffend, so hängt die Entstehung der Innervation der Flossenmuskeln genau mit den Fragen über die Entstehung der Flossennerven speziell und des Nervensystems im allgemeinen zusammen. Die erste von diesen Fragen ist sehr wenig bearbeitet. Die kurzen, aber, wie es sich zeigen wird, sehr wichtigen, in dem Vorher- gehenden referierten Angaben von Mollier bilden die einzige 5* 68 E. MÜLLER, Grundlage, auf der weiter zu bauen ist. Die allgemeine Frage, betreffend die Nervenentwickelung, ist freilich in der letzten Zeit, besonders durch die Arbeit von Held, ihrer Lösung näher ge- bracht. Doch liegen die Verhältnisse nicht so, dass man von der Kenntnis der Nervenentwickelung im allgemeinen auf das Entstehen derselben in einem speziellen Falle schliessen kann. Um womöglich zu einer Lösung der oben genannten, schwe- benden Fragen zu kommen, habe ich eine Untersuchung über die Entwickelung der Flossenmuskeln und Nerven bei Acanthias vulgaris angestellt. Die Lösung der Aufgabe suchte ich auf zwei Wegen zu erreichen. Teils wollte ich durch Rekonstruk- tion eine möglichst genaue Darstellung über die Entwickelung der Muskeln und Nerven der Flosse geben, teils war ich be- strebt, durch unsere besten histologischen Methoden die feineren histologischen Verhältnisse klarzulegen. Darum gliedert sich die folgende Darstellung in zwei Teile: eine morphogenetische und eine histogenetische. Morphogenie der Flossen-Muskeln und -Nerven. Beschreibung der einzelnen Stadien. 13 dargestellten Modelle vieles schon Bekannte zeigen, teile ich doch meine Untersuchungs- Trotzdem dass die in den Figg. 1 protokolle hier mit. Embryo von 16—18 mm Länge (Fig. 1). Die Rekonstruktion zeigt das Rückenmark und die davon ab- gehenden Nerven nebst den abgeschnittenen Stücken der dazu ge- hörenden Myotome, die Extremitätenknospen und das Eetoderm im Gebiete der Flosse wie auch etwas eranialwärts davon. Eine Spur von einer eranio-vertebralen Grenze ist hier nicht ebensowenig wie in den nächsten Stadien zu sehen. Ich benenne darum die Nerven nur mit der Nummer nach dem Vagus. Die drei ersten nach dem Vagus fol- genden Nerven haben nur eine ventrale Wurzel. Der erste nach dem Vagus folgende Nerv ist schwach, hat einen stark caudalwärts gerich- teten Verlauf und endigt bald in seinem Myotome. Cranialwärts von Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 69 diesem finde ich noch ein Myotom ohne Nerv. Die vier folgenden Segmente (Myotom und Nerv) ziehen dagegen nach vorne und: lassen sich ventral von der Flossenanlage in der Rumpfwand verfolgen. Der zweite und dritte Nerv verlaufen auf dem Frontalschnitte oben in der Ecke zwischen dem Eetoderm und Cölomepithel cranialwärts von dem Ductus Cuvieri. Lateralwärts von diesem verläuft der vierte Nerv, caudalwürts der fünfte. In der Flossenanlage, welche in der Rekon- struktion dargestellt ist, liefert das zu dem sechsten Nerven gehörende Myotom die ersten Knospen. Dasselbe entsendet zwei allerdings nahe zu- sammenliegende und teilweise zusammergeschmolzene Knospen. Auf der anderen Seite ist es aber das cranialwärts höher belegene, also das fünfte nach dem Vagus folgende, mit Nerv versehene Myotom, welches die erste Knospe liefert. Diese ist hier ungeteil. So auch bei einem Embryo von 18 mm, wo die Verhältnisse sonst mit dem vorigen übereinstimmen. Hier liefert der fünfte nach dem Vagus fol- gende, mit Nerv versehene Somit die ersten Myotomknospen. Rechts ist nur eine vorhanden. Sie ist von dem Muttersomit abgeschnürt und dicht an den cranialen Rand des folgenden gedrängt. Auf der linken Seite scheint derselbe Somit zwei Knospen produziert zu haben, von denen jedoch die craniale sehr rudimentär ist und dicht an die caudale Knospe gefügt ist, welche letztere ganz wie auf der anderen Seite sich verhält. So viel von den ersten Myotomknospen. Nun folgen beim Embryo von 16 mm links fünf Myotome, von welchen jedes mit zwei schönen, birnenförmigen, gestielten Knospen versehen ist. Rechts folgen sechs solche. Bei dem Embryo von 18 mm senden sieben nach dem ersten schon beschriebenen folgende Myotome Knospen in die Flosse hinein. — Von den zu den Myotomen gehörenden Spinal- nerven zweigen sich schon die bleibenden Flossennerven ab. Sie ver- laufen von den Spinalnerven (die Fortsetzungen dieser sind in der Rekonstruktion nicht dargestellt) eranialwärts von den Myotomen und sind, wenn man von dem ersten absieht, bis zu der cranialen Knospe zu verfolgen. Diese Befunde stimmen ganz mit denjenigen von Mollier überein. Embryo von 19—20 mm Länge (Figg. 2 und 3). Die erste Rekonstruktion dieses Stadiums (Fig. 2) zeigt die sechs ersten, nach dem Vagus folgenden Nerven im Verhältnis zu den grossen Venen. Es sind wie bei dem vorigen Stadium die drei ersten Nerven ohne Ganglien nur durch eine ventrale Wurzel repräsentiert. Erst der vierte hat ein Ganglion und eine dorsale Wurzel. Die zweite Re- konstruktion zeigt die abgeschnürten Knospen nebst den Flossennerven und das Ectoderm der Flossenleiste. Die Knospenreihe fängt mit einer Einzelknospe an. Sie muss zu dem fünften nach dem Vagus folgenden Somiten gehören. Sie liegt freilich nun weit von diesem entfernt, und ich finde keinen Nerv zu ihm. Sie stimmt aber in allem mit den 70 E. MÜLLER, entsprechenden Knospen vom ‚vorhergehenden Stadium überein. Nun kommen in regelmässiger Folge neun Paare von Primärknospen, die zu den 6—14 nach dem Vagus folgenden Nerven gehören. Die Reihe wird mit einer zu dem 15. Segmente gehörenden Einzelknospe abge- schlossen. Die erste Einzelknospe entbehrt, wie schon gesagt, eines Nervs. Zu jeder eranialen Knospe von den zwei übrigen zu jedem Seg- mente gehörenden Knospen verläuft ein sehr deutlicher von dem zu- gehörigen Spinalnerv abgehender Nerv. Bei den caudalen Knospen an jedem Knospenpaare fehlen dagegen auch die feinsten von diesen abgehenden Nerven. Die Knospen haben die Form von dünnen, in der Fläche ausgebreiteten Scheiben und sind hier und da in der Mitte durchbrochen. In den lateralen Teilen sind sie ein wenig aufgetrieben. Beachtenswert ist die Richtung der Knospen. In der caudalen Hälfte verlaufen sie hauptsächlich in querer Richtung von innen nach aussen. Je mehr cranialwärts, desto schräger ver- laufen sie von oben innen nach aussen unten. Die fünf cranialen Knospen lagern sich dicht aneinander und sind durch grobe Anasto- mosen miteinander verbunden. Embryo von 23—25 mm Länge (Fig. 4). Der erste Flossennerv ist der sechste nach dem Vagus folgende Nerv. Er ist schwächer als der folgende, legt sich diesem an und ist bis an die erste Knospe verfolgbar. Diese verhält sich bei den unter- suchten Exemplaren etwas verschieden. Ventralwärts in dem der Re- konstruktion (Fig. 4) zugrunde liegenden Exemplare ist sie noch ungeteilt. Dorsalwärts sieht man einen Anfang zur Teilung, indem der proximale einheitliche Teil der Knospe sich in zwei gerundeten Auswüchsen fortsetzt. In einem anderen Embryo von 23 mm Länge ist dieser Vorgang noch deutlicher. In der Flossenanlage liegen nun Knospen von 12 Myotomen. Der für die Konzentration charakteri- stische Verlauf der cranialen und caudalen Nerven resp. Knospen tritt gut hervor. Aus der Rekonstruktion sieht man weiter, dass die Teilung der Sekundärknospen in dem grössten Teile der Flosse erfolgt ist. Im Gebiete der zwei ersten Primärknospen ist die Teilung unvoll- ständig, ebenso in den vier caudalen Knospen. Im Zusammenhang mit der Teilung der Primärknospen in sekundäre ist auch die Teilung der Flossennerven in ventrale und dorsale Äste geschehen. Die daraus resultierenden Nervengabeln sind sehr deutlich und bilden eine charak- teristische Reihe in der Basis der Flosse. Die Knospen bilden nun lange, schöne, keulenförmige, direkt unter dem Eetoderm verlaufende Stränge. Mit Ausnahme von dem zweiten ventralen Pterygialnerven, welcher sich in zwei gleich starke Äste für die dazu gehörenden Knospen teilt, verläuft jeder Nerv nach der cranialen von den zwei Knospen, welche zu ihm gehören. Die Nerven sind weiter längs der Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 71 tiefen Flächen der ungeraden Knospen bis zu deren distalen Enden verfolebar. Embryo von 26—27 mm Länge (Figg. 5—8). Die Rekonstruktion in Fig. 8 zeigt den Plexus cervikalis von der medialen Seite gesehen. Man sieht die Medulla spinalis und oblongata, aber keine scharfe Grenze zwischen ihnen, ebensowenig wie eine cranio-vertebrale Grenze im allgemeinen vorhanden ist. An der Seite der Medulla sieht man das Skelett, lateralwärts davon die Nerven, hinter ihnen die Myotome, lateralwärts von ihnen den Vagus. In dem unteren Teile der Rekonstruktion sieht man die Vereinigung der beiden Hauptvenen zu dem Ductus Cuvieri. Die craniale von den beiden Venen liegt nun lateralwärts von dem N. Vagus, während sie in der Rekonstruktion des Stadiums 19 mm medialwärts davon belegen war. Man sieht ganz oben in der Myotomreihe ein Myotom ohne Nerv (Fig. 8). Die zwei ersten Nerven haben, wie aus der Fig. 7 her- vorgeht, welche dieselbe Rekonstruktion von der lateralen Seite zeigt, keine Ganglien. Erst der dritte Nerv besitzt dorsale Wurzeln und Ganglien. Weiter geht aus der Rekonstruktion deutlich hervor, dass alle die mit ventralen und dorsalen Wurzeln entspringenden Nerven in einer ziemlich genauen vertikalen Linie entspringen, während die zwei cranialen Nerven in einer ventralwärts aufsteigenden Linie ent- springen. Wenn man die beiden Rekonstruktionen miteinander ver- gleicht, dann findet man, dass der erste eraniale Nerv des Stadiums 19 mm im Stadium 27 mm verschwunden ist. So ist es wenigstens bei dem Exemplar, welches in der Rekonstruktion dargestellt ist. Bei zwei anderen Embryonen von 26 resp. 27 mm Länge finde ich drei Nerven ohne Ganglien, also denselben Zustand, wie in den vorher be- schriebenen Stadien. Bei zwei Embryonen ist es der sechste nach dem Vagus folgende Nerv, bei dem dritten ist es der fünfte nach dem Vagus folgende Nerv, welcher als erster in die Flosse hineintritt. Für ein Studium der Verhältnisse der Flossennerven und -muskeln dienen die beiden Rekonstruktionen, welche in den Figg. 5—6 dargestellt sind. Die Fig. 5 zeigt die Nerven und Muskeln von vorne und medialwärts. Die Fig. 6 ist direkt von der dorsalen Seite gesehen. Der erste Flossennerv legt sich intim dem nächsten an. Der so gebildete Stamm teilt sich in einen dorsalen und einen ventralen Nerv. Jener teilt sich in Äste für vier Knospen, von welchen die beiden eranialen sehr verwischt und zusammengeflossen, doch in gewissen Schnitten bestimmt voneinander zu trennen sind. Der dorsale Nerv des dritten Flossennerven legt sich dicht an den eranialen, eben be- schriebenen Stamm, lässt sich aber doch sehr gut von ihm unter- scheiden. Der ventrale Ast desselben Nerven verläuft in einer kurzen Entfernung von dem cranialen Stamm. Alle drei ceraniale Nerven 72 E. MÜLLER, ziehen durch das mesenchymatische Skelett und dokumentieren sich also schon als diazonale Nerven. Besondere Aufmerksamkeit erregt das erste ventrale Myotom. Es hat mächtig proliferiert und bildet eine dreieckige, mit der Spitze eranialwärts gerichtete Platte. Das ent- sprechende dorsale Myotom ist dagegen wenig entwickelt. Während also früher die ventralen und dorsalen Muskelanlagen ganz symmetrisch und ähnlich waren, beginnt jetzt ein Unterschied sich bemerkbar zu machen. Im Zusammenhang mit der starken Entfaltung des ersten Myotoms hat cranialwärts eine kleine Verschiebung des ganzen ventralen Muskels stattgefunden. Dies gibt sich darin kund, dass die ventralen und dorsalen Nerven nicht auf derselben Höhe gelegen sind, sondern dass die ventralen Nerven in der Höhe eines oder zwei mehr cranial- wärts gelegener dorsaler Muskeln sich befinden. Die Flosse hat 12 Nerven. Die Knospen des letzten sind rudi- mentär und zusammengeflossen. Die Flossennerven sind nun mächtig entwickelt. Sie folgen regel- mässig nacheinander und liegen dicht an der tiefen Fläche der cranialen von den beiden Myotomknospen, zu denen sie gehören, d. h. sie folgen im allgemeinen wie bei den vorigen Embryonen den ungeraden Muskeln. Näher ausgeführt verhalten sich die Nerven in folgender Weise. Auf der ven- tralen Seite: Der Stamm der beiden ersten verbundenen Nerven sendet zwei Nerven zu der ersten Knospe, einen Astnach der zweiten Knospe, dann einen starken Ast längs der tiefen Fläche der dritten Knospe. Weiter ver- bindet er sich durch eine Anastomose mit dem Ill. Flossennerven. Dieser folgt der tiefen Fläche der fünften Knospe. Der IV. V. VI. und VII. Nerv folgt der resp. 7., 9, 11. und 13. Knospe. Der VIII. Nerv teilt sich in ungefähr gleichstarke Äste für die 14. und 15. Knospe. Der IX. Nerv verteilt sich in Äste für mindestens fünf Knospen (15—18). Der X, XI und XI. Nerv verbinden sich durch Anastomosen miteinander. Ihre Äste lassen sich nicht verfolgen, um so weniger als die letzten Knospen zu einem unregelmässigen Netz- werk miteinander zusammengeschmolzen sind. Auf der dorsalen Seite: Der Stamm der zwei verbundenen dia- zonalen Nerven spaltet sich in zwei Äste. Der craniale von diesen folgt der tiefen Fläche der 3. Knospe. Der caudale Teilast vereinigt sich mit dem III. Nerven, und der so gebildete Stamm folgt der fünften Knospe. Der IV. Nerv teilt sich in zwei ungefähr gleich- starke Äste für die 6. und 7. Knospe. Der V., VL, VIL, VIII, IX, X. und XI. Nerv folgen der resp. 9., 11., 13., 15. 17. 19 und 21. Knospe. Der XII. Nerv ist sehr klein und entspricht nur einer rudi- mentären Knospe. Beachtenswert ist eine in diesem Stadium zuerst beobachtete Erscheinung, nämlich dass die 15. und 16. Knospe in der Spitze gespalten sind. Durch den synzytialen Zusammenfluss ihrer Zellen bilden die Muskelanlagen lange, ausgezogene kernreiche Protoplasmastränge, welche durch zahlreiche, dünnere oder dickere proto- plasmatische Brücken verbunden sind. Sie sind nicht nur in der Basis Anatom. Hefte. Gustaf Wennman del. 1. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) fig. 12. LIT Tafel 7/8. Zu Anatom. Hefte. I. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) Fig. 14. Is.n. Gustaf Wennman del. Tafel 9/10. Fig. 106. (EXE et ne x Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 73 der Flosse gelegen, sie sind überall zu finden. Anstatt lange Be- schreibungen zu liefern, verweise ich auf die Figg. 27 und 29, Taf. 15/16, welche die Beschaffenheit der Mollierschen Anastomosen zeigen. Die feineren Nervenräste und -Anastomosen sind nun entstanden. Im Zusammenhang hiermit lässt sich auch die Innervierungsweise der caudalen Myotome deutlich nachweisen. Man findet feine Nervenäste, welche während des ganzen Verlaufes der grossen Pterygialnerven ab- gehen und in die nervenfreien caudalen Myotomknospen sich einsenken. Sie kommen sowohl von dem nächst höher wie von den nächst unten gelegenen Nerven. Die diploneure Innervationsweise der caudalen Myotomknospen lässt sich also schon in diesem frühen embryonalen Stadium demonstrieren. Dazu findet man hie und da feine Nerven- anastomosen, welche von dem einen Nerven nach dem anderen ver- laufen, Über deren Entstehungsweise verweise ich auf die folgende übersichtliche Zusammenstellung meiner embryologischen Befunde. Embryo von 30 mm Länge {Figg. 9, 10, 15 u. 16). Die Wirbelsäule ist vorknorpelig und lässt die besonderen Teile gut unterscheiden. Die eraniovertebrale Grenze tritt darum sehr gut hervor. Die seriale Natur des ersten, zu der Flosse tretenden Nerven ist deshalb bestimmbar. Ich finde zwei oceipitale Nerven. Sie haben nur ventrale Wurzeln. Der erste oceipitale Nerv entspringt weiter nach vorne als die Spinalnerven, ganz in der Nähe des Vagus-Loches, der zweite etwas mehr distal und dorsal, doch ventralwärts von der Reihe der Spinalnerven. Der I. Spinalnerv sendet seine ventrale Wurzel durch die cranio-vertebrale Grenze, während die dorsale Wurzel durch ein besonderes Intercalare verläuft. Der vierte post vagus folgende Nerv, d. h. der zweite Spinalnerv ist der erste Flossennerv. Er verbindet sich zuerst spitzwinkelig mit dem dritten. Dann nach einem kurzen Verlaufe mit dem vierten. Der so gebildete Stamm teilt sich in einen ventralen und einen dor- salen Teil, welche beide als diazonale Nerven durch das mesen- chymatische Flossenskelett weiter verlaufen. Die vier eranialen Knospen sind durch zahlreiche Anastomosen verbunden und dann in gewissen Schnitten etwas undeutlich, aber doch unterscheidbar. Der diazonale Stamm teilt sich in zwei grobe Äste. Der craniale von diesen (Fig. 10) teilt sich wieder in zwei, von diesen läuft ein dünner Ast nach den beiden ersten Knospen, der andere etwas gröbere zieht nach der dritten Knospe. Der distale Teilast des diazonalen Stammes setzt seinen Weg längs der tiefen Fläche des fünften Myotoms bis zum Endsaume hinaus fort. In derselben Weise lassen sich alle die dorsalen Ptery- gialnerven längs der Knospe von ungerader Nummer bis zu ihren Enden verfolgen. 74 E. MÜLLER, Die erste Knospe ist nun mächtig entwickelt und bildet einen grossen runden Haufen, etwas netzig in der Struktur (Fig. 25). Der caudale Endast des diazonalen Stammes sendet feine Äste nach der 4., 5. 6., 7. Knospe, dazu eine grobe Anastomose nach dem 4. Flossennerven. Die Nn. intermittentes sind nun deutlich entwickelt und folgen als feinere Äste den Knospen mit geraden Nummern. Zwischen dem diazonalen Stamme und den zwei ersten meta- zonalen Nerven sind grobe Anastomosen entwickelt, ebenso zwischen den drei caudalen Nerven. Zwischen den übrigen, in der Mitte der Flossen gelegenen Stämmen sind nur hie und da spärliche schräge Anastomosen vorhanden. Von den grossen Nerven gehen während ihres ganzen Verlaufes eine Menge feiner Äste ab, welche in den Knospen endigen. Der Irrtum von Braus, dass diese Flossennerven bauptsächlich sensibel sind, lässt sich nirgends besser als in diesem Stadium darlegen. Die sensiblen Endabsehnitte der Nerven sind gut zu sehen. Ehe die Nerven in diese übergehen, wird eine Menge von Ästen abgegeben, welche sowohl nach der Knospe, an der der Nerv verläuft, wie nach dem cranialen und eaudalen Nachbar abgehen. Jeder Nerv kann also mit einem hohen Baume mit vielen kurzen Ästen verglichen werden. Nach den Enden der Flosse hin sieht man aber deutlich, dass jeder Nerv über vier, ja fünf Knospen sich ver- teilen kann. Auf der ventralen Seite liegen die Verhältnisse im allgemeinen so vor wie auf der dorsalen. Der diazonale Stamm teilt sich in zwei Äste, von denen der ceraniale in eine mächtig entfaltete, einheitliche Masse myogenen Materiales übergeht, während der caudale Ast sich wieder in zwei Äste teilt, die sich in vier wohl unterscheidbare Knospen verteilen, die zwei cranialen von diesen letzteren sind aber sowohl untereinander wie mit der ceranialen Masse durch Anastomosen reichlich verbunden. Embryo von 32 mm Länge (Figg. 11). Der erste Flossennerv ist der sechste postvagale Nerv. Man findet ein rudimentäres Oceipitalmyotom medial vom Vagus, welcher keinen Nerv besitzt. Dann sieht man, wie die zwei folgenden Myotome Nerven bekommen, welche durch den Schädel verlaufen und sich also als ocei- pitale Nerven bestimmen lassen. Sie sind ohne Ganglien. Der erste Spinalnerv läuft an der cranio-vertebralen Grenze und besitzt ein Ganglion. Der erste Flossennerv ist also ein Ast von dem vierten Spinalnerv. Ein Stück eranialwärts von dem Schulterbogen verbindet sich dieser mit einem Aste von dem fünften Spinalnerv zu einem Stamme. Erst in dem Loche im Schulterbogen legt sich der sechste Spinalnervenflossenast an den vorigen und zieht mit diesem als dia- zonaler Nerv nach der Flosse, ist aber in seinem ganzen Verlaufe von diesem zu unterscheiden. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 7%) Die Rekonstruktion der Fig. 11 zeigt die Nerven und Muskeln der Flosse von der medialen Fläche. Die kegelförmig abgeplattete Gestalt der Flossenmuskeln tritt in der Figur, noch besser bei dem Präparate hervor. Man sieht die gegeneinander gerichteten Flächen der beiden ventralen und dorsalen Muskeln, jener in noch stärkerer Verkürzung als dieser. Trotz der Verkürzung ist es doch leicht zu sehen, dass jeder Hauptnerv fortwährend wie in den früheren Stadien längs der ungeraden Nummern der Radialmuskeln verläuft. Die schon bei dem Embryo von 30 mm angegebenen Eigentüm- lichkeiten der Muskeln treten nun noch deutlicher hervor. Die Radial- muskeln sind in ihren proximalen oder medialen Teilen mächtig ent- wiekelt und zusammengeschmolzen. Die schon vorher besprochenen Verschiedenheiten zwischen den beiden Hauptmuskeln fallen nun noch mehr ins Auge. Der erste ventrale Radialmuskel hat sich jetzt mächtig entfaltet und bildet eine viereckige, hie und da durchlöcherte, gebogene Platte. Der zweite Radialmuskel ist schwach, mit dem vorhergehen- den durch starke Anastomose verbunden. Der ventrale Hauptmuskel ist mehr eranialwärts entwickelt und verschoben, der dorsale dagegen mehr caudalwärts. Dies beruht auf zwei Umständen. Teils ist auf der ventralen Seite das erste Myotom stärker als auf der dorsalen, während umgekehrt die letzten caudalen Muskeln auf der dorsalen Seite stärker sind als die entsprechenden ventralen. Embryo von 38 mm Länge (Figg. 12, 13, u. 17). Die zwei Rekonstruktionen zeigen den dorsalen Hauptmuskel. Die Muskeln verhalten sich wie bei dem erwachsenen Tiere. Die Ver- änderungen gegenüber den vorigen Zuständen gehen am besten hervor, wenn man die Figg. 9 u. 10 vom Stadium 30 mm mit den Figg. 13 und 12 von dem nun vorliegenden Stadium vergleicht. Die Verände- rung besteht vor allem in einer stärkeren Konzentration oder Zusammen- schmelzung der basalen Enden der Muskeln. Im Zusammenhang hier- mit ist eine Verschiebung zwischen den Muskeln und den Nerven ein- getreten, welche am besten von der tiefen Fläche aus (Fig. 12) zu be- obachten ist. In den jüngeren Stadien (z. B. Fig. 10) setzen sich die Nerven schon an den proximalen Enden der Muskeln fest und folgen dann diesen. In der Fig. 12 vom Embryo 37 mm sieht man dagegen, dass in dem grösseren caudalen Teile die proximalen Enden der Muskeln eranialwärts verschoben sind und dass die Nerven erst eine Strecke von diesen Enden sich an den Muskeln befestigen. Dies hat aber durchaus nicht die Innervation verändert. Die Hauptnerven folgen immer wie vorher den tiefen Flächen der ungeraden Radialmuskeln. Die feineren Äste treten nun gut hervor. In der Mitte der Flosse in- nervieren die Nerven im allgemeinen drei Muskeln. Besonders caudal- wärts sieht man aber, dass die Nerven vier oder fünf Muskeln versorgen. 76 E. MÜLLER, Übersicht der Befunde der morphogenetischen Unter- suchung. Die vorhergehenden Beschreibungen enthalten Beobach- tungen über die Entwickelung der occipitalen Nerven, der Muskeln und Nerven der Flosse. Ich werde ım folgenden die betreffenden Kapitel besonders behandeln. Die occipitalen Nerven bei Acanthias vulgaris und die Bestimmung des ersten Flossennervs. Ehe ich die occipitalen Nerven der Embryonen behandle, wird es notwendig, die Auffassung über dieselben bei dem er- wachsenen Tiere klar zu machen. Angaben über die spino-occipitalen Nerven von Acanthias finde ich bei Fürbringer (17) und Sewertzoff (46). Jener spricht von zwei Nerven y und z, welche in einer Figur dar- gestellt sind und hier als ventrale Wurzeln für sich, in beson- deren Kanälen doch miteinander konvergierend nach dem Aus- trittsloche neben dem Vagusloche verlaufen. Es sind dieselben Kanäle, welche Gegenbaur schon in seiner Abhandlung über das Kopfskelett der Selachier beschrieben hat. Der I. Spinal- nerv verläuft etwas caudalwärts von der cranio - vertebralen Grenze. Sewertzoff findet dagegen drei Nerven von occi- pitalem Charakter: nach vorne von den zwei von Gegenbaur beschriebenen Öffnungen sollte nämlich noch eine dritte, unter dem For. n. vagi gelegene vorhanden sein; ‚durch diese letztere tritt eine sehr dünne, ventrale Wurzel (Hypoglossus I) heraus, zieht durch einen Knorpelkanal und mündet in den Canaliıs n. vagi, wie der Hypoglossus II und III“. In meiner Brustflossen-Arbeit unterschied ich in Überein- stimmung mit Fürbringer zwei occipitale Nerven y, z, deren Verlauf durch das Cranium genau beschrieben wurde. Als ersten Spinalnerv bezeichnete ich den Nerv, welcher aus der Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 77 Ecke zwischen dem Schädel und der Wirbelsäule hervorkommt. Die schwierige Bestimmung der oceipitalen Nerven bei Embry- onen verschiedener Stadien machte nun ein genaueres Durch- arbeiten auch der vollentwickelten Zustände notwendig. Meine dabei gesammelten Erfahrungen stimmen nun weder mit Se- wertzoffs noch mit Fürbringers Beschreibungen überein. Einen Nerv cranialwärts von den von Gegenbaur beschrie- benen Löchern habe ich niemals gesehen. Die Angaben von Sewertzoff sind darum so zu erklären, dass entweder eine Variation in den betreffenden Fällen vorgelegen habe, oder dass Sewertzoff bei seiner Beschreibung irrtümlicherweise die zwei Gegenbaurschen Löcher einen Schritt caudalwärts verschoben habe. d. h., dass er als die Gegenbaurschen Löcher das cau- dale von diesen und die Durchtrittsstelle des folgenden Nervs auffasst. Die Untersuchung einer grösseren Anzahl erwachsener Tiere von Acanthias vulgaris hat mich belehrt, dass die occipitalen und cranialen Spinalnerven sich so verhalten, wie in Fig. 14 dargestellt ist. Caudal und medial vom Vagusloche finde ich zwei Nerven mit nur ventralen Wurzeln, welche durch das Occı1- pitale verlaufen. Das sind die beiden Ocecipitalnerven, die ich in meiner vorigen Abhandlung beschrieben habe. Die Löcher, durch welche sie verlaufen, entsprechen ganz denjenigen, welche von Gegenbaur beschrieben sind. Dann folgt ein Nerv, dessen ventraler Teil in der cranio-vertebralen Grenze verläuft, dessen dorsaler Teil dagegen durch das erste Intercalare passiert. Diesen Nerv habe ich in meiner vorigen Arbeit als den ersten Spinalnerv beurteilt und gezählt und, dass dies richtig ist, haben mich meine fortgesetzten Untersuchungen gelehrt. An- dererseits ist eine andere Beurteilung nicht ausgeschlossen, wie aus dem folgenden hervorgeht. In seiner grossen Arbeit über die spino-oceipitalen Nerven spricht Fürbringer über die Schwierigkeit, welche besteht in der Unterscheidung zwischen 78 E. MÜLLER, dem letzten oceipitalen und ersten Spinalnerven. Bei einem jüngeren Exemplare von Hexanchus bestand der letzte occi- pitale Nerv z aus einer ventralen und einer dorsalen Portion. Beide verliefen durch den Schädel. Bei einem älteren Exemplare sing der motorische Nerv (z‘) durch den Schädel, die sensible Wurzel (z%) verlief dagegen durch ein auf den Schädel folgendes, teilweise von ihm abgegliedertes Intercalare s. Intercrurale. Fürbringer schliesst aus diesen Befunden, dass das betreffende Intercalare ursprünglich zum Schädel gehört, später aber von diesem abgegliedert ist. Bei Heptanchus verlief z" bei einem Exemplare durch den hinteren Rand des Cranıums, bei zwei anderen Exemplaren zieht er durch das erste Intercalare. Bei Cestracion verlief der oceipitale Nerv z auch in etwas ähnlicher Weise: z’ geht durch den Rand des Schädels, z" zieht durch das Intercalare I. Wenn man nun die Verhältnisse bei Acanthıias über- schaut, so findet man sie ähnlich den oben zitierten. Besonders dem Bild, das Fürbringer über Cestracion mitteilt, ähnelt das meinige von Acanthias in auffallender Weise. Nach Für- bringers Betrachtungsweise sollte also der betreffende Nerv als letzter oceipitaler aufgefasst werden. Warum Fürbringer dies nicht getan hat, kann ich nicht erklären. Im Texte ist bei Acanthias nur von zwei oceipitalen Nerven die Rede, und nach der Abbildung zu urteilen, entsprechen diese ganz den beiden, von mir beschriebenen occipitalen Nerven. Von dem darauf- folgenden Nerven, welcher als 1. bezeichnet wird, sieht man nur, dass er caudalwärts von der sehr deutlichen cranio-vertebralen Grenze verläuft. Hierin liegt nun ein Unterschied von meinen Befunden. Ich finde immer den ventralen Teil des Nerven, welcher nach den zwei deutlichen oceipitalen folgt, durch den Schädelrand cranial von der cranio-vertebralen Grenze ver- laufend, in etwas variierender Weise bei den verschiedenen Exemplaren, oft rund herum vom Knorpel umgeben. Das Ver- Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 9 hältnis zwischen Intercalare I und Oceipitale wechselt ebenfalls. Man kann eine so scharfe Grenze wie in Fig. 14 finden. Von hier aus findet man alle Übergänge bis zu vollständiger Zu- sammenschmelzung. Wenn man also auf dem Standpunkte von Fürbringer steht, dann sollte man in Übereinstimmung mit seiner Deu- tung der Befunde bei den Notidaniden und Cestracion den be- treffenden Nerv als Z deuten. Acanthias besässe dann drei oceipitale Nerven im ausgewachsenen Zustande. Einer solchen Deutung der Befunde kann ich mich aber nicht anschliessen. Aus den Untersuchungen von Schauinsland (39) geht näm- lich deutlich hervor, dass ursprünglich die ventralen Wurzeln zwischen den Bogen des vorhergehenden Segmentes und dem Intercalare des eigenen Segmentes ‘gelegen sind, während die dorsalen Wurzeln caudalwärts von dem genannten Segmente ihren Platz haben. Das Intercalarstück trennt also die moto- rische von der sensiblen Wurzel. Später kommt es nun zu einem Umwachsen der Wurzeln von dem am nächsten cranialwärts liegenden Bogenstücke resp. Intercalare. Auf diese Weise werden die sensiblen Wurzeln von den dazu gehörenden Inercalarıa und den motorischen, von den zu den vorhergehenden Sclero- tomen gehörenden Bogenstücken umschlossen. Da nun der I. Spinalnerv kein Bogenstück, sondern das Oceipitale cranlal- wärts von sich hat, so ist es sehr natürlich, dass er in gewissen Fällen von diesem verschlossen wird, während die I. dorsale Wurzel durch das I. Intercalare verläuft. Die motorische Wurzel des II. Spinalnervs läuft durch den I. Wirbel, und die dorsale Wurzel zieht sich durch das II. Intercalarstück usw. Ich habe mich solange bei der Feststellung des I. Spinal- nerven aufgehalten, weil dessen Verhalten bei der Beurteilung der oceipitalen Nerven bei Acanthias von grosser Wichtig- keit ist. Eine abgeschlossene Kenntnis der Entwickelung der oceci- 80 E. MÜLLER, pitalen Nerven bei den Selachiern vermittelt uns die Literatur nicht. Die Angaben der Forscher sind einander so widerspre- chend und die Arbeiten nicht derartig ausgeführt, dass die darauf gegründeten Urteile ausschlaggebend sind. Einige sind von solcher Art, dass auch der in der Sache interessierte Forscher keine bestimmte Auffassung von der betreffenden Ansicht be- kommen kann. Die Schwierigkeit der Lösung der Aufgabe erklärt zur Genüge diesen Sachverhalt. Eine vollständige Unter- suchung über die occipitalen Somiten der Selachier beabsichtige ich nicht bei dieser Gelegenheit zu liefern. Ich will hier nur über die Stadien der occipitalen Nerven sprechen, welche für die seriale Bestimmung des ersten Flossennervs notwendig sind. Von einer vollständigen Beurteilung und Kritik der Literatur- angaben sehe ich darum auch ab. Der davon Interessierte findet, was er braucht, in der Darstellung von Neumayer (37) in Oskar Hertwigs Handbuch der Entwickelungslehre, Bd. 2, Teil 3. Bei einem Embryo von 38 mm Länge sind die Verhältnisse ungefähr so, wie bei dem erwachsenen Dornhai. Man findet zwei deutliche oceipitale Nerven, welche nur von ventralen Wurzeln repräsentiert sind. Die Austrittsöffnungen der Spinal- nerven aus der Wirbelsäule liegen in einer geraden Linie. Ver- bindet man dagegen den ersten Spinalnerv mit den Austritts- öffnungen der beiden oceipitalen Nerven, so bekommt man eine sehr schräge, ventralwärts aufsteigende Linie. Die cranıo-verte- brale Grenze ist sehr scharf ausgeprägt. Das erste Intercalare ist sehr deutlich von der Umgebung differenziert. Es zeigt sich nun mit der grössten Deutlichkeit, dass die ventrale Wurzel des Nerven, welcher caudalwärts von dem deutlichen II. occı- pitalen Nerven folgt, eben in der cranio-vertebralen Grenze ver- läuft. Die dorsale Wurzel zieht durch das I. Intercalare. Den- selben als einen occipitalen Nerven aufzufassen hat also gar keine Berechtigung, sondern er kann nur als der I. Spinalnerv Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 81 bezeichnet werden. Der II. Spinalnerv läuft mit seiner ven- tralen Wurzel durch den ersten Neuralbogen und mit seiner dorsalen Portion durch das Intercalare II. Die Verhältnisse liegen also ganz wie bei Erwachsenen vor. Bei einem Embryo von 32 mm Länge finde ich ganz ähn- liche Formverhältnisse. Doch scheint hier ventralwärts von der ventralen Wurzel des I. Spinalnerven das Intercalare I direkt mit dem Schädelgrunde zusammenzuhängen. Ein sehr schönes Embryo von 30 mm Länge stimmt auch mit den vorigen überein (Fig. 15 und 16). Zwei deutliche occi- pitale Nerven passieren durch das Oceipitale. Sie haben nur ventrale Wurzeln. Der erste Spinalnerv zieht mit seiner ven- tralen Wurzel durch die cranio-vertebrale Grenze, mit seiner dorsalen durch das I. Intercailare. Ob das letztere total getrennt von dem Schädelgrunde ist oder ventralwärts damit zusammen- hängt, ist sehr schwierig zu entscheiden. In dem nächst vorhergehenden Stadium, Embryo von 27 mm Länge (Fig. 7 und 8), ist das Knorpelskelett noch nicht ent- wickelt. Die cranio-vertebrale Grenze ist also nicht vorhanden. Ich finde hier nach dem Vagus bei dem einen Embryo zwei, bei dem anderen drei Nerven, welche nur ventrale Wurzeln besitzen. Der vierte und die folgenden entspringen alle in einer geraden Linie und besitzen sowohl ventrale wie dorsale Wurzeln mit Ganglien. Wenn man nun zwei Rekonstruktionen mit einander vergleicht: eine von dem Stadium mit drei ventralen Wurzeln, die zweite von dem vorherbeschriebenen mit knorpe- liger Wirbelsäule und Schädelgerund, dann zeigt es sich, dass der zweite und dritte Nerv des Stadiums 27” mm den beiden oceipitalen Nerven des letztgenannten Stadiums entsprechen. Der erste Nerv des Stadiums 27 mm muss sich also später zurück- bilden. Der erste Nerv mit Ganglion und dorsaler Wurzel ist also auch hier der erste Spinalnerv. Mit anderen Worten, das Embryo von 27 mm Länge besitzt drei occipitale Nerven. Die Anatomische Hefte. ]. Abteilung. 129, Heft (43. Bd., H. 1.) 6 82 E. MÜLLER, früheren Embryonen, die ich für meine Studien der Flossen- entwickelung benützt habe, zeigen nun alle sehr übereinstimmende Charaktere. Bei allen finde ich nach dem Vagus drei Nerven mit nur ventralen Wurzeln. Sie sind occipitale Nerven. Der erste Spinalnerv ist der erste, welcher Spinalganglion besitzt. Trotz der ziemlich grossen Einförmigkeit, welche die occı- pitalen Nerven bei den Selachier-Embryonen von 16—27 mm darbieten, wird es doch notwendig, mit Hilfe der Rekonstruk- tionen etwas bei ihnen zu verweilen. Bei dem Embryo von 16 mm (Fig. 1, Taf. 1.2) verläuft der erste Occipitalnerv nach seinem Myotom, welches medialwärts von dem grossen Vagus- sanglion gelesen ist. Cranialwärts finde ich ein deutlich ent- wickeltes, doch vıel schwächer als das eben beschriebene. Dieses ermangelt jedes Nervs. Der zweite und dritte Occipital- nerv sind dagegen ventralwärts von der Flossenanlage zu ver- folgen. In der Rumpfwand liegen sie in der Ecke oberhalb des Ductus Cuvieri zwischen dem Ecetoderm und dem Coelom- epithel. Der erste Spinalnerv liegt gerade lateralwärts vom Ductus Cuvieri. Bei Embryonen von 19 mm Länge sehen die Nerven so aus, wie die Rekonstruktion in Fig. 2, Taf. 12 zeigt. Der Mangel der Ganglien im Gebiete der drei cranialen Nerven tritt deutlich hervor. Die drei occipitalen Nerven verlaufen convergierend nach vorne lateralwärts von der V. jugularis. Ein Unterschied zwischen diesem und dem vorhergehenden Stadium besteht darın, dass der erste occipitale Nerv mit dem folgenden zu einem Stamme sich verbindet. Das Verhältnis der Nerven zu dem Ductus Cuvieri ist deutlich. Cranialwärts liegt der zweite Occi- pitalnerv, lateralwärts der dritte Occipitalnerv und der erste Spinalnerv. Was die Myotome betrifft, so findet man auch in diesem Stadium em solches ohne Nerv cranialwärts von dem- jenigen des ersten Occipitalnerven. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 3 Eine vollständige Darstellung der oceipitalen oder metoti- schen Somiten kann ich nicht geben. Die frühesten Stadien besitze ich nicht. Eine erschöpfende Vergleichung meiner Re- sultate mit denjenigen früherer Untersucher kann ich also nicht liefern. Die betreffenden Untersuchungen sind ja auch nur in der Absicht vorgenommen, den ersten Flossennerv festzustellen. Vielleicht werde ich bei einer anderen Gelegenheit das Thema in seiner Gesamtheit behandeln können. Doch gestattete ich mir folgende Bemerkungen über die Untersuchungen anderer Forscher beizufügen. Ich möchte also die Ähnlichkeit hervorheben, welche zwi- schen meinen Resultaten und den ursprünglichen von van Wijhe (48) besteht. Nach ihm lösen sich der vierte und fünfte Somit im Mesenchym auf. Das sechste Myotom, welches an seiner Aussenseite vom Ramus branchialis primus Vagi ge- kreuzt wird, ist das vorderste, welches embryonale Muskel- fasern besitzt. Es ist aber stets sehr rudimentär und besitzt keine Nervenwurzel. Nun folgen drei gut ausgebildete Myo- tome, der T7., 8., 9., welche alle nur ventrale Wurzeln besitzen und dem Hyposlossus entsprechen. Der erste Halsnerv ist der erste dem Vagus folgende Nerv, welcher sowohl ventrale wie dorsale Wurzeln besitzt. Wie aus dem Vorhergehenden erhellt, stimmen meine Be- funde mit denjenigen von van Wijhe darin überein, dass ich in einer gewissen Zeit der embryonalen Entwickelung vier mit Muskelfasern versehene occipitale Myotome unterscheide. Das erste von diesen ist rudimentär, dann folgen drei mit nur ven- tralen Wurzeln versehene Somiten, endlich finde ich ganz wie bei van Wijhe, dass der erste Cervicalnerv derjenige ist, welcher nach dem Vagus zuerst ein Ganglion besitzt. Nun können meine Untersuchungen nichts über den serialen Wert der be- treffenden Myotome ausssagen, da mein Material mir nicht ge- stattet hat, die früher abortierenden Somiten zu verfolgen. 6* 84 E. MÜLLER, Froriep (16) unterscheidet in seiner letzten Veröffent- lichung drei Oceipitalsomiten, welche während einer längeren Zeit der Embryonalperiode konstant sind. Da ich nun vier solche gefunden habe, so besteht hier ein Unterschied. Soviel ich durch Vergleich meiner Präparate mit seinen sehr deutlichen und instruktiven Figuren sehe, besteht der Unterschied darin, dass Froriep die cranio-vertebrale Grenze aus Gründen, welche nicht näher angegeben werden, ein Segment böher als ich setze. Denn sein erstes Myotom entspricht ganz bestimmt meinem ersten rudimentären, nervenlosen. Gewiss gehört die genaue Feststellung der cranio-vertebralen Grenze in den frühen Stadien der Ontogenese der Selachier zu den schwierigsten Aufgaben. Lange und fortgesetzte, besonders auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen haben mich zu der oben formulierten Auf- fassung gebracht, an der ich vorläufig bestimmt festhalten muss. Braus (8) zählt sieben metotische Somiten, d.h. zwei mehr als van Wijhe. Wenn ich meine Befunde mit den Braus- schen vergleiche, so entsprechen meine vier Occipitalmyotome seinen v, w, x, y. Braus’ z ist nämlich mein 1. Spinalnerv. Die Gründe hiervon habe ich schon oben hervorgehoben. Die ventrale Wurzel läuft nicht durch das Oceipitale, sondern in einer Rinne an dessen Rande. Die dorsale Wurzel wird von Braus selbst als ausserhalb des Craniums verlaufend angegeben. In einem Punkte stimmen unsere Befunde überein, dass nämlich bei Embryonen von 26 mm Länge und jüngeren ein oceipitaler Nerv vorhanden ist, welcher später verschwindet. Braus findet hier vier oceipitale Nerven im Verhältnis zu nur drei bei den älteren. Ich finde bei den älteren zwei und in den jüngeren drei. Wie die von Braus als t und u bezeichneten sich bei Acanthias verhalten, vermag ich nicht zu beurteilen, da mir die notwendigen jüngeren Stadien fehlen, wie ich schon hervor- gehoben habe. Nachdem nun die oceipitalen Nerven bei Acanthias ab- Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse et. 85 gehandelt sind, kann ich zu meiner eigentlichen Aufgabe über- sehen: den ersten Flossennerv bei Acanthias zu bestimmen. Ich teile in der folgenden Tabelle meine Resultate mit. | | | | Der Nummer des | Anzahl der | Der Nummer des Untersuchte Stadien | 1. Flossennervs | oceipitalen | 1. Flossennerven nach Vagus. Nerven als Spinalnerv. Acanthias vulgaris 16 mm J Der & links 3 Der 2. „6. rechts | Lak : 18:5, ER: | 3 | a2: , Bar; 3 | Di „ 200, es: 3 I. 5a 20 , & B) 8: „ Do, no 3 u, 24 „ Bl 3 aD 24 „ „ae 3 3. 24. ,, 60: 3 LO: e 26 5 6 3 Band: „ 260% nn 3 ch 5 20, Bo: 3 u: x oe eb: 2 4. en 30 „ 4. | 2 | „a x 32, ab: 2 } > B2.0, no 2 us: Es geht aus dieser Tabelle hervor, dass in neun Fällen der dritte Spinalnerv, in sechs Fällen der zweite Spinalnerv und in zwei Fällen der vierte Spinalnerv der erste Flossennerv ist. Dieselben Variationen, welchen man bei den ausge- wachsenen Tieren begegnet und die ich in meiner vorigen Abhandlung beschrieben habe, findet man also schon bei den Embryonen. Die Entwickelung der Flossenmuskeln. Wie jeder sich durch das Studium der im vorhergehenden beschriebenen Rekonstruktionen überzeugen kann, ist es sehr leicht, jede besondere Knospe von ihrem Anfange bis zu dem S6 - E. MÜLLER, fertigen Radialmuskel zu verfolgen. Jede Sekundärknospe ent- wickelt sich durch sehr einfache Wachstumsvorgänge zu einem bestimmten Radialmuskel. Ursprünglich birnenförmig, ver- wandelt sich jede Primärknospe bald zu einer platten scheiben- förmigen Bildung, welche sich dann auf die von Rabl und Mollier beschriebene Weise in die zwei Sekundärknospen teilen. Diese verlängern sich und nehmen Keulenform an, wachsen dann sowohl in der Länge wie in einer winkelrecht zur Flossenausbreitung gerichteten Ebene und nehmen schliess- lich die charakteristische dreieckige Form an. So in der Mitte der Flosse. In diesem Punkte stimmen meine Befunde mit den älteren Angaben von Dohrn, Rabl und Mollier vollständig überein. Es ıst also nicht richtig, einen prinzipiellen Unterschied zwischen Knospe und Radıalmuskel zu setzen, so wie es Braus tut, indem eine Knospe eine metamere Bildung sein soll, während die Radialmuskeln durch bedeutende Umlagerungen und Ver- schiebungen des ursprünglichen metameren Materiales entstehen sollen. So etwas findet nicht statt. Die Rekonstruktionen zeigen ja deutlich, dass jede Knospe in einen Radialmuskel übergeht. Man könnte an innere „Umwandlungen‘“ denken, in vielleicht nicht sichtbarer Weise würden die Muskelbildungs- zellen längs den Mollierschen Anastomosen sich verschieben. Der folgende histologische Abschnitt wird zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Es ist überhaupt sehr schwierig, der Be- nennung wegen eine bestimmte Grenze zwischen einer Knospe und einem Radialmuskel zu setzen, weil der Formübergang canz allmählich erfolgt. Unter solchen Verhältnissen kann nur die histologische Beschaffenheit entscheidend sein. Die Myofibrillen entstehen ungefähr bei den Embryonen von 30—32 mm. Vor dieser Zeit benutze ich den Namen Knospen, nach dieser Zeit den Namen Radialmuskel. Von grossem Interesse ist die Entwickelung der cranialen Knospe. Inden allermeisten Fällen der jüngeren Stadien finde Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse et. 87 ich in den am meisten eranialwärts belegenen Segmenten nur | eine Knospe, welche sich sehr dicht an die folgende lagert (Fig. 3 u. 22). Doch sind die Befunde nicht einheitlich. Auf der einen Seite des Embryos von 16 mm findet man diese Knospe nur auf der einen Seite, auf der anderen Seite besitzt das ent- sprechende Segment keine Knospe, das folgende, also das erste craniale Segment mit Knospen, trägt schon zwei Knospen. Bei dem Embryo von 18 mm war auf der einen Seite nur eine Knospe, auf der anderen Seite in demselben Segmente eine Andeutung von zwei. Bei älteren Embryonen von 23—24 mm finde ich nun ganz bestimmt Bilder (Fig. 23 und 24), welche überzeugend beweisen, dass die einheitliche Knospe sich in zwei teilt, und bei den Embryonen von 27 mm (Fig. 25) finde ich konstant zwei Knospen auch in dem ersten cranialen, zu der Flosse gehörenden Segmente. Nun schlägt die erste Knospe einen besonderen Entwickelungsgang ein. Sie wächst bedeutend zu und verwandelt sich in einen freilich scharf begrenzten, aber doch etwas netzartig aufgebauten Zellhaufen (Fig. 26). In dem oberflächlichen medialen Teile dieses Zellhaufens werden Fortsätze gebildet, welche eine gewisse Ähnlichkeit mit den medialen Enden der freien Radialmuskeln zeigen. Auf der ven- tralen Seite ist die Entwickelung der ersten Knospe noch stärker als dorsalwärts. Sie entfaltet sich hier zu dem kräftigen drei- eckigen Abduktor, den ich in meiner vorigen Abhandlung be- schrieben habe. Die zweite Knospe zeigt eine ganz andere Ent- wickelung als ihre craniale Nachbarin. Sie wird immer ziem- lich unbedeutend, ihre Grenze sowohl cranial wie caudal ver- wischt durch Anastomosen mit den angrenzenden Knospen. In dem caudalen Ende der Flosse ist die Entwickelung gerade entgegengesetzt. Dort bleiben die Radıalmuskeln auf der dorsalen Seite deutlich und kräftiger, so dass der dorsale Muskel weiter caudalwärts als der ventrale reicht, während sie ventral- wärts Anastomosen mit einander eingehen und so ein Netz bilden, RD E. MÜLLER, in dem man die ursprünglich abgegrenzten Knospen nicht ent- decken kann. In dem Umstand, dass die Radialmuskeln aus den Knospen direkt hervorgehen und also paarweise immer den Rumpf- metameren entsprechen, tritt der primitive Charakter der Se- lachierflosse und die nahe Verwandtschaft mit der Rumpfwand deutlich hervor. Nun bildet ja die Flosse einen weit von dieser herausragenden Fortsatz, welcher seine eigene von dem Mutter- boden abweichende Funktion erhalten hat. A priori kann man also gewisse Veränderungen erwarten, welche die spezielleren Eigenschaften der Flosse bilden. Diese sind: 1. die starke Entfaltung der ersten Knospe, besonders der ersten ventralen und die im Zusammenhang hiermit stehende Ausbildung des M. abductor; 2. die stärkere Ausbildung der caudalen dorsalen Radialmuskeln im Verhältnisse zu denselben Muskeln der ven- tralen Seite; 3. die im Zusammenhang mit den unter 1. und 2. beschriebenen Prozessen stattfindende, in entgegengesetzter Rich- tung vor sich gehende Verschiebung der dorsalen und ventralen Muskulatur, welche in Fig. 5 sehr deutlich ist und auch auf die Stellung der Nerven schliessen lässt, indem die ventralen Nerven etwas mebr cranialwärts, die dorsalen Nerven dagegen mehr caudalwärts belegen sind; 4. die durch die Konzentration der Flossenbasis entstandene Zusammenschmelzung der medialen oder basalen Teile der ursprünglich freien Knospen, wodurch in diesen Teilen die einheitlichen ventralen und dorsalen Muskel entstehen, welche peripheriewärts in die freien Radialmuskeln auslaufen. Die Morphogenese der Flossennerven. Von Anfang an (Fig. 1 und 3) hängen die Flossen- nerven nur mit den eranialen Knospen in jedem Knospenpaar zusammen. Die caudalen Knospen jedes Flossenpaares sind scheinbar (d.h. bei den Vergrösserungen, welche für die I gun Anatom. Hefte. I. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) D Tafel 11/12. Say) NN RACHEN R) HR RE azsiheeande Gustaf Wennman d ® ei Anatom. Hefte. I. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) Gustaf Wennman del. Fig. 23. Tafel 13/14. An: * je Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 39 Rekonstruktionen gebraucht werden) ganz frei, haben keinen Zusammenhang mit den Flossennerven. Dieser von Moellier entdeckte Sachverhalt ist einer von den wichtigsten Punkten in der gesamten Flossenanatomie. Man braucht nur einen Blick auf die Reihe meiner Rekonstruktionen zu werfen, um zu finden, dass dies Verhältnis im grossen und ganzen bis zu dem für die Erwachsenen charakteristischen Zustande beibehalten wird. Die von mir in meiner vorigen Abhandlung zum ersten Male vollständig beschriebenen Hauptnerven der Selachierflosse ent- wickeln sich nämlich längs der tiefen Fläche derselben cranialen Knospen in jedem Knospenpaar, mit welchem sie ursprünglich zusammenhängen Schon bei Embryonen von 24 mm Länge, wo die sekundären Knospen entstanden und in keulenförmige Stränge umgewandelt sind (Fig. 4), lassen die Nerven sich bis zu den distalen Enden derselben verfolgen Die Nerven sind darum in meinen Präparaten immer längs der tiefen Flächen der ungeraden Muskeln zu finden. Die einzige Schwierigkeit, die sich bei der Konstatierung dieses ausserordentlich wichtigen Prinzipes bietet, ist die schon vorher beschriebene Beschaffen- heit der zwei ersten Knospen. Hat man aber ihre Verhältnisse geklärt, wozu allerdings sowohl hinsichtlich der Fixierung wie Färbung mur einwandfreie Präparate gebraucht werden müssen, dann findet man konstant dies Verhältnis, wie ich mich bei einer grossen Sammlung von Serienschnitten bestimmt über- zeugt habe. Allerdings findet man Ausnahmen. Schon in der tekonstruktion des Embryos von 24 mm (Fig. 4) findet man eine sabelförmige Teilung des 3. ventralen lFlossennervs, wonach der eine Teilast zu der cranialen Knospe, der andere zu der cau- dalen zieht. Und in den älteren Stadien finde ich neben dieser Variation z. B. ein solches Verhalten, dass ein Flossennerv sich zuerst an einen Radialmuskel ansetzt, diesen dann verlässt und zu dem caudalen Muskel des Radialmuskelpaares läuft, um darauf längs diesem fortzusetzen. Also findet man hier wie dort Aus- 90 E. MÜLLER, nahmen von der Regel, dass alle Hauptnerven längs den ungeraden Radialmuskeln zu finden sind, stellenweise können sie an den geraden gefunden werden, dann liegen zwei nervenfreie Muskeln auf der einen Seite zwischen dem betreffenden Nerv und seinem Nachbarnerv, während auf der anderen Seite kein nervenfreier Muskel zu finden ist. Wie gesagt findet man ursprünglich die geraden Myoton- knospen, entsprechend den caudalen Knospen jedes Knospen- paares, ohne gröbere Nerven. Erst bei den Embryonen von 27 und 30 mm Länge kann man über deren Innervationsweise ins Klare kommen. Hierzu sind Serien von Frontalschnitten durch die Flossenanlagen zu benutzen. Man sieht dann sehr deut- lich, dass von den im vorigen beschriebenen Hauptnerven unter spitzen Winkeln feine Äste abgehen, welche sich in die nächst- liegenden cranialen und caudalen Knospen resp. Radıalmuskeln verteilen. Die dendritische Verästelung der Flossennerven, die für den ausgebildeten Zustand so charakteristisch ist, lässt sich also schon jetzt beobachten. Die doppelte Innervation der geraden Knospen resp. Radialmuskeln ebenfalls. Die Nn. intermittentes, welche längs den geraden Muskeln entstehen und mit den oben- genannten Nebenästen zusammenhängen, treten beim Embryo von 30 mm Länge deutlich hervor. Dazu sieht man auch, dass in gewissen Fällen ein unter spitzem Winkel von den Haupt- nerven abgehender Ast nicht nur nach dem nächstliegenden Radıalmuskel, sondern nach einem entfernteren zieht. Ich habe also auch in den embryologischen Präparaten gesehen, dass ein Hauptnerv vier oder fünf Radialmuskeln versehen kann. Dies sind aber Ausnahmen von der Regel, welche eben in der Entwickelung begründet sind, dass nämlich jeder Hauptnerv drei Radialmuskeln versorgt. Mehr hierüber in dem histolo- gischen Teile meiner Arbeit. Es ist ja deutlich, dass die vorher beschriebenen Modelle nicht alle Details in der Nervenverästelung darbieten, weil sie Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 91 bei hundertfacher Vergrösserung ausgeführt und die vor- handenen Nervenäste so fein sind, dass sie unmöglich in dieser Vergrösserung dargestellt werden können. Trotz dieser Un- vollständigkeit, welche ja nicht zu überwinden ist, scheinen sie mir doch in vielen Beziehungen wertvoll zu sein. Sie sollen vor allem illustrieren, dass die Radıialmuskeln den früheren Myotom- knospen ganz entsprechen, dass die Flossennerven längs den proximalen Knospen jedes Knospenpaares, sich unter Beibe- haltung ihrer Individualität entwickeln und dass also die cau- dalen Myotome nur von feineren Ästen von den nächst oben- und untenliegenden Flossennerven innerviert werden. Um einen vollständigen Überblick über die Nerven zu erhalten, muss man die so erhaltenen Bilder durch das Studium der Schnitte er- sänzen. Ich habe solche in den Figg. 18—20, Taf. 11/12 zeichnen lassen. Man sieht hier in Fig 19, wie von dem 3. Flossen- nerven die feinen Äste abgehen, welche dann nach vier Radial- muskeln verlaufen. Das Verhältnis der Flosse zu der Rumpfwand. Die oben beschriebenen Rekonstruktionen sind auch be- lehrend, wie die Flosse zu den Segmenten der Rumpfwand sich verhält. Die Wachstumserscheinung, welche den Namen von Konzentration erhalten hat. tritt in den Rekonstruktionen sehr schön hervor. Ich schliesse mich ganz der Erklärung von Mollier an, welcher den Hauptgrund der Erscheinung in den verschiedenen Wachstumsrichtungen des Rumpfes und der Flosse sieht. Ein genaues Studium der Nervensegmente und der Muskelanlagen in ihren gegenseitigen Beziehungen lehrt, dass die Flosse während aller Stadien der ontogenetischen Entwickelung eine konstante Lage zu der Rumpfwand einnimmt. Eine Wanderung oder Verschiebung der Flosse längs der Rumpfwand findet also während der Ontogenie bei Acanthias nicht 92 E. MÜLLER, statt. Beı der Kritik der Arbeit von Braus komme ich auf diese Frage zurück. Histogenie der Flossen-Muskeln und -Nerven. Die Umwandlungsprozesse der Knospen zu den Radial- muskeln sind in ihren allgemeinen Zügen schon besprochen. Im Zusammenhang mit den Formveränderungen der Knospen von platten Scheiben zu den langen, keulenförmigen Strängen wurde eine innere Veränderung erwähnt, indem die Zellengrenzen mit Ausnahme an den distalen Enden verschwanden, wodurch die histologische Beschaffenheit eine syncytiale wird. Die Knospen bestehen nur aus einer einheitlichen Protoplasmamasse, in der zahlreiche Kerne ungefähr gleichmässig verteilt sind. Gleichzeitig hiermit entwickeln sich auch die Mollierschen Anastomosen, zu deren näherer Untersuchung ich nun übergehe. Zellbrücken zwischen den Myotomknospen finde ich schon bei den Embryonen von 16 mm Länge. wo die Knospen als Aus- wüchse von den Myotomen in die Bildung begriffen sind. Sie sind aber hier nur vereinzelt vorhanden und machen den Eindruck, als ob sie bei der Abschnürung von den Myotomen aus diesen entstanden seien. Erst in dem Stadium 27 mm (Fig 27 und 28) finde ich sie zahlreicher entwickelt. Sie bilden nun quer oder schräg verlaufende schmälere oder breitere protoplasmatische Brücken zwischen den langgestreckten, keulenförmigen Muskel- anlagen. Sie sind von ganz derselben synceytialen Natur wie diese. Sie können rein protoplasmatisch sein oder Kerne ent- halten, in dem einen wie m dem anderen Falle sehe ich niemals in den Anastomosen eine Andeutung von Zellgrenzen. Die ganze dorsale und ventrale Muskelschicht der jungen Selachierflosse bilden also nun jede für sich ein zu- sammenhängendes Syncytium. Wir wollen jetzt zuerst erforschen, was die Mollierschen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete.e 9 Anastomosen werden. Wenn man bei der Darstellung der Präparate der späteren Stadien (Flossen von Embryonen 30 bis 40 mm) die neueren Fibrillen-Färbungsmethoden von M. Heiden- hain und Benda benutzt, so bekommt man ausgezeichnet schöne histologische Bilder (Fig. 34 und 35, Taf. 19/20). Die Muskel- anlagen strecken sich in die Länge, von einer runden Form gehen die Kerne in eine langgestreckte über. Die Myofibrillen treten auf. Sie verlaufen parallel miteinander in der Längs- richtung der Radialmuskeln. Gleichzeitig werden sie aber auch in den Anastomosen gebildet, und man findet dann Fibrillen- bündel, welche von dem einen Radialmuskel in einer Brücke schräg hinüber zu einem anderen verlaufen, um dann in diesem weiter fortzusetzen. Man kann die Myofibrillen lange Strecken verfolgen. Es ıst überhaupt sehr schwierig zu sagen, wo die Fibrillen anfangen und wo sie endigen. Sie verlaufen in einem Radialmuskel (Fig. 34 u. 35, Taf. 19,20) an mehreren Kernen vorbei, ziehen dann durch eine Anastomose nach einem anderen Radialmuskel und können hier wieder an mehreren Kernen vorbei verfolgt werden. Derartige Bilder lassen es wohl nicht im Zweifel, dass dieses Muskelgewebe ein wahres Syncytium bildet. Diese Beschaffenheit behalten die Muskeln auch in dem folgenden. Auch bei den ältesten von mir untersuchten Föten von 4 cm Länge, wo die Flossenbestandteile in den Details so wie bei den ausgewachsenen Tieren sich verhalten, sind die Radialmuskeln durch schräg verlaufende, fibrillenführende Brücken miteinander verbunden. Ob dies auch bei dem erwachsenen Tiere der Fall ist, kann ich nicht entscheiden, weil ich keine Gelegenheit gehabt habe, eine solche Untersuchung auszuführen. Ich komme jetzt zu einer für die in dieser Abhandlung be- handelten Probleme grundwichtigen Frage, die aber merk- würdigerweise in der Literatur noch nicht einmal aufgestellt worden ist, nämlich wie die Mollierschen Anastomosen ent- stehen. Ohne weiteres ist sie nicht zu beantworten. Ihre 94 E. MÜLLER, Lösung erfordert eine genaue Analyse der nach der besten Fixierung und Färbung dargestellten Präparate. Es zeigt sich dann, dass schon in den frühesten Stadien, bei Em- bryonen von 16 mm Länge, die epithelialen, noch mit den Myotomen zusammenhängenden Knospen nicht scharf voneinander abgegrenzt sind, sondern durch eine Menge feiner protoplasmatischer Ausläufer mit- einander verbunden sind. Noch auffallender wird dies in späteren Stadien (Fig. 29 u. 30, Taf. 15/16, 17/18). Man sieht hier, dass die Grenzen der Knospen nicht scharf markiert sind. Eine sehr in die Augen fallende Eigentümlichkeit ist die, dass zahl- reiche Zellen in allmählich sich verschmälernde kegelförmige Ausläufer ausschiessen. Die Fortsetzungen der Basalkegel, wie ich diese wichtigen Zellausläufer nenne. sind nicht so leicht zu verfolgen. Auf den meisten Stellen endigen sie blind in einer gewissen Entfernung von der Knospe. Ob hier ein wirklich freies Ende vorliegt oder das Bild durch das Abschneiden eines fortgesetzten Fadens zustande gekommen ist, lässt sich nicht entscheiden. Auf anderen Stellen sieht es aus, als ob der Kegel sich in ein feines kernloses Netz zwischen den Muskelknospen auflöste. An anderen Orten sieht es aus, als ob der kegelförmige Fortsatz in einer Mesenchymzelle sich fortsetze. Hierbei ist es aber möglich, dass nur ein sehr dichtes Aneinanderlegen des Fadens an der Zelle das Bild eines direkten Überganges hervorruft. Wichtiger als alle diese unbestimmten und schwer zu deutenden Bilder ist aber die ganz bestimmt nachweisbare Tatsache, dass, wie aus der Fig. 29, Taf. 15/16 hervorgeht, der aus einem Basalkegel hervorgehende Faden sich direkt bis zu einer andern Myotomknospe verfolgen lässt. Solche distinkte, ge- rade, fadenförmige Anastomosen der Stadien von 20—24 mm scheinen oft aus zwei aneinander belegenen Fasern zu bestehen, von denen eine von der einen Knospe, die andere von der anderen Knospe kommt. Die Basalkegel und ihre Ausläufer schlagen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 9 nun einen verschiedenen Entwickelungsgang ein. Ein Teil von ihnen entwickelt sich zu den Mollierschen Anastomosen. Durch eine Kombination verschiedener Bilder desselben Schnittes lässt es sich feststellen, dass die feinen plasmatischen Ver- bindungsstücke wachsen, an Mächtigkeit zunehmen, wodurch eine Protoplasmabrücke von einer gewissen Breite gebildet wird. In der Nähe einer solchen fängt ein Kern an sich zu teilen. Die Kernspindel, welche bei den übrigen parallel der Längsrichtung der Knospe gerichtet war, stellt sich nun senkrecht gegen diese, und die neugebildeten Tochterkerne werden — eine oder beide — in die protoplasmatische Brücke ausgestossen. Ich habe also nun gezeigt, dass die Mollierschen Anasto- mosen schon von Anfang an als feine protoplasmatische Ver- bindungsbrücken zwischen den Muskelknospen vorhanden sind. Diese entwickeln sich weiter zu den groben, kernhaltigen Brücken, welche das eigentliche Objekt für die Molliersche Entdeckung sewesen sind. Und aus diesen entstehen weiter die fibrill- führenden Züge, welche von der einen Knospe nach der anderen verlaufen. Durch diese Untersuchungen halte ich das Wesen der Mollierschen Anastomosen für erklärt. Ohne eigenartige Bildungen zu sein, gehören sie zu der allgemeinen Erscheinung des Zelllebens, welches man mit dem Namen Syneytium be- zeichnet. Weiter ist es deutlich, dass ein Austausch von Zellen zwischen den Muskelknospen absolut nicht stattfindet. Dies geht schon daraus hervor, dass auf dem Stadium, wo die von Mollier beschriebenen Zellbrücken entwickelt sind, die Knospen nicht aus Zellen, sondern Zellsyneytien bestehen. Man darf sich auch nicht vorstellen, dass das Auftreten der genannten Ana- stomosen eine etwaige Veränderung in dem Wesen der Knospen hervorbrinst. Von Anfang an sind die Knospen durch proto- plasmatische Verbindungen vereimigt. Das Plasma einer Zelle in einer Knospe setzt sich kontinuierlich in dasjenige der Zelle einer anderen Knospe fort. Nach abgeschlossener Entwickelung 96 E. MÜLLER, setzen die in der einen Knospe gebildeten Fibrillen sich kon- tinuierlich in die Fibrillen der anderen Knospe fort. Hieraus geht hervor, dass es nur das Vorhandensein der Myofibrillen ist nebst gewissen untergeordneten Zügen in der Gestalt, welches die Radialmuskeln von den Knospen unterscheidet. Und daraus ergibt sich ein für die Extremitätentheorien sehr wichtiger Schluss: Sind die Knospen ursprünglich metamer, so sind die Radialmuskeln ebenso sicher gleichfalls metamer. Ich komme nun zu der schwierigen Frage über die Ent- wickelung der Flossennerven. Von dem Stadium 16 mm bis zu demjenigen von 24 mm, d.h. von dem Stadium, wo die Knospen als kleine Auswüchse aus den Myotomen entstehen bis zu dem, wo sie die lange keulenförmige Gestalt angenommen haben, bestehen die Nerven aus feinen, ım Kaliber wechselnden, plasmatischen Fäden. Ob diese mit den spezifischen Färbungen darstellbare Neurofibrillen enthalten, weiss ich nicht, da ich noch nicht Gelegenheit gehabt habe, dies zu prüfen. Sicher ist aber, dass man mit Eisen-Hämatoxylin in diesen frühen Stadien keine Neurofibrillen gefärbt bekommt, während man später bei Embryonen von 32 mm solche zur Ansicht bekommen kann. Um Einsicht zu gewinnen, wie diese Fäden zu den Knospen- zellen sich verhalten, muss man gute Plasmafärbungen bentuzen. Ich habe die besten Resultate durch eine Verbindung von Chrom- und Eisenhämatoxylin oder durch Eosinfärbung nach den An- weisungen von Godlewski (19) erhalten. In solchen Präpa- raten findet man, wenn man passende Längsschnitte untersucht, längs der tiefen Fläche der Knospen feine, girlandenförmige Plasmafäden, welche einerseits in den ähnlichen Bildungen der Nervenstämme, andererseits in den Zellen der Knospen (Fig. 31, Taf. 17/18) sich fortsetzen. Der Übergang in die Zellen wird durch solche Basalkegel vermittelt, welche schon bei der Histogenese der Radialmuskeln beschrieben sind. Sie nehmen hier aber eine Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 97 andere Richtung ein, indem sie, statt senkrecht gegen die Knospe gerichtet zu sein, abgebogen sind, so dass sie in die Längsrichtung der Knospen eingestellt sind. Weiter findet man auf denselben Frontalschnitten plasmatische Fäden von derselben Art wie in den Nerven, welche quer von einer Knospe zu einer anderen verlaufen, um hier in einem nach aussen gerichteten Basalkegel zu enden. Ich finde also in diesen frühen Stadien ein Netzwerk aus plasmatischen Fäden von bestimmter Anordnung, teils ver- laufen die Fäden girlandenförmig längs den Knospen, teils von der einen Knospe zu der anderen, dies Netzwerk hängt mit den schon präformierten Nerven zusammen. Den Beweis, dass aus diesem Netzwerke, aus dem ja auch die Mollierschen Anastomosen entstehen, die Nerven hervorgehen, hole ich vor allem aus den Veränderungen, welche die sog. Basalkegel durch- machen. Diese sind in den früheren Stadien deutliche Aus- wüchse gewöhnlicher Zylinderzellen, welche die Knospen auf- bauen und haben eine sehr charakteristische körnige Struktur (Figg. 29 u. 30). Wenn nun die Myotome sich in die Länge strecken und die syncytiale Beschaffenheit annehmen, dann verändern die Basalkegel auch ihre Gestalt. Wie man in den Fig. 32 und 33, Taf. 17/18, 19/20 deutlich wahrnimmt, werden sie niedriger, ihre Basis mehr in die Länge gezogen. In diesem Zustande, welcher in den Flossen der Embryonen von 30 bis 32 cm Länge vorherrscht, treten nun gleichzeitig mit den Myofibrillen auch die Neurofibrillen auf. Man bekommt dann Bilder wie die Fig. 36, 37, wo man ziemlich grobe Fasern findet, welche von den Nerven kommen und direkt ın die platten Basal- kegel übergehen. Sowohl die Fäden wie die Kegel enthalten ausserordentlich feine Fibrillen von netz- oder geflechtartiger Anordnung. Die Fibrillen setzen sich direkt in den Muskelzellen fort. Sie sind ausserordentlich fein und haben dazu ein be- sonders zierliches, nicht leicht beschreibbares Aussehen, welches sie sehr wohl von den stark gefärbten, bisweilen homogenen, bisweilen quergestreiften Muskelfibrillen unterscheidet. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) m 98 E. MÜLLER, Dass die genannten Kegel den wahren Übergang zwischen den Nervenanlagen und den Muskelanlagen bilden, darüber besteht für mich kein Zweifel. Bilder, wie die Fig. 36 und 37 zeigen, können unmöglich in anderer Weise gedeutet werden. In der letzten Zeit habe ich Gelegenheit gehabt, die Nerven- entwickelung der Acanthiasflosse mit dem neuen Metallinprägna- tionsverfahren zu studieren. Diese Untersuchungen, deren Re- sultate ich bald hoffe publizieren zu können, bestätigen meine oben erwähnte Darstellung. In den vorliegenden Zeilen habe ich nun gezeigt, dass ein primärer Zusammenhang zwischen den Nerven und den Muskelbildungszellen tatsächlich besteht. Für die Ansicht, dass die Flossennerven durch Auswachsen von dem Centrum nach der Peripherie entstehen, habe ich keine Anhalts- punkte erhalten. Vielmehr spricht alles, was ich gesehen habe, gegen eine solche Entstehungsweise. Wenn nun dies wichtige Fundament für die Nervenbildung festgestellt ist, dann ist es auch leicht, den Bildungsmodus zu verstehen, durch welchen die Nerven zustande kommen. Im Zusammenhang mit dem Fort- wachsen der Myotome durch Zellbildung wird auch die ursprüng- lich einheitliche Fortsatz der Faser von der Peripherie in der Rich- tung gegen das Centrum aufgefasert. Nun darf man sich aber nicht vorstellen, dass alle Zellen in ihren basalen Teilen in die obenbeschriebenen kegelförmigen Fortsätze sich verlängern. Die primitiven Nervenfäden entstehen auch, wie schon beschrieben ist, als lange dünne arkadenförmige Bildungen, welche längs den Myotomknospen oder längs den Mollierschen Anastomosen verlaufen und mit ganzen Zellreihen oder, wenn das Syneytium gebildet ist, mit mehreren Kernterritorien in Verbindung stehen. Besonders ist die Entstehung der starken cranialen und caudalen Anastomosen hierbei sehr belehrend.. Auf dem Platz, wo die craniale von diesen später liegt, findet man zuerst eine mächtige, von Zellen aufgebaute Basalanastomose zwischen den cranialen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 9) Myotomen. Von einer Nervenanastomose sieht man anfäng- lich nichts. Diese tritt erst als ein feiner dünner, ganz kernloser, protoplasmatischer Faden längs dem basalen Abschnitte der genannten Anastomose auf. Allmählich nimmt er durch Bildung von neuen Fibrillen an Stärke zu, wobei es nicht so leicht ist, zu entscheiden, ob eine Vermehrung der Fäden durch Aufsplitterung in der Länge von der erst gebildeten Fibrille oder durch Ausscheidung von dem basalen Teile der Zellbrücke zustande kommt. Sicher ist nur, 1. dass die Nervenanastomose in loco gebildet wird, 2. dass nicht ganze Zellenreihen bei der Bildung der Nerven aufgehen. Ich rekapituliere das Vorhergehende. Die Zellen der Knospen der Selachierbrustflosse sind durch plasmatische Aus- läufer untereinander verbunden. Diese verlaufen also sowohl innerhalb jeder Knospe, wie von der einen Knospe nach der anderen. Aus diesem neuromuskulären Epithelium gehen so- wohl die Muskeln wie die Nerven hervor. Aus den Knospen ent- stehen die Radialmuskeln und die längs diesen verlaufenden Nn. pterygiales und Nn. intermittentes. Die feinen zwischen den Knospen verlaufenden Verbindungen differenzieren sich in zweier- lei Richtung: teils werden sie zu Mollierschen Anastomosen, teils zu Nervenfasern. In letzterem Falle bilden sie vor allem die feinen Äste, welche von den Nn. pterygiales abgehen und die caudalen Knospen jedes Knospenpaares innervieren. Die plas- matischen Verbindungen zwischen den Knospenzellen und den Knospen ist das erste, phylogenetisch ältere Nervensystem. Innerhalb dieses entstehen die Neurofibrillen. Sie bilden das zweite und bestehende Nervensystem. Wie aus dem Vorhergehenden zu ersehen ist, schliesse ich mich ganz der Lehre von Hensen über die Entstehung der motorischen Nerven an. Je mehr ich mich in meine Studien über die Entstehung der Flossennerven vertieft habe, desto mehr 7* 100 E. MÜLLER, bin ich von der Richtigkeit seiner Lehre überzeugt worden, dass die Nervenbahnen der Wirbeltiere ein Maschenwerk von unter- einander zusammenhängenden Plasmabrücken bilden. Man muss den Scharfblick des grossen Kieler Physiologen bewundern, wenn man bedenkt, dass er schon diese zarten Strukturen gesehen und richtig gedeutet hat. Es wird eine dankbare Aufgabe der jetzigen Histologie, Methoden auszuprobieren, um die Details dieses Hensenschen Urnervensystems festzustellen. Das Wich- tigste der Hensenschen Lehre ist die Entstehung der Nerven aus plasmatischen Brücken. Hierin besteht auch die Bestätigung meiner Untersuchung. Eine sehr schwierige Frage ist die, be- stimmt zu entscheiden, wie diese Verbindungen entstehen. Hier stehen die Ansichten von Hensen und O. Hertwig einander gegenüber. Jener nimmt an, dass die Verbindungen primär als Reste von unvollständigen Zellteilungen entstehen. Dieser hest dagegen die Auffassung, dass die Zellen ursprünglich frei sınd und dass der Zusammenhang secundär zustande kommt durch protoplasmatische Auswüchse und deren Verbindungen. Man könnte auch an die Möglichkeit denken, dass beide Ent- stehungsweisen zur Anwendung kommen. Ich habe vıel über diese Fragen nachgedacht und geforscht im Zusammenhang mit meinen oben mitgeteilten Studien über die Entstehung der Mollierschen Anastomosen, kann mich aber nicht bestimmt für die eine oder andere Möglichkeit entscheiden. So viel weiss ich doch bestimmt, dass die Knospen schon von Anfang an durch reichliche feine Anastomosen miteinander ın Verbindung stehen. Da ich nun in dem Folgenden dartun werde, dass die Myotome selbst ähnliche plasmatische Verbindungen zeigen, so ist natürlich der Schluss berechtigt, dass die Verbindungen zwischen den Knospen von dem Mutterboden mitgebracht werden. Und wenn man die Knospenbildung beobachtet und sieht, wie sie als kleine Auswüchse aus den Myotomen hervorsprossen, so liegt in dieser Entstehungsweise nichts Befremdendes gegen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 101 eine solche Anschauung. Wenn man andererseits bedenkt, dass ohne Zweifel die Knospen aktıv in das Flossenmesenchym hineinwachsen, so liegt die Möglichkeit nahe, dass die Ver- bindungen wenigstens teilweise abgerissen und verändert werden. Unter solchen Umständen können ja die reichlichen Verbindungen nur durch secundäres Auswachsen von Ausläufern und Ver- bindungen unter diesen zustande kommen. Nun sprechen ohne Zweifel die histologischen Bilder auch hierfür. Man kann be- obachten, wie ein schöner kegelförmiger Ausläufer von der Seite einer Knospe ausgeht und nach einem gewissen Verlaufe blind in dem Mesenchyme endist, ohne dass man in den folgenden Schnitten seine Fortsetzung verfolgen kann. Ich finde also die Ansicht am wahrscheinlichsten, welche annimmt, dass die Ver- bindungen zwischen den Myotomknospen teils ursprünglich von den Muttermyotomen mitgebracht sind, teils solche darstellen, welche später durch Auswüchse von den Knospen entstanden sind. Es ist mir wohl bewusst, dass ich in der Frage der Ent- wickelung des peripheren Nervensystems mich in der Minorität befinde, da wohl gegenwärtig die allermeisten Forscher, von den histologischen Forschungen von Cajal und den merkwürdigen Ergebnissen von Harrison u. a. überzeugt, der Ansicht von einem freien Auswachsen der Nervenfasern huldigen. Trotzdem, dass ich bei dieser Gelegenheit keine Erklärung der experimen- tellen Befunde geben kann, bin ich ganz überzeugt, dass eine ursprüngliche Verbindung zwischen der Muskelzelle und Nerven- zelle besteht und dass die Nervenfaser aus dieser Verbindung hervorgeht. Als Gründe für meine Ansicht bringe ich zwei vor: einen von mehr handgreiflicher Art und einen von theoretischem Inhalt. Der erste Grund besteht darin, dass ich gezeigt habe, dass aus dem Basalkegel einer Epithelzelle bestimmte Teile der werdenden Nerven hervorgehen, während die Epithelzellen selbst Muskelfasern werden. Der zweite Grund ist der folgende: Durch ein freies Auswachsen der Nervenfasern erhält man gar keine 102 E. MÜLLER, Erklärung für die Anordnung der Flossennerven, die Hensen- sche Lehre aber gibt eine solche. Wie Hensen (26) richtig hervor- hebt, ist die Lehre von einem freien Auswachsen der Nerven- fasern ein einziges Wunder. Dies wird nicht aufgehoben durch die Hilfshypothese, dass eine Chemotaxis der Muskelbildungs- zellen die auswachsenden Nervenfaseın an sich zieht. Ein sründlicheres Nachdenken lehrt, dass diese Hypothese eigentlich gar nichts sagt über das, was man bei dem Ausgangspunkte schon weiss. Die logische Operation der Auswachsungslehre ist folgende. Eine Nervenfaser wächst an einer bestimmten Muskelfaser. Warum? Antwort: Die bestimmte Muskelfaser zieht (durch eine ihr innewohnende Kraft) die Nervenfaser an sich. Ein Vergleich zwischen diesen Urteilen lehrt nun, dass der letzte Satz ganz denselben realen Inhalt hat, nur formaliter in anderer Weise ausgedrückt, dass also die ganze „Erklärung“ eine Umschreibung der ursprünglichen Behauptung, d. h. des Auswachsens ist. Die Hensensche Lehre besteht dagegen aus Gliedern, zwischen welchen Notwendiskeit, Gesetzmässigkeit, d. h. Cau- salıtät herrscht. Sie macht also Anspruch darauf, eine natur- wissenschaftliche Erklärung zu geben. Die Zellen sind durch bestimmt orientierte plasmatische Brücken miteinander ver- bunden, wobei es vorläufig von nebensächlicher Bedeutung ist, wie die Brücken entstanden sind. Von diesen feinen Plasma- brücken sind gewisse determiniert, durch Wachstum eine be- stimmte Nervenfaser zu werden. Das feine Plasmanetzwerk ent- hält ın sich viele Möglichkeiten zur Entwickelung, unter der Eimwirkung bestimmter, immer wiederkehrender, gleichwirkender Faktoren gehen aus diesem allgemeinen die speziellen Strukturen hervor. Auf die Flossennerven angewendet, lautet die Hensensche Lehre folgendermassen. Das Nervensystem der Flosse ist in einem System von feinen Plasmabrücken determiniert, dessen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 103 Anordnung durch die Myotomknospen bestimmt ist, d.h. sie laufen teils längs diesen, teils quer zwischen ihnen. Nun laufen die Knospen nebeneinander von innen nach aussen, also müssen die grossen Nerven auch dieselbe Richtung einschlagen. Auf Grund des Umstandes, dass die Nerven proximal von den Mutter- myotomen verlaufen, hängen nur die proximalen Knospen jedes Paares mit den Hauptnerven zusammen und werden also von diesen innerviert. Da nun alle Myotome durch quere plas- matische Urnerven miteinander zusammenhängen, so folgt hieraus als eine logische Notwendigkeit, dass jede zweite Knospe, die caudale eines jeden solchen Knospenpaares, von zwei Haupt- nerven innerviert wird. In dieser Weise gliedert sich die Nerven- entstehung der Flossen in Stadien, von denen das eine mit Not- wendigkeit aus dem anderen hergeleitet werden kann. Ich habe schon hervorgehoben, dass in meinen Präparaten nichts zu sehen ist, was für ein Auswachsen der Nervenfasern spricht. Wenn es sich hierbei um so grobe Verhältnisse handelte, wie diejenigen, welche Harrison in seinen Auswachsungsver- suchen als grobe, verästelte Fasern zeichnet, dann müsste man die auswachsenden Fäden sehr leicht sehen. Solche Bildungen finde ich aber wie gesagt niemals. Im Gegenteil muss hervor- gehoben werden, dass es sich hier um äusserst minutiöse und fragile Strukturen handelt. Dagegen zeigen meine Präparate gute Übereinstimmungen mit den Bildern, welche die Anhänger der Hensenschen Lehre veröffentlicht haben. In Lepidosiren-Embryonen hat, wie bekannt, Kerr ein ausgezeichnetes Material gefunden, um den direkten Übergang zwischen Nerven- und Muskelzelle zu demonstrieren. Im Stadium 27 bildet der motorische Nerv eine zellenfreie Brücke zwischen Rückenmark und Myotom, welche in eine Sammlung „of strands‘ aufgelöst werden kann. Es zeigt sich weiter, „that each strand passes perfectly continuously and by insensible gradations into the granular protoplasm, which forms a tail-like process of a myoepithelial cell of the myotome‘. Ich finde eine vollständige Überemstimmung zwischen diesen Befunden von Kerr über den Zusammenhang zwischen den Myotomzellen und den Nervenfäden und denjenigen von mir ın den Flossen- knospen. Der „tail-like process of a myoepithelial cell‘, von dem Kerr spricht, ist identisch mit den Basalkegeln, welche ich ın der Flosse beschrieben habe. Beachtenswerte Angaben über die Bildung des peripheren Nervensystems der Selachier findet man bei S. Paton (40). Er unterscheidet zwei Zustände der peripheren Nerven „nämlich „undifferentiated bands of protoplasma‘“ und neurofibrillführende Nervenfasern, welche aus den vorigen entstehen. Von grosser Bedeutung scheint mir die Beobachtung zu sein, dass Bewegungen von seiten des Körpers des Selachierkeimes ausgeführt werden | schon zu einem Zeitpunkt, wo die genannten undifferenzierten | Protoplasmaverbindungen das einzige Substrat einer Leitung | bilden können. In der schönen Abhandlung von Held über die Entwicke- % lung des Nervengewebes, welche wohl die umfassendste und tiefsinnigste Untersuchung über die Genese des Nervengewebes bildet, schätze ıch als das grösste Verdienst, dass er die Lehre von Hensen aufgenommen und durch eine Menge schöner Befunde gestützt und bestätigt hat. Die Verbindungen, welche ich zwischen den Myotomknospen beobachtet habe, sind prin- zipiell von ganz derselben Art wie die, welche zuerst Szily und dann Held zwischen den verschiedenen Keimblättern und Primitivorganen dargestellt haben. Ich finde teils gröbere Fasern, teils ein feines Netzwerk. Ich stelle mich ganz an die Seite von Held, wenn er die Bemerkungen zurückweist, dass die genannten Strukturen nur Kunstprodukte seien. So deut- liche Verbindungen, wie ich sie in Fig. 29 gefunden habe, können unmöslich Artefakte sein. Auch die feineren Netzwerke haben ein solches Aussehen, dass ein gewöhntes Auge sie leicht als wirkliche Gewebestrukturen entdeckt. Anatom. Hefte. I. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1) MA. o 0% 23 Ch EA ! — = = Gustaf Wennman del. Anatom. Hefte. I. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) Fig. 31. Gustaf Wennman del. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 105 In dem grossen Werke von Held finde ich keine besonderen Angaben über die Entstehung und Umbildung der Basalkegel, welche in den Flossenmuskeln so deutlich hervortreten. Doch teilt er (8. 136) die Beobachtung mit, dass die Neurofibrillen sich in die Muskelepithelien hinein fortsetzen. Dieser Satz findet in meinen Beobachtungen auch vollständige Bestätigung. Ich elaube, man kann nicht schönere Objekte als die Myotom- knospen von der Acanthiasflosse aufsuchen, um den besonders von Gerlach scharf vertretenen Satz von dem intimen Zu- sammenhang zwischen Muskel- und Nervenfasern zu demon- strieren, indem die Myo- und Neurofibrillen aus denselben epi- thelialen Zellen entstehen. Den zweiten Haupteil der Heldschen Lehre kann ich nicht so vollständig acceptieren wie den ersten. Die Bildung des eigentlichen Nervengewebes soll nämlich nun zustande kommen durch das einseitige Wachstum einer besonderen Substanz, der neurofibrillären Zellsubstanz, welche in den Hisschen Neuro- blasten entsteht und von hier in den vorgebildeten Plasmabahnen der Hensenschen Urnerven, die freilich nicht n Hensens Sinn als ursprüngliche Zellbrücken, sondern durch Vereinigung ausgewachsener Protoplasmafortsätze aufgefasst werden, all- mählich nach der Peripherie bis in die feinsten Enden, z. B. als Neurofibrillen in die Muskelfasern auswächst. Den Beweis hier- für findet Held in seinen schönen histologischen Bildern, welche zeigen, dass die neurofibrilläre Substanz zuerst als ein Faserwerk in dem Körper der primären Neuroblasten entsteht. Dieses Neuroreticulum setzt sich dann in ein primäres Fibrillenbündel fort, welches während der fortschreitenden Entwickelung sich allmählich verlängert, so dass es in frühen Stadien innerhalb der Medulla endigt, in darauffolgenden ausserhalb dieser gefunden wird, in noch späteren Stadien sich bis zum oder hinein in das Myotom streckt usw. Der sekundäre Neuroblast verlängert sich also immer mehr in ein stark färbbares Fibrillenbündel, 106 E. MÜLLER, dessen Ende die sog. Wachstumsspitze entweder einfach zuge- spitzt ist oder eine endständig angeschwollene Form besitzt, und welches nicht frei hervorwächst, sondern innerhalb der geschlossenen plasmatischen Bahn fortschreitet. Die Gründe, weshalb ich mich ablehnend gegen diese Lehre des Auswachsens einer besonderen Nervensubstanz stelle, sind folgende. Zuerst ist für mich bestimmend der allgemeine Grund, den schon Baer gegen die Auswachsungslehre der Nerven im allgemeinen gerichtet hat. Es ist befremdend, zu denken, dass jede von diesen unzähligen Neurofibrillen, welche z. B. inner- halb der Muskelfasern sicher zu finden sind, nicht ın loco ge- bildet, sondern von langer Ferne gekommen und secundär einge- wachsen ist. Ein einfacher Muskelfaden sollte also eine Art von Bastard sein: die Myofibrillen in loco gebildet, die Neuro- fibrillen von aussen gekommen. Alles, was ich in der Histogenese der Flossenmuskeln gesehen habe, spricht gegen eine solche Deutung. Die zarten Neuro- und Myofibrillen verlaufen neben- einander in einer solchen Weise, dass sie den lebhaften Eindruck von Brüdern und nicht von Fremden machen. Wenn man nun aber die obengenannten schönen Bilder näher studiert, auf die Held die besprochene Lehre gründet, dann findet man leicht, dass diese nur eine subjektive Deutung von Entwickelungsformen ist, welche ebensogut auf eine andere Weise aufgefasst werden können. Dies wird selbst angedeutet von Held in folgendem Passus: Eine histogenetische Unter- suchung ‚kann aber bereits nicht mehr ohne weiteres entscheiden, ob z.B. die Bahn, in deren plasmatischer Substanz und mit deren Hilfe jene Neurofibrillenzüge von einem Neuroblasten her vorwachsen, also die Bahn, welche Hensen als Urnerven- bahn bezeichnet hat, die für das fortschreitende Wachs- tum des Nerven notwendigen Stoffe als solche seiner Spitze anfügt, oder ob solche Substanzen als neurogene aus- schliesslich oder vorzugsweise aus den Neuroblasten und längs der schon gebildeten Nervenstrecke und während der ganzen Zeit des Nervenwachstums vorströmen und dadurch den Nerven weiterbauen‘‘. Hier macht ja Held ein Eingeständnis, welches die Deutung der genannten Entwickelungsvorgänge als Wachs- tum gewissermassen erschüttert, denn wenn es so wäre, wie in der ersten Erklärungsmöglichkeit angedeutet ist, dass die für das „Wachstum‘‘ notwendigen Stoffe aus der plasmatischen Bahn herstammen und die Verlängerung dadurch zustande kommt, dass Partikelchen aus diesem sich an die differenzierten Neurofibrillen allmählich anlegen, dann handelt es sich nicht um ein Auswachsen, sondern um eine allmählich vom Centrum nach der Peripherie fortschreitende Fibrillenbildung. Und ın der Tat hat Held ganz recht, dass es unmöglich ist, in der gegen- wärtigen Lage der Sache bestimmt zu entscheiden zwischen den beiden obenbesprochenen Möglichkeiten. Darum scheint es mir viel besser, den Inhalt der Heldschen Bilder so auszu- drücken, dass man sagt, dass das zweite Stadium der onto- genetischen Nervenentwickelung im einer vom Üentrum aus- gehenden, nach der Peripherie fortschreitenden Neurofibrillation der Hensenschen Urnerven besteht. Dies ıst nämlich die wirklich berechtigte Schlussfolgerung aus den Heldschen Bildern und bildet ja auch ın dieser Form eine sehr bedeutende Er- weiterung unserer Kenntnisse von der peripheren Nerven- entwickelung. Die Auffassung, die ich vorläufig babe, ist die, dass die Fibrillen aus der zusammenhängenden plasmatischen Bahn entstehen. Entscheidende Beweise kann ich allerdings hierfür nicht liefern. Dazu müssen viel eingehendere histologische Untersuchungen angestellt werden, als ich Gelegenheit gehabt habe auszuführen. Ich habe diese Untersuchung vorgenommen, um die gröberen morphologischen Verhältnisse zwischen den Nerven und den Muskeln zu erklären. Und für diesen Zweck glaube ich, dass sie ausreichend sind. 108 E. MÜLLER, Den Namen epitheliales Bindegewebe, welchen Held für die mehrerwähnten Verbindungen braucht, in denen die Nerven entstehen, finde ich von meinem Standpunkte, nach welchem die Neurofibrillen in loco gebildet werden, nicht glücklich ge- wählt, weil er eine funktionelle Aufgabe bezeichnet, die sehr problematisch ist. Meiner Ansicht nach bilden nämlich die netzbildenden feinen Strukturen, welche Hensen, Scily und Held beschrieben haben, ein undifferenziertes plasmatisches Material, aus dem verschiedenes entstehen kann. Bei meinem Objekt der Flossenanlagen gehen, wie ich gezeigt habe, Muskel- anastomosen und Nerven aus denselben feinen plasmatischen Zellverbindungen hervor. Aus diesem Grunde erscheint mir ein mehr indifferenter Namen mehr berechtigt. Die Ansıcht über die Bildung des peripheren Nervensystems, die ich mir teils durch meine Untersuchungen der Flossen- nerven, teils durch das Studium der vortrefflichen Heldschen Arbeit gebildet habe. ist die folgende. Die erste Anlage des Nervensystems ist ein System von plasmatischen Brücken, welche die besonderen Zellen der Primitivorgane sowie diese letzteren untereinander verbinden. So ist z. B. der Zustand in der Flosse, während der Zeit der Muskelknospen, also bei Em- bryonen von 16—30 mm Länge. In diesem Urnervensystem oder Hensenschem Nervensystem ist die Nervenleitung schon vorhanden, die Reize sind schwächer und verlaufen in allen möglichen Richtungen, entsprechend der Ausbreitung des Netzes. Inzwischen entwickeln sich die Neuroblastenhaufen des Central- nervensystems immer mehr. Die davon ausgehenden Nerven- reize werden immer mächtiger und strömen immer stärker gegen die Peripherie. Aus Gründen, die vorläufig unerwähnt bleiben können, werden hierbei nur gewisse Wege in dem allseitig ent- wickelten Netzwerke benutzt, diese wachsen weiter und werden vergrössert, während andere veröden. Längs jenen entstehen nun die Neurofibrillen als Ausdruck für den Verlauf der nervösen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 109 Reizwellen in derselben Weise, wıe auf der Landstrasse die Wagen ihre Spur hinterlassen. Man kann die Vorgänge in dem entstehenden Nerven- system mit denjenigen im Gefässsystem vergleichen. Das erste Stadium dieses ist ein Netz von feinen und dünnen Röhren, in denen der Strom in beliebiger Richtung fliesst. Dieser Zu- stand entspricht dem Hensenschen Urnervensystem. Durch die netzförmige Anlage des Grefässsystems schiessen die Blut- ströme in gewissen Richtungen allmählich stärker und zwar unter dem Einflusse des stärker werdenden Herzens. In der- selben Weise wird die Mächtigkeit der Nervenreize unter dem Einflusse des zuwachsenden centralen Nervensystems vermehrt, und diese schiessen durch bestimmte Teile des Urnervensystems, welche sich zu peripheren Nerven entwickeln. Der Weg der grossen Blutströme wird durch die Entwickelung einer mäch- tigen Wandschicht angegeben. Der Weg für die Fortpflanzung der Nervenreize wird durch die entstehenden Neurofibrillen be- zeichnet. In der obenstehenden Ansicht ıst viel Hypothetisches, welches durch fortgesetzte Untersuchungen sich bestätigt oder aufgehoben werden muss. Sicher ist indessen, dass diese Ansicht geeignet ist, über die Flossennerven Licht zu werfen. Vergleiehung meiner Untersuchungen mit den- jenigen früherer Autoren. Die mitgeteilten Untersuchungen schliessen sich genau an diejenigen vonDohrn, Rab], Mollier, Goodrich und OÖsburne an, indem sie diese teils bestätigen, teils erweitern. Dagegen stimmen sie nicht mit denjenigen von Braus überein. Nun sind 110 E. MÜLLER, die Untersuchungen ven Braus bei Spinax niger ausgeführt, während mein Objekt Acanthias vulgaris gewesen ist. Die vorhandenen Differenzen könnten also möglicherweise hierdurch erklärt werden. Die nahe Verwandtschaft dieser Tiere sowie die Art der Unterschiede zwischen unseren Resultaten sprechen doch gegen eine solche Annahme. Braus scheidet streng zwischen den Knospen und Radıial- muskeln. Jene sind metamere Bildungen, diese sind dagegen von dem Material von mehreren Myotomen aufgebaut. Die Ver- änderungen sollen dadurch zustande kommen, dass ein wirk- licher Austausch von Muskelbildungszellen durch die Mollier- schen Anastomosen stattfindet. Nähere Angaben, wie dieser Austausch zustande kommt, macht nun Braus freilich nicht. Dass er sich aber vorstellt, dass wirklich Zellen von der einen Knospe zu der anderen überwandern, ist ausser allem Zweifel. So spricht er auf $. 607 direkt von „aktiven Bewegungen der Muskelbildungszellen‘‘, und auf 8. 540 heisst es: „Auch hier ist die Sprossung lediglich eine Folge von Verschiebungen“ ruhender „Zellen“. Auf 8. 541 schreibt er: „Denn die Zellen der ver- schiedenen Knospen sind für unser Auge so gleich, dass wir sie nach ihrer Vermischung in den Verbindungssträngen nicht mehr bezüglich ihrer serialen Herkunft auseinander halten können.‘ Aus diesen Citaten geht zur Genüge hervor, dass Braus niemals wirklich beobachtet hat, dass Zellen von der einen Knospe zu der anderen hinüber wandern. Die genannte Vorstellung ruht also auf hypothetischem Boden. Nun zeigen meine Untersuchungen, wie ich hoffe, einwandfrei, dass diese Vorstellungsweise ganz unrichtig ist. Nicht eine einzige Zelle wandert von der einen Knospe zu der anderen hinüber. Es findet keine Vermischung der Zellen durch die Mollierschen Anasto- mosen statt und zwar aus dem einfachen Grunde, dass, wenn die Mollierschen Anastomosen auftreten. die Zellgrenzen und also auch die Zellen als solche verschwunden sind, und bis dahın Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 111 sitzen die Zellen in einem solchen epithelialen Verbande, welcher niemals gelockert wird, dass von einer Lageveränderung keine Rede sein kann. Um den Unterschied zwischen unseren Resultaten in betreff der Nervengenese hervorzuheben, weiss ich keine bessere Weise, als den für diese Dinge interessierten Leser zu bitten, die Fig. 2, 3, 4 auf Taf. XXI der Brausschen Arbeit, welche ich hier als Textfig. 9, 10, 11 reproduciere, mit meinen Fig. 1 u. 2, Taf. 1/2 und Fig. 10, Taf. 5/6 dieser Abhandlung zu vergleichen. Braus Fig. 2 der Brausschen Arbeit. Textfigur 9. seht von dem Zustande aus, welcher in der Textfig. 9 gezeichnet ist, dass jeder Flossennerv sich in zwei gleich starke Äste für die zugehörigen Myotomknospen teilt. Ein solcher Zustand existiert jedoch nicht. Denn von Anfang an hängen die Hauptnerven nur mit den proximalen Knospen jedes Knospenpaares zusammen und entwickeln sich längs deren tiefen Flächen. Die weitere Entwickelung, welche durch die Textfig. 10 u. 11 illustriert wird, wird nun so beschrieben. Der oben gedachte Zustand, in dem zwei Knospen von zwei Ästen desselben serialen Nerven ver- sorgt werden, „ändert sich mit einem Schlage zur Zeit der Um- wandlung der Knospen in Mm. radiales (Taf. XXI, Fig. 3). Es E.: MÜLLER, x NE N 52 AN ON N Sn var \ \ N % NN NA E ! Fig. 3 der Brausschen Arbeit. Textfigur 10. Eig. 4 des Brausschen Arbeit. Textfigur 11. seht jetzt nicht mehr ein Nerv mit zwei Ästen an zwei neben- einander liegende Muskelanlagen, sondern feine Nervenfädchen begeben sich auch an die diesen vorangehenden und auf sie Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 113 folgenden Mm. radiales. Da alle Nerven sich in gleicher Weise entwickeln, so überkreuzen sich die Nervengebiete. Es entsteht ein ausserordentlich dichtes Gewirr von Nervenfasern, welches sich immer mehr verfilzt, je stärker die Überkreuzungen der Nervenfädchen sich ausbilden (Taf. XXIII, Fig. 9)“ Diese Beschreibungen sind klar und deutlich, und die Bilder illustrieren ja die beschriebenen Vorgänge in der deutlichsten Weise. Es ist wohl also klar, dass Braus hier die Hauptnervenstämme schon in der Basis der Flosse aufhören und in ein Netz über- gehen lässt, in dem die ursprüngliche Metamerie ganz aufge- hoben ist. Es resultiert also nun ein solcher Zustand, wie Braus ihn vorher in seiner Ceratodus-Abhandlung in der mehrerwähnten Textfigur illustriert hat und von dem in meiner Antwort so viel gesprochen ist. Nun bitte ich den Leser, die zitierten Be- schreibungen und die dazu gehörenden Figuren mit meinen Re- konstruktionen (Figg. 1, 2 u. 10) vergleichen zu wollen. Er findet dann, dass die Beschreibungen und Abbildungen von Braus nicht richtig sind. Die metameren Hauptnerven der Flosse lösen sich nicht in dem Netze von Braus auf, sondern setzen sich als grobe Stämme längs den ungeraden Knospen fort. Diese groben Stämme müssen von Braus ganz übersehen sein, denn man findet nichts davon weder in der Beschreibung, noch ın den Bildern. Im Zusammenhang hiermit steht, dass Braus die doppelte Innervation der geraden Myotomknospen ganz über- sehen hat. Was nun die Polyneurie der Radialmuskeln betrifft, welche faktisch, obgleich lange nicht in dem Umfange, wie Braus dies annimmt, besteht, so belehren meine Bilder auch hierüber. Bei Embryonen von 27—832 mm Länge ist es leicht zu sehen, dass nicht alle Nerven sich innerhalb ihrer Drei-Muskelgruppe halten. Konstant in den Enden der Flossen finde ıch, dass ein Nerven- ast von dem Hauptaste kommend durch eine Anastomose oder zwei an einem Muskel vorbei zieht und in dem naheliegenden Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) 8 114 E. MÜLLER, endigt. Diese Polyneurie aber kommt gar nicht so zustande, dass Muskelbildungsmaterial von der einen Knospe zu der anderen durch die Molliersche Anastomose hinüberwandert, sondern da- durch, dass feine plasmatische Fäden die Knospen von Anfang an verbinden, oder dadurch, dass längs den zelligen Anasto- mosen feine Fasern ausgeschieden werden, wie ich oben S. 98 beschrieben habe. Kurz gesagt, die Polyneurie hat ihre Ursache in der ursprünglichen syncytialen Beschaffenheit des Neuro- myoepitheliums, welches die Muskelknospen bilden. Nach Braus findet nun der obengenannte Austausch von Zellen durch die Anastomosen in einer bestimmten Richtung statt. Ursprünglich findet er, wie schon oben gesagt, dass jede Knospe einen starken Nervenast von seinem serialen Nerven erhält. „Später verwischt sich dieses Verhältnis, und die dickeren Äste eines jeden Flossennerven verlaufen durchschnittlich zu weiter rostralwärts liegenden Mm. radiales wie in früheren Sta- dien bei welchen die ursprünglichen Zustände noch zu erkennen waren.‘ Dies wird nun durch eine Tabelle (S. 549) illustriert. In der ersten Zeile wird die Lage der Hauptäste zu den Knospen- paaren eines Embryos von 25 mm Länge, und in der zweiten Zeile dieselbe Lage zu dem Knospenpaare eines Embryos von 32—832,5 mm Länge angegeben. Man findet nun eine Veränderung der Art, dass die Hauptäste im letzten Falle einen Radialmuskel höher belegen sind als in dem ersten. Bei dem Embryo 25 mm geht der 6. Flossennerv mit seinen Hauptästen zu der X. und XI. Knospe, bei dem Embryo von 32—32,5 mm Länge liegt derselbe Nerv mit seinen Hauptästen an dem IX. und X. Radial- muskel. Man versteht, welche bedeutende Umlagerungen hier durch die Anastomosen stattgefunden haben. Nach der Vor- stellungsweise von Braus hängen die Nervenäste des 6. Flossen- nervsim Stadium 25 mm mit den Zellen der X. und XI. Knospe zusammen, im Stadium von 32—832,5 hängen dieselben Nerven- fasern mit den Zellen des IX. und X. Radialmuskels zusammen. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 115 Nach Braus ist also die Veränderung eingetreten, dass alle Zellen einer Knospe durch die Anastomosen zu der am nächsten rostral belegenen Knospe hinübergewandert sind. Dies würde ja natürlich eine vollständige Auflösung der Knospen und eine massenhafte Entwickelung der Anastomosen nach seiner Vor- stellungsweise erfordern. Hiergegen sprechen nun unzweideutig die histologischen Bilder. Denn es hat sich gezeigt, 1. dass die Knospen ohne Auflösung des epithelialen Verbandes sich in einen Radialmuskel umbilden, 2. dass die Mollierschen Ana- stomosen quantitativ sehr wechseln und bisweilen kaum ent- wickelt sind (Fig. 20, Taf. 11/12). A priori muss man, auch wenn man auf dem Boden der Brausschen Vorstellungsweise steht, annehmen, dass eine solche Umbildung und Verschiebung des Materials ganz unmöglich ist. Nun haben weiter meine Untersuchungen direkt gezeigt, dass in allen den untersuchten Stadien die Lage der Hauptnerven unverändert dieselbe ist. In allen Stadien finde ich die Hauptnerven an den ungeraden Knospen resp. Radialmuskeln belegen. Dies ist freilich sehr schwierig, genau festzustellen auf Grund gewisser Besonderheiten in der Entwicke- lung der ersten cranialen Knospen. Nach Braus entwickelt der erste Somit der Flossenmuskulatur nur eine Knospe. Dies stimmt auch mit meinen Beobachtungen bei Acanthias. Nach Braus soll diese Knospe sich dann in dem umgebenden Mesenchym- gewebe auflösen. So verhält es sich nicht bei Acanthias. Ein oründliches Studium hat mich vielmehr gelehrt, dass aus dieser etwas später vier Sekundärknospen, zwei dorsale und zwei ven- trale entstehen. Von diesen erfahren dann die beiden cranialen eine besonders starke Entwickelung. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die zwei cranialen Knospen sowohl auf der dorsalen wie auf der ventralen Seite durch zahlreiche Ana- stomosen miteinander zusammenhängen, was auch in der starken cranialen Nervenanastomose seinen Ausdruck findet. Um alle gr 116 E. MÜLLER, diese Schwierigkeiten zu vermeiden, muss man genaue Rekon- struktionen anfertigen. Eine solche eingehende Untersuchung hat mich nun gelehrt, dass die Hauptstämme mit den wenigen Ausnahmen, welche im speziellen Teile näher erwähnt sind, längs den ungeraden Knospen sich entwickeln. Ich möchte also bestreiten, dass eine solche Verschiebung, wie Braus sie aus seiner Tabelle folgert, überhaupt stattfindet. Uber die Metamerie der Flossen-Muskeln und -Nerven. Die histogenetischen Untersuchungen, über welche ich ım vorhergehenden berichtet habe, sind vorgenommen in der Ab- sicht, in den schwebenden morphologischen Fragen über das Verhältnis zwischen Nerv und Muskel und über die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Myotomen Licht zu bekommen. Es wird nun notwendig, zu den anatomischen Untersuchungen zurückzukehren. Ich behandle zuerst die Frage über die Be- ziehungen zwischen den Myotomen. Wie bekannt, hat Bolk (5) das grosse Verdienst gezeigt zu haben, dass das ventrale resp. dorsale Muskelmaterial aus metameren Streifen aufgebaut ist, welche nahezu parallel der Achse der Extremität des Menschen entlang in proximo-distaler Richtung verlaufen. Wie diese Myo- tome sich zueinander verhalten, darüber berichtet, so viel ich weiss, der holländische Anatom nichts. S. v. Schumacher (44) kommt nach seinen präparatorischen Beobachtungen zu dem Resultate, dass die Myotome in der oberen Extremität vom Menschen sich gegenseitig nicht scharf abgrenzen, sondern es besteht allenthalben ein ausgiebiges Ineinandergreifen zweier be- Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 117 nachbarter Myotome. Dies soll dadurch zustande kommen, dass die Muskelfasern eines Segmentes mit solchen benachbarten Seg- menten vermengt sind. Um eine Ansicht zu gewinnen, wie diese Vermengung zustande kommt, benützt Schumacher die embryo- logischen Untersuchungen von Braus bei Selachiern und von Mollier bei Lacerta. Nach Mollier verhält sich das myogene Material, welches aus den fünf für dıe Extremitätenanlage be- stimmten Myotomknospen, im der Weise, „als wenn man in fünf dicht nebeneinander aufgehänste Kornsäcke an ihrer Basis ein Loch schneiden würde; der Inhalt fliesst langsam aus, gibt zunächst fünf kleine Häufchen, welche aber schon ım nächsten Moment mit der Zunahme ihrer Masse sich miteinander zu einer einzigen Schicht vereinigen‘. Nach Mollier sollte also eigent- lich bei diesem Vorgange jegliche Metamerie verloren gehen. So weit kann nun Schumacher, gestützt auf seine präparatori- schen Untersuchungen, nicht gehen. Er modifiziert darum die obengenannte, von Mollier aufgestellte Kornsäcken-Theorie in folgender Weise: „Die aus dem Zusammenfluss der fünf kleinen Häufchen entstandene einheitliche Kornmasse lässt keine scharfen Grenzen zwischen dem Korn erkennen, das aus jedem einzelnen Sacke ausgeflossen ist. Wohl aber findet man unter dem Loch eines jeden Sackes hauptsächlich Korn des betreffenden Sackes, da nur wenig mit dem Inhalt der benachbarten Säcke ver- mischt ist.“ So viel ich aus den obenstehenden Zitaten herauslesen kann, stellen sich alle die genannten Autoren die Sache so vor, dass ursprünglich die Muskelbildungszellen zu verschiedenen Myo- tomen ganz definitiv und strikte voneinander unterschieden sind, dann aber kommt ein Zeitpunkt, wo die Zellen ihren Platz ver- lassen und mit den näherliegenden sich vermischen. Dies ist meiner Meinung nach keine richtige Vorstellung des Sachver- haltes. Ehe ich aber auf eine Kritik dieser Auffassung ein- gehe, muss ich von den Ansichten über die Plexusbildungen be- richten. 118 E. MÜLLER, Wir verdanken P. Eisler (14) eine scharfsinnige Untersuchung über die Ursachen der Geflechtbildung an den peripheren Nerven. Nach Erinnerung an die Ansichten von Gegenbaur und Koll- man, nach denen Lageveränderungen in peripheren Endgebieten der Nerven resp. Verschiebungen der einzelnen Teile der Muskel- segmente die Ursache der Plexusbildungen ausmachen, lenkt Eisler die Aufmerksamkeit auf die inneren Plexus von Nerven- stimmen (W. Krause), welche komplicierte Verflechtungen und Verschlinsungen darstellen. Diese inneren Plexus kommen da- durch zustande, dass die mit den Nervenfasern direkt zusammen- hängenden Urwirbelzellen sich teilen und sich dann untereinander verschieben, wodurch auch ein Durcheinanderziehen der sıch fort und fort, in der Richtung von den Zellen gegen das Üen- trum spaltenden Nervenfasern eintreten muss. Die anastomoti- schen Verbindungen zwischen metameren Nerven kommt dadurch zustande, dass bei dem Heranwachsen der Rumpfimyotome Zellen und Zellkomplexe von dem einen Myotome abgetrennt und zwischen die Randzellen der anderen hereingepresst werden. Für die Entstehung der Extremitätenplexus gilt ganz dasselbe Prinzip, nur findet das Durcheinanderschieben der Zellen und Zellkomplexe hier in noch höherem Grade statt, so dass eine wahre Fusion oder Verschmelzung benachbarter Somiten zu- stande kommt. Die Ursache der Nervengeflechte ist also für Eisler überall eine mehr oder weniger umfangreiche Verlagerung der Bildungselemente der späteren End- organe gegeneinander. Derselben Auffassung hinsichtlich der Entstehung der Plexusbildungen schliesst sich auch Schumacher in seiner vorher zitierten Arbeit an. Die Fragen über die gegenseitigen Beziehungen der Myotome und die Entstehung der Plexusbildungen hängen natürlich auf das intimste miteinander zusammen. In der Tat basieren die obengenannten Erklärungsversuche auf zwei angenommenen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 119 Verhältnissen bei den Muskelanlagen, nämlich darauf, 1. dass von einem gewissen frühen Zeitpunkt an ein kontinuierlicher unveränderlicher Zusammenhang zwischen den Nervenfasern und den Muskelbildungszellen bestehe, 2. dass die letzteren ein Vermögen besitzen, sich von einem Orte nach einem anderen zu begeben. Meine im vorhergehenden mitgeteilten Unter- suchungen haben nun gezeigt, dass die erste von diesen Voraus- setzungen ganz richtig ist: Ganglienzellen auf der einen Seite, Neuromuskelepithelzellen auf der anderen sind verbunden durch eine Brücke, die entstehende Nervenfaser. Der zweite Punkt dagegen wird nicht durch meine Unter- suchungen bestätigt. Wie die supponierte Verlagerung der Myotomzellen untereinander stattfindet, darüber findet man keine bestimmten Angaben. Man bedient sich nur einiger Bei- spiele, um die Sache zu illustrieren. Eisler spricht von Zell- strömen, welche durch keine Scheidewand getrennt sind, und hierdurch wäre es möglich, „dass sich hier und da Zellen oder Zellkomplexe des andrängenden caudalen Urwirbels zwischen die Randzellen des cranialen Randstromes hereinpressen und dann mit diesem Strom weitergeschleppt werden“. Mollier und Schumacher vergleichen die stattfindenden Vorgänge mit der Vermischung, welche der ausfliessende Korninhalt er- leidet, nachdem man Löcher in den Kornsäcken angebracht hat. Das Wesentliche und Gemeinsame in den beiden Beispielen ist dann das, dass die vorlagernden Kräfte ganz ausserhalb der Muskelbildungszellen belegen sind. Diese sollen sich ganz passiv verhalten und sich in derselben Weise vermengen, wie man runde Kugeln in einem Topf umschüttelt. Dieser Erklärungsversuch leidet aber an dem Fehler, dass er ganz isoliert dasteht, dass man keine ähnlichen Entwickelungsprozesse kennt und dass er sich auf kein wohlbekanntes Phänomen des Zellenlebens bezieht. Ein viel besserer Erklärungsversuch wäre dann der, wenn man postulierte, dass die Zellverbände der Muskelanlagen sich lockerten 120 E. MÜLLER, und die nun frei beweglichen Muskelzellen eine amöboide Be- weglichkeit annähmen, wodurch sie sich um einander bewegten und ihre ursprünglichen Ketten, die Nervenfasern, mit sich zögen. Die direkte Beobachtung zeigt, dass die obengenannten Umlagerungen nicht stattfinden. Die Fehler aller dieser Er- klärungen haben ihren Grund in einem allzu grossen Gebrauch der modernen Zellenlehre. Hier wie auf so vielen anderen Ge- bieten hat man den Wert und die Bedeutung der freien, selb- ständigen Zellen übertrieben und das Ganze übersehen. Bei den Selachiern verharren die Muskelbildungszellen vom ersten Anfang an bis zu Ende in einem stetigen Verbande, was macht, dass sie sich weder miteinander passiv vermischen, noch aktive Wanderungen ausführen können. Die Anlage, aus der sowohl die kontraktile wie die leitende Substanz hervorgeht, ist eine syncytiale. Dies Verhalten widerspricht auf der einen Seite den oben gegebenen Erklärungen, während es auf der anderen Seite den Schlüssel zu dem Verständnis enthält. Die Myotome sind niemals streng voneinander abgegrenzt. Sie hängen durch protoplasmatische Brücken miteinander zusammen. Die Ner- venplexus sind in feinen plasmatischen Netzen präformiert. Diese wachsen, vergrössern sich durch Längsteilungen der Nervenfasern, konzentrieren sich, indem die besonderen Glieder, früher über grössere Gebiete verteilt, zu Stämmen zusammen- treten. So lassen sich sowohl die grossen äusseren wie die inneren Nervenplexus leicht erklären. Die spezielle Frage über den Zusammenhang zwischen den Flossenmuskeln und -nerven betreffend, gestalten sich die Ver- hältnisse folgendermassen. Die Myotomknospen hängen von Anfang an durch feine protoplasmatische Ausläufer miteinander zusammen. Jede Knospe wandelt sich in einen Radialmuskel um. Längs jeder zweiten Knospe entwickelt sich ein Haupt- nerv. Die verbindenden Ausläufer verwandeln sich gleichzeitig teils zu Muskelbrücken, durch welche die Myofibrillen von dem Anatom. Hefte. . 129. Heft. (43. Bd. H.1.) I- 30. i IF ser. 97/ rer en Gustaf Wennman del. Tafel 19/20. 'Anatom. Hefte. 1.Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) 3 Se = —_ Tafel 21/22. Fig. 37. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 121 einen Radialmuskel nach dem anderen verlaufen, teils zu den Nervenfasern, welche, aus den Hauptstämmen entspringend, nach den Knospen bezw. Radialmuskeln gehen, die auf der cranialen und auf der caudalen Seite von jeder mit einem Nerven versehenen Muskelknospe bezw. Radialmuskel liegen. Hieraus erklärt sich ausserordentlich gut sowohl der präparatorische Be- fund, dass jeder Hauptnerv teils seinen Radialmuskel, teils die beiden naheliegenden versieht, wie das Funktionelle, dass sich bei Reizung jedes Nerven eine Dreimuskelgruppe verkürzt. Bei Raja tritt in der Mitte der Flosse diese in der Entwickelung be- eründete Gesetzmässigkeit mit nahezu mathematischer Gesetz- mässigkeit hervor. Bei Acanthias war die Gesetzmässigkeit nicht so deutlich ausgeprägt, wie besonders aus den physio- logischen Versuchen hervorging. Die vorhergehenden embryo- logischen Untersuchungen werfen auch hierauf Licht. Sowohl in meinen anatomischen wie in den physiologischen Untersuchungen habe ich dargelegt, dass bei Acanthias ein Unterschied zwischen den Enden der Flosse und deren Mitte besteht. In der Mitte der Flosse ist die obengedachte Regel- mässigkeit der Nervenverteilung viel mehr ausgeprägt als ın den Endgebieten. Hier ist nämlich die Anastomosenbildung viel ausgeprägter, und darum sind die Innervationsgebiete viel grösser und mehr ineinander übergreifend. Diese Verschieden- heit findet nun ihre Erklärung in der Entwickelung. Die Ana- stomosenbildung ist vom ersten Anfang an nach den Enden der Flosse viel stärker als in der Mitte. Hier sind die Anastomosen, wie aus der Fig. 27 hervorgeht, spärlicher und bestehen aus auf verschiedener Höhe belegenen quer oder schräg verlaufenden Verbindungen oben beschriebener Art. Sowohl cranialwärts wie caudalwärts sind sie viel mächtiger und, was vor allem sehr wichtig ist, sie laufen in schräger Richtung ineinander über auf solche Weise, dass nicht nur zwei Knospen, wie in der Mitte, sondern mehrere durch eine schräg verlaufende Anastomose 122 E. MÜLLER, miteinander verbunden sind. Nun entwickeln sich die Nerven, wie im vorhergehenden dargestellt ist, teils aus feinen einfachen, von der einen Knospe zur anderen verlaufenden Zellbrücken, teils längs den zelligen Anastomosen. Aus dem Obengenannten folgt also, dass in der Mitte im allgemeinen ein Nerv von dem Hauptstamm aus nur nach dem nächstliegenden verlaufen kann, während in den Enden die Neurofibrillationsprozesse längs den schrägen Anastomosen fortschreitend von einem Nerven über mehrere Radialmuskeln sich erstrecken können. Prinzipiell ist dieser Unterschied nicht vorhanden. Wenn zufällig auch in der Mitte zwei Anastomosen — gleichgültig, ob sie nur durch Proto- plasmaausläufer oder Zellbrücken gebildet werden — zwischen zwei Paar Radialmuskeln so orientiert sind, dass die eine eine geradlinige Fortsetzung der anderen bildet (Fig. 28), so liegt auch hier die Möglichkeit vor, dass ein Nerv über die genannte Zahl der Radialmuskeln sich ausstreckt. Die ganze Erklärung der Innervationserscheinungen liest in den nachgewiesenen proto- plasmatischen Verbindungen zwischen den Myotomknospen. Der Verlauf und die Lage der Hensenschen Urnerven sind die be- stimmenden Faktoren für die später auftretende vom Centrum nach der Peripherie stattfindende Neurofibrillbildung Nun lehrt die Durchsicht meiner zahlreichen Schnittserien, dass die Anastomosenbildung sehr variierend ist. Bei einigen sind in der Mitte der Flosse die groben Mollierschen Anastomosen kaum zu finden. Bei anderen finde ich sie zahlreich auf den ersten Blick. Hieraus erklärt sich die Variation der Innervationsresul- tate, wie sie besonders aus den Tabellen S. 42—44 hervorgehen. Einige von meinen Rekonstruktionen lehren nun direkt, wie die von deranatomischen Präparation und dem physiologischen Experimente bekannten Variationen entstehen. In den ersten Stadien von Embryonen von 16—19 mm Länge folgen die Nerven regelmässig den cranialen Knospen jedes Knospenpaares. Bei den etwas älteren Embryonen von 24 mm Länge findet man hier Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 123 und da, dass ein ventraler oder dorsaler Flossennerv sich in un- gefähr zwei eleichstarke Äste für die zwei zu ihm gehörenden Knospen teilt. In noch älteren Stadien kann man Stellen finden, wo der Nerv zuerst an der eranialen Knospe sich befestigt, dann hinüberläuft zu der nächstliegenden caudalen und darauf der tiefen Fläche desselben wie gewöhnlich peripheriewärts folgt. An solchen Stellen ist dann die gewöhnliche Regelmässigkeit gestört. Cranialwärts von dem betreffenden Nerv liegen zwei Muskeln ohne grössere Nerven, caudalwärts besitzt der Radıal- muskel einen Hauptnerv. Das ist dieselbe Variation, welche man bei den erwachsenen Individuen antrifft und die sich darin kundgibt, dass stellenweise zwei Strahlen zwischen zwei Nerven eingeschaltet sind und nebenbei eine Stelle liegt, wo kein Strahl zwischen zwei Nerven zu finden ist, während im allgemeinen regelmässig eine solche zwischen den Nerven liegt. Ich denke mir nun den Vorgang so, dass ursprünglich jede craniale Knospe mit ihrem Nerv versehen ist, als Ausnahme teilt dieser sıch ın zwei Äste für die zwei zu emem Paare gehörenden Knospen. In solchem Falle finden die vom Centrum nach der Peri- pherie entstehenden Neurofibrillen zwei Wege für ihre weitere Ausbreitung. Statt den gewöhnlich determinierten Weg längs der eranialen Knospe einzuhalten, breiten sich nun die Fibrillen längs der caudalen Knospe aus, und ein Zustand wie der oben- genannte wird die Folge. Noch eine Möglichkeit für das Zustandekommen der oben- genannten Unregelmässigkeiten in der Anordnung zwischen den Nerven resp. Strahlen und Muskeln muss gedacht werden. In dem speziellen Teile habe ich erwähnt, dass in den letzten Stadien von Embryonen von 38—50 mm Länge in den medialen Teilen der Muskeln eine Zusammenschmelzung zustande kommt, während gleichzeitig eine Spaltung in den lateralen Endteilen stattfindet. Es ist unter solehen Umständen deutlich, dass die Möglichkeit vorliege, dass hierdurch die oben besprochenen Unregelmässig- 124 E. MÜLLER, keiten zwischen den Muskeln einerseits, den Strahlen und Nerven andererseits zustande kommen können. Eine Spaltung, in der Spitze des Radialmuskels angefangen und bis zu der Basis fort- gesetzt, bringt ja zwei Radıalmuskeln auf der Stelle eines vorher befindlichen hervor, während, wenn die basalwärts stets vor- handene Zusammenschmelzung mehr lateralwärts fortsetzt, eine Reduktion der Radialmuskeln eintritt. In welcher Ausdehnung diese Prozesse eine Rolle spielen, lässt sich natürlich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Meine Untersuchungen über die Entwickelung der Flossen- nerven sind auch geeignet, Licht zu werfen über die Frage nach der Metamerie der Flosse. Die Anhänger der Seitenfaltentheorie hesten wohl ım allgemeinen ursprünglich die Ansicht, dass, da zwei Knospen von einem Myotome herauswachsen und später zu zwei Radialmuskeln sich verwandeln, die Radialmuskeln paar- weise von einem Nerven innerviert werden. Gegen diese Auffassung hat sich Braus sehr energisch gewandt. Ursprünglich herrscht die Metamerie, indem jeder Flossennerv, als Fortsetzung eines Spinalnerven, sich in zwei gleiche Äste für die beiden zu einem Paar gehörigen Myotomknospen teilt. Im Zusammenhang mit der Ausbildung der Mollierschen Anastomosen und der damit zusammenhängenden Verschiebungen des Muskelmateriales tritt nun eine Veränderung ein, welche darin bestehen würde, dass die metameren Strukturen zugrunde gehen und von polyneuren Muskeln ersetzt werden. In dem Vorhergehenden ist nun gezeigt worden, dass beide Ansichten nicht richtig sind. Von Anfang an sind die Myotome durch Ausläufer verbunden. Nur die cranialen Myotome jedes Knospenpaares stehen mit den Nerven in Verbindung. Diese beiden Umstände bedingen, dass der fertig entwickelte Nerv mindestens und in der Regel mit drei Radialmuskeln zusammen- hängt, d. h. jedes Flossensystem wird von zwei Nerven innerviert. Versteht man unter Metamerie das Verhältnis, dass jedes Myotom Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 125 nur von einem Spinalnerven innerviert wird, dann existiert nie eine Metamerie in der Flosse, denn die verbindenden Protoplasma- ausläufer bewirken eine ausgeprägte Dysmetamerie, wenn man unter diesem Worte das Verhältnis ausdrückt, dass die Myotome nicht voneinander abgegrenzt sind. Diese ursprüngliche Dys- metamerie der Flossenmuskeln und -nerven wird nun in dem Folgenden weder vermehrt, noch vermindert. Freilich verändert sich der Zustand von Zellen und Zellverbindung zu einem Syn- cytium mit Myofibrillen und Neurofibrillen. Diese Veränderung aber spielt für die hier diskutierte Frage über die Metamerie oder Dysmetamerie keine Rolle, denn, da in dem ersten Zustande die feinen Verbindungsfäden determiniert sind, eine bestimmte ınyosibrillführende Brücke oder ein Nervenfaden zu werden, so ist es deutlich, dass in beiden Fällen der Zusammenhang zwischen den Myotomen vom primzipiellen Standpunkt derselbe ist. In dem Vorstehenden ist nun dargelegt: 1. dass jedes Flossenmyotom mindestens bineur ist, 2. dass vom Standpunkte der gröberen Verteilung der Muskeln und Nerven eine solche Regel- mässigkeit vorhanden ist, welche durch das Wort Metamerie ausgedrückt zu werden verdient, 3. dass aber mit Rücksicht auf die Verbindungen mehr eine Dysmetamerie besteht. Diese Be- funde führen natürlich notwendig zu einer Vergleichung zwischen der Flosse und dem Gebiete des Körpers, wo die Metamerie am besten ausgedrückt ist, nämlich der Rumpfwand. Über die Innervation der Myomeren der Rumpf- wand bei Acanthias vulgaris. Braus hat in seiner Schrift ‚Über die Rami ventrales der vorderen Spinalnerven einiger Selachier‘‘ folgende Angaben hier- über gemacht. Schon im Anfange des speziellen Teiles werden 126 E. MÜLLER, die Aufgaben insofern eingeschränkt, als sie nur das Verhalten „bei denjenigen Spinalnerven betrachten, welche zur vorderen Extremität treten oder wenigstens den zu dieser Extremität verlaufenden Nerven benachbart sind.“ Der Verlauf der be- treffenden Nerven wird in folgender Weise beschrieben. Zu- nächst der Wirbelsäule tritt jeder Nerv auf die distale Hälfte je eines Muskelmetamers und begibt sich im weiteren Verlaufe lateralwärts auf die proximale Hälfte desselben bis fast zur Berührung mit dem abgrenzenden Septum intermusculare. Dieses überschreitet er nicht, sondern wendet sich im caudal- wärts concaven Bogen wieder auf die distale Hälfte desselben Metamers und erreicht hier das angrenzende Septum an dem in die Fascie eingeschlossenen Seitenkanal. Ob er ventral von diesem im weiteren Verlauf zur Bauchmittellisie sich zu einem anderen Metamer begibt, wagte Braus mit Sicherheit nicht zu entscheiden, da in diesem Teil die Intermuskularsepten des unter- suchten Exemplars zu wenig hervortraten, als dass er ıhr Ver- hältnis zum Nervenverlauf hätte klar erkennen können. Hin- sichtlich der Äste der ventralen Nerven, welche in der Rumptf- muskulatur sich verästelten, wird nicht viel erwähnt. Doch wird die wichtige Angabe gemacht, dass bei Acanthias vom neunten Nerv caudalwärts die Äste die Septen des Myomers, in welchem sie liegen, nicht überschreiten. Anders im Gebiete des vierten bis achten Ramus ventralis. Hier bestehen nämlich lateral von dem Absange der Flossennerven Verbindungen zwischen den serialen Nerven. Aus diesen Befunden wird der Schluss ge- zogen, dass, während die caudalen Myomeren ihre Selbständig- keit beibehalten, die vom vierten bis achten Spinalnerv ver- sorgten Myomeren die ursprüngliche Metamerie verloren haben und ihrer Entstehung nach Gemische von Myomeren sind. Die Innervation der Bauchmuskulatur ist dann von Dr. A. Wikström im dem Laboratorium von Fürbringer näher untersucht. Er hat ausser Esox lucius von Selachiern: Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 127 Acanthias, Heptanchus und Mustelus, von Myxinoiden: Myxine und Bdellestoma, von Petromyzonten: Petromyzon marinus und fluviatilis untersucht. Bei allen diesen Formen konnte er feststellen, dass die Rami ventrales der Spinalnerven in dem dorsalen und ventralen Teile der Bauchmuskeln sich verschieden- artig verhalten. In der dorsalen Abteilung dieser Muskulatur entsprechen nämlich die Rami ventrales den Muskelmetameren, indem ein jedes Myomer nur von einem einzigen Spinalnerv innerviert wird; in der ventralen Abteilung ist dies nicht der Fall, weil ein jedes der Myomeren durch mehrere miteinander anastomosierende Spinalnerven versorgt wird. Diese Angaben von Wikström wurden dann von Braus (7) bestätigt, indem er findet, dass bei Notidaniden die zwischen zwei Inscriptionen eingeschlossene Muskelmasse von sieben und mehr Spinalnerven versorgt werden kann. In seiner grossen Ceratodus-Arbeit illustriert Braus die Befunde von Wikström durch zwei sehr schöne Abbildungen: eine über die Nerven in der Rumpfwand von Acanthias und die andere über denselben Gegenstand bei Hexanchus. Hier sieht man in dem dorsalen Teile der Rumpfmuskulatur die Nerven gesondert und ohne Faserausbeute verlaufen. Mehr ventralwärts dagegen, also in den beiden Längsstreifen der Wand, welche auf beiden Seiten der V. parietalis belegen sind, findet man eine reichliche Ana- stomosierung der Spinalnerven, welche bedeutende Netzbildungen hervorrufen. Aus diesen Beobachtungen werden nun tiefgehende Schlüsse gezogen. Die zwischen zwei Inscriptiones tendineae liegenden Muskelbezirke täuschen durch ihre äussere Ähnlichkeit mit metameren Muskelbezirken nur eine primäre Segmentation vor. In Wirklichkeit ist die ursprüngliche Metamerie des Muskel- systems durch eine neue ersetzt. Die betreffenden Bezirke, welche diese Veränderungen erlitten haben, wurden Pseudo- myomeren genannt, um sie von den eigentlichen Myomeren zu unterscheiden, welche allgemein als haploneur angesehen 128 E. MÜLLER, werden. Den Hauptgrund der Veränderungen in den ventralen Teilen der Rumpfmuskulatur bilden die Wanderungen der Ex- tremitäten und speziell die Verschiebung der Vordergliedmasse. Der Hauptinhalt der vorigen von der Gegenbaurschen Schule ausgehenden Untersuchungen ist also der, dass in dem dorsalen Teile der Rumpfmuskulatur die ursprüngliche haplo- neure Verteilung der Spinalnerven vorhanden ist, während ventralwärts durch Verschiebungen zwischen den Myotomen eine polyneure Innervation der Segmente entstanden ist. Nun ist zu bemerken, dass in der Literatur Angaben über die Innervation der Rumpfsegmente zu finden sind, welche in wichtigen Hinsichten von den vorhergehenden abweichen. So gibt Maurer (31) schon 1892 an, dass bei den Urodelen jedes Myomer von zwei Nerven innerviert werden soll. Er schreibt nämlich über die ventralen Äste der Spinalnerven bei Siredon (S. 90): „Das Eine aber steht fest, dass ein Spinalnerv in seiner Verzweigung sich nicht auf das Myomer beschränkt, welchem er an seinem Ursprung zugehört, vielmehr auch noch dem vor ihm liegenden Segment Äste abgibt und zwar nicht nur sensible, sondern auch motorische Fasern. Es ergibt sich daraus die Folge, dass Neuromer und Myomer sich nicht decken, sondern dass das Endgebiet eines Neuromers in zwei Myomeren zu suchen ist.“ Weiter unten spricht er von der Erscheinung, „dass Neuromer und Myomer bei Urodelen alternierend angeordnet sind, derart etwa, dass ein Spinalnerv die hintere Hälfte eines und die vordere Hälfte des vorderen Myomers versorgt. In einer kurzen Schrift (1908) hat weiter Bardeen (2) ähnliche Beobachtungen mitgeteilt, nach denen in der Körper- wand von Urodelen und Elasmobranchii die Myotome von zwei Nerven innerviert werden sollen. Jeder Spinalnerv gibt bei seinem Verlaufe in dem Myoseptum Äste sowohl nach dem Myotome vor dem Septum, als nach demjenigen hinter dem Septum. Bardeen lenkt auch die Aufmerksamkeit darauf, dass Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 129 Retzius schon 1892 (Biolog. Untersuchungen, III) eine Zeich- nung von Myxine mitgeteilt hat, in der man die doppelte Ver- teilung eines im Myoseptum verlaufenden Spinalnerven sehr deut- lich wahrnehmen kann. Nach dem Referate von Rynbeck in dem Jahresberichte von Merkel und Bonnet (1910) soll der neueste Untersucher auf diesem Gebiete, Bisselick, zu dem Resultate gekommen sein, dass jedes Myomer von einem einzigen Spinalnerven Nerven- fasern erhält (monomerische Innervation). Und der Autor stellt selbst als fundamentale Tatsache hin, dass die Spinal- nerven aus der spinalen Nervenachse in der Wand des Körpers zwischen zwei Myomeren verlaufen, von denen sie eines in- nervieren. Aus dem Vorhergehenden geht deutlich hervor, dass die Frage von der Innervation der Myotome in der Literatur ver- schieden beantwortet wird. Es ist zuerst zu untersuchen, ob in dem Teile nächst der Wirbelsäule die Myomeren von einem oder zwei Spinalnerven innerviert werden, dann ist die Aufmerk- samkeit zu richten auf die Verschiedenheit, welche zwischen dem dorsalen und dem ventralen Teile der Rumpfwand besteht, um womöglich den Grund zu diesem eigentümlichen Verhält- nisse bestimmen zu können. Ich gehe darum zu dem Berichte meiner eigenen Untersuchungen über. Die Rumpfmuskulatur der Haifische zeigt neben der be- kannten Quergliederung in Myomere und Myocommata auch eine Einteilung in Längsstreifen, welche durch längsgehende Bindegewebssepta getrennt sind. Humphry (27) unterscheidet also am nächsten der Mittellinie einen mesio-dorsalen Muskel, dessen Myocommata spitzige, gegen den Kopf gerichtete Winkel bilden. Lateralwärts von diesem liest der latero-dorsale Muskel, dessen Myocommata nach vorne gerichtete sanfte Bogen bilden. Der ventrale Muskel wird in einen breiten medialen Teil, die Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) 9 130 E. MÜLLER, medio-ventrale Portion von blasserer Farbe, und die latero- ventrale Portion geteilt. Wikström (49) benutzt eine etwas andere Einteilung und Nomenklatur. Auf die Innervationsverhältnisse gestützt, teilt er die Rumpfmuskulatur in drei Teile, den dorsalen, den lateralen und den ventralen, von diesen entspricht der dorsale Teil Humphrys medio-dorsalem Muskel, der laterale dem latero -dorsalen und dem latero -ventralen, der ventrale entspricht dem medio-ventralen desselben Autors. Die genannten Teile treten sehr gut hervor sowohl von der dorsalen als von der ventralen Fläche, sowie auf dem Querschnitte. Ich benutze im folgenden die Terminologie von Wikström. Der dorsale Teil ist auf dem Querschnitte ungefähr rund, liegt in der Höhe des Bogens und berührt den Muskel der anderen Seite dorsalwärts davon. Er ist durch ein deutliches Septum von dem lateralen Teile getrennt. Dies Septum verläuft von aussen nach der Wirbelsäule. Der laterale Muskel besteht aus zwei Teilen. Der hintere von diesen ist auf dem Querschnitte ungefähr vierseitig. Eine Seite entspricht dem dorsal gerichteten Streifen der Oberfläche mit ihrem bogenförmigen Myocomma. Eine andere Seite ist gegen die dorsale Muskulatur gerichtet. Eine kurze mediale Seite grenzt an den Wirbelkörper. Schliess- lich kehrt sich eine Seite nach vorne. Der vordere Teil des lateralen Muskels ist auf dem Querschnitte dreiseitig. Medial- wärts schärft er sich zu einem scharfen Winkel zu, welcher un- gefähr zu den Spitzen der Rippen reicht. Von dem hinteren Teile ist er durch ein starkes Septum getrennt, welches von dem Seitenkanale nach den Rippen zieht. Der ventrale Längs- muskel ist dünn. Er schiebt sich mit seinem medialen Rande medial- und dorsalwärts über den Rand des vorigen Muskels. Von der Bauchfläche sieht man nur den lateralen und ventralen Muskel. Das Septum tritt deutlich hervor, und man sieht, dass es ın seinem cranialen Teile längs den Winkeln der Myocommata Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 131 verläuft, während es caudalwärts medialwärts von diesen belegen ist. Innerhalb des ventralen Muskels tritt die Vena parietalis deutlich hervor und teilt den genannten Muskel in einen medialen und einen lateralen Streifen. Von der Bauchfläche gesehen wird also die Bauchwand in drei Längsstreifen geteilt: einen hinteren, entsprechend dem lateralen Muskel, emen mittleren, be- legen zwischen dem Septum longitudinale und der Vena parietalis und schliesslich einen vorderen zwischen der Vena parietalis und der Linea alba. Die beiden letzteren entsprechen dem ventralen Muskel nach Wikström. Ich habe meine Auf- merksamkeit vor allem der Innervation des hinteren Streifens, also des lateralen Muskels gewidmet. Ein Blick auf die Fig. 38 lehrt, dass die Spinalnerven nicht innerhalb ihrer zugehörigen Myomeren verlaufen. Der allge- meine Verlauf ist dieser: in dem hinteren Längsstreifen liegen sie erst bei dem Austritt aus dem Wirbelkanale ungefähr in der Mitte des Myoms, bald legen sie sich an den cranialen Rand desselben und folgen diesem. In dem mittleren Streifen kreuzen sie schräg über die Myomeren und bilden schliesslich in dem vorderen Längsstreifen ein reiches Netz. Der 5. Spinalnerv verläuft längs dem cranialen Rande des ersten unter dem Schulterbogen belegenen Myomers, der 6. längs dem folgen- den Myocomma. Der 7., 8., 9., welche auch über dem Schulterbogen kreuzen, verlaufen über der Mitte der folgenden Myomeren. Der 10. liegt an dem Ursprunge von der Wirbelsäule an dem caudalen Rande des zugehörigen Myomers, dann läuft er schräg über dessen ventrale Fläche nach dem cranialen Myo- comma, passiert über diese im Gebiete des nächstliegenden cranialen Myomeres, um erst an der Vena parietalis wieder in dem Myocomma zu verlaufen. Denselben Verlauf zeigen die Nerven bis zu dem 14. Die beschriebenen cranialen Nerven zeichnen sich also alle dadurch aus, dass sie mit Ausnahme von dem sechsten im Gebiete des nächst höher cranialwärts belegenen 9* 132 E. MÜLLER, verschoben sind. Die folgenden zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie caudalwärts verschoben sınd. In dem ersten von den drei obengenannten Längszonen halten sie sich noch innerhalb ihrer zugehörigen Myomeren. In der mittleren Längszone kreuzen sie dagegen schräg über ein bis drei caudalen Myomeren. Nach diesen Befunden könnte man geneigt sein zu glauben, dass innerhalb des lateralen Teiles der Rumpfmuskulatur, d.h. des Teiles der Muskulatur, welcher am nächsten von der Wirbel- säule belegen ist, die Nerven sich innerhalb der Myomeren halten, während ın dem ventralen Teile die Nerven sich über zwei resp. vier Myomeren verteilen. Die Befunde bei einer solchen groben Untersuchung müssen auch der oben referierten von Wikström dargestellten Ansicht zugrunde gelegen haben. Eine nähere Untersuchung lehrt aber, dass dem nicht so ist. Die Figg. 39 und 40 entsprechen der medialen, direkt an die Wirbelsäule sich anschliessenden Partie des lateralen Rumpfmuskels. Man findet schon hier eine ausser- ordentliche Menge von feinen, schräg von dem einen nach dem andern Nerven verlaufenden Ana- stomosen. Wenn man die osmierten Präparate in Xylol aufhellt und ın Balsam einschliesst, so ıst es leicht zu kon- statieren, dass ın diesen Anastomosen feine Bündel von dem cranıalen nach dem caudalen Nerven wie in umgekehrter Rich- tung verlaufen. Die Untersuchung des Präparates, welches in Fig. 39 gezeichnet ist, ist auch lehrreich in Bezug auf die Ver- ästelungsgebiete der besonderen Nerven. Man findet auf den ersten Blick, dass ein Spinalnerv wenigstens zwei Myomeren versorgt. Dazu findet man eine Faser, welche im Gebiete von drei Myomeren verläuft. Eine nähere Unter- suchung bringt weiter viele interessante Details an den Tag. Besonders die Myocommata sind der Platz für zahlreiche Ana- stomosenbildungen zwischen den Spinalnerven. Die Äste ent- springen unter einem spitzen, nach aussen gerichteten Winkel. Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 133 Dann verlaufen sie nach den Myocommata, verbinden sich hier miteinander und bilden zierliche Längsstämme, welche nach beiden angrenzenden Myomeren Äste abgeben. Die Bildung dieser in den Myocommata belegenen Nerven, die ich Nervi intermittentes nenne, ist besonders ım Gebiete des zweiten Längsstreifens oder in dem medialen Teile des ventralen Muskels sehr deutlich. Ausser den Kettenanastomosen, welche zwischen zwei Spinalnerven verlaufen, findet man Äste von den nacheinander folgenden Spinalnerven, welche mit kon- vergierendem Verlaufe nach den Myocommata ziehen. Hier verbinden sie sich zu feinen Nn. intermittentes. Schliesslich kommen wir zu den Nervenverästelungen in dem medialen Teile des ventralen Längsmuskels. Hier ist die Nervenanastomosierung ohne Zweifel quantitativ stärker ent- wickelt, qualitativ und prinzipiell handelt es sich aber um die- selbe Anordnung. In dem caudalen Teile ist die Anordnung regelmässiger. Hier halten sich die Endnerven der ventralen Spinalnerven innerhalb den Myocommata, verbinden sich aber durch zahlreiche Anastomosen. Besonders nach der Linea alba werden sehr schöne längslaufende Anastomosen-Arkaden ge- bildet. In dem cranialen Teile (Fig. 38) ist die Verteilung viel unregelmässiger und mehr variierend, wie ich schon in meiner Arbeit über die Brustflosse bemerkt habe. In gewissen Präpa- raten sind die Anastomosen so zahlreich, dass man nur von einem unregelmässigen Netze sprechen kann. Ein näheres Stu- dium einer Anzahl gelungener Färbungen lehrt aber eine gewisse Regelmässigkeit kennen. Vergleicht man nämlich diese mit dem Bilde des caudalen Teiles, so scheint die Verschiedenheit darin zu liegen, dass eine Menge schräg gehender Anastomosen» jede zwischen zwei Spinalnerven, sich in eine schräge Linie gestellt und eine stärkere Entfaltung erhalten haben, während die in den Myocommata verlaufenden Nerven zurückgebildet sind. 134 E. MÜLLER, Einige nicht unwichtige Variationen müssen auch erwähnt werden. Ich besitze unter meinen Präparaten ein Stück, wo die Anastomosenbildung im Gebiete des lateralen Muskels die Auf- merksamkeit besonders fesselt. Ein Spinalnerv ist von Anfang an sehr schwach und bekommt erst eine mit den übrigen über- einstimmende Stärke dadurch, dass er eine starke Anastomose von dem nächsten caudalen Spinalnerven erhält. Einige Seg- mente mehr cranialwärts fehlt der ganze ventrale Ast eines Spinalnerven in seinem proximalen Teile (Fig. 41). Die Myomeren und Myocommata verhalten sich wie normal. Der Spinalnerv wird aber erst einige Millimeter von der Wirbelsäule gebildet und zwar dadurch, dass zwei Äste von den einander segenüberliegenden Nerven abgegeben werden und unter spitz- winkeligem Zusammenlaufe zu einem Nerven sich verbinden. Diese Variation hebt ja die Bedeutung der Anastomosen ın be- sonderem Grade hervor. Die Hauptsache der nun mitgeteilten Untersuchung ist die, dass die ventralen Äste der Spinalnerven vom ersten Anfange an Äste an wenigstens zwei Myomeren abgeben. Die betreffen- den Spinalnerven verlaufen auch in dem lateralen Muskel nicht isoliert, sondern sind durch zahlreiche Anastomosen mit- einander verbunden. Sie bilden also schon von Anfang an ein Netz, wie aus den Figg. 39, 40 und 41 deutlich hervorgeht. Die Ansicht von Bardeen wird also durch meine Untersuchung bestätigt, während die Angaben von Wıkström und Braus, dass die lateralen Teile der Rumpfmyomeren haploneur seien, sich als irrtümliche erwiesen haben. Im Zusammenhang mit den Reizversuchen der Flossen- nerven wurden auch Untersuchungen über elektrische Reizung der Spinalnerven ausgeführt. Um die präparatorischen Befunde zu prüfen, wurden die Nerven vor allem während ihres Verlaufes innerhalb des lateralen Muskels gereizt. Es wurde also die Auf- merksamkeit vor allem auf den proximalen oder medialen Teil Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse etc. 135 der Myomeren gerichtet, also auf die Teile, welche nach den Untersuchungen von Wikström und Braus ausgeprägt me- tamer gebaut sein sollen. Die folgende Tabelle zeigt die Re- sultate: | Versuch | Spinalnerven Kontrahierte Myomeren 1 | leer 16, 17, 18 a 17, 18 19 18,19 20 | 19, 20 21 20, 21 22 21, 22 a 22, 23, 24 24 23, 24, 25 25 24, 25, 26, 27 26 15, 26, 27, 28 27 26, 27, 28, 29 1. 18 17.218, 19 19 17, 18, 19, 20 20 | 19, 20, (21) II. 18 17,18 19 17, 18, 19, 20 20 18, 19, 20, 11 IV. 15 14, 15 16 15, 16 17 16, 17 18 ir ur, 18, 19 Das Resultat war also dieses: in keinem einzigen Falle selang es, nur ein Myomer zu reizen. In den meisten kontra- hierten sich zwei solche. Sehr gewöhnlich erstreckte sich die Reizwelle über drei und vier Myomeren. Es verdient hervor- gehoben zu werden, dass nur sehr deutliche und kräftige Kon- traktionen notiert wurden. Es muss noch einmal daran erinnert werden, dass die kontrahierten Myomeren den am 136 E. MÜLLER, meisten medialwärts, sich an die Wirbelsäule an- schliessenden Teilen entsprachen. In dem ventralen Muskel kontrahierten sich immer vier oder noch mehr Myomeren. Die funktionellen Erfolge bestätigten also völlig die prä- paratorischen Ergebnisse. Diese hatten ja nicht nur an den Tag gebracht, dass jeder ventrale Spinalnervenast vom ersten An- fang an seine Äste an zwei Myomeren verteilt, sondern sie hatten auch gezeigt, dass zahlreiche Anastomosen zwischen den Haupt- nerven vorhanden waren, ja, deutliche Äste, welche ihre Ver- ästelung über drei Myomeren erstreckten, wurden nachgewiesen. Die anatomische wie die physiologische Untersuchung hat also eine ausgiebige und intime Verbindung unter den Myomeren des Rumpfes von deren Anfang an der Wirbelsäule kennen gelehrt. Nun stellt sich sehr natürlich die Frage auf, wie ver- halten sich die embryonalen Myotome, aus denen die Myo- meren hervorgehen, zueinander? Um diese Frage zu beant- worten, habe ich Frontal- und Sagittalserien von Acanthias- Embryonen von 15—50 mm Länge untersucht. Es zeigt sich hierbei, dass die Myotome in allen ihren Teilen — sowie die dorsalen an der Chorda belegenen, wie die ventralen später hervorwachsenden — durch zahl- reiche protoplasmatischeAnastomosen verbunden sind (Figg. 42, 43, 44 u. 45). Sie sind quantitativ verschieden. Ich finde (Figg. 42 u. 43) ziemlich breite Brücken, welche als Längs- streifen über grössere Gebiete verlaufen. Ich sehe dünne faden- förmige Verbindungen oder ein Zwischending, wo die Brücke mit breiter Basis beginnt und endigt, um in der Mitte schmäler zu werden. Zuerst indifferent und protoplasmatisch differieren sie sich später in den Nervenanastomosen und ın Brücken, welche Myofibrillen enthalten. Jene beanspruchen ıhr besonderes Kapitel besonders in dem ventralen Teile der Rumpfwand, müssen aber in einer kommenden Untersuchung behandelt (43. Bd. H. 1.) 129. Heft. l. Abteilung. Anatom. Hefte. Fig. 42. Gustaf Wennman del. Tafel 23/24. Par; \ 89. ag begiyr er, Anatom. Hefte. I. Abteilung. 129. Heft. (43. Bd. H. 1.) E; Tafel 25/26. ! Fig. 44. Eyesitee a RR er Fig. 45. Suun N ee 7 =a===>S r Se=s#Tss, n. ee ame — — = Gustaf Wennman del, Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 137 werden. Das Verhalten der Muskelbrücken geht zur Genüge aus den Figg. 44 und 45 hervor. Durch die protoplasmatische Grundlage derselben setzen die Myofibrillen kontinuierlich ıhren Weg von dem einen Myotom nach dem anderen fort. Die nun beschriebenen Verbindungen sind ganz dieselben, wie sie Godlewski (19) bei den Kaninchenembryonen gefunden und beschrieben hat. Nur in einem Punkte kann ich mit seiner Darstellung nicht einverstanden sein, nämlich dass die Fibrillen- bündel oder Säulchen mit keulenförmigen Enden sich auf die plasmatischen Brücken heranschieben, um später sekundär mit- einander zu verschmelzen. Nach meiner Ansicht entstehen die Fibrillen resp. Säulchen in einem Continuum in dem einen Myotome, in der Brücke und in dem anderen Myotome. Keulen- förmige Anschwellungen finde ich zwar während des Verlaufes der Fibrillen resp. Säulchen. Sie treten aber in meinen Präpa- raten innerhalb dieser Bildungen auf und können also nicht als hervorwachsende Endteile gedeutet werden. Verbindungen zwischen den Myotomen werden auch von Held beschrieben: Er schreibt in seinem grossen, oft zitierten Werke (8.106) folgendes: ‚Im Bereich des Myotoms dagegen besitzen die Ausläufer seiner fibrillenbildenden Epithelzellen die Funktion von Ursehnen, die am Anfang der Uhorda und zwar an ihrer Membrana limitans inserieren, aber auch zum Medullarrohr sich erstrecken. Solche primitive Sehnenfäden werden dementsprechend an den Enden der Muskelepithelien reicher entwickelt, wovon man sich leicht überzeugen kann. Sie greifen auch als Zwischensehnen überall in die Segment- grenzen hinein, wo sie als einfache oder verzweigte Intercellular- brücken (Fig. 203) die gegenseitigen Enden der Muskelepithelien der einzelnen Urwirbel miteinander verbinden und, sobald sie stärker entwickelt sind, eine deutliche Orientierung ihrer Fäden in der Richtung des Muskelzuges zeigen (Fig. 204). Nach Held gehen also die feinen protoplasmatischen Verbindungen 138 E. MÜLLER, in Bindegewebe über. In Übereinstimmung hiermit steht die Auffassung von Held über die Art der Myotomzellen (S. 282). Diese bilden keine Syneytien, sondern jede Epithelzelle wächst unter Vermehrung ihrer Kerne und ihres Protoplasmas zu den späteren Muskelfasern heraus, welche im Gegensatz zu einem Syneytium als Synplasma bezeichnet werden. Es ist ausser Zweifel, dass die von Held gezeichneten Bilder teilweise wenigstens mit den von mir gesehenen identisch sind. Seiner Deutung dagegen kann ich unmöglich beistimmen. Man braucht ja nur einen Blick auf meine Figuren zu werfen, um zu sehen, welche massenhafte Myofibrillen von dem einen Myotom nach dem andern übergehen. Die Frage, ob die Muskelfaser ein Synplasma in oben- senannter Formulierung oder ein Syneytium bildet, wird ın vielen Schriften behandelt. Da ich die histogenetischen Unter- suchungen dieser Abhandlung nur von morphologischen Ge- sichtspunkten vorgenommen habe, und diese Abhandlung unter der Feder zu einem Umfange angewachsen ist, wie ich ihn mir von Anfang an gar nicht gedacht habe, so kann ich bei dieser Gelegenheit nicht auf die betreffende Literatur kritisch ein- sehen. Ich will hier nur als meine bestimmte Ansicht aus- sprechen, dass es für mich ausser allem Zweifel ist, dass sowohl innerhalb des Rumpfes wie in den Flossen die Muskeln aus einem Syncytium hervorgehen. Von grossem Interesse ist es nun, dass die oben beschriebenen Anastomosen, welche die Rumpfmyotome miteinander ver- binden, von ganz derselben Art sind, wie diejenigen, welche unter dem Namen der Mollierschen Anastomosen die Myotom- knospen miteinander verbinden. In beiden Fällen sind die Anastomosen feine plasmatische Verbindungen zwischen den Zellen der Myotome. Während der weiteren Entwickelung wachsen sie, werden gröber und, nachdem die Myofibrillen ge- bildet worden sind, bilden sie Brücken, auf welchen die Fibrillen Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 139 von dem einen Myotome nach dem anderen resp. von der einen Knospe nach der anderen verlaufen. In beiden Fällen sowohl in der Rumpfwand wie in der Flosse verlaufen sie ursprünglich quer zwischen den Myotomen resp. den Myotomknospen. Dieser Verlauf erhält sich in der Rumpfwand, solange ıch die Ana- stomosen beobachtet habe. In der Flosse geht die Richtung durch den Längenzuwachs der Radialmuskeln in eine mehr schrägverlaufende über. In der Flosse scheinen sie auch reicher an Kernen zu sein. Dies sind aber kleine Differenzen, welche die Identität der beiden Bildungen gar nicht beeinflussen. In dem Vorhergehenden ist nun eine von den Hauptfragen beantwortet, welche an die Spitze dieses Abschnittes meiner Untersuchung gestellt ist. Weder in dem ausgebildeten Zu- stande, noch bei den Embryonen finde ich eine sog. Haploneurie der Rumpfmyotome. Auch in dem zentralsten Teile des Rumpfes ist jedes Myotom mindestens von zwei Nerven innerviert. In Übereinstimmung hiermit sind sie während der embryonalen Zeit durch Intercellularbrücken verbunden. Die andere Frage, die ich aufgestellt habe, nämlich wie der Unterschied in dem Nerven- bilde der verschiedenen (Gebiete der Rumpfwand zustande kommt, ist nicht so leicht zu beantworten. Sie erfordert, um vollständig gelöst zu werden, eine eingehende Untersuchung mittelst des Rekonstruktionsverfahrens über die Myotome und deren Nerven. Nur so viel sei angedeutet, dass innerhalb des ventralen Teiles der Rumpfwand, wo die Pseudomyomeren von Braus zu finden sind, keine Ausbeute von Material zwischen den Myomeren stattfindet und zwar hier ebenso wenig wie in der Flosse. Hypothetisch sei es mir gestattet, die Ansicht auszusprechen, dass die Nervennetze so wie in der Flosse ent- stehen. Ursprüngliche Plasmanetze, deren Anordnung zuerst durch die auswachsenden Myotome bestimmt wird und die also aus Teilen bestehen, welche teils längs dieser sich aus- breiten, teils quer von dem einen nach dem andern verlaufen, 140 E. MÜLLER, wandeln sich später unter dem Einfluss von dem vom Centrum nach der Peripherie fortschreitenden Neurofibrillationsprozesse in die bleibenden Nervengeflechte um. Rückblick. Das Hauptresultat der vorliegenden Untersuchung ist die Feststellung der Identität im Bau zwischen der Flosse und dem am nächsten der Wirbelsäule belegenen Teile der Rumpfwand. Diese Ähnlichkeit tritt in mehreren Punkten hervor. Zuerst ist der grobe Verlauf und die Anordnung der Flossennerven absolut identisch in der Flosse und in dem Gebiete des lateralen Muskels der Rumpfwand. Um dies zu zeigen, genügt es, die Fig. 39—41 dieser Abhandlung mit den Bildern der Flossennerven meiner vorigen Abhandlung zu vergleichen. Weiter sind die Ergebnisse der funktionellen Untersuchung identisch. Bei der Reizung der Nerven in beiden Gebieten zeigte es sich, dass die Myotome an beiden Orten in den meisten Fällen von zwei Nerven versorgt werden. Schliesslich findet in einem dritten Punkte eine wichtige Übereinstimmung darin statt, dass sowohl in der Flosse wie in der Rumpfwand die Myotome von Anfang an durch feine protoplasmatische Verbindungen zusammenhängen, aus denen später teils Nervenanastomosen, teils Muskelver- bindungen hervorgehen. Die Brustflosse behält also in be- deutendem Grade die Charaktere ihres Mutterbodens, der Rumpf- wand. Daneben zeigt sie in ihrem Bau Eigenschaften, welche im Anschlusse an ihre besondere Funktion entstanden sind. Ich verweise in dieser Hinsicht auf das S. 88 Gesagte. Endlich sind die mitgeteilten Untersuchungen dazu ge- Untersuchungen über die Muskeln und Nerven der Brustflosse ete. 141 eignet, die Begriffe Metamerie und Dysmetamerie zu beleuchten. Wenn man nämlich unter Metamerie ein Nacheinanderfolgen ähnlicher Bauteile versteht, welche voneinander absolut ge- schieden werden sollen und keine Verbindungen haben, dann ist es deutlich, dass weder im peripherischen Nervensysteme, noch im Muskelsysteme der Selachier solche Einrichtungen vor- handen sind. Denn auch in dem Teile, wo nach den vorigen Untersuchungen die Spinalnerven innerhalb der Myomeren- grenzen sich halten, zeigen die feineren Methoden Verbindungen sowohl zwischen den Nerven wie zwischen den Muskeln, und ın den früheren embryonalen Stadien sind diese Verbindungen in feinen protoplasmatischen Brücken determimiert. Wenn man also das Wesen der Metamerie in der obengenannten Definition fasst, dann ist alles Dysmetamerie. Nun ist aber die ursprüng- liche Fassung der Metamerie natürlich die, dass gleichartige Teile regelmässig nacheinander folgen. Wenn man dies gelten lässt und von den Verbindungen zwischen den Metameren absieht, dann herrscht die Metamerie ebenso ausgeprägt in der Flosse wie ın der Rumpfwand. Figurenerklärung. Fig. 1. Acanthias vulgaris. Embryo 16 mm. Rekonstruktion der Flossenanlage. I.n. — erster Nerv nach Vagus, Fig. 2. Acanthias vulgaris. Embryo 19 mm. Rekonstruktion der sechs nach dem Vagus folgenden Nerven. N. v. = N. vagus, I. n. — erster Nerv nach Vagus, V. = Vene, D.C. — Ductus Cuvieri, I. e.n. — erster Spinalnerv. Fig. 3. Acanthias vulgaris. Embryo 19 mm. Rekonstruktion der Knospen und Nerven der Flosse. Fig. 4. Acanthias vulgaris. Embryo 24 mm. Rekonstruktion der Knospen und Nerven der Flosse nebst Medulla. Fig. 5. Acanthias vulgaris. Embryo 27 mm. Rekonstruktion der Knospen und Nerven der Flosse von der ventralen und medialen Seite gesehen. Fig. 6. Dieselbe Rekonstruktion von der dorsalen Seite gesehen. Fig. 7. Acanthias vulgaris. Embryo 27 mm. Rekonstruktion der sechs nach dem Vagus folgenden Nerven. M = Medulla, S = Skelett, My = Myotome, N.v.=N. vagus, 1S.n. = 1 Spinalnerv. Fig. 8. Acanthias vulgaris. Embryo 27 mm. Rekonstruktion des Plexus cervicalis. M = Medulla, S = Skelet, N. v. = Nervus vagus, V = Venen, My = Myotome, 1S.n. = 1. Spinalnerv. Fig. 9. Acanthias vulgaris. Embryo 30 mm. Rekonstruktion. Die dorsalen Muskeln von der Oberfläche gesehen. Fig. 10. Derselbe Embryo. Die dorsalen Nerven und Muskeln von der tiefen Fläche gesehen. Fig. 11. Acanthias-Embryo von 32 mm Länge. Muskeln und Nerven der Brustflosse von der medialen Fläche gesehen. Rechts der ventrale, links der dorsale Muskel. Fig. 12. ‘Acanthias-Embryo von 38 mm Länge. Der dorsale Muskel der Brustflosse von der tiefen Fläche gesehen. Fig. 13. Derselbe Muskel von der Oberfläche gesehen. Fig. 14. Der caudale Teil des Schädels und der eraniale Teil der Wirbel- säule eines erwachsenen Acanthias, durch einen Medianschnitt geöffnet. N.v.=N. vagus, o.n. = die zwei oceipitalen Nerven, I.s.n. = erster Spinalnerv. 2'/ Mal Vergrösserung. / | | | | | | Figurenerklärung. 143 Fig. 15. Acanthias vulgaris, Embryo 30 mm. Frontalschnitt durch das Oceipitale und den cranialen Teil der Wirbelsäule. N.v. = Nervus vagus, I. o.n. = erster Oceipitalnerv, I. s.n. = erster Spinalnerv. Zeiss Apochr. Obj. 16 mm, Oec, 4. Fig. 16. Ein Frontalschnitt derselben Serie mehr dorsalwärts. N.o. —N. vagus. II. o. n. = zweiter Oceipitalnerv, I. s. n. — erster Spinalnerv mit Ganglien. Obj. 16 mm, Oc. 4. Fig. 17. Acanthias vulgaris, Embryo 38 mm. Frontalschnitt durch das Occipitale und den proximalen Teil der Wirbelsäule I.s.n. — erster Spinal- nerv, S = Schädel, I. i. c. = erstes Intercalare. Obj. 16 mm, Oec. 4. Fig. 18. Acanthias vulgaris, Embryo 27 mm. Frontalschnitt durch die Brustflosse. Die Flossennerven mit Anastomosen. Obj. 8 mm, Oc. 4. Fig. 19. Acanthias vulgaris. Embryo 30 mm. Frontalschnitt durch die Brustflosse. Die dorsalen Flossennerven mit Ästen. Obj. 8 mm, Oc. 4, Fig. 20. Acanthias vulgaris. Embryo 32 mm. Frontalschnitt dureh die Brustflosse zeigt die Radialmuskeln, bei welchen in diesem Falle die Mollier- schen Anastomosen beinahe fehlen, und die Lage der Nerven zu den Muskeln. Obj. 8 mm, Oc. 4. Fig. 21. Acanthias vulgaris. Embryo 38 mm. Frontalschnitt durch den dorsalen Muskel mit noch bestehenden Mollierschen Anastomosen. Obj. 16 mm, Oe. 4. Figg. 22, 23, 24, 25 und 26 die cranialen Knospen bei Acanthias-Em- bryonen von resp. 19, 23, 24, 27 und 30 mm. 1.K = erste Knospe, 2.K. = zweite Knospe. Obj. 8 mm, Oc. 4. Fig. 27. Acanthias vulgaris. Embryo 27 mm. Muskelknospen mit zahl- reichen Mollierschen Anastomosen (M. A.) Apochr. Obj. 8 mm, Comp. Oe. 4. Fig. 28. Acanthias vulgaris. Embryo 26 mm. Muskelknospen mit Mollierschen Anastomosen (M. A.). Apochr. Obj. 4 mm, Comp. Oc. 6. Fig. 29. Acanthias vulgaris. Embryo 20 mm. Muskelknospen mit Ver- bindung. K = Knospe, A = Anastomose. Obj. 2 mm, Oc. 4. Fig. 30. Acanthias vulgaris. Embryo 20 mm. Muskelknospen mit zahlreichen Basalkegeln (B. k.). K. - Knospe Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oe. 8. Fig. 31. Acanthias vulgaris. Embryo 30 mm. Muskelknospen mit Basalkegeln (B. k.) und feinen plasmatischen längslaufenden Fäden (N), welche direkt mit den Nerven zusammenhängen. Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oc. 4. Fig. 32. Acanthias vulgaris. Embryo 30 mm. Muskelknospen mit Mollierschen Anastomosen (M. A.) und Basalkegeln (B.k.). Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oc. 4. Fig. 33. Acanthias vulgaris. Embryo 30 mm. Muskelknospen mit Fibrillenbildung und zahlreichen Mollierschen Anastomosen. Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oc. 4. Fig. 34. Acanthias vulgaris. Embryo 33 mm. Radialmuskeln mit fibrillen- führenden Mollierschen Anastomosen (M. A.). Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oec. 6. Fig. 35. Acanthias vulgaris, 32 mm. Zwei Radialmuskeln mit fibrillen- führenden Mollierschen Anastomosen (M. A... Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oc. 4. 144 Figurenerklärung. Fig. 36. Acanthias vulgaris. Embryo 32 mm. Zwei Radialmuskeln mit Basalkegeln (B. k.). Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oe. 8. Fig. 37. Acanthias vulgaris, 30 mm. Muskelknospen mit Basalkegel (B. k.) im Zusammenhang mit einer Nervenfaser. Apochr. Obj. 2 mm, Comp. Oe. 8. Fig. 38. Acanthias vulgaris. Fötus. Die Rumpfwand mit den osmium- gefärbten Nerven. Übersichtspräparat bei dreifacher Vergrösserung. Figg. 39, 40 und 41. Acanthias vulgaris. Ausgewachsenes Tier. Der laterale Muskel am nächsten der Wirbelsäule. Osmiumfärbung der Nerven. Figg. 39 u. 41. Vergrösserung 3-mal. Fig. 40 Vergrösserung 18-mal. Figg. 42 und 43. Acanthias vulgaris. Embryo 27 mm. Flächenschnitt durch die Rumpf-Myomere mit Anastomosen (A.). Apochr. Obj. 4 mm. Oe. 4. Figg. 44 und 45. Acanthias vulgaris. Embryo 30 mm. Zwei Myomere verbunden mit zahlreichen fibrillführenden Anastomosen. Obj. 2mm, Oc. 12. Literaturverzeichnis. fishes. London 1878. 3. Bardeen, Ch. 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L % LU “ i j wink: ö . ‘ '. nn } 5 1. 1 t a D E & ‘ r R B ® ' D 4 0 A * 2 i ‚ D Fi ’ k { “ j E var ar ” i AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT GÖTTINGEN. ZUR HISTOLOGIE DES MAGENNS, E DAS OBERFLÄCHENEPITHEL. | VON FR. HEIDERICH, GÖTTINGEN. Mit 19 Abbildungen im Text. Sr) ren Obwohl das Magenoberflächenepithel schon oft Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen ist, sind doch einige Fragen immer noch nicht endgültig gelöst, während andere an- scheinend wohlbegründete Angaben früherer Untersucher durch neuere Arbeiten in Frage gestellt wurden. Da mir vorzüglich konserviertes menschliches Material, nämlich der !/, Stunde nach dem Tode fixierte Magen eines Hingerichteten, zur Ver- fügung stand, versuchte ich durch Untersuchung desselben die bestehenden Lücken unserer Kenntnis zu verringern. Aller- dings konnte sich die Untersuchung nicht ausschliesslich auf dieses Material beschränken, sie musste, da verschiedene Fixationsmittel in Anwendung gebracht werden mussten, einiges auch nur durch das Experiment zu eruieren war, sich aus- dehnen auf die Magen von Hund, Katze, Salamander, Triton, Frosch und schliesslich auch Forelle. Zur Nachprüfung der Streckerschen (46) Angaben wurden noch einige Magen menschlicher Neugeborener und Embryonen verschiedenen Alters, sowie einiger Katzenembryonen untersucht. Die Untersuchung erstreckte sich auf folgende Punkte: 1. Nachprüfung der Streckerschen Angaben über das Fehlen der Epitheldecke im Magen menschlicher Neu- geborener. 3. Form- und Grössenunterschiede der Zellen und des Kernes aus mechanischen Ursachen. 152 F. HEIDERICH, 3. Der Resorptor Deckhuizens. 4. Die Fettresorption der Epithelien. 5. Die Zellbrücken. 6. Das Oberende. 7. Das Secret. Das zu untersuchende Material wurde mit den gebräuch- lichen Mitteln wie Zenkerscher Flüssigkeit, Müllerscher Flüssigkeit, Müller-Formol, Flemmings Flüssigkeit, Heidenhains Sublimat-Osmium, Picrinsäure und Formol fixiert. Zur Erhaltung der Schleimkörnchen versuchte ich das von Schaffer empfohlene und von ihm u. a. bei der Retro- lingualis des Maulwurfs (39 a. S. 19) auch bei Oberflächen- epithelien des menschlichen Magens (ebenda S. 21) mit gutem Erfolge verwandte alkoholische Formal. Dieses Fixationsmittel jedoch erwies sich für die Mucinkörnchen der Magenepithelien als meist nicht sehr geeignet. Bessere Dienste leistete mir eine 5%ige alkoholische (Alkohol 96%) Lösung von Uran- nitrat, welches in wässeriger Lösung von Merkel zum Härten schon mehrfach benutzt wurde. Die Einbettung geschah zum Teil in Celloidin, meistens in Paraffin in der von Heidenhain (20) empfohlenen Kombination mit Schwefelkohlenstoff. Um jedoch das dabei unausbleibliche Schrumpfen der Präparate zu ver- ringern, benutzte ich nur Paraffin von 38—40°0 C Schmelz- punkt und erwärmte den Thermostaten auf nur 40%. Eine gute Schneidbarkeit der Blöcke erzielte ich dadurch, dass ich vor dem Schneiden auf die Schnittfläche Kohlensäureschnee auf- streute, der auf Vorschlag des Herrn Becker mit dem Capillar- schlauch des Beckerschen Gefriermikrotoms gewonnen wird. Ich benutze diese Methode seit über 21/, Jahren und habe damit recht gute Resultate erzielt. Bei geeigneten Objekten kann man trotz der Weichheit des Paraffins bis zu einer Schnitt- dicke von 1 u heruntergehen. Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 153 Gefärbt wurde mit Hämatoxylin-Eosin, Heidenhains Eisenhämatoxylin, Schaffers alkoholischem Mucikarmin (be- zogen von Dr. Grübler) und den Fibrinfärbemethoden von Weigert und von Kockel (26). Besonderen Wert legte ich auf die Untersuchung über- lebenden Gewebes, wozu ich veranlasst wurde durch die oft ganz widersprechenden Bilder, welche die fixierten Objekte lieferten. Gerade die Untersuchung des Magenepithels machte mich hinsichtlich der Anwendung der Fixationsmittel sehr skeptisch. Die Fixation ist natürlich nicht zu entbehren, wenn es sich um topographisch-histologische Feststellungen handelt, leistet auch vortreffliche Dienste zur Auffindung neuer Struktur- bestandteile, liefert aber eine solche Menge von oft schwer als solche erkennbaren Trugbildern, dass gerade in der feinsten Histologie der Zelle die Beobachtung an der lebenden Zelle stets das letzte Wort reden sollte. Ich teile mit diesem meinem Standpunkte nicht ganz die Fischersche (13) Skepsis, halte aber daran fest, dass der letzte Beweis für die Existenz einer Struktur erst dann erbracht ist, wenn dieselbe an der über- lebenden Zelle beobachtet wurde. So scheint es mir notwendig, ‚nicht nach neuen Fixationsmitteln und oft ebenso trügerischen Färbungen (Boveri[6, S. 4]) zu suchen, sondern nach Metho- den, die uns an der lebenden Zelle mehr erkennen lassen, als es bis jetzt möglich war. 1. Strecker (46) kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Resultate, dass der Magen menschlicher Embryonen und Neugeborener, sogar der Magen von Kindern während der ersten Lebensmonate (bis zu einem Jahre!) zuweilen noch keine typische Epitheldecke besitze, sondern von einem Endothel ausgekleidet sei, auf das aus der Tiefe heraus im Laufe des ersten Lebensjahres das typische Cylinderepithel vorwachse, 154 F. HEIDERICH, dass ferner der Magen während dieser Zeit mit einer Fibrin- lage ausgekleidet sei, deren Fibrin aus den an der Ober- fläche liegenden Gefässen stamme. Schon die Beschreibung, die Strecker von seinen Präparaten gibt, noch mehr die Abbildungen Tafel XI, Fig. 7 und Tafel XI, Rie,t. 2, Auen beweisen, dass es sich dabei um angefaulte Magen handelt, wenn auch Strecker selbst diesen Vorwurf als „billige Einwendungen“ (l. c. S. 191) in der Einleitung zurück- weist. Selbst oder besser gerade der „frisch fixierte Magen eines totgeborenen Kindes“ (l. ec. S. 197), auf den Strecker ganz besonderen Wert legt, dürfte nicht einwandfrei sein. Bei der grossen praktischen Bedeutung, welche die Kenntnis des Magenoberflächenepithels des Neugeborenen hat, ich erinnere nur an die lebhafte Diskussion in der Tuberkulosefrage, glaubte ich trotzdem eine Nachprüfung vornehmen zu müssen. Ich fand bei gut konserviertem Materiale stets die typische Epithel- decke, bei Material, das nachweislich erst einige Stunden post mortem fixiert war, aber Bilder, die den Streckerschen gleichen. Von zwei menschlichen Embryonen im Alter von 14 und 17 Monaten war der eine frisch fixiert, die Epitheldecke war lückenlos, der andere war schon äusserlich anmaceriert, die Epitheldecke war von der Propria abgehoben und lag in grossen Partien im Lumen des Magens, die Propria aber stimmte mit der Streckerschen Beschreibung des epithellosen Magens bis auf alle Einzelheiten überein. Sogar die „kernlosen blut- körperähnlichen Zellen“ auf der Oberfläche waren zu sehen und erwiesen sich als rote Blutkörperchen, die gleichfalls etwas maceriert waren. Auch die auf der Schleimhaut aufliegende Schicht, die nach Strecker aus Fibrin besteht, fand sich in meinen Präparaten vor. Jedoch reagierte diese Schicht nicht nur auf die Fibrinfärbung, sondern färbte sich auch sehr in- tensiv mit dem Schafferschen alkoholischen Mucikarmin, woraus hervorgeht, dass diese Schicht nicht aus Fibrin, sondern Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 155 aus Schleim besteht. Schon Schmidt (40) hat ja darauf aufmerksam gemacht, dass die Weigertsche Fibrinfärbe- methode eine ausgezeichnete Schleimfärbung liefere. Ich kann diesen Befund vollauf bestätigen. Bei sämtlichen von mir unter- suchten Magen färbten sich die ‘Oberenden ganz intensiv mit der Fibrinfärbemethode, und, waren die Mucinkörnchen gut kon- serviert, so färbten auch diese sich distinkt. Auch die Schleim- schicht des Magens erwachsener Tiere nahm diese Färbung gut an. Es liegt also gar kein Anlass vor, diese Schicht beim Embryo und Neugeborenen für Fibrin zu halten. Damit fällt auch die Hypothese von der Herkunft des Fibrins aus „den Endsinus der Gefässe“, sowie seiner physiologischen Wirkang als Schutz gegen die Verdauungssäfte. Es liegt mithin keine Veranlassung vor, auf die weiteren Einzelheiten der Strecker- schen Arbeit einzugehen. H. Nach den übereinstimmenden Angaben in der Literatur sind die Oberflächenepithelien Cylinderzellen, deren Höhe und Form nach der Lage der Zellen variiert. Auf der Höhe der Falten zwischen den Magengrübchen sind die Zellen oft sehr stark in die Länge gezogen und am unteren Ende spitz, während die Zellen der Magengrübchen selbst niederer und parallel- wandig sind (Liebert [30], Fröhlich [14], Bloch [5], War- burg [50] u. a.). Ferner liegen Beobachtungen über „dach- ziegelförmige“ Lagerung der Zellen vor. So fand Hock (24) beim Magen der Ziege das Fussende der Zellen „umgebogen, so dass der Zellfuss der einen Zelle den der folgenden dach- ziegelartig deckte“. Bloch (5), der das Magenepithel des Säug- lings untersucht hat, fand den Basalteil der Zellen, dessen „kurzer Ausläufer sich wie ein Fuss unter die unterliegende Oberflächenepithelzelle schiebt“, verengt, und Kolster (29) beschreibt an den Magenepithelien von Centrophorus am basalen 156 F. HEIDERICH, Ende ‚oft einen seitlichen Fortsatz, welcher sich unter die an- sıenzende Zelle schiebt“. Um ein möglichst vollständiges Bild von der Variabilität der Form dieser Zellen und ihrer Ursache zu erhalten, unter- suchte ich Magen von verschiedenem Dehnungszustande. Das eine Extrem der Zellform, nämlich ganz niedrige Zellen, findet sich in maximal gedehnten Magen. Es ist nicht zweck- mässig, diese maximale Dehnung des Magens durch Eingiessen von Fixationsflüssigkeiten zu erzielen, da schon während des Füllens die oberen Teile der Zellen anfixiert werden, die weitere Füllung aber diese schon fixierten Teile dehnt und dabei zerreisst, und da man ausserdem nicht imstande ist, ab- zuschätzen, wann die in vivo mögliche grösste Ausdehnung des Magens erreicht ist, bei deren Überschreitung natürlich auch wieder Verletzungen der Epithelien vorkommen. Um diese Fehlerquellen zu vermeiden, liess ich einen Hund mehrere Tage hungern und setzte ihm dann eine grosse Menge ihm zusagenden Futters vor, dessen grössten Teil er gierig ver- schlang. Ich tötete das Tier !/, Stunde nachher und eröffnete sofort die Bauchhöhle. Der Magen war in diesem Falle ganz enorm gedehnt. Ich band den Magen unterhalb des Pylorus ab und brachte ihn in Müller-Formol. Nach 10 Minuten öffnete ich den Magen an der grossen Curvatur durch einen Längs- und mehrere Querschnitte, zog die Magenwand, die sich nicht mehr kontrahierte, da die äusserst dünn gewordene Muskulatur schon fixiert war, vorsichtig von dem festen Inhalt ab und brachte sie in neue Mengen der gleichen Fixationsflüssigkeit. Die erzielte Dehnung war keine völlig gleichmässige. Die Pylorusgegend war stark gefaltet, der Pylorus selbst völlig ge- schlossen. Auch die Cardiagegend war nicht ganz glatt. Da- gegen wies die Schleimhaut zwischen diesen Strecken keinerlei Erhebungen auf. Die Dicke der gesamten Wand betrug, an Paraffinschnitten gemessen, nur 0,75 mm, während die Wand Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 157 eines kontrahierten Magens des Hundes im Mittel 2,38 mm dick ist. Die Schleimhaut selbst mass am gedehnten Magen nur 0,17 mm, am kontrahierten Magen aber 1,2 mm. Die Drüsen des gedehnten Magens sind recht kurz und relativ weit von- einander entfernt. An vielen Stellen betrug ihre Entfernung 130—150 u, während im kontrahierten Magen die zwischen den Drüsen liegenden Bindegewebszüge auf eine Dicke von 10 u und weniger reduziert sind. Die Drüsen münden an der freien Oberfläche, da die Grübchen völlig verstrichen sind. Die Wan- dungen der Grübchen stellen also Reserveflächen dar, die bei starker Dehnung in die freie Oberfläche mit einbezogen werden können. An solchen glatten Stellen sind die Epithelzellen ganz ausserordentlich niedrig (Fig. 1a). Die niedrigsten sind nur 4 u hoch, während am kontrahierten Magen des Hundes Zellen von 60 u Länge vorkommen. Dieses Niedrigwerden der Epithel- zellen ist bedingt durch den starken Druck, der infolge der Füllung im Innern des Magens herrscht und der auf die Zellen senkrecht zu ihrer Oberfläche wirkt. Dieser Innendruck wurde in unserem Falle noch dadurch erhöht, dass sich infolge des Reizes, den das einwirkende Fixationsmittel setzte, die Musku- latur zu kontrahieren versucht hat und dadurch die Epithel- zellen gegen den festen Inhalt anpresste. Die Höhe der Zellen ist nicht überall gleich: man kann alle Übergänge von 4 u bis 30 u Länge (Fig. la—e) finden. Diese Unterschiede erklären sich zum Teil aus der Art des Mageninhaltes, der eine ungleiche Verteilung des Druckes ermöglichte. Der Inhalt bestand aus einer grossen Menge einzelner Brocken, die ungekaut ver- schlungen worden sind. An den Stellen der Wand, denen festere Brocken anlagen, riefen letztere Ausbuchtungen der ganzen Wand hervor. Dort war also der Druck, dem die Zellen aus- gesetzt waren, stärker, dort sind diese deswegen auch am niedrigsten. Ein ganz anderes Bild liefern Schnitte durch die Wand 158 F. HEIDERICH, d e Fig. la—c. Magenepithelien von verschiedener Höbe. Hund. Maximale Dehnung des Magens durch Nahrungsaufnahme. Zur Histologie des Magens. 1. Das Oberflächenepithel. 159 eines leeren kontrahierten Magens. Das Material hier- für ist leicht zu gewinnen. Man lässt das Tier 24-48 Stunden hungern und tötet es dann, um auch das Verschlucken von Speichel zu verhindern (was ja bei der Narkose nicht zu ver- meiden ist), durch einen Schuss in den Kopf. Bei der Eröff- nung der Bauchhöhle ist in den allermeisten Fällen die Musku- latur des Magens völlig schlaff, der Magen gleicht einem leeren Sack. Leider gelingt es nicht, das Organ in diesem Zustande zu fixieren; die Oberflächenepithelien würden dann, da sie mechanisch kaum beansprucht sind, die ihnen vermöge ihrer eigenen Spannung zukommende Form zeigen. Die Reize, die durch die Herausnahme und vor allem durch das Einbringen in die Fixationsflüssigkeit gesetzt werden, führen vielmehr zu einer raschen und fast vollständigen Kontraktion der Musku- latur. Die Schleimhaut ist dann stark gefaltet, es sind tiefe Grübchen entstanden. Die Entfernung der Drüsen voneinander ist jetzt nur gering (10 u und weniger). Die Epithelzellen sind sehr lang: ich habe beim Hund 60 u, bei der Katze 70 u, beim Frosch 73 u gemessen. Hock (24) gibt für Hund und Katze nur 30,6 u als Länge an. Es ist dies aber offenbar nur ein Mittelwert. Die Form dieser langen Zellen und auch ihre Grösse ist ganz verschieden je nach ihrem Standort. Die Wände der Grübchen sind vielfach mit paralleiwandigen, also eylindri- schen oder besser prismatischen Zellen besetzt, oft aber auch kommt die von Kolster (29), Bloch (5) und Hock (24) beschriebene Lagerung der Zellen vor. Die oberen Hälften der Zellen stehen dann noch völlig parallel und senkrecht zur Oberfläche nebeneinander (Fig. 2), die unteren Hälften der Zellen aber sind ganz stark in die Länge gezogen, oft ganz dünn und gegen den Grund der Grübchen gerichtet. Die Zellen sind also in der Mitte abgebogen. Der untere Teil ist um so länger und dünner, die Verschiebung des oberen Teiles der Zelle gegen die Spitze der Fältchen um so stärker, je länger 160 F. HEIDERICH, und schmäler die Fältchen selbst sind. Auch die gegen die Spitze der Fältchen hin stehenden Zellen sind länger wie die mehr an dem Grund der Grübchen befindlichen (Fig. 3). Ganz Fig. 2. Fig. 3. Oberflächenepithelien der Seitenwan- Schmale Falte der Magenschleimhaut. dung eines Magengrübchens. Katze, Katze. Wässerige Picrinsäurelösung. Alkohol-Urannitrat. Die Zellgrenzen Die Zellgrenzen sind am Präparat sindam Präparat selbst weniger scharf. weniger deutlich. lange schlanke Zellen finden sich ganz oben auf den Höhen der Falten. Jedoch ist auch die Form der Falten von Einfluss auf die Länge der Zellen, welche den oberen Teil der Falte decken. Sind die Falten oben spitz, so stehen die längsten Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 161 Zellen auf der Spitze selbst (Fig. 3); haben aber die Falten einen flachen Rücken (Fig. 4), so trägt der Umbiegungs- rand die längsten Zellen, während auf dem Rücken selbst etwas niedrigere Zellen stehen. Eine solche Falte weist also auf ihrer Oberfläche eine flache Delle auf. Es erhebt sich nun die Frage, wie das Zustandekommen aller dieser verschiedenen Zellformen zu erklären ist; denn Fig. 4. Falte mit eingedelltem, flachem Rücken. Katze. Alkohol. Urannitrat. Die Zellgrenzen sind am Präparat weniger deutlich. dass es sich dabei nicht um präformierte Formen handelt, beweist die Verschiedenheit der Zellen im gedehnten und ım kontrahierten Magen. Es ist von vornherein höchst wahrschein- lich, dass alle diese Formen nur der Ausdruck für eine ganz verschiedene mechanische Inanspruchnahme sind. Zur Er- klärung ihres Zustandekommens scheint es mir zweckmässig, von den Zellen des gedehnten Magens auszugehen. Diese Zellen sind, wie-oben ausgeführt, niedrig, Falten und Grübchen Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) 11 162 F. HEIDERICH, der Schleimhaut sind noch nicht vorhanden. Fig. 5a gibt ein ein- faches Schema der Magenwand für diesen Zustand. Nun setzt die Entleerung des Magens ein. Die Muskulatur (Ring a) kontra- hiert sich, die gesamte Querschnittsfläche (Fig. 5b) wird dadurch kleiner. Dabei werden sämtliche Teile der Wand in radiärer Richtung gegen das Centrum hin vorgeschoben. Das lockere Bindegewebe der Submucosa und der Mucosa (Ring b) schiebt sich zusammen und drängt die Epithellage (Ring c) weiter gegen das Innere hin vor. Es wird dabei die Peripherie des a b Fig. 5. a) Schema des gedehnten Magens, b) Schema des kontrahierten Magens; a. Mus- kulatur. b. Submucosa und Mucosa. c. Epithel. Ringes c kleiner, es muss also, wenn sein Volum gleich bleiben soll, seine Breite, also die Dicke der Epithellage, zunehmen. Da sich die Epithelzellen nicht übereinander schieben, muss jede einzelne Zelle ihre Form ändern: sie wird höher ent- sprechend der Breite des Ringes c und, da sich ihre Grundfläche entsprechend verkleinert, schmäler. Die niedrigen platten Epithelzellen des gedehnten Magens haben sich in die hohen eylindrischen des kontrahierten Magens ımgewandelt. Die Epithelzellen pressen sich also gegenseitig. Sie verhalten Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 163 sich dabei wie die Bausteine eines tonnenartigen Gewölbes. Bemerkenswert ist, dass der Druck, der diese Umwandlung her- beiführte, ursprünglich in radiärer Richtung, also senkrecht auf die Basis der Zellen einwirkte, dass aber durch die Stellung der Epithelzellen zueinander dieser Druck innerhalb der Epithel- lage umgewandelt wird in einen Druck, der zu einer seit- Fig. 6. a. und b. Schema für das Verhalten der Epithelzellen bei seitlichem Druck. a. ohne Druck. b. in der Richtung der Pfeile komprimiert. c. und d. Schema für das Entstehen einer Falte durch Ausweichen nach einer Seite hin. c. bei ge- radem, d. bei gebogenem Stab unter Benutzung eines entsprechenden Widerlagers. lichen Kompression der einzelnen Zellen führt, der also von den Seiten her (auf den Kreis bezogen in eirculärer Richtung) wirkt. Diese Feststellung ist von Wichtigkeit für die Deutung der Ursache der Faltenbildung und der Form der Epithelzellen der Falten. Wir können für die weitere Betrachtung also von dem radiär wirkenden Druck absehen und uns nur auf den HS 164 F. HEIDERICH, cireulär wirkenden Seitendruck beschränken. Diesen Seiten- druck möchte ich auch für die Entstehung der Falten verant- wortlich machen. Schon bei geringen Unregelmässigkeiten des Druckes muss es zu einem Durchbiegen der Epitheldecke, also zur Faltenbildung kommen. Wie solche Falten zustande kommen können, kann man sehr leicht an einem elastischen ge- raden Stab veranschaulichen (Fig. 6a—c). Übt man auf ihn von den beiden Seiten her in der Richtung seiner Achse einen Druck aus, so gelingt es eine Zeitlang bei gleichmässigem Druck, den Stab zu verkürzen, wobei er dicker wird (Fig. 6b). Schliess- lich aber biegt der Stab nach einer Seite hin aus (Fig. 6c). Die beiden Enden des Stabes haben sich rasch und mit erheblich geringerem Widerstande wie vorher genähert, es ist eine Falte entstanden. Nun ist zwar die Mageninnenfläche keine ebene, sondern eine gewölbte Fläche. Das Vergleichsexperiment ist also nicht mit einem geraden, sondern einem gebogenen Stabe auszuführen. Es gelingt, wenn man den gebogenen Stab an seiner convexen Seite mit einem entsprechend gebogenen, nicht nachgiebigen Widerlager versieht (Fig. 6d), wie dies ja bei dem sich kontrahierenden Magen in der Muskulatur ge- geben ist. Es ergibt sich aus diesen Ableitungen vor allem, und das ist für die weitere Betrachtung besonders bedeutungs- voll, dass bei der Entstehung der Falten die Epithellage die führende Rolle spielt, dass also nicht das submucöse Binde- gewebe das Epithel vor sich herdrängt, sondern dass die Epithelschicht durch in ihr selbst wirkende Spannungen aus ihrer Lage gehoben wird und nun das Bindegewebe der Unter- lage hinter sich her zieht. Diese Annahme ermöglicht auch eine Erklärung der Form der Epithelzellen, die auf den Falten stehen. Doch davon später. Die Stellen, an denen Falten entstehen können, sind keine rein zufälligen, sie sind vielmehr gegeben durch die Ausmündungen der Drüsen. Die Drüsen selbst sind am kontrahierten Magen zwar auch etwas länger wie am ge- Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 165 dehnten Magen, ihre Ausmündungsstellen sind also bei der Verkleinerung des Lumens des Magens ebenfalls gegen das Innere hin vorgerückt, wie ja auch die Epitheloberfläche. In die Falten der Epitheldecke aber gehen die Drüsen nicht hinein. Es muss also das die Propria der Drüsen bildende Bindegewebe fester an der Unterlage verankert sein, wie das Bindegewebe zwischen den Drüsen, das ja in die Falten hinein- gezogen wird. Die Drüsenausmündungen sind also fixe Punkte der Oberfläche, die zwar in circulärer Richtung verschoben werden können; denn sie rücken ja bei der Faltenbildung näher | II} A | II S | I III | III ER EEIIIE VNA WAL. Fig. 7. Schema für die Druck- (a) und Zugkräfte (b), welche bei der Bildung einer Falte auf die Epithelzellen wirken. aneinander, nicht aber in radiärer Richtung. Nun die Falten selbst: Nach meiner vorherigen Ableitung, die den Seitendruck innerhalb der Epithellage für das Zustandekommen der Falten verantwortlich macht, wird das Bindegewebe der Propria von dem Epithel in die Falten hineingezogen. Es spricht für diese Annahme die Stellung der Kerne des Bindegewebes: in dem gedehnten Magen stehen sie circulär, in den Falten des kontra- hierten Magens radiär. Das Bindegewebe der Falten wird also nach dieser Annahme in radiärer, centripetaler Richtung ge- dehnt, d. h. es übt an den Basalflächen der zugehörigen Epithel- zellen einen Zug aus, der in radıärer, centrifugaler Richtung wirkt (Fig. 7). Da die Epithelzellen, wie wir vorher sahen, 166 F. HEIDERICH, recht plastisch sind, muss sich dieser Zug in einer Verlängerung der Zellen äussern, die um so grösser ist, je stärker der Zug ist, d. h. je weiter sich die Zellen von der Basalfläche der Falte entfernt haben. (In der Fig. 7 ist die Stärke dieses Zuges durch die Pfeile b ausgedrückt.) Diese Verlängerung der Zellen ist in der Tat auch an allen Falten nachweisbar (Fig. 3 u. 4), was mir die Richtigkeit der bisherigen Ableitungen zu be- weisen scheint: Je höher die Falten sind, je stärker also das Bindegewebe gespannt wird, um so länger sind auch die Zellen an der Spitze der Falten, und ferner, je näher die Zellen dem Grunde der Grübchen stehen, je weniger also das Bindegewebe gespannt ist, um so niedriger sind die Zellen. Auf die Epithelzellen der Falten wirken also zwei Kräfte ein, nämlich 1. die Schubkraft a (Fig. 7), welche die Zellen komprimiert und eine Funktion der Intensität der Kontraktion ist, und 2. die Zugkraft b, welche die Zellen in die Länge zieht und ausser von der Muskelkontraktion, die die Höhe der Falte bestimmt, von der. Elastizität des Binde- gewebes abhängig ist. Etwas abweichend von dem Gesagten verhalten sich die Falten mit einem breiten Rücken, deren Zellformen oben (S. 161) beschrieben sind (Fig. 4). Ich ver- mute, dass die Delle auf der Höhe der Falte durch Druck von seiten des Mageninhaltes hervorgerufen ist. Es würde dann nach den vorigen Ableitungen plausibel sein, dass die Zellen des Umbiegungsrandes, die dem stärksten Seitendruck und gleichzeitig der stärksten Zugwirkung seitens des Bindegewebes ausgesetzt sind, auch die grösste Längenausdehnung haben müssen. Durch das bisher Gesagte ist noch nicht erklärt, warum die Zellen der Seitenwand häufig die in Fig. 2 dargestellte Form haben. Die Abbildungen (Fig. 2, 4 u. 8) zeigen, dass die oberen Hälften der Zellen nur wenig ihre Form geändert haben, dass sogar ihre Seitenwände die ursprüngliche Stellung vertikal zur Unterlage beibehalten haben, während doch die Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 167 unteren Zellhälften erheblich in Form und Richtung verändert sind. Diese Formen sind am ausgeprägtesten an den oberen Partien der Seitenwände der Falten (Fig. 8). Nach dem vorher Gesagten dürften an ihrem Zustandekommen die beiden Kräfte a und b der Fig. 7 beteiligt sein. Aus ihrer Einwirkung allein aber würde sich nur eine Schrägstellung der Zellen (die Basis Fig. 8. Falte, welche an der Spitze ganz besonders lange Zellen trägt. Katze. Alko- hol-Urannitrat. Die Zellgrenzen sind am Präparat weniger gut sichtbar. gegen den Grund der Falte hin gerichtet) erklären. Der Um- stand aber, dass nur die unteren Zellhälften so stark defor- miert sind, beweist m. E., dass die Konsistenz der Zelle nicht gleichmässig ist, dass die unteren Zellhälften weicher, also nachgiebiger sind wie die oberen. Ich möchte deshalb nicht 168 F. HEIDERICH, von „einem Fuss der Zellen, der sich unter die benachbarten Zellen untergeschoben hat‘, reden. Im embryonalen Magen fanden sich die vorher be- schriebenen Unterschiede in der Form der Zellen gleichfalls. In den von mir daraufhin untersuchten Fällen aber war das Lumen des Magens mit Schleim gefüllt und weit, die Musku- latur also nicht nennenswert kontrahiert. Trotzdem ragen in das Lumen Erhebungen der Schleimhaut vor. Diese jedoch bestehen, zum Unterschied gegen den kontrahierten Magen des Erwachsenen, zum weitaus grössten Teil ausschliesslich aus Fig. 9. Stelle aus dem Magenepithel eines Katzenembryo. Die Erhebung besteht aus langen Epithelzellen, deren eine sich in Mitose befindet. Die Mucosa be- teiligt sich an der Erhebung nicht. Epithelzellen (Fig. 9). Die Propria geht meist nicht in diese Bildungen hinein, sondern zieht an ihrer Basis glatt vorbei. Die Zellen zwischen den Erhebungen sind niedrig eylindrisch, vielfach sogar cubisch, die Zellen der Erhebungen selbst aber langgestreckt. In der Mitte der Erhebungen sind sie am längsten. Wir haben also hier genau dieselben Zellformen wie am kontrahierten Magen, ohne dass hier eine stärkere Kon- traktion der Muskulatur vorliegt. Und doch glaube ich, dass auch diese Zellformen durch Seitendruck hervorgerufen sind. In solchen Erhebungen fand ich mehrfach Mitosen (Fig. 9), und möchte diese für das Entstehen der Falten verantwortlich machen. Wenn nämlich die durch die Teilung entstandenen Zellen heran- wachsen, so üben sie natürlich auf ihre Umgebung einen Druck Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 169 aus, der bei der Weichheit des Materials zu einem Längerwerden auch der benachbarten Zellen führen muss. Mit einer einzelnen Zellteilung jedoch würde das Entstehen der doch viele Zellen enthaltenden Erhebungen nicht hinreichend erklärt sein, ich muss vielmehr zu der Hypothese greifen, dass an solchen Stellen viele Zellteilungen nacheinander abgelaufen sind. An einzelnen wenigen Stellen (Fig.. 10) ist auch die Propria mit in die Erhebungen einbezogen, so dass also echte Falten entstanden = A = N N Yu JE AN || IUCH Vh- N ON JAN NA PN HU ol IN, No) N\ MN Pi I— N Ne au y ON VIE fi 1 NS — = > eg 2. Fig. 10. Aus demselben Magen, wie Fig. 9 stammend. Die Mucosa ist in die Falte hineingezogen. sind. Ich glaube auch da zu der Annahme berechtigt zu sein, dass eine besonders lebhafte lokale Zellvermehrung die Ur- sache dafür ist. Die Zellen reagieren anfangs durch Länger- werden auf den Seitendruck, bei zunehmendem Druck aber werden sie aus ihrem Niveau herausgeschoben. Dabei ziehen sie die Popria, mit der sie fest verbunden sind, hinter sich her. Wir haben hier also denselben Vorgang wie bei der Falten- bildung im erwachsenen Magen; die Ursachen sind zwar andere, aber die mechanischen Bedingungen sind die gleichen. Ich setzte vorher der Einfachheit halber voraus, dass das 170 F. HEIDERICH, Volum der Zellen unter den verschiedenen mechanischen Be- dingungen ein ziemlich konstantes bleibt. Die Prüfung dieser Frage ergab, dass dies nicht ganz richtig ist. Aus unseren Ab- bildungen (Fig. 1a—d) geht hervor, dass die Breite der Zellen mit der Verkürzung derselben zunimmt. Jedoch liegt das Maxi- mum der Breite nicht bei den ganz niedrigen, sondern den mittelhohen Zellen. Von da an abwärts bleibt die Breite der Zellen ziemlich konstant. Da aber, wie eben ausgeführt, die Höhe weiterhin recht beträchtlich abnimmt, nimmt naturgemäss auch das Volum der Zellen ab. Die platten Zellen sınd also kleiner wie die niedrig cylindrischen. Auch das Volum der schlanken Zellen ist geringer wie das der mittelhohen Zellen, wie aus den Abbildungen 1a—e hervorgeht. Es ergibt sich also aus alledem folgendes: Die mittelhohen Zellen des Epithels sind die typischen der Form und Grösse nach. Sie müssen sich vor allem im ruhenden Magen finden. Werden die Zellen durch Kontraktion des Organs von der Seite her gepresst, so werden sie lang, schmal und spitz und nehmen an Volum ab, werden sie durch die Füllung des Organs senkrecht zu ihrer Oberfläche gepresst, so werden sie niedrig und breit und nehmen gleichfalls an Volum ab. Diese Volumschwankungen werden wohl zum grossen Teil durch Unterschiede in dem Schleim- gehalt des Oberendes bedingt). Die Abbild. La-—e und 11a—c lehren, dass die niedrig- eylindrischen Zellen den meisten Schleim enthalten, während die höheren Zellen und die niederen Zellen erheblich viel weniger, die platten Zellen überhaupt keinen Schleim mehr aufweisen. Natürlich hängt der Schleimgehalt der Zellen nicht ausschliesslich von dem Dehnungszustande der Zellen ab. Im Hungermagen sind die Epithelzellen der Magengrübchen oft so stark mit Schleim gefüllt, dass der Kern ganz an die Basis 1) Ich halte es aber für nicht ausgeschlossen, dass auch Wasserabgabe der Zelle mit zu dieser Verkleinerung beiträgt. Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. Kal der Zelle gedrückt ist; aber auch dort enthalten die am stärksten gepressten Zellen, d. h. die, welche auf den Höhen der Falten stehen, niemals grosse Mengen von Schleim !). Die Schleim- reservoire sind vielmehr die weniger mechanisch in Anspruch genommenen Zellen der Wandungen der Grübchen. Werden aber auch diese Zellen unter Druck gesetzt, indem sie durch Fig. 11. a-c. Partien aus dem Oberflächenepithel des maximal gefüllten Hundemagen Die schleimhaltigen Teile der Zellen schraffiert. die Dehnung des Magens bei der Nahrungsaufnahme selbst ge- dehnt werden, so geben sie ihren Schleim unter Umständen bis zum letzten Rest ab. Es scheint mir daher sehr wohl mög- lich zu sein, dass das Ausstossen des Secretes nicht aus- 1) Bloch (5) gibt zwar für den menschlichen Säugling an, dass das Oberende auf den Leisten am grössten sei. Diese Angabe wird sich wohl mehr auf die Länge der Oberenden wie auf deren Volum beziehen. Die An- gaben von Liebert (30) und Fröhlich (14) beziehen sich auf die Zellen am Grunde der Grübehen. Diese enthalten weniger Schleim wie die Zellen der Wandungen. 172 | F. HEIDERICH, schliesslich durch eine aktive Kontraktion des protoplasmati- schen Gerüstes des Oberendes der Zellen (Zimmermann [5l|) zustande kommt, sondern wohl zum Teil eine rein mechanische Folge der Dehnung des Magens durch die Nahrungsaufnahme ist. Es stimmt das mit den Tatsachen überein, dass der leere schlaffe Magen nur wenig freien Schleim enthält, der mit Speisen gefüllte Magen eine deutliche Schleimschicht aufweist und dass auf der anderen Seite bei heftigen Kontraktionen, z. B. beim Brechakt auch der leere Magen eine Menge Schleim produziert. Auch die Form und die Grösse des Kernes ist bei den verschiedenen Zellformen recht variabel (Fig. 1a—e). Der Kern der schlanken Zellen ist langgestreckt, um so länger, je schlanker die Zelle ist. Der längste Kern, welchen ich fand (Hund), war 12 u lang, 2 u breit. Wird die Zelle kürzer, so wird natürlich auch der Kern kürzer und dicker (Liebert [30]), um schliess- lich in niedrig-cylindrischen Zellen kreisrund zu werden mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 6 u. In den platten Zellen plattet sich der Kern gleichfalls ab und ist dann ca. 6 u breit, aber nur 2 u hoch. Die angegebenen Zahlen legen die Ver- mutung nahe, dass auch das Volum des Kernes je nach der Form der Zelle schwankt. Aus den Lineardimensionen ist natür- lich noch kein sicherer Schluss zu ziehen. Aus dem kreis- runden Aussehen der Kerne kann man ja nicht ohne weiteres auf Kugelform schliessen. Und in der Tat sind diese Kerne bisweilen nicht völlig kugelig, sondern, wenn auch nur wenig, abgeplattet. Das lehren dickere Schnitte, in denen man durch Drehen der Mikrometerschraube ungefähre Messungen machen kann, das ergibt sich auch aus Flachschnitten. Auf der anderen Seite aber findet man stets in Flachschnitten in grösserer An- zahl kreisrunde Kerne mit dem in Längsschnitten häufigen Durchmesser von 6 u (Fig. 12), so dass es sicher ist, dass völlig kugelige Kerne dieser Grösse nicht selten sind. Dass Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepitbel. 173 nicht viele Kerne erheblich von der Kugelgestalt abweichen, geht auch daraus hervor, dass sowohl in den Längsschnitten der niedrig-eylindrischen Zellen wie in deren Flachschnitten die annähernd kreisrunden Kerne vorherrschen. Es kommen in den Flachschnitten allerdings auch Stellen mit schmalen länglichen Kernen vor (Fig. 13), hier jedoch dürfte es sich um Schrägschnitte von längeren Zellen handeln. Die langen Kerne der schlanken Zellen sind im Querschnitt ebenfalls rund, doch kommen auch hier und da etwas abgeplattete Formen vor. Ned 5° Dot Flachschnitt durch das Oberflächen- Stelle aus demselben Präparat wie epithel des maximal gefüllten Magens. Fig. 12. Schrägschnitt durch läng- Nıiedrig-cylindrische Zellen. Die Zell- liche Zellen. Ebenfalls nur Kernkon- grenzen unsichtbar. Nur die Kon- turen gezeichnet. turen der Kerne gezeichnet. Das Volum dieser langen Kerne ist, wie aus den ange- gebenen Zahlen hervorgeht, kleiner wie das der kugeligen Kerne. Um dies auch ohne Berechnung demonstrieren zu können, bildete ich aus Plastillin einen der gezeichneten kugeligen Kerne einer niedrig-eylindrischen Zelle nach (Fig. 14a) und stellte dann aus genau derselben Menge Plastillin einen Stab her, der in den Breitendimensionen den langen Kernen entsprach. Die Fig. 14b zeigt, wie lang der Kem bei gleichbleibendem Volum dann werden würde. Es ergibt sich also aus dem Vergleich der Abbildungen Fig. Id -e und 174 F. HEIDERICH, 14a-—b. dass die Kerne der schlanken Zellen kleiner wie die der niedrig-eylindrischen Zellen sind. Dasselbe gilt, sogar in noch höherem Masse, auch für die Kerne der platten Zellen (vergl. Fig. 1a). Es wirkt mithin der Druck, der die Zellgrösse beeinflusst, auch verkleinernd auf den Kern ein. Auch in stark mit Schleim gefüllten Zellen sind die Kerne oft recht klein, m. E. infolge des Druckes, den das aufgespeicherte Secret auf den Kern ausübt. Die kleinen Kerne nun färbten sich in meinen Präparaten mit Hämatoxylin dunkler wie die grossen. Diese Farbenunterschiede sind auch Warburg (50) Fig. 14. Plastillinnachbildung a) eines kugeligen Kernes in der Grösse der Figur le, b) dieselbe Masse in einem cylindrischen Stab umgeformt. Man vergl. Fig. le. nicht entgangen, der angibt, dass die länglichen Kerne auf der Höhe der Falten dunkelblau und undurchsichtig, die ovalen Kerne der Grübchen aber hell und durchsichtig sind. Eine Erklärung für diese Tatsache gibt er allerdings nicht. Ich schliesse aus den Farbenunterschieden, dass die vorher be- wiesene Verkleinerung durch Wasserabgabe zustande kommt. MW Ich komme nun auf den von Dekhuyzen (11) und Ver- maat (48) beschriebenen Resorptor zu sprechen. Diese Autoren Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 175 beschreiben auf dem Oberende der Darmepithelzellen von Ascaris megalocephala einen Fädchenapparat, von dem sie an- nehmen, dass er der Resorption dienen soll, und finden diesen Apparat, allerdings nicht in der gleichen Deutlichkeit, bei Tieren aus den verschiedenen Klassen wieder, so bei Rana, Triton, Seyllium canicula, Kaninchen, Maus, Meerschweinchen und weisser Ratte. Dieser Fadenapparat ist später von Bilek (4) auch bei Ascariden wieder beschrieben worden, doch kommt er nach Bilek wohl bei Ascaris megalocephala, nicht aber bei Ascaris semiteres und lumbricoides vor, was doch jeden- Fig. 15. Oberflächenepithel des Froschmagens. Müllersche Fl. Die mit alkoh. Mucikarmin gefärbten Teile dunkel. Deutliche Schleimfädchen an der Oberfläche. falls recht bemerkenswert wäre, wenn es sich um eine so wichtige Bildung handelt, wie dies Dekhuyzen und Ver- maat annehmen. Bei meinen Untersuchungen habe ich solche Bilder, wie sie Vermaat vom Kaninchen abbildet, häufig beobachtet (Fig. 15), und zwar ebenfalls vor allem nach Fixation in osmiumhaltigen Flüssigkeiten, aber auch in Müllerscher Flüssigkeit und in Formol. Auch die angegebenen isotonischen Flüssigkeiten von Vermaat habe ich benutzt, ohne damit bessere Resultate zu erzielen, wie mit anderen Fixationsmitteln. Ich glaube sogar, dass die Isotonie eines Fixationsmittels gar nicht so erstrebenswert ist; denn iso- 176 F. HEIDERICH, tonische Lösungen diffundieren ja nur sehr langsam in das zu fixierende Gewebe hinein und gerade von einem Fixations- mittel verlangen wir, dass es schnell eindringt, um agonale Veränderungen der Zellen möglichst zu verhindern. Das ist ja der Grund, weshalb Tellyesnicki (47) empfiehlt, der im übrigen so ausgezeichneten conzentrierten Sublimatlösung Essig- säure zuzusetzen, ob allerdings mit Vorteil, erscheint mir nach meinen Erfahrungen sehr zweifelhaft. Ich bin nicht genügend bewandert in physikalischer Chemie, um beurteilen zu können, wie die Vorgänge bei der Diffusion eines so zusammengesetzten isotonischen Gemisches, wie es das von Vermaat angegebene ist, ablaufen. Ich glaube jedoch nicht, dass ein solches Ge- misch während der Fixation isotonisch bleibt, auch wenn es das nach seinem Gefrierpunkt zuerst war, sondern nehme an, dass jeder der Einzelbestandteile nach dem ihm zukommenden Tonus in das Gewebe eindringen wird. Die Einzelbestandteile werden also nicht mit derselben Geschwindigkeit vordringen und dadurch wird natürlich der gewünschte Effekt vereitelt. Gerade bei dem Zusatz von Essigsäure zu Sublimatlösung kann man ja so schön sehen, wie die Essigsäure dem Sublimat vorauseilt. Schneidet man ein in Sublimatessigsäure einge- legtes Stück vor vollendeter Fixation durch, so findet man im Centrum noch unverändertes Gewebe, dann kommt eine Zone, tlie nur von Essigsäure durchtränkt ist und die sich deutlich gegen das unveränderte Gewebe abgrenzt, und dann kommt endlich die äussere, auch von Sublimat durchtränkte Zone, die sich gleichfalls gut gegen die Essigsäurezone absetzt. Gerade der Resorptor scheint mir ein Beweis dafür zu sein, dass die Fixationsflüssigkeit von Vermaat nicht zweck- mässig ist. Ich halte nämlich den von Vermaat beschriebenen Resorptor für ein durch die Fixation entstandenes Kunstprodukt!). Schon Biedermann (3) hat angegeben, !) Der Fadenapparat bei Ascaris ist also nicht identisch mit sogen. Resorptor der höheren Tiere. Zur Histologie des Magens, I. Das Oberflächenepithel. 103 dass durch Maceration in Osmiumsäure das Oberende der Magen- epithelien ein streifiges Aussehen erhalte und auch Oppel (35, Bd. 16) hält den Resorptor „für nicht im Leben bestehende Bildungen, sondern für Schrumpfungen, hervorgerufen durch die von Vermaat ausschliesslich gebrauchten osmiumsäure- haltigen Fixierungsflüssigkeiten“. Für Schrumpfungsprodukte halte ich allerdings diese Bildungen nicht. Sie treten nach meinen Erfahrungen auch bei Anwendung von Müllerscher Flüssigkeit, Formol, und wahrscheinlich aller der Substanzen auf, die das Mucin nicht ausfällen. Ich halte die entstehenden! Streifehen für Schleimfädchen, die durch Zerfliessen der aus der Zelle ausgetretenen Schleimgranula entstanden und durch die Nachbehandlung mit Alkohol fixiert sind. Den Vor- gang stelle ich mir dabei folgendermassen vor: Noch zu Beginn der Fixation werden unter der Zelloberfläche liegende Schleimtröpfehen ausgepresst. Wenn nun das Fixationsmittel den Schleim nicht ausfällt, aber auch nicht löst, wie das ja auch bei dem Vermaatschen Gemisch der Fall ist, so werden die nacheinander austretenden Schleimtröpfchen zusammenfliessen und dabei Fädchen bilden, die mit der Oberfläche der Zellen noch im Zusammenhang stehen, aber voneinander getrennt sind durch die für sie indifferente Fixationsflüssigkeit. Die Nachbehandlung mit Alkohol fixiert dann diese Mucinfädchen. In Fig. 15 sind solche Bilder wieder- gegeben. Natürlich kommt es auch häufig vor, dass die Fädchen sich nicht isoliert erhalten, sondern zusammenfliessen, nament- lich unter Einwirkung alkalischen Brunnenwassers bei dem Auswässern,;, dann erhält man die Schleimkuppen, deren Existenz Stöhr (45) zu der Annahme führte, dass die Zellen durch Bersten ihren Schleim entleerten. Auch Vermaat gibt ausdrücklich an, dass an einzelnen Stellen diese Fädchen zu einer hyalinen Masse verquollen seien. Dass diese Fädchen wirklich aus Schleim bestehen, beweist die Färbung mit alko- holischem Mucikarmin, die diese Fäden ebenso wie die schleim- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1.) 12 178 F. HEIDERICH, haltigen Oberenden der Zellen intensiv färbt, während alle anderen Zellbestandteile ungefärbt bleiben. Auch Bilder wie die der Fig. 16, welche nicht selten sind, können zum Beweise mit herangezogen werden. Hier sind an einzelnen Stellen die Fädchen lang und stehen mit dem im Lumen liegenden, etwas geschrumpften Schleim in Zusammenhang. An lebenden Zellen konnte ich den Resorptor nie beobachten, ein weiterer wichtiger Punkt, der mir gegen seine Existenz spricht. Es stimmt diese Deutung der Fädchen überein mit den Angaben von Sommer (44) Fig. 16. Öberflächenepithel des Froschmagens. Müllersche Fl. alkoh. Mucikarmin. Die von der Zelloberfläche ausgehenden Schleimfädchen hängen mit den im Lumen des Grübchens liegenden Schleimmassen zusammen. über ähnliche Bildungen an der Oberfläche der Zellen der Gallenblase, die er auf der Versammlung in Giessen mitgeteilt hat. Ich (22) stimmte in der Diskussion damals Sommer bei, im Hinweis auf meine Befunde am Magenoberflächenepithel. IV. Mehrfach wird in der Literatur die Frage nach der Fett- resorption der Magenepithelzellen ventiliert. Die Angaben gehen auf Koelliker (27) zurück, der im Magen saugender Kaninchen mit Ösmiumsäure sich schwärzende Körnchen nachweisen Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 179 konnte, die er als Fett ansprach. Die Angaben wurden von Ogneff (33) bestätigt. Vermaat (48), der ohne vorherige Kenntnis der früheren Beobachtungen zum gleichen Resultate gekommen war, brachte die Fetttröpfehen mit dem von ihm und Dekhuyzen beschriebenen Resorptor in Zusammen- hang. Durch das Auffinden des Resorptors sollte die Schwierig- keit in der Vorstellung, dass das secretgefüllte Oberende Fett resorbiere, beseitigt sein. Gestützt wurden diese Befunde durch die Angaben Volhards (49), der ein fettspaltendes Ferment in dem Magensaft nachweisen konnte. An dem massenhaften Auftreten mit Osmium sich schwärzender Körnchen in den Magenoberflächenepithelien ist nicht zu zweifeln. Auch die Lage der Körnchen in den Zellen, das Freibleiben des Ober- endes der Zellen von solchen Körnchen macht für die Deutung keine Schwierigkeit, da wir ja durch Pflüger (36) u. a. wissen, dass auch das Fett nur hydrolytisch gespalten resorbiert werden kann, also in dem Anfang seines Weges, d. h. im Ober: ende der Zelle, nicht nachweisbar ist. Trotz alledem bezweifle ich, dass hier eine Fettresorption vorliegt. Ich habe Frösche untersucht, die den ganzen Winter über gehungert hatten. Bei den meisten Tieren war im Magenoberflächenepithel eine Menge von osmiumgeschwärzten Körnern an typischer Lage vorhanden. Auch in den Magenepithelien eines Hundes und mehrerer Katzen, die einige Tage gehungert hatten, waren die Körner in grosser Menge zu sehen und es wäre doch recht merkwürdig, wenn die Zellen das resorbierte Fett nicht weiter geben würden, sondern in zum Teil recht grossen Tropfen mehrere Tage, beim Kaltblüter viele Wochen lang in sich be- hielten. Aber nicht nur in den Magenepithelien, auch in den Flimmerzellen der Trachea konnte ich bei einer Katze, auch an typischer Stelle an der Basis der Zellen solche schwarzen Körner nach Osmiumbehandlung nachweisen, und da wird man doch nicht an eine Fettresorption denken, wenn auch nach den 12% [ 180 F. HEIDERICH, Beobachtungen von Arnold auch Flimmerzellen, die mit Öl beschickt sind, Fett aufnehmen können. Andererseits konnte ich in den Magenepithelien einer Katze, die fast reine Fett- nahrung erhalten hatte und die 4 Stunden nach der Fütterung getötet worden war, keine durch Osmium geschwärzten Körner finden, während die Belegzellen mit solchen vollgepropft waren. Das fettspaltende Ferment Volhards im Magen hat für die Verdauung eine nur untergeordnete Bedeutung, die schwarzen Körner dagegen sind nach meinen eigenen Präparaten und den Abbildungen von Vermaat (48), den Angaben von Ogneff (33) oft in grossen Mengen zu finden. Durch das Gesagte glaube ich die Fettresroption des Magenoberflächenepithels leugnen zu dürfen. Ich glaube vielmehr, dass die schwarzen Körner ent- weder nur in den Zellen aufgespeichertes Fett sind, wie das Oppel (35, Bd. 16) bei der Besprechung der Vermaat- schen Arbeit annimmt, welches die Zellen auf anderen Wegen erhalten haben, oder, und das scheint mir wahrscheinlicher, dass sie überhaupt nicht aus Fett bestehen, sondern aus einer anderen reduzierenden Substanz und dass sie vielleicht auch keine vitalen Bildungen sind, sondern erst während des Ab- sterbens der Zellen durch Zersetzung des Protoplasmas ent- standen sind. Es würde sich dabei um Vorgänge handeln, die den von Albrecht (1) z. B. an Leberzellen beobachteten analog sind. Fettkörner in der lebenden Magenepithelzelle, die ja durch ihre starke Lichtbrechung gut sichtbar sein würden, habe ich nie gesehen. ve Weiter wird in der Literatur die Frage nach dem Vor- handensein und der Bedeutung der Zellbrücken auch des Magen- oberflächenepithels lebhaft diskutiert. Während u. a. Lie- bert (30), Reuter (37), Ogneff (33), Zimmermann (dl), Gärten (15), Cohn (8), Vermaat (48), Carliergg: Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 181 St. Hilaire (43), Kolossow (28), Heidenhain (19), Schaeppi (38) und Merkel (31) sich für die Existenz der- selben aussprechen, halten Dekhuyzen und Vermaat (11) die Zellbrücken für nicht ganz sicher, v. Ebner (12), Cloetta (8) und Disse bestreiten sogar ihr Vorkommen und halten die so gedeuteten Bilder für Kunstprodukte. Dass Zellbrücken an dem geschichteten Plattenepithel vorkommen, ist durch die Beobachtungen derselben an lebenden Zellen der Epidermis verschiedener Amphibienlarven durch F. E. Schultze (42) erwiesen. An den geschichteten Epithelien sind auch die Lücken so regelmässig, die Brücken bei allen Arten der Fixation so deutlich, dass sie auch am fixierten Präparat vollständig das Aussehen vitaler Strukturen haben. Es kommt noch hinzu, dass dort die Zellbrücken auch in die Zellen hinein zu ver- folgen sind, wie die Untersuchungen von Schridde (41) u. a. lehren. Auch die Notwendigkeit der Zellücken zur Circu- lation der Lymphe, der Zellbrücken zur Verbindung der Zellen untereinander leuchtet bei dem mehrschichtigen Epithel ein. Ihr Vorkommen aber an einschichtigen Epithelien, wie am Magenepithel, halte ich nicht für erwiesen. Die Angaben der Autoren, die die vitale Existenz der Zellbrücken annehmen und die Abbildungen derselben sind recht widersprechend. Vor allem möchte ich hervorheben, dass Kolossow (28) angibt, es sei zur Darstellung der Zellbrücken eine gewisse Schrumpfung der Zellen unbedingt nötig. Diese Schrumpfung rufe aber keine Kunstprodukte hervor, sondern mache nur das Vorhandene deutlicher. Derselbe Autor hält aber die Secretcapillaren der Belegzellen für „durch Schrumpfung entstandene Kunst- produkte“. Ogneff (33) findet die Zellücken deutlich bei erwachsenen Katzen, kann sie aber bei saugenden Tieren während der ersten 14 Tage ihres Lebens nicht finden, während Reuter (37) die Zellücken für den Weitertransport des resorbierten Fettes in Anspruch nimmt und nach Ogneff 182 F. HEIDERICH, gerade die saugenden Tiere besonders viel Fett resorbieren. Liebert (30) findet die Zellbrücken auch im oberen Teil der Zellen, nach Reuter kommen sie etwa von der Kernhöhe ab nach abwärts vor. Schaeppi (88) gibt zu, dass Pseudo- zellbrücken durch Schrumpfung entstehen können, findet aber an osmiumfixiertem Material auch echte Zellbrücken, die an Isolationspräparaten, welche mit Hilfe von Osmiumsäure her- gestellt sind, besonders deutlich sind. Nach Merkel (31) ist die Schaeppische Methode beweisend deswegen, weil bei dieser Behandlung ja keine Schrumpfungen möglich seien. Gemeinsam allen Abbildungen ist die grosse Un- regelmässigkeit sowohl der Lücken wie der Brücken. Ich konnte in meinen Präparaten die verschiedenartigsten Zell- brücken sehen. Auch die Zellücken waren bald eng, bald weit, bald reichten sie fast bis unter die Schlussleisten, bald waren sie nur an der Basis deutlich. Man könnte bei dieser Ver- schiedenartigkeit an verschiedene Funktionszustände denken. Davon bin ich abgekommen. Es fanden sich Zellbrücken im gefüllten Magen ebenso häufig wie im leeren stark kontrahierten Hungermagen. Gerade im letzteren würde man keine oder nur wenig entwickelte Zellücken erwarten, da ja die Zellen vor allem die der Faltenhöhen, unter starkem seitlichen Druck stehen, der ihre Form in der vorher (S. 162 u. f.) beschriebenen Art so erheblich ändert. Man sollte meinen, dieser Druck würde die Lücken komprimieren und die in ihnen eireulierende Flüssigkeit auspressen müssen. Andererseits aber ergaben sich bestimmte Beziehungen zu den angewandten Fixationsmitteln. Am deut- lichsten sind die Zellbrücken nach Fixationsmitteln, die eine mehr oder weniger starke Quellung des Gewebes hervorrufen, wie Formol, Müller und Müller-Formol. Sie sind aber nicht immer unmittelbar nach der Fixation deutlich, sondern meist erst dann, wenn durch die Nachbehandlung mit Alkohol und die Einbettung in Paraffın das gequollene Gewebe wieder Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 183 schrumpft. Weniger deutlich sind die Zellbrücken nach Fixation in Flüssigkeiten, die weniger starke Quellung hervorrufen, wie z. B. nach Sublimat. Allerdings fehlen sie auch hier nicht immer, wie ja die Fig. 8 auf S. 51 inHeidenhains ‚Plasma und Zelle“ zeigt. Es fiel mir ferner auf, dass das Vorhandensein deutlicher Zellücken und Brücken in den allermeisten Fällen kombiniert ist mit einer starken Vacuolenbildung im Zelleib Fig. 17. Vacuolisierte Zellen vom Froschmagen mit deutlichen Zellücken und Zell- brücken. Alkohol. Formol. (Fig. 17). Diese Vacuolen haben ganz verschiedene Grösse und sind teilweise so dicht gelagert, dass sie nur durch dünne Plasmawände voneinander getrennt sind (vergl. auch Heiden- hains Fig. 8 in „Plasma und Zelle“, S. 51). Diese Vacuoli- sierung des Zelleibes halte ich unbedingt für ein Kunstprodukt. Sie ist abhängig von dem Fixationsmittel, denn verschieden fixierte Stücke desselben Magens zeigen eine ganz ver- schiedenartige Vacuolisierung, während es mir an frischem Material nie gelang solche Vacuolen zu sehen. Der Parallelis- . 184 F. HEIDERICH, mus zwischen den intracellulären Vacuolen und den Zellücken macht mir auch die vitale Existenz der letzteren höchst unwahr- scheinlich. Die Zellücken halte ich vielmehr für den intra- cellulären Vacuolen identische Bildungen, die Zellbrücken sind dann m. E. nichts anderes als die Durchschnitte durch die Wände, welche diese intercelluiären Vacuolen begrenzen. Dass durch Schrumpfungen homogener Massen Lücken und Brücken rein physikalisch entstehen können, beweisen die Bilder, die man gar nicht. selten an Schnittpräparaten der Glandula thyre- oidea vor allem in den weiten, stark mit Kolloid gefüllten Bläschen findet. Dort retrahiert sieh das Kolloid häufig unter der Einwirkung des Fixationsmittels von der Wand, doch nicht. völlig, sondern so, dass es immer noch durch zarte Brücken mit der Wand in Verbindung bleibt. Auch geschrumpfte Knorpel- zellen verhalten sich oft ähnlich. Man könnte einwenden, dass bei der Schrumpfung der Zellen nicht notwendig Lücken entstehen müssen, sondern dass, zumal bei der innigen Verbindung, die ich für die Magen- epithelien annehme, diese einfach aneinander rücken, ohne dass Lücken zwischen ihnen entstehen. Ein solches Aneinander- rücken aber wird verhindert dadurch, dass die Schrumpfang nicht an allen Stellen des Zelleibes gleich stark ist: das Ober- ende verkleinert sich, wie man an ganz stark geschrumpften Präparaten nachweisen kann, erheblich viel weniger wie der übrige Teil der Zelle. Die Breite des Oberendes bestimmt also die Entfernung der Zellmitten voneinander. Die basalen Partien der Zellen, die ja, wie auch aus anderen Beobachtungen (5. 167) geschlossen werden kann, weicher sind, schrumpfen! leichter und ausgiebiger. Es müssen also, da die Zellen durch die Oberenden gehindert werden aneinanderzurücken, zwischen den basalen Teilen der Zellen Lücken entstehen. Diese Deutung der Zellücken und Brücken trifft für die Schaeppischen (38) Beobachtungen nicht zu. Bei seiner Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 185 Isolationsmethode sind Schrumpfungen ausgeschlossen. Die Zellbrücken, welche mit der Methode von Schaeppigewonnen sind, sehen aber auch ganz anders aus wie die Zellbrücken an fixierten Schnittpräparaten: sie sind dicker, in geringerer Zah! vorhanden und stehen deshalb auch weiter voneinander entfernt. Auf die Unterschiede gegenüber den mit anderen Methoden erzielten Bildern hat Schaeppi selbst aufmerksam gemacht. Die geringe Zahl führt er darauf zurück, dass die feinen Brücken durch die Isolation verloren gehen. Er hält seine Zellbrücken für identisch mit denen, welche Garlier, Cohn und De Kluyzen und Fermaat (soll wohl heissen Dekhuyzen und Vermaat) beschrieben haben, während er die Kolossowschen und die Schneiderschen Zell- brücken als Kunstprodukte ablehnt. Ich kann dem auf Grund der von mir nach den verschiedenen Methoden angefertigten Präparate nicht zustimmen, sondern bin der Ansicht, dass die Schaeppischen Zellbrücken mit keiner Form der bis jetzt beschriebenen Zellbrücken identisch sind. Aber auch die Schaeppischen Zellbrücken halte ich für künstlich hervor- gerufene Bildungen. Sie werden sichtbar durch Isolation der Zellen. Osmiumsäure mit geringem Zusatz von Essigsäure ist das Isolationsmittel. Ich habe damit recht gute Resultate ıer- halten, um so bessere, je weniger Essigsäure ich zusetzte. Das stimmt auch mit den Fischerschen (13) Untersuchungen überein, nach denen Osmiumsäure um so schlechter fixiert, je weniger Essigsäure man zusetzt. Auch mit verdünnter Müllerscher Flüssigkeit erhält man gute Resultate. Auch da ist die fixierende Wirkung sehr schlecht. Diese beiden Isolationsmittel bringen das Plasma zum Quellen und lösen es zum Teil auf. Es löst sich vor allem die weichere Substanz zwischen den Zellen, so dass die Zellen frei werden, denn darin besteht ja die Isolation. Wenn nun, bei Anwendung dieser Methoden Zellbrücken entstehen, so 186 F. HEIDERICH, sehe ich darin nur eine unvollständige Wirkung des Iso- lationsmittels. Die Zwischensubstanz ist nur teilweise gelöst und aufgequollen. Übt man nun auf die so vorbereitete, noch zusammenhängende Zellmasse einen leichten Druck aus, so weichen die Zellen auseinander, die weiche Masse zwischen ihnen gibt nach und spannt sich in Form von Fädchen zwischen den Zellen aus. Es sind jetzt Zellbrücken entstanden genau so, wie analoge Bildungen auch makroskopisch stets dann ent- stehen, wenn man zwischen zwei festere Massen eine zäh- flüssige Substanz, z. B. Leim, bringt und nun versucht, die beiden festen Massen auseinanderzuziehen. Ich halte also alle bisher beschriebenen Zellbrücken zwischen den Oberflächen- epithelien des Magens für Kunstprodukte und bin geneigt, dies auch für alle übrigen einschichtigen Epithelien anzunehmen. Es ist m. E. auch gar nicht recht einzusehen, warum zwischen einschichtigen Epithelien Zellücken nötig seien, wie das von vielen Autoren angenommen wird. Bei mehrschichtigen Epi- thelien, deren Zellbrücken vitale Bildungen sind, sind die Lücken zur Circulation der ernährenden Flüssigkeit, die Brücken zur Reizleitung event. zum Stoffaustausch nötig. Die ein- schichtigen Epithelien aber bedürfen solcher besonderen Appa- rate nicht. Als Nahrungsaufnahmefläche kann die Zellbasis, zur Fortleitung von Reizen, zum Stoffaustausch können die gesamten seitlichen Berührungsflächen der Zellen dienen. Damit komme ich zu der schwierigen Frage nach der Verbindung der Magenepithelien untereinander. Zur endgültigen Lösung dieser Frage liegen mir, wie ich glaube, noch nicht genügend Beobachtungen vor. Jedoch möchte ich die Vor- stellungen, die ich bisher gewonnen habe, in diesem Zusammen. hang zum Ausdruck bringen. Eine scharfe Grenze zwischen den benachbarten Zellen existiert nach meiner Meinung nicht. Zwischen den unteren Hälften der Zellen findet man, wenn nicht künstliche Zellücken hervorgerufen sind, zwar recht Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 187 häufig einen schmalen Protoplasmastreifen, der sich oft durch eine etwas hellere Färbung auszeichnet. Dieser ist aber eine einheitliche Bildung, könnte also höchstens eine beiden Zellen gemeinsame Trennungsmasse sein. Er geht jedoch ganz all- mählich in das dichtere Protoplasma der Mitten der benach- barten Zellen über, so dass es unmöglich ist, festzustellen, wo diese Zwischensubstanz aufhört und wo der eigentliche Zelleib anfänet. In den oberen Partien der Zellen ist dieser Zusammenhang. ein noch innigerer, da das unveränderte Protoplasma, welches die secretgefüllten Teile des Oberendes umeibt, keinerlei Grenzen aufweist. Die Zwischensubstanz trennt also nicht die benachbarten Zellen, sondern stellt eine ganz besonders innige Verbindung zwischen ihnen her. Dass die ‚Zellen trotzdem isolierbar sind, spricht nicht gegen diese Auffassung. Die „Zwischenschicht“ ist, wie aus den früheren Ausführungen hervorgeht, weicher, wasserreicher, deshalb gegen lösende Agenzien weniger widerstandsfähig. Auf die Schluss- leisten, die ja in diesem Zusammenhang besprochen werden müssten, möchte ich nicht eingehen, da ich erst noch weitere Untersuchungen über diese Bildungen anstellen möchte. Aus demselben Grunde habe ich mich auch zu den Trophospongien Holmgrens noch nicht geäussert. VI. Als besonderes Organ der Magenoberflächenepithelzellen wird das von Oppel (34) so genannte Oberende der Zelle, d. h. der secrethaltige Teil derselben beschrieben. Seine Ge- stalt ist bei den bisher untersuchten Vertebraten gleich und wohl am ehesten als tief napfförmig zu bezeichnen. Für den Rhesusaffen beschreibt Liebert (30) in der Mitte eine ring- förmige Einziehung, die den oberen und unteren bauchigen Teil verbindet. Auch beim Hund fand ich gelegentlich solche Bilder und konnte gleichfalls feststellen, dass der einengende ua [0.0] [0 3) F. HEIDERICH, Ring viele mit Heidenhains Eisenhämatoxylin färbbare Körnchen enthält. Die so sehr variable Ausdehnung des Ober- endes wird von fast allen Autoren erwähnt, von einzelnen auch betont, dass die Zellen des Hungermagens stets mehr Schleim enthalten wie die eines Magens, der sich im Stadium der Verdauung befindet. Inwieweit mechanische Ursachen den Schleimgehalt beeinflussen, ist von mir oben (S. 171) erörtert. Es handelt sich jetzt noch um eine Darstellung der Struktur des Oberendes. Diese war lange Zeit der Gegenstand der leb- haftesten Kontroversen, auf die hier im einzelnen einzugehen deshalb keine Veranlassung vorliegt, weil die ältere Literatur bis zum Jahre 1895 bereits von Oppel (34) in seinem Lehr- buch kritisch besprochen ist. Oppel kommt dabei im Gegen- satz zu den meisten Autoren, vor allem zu Stöhr (43), zu dem Resultat, dass das Oberende nicht als Schleimpfropf, sondern als ein besonderes Organ der Zelle aufzufassen ist, das höchstwahrscheinlich ein protoplasmatisches Gerüst trage, in dessen Maschen sich das Secret befindet. Die Schwierig- keiten der Untersuchung lagen vor allem in der Fixation des Secretes innerhalb der Zellen und alle die Anschauungen, die so lange die herrschenden waren, sind auf unzweckmässige Fixation der zu untersuchenden Zellen zurückzuführen. Zimmermann (51) fand dann im Oberende der Zelle das Centrosoma, wodurch die Oppelsche Anschauung sehr ge- stützt wurde, und M. Heidenhain (18) gelang es, den Be- weis für die Richtigkeit zu erbringen, indem er nachweisen konnte, dass der Schleim das Oberende in Form von Körnchen erfüllt, die durch protoplasmatische Waben voneinander ge- trennt sind. Es verhält sich also die Magenepithelzelle wie die übrigen schleimbereitenden Zellen, für deren Secret ja durch viele Untersuchungen ebenfalls die Körnchenstruktur nachgewiesen ist. Die Darstellung der Körnchen machte auch mir grosse Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 189 Schwierigkeiten. Auch das von Heidenhain angewandte Sublimat-Osmiumgemisch, sowie das von Schaffer für die Darstellung der Schleimgranula in Speicheldrüsen mit gutem Fig. 18. Froschmagen-Längsschnitt durch ein Grübchen in den Oberflächenepithelien Mucinkörnchen. Alkohol-Urannitrat, alkohol. Mueikarmin. Erfolge verwandte alkoholische Formol lieferte mir bei den Magenepithelien keineswegs häufig gute Resultate. Mit besserem Erfolge bediente ich mich der vorher erwähnten alkoholischen Urannitratlösung. Hier zeigten sich die Schleimgranula meist, 190 F. HEIDERICH, nicht immer, gut erhalten (Fig. 18) und waren dann mit dem Schafferschen alkoholischen Mucinkarmin gut färbbar. Die Durchsicht der Präparate gab bemerkenswerte Unterschiede in der Grösse der Körnchen. Während die Zellen der Falten- höhen eine meist gleichmässige Granulierung, die aus feineren Körnchen bestand, aufwies, zeigten die Zellen der Grübchen sröbere, ganz verschieden grosse Schleimkörner, etwa in der Art, wie sie Heidenhain in Fig. 200 in „Plasma und Zelle“ in Becherzellen vom Darm des Salamanders abbildet. Für die Deutung sind zwei Möglichkeiten vorhanden: entweder die Bilder entsprechen den vitalen Zuständen, dann würden in den secretreicheren Zellen die kleinen Körnchen zu grösseren zu- sammenfliessen, eine Möglichkeit, die Heidenhain nicht ganz von der Hand weist, oder auch hier hat die Fixation Trugbilder hervorgerufen: nur eines von den beiden Bildern (event. gar keines) entspricht dem lebenden Zustande, Hier kann wieder nur die Beobachtung am lebenden Objekte ent- scheiden. Ich habe überlebende Magenepithelien von Frosch, Hund, Katze untersucht und gefunden, dass, so lange die Zellen intakt waren, die Granulierung des Oberendes ganz feinkörnig und gleichmässig ist, während das Protoplasma, das die Wan- dung des Oberendes bildet, völlig homogen aussieht, also gerade umgekehrt, als es nach Anwendung der meisten F ixationsmittel der Fall ist. Ich glaube deshalb, dass es sich bei Magenepithelien überall da, wo gröbere Körner vorliegen, um ein postmortales Zusammenfliessen handelt, dass also die Körnchen während des Lebens der Zelle steis gleich gross sind und eine gewisse sehr geringe Grösse nie überschreiten. Auch die gleichmässige Granulierung der Heidenhainschen Abbildung 211 vom menschlichen Magenepithel scheint mir etwas grob zu sein. Viel- leicht sind die Schleimtröpfehen etwas gequollen. Der erwähnte Unterschied in der Grösse der Körnchen der Zellen auf den Falten und in den Grübchen ist nach dem oben Ausgeführten leicht Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 191 zu erklären. Auf den Höhen der Falten wirkt das Fixations- mittel rasch und unverändert ein, konserviert also so gut wie es überhaupt möglich ist; die Zellen der Grübchen sind durch den schleimigen Inhalt der Grübchen geschützt, das Fixations- mittel kommt später und vielleicht auch in der Konzentration wesentlich geändert dorthin, die Zellen sind bei dem Einwirken des Fixationsmittels schon geschädigt, die Körnchen sind zu dicken Tropfen zusammengeflossen und werden so fixiert. Die nächste Stufe der Veränderung wird durch Bilder mit homo- Fig. 19. Froschmagen. Alkohol-Urannitrat, alkohol. Mucikarmin. Die. Mucinkörner des Oberendes sind zusammengeflossen. Die Körnchen unterhalb des Ober- endes aber gut erhalten. genem Oberende gegeben. Hier ist das Fixationsmittel unzweck- mässig oder die postmortale Veränderung stark. Nicht selten kommt es dabei vor, dass in den Partien unterhalb des sogen. Schleimpfropfes noch isolierte Schleimtröpfchen zu finden sind (Fig. 19). Man kann daraus nicht etwa folgern, dass viel- leicht die Konservierung doch nicht unzweckmässig gewesen sei, da ja sogar die tieferliegenden Tröpfchen konserviert sind, und dass deshalb das homogene Aussehen des Oberendes doch einem normalen Zustande entspreche. In dem Oberende ist das nicht in Schleim umgewandelte Protoplasma auf die ganz dünnen Wände reduziert, welche die Tröpfchen voneinander trennen, 192 F. HEIDERICH, während in den unteren Partien die einzelnen Tröpfchen durch stärkere Massen unveränderten Protoplasmas voneinander ge- trennt sind. Wenn nun durch die Fixation die Schleimtröpfchen aufquellen, so werden dabei zwar die dünnen Protoplasma- wände des Oberendes, nicht aber die dickeren der unteren. Partie zerstört werden. Noch stärker endlich sind die Quellungs- erscheinungen, welche die Stöhrschen Bilder der berstenden Zellen, aus denen der Inhalt hervorquillt, zeigen. Um die Schleimtröpfehen herum befindet sich das noch unveränderte Protoplasma, das nach den Angaben von Heiden- hain (18) u. a. ein Wabensystem bildet. Es wäre falsch, sich darunter ein festeres System vorzustellen. Das Waben- system ist nur das Negativ der Schleimtröpfchen, die das Protoplasma zur Seite gedrängt haben. Dort, wo nur ver- einzelte Schleimtröpfchen liegen, wie im unteren Teil (Fig. 19), wird man nicht von einem Wabensystem reden. Deshalb möchte ich es auch für den oberen Teil vermeiden, da das Wort unter Umständen zu falschen Vorstellungen Veranlassung geben könnte. Die Schleimtröpfchen sind in dem Protoplasma suspen- diert wie etwa die Tröpfchen einer Emulsion in ihrem Medium. In der Frage nach der Vorstufe des Schleimes schliesse ich mich für das Magenepithel an Heidenhain und Nicoglu (32) an, die für die Hautschleimdrüsen der Tritonen Vorstufen des Schleimes in Form von mit Eisenhämatoxylin stark färbbaren Körnchen nachweisen konnten. Auch am Magenepithel findet man, und zwar nicht nur bei Amphibien, sondern auch bei Hund und Katze, oft eine grosse Menge solcher Körnchen, die noch nicht auf Mucikarmin reagieren and die dem Oberende dicht anliegen. Hierher würden auch die von Liebert (30) beschriebenen Körnchen des das Ober- ende einschnürenden Ringes zu rechnen sein. Vor allem aber liegen diese Körnchen in der Zone unter dem Oberende und bilden dort auch mit schwacher Vergrösserung sichtbare guir- Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 193 landenähnliche Zonen. Wenn es mir auch nicht gelang, einen sicheren Beweis für den prämucinen Charakter dieser Körnchen durch Auffinden von Übergangsformen zu liefern, so glaube ich denselben doch aus der Grösse und Lage der Körnchen schliessen zu dürfen. Das Ausstossen des Secretes geht nach meinen Beobach- tungen am Magenepithel in Form der beschriebenen Tröpfchen vor sich, die auch ausserhalb der Zelle noch einige Zeit ihre Form beibehalten können, um dann schliesslich zu der homo- genen Masse des Schleims zusammenzufliessen. Das geht aus Fig. 18 hervor. Die Ursachen für das Ausstossen des Sec 'ets sind, wie ich vorher (S. 171) ausgeführt habe, zum Teil jeden- falls äussere, ohne aktive Beteiligung der Zellen. Zur Frage, ob auch das die Schleimtröpfehen umgebende Plasma der Zellen durch Kontraktion ein Ausstossen der Schleimtröpfehen hervorrufen kann, wie das Zimmermann (51) annimmt, liegen mir keine Beobachtungen vor. Ich halte es aber keines- wegs für ausgeschlossen. In dem Oberende der Zelle findet sich, wie Zimmer- mann (51) nachgewiesen hat, das Centrosoma vor. Der Nach- weis desselben durch Färbung gelang mir nicht sehr häufig, jedoch konnte ich es anüberlebendem Gewebe beim Frosch in fast jeder Zelle, bei Hund und Katze recht häufig beobachten, worüber ich an anderer Stelle berichtet (22) habe. Oppel (34) nennt das Oberende ein besonderes Organ der Zelle. Als solches müsste es also spezifische Eigenschaften gegenüber dem übrigen Teil der Zelle haben. Allerdings grenzt sich das Oberende meist gut gegen die übrige Zelle ab, was durch den starken Gehalt an Secret veranlasst ist. Am deutlichsten ist diese Grenze bei den Zellen mit homogenem OÖberende, bei denen das Secret ja alles andere verdeckt. Bei gut konservierten Zellen dagegen und ebenso am frischen un- veränderten Objekt ist die Grenze keineswegs so scharf, Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1). 13 194 F. HEIDERICH, ja man kann nachweisen, dass auch in den Partien unterhalb des sogenannten Oberendes sich gelegentlich eine Menge von fertigen Schleimtröpfehen findet, die also dort entstanden sind (Abb. 19, vergl. auch Heidenhain, „Plasma und Zelle“, Abb. 210b vom Darmepithel). Es unterscheidet sich also das Oberende nur durch das Mengenverhältnis von Protoplasma und Secret von dem nicht zum Oberende gehörigen Teile. Die Zelle kann ihr sämtliches Secret abgeben, sie besitzt dann kein Oberende mehr, hat aber damit nicht ein Organ eingebüsst, sondern nur ihr Secret, und umgekehrt, das Secret sammelt sich in der Zelle an, der Kern wird zur Basis geschoben und Teile des Protoplasmas, die vorher nicht zum Oberende ge- hörten, mit in dieses einbezogen. Es bestehen also zwischen dem Oberende und dem übrigen Zellprotoplasma nur gradaelle, keine generellen Unterschiede, so dass m. E. der Begriff „Organ der Zelle“ sich nur schwer rechtfertigen lässt. VE: Das Secret des Magenoberflächenepithels wird als Schleim bezeichnet. Einige Autoren heben aber charakteristische Unter- schiede zwischen diesem Schleim und den anderen Schleim- arten hervor. Dass der Magenschleim sich von dem Darm- schleim unterscheidet, hat Heidenhain (21) festgestellt. Nach ihm quillt der schleimhaltige Teil der Magenoberflächen- epithelien bei Zusatz von Essigsäure auf, während der Schleim der Becherzellen körnig ausfällt. Chemische Untersuchungen des Magenschleims liegen indes, soweit mir bekannt geworden ist, nur von Cremer (10) vor, der den Magenschleim des Schweines untersuchte und zu dem Resultate kommt, dass es sich um einen echten Mucinkörper handle, der sich aber von allen anderen Schleimarten unterscheide. Ich werde darauf unten zurückkommen. Die meisten Autoren aber begnügen sich damit, Differenzen in der Färbbarkeit festzustellen, kommen je- Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 195 doch dabei zu den widersprechendsten Angaben. Schmidt(40) fand, dass sich der Magenschleim meist nicht mit Mueinfarben färbt, wohl aber die Weigertsche Fibrinfärbung annimmt. Nach Hoyer (25) tingiert sich das Magenmucin mit Schleim- farben „durchaus nicht“. Hari (17) hingegen gelang es, mit den Hoyerschen Farben, in allerdings etwas anderer An- wendungsweise und nur nach Sublimatfixation stets eine spezifische Schleimfärbung zu erhalten. Schaffer (39 a) legt grossen Wert auf ganz frische Fixation und bekommt dann gute Resultate. Warburg: (50) denkt (mit Hoyer) daran, dass das schleimartige Secret der Magenepithelien dem Mucin sehr nahe stehen dürfte und möglicherweise sogar ein durch den sauren Magensaft verändertes Mucin darstelle”, und Bloch (4) kommt zu dem Resultate, dass, wenn es sich um Muecin handelt, dieses doch chemisch anders ist wie alle anderen Mucine. Ich benutzte nach vielen Miss- erfolgen mit den andern Mucinfarben das von Schaffer an- gegebene alkoholische Mucikarmin, und zwar bei 24 stündiger Färbung stets auch nach den allerverschiedensten Fixationen mit gutem Erfolge. Ich kann aber allen anderen Autoren darin zustimmen, dass die Magenepithelien die Farbe erheblich schwerer annehmen wie alle anderen Schleimzellen. Da die Cremerschen Untersuchungen am Schweinemagen angestellt sind, dessen Epithel, wie Cremer selbst angibt, sich sehr leicht mit Mucinkarmin färbt, seine Resultate also nicht zu verallgemeinern sind, versuchte ich am Hundemagen die Be- funde nachzuprüfen. Die Cremersche Methode zur Gewin- nung des Schleimes scheint mir nicht ganz einwandfrei zu sein. Die Magen der untersuchten Tiere enthielten Speisebrei, den Cremer erst mit Wasser oberflächlich abspülte, um dann den zurückbleibenden Schleim mit einem Löffel abzunehmen. Die Magen waren also im Stadium der Verdauung, der Magen- schleim mithin bei der Art der Gewinnung nicht nur mit 13* 196 F. HEIDERICH, Speiseresten, sondern auch mit den Verdauungssecreten ge- mischt, was eventuell schon zu einer chemischen Umwandlung des Schleimes geführt hat. Um dies zu umgehen, verwandte ich Tiere, die mindestens 24 Stunden gehungert hatten, deren Magen also völlig leer war. Nach der Eröffnung des Magens spülte ich die Oberfläche mit destilliertem Wasser gründlich ab, übergoss die abpräparierte Schleimhaut mit Natronlauge von 0,100 und verrührte diese mit einem flachen Spatel auf der Oberfläche. Sehr bald trat eine zähe fadenziehende Masse auf. Ein kleines Stück der Schleimhaut wurde jetzt entnommen und nach Fixation in Sublimatlösung untersucht. Das Ober- flächenepithel war teilweise völlig zerstört, zum Teil aber noch erhalten, jedoch waren alle Oberenden leer. Die fadenziehende Masse wurde abgegossen und auf Eis verarbeitet nach den von Hammarsten (16) angegebenen Methoden. Dabei stellte sich heraus, dass die extrahierte Substanz die von Ham- marsten angegebenen Reaktionen des Mucins aufwies, also als echter Schleim aufgefasst werden darf, dass aber ihr Ver- halten gegenüber Salzsäure ein ganz anderes ist wie bei den übrigen Mucinen. Gewöhnliches Mucin löst sich in Salzsäure, das Magenmucin des Hundes aber wird durch Salzsäure aus- gefällt. Es ist möglich, dass dieser chemische Unterschied auch die Verschiedenheit der Färbbarkeit bedingt, jedenfalls ist gerade das Verhalten gegenüber der Salzsäure physiologisch sehr bedeutungsvoll. Wenn das Magenmucin von der Salz- säure des Magensaftes ebenso glatt gelöst würde wie z. B. das Submaxillarismucin, so würde damit die schützende Wir- kung des Schleimbelags während der Verdauung wegfallen. So fällt das produzierte Mucin, sobald es mit Salzsäure in Be- rührung kommt, aus und bildet dadurch eine schützende Decke, die durch weitere Secretion von Schleim von unten her immer wieder erneuert wird. Das Mucin wird zwar verdaut, aber nach Pflüger (36) erst in doppelt so langer Zeit wie Eiweiss, Zur Histologie des Magens. I. Das Oberflächenepithel. 197 kann also sehr wohl als Schutz für das Oberflächenepithel wirken. Die Resultate dieser Untersuchung sind folgende: 1. Die Magenoberfläche älterer menschlicher Embryonen und Neugeborener ist stets mit dem typischen Epithel ausge- kleidet. Fehlt dieses, so liegen postmortale Veränderungen vor (contra Strecker). 3, Die Formunterschiede der Magenoberflächenepithelien sind mechanisch bedingt. Die ganz hohen und die platten Zellen haben ein geringeres Volum wie die niedrig- eylindrischen Zellen und auch einen kleineren Kern. 3. Der Resorptor, den Dekhuyzen und Vermaat beschreiben, ist eine Folge der Fixation. 4. Das Vorkommen von durch Osmium schwärzbaren Körnchen kann nicht als Beweis für die Fettresorption der Magenepithelien verwandt werden. 5. Für die vitale Existenz der Zellücken und Zellbrücken liegen keine einwandfreien Beweise vor. Die bisher be- schriebenen Zellücken und Zellbrücken sind als Folgeerschei- nungen der Vorbehandlung aufzufassen. 6. Das Oberende ist kein specifisches Organ der Zelle, sondern nur der secretreichere Teil. Das Secret wird in Form kleiner gleich grosser Tröpfchen gebildet und als solche ausgestossen. Eine Vorstufe des Secretes, die sich mit Eisen- hämatoxylin färbt, ist wahrscheinlich. 7. Das Secret ist ein echter Mucinkörper im Sinne Ham- marstens, ist aber in Salzsäure nicht löslich wie die anderen Mucine, sondern fällt bei Zusatz von Salzsäure aus. 4b 12. Literaturverzeichnis'). . Albrecht, Cytopathologische Mitteilungen. Verhandlungen der pathol. Gesellschaft. 1904. Arnold, Jul., Weitere Beispiele granulärer Fettsynthese. Anat. Anz. Bd. 24. Nr. 15. 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Die Frage nach der gröberen Gestaltung der Ihymus, vor allem nach der Form, der Anordnung und dem Zusammenhang der Thymusläppchen stand fast ein paar Jahrhunderte auf der Tagesordnung in der Thymusforschung. Ohne dass die Frage definitiv beantwortet wurde, ist sie in den letzten 50 Jahren durch andere und für die Thymusmorphologie wichtigere ver- drängt worden. Die B.N.A. sprechen von einem Tractus cen- tralis der Thymus; noch in der jüngsten Literatur scheint aber Unsicherheit darüber zu herrschen, was hierunter verstanden werden soll, ein centraler gefässführender Bindegewebsstrang oder ein aus Mark bestehender Parenchymstrang. Ich habe unlängst (Hammar 1910) über die diesbezüg- liche Literatur Bericht erstattet und erlaube mir der Kürze halber, hier auf diese Übersicht zu verweisen. Ich habe eben- da die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen über diese Frage kurz angedeutet. Da aber eine solche Darstellung, um in ihren Einzelheiten richtig verstanden zu werden, Abbildungen, erheischt, ist es mir erwünscht, die Sache hier nochmals zur Erörterung aufzunehmen. Wie allen derartigen Fragen, lässt sich aber auch dieser erst unter eingehender Berücksichtigung des Entwickelungs- verlaufes nähertreten. Ich habe deshalb das mir zur Ver- fügung stehende Material aus der früheren Embryonalzeit 204 J. AUG. HAMMAR, grösstenteils rekonstruktiv durchgearbeitet!). Der folgenden Darstellung liegen also beinahe 50 Modelle menschlicher Thymusdrüsen auf verschiedenen Entwickelungsstufen zu- grunde. 1. Die erste Anlage der Thymus. Bei einem 3,4 mm langen Menschenembryo (Keibel- Elzes Normentafel N. 9), wo die Nackenkrümmung noch sehr wenig ausgesprochen ist, findet sich die Thymus noch nicht angelegt; die ventrale Wand der 3. Schlundtasche liegt mit dem Schiundboden in gleicher Ebene. Bei einem etwas älteren, mit ausgesprochener Nacken- krümmung versehenen Embryo von 3mm (Normentafel Nr. 11)3) ist eine ventrale Verlängerung sowohl an der 3. wie an der 2. und 4. Tasche erschienen. Hier noch sehr seicht, wird sie in den folgenden Stadien, 5 mm (Normentafel Nr. 19),- 7,2 mm (Normentafel Nr. 26), 8 mm (Normentafel Nr. 30) und 9 mm, immer ausgeprägter zu einer platt schlauchförmigen Verlänge- rung umgewandelt und nimmt gemäss dem Verlauf der um- gebenden 2. und 3. Aortenbogen, in deren Trennungswinkel sie hineinragt, eine diagonale ventro-medio-aborale Stellung an. Bei den letztgenannten beiden Embryonen ist der Sinus praecervicalis gut ausgebildet, eine Stielung desselben ist aber noch nicht eingetreten. Gl. parathyreoidea III ist noch nicht angelegt. Die Wand der ganzen 3. Schlundtasche hat eine ziemlich uniforme Beschaffenheit mit einfachem cylindrischem Epithel, das nur etwas höher und etwas ausgeprägter mehr- reihig ist als im Schlundrohr selbst. 1) Diese Darstellung des Schicksals der 3. Schlundspalte beim Menschen bildet somit bis zu einem gewissen Grade die Fortsetzung der andernorts Arch. f. mikr. Anat. Bd. 59 u. 61) gegebenen über die Umwandlungen der l. und 2. Spalte. 2) Dem anatomischen Institut in Lund angehörig; von Herrn Prof. Fürst mir gütigst zur fraglichen Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Dirph. Thym. Schleim Dirnh. !Dimph Orgll: Sp ee ‚Dre: Ijıre Dr ScLLIT Sin at L Core. --Feonch Pr IT (gl Me 9 BP -----Tiym Thm N a en TAyrl. SchLE.M m Thyml { a an any = 3: Dimpk Physitr Tra- Ay \ SchlLen R Thyrl Thyr: m Thyın:— SchLe Car bil‘ Dthyrgl —-Thvrm 08 Thym: Ib we Dinmh Pihyr-in. Tre Schlt.i. PihyrIV. -Thyrm SchLEIV. ee Thyrl. Thyrn ZI Verlagv.J RBerman Tafel 27/28 Werneru Winter, Frankfurt” M Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 205 2. Der Thymuskomplex Ill bis zur völligen Mobilisierung. In die nächste Zeit, eine Epoche, welche in meinem Mate- rial durch die neun Embryonen 8,3 mm!) (Normentafel Nr. 40), 10,3 mm (Normentafel Nr. 49), 11,7 mm!) (Normentafel Nr. 47), 11,7 mm bis, 12 mm, 13,2 mm, 14 mm (Normentafel Nr. 54), 145 mm und 17 mm vertreten ist, fällt die Gliederung der 3. Schlundtasche in Parathyreoidea III, Thymus und eigent- lichen Schlundtaschenrest; gleichzeitig hiermit vollzieht sich auch die Abschnürung und Verkleinerung der Vesicula prae- cervicalis. Es wächst der ganze aus der 3. Schlundtasche stammende Komplex in die Länge, ohne mit seinem unteren Ende den unteren Rand der Schilddrüse nennenswert zu über- schreiten. Dabei bleibt seine Lagebeziehung zur Umgebung, besonders zu den Arterien der Schlundbogen, die von Anfang an vorhandene. Das obere Ende des Komplexes die Parathyreoidea Ill legt sich beim Beginn der Epoche in engem Anschluss an den Ursprung des 3. Aortenbogens aus der Aorta ascendens an (Taf. 27/28, Fig. 3); bei den älteren Embryonen und noch bei denselben von 17 mm liegt es dicht an der Carotisbifurkation. Das untere Ende liegt anfangs der Ursprungsstelle des 4. Aorten- bogens jederseits von aussen dieht an. Noch bei dem ältesten der namhaft gemachten Embryonen liegt es rechts der A. ano- nyma, links dem Bogen der definitiven Aorta ähnlicherweise an. Indem also die Endpartien des 3. Schlundtaschenkomplexes während der ganzen fraglichen Zeit mit denselben Stellen des Gefässystems Fühlung bewahren, entspricht o!fenbar der Längenzuwachs des Komplexes in dieser Epoche ungefähr demjenigen des in Umbildung zur Carotis communis begriffenen ı) Das Embryo gehört dem anatomischen Institut in Stockholm an und ist mir gütigst von Herrn Prof. Müller zur fraglichen Bearbeitung über- lassen worden. 206 J. AUG. HAMMAR, aufsteigenden Teils des 3. Aortenbogens, an dessen lateraler Seite er dicht angeschlossen liegt. Er macht nun auch dieselbe Richtungsänderung mit, die das fragliche Gefäss mittlerweile erfährt und wodurch es nach und nach einen mit der Körperachse mehr parallelen Verlauf annimmt. Der abwärts offene Winkel, welchen der Thymus- komplex mit dem betreffenden Teil des Schlundrohrs bildet, wird hierdurch allmählich auffallend verringert. Er beträgt un- gefähr: beim 9 mm langen Embryo 90° „, 35 „ „ 5 70° bb) 10,5 „ „ DR) 60° „ Halerd „’ DB) „ 62° lee; h „ bis 40° Dan ® * 9077 Tai22728 Ne) el n Mt 35° „ 14 „’ „’ ., 370 lo, n 40° Tre N 5 370 (Taf. 27/28, Fig): Diese Zahlen geben nun die ungefähre Grösse des Winkels gegen das untere Ende des Schlundes (in der Gegend des Sinus pyroformis) an; wegen der Krümmung des Darmrohrs nimmt aber in den späteren Stadien das untere Ende der Thymus im Profilbild einen mit dem oberen Ende des Speise- rohrs parallelen Verlauf an. Von vorn oder hinten gesehen macht sich die bestehen gebliebene Konvergenz der beider- seitigen Komplexe nach abwärts immer noch geltend (Taf. 27/28, Bis «lau d): Die histologische Differenzierung innerhalb des Thymus- komplexes beginnt mit der Parathyreoidea. Schon beim 8,3 mm langen Embryo findet man sie als eine Verdickung des Schlund- taschenepithels, deren Zellen von nun ab durch ihren etwas grösseren Umfang und ihre lichte durchsichtige Beschaffenheit Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 207 von den umgebenden abstechen. Anfangs (Embryonen von 8,5, 10,3, 11,7 und 12 mm Länge) hat die fragliche Verdickung hauptsächlich den Charakter einer diffusen Zellenmasse, eines „Zellenlagers“, um mit Born (1883) zu sprechen. Schon beim Embryo 11,7 mm bis zeigen die Zellen eine trabekuläre An- ordnung; diese macht sich anfangs nur durch die reihenartige Anordnung der Zellenkerne bemerkbar, bald findet man aber spärliche Bindegewebskerne spindeligen Aussehens zwischen den Reihen, noch etwas später sind unter ihnen Gefässe be- merkbar. Die Parathyreoidea III wird ursprünglich an der dorsalen Wand ihrer Schlundtasche angelegt (Embryonen 8,3 und 10,3 mm) und greift von dort ab auf den nächsten Teil der lateralen und oralen über. Indem nun der ganze Komplex die oben beschriebene Drehung macht, sieht die orale Wandfläche allmählich mehr ventralwärts. Ein Querschnitt des Embryos gibt dann ein Bild, wo die Parathyreoidea ventralwärts, der Schlundspaltenrest dorsalwärts sieht. Dies ist das normale Verhältnis, nicht eme Abnormität, wie Saint-Remy und Prenant (1904) die Sache gedeutet haben (vergl. hierüber Hammar 1910, 3. 209): In den letzten der betreffenden Stadien hat sich etwas Bindegewebe zwischen den Schlundtaschenrest und die Para- thyreoidea zu schieben begonnen, wodurch der Zusammen- hang zwischen den beiden Gebilden etwas weniger breit als vorher geworden ist. Die Parathyreoidea ist dabei offenbar etwas beweglicher gemacht worden, so dass sie dem Schlund- taschenrest gegenüber einerseits median-, andererseits lateral- wärts verschoben liegt. Etwas später als die Parathyreoidea III differenziert sich das Thymusgebiet. Auch hier zeichnen sich die Zellen durch etwas grösseren Protoplasmagehalt und durch etwas blassere Färbung gegenüber denen des Schlundtaschenrestes aus, der 208 J. AUG. HAMMAR, Unterschied ist aber anfangs recht wenig scharf, so dass die Grenze zwischen den beiden Gebilden in der ersten Zeit wenig auffallend ist. Die Thymus ist in den ersten Stadien recht schmal und nach ihrem freien unteren Ende zu manchmal etwas verdünnt. Bald nimmt sie aber den Charakter eines gleichbreiten, von Seite nach Seite etwas abgeplatteten eylindrischen Schlauches an (Taf. 27/28, Fig. 3 u. 4), welcher sich unten, wo er der Anonyma resp. Aorta anliegt, etwas verdickt oder sogar (11,7 bis und 17 mm) medianwärts schwach umgebogen ist. Diese Krüm- mungen scheinen durch den Widerstand bedingt zu sein, welchen die Aortawand gegen das Anwachsen des Organs setzt und könnten wohl deshalb mit Fug als Aortakrüm- mungen bezeichnet werden (Taf. 27/28, Fig. 4 Aok). Ein recht konstantes Charakteristikum der Thymusanlage ist in dieser Zeit die etwa in der cranialen Hälfte ihrer Länge vorhandene einseitige Wandverdickung, welche, oben dorsal oder dorsolateral lokalisiert, sich in schwach spiralförmigem Verlauf nach abwärts auf die laterale Wand verfolgen lässt. Als eine aus kurzverzweigten Zellen bestehende rundliche Leiste wölbt sie sich in das Lumen hinein und verleiht ihm eine im Querschnitte mondsichelartige Form. Die gegenüber- liegende ventromediale, resp. mediale Wand bewahrt hingegen ihre dünnere, mehr regelmässig epitheliale Beschaffenheit. Jener verdickte Wandabschnitt scheint etwas früher Gefässe zu erhalten als dieser, ohne dass ich mich von dem Vorkommen einer ähnlichen, durch eindringendes Bindegewebe bedingten Einstülpung überzeugen konnte, wie sie unten für den Schlund- taschenrest anzugeben ist. Diese einseitige, oben dorsal gelegene Wandverdickung des Thymusschlauches ist schon früh von Tourneux und Verdun (1897) beobachtet worden. Sie ist gewiss nicht ohne Interesse, und ich habe mich fragen müssen, ob viel- Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 209 leicht lediglich diese verdickte Partie als primäre Anlage der Thymus zu deuten wäre, wodurch eine Anknüpfung an die dorsal angelegte Thymus niederer Vertebraten ermöglicht wäre. Die Sache ist gewiss noch nicht spruchreif. Ein paar Punkte müssen jedoch schon jetzt hervorgehoben werden: teils dass im Laufe der Entwickelung auch die ursprünglich dünnere ventromediale Wand an der Thymusbildung sich beteiligt; teils dass die fragliche Wandverdickung den Thymusschlauch in seiner ganzen Ausdehnung nicht umfasst. Etwa die untere Hälfte des Organs zeigt regelmässig rund um das Lumen herum verdickte Wände und ist schon früh strecken- weise ganz solid. Der Schlundtaschenrest zeichnet sich, wie gesagt, durch die etwas stärkere Färbung seines Epithels gegenüber seinen Derivaten aus. Schon beim 8,3 mm langen Embryo ist die Verbindung der 3. Schlundtasche mit dem Schlunde zu einem kurzen Ductus thymopharyngeus eingeengt. Dieser Gang besteht noch in seiner ganzen Ausdehnung bei den vier Embryonen von 8,3, 10,3, 11,7 (Taf. 27/28, Fig. 1 D.tmph.) und 14,5 mm Länge, bei denen von 13,2 und 14 mm Länge ist sein unteres Stück noch zu sehen. Bei den übrigen diesem Stadium angehörigen Embryonen fehlt er. Die dorsale Wand des Schlundtaschenrestes ist durch einen früh auftretenden, ventro-oralwärts gerichteten gefässführenden Bindegewebszapfen derartig eingebuchtet, dass sein Lumen eine zweigeteilte etwa zwerchfellartige Form erhält. Diese Ein- buchtung setzt sich bisweilen, aber nicht immer, in die oben beschriebene dorsale Wandverdickung der Thymusanlage fort. Es liegt nun dieser dorsalen Wand die durch Abschnürung des Fundusteiles des Sinus praecervicalis entstandene Vesi- cula praecervicalis dicht an; die Grenze zwischen der Thymusanlage und der Blase ist aber immer scharf und klar. Beim 8,3 mm langen Embryo steht die Blase durch einen Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd., H. 1). 14 210 J. AUG. HAMMAR, offenen Stiel, Ductus praecervicalis, mit dem offenen Abschnitte des Sinus, Sulcus praecervicalis, in welchen auch der Kiemengang mündet, in Verbindung. Die Präcervical- blase hat im ausgebildeten Zustande (Taf. 27/28, Fig. 1 V.pre.) eine rundlich dreieckige Gestalt mit einem lateralen spitzen Winkel, der sich eben in den Ductus praecervicalis (D. pre.) verlängert, einem caudo-medialen, ebenfalls ziemlich spitzen Winkel, der in einen schmalen, den 4. Aortenbogen lateral umgreifenden und caudalwärts an dem 4. Schlundtaschenrest endenden Gang resp. Strang, den Ductus thyreocervi- calis (D.te.), ausläuft. Der dritte Winkel der Blase ist etwas stumpfer; er liegt im Vagusganglion (Ggl. X) tief eingegraben. Der Ductus praecervicalis ist bei den Embryonen 8,3 mm, 10,3 mm, 11,7 mm und 12 mm vorhanden. Beim Embryo 11,7 mm bis ist ein Rudiment desselben, und zwar nur an der linken Seite, nachzuweisen; beim 14 mm langen Embryo ist er besser erhalten: rechts steht er mit dem Sulcus prae- cervicalis in Verbindung, links endigt er lateralwärts frei, spitz ausgezogen. Bei den übrigen fraglichen Embryonen (13,2, 14,5 und 17 mm) fehlt er. Der Ductus thyreocervicalis verschwindet gleichfalls schnell. Bei den Embryonen 8,3 mm, 11,7 mm und 12 mm deutlich, aber meistens ohne Lichtung, ist er schon beim 10,3 mm langen in seinem oberen Abschnitt, bei den übrigen hier behandelten Embryonen gänzlich verschwunden. Wie man sieht, zeigen sich im Verhalten dieser beiden Gänge der Atrophie gegenüber recht grosse individuelle Schwankungen. Die im Vagusganglion eingesenkte cranio-mediale Ecke der Präcervicalblase zeigt im Schnittbilde ein auffallendes Verhalten. Die Grenze zwischen den beiden genannten Ge- bilden ist hier unscharf, und man bekommt den Eindruck, dass hier ein Übertreten zellulärer Elemente aus der Blasenwand in das Ganglion stattfindet. Durch ihren dunklen Kern und Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 211 kleineren Umfang sind die fraglichen Elemente zwischen den grösseren Elementen des Ganglions recht leicht bemerkbar. Ein Vergleich mit jüngeren Stadien, insbesondere den 5 und S mm langen, zeigt, dass eben diese Ecke der Placode des 3. Schlundspaltenorgans entspricht. Ob nur durch dies Überwandern oder, wie mir wahrschein- lich erscheint, auch durch wirkliche Atrophie, mag dahingestellt bleiben, sicher ist, dass eine fortschreitende Verkleinerung der Präcervicalblase sich bald bemerkbar macht. Die Blase ist bei den Embryonen 8,3, 11,7 und 12 mm am besten ausgebildet, zeigt in den übrigen Anzeichen einer auffallenden Verkleine- rung, wenngleich auch hier ohne eingehenderen Parallelismus mit der Grösse des Embryos. Am kleinsten habe ich die Prä- cervicalblase bei dem in anderen Hinsichten unten näher zu berücksichtigenden Embryo 15,4 mm gefunden, wo sie nur an 1-2 Schnitten (12 u) ein undeutliches Lumen besitzt. Hier sowie beim 17 mm langen Embryo (Taf. 27/28, Fig. 4 V. prc.), wo sie etwas grösser ist, liegt die rundliche Bildung nicht mehr im Ganglion eingesenkt, sondern frei im Bindegewebe. Ihre Zellen sind nun ganz klein, stark färbbar und erwecken die Vorstellung, dass sie einem in Atrophie begriffenen Zellen- komplex angehören. Bei fast allen Embryonen des nächsten Stadiums fehlt sie ganz. Es scheint mir demnach zweifellos, dass sich die Vesicula praecervicalis beim Menschen an der Thymusbildung nicht beteiligt. Dagegen kommt mir ihre etwaige Beteiligung an der Bildung des Vagusganglions recht wahrscheinlich vor. In dem hier behandelten Zeitraume hat sich also der Thymuskomplex unter Wahrung seiner ursprünglichen cervi- calen Lage von der Verbindung mit der Umgebung losgetrennt. Die also erfolgte Mobilisierung bildet eine Vorbereitung für die nun erfolgende Lageveränderung desselben, die ‚Wande- rung“ in die Brusthöhle hinein. 14* 212 J. AUG. HAMMAR, 3. Die kaudale Verschiebung des Thymuskomplexes; die Thymusstränge und Herzkrümmungen. Hier werden zunächst die Verhältnisse bei folgenden Em- bryonen Berücksichtigung finden: 15,4, 18, 18,5, 20, 20,5, 21, 21,1, 23,7, 24,4, 29, 30,5, 31 mm. Für die Zusammenstellung betreffs gewisser Einzelheiten wie der Thymusstränge und der Herzbiegungen werden die älteren sonst erst unter 4. berück- sichtigten Stadien 33,4, 36,8, 51, 52, 65, 70, 85, 120 mm heran- gezogen. Die Verlagerung des Thymuskomplexes caudalwärts kommt vor allem in der veränderten Lage der Gl. parathyreoidea III zum Ausdruck. Von ihrer ursprünglichen Lage in innigem An- schluss an die Carotisteilung entfernt sich diese Drüse immer mehr nach abwärts. Diese Verschiebung hat schon beim 15,4 mm langen Embryo begonnen, die Parathyreoidea III liegt hier beiderseits schon caudalwärts von der gleichseitigen Para- thyreoidea IV (Taf. 29/30, Fig. 7). Dieselbe Lage herrscht bei fast allen übrigen hier in Betracht kommenden Objekten vor; nur beim 20 mm langen Embryo (Taf. 29/30, Fig. 9) reicht links die Parathyreoidea III noch etwas oralwärts von der Para- thyreoidea IV. In ein paar Fällen — beim Embryo 21 mm (Taf. 29/30, Fig. 10) und 23,7 (Fig. 12) beide rechts — trifft man die Parathyreoidea III in engem Anschluss an den unteren Pol der Parathyreoidea IV, so dass die beiden Organe teilweise wie verschmolzen erscheinen. Die Verlagerung des Thymuskomplexes macht sich ferner auch in dem veränderten Verhältnis zur Schilddrüse bemerkbar. Während früher das obere Ende des Komplexes — die Para- thyreoidea III — in der Nähe des oberen Pols des betreffenden Schilddrüsenhorns lag, das untere Ende den unteren Rand der Schilddrüse nicht oder nur unbedeutend überragte, liegt nun die Parathyreoidea fast überall in der halben Höhe des Schild- Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 213 drüsenhorns, oder niedriger bis unterhalb des unteren Randes des Organs. Zahlreiche Variationen, auch im Verhalten an den beiden Körperseiten eines und desselben Individuums, kommen vor; wie ja schon die Untersuchungen Sandströms (1880) lehrten, dass sie inbetreff der Lage der Parathyreoidea III auch beim Erwachsenen vorhanden sind. Statt weitläufiger Be- schreibungen lässt sich diesbezüglich auf die Bilder Taf. 29/30, Fig. 7—21 verweisen. Die frühere Lagerelation des unteren Thymusendes dem Aortenbogen und der A. anonyma gegenüber bleibt hingegen der Hauptsache nach unverändert. Die aus der 3. Tasche stammende Thymus bewahrt also ihre primäre Lage zu den Gefässen des 4. Schlundbogens, trotzdem diese in dem frag- lichen Zeitraum einer auffallenden Verschiebung und zwar aus dem Halsgebiet in die Brusthöhle hinein unterworfen sind. Diese kongruente Verlagerung der fraglichen Teile fällt nun zeitlich mit der in derselben Epoche vorsichgehenden Aus- bildung des Halses oder näher bestimmt der Vorderfläche des Halses nahe zusammen; sie scheint mir auch in einer un- verkennbaren Abhängigkeit von dieser zu stehen. Der ver- mehrte Zuwachs der ventralen Teile des Halses, wodurch der schmale Streifen am Boden des Sulcus praecervicalis zur Vorderfläche des Halses umgewandelt wird (Hammar 1900), bekundet sich bekanntlich durch die veränderte Kopfhaltung des Embryos, die Aufrichtung des Kopfes und die also erfolgte partielle Ausgleichung der Nackenbeuge. Es ist in dieser Hin- sicht lehrreich zu sehen, wie sich die Nackenbeuge für die verschiedenen dem kritischen Zeitpunkt zugehörigen Objekte verhält !): beim Embryo von 14 mm beträgt sie 95° 5 % 2, 14,5; & W2e „ = ln 2.2 £ 950 1) Für den Embryo von 20 mm liegt ein Totalbild nicht vor. 214 J. AUG. HAMMAR, beim Embryo von 15,4 mm beträgt sie 130° 18 » „ „ 125° 3» ; 20,85, R 1202 a > r „ 140° > = ls, r 130% „ 3 ran, e 502 3 0, 2A dee, : „ 140° Wie ersichtlich, ist die ungefähre Mittelzahl der drei ersten Embryonen, wo die Verschiebung noch nicht begonnen hat, 900, der sieben folgenden 135°. Auch in dieser Hinsicht schliesst sich der 17 mm lange Embryo der Gruppe der jüngeren, der 15,4 mm lange der Gruppe der älteren Föten an. Mit der Verlagerung des Thymuskomplexes ist auch eine auffällige Verlängerung desselben verknüpft. Nach Messungen an den Modellen berechnet, beträgt seine mittlere Länge (Mittel- zahl der beiderseitigen Komplexe ohne Berücksichtigung der Krümmungen und ohne Abrechnung atrophischer Strecken der Thymusstränge): Embryo 14 mm 0,60 mm Embryo 24,4 mm 1,56 mm ar 1450,60 n 30.5, = 12478 = 17 er HILOGE RS; Rn 31 IE & 194, 2 a0) 0DEE n Saal E 3221177. 51.2008 r 36,8. 3000: N Ikea le, 51 „4,24 ie re BE x Dar e 2 A R 65 27, Babe si ve 0 a a ER = 7107 men 5 237000, 10er Etliches spricht nun dafür, dass diese Verlängerung des Thymuskomplexes nicht lediglich als der Ausdruck eines statt- gefundenen Zuwachses anzusehen ist. Einerseits erfolgt sie offenbar sehr schnell, andererseits ist sie mit einer auffallen- den Verdünnung des Halsteiles der Thymus verknüpft. Während Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 215 die Thymus beim 17 mm langen Embryo, wo die Verschiebung nicht begonnen hat, den Charakter eines relativ dicken (etwa 0,20 mm grösster Durchmesser) gleichmässigen Schlauches be- sitzt, zeigt der obere Teil beim 15,4 mm langen Embryo, wo die Verschiebung begonnen hat, eine deutliche Verdünnung (etwa 0,09 mm Durchmesser gegen 0,15 mm unten). Dieser Unterschied ist bei den folgenden Stadien, wo der Brustteil sich inzwischen verdickt hat, noch auffallender. So hat schon beim 21 mm langen Embryo (Taf. 29/30, Fig. 10) etwas mehr als die obere Hälfte der Thymus den Charakter eines dünnen (0,07 mm Durchmesser) Thymusstranges, während die untere Hälfte einen Durchmesser von 0,23—0,29 mm aufweist. Der verdünnte Abschnitt lässt hierbei bald Anzeichen einer un- verkennkaren Atrophie des Epithels hervortreten. Die Zellen sind klein, mit dunkelgefärbten Kernen. In dem durch Schwinden der Lichtung solid gewordenen Thymusstrang sind Mitosen in der Regel nicht mehr zu finden. Das umgebende Bindegewebe retrahiert sich als concentrische Schicht um die verkleinerten Epithelstränge. Endlich schwindet der eine oder der andere Strang oder beide gänzlich und nur das er- wähnte, um einige centrale (Gefässe concentrisch geschichtete Bindegewebe (das „Thymusfeld“ Zuckerkandls) zeigt noch eine Zeitlang den Platz der Stränge an. Diese Atrophie, durch welche die Thymus von der Para- thyreoidea III abgetrennt wird, vollzieht sich offenbar recht unregelmässig. Bei den Embryonen 33,4, 36,8, 52, 65, 85 und 120 mm (Taf. 29/30, Fig. 16, 17, 20, 22) hat sie an beiden Körper- seiten auf eine kürzere oder längere Strecke ein Schwinden der Thymusstränge bewirkt. Unter Umständen kann sie an der einen oder an beiden Seiten verspätet werden oder ganz ausbleiben, in welch letzterem Fall man noch beim Erwach- senen die Parathyreoidea III dem als verlängertes Thymus- horn hervortretenden Thymusstrang anliegend findet. In meinem 216 J. AUG. HAMMAR, Material findet sich eine einseitige Atrophie des Thymusstranges bei den 30,5, 51 und 70 mm langen Embryonen (Taf. 29/30, Fig. 14, 18 u. 21), und zwar bei sämtlichen an der rechten Seite. Die also dargelegten Tatsachen, besonders der auffallend rasche Verlauf der Verdünnung der Thymusstränge, scheinen mir dazu zu berechtigen, den Vorgang folgendermassen aul- zufassen: Mit dem Eintreten der Thymus in die Brusthöhle bei der Streckung des Halses erfolgt nicht nur eine caudale Verschiebung des durch sein umgebogenes caudales Ende in der Nähe des Aortenbogens fixierten Thymuskomplexes, son- dern gleichzeitig damit findet bei der Aufrichtung des Kopfes eine rein mechanische Dehnung und Verdünnung des Cervical- teiles statt, welche in der Regel die Einleitung zu seiner völligen Atrophie bildet. | Es werfen die anormalen Verhältnisse, die ich bei einem 18,5 mm langen menschlichen Embryo getroffen und schon an anderer Stelle kurz besprochen habe, über diesen ganzen Vorgang ein klareres Licht (Taf. 27/28, Fig. 5). Hier ist die Vor- bedingung der Verlagerung des oberen Endes des Thymus- komplexes, seine Lostrennung und Mobilisierung von der Um- gebung, ausgeblieben resp. verspätet. Teils ist nämlich der Ductus thymopharyngeus (D. tmph.) abnorm lange bestehen geblieben, so dass er noch in diesem Stadium als ein solider Strang anzutreffen ist, der rechts in seiner ganzen Ausdehnung verfolgbar, links auf eine kurze Strecke an der Schlundwand verschwunden ist. Teils findet sich jederseits noch eine zwar deutlich verkleinerte, aber in dem Vagusganglion eingesenkte Präcervicalblase (V. prc.). Die Parathyreoidea III hält ihre primäre Lage an der Carotisteilung inne, wie es anzunehmen nahe liegt, durch die soeben erwähnten Gebilde hier befestigt. Die Aufrichtung des Kopfes hat indessen begonnen (Nacken- winkel etwa 120°), und so ist die Ausdehnung und Verdünnung ıt.Hefte. LAbteilung. Heft 129 (43Bd H1l Alyr m. Schlta lak---— Pihyr I. - -Thym. _,, Schlt.ur-- = [2 Ad ‚Pıhyr: IV, we Prhyr: u Aihyr. I. Vansin 19° Pihyrß Prhyr I Prhyr. Mm f f, *-u Thym.sin Van.sın Hk--- Van.dxt Thym. Yanyr. m“ Tafel 29/30 Hu Thym, === PIRYEHI. = F-- mr Veisun 21 Van.dre --- Plhye. DO == 2 ws SR Ofen „. Thymilxt, x > Hk = Hk TeragwalRBkt: mann, West Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 217 der Thymus eine weit durchgreifendere als normal geworden. Beide Thymi (Thym.) sind ihrer ganzen Länge nach in Thymus- stränge umgewandelt worden. Sie bilden dünne, lange, gleich- breite Stränge von nur etwa 0,10 mm Durchmesser, aber 2,16 mm Länge, welche an ihrem caudalen Ende schwach verästeln und hakenförmig gekrümmt sind. Nach dem Eintreten in die Brusthöhle tritt die Thymus auch zu gewissen anderen Organen, der V. anonyma sın., dem Herzbeutel und den Brustfellen in Beziehung, welche hier zu- nächst zu erörtern sind. Zu der Zeit, wo die Thymus in die Brusthöhle eintritt, ist eine eigentliche V. anonyma sinistra noch nicht vorhanden. Wohl aber findet sich ein Plexus von kleineren Venen, die, die Thymus sowohl hinten wie vorn umspinnend, die beider- seitigen Venae jugulares primitivae verbinden. Hierin findet das wechselnde Verhalten des Organs zur ausgebildeten Vena anonyma seine Erklärung. In der Regel scheint diese Vene sich aus den hinter der Thvymus verlaufenden Gefässen herauszubilden (Taf.29/30, Fig. 17 und 18). Ausnahmsweise kann offenbar die Vene aus einer vor der Thymus gehenden Gefässverbindung hervorgehen. Diese nicht ganz seltene und schon lange erkannte Abnormität, von welcher Taf. 32, Fig. 28 ein Beispiel gibt, führt einen, ungemein queren, fast horizontalen Verlauf des Thymuskörpers mit sich. Endlich kann, wie der Embryo 52 mm lehrt, die Ausbildung der Vena anonyma sinistra so geschehen, dass das (iefäss zwischen den beiden Thymi zu liegen kommt (Taf. 29/30, Fig. 19a u. b). In dem bezüglichen Fall liegt demnach die linke Thymus wie normal ventralwärts vom Gefäss und hält den normalen hinabsteigenden Verlauf inne, die rechte nebst einem langen, von ihr ausgehenden recurrenten Ast (Rek.) liegt mit in ihrem unteren Verlaufe mehr horizontaler Richtung dorsalwärts von ihm. 218 J. AUG. HAMMAR, Ehe die Verlagerung der Thymus begonnen hat, ist das Organ zur Pericardialhöhle noch nicht in Beziehung getreten; bei den Embryonen von 14,5 und 17 mm hat es demnach diese Höhle nicht erreicht. Beim 15,4 mm langen liegt die Thymus der Kuppe des Pericardiums dicht an; beim 18 mm langen haben sich die beiden Thymusschläuche der Aorta ascendens entlang derart caudal verschoben, dass ihr caudales Ende hinter der höchsten Wölbung des Herzbeutels zu liegen kommt. Unter solchen Verhältnissen liegt also die Thymus faktisch ım hinteren Mediastinum. Bei den 24,4 und 29 mm langen Embryonen haben sich die Verhältnisse dermassen verändert, dass das Organ wiederum auf der Kuppe des Herzbeutels ruht; von hier aus liegt der Weg für ein Herabwachsen ventralwärts von der fraglichen Cavität offen. Dieses Herabwachsen erfolgt aber erst mit der unten zu besprechenden Massenvermehrung des Organs. Weit später als zu dem Pericard gewinnt die Thymus zu der Pleurae nähere Beziehungen. Erst bei den 65 und 70 mm langen Föten haben sich die Brustfelle derart aus- gedehnt, dass sie den Herzsack überragen und die Thymus samt den übrigen Gebilden des vorderen Mediastinums auf eine an die definitive erinnernde Weise doppelseitig umfassen. Wie schon angeführt, war die Form der Thymus, ehe ihre Verlagerung begonnen hatte, die eines ziemlich gleichbreiten Schlauches. In dem Masse nun, wie der am Halse gelegene obere Abschnitt atrophiert, bildet sich ein deutlicher Unter- schied heraus zwischen diesen dünnen Thymussträngen, welche eine längere oder kürzere Strecke den latero-dorsalen Flächen der Schilddrüse entlang caudo-medialwärts convergieren, und den bedeutend diekeren mehr wurstförmigen Brustteilen, welche ziemlich dicht nebeneinander liegen und mehr parallel verlaufen. An der Grenze zwischen der Hals- und Brustthymus tritt häufig eine deutliche Krümmung hervor, welche, da sie in der Nähe Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 219 der oberen Brustapertur liegt, als Aperturkrümmung be zeichnet werden kann (Taf. 27/28, Fig. 6; Taf. 29/30, Fig. 10 Ap.). Sie bleibt häufig auch nach vollendeter Atrophie des Thymus- stranges auf der Grenze zwischen dem Überrest des atrophi- schen Halsteiles, dem oberen Thymushorn, und dem voll- ausgebildeten Brustteil bestehen. Das Herzende der Thymi reicht meistens verschieden weit nach abwärts, und zwar reicht in den untersuchten Fällen die rechte Thymus in acht, die linke in zehn am tiefsten, während in vier alle beide auf etwa demselben Niveau endigen. Beim 15,4 mm langen Embryo zeigt die Thymus jeder- seits ventro-medialwärts gerichtete hakenförmige Umbiegungen, die an die Aorfenbiegungen des vorigen Stadiums erinnern (Taf. 29/30, Fig. 7 Ao.k.). Bei dem nächstfolgenden Embryo (18 mm) ist sie an beiden Seiten gerade (Fig. 8). Bei den übrigen zeigen die auf dem Herzen ruhenden Thymusenden in der über- wiegenden Zahl der Fälle auch Biegungen, die aber wechselnder Richtung sind und hauptsächlich durch den Widerstand des Herzens und des Pericards gegen das Wachstum des Organs bedingt zu sein scheinen. Ich nenne sie deshalb Herz- krümmungen (Hk.). Unter den 40 Thymusschläuchen der 20 hier in Betracht kommenden Modelle entbehren nur sechs (18 mm beiderseits, 20, 20,5, 21 und 120 mm alle links) deutliche Herzkrümmungen. An sieben (drei rechts, vier links) sind die Umbiegungen vor- zugsweise ventralwärts, an den übrigen 27 (14 rechts, 13 links) vorzugsweise dorsalwärts gerichtet, obwohl in beiden Fällen zahlreiche Abweichungen in lateraler oder medialer Richtung vorkommen. Die dorsale Richtung herrscht, wie man sieht, für die Herzkrümmungen vor, während die als Aortenkrümmungen bezeichneten in der Regel median- oder medio-ventralwärts ge- richtet sind. Es entsteht hier die Frage, wie sich die beiden 220 J. AUG. HAMMAR, hier mit verschiedenen Namen belegten Krümmungen gegenseitig verhalten. Möglich ist ja, dass die Aortenbiegung transitorisch ist, und dass dann ein Stadium mit mehr geraden Thymus- schläuchen folgt, wie der 13 mm lange Embryo und die !inks- seitigen Verhältnisse der Embryonen von 20, 20,5, 21 mm Länge andeuten könnten. Möglich ist auch, dass die veränderten topo- graphischen Verhältnisse eine Änderung der Krümmaungsrich- tung direkt mit sich bringen ; möglicherweise gestalten sich die Verhältnisse in verschiedenen Fällen verschieden. Die Sache ist jedenfalls nicht von besonderer Bedeutung. Wichtig für die Auffassung der Formenverhältnisse der menschlichen Thymus ist es aber, festzustellen, dass solche meistens dorsal ge- richteten Herzkrümmungen sich in der Mehrzahl der Fälle beim Herabwachsen der Thymus in die Brusthöhle heraus- bilden und dann persistieren. Infolge dieser Herzbiegungen ist die Thymus auf jüngeren Stadien häufig ziemlich tief in die eine oder andere Pleuroperi- cardialmembran eingelagert. Die Krümmungen geschehen in der Regel um die Vena anonyma sinistra herum (Taf. 32, Fig. 27), so dass das Endstück des Organs dies Gefäss normal von der vorderen und unteren Seite umgreift und den Raum zwischen ihm und der Aorta grösstenteils ausfüllt. Ein eigen- artiges Verhalten zeigt die Thymus beim 29 mm langen Fötus (Taf. 29/30, Fig. 13), wo die Herzkrümmung der Thymuslappen cranialwärts von der V. anonyma sin. erfolgt ist und der rechte Lappen überdies sich mit einer zungenförmigen Verlängerung caudal von ihr geschoben hat, so dass er die V. anon. sin. sogar von drei Seiten, und zwar cranial, ventral und caudal umgreift; der vordere Abschnitt der Vene erscheint hierdurch zu einer engen Spalte eingeengt. Von dem Embryo von 22,3 mm an aufwärts zeigen sämt- liche ältere Thymi Excrescenzen wechselnder Art. Es sind einmal kleinere Cysten (Cy.) oder kurze geschlängelte Gänge, Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 221 die mit einem einfachen, meistens cubischen Epithel ausge- kleidet sind, und sich bald dem Parenchym direkt anschliessen, bald durch dünnes Bindegewebe von ihm getrennt liegen. Prä- dilektionsstelle dieser kleinen Hohlgebilde ist der Übergang zwischen Hals- und Brustteil, oder für spätere Stadien die Umgebung der oberen Thymushörner. Nicht selten kommen sie auch höher oben den atrophischen Thymussträngen ent- lang vor; bisweilen trifft man sie auch tiefer hinab im An- schluss an den Thymuskörper. In der Gegend der Thymus- stränge ist beim 33,4 mm langen Fötus links ein grösseres rund- liches äusseres Thymusläppchen vorhanden (Taf. 29/30, Fig. 16 Thym. acc.). Ferner kommen mit dem Parenchym verbundene solide Stränge vom Thymusbau und mit recurrentem Verlauf nicht selten vor (Rek.). Unter den jüngeren Stadien zeigen der Embryo von 24,4 mm Länge auf der rechten, die Embryonen von 30,5 und 31 mm auf der linken Seite solche recurrente Äste. Dass beim 52 mm langen Fötus ein langer rechtsseitiger Ast dieser Art vorkommt, ist schon erwähnt. Dass der atrophierende Halsteil der Thymus meistens schon früh eine solide Beschaffenheit annimmt, habe ich schon angeführt. Auch der Brustteil hat in diesem Stadium meistens einen gänzlich soliden Charakter. Nur bei den jüngeren Em- bryonen bemerkt man ab und zu Reste einer Lichtung, die dann ihre Sichelform und ihre excentrische Lage meistens noch erkennen lässt. Der Schlundspaltenrest hat bei den Embryonen von 15,4 und 18 mm Länge noch einen ziemlichen Umfang und ist hier noch unschwer zu erkennen (Taf. 29/30, Fig. 7 u. 8 Schl.t II). Noch umfangreicher ist er beim anormalen, in der Entwicke- lung ja auch an anderen Punkten verspäteten Embryo von 18,5 mm Länge (Taf. 27/28, Fig. 5 Schl.t III). Er vermittelt in den gerannten Fällen noch die Verbindung zwischen der Thymus J. AUG. HAMMAR, DD ID ID und der Parathyreoidea III. Bei gewissen der nächst älteren Objekte (20, 20,5, 21, 21,1 und 22,3 mm) findet man an der betreffenden Stelle eine kleine Blase oder eine solide Zellen- knospe, welche den Charakter eines atrophierenden (Gebildes trägt, und in welcher man den Schlundtaschenrest mit Fug vermuten kann, obzwar es nicht immer möglich ist, ganz aus- zuschliessen, dass es sich unter Umständen auch um Reste der Präcervicalblase handeln könnte. Das Verschwinden des Schlundtaschenrestes führt eine Abtrennung der Parathyreoidea III von dem Thymusstrang mit sich. Zwar liegen die beiden Gebilde noch in der Folge einander manchmal dicht an, eine genauere Untersuchung lehrt aber, dass ein wirklicher Zusammenhang nicht mehr vor- handen ist. Mit dieser Abtrennung der Parathyreoideadrüse scheint die caudale Verschiebung, welche sie bisher zusammen mit den übrigen Teilen des Thymuskomplexes gemacht hat, aufzuhören. Die wechselnde, bald höhere, bald niedrigere Lage, welche die fragliche „untere“ Parathyreoideadrüse in der Folge einhält, dürfte wohl auf den wechselnden Zeitpunkt, wo jene Abtrennung erfolgt, zurückzuführen sein. 4. Lobulierung der Thymus; Tractus centralis. Durch die bisher beschriebenen Veränderungen hat die Thymus ihre definitive Lage in der Brusthöhle erreicht. Hier erfolgt nun eine bedeutende Grössenzunahme und die Aus- bildung der definitiven Formenverhältnisse. Beide stehen ohne Zweifel zu der zu derselben Zeit beginnenden histologischen Differenzierung, welche ich hier nur flüchtig berühren kann, in naher Beziehung. Bei einer anderen Gelegenheit habe ich schon beschrieben, wie sich beim 31 mm langen Embryo eine grosse Menge von Leucocyten, hauptsächlich vom Typus der primären Wander- Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 223 zellen, im perithymischen Bindegewebe findet, während in der Thymus selbst solche Zellen fehlen. Bei den etwas älteren Objekten, 33,4 mm (Textfig. 1) und 36,8 mm, ist eine ähnliche perithymische Infiltration gleichzeitig damit vorhanden, dass Lymphocyten in steigender Zahl in der Thymus selbst vor- handen sind. Die Infiltration erfolgt offenbar hauptsächlich von den in der Tiefe des Parenchyms liegenden Gefässen aus und schreitet in centrifugaler Richtung fort. Sie ist anfangs diffus, nur an der Peripherie bleibt eine Randschicht lange bestehen. Die Markhypertrophie tritt erst später ein; in allen diesen Zügen offenbart sich eine auffallende Analogie mit den bei der Regeneration des Organs nach accidenteller Involution cbwaltenden Verhältnissen, wie wir sie besonders durch die Untersuchungen von Rudberg und Jonson kennen gelernt haben. Die ersten Anzeichen einer Teilung des Parenchyms in Rinde und Mark gibt sich beim 51 mm langen Embryo kund, und von nun ab zeigt das Organ bei allen untersuchten Föten der Hauptsache nach die charakteristische Thymusstruktur. Unter solchen Umständen und mit Rücksicht auf unsere seit meiner ersten Veröffentlichung über den Gegenstand wesentlich erweiterten diesbezüglichen Erfahrungen stehe ich nicht an, die hier zuerst angeführten Bilder als Ausdruck der vorsich- gehenden Infiltration des Thymusepithels durch Wanderzellen zu deuten. Diese Periode der beginnenden Infiltration scheint demnach beim Menschen etwa bei der Körpergrösse 30-40 mm einzutreffen. Von dieser Zeit ab mehren sich die Mitosen in der Thymus in auffallender Weise. Es beginnt eine auffallend rasche Volum- zunahme des Organs, kraft welcher es an der Vorderseite des Herzbeutels herabwächst und sich auch sonst im Mittelfellraum entfaltet. Diese Vergrösserung geschieht aber nicht ganz so, wie sie in Anlehnung an Koellikers (1879) auf Kaninchen 904 J. AUG. HAMMAR, begründete Darstellung im allgemeinen geschildert wird: durch Knospung. Eine solche Schilderung ist freilich für gewisse Tiere zutreffend. Ich gebe zur Beleuchtung dieses Wachstums- modus sowohl die Abbildung einer Rekonstruktion der Thymus eines 37 mm langen Kalbsfötus (Taf. 29/30, Fig. 23) wie auch ein Querschnittsbild der Thymus eines etwas älteren Kalbsfötus (Textfig. 3). In jener ist streckenweise sowohl am Brust- wie am Halsteil der acinös-drüsige Typus der Verästelung klar zu ersehen. In dieser verleihen die knospenförmigen Veräste- lungen dem Querschnittsbild ein ausgeprägt rosettenähnliches Aussehen. Vergleicht man nun mit diesen Bildern die von Menschen- föten gegebenen (Taf. 29/30, Fig. 17—21; Textfig. 2), tritt ohne weiteres der Unterschied hervor. Das menschliche Organ hat eine geschlossenere Form mit rundlichen Buckeln an der Peri- pherie und dünnen, zwischen sie mehr oder weniger tief ein- schneidenden Bindegewebssepten. Eine Durchmusterung der ganzen Altersreihe lehrt, dass ein Stadium mit wirklichen frei- liegenden Knospen beim Menschen überhaupt nicht existiert. Auf die wurstförmige Thymusgestalt der vorigen Periode folgt direkt die eben beschriebene mit buckelig sich hervorwölben- den Rindenfollikeln. Später flachen sich die äusseren Flächen der Follikel mehr ab, und schon beim 120 mm langen Fötus ist der für das ausgewachsene wohlnutriierte Organ charakte- ristische Habitus der Organoberfläche zu finden (Taf. 29/30, Fig. 22a). Diese Veränderungen stellen sich nun zunächst als durch das Einwachsen von Bindegewebe in das Parenchym bedingt dar. Unregelmässige und spärliche Bindegewebszüge sind zwar schon weit früher hier zu finden; nun handelt es sich aber um ein Auftreten ziemlich regelmässiger und meistens mit kürzeren Zwischenräumen radiär einschneidender Züge. Wie bei der Lobulierung vieler anderer Organe scheint auch hier Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 225 die Ausbildung des Bindegewebes von der Umgebung der Blut- gefässe auszugehen. Demnach findet man die von der Ober- fläche eindringenden, interfolliculären Gefässe bald von iso- lierten Bindegewebstrabekeln, bald wiederum — was ich als ein späteres Differenzierungsstadium auffasse — von die Ge- fässe verbindenden wirklichen Bindegewebssepten begleitet. Andererseits findet in derselben Zeit, wo diese Zerklüftung der Randpartie entsteht, eine unverkennbare Massenvermeh- rung des Organs statt, welche, indem sie offenbar in den caudalen Abschnitten des Organs am stärksten ist, den Thymus- lappen meistens ihre definitive mehr kegelartige Totalform ver- leiht. Es handelt sich demnach nicht bloss um ein Einwachsen von Bindegewebe in das Organ, sondern gleichzeitig auch um ein Hinausdringen der Parenchymgebilde in das umgebende Bindegewebe. Da nun zweifellos diese beiden Faktoren auch z. B. bei der Thymusbildung des Kalbes oder des Kaninchens die wirksamen sind, so liegt für diese Betrachtungsweise offen- bar kein prinzipieller Unterschied zwischen den beiden Bil- dungsmodi vor. Der verschiedene Charakter der Bilder scheint mir hauptsächlich dadurch bedingt zu sein, dass das Organ zu dem Zeitpunkt, wo die Lobulierung beginnt, beim Kalbe einen ganz dünnen Strang darstellt, beim Menschen hingegen schon eine weit massigere Beschaffenheit angenommen hat. Nichts- destoweniger ist die Inexaktheit der geläufigen Beschreibungen der Entwickelung der Menschenthymus inbezug auf diesen Punkt hervorzuheben, nicht nur weil sie falsche Vorstellungen von diesen jüngeren Stadien erwecken, sondern auch weil die Zerklüftung der Oberflächenschicht des Parenchyms durch ein- dringendes Bindegewebe unter Umständen zu Verhältnissen des ausgebildeten Organs führt, welche sich mit der Vorstellung einer stattgefundenen Knospung recht schwer vereinbaren lassen. Erst mit dem Embryo von 33,4 mm Länge macht sich Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd, H. 1). 15 226 J. AUG. HAMMAR, au diese Zerklüftung der Randpartie durch einwachsendes Binde- gewebe an den Schnitten etwas merkbarer (Textfig. 1). Wenn die Herausdifferenzierung des Markes später (wie gesagt beim 51 mm langen Fötus) beginnt, bleibt sein Bezirk ursprünglich auf das von der Zerklüftung unbeeinflusste Zentralgebiet des Lappens beschränkt. Für die richtige Auffassung des Thymus- Textfig. 2. Querschnitt der Brustthymus eines 70 mm langen Menschenfötus. Ver- grösserung etwa 20:1. Textfig. 1. Querschnitt d. Brustthymus eines 33,4 mm langen Menschenfötus. Vergrösserung etwa 20:1. Diese und sämtliche folgende Text- figuren sind derart orientiert, dass der ventrale Rand aufwärts gekehrt ist. Textfig. 3. Querschnitt der Thymus eines 56 mm langen Kalbsfötus. A. im Brustteil. B.im Halsteil. Vergrösserung etwa 20:1. baues in diesem und späteren Stadien ist die Einsicht in das Verhältnis dieses centralen Parenchymtractus von Belang, und ich bin ihm deshalb an einigen Objekten reconstructiv nach- gegangen. Beim 70 mm langen Fötus (vergl. Textfig. 2) zeigt sich an einer solchen Rekonstruktion das centrale Markgebilde jedes Lappens als ein der Totalform des Organs gemäss hakenförmig Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 227 umgebogener Strang von eiwas wechselnder Dicke, der sich weder in die Thymushörner noch in die Läppchen hinein ver- längert. Letztere haben demnach in diesem Stadium noch durchgehends den Charakter von Rindenfollikeln. e- lextfig. 4. Querschnitt der Thymus eines 85 mm langen Menschenfötus. Vergrösserung 14:1. Textfig. 5. Querschnitt der Thymus eines 120 mm langen Menschenfötus. Vergrösserung 44:21: Beim 85 mm langen Fötus zeigt das Mark etwa dieselbe Totalform; nur ist sie besonders im rechten Lappen etwas mehr plattenartig. Auch hier sind die meisten Läppchen rein corticaler Beschaffenheit (Textfig. 4). Hier und da erstreckt sich aber das Mark in sie hinein, wodurch das Rekonstruktions- modell des Marks mit spärlichen, knötchenförmigen Auswüchsen besetzt erscheint. 15* 228 J. AUG. HAMMAR, Der 120 mm lange Fötus (Taf. 29/30, Fig. 22b; Textfig. 5) zeigt einen Centraltractus, welcher links mehr plattenförmig, rechts mehr strangförmig ist. Beiderseits treten ausgeprägte Aperturkrümmungen, nur rechts eine deutlichere Herzkrüm- mung hervor. Der Centraltractus zeigt auf allen Seiten knospenförmige Fortsätze, welche allerdings streckenweise, z. B. an der pericardialen Fläche auffallend spärlich und klein sind. Die meisten der Knospen sind einfach; hier und da kommen aber solche grösseren Umfangs vor, welche dann ihrerseits mit kleineren besetzt und also als Übergänge zu verzweigten Formen aufzufassen sind. Derartige Verhältnisse leiten nun zu den ausgebildeteren über, welche von der letzten Hälfte der Fötalperiode an vor- herrschend sind. Aus dieser späteren Periode habe ich drei Thymi rekonstruktiv untersucht, und zwar einem Fötus von 230 mm und einem Fötus von 295 mm Steiss-Scheitellänge entstammend; das dritte Modell gibt die Verhältnisse bei einem dreitägigen Kinde wieder, wo allerdings ein subnormales Thymusgewicht (nur etwa 3 g) vorhanden war, ein Verhältnis, das die technische Arbeit mit dem Serienschneiden und der Rekonstruktion einigermassen erleichterte. Die Markverästelungen zeigen im grossen und ganzen beim 230 mm langen Fötus geringere Dimensionen als bei den beiden älteren Objekten. An der untersuchten Kinder- thymus liegen die Markverästelungen auffallend dicht, so dass die Übersichtlichkeit des Modells dadurch etwas beeinträchtigt wird. Diese dichtere Beschaffenheit hängt sicherlich mit dem subnormalen Thymuswerte des bearbeiteten Organs zusammen. Mit der eingetretenen accidentellen Involution des Organs ist eine Reduktion der Rinde verknüpft, welche eine Annäherung der Markzüge veranlasst hat). !) Es bietet das Modell des 3tägigen Kindes ein anschauliches Beispiel solcher Verhältnisse, die zu der Annahme des Vorkommens einer Verbindung Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 229 Sonst sind die Verhältnisse der fraglichen drei bearbeiteten Organe so gleichartig, dass sie unschwer eine gemeinsame Be- handlung gestatten. An allen lässt sich jederseits eine mehr oder weniger ausgeprägte Herzkrümmung des Thymuslappens wahrnehmen. An der cranialen Spitze — dem oberen Horn — des rechten Lappens des 230 mm langen (Taf. 31, Fig. 24 A und B) und beider Lappen des 295 mm langen Fötus (Fig. 25 A und B) ist je ein kleineres Stück des Markes, als einer Neben- thymus angehörig, von dem Zusammenhang mit der Haupt- thymus ganz abgetrennt. Sonst ist in jedem Lappen im grossen und ganzen ein einheitlicher verzweigter Marktractus vorhanden, der indessen an verschiedenen Stellen sehr ungleiche Dicke und Gestaltung zeigt. Bald hat er den Charakter eines platten oder rundlichen Stranges, der an einigen Stellen recht stark verdünnt, an anderen wiederum bedeutend angeschwollen ist. Bald wiederum hat er eine wirkliche plattenförmige Gestalt. (Bei x in Fig. 25A kommt z. B. eine derartige recht dünne Markplatte vor, welche, da sie ungefähr horizontal steht, in der Abbildung nicht deutlich hervortritt.) Eine solche Platte kann sogar durchbrochen sein (Fig. 25B), wodurch Bilder scheinbarer Verbindungen oder Ösen entstehen. Solche Ver- hältnisse bilden aber Ausnahmefälle, die freien Veräste- lungen die Regel; jene sind offenbar durch ein sekundäres Durchbrechen seitens des einwachsenden Bindegewebes bedingt. Sowohl sie wie die unregelmässige Beschaffenheit des Central- tractus finden in diesem Einwachsen des Bindegewebes ihre Er- klärung, sind aber mit der Vorstellung eines Wachstums nach dem Typus einer acinösen Drüse weniger gut vereinbar. zwischen den Thymuslappen — V-, U- und H-förmiger Thymi — geführt haben (Taf. 31, Fig. 26 A und B). Das genannte Modell zeigt wie ein Zweig des rechten Lappens sich in einen Ausschnitt des linken dicht einfügt. Es ist klar, dass er bei einer Dissekton als eine wirkliche Verbindung zwischen den beiden Lappen erscheinen oder, wenn bei einer stärkeren Involution die beiden Lappen auseinanderwichen, eine H- oder U-form hervorbringen konnte. 230 J. AUG. HAMMAR, Um die Orientierung über den Verlauf des Hauptstammes und der Hauptzweige des Marktractus der respektiven Thymus- !appen zu erleichtern, sind dieselben im Anschluss an Photo- graphien der Modelle in den Fig. 24B, 25 B, 26B gesondert angegeben. Aus diesen vereinfachten Darstellungen ist klar zu ersehen, dass der Verlauf des Marktraetus ein recht wechseln- der ist. Bald durchläuft er in mehr gerader Richtung den Lappen in dessen ganzer Länge bis zur Herzkrümmung, bald ist sein Verlauf ein etwas geschlängelter. Niemals habe ich solche dichten und regelmässigen Windungen angetroffen, wie sie ge- wisse ältere Thymusschemata, z. B. das von Ecker (1853) angeben, welche auch einigen neueren Beschreibungen zugrunde zu lieseen scheinen. In die vereinfachten Bilder sind bloss die gröbsten Mark- verzweigungen aufgenommen worden. Sowohl diesen wie dem Stamm sitzen nun zahlreiche kleinere Verästelungen auf. Teils haben diese die Form einfacher Knospen oder Stränge, teils handelt es sich um auf mancherlei Weise variierte Gruppen solcher Bildungen. Eine relativ häufig wiederkehrende For- mation dieser Art ist die einer rundlichen Platte, welche mit ihrer einen Fläche durch einen kurzen Stiel an dem Stamm, resp. einem Hauptzweig befestigt ist, während von dem Rande, bisweilen auch von der anderen Fläche, Knospen ausgehen, welche sogar ihrerseits verzweigt sein können. Ein solches Gebilde (vergl. z. B. Fig. 25 A bei xx) gibt eine übersichtliche Vorstellung von der Markgestaltung eines in Primärläppchen ge- teilen Sekundärläppchens. In anderen Fällen ist, engeren Raum- verhältnissen entsprechend, der Stiel einer solchen Platte rand- ständig befestigt, während Knospen sowohl von den beiden Seiten als von den Rändern ausgehen. Von nicht geringem Interesse, wenn es gilt, sich eine Vor- stellung von der Wachstumsweise des Markbaums zu bilden, ist nun die leicht zu machende Beobachtung, dass neben dieser Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 231 mehr zusammenhängenden Markverästelung auch einzelne ganz kleine Inseln von Marksubstanz vorkommen (Textfig. 6 bei x). Sie sind in spärlicher Menge schon beim 120 mm langen Embryo zu finden; bei den zwei älteren Föten und dem dreitägigen Kind sind sie in relativ reichlicher Zahl vorhanden. Es handelt sich in der Regel um peripher in der Rinde liegende rundliche Flecke, die sich nicht nur durch schwächere Färbung, geringeren Lymphocytengehalt und grössere Reticulumzellen als Mark an- Textfig. 6. Querschnitt der Thymus eines etwa 250 mm langen Menschenfötus. Vergrösse- rung 7:1. x = isolierte Markinseln, x'— durch einen schmalen Stiel mit dem Markbaum verknüpfte Markinsel. geben, sondern in welchen man bisweilen sogar Hassallsche Körper antreffen kann. Die Lage ist häufig eine derartige, dass ein kleiner Teil der Peripherie einer solchen Markinsel!) ganz oberflächlich ohne deckende Rindenschicht liegt. Die isolierte Beschaffenheit lässt sich natürlich erst bei Verfolgung in der Schnittserie feststellen. Nebst solchen, welche ganz isoliert liegen, kommen nun andere derartige Gebilde vor, welche durch einen dünneren oder 1!) In diesen Rekonstruktionen sind die isolierten Markinseln fast regel- mässig entfernt worden, da sie die Übersichtlichkeit des Modells bedeutend beeinträchtigten. 232 J. AUG. HAMMAR, diekeren Stiel mit dem Markbaum zusammenhängen (Textfig. 6 bei x’). Obwohl andere Deutungen freilich nicht ganz aus- zuschliessen sind, glaube ich, dass diese Bilder darauf hin- weisen, dass eine Vergrösserung des Markbaumes durch se- kundäre Verschmelzung selbständig angelegter Markdifferen- zierungen vorkommt. Ich glaube aber nicht, dass dieser Wachs- tumsmodus der einzig vorkommende ist. Vieles, vor allem die Textfig. 7. Querschnitt der Thymus eines 2tägigen Kindes. Vergrösserung 7:1. x —cen- traler Parenchymstrang, sowohl aus Rinde als aus Mark bestehend. Spärlichkeit der isolierten Markinseln in den etwas früheren Stadien der Markdifferenzierung, zeugt wohl davon, dass nebst diesem diskontinuierlichen Markzuwachs auch ein kontinuier- licher vorkommt, wo also der Differenzierungsprozess an der Mark-Rindengrenze anfängt und von hier ab peripher fort- schreitet, bisherige Rindenfollikel zu mark -rindenhaltigen Primärläppchen umgestaltend. Dem hier Angeführten gemäss lässt sich also inbetreff der Markbildung sagen, dass das Mark erst sekundär, nachdem Anat.Hefte ta Mi &Winter, Frankfur Werner FBergmann, Wiesbaden Verlag v.J Ihym Van.sın. _ Thym Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 233 ein Stadium diffuser Infiltration vorausgegangen ist, zustande kommt, dass der einmal entstandene centrale Marktractus unter wesentlicher Wahrung seines einheitlichen, zusammenhängen- den Charakters sich vergrössert und verästelt. Die Verästelung geschieht dadurch, dass die Markdifferenzierung auf neue Rindengebiete übergreift, wodurch bisherige Rindenfollikel zu mark-rindenhaltigen kleinen Läppchen umgewandelt werden. Diese Weiterdifferenzierung kann an der Mark-Rindengrenze stattfinden und zeigt dann den Charakter eines kontinuierlichen Zuwachses des Marks; sie kann auch an der äusseren Grenze der Rinde ihren Anfang nehmen in der Form anfangs ısolierter kleiner Markinseln, die erst sekundär mit dem Markbaum zu- sammenschmelzen und dadurch eine diskontinuierliche Ver- grösserung des Markes vermitteln. Aus dem Fötalleben des Menschen habe ich kein Objekt untersucht, wo der Centraltractus in seiner Zusammensetzung nicht rein medullar war. In der Zeit um die Geburt und im Postfötalleben scheinen aber solche Fälle vorzukommen, wo sich die Rinde in bisweilen auffallender Ausdehnung an der Zusammensetzung des Tractus centralis beteiligt. Einen Fall dieser Art zeigt die in Textfig. 7 dargestellte 10 g wiegende Thymus eines 2 tägigen, an Hirnblutung verstorbenen Mädchens. ‚Hier findet man, z. B. bei x, abgesehen von den typischen Rindenfollikeln, den Tractus centralis auf längere Strecken durch eine deutliche dunkle Borde aus Rinde umsäumt. Nur mehr ausnahmsweise liegt das Mark zutage. Angesichts der Tatsache, dass die Mark-Rindengrenze nicht als etwas Fixes anzusehen ist, sondern sich offenbar unter dem Einfluss verschiedener Funktionszustände des Organs bald nach aussen, bald nach innen verschiebt, liegt in diesem von den landläufigen Darstellungen abweichenden Verhältnis nichts besonderes Auffälliges. Es gibt aber einen hinreichen- den Grund ab, um den Tractus centralis nicht lediglich als einen 234 J. AUG. HAMMAR, Markstrang, sondern mit dem allgemeineren Namen Par- enchymstrang zu charakterisieren. Zusammenfassung. 1. Der aus der 3. Schlundtasche stammende Komplex be- steht beim Menschen aus der ventral auswachsenden Thymus und der dorsal angelegten Parathyreoidea Ill, welche relativ lange (etwa. bis 21 mm Fötuslänge) durch einen Rest der Schlundtasche verknüpft bleiben. Letzterem liegt Jdie durch Abschnürung des tieferen Abschnitts des Sinus praecervicalis entstandene Vesicula praecervicalis dicht an. Die ur- sprüngliche Lage der Parathyreoidea III ist an der Abgangs- stelle des 3. Aortenbogens, der späteren Carotisbildung, die des caudalen Thymusendes am Anfangsstück des 4. Aortenbogens, d. h. später links am definitiven Aortenbogen, rechts an der A. anonyma. Der Längenzuwachs des Thymuskomplexes hält eine Zeitlang mit dem der A. carotis communis etwa gleichen Schritt. 2. Die Verbindungen des Thymuskomplexes mit der Um- gebung lösen sich allmählich. Der Zusammenhang des Schlund- taschenrestes mit dem Schlunde, der entodermale Ducetus thymopharyngeus, atrophiert und schwindet (ist bei dem einen der 11,7 mm langen Föten zuerst verschwunden). Das gleiche Schicksal trifft die beiden ectodermalen, von der Vesi- cula praecervicalis ausgehenden Gänge, den caudalen Ductus thyreocervicalis und den ventrolateralen Ductusprae- cervicalis. Ersterer, welcher die Präcervicalblase mit der 4. Schlundtasche verknüpft, ist am vergänglichsten (schon beim 10,3 mm langen Embryo in Atrophie begriffen) ; letzterer, welcher den Zusammenhang der Blase mit dem offenen Teil des Sinus Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 235 praecervicalis, dem Sulcus praecervicalis, vermittelt, schwindet etwas später (zuerst bei dem einen 11,7 mm langen Embryo). Die dem 3. Schlundspaltenorgan entsprechende medio- craniale Ecke der ursprünglich dreieckigen Präcervicalblase liegt ursprünglich in dem Gangl. vagi tief eingegraben. Hier scheint eine Auswanderung cellulärer Elemente aus der Blasen- wand in das Ganglion stattzufinden. Die Blase verkleinert sich allmählich, verliert hierbei ihre enge Verbindung mit dem Gan- glion und schwindet endlich gänzlich (das 17 mm lange Em- bryo ist das grösste normale, wo sie mit Sicherheit nachweisbar ist), ohne sich an der Thymusbildung zu beteiligen. 3. Der also mobil gemachte Thymuskomplex bleibt mit seinem gegen die Aortenwand hakenförmig umgebogenen Caudal- ende mit der Aorta und A. anonyma in Kontakt, erfährt aber zusammen mit diesen Gefässen eine Verschiebung in die Brust- höhle hinein. Die Parathyreoidea III entfernt sich hierbei schnell von der Carotisteilung und kommt bald caudalwärts von Para- thyreoidea IV zu liegen. Gleichzeitig unterliegt die Thymus einer Verlängerung, die nicht lediglich als der Ausdruck eines Längenwachstums anzusehen, sondern vor allem von der Dehnung abhängig ist, welche die mit ihrem Caudalende fixierte Thymus bei der Aufrichtung des Kopfes des Fötus erfährt. In normalen Fällen trifft die Dehnung eigentlich den Halsteil der Thymus, der zu einem dünnen atrophischen Thymusstrang umgewandelt wird, während der Brustteil in allen Dimensionen zu wachsen fortfährt. Anormalerweise, wenn die Aufrichtung des Kopfes erfolgt, ohne dass die Mobilisierung des Thymuskomplexes abge- schlossen ist, kann die Verschiebung des Thymuskomplexes ausbleiben und die ganze Thymus in einen solchen schmalen, anscheinend atrophischen Thymusstrang umgewandelt werden. Erst nach dem Eintritt der Thymus in die Brusthöhle bildet sich die V. anonyma sinistra heraus, und zwar aus 236 J. AUG. HAMMAR, kleinen Verbindungen der primären Jugularvenen, welche die Thymus umflechten. Meistens geht die genannte Vene aus solchen kleinen Verbindungsgefässen hervor, welche hinter der Thymus verlaufen; nicht allzu selten bildet sie sich aber aus einer vor dem Organ liegenden Verbindung aus. Bisweilen kommt die fragliche Vene hinter der einen, vor der anderen Thymus zu liegen. Beim Eintreten in die Brusthöhle kommt die Thymus zu- erst hinter der Kuppe des Herzbeutels, also im hinteren Mittelfellraum zu liegen. Erst später, wahrscheinlich im Zu- sammenhang mit der veränderten Stellung des Herzens, ändert sich dies dahin, dass die Thymus von der Kuppe aus auf die Vorderseite des Pericards hinabwächst. 4. Um dieselbe Zeit, wo die Verschiebung des Thymus- komplexes stattfindet, unterliegt der Rest der 3. Schlundtasche einer völligen Atrophie, welche eine Lostrennung der Para- thyreoidea III von dem Thymusstrang bewirkt. Die erstge- nannte scheint dabei an dem Ort, bald höher, bald niedriger, liegen zu bleiben, wohin sie vor dieser Lostrennung zusammen mit dem übrigen Thymuskomplex verlagert worden war. Auch die Thymusstränge fallen in der Regel der Atrophie anheim. Nicht selten bleibt aber bald der eine, bald der andere Strang für kürzere oder längere Zeit, bisweilen für immer be- stehen. 5. Die Gesamtform der Thymus ist ursprünglich die einer platten Tasche. Allmählich wandelt sich das Organ unter Ver- diekung seiner Wände in einen gleichmässigen dicken Strang um; die Wandverdickung erfolgt im Kopfteil des Organs mehr einseitig, dorsal und lateral, im Schwanzteil desselben mehr all- seitie und bewirkt allmählich eine Obliteration der Lichtung der ursprünglichen Tasche. Im Zusammenhange mit der Ver- schiebung des Thymuskomplexes nimmt, wie schon gesagt, die Halsthymus den Charakter eines atrophierenden Thymusstranges Zur gröberen Morphologie und Morphogenie der Menschenthymus. 237 an, während der Brustteil vorübergehend eine Wurstform zeigt. Sein caudales Ende krümmt sich dem Herzen und dem Peri- card gegenüber. Diese in der Folge persistierenden Herz- krümmungen nehmen die Stelle der früheren Aorten- krümmungen ein und zeigen wechselnde Richtungen, in den meisten Fällen jedoch mehr oder weniger dorsalwärts. An der Übergangsstelle zwischen dem Hals- und Brustteil, am oberen Thymushorn, entstehen häufig auch Krümmungen, die Aperturkrümmungen. Durch das überwiegend caudal- lokalisierte Wachstum nimmt schliesslich jeder Thymuslappen eine mehr pyramidenähnliche Form an, mit schiefer, dem Pericard anliegender Basis und meistens spitz auslaufenden oberen Hörnern. Einzelne recurrente Zweige und kleinere Cysten kommen schon in diesem Stadium nicht selten vor. 6. Mit der bei 30--40 mm langen Menschenföten, und zwar in der Richtung vom Centrum nach der Peripherie, er- folgenden Infiltration des epithelialen Organs durch Lympho- cyten nimmt seine Volumenvermehrung einen rascheren Ver- lauf. Die Thymusoberfläche erhält durch Ausbildung von halb- runden Follikeln ein buckeliges Aussehen. Ein nach dem acı- nösen Drüsentypus erfolgender Zuwachs durch freiliegendere Knospen kommt beim Menschen nicht vor. Bei der bald (etwa beim 50 mm langen Fötus) beginnen- den Differenzierung des Parenchyms in Rinde und Mark zeigt die erstere eine durch eindringende Bindegewebssepten be- wirkte Einteilung in Follikeln; letzteres bewahrt einen einheit- licheren Charakter als einen das ganze Organ durchlaufenden Strang, streckenweise plattenähnlicher Form. Allmählich greift die Markbildung auf die Follikel über, wodurch sich diese in mark-rindenhaltige Primärläppchen umgestalten. Die Markver- grösserung kann dabei eine kontinuierliche, an der Mark-Rinden- grenze verlaufende, oder eine diskontinuierliche, durch Anfügung selbständig an der äusseren Peripherie entstandenen Mark- 238 J. AUG. HAMMAR, Zur gröberen Morphologie und Morphogenie etc. inseln vermittelte sein. Auf beiden Wegen führt sie eine immer kompliziertere Form und Verzweigung des Markes herbei. Von diesen kleinen transitorischen Markinseln abgesehen kommen nur spärlich und ganz unregelmässig ganz abgetrennte kleinere Parenchymgebiete, am häufigsten am Gebiete der oberen Thymushörner, vor. Durch einwachsendes Bindegewebe kann der centrale Parenchymstrang ausnahmsweise auch derart durchbrochen werden, dass Ösenbildungen entstehen. Im grossen und ganzen bewahrt aber der centrale Markbaum für jeden der beiden Thymuslappen einen einheitlichen und zu- sammenhängenden Charakter. ‘. Der also gebildete Tractus centralis hat meistens eine rein markige Beschaffenheit; bisweilen ist aber das Mark in ihm streckenweise mit einer äusseren, mehr kontinuierlichen Rindenschicht versehen. Deshalb ist die bisher häufig benutzte Bezeichnung Markstrang am besten durch die allgemeinere Parenchymstrang zu ersetzen. Erklärung der Abbildungen. Buchstabenerklärung. Ao. Aorta. | Par. Parotis. Ao.k. Aortakrümmung der Thymus. Pk. Pankreas. Ap. Aperturkrümmung der Thymus. Pr.Gg. Primärer Gehörgang. A.pu. Arteria pulmonalis. Pr. P. Primäre Paukenhöhle. Br. Brustteil der Thymus. Pthyr. III. Parathyreoidea III. Car. Arteria carotis. Pthyr. IV. Parathyreoidea IV. Car. bif. Carotisbifurkation. Pyr. Pyramide der Schilddrüse. Coec. Coecum. ‚Rek. rekurrenter Thymusast. Cy. Cystisches perithymisches Gebilde. Sehlt. II., III. u. IV. Resp. 2., 3. u. 4. D. pre. Duetus praecervicalis. Schlundtasche. D. pre‘. Mündung des D. praecerv. ‚Sin. pyr. Sinus pyriformis. D.te. Ductus thyreocervicalis. S. pre. Sulcus praecervicalis. D.tmph. Duetus thymopharyngeus. S.tons. Sinus tonsillaris. D. tr. ph. Ductus thyreopharyngeus. Subl. Gl. sublingualis. D. thyr. gl. Ductus thyreoglossus. ‚Submax. Gl. submaxillaris. F. cochl. Fossa cochlearis. 'Thym. Thymus. Gb. Gallenblase. Thym. acc. Nebenthymus. Gf. Gaumenfalte. ı Thym. dxt. rechter Thymuslappen. Ggl. X Vagusganglion. | Thym. sin. linker Thymusllappen. H. Halsteil der 'Thymus. Thyr. Schilddrüse. Hk. Herzkrümmung der Thymus. Thyr.l. seitliche Schilddrüsenanlage. Hyp. Hypophyse. Thyr. m. mittlere Schilddrüsenanlage. I. Istmus thymi. ı Tr. Luftröhre. I. lar. Introitus laryngis. ‚Tr. a. Truncus arteriosus. Kg. Kiemengang. Tt.R. Tubo-tympanales Rohr. L. Lunge. 'V. Ventrikel. Lbg. Lebergang. V.an.dxt. Vena anonyma dextra. M. Mund. ıV an.sin. Vena anonyma sinistra. N. Nasenhöhle. ı V.e.sup. Vena cava superior. N‘ Die verstopfte Mündung der Nasen- V.p. Vena portae. höhle. V.pre. Vesicula praecervicalis. Oe. Speiseröhre. 4. Zunge. Org. II. 2. Schlundspaltenorgan. Zl. Sekundäre Zahnleiste. 240 Erklärung der Abbildungen. Tatrel 2928: Rekonstruktionen vom Darmrohr mit u. a. den Schlundspaltenderivaten von Menschenföten, Der leichteren Orientierung halber ist ın den ‚meisten Modellen der Vorderdarm in grösserer Ausdehnung mit dargestellt. Gelbe Farbe deutet das Ectoderm, Rosafarbe das Entoderm an; Thymus grau, Para- thyreoidea III braun-grau; Thyreoidea, Speicheldrüsen, Gallenwege braun; Arterien zinnoberfarbig, Venen blau. Die Modelle Figg. 1-5 in 85maliger Vergrösserung angefertigt, in etwa 20 maliger Vergrösserung abgebildet. Modell Fig. 6 in resp. 64maliger und 1Smaliger Vergrösserung. Fig. 1. Vorderdarm des Embryo von 11,7 mm, von hinten gesehen. Fig. 2. Umgegend des Sinus pyriformis des Embryos von 12 mm. Ansicht von rechts. Fig. 3. Vorderdarm des Embryo von 13,2 mm, von links und hinten gesehen. Das Schlunddach ist teilweise entfernt, so dass der Introitus laryngis sichtbar ist. Fig. 4. Vorderdarm des 17 mm langen Embryo von links. Fig. 5. Mittleres Stück des Vorderdarms des 18,5 mm langen Menschen- fötus (teilweise abnorm!) Fig. 6. Vorderdarm usw. des 24,4 mm langen Menschenfötus. Ansicht von links und etwas von vorn. Tafel 29/30. Figg. 7—12, 14 —21. Thymuskomplex und Schilddrüse von Menschenföten. Figg. 13, 22a und b Thymusdrüsen von Menschenföten. Fig. 23 Thymuskom- plex und Schilddrüse von einem Kalbsfötus. Figg. 7—16 nach Plattenrekon- struktionen in 85 maliger, 17—21 und 23 in 42 maliger, Figg. 22a und b in 14 maliger Vergrösserung. Bei der Photographie bis auf '/ı der Modellgrösse verkleinert. Figg. 17b, 19b und 22a von vorn, Fig. 13 von links, die übrigen von hinten gesehen. Fig. 7. Nach einem 15,4 mm langen Menschenfötus. ee E ke 5 5 Br 2949 5 el) „ # ni RB) = zl R e : el ” Pa Eee er r RT is RR 2sEh n > „ds s% an 029 ” r y; errtd “ Buo0ot . ” eh al " a Mr , a ; 16 ;€ DENE PIL ER n „ Se lilarundbi; Pi 30: SIERER, E » le ss ol 5; 5 „ „.. 19am.ib,,, OA 02 ss > „ „. 20 : ». 6 h re ss ’ ‘ m 2] 21 „ ”„ N) „ ” „ Erklärung der Abbildungen. 241 Fig. 22a. Totalrekonstruktion, b Markverästelung der Thymus eines 120 mm langen Menschenfötus. Fig. 23. Nach einem 36 mm langen Kalbsfötus. Take Figg. 24a, 25a und 26a. Rekonstruktionen der Markverästelungen der Thymus von einem Fötus von 230 mm, resp. 295 mm und einem 3tägigen Kind. In l4maliger Vergrösserung angefertigt, in etwa 3maliger hier wieder- gegeben. Modell 24a und 26a von hinten, Modell 25a von vorn gesehen. Figg. 24b, 25b und 26b. Hauptstamm der betreffenden Modelle, verein- facht reproduziert. Tatel' 32. Figg. 27 und 28. Medianschnitt von Menschenföten von 96, resp. 105 mm Steiss-Scheitel-Länge. Ein wenig verkleinert. An den Schnitten ist die Thymus in der Ausdehnung sichtbar, welche die Entfernung der Enden der beiden mit Thym. bezeichneten Striche angibt. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 129. Heft (43. Bd. H. 1). 16 vs {eo Literaturverzeichnis. (Für fernere Literaturhinweise siehe Hammar 1910.) Born, G., Über die Derivate der embryonalen Schlundbogen und Schlund- spalten bei Säugetieren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 22. 1883. Ecker. A., Art. Blutgefässdrüsen in Wagners Handwörterbuch d. Phys Bd. 4. Brauuschweig 1853. Hammar, J. A., Zur Bildungsgeschichte des Halses. Comptes rend. du congres des naturalistes et medecins du nord. Helsingfors 1902. — Fünfzig Jahre T'hymusforschung. Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungs- sesch. Bd. 19. 1910. Koelliker, A., Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. 2. Aufl. Leipzig 1879. Saint-Remy, G. et Prenant, A., Recherches sur le developpement des derives branchiaux chez les sauriens et les ophidıens. Arch. de Biol. Tome 20. 1904. Sandström, J., Om en ny körtel hos menniskan och ätskilliga däggdjur. Upsala Läk. förh. Bd. 15. 1880. Tourneux, F. et Verdun, P., Sur les premiers developpements de la thyroide, du thymus et des glandules thyroidennes. Journ. de l’anat. et de la phys. Annee 33. 1897. ÜBER DEN URSPRUNG ARTERIA CAUDALIS BEIM ORANG UND BEIM KANINCHEN BEMERKUNGEN ÜBER SOGENANNTE „GEFÄSS- WURZELWANDERUNG, F. HOCHSTETTER, WIEN. Mit 39 Textfiguren und 6 Figuren auf Tafel 33. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd., H. 2). 17 I ned nu“ Pe » “ " -_ De wre ss: DE Be 477 Vor drei Jahren hatte ich dank der Freundlichkeit des Herrn G. Pertile in Padua, der mir das Tier aus Singapore zusenden liess, Gelegenheit, ein altes Weibchen von Symia satyrus durchzupräparieren — Bei der Section des Tieres, welches 12 Thorakal- und 4 Lendenwirbel besass, fand sich ein überaus interessantes Verhalten des Ursprunges der A. caudalis, das ohne weiteres aus umstehender Fig. 1 ersichtlich ist. Die Aortenteilungsstelle lag etwas caudal von der Mitte der Höhe des 4. Lendenwirbelkörpers; die Ursprungsstelle der A. caudalis dagegen cranial von der Mitte der Höhe des 3. Lenden- wirbelkörpers und cranial von der Abgangsstelle der A. mesen- terica inferior. — Von der A. caudalıs entsprangen das 3. und 4. Lumbalarterienpaar. — Weiter entsprangen dann vor dem 1. Sacralwirbel Iinkerseits aus ihr zwei kleine Ästchen, die nicht weiter verfolgt werden konnten, da das Präparat nicht injiciert worden war. — Schliesslich gabelte sich die Arterie am cranialen Rande des 2. Sacralwirbels und ihre beiden Äste konnten noch eine Strecke weit caudalwärts verfolgt werden. — Sıe hatten dabei ihre Lage an der medialen Seite der Foramina sacralia an- teriora. — Die ersten und zweiten Lumbalarterienpaare entsprangen ebenso wie das 12. Intercostalarterienpaar mittelst kurzer ge- meinschaftlicher Stämme aus der Aorta. — Der Ursprung der Ids 246 F. HOCHSTETTER, anderen Baucharterienzweige ist auch aus Fig. 1 ersichtlich und bietet nichts besonderes. !) — Ich war mir sofort, nachdem ich diesen eigenartigen Ursprung der A. caudalis beobachtet hatte, ım klaren darüber, dass es sich in dem vor- liegenden Falle um eine recht seltene Abweichung von der Norm handeln müsse. Denn wenn ein derartig hoher Ursprung der A. caudalis aus der Aorta, wie er bei meinem Präpa- rate zu sehen war, beim Orang die Norm bilden würde, wäre derselbe längst aufgefallen und dann auch beschrieben worden. — Bei der Durchsicht der Literatur fand ich nun freilich nur bei Fran- sen (6) eine auf den Orang bezüg- liche Abbildung. — Nach dieser (Fig. 1 auf S. 508) wäre auch bei dem von Fransen untersuchten (jungen) Orang die Teilungsstelle der Aorta, sowie bei meinem Exemplare (1) vor dem 4. Fig. 1°). Lendenwirbelkörper gelegen gewesen, Bauchaorta einesalten Orang- hingegen hätte die A caudalıs ihren a wu Ursprung etwas cranial von der Tei- lungsstelle aus dem dorsalen Umfange 1) Rücksichtlich der Äste der V. cava inferior, die bei diesem Tiere eine ähnliche Lage hatte wie beim Menschen, möchte ich bemerken, dass die V. renalis sinistra insoferne eine Besonderheit darbot, als sie die Aorta an der Dorsal- seite kreuzte. — Es handelt sich bei diesem Verhalten, wie die Untersuchung einer Anzahl anderer Orangs lehrte, um eine Varietät, die ja wie bekannt, auch beim Menschen nicht allzu selten beobachtet werden kann. ?) Bezüglich der Buchstabenbezeichnung sämtlicher Textfiguren vgl. die Buchstabenerklärung auf S. 00. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 247 der Aorta genommen. — Die A. lumbales aber wären sämtlich (vel. 8. 505) mit kurzen gemeinschaftlichen Stämmen für jedes Paar direkt aus der Aorta hervorgegangen. — Dabei zeigte aber Fransens Exemplar eine weit caudal, in der Höhe des Ur- sprungs des 3. Lumbalarterienpaares entspringende A. renalis dextra und eine in der Höhe des Ursprungs des 2. Lumbalarterien- paares entspringende A. mesenterica inferior. Nun ergaben sich natürlich sofort eine Reihe von Fragen, die zunächst nicht zu beantworten waren. — Vor allem lag die Frage vor, ob das von Fransen an seinem Exemplare be- obachtete Verhalten der Lage der Aortenteilungsstelle und des Ursprunges der A. caudalis die Norm bilde, oder ob nicht auch Fransen wieder eine Varietät beobachtet hätte, die dann freilich ein relativ ursprüngliches Verhalten fixiert zeigen würde. Diese Frage war wenigstens teilweise sofort zu beantworten, sobald eine grössere Anzahl von Orangs untersucht werden konnte. Die Möglichkeit hierzu wurde mir geboten, nachdem meine Über- siedelung nach Wien erfolgt war, indem ich zunächst die Cadaver von vier jungen, den beiden Wiener anatomischen Instituten gehörigen Orangs und dann später noch den eines zweiten aus- gewachsenen Weibchens zu untersuchen Gelegenheit hatte. — Von allen diesen fünf Exemplaren bot kein einziges Ver- hältnisse des Ursprunges der A. caudalıs dar, wie sie Fransen an seinem Exemplar gefunden hatte. — Aber auch untereinander, sowie mit den Verhältnissen meines zuerst untersuchten Exem- plares stimmten die Verhältnisse der fünf in Wien untersuchten Orangs nicht überein. — Wenn ich das in Innsbruck untersuchte alte Weibchen mit Nr. 1 bezeichne, so würden die in Wien untersuchten fünf Exem- plare, deren Verhältnisse ich nun schildern will, mit Nr. 2—6 zu bezeichnen sein. — Nr.2 war ein junges Tier von 37 cm Steiss-Scheitellänge mit 7 + 12-+4= 23 präsacralen Wirbeln. — Die Aortenteilungs- 248 F. HOCHSTETTER, stelle lag bei ihm in der Höhe des caudalen Randes des 3. Lenden- wirbels, also wesentlich weiter cranial wie bei Nr.1. — Im übrigen aber verhielt sich dieses Exemplar, sowohl was den Ur- sprung der A. caudalıs als auch was den der grossen Darmarterien anbelangt (vgl. nebenstehende Fig. 2), es gilt dies insbesondere auch für den Ursprung der A. mesenterica inferior, ganz ähnlich wie Nr.1. Dagegen erfolgte die Gabelung der A. caudalis hier schon in der Höhe der Mitte des 1. Sacralwirbels. Die ersten und zweiten Lumbalarterienpaare entsprangen ebenfalls wie bei Nr. 1 mittelst kurzer gemeinschaftlicher Stämme, während die beiden 12. Intercostalarterien getrennt, aber doch sehr nahe beieinander aus der Aorta hervorgingen. — Nr.3 war auch ein recht junges Tier mit 23 präsacralen Wirbeln, welche Wirbelzahl auch bei den folgenden Exemplaren festgestellt werden konnte. — Es war etwas kleiner als Nr. 2, doch konnte, da der Schädel entfernt war, das Längenmass nicht bestimmt werden. — Bei ihm lag die Aortenteilungsstelle ziem- lich genau in der Mitte der Höhe des 3. Lendenwirbelkörpers. — Die A. caudalıs aber entsprang (vel. nebenstehende Fig. 3) mit Rücksicht auf die Beziehung der Ursprungsstelle zur Vorder- fläche des 3. Lendenwirbelkörpers ziemlich genau an der gleichen Stelle wie bei Nr. 1 und Nr. 2. Auch die Arterien des 3. und 4. Lumbalsegmentes entsprangen wie bei Nr.1 und 2 aus der A. caudalis. — Dagegen teilte sich dieses Gefäss schon am caudalen xande des 4. Lendenwirbelkörpers, also am Promontorium in seine beiden Endäste. — Bezüglich der anderen Äste der Aorta abdominalis sei er- wähnt, dass sich die Arterien des 1. und 2. Lumbalsegmentes wie bei Nr. 1 und 2 verhielten. — Die A. coeliaca entsprang in der Höhe des Abganges des 12. Intercostalarterienpaares, die A. mesenterica superior in der Höhe der Bandscheibe zwischen dem 12. Thoracal- und dem 1. Lendenwirbel. — Besonders be- merkenswert aber war der Ursprung der A. mesenterica inferior, Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 249 die etwas weniges caudal vom Niveau des Ursprunges des 2. Lum- balarterienpaares aus der Aorta entsprang, sich also in dieser Beziehung ganz anders verhielt, als bei Nr. 1 und 2. — Bemerkt sei ferner noch, dass rechterseits cranıal von der normalen Fig. 2. Fig. 3. Bauchaorta eines jungen Orang-Utan Bauchaorta eines jungen Orang-Utan. (Steiss-Scheitellänge 37 cm). Natür- Natürliche Grösse. liche Grösse. Nierenarterie noch eine schwächere accessorische aus der Aorta entsprang. — Nr.4 hatte eine Steiss-Scheitelläinge von 32,5 em. Bei ihm verhielt sich die Lage der Aortenteilungsstelle ganz genau so wie bei Nr. 3. — Auch der Ursprung der A. caudalis erfolgte in derselben Höhe wie dort. — Die A. lumbales 3 verhielten sich wie bei Nr.3, dagegen war nur linkerseits eine aus der A. caudalis entspringende A. Jumbalis quarta nachzuweisen. — 250 F. HOCHSTETTER, Von welcher Arterie aus das Gebiet der A. Jumbalıs 4. dextra mit Blut versorgt wurde, liess sich an dem nicht injizierten Objekte nicht mehr feststellen. — Die Teilungsstelle der A. caudalis lag in diesem Falle zwischen dem 1. und 2. Sacralwirbel. Die Ursprünge der drei grossen Darmarterien verhielten sich genau so, wie bei Nr. 3. — Von besonderem Interesse aber war für mich das Vorhandensein einer kleinen Arterie, die etwas cranial von ihrer Teilungsstelle aus dem ventralen Umfange der Aorta entsprang. Leider liess sich, da das Enddarmgekröse bei einer vorhergegangenen, von einem anderen Untersucher vorgenommenen Präparation ver- letzt worden war, nicht mehr feststellen, ob diese kleine Arterie ins Gekröse gelangt war, oder ob sie ihr Ende in der Nachbar- schaft der Aorta gefunden hatte. Ich bedauerte ganz besonders, dass ich dies nicht feststellen konnte, nachdem ich Nr. 5 unter- sucht hatte. Nr. 5 hatte eine Steiss-Scheitellänge von 46,5 cm, war also das älteste von den vier jungen, zunächst in Wien untersuchten Tieren. — Über die Verhältnisse der Aorta abdominalis und ihrer Äste orientiert nebenstehende Fig. 4. — Die Aorten- teilungsstelle liegt bei diesem Exemplare weiter cranial als bei allen anderen von mir untersuchten Orangs, nämlich in der Höhe des cranialen Randes des 3. Lendenwirbelkörpers, während der Ursprung der A. caudalıs noch vor das caudale Ende der vorderen Fläche des 2. Lendenwirbelkörpers zu liegen kommt. — Dabei hatte ich freilich den Eindruck, als ob diese ganz besonders hohe Lage der Teilungsstelle der Aorta secundär, durch ein Zurückbleiben der Aorta abdominalis im Wachstume gegenüber dem Längenwachstume der Wirbelsäule bedingt worden sei. — Denn während bei allen vorher untersuchten Orangs der Ab- gang und die Verlaufsrichtung der Lumbalarterien und der letzten Intercostalarterien ein ziemlich rein querer war, zeigten bei Nr.5 (vgl. nebenstehende Fig. 4) alle diese Arterien einen Anatom.Helte IAbteilung 130. 1eR 03.2441 2) „4. m.i Ir. N re IR | Apı Hochstelter Yarlag von J.F Bergmann, W Tafel 33 König! Universitätsdruckerei H;Stürte AG Wilraburg m — [86] Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. in caudaler Richtung mehr oder weniger stark absteı- genden Verlauf. — Würde am Präparate die Aorten- teilungsstelle so weit herab- gezogen werden, wie sie etwa bei Nr. 3 steht, so würden auch die Lumbal- arterien in rein querer Richtung lateralwärts ver- laufen. — Die Arterien von Nr. 5 waren vor der Präparation mit Teichmannscher Masse injiciert worden und da die Injection so gut gelungen war, als dies bei - einem in Alkohol conser- vierten Objekte denkbar ist, liessen sich auch die Verhältnisse der Äste der A. caudalis gut verfolgen und feststellen. — Zunächst sei vor allem bemerkt, dass das 3. und 4. Lumbalarterienpaar wieder, wie bei allen sechs von mir untersuchten Orangs aus der A. caudalis entsprang. — Die Teilung der A. cau- Fig. 4. Bauchaorta eines jungen Orang- Utan von 46,5 em Steiss-Scheitel- länge. Natürliche Grösse. 252 F. HOCHSTETTER, dalis in ihre beiden Endäste lag wie bei Nr. 4 an der Grenz- linie zwischen Vertebra sacralis 1. und 2. — Diese beiden Endäste verliefen dann zunächst ganz leicht divergierend bis an die caudale Grenze von Vertebra sacralis 2, um hierauf vom oberen Rande der Vertebra sacralis 3 an stärker auseinander zu weichen. Freilich zeigten sie dann kein ganz symmetrisches Verhalten mehr, da sich die linke nicht so weit von der Medianebene ent- fernte, als die rechte und sich in ihrem weiteren Verlaufe bis zum ersten Steisswirbel der Medianebene wieder näherte. — Weiter caudal konnte dann dieses Gefäss nicht mehr verfolgt werden. — Die rechte Arterie erreichte den medialen Rand der 3. und 4. Foramen sacrale anterius und verlief weiter auch allmählich medianwärts abweichend, um schliesslich am Ende des 3. Steiss- wirbels die Medianebene zu erreichen. — In der Höhe der Grenze zwischen 3. und 4. Sacralwirbel verband sich mit ihr ein kleiner Arterienzweig, der aus der A. caudalis vor dem 4. Lenden- wirbelkörper entsprungen und an der medialen Seite der Fora- mina sacralia anterior 1. und 2. herabgezogen war. Die Ursprungsstellen der A. coeliaca und der A. mesenterica superior verhielten sich, bezogen auf die Ursprünge des letzten Intercostal- und des ersten Lumalarterienpaares, wie bei Nr. 3. — Dagegen lag ein ganz eigenartiges Verhalten der A. mesenterica inferior vor, insoferne, als an Stelle einer solchen Arterie zwei, in einiger Entfernung hintereinander entspringende derartige Arterien von nicht sehr verschiedenem Caliber vorgefunden wurden. — Die eine, etwas schwächere, entsprang etwas cranial von der Absangsstelle des Ursprungsstammes für das zweite Lumbal- arterienpaar, während die zweite, etwas stärkere, in der Höhe des Ursprunges der A. caudalis aus dem ventralen Umfange der Aorta hervorging. — Beide A. mesentericae inferiores dringen in ziemlich steil caudalwärts absteigendem Verlaufe in das Gekröse ein. — Die craniale von ihnen kann, ihrem Verbreitungsgebiete am Dickdarme nach, als A. colica sinistra bezeichnet werden. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 253 Doch beteiligt sich an der Blutversorgung des absteigenden Dick- darmes auch noch ein Zweig, der aus der A. mesenterica superior stammenden A. colica media, der mit der A. colica sinistra durch eine entlang dem Darme verlaufende arkadenförmige Anastomose zusammenhängt. — Die zweite A. mesenterica inferior ist, was ihr Verbreitungs- gebiet anbelangt, im wesentlichen Arterie des Rectums, doch gibt sie in einer Entfernung von 31, cm von ihrem Ursprunge noch einen die Flexura sigmoidea versorgenden Zweig ab, der wieder in der unmittelbaren Nachbarschaft des Darmes mit einem Zweige der A. colica sinistra anastomosiert. Dieser von mir bei einem Orang gemachte Befund von zwei in einer, etwa einer Wirbelkörperhöhe entsprechenden Ent- fernung hintereinander aus der Aorta entspringenden A. mesen- tericae inferiores, ist ganz einzig in seiner Art. Ich selbst habe weder beim Menschen, noch auch bei Säugern je etwas ähnliches gesehen und auch in der Literatur konnte ich keinen ähnlichen Fall ausfindig machen. — Der Befund ist aber nicht bloss von allgemeinerem Interesse, sondern er ist auch vor allem besonders bemerkenswert, weil er uns, wie ich später noch zeigen werde, einen Schlüssel zur Erklärung der an den von mir untersuchten Orangs gefundenen verschiedenen Ursprungsverhältnissen der A. mesenterica inferior an die Hand gibt. — Das sechste, zuletzt untersuchte Exemplar war wieder ein altes Weibchen. — Bei ihm lag die Aortenteilungsstelle (vgl. umstehende Fig. 5) etwas cranial von dem caudalen Rande des 3. Lumbalwirbels, während die A. caudalıs an der Grenze zwischen dem ersten und zweiten Drittel der Höhe dieses Wirbels aus der Aorta entsprang. — Auch bei diesem Exemplare entliess die A. caudalis wieder das 3. und 4. Lumbalarterienpaar. — Das 2. Lumbalarterienpaar besass noch einen kurzen einfachen Ursprungsstamm und zeigte einen leicht absteigenden Verlauf, während die beiden ersten Lumbalarterien, ebenso wie die beiden 254 F. HOCHSTETTER, letzten Intercostalarterien, getrennt aus der Aorta entsprangen und einen stärker absteigenden Verlauf erkennen liessen. — Fig. 5. Bauchaorta eines aus- gewachsenen weiblichen Orang-Utans. ?°/s der natürlichen Grösse. Die A. caudalis gabelte sich in der Nähe des caudalen Randes des 1. Sacralwirbels. — Ihre beiden Äste liessen sich, da das Objekt vorher nicht injieiert worden war, nur wenig weit caudalwärts verfolgen. — Die beiden Nierenarterien entsprangen, die rechte etwas weiter cranial als die linke, vor dem 1. Lendenwirbel aus der Aorta. — Der Ursprung der A. coeliaca lag ziemlich in der Mitte der Höhe des 12. Thoracal- wrbels, der der A. mesenterica superior vor der Bandscheibe zwischen Vertebra thoracalıs 12 und Vertebra lumbalis 1 und der der A. mesenterica inferior vor der Bandscheibe zwischen V. lumbalıs 2 u. 3. Überblicken wir nun die die Aorta abdominalis, ihre Teilungsstelle und ihre Äste betreffenden, an den sechs von mir untersuchten Orangs erhobenen Befunde, so fällt vor allem die grosse Verschiedenheit der einzelnen Individuen auf. — Zunächst scheint einem da eine wesentliche Ver- schiedenheit rücksichtlich des Ursprungs der A. caudalis vorzuliegen, besonders wenn man die Befunde von Nr. 1 mit denen von Nr. 3, 4 und 5 vergleicht. — Sieht man sich aber die Sache näher an, so erkennt man bald, dass es sich gar nicht um einen verschiedenen Ursprung der Art. caudalis, sondern vielmehr um eine verschiedene Längenaus- dehnung des zwischen dem Ursprunge der A. caudalis und dem Aortenteilungswinkel gelegenen Aortenabschnittes handelt. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 255 In fünf Fällen bei Nr. 1—4 und Nr. 6 entspringt die A. caudalıs aus dem dorsalen Umfange der Aorta an ziemlich der gleichen Stelle vor dem Körper des 3. Lendenwirbels bei gleichzeitig quer verlaufenden Lumbalarterien. — Bei Nr.5 dagegen (vgl. Textfig. 4), wo die A. caudalis in bezug auf die Wirbelsäule weiter cranial zu entspringen scheint, dürfte dieses Verhalten, wie ich früher (S. 5) auseinandergesetzt habe, durch Wachs- tumsdifferenzen rücksichtlich des Längenwachstums von Aorta und Wirbelsäule secundär entstanden sein. — Dabei haben auch alle sechs Fälle das gemeinsam, dass nicht nur das 4., sondern auch das 3. Lumbalarterienpaar aus der A. caudalis entspringt. — In bezug auf die Höhe des Ursprunges der A. caudalis sowie auf die Ursprünge der 3. und 4. Lumbalarterienpaare besteht also zwischen den von mir untersuchten sechs Exemplaren eine grosse Übereinstimmung. — Dagegen besteht in dieser Beziehung ein ganz bedeutender Unterschied zwischen ihnen und Fransens Exemplar, das wieder rücksichtlich der Lage der Aortenteilungs- stelle mit meinem Exemplar Nr. 1 sehr gut übereinstimmt. — Bezüglich der Lage der Aortenteilungsstelle aber verhalten sich, wenn ich von Nr.3 und 4 absehe, die mit Rücksicht auf diese untereinander übereinstimmen, meine Exemplare sehr ver- schieden. — Ich werde später auf diese Verschiedenheit noch einmal zurückkommen. — Eın weiterer wesentlicher Unterschied ergab sich dann an meinen Exemplaren auch rücksichtlich des Ursprunges der Arteria mesenterica inferior. — Bei Nr. 1 und 2 entsprang dieses Gefäss etwas caudal von der Abgangsstelle der A. caudalis, ungefähr in der Höhe des Ursprunges des 3. Lumbalarterienpaares, während bei Nr.3 und 4 sein Ursprung ungefähr in der Höhe des Ur- sprunges des 2. Lumbalarterienpaares lag. — Dagegen fand er sich bei Nr. 6 etwa in der Mitte zwischen den Ursprüngen des 2. und 3. Lumbalarterienpaares. — Hier konnte natürlich an zweierlei gedacht werden. — 256 F. HOCHSTETTER, Erstens daran, dass entweder in den Fällen 1 und 2 eine Ver- schiebung des Ursprunges der A. mesenterica inferior in caudaler, oder aber umgekehrt in den Fällen 3, 4 und 6 eine Verschiebung in cranialer Richtung stattgefunden habe, oder aber, dass zum mindesten die Anfangsstücke der A. mesenterica inferior in den Fällen 1 und 2 aus einem anderen embryonalen Gefässe hervor- gegangen seien, als die der Fälle 3, 4 und 6. — Dass die letztere Annahme die richtige sei, schien mir schon der bei Nr. 4 ge- machte Befund einer kleinen (vgl. S. 5), an der in Betracht kommenden Stelle, aus der Aorta entspringenden Arterie anzu- deuten. — Ganz überzeugend wirkte dann allerdings erst die bei Nr. 5 gemachte Beobachtung zweier A. mesentericae inferiores, von denen die eine ungefähr in der Höhe des 2., die andere in der Höhe des 3. Lumbalarterienpaares entsprang. — Es kommen also beim Orang zweierlei A. mesentericae inferiores vor, die gelegentlich wie bei Nr. 5 beide ausgebildet sein können, von denen aber gewöhnlich nur eine, entweder die cranial, oder die caudal entspringende entwickelt ist. — Ich vermute deshalb, dass bei Orangembryonen bis zu einer ge- wissen Entwickelungsstufe regelmässig zwei A. mesentericae inferiores vorhanden sein werden, von denen aber gewöhnlich die eine zurückgebildet wird. — Wie aber ist das verschiedene Verhalten der Lage der Aortenteilungsstelle bei den von mir untersuchten Orangs zu verstehen und zu erklären? Diese Frage zu beantworten fällt ungemein schwer, um so schwerer, als vorläufig noch keine Beobachtungen über die Lage der Aortenteilungsstelle und der Abgangsstelle der A. caudalis bei jungen Orangembryonen vor- liegen. Sieht man sich nun in dieser Richtung die Verhältnisse bei meinen sechs Orangs und bei dem Orang Fransens unvor- eingenommen an, so wird man, glaube ich, nur zu dem einen Resultate kommen können, dass die Verhältnisse, wie sie Fransen Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 257 bei seinem Exemplare konstatieren konnte, gewissermassen die primitivsten darstellen. — Von ihnen lassen sich, wenn man an- nimmt, dass sich in ihnen ein bei jungen Orangembryonen regel- mässig vorhandenes Verhalten bis in den ausgebildeten Zustand hinein erhalten hat, die Verhältnisse meiner fünf Exemplare ganz gut ableiten. — So könnte man sich z. B. denken, dass bei Nr. 1 in einer bestimmten Entwickelungsperiode der Ursprung der A. caudalis in cranialer Richtung gewandert wäre, wobei er zunächst ins Gebiet des Ursprunges der A. lumbalıs 4 gelangt, diesen von der Aorta übernommen hätte, um dann bei einer weiteren Cranialwärtsverschiebung auch den Ursprung der A. lumbales 3 zu erreichen und zu übernehmen. — Im Falle von Nr. 2 und Nr. 6 hätte sich, während dieser Wanderungsprozess vor sich ging, der caudalste Abschnitt der Aorta, nämlich der zwischen dem Ursprunge der A. caudalis und der Teilungsstelle befindliche mässig, im Falle von Nr. 3, 4 und 5 sehr erheblich verkürzt. — Oder aber man würde annehmen, dass sich, ausgehend von dem gemeinsamen Ursprungsstamme des 3. Lumbalarterien- paares, eine Längsanastomosenkette zwischen diesem, dem Ur- sprungsstamme des 4. Lumbalarterienpaares und der Wurzel der A. caudalis entwickelt habe und hierauf die Wurzeln der beiden letzteren Arterien obliteriert seien, dann erhielte man auch die Verhältnisse meines Falles Nr. 1, aus denen sich dann konsequenterweise wieder die Verhältnisse der Fälle Nr. 2—6 durch eine secundäre Längenreduktion des caudalsten Aorten- abschnittes erklären liessen. — Es ist nun die Frage, welche von den beiden Erklärungs- möglichkeiten die grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat. — Dabei wird natürlich immer von der Voraussetzung ausgegangen, dass wir es bei Fransens Exemplar mit primitiven Verhält- nissen zu tun haben, was ich, wie aus dem Folgenden noch hervor- gehen wird, für recht wahrscheinlich halten darf. 258 F. HOCHSTETTER, Es ist eine allen Anatomen bekannte Tatsache, dass die A.caudalis (sacralis media) des Menschen, nahezu immer, nicht wirklich von der sogenannten Teilungsstelle der Aorta in die beiden A. iliacae communes, sondern in geringerer oder grösserer, aber in der Regel nie sehr grosser Entfernung von dem Teilungs- winkel der Aorta aus dem dorsalen Umfange dieses Gefässes ent- springt und dass die beiden A. lumbales 4., die sonst gewöhnlich selbständig, entweder getrennt voneinander oder mittelst eines kurzen gemeinschaftlichen Stammes ein wenig cranial vom Ursprunge der A. caudalis aus der Aorta hervorgehen, ziemlich häufig aus dem Anfangsabschnitte der A. caudalis entspringen. — So teilt Thomson (27) mit, dass unter 400 Leichen Erwachsener die A. sacralis media nur einmal aus der Teilungsstelle der Aorta entspringend gefunden wurde, während sie auch wieder nur einmal 25 mm cranial von der Bifurkationsstelle aus der Aorta hervorgekommen war. — Recht selten sind die Fälle, in denen die A. sacralis media asymmetrisch, entweder aus einer A. lumbalis oder aus einer A. iliaca communis entspringt. — Wir verdanken Young (29) eine Zusammenstellung von solchen Fällen, die uns hier aller- dings zunächst nicht besonders interessieren. — Jedenfalls kann der dorsale Ursprung der A. caudalıs etwas cranial vom Teilungswinkel der Aorta beim Menschen als die Regel bezeichnet werden. — Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei einer Reihe von Säugetieren, unter denen vor allem [vgl. die Angaben von Levi (15) und die von Fransen (6) | die Affen senannt werden müssen. — Aber auch bei denjenigen Säugern, die einen Truncus hypo- gastrico sacralis besitzen, sehen wir die A. caudalıs meist dorsal und ein wenig cranial von seiner Teilungsstelle in die beiden A. iliacae internae aus diesem Truncus entspringen !). — Gewöhn- !) Levi (15) hat eine Anzahl von Fällen asymmetrischen Ursprungs der A. caudalis bei Säugern, die einen Truncus hypogastrieus sacralis besitzen, Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 259 lich ist jedoch auch bei den Säugern, über deren Verhalten ge- nauere Angaben vorliegen, die Distanz zwischen Teilungsstelle der Aorta oder des Truncus hypogastrico sacralis und der A. caudalıs keine besonders grosse. — Nur für Halichoerus grypus hat Hepburn (9) beschrieben, dass er bei einem Exemplar dieser Tierart die A. caudalıs aus der dorsalen Wand der Aorta, zwei Zoll cranıal von der Teilungsstelle dieses Gefässes und Y, Zoll caudal vom Ursprunge der A. mesenterica inferior habe entspringen sehen. Dabei hätten die A. ılıacae communes eine Länge von 1 Zoll gehabt. — Über die Lage der Aortenteilungsstelle zur Wirbelsäule und darüber, ob und wıe viele Lum- balarterienpaare aus der A. caudalıs entsprungen seien, gibt jedoch Hep- burn nichts an und dadurch ist sein Befund für Zwecke der Vergleichung mit anderen Formen schwer zu ver- Fig. 6. wenden. — Endabschnitt der Bauchaorta Der.) Preundlichkert, (des , Herrn, es Ezemplares von Flysizız _ cristata. (Dorsalansicht.) Hofrates Zuckerkandl verdanke ich nebenstehende Abbildung (Figur 6), welche die Verhältnisse der Aortenteilungsstelle und des Ursprunges der A. caudalıs von Hystrix cristata in halbschematischer Weise wieder- gibt. — Aus dieser Abbildung geht hervor, dass die A. caudalis bei dem untersuchten Tiere ähnlich weit cranial von der Aorten- teilungsstelle, wie beimeinem Orang Nr.1, aus der dorsalen Wand der Aorta entspringt und dass sie, so wie dort, zwei Lumbal- arterienpaaren den Ursprung gibt, wobei das erste aus ihr ent- springende Paar noch einen kurzen gemeinsamen Stamm besass. — Leider hatte Hofrat Zuckerkandl nicht notiert, ob die beschrieben. Es handelt sich in diesen Fällen sicher stets um Abweichungen vom normalen Typus. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd., H. 2) 18 260 F. HOCHSTETTER, Teilungsstelle der Aorta bei diesem Tiere vor dem letzten prä- sacralen Wirbel gelegen hatte. — Ganz unbekannt scheint zu sein, dass beim Kaninchen ziemlich regelmässig die A. caudalis ziemlich weit cranial von der Teilungsstelle der Aorta aus der dorsalen Wand dieses Ge- fässes entspringt. — Krause sagt in seiner Anatomie des Kaninchens: ‚Die A. sacralis media entsendet die A. lum- bales VII. — Sie entspringt etwas oberhalb der Teilungsstelle der Aorta.“ — Ähnlich lauten die Angaben Levis (15), die sich allerdings gleichzeitig auch auf andere Nager beziehen. — Er saet 8. 129 zuerst: „lo esaminai numerosi esemplari delle seguenti 4 specie di quest’ ordine: Lepus cuniculus, Cavia cobaya, Mus decumanus, Myoxus glis.‘“ — Und dann heisst es weiter unten: „L’aorta si divide nelle 2 Iliacae communes, e nell’ A. cau- dalis; quasi sempre pero quest’ ultima nasce un po piü in alto, 0, pitı esattamente, le 2 Iliacae communes si separano dall’ aorta con un breve tronco commune. — Ich selbst hatte auf der Suche nach einem Säuger, bei dem normalerweise ähnliche Verhältnisse des Ursprunges der A. cau- dalis vorkommen, wie bei meinem Orang Nr. 1 auch Kaninchen untersucht und war im höchsten Grade überrascht gewesen, oleich bei dem ersten Tiere, welches mir in die Hände fiel, Ver- hältnisse zu finden, wie sie Fig. 1 auf Tafel 1 wiedergibt. — Dieses Tier hatte, wie alle später noch von mir untersuchten Kaninchen, 26 präsacrale Wirbel!), von denen 12 als Thoracal- und 7 als Lendenwirbel zu bezeichnen waren. — Die Aorten- teilungsstelle lag bei ihm (vgl. Fig. 1 auf Tafel 1) vor dem caudalen Rande des Körpers des 25. präsacralen Wirbels, während die Absangsstelle der A. caudalis von der Aorta nahe dem cranialen Rande des Körpers dieses Wirbels gefunden wurde. — Dabei entspringen bei ihm, wie bei den von mir untersuchten !) Krause gibt in seiner Anatomie des Kaninchens an, zwei Tiere mit 27 präsacralen Wirbeln beobachtet zu haben. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 261 Orangs das letzte und das vorletzte Lumbalarterienpaar aus der Aorta caudalıs. — Ich untersuchte nun zunächst noch 19 Kaninchen, die alle einer Zucht entstammten und fand bei ihnen allen ziemlich gleiche Verhältnisse bezüglich der Lage der Teilungsstelle der Aorta und der Abgangsstelle der A. caudalis. — Kleine Schwan- kungen konnten ja gelegentlich konstatiert werden, etwa in der Weise, dass die Aortenteilungsstelle vor der Bandscheibe zwischen dem 25. und 26. präsacralen Wirbel oder vor dem cranialen Rande des Körpers des letzteren Wirbels lag, oder dass der Ursprung der A. caudalis in der Höhe der Bandscheibe zwischen dem 24. und 25. präsacralen Wirbel gefunden wurde. — Nach den an 20 Kaninchen erhobenen Befunden schien also das oben beschriebene Verhalten ein ganz konstantes zu sein. — Beobachtungen, die ich aber dann in der Folge an in der Entwickelung sehr weit vorgeschrittenen Kaninchenembryonen machte, veranlassten mich, später noch weitere 24 Kaninchen verschiedener Provenienz zu untersuchen. — Von diesen 24 ver- hielten sich 9 so, wie die zuerst untersuchten 20. — Die übrigen 15 aber zeigten ein Verhalten der Aortenteilungsstelle und des Ursprunges der A. caudalıs, wie es in Fig. 2 auf Tafel 1 wieder- gegeben ist, das heisst, die Aortenteilungsstelle lag entweder ziemlich genau in der Mitte, oder etwas caudal von der Mitte der Höhe des Körpers des letzten Lendenwirbels und die A. caudalis, welche nur das letzte Lumbalarterienpaar abgab, ent- sprang in der Höhe der Bandscheibe zwischen dem 25. und 26. präsacralen Wirbel oder in der Höhe des cranialen Randes des Körpers des letzten Lendenwirbels. — In 2 von den 15 Fällen aber entsprang die A. caudalis noch etwas weiter cranial und war dem gemeinsamen Ursprungsstamme des vorletzten Lumbal- arterienpaares auf 2 beziehungsweise 11; mm nahegerückt. — Es fanden sich also unter den 44 von mir untersuchten Tieren zwei Typen des Verhaltens des Abganges der A. caudalis Kol 262 F. HOCHSTETTER, und der Aortenteilungsstelle vor, von denen auf die zweite von mir beobachtete Type die Beschreibung Krauses ziemlich gut A m.i Fig. 7. Medianschnitt durch den Endab- schnitt der Bauchaorta und den korrespondierenden Teil der Wirbel- säule eines Kaninchenembryo von 40 mm grösster Länge. (Vergr. 20 fach.) passen würde, wenn dieser Autor hervorgehoben hätte, dass die Distanz zwischen Aortenteilungs- winkel und Abgangsstelle der A. caudalis immerhin als beträcht- lich bezeichnet werden muss. — Es wäre aber allerdings auch möglich, dass Krause für seine Beschreibung Kaninchen vor- lagen, die Verhältnisse darboten, wie ich sie zwar nie am ausge- bildeten Tiere, wohl aber einmal bei einem in eine Sagittalserie zerlegten 40 mm langen Kanin- chenembryo fand (vgl. neben- stehende Fig. 7, welche den Medianschnitt durch das End- stück der Aorta abdominalis und den Anfangsteil der A. caudalis in ihrer Beziehung zur Wirbelsäule wiedergibt). — Bei diesem Embryo, bei dem nur das letzte Lumbalarterienpaar aus der A. caudalıs entsprang, lag nämlich die Aortenteilungs- stelle noch cranial von der Band- scheibe zwischen letztem und vorletztem Lendenwirbel und der Ursprung der A. caudalis erfolgte recht nahe der Aorten- teilungsstelle. — Als ich die ersten 20 Kaninchen in bezug auf die Lage der Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 263 Aortenteilungsstelle, sowie auf die Lage der Abgangsstelle der A. caudalis untersucht hatte und dabei zu der Meinung ge- kommen war, dass es sich in der Type 1 der Lagebeziehung der Aortenteilungsstelle und der Ursprungsweise der A. caudalıs um ein nahezu constantes Verhalten handeln müsse, machte ich mich sofort daran, zu untersuchen, wie sich dieser eigenartige Ursprung der A. caudalis entwickelt haben mochte. — Denn war für das Kaninchen nachgewiesen, dass, was nie zweifelhaft sein konnte, dieser Ursprung ein secundärer sei und wie er sich entwickelt habe, so war dann wohl auch möglich zu sagen, welche von den oben für die Entwickelung der Verhältnisse beim Orang gemachten Annahmen die richtige sein werde. — Bevor ich jedoch daran gehe, mitzuteilen, was sich mir bei dieser Untersuchung ergeben hat, will ich kurz mitteilen, in welcher Weise bisher verschiedene Autoren den dorsalen Ursprung der A. caudalıs aus der Aorta zu erklären versucht haben. — Die ersten Autoren, die sich mit dieser Frage beschäftigten, waren Young und Robinson (31). — Sie erklären den dorsalen Ursprung der A. caudalis aus der Aorta, wenn ich sie richtig verstanden habe, durch die Annahme einer über den Ursprung der A. caudalis hinausgreifenden Verschmelzung der primitiven Aorten auf die Anfangsstücke der A. iliacae communes, die sie als „secondary caudal arches“ für die direkte Fortsetzung der primitiven Aorten ansehen. — Insbesondere behaupten sie auch, dass die Bildung des Truncus hypogastrico sacralis, wie er bei den Carnivoren und anderen Säugern vorkommt, durch eine solche Verschmelzung der A. iliacae communes bis über den Ursprung der A. iliacae externae hinaus zu erklären sei, eine Ver- schmelzung, an der allerdings auch die A. caudalıs beteiligt sein müsse und begründen dieses ganz richtig, indem sie sagen: „Should the middle sacral not be absorbed into the common stem, but remain free, then it must arise considerably in front of 264 F. HOCHSTETTER, the bifurcation.‘‘ — Und im Anschlusse daran heisst es dann: „This may afford an explanation of the somewhat rare instances, in which the middle sacral arises further forward than usual — i. e., weli in front of the bifurcation of the aorta This sometimes occurs in man, but a better example is provided by the grey seal — Halichoerus grypus‘‘ — indem sie auf die Beschreibung Hepburns bezug nehmen. — Entwickelungsgeschichtliche Tat- sachen, die ihre Aufstellungen über die uns hier interessierenden Fragen stützen würden, bringen jedoch die beiden Autoren keine bei. — Es haben also diese Aufstellungen lediglich den Wert von unbewiesenen Behauptungen. — Der zweite Autor, der dieselbe Frage anschneidet, ist G. Levi (15). — Indem er auf meine (10) Angaben, betreffend die Entstehung des Truncus hypogastrico sacralis bei der Katze bezug nimmt und ausführt, dass ich, was vollkommen richtig ist, den Mechanismus der Entstehung dieses Truncus nicht aus- führlicher geschildert hätte, sagt er, dass man an eine Ver- schmelzung der beiden A. iliacae communes und der A. caudalıs denken könne, und führt diese Idee weiter aus, indem er schliess- lich (S. 578) sagt, dass auch bei den Nagern und den Primaten stets eine Verwachsung der proximalsten Verlaufsabschnitte der A. iliacae communes statthabe — (,‚Tanto pi che anche nei Roditori e Primates, nei quali il tipo primitivo embrionale non si modifica tanto fondamentalmente, ha luogo sempre una concrescenza del tratto piü prossimale delle ılıacae comm.) — Auch bei G. Levi vermisse ich die Anführung von Tat- sachen, diesich auf die Entwickelungsgeschichte beziehen würden, und die geeignet wären, seine Annahme zu stützen. — Denn die Messungen, die er an Embryonen von Säugern (Hund, Meer- schweinchen und Kaninchen) angestellt hat, und die er für die Richtigkeit seiner Annahme ins Treffen führt, beweisen bei der geringen Zahl von untersuchten Individuen und Entwickelungs- stadien wenig oder gar nichts — Auch Levi scheint die Mög- Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 265 lichkeit gar nicht in Betracht gezogen zu haben, dass der Ur- sprung der A. caudalis aus dem dorsalen Umfange der Aorta, cranial von ihrer Teilungsstelle auch noch in anderer Weise, das heisst durch eine Art von Wanderung oder Verschiebung von der Stelle, an der er ursprünglich gelegen hatte, dahin gelangt sein könne, wo er sich schliesslich befindet. — Endlich hat dann in allerneuester Zeit Jvrar Bromann (1,2) in der Sache das Wort ergriffen. — Nach seinen Beobachtungen soll die A. sacralis media des Menschen bis zum Beginne des 3. Monates aus der Bifurkationsstelle der Aorta entspringen, dann aber mehr oder weniger weit cranialwärts auf die Dorsal- seite dieses Gefässes überwandern. — Er sagt (1) (8. 731): „Diese „Wanderung‘‘ des Ursprunges der A. sacralis media ist meiner Ansich“ nach nur scheinbar und dadurch hervorgerufen, dass die A. iliacae communes ein Stückchen hinab, und zwar gleich so viel, wie die A. sacralis media in umgekehrter Richtung ver- schoben erscheint, miteinander zu einem aortenähnlichen Gefäss- stamm verschmelzen (Bromann 1908)". — „Die Ursache der erwähnten Verschmelzung ist — nehme ich an — in einer Lageveränderung der A. iliacae zu suchen, wodurch die cranialsten Partien dieser Arterien gegeneinander gepresst werden und zuletzt miteinander verwachsen.” — „Wie Hauch (1901, 1903) hervorgehoben hat, gehen näm- lich die A. iliacae communes bei jüngeren Embryonen unter fast rechtem Winkel von der Aorta ab, während sie später (bei etwa 3 cm langen menschlichen Embryonen) mehr caudalwärts gerichtet sind. — Zu der letztgenannten Zeit hat der Winkel zwischen den beiden Arterien — — — ungefähr die für Er- wachsene normale Grösse ca. 60%. — Bromann erklärt also den dorsalen Ursprung der A. sacralis media beim Menschen in ziemlich derselben Weise wie Robinson und Young und später Levi, erwähnt jedoch nichts davon, dass Robinson und Young, deren Arbeiten er citiert, schon eine ähnliche oder 266 F. HOCHSTETTER, die gleiche Ansicht, wie er selbst, geäussert haben. — Levis Arbeit aber scheint ihm überhaupt entgangen zu sein. — Beobachtungen, die seine Annahme stützen würden, führt Bromann ebensowenig an, wie seine Vorgänger. — Denn die Angaben von Hauch, auf die er sich bezieht, beweisen gar nichts. — Ich wenigstens vermag mir nicht vorzustellen, wie die einander zugewendeten Wände der Anfangsstücke zweier aus einem Stamme hervorgehenden Arterien, die unter keinem kleineren als unter einem Winkel von 60° auseinandergehen, wie dies nach Hauch bei den A. iliacae communes menschlicher Embryonen vom 3. Monate an der Fall sein soll, so „gegen- einander gepresst‘‘ werden können, dass diese Anfangsstücke miteinander verschmelzen müssen. Würde übrigens der Vor- sang, den Bromann als sich abspielend annimmt, sich wirklich abspielen, so müsste er in der Tat ohne Schwierigkeit nachzu- weisen sein. — Warum hat Bromann an dem reichen, ihm zur Verfügung stehenden Materiale von menschlichen Embryonen es nicht zu- Stande gebracht, diesen Nachweis zu führen ? Aber auch bezüglich der Bildung des Truncus hypogastrico sacralis der Carnivoren steht Bromann auf demselben Stand- punkte, den vor ihm schon Young und Robinson und Levi eingenommen haben. Wie bekannt, konnte ich für die Em- bryonen der Katze und des Schafes nachweisen (10), dass die- selben ursprünglich kurze A. iliacae communes besitzen, eine Angabe, die sowohl von Young und Robinson (31), als auch von Levi (15) bestätigt wurde, dass aber in späteren Entwicke- lungsstadien die Ursprünge der A. iliacae externae an den Stämmen der A. iliacae internae emporrücken, bis schliesslich ihr Ursprung nicht mehr aus diesen, sondern aus der Aorta erfolge. — Ich schloss meine damaligen Ausführungen (auf 5. 312) mit den Worten: „Offenbar sind es Wachstumsvorgänge ziem- lich verwickelter Art, die die geschilderte Verschiebung der Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 267 ‘“s Ausmündungsstelle der A. iliaca externa verursachen — um den Leser darauf aufmerksam zu machen, dass ich mir den Mechanismus dieser Verschiebung als einen keineswegs ein- fachen vorstelle. — Später (12) habe ich dann den Vorgang in der Weise zu fassen gesucht, dass ich mir vorstellte, es würde die A. ılıaca communis vom Teilungswinkel zwischen A. iliaca externa und interna aus in ähnlicher Weise gespalten, wie dies bei Bombinator nach von Götte und bei Reptilien, Vögeln und Säugern nach von mir gemachten Beobachtungen (12) mit der dorsalen Aorta von der Zusammenflussstelle der beiden dorsalen Aortenwurzeln aus geschieht, ein Vorgang, dessen Mechanismus sicherlich auch nicht ganz einfach ist. — Bromann sagt nun aber in bezug auf das, was ich über die Bildung des Truncus hypogastrico sacralis mitgeteilt hatte: „Ich finde es zwar möglich, dass Hochstetter hierin Recht haben kann. Meiner Meinung nach lässt sich indessen die be- treffende Veränderung auch in anderer Weise erklären, auf welche Hochstetter, wie es scheint, gar nicht gedacht hat: Die betreffende Veränderung kann auch dadurch entstehen, dass die beiden A. iliacae communes miteinander vollständig ver- wachsen. — Sie verschwinden dann als solche und gehen in die definitive Aorta auf. — Wenn diese Verwachsung dann auf die beiden A. iliacae internae s. hypogastricae fortschreitet, entsteht zuletzt der sogenannte Truncus hypogastrico sacralis.“ — „Ich finde diese meine Hypothese um so glaubhafter, weil — nach den von Hochstetter gegebenen Abbildungen zu urteilen — die Ausgangsstelle der A. caudalis s. sacralis media gerade zu derselben Zeit von der Bifurkationsstelle der Aorta auf die Dorsalseite derselben (bezw. des Truncus hypogastrico sacralis) „hinaufwandert‘‘. — Ich verstehe nun allerdings nicht, wie man, wenn man so wie Bromann, die auf Grund von Beobachtungen über 268 F. HOCHSTETTER, einen bestimmten Vorgang von einem anderen Autor aufge- stellten Behauptungen nicht für richtig hält, sich nicht hinsetzt und selbst Beobachtungen über diesen Vorgang anstellt, um sich ein gut fundiertes Urteil über den Vorgang zu bilden, sondern ohne auch nur ein Objekt untersucht zu haben, eine Erklärung für den Vorgang gibt, die, da die Kenntnis des Objektes fehlt, naturgemäss ganz aus der Luft gegriffen sein kann. — In der Tat hat sich Bromann nicht einmal die Mühe ge- nommen, eine Anzahl von ausgebildeten Katzen auf ihren Truncus hypogastricosacralis hin anzusehen, denn hätte er dies getan, so wäre er sofort auf die nicht unbedeutende Variabilität dieses Gefässstammes aufmerksam geworden und hätte gesehen, was ihm übrigens schon ein in meiner früheren Arbeit (10) (Textfig. 5) mitgeteilter Fall hätte.zeigen können, dass es Fälle eibt, deren Entstehung mit Hilfe seiner Hypothese nicht leicht erklärt werden kann. — In der Tat variiert das Verhalten der Endzweige der Aorta bei der Katze (und wie ich Grund habe anzunehmen, bei allen anderen normalerweise einen Truncus hypogastrico sacralis besitzenden Säugern!), nach meinen Be- obachtungen ?) ganz ausserordentlich. — Fig. 3 auf Tafel 1 zeigt jenes Verhalten, welches für die Katze als das gewöhnliche bezeichnet werden kann. — Der ziemlich lange Truncus hypogastricosacralis liegt vor dem letzten (in diesem Falle 27.) präsacralen Wirbel. — Die A. iliacae externae entspringen vollkommen symmetrisch. — Achtet man aber in allen Fällen, in denen der Truncus hypogastrico sacralis ein dem Falle der Fig. 3 ähnliches, also normales Verhalten zeigt, auf die Abgangsstelle des letzten Lumbalarterienpaares, also desjenigen Arterienpaares, das dem Lumbalsesmente zugehört, vor dessen Wirbelkörper der Truncus hypogastricosacralis liegt, so findet man, dass kaum zwei Fälle einander völlig gleichen. — !) Vgl. in dieser Richtung auch die Angaben von Levi (15). 2) M. Clure (18), der auch eine grössere Zahl von Katzen untersucht hat, ist allerdings nicht dieser Ansicht. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 269 Ich habe aus der grossen Zahl von Objekten, die mir zur Verfügung stehen, drei herausgesucht und nebenstehend (Fig 8, 9, 10) abgebildet, die einerseits Extreme, andererseits ein mittleres Verhalten zeigen — Fig. 8 betrifft einen Fall, in dem das letzte Lumbalarterienpaar cranial vom Ursprunge der A. iliacae ex- ternae aus der Aorta entspringt und einen sehr stark absteigenden Verlauf zeigt. — Fig. 9 wieder illustriert einen Fall, in dem die Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. E12.28,.9, 10. Endabschnitt der Aorta abdominalis und Truncus hypogastrico sacralis von drei ausgewachsenen weiblichen Katzen. (Nat. Grösse.) quer verlaufenden letzten Lumbalarterien schon von der Wurzel der A. caudalis entspringen. — In dem Falle der Fig. 10 aber entspringen die mässig schief absteigenden letzten Lumbal- arterien ziemlich genau aus der Mitte der Länge des Truncus hypogastricosacralis. — Diese Variationen im Ursprunge der A. lumbales des letzten Lendensegmentes müssen wohl im Auge behalten werden, wenn man die Entstehungsweise des Truncus hypogastricosacralis ergründen will. — Der Fall der Fig. 8, in dem das letzte Lumbal- 270 F. HOCHSTETTER, arterienpaar noch aus dem eigentlichen Aortenstamme ent- springt, wird Bromann allerdings ganz gut mit Hilfe seiner Hypothese zu erklären vermögen, nimmermehr aber den der Fie. 10; er wollte denn zu der Hilfshypothese greifen, dass es Fälle gibt, in denen bei Katzenembryonen von ca. 15 mm Länge das letzte Lumbalarterienpaar bei normal vor dem letzten Lendenwirbelkörper gelagerten Aortenteilungsstelle, nicht wie gewöhnlich aus der dorsalen Wand der Aorta, oder was seltener vorkommt, aus der Wurzel der A. caudalis, sondern (was ich nie gesehen habe) aus den Anfangsstücken der beiden A. iliacae in- ternae entspringt. — Denn nur unter dieser Voraussetzung liesse es sich erklären, dass durch Verschmelzung der A. iliacae com- munes und der Anfangsstücke der A. iliacae internae ein Truncus hypogastricosacralis entsteht, aus dessen mittlerem Abschnitte das letzte Lumbalarterienpaar entspringt. — Dabei müsste man dann natürlich auch noch mit Levi (15) weiter annehmen, dass bei der Verschmelzung auch die A. caudalis mit beteiligt war, weil man sonst, wenn man die Möglichkeit einer Caudalwärts- verschiebung des Ursprunges der A. caudalis entlang der dorsalen Wand des durch Verschmelzung gebildeten Truncus hypo- gastricosacralis negiert, auch wieder nicht erklären könnte, wie die A. caudalis ihren Ursprung aus dem caudalsten Teile des Truncus hypogastricosacralis nehmen soll. Und wieder andere Hilfshypothesen wären nötig, wollte man den Fall der Fig. 9 mit Bromann durch die Annahme einer Verschmelzung der A. iliacae communes und der Anfangsstücke der A. iliacae internae erklären. — Natürlicherweise fallen alle diese Schwierigkeiten weg, wenn man daran festhält, dass sich, wie ich seinerzeit angegeben habe, während der Entwickelung die Ursprünge der A. iliacae externae in cranialer Richtung an den A. iliacae communes empor- schieben, bis sie schliesslich auf den Aortenstamm selbst über- gehen. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 271 Fig. 13. Fig. 14. Endabschnitt der Aorta abdominalis und Truncus hypogastrico sacralis von vier ausgewachsenen weiblichen Katzen. (Natürl. Grösse.) 272 F. HOCHSTETTER, Besonders häufig sind Fälle, in denen der Truncus hypo- oastricosacralis verhältnismässig kurz ist. — Ein solcher Fall wurde in der umstehenden Fig. 11 abgebildet. — Nicht weniger häufie sind aber auch Fälle, in denen ein asymmetrischer Ur- sprung der A. iliacae externae verzeichnet werden kann. — Ich selbst habe einen recht bochgradigen Fall dieser Art in meiner schon mehrfach erwähnten Arbeit abgebildet (10), und auch bei Levi (15) finden sich Bilder von Fällen ähnlicher Art. — Zwei weitere Fälle, (es sind übrigens durchaus nicht die einzigen dieser Art, die ich beobachten konnte), zeigen die umstehenden Fig. 12 und 13. — Beide Fälle sind, abgesehen von dem eigenartig asymmetrischen Verhalten des Truncus hypogastricosacralıs und dem asymmetrischen Ursprunge einer A. iliaca externa, dadurch ausgezeichnet, dass die Arterien des letzten Lumbalsegmentes aus der A. caudalis entspringen. — Dabei geht in dem Falle der Fig. 13 die A. caudalis sehr weit cranial aus der dorsalen Wand des gemeinsamen Arterienstammes für die A. ıliaca externa sinistra und den Truncus hypogastricosacralis hervor. — Beide Fälle sind mit Hilfe von Bromanns Hypothese durchaus nicht ohne weiteres zu erklären. — Schliesslich möchte ich noch zwei ganz eigenartige Fälle beschreiben, die in Fig. 4 und 5 auf Tafel 1 abgebildet sind. — In beiden Fällen, in denen die Aortenteilungsstelle vor dem letzten präsacralen Wirbel lag, ist die Bildung eines Truncus hypogastricosacralis unterblieben. — Der Fall der Fig. 5 zeigt uns beiderseits erhaltene A. ıliacae communes. — Die linke erscheint ziemlich lang, während die rechte ganz kurz und gewissermassen eben noch angedeutet ist. — Dabei entspringt die A. caudalis wie umstehende Textfig. 14 zeigt, in einiger Entfernung cranial von dem Teilungswinkel der Aorta aus der dorsalen Wand dieses Gefässes. — Der Fall der Fig. 4 wieder ist interessant, weil bei ihm ein Zustand dauernd fixiert wurde, der sonst gewöhnlich bei ca. 16—17 mm langen Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 273 Katzenembryonen als vorübergehende Erscheinung festzustellen ist, das heisst ein Zustand, in dem der Ursprung der A. ılıaca externa eben im Begriffe ist, auf die Aorta überzuwandern. — Bemerkenswert ist der Fall übrigens auch noch dadurch, dass das Ende der Aorta, aus welchem die A. iliacae externae und internae hervorgehen, bulbusartig erweitert ist und dass aus der dorsalen Wand dieser bulbusartigen Erweiterung die A. caudalis entspringt. — In allen den Fällen, die ich eben beschrieben habe, und bei allen anderen von mir untersuchten Katzen lag, wenn ich von zweien absehe, über die im folgenden berichtet werden soll, der Truncus hypogastricosacralis, bezw. die Teilungsstelle der Aorta vor dem letzten präsacralen Wirbel, gleichviel ob die Zahl der präsacralen Wirbel 27 oder wie in einem Falle bei einer ausgewachsenen Katze 26 betrug. — In einem Falle bei einem nahezu reifen Katzenfötus mit 27 präsacralen Wirbeln lag hin- gegen der Truncus hypogastricosacralis nahezu ganz vor dem Körper des 26. präsacralen Wirbels und nur seine Teilungsstelle in die beiden A. iliacae internae befand sich vor der Bandscheibe zwischen 26. und 27. Wirbel; dabei entsprang das vorletzte Lumbalarterienpaar aus dem Truncus hypogastricosacralis, während das letzte Lumbalarterienpaar aus der A. caudalıs hervorging. — Die letztere aber entsprang aus der dorsalen Wand des Truncus hypogastricosacralis, in der Höhe des caudalen Randes des Körpers des 26. präsacralen Wirbels. — Vor dem 1. Kreuzwirbel liegend fand ich den Truncus hypo- oastricosacralis auch nur einmal. — Der Fall wurde in Textfig. 9 meiner früheren Arbeit (10) abgebildet. — Dabei muss ich, indem ich auf diesen Fall zurückkomme, bekennen, dass ich, als ich ihn abbildete, auf die Lagebeziehung des Truncus hypo- gastricosacralis zur Wirbelsäule nicht weiter geachtet hatte und deshalb auch gar nicht darauf aufmerksam werden konnte, welche seltene Abweichung von der Norm in dem Falle dieser Fig. 9 vorlag. — 274 F. HOCHSTETTER, Aber auf all die vielen Varietäten im Gebiete des Truncus hypogastricosacralis, wie sie bei der Katze und bei anderen einen Truncus hypogastricosacralis besitzenden Säugern vor- kommen, hat Bromann keine Rücksicht genommen, weil er nichts von ihrem Vorkommen wusste. — Er hat seine durch keinerlei Tatsachenbeobachtungen gestützte Hypothese (die vor ihm übrigens schon von Robinson und Young (31) und von Levi (15) aufgestellt worden war) aufgestellt, weil ihm das, was ich seinerzeit über die Bildung des Truncus hypogastrico- sacralis der Katze und des Schafes mitgeteilt hatte, durchaus nicht zu seinen Ideen über sogenannte Gefässwurzelwanderung passte. — Es wird hier notwendig sein, ganz kurz auf das einzugehen, was Bromann ‚‚über verschiedene Wanderungsmodi der Gefäss- wurzeln‘ sagt. — Ausgehend von der mehr als merkwürdigen Idee, dass die Autoren, welche in ihren Arbeiten von Gefässwurzelwanderungen gesprochen haben, sich offenbar nie die Frage vorgelegt hätten, in welcher Weise Gefässwurzeln wandern könnten‘), hat Bro- mann es versucht, alle die ihm ‚entweder aus der Literatur, oder aus eigenen Erfahrungen und Erwägungen“ — „bekannt 1) Wie Bromann zu dieser Idee gekommen ist, ist mir nicht recht klar geworden. Wenn er gesagt hätte, dass sich die Autoren vor ihm nicht näher darüber geäussert hätten, wie sie sich die Gefässwurzelwanderungen denken, so hätte man das noch hingehen lassen können, obwohl es den Tatsachen auch nicht entspricht. — Ich möchte in dieser Beziehung nur auf die Angaben Rathkes über die Bildung der Carotis primaria (21) der Schlangen oder auf das, was derselbe Autor über die im Verlaufe des Wachstums eintretenden Veränderungen an den Ästen des Aortenbogens beim Schwein und beim Rind (20) gesagt hat, sowie auf meine eigenen Angaben, welche Bromann mehrfach verwertet hat, hinweisen. Hätte Bromann diese Angaben etwas aufmerksamer gelesen (auf Rathkes Angaben nimmt er allerdings überhaupt keine Rücksicht), so hätte er bemerken müssen, dass nur das geäussert wurde, wofür tatsächliche Befunde als Belege vorlagen. — Dass nicht nebenbei dann noch an manches gedacht wurde, was vorsichtigerweise nicht aufs Papier kam, kann Bromann freilich kaum er- fahren haben. Über den Ursprung der Art. cand. beim Orang und beim Kaninchen etc. 275 gewordenen, bezw. theoretisch denkbaren Wanderungsmodi der Gefässursprünge systematisch zusammenzustellen. — Hierbei unterscheidet Bromann in erster Linie eine wahre Gefäss- wurzelwanderung von einer scheinbaren. — Doch sagt er in einer Anmerkung ausdrücklich: „eine wahre Wanderung im gewöhn- lichen Sinne (d.h. ohne ihr Baumaterial ganz oder teilweise auszutauschen !) können — so viel ich verstehe — die Gefäss- wurzeln nicht ausführen‘ — Ich werde später auf diesen Satz noch zurückkommen. — Von sogenannter wahrer Gefässwurzelwanderung unter- scheidet Bromann mehrere Typen — Erstens soll eine solche Wanderung durch Bildung einer ganz neuen Gefässwurzel mit nachfolgender Atrophie der alten Wurzel zustande kommen, — Niemand, der sich klar darüber ist, was man unter Wandern versteht, wird einen solchen Wechsel im Ursprunge eines Ge- fässes als Gefässwurzelwanderung bezeichnen, höchstens wird er von einer scheinbaren Wanderung sprechen — Denn die Bildung einer neuen Gefässwurzel kann allerdings eine Wanderung der früher vorhandenen Wurzel vortäuschen; die Gefässwurzel scheint zu wandern — In Wirklichkeit aber wird sie durch eine an anderer Stelle entstandene ersetzt und fällt dem Schwunde anheim. — Das also was Bromanın als 1. Typ wahrer Gefäss- wurzelwanderung anführt, ist überhaupt keine Wanderung. Das gleiche gilt aber auch von seinem Typ 2, bei dem die Wanderung durch Bildung von Anastomosen zwischen nahe- liegenden Wurzeln verschiedener Gefässe mit nachfolgender Atrophie einiger der alten Wurzeln erfolgen soll — ‚In dieser Weise wandern diejenigen Gefässe, welche ihre ursprünglichen Wurzeln verlieren, zu der persistierenden Wurzel hin ““ — Mit diesen Worten bringst Bromann selbst klar genug zum Aus- drucke, dass die Wurzel des in Betracht kommenden Ge- !) Was Bromann mit diesem eingeklammerten Satze sagen wollte, ist mir nicht klar geworden. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd. H. 2.) 19 276 F. HOCHSTETTER, fässes nicht wandert, sondern zugrunde geht und dass somit das Gefäss auf dem Wege der Anastomosenbildung einen neuen Ursprungsstamm gewinnt. — Auch in diesem Falle kann höchstens von einer scheinbaren, sicherlich aber nicht von einer wahren Gefässwurzelwanderung gesprochen werden. — Etwas günstiger liegen in dieser Beziehung die Dinge rück- sichtlich der dritten von Bromann angeführten Art wahrer Gefässwurzelwanderung. — Dieselbe soll durch partielle Ab- schnürung (oder besser gesagt Abspaltung) einer Gefässwurzel von einem Gefässstamme erfolgen. — Diese Abschnürung kann nach Bromann entweder von dem Gefässwinkel aus erfolgen oder von einer intermediären Partie der Gefässstammwand aus- gehen. — Was den letzteren Modus anbelangt, so ist mir kein Fall bekannt, in dem etwas derartiges zur Beobachtung ge- kommen wäre. — Die Inselbildungen, wie sie Tandler (23) bei der Wanderung der Aortenbogen beschrieben hat, sind, wie mir scheinen will, ganz gewöhnliche Inselbildungen und haben mit diesem Wanderungsmodus Bromanns nichts zu tun. — Es gehört derselbe also offenbar zu den ‚theoretisch denkbaren“, aber bisher nicht beobachteten. Was aber den ersten Modus der dritten Art wahrer Gefäss- wurzelwanderung Bromanns anbelangt, so habe ich selbst Beispiele für diesen erbracht (Bildung des Truncus hypogastrico- sacralis bei Säugern, Entstehung der sich überkreuzenden Darmarterienwurzeln aus einem Truncus coeliacomesentericus bei Anguis fragilis) . — Merkwürdigerweise bezieht sich Bromann wenigstens teilweise auf sie, obwohl er andererseits ihre Richtig- keit nicht anzuerkennen scheint !). — Ein vierter wahrer Wanderungsmodus wäre ferner nach Bromann der „durch partielle Verwachsung einer Gefäss- !) In der Zwischenzeit hat übrigens A. Manno (17) die Richtigkeit meiner Angaben über die Entstehung der eigenartigen Überkreuzung der Darmarterien bei Sauriern, für Anguis und Gongylus vollinhaltlich bestätigt. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaniuchen ete. 277 wurzel mit dem sie aussendenden grösseren Gefässe und nach- folgender Atrophie der durch die Verwachsung entstandenen gemeinsamen Wandpartie‘. — „Dass einander eng anliegende Gefässe in dieser Weise miteinander verwachsen und durch Zugrundegehen der Scheidewand ein gemeinsames Lumen be- kommen können, wird durch die Verschmelzung der primitiven Aorten und viele ihrer Zweige bewiesen.‘ — Ein einwandfreies Beispiel für diese vierte Art sogenannter wahrer Gefässwurzelwanderung Bromanns ist mir nicht be- kannt geworden, denn die Verschmelzung der primitiven Aorten der Wirbeltiere oder die Bildung der A. carotis subvertebralis der Vögel und Krokodile kann hier wohl nicht herangezogen werden. — Was aber die Beispiele anbelangt, die Bromann für diese Art der Gefässwurzelwanderung ins Feld führt, so kann ich dieselben leider nicht als einwandsfrei anerkennen. — Denn ich muss entschieden bestreiten, worauf ich übrigens später noch eingehender zurückkommen werde, dass es Bromann gelungen ist, nachzuweisen, dass gewisse dorsale Segmental- zweigpaare der Aorta, wie die Wurzeln der Lumbalarterienpaare bei gewissen Säugern und gelegentlich auch beim Menschen oder aber die Anfangsabschnitte der A. ıliacae beim Menschen und vielen Säugern während der Entwickelung tatsächlich mit- einander verwachsen. — Den fünften sogenannten wahren Wanderungsmodus Bro- manns übergehe ich, weil der Autor selbst von ihm sagt, dass ihm sichere Beispiele einer solchen Wanderungsart nicht be- kannt geworden seien. — Sehr viel grösseres Interesse verdient dagegen Bromanns sechster Wanderungsmodus, der mit Tandlers (24) sogenannter aktiver Wanderung identisch ist. — Es würde bei dieser Wande- rungsart nach Bromanns Meinung ein gegenseitiger Austausch von Wandpartien zwischen dem Gefässstamme, und der von ihm ausgehenden Gefässwurzel stattfinden. — Es handelt sich bei 19* 278 F. HOCHSTETTER, dieser Art um eine wirkliche, (vielleicht die einzig wirkliche), Wanderung eines Gefässastes entlang einem Gefässstamme, das heisst, wir sehen beispielsweise bei einem älteren Embryo einen und denselben Arterienast weiter caudal aus der Aorta ent- springen als bei einem jüngeren, und können mit Bestimmtheit ausschliessen, dass der Ursprung dieses Gefässes dadurch ver- schoben erscheint, dass sich für dasselbe eine neue weitere caudal entspringende Wurzel gebildet hat, während seine ursprüngliche Wurzel zugrunde gegangen ist. — Welche Materialverschiebungen in der Gefässwand in solchen Fällen vor sich gehen, entzieht sich dabei natürlich zunächst ganz unserer Beurteilung. — Bromann sagt nun von dieser Art der Wanderung: „Meiner Meinung nach ist aber die Existenz einer solchen „aktiven Wanderung‘ bisher durch keine Tatsache gestützt worden !). — Da diese ‚aktive Wanderung‘ ausserdem mechanisch sehr kompliziert und für eine befriedigende Erklärung der bisher beobachteten Gefässwurzelwanderungen gar nicht notwendig ist, so möchte ich sie bis auf weiteres lieber bestreiten, denn annehmen. — Auf eine Kritik dieser Argumentation brauche ich wohl nicht näher einzugehen. — Dafür will ich an der Hand einiger Beispiele zeigen, dass eine solche wahre Gefässwurzelwanderung tatsächlich vorkommt und dass Bromann, wenn er alle bekannt sewordenen Tatsachen entsprechend berücksichtigt hätte, selbst das Vorkommen solcher Wanderungen hätte bekräftigen müssen. Wie aus der Literatur bekannt ist, entspringen die beiden A. subelaviae der Säuger und des Menschen zuerst aus der Rückenaorta und erst später, wenn diese von der Zusammen- flussstelle der Aortenwurzeln aus gespalten wurde und sich die letzteren auf diese Weise auf Kosten der Rückenaorta ver- längert haben, finden wir die A. subclaviae aus den dorsalen 1) Tandlers (24) recht bestimmte Angaben achtet Bromann offenbar für nichts Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 279 Aortenwurzeln ziemlich weit caudal von der Stelle entspringen, an welcher die 6. Aortenbogen in die dorsale Aortenwurzel ein- münden. — Aber auch dann, wenn die rechte dorsale Aorten- wurzel und der grösste Teil des rechten 6. Aortenbogens bereits geschwunden ist (vgl. Fig. 6 auf Tafel 1), sehen wir die A. sub- clavia sinistra noch etwas caudal von der Mündung des Ductus arteriosus Botalli aus dem, aus der linken dorsalen Aortenwurzel entstandenen Aortenabschnitte entspringen. — Bekanntermassen befindet sich aber in späteren Entwickelungsstadien die Mündung des Ductus Botalli caudal von dem Ursprunge der A. subelavia sinistra, der nunmehr dem Ursprunge der A. carotis communis relativ näher gerückt erscheint. — Es muss also der Ursprung der A. subelavia sinistra an der Mündung des Ductus arteriosus Botalli oder die letztere an dem ersteren in irgend einer Weise vorbeikommen. In der Tat spielt sich der letztere Vorgang ab, das heisst die Mündung des Ductus Botalli wandert in caudaler Richtung an dem Ursprunge der A. subclavia sinistra vorbei. — Man vermag dies deshalb mit ziemlicher Sicherheit zu sagen, weil diese Verschiebung der Mündung des Ductus Botalli ge- wissermassen nur der Schlussakt eines Wanderungsprozesses ist, den die Aortenbogen überhaupt durchmachen. — Dabei lässt sich gerade für den letzten Aortenbogen nachweisen, dass seine Mündung in die dorsale Aortenwurzel in einer bestimmten Entwickelungsperiode bei Embryonen des Menschen und der Säuger an den Ursprüngen sämtlicher segmentaler Arterien des Cervicalgebietes vorbeiwandert !). — Wie sich aber diese Wan- derung vollzieht, das heisst welche komplizierten Materialver- schiebungen sich bei ihr ergeben, vermag ich freilich nicht anzugeben. Als zweites Beispiel wahrer Gefässwurzelwanderung führe !) Vgl. die Abbildungen in meiner Arbeit über die Entwickelung der A. vertebralis beim Kaninchen (11) sowie die in Tandlers Arbeit über die Entwickelung der Kopfarterien (23). 280 F. HOCHSTETTER, ich hier die Medianwärtswanderung der Dorsalzweige der Aorta bei vielen Wirbeltieren an. — Diese Medianwärtswanderung hat Bromann sehr gut gekannt; da er aber eine wirkliche Gefäss- wurzelwanderung nicht anerkennen wollte, half er sich damit, dass er sagte, diese Medianwärtswanderung sei „vielleicht nur scheinbar und zwar hervorgerufen: 1. in den normalen Fällen wohl dadurch, dass die zwischenliegende Aortenwandpartie im Wachstume zurückbleibt, 2. ın den anormalen Fällen !) dadurch, dass die zwischenliegende Aortenwandpartie zuletzt durch all- mähliche Atrophie zugrunde geht‘. — In einer Anmerkung heisst es dann: ‚„Denkbar ist wohl aber auch, dass die betreffende Aortenwandpartie durch Umformung teilweise oder ganz in die proximalen Partien der Dorsalzweige aufgenommen wird.“ — Bromann hat sich sein Urteil über die Verschmelzung dorsaler Aortenzweige oder richtiger gesagt über die Bildung gemeinsamer Ursprungsstämme für je ein dorsales Aortenzweig- paar an menschlichen Embryonen gebildet, bei denen, wie be- kannt, eine solche nur ausnahmsweise an einzelnen Zweigpaaren vorkommt. — Schon aus diesem Grunde war sein Untersuchungs- material kein günstiges. — Viel besser wäre Bromann gefahren, wenn er zur Untersuchung eine Form benützt hätte, bei der die Bildung gemeinsamer Ursprungsstämme für dorsale segmentale Aortenzweigpaare regelmässig beobachtet werden kann, eine Form, deren Embryonen auch stets in emem tadellosen Kon- servierungs- und Füllungszustande der Blutgefässe erhältlich sind. — Als eine solche Form kann ich das Hühnchen bestens empfehlen. — Untersucht man an Embryonen dieses Tieres die ersten zwei auf die A. subclaviae primitivae folgenden seg- mentalen Dorsalzweispaare, so kann man das schrittweise er- folgende Einandernäherrücken der beiden Zweige eines Paares !) Diese Angabe bezieht sich offenbar nur auf den Menschen, bei dem die Entstehung eines gemeinsamen Ursprungsstammes für ein Lumbalarterien- paar den Ausnahmefall bildet. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 281 beobachten. — Man kann ferner beobachten, wie in demselben Masse, als sich diese Zweige einander nicht nur relativ, sondern auch absolut nähern, der Zwischenraum zwischen dorsaler Aorten- wand und Chorda dorsalis zunimmt, wie sich also die Aorta von der Chorda dorsalıs allmählich entfernt. Schliesslich sieht man, wenn die beiden Zweige mit ihren Ursprüngen ganz aneinander herangerückt sind, wie die letzteren auf einer ganz niedrigen Ausladung der Aorta aufsitzen, die m der Folge allmählich immer höher werdend sich zu dem unpaaren Ursprungsstamme des Zweigpaares umgestaltet. — Man hat den Eindruck, als würde dieses gewissermassen aus der Aortenwand herauswachsen oder vielmehr, weil sich die Aorta von dem Rückenmarke und der Chorda dorsalis in ventraler Richtung entfernt, aus der Aortenwand herausgezogen werden. — Dabei kann man sich mit voller Sicherheit davon überzeugen, dass eine Verschmelzung der Anfangsabschnitte der beiden Zweige eines Paares nicht stattfinden kann, weil diese Zweige recht stark divergieren und die zwischen den beiden Zweigursprüngen befindliche Gefäss- wandpartie nie spitzwinkelig geknickt, sondern stets sanft ein- gebogen ist. — Das Gesagte werden am besten die nebenstehenden Fig. 15 bis 18 illustrieren. — Sie betreffen Querschnitte durch die Aorta dorsalis an der Abgangsstelle des auf die A. subclaviae primitivae folgenden Dorsalzweispaares von Hühnerembryonen, die aus 781, St. (Fig. 15), 103 St. (Fig. 16), 115 St. (Fig. 17) und 139 St. (Fig. 18) bebrüteten Eiern stammten. — Bei den ersten drei Embryonen war die Aorta ziemlich stark ausgedehnt, während sie bei dem vierten stärker kontrahiert war. — Trotz dieser Ver- schiedenheit im Kontractionszustande der Aorta und der da- durch etwas veränderten Verhältnisse wird es dem Leser, wie ich hoffe, doch leicht möglich sein, sich vorzustellen, wie sich der Zustand, der in Fig. 18 wiedergegeben ist, aus dem in Fig. 15 wiedergegebenen entwickelt hat. — 282 F. HOCHSTETTER, z Leider vermag man nicht zu beobachten, welche Vorgänge sich bei der Bildung dieses gemeinsamen Ursprungsstammes für je ein dorsales Zweigpaar der Aorta, in der Wand dieses Gefässes, sowie in der Wand des Zweigpaares abspielen. — Wenn Bromann, wie dies schon früher erwähnt wurde, darüber etwas angibt, so sagt er etwas, was er nicht beweisen kann und sagt das, was er sagt, doch auch wohl nur, um die Median- wärtswanderung der beiden Zweige eines Dorsalzweigpaares, denn um eine solche handelt es sich trotz Bromann, sei sie Fig. 15. Fig. 16. Kiel 72 Fig. 18. Fig. 15, 16, 17, 18. nun mehr passiver oder mehr aktiver Natur, unter die Rubrik seiner scheinbaren Gefässwurzelwanderungen bringen zu können. Eine wirkliche Verschmelzung von Dorsalzweigpaarwurzeln zu einfachen Ursprungsstämmen, wie sie Bromann für den Menschen annimmt, sofern sich nämlich beim Menschen manch- mal solche Ursprungsstämme bilden, kommt aber, soweit ich sehen konnte, weder beim Hühnchen noch auch beim Kaninchen vor. — Stets handelt es sich in diesen Fällen bei der Bildung solcher Ursprungsstämme um Vorgänge, die sehr lebhaft an die von Rathke so treffend geschilderten Vorgänge erinnern, die sich bei der Bildung der Carotis primaria der Schlangen und bei der Bildung der Aorta ascendens der Wiederkäuer abspielen. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 283 Übrigens hat Bromann an diese Möglichkeit auch gedacht. — Das geht aus seiner oben (S. 26) wörtlich wiedergegebenen Anmerkung!) hervor. — Was ihn aber nicht hindert, sogar Ursachen für die Verschmelzung der Wurzeln der Dorsalzweige, die die Richtigkeit seiner Mutmassung vorausgesetzt, dann doch eigentlich keine Verschmelzung wäre, anzuführen. — Er sagt auf 8.655: ‚Die nächste Uısache zu der Ver- schmelzung von den caudalsten Dorsalzweigpaaren suche ich dagegen in einer Verstärkung derjenigen Faktoren, welche die Anfangspartien der A. iliacae communes normalerweise zur Verwachsung bringen.‘‘ — Dazu wäre dann nur zu bemerken, dass Bromann (vgl. das von ihm auf 9.731 Gesagte) eine Verschmelzung der Anfangspartien der A. iliacae communes allerdings behauptet, aber nicht nachgewiesen hat und dass er ferner als Ursache für diese behauptete, aber nicht nach- sewiesene Verschmelzung Lageveränderungen der A. iliacae communes angenommen hat, die, wie ich oben schon auseinander- gesetzt habe, unmöglich zu einer Verschmelzung der Anfangs- stücke dieser Gefässe Veranlassung geben können. — Ein drittes Beispiel einer wahren Wanderung von Gefäss- ursprüngen bieten die Ursprünge der Darmarterien dar. — Ich meine da jene Art der Wanderung, die Tandler, vielleicht nicht ganz zweckmässig, als aktive bezeichnet. — Ich will sie in der Folge schlechtweg als Wanderung bezeichnen, denn wie ich früher schon auseinandergesetzt habe, handelt es sich bei allen anderen als Wanderung bezeichneten Vorgängen an den Wurzeln der Darmarterien in Wirklichkeit um Ursprungs- änderungen. — Aus Tandlers Zusammenstellung (24) geht ganz klar hervor, dass bei menschlichen Embryonen von 14 mm grösster Länge angefangen, eine solche Wanderung des Ursprunges der Darmarterien erfolgt. — Auch ich habe mich an einer Anzahl 1) (1) p. 654. 284 F, HOCHSTETTER, von in meinem Besitze befindlichen Schnittserien durch mensch- liche Embryonen zwischen 14 und 20 mm grösster Länge davon überzeugen können, dass eine solche Wanderung stattlinden wird. — Ich führe jedoch die bei diesen Untersuchungen ge- wonnenen Zahlen hier nicht an, weil sie von denen Tandlers nicht wesentlich differieren und vor allem auch deshalb, weil der Mensch, da die Wanderung der Darmarterienwurzeln nur über eine verhältnismässig kleine Strecke der Aortenwand er- folet, kein besonders glänzendes Objekt ist, um diese Wanderung zu demonstrieren. Ganz ähnlich liegen in dieser Beziehung die Dinge auch bei den von mir untersuchten Embryonen von Säugern (Katze, Kaninchen). — Auch bei ihnen erfolgt die Wanderung der Wurzeln der A. coeliaca und der A. mesenterica superior nur über eine nicht allzu lange Strecke der Aortenwand. — Viel ausgiebiger ist dagegen die Wanderung der Wurzel der A. coeliacomesenterica von Krokodilembryonen. — Ich habe dies in einer Arbeit (13) ausführlich geschildert, die Bromann leider nicht gekannt hat. — Ein besonders glänzendes Objekt zur Demonstration der Caudalwärtswanderung der Ursprünge der A. coeliaca und der A. mesenterica superior (omphalomesenterica) geben jedoch die Embryonen des Hühnchens ab. — Ich will hier zunächst bemerken, dass das Huhn gewöhn- lich 13 Hals- und 8 rippentragende (Brust-) Wirbel besitzt und ferner, dass ich bei einem Huhne, dessen Arterien ich injiziert hatte, den Ursprung der A. coeliaca, an der rechten Wand der Aorta in der Höhe der Verbindung des 18. mit dem 19. Wirbel, etwas caudal von dem Ursprunge der ersten aus der Rücken- aorta entspringenden, den 5. Intercostalraum mit Blut ver- sorgenden A. intercostalis vorfand. — Die A. mesenterica superior entsprang auch aus der rechten Wand der Aorta, unmittelbar caudal von dem Ursprunge der A. coeliaca, ziemlich genau in Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kauinchen etc. 255 der Höhe des Ursprunges der 2. aus der Aorta entspringenden, den 6. Intereostalraum versorgenden Intercostalarterie. — Der jüngste Hühnerembryo, auf den ich mich hier beziehen will, stammte aus einem 781, Stunden bebrüteten Ei. — Bei ihm entsprang die A. coeliaca in der Höhe des Arterienpaares des 10. Cervicalsegmentes, genau median ventral aus der Aorta, während die A. omphalomesenterica in der Höhe des dem 3. Thoracalsegmente zugehörigen, segmentalen Arterienpaares entsprang. — Ganz ähnlich fand ich die Verhältnisse bei je einem 88 und 90 Stunden alten Embryo, nur entsprang bei diesen die A. omphalo- mesenterica um ein Segment weiter cranial, also in der Höhe des 2. Thoracalsegmentes. — Auch bei einem 102 Stunden alten Embryo fand sich der Ursprung der A. coeliaca noch ziemlich in der gleichen Höhe, doch lag er nicht mehr genau median ventral, sondern war schon etwas gegen den rechten Umfang der Aorta hin verschoben. — Die A. omphalomesenterica ent- sprang bei diesem Embryo in der Höhe zwischen zweitem und drittem Thoracalsegment. — Bei einem 103 Stunden alten Embryo entsprang die A. coeliaca rechts von der Medianebene in der Höhe des 11. Cervical- segmentes, die A. omphalomesenterica aber in der Höhe zwischen dem 3. und 4. Thoracalseemente. Ganz ähnlich fand ich die Dinge bei je einem Embryo von 105, 120 und 139 Stunden, nur erschien bei diesen Embryonen der Ursprung der A. coeliaca noch mehr auf den rechten Umfang der Aorta herübergerückt. — Bei einem 142 Stunden alten Embryo entsprang die A. coeliaca in der Höhe des 12. Cervicalsegmentes aus dem rechten Umfange der Aorta, die A. omphalomesenterica in der Höhe des 4. Thoracalsegmentes. — Bei einem Embryo von 10 mm Kopflänge entsprang die A. coeliaca in der Höhe zwischen letztem Cervical- und 1. Thoracalsegment, aber nicht wie ge- wöhnlich aus dem rechten Umfang der Aorta, sondern aus dem 286 F. HOCHSTETTER, linken. — Dabei muss hervorgehoben werden, dass bei dem Embryo sämtliche Brust- und Bauchorgane eine normale Lage zeigten. — Der Ursprung der A. omphalomesenterica lag bei diesem Embryo immer noch in der Höhe des 4. Thoracalseg- mentes. — Bei einem Embryo von 11,3 mm Kopflänge fand sich der Ursprung der A. coeliaca schon in der Höhe des 3. Thoracal- segmentes und gehörte wie gewöhnlich der rechten Hälfte der Aorta an. — Die A. omphalomesenterica dagegen entsprang in der Höhe zwischen dem 5. und 6. Thoracalsegmente. — Nahezu definitive Verhältnisse waren bei einem Embryo von 13 mm Kopflänge erreicht. — Der Ursprung der A. coeliaca erfolgte in der Höhe des 5. Thoracalsegmentes aus dem rechten Umfang der Aorta und der der A. omphalomesenterica erfolgte ebenfalls rechts in der Höhe des 6. Thoracalsegmentes. Gleiche Verhältnisse konnten bei Embryonen von 15 und 18,5 mm Kopflänge nachgewiesen werden. Aus den im vorstehenden gemachten Angaben geht hervor, dass sich bei Hühnerembryonen von der 78. Stunde der Be- brütung an der Ursprung der A. coeliaca mindestens um 8 Seg- mente, der der A. omphalomesenterica mindestens um 3—4 Segmente in craniocaudaler Richtung verschiebt, ganz abge- sehen davon, dass sich nebenbei auch noch eine Wanderung der Ursprünge der beiden Gefässe, von der ventralen auf die rechte Wand der Aorta vollzieht. — Und diese Verschiebung oder Wanderung ist eine wahre. — Sie wird nicht etwa durch die Bildung neuer Wurzeln der A. coeliaca und A. omphalomesen- terica mit nachträglicher Obliteration der alten Wurzeln vor- getäuscht, denn in keinem der von mir untersuchten Embryonen konnte ich eine zweiwurzelige A. coeliaca oder eine zweiwurzelige A. omphalomesenterica konstatieren. Auch davon, dass etwa die Wurzelabschnitte der beiden Gefässe sich eine Strecke weit der Aorta innig anlagern und schliesslich mit ihr verschmelzen Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc, 287 würden, wodurch wieder eine Wanderung ihrer Ursprünge vor- getäuscht werden könnte, war nichts wahrzunehmen. Die Ursprünge der beiden Arterien wandern tatsächlich entlang der Aortenwand in caudaler Richtung. — Sie wandern an den Ursprüngen der segmentalen Arterienzweigpaare der in Betracht kommenden Region vorbei und gerade die Ursprünge dieser Arterien liefern wertvolle Anhaltspunkte für die Be- urteilung des Fortschreitens der Wanderung. Wie aber diese Wanderung erfolgt, welche Materialverschiebungen in der Wand der Aorta und in der des Ursprungsteiles des wandernden Ge- fässes erfolgen, darüber etwas auszusagen, was über ganz vage Vermutungen hinausginge, sehe ich mich ausserstande. — Sicher aber beweisen mir die Beobachtungen an Hühnerembryonen, dass Verschiebungen der Ursprünge von Gefässstämmen über recht erheblich lange Wandabschnitte ihrer Stammgefässe er- folgen können. — Auf Bromanns Angaben bezüglich sogenannter scheinbarer Gefässwurzelwanderungen, die zum Teile auch zu scharfer Kritik herausfordern, gehe ich nicht ein, da sie uns in bezug auf das Thema der vorliegenden Arbeit nicht weiter interessieren. Bevor ich nun daran gehe zu schildern, in welcher Weise sich die eigentümlichen Ursprungsverhältnisse der A. caudalıs, wie sie das ausgebildete Kaninchen zeigt, aus einem Zustande herausgebildet haben, ın welchem die A. caudalıs aus der Aorten- teilungsstelle entspringt, will ich an der Hand neuer Beobach- tungen zu zeigen versuchen, dass die Bildung des Truncus hypo- gastricosacralis der Katze nicht, wie die früher erwähnten Autoren angenommen haben, auf eine Verschmelzung der A illıacae communes und der Anfangsabschnitte der A. iliacae internae zurückzuführen ist, sondern, wie ich seinerzeit (10) schon angegeben hatte, einer Wanderung des Ursprunges der A. ılıaca externa ihre Entstehung verdankt. — Zur Untersuchung wurden Schnittserien durch 15 Katzen- 288 F., HOCHSTETTER, embryonen von 15,0 mm bis 36,0 mm grösster Länge ver- wendet. Von diesen 15 Embryonen kommen jedoch soweit es sich um die Bildung des Truncus hypogastricosacralis handelt, nur 10 in Betracht. — Die übrigen 5 wurden nur im Hinblick auf die Verschiebung des Ursprunges der A. ileolumbalıs, sowie mit Rücksicht auf die topischen Beziehungen des Truncus hypogastricosacralis mit untersucht. — Die Längendimensionen betrugen bei den ersten 10 Em- bryonen : Nr. 1. 15,0 mm (Querschnittserie). Nr. 2. 15,0 mm (Sagittalschnittserie). Nr. 3. 15,5 mm (Querschnittserie). Nr. 4. 15,9 mm (Sagittalschnittserie). Nr. 5. 16,0 mm (Quer- schnittserie). Nr. 6. 17,5 mm (Querschnittserie). Nr. 7. 15,9 mm (Querschnittserie)!). Nr. 8. 18,1 mm (Querschnitt- serie). Nr. 9. 22,0 mm (Querschnittserie), Nr. 10. 22,0 mm (Sagittalschnittserie). — Von den übrigen fünf Embryonen hatte einer eine Länge von 24,0 mm, zwei waren 30,0 mm lang, einer 33,0 mm und einer 36,0 mm. — Die nebenstehenden Figuren 19, 20 und 21 zeigen uns Bilder eines Plattenmodells, welches die Verhältnisse der Aortenteilungs- stelle von Nr. 1 wiedergibt. — Sowohl die Ventral- (Fig. 19) als auch die Seitenansicht (Fig. 20) zeigt auf das Deutlichste, dass bei dem Embryo noch A. ilicae communes vorhanden sind. — Natürlicherweise erscheint jederseits die A. ilıaca externa noch als ein relativ schwacher, unter rechtem Winkel aus ihr entspringender Ast der A. iliaca communis, der in einiger Ent- fernung von seinem Ursprunge einen kleinen Zweig abgibt, der wie die Vergleichung älterer Stadien lehrt, als A. ileolumbaliıs bezeichnet werden muss. — An der Abgangsstelle dieser Arterie biegt dann die A. iliaca externa gegen den Oberschenkel zu !) Nr. 7 war trotz seiner wesentlich geringeren Länge in der Entwickelung aller seiner Organe weiter vorgeschritten als Nr. 6. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 289 ab. — Die Teilungsstelle der Aorta liegt bei diesem Embryo vor dem Körper des letzten präsacralen Wirbels so, dass die caudale Begrenzung der Teilungsstelle in der Medianebene nur Fig. 19, 20, 21. Aortenteilungsstelle eines Katzenembryo von 15 mm grösster Länge. (Median- schnitt. Ventral- und Seitenansicht. Vergr. 30 fach.) um ein Geringes caudal von der Mitte der Höhe des Körpers des letzten Lumbalwirbels steht. — Die Fig. 21 zeigt die Beziehung des Ursprunges der A. caudalis aufs Klarste, und ebenso ist aus 290 F. HOCHSTETTER, ihr ersichtlich, dass das letzte Lumbalarterienpaar seinen Ur- sprung noch aus der Aortenteilungsstelle nimmt. — Bei dem zweiten Embryo des gleichen Alters Nr. 2, der in eine Sagittalschnittserie zerlegt worden war, zeigten die Art. iliacae externae und die A. ıleolumbales ähnliche Ursprungs- und Verlaufsverhältnisse wie bei Nr. 1. Dagegen war die Lage der Aortenteilungsstelle insofern eine etwas andere, als ihre caudale Begrenzung, und der Abgang der A. caudalis von ihr in der AT N Eee I 5 AL. Fig. 22, 23. Ventral- und Seitenansicht der Aortenteilungsstelle eines Katzenembryo von 17,5 mm grösster Länge. (Vergr. 30 fach.) Höhe des caudalen Randes des letzten Lumbalwirbels lag und infolgedessen das letzte Lumbalarterienpaar in einer etwas grösseren Entfernung von der Abgangsstelle der A. caudalıs aus der dorsalen Wand der Aortenteilungsstelle entsprang. Sehr schön war an dem medianen Sagittalschnitte durch das hintere Körperende dieses Embryo das zu sehen, was auch Fig. 21 recht gut zeigt, dass nämlich die Aortenteilungsstelle eine die beiden Ursprünge der A. ıliacae communes verbindende ventrale Ausladung bildet und dass die A. caudalis aus dem dorsalsten Teile des caudalen Umfanges der Teilungsstelle hervorgeht. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 29] Bei Nr. 3 lagen die Dinge bemahe ganz gleich wie bei Nr. 1. Nur insofern bestand ein Unterschied, als der Ursprung der A. caudalis aus der Teilungsstelle der Aorta ziemlich genau in der Mitte der Höhe des letzten präsacralen Wirbels erfolgte und das letzte Lumbalarterienpaar seinen Ursprung schon aus der Wurzel der A. caudalis nahm. — Nr. 4 und 5 verhielten sich mit Rücksicht auf die uns hier interessierenden Verhältnisse genau so wie Nr. 3. — Ale ; N AL a AL u Tg Fig. 24. Fig. 25. Fig. 24, 25. Ventral- und Seitenansicht der Aortenteilungsstelle eines Katzenembryos von 15,9 mm grösster Länge. (Vergr. 30 fach.) Auch Nr. 6 zeigte (vgl. die nebenstehenden Fig. 22 und 23) noch ähnliche Verhältnisse wie Nr. 1. — Dieses gilt insbeson- dere mit Rücksicht auf die Lagebeziehung der Aortenteilungs- stelle zum Körper des letzten Lendenwirbels und im Hinblick auf die Ursprünge des letzten Lumbalarterienpaares und der A. caudalis. Dagegen erschien bei diesem Embryo die Distanz zwischen der Aorta und dem Ursprunge der A. iliaca externa schon etwas verringert und daher die A. iliaca communis etwas verkürzt. — Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd., H. 2). 20 292 F. HOCHSTETTER, Noch viel deutlicher der Aorta näher gerückt war der Ur- sprung der A. iliacae externae bei Nr. 7 (vgl. nebenstehende Fig. 24 und 25). — Dabei entsprangen auch die A. ileolum- bales, was übrigens schon bei Nr. 6 zu konstatieren war, näher den A. iliacae communes aus den A. iliacae externae, wie bei Nr. 1. — Die Teilungsstelle der Aorta liest bei diesem Embryo vor der Bandscheibenanlage zwischen dem letzten und vor- letzten präsacralen Wirbel, so zwar, dass die caudale Begrenzung A.c. Fig. 27. Fig. 26 und 27. Ventral- und Seitenansicht der Aortenteilungsstelle eines Katzenembryo von 18,1 mm grösster Länge. (Vergr. 30 fach.) der Teilungsstelle in der Medianebene und naturgemäss auch die Abgangsstelle der A. caudalis in der Höhe des cranialen Randes des letzten Lendenwirbelkörpers zu stehen kommt. — Dieses hat aber wieder zur Folge, dass das letzte Lumbalarterien- paar aus der A. caudalis in einiger, wenn auch nicht grosser Entfernung von ihrem Ursprunge, aus ihr hervorgeht, wobei noch die Besonderheit eines asymmetrischen Ursprunges fest- zustellen war. — Die linke Arterie entsprang nämlich etwas weiter cranial als die rechte und hatte infolgedessen einen ziem- lich stark absteigender Verlauf. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 293 Nr. 8 (vgl. nebenstehende Fig. 26 und 27) zeigt nun schon den Ursprung der A. ıliaca externa bis auf die Aorta selbst emporgerückt !), doch entspringt die Arterie auf beiden Seiten immer noch aus der Seitenwand der Teilungsstelle dieses Ge- fässes. — Dabei erscheint auch der Ursprung der A. ileolumbalis “aus der A. iliaca externa im Vergleiche mit den bei Nr. 7 fest- gestellten Verhältnissen, etwas gegen den Ursprung der letzteren hin verschoben, also der Aortenwand näher gerückt. Bei diesem Embryo liest die Teilungsstelle der Aorta wieder so vor dem letzten präsacralen Wirbel, dass in der Mittelebene ihre caudale Begrenzung und der Ursprung der A. caudalıs in der Höhe des caudalen Randes des Körpers dieses Wirbels steht. — Dabei entspringt aber die A. caudalıs schon aus der dorsalen Wand der Acrtenteilungsstelle (vgl. Fig. 27) und die caudale Begren- zung der Aortenteilungsstelle überragt den Ursprung dieser Arterie schon um ein Geringes. — In noch höherem Grade ist das letztere dann allerdings noch bei Nr. 9 und Nr. 10 der Fall. — Fig. 28, 29 und 30 zeigt uns Abbildungen eines Platten- modells, das nach der Querschnittserie durch Nr. 9 angefertigt wurde und Fig. 30 zeigt diesen dorsalen Ursprung ebenso deut- lich, wie der Medianschnitt durch Nr. 10, wie denn überhaupt diese beiden Embryonen in allen wesentlichen, die uns hier interessierenden Verhältnisse betreffenden Punkten gut über- einstimmen. — Wie Fig. 28 zeigt, kann nun schon von einem Truncus hypo- gastricosacralis gesprochen werden, das heisst, die Ursprünge der A. iliacae externae sind im Vergleiche mit Nr. 8 an der 1) Wie ich jetzt nach der Untersuchung eines umfangreichen Materiales sehe, war der Embryo von 26 mm grösster Länge, nach dessen Querschnitt- serie die schematische Fig 2 meiner früheren Arbeit (10) entworfen wurde, zufälligerweise ein solcher, bei dem es wahrscheinlich nie zur Bildung eines einigermassen langen Truncus hypogastricosacralis gekommen wäre, denn bei später untersuchten Embryonen von 22 und 23 mm grösster Länge war bereits ein wohl ausgebildeter Truncus hypogastricosacralis (vgl. Fig. 28) vorhanden. 20* 294 F. HOCHSTETTER, Aortenwand noch weiter emporgerückt. — Gleichzeitig hat sich ober auch der Ursprung der A. ileo lJumbalis der Aortenwand noch weiter genähert. — Fig. 28, 29, 30. Aortenteilungsstelle eines Katzenembryo von 22,0 mm grösster Länge. (Vergr. 30 fach.) Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete 295 Die Aortenteilungsstelle liest bei beiden Embryonen wieder vor dem letzten präsacralen Wirbel, so dass ihr Contour auf dem Medianschnitte zwischen zweites und drittes Drittel der Höhe des letzten Lendenwirbels zu stehen kommt, während die A. caudalis etwas cranial von ihrer Teilungsstelle aus der dor- salen Wand der Aorta, oder besser gesagt, aus der dor- salen Wand des nunmehr bereits gebildeten Truncus hypo- gastrico -sacralis entspringt. — Sobald nämlich die A. iliacae externae mit ihren Ursprüngen eine Strecke weit an der Aorten- wand cranialwärts emporgerückt sind, muss der caudal von ihren Ursprüngen befindliche Abschnitt der Aorta als Truncus hypogastrico-sacralis bezeichnet werden. — Das letzte Lumbal- arterienpaar entspringt bei beiden Embryonen ziemlich in der Mitte der Distanz zwischen den Ursprüngen der A. iliacae ex- ternae und dem Ursprunge der A. caudalis. — Die Veränderungen, die sich dann weiterhin im Gebiete des caudalsten Abschnittes der Bauchaorta abspielen, bestehen darin, dass auch die A. ileo lumbalis von der Wurzel der A. iliaca ex- terna jederseits auf den Aortenstamm überrückt, ein Wande- rungsprozess, der bereits bei einem Embryo von 24 mm grösster Länge soweit vollzogen ist, dass die A. ileo lumbales aus der Aorta entspringen. — Doch liegt ihr Ursprung dem der A. iliacae externae noch sehr nahe. — Mit dem zunehmenden Längenwachstume der Embryonen entfernt sich aber dann der Ursprung dieser beiden Arterien von dem der A. iliacae externae noch etwas weiter in cranialer Richtung, wie dieses die Unter- suchung der vier ältesten Embryonen ergab. — Beim ausgebildeten Tiere fand ich in keinem der von mir untersuchten Fälle die A. ileo lumbalis aus der A. ilıaca externa entspringend. — In der Regel entsprang sie vielmehr in erheb- licher Entfernung vom Ursprunge der A. iliaca externa aus der Aorta (vel. die Textfig. 8, 10, 11, 13 und 14). — Nur in zwei Fällen lagen die Dinge etwas anders. In dem einen Falle (vel. 296 F. HOCHSTETTER, Textfie. 9) erfolgte der Ursprung der A. ileo lumbalis dextra unmittelbar cranial von der gleichseitigen A. iliaca externa und in einem zweiten Falle (vgl. Fig. 12) konnte etwas ähnliches bezüglich der A. ileo lumbalis sinistra festgestellt werden. — Rücksichtlich des Ursprunges des letzten Lumbalarterien- paares zeigen die untersuchten fünf ältesten Embryonen Ver- schiedenheiten, die denen ähnlich sind, wie sie bei erwachsenen Katzen festgestellt werden konnten. — Aber auch bei den 10 jüngeren Embryonen stimmen die Abgangsverhältnisse dieses Arterienpaares kaum bei zweien genau überein, wie auch ein Vergleich der Fig. 19—830 ohne weiteres ergibt. — Hätte man allerdings nur die in Fig. 20, 23 und 27 wieder- segebenen Verhältnisse von Nr. 1, 6 und 8 vor sich, so würde man leicht zu der Meinung kommen können, dass dieselben mit Rücksicht auf die Ursprünge des letzten Lumbalarterienpaares eine Entwickelungsreihe darstellen, bei der entweder dieses Arterienpaar mit seinem Ursprunge an der dorsalen Wand der Aortenteilungsstelle immer weiter cranialwärts emporrückt, oder aber möglicherweise diese Teilungsstelle in caudaler Richtung vorrückt. — Denn natürlich liegt bei Nr. 8 der Contour des Teilungswinkels oder Bogens weiter caudal als bei Nr. I. — Wenn man aber die Fig. 25, 29 und 30 betrachtet, so er- kennt man, dass sich die zugehörigen Embryonen bezüglich des Ursprunges des letzten Lumbalarterienpaares nicht wohl in die Reihe Nr. 1, 6 und 8 einordnen lassen, während dieses mit Rück- sicht auf den Ursprung der A. iliacae externae und der A. ileo- lumbales allerdings recht gut gelingt. — Aus den im obigen mitgeteilten Beobachtungen geht somit hervor, dass bezüglich des Ursprunges des letzten Lumbalarterien- paares schon bei ziemlich jungen Katzenembryonen recht weitgehende individuelle Verschiedenheiten festzustellen sind, wobei natürlich keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass nicht auch bei einem und demselben Individuum im Verlaufe Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 297 der Entwickelung grössere oder kleinere Verschiebungen des Ursprunges des letzten Lumbalarterienpaares und gleichzeitig auch solche der Aortenteilungsstelle stattfinden könnten. — Die letztere liegt nämlich zwar beinahe immer vor dem Körper des letzten präsacralen Wirbels, steht aber vor diesem doch nicht immer in gleicher Höhe. — Auch bei zwei noch jüngeren in Sagittalschnittserien zer- legten Embryonen liess sich ein ähnliches Verhalten nachweisen. — Bei beiden lag die Aortenteilungsstelle vor der Anlage des Körpers des letzten (27.) präsacralen Wirbels. — Bei dem älteren (von 12,5 mm grösster Länge) stand im Medianschnitte ihre caudale Begrenzung in der Höhe des caudalen Randes dieses Wirbels, während sie, sowie der Ursprung der A. caudalis bei dem jüngeren (von 10,0 mm grösster Länge) in der Mitte der Höhe dieses Wirbels stand und das letzte Lumbalarterienpaar aus der Wurzel der A. caudalis entsprang. — Noch jüngere Katzenembryonen konnte ich auf die Lage der Aortenteilungs- stelle nicht untersuchen. — Was nun aber die Verschiebung des Ursprunges der A. iliacae externae von den A. iliacae communes auf den Aorten- stamm hinauf anbelangt, wird wohl, glaube ich, niemand, der die Fig. 14—30 einer eingehenden Betrachtung unterzieht und miteinander vergleicht, daran denken wollen oder können, dass diese Verschiebung auf Vorgänge zurückzuführen ist wie sie, Young und Robinson (31), Levi (15) und Bromann (1, 2 im Auge hatten. — Denn bei keinem der untersuchten Embryonen fand sich an der Aortenteilungsstelle ein richtiger Teilungswinkel vor, sondern stets war die kaudale (Fig. 26, 28) respektive ven- trale (Fig. 19, 22, 24) Begrenzung der Teilungsstellse ein Bogen, dessen Krümmung allerdings bei den verschiedenen Embryonen eine verschiedene Ausbildung zeigte. Nun sind aber die früher genannten Autoren bei ihrer An- nahme einer Verschmelzung der A. iliacae communes und der 238 F. HOCHSTETTER, Anfanesabschnitte der A. ilacae internae zu einem die Fort- setzung der Aorta bildenden Stamme von der Voraussetzung aus gegangen, dass die Teilungsstelle der Aorta eine spitzwinklige sei !), was, wie ich nun gezeigt habe, vollkommen unrichtig ist. Man könnte sich nun freilich, bei oberflächlicher Betrach- tung der in Fig. 24—27 wiedergegebenen Modelle der Aorten- teilungsstelle von Nr. 7 und 8, auch noch wieder vorstellen, dass sich die beiden A. iliacae communes bei Embryonen zwischen 16 und 18 mm egrösster Länge einander nähern, dass der zwischen ihnen befindliche, ventral- und caudalwärts gerichtete, bogen- förmige Wandabschnitt der Aortenteilungsstelle vorgeschoben, und das Anfangsstück der A. caudalis in die Aortenteilungsstelle aufgenommen wird, wobei die auf diese Weise caudalwärts ver- längerte Aorta durch Veränderungen in den aus der Aortenteilungs- stelle hervorgegangenen Teilen ihrer Wand, also durch recht komplizierte Wachstumsvorgänge, eine Verschmälerung erfahren würde. — Man müsste dann aber auch in der Lage sein, nachzu- weisen, dass die Aorta sich tatsächlich um ein gutes Stück in caudaler Richtung verlängert. — Dieses ist jedoch nicht der Fall, denn die Aortenteilungsstelle, respektive die Teilungsstelle des Truncus hypogastricosacralis variiert rücksichtlich ihrer Lagebe- ziehung zum letzten präsacralen Wirbel individuell zwar nicht unerheblich, scheint sich aber bei den einzelnen Individuen, so- weit sich das überhaupt beurteilen lässt, während des Fort- schreitens des Entwickelungsprozesses in der für uns hier in Be- tracht kommenden Entwickelungsperiode, rücksichtlich ihrer topischen Beziehungen nicht wesentlich zu ändern. — Ich glaube deshalb nach wie vor zu der Behauptung be- rechtigt zu sein, dass der Truncus hypogastricosacralıs bei der 1) Auch ich hatte, bevor ich die Aortenteilungsstelle von Katzenembryonen modellierte keine ganz gute und richtige Vorstellung von ihrer Form und des- halb sind auch die Schemen (Fig. 1—4).in meiner früheren Arbeit (10) nicht ganz richtig ausgefallen. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 299 Katze durch eine Überwanderung der Ursprünge der A. iliacae externae von der Wand der A. ıliacae communes auf die der Aorta gebildet wird und dieses um so mehr, als es mir auch noch gelungen ist, zu zeigen, dass die Ursprünge der A. ileo lumbales in ganz ähnlicher Weise von der Wand der A. iliacae externae auf die der Aorta überwandern. — Dabei bin ich aber freilich ausser Stande, anzugeben, welcher Art die Wachstums- vorgänge sind, welche diese Überwanderung vermitteln. — Was aber den Ursprung der A. caudalis aus der dorsalen Wand des Truncus hypogastricosacralis anbelangt, so habe ich bei der Untersuchung der mit Nr. 1—10 bezeichneten Embryonen den Eindruck gewonnen, dass derselbe zunächst durch eine mit einer Stellungsveränderung der A. ıliacae einhergehenden Ver- lagerung jener queren wulstförmigen, die beiden A. ıliacae mit- einander verbindenden Ausladung der Aortenteilungsstelle be- dingt wird. — Diese wulstförmige Ausladung ist bei Nr. 1 (vgl. Fig. 19—21) aber auch noch bei Nr. 6 ziemlich rein ventralwärts gerichtet, während sie sich später immer mehr und mehr in die caudale Richtung einstellt. Dadurch wird der Ursprung der A. caudalis dorsalwärts verdrängt und gehört schliesslich der dorsalen Wand des Truncus hypogastricosacralis an. — Ob dieser Ursprung dann an der dorsalen Wand eventuell noch ein Stück weit cranıalwärts zu wandern vermag, kann ich natür- lich nicht mit Bestimmtheit sagen. — Für gewisse Fälle möchte ich jedoch ein solches Wandern fast für wahrscheinlich halten, während ich allerdings für die Mehrzahl der Fälle nicht glaube, dass ein solches Wandern stattfinden dürfte. — Eine Hauptschwierigkeit bei allen Untersuchungen, die den vorliegenden gleichen oder ähnlich sind, bildet der Umstand, dass schon in den für die Untersuchung ın Betracht kommenden frühen Entwickelungsstadien ein so hoher Grad von Variabilität der Verhältnisse nachgewiesen werden kann. — Dieses zwingt dazu, wenn möglich, von jedem Entwickelungsstadium gleich 300 F. HOCHSTETTER, mehrere Individuen zu untersuchen, weil es sich sonst leicht ereignen kann, dass man Entwickelungsreihen aufstellt, die man wieder umzustossen gezwungen wird, sobald man über ein reicheres Beobachtungsmaterial verfügt. — Man wird sich des- halb, wenn nur wenige Finzelbefunde vorliegen, rücksichtlich ihrer Beurteilung besonders vorsichtig verhalten müssen. — Aber auch dann, wenn man die im vorausgehenden mitgeteilten Beobachtungen über die Bildung des Truncus hypogastrico- sacralis auf das Vorsichtigste beurteilt, wird man, wie ich glaube, kaum zu anderen Schlussfolgerungen kommen können, als es die sind, die ich im vorstehenden gezogen habe. Wenden wir uns nun den Verhältnissen der Aortenteilungs- stelle und des Ursprunges der A. caudalis von Kaninchen- embryonen zu. — Nebenstehende Fig. 31 zeigt uns einen me- dianen Sagittalschnitt!) durch die Aorta und die Anlage der Wirbelsäule eines Kaninchenembryo von 3,57 mm Kopflänge. — Die Aortenteilungsstelle liegt beidiesem Embryo, und ganz ähnlich verhielten sich in dieser Beziehung auch noch zwei andere, eleich alte Embryonen, vor der Anlage des Körpers des 26. prä- sacralen Wirbels und der auf diese folgenden Bandscheiben- anlage. — Der Ursprung der A. caudalis ist verhältnismässig weit und erscheint trichterförmig gestaltet. — Die A. coeliaca entspringt in der Höhe des 11., die A. omphalo mesenterica in der Höhe des 14. und die A. mesenterica inferior in der Höhe des caudalen Abschnittes des 25. Wirbelkörpers. — Textfigur 32 zeigt einen Medianschnitt durch ein Stück der Aorta und der Wirbelsäulenanlage eines Embryo von 5,14 mm Kopflänge, also eines Embryo, der schon sehr viel weiter in der Entwickelung vorgeschritten war, wie der Embryo der Text- 1) Dieser sowie die in den folgenden Textfiguren wiedergegebenen Median- schnitte sind durch Kombination von zwei bis höchstens sechs aufeinander- folgenden Schnitten je einer Längsschnittserie hergestellt. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 301 fisur 81. — Auch bei diesem Embryo zeigt die Aortenteilungs- stelle noch dieselben Lageverhältnisse, wie bei den nächst Jüngeren, nur ist die Mündung der A. caudalis nicht mehr so weit wie früher und erfolgt bereits aus dem dorsalen Teile der caudalen Wand der Teilungsstelle. — Der Ursprung der A. coeliaca liegt in der v% Vs1 Fig. 31. Fig. 32. Medianschnitt durch Aorta und Wir- Medianschnitt durch Aorta und Wir- belsäule eines Kaninchenembryo von belsäule eines Kaninchenembryo von 3,57 mm Kopflänge. (Vergr. 20 fach.) 5,14mm Kopflänge. (Vergr. 20 fach.) Höhe der Bandscheibenanlage zwischen dem 15. und 16. Wirbel, der der A. omphalo mesenterica in der Höhe der Bandscheiben- anlage zwischen 16. und 17. Wirbel. Dagegen entspringt die A. mesenterica inferior in der Höhe des 24. Wirbelkörpers, also weiter cranial als bei dem Embryo der Fig. 31. — Auch bei einem Embryo von 6,43 mm Kopflänge liegen 302 F. HOCHSTETTER, (vgl. untenstehende Fig. 33) die Verhältnisse der Aortenteilungs- stelle noch immer ziemlich gleich wie früher. — Nur bemerkt man, wenn man genau zusieht, vor allem aber, wenn man durch die Untersuchung älterer Embryonen auf den Vorgang auf- merksam geworden ist, dass die Aortenteilungsstelle cranıal- Fig. 33. Fig. 34. Medianschnitt durch Bauchaorta und Medianschnitt durch Bauchaorta und Wirbelsäule eines Kaninchenembryo Wirbelsäule eines Kaninchenembryo von 6,43 mm Kopflänge. (Vergr. von 7,05 mm Kopflänge. (Vergr. 20 fach.) 20 fach.) wärts zurückzuweichen beginnt, so dass die Ausmündung der A. caudalis jetzt schon vor die Bandscheibenanlage zwischen dem letzten präsacralen und dem 1. Kreuzwirbel zu liegen kommt. — Die A. coeliaca entspringt bei diesem Embryo vor der Band- scheibenanlage zwischen dem 18. und 19., die A. omphalo mesen- terica vor der Bandscheibenanlage zwischen dem 19. und 20. Wirbel. Dagegen entspringt die A. mesenterica inferior wieder vor der Bandscheibenanlage zwischen dem 24. und 25. Wirbel. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 303 Sehr viel deutlicher als bei dem Embryo der Fig. 33 ist das Zurückweichen der Aortenteilungsstelle bei einem Embryo von 7,05 mm Kopflänge zu erkennen (vgl. nebenstehende Fie. 34). Bei ihm reicht ihre caudale Wand nur noch bis ungefähr zur Mitte der Höhe des Körpers des 26. (letzten) präsacralen Wirbels und das Arterienpaar des 1. Sacralsegmentes, welches bei dem Embryo der Fig. 31 noch aus der Wurzel der A. caudalıs ent- sprang, entspringt nun schon ziemlich weit von der Aorten- teilungsstelle entfernt aus dem Stamme der A. caudalis. — Es hat also in der Zwischenzeit durch das Zurückweichen der Aortenteilungsstelle die A. caudalıs eine Verlängerung in cranialer Richtung erfahren. — Während die A. mesenterica inferior wieder ungefähr an der gleichen Stelle (auf die Wirbelsäulen- anlage bezogen) entspringt, wie bei dem Embryo der Fig. 33, entspringt die A. coeliaca bereits in der Höhe des Körpers des 19., die A. omphalo mesenterica aber in der Höhe des Körpers des 20. Wirbels. — Einen noch weiteren Fortschritt zeigt das Zurückweichen der Aortenteilungsstelle bei einem nächst älteren Embryo von 7,2 mm Kopf- und 13,6 mm Steiss-Scheitellänge, wie aus neben- stehender Fig. 35 ersichtlich ist. — Bei ihm steht die caudale Wand der Teilungsstelle schon in der Höhe der Bandscheiben- anlage zwischen Vertebra 25 und 26 und es ist der Ursprung des letzten Lumbalarterienpaares von der Aortenwand auf die Wand der A. caudalıs übergerückt. — Gleichzeitig kann man, wenn man Fig. 35 mit den Fig. 31—34 vergleicht, erkennen, dass sich die Aorta stetig etwas in ventraler Richtung von der Wirbelsäulenanlage entfernt, und dass dort, wo die den Körpern des 23., 24. und 25. Wirbels entsprechenden Lumbalarterien- paare entspringen, kleine, dorsalwärts gerichtete Ausbuchtungen der Wand der Aorta auftreten, aus denen sich dann später die gemeinsamen Ursprungsstämme für die einzelnen Lumbalarterien- paare entwickeln. — 304 F. HOCHSTETTER, Dass bei dem vorliegenden Embryo sowohl der Ursprung der A. coeliaca, als auch der der A. omphalo mesenterica noch wieder um ein Stückchen weiter caudalwärts gewandert sind, ergibt ein Vergleich der Textfiguren 34 und 35. — Ami. Fig. 35. Fig. 36. Medianschnitt durch Bauchaorta und Medianschnitt durch Bauchaorta und Wirbelsäule eines Kaninchenembryo Wirbelsäule eines Kaninchenembryo von 7,2 mm Kopflänge. (Vergr. von 8,1 mm Kopflänge. (Vergr. 20 fach.) 20 fach.) Scheint schon bei dem eben besprochenen Embryo der Ur- sprung der A. caudalis etwas gegen die dorsale Aortenwand vorgeschoben zu sein, so ist dies sicher in noch ausgeprägterer Weise bei einem Embryo von 8,1 mm Kopf- und 15,5 mm Steiss- Scheitellänge der Fall, wie dies der in nebenstehender Fig. 36 abgebildete Medianschnitt durch den in Betracht kommenden Abschnitt der Aorta und der Wirbelsäule dieses Objektes lehrt. — Dabei erscheint die caudale Wand der Aortenteilungsstelle noch Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 305 wieder um ein Stückchen in cranialer Richtung zurückgewichen, die Aorta also im ganzen noch wieder etwas kürzer geworden. Ich brauche wohl nicht besonders hervorzuheben, dass, ganz abgesehen davon, dass absolut nichts nachzuweisen ist, Fig. 37. Fig. 38. Medianschnitt durch Bauchaorta und Medianschnittdurch Bauchaorta und Wirbelsäule eines Kaninchenembryo Wirbelsäule eines Kaninchenembryo von 16 mm Steiss - Scheitellänge. von 17,8 mm Steiss - Scheitellänge. (Vergr. 20 fach.) (Vergr. 20 fach.) was für eine Verschmelzung der Anfangsstücke der A. ıliacae communes sprechen würde, dieses Zurückweichen der Aorten- teilungsstelle in cranialer Richtung allein schon gegen die Wahr- scheinlichkeit eines solchen Vorganges zeugen würde. — Wenn ich dieses sage, gehe ich von der Voraussetzung aus, dass sich die 306 F. HOCHSTETTER, Verhältnisse, wie sie an Fig. 36 ersichtlich sind, aus solchen entwickelt haben werden, wie sie die Fig. 31—35 zeigen. — Ganz selbstverständlich ist diese Voraussetzung allerdings nicht. So unterliegt es beispielsweise kaum einem Zweifel, dass sich die Verhältnisse, wie sie umstehende Fig. 37 von einem Kaninchenembryo von 16 mm Steiss-Scheitellänge wiedergibt, schwerlich aus Verhältnissen entwickelt haben werden, wie sie an den Fig. 35 und 36 zu sehen sind. — Denn bei dem Embryo der Fig. 37 steht die caudale Wand der Aortenteilungsstelle etwa so weit caudal, wie bei dem Embryo der Fig. 34. — Freilich könnte bei dem vorliegenden und bei anderen ähnlichen Fällen auch daran gedacht werden, dass sich, nachdem die Aortenteilungs- stelle vorerst eine Zeitlang cranialwärts zurückgewichen und der Ursprung der A. caudalis auf die dorsale Aortenwand über- gewandert ist, die Aorta über den Ursprung der A. caudalıs hinaus secundär wieder verlängert hat. — Ich glaube indessen, dass es zur Erklärung des vorliegenden Falles richtiger ist, anzu- nehmen, dass es frühzeitig zu einer Stockung in dem Processe des Zurückweichens der Aortenteilungsstelle kam. — Sehen wir aber von diesem Ausnahmefalle ab, den ich eigentlich nur deshalb abgebildet habe, um zu zeigen, wie ge- legentlich bei der Untersuchung eines grösseren Materiales Fälle zur Beobachtung kommen, die ganz aus der Reihe fallen und die den Untersucher recht leicht auf Irrwege führen können, und wenden wir uns den Verhältnissen eines Embryo von 8,76 mm Kopf- und 17,85 mm Steiss-Scheitellänge zu (vgl. umstehende Fig. 38), so sehen wir wie bei ihm die Aortenteilungsstelle wieder ziemlich in der gleichen Höhe steht, wie bei dem Embryo der Fig. 36. — Dafür erweist sich bei ihm der Ursprung der A. caudalis, dem nun schon ziemlich langen gemeinsamen Ur- sprungsstamme des vorletzten Lumbalarterienpaares wesentlich näher gerückt. — Man könnte sich nun vorstellen, dass, wenn dieses Vorwärts- Über den Ursprung der Art. caud . beim Orang und beim Kaninchen ete. 307 rücken des Ursprunges der A. caudalis an der dorsalen Aorten- wand noch weiter fortschreiten würde, schliesslich Verhältnisse resultieren müssten, wiesieneben- stehende Figur 39 von einem Kaninchenembryo von 19,5 mm Steiss-Scheitellänge wiedergibt. Ich glaube jedoch, dass die Ver- hältnisse, wie sie in Fig. 38 wie- dergegeben wurden, schon so weit spezialisiert sind, dass ein Über- rücken des Ursprunges der A. caudalis auf den gemeinsamen Ursprungsstamm des vorletz- ten Lumbalarterienpaares nicht mehr gut möglich wäre, und dass deshalb diese Verhältnisse ziemlich unverändert in den blei- benden Zustand, den ich oben (S.13) als Typus 2 bezichnete habe, übergehen werden. — Andererseits bin ich aber auch der Meinung, dass die in Fig. 39 wiedergegebenen Verhältnisse, die ja nahezu die des Typus 1. des ausgebildeten Tiere sind, aus Verhältnissen hervorgehen werden, wie sie etwa die Fig. 35 wiedergibt. — Ich stelle mir dabei vor, dass mit einem gleichzeitig erfolgenden weiteren, wenn auch geringen Zurück- Fig. 39. Medianschnitt durch Bauchaorta und Wirbelsäule eines Kaninchenembryo von 19,5 mm _ Steiss-Scheitellänge. (Vergr. 20 fach.) weichen der Aortenteilungsstelle, der Ursprung der A. caudalıs rasch an der dorsalen Aortenwand in cranialer Richtung vor- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd., H. 2). 21 308 F. HOCHSTETTER, rückt, so dass er die Abgangsstelle des vorletzten Lumbalarterien- paares erreicht, bevor an demselben noch ein eigentlicher ge- meinsamer Ursprungsstamm gebildet ist und indem er noch ein Stückchen weiter cranialwärts wandert, auch noch den Ursprung dieses Lumbalarterienpaares von der Aorta übernimmt. — Da, wie ich früher gezeigt babe (S. 13), beim Kaninchen zweierlei Typen des Ursprunges der A. caudalis und der Lage der Aortenteilungsstelle vorkommen, die sich wohl ohne Zweifel in der Mehrzahl der Fälle von den Eltern auf die Nachkommen vererben werden, so wird es sich also, wenn man darauf rechnen will, Entwickelungsstadien der Aortenteilungsstelle zu sehen, wie sie für den Typus 1 charakteristisch sind, darum handeln, Embryonen von Kaninchen zu untersuchen, die dem Typus 1 angehören. — Nun habe ich leider erst vor 14, Jahren die Ent- deckung von dem Vorhandensein der beiden Typen gemacht, und bin deshalb bei der Mehrzahl der in meinem Besitz befind- lichen Kaninchenembryonen nicht imstande, anzugeben, ob sıe von Muttertieren des Typus 1 oder von solchen des Typus 2 stammen. Ich war daher bei der Suche nach Kaninchenem- bryonen, die mir ein Zwischenstadium zwischen den Verhält- nissen der Fig. 35 und denen der Fig. 39 dargeboten hätten, auf den Zufall angewiesen und dieser erwies sich mir leider nicht als günstig. — So bin ich also nicht in der Lage, eine vollständige Entwickelungsreihe für den Typus 1 vorzulegen, während mir dies allerdings für den Typus 2 möglich war. — Ich möchte hier nachträglich noch bemerken, dass die Zahl der untersuchten Kaninchenembryonen sehr viel grösser war, als die Zahl der Einzelfälle, auf die ich mich im voraus- oehenden bezogen habe. — Aber es wäre für den Leser wohl allzu ermüdend geworden, wenn ich über alle untersuchten Fälle berichtet hätte. — Fasse ich nun das, was sich bei der Untersuchung der Ent- wickelung der Verhältnisse an der Aortenteilungsstelle von Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 309 Kaninchenembryonen ergeben hat, kurz zusammen, so kann folgendes gesagt werden: 1. Die Aortenteilungsstelle liegt bei jüngeren Embryonen normalerweise vor dem 26. präsacralen Wirbel. — Aus ihrer dorsalen Wand entspringt das letzte Lumbal- arterienpaar. — In der Folge weicht sie entweder (Typus 2) um die halbe oder (Typus 1) um die ganze Höhe der Anlage des letzten Lendenwirbelkörpers zurück, wobei die A. caudalıs den Ursprung des letzten Lumbalarterienpaares übernimmt. — 2. Erfolgt während dieses Zurückweichens eine Verlagerung, respektive Wanderung des Ursprunges der A. caudalis von der caudalen Wand der Aortenteilungsstelle auf deren dorsale Wand und 3. kann diese Wanderung so weit eranialwärts fortschreiten, dass auch der Ursprung des vorletzten Lumbalarterienpaares von der A. caudalis übernommen wird (Typus 1). Leider konnte allerdings Punkt 3 nicht direkt beobachtet werden. — Welche Wachstumsveränderungen sich an der Wand der Aortenteilungsstelle abspielen, während die oben angegebenen Verschiebungen vor sich gehen, vermag ich leider nicht anzu- seben. — Jedenfalls sind diese Veränderungen von recht kom- plizierter Art. — Insbesondere aber erscheint mir der Mechanismus des Zurückweichens der Aortenteilungsstelle noch ganz rätsel- haft. — Ich muss mich also vorläufig damit begnügen, das Vor- kommen dieses Zurückweichens festgestelitt zu haben, welches erfolgt, ohne dass der Lumbalteil der Aorta im ganzen im Wachs- tume zurückbleiben würde. — Ein solches Zurückbleiben wäre ja leicht an dem Verhalten und der Verlaufsrichtung der Lumbal- arterien zu erkennen. — Bei Katzenembryomen scheint, soweit meine Erfahrung reicht, ein solches Zurückweichen der Aortenteilungsstelle nicht vorzukommen. — Wenigstens lag bei den zwei jüngsten von mir untersuchten Embryonen, die in Sagittalschnittserien zer- legt waren und an denen sich dies feststellen liess, dıe Aorten- teilungsstelle, sowie bei den älteren untersuchten Embryonen, 21* 310 F. HOCHSTETTER, bereits vor der Anlage des Körpers des 27. Wirbels (vgl. S. 36) }). Erfahrungen über die Lage der Aortenteilungsstelle bei den Embryonen anderer Säuger fehlen mir vollständig. — Ich vermag daher auch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob noch bei anderen Säugern ein ähnliches Zurückweichen der Aorten- teilungsstelle, wie es bei Kaninchenembryonen beobachtet werden konnte, vorkommt, aber jedenfalls wird man mit der Möglich- keit eines solchen Vorkommens rechnen dürfen. — Und so wird man auch damit rechnen können, dass bei Säugern, bei denen im ausgebildeten Zustande ähnliche Verhältnisse des Ur- sprunges der A. caudalis festgestellt werden können, wie beim Kaninchen, sich diese Verhältnisse aus dem wohl beı allen Säugerembryonen übereinstimmenden primitiven Verhalten, in welchem die A. caudalıs aus der Aortenteilungsstelle selbst ent- springt, in ähnlicher Weise, wie beim Kaninchen durch eine Überwanderung des Ursprunges der A. caudalis auf die dorsale Wand der Aorta herausgebildet haben werden. Fassen wir nun nach den an Kaninchenembryonen ge- machten Erfahrungen neuerdings die bei den verschiedenen untersuchten Orangs festgestellten Verhältnisse der Aorten: teilungsstelle und der A. caudalis ins Auge, so werden wir jetzt, wie ich glaube, mit einiger Berechtigung sagen dürfen, dass Fransens Exemplar ganz primitive Verhältnisse darbot, indem bei ihm die Aortenteilungsstelle nicht nur vor dem letzten präsacralen Wirbel gelegen war, sondern auch die A. caudalis ihren Ursprung aus der Teilungsstelle der Aorta genommen hatte. — !) Dagegen fand ich bei einem Embryo von 10,3 mm grösster Länge die Teilungsstelle der Aorta vor der Anlage des Körpers des 26. Wirbels. Freilich konnte ich in dem Falle nicht feststellen, ob dieser 26. Wirbel zugleich auch der letzte präsacrale geworden wäre. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 311 Aus diesen primitiven Verhältnissen lassen sich die bei meinen sechs Orangs gefundenen, zum Teile recht abweichenden Verhältnisse ohne Schwierigkeit ableiten, wenn man annimmt, dass sich beim Orang während des Embryonallebens an der Aortenteilungsstelle ähnliche Vorgänge abspielen, wie bei Kaninchenembryonen. — Von dieser Annahme ausgehend wird man sagen können, dass bei Orang Nr. 1 die Aortenteilungsstelle ihre primitive Lage beibehalten hat, während der Ursprung der A. caudalis auf die dorsale Wand der Aorta übergewandert ist und dabei zuerst den Ursprung des letzten und hierauf auch den des vorletzten Lumbalarterienpaares übernommen hat. — Der gleiche Wanderungsprocess wird sich auch an dem Ursprunge der A. caudalis bei den übrigen, von mir untersuchten Orangs abgespielt haben. — Gleichzeitig wird aber bei ihnen auch ein Zurückweichen der Aortenteilungsstelle in cranialer Richtung erfolet sein, das bei Nr.3, 4 und 5 seinen höchsten Grad er- reichte. — Natürlicherweise drängt sich nun sofort die Frage auf, wie denn die Dinge beim Menschen liegen, bei dem ja die A. caudalis auch in der Regel aus der dorsalen Wand der Aorta in geringerer oder grösserer Entfernung von der Teilungsstelle entspringt und ob sich auch beim Menschen ähnliche Vorgänge an der Aorten- teilungsstelle abspielen, wie ich sie beim Kaninchen beobachten konnte. — Das Material an Beobachtungen, welches bisher über diesen Gegenstand vorliegt, scheint mir eine bestimmte Beantwortung der Frage mit einiger Sicherheit noch nicht zuzulassen. — An- gaben, welche die Lage der Aortenteilungsstelle bei mensch- lichen Embryonen bis zu einem gewissen Grade von Sicherheit zu bestimmen ermöglichen, liegen in den Arbeiten von Tandler (24) und Bromann (1, 2) vor. — 312 F. HOCHSTETTER, Tandlers Angaben beziehen sich auf fünf Embryonen. Bei dem jüngsten von diesem Autor untersuchten Embryo (II) von 5 mm grösster Länge lag der Abgang der lateralen Wurzel der A. umbilicalis, also der späteren A. iliaca communis, von der Aorta in der Höhe der 24. ‚Wirbelanlage (entsprechend dem 25. Aortensegment Tandlerst). — Ganz ähnlich lagen die Dinge bei zwei Embryonen von 9 mm grösster Länge (La und DL), sowie bei einem Embryo von 121, mm Länge (KS). — Da- gegen fand sich bei einem Embryo von 141, mm Länge (S,) die Aortenteilungsstelle vor der Anlage des 23. präsacralen Wirbels. Ich möchte zu den eben gemachten Angaben bemerken, dass Tandler allerdings nicht angıbt, vor welcher Wirbel- anlage bei den von ihm untersuchten Embryonen die Aorten- teilungsstelle gelegen hatte. — Er notiert vielmehr nur das Aortensegment, aus dem die A. iliaca communis entsprang. — Nun liegen aber in der Zeit der Entwickelung, aus der Tandlers Embryonen stammen, die Aortensegmente, mindestens im Lendengebiete genau vor den korrespondierenden Wirbelkörper- anlagen. — Erst später kommt es nämlich im Lumbalteile der Aorta häufig dazu, dass sich derselbe infolge von Differenzen im Längenwachstume von Aorta und Wirbelsäule an der letzteren verschiebt, eine Verschiebung, die, wie Schwalbe (22) zuerst richtig hervorgehoben bat, an einer schiefen Verlaufsrichtung der dorsalen segmentalen Arterienzweige erkannt werden kann. — So zeigt also bei Tandlers Embryonen die Abgangsstelle eines dorsalen segmentalen Arterienpaares in der uns interessie- renden Gegend ziemlich genau die Mitte der Höhe der zugehörigen Wirbelkörperanlage an. — Nach den wenigen Objekten, die Tandler untersucht hat, würde also die Aortenteilungsstelle bei menschlichen Embryonen zuerst vor der 24. Wirbelanlage, also bei normaler Wirbelzahl vor der Anlage des Körpers des !) Als 1. Aortensegment bezeichnet Tandler das, welches der mit dem l. Spinalnerven verlaufenden segmentalen Arterie den Ursprung gibt. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 313 letzten Lendenwirbels und später vor der Anlage des Körpers des vorletzten Lendenwirbels gelesen sein. — Dabei müsste das dem 5. Lendensegmente entsprechende dorsale, segmentale Arterienpaar zuerst aus der dorsalen Wand der Aortenteilungs- stelle entspringen, um dann, wenn die Aortenteilungsstelle cranialwärts vorrückt, mit seinem Ursprunge auf die A. sacralıs media überzugehen, worüber Tandler, dessen Interesse natur- gemäss auf die Darmarterien concentriert war, nichts angibt. — Der zweite Forscher, welcher Angaben macht, die einen Rückschluss auf die Lage der Aortenteilungsstelle zur Wirbel- säule bei menschlichen Embryonen gestatten, istBromann (1,2). — Die Zahl der von Bromann untersuchten Embryonen ist eine ziemlich grosse, doch ist von ihm nicht für alle Embryonen die Abgangsstelle der A. ılıaca communis notiert worden. — Ich habe bei der Verwertung der Angaben Bromanns, von der Voraussetzung ausgehend, dass dieser Autor die Aortensegmente in derselben Weise bestimmt und zählt wie Tandler, das heisst nach den dorsalen segmentalen Arterien, als erste die mit dem N. suboccipitalis eindringende gerechnet, auch wieder den Wirbelkörper bestimmt, vor dem die Aortenteilungsstelle ge- legen haben musste und habe deshalb auch nur die jüngeren Embryonen Bromanns (bis Nr. XX) in Betracht gezogen. — Denn bei den älteren konnten ja möglicherweise schon durch Wachstumsdifferenzen bedingte Verschiebungen zwischen Aorta und Wirbelsäule Platz gegriffen haben, die dann die Lage der Aortenteilungsstelle zur Wirbelsäule beeinflussen mussten, auf die aber Bromann, da er über die Lage der Aortenteilungsstelle zur Wirbelsäule überhaupt nichts angibt, in seiner Beschreibung leider keine Rücksicht genommen hat. — Die drei jüngsten von Bromann untersuchten Embryonen kommen für unsere Frage überhaupt nicht in Betracht. — Bei Nr. IV von 4,5 mm grösster Länge entspringt, wie Bromann angibt, die A. umbilicalis caudal vom 25. Aortensegmente mit 314 F. HOCHSTETTER, zwei Wurzeln aus der Aorta, von denen, nach der Abbildung zu urteilen mindestens die craniale stärkere Wurzel noch ventral von der 24. Wirbelanlage entspringen dürfte. — Bei Nr. V von 5 mm Länge soll die A. umbilicalis auch jederseits wieder zwei Wurzeln besitzen, welche aus dem 24. und 25. Aortensegmente also ventral von den Anlagen der Körper des 23. und 24. Wirbels entspringen und von denen wieder die craniale die stärkere ist. — An anderer Stelle (S. 492) betont Bromann dann, dass die beiden bei dem jüngeren Embryo (Nr. IV) beobachteten Wurzeln der A. umbilicalis, als primäre Wurzeln (in meinem Sinne) zu betrachten seien, sagt aber nichts über die Bedeutung der beiden Wurzeln bei dem älteren Embryo (Nr. V). — Bei Nr. VI, einem Embryo von 8 mm Länge, würde nach Bromann die Aortenteilungsstelle vor der 22. Wirbelanlage gelegen sein (Ursprung der A. umbilicalis aus dem 23. Aorten- segment). — Für die Embryonen VII—X fehlen Angaben über die Abgangsstelle der A. iliacae communes. — Bei Nr. XI von 10,3 mm Länge (Fig. 12) soll die Abgangsstelle dieser Arterien wieder vor dem Körper der 22. Wirbelanlage gelegen sein. — Für Nr, XII macht Bromann keine Angaben. — Bei Nr. XIII von 11,7 mm Länge (Fig. 14) läge die. Aortenteilungsstelle wieder vor dem Körper der 22. Wirbelanlage, dagegen hätte sie bei einem zweiten Embryo der gleichen Länge, Nr. XIV, ihre Lage vor der 23. Wirbelanlage. — Zum Teile vor dem 22., zum Teile vor dem 23. Wirbelkörper !) würden die A. iliıacae communes bei Nr. XV, einem Embryo von 13,2 mm Länge entspringen, während sich ihr Ursprung nach Bromanns. Angaben bei Nr. XVI von 14 mm Länge (Fig. 17) ventral vom Körper des 32. Wirbels befand. — Bei den folgenden Embryonen Nr. XVII bis XX von 16 mm, 16,2 mm, 18,5 mm und 19 mm lag die Teilungsstelle ventral vom Körper des 23. Wirbels. — Allerdings 1) Es heisst im Texte (S. 455): „Die A. umbilicales gehen von dem 23. und teilweise auch von dem 24. Aortensegmente hinaus.“ Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 315 muss ich hinzufügen, dass Bromanns Angaben über Nr. XVIII nicht ganz mit dem eben Gesagten übereinstimmen. — Er sagt nämlich: „An der Grenze zwischen dem 23. und 24. Aorten- segmente nehmen die A. umbilicales ihren Ursprung. — Doch lässt sich aus seiner Fig. 19 auf S.460 ziemlich klar ablesen, dass die Teilungsstelle der Aorta auch bei diesem Embryo vor dem Körper des 23. Wirbels liegt, aber allerdings die dem gleichen Seemente zugehörigen segmentalen Arterien schon von der A. sacralis media abgeben müssen. — Ich selbst konnte zunächst 14 menschliche Embryonen meiner eigenen Sammlung auf die Lagebeziehung der Aorten- teilungsstelle zur Wirbelsäulenanlage untersuchen. — Diese Em- bryonen hatten die nachfolgenden Längen und führen in meiner Sammlung die nebenstehenden Bezeichnungen: Chr 1, grösste Länge ca. 7 mm, Mü 1, 7,8 mm, Ma 3, 9,18 mm, Re 1, 9,20 mm, H Sch 10,00 mm, N 2, 10,4 mm, P 1, 11,0 mm, X 12,0 mm, Ma 1,12,5 mm, Tsch 1, 13,7 mm, Chr. 2, 15,5 mm, Ma 2, 19,4 mm, Eh, 20,0:mm und R-15,720,0’mm: Unter diesen 14 Embryonen entsprang bei 6 das segmentale Arterienpaar des letzten (5.) Lumbalsegmentes noch aus der dorsalen Wand der Teilungsstelle der Aorta in unmittelbarer Nachbarschaft des Ursprunges der A. caudalis. — Es waren die Embryonen Chr 1, Mü 1, Ma 3, Re 1, N 2, P 1, also mit einer Ausnahme alle jüngeren von mir untersuchten Embryonen, bis zu einer grössten Körperlänge von 11 mm. — Bei allen diesen Embryonen lag daher die Teilungsstelle der Aorta vor der An- lage des Körpers des 24. Wirbels. — Dagegen entsprang bei dem Embryo H Sch von 10 mm grösster Länge das Arterienpaar des letzten Lumbalsesmentes bereits von der Wurzel der A. caudalis, so dass also bei diesem Embryo im Vergleiche mit den anderen von ungefähr der gleichen Länge die Aortenteilungs- stelle cranialwärts etwas verschoben erschien. — Bei 4 älteren Embryonen Ma 1, Ma 2, Eh 1 und R1 (zwischen 316 F. HOCHSTETTER, 12,5 mm und 20,0 mm grösster Länge) fand ich die Aorten- teilungsstelle vor der Anlage des 4. Lumbalwirbelkörpers gelegen und das 4. Lumbalarterienpaar aus ihrer dorsalen Wand hervor- gehend. — Dagegen fanden sich unter meinen Embryonen drei, X, Tsch 1, Chr 2, bei denen die Aortenteilungsstelle vor der Anlage des 3. Lendenwirbelkörpers lag und das 3. Lumbal- arterienpaar nahe der Wurzel der A. caudalıs aus der dorsalen Wand der Teilungsstelle der Aorta entsprang. — Diese drei Embryonen nehmen nun aber anscheinend eine Sonderstellung ein. — Mindestens kann ich dies mit Bestimmtheit für den ältesten von ihnen Chr 1 behaupten, denn dieser Embryo besitzt nur 23 präsacrale Wirbel. — Ob etwas Ähnliches auch bei Tsch 1 der Fall war, konnte ich wegen des schlechten Erhaltungs- zustandes dieses Embryo nicht entscheiden und ebensowenig war eine Entscheidung bei dem wesentlich jüngeren X möglich. Meine Beobachtungen stimmen somit, wenn ich zunächst von den Befunden bei X, Tsch 1 und Chr 2 absehe, mit denen Tandlers insoferne recht gut überein, als bei allen von mir untersuchten jüngeren Embryonen bis zu einer grössten Länge von 11 mm die Aortenteilungsstelle vor der Anlage des 24. prä- sacralen Wirbels lag und nur bei einem (H Sch von 10,0 mm grösster Länge) schon gegen den Körper des 23. präsacralen Wirbels vorgeschoben erschien. — Allerdings fand Tandler auch noch bei einem Embryo von 12,5 mm Länge (K S) die Aortenteilungsstelle vor dem 24. Wirbel gelegen, während sie bei einem gleichlangen von mir untersuchten Embryo Ma 1 vor dem 23. präsacralen Wirbel lag. — Bei dem einzigen älteren Embryo, über den Tandler berichtet (S, von 14,5 mm Länge), lag die Teilungsstelle, sowie bei vier älteren von mir unter- suchten Embryomen vor dem Körper des 23. präsacralen Wirbels. Wenn also nur Tandlers und meine eigenen Befunde vor- lägen, so könnte man aus ihnen vielleicht schliessen, dass eine normale Zahl der präsacralen Wirbelanlagen vorausgesetzt, ın Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 317 der Regel bei jüngeren Embryonen die Teilungsstelle der Aorta vor der Anlage des Körpers des 24. präsacralen Wirbels, bei älteren Embryonen dagegen vor der des Körpers des 23. Wirbels gelegen sei, dass also eine Verschiebung dieser Teilungsstelle in eranialer Richtung in ähnlicher Weise stattfinde, wie beim Kaninchen. — Nun liegen aber Bromanns Angaben vor, die weder mit meinen Befunden, noch auch mit denen Tandlers gut in Ein- klang gebracht werden können und die nur bezüglich der Em- bryonen XVII—-XX mit dem, was ich bei den älteren von mir untersuchten Embryonen fand, übereinstimmen, indem nach Bromanns Angaben auch bei diesen Embryonen die Aorten- teilungsstelle vor dem Körper des 23. Wirbels liegen muss. — Auch bei Nr. XIV von 11,7 mm grösster Länge würde ein gleiches der Fall sein. — Dagegen müsste bei den Embryonen Nr. VI, XI, XIII und XVI die Aortenteilungsstelle vor dem 22. und bei Nr. XV vor der Bandscheibenanlage zwischen 22. und 23. Wirbel gelegen haben. — Merkwürdigerweise notiert Bromann die Beobachtungen, aus denen sich das ergibt, was ich hier über die Lage der Aortenteilungsstelle bei den von ihm untersuchten Embryonen angeführt habe, ohne sich über die Bedeutung der Beobachtungen auszusprechen und vor allem ohne auf die immerhin auffallende Lagedifferenz der Aortenteilungsstelle bei den einzelnen, von ihm untersuchten Embryonen hinzu- weisen. — Jedenfalls fand ich in seiner Arbeit nur einen Ver- merk, dersich auf die oben erwähnten Angaben beziehen dürfte. — Bromann sagt (2, 8.497): „Wenn die frühembryonale Verschmelzung der beiden Aortae descendentes an der caudalen Grenze des 23. Aortensegmentes Halt macht — was recht oft vorzukommen scheint —, wird die Folge, dass das 4. Lumbal- arterienpaar nicht von der Aorta, sondern von der A. sacralis media ausgeht.‘‘ — Nun hat Bromanın allerdings nicht gesagt, wie er dazu gekommen ist, zu behaupten, dass es „recht oft 318 F. HOCHSTETTER, vorzukommen scheint‘, dass die frühembryonale Verschmelzung der Aortae descendentes an der caudalen Grenze des 23. Aorten- segmentes, das heisst also an der caudalen Grenze der Anlage des Körpers des 22. präsacralen Wirbels Halt mache, aber diese seine Bemerkung kann sich doch wohl nur auf die Befunde an seinen Embryonen Nr. VI, XI, XIII und XVI beziehen, da er andere Befunde, die eine solche Bemerkung rechtfertigen würden, uicht beschrieben hat. — Immerhin ist es recht auffallend, das- der Autor kurz vorher (S. 493), dort, wo er von der Caudal- wärtswanderung der A. umbilicalis spricht, diese Befunde voll- ständig ignoriert. — Er sagt nämlich: ‚Im allgemeinen scheinen sie‘ (die A.umbilicales), ‚aber zu dieser Zeit schon am 24. Aorten- segment, Halt zu machen, denn in dieser Höhe finde ich sie bei fast allen meinen Embryonen aus dem zweiten Embryonal- monate‘, nachdem er vorausgeschickt hatte, dass sie schon bei einem Embryo von 5 mm Länge mit zwei Wurzeln aus dem 24. und 25. Aortensegmente entspringen. — Die Wanderung, von der Bromann hier spricht, betrifft die primäre Wurzel der A. umbilicalis, die insoferne eine schein- bare ist, als sich, wie dies auch aus Bromanns Angaben hervor- geht, in dem Masse, als sich das hintere Körperende des Embryo weiter entwickelt, immer neue caudale Wurzeln der A. um- bilıcalıs bilden, während die vorher vorhandenen immer wieder zugrunde gehen. — Die aus dem 25. Aortensegmente, also vor der Anlage des Körpers des 24. Wirbels, entspringende Wurzel dieser Arterie, wäre dann die letzte in der Reihe. — Aber auch sie würde wieder verschwinden, wenn sich die secundäre oder bleibende Wurzel dieser Arterie bildet !). — Begreiflicherweise lag mir, mit Rücksicht auf die eben be- sprochenen Angaben Bromanns, gerade recht viel daran, noch !) Tandler (24) hat für den Menschen nachgewiesen, dass ein ähnlicher Wechsel im Ursprungsstücke der A. umbilicalis Platz greift, wie er von mir zuerst für das Kaninchen beschrieben wurde. Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 319 mehr junge menschliche Embryonen auf die Lage der Aorten- teilungsstelle hin zu untersuchen und ich war deshalb Herrn Kollegen Tandler sehr dankbar, dass er mir eine Reihe von Schnittserien durch jüngere menschliche Embryonen, die dem I. anatomischen Institute der Wiener Universität gehören und in den letzten Jahren angefertigt worden waren, zur Durch- sicht überliess. — Die Längenmasse dieser Embryonen und ihre Bezeichnungen waren die folgenden: Nr. 1 Hal 5, grösste Länge 5,2 mm, Nr. 2 H 6, Steiss-Scheitellänge 6,5 mm, Nr.3 Hal 4, grösste Länge 6,7 mm, Nr.4 Hi ‚8,0 mm grösste Länge, Nr.5 Wal, grösste Länge 8,0 mm, Nr. 6 H 7, grösste Länge 9,2 mm, Nr. 7 BR, erösste Länge 9,75 mm. — Für Nr. 1 liess sich nur mit einer gewissen Wahrscheinlich- keit feststellen, dass bei ihm die Aortenteilungsstelle vor der Anlage des Körpers des 24. Wirbels liegt. — Bei Nr.2, Nr. 5 und Nr. 6 liess sich diese Lage mit Sicherheit bestimmen. — Während aber bei Nr.2 und Nr.5 das 5. Lumbalarterienpaar noch aus der dorsalen Wand der Aortenteilungsstelle entspringt, erfolgt dieser Ursprung bei Nr. 6 schon aus der Wurzel der A. sacralis media.!). — Bei den übrigen Embryonen dieser Serie, also bei Nr.3, Nr. 4 und Nr. 7 lag die Aortenteilungsstelle vor der Anlage des Körpers des 23. Wirbels. — Jedenfalls war aber unter den Embryonen der ganzen Reihe kein einziger, bei dem die Aortenteilungsstelle vor der Anlage des 22. präsacralen Wirbels gelegen hätte. — ') Ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass mir an fast allen jüngeren menschlichen Embryonen, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, eine wechselnde Unregelmässigkeit des Ursprunges der A. sacralis media aufgefallen ist. — Häufig war dieser Ursprung paarig oder von eigentümlichen kurzen dünnen Strängen durchzogen. — Ich hatte dabei den Eindruck, als würde bei diesen Embryonen (bis zu 11—12 mm grösster Länge) die Verschmelzung der paarig angelegten A. sacralis media im unmittelbaren Anschlusse an die sog. Aortenteilungsstelle noch nicht immer vollständig und regelmässig erfolgt sein. — Bei älteren Embryonen dagegen war der Ursprung der A. sacralis media stets ein glatter. 320 F. HOCHSTETTER, Aus den im Vorausgehenden gemachten Angaben ergibt sich somit, dass unter 16 zum Teile von Tandler, Bromann und mir untersuchten Embryonen bis zu einer grössten Länge von 10,0 mm, bei 11 die Teilungsstelle der Aorta vor der Anlage des 24. (letzten) präsacralen Wirbels gelegen hatte. — Bei einem fand sie sich vor der Anlage der Bandscheibe zwischen 23. und 24. Wirbel und bei 4 vor der Anlage des Körpers des 23. Wirbels. Nur bei einem von Bromann untersuchten Embryo hätte sie ihre Lage vor der Anlage des Körpers des 22. Wirbels gehabt. — Bei 11 Embryonen zwischen 10 und 14 mm grösster Länge lag die Teilungsstelle dreimal vor der 24. Wirbelanlage, zweimal vor der 23. Wirbelanlage, einmal ın der Höhe zwischen der 22. und 23. (Bromann) und fünfmal vor der 22. Wirbelanlage. — Bei den übrigen neun untersuchten Embryonen bis zu einer grössten Länge von 20 mm fand sich nur ein von mir beobachteter (Chr 2), bei dem die Aortenteilungsstelle vor dem Körper des 22. Wirbels stand, während sie bei den übrigen acht vor dem Körper des 23. Wirbels gelegen hatte. — Dabei wäre hervor- zuheben, dass der eben erwähnte von mir beobachtete Embryo (Chr 2) nur 23 präsacrale Wirbel besessen hat. Über die Lage der Aortenteilungsstelle beim ausgebildeten Individuum liegen sehr viele Angaben, vor allem in den Lehr- und Handbüchern der Anatomie vor. — Die meisten Autoren geben an, dass diese Teilungsstelle in der Regel vor dem Körper des 4. Lendenwirbels gelegen sei. — Einige, wie z.B. Henle (1876) und Cruveilhier (1877) sagen, sie liege gewöhnlich am unteren Rande des 4. Lendenwirbels. Andere wieder, wie Sappey (1869) und Gegenbaur (1896) finden sie zwischen 4. und 5. Lendenwirbel. — Peers, Peers-Smith (19) fand die Aortenteilungsstelle unter 47 untersuchten Fällen 35 mal vor dem 4. Lendenwirbel gelegen. — In 6 Fällen lag sie vor dem cranialen, in 9 Fällen vor dem mittleren und ın 20 Fällen vor dem caudalen Drittel der Höhe des Körpers dieses Wirbels. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 321 In den übrigen Fällen lag die Teilungsstelle einmal vor der Bandscheibe zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbel, neunmal vor der zwischen 4. und 5., und zweimal vor dem cranialen Drittel der Höhe des Körpers des 5. Lendenwirbels. — Ganz ähnlich lauten die Angaben Farmans (5), der unter 22 Fällen 14 mal die Teilunesstelle vor dem Körper des 4. Lendenwirbels fand, während sie in einem Falle vor der Bandscheibe zwischen dem 3. und 4. und siebenmal vor der zwischen 4. und 5. Lenden- wirbel gelegen war. — Mit diesen Angaben stimmen auch meine im Innsbrucker Präpariersaale gemachten Beobachtungen gut überein. — Sie sehen dahin, dass ich an Leichen jüngerer Individuen, deren Arterien nicht injiziert worden waren, die Aortenteilungsstelle in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle vor dem Körper des vorletzten präsacralen Wirbels gelegen fand, gleichviel ob die Zahl der Wirbel normal, vermehrt oder vermindert war. — Auch in einem Falle von einseitiger Assimilation des 5. Lumbal- wirbels bei einem Neugeborenen lag die Teilungsstelle wie ge- wöhnlich vor dem Körper des 4. Lendenwirbels. — Nur verhält- nismässig sehr selten fand ich bei normaler Zahl der präsacralen Wirbel die Teilungsstelle vor dem Körper des 3. oder der des 5. Lendenwirbels gelegen. — A. E. Taylor (26) beschreibt die Lage der Aortenteilungs- stelle in einem Falle, in dem bei sonst normaler Wirbelzahl 6 Lendenwirbel (also 25 präsacrale Wirbel) vorhanden waren. — In diesem Falle lag die Teilungsstelle vor der Bandscheibe zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel und entsprang das 4. Lum- balarterienpaar aus der A. sacralis media. — Leider gibt Taylor nicht an, in welcher Entfernung vom Aortenteilungswinkel der Ursprung der A. sacralis media erfolgte und ob die A. lum- bales einen absteigenden Verlauf aufwiesen oder nicht. Beinahe ganz abweichend von den Angaben der meisten Autoren und von dem, was wir sonst zu sehen gewohnt sind, 322 F. HOCHSTETTER, lauten Bromanns Angaben (2) über die Lage der Aorten- teilungsstelle resp. über den Abgang der A. iliacae communes von der Aorta, wie er sie an 13 Leichen erwachsener Individuen gefunden hat. — Allerdings wurden seine Angaben so gemacht, dass sie recht schwer verwertbar sind. — Denn Bromann spricht nur von Aortensegmenten und nie von der Lage der Aortenteilungsstelle zu den Wirbeln und von der Zahl der Wirbel. Er hat seine Befunde an Leichen aufgenommen, deren Arterien vorher injiziert worden waren. — Er sagt (8.485) über sie: „Die A. iliacae communes gingen in den meisten Fällen von dem 25. Aortensegment heraus. — In sechs Fällen (Präparate Nr. 1, 3, 4, 5, 9 und 10) kamen sie von der caudalen, in zwei Fällen (Präparate Nr. 8 und 12) von der mittleren und in zwei Fällen (Präparate Nr.2 und 12) von der cranialen Partie dieses Seg- mentes. — In zwei Fällen (Präparate Nr. 6 und 7) zweigten sie sich an der Grenze zwischen 25. und 26. Segment von der Aorta ab und in einem Falle (Präparat Nr. 13) kamen sie von der Mitte des 24. Aortensegmentes. — Wenn man diese Angaben liest, so wird man zunächst un- bedingt zu der Meinung kommen müssen, dass in Bromanns 13 Fällen nur in einem Falle (Präparat Nr. 13) die Aorten- teilungsstelle wie gewöhnlich vor dem Körper des 4. Lenden- wirbels gelegen hatte. — Damit würde für eine Reihe von Fällen auch das stimmen, was Bromann über den Abgang der A. sacralis media sagt. — Dieselbe ‚ging in keinem Falle von der Bifurkationsstelle, sondern immer von der Dorsalseite der Aorta heraus‘. — ‚In sieben Fällen (Nr.1, 4, 5, 6, 7, 9 und 10) eing sie von der Mitte des 25. Aortensesmentes (gemeinsam mit dem verschmolzenen 5. Lumbalarterienpaar) und in zwei Fällen (Nr.3) und 13) von der Mitte des 24. Aortensegmentes ') Bezüglich des Falles 3 muss Bromann irgend ein Fehler unterlaufen sein, denn es ist unmöglich, dass, wie er angibt, die A. iliacae communes aus dem caudalen Teile des 25. Aortensegmentes hervorgehen, die A. sacralis media Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 323 (gemeinsam mit dem 4. Lumbalarterienpaare) heraus. — In drei Fällen (Nr.2, 8 und 12) kam sie aus der caudalen Partie des 94. Aortensegmentes und in einem Falle (Nr. 11) aus der Grenze zwischen 24. und 25. Aortensegment.“ — Da nun Bromann leider keine Angaben über die topischen Beziehungen zwischen Aortenteilungsstelle und Wirbelsäule macht und auch nicht auseinandersetzt, in welcher Weise er die Aortenseemente bestimmt hat, fällt die Deutung seiner Angaben recht schwer. — Wenn er für sieben Fälle angibt, dass die A. sacralis media gemeinsam mit dem verschmolzenen 5. Lumbalarterienpaar aus der Mitte des 25. Aortensegmentes entsprungen sei (Ball 1, 4, 5,26, 0, 92und 10), so kann ich mir wohl vorstellen, wenn ich selbst bisher auch etwas Ähnliches nie gesehen habe, dass es sich um Fälle handelt, in denen der Abgang der A. sacralis media etwa vor der Mitte des Körpers des 5. Lendenwirbels gelegen hatte. — Ganz sicher wäre ich in dieser Richtung, wenn Bromann angegeben hätte, dass die A. lumbales 5, in unmittelbarer Nachbarschaft von ihrem Ur- sprunge, aus der A. sacralis media hervorgegangen wären, da diese schwachen Arterien, wenn sie vorhanden sind, in der Regel einen rein queren Verlauf an den Seiten des Körpers des 5. Len- denwirbels einschlagen. — Wie derselbe Autor aber in den Fällen 13, 2, 8 und 12 davon sprechen kann, dass die A. iliacae communes aus dem 25. Aortensegmente hervorgehen, während die A. sacralis media aus dem 24. Aortensesment entspringt, ist mir vollkommen unklar, denn nach Bromanns Auffassung ist ja doch, genau so wie nach der meinigen, die A. sacralis media (ursprünglich wenigstens) als die unmittelbare Fortsetzung der Aorta aufzufassen. Wenn nun das 4. Lumbalarterienpaar, wie dies z.B. in dem Falle Nr. 13 constatiert wurde, aus der A. aus der Mitte des 24. Aortensegmentes entspringt und gleichzeitig die Distanz zwischen Teilungswinkel der Aorta und Ursprung der A. sacralis media nur 4 mm beträgt. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd, H. 2). 22 324 F. HOCHSTETTER, sacralis media entspringt, so ist eben das proximalste Stück der A. sacralis media mindestens als ein Teil des 24. Aorten- segmentes aufzufassen und wenn die Aorta sich über die Ab- gangsstelle der A. sacralis media hinaus verlängert und sich erst weiter caudal in die beiden A. iliacae communes gabelt, so darf dieses Stück der Aorta, wenn man bezüglich seiner Ent- stehung auf dem Standpunkte Bromanns steht, doch unter keinen Umständen als Aortensegment im Sinne der übrigen Aorten- segmente bezeichnet werden. — Denn indem Bromann annimmt, dass dieser Aortenabschnitt durch Verschmelzung der Anfangs- abschnitte der beiden A. iliacae communes gebildet wurde, darf er ihn doch zweifellos nicht als einen den übrigen Aortenseg- menten gleichwertigen Aortenabschnitt betrachten. — Ganz anders liegen die Dinge allerdings, wenn man an- nimmt, dass ursprünglich die Teilungsstelle der Aorta eine normale Wirbelzahl vorausgesetzt, vor der Anlage des 24. Wirbels, also des letzten Lendenwirbels gelegen hätte, so wie dies bei den meisten von mir und bei allen von Tandler untersuchten menschlichen Embryonen bis zu 10 mm grösster Länge der Fall war. — Dann gibt es allerdings 25 richtige Aortensegmente im Sinne Bromanns. — Nun scheint aber nach meinen Be- obachtungen die Lage der Aortenteilungsstelle vor dem letzten Lendenwirbel bei jungen menschlichen Embryonen die Regel zu bilden und man könnte sich denken, dass Fälle, wie sie Bro- mann in so grosser Zahl beschrieben hat, die aber von anderen Forschern nur ganz vereinzelt beobachtet wurden, bei denen die Aortenteilungsstelle vor dem 5. Lumbalwirbel gelagert war, bei denen aber die A. sacralis media in geringerer oder grösserer Entfernung cranial vom Aortenteilungswinkel aus der dorsalen Wand der Aorta entsprang und die A. Jumbales 5 abgab, in der Weise zustande kamen, dass eben die Aortenteilungsstelle an dem Orte verblieb, an dem sie schon in einem frühen Embryonal- stadium gelegen hatte, während der Ursprung der A. caudalis Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen ete. 395 vom Aortenteilungswinkel auf die dorsale Wand der Aorta über- wanderte. — So wenigstens würde ich die Fälle Bromanns erklären, wenn es sich tatsächlich um lauter Fälle gehandelt hat, in denen die Aortenteilungsstelle vor dem letzten Lenden- wirbel gelegen hatte. — Dies aber geht aus Bromanns Be- schreibung nicht mit Sicherheit hervor. — Auch ist über die Wirbelzahl und ob dieselbe normal war oder nicht, nichts ange- geben. — Dazu kommt dann noch, dass Bromann injizierte Objekte untersucht hat, bei denen nach meiner Erfahrung in- folge der Ausdehnung der Aorta durch die Injektion die Aorten- teilungsstelle immer ein wenig weiter caudal zu liegen kommt, als bei nicht injizierten Objekten. — Und schliesslich wäre es ja auch möglich, dass Bromann vorwiegend Leichen von ganz alten Individuen untersucht hat, worüber er leider nichts augibt. — Schon Schwalbe (22) hat nämlich, allerdings auf Grund eines nicht gerade reichen Materials, darauf aufmerksam gemacht (S. 285), dass er einen tieferen Stand der Gabelungsstelle der Aorta vor dem 5. Lumbalwirbe] nur bei Leichen von über 50 Jahre alten Individuen (4 von 9 untersuchten Leichen) beobachtet habe. — Und auch ich habe in einigen Fällen bei Leichen älterer Individuen eine vor dem Körper des 5. Lendenwirbels stehende Aortenteilungsstelle ge- funden, so dass ich geneigt bin, mich Schwalbe anzuschliessen, der annimmt, dass im höheren Alter eine Verschiebung der Aortenteilungsstelle in caudaler Richtung stattfindet. Aber jedenfalls muss noch ein sehr viel reicheres Material in dieser Richtung untersucht werden, bevor etwas ganz Bestimmtes gesagt werden kann. — Bezüglich der Ursache der Verlagerung der Aortenteilungsstelle bei älteren Individuen bin ich allerdings etwas anderer Ansicht als Schwalbe, der annimmt (8. 290), dass sie durch eine Verkürzung der Wirbelsäule bedingt sein könne. — Ich meine, dass dies jedenfalls nicht die Hauptursache ist, sondern dass die Verlagerung hauptsächlich durch eine Längen- 22* 326 F. HOCHSTETTER, ausdehnung der Aorta herbeigeführt wird, die wieder die Folge einer durch Elastizitätsabnahme bedinsten Verminderung der Längsspannung der Aorta ist. — Aber wenn auch alle Fälle von Bromanın richtig beschrieben sind, bei Fall 3 ist dies, wie ich früher erwähnt habe, sicher nicht der Fall und wenn sie, was ich nicht weiss, die Leichen jüngerer Individuen betreffen, so würde dies nichts an der Tatsache ändern, dass an den Leichen erwachsener Individuen unter 40 Jahren in der Regel bei normaler Wirbelzahl die Aorten- teilungsstelle (ohne vorhergegangene Injektion der Aorta) vor dem Körper des 4. Lumbalwirbels gelegen ist und nur aus- nahmsweise vor dem Körper des 3. oder vor dem des 5. ge- funden wird. — Dagegen sah ich einmal bei Vorhandensein von 6 Lumbalwirbeln (12 Thoracal- und 7 Halswirbeln) die Teilungs- stelle vor dem 5. und einmal bei Vorhandensein von nur 4 Lumbal- wirbeln (12 Thoracal- und 7 Halswirbeln) die Teilungsstelle vor dem Körper des 3. Lendenwirbels gelegen. — Das heisst, sie fand sich auch in diesen beiden Fällen, so wie unter normalen Verhältnissen, vor dem Körper des vorletzten präsacralen Wirbels. Dabei entsprangen die betreffenden Lumbalarterienpaare, also das eine Mal das fünfte, das andere Mal das dritte in unmittel- barer Nachbarschaft des Ursprunges der etwas cranial vom Teilungswinkel entspringenden A. sacralis media, aus der dorsalen Wand der Aorta. — Wenn wir nun aber sehen, dass in der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle die Aortenteilungsstelle bei älteren Föten, Kindern und Erwachsenen bis zu einem mittleren Lebensalter vor dem Körper des 4. Lumbalwirbels liegt, wobei die A. sacralis media nahezu immer aus ihrer dorsalen Wand hervorgeht und recht häufig aus ihrem Wurzelstück die A. lumbales quartae ent- springen, während in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei jungen Embryonen die Teilungsstelle der Aorta vor der Anlage des Körpers des 24. Wirbels liegt und dabei das Arterienpaar Über den Ursprung der Ärt. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 327 des letzten Lendensegmentes noch aus der dorsalen Wand der Teilungsstelle entspringt und wenn wir ferner sehen, dass bei einer Säugerform der Nachweis erbracht werden konnte, dass die zuerst, das heisst bei jungen Embryonen vor dem Körper des letzten präsacralen Wirbels liegende Teilungsstelle, mehr oder weniger weit cranialwärts zurückweicht, wobei mindestens ein Lumbalarterienpaar, welches vorher aus der Aorta selbst entsprang, später aus der A. caudalis hervorgeht, so wird man zum mindesten geneigt sein, es als sehr wahrscheinlich zu be- trachten, dass in der Mehrzahl der Fälle auch beim Menschen während der Ontogenese eine solche Verlagerung der Aorten- teilungsstelle in cranialer Richtung erfolgt, wobei das letzte (5.) Lumbalarterienpaar mit seinem Ursprunge von der Aortenwand auf die Wand der A. sacralis media übergeht. — Und man wird ferner den dorsalen Ursprung der A. sacralis media aus der Aorta nur in der Weise erklären können, dass man eine Wan- derung ihres Ursprunges in cranialer Richtung annimmt, wie sie in ähnlicher Weise bei den Embryonen des Kaninchens erfolet. — Da aber in einer Reihe von Fällen schon in frühen Ent- wickelungsstadien beim Menschen die Aortenteilungsstelle vor dem 23. präsacralen Wirbel gefunden werden kann und anderer- seits auch wieder Fälle vorkommen, in denen sie beim Er- wachsenen vor dem 24. Wirbel liegst, wird man ferner annehmen müssen, dass in einer gewissen Zahl von Fällen, die Aorten- teilungsstelle ihre ursprüngliche Lage gar nicht oder doch nur in geringem Grade verändert. — Fälle aber, in denen die Aorten- teilungsstelle vor der Anlage des Körpers des 22. Wirbels gefunden wird, wird man vor allem auf eine Verminderung der Zahl der präsacralen Wirbel zu untersuchen haben. — Man wird dann in manchen Fällen, wie mir dies z. B. bei Chr 2 gelang, eine solche tatsächlich feststellen können. — In einer anderen Zahl von Fällen wird sıch freilich herausstellen, dass eine abnorm 328 F. HOCHSTETTER, hoch gelagerte Teilungsstelle der Aorta vorliegt, wobei es sich eventuell aber auch wieder um eine sekundär cranialwärts ver- lagerte Aortenteilungsstelle, die also in einem früheren Ent- wickelungsstadium vor der Anlage des Körpers des 23. Wirbels gelegen hatte, handeln kann. — Immerhin ist es recht auf- fallend, dass Bromann unter seinen jüngeren Embryonen eine so grosse Zahl hatte, bei denen die Aortenteilungsstelle abnorm weit cranial lag. — Wenn ich im vorausgehenden von einer Cranialwärts- verschiebung der Aortenteilungsstelle sprach, so hatte ich dabei natürlich immer eine solche im Auge, wie ich sie bei Kaninchen- embryonen beobachtet hatte. — Es kommt jedoch noch eine zweite Art der Cranialwärtsverschiebung vor. — Diese macht sich erst bei älteren Embryonen, etwa von 20 mm grösster Länge an geltend. — Sie ist dadurch bedingt, dass die Bauchaorta und die Wirbelsäule nicht gleichen Schritt im Wachstume halten, indem die letztere etwas stärker in die Länge wächst als erstere. — Diese durch Wachstumsdifferenzen hervorgerufene Verschiebung lässt sich sehr leicht daran erkennen, dass die Lumbalarterien durch sie aus ihrer ursprünglich rein queren Verlaufsrichtung in eine schief caudalwärts absteigende Richtung abgelenkt wurden, ein Verhalten, auf welches, soweit mir bekannt ist, zuerst Schwalbe (22) aufmerksam gemacht hat. — Ich habe im Vorausgehenden zur Erklärung der von mir und einer grösseren Anzahl von Untersuchern zum Teil an Schnittserien durch menschliche Embryonen, zum Teile an Leichen von Föten, Kindern und Erwachsenen erhobenen Be- funde bezüglich der Lage der Aortenteilungsstelle eine Reihe von Annahmen gemacht, für deren Richtigkeit mir ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit zu sprechen scheint. — Ob diese Annahmen aber wirklich den Tatsachen ganz gerecht werden, wird sich erst herausstellen, wenn noch eine sehr viel srössere Zahl von Einzelfällen genau untersucht sein wird. — Über den Ursprung der Art. caud. beim Orang und beim Kaninchen etc. 329 Denn nur die Untersuchung ganz grosser Reihen kann, mit Rücksicht auf die bedeutende Variationsbreite der zu unter- suchenden Teile, ein einigermassen sicheres Resultat ergeben. — Zum Schlusse möchte ich noch kurz auf die wichtige Tat- sache zurückkommen, dass bei den von mir untersuchten Orangs, die in ihrem Anfangsabschnitte einfache A. caudalis sich bei den verschiedenen Exemplaren in verschiedener Höhe in zwei spaltet. — Auch bei den anderen menschenähnlichen Affen ist dieses oder ein ähnliches Verhalten der A. caudalis zu beob- achten. — So beschreibt Eisler (3) vom Gorilla eine solche Teilung der A. caudalis, eine Beobachtung, die später von Fransen (6) bestätigt wurde. — Auch beim Schimpanse kommt, wie ebenfalls Fransen gezeigt hat (vgl. seine Fig. 3 auf S. 509), eine ähnliche Teilung vor und ich selbst konnte sie bei einem alten Männchen von Hylobates syndactylus nachweisen. — Natürlicherweise wird man bei der Beobachtung einer solchen Teilung vorerst unwillkürlich an ein Erhaltenbleiben des ur- sprünglich beim Embryo vorhandenen Zustandes, also an ein partielles Paarigbleiben der A. caudalis denken. — Dies hat offenbar Fransen, indem er Eislers Befund erwähnt, zu dem Ausspruche veranlasst: ‚„Evidemment la partie distale de l’artere caudale est restee paire. — Aber schon Eisler nennt die beiden Endäste der A. sacralıs media des Gorilla A. sacrales laterales, weil er offenbar der Meinung war, dass es sich in diesen beiden Endästen um Arterien von der Wertigkeit der A. sacrales laterales des Menschen, also um sekundär entstandene Arterien handle. — Fransen hat nun einen Gorilla vor sich gehabt, bei dem (vgl. seine Fig. 1, S. 508) ausser den beiden A. sacrales laterales als Fortsetzung des Hauptstammes der A. sacralis media eine genau median, zwischen 330 H. HOCHSTETTER, Über den Ursprung ete. den A. sacrales laterales gelagerte Arterie vorhanden war, die sich offenbar bei Eislers Gorilla zurückgebildet hatte. — Ich glaube, dass gerade die an dem von Fransen unter- suchten Tiere gefundenen Verhältnisse auf das schlagendste beweisen, dass beim Gorilla und wohl auch bei den übrigen Menschenaffen, soweit sie eine in zwei Endäste auslaufende A. sacralis media besitzen, der jenseits des Abganges dieser Endäste ursprünglich vorhanden gewesene Abschnitt der A. sacralis media, nachdem die A. sacrales laterales ausgebildet waren, zugrunde gegangen ist. — X) 10. I 12. 13. 14. 15. Literaturverzeichnis. Bromann, J., Über Entwickelung, „Wanderung“ und Variation der Bauchaortenzweige bei den Wirbeltieren. Ergebnisse d. Anat. u. Ent- wickelungsgesch. (Bd. 16. 1906) 1907. — Über die Entwiekelung und ‚Wanderung‘ der Zweige der Aorta ab- dominalis beim Menschen nebst Bemerkungen über Gefässwurzelwande- rungen im allgemeinen. Anatom. Hefte. Bd. 36. 1908. 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Tandler, J.. Zur Entwickelungsgeschichte der Kopfarterien bei den Mammalia. Morpholog. Jahrb. Bd. 30. 1902. — Zur Entwickelungsgeschichte der menschlichen Darmarterien. Anat. Hefte. Bd. 23. 1903. — Über die Varietäten der A. coeliaca und deren Entwickelung. Anat. Hefte. Bd. 25. 1904. Taylor, A. E., Note on a case of six lumbar vertebrae and abnormal middle sacral artery. Journ. of Anat. and Phys. Vol. 32. 1898. Thomson, A., Third annual report of commitee of collecetive investi- gation of anatomical society of Great-Britain and Ireland for the year 1891— 1892. Journ. of Anat. and Phys. Vol. 27. 1893. Young, A. M., On the termination of the mammalian aorta with obser- vations on the homologies of the pelvie arteries. Studies in Anatomy from the Owens College. Manchester. Vol. 1. 1891. — Abnormalities of the middle sacral artery and their morphological significance. Journ. of Anat. and Phys. Vol. 31. 1897. — Observations on the Jumbar arteries. Journ. of Anat. and Phys. 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A.m.s. = A. mesenterica superior. Ao. — Aorta. A.p. =A. pulmonalis. AS: = A. subelavia. AS INS sscralisel. A.s.i. = A. spermatica interna. A.v. — A. vertebralis. Tr. h.s. = Truneus hypogastrico sacralis. U.A. = Urmnieren-Arterie. V — Wirbel. Vers: — Sacral-Wirbel. Fig. 1. 4 Lendenwirbel und Kreuzbein mit Aorta und Aortenteilungs- stelle von einem ausgewachsenen © Kaninchen (natürl. Grösse). — Das Prä- parat ist, sowie die Präparate, nach denen die Figg. 2—5 hergestellt wurden, ein Sog. Macerationspräparat. Das heisst es wurde zuerst die Aorta mit Celluloid- korrosionsmasse injiziert und nachdem diese Masse erstarrt war, das Präparat 334 Erklärung der Abbildungen. maceriert, abgespült und getrocknet. — Die Figuren I—5 aber wurden so hergestellt, dass die Präparate photographiert und die gewonnenen Kopien übermalt wurden. Fig. 2. 2 Lendenwirbel und Kreuzbein mit Aorta und Aortenteilungs- stelle von einem erwachsenen Kaninchen © (natürl. Grösse). — Der erste Kreuzwirbel zeigt jederseits an seinen Seitenteilen einen abnormen Fortsatz. Fig. 3. 3 Lendenwirbel, Kreuzbein und einige Schwanzwirbel mit Aorta, Truneus hypogastrica sacralis und A. caudalis von einer ausgewachsenen © Katze mit 27 präsacralen Wirbeln. Fig. 4. 3 Lendenwirbel und Kreuzbein mit Aorta und Aortenteilungs- stelle einer ausgewachsenen ” Katze, bei der ein Truncus hypogastrica sacralis nicht vorhanden war (natürl. Grösse). x Fig. 5. Ein ähnliches Präparat von einer ausgewachsenen 9 Katze, bei der rechts eine relativ lange, links aber eine ganz kurze A. iliaca communis bestand (natürl. Grösse). Fig. 6. Aortenbogen eines menschlichen Embryo (Mal) von 12,5 mm Steiss-Scheitellänge und 8,6 mm Kopflänge (nach einem Plattenmodell. — Vergrösserung 30 fach). Die A. subelavia sinistra entspringt aus der dorsalen Aortenwurzel jenseits der Einmündungsstelle des Duetus arteriorus Botalli. Aus DEM VERGLEICHEND-ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT FREIBURG 1. BR. DIREKTOR: GEH. Rat Pror. Dr. WIEDERSHEIM. DAS PRIMORDIALGRANIUM EINES HUNDERMBRYO. BIN BEITRAG ZUR MORPHOLOGIE DES SÄUGETIERSCHÄDELS. VON MIRIAM P. OLMSTEAD. Mit 17 Figuren auf den Tafeln 34/43. j fr u a 6: ae ! u a. Na \ 35 h I u T a 0 vo 5 . Ki —; R : Ba . ie Br 5 ı ° Fe DR R + ? . 5 Pi r u Fa 7 2 8 Kizı £ 373 ne RN ENDILNGTRER DUCaE + ' Fi 4 Br Da eh amt 1% - E y f h £ I Ei r 1 y 1} 7 fi} re r x ET Es Y EA ET Abo EEE LTR UNE al kıa AU EIE EN » Wr R 2 ea en E 7 \ - Y ” r = fi z [> 5 L . x h F 5 « ex 5 j ’ E; j Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung . . el, Me 230 E@Beschrejbunsg a 9:840, A. Neurocranium . . . - EN 0. -. were .. 340 Is Regioroecpialıs .. - - . .: =. 202 ET u & 340 2. Regio otica . . - na VE nr Ws 115 SROhrkapBele .... ..... 2.06 00%. 2 . 344 b) Innenraum . . . N Re 01548 1. Räume der Pars cat enaheulans Re. re) 2. Innenraum der Pars saceulo-cochlearis . . . . . . 351 e).kammazperietalis.. .. . = . „ı. „e2 Eee 3. Regio orbitotemporalis Re Er 358 4. Regio ethmoidalis . . . . - 269 KARA IE 359 Innenraum der Nasenkapsel . a ER i 359 B. Primordiales Visceralskelet . . 2. 2. 220.2. en 362 II. Allgemeine und vergleichende Betrachtungen . Er N ee: 1. Basalplatte . . 2: 2 8364 2. Regio oceipitalis . n. Pe „20278365 3. Regio otica . . . u RE er: . 366 4. Regio De olemporalis ee A a - 867 5. Regio ethmoidalis - . - A ee) 6. Visceralskelett . - ni 2 ee ae Literaturverzeichnis . . . . 373 Erklärung der Abbildungen . . a 2 #318 Einleitung. Die folgende Arbeit wurde unter Anleitung von Herrn Prof. E. Gaupp unternommen, dem ich für sein freundliches Ent- gegenkommen und seine liebenswürdige Unterstützung meiner Arbeit an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank aussprechen möchte. Herrn Geh. Hofrat Prof. Wiedersheim bin ich für seine gütige Erlaubnis, im Institut arbeiten zu dürfen, so- wie für andere Freundlichkeiten zu grossem Dank verpflichtet. Das Material zu den vorliegenden Untersuchungen, eine Schnitt- serie durch den Kopf eines Hundeembryos (Canis familiaris) von 27 mm gr. L., wurde mir in liebenswürdiger Weise von Herrn Dr. M. Voit zur Verfügung gestellt. Nach dieser Serie habe ich in fünfundzwanzigfacher lin. Vergrösserung nach der Bornschen Methode ein Plattenmodell des Primordialeraniums hergestellt. Zum Vergleich erhieit ich leihweise Herrn Dr. Voits Kaninchenmodell, Herrn Prof. E. Fischers Talpa- und Semno- pitheeusmodelle und verschiedene dem Institut gehörige Modelle (Echidna, Lacerta, Mensch u. a.). Dieser kurzen Beschreibung des Primordialcraniums eines Hundeembryos gedenke ich eine ausführlichere folgen zu lassen. Wenn ich trotzdem den nachfolgenden kleinen Aufsatz, der sich nur auf das Primordialeranium einer bestimmten Form und eines bestimmten Stadiums bezieht, schon jetzt veröffent- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd., H. 2). 23 340 MIRIAM P. OLMSTEAD, liche, so geschieht es in der auch von O. Veit (1907) und M. Voit (1909) ausgesprochenen Überzeugung, dass bei dem derzeitigen Stand der Schädelmorphologie auch kleinere Einzel- beiträge, die lediglich das Chondrocranium einer bestimmten Tierform betreffen, nützlich sind; handelt es sich doch jetzt, wo eine vergleichende Morphologie des Chondrocraniums erst im Entstehen ist, vor allem darum, das Chondrocranium mög- lichst vieler Formen kennen zu lernen, um die typischen Grund- züge des Säugereraniums, sowie die Besonderheiten bei den einzelnen Formen festzustellen. Dass dieses genaue „Kennen- lernen“ kaum anders als auf dem Wege der Rekonstruktion möglich, dieser Weg aber recht langwierig und zeitraubend ist, dürfte wohl allgemein zugegeben werden, und darin liegt. dann auch die Berechtigung zur Veröffentlichung von Beiträgen wie dem vorliegenden. I. Beschreibung. A. Neuroeranium. 1. Regio oceipitalis. Die Regio oecipitalis lässt einen basalen, zwei laterale und einen dorsalen Abschnitt unterscheiden, die das Foramen oceipitale magnum begrenzen. Die Pars basalis (Taf. 34, 35, Figg. 1,2) wird durch den hinteren Teil der Basalplatte ge- bildet. Dieser ist hinten sehr breit und verschmälert sich nach vorn etwas. Er schliesst hinten mit der nicht sehr tiefen Incısura intercondyloidea (Fig. 2) ab, vorn geht er continuierlich in den oticalen Teil der Platte über. Als Grenze kann eine Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 341 Linie angesehen werden, die quer durch die Vorderränder der beiderseitigen Foramina jugularia gezogen wird. Am Vorder- rand des Foramen jugulare steht die Ohrkapsel in Verbindung mit der Basalplatte (Figg. 1, 2). Jederseits geht der basale Teil der Oeccipitalregion ohne Grenze in den Oceipital- pfeiler über, der teilweise auch noch in gleicher Flucht mit der Basalplatte, d. h. horizontal an der Schädelbasis, liegt. Die Grenzlinie würde medial von dem Foramen hypoglossi zu ziehen sein (Figg. 1, 2). Die Chorda dorsalis ist schon zugrunde gegangen. Der Occipitalpfeiler, d. h. der laterale Abschnitt der Oceipitalregion, stellt ein plattes Knorpelband dar mit einer medialen (cerebralen) und einer äusseren Fläche, derartig schräg gelagert, dass der das Foramen occipitale magnum be- srenzende „caudale“ Rand wenigstens in seinem Anfangsteil medial und ventralwärts gekehrt ist, und der sonst als ‘ lateraler und „vorderer“ zu bezeichnende Rand ebenfalls fast horizontal und nur wenig aufsteigend nach hinten ver- läuft. Caudal-dorsal verbindet sich der Oceipitalpfeiler mit der caudalen Kuppel der Ohrkapsel (Fig. 3) und geht zugleich in das Tectum posterius über (Fig. 1). Das Verhalten des Oecci- pitalpfeilers zur Ohrkapsel ist im übrigen folgendes. Der vordere Teil des Oceipitalpfeilers wird von der Ohrkapsel durch das sehr weite Foramen jugulare getrennt, das seine vordere Begrenzung durch die Commissura basıicochlearis posterior, d. h. die hintere Verbindungsbrücke zwischen OÖhrkapsel und Basalplatte, erhält (Figg. 1, 2). An seinem hinteren Umfang ist dies Foramen nicht vollkommen knorplig geschlossen, sondern setzt sich in eine enge Spalte zwischen Oceipitalpfeiler und Ohrkapsel fort, die bis zu der schon er- wähnten Verwachsungsstelle zwischen den beiden (ebilden reicht. Nur ihr hinterster Zipfel erweitert sich zu einem etwas grösseren Foramen, durch das Gefässe hindurchtreten (dasselbe 23* 342 MIRIAM P. OLMSTEAD, ist in Fig. 3, Taf. 36 sichtbar), in der Hauptsache ist die Spalte, die als Fissura oceipito-capsularis posverror.be zeichnet werden kann, sehr eng und wird von dichtem Binde- gewebe ausgefüllt. Der Occipitalpfeiler schliesst nun aber längs des Foramen jugulare und der Fissura occipito-capsularıs nicht mit einem scharfen lateralen Rande ab, sondern verbreitert sich hier lateralwärts zu einer Platte (Lamina alaris, Voit), die sich lateralwärts unter die Ohrkapsel vorschiebt, vorn, unterhalb des Foramen jugulare, ganz besonders verbreitert ist und hier, an ihrem vorderen Ende, auch noch über das Gebiet des Foramen jugulare hinaus als ein kurzer stumpfer plattenförmiger Fortsatz, Processusparacondyloideus, vorspringt (Figg. 2, 3). Sein lateraler Rand ist verdickt und ventralwärts umgebogen. Ausserdem ist dieser Rand eine kurze Strecke weit mit der Ohrkapsel verwachsen (Figg. 3, 9, 10, Taf. 36, 39, 40). Auf diese Weise. wird es bedingt, dass das Foramen jugulare nicht direkt nach aussen führt, sondern zu- nächst in einen zwischen der Ohrkapsel und der Lamina alarıs gelegenen Raum, den Recessusjugularis,in den demnach auch die Nerven der Vagusgruppe zunächst hineintreten. Durch die erwähnte Knorpelbrücke zwischen dem Processus paracondy- loideus und der Ohrkapsel erhält dieser Raum eine kurze Strecke weit einen lateralen Abschluss. Caudal vom Foramen jugulare setzt sich der Recessus noch eine kurze Strecke weit zwischen Ohrkapsel und Lamina alaris fort (als Recessus supraalaris, Voit), in der Hauptsache sind aber, wie schon erwähnt, hier hinter dem Foramen jugulare die Ohr- kapsel und die Lamina alarıs nur durch die enge mit Binde- sewebe erfüllte Fissura occipito-capsularis posterior getrennt. Der horizontal verlaufende medialventralie Rand des Oeceipitalpfeilers begrenzt das Foramen occipitale magnum und ist unregelmässig im Umriss (Figg. 1, 2, 3). Vorn ist er ver- diekt und bildet den nach hinten und unten gerichteten Con- Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 343 dylus oceipitalis (Figg. 2, 3). In der Mitte zwischen diesem und dem Teetum posterius wird der Oceipitalpfeiler durch einen platten ventral gerichteten Fortsatz verbreitert, der offenbar dem Tuberculum nuchale (Elienberger- Baum 1891) des erwachsenen Schädels entspricht (Fig. 2, 3). In diesem Stadium findet sich auf jeder Seite, auf der Grenze der Basalplatte und des Occipitalpfeilers, nur ein Foramen hypoglossi, welches an der Unterfläche des Schädels in einer Grube medial von dem Processus paracondyloideus sich öffnet (Figg. 1, 2). Vom lateralen Rande des Foramen springt auf der cranialen Seite ein kurzer, hakenförmiger Fortsatz in die Höhe, der im erwachsenen Hundeschädel nicht zu sehen ist. Vielleicht ist er in der Wand des Canalis hypoglossi in- corporiert; seine Bedeutung ist mir unbekannt geblieben. Ein Canalis condyloideus besteht noch nicht. Der dorsale Abschnitt der Occipitalregion wird durch das Tectum posterius gebildet (Fig. 1, 2). Ob ein Teil der Parietal- platte auch dazu gehört, ist nicht klar, weil Grenzen zwischen Oeccipitalpfeiler, Tectum posterius und Lamina parietalis nicht ausgeprägt sind. Das Tectum beginnt breit an der Ohrkapsel und verschmälert sich zu einem sehr schmalen Bande, das eine Fläche nach hinten, die andere nach vorn kehrt, somit einen oberen und einen unteren Rand besitzt, und das Foramen occipitale magnum von oben begrenzt. 2. Regio otica. Der basale Abschnitt der Ohr- oder Labyrinthregion wird durch den vorderen Teil der Basalplatte, der sich vom Foramen jugulare bis zur Crista sellaris erstreckt, gebildet (Figg. 1, 2); die lateralen Teile durch die beiden Ohrkapseln und die Laminae parietales (Figg. 1, 3). Oben ist die Schädelhöhle von Knorpel unbedeckt. Der vordere Teil der Basalpiatte ist hinten 344 MIRIAM P. OLMSTEAD, breiter als vorn und ist in der Mitte eingeschnürt. Hinten ist er platt, in der vorderen Hälfte ist seine ventrale Fläche etwas vorgewölbt. Im vorderen Drittel und ganz hinten geht er seit- lich kontinuierlich in den medial-ventralen Umfang der Pars saceulo-cochlearis der Ohrkapsel über. Zwischen diesen Ver- bindungen ist er von der ÖOhrkapsel durch die ziemlich aus- gedehnte Fissura basicochlearis getrennt. a) Ohrkapsel. Die Ohrkapsel dieses Embryos ist in allen Richtungen stark ausgebildet. Zwei Abschnitte sind scharf zu unter- scheiden, — ein hinterer, Pars posterior s. utriculo- canalicularis, und ein vorderer, Parsanteriors.sac- culo-cochlearis (Fig. 1). In Länge und Höhe ist die erste die grössere, aber in Dicke von innen nach aussen ist die Pars sacculo-cochlearis bedeutender. Die Längsachse der ganzen Öhrkapsel liegt schräg, von hinten und aussen nach vorn und innen, dabei fast horizontal, nur wenig von lateral nach medial absteigend. Demnach liegt die Pars utriculo-canalieularıs lateral, caudal und wenig dorsal von der Pars sacculo-cochlearis. Die Pars utriculo-canalicularis, an der eine grosse mediale, eine ebenfalls grosse laterale, je eine kleine ventrale und vordere Fläche, sowie ein dorsaler und ein caudal-ventraler Rand, die beide spitzwinklig ineinander übergehen, zu unter- scheiden sind, enthält die drei Bogengänge, sowie den Utriculus mit dem Sinus superior, Sinus posterior und dem lecessus utrieuli. Einige von diesen Teilen modifizieren die Oberfläche der Ohrkapsel. Längs des ganzen dorsalen Randes macht sich auf der Aussenfläche der vordere Bogengang bemerkbar als Prominentiasemicircularis anterior (Fig. 3, Taf. 36). Die Verlaufsrichtung der Prominenz ist fast horizontal, nur wenig nach vorn hin abfallend. Der Wulst des hinteren Bogen- sanges (Prominentiasemicircularis posterior) ent Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 345 spricht dem ventral-caudalen Rande der Kapsel, der die Fissura occipito-capsularis posterior bilden hilft (Fig.3)%). Die Promi- nentia semicircularis lateralis, die auch auf der lateralen Fläche gut ausgeprägt ist, läuft aufsteigend von unten hinten nach oben vorn (Fig. 3). Sie stösst hinten unter etwa rechtem Winkel mit dem unteren Ende der Prominentia semi- circularis posterior zusammen und endet ventral vom vorderen Ende der Prominentia semicircularis anterior. Von der am meisten vorragenden Stelle des lateralen Bogengangwulstes (dem mittleren Abschnitt des Wulstes entsprechend) springt eine Leiste nach vorn und ventralwärts: Cristaparotica (Fige. 2, 3, 4). In sie geht das obere Ende des Cornu hyale des Zungen- beines continuierlich über. Vor der Prominentia semicircularis lateralis, am vorderen oberen Ende derselben, liegt eine Ein- senkung. Fossa incudis, worin der Processus brevis des Incus liest (Fig. 3). Auch auf der medialen Fläche der Ohrkapsel sind einige Prominenzen deutlich. Dem oberen Rande entsprechend liegt die Prominentia semicircularis anterior, am hinteren - ven- tralen Rand die Prominentia semiecircularis posterior, direkt ventral die Prominentia sinus superioris (Fig. 1). Die Wand der letzteren wird in der Mitte durch das lange, elliptisch a Foramen endolymphaticum unterbrochen (Fig. 1). Über derselben liegt ungefähr in der Mitte der medialen Wand der Pars utriculo -canalicularis eine grosse, hemisphärische Einsenkung, Fossa subarcuata (Fig. 1). Sie ist aber nicht so tief wie beim Kaninchen und ist mehr vorn gelagert. Vorn geht diese mediale Wand in die der Pars sacculo-cochlearis über; in diesem Übergangsgebiet liegen die 1) Die Seitenansicht des Modelles, Fig. 3, Taf. 36, ist nicht ganz richtig orientiert, da die Längsachse des Schädels in ihr zu sehr nach vorn hin aufsteigt. Aber auch wenn man sie richtig horizontal stellt, blickt die Prom. semicire. posterior in der Hauptsache ventralwärts. 346 MIRIAM P. OLMSTEAD, zwei Foramina acustica (Foramen acusticum superius und Foramen acusticum inferius [Fig. 1]). Die laterale Wand der Pars utriculo-canalicularis geht zunächst in eine vordere Wand über, die die Pars utriculo- canalicularis kuppelförmig abschliesst und an die sich unter einspringendem Winkel die Seitenwand der Pars sacculo- cochlearis anfügt. In der so gebildeten Nische, vor der Vorder- wand der Pars utriculo-canalicularis, liegt der Incus und das proximale Ende des Meckelschen Knorpels. Ausserdem geht von ihrer inneren oberen Ecke die noch zu beschreibende Com- missura suprafacialis ab (Figg. 1, 3). An dieser Abgangsstelle erhebt sich eine ganz niedrige Leiste, die vielleicht einen Rest der primären Schädelseitenwand darstellt. Endlich kann noch eine kleine ventrale Wand der Pars utriculo-canalicularis unterschieden werden. Sie liegt in dem Gebiet vor dem Foramen jJugulare und enthält den hinteren Teil des Foramen perilympha- ticum, das sich aber auch weit in die Pars sacculo-cochlearis hinein erstreckt (Fig. 2). Durch die Crista parotica, die von dem Wulst des lateralen Bogenganges ausgeht, wird der laterale Teil dieser ventralen Wand zum Dach einer Rinne, die aussen durch die Crista begrenzt und nach vorn sowie ventralwärts offen ist. Die Rinne führt gewöhnlich den Namen Sulcus facialis; zweckmässiger ist es vielleicht sie als Cavum infracristale zu bezeichnen (Taf. 40, Fig. 11). An die Pars utriculo-canalicularis schliesst sich vorn, medial und ventral die Pars sacculo-cochlearis an, an der aber dem Inhalt nach noch zwei Abschnitte zu unterscheiden sind, ein hinterer, Pars vestibularis, und ein vorderer, Pars cochlearis sensu stricto. Äusserlich ist diese Unterscheidung nicht angedeutet, sondern die ganze Pars sacculo -cochlearis bildet eine einheitliche rundliche Blase (Figg. 1, 2). Der bequemeren Schilderung halber wollen wir an ihrer äusseren Oberfläche fünf Partien unterscheiden, als 2 | « ; Behr L er ® > Fr Anatom. Hefte. En Al a ie En # # Teetum nasi j Prom. praecribrosa $ 2 For. epiphaniale Crista semieircularis hi Gong ran Lam. transv. ant. Cartilago paraseptalis — Comm. sphenoeth, Sept. nasi - a - #1 | : Crista intereribrosa Ethmoturb. I, Vorsprung Be __ | v Crista horizontalis für den 2. Riechwulst - | Eihmamı 7 Fen. eribrosa - j Ethmoturbinale II —— Br m Fiss. orbitonas. Ala orbitalis Taenia proopt. Ri Sept. interorbit. — ne 1! ER For. optieum _ ö Taenia metopt. = - S . . -- Alatemp.(Lam ascend.) For. rotundum Tubereulum sellae \ u Toy alıE Sella tureiea m Proe. alaris Comm. alicochlearis = Sr Sn ® N ö ri Comm. basieochl. ant. ——— —- u _ : a“ R ru Manubrium mall. ö ) Incus Comm. suprafaeialis For. acustieum sup.. Fiss. basicochlearis, Comnıi. basic. post, For. jugulare' For. hypoglossi For. endolymphat. Fiss. eapsulo-pariet. \ Lam. a Fiss. oceipito- For. oeeipit. capsul. post. \ 2 magnum Teetum posterius . ”s Fig. 12 i * sa Ä " R, Schilling del, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Re Anatom. Hefte, I. Abt. 130. Heft (43. Bd., H. 2). Tafel 35. Fen. narina e r ‘Proe. alaris infer. Proe. alaris super. ————) Prom. super. Cart. parasept. Ethmoturb. I Ala orbit. Prom. infer. Fen, basal. \ Ethmoturb. II Fiss. orbitonas. Rest der Cart. parasept. Bi. Lam. transv. post. Cup. post. f Taen. prooptica For. optieum — 2 Sep. interorb. Taen. metoptie. Meck. Knorpel Proe. alaris For. earotie. : A Com. alicochlearis Manubrium mall. Com. basieoch. ant. Ineus N IN Prom. eoch. inf. ‘Corn. hyal en. Rest der com. orb.-par. B Crista parot. S 2 For. acust. inf. Fiss. basieoch. For. perilymph. Com. basieoch. post. For. jugulare Lam. pariet.— Basalplatte — Pr. paracond. For. hypoglossi Condyl. oceip. Ineisura inter- Pila oceip. condyl. Fiss. oceip.-eaps. post. For. magnum Tubere. nuchale- Tectum posterius Fig. 2. R. Schilling del, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden, Tafel 36. 130. Heft (43. Bd., H. 2). I. Abt. Anatom. Hefte. Prom. superior Com, sphenoethmoid, Prom., praeerib. Ala orbitalis Fiss. orbitonasal. Rest der Taen. prooptiea Com. orb: pariet, For. optieum ” . ! ’ Taen. metoptiea F De BZ . . \ Ri 2 Proc. alaris infer, = er \\ Tub, gen, Com.suprafac. >” Sept nasi Proe, alaris super. — Lam. pariet. | Lam. trans. ant. Plan. Cr. brev. Cart. parasep. Prom. temp. au): ine. _ :D. .. Inter. LamzaSc) Com. eaps.- pariet. Prom. semieire. anterior (Margo dors. eaps. aud.) Meek. Knorp. Pr d Corn, hyale Corp, hyoid, Prom. eoehlear. inf. Corn. branch. I Oart. thyreoid. Cart. ericoid. Pe: Basalpl. Proe, para- eond. Fiss. caps.-pariet. Fiss. oceip.-eaps. post. Condyl. occip. Prom. semie. post. Lam alaris (Margo ventr.-eaud. :aps. aud. Tubere. nuchale a) Fig. 3. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden, R. Schilling del, Das Primordialcranium eines Hundeembryo. 347 mediale, ventrale, laterale, dorsale und vordere Fläche. An der Grenze der medialen und ventralen Fläche hängt die Pars sacculo-cochlearis eine Strecke weit mit der Basalplatte zu- sammen; hinter dieser Verbindungszone (Commissura basicochlearisanterior) folgt dann die schon erwähnte Fissura basicochlearis (Figg. 1, 2). Dieselbe erstreckt sich nach hinten bis zuderCommissura basicochlearis posterior, durch die sie vom Foramen jugulare getrennt wird (Figg. 1, 2). Auch die vordere Fläche ist nicht ganz frei, sondern an sie schliesst sich die Commissura alicochlearis an, die uns bei der Orbitotemporalregion wieder beschäftigen wird (Figg. 1, 2). Endlich zieht von dem dorsalen Umfang der Pars sacculo-cochlearis eine Knorpelbrücke rückwärts zu der vorderen Kuppel der Pars utriculo-canalieularis: die Com- missura suprafacialis (Figg. 1, 3). Sie überbrückt das Foramen faciale, das somit auf der Dorsalfläche der Ohr- kapsel auf der Grenze der Pars utriculo-canalicularis und der Pars sacculo-cochlearis gelegen ist. Der Übergang der medialen Wand der Pars utriculo-canalicularis in die mediale Wand der Pars sacculo-cochlearis erfolgt in gleichmässiger Flucht, so dass die mediale Wand der gesamten Ohrkapsel einheitlich erscheint (Fig. 1). In dieser medialen Wand der Pars sacculo- cochlearis liegt das länglich ovale Foramen acusticum inferius (Fig. 1). Komplizierter vollzieht sich der Übergang der beiden anderen Wände der Pars utriculo-canalicularis in die entsprechenden Wände der Pars sacculo-cochlearis. Die höher gelegene Unterfläche der Pars utriculo-canalicularıs geht in die in tieferem Niveau befindliche ventrale Wand der Pars sacculo-cochlearis unter ziemlich scharfer Knickung über; in diesem Übergangsgebiet, aber sehr beträchtlich in die Pars sacculo-cochlearis einschneidend, liegt das grosse Foramen perilvmphaticum (Fig. 2). Im übrigen ist die ventrale Fläche der Pars sacculo-cochlcaris sehr stark vorgewölbt (Pro- 348 MIRIAM P. OLMSTEAD, minentia cochlearis inferior, Fig. 2). Auch die laterale Wand der Pars sacculo-cochlearis ist nicht die direkte Fortsetzung der lateralen Wand der Pars utriculo-canalieularis, sondern die letztere geht zunächst, wie schon erwähnt, in eine Vorderfläche der Pars utriculo-canalicularıs über, und an diese schliesst sich dann erst die wieder seitwärts blickende laterale Wand der Pars sacculo-cochlearis an. In dieser findet sich die ziemlich grosse Fenestra vestibuli; sie gehört dem hinteren Teil der Pars sacculo-cochlearis an, der den Sacculus und den ihm anliegenden Hauptabschnitt des Cavum perilymphaticam enthält. Durch eine, allerdings schwach angedeutete, Längsleiste wird von der lateralen Wand noch ein ebenes Feld abgegrenzt, das unterhalb und vor der äusseren Öffnung des Foramen faciale liegt; dieses Feld ent- spricht dem Planum supracochleare, das Voit!) beim Kaninchen beschrieben hat und das dort durch Auswachsen des Tegmen tympani secundär in den Schädel einbezogen wird (Fig. 3). Soweit sich aus einem Vergleiche mit erwachsenen Schädeln schliessen lässt, ist beim Hunde das gleiche der Fall. b) Innenraum der Ohrkapsel. Im Binnenraum der Ohrkapsel kann man einen grossen Hauptraum und die drei Cava semieircularia unterscheiden. Der grosse Hauptraum zerfällt wieder in 1. einen Abschnitt, der in der Pars posterior s. utriculo-canalieularis liegt und den Utrieulus nebst den drei Ampullen enthält (Cavum utriculo- ampullare), 2. einen Abschnitt, der in der Pars anterior s. sacculo-cochlearis liegt, und in seinem hinteren Teil den Sac- culus, in seinem vorderen die Cochlea enthält. Demnach liegen die vestibulären Teile des häutigen Labyrinthes teils in der Pars utriculo-canalicularis, teils in der Pars sacculo-cochlearis. 1) Voit, 1909, S. 449 und 529— 535. Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 349 1. Räume der Pars utriculo-canalicularis. In der Pars utrieulo-canaliceularis der Ohrkapsel liegen das Cavumutriculo-ampullareund diedreiCavasemi- cireularıa a) Das Cavum utriculo-ampullare lässt wieder einen Hauptraum und eine daran anschliessende nach hinten gerichtete röhrenförmige Fortsetzung unterscheiden, die den Sinus superior (das Crus commune der Canales semicirculares anterior und posterior) enthält. Der Hauptraum des Cavum utriculo-ampullare nimmt den vorderen unteren Teil der Pars utrieulo-canalicularis der Ohrkapsel ein und wird medial durch die mediale Ohrkapselwand begrenzt. Nur in zwei Gebieten dehnt er sich von hier bis an die laterale Ohrkapselwand aus: 1. in seinem hinteren Teil, der den hinteren Teil des Utriculus, den Anfang des Sinus superior, den Sinus posterior, die Ampulla posterior, sowie den hinteren Abschnitt des Canalis semicircu- laris lateralis enthält (Taf. 39, Fig. 9); 2. ganz vorn, in dem Gebiet, das den Recessus utriculi, die Ampulla lateralis und die Ampulla anterior beherbergt (Taf. 40, Fig. 11). Zwischen diesen beiden Gebieten wird die laterale Wand des Cavum utriculo-ampullare durch das Septum semicirculare laterale hergestellt (Taf. 40, Fig. 10). Den Boden dieses Haupt- raumes bildet die ventrale Ohrkapsel (Figg. 9, 10); vorn findet sich statt eines Bodens die grosse Kommunikations- öffnung mit dem Raum der Pars sacculo-cochlearis der Ohrkapsel (Taf. 40, 41, Figg. 11, 12). Die dorsale Be- grenzung des Hauptteiles des Cavum utriculo-ampullare wird in der Hauptsache von dem Septum semicirculare anterius ge- bildet, einer dicken Knorpelmasse, in die sich von medial her die Fossa subarcuata hinein erstreckt (Figg. 9, 10); erst vor diesem Septum dehnt sich der Raum dorsalwärts bis an die dorsale Ohrkapselwand aus (Figg. 11, 12). In diesem vordersten Abschnitt des Cavum utriculo-ampullare liegen die vordere und 350 MIRIAM P. OLMSTEAD, laterale Ampulle, sowie der Recessus utriculi. Vorn erfährt das Cavum utriculo-ampullare seine Begrenzung durch die Vorderwand der Pars utrieulo-canalicularis, hinten setzt es sich, wie erwähnt, in den röhrenförmigen Raum für den Sinus superior fort. Dieser Raum erstreckt sich längs der medialen Ohrkapselwand nach hinten-oben bis an die Hinterwand der Ohrkapsel, wo die Cava semicircularia anterius und posterius in ihn einmünden (Taf. 37, Fig. 5). Die laterale Begrenzung des Cavum sinus superioris bildet die Massa angularis (Figg. 5-8), die ventrale das Septum semicirculare posterius (Figg. 6, 7, 8), die dorsale das Septum semicirculare anterius (Figg. 7, 8). Das Cavum utriculo-ampullare steht mit mehreren anderen Räumen in Verbindung. 1. Vorn öffnet es sich am Boden weit in die Pars saccularis des Cavum sacculo-cochleare (Figg. 11, 12). 2. Oberhalb dieser Öffnung liegt lateral die vordere Öffnung des Cavum semicirculare laterale (Fig. 11). 3. Noch weiter vorn liegt dorsal die vordere Öffnung des Cavum semicirculare anterius (Fig. 11). 4. In diesen vordersten Teil mündet auch von dem Cavum cerebrale cranii her das Foramen acusticum superius (für den R. anterior N. VIII, Fig. 12). 5. In dem hinteren Hauptraum findet sich lateral die hintere Öffnung des Cavum semiecirculare laterale (Fig. 9). 6. Etwas hinter derselben, ihr eng benachbart, liegt die hintere oder richtiger untere Öffnung des Cavum semicirculare posterius (würde zwischen Figg. 8 und 9 liegen). 7. Vom Cavum cerebrale cranii her führt durch die mediale Ohrkapselwand das längliche Foramen endolymphaticum in das Cavum utriculo-ampullare (Figg. 8, 9, 10). 8. Endlich geht, wie schon gesagt, der röhrenförmige Raum, der den Sinus superior beherbergt, hinten in die Cava semicircularia anterius und posterius über (Figg. 5, 6). b) Die drei Cava semicircularia beherbergen die drei Bogengänge; ihre Lage macht sich an der Oberfläche der Ohrkapsel in den oben erwähnten drei Prominentiae bemerk- Anatom. Hefte. I. Abt. 130. Heft (43. Bd., H. 2). Tafel 37. Corp. hyoid. a > a ) Corn. hyale kann (Reicherts Knorp.) Corn. branch. I. Cart. erieoid. Fig. 4. Parietale Lam. parietalis Sinus sigmoid. Fiss. eapsulo-pariet. +— Cav. sin. sup- Duet. endo- Sinus sup. lymph. Sinus sigmoid. Cav. semieire. post. Can. semieire. post. Fiss. oce.-caps. post. Lam. alaris Pila oeeip. R. Schilling del. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Anatom. Hefte. I. Abt. 130. Heft (43. Ba., H. 2). Pariet. Can. semie. ant. Cav. sin. sup. Ri N Sin. sup. Duct. endol.__=/L | 2% Massa angul. Sept. semie. =,// |} S -— Z post. : post. Pila oceip. Epistroph, Cav. semie. ant. Sept. sem. ant. NR ! D er SEO: B; Massa angularis j : —- Sept. sem. post. Cav. sem. post. si Pila oceip. / ! Epistroph. Cav. semie. post. Fiss. oceip.-caps. Tafel 38. R. Schilling del. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 351 bar. Der Winkel, den ihre drei Ebenen miteinander bilden, wird von einer dicken Knorpelmasse (Massa angularis, Gaupp) ausgefüllt, die eine Verdickung der lateralen Ohr- kapselwand darstellt (Figg. 6-10). Von dieser Massa angularis gehen die drei Septa semicircularia aus, d. h. die Knorpelmassen, die die Cava semicircularia von dem Cavam utriculo-ampullare trennen. Das Septum semicirculare anterius erstreckt sich von der Massa angularis aus zur medialen Ohr- kapselwand und kehrt eine Fläche dorsal-, die andere ventral- wärts (Figg. 7-10); das Septum semicireulare posterius, das weiter hinten liegt, geht von der Massa angularis zur medial- caudalen Wand der Ohrkapsel und kehrt seine beiden Flächen im wesentlichen auch dorsal- und ventralwärts (Figg. 6, 7, 8). Das Septum semicirculare laterale dagegen steht vertikal, er- streckt sich von der Massa angularis zur ventralen Ohrkapsel- wand und kehrt seine Flächen medial- und lateraiwärts (Fig. 10). Die drei Septa sind nicht, wie gewöhnlich beiniederen Wirbel- tieren, dünne Scheidewände, sondern dicke Knorpelmassen, ganz besonders das Septum semicireulare anterius, in das zu- dem die Fossa subarcuata von medial her eindringt, und das durch diese geradezu in zwei Lamellen zerlegt wird. Die eine, untere, bildet das Dach des Cavum utriculo-ampullare, die andere, obere, den Boden des Cavum semicirculare anterius (Figg. 9, 10). Im Septum semicirculare posterius findet sich eine durch Zerfall des Knorpels bedingte Höhle (Fig. 6). 32. Innenraum der Pars sacculo-cochlearis. Die Pars saceulo-cochlearis ist durchaus hohl, und ihre Wand ist in den hinteren und vorderen Teilen ziemlich gleich in Dicke. Der hintere Teil dieses Cavum, den den Saceulus enthält, besitzt mehrere Öffnungen: 1. dorsal die grosse Öff- nung in das Cavum utriculo-ampullare (Taf. 40, 41, Figg. 11, 12); 2. medial, in die Schädelhöhle, Foramen acusticum in- 352 MIRIAM P. OLMSTEAD, ferius (Fig. 12); 3. lateral, in die Paukenhöhle, Fenestra vestibuli (Fig. 12); 4. ventral, in den Recessus jugularis, Foramen perilymphaticum (Figg. 11, 12). Vorn ist der Raum durch eine der dorsalen und lateralen Wand ansitzende Platte von jungem Knorpel (Septum spirale) unvollständig geteilt (Fig. 13). Das Septum erstreckt sich in das Cavum cochleare hinein und schliesst mit einem caudal- und medial- wärts gekehrten freien Rande ab. ec) Lamina parietalis. Die hohe Lamina parietalis bildet die dorsale Hälfte der Schädelseitenwand in der Oticalregion (Figg. 1, 3). Hinten hängt sie mit dem Tectum posterius und dem Oceipitalpfeiler zusammen. Ihr ventraler Rand hängt in langer Linie mit der vorderen Hälfte des dorsalen Randes der Ohrkapsel zusammen ; diese Commissura capsulo-parietalis (Fig. 3) wird nur nahe ihrem hinteren Ende durch ein Foramen unterbrochen. Hinter der Übergangszone ist der ventrale Rand der Lamina parietalis von der Ohrkapsel durch die Fissura capsulo- parietalis (s. Foramen jugulare spurium, Fig. 3) getrennt; die Platte geht hier durch eine stark verschmälerte Partie in das Tectum posterius über. Der Vorderrand der Lamina parietalis verläuft etwa quer, doch springt hier ein kurzer Fortsatz nach vorn vor, der wohl als Rest der (beim Hund zugrunde gegangenen) Commissuraorbito-parie- talis aufzufassen ist (Fig. 3). Der Dorsalrand läuft etwa hori- zontal von vorn nach hinten, der Hinterrand (oberhalb und vor der erwähnten verschmälerten Partie) zieht nicht rein quer, sondern nach hinten ausgebogen. Der Knorpel der Parietal- platte hat angefangen zugrunde zu gehen und an mehreren Stellen ist er sehr dünn. Auf der linken Seite finden sich sechs Löcher, durch welche kleine Blutgefässe ziehen. Auf der rechten Seite sind nur fünf vorhanden. Die Löcher der Das Primordialeranıum eines Hundeembryo. 353 beiden Seiten sind nicht vollkommen gleich, weder in Grösse noch in Lage. 3. Regio orbitotemporalis. Das Primordialeranium in der Orbitotemporalregion be- steht aus einer soliden basalen Knorpelmasse und mehreren Seitengebilden. Der basale Knorpel stellt im hinteren Teil der Region eine breite Platte (Balkenplatte) dar, die sich an die Basalplatte der Oticalregion anschliesst und von dieser durch die Crista sellaris abgegrenzt wird. Sie bildet den Boden der Sella turcica, dem die Hypophyse aufruht (Fig. 1). Vor der Hypophyse findet sich ein Querwulst (Tuberculum sellae, Figg. 1, 3), und von hier an beginnt der Übergang der Balkenplatte in einen medianen schmalen Knorpelbalken, der in der vorderen Hälfte der Orbitotemporalregion das Sep- tum interorbitale repräsentiert und vorn in das Septum nasi übergeht (Figg. 1, 2). Die Dorsalfläche des als Septum interorbitale aufgefassten Balkens trägt eine flache Grube — Fovea hypochiasmatica. In der hinteren Hälfte der Region fehlt die primäre Seiten- wand gänzlich; die Verbindungslinie zwischen den lateralen Enden der Crista sellaris und des Tuberculum sellae gibt unge- fähr die Linie an, in der sie an die Schädelbasis anstossen müsste. Der Balkenplatte (Boden der Sella turcica) sitzt seit- lich die kleine Ala temporalis an (Figg. 1, 2, 3). Dieselbe entspringt aus dem Seitenrand der genannten Platte mit einer schmalen basal gelagerten Partie (Processus alarıs) und geht dann in einen breiteren aufsteigenden Abschnitt (Lamina ascendens) über. Doch erfolgt dieser Übergang nicht homo- continuierlich, sondern zwischen Processus alaris und Lamina ascendens findet sich, wie bei vielen Säugern, eine aus unver- knorpeltem Gewebe gebildete Trennungszone (Taf. 42, Fig. 14). Hinter dem Processus alaris steigt die A. carotis interna in das 354 MIRIAM P. OLMSTEAD, Cavum epiptericum; durch eine Knorpelbrücke (Commissura alicochlearis), die lateral von der Arterie den Cochlearteil der Ohrkapsel mit der Ala temporalis verbindet, wird die Arterie in en Foramen caroticum (Figge. 1, 2) eingeschlossen (Grenzen: medial Balkenplatte, vorn Processus alaris, lateral Commissura alıcochlearis, hinten Pars sacculo-cochlearis der Ohrkapsel). Der breitere aufsteigende Teil der Ala temporalis enthält ein grosses ovales Foramen: das Foramen rotun- dum (Fig. 2), durch das der zweite Trigeminusast das Cavum epiptericum verlässt. Der dorsale und der ventrale Rand dieses Foramens werden aussen noch durch eine breite Knorpelbrücke verbunden, so dass ein neuer Kanal, der Canalisalaris!) für die A. maxillaris interna, zustande kommt (Figg. 1, 2, 15). Seine ventral-laterale Begrenzung erhält er durch die eben er- wähnte Knorpelbrücke, medialwärts besitzt er gegen das Cavum epiptericum keine Skeletwand, da er im Bereich des Foramen rotundum liegt; vorn und hinten öffnet er sich an die Schädel- basıs, um die Arterie durchtreten zu lassen (Fig. 2). Dem Gesagten zufolge öffnet sich das Foramen rotundum in den Canalis alaris, und durch die vordere Öffnung dieses Kanals tritt auch der N. maxillaris heraus. Der dritte Trigeminusast ist von der Ala temporalis noch nicht umschlossen; er liegt ihrem Seitenrande "hinten nur in einer flachen Incisur (In- cisura ovalis) an (Fig. 1). Seitlicher, oberer, vorderer und medialer (ventraler) Rand des Hauptteiles der Ala temporalis sind frei; zwischen ihr und der Ala orbitalis besteht noch ein weiter Zwischenraum (Gebiet der späteren Fissura orbitalis superior). Im vorderen Teil der Orbitalregion sitzt dem basalen Knorpel seitlich die Ala orbitalis an (Figg. 1, 2, 3). Sie entspringt mit zwei Wurzeln, einer Radix posterior (Taenia !) Ellenberger-Baum, Diese Bezeichnung ist besser als die oft ge- brauchte: Canalis alisphenoideus. Das Primordialeraniuam eines Hundeembryo. 330 metoptica) und einer Radix anterior (Taeniaprooptica), die das sehr grosse Foramen opticum zwischen sich fassen. Von der Radix posterior springt nahe ihrem medialen Ende ein kurzer höckerförmiger Fortsatz ventral-rostralwärts vor, dessen Bedeutung mir unbekannt geblieben ist (* Figg. 1, 2, 3). Lateral von dem Foramen opticum vereinen sich beide Wurzeln zu einer breiteren Platte, dem Hauptteil der Ala orbi- talis, der sich nach vorn in ein schmäleres Band (Commis- sura spheno-ethmoidalis) fortsetzt und durch dieses mit der Nasenkapsel am Seitenrande der Fenestra cribrosa zusammenhängt. Zwischen ihr und der Nasenkapsel liegt die Fissura orbito-nasalis. Im Vergleich mit manchen anderen Säuger-Cranien, z. B. dem des Kaninchens, ist die Ala orbitalis des Hundes verhältnismässig klein. Bei dem mir vorliegenden Embryo wird ihr Hauptteil von einigen kleinen Foramina durchsetzt; linkerseits sind deren drei, rechterseits zwei vorhanden. Eine Verbindung der Ala orbitalis mit der Lamina parietalis der Oticalregion besteht nicht; die Commis- sura orbito-parietalis kommt also beim Hund nicht mehr zur Ausbildung. 4. Regio ethmoidalis. Die Nasenkapsel ist in longitudinaler Richtung sehr aus- gedehnt; ihre hintere Hälfte liegt unter dem vordersten Teil des Gehirnes (subcerebral), die vordere Hälfte vor dem Ge- hirn (präcerebral). In der Mitte der Länge, also an der Grenze der beiden Abschnitte, besitzt die Nasenkapsel die grösste Höhe, vorn wie hinten wird sie niedriger (fig. 3). Auch die Breiten- ausdehnung der Nasenkapsel ist etwa in der Mitte (richtiger: etwas hinter der Mitte) am grössten (Fig. 1), von hier aus nimmt der Breitenmesser nach vorn wie nach hinten ab, so dass die vordere wie die hintere Hälfte der Kapsel je einen Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd., H. 2). 24 396 MIRIAM P. OLMSTEAD, Halbkegel darstellen. (Man denke sich zwei Kegel, einen etwas längeren und einen kürzeren, mit den gleich grossen Basen zusammenstossend, und halbiere diesen Doppelkegel durch eine Ebene, die natürlich durch die beiden Spitzen geht, so erhält man eine ungefähre Vorstellung der Nasenkapselform. Die Halbierungsebene des Doppelkegels liegt ventral, die Spitze seiner langen Hälfte vorn, die der kurzen hinten; die Ver- einigungsebene beider entspricht der grössten Breite der Kapsel, etwas caudal von der Ebene, die durch den Vorderrand der Fenestra cribrosa gelegt werden kann.) Wir unterscheiden von Wänden: Septum, Tectum, Paries, Solum und Cupula posteriar. Das Septum ist die direkte Fortsetzung des Septum inter- orbitale der Orbitaltemporalregion und ist in seinem hinteren Abschnitt sicherlich auch noch auf den vorderen Teil des Septum interorbitale der Reptilien zurückzuführen (Figg. 1, 2). Von dem Ansatz der Radix anterior der Ala orbitalis an ge- winnt es die Form einer verticalen median stehenden Knorpel- platte, deren ventraler Rand in gleichmässig horizontaler Rich- tung nach vorn verläuft, während der dorsale Rand bis zur Mitte der Nasenkapsel nach vorn ansteigt, um dann wieder abzufallen, entsprechend dem, was bereits über die Höhe der Nasenkapsel gesagt wurde. Im ganzen subcerebralen Gebiet der Nasenkapsel ist der dorsale Septumrand frei und trennt die beiderseitigen Fenestrae cribrosae voneinander (Fig. 1). In der vorderen (präcerebralen) Hälfte der Nasenkapsel ist mit dem Dorsalrand des Septums das Tectum nası verbunden. Der niedrige Vorderrand des Septums ist frei. Der ventrale Septum- rand ist im grössten hinteren Teil abgerundet und frei. In dem präcerebralen (Gebiet ist er seitlich mit der Cartilago para- septalis, der Lamina transversalis anterior und dem Processus alarıs inferior verbunden (Fig. 2). Ein Tectum nasi ist nur im präcerebralen Abschnitt vollständig ausgebildet (Fig. 1). Dem ganzen subcerebralen Ab- Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 357 schnitt entlang erstreckt sich jederseits des Septum nasi die grosse Fenestra cribrosa, die durch die noch zu erwähnende Crista intereribrosa unvollkommen in zwei Hälften geteilt wird. Das Tectum des präcerebralen Abschnittes beginnt hinten mit einem scharfen, etwas ventralwärts umgebogenen Rand, der die vordere Begrenzung der Fenestra cribrosa bildet, und endet vorn ebenfalls mit einem scharfen Rand, der dorsalen Be- srenzung der Fenestra narina (Figg. 2, 3). Das Dach hängt in ganzer Länge mit dem dorsalen Rande des Septum nasi zusammen; eine ziemlich tiefe mediane Rinne (Sulcus supraseptalis, Mead) trennt seine beiden Hälften. Ent- sprechend der Form der Nasenkapsel ist das Dach hinten, d. h. dicht vor der Fenestra cribrosa, am breitesten und ver- schmälert sich nach vorn hin sehr stark. Seitwärts biegt es ohne scharfe Grenze in die Paries nası um. Im hinteren Teil wird es jederseits von einem Foramenepiphaniale durch- setzt (Fig. 1), durch das der R. lateralis des N. ethmoidalis aus der Nasenkapsel heraustritt. Das Gebiet des Daches zwischen der Fenestra ceribrosa und diesem Foramen epi- phaniale ist jederseits zu einer besonderen nach vorn vor- springenden Kuppel vorgewölbt (Prominentia praecri- brosa — Figg. 1, 3), die einen besonderen Recessus der Nasenhöhle enthält. Auch in der Mitte der Länge zwischen dem Foramen epiphaniale und dem Vorderrand des Tectums findet sich noch eine besondere Erhebung des letzteren (Figg. 1, 3). Die Pariesnasi erstreckt sich ununterbrochen durch die ganze Ethmoidalregion (Taf. 36, Fig. 3). Oben hängt sie in der vorderen Hälfte mit dem Tectum zusammen und in der hinteren Hälfte begrenzt sie die Fenestra ceribrosa. In diesem Gebiet stösst die Commissura sphenoethmoidalis an den oberen Rand der Paries, d. h. an den Seitenrand der Fenestra cribrosa, an und geht in diesen über (Figg. 1, 3). Zwischen der Commissura 24* | w8) 58 MIRIAM P. OLMSTEAD, und dem hinteren Teil der Nasenkapsel liegt die grosse Fis- sura orbitonasalis. Der vordere Rand der Paries nasi zieht schräg von vorn oben nach hinten unten und begrenzt so die Fenestranarina, die ganz an der Spitze der Nasen- kapsel gelegen ist und nach vorn und ventralwärts blickt (Figg. 2, 3). Hinter der Fenestra narina hängt der Ventralrand der Paries eine Strecke weit mit dem Solum zusammen (Figg. 2, 3). Ausser dieser Verbindung und einer zweiten mit der kurzen Lamina transversalis posterior (ganz hinten) ist der ventrale Rand der Kapselseitenwand frei und begrenzt die ausgedehnte Fenestra basalis lateral (Fig. 2). Nahe am vorderen Ende des basalen Randes zieht ein hakenförmiger Processus alaris superior nach unten (Figg. 2, 3). Hinter diesem Fortsatz bezeichnet eine Rinne die Grenze zwischen Nasenseitenwand und Lamina transversalis anterior; in ihr liegt der Ductus nasolacrimalis (Figg. 2, 16). Entsprechend der Configuration der Nasenhöhle blickt die Seitenwand der vorderen Hälfte zugleich etwas nach vorn, die der hinteren Hälfte bedeutend nach hinten. Im vorderen Gebiet des sub- cerebralen Abschnittes wird die Paries nasi seitwärts zu einer oberen Prominentia superior und einer unteren mehr hinten gelagerten Prominentia inferior weit ausge- baucht, die Räumen der Nasenhöhle entsprechen (Fig. 3). Hinten geht die Paries nasi in eine Cupula posterior über (Fig. 2), die durch einen engen Zwischenraum vom Sep- tum getrennt ist. Das Solum nasi ist sehr lückenhaft (Fig. 2). Nur eine nicht sehr ausgedehnte Verbindung besteht zwischen Septum und Paries, Lamina transversalis anterior, die die Fenestra narina von der Fenestra basalis vollständig trennt. Vorn, im Gebiet der Fenestra narina, ist das Septum durch einen platten horizontal gelagerten Processus alarıs in- ferior verbreitert. Die Cartilago paraseptalis zieht Das Primordialcranium eines Hundeembryo. 359 nicht wie bei den meisten Säugern!) (z. B. Talpa, Echidna, Tarsius) vom Bodenteil der Zona anularis, d. h. der Lamina transversalis anterior, rückwärts, sondern vom Seitenteil der Basis des Septums, ein wenig hinter der Lamina transversalis anterior (Figg. 2, 3). Der Knorpel stellt ein kurzes, plattes Band dar, das eine Seite medial-, die andere lateralwärts kehrt. Nur eine kurze, vordere Strecke der medianen Wand ist ın Zusammenhang mit dem Septum, sonst zieht die Platte ganz frei rück- und ventralwärts, neben der Septumbasis, doch tiefer als diese herabreichend, so dass die beiderseitigen Cartilagines paraseptales mit ihren medianen Flächen gegeneinander blicken. Der ventrale Rand läuft longitudinal nach hinten. Der dorsale Rand läuft vom Ansatz des Knorpels am Septum an schräg nach unten hinten, so dass das Knorpelband nach hinten hin niedriger wird. Der untere Rand ist streckenweise zu einer niedrigen Leiste lateralwärts umgebogen, welche die ventrale und in geringer Ausdehnung sogar die laterale Wand eines lateral-dorsalwärts offenen Halbkanals für das Jacobsonsche Organ bildet. Eine sehr wenig ausgedehnte Lamina trans- versalis posterior ist vorhanden in Zusammenhang mit der Paries nasi (Fig. 2) und mit der sehr unansehnlichen Hinter- wand der Kapsel, deren „hintere Kuppel“ mithin sehr unvollständig ist. Mit dem Septum nasi ist dieselbe nicht verbunden. Neben dem Septum ist die Lamina transversalis posterior nach vorn in einen schmalen Fortsatz ausgezogen (Fig. 2). Diese Bildung repräsentiert den Rest des hinteren Teiles der Cartilago paraseptalis. Innenraum der Nasenkapsel. Ein einheitlicher Raum erstreckt sich durch jede Nasen- kapselhälfte,; er öffnet sich hinten am Dach durch die grosse !) Gaupp, 1905b, S. 830. 360 MIRIAM P. OLMSTEAD, Fenestra cribrosa (Fig. 1), vorn an der Spitze durch die Fenestra narina (Figg. 2, 3), basal durch die lange spaltförmige Fenestra basalis (Fig. 2). Abgesehen von diesen grossen Öffnungen be- steht dann nur noch das kleine Foramen epiphaniale im hinteren Teil des präcerebralen Daches (Fig. 1). An dem ganzen Innen- raum kann man im Anschluss an V oit drei Abschnitte unter- scheiden: 1. Pars posterior s. ethmoturbinalis, 2. Pars inter. media, ausgezeichnet durch eine starke Verbreiterung, den Recessus lateralis; 3. Pars anterior s. maxillo-naso-turbinalis. Die Hauptkomplikationen, die diese drei Abschnitte zeigen, be- treffen die laterale Wand. Auf der Grenze der Pars posterior und der Pars inter- media findet sich das kompliziert gestaltete Ethmoturbi- nale I (Figg. 1, 2). Man kann es auf die Form einer vier- seitigen Platte zurückführen mit einem Margo affıxus und drei Margines liberi. Der Margo affıxus inseriert an der Seiten- wand der Nasenkapsel, entsprechend einer gekrümmten Linie. Diese Linie läuft von hinten unten nach vorn oben zunächst wenig aufsteigend, entsprechend der Rinne, die an der Aussen- fläche der Nasenkapsel den Recessus lateralis vom hinteren Teil der Kapsel trennt. In ihrer vorderen Hälfte biegt die Befestigungslinie ausgesprochen dorsalwärts in eine vertical auf- steigende Richtung um. Die drei anderen Ränder der Platte sind: 1. ein medial-unterer, schräg von hinten aussen nach vorn innen ziehender; 2. ein medial-vorderer, der etwa senk- recht steht: 3. ein oberer, der im Niveau der Fenestra cribrosa schräg von hinten aussen nach vorn innen zieht und verbreitert die schon erwähnte Crista intercribrosa bildet, die das (rebiet der Fenestra cribrosa unvollkommen in eine vordere und eine hintere Hälfte teilt (Fig. 1). Somit kehrt die Platte eine convex gekrümmte Fläche vor- und lateralwärts, eine concave Fläche caudal- und medialwärts. Der vordere verticalstehende and krümmt sich ein wenig medialwärts um und stützt den S6l vorderen Riechwulst des Ethmoturbinale I. In kurzer Entfer- nung hinter ihm sitzt der medial-hinteren Fläche des letzteren ein besonderer Vorsprung an, der dem zweiten Riechwulst des Ethmoturbinale I zur Stütze dient (Fig. 1). Hinter dem Ethmoturbinale I, etwa oberhalb des hinteren Endes seines Befestigungsrandes, sitzt das wesentlich kleinere Ethmoturbinale II der Seitenwand an (Figg. 1, 2). Es stellt eine verticale Platte dar, die eine leicht concave Fläche lateralwärts, die andere convexe medial-caudalwärts kehrt. Ihr iateraler Rand ist nicht in ganzer Ausdehnung, sondern nur mit einer kleinen ventralen Partie an der Nasenkapselwand befestigt. Vor dem Ethmoturbinale I findet sich der grosse Re- cessus lateralis, der aber infolge der Lage des Ethmo- turbinale sich auch ventral von demselben nach hinten er- streckt. Er zerfällt in eine Pars superior und eine Pars inferior; die Trennung zwischen beiden ist hinten angedeutet durch eine Crista horizontalis (Fig. 1), die der Seitenwand ansitzt und zugleich mit ihrem Hinterrand in die convexe lateral-vor- wärts gekehrte Fläche des Ethmoturbinale I übergeht, vorn durch die schräg von vorn-oben nach hinten-unten absteigende niedrige Crista semicircularis (Fig. 1). Hinter dieser findet sich in der Pars superior des Recessus lateralis eine niedrige Leiste (Concha frontalis s. obtecta — Fig.]). Die Muschelbildungen in der Pars anterior sind nicht be- deutend. Das Maxilloturbinale besteht nur in Form einer longitudinal laufenden Leiste (Taf. 43, Fig. 16), die vom unteren Rande der Paries nasi nach oben ragt und sich von der Fenestra narına bis zu dem Recessus lateralis erstreckt. Das Naso- turbinale ist noch weniger, als eine Verdickung des Knorpels im Winkel zwischen Teetum und Paries, ausgebildet. Schliess- lich bleibt noch zu erwähnen, dass der dorsale Begrenzungs- rand der Fenestra narina entsprechend dem hintersten Teil 362 MIRIAM P. OLMSTEAD, derselben etwas medialwärts gekrümmt gegen den Raum der Nasenkapsel vorspringt, auf diese Weise ein schwach ausge- bildetes Atrioturbinale bildend (Taf. 43, Fig. 17). B. Primordiales Visceralskelet. 1. Elemente des Kieferbogens. Die Skeletteile des Kieferbogens werden repräsentiert durch den Incus (Quadratum) und den primordialen Unterkiefer (Meckelschen Knorpel), dessen proximales Gelenkende die Anlage des Hammers darstellt. Der Incus (Figg. 1, 2, 3) lässt einen Hauptabschnitt, Corpus, und zwei divergent nach hinten gehende Crura (Crus longum und Crus breve) unterscheiden. Das Corpus trägt die nach vorn und ventralwärts blickende Gelenkfläche für das proximale Ende des Meckelschen Knorpels. Das Gelenk zwischen beiden Skeletteilen ist zwar noch nicht voll ausgebildet, doch macht sich bereits in dem verbindenden Zwischengewebe eine helle Trennungszone, als Beginn der Spaltbildung, bemerkbar (Taf. 41, Fig. 13). Von den beiden Crura legt sich das obere, das Crus breve, von aussen in die schon erwähnte Fossa in- cudis der Pars utriculo-canalicularis der Ohrkapsel; das untere, das Crus longu m, zieht abwärts und caudalwärts gegen den Stapes, mit dessen Köpfchen es sich verbindet (Fig. 12). Die Verbindung erfolgt noch durch ein sehr kernreiches Ge- webe, ist also eine continuierliche. Der Meckelsche Knorpel zieht als rundlicher Stab von hinten nach vorn, zugleich in dieser Richtung absteigend !). An seinem vorderen Ende ist er mit dem der anderen Seite homocontinuierlich verbunden, d. h. beide Knorpel fliessen hier zusammen. Sein proximales (hinteres) Ende ist stark verdickt, 1) Demnach ist die Fig. 3 etwas anders zu orientieren (s. S. 345, Anm.). Anatom. Hefte. I. Abt. 130. Heft (43. Bd., H. 2). Tafel 39. Pariet. Lam. pariet. Cav. sem, ant. Sin, sup. Cav. sin. sup. Sept. sem. post. For. endol. N.X. N.XI. Sin. sig. N. XII Cav. semie. post. Lam. alaris. Planum basale Epistr. Atlas Lam. pariet. -Cav, semic. ant. I Foss. subare Sin. superior 5 Een Duet. endol. — For. jugul. — : NERS INES 52:95 | Massa angul. Cav.utr.-amp. Can, sem. lat. Amp. post Cav. sem. lat. Ree. jugul. N. XI]. Plan. basale Lamina alaris Fig. 9. R. Schilling del. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. ® 62 3 er vr. Br s ar I | Bi Anatom. Hefte. I. Abt. 130. Heft (43. Bd., H. 2). Tafel 40. 7 — > Pariet. Ss S a | ).! Lam. pariet. Cav. semie. ant. Foss. subare. Massa angul. Can. semie. lat. Cav. utrie.-amp. Cav. semie. lat. Sept. sem. lat. Ree. jugularis Duet. endol. For. endol. N. IX. Gang. N. X, NEXT. Ve jugul,g N. XII. Plan. basale Lam. alaris Utrie. Fig. 10. Lam. pariet. . semic. ant. semie. ant. N. cochl. : . utrie.-amp. N. vestib. . sem. lat. 5 . infraerist. For. acust. inf. E ZG 6 7 . sem, lat. For. perilymph. : Rn =; ET PH N. vor. Biesshasicuch: I ; ES BE a 7 Crista parot. A, earot. eom. Plan. basale R, Schilling del, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 363 trägt die dorsal- und etwas caudalwärts blickende (Grelenkfläche für den Incus und verlängert sich jenseits dieser Fläche in das lange, spitz auslaufende Manubrium mallei (Fige. 1, 2, 3), das medial- und ventralwärts abgeknickt und nahezu hori- zontal gelagert nach vorn und medialwärts gerichtet ist. Das Manubrium liegt in kurzem Abstand von der Pars sacculo- cochlearis der Ohrkapsel. 2. Zungenbein. (Figg. 3, 4.) Die Componenten des Zungenbeins sind in knorpeligem Zustande voll ausgebildet vorhanden. Das Corpus wird durch eine quergelagerte rechtwinklige Knorpelplatte dargestellt, die vertical steht und eine Fläche vor-, die andere rückwärts kehrt. Ihr sitzen jederseits en Cornu hyale und ein Cornu branchiale I an. Das Cornu hyale sitzt dem Dorsal- rand der Platte an dessem lateralen Ende auf und ist mit ihm bindegewebig verbunden. Von hier steigt es dorsal- und caudalwärts, um homocontinuierlich in die Crista parotica über- zugehen. Sein letzter Abschnitt, vor dem Übergang in dıe Crista, steigt mehr vertical, mit einer Krümmung nach hinten, auf. Der hintere Hauptstamm des N. facialis verlässt in typischer Weise das Cavum infracristale, indem er sich um den hinteren Umfang des oberen Endes des Cornu hyale herumschlingt; die Chorda tympani geht dann erst, wie es ebenfalls typisch ist, vom Stamm des Nerven ab und umschlingt das Cornu hyale von aussen. Das Cornu branchialeI ist viel kürzer als das Cornu hyale und zieht vom seitlichen Ende des Corpus direkt nach hinten. Mit dem Corpus ist es ebenfalls durch Bindegewebe verbunden. Sein hinteres Ende krümmt sich ventralwärts und geht homocontinuierlich in die Cartilago thyreoidea über. 364 MIRIAM P. OLMSTEAD, 3. Kehlkopf. (Figg. 3, 4.) a) Die Cartilago thyreoidea ist einheitlich, d. h. ihre beiden Hälften hängen median zusammen, und jede Hälfte stellt eine einheitliche Platte dar, in deren hinteres Ende das Cornu branchiale I des Zungenbeins homocontinulerlich übergeht. b) Die Cartilago cricoidea besitzt bereits die Form des definitiven Zustandes, also die eines Ringes, der vorn (ventral) sehr niedrig ist and sich hinten zu einer hohen Platte verbreitert. c) Die zwei kleinen, platten Cartilagines arytaeno- ideae setzen sich an die Cartilago cricoidea an. II. Allgemeine und vergleichende Betrach- tungen. Das untersuchte Primordialeranıum des Hundes zeigt im allgemeinen die für die Säuger charakteristischen Verhältnisse, wie sie durch die Arbeiten vonSpöndli, Decker, Parker, Gaupp, Fischer, Noordenbos, Voitund.-Meadebe kannt sind. 1. Basalplatte. An der Basalplatte wäre bemerkenswert die sehr starke Verschmälerung vorn zwischen den beiderseitigen Schnecken- kapseln. Sie illustriert die von Gaupp begründete und wieder- holt vertretene Auffassung, dass die Pars cochlearis der Säuger- Das Primordialcrani um eines Hundeembryo. 365 Ohrkapsel einer Umformung von Teilen der „Basalplatte“ niederer Wirbeltiere ihre Entstehung verdankt (Gaupp 1900, S. 506 u. ff). Die Fissura basicoc hlearis ist durch ihre Länge bemerkenswert; ähnlich zeigt sie sich an dem Fischerschen Modell des Talpa-Craniums, während sie beim Schwein nach Mead wesentlich kleiner ist. Manchen Säuger- Cranier (z. B. Echidna) fehlt sie ganz; über ihre Bedeutung äusserte Gaupp kürzlich (1908, S. 686) eine Ansicht. 2. Regio oceipitalis. In der Oceipitalregion ist zunächst hervorzuheben die ganz horizontale Lage des Anfangsteiles der Olecipital- pfeiler, die ja für die meisten Säuger zutrifft und mit der beträchtlichen Grösse des Gehirnes zusammenhängt. Weiter erwähne ich die Verbreiterung des Oceipitalpfeilers zu einer Laminaalaris, die allerdings nur mit einer kleinen Strecke ihres lateralen Randes mit der Ohrkapsel knorplig zusammen- hängt. Die geringe Länge dieser Verbindungsbrücke hat zur Folce. dass die Fissura occipito-capsularis posterior beim Hund sich weiter nach vorn hin ausdehnt, als es nach Voit beim Kaninchen der Fall ist. Denn hier bei Lepus verbindet sich der laterale Rand der Lamina alaris in viel grösserer Aus- dehnung mit der Ohrkapsel. Der Processus paracon dy- loideus, in den die Lamina alarıs beim Kaninchen nach vorn hin ausläuft, und der hier bei Lepus einen längeren Zapfen darstellt, bildet beim Hund nur einen stumpfen breiten Vorsprung. Es ist nur ein Foramen Hy poglossi vor- handen (beim Kaninchen zwei). Das Tectum posterius, das bei Echidna noch wie bei den niederen Wirbeltieren hori- zontal am Schädeldach liegt, ist beim Hund wie beim Kaninchen in eine mehr senkrechte Stellung aufgerichtet (infolge der Ver- grösserung des Gehirnes), stellt aber beim Hund nur ein sehr schmales Band dar. Über seine Zugehörigkeit (zur Oceipital- oder Oticalregion?) möchte ich ein Urteil nicht abgeben. 3. Regio otica. In der Oticalregion ist zunächst bemerkenswert die ge- ringe Beteiligung des Knorpelschädels an der Herstellung einerseitlichen Schädelwand. Die Ohrkapsel ist, wie bei den Säugern überhaupt, von geringer Grösse und liegt im wesentlichen basal, so dass sie zur seitlichen Begrenzung des Cavum cerebrale cranii wenig beiträgt. Die Lamina parie- talis erhebt sich nar über der hinteren Hälfte der Ohrkapsel, und eine Commissura orbitoparietalis, die bei so vielen Säuger-Cranien (z. B. Talpa, Lepus, Sus, Echidna u. a.) die Parietalplatte mit der Ala orbitalis verbindet, fehlt beim Hund (wie z. B. auch bei den Primaten, ef. Fischer). Ob sie auf jüngeren Stadien vorhanden ist, vermag ich vorläufig nicht anzugeben. Von Resten der primären Schädelseitenwand über der Pars cochlearis der Ohrkapsel, wie sie Voit bei jungen Kaninchen-Embryonen beschrieben hat, habe ich beim Hund nur eine sehr niedrige Leiste gefunden; ob es später zur Aus- bildung einer secundären knorpligen Seitenwand kommt, wie sie ebenfalls von Voit für das Kaninchen festgestellt worden ist, vermag ich nicht zu sagen, doch ist mir das beı dem Fehlen der Commissura orbitoparietalis nicht sehr wahr- scheinlich. Indessen darf wohl angenommen werden, dass auch beim Hund, wie beim Kaninchen, ein „Cavum supracochleare” später dem Cavum cerebrale cranii einverleibt wird (cf. Voit, S. 529 u. ff.). Was die Ohrkapsel anlangt, so zeigt sie die für die Säuger typische Zerlegung in einen hinteren (bei Echidna oberen) und einen vorderen (bei Echidna unteren) Abschnitt, in deren Bezeichnung als Pars posterior s. utriculo-canalicularis und Pars anterior s. sacculo-cochlearis ich Voit gefolgt bin. Anatom. Hefte. I. Abt. 130. Heft (43. Bd., H. 2). Tafel 41. For. acust. sup. —--Pariet. ji Be Utrieulus & ff Cav. utr.-amp. Bd ] Fen. vestibuli 7 Fossa ineudis Gang. vestib. N. eochl ——— For. acust. inf.’ TER NV: Stapes ie Cr. long. ineud. N. cochl. — Meat.acust. ext. Plan. basale— A. carot. int. ——e Cav. tympani —— N. IX N A. carot. ext. For. perilymph. Reichert. Knorp. N. XH. V. jugul. Parietale For. faciale RENAUR N. VIII. (eochl.) Squamosum 1 'f Ineus Duet. coch Be r i Sept. spirale a A, Plan. basale @- Malleus IE Meat. acust. ext. A. earot. int. - Ä Cav. tympan.-3 N. VII. Reichert. Knorp. N.X. | V. jugul. N. XII. R. Schilling del, Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Anatom, Hefte. I. Abt. 130. Heft (43. Bd,, H. 2). Tafel 42. Proe. alaris N. I. IR Gangl. semilun. BEER De P‘ 3 2 nl (Lam. ase.) < NE: Balkenplatte 3 : -Ggl. otieum N. petr. sup. z FA. max. int. ma]. = EEE Squamos. Meck. Knorp. A. mandib. Reichert. Knorp. Branch. 1. Larynx. Corp. thyreoid. Cart. arytenoid. Radix post. Al. orbit. Canal. alaris N. III. N. V, Ala temporal. "N. V5 ‘A. maxill. int. Ne Vi. — Sept. interorb. A. carot. int. N. petros. superf. maj. Duct. naso- Mandibulare pharyng. N. V; R. mand. A. mandib. Cavum oris Meckel. Knorp. R, Schilling del. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Anatom. Hefte. I. Abt. 130. Heft (43. Bd., H. 2). Tafel 43. Nasale Teetum nasi ; Paries nasi Duct. gland. nasi lat. Sept. nasi Maxilloturb, Duet nasolaer. Lam. transv. ant. Atrioturbinale Septum nasi Proe, alaris infer. Fig. 17. R. Schilling del. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. - t ua Na, £ hy er ß B } A i IA zur = Y SE m > u w bi u “ ind { u L Zu n ri wre I & u: Fr * j ö Das’ Primordialeranium eines Hundeembryo. 367 Von der Pars utriculo-canalicularis wäre erwähnenswert die wie beim Kaninchen sehr tiefe, in das Septum semicirculare anterius eindringende Fossa subarcuata, und die Einheitlich- keit des Foramen perilymphaticum, das also noch nicht in eine Fenestra cochleae und einen Aquaeductus cochleae aufgeteilt ist. Von der Pars sacculo-cochlearis der Ohrkapsel wurde schon oben die beträchtliche Grössenentwickelung auf Kosten der Basalplatte erwähnt. Ein Meatus acusticus internus, wie ihn der erwachsene Hundeschädel zeigt, besteht noch nicht, nur das Foramen acusticum superius und das Foramen faciale besitzen schon eine gemeinsame Ausgangsstelle. Die Lamina parietalis zeigt ein ähnliches Verhalten wie beim Kaninchen, d. h. sie wird hinten von der Ohrkapsel durch die Fissura capsulo-parietalis („Foramen jugulare spurium“) getrennt, steht aber vorn mit ihr in Zusammenhang. 4. Regio orbitotemporalis. Die Orbitotemporalregion zeigt als die für die Säuger charakteristischste Eigentümlichkeit den Mangel einer primären Schädelseitenwand im hinteren Teil der Region. Dieser Mangel ist beim Hund, da hier wie bei den Primaten eine Commissura orbitoparietalis fehlt, ganz besonders in die Augen fallend. Die Ala temporalis ist noch sehr klein, zeigt aber doch eine gering entwickelte Pars ascendens, durch die ein seitlicher Abschluss des Cavum epiptericum und Zuteilung desselben zum Cavum cerebrale cranii wenigstens angedeutet wird. Bemerkenswert ist das Vorhandensein eines allseitig knorplig umwandeten Foramen rotundum schon auf diesem Stadium. Für die A. maxillaris interna besteht wie beim Kaninchen ein Canalis alaris s. alispheno- ideus, derselbe ist aber beim Hund dorsal-medialwärts gegen das Cavum epiptericum weit offen, ein Verhalten, das wohl 368 MIRIAM P. OLMSTEAD, 5 auf ein Unterbleiben der Verknorpelung an der Anlagerungs- stelle der A. maxillaris interna zurückzuführen ist, und wo- durch ein Zusammenfluss des Foramen rotundum und des Canalis alaris zustande kommt. Die beiden Foramina öffnen sich auf diese Weise ineinander, und der zweite Trigeminusast verläuft durch die vordere Öffnung des Canalis alaris hindurch. Die mediale, von der Ala temporalis ventralwärts absteigende Begrenzungsspange des Canalis alaris ist der eigentliche „Pro- cessus pterygoideus“ des Keilbeins; sie entspricht der „lateralen Lamelle“ des Processus pterygoideus des menschlichen Keil- beins. — Wie beim Kaninchen und vielen anderen Säugern besteht auch beim Hund eine Trennungszone zwischen dem Processusalaris und demlateralen Teilder Ala.temporalis (s. Voit, S. 560. — Das Foramen caroticum, das aussen durch die Commissura alicochlearis begrenzt wird, führt wie beim Kaninchen (V oit) in das Cavum epiptericum, nicht in den primären Schädelraum, wie bei Echidna und den niederen Wirbeltieren. Die für die Erklärung dieses Unterschieds in Betracht kommenden Möglichkeiten sind von Gaupp (1908, S. 699) und von Voit (S. 551 u. ff.) er- örtert worden; eine Entscheidung, welche Deutung die richtige ist, vermag ich nicht zu geben. Die Ala orbitalis ist im Vergleich mit anderen mir vorliegenden Modellen beim Hund ziemlich klein; dass eine Verbindung mit der Lamina parietalis (durch eine Commissura orbitoparietalis) fehlt, wurde schon angeführt. Eine Verbindung mit der Nasenkapsel durch eine Commissura sphenoethmoidalıs ist dagegen vorhanden, die zwischen ihr und der Nasenkapsel bleibende Fissura orbitonasalis ist beim Hund sehr weit. Den kleinen Fortsatz auf der Radix posterior der Ala orbitalis habe ich nur beim Hund gefunden. Die von Gaupp begründete und dann namentlich von Fischer als richtig erwiesene Auf- fassung. dass die basale Knorpelmasse im vorderen Gebiet Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 369 der Orbitotemporalregion auf das Septum interorbitale des Sauropsiden-Craniums zurückzuführen ist, wird durch die Be- trachtung des Craniams des Hundes sehr einleuchtend, ebenso die andere Anschauung von Gaupp, dass der hintere Teil des Septum nasi bei den Säugern dem vorderen Teil des Septum interorbitale entspricht, der durch die starke Ver- erösserung der Nasenhöhle in caudaler Richtung in das Innere der Nasenkapsel eingeschlossen wurde. Die Freiheit der hinteren Nasenkapsel-Kuppel vom Septum, wie sie sich beim Hund findet, entspricht dem von Gaupp für die Säuger vorausgesetzien primitiven Verhalten. 5. Regio ethmoidalis. Der Zustand der Nasenkapsel beim Hund ist sehr ähnlich dem des Kaninchens. Das zeigt sich zunächst in der eben schon erwähnten Loslösung der hinteren Kuppel vom Septum, einem Verhalten, das als primitiv zu gelten hat gegenüber dem, wie es z. B. Echidna und Talpa zeigen, und das durch Verwachsung der hinteren Nasenkapsel-Kuppel mit dem Septum charakterisiert ist. Auch in der longitudinalen Ausdehnung der Kapsel stimmen Hund und Kaninchen etwa überein; beim Hund ist der subcerebrale Kapsel-Abschnitt viel- leicht etwas grösser als beim Kaninchen. Endlich stimmen die Kapseln beider Tiere auch in der Form überein, sowie im Ver- halten der Fenestra narina, die bei beiden nicht seitlich, sondern endständig, vorn an der Spitze der Kapsel und etwas ventralwärts blickend, gelagert ist. Eine Lamina cribrosa war auf dem von mir unter- suchten Stadium noch nicht ausgebildet, an ihrer Stelle be- steht noch jederseits eine sehr grosse Fenestracribrosa, die jedoch durch eine Crista intereribrosa, wie sie auch für das Kaninchen durch Voit beschrieben worden ist, in eine 370 MIRIAM P. OLMSTEAD, lateral-vordere und eine median-hintere Hälfte geteilt wird. Allerdings reicht diese Crista medialwärts nicht bis zum Sep- tum, so dass jene Zerteilung der Fenestra unvollkommen ist. Die stark vorgebauchte Prominentia praecribrosa, die die Nasen- kapsel des Hundes zeigt, fehlt der des Kaninchens. Dagegen erscheinen die übrigen Ausbuchtungen, die Voitan der Nasen- kapsel des Kaninchens beschrieben hat, beim Hund nicht so stark ausgebildet (Prominentiae superior und posterior, Sakter- wulst); eine Prominentia anterior fehlt ganz. Am Boden der Nasenkapsel zeigt der Hund im Besitz einer mit dem Nasenseptum verschmolzenen Lamina trans- versalis anterior einen Zustand, der dem Kaninchen, wo die Lamina transversalis anterior frei vom Septum ist, fehlt. Hierin gleicht also die Nasenkapsel des Hundes mehr der von Echidna, Talpa oder auch Sus. Die Vereinigung der Lamina transversalis anterior mit dem Septum bedingt das Zustandekommen einer Zona anularis der Nasenkapsel, d. h. einer Partie, in der die Nasenhöhle auf ihrem ganzen Querschnitt (dorsal, lateral, ventral, medial) ringförmig von Knorpel umschlossen ist, wie das z. B. auch für die Nasenkapsel von Lacerta gilt (Gaupp, 1900). — Eine Lamina transversalis posterior ist nur sehr gering entwickelt. — Von der Cartilago para- septalis sind mehrere Besonderheiten hervorzuheben. Zu- nächst hängt sie nicht, wie es sonst charakteristisch ist, vorn mit der Lamina transversalis anterior zusammen, sondern erst hinter dieser mit der Seite des Septums. Der Zusammenhang wird durch jungen Knorpel gebildet. Auch erstreckt sie sich nicht bis zur Lamina transversalis posterior nach hinten, sondern endet in grösserer Entfernung von derselben frei. Doch deutet ein nach vorn gerichteter Fortsatz der Lamina trans- versalis posterior den ursprünglichen continuierlichen Zu- sammenhang beider Gebilde an. Diese partielle Rückbildung der Cartilago paraseptalis trotz der Freiheit der hinteren Nasen- - Das Primordialeranium eines Hundeembryo. ayal kapselkuppel stimmt nicht mit der Annahme von Gaupp über- ein, dass die Reduktion der Cartilago paraseptalis mit der Fixation der hinteren Kuppel der Nasenkapsel in Zusammen- hang zu bringen sei. Bei Echidna, Talpa und anderen Säugern findet sich allerdings beides vereinigt, Fixation der hinteren Kuppel und Reduktion des Paraseptalknorpels, beim Hund aber und, wie Mead gezeigt hat, auch beim Schwein, findet sich die Rückbildung des Paraseptalknorpels trotz Freiheit der hinteren Kuppel. So dürfte der Grund für die erstere Erschei- nung in einem anderen Momente liegen, und zwar in dem Verhalten des Jakobsonschen Organs, dem der Paraseptal- knorpel als Stütze dient. Schon Voit (1909, S. 587) sagt: „Die Annahme Gaupps, dass die vollkommene Reduktion der hinteren Hälfte der Cartilago paraseptalis, wie sie sich z. B. bei Echidna findet, mit der dort erfolgten Fixation der hinteren Nasenkuppel in Zusammenhang zu bringen sei, steht in gutem Einklang damit, dass beim Kaninchen freie hintere Kuppel und vollständige Cartilago paraseptalis sich kombinieren. Aber auch die bedeutende Länge des hochentwickelten Jakob- sonschen Organes, für welches der vordere Teil des Para- septalknorpels eine rinnen-, ja sogar eine teilweise röhren- förmige Hülle bildet, mag mit an der Voliständigkeit desselben schuld sein.“ Durch meine Befunde beim Hund wird die Richtigkeit der letzteren Vermutung durchaus bestätigt. Die Verhältnisse im Binnenraum der Nasenkapsel sind beim Hund sehr ähnlich denen, die Voit beim Kaninchen in so ausführlicher vortrefflicher Weise geschildert hat. An meinem Modell ist der vordere Rand der Lamina horizontalis frei, d. h. er trifft die Crista semicircularis nicht, wie beim Kaninchen, und so ist die Zerlegung der Pars intermedia der Nasenkapsel nicht so vollständig wie dort. Es sind vorläufig erst zwei Ethmoturbinalia und eine Concha frontalis vorhanden; das Maxillo-, Naso- und Atrioturbinale sind noch gering entwickelt. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Pd., H. 2). 25 372 M. P. OLMSTEAD, Das Primordialeranium eines Hundeembryo. 6. Visceralskelet. Das Visceralskelet zeigt die charakteristischen Verhält- nisse. Das hintere verdickte Gelenkende des Meckelschen Knorpels lässt die Formen des späteren Hammers er- kennen, Incus und Stapes sind selbständige Knorpelstücke. Eine A. stapedia ist vorhanden, aber klein. Das Cornu hyale des Zungenbeins geht in typischer Weise in die Crista parotica der Ohrkapsel über, das Corpus hyoideum und das Cornu branchiale I zeigen nichts Besonderes. Das obere Ende des Cornu hyale wird in typischer Weise an seinem lateralen Umfang von der Chorda tympanı umschlungen. 12. 13. 14. Literaturverzeichnis. . Decker, Fr., Über den Primordialschädel einiger Säugetiere. Inaug.-Diss. Würzburg 1883. Ellenberger und Baum, Anatomie des Hundes. Berlin 1891. — Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. Berlin 1900. Fischer, E.,, Das Primordialeranium von Talpa europaea. Ein Beitrag zur Morphologie des Säugetierschädels. Anat. Hefte. Abt. 1. H. 56/57 (Bd. 17). 1901. - Zur Entwickelungsgeschichte des Affenschädels. Zeitschr. f. Morphol. u. Anthropol. Bd. 5. H. 3. 1903. -- Das Primordialeranium vom Tarsius speetrum. Vorläuf. Mitteilung. Abhandl. d. kgl. Akad. d. Wissensch. Amsterdam. 1905. Gaupp, E., Beiträge zur Morphologie des Schädels. I. Primordialeranium und Kieferbogen von Rana fusca. Morphol. Arbeiten, herausgegeben von G. Schwalbe. Bd. 2. 189. — Das Chondrocranium von Lacerta agilis. Ein Beitrag zum Verständnis des Amniotenschädels. Anat. Hefte. Abt. 1. Bd. 14. H. 3. 1900. — Über die Ala temporalis des Säugerschädels und die Regio orbitalis einiger anderen Wirbeltierschädel. Anatom. Hefte. Abt. 1. Bd. 19. 1902. . — Zum Verständnis des Säuger- und Menschenschädels. Korres pondenz- Blatt Deutsch. Gesellsch. f. Anthropol. Jahrg. 34. 1903. — Die Entwicklung des Kopfskelets. Hertwigs Handb. d. vergl. u. exper. Entwickelungsgesch. d. Wirbeltiere. Bd. 3. Abt. 2. 1905(a). (Jahresz, d. Bandes: 1906.) — Neue Deutungen auf dem Gebiete der Lehre vom Säugetierschädel. Anat. Anz. Bd. 27. Nr. 12/13. 1905 (b). Die Nicht-Homologie des Unterkiefers in der Wirbeltierreihe,. Verhandl. d. Anat. Gesellsch. auf d. 19. Versamml. (I. internation. Anat. Kongr.) in Genf. (Ergänz. Heft zu Bd. 27 d. Anat. Anz.) 1905 (e). — Über allgemeine und spezielle Fragen aus der Lehre vom Kopfskelet der Wirbeltiere. Verhandl. d. Anat. Gesellsch. auf d. 20. Versamml. in Rostock. 1906. Literaturverzeichnis. 15. Gaupp, E., Zur Entwickelungsgeschichte und vergleichenden Morphologie 16. Iyie 18. 19. 20. 21. 22. des Schädels von Echidna aculeata, var. typica. Semons Zool. Forschungs- reisen. Bd. 3. (Jenaische Denkschr. Bd. 6). 1908. Mead, C. $., The Chondrocranium of an Embryo Pig, Sus scrofa. Amer. Journ. of Anat. Vol. 9. Nr. 2. May 1909. Noordenbos, W., Über die Entwickelung des Chondrocraniums der Säugetiere. Petrus Camper, Deel 3, Afl. 3 en 4. 1905. Parker and Bettany, The Morphology of the skull. London. 1877. Spöndli, H., Über den Primordialschädel der Säugetiere und des Menschen. Inaug.-Diss. med. Fak. Zürich. 1846. Veit, O., Über einige Besonderheiten am Primordialeranium von Lepid- osteus osseus. Anatom. Hefte. Abt. I. Bd. 33. H. 99. 1907. Voit, M., Das Primordialeranium des Kaninchens unter Berücksichtigung der Deckknochen. Ein Beitrag zur Morphologie des Säugetierschädels. Anat. Hefte. Abt. 1. Bd. 38. H. 116. 1909. Wiedersheim, R., Einführung in die vergleichende Anatomie der Wirbel- tiere. Jena. 1907. Erklärung der Abbildungen. Die Abbildungen beziehen sich sämtlich auf Canis familiaris, Embryo von 27 mm grösster Länge. Fig. 1. Plattenmodell des Primordialeraniums bei 25 facher Vergrösserung modelliert. Abbildung auf */s verkleinert (also etwa dem I1fachen der natür- lichen Grösse entsprechend). Ansicht von oben. Fig. 2. Dasselbe von unten. Vergrösserung dieselbe. Auf der rechten (in der Zeichnung linken) Seite ist der Meckelsche Knorpel quer abgeschnitten. Zungenbein und Kehlkopf sind ebenfalls entfernt. Mit * ist der unbekannte Fortsatz auf der Radix posterior der Ala orbitalis bezeichnet. Fig. 3. Dasselbe Modell von links. Vergrösserung dieselbe. * wie auf Fig. 2. Die Abbildung ist nicht genau orientiert. Or.l.i. = Crus lorgum in- cudis. Cr. p. — Crista parotica. P.s.1. = Prominentia semicircularis lateralis. Fig. 4. Zungenbein und Kehlkopf vom gleichen Modell, von vorn-unten. Fig. 5. Schnitt durch den hintersten Teil der Ohrregion, Fissura capsulo- parietalis, Fissura oceipito-capsularis und Foramen occipitale magnum. Fig. 6. Schnitt durch den hinteren Teil der Öhrregion, vor Fig. 5. Mit 2 ist eine durch Zerfall des Knorpels bedingte Höhle im Septum semicirculare posterius bezeichnet. Fig. 7. Schnitt durch den vorderen Teil des Foramen occipitale magnum dicht hinter der Fossa subarcuata. Fig. 8. Schnitt durch den hinteren Teil des Foramen endolymphaticum und der Fossa subarcuata. Fig. 9. Schnitt durch die Fossa subarcuata, das Foramen endolymphati- cum, das Foramen jugulare, den Recessus jugularis und das Foramen hypo- glossi. Fig. 10. Schnitt ein wenig vor Fig. 9. Fig. 11. Schnitt durch das Foramen acusticum inferius, das Foramen perilymphaticum und die Fissura basicochlearis. Fig. 12. Schnitt durch die Foramina acustica, das Foramen perilympha- ticum, die Fenestra vestibuli und die Fissura basicochlearis. Fig. 13. Schnitt durch den hinteren Teil der Pars sacculo-cochlearis der Ohrkapsel und die Commissura suprafacialis. Fig. 14. Schnitt durch den hinteren Teil der Orbitotemporalregion, die Sella tureica und den Processus alaris. Fig. 15 Schnitt durch den mittleren Teil der Orbitotemporalregion. Fig. 16. Schnitt durch die Lamina transversalis anterior der Nasenkapsel. Fig. 17. Schnitt durch die Fenestrae narinae. Y ER FIT ew DER STREIT UM DEN GELENKDRUCK. DR. TH. CHRISTEN, PRIVATDOZENT IN BERN. Mit 4 Abbildungen im Text. Als A. Fick sen. sein vortreffliches Buch über ‚Medi- cinische Physik‘ schrieb, hat er sich bitter beklagt über die Indifferenz der Mediciner in Fragen mathematischer Natur. Es dürfte aber erlaubt sein gelinde Zweifel zu hegen, ob sich die Zustände seither wirklich gebessert haben. Man bedenke nur die Tatsache, dass erst in den letzten Jahren durch die Arbeiten Zuppingers und seiner Schüler korrekte Vorstellungen über die Bedeutung des Muskelzuges gewonnen wurden, welche selbst einem Bardenheuer entgangen waren. Um so mehr halte ich es für angezeigt, gewissen un- richtigen Vorstellungen über den Gelenkdruck entgegenzutreten, welche in den Ausführungen Rud. Ficks in seinem schönen „Handbuch der Anatomie und Mechanik der Gelenke“ eine scheinbare Bestätigung finden, und deshalb um so verhängnis- voller sind, weil sie in der Autorität eines verdienstvollen Forschers eine Stütze fanden. Da ist es durchaus nötig die Verhältnisse einmal gründ- lich klarzulegen, auch wenn dabei einige rein physikalische Erörterungen nicht umgangen werden können. Alle Konfusionen, welche über die Bedeutung des Luft- druckes zutage gefördert wurden, lassen sich auf ungenügende Definitior des Begriffes „Druck“ zurückführen. Und zwar muss derselbe nach verschiedenen Richtungen präzisiert werden. Die mathematisch - physikalische Definition des Druckes 380 TH. CHRISTEN, heisst: Wirkt eine Kraft, k, senkrecht gegen eine lläche, f, so nennt man Druck, p, den Quotienten aus Kraft und Fläche: k De: () Da die Kraft von der einen oder von der anderen Seite der Fläche wirken kann, so muss der so definierte Druck dementsprechend positiv oder negativ genommen werden. Etwas prinzipiell Verschiedenes ist es, wenn man von dem Druck spricht, unter dem ein Volumen steht. Man versteht darunter, dass auf die das Volumen begrenzende Fläche von aussen überall der angegebene Druck wirke. Selbstverständlich ist hierbei zur Erreichung einer Gleichgewichtslage notwendig, dass in dem Volumen Kräfte wirksam sind, welche von innen nach aussen den gleichen Druck auf die Begrenzungsfläche aus- üben. Hier hat es also keinen Sinn von positiven und negativen Drucken zu sprechen. Dasselbe gilt von dem Druck, mit welchem zwei Flächen gegeneinander gepresst werden; auch dieser kann nur ein Vorzeichen haben, denn bei Umkehrung der Kraft- wirkungen würden die Flächen einfach auseinander weichen, es käme überhaupt keine Gleichgewichtslage zustande. Mit anderen Worten: Sowohl der Druck, unter dem ein Volumen steht, als der Druck, mit welchem zwei Flächen gegeneinander gepresst werden, ist immer eine positive Grösse). Ein Druck, unter dem alle terrestrischen Objekte stehen, ist der Luftdruck. Wenn wir durch irgend welche mechanischen Vorgänge Druck erzeugen, so stehen die unter diesen Druck gebrachten Volumina stets ausserdem noch unter dem Luftdruck. !) Es gibt noch mehr physikalische Grössen dieser Art, z. B. die lebendige Kraft einer bewegten Masse. Ist die Masse bewegt, so ist ihre lebendige Kraft positiv; ist sie in Ruhe, so ist ihre lebendige Kraft gleich Null. Ebenso steht ein Volumen entweder unter einem positiven Druck oder überhaupt nicht unter Druck. Der Streit um den Gelenkdruck. 381 Bezeichnen wir den von uns erzeugten Druck mit p und den Luftdruck mit b, so steht das von uns unter den Druck p gestellte Volumen in Wirklichkeit unter dem Druck p-+b. Beispiele: 1. Ein Pumpenkolben vom Querschnitt q wird mit der Kraft k in den Pumpenstiefel gepresst. Dann steht die Luft in dem Pumpenstiefel unter dem Druck k DI A, Far 2. Die Luft in der Lunge soll auf den Druck P gebracht werden Hierzu muss von der Atemmuskulatur nur noch der Druck P— b aufgebracht werden. Wir haben uns an die Allgegenwart des Luftdruckes so gewöhnt, dass wir bei Angabe des Druckes, unter welchem irgend welche Volumina stehen, fast stets den Luftdruck still- schweigend subtrahieren. Das ist meist recht praktisch, führt aber mitunter zu bedauerlichen Missverständnissen, wenn nicht deutlich angegeben ist, ob man den Luftdruck mitgerechnet hat oder nicht. Wenn wir z. B. sagen, der „Blutdruck“ eines Individuums betrage 14 cm Hg, so dürfen wir nicht vergessen, dass das Blut — bei einem Barometerstand von 76 cm — unter einem Gesamtdruck von 90 cm Hg steht. Odeı wenn das Manometer einer Niederdruckdampfheizung 1,5 Atmosphären zeigt, so entsprechen die Vorgänge im Wasser- dampf einem wirklichen Druck von 2,5 Atmosphären. Um im folgenden jegliches Missverständnis auszuschliessen, nenne ich „absoluten Druck“ den Gesamtdruck, ein- schliesslich Luftdruck, unter dem ein Volumen steht, und „reduzierten Druck‘ den um den Luftdruck verminderten absoluten Druck. So allein gelingt es, sich über gewisse Fragen zu verständigen, über die man sich sonst erfolglos herumstreitet. Um die Sache noch deutlicher zu gestalten, bezeichnen 382 TH. CHRISTEN, wir den absoluten Druck mit P, den reduzierten Druck mit p und den Luftdruck mit b. Dann ist P—p--b (2) Praktische Beispiele: Reduzierte Druckwerte gibt das Manometer eines Blut- druckapparates oder eines Dampfkessels. Absolute Druckwerte gibt der Barometer, sowohl der meteorologische, als der unter der Luftpumpe stehende. Theoretische Beispiele: Wenn wir sagen, mit einer Kraft, k, wirkend auf einen Pumpenkolben vom Querschnitt q, entstehe im Pumpenstiefel en k ein Druck von der Grösse 1 so verstehen wir darunter den a reduzierten Druck, der absolute er b. Wenn dagegen das Gay-Lussacsche Gesetz aussagt, dass in einem starren Gasvolumen durch Erwärmung um n9 C DER der Druck um seinen 975 fachen Wert steige, so versteht man darunter den absoluten Druck. Die übliche Schreibweise des Gay-Lussaceschen Gesetzes heisst also nach unserer Bezeichnung: PB. (14395). (3) Wollte man dasselbe in reduzierten Druckwerten schreiben, so er- hielte man die weniger einfache Formel: n Pn —= Po 4 9273 (Po = b). (4) Es gibt nun eine ganze Reihe von Problemen, für deren Behandlung es gleichgültig ist, ob man mit absoluten oder mit relativen Druckwerten argumentiert; es sind das alle die- jenigen Probleme, bei welchen es nur auf Druckdiffe- renzen ankommt. Der Streit um den Gelenkdruck. 383 Wird z. B. ein Gasvolumen, v, vom Druck P, auf den Druck P, gebracht, so gilt (für den Fall, dass die Differenz P,—P, klein ist gegen die Grössen P, und P,) für die geleistete Arbeit die folgende Annäherungsformel: A el(k, bi) (3) Da aber PR, =P,+b und ,=p,-+b, so ist PR —-P,=p—Ppı (6) und man kann ebensogut schreiben: A=—=v.B—Pı)- (7) Man erhält also die gleiche Formel, ob man mit absoluten oder mit reduzierten Drucken rechne. Hiermit soll nur darauf hingewiesen sein, dass es zwar Probleme gibt, bei denen die Verwechslung zwischen absolutem und reduziertem Druck nichts ausmacht, dass dies aber unter Umständen, d. h. da wo nicht nur Druckdifferenzen in Frage kommen, ein verhängnisvoller Fehler ist. Aber selbst da, wo es sich nur um Druckdifferenzen handelt, kann ein Fehler begangen werden, wenn nämlich für einen der Druckwerte der absolute, für den anderen dagegen der reduzierte Druck gesetzt wird. Dabei wird begreiflicher- weise die berechnete Differenz um eine Atmosphäre zu klein bezw. zu gross. Beispiel: Die elastischen Elemente, welche das Hüftgelenk amgeben (hauptsächlich Muskeln und Bänder), pressen den Gelenkkopf in die Pfanne. Die Resultante dieser Spannkräfte sei k, der Querschnitt des Kopfes sei q. Dann ist der reduzierte maxi- male!) Gelenkdruck k DEN 8 ir (8) und der absolute maximale Gelenkdruck we, q ') Der Druck im physiologischen Gelenk ist ungleich verteilt. Darauf komme ich sofort zurück. 384 TH. CHRISTEN, Ist ß der reduzierte Capillarblutdruck ndB=ß-+b) der absolute Capillarblutdruck, so muss bei der Bildung eines Exsudates die Druckdifferenz k T—B=——$ 9 5 ß (9) oder, was auf dasselbe herauskommt, die Druckdifferenz k — = —— 10 DB q P (10) überwunden werden. In direktem Widerspruch hierzu steht folgende Behauptung Krlicks 2): „Aus diesen Betrachtungen .... geht auch hervor, dass wir uns die Abdrängung des Kopfes aus der Pfanne durch ein entstehendes Gelenkexsudat nicht gar zu schwierig vor- stellen dürfen. Freilich muss dabei der Luftdruck überwunden werden?)“ usw. Ehe wir weiter gehen, ist zu bemerken, dass auch der Begriff des Gelenkdruckes noch einer besonderen Aufmerksam- keit bedarf. Wenn ein Patient mit Hüftgelenkerguss im Bett liegt, so steht das Exsudat unter einem bestimmten Druck, der — als reduzierter Druck — mit Punktionsnadel und Steigrohr ?) ge- messen werden kann. Derselbe erreicht kaum je 15 cm He. Etwas ganz anderes ist der physiologische Druck, zwischen Femur und Acetabulum, z. B. beim aufrecht stehenden In- dividuum. Dieser Druck pflanzt sich nicht, wie ein hydro- statischer Druck, nach allen Seiten gleichmässig fort, sondern er ist ungleich verteilt. Er ist am grössten an derjenigen Stelle, wo die Resultante der Belastungs- und der Spannkräfte die Il ’a..a..0. 87.54: 2) Von mir gesperrt. ®) Das Steigrohr muss sehr eng sein, sonst verursacht das Aufsteigen der Flüssigkeit eine Verminderung des Gelenkdruckes. Der Streit um den Gelenkdruck. 385 Gelenkfläche trifft, und nimmt von dort nach allen Seiten hin ab. Mit anderen Worten: dieser Gelenkdruck ist eine Funk- tion des Ortes im Gelenk, und wenn wir ihn richtig angeben wollten, so müssten wir die ganze Funktion be- stimmen. Wir können uns von dieser Funktion eine ungefähre Vorstellung machen, wenn wir an Stelle des Hüftgelenkes zwei kongruente Halb- kugeln setzen, von denen die eine die andere belastet (Fig. 1). Ist r der Radius der Halbkugeln, k die Belastung und g der Winkelabstand eines Punktes von dem Punkte höchsten Druckes (A in Fig. 1), so wirl an der Stelle höchsten Druckes k k Da ;, Dean. ie ar (11) und in ırgend einem Punkte mit dem Winkelabstand g: k.cosgy k.cosgp er bezw. P= - en -—b. (12) Selbstverständlich gibt diese Formel nur ein annäherndes Bild von der Druckverteilung längs der Knorpeloberfläche, weil das Hüftgelenk in seinen verschiedenen Stellungen in mehr als einer Beziehung von dem Modell der belasteten Halbkugel abweicht. Fig. 1. Die Hauptsache ist der Hinweis auf die Tatsache, dass der physiologische Gelenkdruck nicht, wie ein hydrostatischer 386 TH. CHRISTEN, Druck, über das ganze Gelenk konstant, sondern eine Funktion des Ortes im Gelenk ist. Er hat seinen Maximalwert im Schnitt- punkt der Resultante der Spann- bezw. Belastungskräfte mit der Gelenkfläche. Der pathologische Gelenkdruck dagegen kann bei Anwesenheit eines grossen Exsudates und Erschlaffung der Muskulatur ein rein hydrostatischer Druck, d. h. eine vom Ort unabhängige Konstante sein. Ein bei physiologischer Gelenkstellung entstehendes Ex- sudat wird sich daher zunächst an den Stellen geringsten Druckes ansammeln, d. h. in den Kapselfalten, denn hier ist der Druck gleich dem Druck, unter dem die umliegenden (re- webe stehen. Nimmt das Exsudat zu, so beginnt es die Kapsel zu spannen, sein hydrostatischer Druck wächst, und sobald derselbe den Wert des maximalen Gelenkdruckes überschreitet, beginnt der Kopf sich von der Pfanne zu entfernen. Ist durch den lange dauernden hydrostatischen Druck die Kapsel überdehnt und durch Inaktivitätsatrophie die Muskulatur erschlafft, so genügt eine geringe Abnahme des Exsudates, um die Resultante der Spannungen so zu reduzieren, dass ein noch so geringer hydrostatischer Druck des Exsudates den maximalen Gelenkdruck übertrifft, und das Schlottergelenk ist fertig. Eine Stelle, welche direkt im Punkte höchsten Druckes liegt, wird bei merklicher Muskelspannung bezw. Belastung überhaupt kein Exsudat liefern. Sie kann es aber, wenn ent- weder durch Bewegungen im Hüftgelenk der Punkt höchsten Druckes an eine andere Stelle rückt, oder wenn durch vor- übergehende oder dauernde Erschlaffung der elastischen Ele- mente und Ausschaltung der Belastung die Druckkraft im Punkte höchsten Druckes selbst gering wird. Aber von einer „Überwindung des Luftdruckes“ bei Ab- sonderung eines Gelenkexsudates kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil sowohl die Flüssigkeit im Gelenk als die absondernde Zelle unter dem Luftdruck stehen, so dass der- Der Streit um den Gelenkdruck. 387 selbe für die Druckdifferenz nicht in Frage kommt. Sonst müsste wohl auch die Schweissdrüse den Luftdruck über- winden, weil die Hautoberfläche unter dem Luftdruck steht!? Um den letzten Zweifel zu beseitigen, belaste ich einen Pumpenkolben (Fig. 2) mit einem Gewicht, k; der Querschnitt des Kolbens sei q. Die in der Pumpe befindliche inkompressible ER k Flüssigkeit steht somit unter dem reduzierten Druck m bezw. k u ar unter dem absoluten Druck T —- b. Hiermit kommuniziert eine kleine Pumpe und mit Hilfe derselben wird ein kleines Flüssigkeitsvolumen, v, in die grosse Pumpe gepresst. Der Druck, welcher hierbei überwunden werden muss, ist nach 2 k - meiner Auffassung der reduzierte Druck —. Die geleistete : q Arbeit ist daher: Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd., H. 2.) 26 388 TH. CHRISTEN, Nach R. Fiek muss aber ausserdem noch der Luftdruck überwunden werden. Entsprechend dieser Auffassung käme also nicht der reduzierte, sondern der absolute Druck in Frage, und die geleistete Arbeit wäre: A=v.(c+b) (14) Dass diese letztere Gleichung unrichtig sein muss, geht schon allein aus der Tatsache hervor, dass an unserem Modell die Arbeit gleich Null werden muss, wenn k—=0 wird. Die Anwendung dieses Modells auf das Hüftgelenk ist nicht schwierig: der grosse Pumpenstiefel ist die Pfanne; sein Kolben ist der Kopf; die kleine Pumpe ist eine Exsudat ab- sondernde Zelle; das Volumen v ist ein Exsudattropfen; die Kraft k ist die Resultante der Belastungs- und Spannkräfte. Die Verwechselung des nach allen Seiten gleichen hydro- statischen Druckes mit einem Druck, der eine Funktion des Ortes ist, hat zu einem weiteren Irrtum Veranlassung gegeben: Die Physik unterscheidet starre deformierbare und kom- pressible Körper. Wirken auf einen deformierbaren, aber inkompressiblen Körper an verschiedenen Stellen verschiedene Drucke, so wird der Körper deformiert; sein Volumen dagegen bleibt dasselbe. Deshalb bringt ein hydrostatischer Druck an deformierbaren inkompressiblen Körpern keine Formveränderung zustande. Beispiel: Eine Pumpe (Fig. 3) mit abgerundetem Kolben ist mit einer inkompressiblen Flüssigkeit gefüllt, welche mit einem Quecksilbermanometer kommuniziert. Unten im Pumpen- stiefel befindet sich ein Stück Kautschuk. Wirkt die Kraft k auf den Kolben, so entsteht in der Pumpe ein hydrostatischer Druck, der an dem Manometer abgelesen werden kann. Die Oberfläche des Kautschuks dagegen steht unter un- gleichem Druck; derselbe ist in der Mitte am grössten und nimmi nach den Seiten ab. Dementsprechend wird der Kaut- Der Streit um den Gelenkdruck. 389 schuk deformiert; er sinkt in der Mitte ein und wölbt sich dafür an den Rändern vor. Die Formveränderung ist um so deutlicher ausgesprochen, je grösser die Kraft k ist. k Ineompressible Flüssigkeit *-_ m Kautschuk FZTTIHT2 Quecksilber----- Fig. 3. Setzt man jetzt den ganzen Apparat in einen luftdicht schliessenden Kasten und verändert den Luftdruck nach Be- 26* 3% TH. CHRISTEN. lieben vom Vacuum bis zu mehreren Atmosphären, so wird die Form des Kautschuks sich nicht im geringsten verändern. Man braucht bloss sämtliche Teile aus Glas herzustellen, um jede Formveränderung des Kautschuks leicht mit dem Auge verfolger zu können. Dieselbe erscheint jeweilen mit Änderung der Kraft k, während bei den weitgehendsten Schwankungen des Luftdruckes keine Formveränderung auftritt). Auch hier wieder ergibt sich die Anwendung auf die Ge- lenke leicht, wenn man an Stelle des Kautschuks den \relenk- knorpel setzt usw. Unvereinbar hiermit ist folgende Ausführung R. Ficks?): „Trotz des Überwiegens des Muskelzuges über die Luftdruck- wirkune ist die letztere, wie schon oben betont, durchaus nicht gleichgültig. Auch das erkennt man sofort aus dem Schema. Nähme man nämlich bei ihm den Atmosphärendruck fort, etwa dadurch, dass man das Schema unter die Glocke einer Luft- pumpe ins Vacuum setzte, so würde der Druck im Gelenk?) selbstverständlich ein ganz anderer sein, die Knorpel würden jetzt durch den um den Luftdruck ver- minderten Druck weniger deformiert)“ usw. Ganz dasselbe erfolgte aber auch, wenn die Kraft des Muskelzuges plötzlich um den betreffenden Betrag nachliesse. Es besteht also absolut kein qualitativer Unterschied zwischen beiden Drücken. Bei der Betrachtung der Druckverhältnisse im Ge- ') Selbstverständlich darf nicht eine Flüssigkeit gewählt werden, welche im Vacuum verdampft, denn die Dämpfe sind kompressible Körper. 2) 2.1.2: 10 5.899: 3) Wenn sich diese Bemerkung auf den reduzierten Druck bezieht, so ist sie falsch; ist damit der absolute Druck gemeint, so ist sie selbst- verständlich. Die Tatsache, dass der absolute Druck mit dem Atmosphären- druck wächst, gilt aber für jede Zelle des Körpers ebensogut wie für die Zellen des Gelenkknorpels. Das Gelenk nimmt also hierin durchaus keine Sonderstellung ein. ) Von mir gesperrt. Gerade diese Behauptung R. Fieks wird durch mein Experiment klar widerlegt (vergl. Fig. 3). Der Streit um den Gelenkdruck. 391 lenk hat der Luftdruck genau dieselbe Rolle!) zu spielen, wie ein entsprechend grosser Teil des Muskelzuges oder eventuell der Körperschwere.“ Noch ein Punkt ist namhaft zu machen, aus dem die letzten Konsequenzen erst noch zu ziehen sind: Warum haben wir unsere Argumente vorzüglich auf das Hüftgelenk bezogen? Wenn ein Gelenk mit einer Pumpe ver- glichen werden kann, so ist es das Hüftgelenk, und zwar das normale, nicht das mit Exsudat erfüllte. Alle anderen (Gelenke weichen in einem wesentlichen Punkte von dem Schema der Pumpe ab: Die Pumpe hat starre Wandungen; bei den (fe- lenken dagegen ist ein Teil der Wandungen deformierbar. Als Paradigma eines Gelenkes mit deformierbaren Wan- dungen gilt das Schultergelenk mit seiner sehr weiten Kapsel. Wenn eine Kraft die Spannung der über das Schultergelenk wegziehenden Muskeln übertrifft, so entfernt sie den Kopf von der Pfanne (Fig. 4). Wäre der Luftdruck nicht vorhanden, so könnte im Gelenk ein leerer Raum entstehen, und es müsste sich das Gelenk in Stellung ec begeben. Da aber der Luftdruck vorhanden ist, so legt derselbe die beiden Blätter der Kapsel gegeneinander (Stellung b); denn, wollten sie sich voneinander entfernen, so entstünde eine Druckdifferenz zu beiden Seiten jedes einzelnen Blattes. Worin besteht nun hier die Wirkung des Luftdruckes ? Hat er den Kontakt der Gelenkenden erhalten, nachdem ein- mal die Spannung der Muskulatur überschritten war? Nein, er hat nur der Kapsel eine Form auferlegt, in welcher der Oberarmkopf sich etwas weniger weit von seiner Pfanne ent- 1) Verf. verkennt den Unterschied zwischen dem nach allen Seiten gleich wirkenden hydrostatischen Druck (wozu auch der Luftdruck gehört) und dem lokal variabeln Druck, wie ihn die Belastung und die Zugkräfte im Gelenk erzeugen. Ein anderer wichtiger Unterschied besteht darin, dass durch die Belastung und durch den Muskelzug Druckdifferenzen im Gelenkknorpel und zwischen dem Gelenkknorpel und dem umgebenden Gewebe erzeugt werden, durch den Luftdruck aber nicht. 392 TH. CHRISTEN, fernen konnte, als dies ohne Luftdruck geschehen wäre; aber den Kontakt erhalten hat er nicht. Noch deutlicher ersichtlich ist dies beim Kniegelenk, wie folgender Versuch zeigt, obgleich hier die Beweglichkeit weniger gross ist: Wir setzen eine Versuchsperson auf den Tischrand und lassen beide Unterschenkel senkrecht herunterhängen. In dieser C Fig. 4. Stellung gelingt es der Versuchsperson meist leicht, ihre Knie- gelenksmuskulatur soweit erschlaffen zu lassen, dass ein ge- ringer Zug in der Unterschenkelachse genügt, um den Knie- gelenkspalt wesentlich zu erweitern. Dank dem in dem Fett- gewebe der Kapsel reichlich vorhandenen Füllmaterial ist ein relativ weites Ausweichen möglich, wohl bis zur Spannung der Ligamente. Hier ist also der Luftdruck so gut wie ohne Einfluss auf die Stellung der Gelenkenden, bloss für die Form der Kapsel ist er mitbestimmend. Der Streit um den Gelenkdruck. 393 Die Wirkung des Luftdruckes auf ein Gelenk wird am genauesten — allerdings nicht in vivo — durch folgende Ver- suchsanordnung studiert: Man fixiert den einen Knochen und belastet den anderen mit verschiedenen Gewichten. Jedem Gewicht entspricht eine bestimmte Distraktion. Man trägt nun die Gewichte als Ab- scissen und die Distraktionen als Ordinaten auf und erhält so eine Kurve. Dann wiederholt man das Experiment unter der Luftpumpe und erhält eine andere Kurve. Die Differenz der Ordinaten dieser zwei Kurven stellt dann den Einfluss des Luftdruckes dar. Während alle bisher erwähnten Irrtümer kaum andere als theoretische Bedeutung haben, ist ein anderer, auf den ich zum Schluss noch hinweisen muss, speziell für die chirurgische Praxis verhängnisvoll. R. Fick schreibt!): „Bei dem künstlichen Auseinander- ziehen der Gelenke (permanente Extension), wie es in der Chirurgie zu verschiedenen Zwecken geübt wird, hat man also auch nicht nur den Tonus der umgebenden Muskeln, sondern auch den für das betreffende Gelenk in Betracht kommenden Luftdruck zu überwinden usw.“ Die permanente Extension in der Therapie der Gelenke hat niemals den Zweck, im Gelenk einen luftleeren Raum zu erzeugen; das müsste sie aber unfehlbar, wenn dabei ‚der Luftdruck überwunden“ würde. Die Extension soll entweder pathologische Muskelkontrak- turen verhüten bezw. beseitigen, Adhäsionen lösen oder den durch die Muskulatur erzeugten Druck auf eine erkrankte Ge- lenkpartie ausschalten. Vielleicht kann die Extension durch Überwindung eines kleinen Bruchteiles — sagen wir d — des Luftdruckes eine Saugwirkung im Gelenk entfalten, die nach W2..8..0. 8. 58. 394 TH. CHRISTEN, dem Bierschen Prinzip heilend wirken mag. Dabei entsteht im Gelenk ein negativer Druck!) von der Grösse d — als reduzierter Druck gedacht — oder ein absoluter Druck von der Grösse b—d, während die Umgebung unter dem Atmosphären- druck, b, steht, und somit eine Druckdifferenz von der Grösse d erzeugt wird. Wenn, wie R. Fick glaubt 2), durch Distraktion ein luft- verdünnter, bezw. Wasserdampf und Blutgase enthaltender Raum im Gelenk erzeugt werden kann, so müsste sich der- selbe auf der Röntgenplatte als eine scharf begrenzte Schwärzung abbilden. Die Aufhellung, die R. Fick auf dem Leuchtschirm gesehen hat, kann ebensogut eine Folge der Querschnittsverdünnung sein, die notwendig über dem Gelenk bei der Distraktion auftritt. Sehlussätze. 1. Die genaue Bezeichnung des Begriffes „Druck“ als absoluter Druck oder reduzierter Druck beseitigt bezw. verhütet alle Missverständnisse über die Bedeutung des Luftdruckes für den Gelenkdruck. 2. Die Spannung der elastischen Elemente und die Be- lastung erzeugen im Gelenk einen Druck, der nicht, wie ein !) Wie eingangs bemerkt, ist der Druck, unter dem ein Volumen steht, immer positiv. Darunter ist natürlich der absolute Druck verstanden. Der reduzierte Druck, welcher im Grund nichts weiter ist, als eine mathe- matische Abstraktion, wird dann negativ, wenn der absolute Druck kleiner ist als der Luftdruck. )ramar OMEDEH0: Der Streit um den Gelenkdruck. 395 hydrostatischer Druck, nach allen Seiten gleich, sondern eine Funktion des Ortes ist. Er erzeugt daher Druckdifferenzen zwischen verschiedenen Stellen des Gelenkes und seiner Um- gebung. 3. Der Luftdruck ist ein hydrostatischer Druck; er erzeugt im Körper keine Druckdifferenzen, ausser an der Grenze eines Gebietes, zu welchem ihm der Zutritt verwehrt ist, also überall da, wo ein negativer reduzierter Druck herrscht, bezw. ein absoluter Druck, der kleiner ist als der Luftdruck). 4. Der Vergleich eines Gelenkes mit einer Pumpe ist nur beim Hüftgelenk in seiner physiologischen Stellung korrekt. Alle anderen Fälle unterscheiden sich von dem Modell der Pumpe dadurch, dass nicht die ganze Wandung starr, sondern ein Teil derselben deformierbar ist. Wenn, wie R. Fick glaubt, der Muskelzug stark genug ist, um entgegen dem Luftdruck die deformierbare Membran starr zu halten, so ist der Muskelzug stärker als die Kraft des Luftdruckes. Dann ist aber der reduzierte Gelenkdruck nicht negativ, somit (vergl. Ziffer 3) ist die Wirkung des Luft- druckes in diesem Falle gleich Null. 5. Weder die Zelle, welche (relenkexsudat absondert, noch der Chirurg, welcher seine Extensionsvorrichtung anbringt, muss „den Luftdruck überwinden“. a) Im ersten Falle ist der Luftdruck ohne Einfluss auf die allein in Frage kommende Druckdifferenz (vergl. Gleichung 10). b) Im zweiten Falle würde eine „Überwindung des Luft- druckes“ die Indikation überschreiten. ') In diesem Sinne verstanden ist auch die von R. Fick als „unphysi- kalisch“ bezeichnete Äusserung Buchners völlig korrekt, welcher sagt, der Luftdruck wirke auf das Gelenk erst, wenn der Druck im Gelenk negativ ge- worden sei. 396 TH. CHRISTEN, Der Streit um den Gelenkdruck. 6. Sollte es wirklich möglich sein, am Lebenden durch Distraktion einen luftleeren Raum in einem Gelenk herzustellen, so müsste derselbe auf dem Röntgenbild als eine scharf be- grenzte Aufhellung erkennbar sein. 7. Der Einfluss des Luftdruckes auf die Grösse der Distraktion eines Gelenkes ergibt sich in unzweideutiger Weise allein aus der Differenz der Ordinaten zweier Distraktions- kurven. AUS DEM K. K. ANATOMISCHEN INSTITUT INNSBRUCK. ZUM STREIT UM DEN GELENKDRUCK VON R. FICK, INNSBRUCK. Mit 5 Abbildungen im Text. a” Da in vorstehendem Aufsatz Dr. Christens an einigen Sätzen des Il. Bandes meines Handbuches der (Gelenklehre (Jena 1910) gewisse Ausstellungen gemacht werden, hatten die Herausgeber die Freundlichkeit, mir Gelegenheit zu geben, mich gleich an dieser Stelle zu der Angelegenheit zu äussern; auch Herrn Dr. Christen selbst bin ich zu Dank verpflichtet, da er mir gestattete, in sein Manuskript vor dem Abdruck Ein- sicht zu nehmen. Im ersten und Hauptteil des Aufsatzes bringt der Verf. eine ausführliche Darstellung über die verschiedenen Arten des Druckes unter Anführung zahlreicher Formeln. Die Formeln und Auseinandersetzungen entsprechen durchaus den geläufigen Begriffen der Mechanik. Diese Darstellung des Verf.s über den Druck im allge- meinen gipfelt in der Betonung der Unterscheidung des „ab- soluten Druckes“, d. i. des Gesamtdruckes einschliesslich des Luftdruckes, und des „reduzierten Druckes‘, unter dem er, kurz gesagt, nur den Überschuss über den Luftdruck versteht. Die Auseinandersetzungen des Verf.s sind vollkommen zutreffend, nur wäre wohl der Ausdruck „reduzierter Druck“ als Gegensatz zu „absoluter Druck“ vielleicht besser durch „relativer Druck“ zu ersetzen. So richtig in wissenschaftlicher Beziehung die Betonung des Unterschiedes zwischen dem absoluten und dem relativen 400 R. FICK, Druck ist, so ist es doch die Frage, ob in praktischer Be- ziehung diese Betonung wirklich ein so wichtiges Erfordernis ist: in der anatomischen und physiologischen Literatur ist mir wenigstens keine Verwechslung der beiden Drücke be- kannt. In einem nächsten Abschnitt wirft mir der Verf. die „Verwechslung des nach allen Seiten gleichen hydrostatischen Druckes mit einem Druck, der eine Funktion des Ortes ist“, wie er im Gelenk herrsche, vor. Dass dieser Vorwurf durch- aus unbegründet ist, dürfte wohl daraus hervorgehen, dass ich in meiner Darstellung an mehreren Stellen sogar betone, dass im Gelenk kein überall gleichmässiger hydrostatischer Druck herrscht. Ich sage auf S. 61f.: „Ich glaube noch be- tonen zu müssen, dass aus dem Gesagten hervorgeht, dass es nicht angängig ist, sich vorzustellen, dass im (Grelenk- raum auch zwischen den Gelenkflächen eine zusammenhängende „Flüssigkeitsschicht“ vorhanden sei, so dass im ganzen Ge- lenk derselbe hydrostatische Druck herrsche“ und S. 59 sage ich, dass die Gelenkflächen durch den Muskelzug „dicht aneinander gedrückt werden, so dass im Knorpel ein positiver, den Atmosphärendruck übersteigender Druckrentstehl” Der Verf. stellt an dieser Stelle Formeln auf, die ein „an- näherndes Bild für die Druckverteilung längs der Knorpel- oberfläche“ geben sollen. Diese Darstellung entspricht in Wirklichkeit aber auch annäherungsweise nicht den tatsäch- lichen Verhältnissen, weil sie absolut starres Material voraus- setzt. Infolge der Formveränderlichkeit des Knorpels gestalten sich die Verhältnisse ganz anders, nämlich so, dass der Gelenkdruck sich von der Stelle der direkten Belastung (wo die Resultante der Belastungs- und der Spannkräfte die Gelenkfläche trifft) weithin nahezu gleichmässig (nicht den Formeln Christens entsprechend) verteilt. Die Ver- Zum Streit um den Gelenkdruck. 401 hältnisse liegen bei den Gelenkflächen nicht so, wie wenn zwei Steine aufeinander drücken, oder wie wenn man seinen Kopf oder Rücken auf eine steinerne Bank legt, so dass der Druck, wie wir am eigenen Körper nur allzu deutlich spüren, auf eine kleine Stelle beschränkt bleibt, sondern wie wenn zwei Polster aneinander gedrückt werden oder wie wenn wir unseren Kopf oder Rücken auf ein weiches Polster legen. Durch die Deformierung des Polsters wird der Druck auf eine grössere Fläche gleichmässiger verteilt. Geradein dieser Abweichung von dem durch Christen gegebenen Druck- verteilungsschema liegt offenbar der „Hauptzweck” der Knorpelüberzüge; gerade in ihr beruht die ganze Leistungsfähigkeit der Gelenkflächen den Einwir- kungen der Belastung gegenüber. Im folgenden schildert Christen sehr einleuchtend die Exsudatbildung in einem Gelenk, die nach ihm zunächst ın den Kapselfalten, als den Stellen geringsten Druckes stattfinden wird und die Ausbildung eines Schlottergelenkes durch Überdehnung der Kapsel und durch die Inaktivitäts- atrophie der Muskeln. Dann wendet sich der Verf. gegen eine kleingedruckte „‚praktische Bemerkung“ auf S. 54 des II. Bandes meines Handbuches, in der ich erwähne, dass bei der Ex- sadatbildung der Luftdruck überwunden werden müsse. Verf. meint, ich hätte dabei den „absoluten“ und relativen Druck verwechselt, d. h. nicht beachtet, dass in den Blut- kapillaren Überdruck über den Luftdruck herrsche. Aus dem unmittelbar vorhergehenden grossgedruckten Text (a. a. 0. S. 53) geht jedoch mit aller Klarheit hervor, dass von einer solchen Verwechslung keine Rede sein kann, denn ich sage dort ausdrücklich: „Bei längerem Andauern eines die Gelenkenden weiter voneinander entfernt haltenden Zuges wird aber entschieden eine Schädigung des Gelenkes, ein Blut- oder Flüssigkeitserguss in den Gelenkraum 402 R. FICK, hinein stattfinden, weil ja in den Blut- und Lymph- kapillaren „positiver ,d. h. ein höhererals der Atmosphärendruck herrscht“ (vgl. auch S. 55 vor- letzter Absatz). Wenn nun aber auch die Exsudatbildung, wie Christen wohl mit Recht annimmt, z. B. auch beim Hüftgelenk immer in den schlaffen Kapselfalten beginnen wird, so. glaube ich, dass sie doch relativ früh auch das „Pfannenpolster“ (Pulvinar acetabuli aut.) befallen wird. Sowie nun aber an einer Stelle der Kopf von der Pfanne durch den sich bildenden Exsudat- tropfen abgehoben wird, ohne dass der entstehende „leere Raum“ sofort gleichmässig von den Tropfen erfüllt werden kann, muss vom Exsudationsdruck natürlich auch der Luft- druck überwunden werden, wie ich in der beanstandeten Be- merkung angegeben habe. In diesem mir in jener Bemerkung vorschwebenden Fall entspricht der Exsudationsvorgang eben nicht dem Pumpenschema Christens, siehe Fig. 1 = Christens Fig. 2), bei dem der Exsudattropfen sofort den ganzen Raum unter dem hermetisch schliessenden Kolben gleichmässig erfüllen kann, sondern dem Schema der Fig. 2. Durch den Pumpenboden führt in der Mitte eine Röhre E, durch die in den Pumpenraum Flüssigkeit eingepresst werden kann. Durch irgend welche Einrichtungen (z. B. einen sich von der Röhre E aus während der Injektion gegen den Pumpen- stempel vorstülpenden Schlauch) soll beim Hochdrücken des Stempels S durch Einschieben des unteren Stempels s die Verbreitung der eingepressten Flüssigkeit nach der Seite ver- hindert sein, so dass unter dem hochgedrückten Stempel seit- lich von der Flüssigkeitssäule E ein leerer Raum (v. v.) entsteht. In diesem Falle würde natürlich die (der Exsudations- kraft vergleichbare) den Strom E in den Pumpenraum ein- pressende Kraft, die am unteren Stempel s wirkt, den Luftdruck überwinden müssen. Zum Streit um den Gelenkdruck. 405 Es ist nun aber meiner Ansicht nach gar nicht unmöglich, dass gerade bei exsudativ-adhäsiver Entzündung des Pfannen- Fig. 2. polsters der Schenkelkopf durch die Schwellung und Exsudat- on der Pfanne abgedrängt, das Exsudat aber da oder bildung v strangförmige Adhäsionen sich dort durch membranöse oder Anatomische Hefte. I. Abteilung. 130. Heft (43. Bd. H. 2). 27 41)4 R. FICK, nicht in den freigewordenen Raum zwischen Pfanne und Kopf ergiessen und ganz gleichmässig verbreiten kann. Ja, es ist, wie ich glaube, der Gedanke theoretisch gar nicht von der Hand zu weisen, dass überhaupt immer bei einer Exsudat- bildung zwischen Kopf und Pfanne in statu nascendi eine, freilich wohl nur sehr kurze, aber doch nicht unendlich kurze Zeit lang der Exsudattropfen an der Stelle seiner Ent- stehung schon vorhanden ist, dicht daneben aber noch nicht, so dass also immer um den entstehenden Tropfen herum ein, wenn auch nur sehr kleiner, so doch nicht unendlich kleiner „leerer Raum“ entsteht, so dass also theoretisch in der Tat der Luftdruck überwunden werden muss. In meiner Bemerkung, die eine Folgerung aus der unmittelbar vorausgehenden Be- rechnung der Druckwerte auf mikroskopische Flächen von 106 u2 darstellt, hebe ich übrigens gerade den Umstand hervor, dass es sich nur um mikroskopisch kleine Stellen handelt, an denen der Luftdruck bei der Exsudatbildung zu überwinden sei. Ob diese Vorstellung „biologisch“ richtig oder falsch ist, mag dahingestellt bleiben, da es sich selbst experimentell kaum feststellen lassen dürfte. Mit einer Ver- wechslung des absoluten und reduzierten Druckes hat aber die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Vorstellung natürlich nichts zu tun. In einem weiteren Abschnitt wendet sich Christen gegen meine Ausführungen über die Beziehungen zwischen der Wirkung des Muskelzuges und der des Luftdruckes auf den Druck bezw. den Zusammenhalt im Gelenk gelegentlich der Besprechung des von A. E. Fick seinerzeit als Beispiel angezogenen Schemas. Christen bringt in nebenstehender Fie. 3 = Christens Fig. 3) ein Pumpenschema zur Ab- bildung, um zu beweisen, dass eine deformierbare Kautschuk- platte zwar durch einen festen Körper deformiert werden könne, nicht aber durch veränderten Luftdruck. Zum Streit um den Gelenkdruck. 405 Das Schema entspricht aber nicht den Verhältnissen am Gelenk, „wenn man an Stelle des Kautschuks den (relenk- 3 Ineompressible Flüssigkeit es IR Kautsehuk --- Quecksilbeı ---- Fig. 3. knorpel setzt usw.“, weil ja das Pumpeninnere auch durch den offenen Manometerschenkel von unten her vom Luftdruck beeinflusst wird. Sowie das Pumpeninnere hermetisch ver- 21* 46 R. FICK, schlossen, das Quecksilber weggenommen würde, das Pumpen- innere also nicht mit Flüssigkeit vollkommen ausgefüllt wäre, so würde eine Änderung des Luftdruckes (trotzdem er ein „hydrostatischer“ Druck ist) auch sofort den Zustand der Kautschukplatte ändern, sofern der Stempel k den Kautschuk an einer Stelle berührt. Denn es ist klar, dass bei grösserem Luftdruck der Stempel auch mit grösserer Gewalt gegen die Kautschukplatte gedrückt wird und umgekehrt. In der Kaut- schukplatte wird bei Erhöhung des Druckes von k aus an der Berührungsstelle ein höherer: Druck entstehen und sie wird dort eingedrückt werden, an den Seiten aber aufschwellen. Denken wir uns den Aussendruck auf mehrere Atmosphären steigen, so wird der Stempel in der Mitte der Kautschukplatte also einen beträchtlich höheren Druck erzeugen und sie even- tuell sehr tief eindrücken. Denn es besteht bei dieser Ver- suchsanordnung selbstverständlich gar kein Unterschied darin, ob der Stempel durch eine allgemeine, hydrostatische Er- höhung des Aussendruckes, sei es durch Erhöhung des Druckes oder durch Wasserdruck usw. oder aber durch eine Hand oder ein Instrument mit der betreffenden Druck- kraft von so und soviel Atmosphären gegen die in luft- dicht verschlossenem Raum liegende Gummiplatte angedrückt wird. Wird der Aussendruck, z. B. der Luftdruck, auf Null gebracht, so drückte der Stempel nur noch mit seinem Eigengewicht auf die Platte und in dieser herrschte daher an der Berührungsstelle ein viel geringerer Druck als vorher; sie zeigte daher eventuell gar keine Deformierung, wenn der Stempel sehr leicht und die Deformierbarkeit eine geringe wäre. Die Verhältnisse im Hüftgelenk ähneln aber in der Tat in gewissem Grade diesem Schema insofern, als auch dort an den Berührungsstellen des Kopfes und der Pfanne der Druck im Gelenkknorpel wechselt wie im Schema, je nach der absoluten Druckgrösse, die auf dem Schenkelkopf lastet Zum Streit um den Gelenkdruck. A407 und es gilt daher in der Tat meine Angabe auf S. 59 unten, dass der Druck im Gelenk, d. h. in den sich berührenden Knorpelflächen grösser wird, wenn der Luftdruck stärker wird oder der Muskelzug oder beide; er wird kleiner, wenn der Druck auf den Stempel, sei es durch Verminderung des Luft- druckes oder des Muskelzuges, kleiner wird. Dass dem so ist, gibt auch Christen zu, da er in seiner Anmerkung 3 sagt, meine Bemerkung sei „selbstverstä ndlich“, wenn damit der „absolute“, nicht der „reduzierte Druck“ gemeint sei. Da in meiner Erläuterung mehrfach ausdrücklich von der Addition des Muskelzuges und des Luftdruckes gesprochen wird, dürfte ein Zweifel darüber, dass ich dabei nicht den ‚,‚re- duzierten Druck“ im Auge hatte, unmöglich sein. Die Tatsache der Mitwirkung des Luftdruckes am ganzen Gelenkdruck ist natürlich „selbstverständlich“. Trotzdem ist es nicht bloss mechanisch einwandfrei, sondern auch nötig, hier, bei den auf den Schenkelkopf wirkenden Druckkräften, die den Kopf in der Pfanne halten, den Luftdruck, der sich in dieser Beziehung qualitativ von ihnen nicht unterscheidet, mit in Rechnung zu stellen. Es handelt sich eben bei den Ge- lenken um einen hermetisch verschlossenen Raum, bei dem der Luftdruck, soweit er für den Zusammenhalt in Frage kommt, nur von einer Seite her wirkt. Wenn wir z. B. eine fremde, horizontal gehaltene Hand oder wenn wir das Trommelfell niederdrücken, hat es freilich keinen Sinn, bei dem diese Be- wegung erzeugenden Druck den Luftdruck mitzuerwähnen, weil derselbe mit der gleichen Kraft auch von unten her die Hand nach oben oder das Trommelfell nach aussen drückend wirkt. Beim hermetisch geschlossenen Gelenk ist hingegen auch der Luftdruck bei der Rechnung zu berücksichtigen. Jede Minde- rung des auf den Schenkelkopf in der Richtung gegen die Pfanne wirkenden „absoluten“ Druckes verringert den Ge- lenkzusammenhalt, jede Steigerung vermehrt ihn. Insofern ist 408 R. FICK, Buchner (wie ich Bd. Il S. 58 betonte) eben im Unrecht, wenn er sagt, der Luftdruck wirke erst auf das Gelenk, wenn der Druck im Gelenk negativ ist. Ich will noch erwähnen, dass die Verhältnisse sich auch ähnlich gestalten, wenn im Gelenk, trotzdem noch hermetischer Verschluss besteht, z. B. durch Vorhandensein eines geringen Exsudates, ein allgemein gleicher, also „hydrostatischer“ Druck herrscht. Denn auch hier ist der in diesem Fall „hydrostatische Druck“ im Gelenk natürlich abhängig von dem auf dem Schenkelkopf lastenden Aussendruck und auch hier bedeutete jede Erniedrigung des Luftdruckes eine Minderung der die Gelenkenden zusammen- bezw. in der bestehenden Entfernung haltenden Kräfte. Schwebte der hängende Schenkel z. B. ge- rade im Gleichgewicht zwischen dem ihn hinaufdrückenden Luftdruck und Muskelzug und der ihn herabziehenden Bein- schwere, so würde er herabsinken, sowie der Luftdruck sich verringerte. Bezüglich der Deformierbarkeit entspricht das oben besprochene Schema freilich nur dann den Verhält- nissen im Gelenk, sofern wir wegen der kleinen stets vor- handenen Inkongruenzen zwischen Kopf und Pfanne (aller- dings wohl nur vorübergehend) das Vorhandensein kleiner leerer Räume vermuten dürfen. Bei vollkommener Kon- gruenz ohne jegliche Spaltenbildung oder vollkommener Ausfüllung der Spalten durch Gelenkflüssigkeit ist Christen beizupflichten, dass keine Knorpeldeformierung durch den Luftdruck eintreten kann. Sie würde in einem geschlossenen Gelenk oder einer Pumpe auch durch irgend welchen anderen Druck nicht erzeugt werden können. Es ist ja klar, dass eine Deformation einer Gummi- oder Knorpelplatte eben nur dann erfolgen kann, wenn Platz zum Ausweichen gegeben ist; die verschiebliche Masse weicht eben in dieser Beziehung analog wie eine Flüssiekeit nur von Stellen höheren nach Stellen niederen Druckes aus. Zum Streit um den Gelenkdruck. 409 An der Hand der beistehenden Figuren, die sich meinen Figg. 74 u. 75 auf S. 53 meines II. Handbuchbandes an- schliessen, folgert Christen, dass der Luftdruck nicht den Kontakt der Gelenkenden erhalten hat. Er hat damit voll- kommen Recht und bestätigt damit meine Darstellung auf S. 53, wo ich sage: in diesem Fall (mein Handbuch, II. Bd. Fig. 75, analog Fig. 4b Christens) wird der schlaffe Kapsel- b. Fig. 4. sack „in die durch das Auseinanderziehen der Gelenkenden frei werdende Gelenkspalte hineingesaugt und schmiegt sich von der Gelenkspalte aus hereinschlüpfend Kopf und Pfanne so an, dass der Luftdruck die Gelenkenden also gar nicht mehr aufeinander pressen kann, weil er Jetzt auch von der Seite der Gelenkspalte her durch die angeschmiegte Ge- lenkkapsel auf den Kopf und die Pfanne drücken kann“. Aber das ist ja gerade das Wesentliche in der Angelegenheit, dass dieser Fall beim Lebenden nicht eintreten kann, weil 410 R. FICK, namentlich die Muskulatur sich nicht so einstülpen lässt, wie die Kapsel am Bänderpräparat. Ja selbst an der Leiche ist eine solche Einstülpung unmöglich, solange noch die Muskeln die Kapsel bedecken. Nur am ganz isolierten Bänderpräparat kann der Fall Fig. 4b eintreten. Übrigens sieht man aucham Bänderpräparat, dass der Luftdruck noch „auf den Zusammenhalt der Ge- lenkenden“ hinwirkt, wenn er auch beim Schultergelenk, wegen der Einstülpbarkeit der Kapsel, nicht imstande ist, den direkten Kontakt zu erhalten. Er bewirkt nämlich, wie ja auch Christen zugibt, dass die Gelenkenden selbst noch am Bänderpräparat sich nicht soweit voneinander entfernen, als sie es täten, wenn der Luftdruck nicht vorhanden wäre. An gut erhaltenem noch hermetisch schliessenden Bänder- präparat lässt sich diese Tatsache besonders augenscheinlich zeigen, wenn man den Armstummel abwechselnd etwas von der Pfanne abzieht und wieder loslässt. Man sieht dann, wie er beim Loslassen wieder etwas gegen die Pfanne hinge- saugt, ihr angenähert wird. Seit Jahren benutze ich gerade diesen Versuch, um den Studenten zu zeigen, wie der Luftdruck auch beim isolierten Bänderpräparat noch „der Entfernung der Gelenkenden voneinander entgegenwirkend sichtlich sogar eine Annäherung derselben hervor- rufen kann“. Dass die Wirkung des Luftdruckes auf den direkten Zu- sammenhalt der Gelenkflächen beim Knie nur klein ist, wie Christen hervorhebt, entsprichtgenauderLehre Webers und meinen Auseinandersetzungen über die Berechnung des für den Zusammenhalt wirksamen Luft- druckbetrages, denn bei der eigentümlichen Gelenkform und dem (auch von Christen mit Recht hervorgehobenem) reich- lichen Füllmaterial kommt beim Kniegelenk in der Tat nur ein relativ sehr geringer Luftdruckbetrag für die Kontakt- Zum Streit um den Gelenkdruck. 411 erhaltung in Frage. Praktisch ist aber natürlich die Luft- druckwirkung auch beim Knie wegen der Einpressung der um- gebenden Weichteile nicht unwesentlich. Christens Vorschlag, die Luftdruckwirkung dadurch zu bestimmen, dass man die Distraktion der Gelenkenden eines Präparates unter der Luftpumpe und im Freien unter Kon- struktion entsprechender Kurven untersucht, schliesst sich an die von mir im II. Band meines Handbuches auf S. 48 ge- schilderten klassischen Grundversuche der Brüder Weber an und seine Ausführung wäre im Interesse einer exakten, mathematisch eleganten Darstellung der Verhältnisse am Präparat sehr zu begrüssen. Für die Verhältnisse beim Lebenden gibt aber der Verlauf der beiden Distraktions- kurven kein brauchbares Resultat, da das Weich- teilverhalten beim Lebenden ein vollkommen anderes ist als beim Präparat. Am Ende seiner Arbeit sagt Christen: „Während alle bisher erwähnten Irrtümer kaum andere als theoretische Be- deutung haben, ist ein anderer, auf den ich zum Schluss noch hinweisen muss, speziell für die chirurgische Praxis ver- hängnisvoll.“ Dass es sich in den von Christen erwähnten Punkten nicht um ‚„‚Irrtümer“ auf meiner Seite handelte, ist in meinen obigen Ausführungen dargetan worden. Aber auch in dem letzten von Christen beanstandeten Punkt, d. h. in meiner Behauptung, dass beim künstlichen Auseinanderziehen der Gelenke nicht nur der Tonus der Muskeln, sondern auch der für das betreffende Gelenk in Be- tracht kommende Luftdruckbetrag zu überwinden ist, wird nach den vorausgegangenen Auseinandersetzungen jeder Leser nicht einen ‚„verhängnisvollen Irrtum‘, sondern vielmehr die Ausführung einer Tatsache sehen. Wenn anders wirklich 412 R. FICK, eine Entfernung, eine „Distraktion der Gelenkenden“, wie das Verfahren ja auch genannt wird, oder eine Saugwirkung im (Gelenk bei den Patienten hervorgebracht wird, so muss tat- sächlich der Luftdruck dabei überwunden werden. Christen gibt übrigens im folgenden selbst an, dass eine Saugwirkung durch Überwindung des Luftdruckes bei der Extension auf- treten kann und meint, dass sie (nicht verhängnisvoll), sondern „nach dem Bierschen Prinzip (sogar) heilend wirken‘ möge. Einige Zeilen vorher sagt Christen freilich, „die permanente Extension hat niemals den Zweck, ım Gelenk einen luftleeren Raum zu erzeugen“. Über den Zweck der Extension und dar- über, ob eine Saugwirkung für die Heilung günstig ist, masse ich mir mangels eigener Erfahrung natürlich kein Urteil an. Unmittelbar vor seinen ‚„Schlussätzen“ sagt Christen, dass sich das Auftreten eines gasverdünnten Raumes in einem auseinandergezogenen (relenk auf der RHöntgenplatte als eine „scharfbegrenzte Schwärzung“ abbilden müsse, während die von mir auf dem Leuchtschirm gesehene Aufhellung ebenso- gut eine Folge der Querschnittsverdünnung sein könne. Beides dürfte den Tatsachen nicht entsprechen. Eine „scharf be- grenzte Schwärzung“ wird schon wegen der bekannten ausser- ordentlich grossen Durchlässigkeit des Knorpels für die X- Strahlen nicht auftreten. Wir können daher vielmehr gar nicht erwarten, dass sich ein Unterschied zwischen der der Knorpelschicht entsprechenden Schwärzung der Platte und der vom leeren Gelenkraum herrührenden Schwärzung sicher nach- weisen lässt. Wohl aber lassen die Röntgenbilder der Leichen- präparate und der auseinandergezogenen lebenden Finger- gelenke, wie die beistehenden Bilder meines Ringfingers (für die ich Herrn Kollegen Ortner und Herrn Dr. Radonicic zu Dank verpflichtet bin) zeigen, mit aller Sicherheit erkennen, dass tatsächlich ein „leerer Raum“ im Gelenk entstanden ist, weil die Weichteile bei dem Auseinanderziehen Zum Streit um den Gelenkdruck. 413 längst nicht so tief eingesunken sind und einsinken können als es nötig wäre, um die ganze Spalte auszufüllen. Die Röntgen- bilder zeigen auch, dass die Knochen tatsächlich um eine be- trächtliche Strecke voneinander entfernt wurden, dass die „Spalte“ also nicht nur durch eine Querschnittverdünnung der Weichteile im Bild vorgetäuscht wird. Fig. 5a. Fig. 5b. Grundgelenk des linken Ringfingers, Dasselbe _ durch Zug mit der rechten ruhend. Platte volar, Röhrenabstand Hand zum Klaffen gebracht. Platte etwa 15 cm. Expositionszeit !l '/e volar, Röhrenabstand etwa 15 cm. Sekunden. Expositionszeit 1'/s Sekunden. Von den Schlussätzen Christens, deren Angaben, so- weit sie von meinen Ansichten abweichen, im vorstehenden bereits besprochen wurden, ist hier noch der Satz 4 zu er- wähnen. Christen sagt darin, dass nur für das Hüftgelenk der Vergleich mit einer Pumpe korrekt sei, alle anderen Fälle unterschieden sich von dem Modell einer Pumpe dadurch, dass nicht die ganze Wand starr, sondern ein Teil derselben de- 414 R. FICK. Zum Streit um den Gelenkdruck. formierbar sei und sagt weiter: „Wenn, wie R. Fick glaubt, der Muskelzug!) stark genug ist, um entgegen dem Luftdruck die deformierbare Wand starr zu halten, so ist der Muskelzug stärker als die Kraft des Luftdruckes. Dann ist aber der re- duzierte Gelenkdruck nicht negativ, somit (vgl. Ziffer 3) ist die Wirkung des Luftdruckes in diesem Fall gleich Null.“ Dem- gegenüber ist hervorzuheben, dass die anderen Gelenke in der Tat nur Pumpen vergleichbar sind, deren Wände nicht ganz starr sind, die Gelenkwände mit all ihren Verbindungen mit der Nachbarschaft sind aber bei der intakten Leiche und bei Lebzeiten (auch abgesehen vom Muskelzug) in der Norm so starr, dass sie den bei einer Trennung der Gelenkenden frei werdenden Raum nicht ganz erfüllen können. Aus diesem Grunde wirkt bei den meisten Gelenken (namentlich dem Schultergelenk) der Luftdruck doch mit einer sehr be- trächtlichen Kraft auf den Zusammenhalt der Gelenkenden. (Christen scheint anzunehmen, dass nur der Muskel- zug die Gelenkwand starr halten könne, was den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht, wie die Leichenpräparate zeigen.) Zum Schlusse möchte ıch nicht unterlassen, meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, dass mir durch die Ausführungen Christens Gelegenheit gegeben wurde, einige auf den Ge- lenkdruck bezügliche Fragen ausführlicher zu behandeln, als es mir in dem betreffenden Abschnitt meines Handbuches mög- lich war. Auch ist ja jede akademische Diskussion im Interesse der vollen Klärung der Fragen zu begrüssen. Endlich scheint es mir wichtig, noch einmal besonders darauf hinzuweisen, dass Christen den Luftdruck beim Hüftgelenk als zusammen- haltende Kraft voll anerkennt, nicht etwa wie Gerken ihm diese Kraft abspricht. !) Von mir gesperrt. Verf. Innsbruck, November 1910. Richtigestellung zum Streit um den Gelenkdruck. Von Dr. Th. Christen. So sehr ich mich darüber freue, dass Herr Prof. R. Fick sine ira et studio auf meine Einwände gegen seine Auffassung über die Wirkung des Luftdruckes auf die Gelenke eingegangen ist, so wenig erscheint mir der sach- liche Inhalt seiner Erwiderung berechtigt. Die Leser dieser Zeitschrift werden es mir indessen kaum verdenken, wenn ich in dieser meiner Erwiderung mich auf einige kurze Sätze beschränke, welche, wie ich hoffe, die letzten Zweifel an der Berechtigung meiner Aus- führungen beseitigen dürften. Den um den Luftdruck verminderten absoluten Druck habe ich mit Vorbedacht den reduzierten, nicht den relativen Druck genannt. Unter Relativität versteht man in der Regel ein Verhältnis. Verhältnisse stellen sich aber dar durch eine Multiplikation bezw. Division mit eıner Kon- stanten. Da hingegen, wo es sich um Addition bezw. Subtraktion einer Kon- stanten handelt, spricht man gewöhnlich von Reduktion, so z. B. beim reduzierten Barometerstand. 2. Wenn ich gesagt habe, dass die Druckverteilung bei Belastung eines Kugelgelenkes ungefähr der Formel k.cosp ee, (1) entspreche, so soll damit angedeutet sein, dass (und ungefähr auch wie) der Druck von einem bestimmten Maximalpunkte aus nach allen Seiten stetig ab- nimmt. Die Foım der Funktion (1), welche nur für starres Material gelten kann, wird selbstverständlich durch die elastische Deformierbarkeit des Knorpels verändert. Aber die Tatsache, dass der durch die Belastung erzeugte Druck eine Funktion Jdes Ortes im Gelenk ist, wird dadurch nicht erschüttert. Ausserdem bleıbt auch (homogener Knorpelüberzug vorausgesetzt) die Grösse dp dp nach wie vor über die ganze Halbkugel negativ. 3. Wenn Fick mein Experiment (Fig. 3) nachgeprüft hätte, so müsste er wahrgenommen haben, dass die Wegnahme des Quecksilbermanometers nicht, wie er voraussetzt, zu Deformation des Kautschuks durch den ge- steigerten Luftdruck führt, sondern dass nun im Gegenteil — aus leicht er- klärlichen Gründen — weder durch die Änderung der Kraft k noch durch die Änderungen des Luftdruckes irgend welche Deformationen im Kautschuk mehr hervorgebracht werden. 4. Wenn ich die Möglichkeit zugegeben habe, dass bei der Extensions- therapie vielleicht durch Überwindung eines kleinen Bruchteiles — d — des Luftdruckes ein ebenso kleiner negativer reduzierter Druck (von der Größe 6) entstehen könne, welcher nach dem Bierschen Prinzip heilsam wirken mag, so bin ich weit davon entfernt, damit die Überwindung des ganzen Luftdruckes zuzugeben, die ich doch gerade vorher als therapeutisch unver- nünftig bezeichnet habe. 5. Ebenso protestiere ich dagegen, wenn Fick aus meinen Ausführungen den Schluss zieht, dass ich „den Luftdruck beim Hüftgelenk als zusammen- haltende Kraft voll anerkenne“. Wenn ich gesagt habe, das Hüftgelenk in seiner physiologischen Stellung sei das einzige Gelenk, bei welchem der Ver- gleich mit einer Pumpe statthaft sei, so ist das doch etwas ganz anderes. 6. Dass im Hüftgelenk neben einem neu gebildeten Exsudattropfen für kurze Zeit ein luftleerer Raum auftrete, ist eine Vorstellung, zu welcher sich noch andere Physiker und Physiologen nicht leicht werden entschliessen können. 7. Das radiographische Studium der Distraktion von Metacarpophalangeal- gelenken hat mir ganz andere Resultate gegeben als Fick. 414b CHRISTEN, Richtigstellung zum Streit um den Gelenkdruck. a) Am Lebenden ergab die Extension mit 3kg am Kleinfinger eine Distraktion von wenig über 2 mm. Manchmal war eine diffuse, aber kaum wahrnehmbare Aufhellung!) über dem distrahierten Gelenke erkennbar, ent- sprechend der geringen Queischnittsverdünnung, welche durch das Einziehen der Weichteile entsteht. b) An der Leiche dagegen habe ich unter der gleichen Extension das Gelenk punktiert, so dass es sich mit Luft füllte, Die Röntgenbilder zeigen Fig. 1, Fig. 2. Metacarpophalangealgelenk, am Lebenden mit 3 kg distrahiert. Kein leerer kaum siehtbar. Helligkeit zwischen den Gelenk- enden gleich wie in den umgebenden Weich- teilen. Metacarpophalangealgelenk‘Leichenmaterial der Berner Anatomie. Direktor Herr Prof. Strasser) mit je 3 kg. Zug und Gegen- zug extendiert und punktiert, Scharf be- gsrenzter Luftraum. Knorpelüberzug des Metacarpusköpfehens deutlich erkennbar. {Die kleinen schwarzen Flecken sind Kunst- produkte, sie stanmen wahrscheinlich von dem Zink der Aufbewahrungskästen.) dann sehr schön die scharfe Grenze des Luftraumes, die Fick so kathe- gorisch in Abrede stellt, mit deutlichster Darstellung der Knorpel, welche Fick, weil „allzu durchlässig“, für nicht darstellbar erklärt. Die Distraktion beträgt hier 3 mm. Dieses Resultat ist übrigens nicht neu. Die Chirurgen haben schon lange die Menisci articulares genus radiographisch dargestellt nach Sauerstofl- insufflationen in das Gelenk. f 2) Darunter ist natürlich eine Zone zu verstehen, welche heller erscheint als die um- liegenden Weichteile, denn heller als die distrahierten Knochenenden erscheint selbst- verständlich jedes distrahierte Gelenk, auch das nicht „luftleere*. Schlusswort zum „Streit um den Gelenkdruck“. Von R. Fick. Es freut mich, dass die von Herrn Kollegen Christen vorstehend erwähnten 7 Punkte keine weiteren Auseinandersetzungen von meiner Seite erfordern, zumal er den Angelpunkt seiner ersten Abhandlung, dass mir auf S. 54 des II. Bandes meiner Gelenklehre eine Verwechselung des „absoluten“ und „reduzierten“ Druckes untergelaufen sei, nicht aufrecht erhält und (im Punkt 5) noch einmal ausdrücklich die Richtigkeit des Vergleiches des Hüftgelenkes mit einer Pumpe ausspricht. Gern gebe ich (zu Punkt 1) zu, dass auch der von Christen gebrauchte Ausdruck „reduzierter Druck“ statt „relativer Dıuck“ für den „Überschuss über den Luftdruck“ sich verteidigen lässt und stimme (zu Punkt2) vollkommen bei, dass der Gelenkdruck eine „Funktion des Ortes“, d. h. kein hydrostatischer ist, was ich selbst ja bereits auf S. 61 (meines II. Bandes) betont habe. Auch (Punkt 3) dass „bei Wegnahme des Manometers“ in Christen’s Versuch 3 die Gummiplatte durch Vermehrung des Druckes auf den Stempel nicht deformiert werden kann, ist richtig, wurde von mir auch gar nicht be- hauptet, wohl aber in dem von mir klar beschriebenen Fall der Gummi- platte bei Wegnahme des Quecksilbers und Schaffung eines luftleeren Raumes unter dem Stempel. Ob (nach Punkt 4) ein kleiner negativer Druck „heilend wirken mag“, ein grosser aber „therapeutisch unvernünftig* ist, darüber masse ich mir, wie bereits früher erwähnt, kein Uıteil an. (Punkt 5, s. oben). Die biologische Richtigkeit der Vorstellung, dass in statu nascendi eines Exsudates temporär ein leerer Raum im Gelenk entstehen hönne (siehe Punkt 7), habe ich ausdrücklich „dahingestellt“ sein lassen. Sehr erfreulich ist endlich die Übereinstimmung in unseren röntgeno- logischen Versuchen (Punkt 7) darin, dass die Distraktion beim Lebenden und bei der Leiche in Wahrheit kaum merklich differiert (vgl. Christen’s Fig. 1 und 2) und dass auch Christen die Distraktion beim Lebenden so gross fand (s Fig. 1), dass keine Rede von einer vollkommenen Ausfüllung der Spalte durch Weichteile sein kann. Dass Herr Kollege Christen die Auf- hellung beim Lebenden bisher nicht so deutlich fand, wie ich (s. meine Fig.5b auf S. 413), beruht wohl nur auf einem Zufall. Endlich muss ich noch erwähnen, dass ich von der Unmöglichkeit der Knorpelabbildung bei luft- sefüllten Gelenken nicht gesprochen habe. Da die Leser über den Standpunkt, welchen die Herren Christen und Fick einnehmen, nunmehr hinlänglich unterrichtet sein dürften, schliessen wir hiermit die Diskussion über die behandelte Frage in den anatomischen Heften. Die Redaktion. Aus ver Kor. UniversitÄts-FRAUENKLINIK HatLe A. S. DIREKTOR GEH. Raı Pror. Dr. J. Veir. EIN JUNGES MENSCHLICHES EILEITEREI. VON DR. M. PENKERT, FRAUENARZT, HALLE ..S. Hierzu die Tafeln 414—51. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bads2H=35 IS} Q ererE Seit dem Erscheinen der Monographie von H. Peters haben sich die Ansichten über die Einbettung des mensch- lichen Eies im Uterus mehr und mehr geklärt. Die folgen- den Untersuchungen von Graf Spee, Beneke, Frassi- Krerbel, Leopold, Veit, Bryce und Teacher, Lunge, Herzog, Strahl-Beneke haben vielfach eine Bestätigung der Petersschen Ansicht gebracht, zum Teil auch eine Einigung der Anschauungen über die Herkunft der verschie- denen Elemente; über die zerstörende oder nicht zerstörende Wirkung des Eies auf das mütterliche Gewebe sind dagegen die Autoren noch sehr verschiedener Meinung. Wir können wohl jetzt über den Modus der Einbettung wesentlich die Lehre von Peters als allgemein anerkannt und seine Ansichten über die Eihöhlen als erwiesen ansehen. Der normale Einnistungs- prozess für das Ei im Uterus ist gefunden. Weit anders steht es mit der Einbettung des menschlichen Fies im Eileiter. Die Schwierigkeit, hier geeignetes Material zu erhalten, ist enorm gross. Während die Abrasio mucosae uterı oder die Totalexstirpation des Uterus hier und da einmal ein junges Ei bringen kann, ist die Möglichkeit, geeignetes Tubenmaterial zu erhalten, nur gelegentlich einer Laparotomie vorhanden. Der Zufall spielt dabei die Hauptrolle. So ist es 28* 418 M. PENKERT, denn bisher noch nie gelungen, ein intaktes junges Tubenei zu bekommen. Gewöhnlich zwingen die Anzeichen einer inneren Blutung zur Eröffnung des Abdomens bei geplatzter Extrauterin- sravidität, und es wird in der Regel nur dann solch Material zutage gefördert, welches bereits einer Zerstörung anheimge- fallen ist. Die jüngsten Eileiterschwangerschaften sind sämtlich mehr oder weniger durchblutet. Wenn auch nach dem Erscheinen der Arbeiten von Peters und Graf Spee mehrere Vergleiche zwischen der Einbettung im Uterus und in der Tube oder dem Eierstock ge- zogen sind und Wahrscheinlichkeitsschlüsse eine Aufklärung gebracht haben, so fehlen bisher doch strikte Beweise dafür. Das jüngste Tubenei demonstrierte Werth auf dem 8. Kongress der Gynäkologischen Gesellschaft und es wurde neben anderen jüngeren Stadien von Füth unter Werths Leitung weiter bearbeitet. „Die Bedeutung dieses Kies lag darin, dass ein sehr frühes Entwickelungsstadium mit einem trotz vorhandener, aber nicht sehr erheblicher intrakapsulärer Blutung noch gut erhaltenen Situs des Bies zusammentrafen“ (Werth). Ein ähnliches junges Stadium bildete auch Pfan- nenstiel in seiner Monographie im v. Winckelschen Handbuch ab, auf das Krömer ebenfalls hinweist. Auch Voigt gibt Abbildungen eines frühen Stadiums. Alle aber haben den Nachteil, dass sie durchblutet und erösstenteils aus ihrem Bett abgehoben sind, dass ferner in allen der Fötus fehlt. Obwohl in den Objekten stellenweise die Verbindungsbrücken des Eies mit den mütterlichen Elementen erhalten sind, so gestatten dennoch die mancherlei Zertrümme- rungen und Veränderungen keine bindenden Schlüsse. Erst das Auffinden einer völlig unbeschädigten ektopischen Schwanger- schaft führt zu einwandsfreieren Bildern. — Der Zufall spielte mir nun ein ganz junges Tubenei in die Hände, das absolut gut erhalten und nicht durchblutet ist und endlich Gelegen- Ein junges menschliches Bileiterei. 419 heit gibt, die Beziehungen zwischen mütterlichem und kind- lichem Gewebe zu untersuchen, Gelegenheit bietet, wenn auch in etwas vorgeschrittenerer Entwickelung wie die oben er- wähnten jungen uterinen Eier den Einnistungsvorgang, das Wachstum und seine sonstigen Wirkungen auf die Nachbar- schaft zu studieren. Herkunft des Eies. Am 15. IV. 09 wurde die 32jährige Frau A. in die Uni- versitäts-Frauenklinik Halle wegen starker Schmerzen im Leib aufgenommen. Patientin hat als Kind Scharlach und Masern durchgemacht, mit 18 Jahren litt sie an „Gebärmutterentzün- dung“. Die Periode ist seit dem 14. Jahre regelmässig alle vier Wochen aufgetreten, letzte am 6. März. Die nächste wäre am 3. April fällig gewesen. Pat. ist seit 21/, Jahren steril verheiratet. Der Ehemann war 2 Jahre vor der Verheiratung gonorrhoisch infiziert und hat in der Ehe nur mit Schutz- mitteln geschlechtlichen Verkehr gepflegt. In der Nacht vom 3. zum 4. April Coitus ohne Sicherheitsmassregeln. Danach stellten sich angeblich bei der Frau starke Schmerzen im Leib ein, die bis zur Aufnahme in die Klinik 13 Tage lang mehr oder weniger heftig angehalten haben. Bei der Untersuchung des Abdomens zeigt sich links eine deutliche Resistenz mit Schmerzhaftigkeit, bimanuell fühlt man den Uterus kaum vergrössert, etwas nach rechts verlagert und retroponiert. Links, vor und seitlich von ihm einen annähernd kleinkindskopfgrossen, elastischen Tumor, der sich aber wenig bewegen lässt, auch rechts neben dem Uterus einen etwa taubeneigrossen Tumor. Der Douglas scheint etwas vorgewölbt, hier wie im Abdomen starke Schmerzhaftigkeit, die bei der sehr sensiblen Pat. eine exakte Diagnose nicht stellen lässt. Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose lautet auf Kystoma intraligamen- 420 M. PENKERT, tosum sinistrum oder peritubare linksseitige Hämatocele. Am 16. IV. 09 Laparotomie in Tropacocain-Lumbalanästhesie (Ober- arzt Dr. Fromme). Schnitt in der Linea alba, das linke Ovarium zeigt sich in einen überfaustgrossen eystischen Tumor verwandelt, Tuben und Ovarien werden abgetrennt, abgetragen, die Stümpfe mit Seide unterbunden. Links vor dem Liga- mentum latum älteres geronnenes Blut, dessen Herkunft zweifel- haft bleibt. Die Revision der rechten Adnexe ergibt ein ver- grössertes, taubeneigrosses Ovarıum mit drei kirschgrossen Cysten. Das Ovarıum wird daher bis auf einen kleinen Rest, der mit feiner Seidennaht übernäht wird, abgetragen. (Zu- fällig bei der Operation zugegen, Tıel mır soae rechte Tube auf, sie war kaum kleinfinger- diek, blaäulich rot und mit feinsten Gefassen gezeichnet. Ich bat um Entfernung derselben.) Es wird dann von der veränderten kleinfingerdicken rechten Tube ein ca. 2 cm langes Stück aus der Gegend des Isthmus vorsichtig reseziert, der Rest unterbunden; dann wird die Bauchhöhle geschlossen, die Fascie mit Seiden-Knopfnähten vereinigt und die Haut fortlaufend mit Zwirn genäht. Pat. wird nach glattem Heilungsverlauf am 4. V. 09 entlassen. Beschreibung der Präparate. Die kleinkindskopfgrosse, glattwandige Cyste des linken Ovarıum enthält hellen, zähflüssigen Inhalt. An der Innen- fläche finden sich papilläre Excrescenzen, die in einzelnen Büscheln zusammen stehen. Die linke Tube ist nicht ver- ändert. Das aus dem rechten Ovarıum exstirpierte Stück ent- hält drei Cysten ebenfalls mit zähflüssigem Schleim gefüllt. In einer derselben finden sich ebenfalls papilläre Excerescenzen. Das resezierte Stück aus der rechten Tube ist 2,1 cm lang, ca. 1 cm dick, dunkelblaurot und weıch mit starken Gefässen Ein junges menschliches Eileiterei. 421 an der Oberfläche. Beiderseits stülpt sich etwas Tubenschleim- haut vor. Die mikroskopische Untersuchung der mehrkamme- rigen Ovarialtumoren ergibt glatte bindegewebige Wand, von der sich zapfenförmig bindegewebige Balken nach dem Inneren erheben, die mit einfachem Cylinderepithel bedeckt sind (Cy- stoma papillare). Das resezierte Tubenstück wurde sofort lebenswarm in 40%/iges Formol eingelegt und weiter in aufsteigendem Alkohol gehärtet. Ein paar Stücke wurden nach der Formolhärtung in Flemmingscher Flüssigkeit weiter behandelt. Der grösste Teil des Präparates wurde in Paraffin eingebettet, ein Teil in Celloidin. Durch diese Teilung des Präparates in «uerer Richtung wurde bedauerlicherweise der Embryo mitten durch- trennt, so dass eine Rekonstruktion leider nicht mehr mög- lich ist. Ich habe dann das ganze Ei in 1650 Serienschnitte zer- legt, die nach verschiedenen Methoden gefärbt wurden. Die meisten Schnitte wurden der üblichen Hämatoxylin-Eosin-, van Gieson-Färbung unterworfen, andere der Fibrinfärbung nach Weigert, eine Reihe mit Cochenille-Alaun behandelt. Die Flemmingschnitte im Paraffin trotzten den angegebenen Safraninfärbungen, da sie nur auf dem Objektträger gefärbt werden durften und es gelang mir, nach mancherlei Versuchen sie nach Entparaffinierung mit Xylol und Alcohol. abs. und Überziehen auf dem Objektträger mit einer dünnen Collodium- Schicht mit Lithioncarmin zu tingieren. Andere Schnitte wurden mit Berlinerblaureaktion auf Eisen untersucht, wieder andere auf Glykogen nach der Methode von Best gefärbt. Die Schnittdicke beträgt für Celloidin ca. 30 w. Für Paraffin war es, um lückenlos zu schneiden, notwendig, ‚da sonst bei der immerhin weniger gut schneidbaren Tubenwand öfters Schnitte ausgefallen wären, an den dickeren Stellen des 422 M. PENKERT, Präparates 15-20 u zu wählen, an den dünneren Stellen 7,5—10 ». Nach der genauen Berechnung fand sich die Eihöhle vom ersten Anfang an auf 746 Querschnitten der Tube. Da die Schnittdicke bekannt, so würde aus der Schnittsumme be- rechnet, für die Eihöhle eine Länge von 1,212 cm resultieren; die Höhe und Breite des Eihohlraumes ist, worauf ich weiter unten noch zurückkomme, sehr verschieden. Ungefähr in der Mitte betragen die Maasse 0,75 und 0,475 cm. Da über jüngere ektopische Eier bisher keine Grössenwerte vorhanden sind, so kann natürlich ein Vergleich des vor- liegenden Objektes mit anderen nicht gezogen werden. Der Grösse der Eiblase nach gehört es nicht zu den jüngsten ge- fundenen Eiern, immerhin aber dürfte eine Gegenüberstellung mit den bisher bekannten intrauterinen am Platze sein. Ich entnehme die Zahlen den jüngst erschienenen Arbeiten von Jung und Herzog. Bryce rund Teacher 0,77 063 0,52 mm Beterse N 1X 6 0,9 0,8 % Herzog "2.2 22.2 .2.. 228320 0,804775204 5 Graf v. Spee 2,5 1,5 « suknio; Be a 32 2,2 # Merken ste rer 2,0 > Strahl Beneke-. . 42 DD 12 Be,opokdg Fran, tl 3,1 s Graf vesSpeer, m 2 A r ve tleukekomer 2 2:2 2535 99 = Beigel-Löwe. . . . 40 5,0 2,5—3,0 , Frasar. 20 um. 272294 3.2 s Oma ze 22‘ 5,0 S Breinik ort 2.5 4,75 er Danach käme das von mir bearbeitete Objekt, nach der Grösse des Eihohlraumes zu schliessen, erheblich hinter den Ein junges menschliches Bileiterei. 423 von den anderen Autoren beschriebenen Eiern, seine Stellung muss aber noch nach anderen Richtungen hin ermittelt werden und hier ist vor allem wohl die Entwickelung und Grösse des aufgefundenen Fötus bestimmend, worauf ich später noch zurückkomme. Eine Frage ist zunächst zu erledigen. Ist das Eı patho- logisch oder nicht, ist seine ganze Beschaffenheit, sind seine Höhlen und die zusammensetzenden Elemente so, dass keine Zeichen einer Degeneration, Absterbeprozesse an ihm nach- zuweisen sind? Ist das Ei noch im Wachstum oder bereits im Absterben begriffen? Diese Fragen sind an meinem Ob- jekt nicht schwer zu beantworten; da es intakt in der Tube aufgefunden und mit grösster Vorsicht entfernt wurde, so ist eine grössere mechanische Verletzung ausgeschlossen. Wie oben erwähnt, fand sich in der Bauchhöhle eine Ansammlung älterer Blutcoagula. Ihr Ursprung war bei der Operation nicht nachzuweisen. Die rechte Tube lag vollkommen frei von Blut- ergüssen, äusserlich auch intakt, dass wohl kaum anzunehmen ist, dass das Blut eventuell aus ihr stammen könnte. Ausser- dem ist es wohl ausgeschlossen, dass ca. 3 Esslöffel Blut von der Tubenschwangerschaft herrühren, da an der unter- suchten Tube kein grösserer freier Bluterguss vorhanden war. Zuzugeben ist allerdings, dass im uterinen Teile des exstirpierten Tubenstückes ein wenig mehr Blut zwischen Eikammer und Eipol sich befand, der aber so minimal war, dass hier an eine nur ganz kurze Zeit voraufgegangene stärkere Blutung nicht zu denken ist, wenngleich ich zugeben muss, dass hier vielleicht eben die Vorbereitungen für einen inneren Kapsel- aufbruch gegeben sind. In den ganzen übrigen Schnittserten war an keiner einzigen Stelle auch nur die leiseste Andeutung einer Loslösung des Eies nachzuweisen. Zudem waren, worauf ich später noch zurückkomme, an zahlreichen Stellen Kern- teilungsfiguren vorhanden. Das lebenswarm in 4%igem Formol 424 M. PENKERT, konservierte Ei ist daher mit absoluter Sicherheit als fast un- versehrt anzusehen, als normal und nicht pathologisch in dem oben angedeuteten Sinne. Es tritt also in die Reihe der nach einem operativen Ein- griff sofort fixierten Objekte, ähnlich den durch Curettage ge- wonnenen Eiern von Jung, Merttens, Strahl, Beneke und dem in situ von Krönig gewonnenen und vonRauscher und Frassi bearbeiteten. Sämtliche anderen, sonst beschrie- benen Eier stammen von Leichenpräparaten, so das Ovum Peters, Leopold, Graf Spee, Siegenbeek und Herzeg. Das von Bryce und Teacher beschriebene ist ein junges Abortivei, dem aber die Autoren vollkommene Intaktheit vin- dizieren. IR Leider standen mir seinerzeit die von Jung als ideale Konservierungsmittel geforderten Lösungen von Zenker oder Flemming nicht zur Verfügung, so dass ich mich zum Formol entschliessen musste, das letzten Endes wohl noch ein besseres Fixierungsmittel als den Alkohol darstellt, ausserdem wohl aber noch den Vorteil bietet, späterhin eine Osmierung und Unter- suchung auf Fett zu ermöglichen. Verhalten des Eies zur Tube. Bevor ich auf die Beschreibung der Eıkammer und ein- zelnen Schichten des Eies übergehe, möchte ich zunächst das Verhalten des Eies zur Tube feststellen. Wenn wir die Serie vom abdominalen Ende beginnend durchmustern, so sehen wir zunächst noch die reichlich gefaltete Tubenschleimhaut, unter der sich weiterhin das Ei eingebettet hat. Je mehr centralwärts wir kommen, desto weniger Schleimhaut ist vor- handen. Man ahnt vereinzelt noch in kleinen Spalten Schleim- hautepithel, allmählich verschwinden auch diese und das sanze Tubenlumen ist dann von dem Ei ausgefüllt. Nirgends Ein junges menschliches Eileiterei. 425 ist auch nur die geringste Andeutung von Schleimhaut vor- handen. Das Epithel scheint vollkommen verschwunden. Üterin- wärts befindet sich wieder Epithel und zwar erscheinen hier ganz unvermittelt zwei Querschnitte der Tube. Der eine ist zum Teil mit ausgezogenen, an Spinnengewebe erinnernde Tubenfalten seitlich begrenzt, welche kapselähnlich den Ei- hohlraum, der hier einen ganz minimalen Blutsee hinter sich zeigt, abschliessen, während der andere den normalen, oben- drein noch sehr engen Durchschnitt der Tube darstellt. — Das Ei stellt gewissermassen eine ins Tuben- lumen eingesetzte Spindel dar, die nach dem abdominalen Ende mehr zugespitzt, nach dem uterinen mehr abgerundet ist. Während an letzterem spärliche Zotten vorhanden und ohne besondere Erscheinungen den Tubenfalten, oder vielmehr der von diesen gebildeten, zum Teil durch Blut abgehobenen Capsularis anliegen, spielen sich an der entgegengesetzten Seite sehr interessante Vorgänge ab. Mit dem spitzen Pole der Spindel ausserhalb der Eihöhle sucht das Ei gewissermassen weiter vorzudringen und sich Platz in der sehr engen Tube zu schaffen. Es breitet sich deshalb in der Tubenschleimhaut in dem lockeren Binde- gewebe der Mucosa aus und siedelt sich mit seinen Zotten dort an, wo es den geringsten Widerstand von seiten der Tubenmuskulatur findet. Dabei respektiert es die starren Grenzen der Muskulatur und sucht sich seinen Weg zwischen deren Windungen hindurch. Hier und da springen nämlich Muskelwülste in das Lumen vor, sie bleiben unberührt stehen und das Ei schlängelt sich mit seinen Zotten an ıhnen ähn- lich wie der Fluss an den in ihn eingebauten Molen vorbei. Ob wir es hier mit einer stark gewundenen, einer infantilen Tube nach W. A. Freund zu tun haben, wage ich nicht zu entscheiden. Das Bild ändert sich im Bereich der Eiblase. Hier bietet die Muskulatur und somit das Lumen der Tube 426 M. PENKERT, einen vollkommen runden Durchschnitt, der aber nach der anderen Seite bald wieder oval oder birnförmig wird. Es mag sein, dass — eine geschlängelte infantile Tube angenommen — die Muskelwülste und Pfeiler polwärts stehenden Zotten stand- gehalten, dass aber die Eihöhle mit ihrer höheren Wachstums- tendenz gleichmässig diesen Widerstand gebrochen und eine konzentrische gleichmässige Dehnung der Muskulatur bewirkt hat. Ob dem so ist, ist nicht mit Sicherheit zu beweisen, das gehört ins Gebiet fruchtloser Spekulation. In diesem frühen Stadium der Tubenschwangerschaft hat es jedenfalls den An- schein, als ob nach totaler Ausfüllung des Lumens durch das Ei die Tubenwand mit ihrer Muskulatur das innigste Bestreben hat, sich gleichmässig auszudehnen, in gleichmässiger Stärke konzentrisch dem Ei einen schützenden Mantel zu bieten, ähnlich wie der Uterus dem normalen Ei. Irgend welche Aus- sackungen in die Muskulatur hinein habe ıch nirgends kon- statieren können. Zum besseren Verständnis des nur kurz Angedeuteten möchte ich zunächst auf ein paar Mikrophotogramme ver- weisen. Wir sehen an dem äussersten der spitzen Pole, der Spindel, zweifelsohne fötale Elemente ungefähr in der Mitte der Tube liegen, sie sind noch überall umgeben von Durch- schnitten der vielgefalteten Schleimhaut, die hier auf dem Querschnitt wie Drüsendurchschnitte aussehen. Weiterhin liegt dann das Ei mit seinen Zottenausläufern nicht mehr ganz central, sondern mehr und mehr schwinden die Schleimhaut- falten an der einen Seite, bis dann schliesslich nur noch ganz wenig zu sehen sind. Dabei sieht man deutlich, wie diese Durchschnitte oder Querschnitte der Schleimhautfalten mehr und mehr in die Länge gezogen, gebogen und im Querdurch- messer abgeflacht, also konvex um das birnförmige oder mehr runde Ei gelagert werden (Taf. 44, Fig. 1). Dann plötzlich tritt ım Verlaufe der Serie ein Muskelwulst in Erscheinung, der sich Ein junges menschliches Eileiterei. 427 weiterhin nach dem Innern vorwölbt und um ihn herum ober- und unterhalb breiten sich überall die Zotten aus. Wir haben es hier sicher mit einer Schleimhautfalte der Tube auf musku- lärem Grundstock zu tun, die dem Ei in den Weg tritt und umgangen werden muss. Daneben sind wohl überall kleine Recessus vorhanden, die mit ihrem lockeren Bindegewebe zur Aufnahme für das Ei dienen. Der Muskelwulst durchquert dann auf dem anderen Mikrophotogramm (Taf. 45, Fig. 2) das quer- getroffene Tubenlumen, in ihm findet man dann in der Mitte wieder Muskulatur und ober- und unterhalb dieser Querleiste stecker in allen möglichen Taschen und Winkeln — die Schleimhaut bildet hier sicherlich die verschiedensten Taschen — Zotten und andere fötale Elemente, in den allerersten An- fängen auch die Fruchtblase. Endlich wird dann die Lichtung freier. Die Fruchtblase wird ovaler, runder, und damit ist dann auch konzentrisch das Tubenlumen erweitert und der grösste Durchmesser des Präparates erreicht (Taf. 46, Fig. 3; Taf. 47). — Ich füge dann noch einige schematische Durchschnitte bei, die zur Klärung der Frage des ersten Wachstums in der Tube beitragen sollen und ein ganz interessantes bisher noch nicht gebotenes Über- sichtsbild geben (Taf. 48). In Fig. 1a, Taf. 48, sehen wir einen Durchschnitt durch das Tubenlumen ohne Eibestandteile, 1b zeigt die ersten Anfänge der Eikammer (grün), umgeben von zahlreichen Schleimhaut- falten (rot mit bläulichem Bindegewebe). Die Eihöhle vergrössert sich allmählich und damit werden die Schleimhautfalten mehr oder weniger gedehnt (1c). Fig. 2a, b, c stellen Umrisszeich- nungen nach Schnitten dar, die das eben Gesagte näher er- läutern. In Fig. 2b sieht man unter der grünen Eihöhle das Bindegewebe in Becherform angeordnet, in 2c über der Capsu- larıs gelb gehalten ein Blutcoagulum. In Schema 1d wölbt sich ein Muskelwulst in die Tube vor, der in Le wieder fehlt. ein 428 M. PENKERT, zweiter Muskelwulst zieht in 1f quer hindurch, unter ihm liegt ein Recessus der Schleimhaut. 1g stellt einen Querschnitt im centralen Teil des Eies dar, der vollkommen rund ist, mit runder Eiblase, im Innern der Fötus. 1b gibt einen rekonstruierten Längsschnitt durch die Tube. Rechts und links findet sich intakte Tubenschleimhaut, nach rechts der abgerundete Pol der grünen Eispindel, nach links der spitze Pol mit seinem grösseren Chorionzottenmantel, der sich auf gegebener Bahn im Tubenlumen vorbei an Muskel- wülsten oben und unten windet. Die Schleimhaut (rot) fehlt in dem centralen Teile höchstwahrscheinlich vollkommen. Die Tubenwand. In den peripheren Partien zeigt die Tubenwand kein wesentlich von der Form abweichendes Bild. Die Muskel- bündel liegen in der gleichen Weise angeordnet. Auffallend ist nur eine stärkere Füllung der sonst relativ kleinen und wenig entwickelten Gefässe. Die Mesosalpinx bietet das gleiche Bild stärkeren Blutreichtums. In den centralen Abschnitten sind die Muskelfibrillen anscheinend mehr ausgezogen, sie er- scheinen dünner und mehr ausgefasert. Eine auffallende Aul- lockerung fehlt. Die Dicke der Tubenmuskulatur wechselt, in der centralen Schnittserie ist an einzelnen Stellen die Musku- latur entschieden etwas verdünnt und fast halbmal so stark wie in der übrigen Tubenperipherie. Überall aber sieht man in der Tubenwand einen mehr oder minder grossen Reichtum an Rundzellen, die hauptsächlich zwischen den einzelnen Muskelfasern liegen. Daneben kommen noch reichlich mit ge- lappten und mäanderbandartig geschlungenen Kernen ver- sehene Leucocyten vor, die ihren Sammel- und Anhäufungs- punkt meist an der Stelle haben, wo mütterliche und kindliche Elemente zusammenstossen, oder da, wo der Blutstrom viel- Ein junges menschliches Eileiterei. 429 leicht verlangsamt ist. Ich möchte hier gleich betonen, dass diese Leucocyten, die auch von den übrigen Autoren in den ersten Stadien der Eiimplantation im Uterus gefunden und be- schrieben sind, lediglich als sekundäre Bildungen infolge der Gravidität aufzufassen sind, nicht etwa als Entzündungsprodukte einer chronischen Gonorrhöe. Ich habe lange Zeit hindurch Färbungen auf Plasmazellen vorgenommen bei der Unter- suchung von Ausschabungen und habe dann auch versucht, in den vorliegenden Präparaten diese Plasmazellen nachzu- weisen. Absolut sicher ist es mir nicht geglückt. Die mit Methylgrün-Pyronin gefärbten Präparate zeigten einzelne rot gefärbte Zellen, die meist in der direkten Umgebung der Ge- fässe lagen und die ich als Mastzellen ansehe. Nur ganz ver- einzelt sind vielleicht (?) Plasmazellen vorhanden, die aber nichts zu sagen haben und nach Schridde (Die eitrigen Entzündungen des Eileiters 1910, S. 9) ziemlich oft einzeln im Bindegewebe der Tubenfalten geschlechtsreifer Frauen ge- funden werden. Für eine alte abgelaufene (Gonorrhöe sind ebenfalls keine Anhaltspunkte vorhanden, da die plumpen verdickten Falten mit Plasmazellen und die von Schridde für abgelaufene Stadien der Gonorrhöe angegebenen Kriterien fehlen. Es kann demnach — obwohl der Uxor vor der Ehe gonor- rhoisch war — Gonorrhöe oder chronische Entzündung der Tube hier wohl nicht in Betracht kommen. Verhalten der Tubenschleimhaut. Diese zeigt mancherlei interessante Bilder. Beginnend im uterinwärts gelegenen Teile findet man der Mesosalpinx ent- gegengesetzt ein Tubenlumen mit vollkommen normaler Schleim- haut. Um das sternförmige Lumen herum gruppiert sich ein- schichtiges niedriges Cylinderepithel ohne besondere Verände- Ä 430 M. PENKERT, ıungen. Unterhalb dieses Lumens nach der Mesosalpinx zu sieht man dann ein zweites Lumen, das das Ende der das Eı aufnehmenden Kammer darstellt. Hier liegen zum Teil freie Cylinderzellen mit leicht blasigen Kernen, anscheinend abge- stossene Epithelien der Tubenfalten. In der Peripherie wird der Hohlraum begrenzt von einer lückenlosen Epithelbekleidung, dessen Bestandteile zum Teil eine ganz niedrige Form haben und zum Teil etwas blasig gebläht erscheinen. Auch finden sich hier spinnwebenartige Schleimhautfalten mit abgeplattetem niedrigen Cylinderepithel, ferner aber ein kleiner Bluterguss, der auch in anderen Schnitten sogar dort, wo wir wieder ganze Durchschnitte durch das Ei an seinem abgerundeten Pole in der Serie haben, noch schwach ausgeprägt hervortritt. Durch den Ausfall einzelner Schnitte in dieser Gegend fehlt hier leider der Zusammenhang beider Lumina. Es kann sich aber offenbar hier nur darum handeln, dass der mehr abge- rundete Pol des Eies sich im Bindegewebe der Mucosa tubae weiter entwickelt und sich bei seinem Wachstum unter das intakte unveränderte distal von der Mesosalpinx gelegene Tubenlumen geschoben hat. Dabei sind entschieden Schleim- hautfalten mit verschoben und, wie das oben schon angedeutet und auch stets bei jungen intrauterinen Eiern der Fall, in ihrem Verlauf abgeplattet und über die Konvexität des Eies gekrümmt worden. Ausserdem liegt sicher hier eine geringe Abhebung des Eies vor. Mit ziemlicher Sicherheit ist hier wohl eine Stelle zu vermuten, an der die Capsularis vielleicht aufgebrochen ist. Weit interessanter ist der entgegengesetzte Teil. Hier ist von der Tube ebenfalls noch ein Stück ausserhalb des Kies mitexstirpiert. An dem Präparat hat sich nach dem Abklemmen die Schleimhaut nach aussen vorgewölbt; neben einem kleinen Bluterguss, der artificiell durch die Abtragung im Äussersten Abschnitt erzeugt ist, findet sich sonst absolut keine Störung. Ein junges menschliches Eileiterei. 431 Im mikroskopischen Bilde hat man hier bei schwacher Ver- grösserung den Eindruck, wie man ihn im Stadium praemen- struationis im Uterus bekommt. Die Schleimhautfalten bilden auf den Querschnitten ein den Schleimhautdrüsen ähnelndes Bild. Zartes Stroma, papillenartig das Epithel vor sich her- treibend, bedingt hier ähnliche Erscheinungen wie die Sub- stantia spongiosa der uterinen Schleimhaut in den ersten Stadien der Gravidität. Das Epithel selbst ist meist blasig gequollen, büschelförmig zerfasert, in eifriger Sekretion, die Kerne stehen unregelmässig in verschiedener Höhe und zeigen zwischen sich reichlich Vacuolen. Im Lumen der auf den Ouerschnitten als Drüsen imponierenden Hohlräume ist meist Schleim vorhanden, in einzelnen zelliger Detritus, Blut und Fibrin. Neben diesen drüsenähnlichen Schleimhautfalten liegen andere, die oft mit freiem Ende ins Tubenlumen vorragen. Sie stellen dünnere Leisten dar mit wenig bindegewebigem Stroma, tragen ein flaches, kubisches, ganz niedriges Epithel, das aus- gezogen zu sein scheint und keine Sekret-Alveolen trägt. Im allgemeinen machen diese Spalträume den Eindruck von Saft- spalten und erweiterten Lymphräumen. Sie werden jedoch durch die besonders in der Nähe des Eies auftauchenden büschelförmigen Epithelsträusse zu Schleimhautfalten gestem- pelt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Lymphspalten und Epithelien hier eine Vermehrung und Wucherung eingehen, wie man sie in Lymphangiomen oder Lymphagioendotheliomen findet (Penkert, Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1902, XXV]). Vielmehr glaube ich, dass diese Bilder zustande kommen durch die ungleichmässige Dehnung der Schleimhauffalten, dadurch, dass das Ei in mehr oder weniger grosser Nähe liegt und das Epithel durch sein Wachstum im Dicken- und Höhen- durchmesser beeinflusst. Während man im antimesosalpingealen Teil noch Schleim- hautfalten ohne besondere Veränderungen findet, tritt dicht Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3.) 29 432 M. PENKERT, darunter ungefähr an der Grenze zwischen erstem und zweitem Drittel im Querschnitt ein Blutcoagulum auf, das sich über die weitere Serie fortlaufend erstreckt (Taf. 44, Fig. 1bl). Es erfordert eine eingehende Betrachtung. Kuppelförmig wölbt sich eine Schleimhautfalte nach dem oberen Drittel vor. Von den seitlichen Rändern zieht sich ein intakter Epithel- belag auf die Falte hinüber. Das Cylinderepithel wechselt in seiner Form. Seitlich mehr kugelig und intensiv gefärbt wird es allmählich höher, blasig, gebüschelt und anscheinend secernierend, bis es dann in unmittelbarer Nähe des Blut- coagulums und unter ihm aufhört zu existieren, oder, viel- leicht richtiger gesagt, deutlich unterschieden werden zu können. Ähnlich dem Petersschen Gewebspilz oder nach Bonnet Verschlusscoagulum, liegt es wie ein Dach auf der Schleimhautfalte. Es besteht aus einer blutigen, fibrin- ähnlichen Masse, zwischen der ältere rote Blutkörperchen in runden Haufen und sehr wenig guterhaltene, frischere ein- gepfercht sind, ähnlich wie in einem geschichteten Thrombus ziehen sich länglich ovale Bindegewebszellen hindurch, die wohl den Beginn der Organisation und Verdichtung, vielleicht einer Vernarbung anzeigen könnten. Weder unter-, inner-, noch oberhalk des Coagulums sind mit Sicherheit Epithelien der Tubenschleimhaut nachzuweisen. Das Bindegewebe der ge- wölbten Falte ist in den seitlichen oberen Teilen ruhig, in den tieferen Lagen und mehr nach der Mitte zu stark verändert. Ungefähr in der Mitte der Brücke sind die Zellen unregelmässig verschoben. Es macht den Eindruck, als ob hier vielleicht eine Dehiscenz bestanden hat, durch die das junge Ei in das Bindegewebe eingewandert sein könnte. Die Lücke hätte sich nachher geschlossen und wäre durch die umgebenden Binde- gewebszellen gefüllt. Diese sind hier im allgemeinen grösser, ihr Kern meist oval, blass mit deutlichem Kernkörperchen, auch das Protoplasma ist zum Teil aufgehellt und blasenartig Ein junges menschliches Eileiterei. 433 gequollen. Durchweg sieht man hier eine Öödematöse Auf- quellung, die eine fast gleichmässige Trübung der Bindegewebs- lamelle bedingt. Älteres Blutpigment, das auf eine Zerstörung der Schleimhaut beim Eindringen des Ovulum hindeuten, eine Zerstörung kleinster Blutgefässe vermuten lassen könnte, findet sich nirgends. Der Prozess der Einbettung müsste ohne Arrosion grösserer Gefässe vor sich gegangen sein. Es besteht also hier über dem Eı eine Kapsel and auf oder zum Teil in ıhr ein Coagulum, das in seinem mikro- skopischen Verhalten viel Ähnlichkeit mit dem Petersschen Gewebspilz hat. Man könnte verleitet werden, hier den Eintritt des Eies in die Tubenschleimhaut anzunehmen und hätte hier alle Merkmale, die auch die Ansicht Peters voll bestätigen könnten. Das Ei träfe an irgend einer Stelle auf die Schleim- haut, hier auf eine Tubenfalte, das Epithel an der Berührungs- stelle wiche einfach auseinander oder wäre bei der Men- struation verloren gegangen und das Ei nistete sich nun weiter in dem Bindegewebe einer einzelnen Falte ein. Die mikroskopischen Bilder könnten weiter zeigen, dass die Oberfläche einer Schleimhautfalte während der Menstrua- tion verändert sei. Das Ei schlüpft nicht etwa, wie früher angenommen wurde, zwischen zwei Schleimhautfalten, die dann über ihm verkleben, sondern eine Schleimhautfalte bildet nach Duichdringen des oberflächlichen Epithels in ihrer Tiefe, in ihrer bindegewebigen Säule das Receptaculum für das Ei, die Oberfläche würde verklebt und wird zur Sicherheit noch mit einem Verschlussdeckel aus plastischem Material über- deckt, der wohl allmählich organisiert, später von den Seiten her mit neuem Epithel überkleidet wird. Was wird nun weiter mit der übrigen Schleimhaut? In der Umgebung des Anfangsteiles der Einnistungsstelle finden sich mit Ausnahme der Basis, die nach der Mesosalpinx zu liegt, noch überall in der Peripherie Schleimhautfalten, die 29* 454 M. PENKERT, Drüsendurchschnitten ähneln und kaum noch als Falten im- ponieren, ähnlich der spongiösen Schicht im Uterus. Sie sind dilatieri und tragen in ihrem Innern Schleim, zuweilen Blut und massenhaft abgestossene Epithelien. Wo diese Veränderungen nicht vorhanden, sind die Epithelien hoch und blasig gequollen. Die fötalen Elemente kommen sehr nahe an die Membrana limitans heran (Taf. 49, Fig. 5), und hier tritt dann eine bei Hämatoxylin-Eosinfärbung blassrötlichh, zum Teil leuchtend dunkelrosa Tinktion des angrenzenden Gewebes ein. Dieser Streifen, in grosser Unregelmässigkeit, ist homogen oder birgt in sich kleine pyknotische Kerne (Taf. 49, Fig. 6). Ist diese Substanz oder sind fötale Elemente an die Membrana lımitans der Schleimhautfalten herangerückt, so kann man hier eine Los- stossung und Abschuppung der Schleimhautepithelien und Leukocyten in den abgegrenzten häumen deutlich sehen. Dringen nun die kindlichen Elemente noch weiter vor, So kann man an der Membran deutlich zunächst eine Anlagerung von fibrinähnlichem Gewebe mit roten Blutkörperchen beob- achten; ähnlich einem wandständigen Thrombus hat sich hier bei dem von innen nach aussen fortschreitenden Wachstum des Eies an der von Epithel entblössten Stelle ein Gerinnungs- produkt, wenn man so sagen darf, zum Teil mit frischen roten Blutkörperchen niedergeschlagen. Im weiteren Verlauf werden die Schleimhautfalten immer spärlicher, sie verschwinden in der Peripherie des Eies ganz. Man sieht mit deutlichen Epi- thelien ausgekleidete Spalträume überhaupt nicht mehr. Am längsten halten sich die Falten am antimesosalpingealen Pol auf, verschwinden aber mit dem Wachstum des Eies wohl ganz. Um den grössten Durchmesser des Eies herum liegen dann noch vereinzelte Räume, die von dünnen, bindegewebigen Leisten begrenzt, mit Blut oder mit Blutungen durchsetzter fibrinähnlicher Substanz gefüllt und wohl als blutgefüllte, ab- geschlossene und verklebte Falten anzusehen sind. Nach dem Ein junges menschliches Eileiterei. 435 Ei zu sind sie abgeschlossen durch eine Art Membran aus blassem Material, Ödem (eventuell Fibrin?) mit roten Blut- körperchen, vor allem aber mit reichlichen Leukocyten durch- setzt, die gleichsam einen Wall gegen das Ei bilden, and hier wohl infolge einer verlangsamten Blutzirkulation in grösserer Menge sich angesammelt haben. Ich habe oben erwähnt, dass in einzelnen Schleimhaut- falten ein pilzähnlicher Pfropf durch Näherkommen der kind- lichen Zellen an die Basis derselben und Störung des Epithel- zusammenhanges entsteht. Es scheint nicht, als ob das Blut in den Drüsen, oder präziser gesagt, im Tubenlumen zirkuliert hat. Sondern dieses Bild lässt die Vermutung rechtfertigen, dass hier vielleicht durch Diapedesis oder Rhexis aus kleinsten Lücker der benachbarten Gefässe Blut auf die Schleimhaut- obeıfläche gedrungen ist, das dann unter der Wirkung lötaler Elemente einerseits und der secernierenden Elemente anderer- seits der beginnenden Organisation anheimgefallen ist (Taf. 50, Fig. 10). Die Annahme, dass das Eı an der Stelle, wo wir das Blutcoagulum finden, sich angesiedelt hat, besteht nicht zu Recht. Die Entwickelung des Eies ist hier zu weit fortge- schritten und man muss wohl als sicher hinstellen, dass das Blut- und Fibrincoagulum nicht dem Petersschen Gewebs- pilz verglichen werden darf. Das Verschlusscoagulum ist, wenn es überhaupt als sicher vorhanden bei den frühesten Eistadien angenommen wird, wohl an der Stelle des grössten Durchmessers des Eies zu suchen und ist in meinem Falle, wo schon eine vollkommene Ausfüllung der Tube durch das Ei besteht, nicht mehr nach- zuweisen. Dass es einige Zeit vor dem jetzigen Entwickelungs- stadium bestanden haben kann, will ich zugeben. Es muss sich daher bei den hier beschriebenen Blutcoagulis auf der Höhe der Schleimhautfalten nach dem Tubenlumen zu um 436 M. PENKERT, andere Prozesse handeln. Ich habe diese da gefunden, wo die Eiperipherie, wo die äussersten Zottenausläufer und fraglos fötale Elemente bis dicht unter die Membrana limitans gelangt sind. Bei der weiteren Vergrösserung des Eies wäre die un- ausbleibliche Folge eine Dehiscenz an der bedrohten Stelle, das Ei würde mit seinen Elementen ins Tubenlumen hinein- ragen und dann wäre ein sogenannter innerer Kapselaufbruch unvermeidbar. Zur Verhütung desselben aber wird aus der Nachbarschaft, wie oben angenommen, vielleicht unter Wirkung fötaler Elemente einerseits und secernierender Schleimhaut- epithelien andererseits ein plastisches Material geschaffen, das die gefährdete Kapsel ersetzt, zusammenhält und die Eikammer vor dem Bersten bewahrt. Das Bindegewebe der Tubenschleimhaut. Im Uterus gibt das reichliche Bindegewebe des Endo- metriums den Ort für die Ansıedelung des Eies. Es wird zur Decidua und hier nistet sich das Ei ein. Auch in der Tube ist das Bindegewebe zur Aufnahme des Eies bestimmt; es ist aber nur in spärlicher Schicht unter dem Epithel vorhanden und macht ebenfalls weitgehende Veränderungen durch. Ich führte schon oben aus, dass an der Stelle der fälschlich an- genommenen Einsenkung des Eies in die Tubenschleimhaut die Zellen verändert sind, eine Vergrösserung, stärkere Durch- tränkung und Durchfeuchtung zeigen. Besonders nach der Mesosalpinx zu finden sich im Anfangsteil der Serie noch sehr reichlich die bindegewebigen Elemente, die einen gleichmässig ödematösen Eindruck machen (Taf. 49, Fig. 7). Bei genauerer Betrachtung sieht man hier in vereinzelten Zellen Kernteilungs- fieuren und zwar deutliche Monaster, es besteht also hier im Bindegewebe deutliche Zellvermehrung (Taf. 50, Fig. 11). Da- zwischen sind kleine Blutgefässe sichtbar. Mehr und mehr aber Ein junges menschliches Eileiterei. 437 verschwindet das Bindegewebe, die Öödematösen Zellhaufen werden seltener, deciduaähnliche Zellen treten ganz vereinzelt auf, wirkliche Deziduazellen aber fehlen überall. Die kontinuler- liche kompakte Schicht wie im Uterus ist nirgends anzutrelfen. Nach der Durchsicht der grossen Serie bin ich zu der Über- zeugung gekommen, dass eine zusammenhängende Deeidua, überhaupt irgend welche Andeutungen typischer Decidua in meiner Tubenschwangerschaft vollkommen fehlen. Die Schleim- haut — Epithel- und Bindegewebe — ist in der grössten Peri- pherie überhaupt nicht mehr zu entdecken. Die kindlichen Elemente sind meistens bis zur Muskulatur herangewachsen, nur an einzelnen Stellen wölben sich noch kleine Vorsprünge in die Eiperipherie herein, in denen man an kleinen Blut- gefässen diese Gewebsreste noch als mütterlich erkennen kann. Um die kleinen Gefässlumina herum sind die Zellen oft öde- matös, deciduaähnlich. Nicht nur dicht am, sondern auch weiter entfernt vom Ei ist gewöhnlich in dem Bindegewebe eine Durchtränkung eingetreten, durch die die Zellen infolge des vermehrten Saftstromes eine Quellung und bei Wahrung ihrer Form eine allmähliche Vergrösserung erfahren. Ihr Aussehen ist dabei zunächst ein anderes als das der fötalen. Kommen diese näher, dann ähneln sich die Zellen so sehr, dass es unmöglich scheint, eine scharfe Trennung zwischen Mutter und Kind vorzunehmen. Im mütterlichen Gewebe finden sich ferner ab und zu blasse Kerne oder anscheinend, aber nur sehr vereinzelt und verschwindend wenig Kerntrümmer, während das reichliche Ödem stellenweise verdichtet und streifig erscheint. Diese letzterwähnte Substanz ist mit Fibrin- färbungen nicht charakteristisch darzustellen. Es wird daraus ohne weiteres klar, dass es sich um reines Fibrin nicht handeln kann. Es muss demnach eine Substanz sein, die unter der Wirkung des Eies im mütterlichen Gewebe gebildet wird. Da wo kindliches Gewebe gegen das materne vordrängt, so vor 458 M. PENKERT, allem gegen das Bindegewebe, weniger gegen die Muskulatur, da tritt bis zu einem gewissen Grade die eigentümliche Färbung auf. Gewöhnlich schiebt sich zunächst Syneytium vor und fast überall, wo es mit maternem Gewebe zusammentrifft, scheidet sich diese homogene mit Eosin gleichmässig rosa ge- färbte Masse, die ich als Ödem auffasse, aus. Besonders deut- lich tritt diese Erscheinung zutage zum Beginn der Serie, wo vorerst nur einzelne Zotten zu finden sind, wo spärliche dürftige Ausläufer des Eies mit dem Mutterboden in Berührung kommen und noch relativ viel Schleimhautbindegewebe vorhanden ist. Ich muss darauf noch später ausführlicher zurückkommen. Damit bin ich schon in das Grenzgebiet zwischen Mutter und Kind gekommen, denn das Grenzgebiet liegt im Binde- gewebe. Da die Decidua, welche im Uterus das Ei und seine Hüllen umeibt, in der Tube in zusammenhängender Schicht vollkommen fehlt und sich die sog. Umlagerungszone sonst aus der umgewandelten Decidua bildet, so ist die Grenze in meinem Präparat ausserordentlich schwer bestimmbar. Sie ist sehr unregelmässig und macht in ihrer Deutung und Be- stimmung grosse Schwierigkeiten. Durch verschiedene postmortale Färbungen ist sie nicht absolut sicher festzulegen. Die fötalen Teile sind wohl teil- weise dunkler gefärbt, aber an den Grenzen sind die Über- eänge zwischen den verschiedenen Geweben so fliessende und so wenig verschieden, dass dadurch eine Unterscheidung unmöglich wird. Ich halte es deshalb für die weitere Klärung der Frage für richtiger und zweckdienlicher, zunächst einmal das Ei und seine Hüllen einer eingehenden Besprechung zu unterziehen und davon ausgehend sein Verhalten zur Umgebung und seinen Finfluss auf die mütterlichen Gewebe weiter zu studieren. Anatom. Hefte. I. Abt. 131. Heft (43. Bd., H. 3). Penkert, Tafel 44. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Tafel 45. 131. Heft (43. Bd., H. 3). I. Abt. Anatom, Hefte. Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Penkert, Ein junges menschliches Eileiterei. 439 Die Fruchtblase. Da noch immer ein wirres Durcheinander von Bezeich- nungen der einzelnen Bestandteile des Kies herrscht, so hat Strahl neuerdings eine Vereinfachung der Terminologie vor- geschlagen. ich möchte mich ihm darin vollkommen an- schliessen und als Fruchtblase alles das bezeichnen, was von sicher nachweisbaren fötalen Teilen gebildet wird. „Die Fruchtblase besteht somit aus a) Chorion mit Membrana chorii und Chorionzotten, b;j Amnion, c) Embryo, d) Nabelblase und umschliesst einen in vivo flüssigen, hier ein Grerinnsel mit Zellsträngen bildenden Inhalt, der im e) Exocölom liegt. Die Membrana chorıı und Zotten besitzen einen Grund- stock von fötalem (mesodermalem) Bindegewebe. Dieser ist überzogen von der (ectodermalen) Langhansschen Zell- schicht. Auf dieser liegt die Deckschicht (Bonnet) oder das Syneytium. Fruchtkammer ist der von Decidua basalis und Decidua capsularıs begrenzte Raum.“ Der Chorionsack als solcher ist in den einzelnen Ab- schnitten verschieden geformt. Im Centrum ist er völlig rund, ganz gleichmässig ausgedehnt, während er von da nach den beiden Polen zum Teil länglich-oval, mehr oblong, auch birnförmig und wurstförmig auf den Querschnitten ge- staltet ist. Es scheint, als ob er hier den Windungen der Tube sich angepasst hat oder vielmehr, als ob die Gestalt durch den mehr oder weniger stärker ausgebildeten Chorion- zottenmantel beeinflusst ist, der in den verschiedenen Ab- schnitten in Dicke und Breite sehr variiert. Die Membrana 440 M. PENKERT, chorii besteht aus zartem faserigen Gewebe, dessen Dicke sehr wechselt. Manchmal besteht sie aus einem dünnfaserigen Streifen, der sich eng an die äussere Umhüllung anlegt, zu- weilen aus mehreren Lagen, in die spärliche Zellen eingestreut sind. Die Kerne sind rund, oval, spindelig und sternförmig. Dieses zarte Bindegewebe birgt in seinen Maschen eine fein- körnig geronnene Masse. Nach dem Eiinnern zu findet sich eine geronnene streifig unregelmässige zarte Substanz, die wenigstens in den peripheren Schichten überall vorhanden ist. Das maschige Bindegewebe stülpt sich dann in der (Gegend der Fötalanlage zapfenartig nach dem Innern vor and zieht zur Embryonalanlage stielartig nach dem Amnion zu hinüber. In diesem Stiel und dem rings an die Peripherie anlagernden Bindegewebe lassen sich noch kleinste Gefässe nachweisen, die in verschiedenen Richtungen die Membrana chorii durch- queren und mit dem Mesoblast in die Chorionzotten hinein- ziehen. Im Mesoblastgewebe finden sich mitotische Kern- teilungen, meist Monaster und Diaster in nicht allzu reich- licher Anzahl. Das Chorionbindegewebe zieht in die Zotten- Bindegewebsbäume überall hinein und so finden wir hier ein Ei vor, das überall von deutlich ausgeprägten, mit Blutgefässen durchzogenen Zotten, wie wir sie auch in späteren Stadien kennen, umgeben ist. Der Zottenmantel ist nicht überall gleichmässig ausge- prägt. Im abdominalen und im centralen Teil sind die Zotten verhältnismässig zahlreich, sie umgeben in ziemlich gleich- mässiger Dicke und Anzahl den Chorionsack, dagegen sind in dem mehr uterinwärts gelegenen Teil, in dem sich die Em- bryonalanlage befindet, die Zotten weit spärlicher vertreten. Der breite Mantel, den man sonst in den übrigen Teilen sieht, ist auf einigen wenigen Stellen der Peripherie, besonders in dem abgerundeten Spindelpol nur in ganz schmaler, spärlicher Schicht vorhanden. Wodurch diese Unregelmässigkeiten be- Ein junges menschliches Eileiterei. 441 dingt sind, lässt sich nicht entscheiden. Besondere Schranken im Tubenlumen oder besondere Widerstände sind nicht da, ebensowenig verschiedene Ernährungsbedingungen in den ein- zelnen Abschnitten der Tube. Die Zotten sind ausserdem stark geschlängelt und gewunden, so dass dadurch die anscheinend frei im Blutraume schwimmenden Zotten als in verschiedenen Ebenen getroffen erklärt werden können. Die Mesoblastschicht des Chorionsacks ist überall durch eine deutliche Membrana limitans von ihrer weiteren Be- deckung getrennt. Letztere besteht aus zwei Zellschichten der Langhansschen oder Grundschicht und dem Syneytium oder Deckschicht. Die Langhanssche Schicht ist aus einer Zellreihe zu- sammengesetzt, deren Zellen sich deutlich voneinander ab- heben; die Kerne, von einem blassen Hof umgeben, sind rund, länglich oder oval und mehr oder weniger intensiv gefärbt. Vereinzelt treten hier Kernteilungsfiguren auf, die mit ihrer Teilungsfläche in der Mehrzahl senkrecht der Oberfläche der Zotten gestellt sind, doch gibt es anderenorts auch Teilungs- figuren, die mit ihrer Teilungsebene parallel zur Zottenober- fläche gehen. Die einzellige Grundschicht wird von einer bandartigen, durchweg dunkler tingierten Masse überzogen, in der reich- lich ovale und runde Kerne ohne Zellgrenzen nebeneinander gelagert sind und oft ineinander überzugehen scheinen. In dem zottenfreien Ectoderm-Überzug des Chorionsacks findet sich Grund- und Deckschicht nur in einfacher Lage. Anders werden die Veıhältnisse an den peripheren Polen einzeiner Zotten. Während ein grosser Teil der Zotten die einfachen Verhält- nisse wie die Chorioneetodermschicht des glatten Sackes bietet, reihen sich an die peripheren Pole massenhafte Zellschwärme an, die dem Bilde der Haftzotten entsprechen. Massenhafte Zellen schliessen sich hier ohne die bandartige Zwischenschicht, 442 M. PENKERT, das Syneytium, an die Grundschicht an. Die Zellen haben deut- liche Grenzen, das Protoplasma ist in den basalen Teilen spär- lich, die Kerne rund, oval, vielfach rhombisch und rhomboid. In dieser Zone finden sich reichliche Kernteilungsfiguren, mehr peripherwärts werden dann die Langhanszellen heller, die Kerne werden grösser und der Protoplasmaleib wird blasig, hell und massiger. Langhanszellmassen scheinen oft vollkommen frei im intervillösen Raum zu schwimmen; bei weiterem Verfolgen der Serie ergibt sich aber meist ein Zusammenhang mit Zotten. Viele Zellhaufen sind nur von Blut umspült, andere dagegen haben aussen noch eine Bedachung von Syneytium. Das ganze Ei ist peripher von der Langhanszellschale umgeben, doch ist diese in verschiedener Stärke entwickelt. So gibt es viele Stellen, wo die Muskulatur der Tube nur durch wenige Zellagen, die das Aussehen von Grundschichtselementen haben, von dem intervillösen Raum getrennt sind, andere, wo eine breitere, massige Schicht zwischen Zotten und Tuben- wand tritt. Auffallend ist, dass mit der grösseren Entfernung vom Grundstock der Zotte bei der gewöhnlichen Färbung mit Hämatoxylin die Zellen grösser, durchsichtiger und so etwas blasser werden. Sie ähneln oft Bienenwaben. Das mag daran liegen, dass bei ihrem freien Wachstum eine starke Durch- feuchtung und Nahrungsaufnahme vom Blutraum aus eintritt, die einen grösseren Saftreichtum, eine stärkere Anschwellung, einen grösseren Kern und grösseren Protoplasmahof schaffen. Davon später. Ein direkter Kernzerfall der fötalen Elemente, vor allem peripher, ist nirgends zu sehen. Kerntrümmer, pyknotische Kerne, Verklumpungen oder amorphe Symplasmamassen habe ich nicht finden können. Ich habe nicht den Eindruck ge- wonnen. als ob gerade an den peripheren Protoplasmazellen Ein junges menschliches Eileiterei. 445 ein Untergang stattfindet, eine Zerstörung und ein Absterben im Kampf mit den mütterlichen Geweben. Ich habe aber anderer- seits auch nicht den Eindruck gewonnen, als ob an der Peri- pherie noch eine besonders starke Neubildung von Proto- plasmaelementen stattfand, die sich in erster Linie in einer vermehrten Proliferationsfähigkeit, in zahlreichen Mitosen und Kernvermehrungen äusserte. Dagegen ist ein Vordringen der fraglichen Gebilde bis zur Muscularis nicht von der Hand zu weisen. Die Zellen, die der Muscularis direkt anliegen, sind im Verhältnis zu den anderen fötalen Zellen stellenweise kleiner. Vielfach ähneln sie aber ganz diesen anderen Elementen, so dass ein Unterschied bei ehrlicher Betrachtung nicht zu machen ist. Eins ist noch zu erwähnen, das sind homogen gefärbte Massen zwischen den Langhanszellen, und zwar denen, die mehr den im intervillösen Raum frei flottierenden Zotten angehören. Mitten zwischen vollkommen intakt aussehenden Langhanszellen finden sich mit Eosin stark rosa gelärbte fibrinoide Klümpchen mit abgeblassten verklumpten Kernen. Auch dicht an der Grundschicht, ohne dass man hier eine Schicht dazwischen findet, spielen sich diese Vorgänge ab. Es scheint mir, als ob hier vielleicht einzelne Elemente der Langhansschale allmählich zugrunde gehen, als ob hier eine Rarefizierung eintritt, die allmählich in den späteren Stadien weitere Fortschritte macht und schliesslich die an- fänglich von grösseren Langhanszellenschwärmen umgebenden Zotten feiner herausmodelliert. Andererseits wäre es mög- lich, dass hier sich Teile ödematös-fibrinoid umgewandelten maternen Gewebes angeheftet finden. Diese homogen ge- färbten, bei den gewöhnlichen Hämatoxylın - Eosinfärbangen blassrosa gefärbten Massen finden sich nun auch noch be- sonders um ganz vereinzelte Zotten herum, die im Aussehen Blasenmolenzotten etwas ähneln und eine mehr diffuse bläu- 444 M. PENKERT, liche Färbung zeigen. Hier wäre es auch noch möglich an- zunehmen, dass sich um weniger lebensfähiges oder unter anderen Wachstumsbedingungen lebendes Gewebe aus dem Blutstrom fibrinähnliche Substanz ausgeschieden hat. Bevor ich aber auf das weitere Verhalten des Tropho- blastes, i. e. S. die Langhanszellschichten eingehe, möchte ich noch auf die Deckschicht oder das Synceytium zurück- kommen. Es spielt bei den Frühstadien der Schwangerschaft eine bedeutende Rolle Über seine Herkunft haben die klärenden Untersuchungen des letzten Jahrzehnts manchen Zweifel be- hoben, aber eine Einigung der Ansichten ist noch nicht er- zielt. Der Hauptverfechter der Herkunft des Syncytiums aus mütterlichem Gewebe und zwar aus den Endothelien der Ge- fässe, Pfannenstiel, hat wohl in letzter Zeit — leider besitzen wir darüber keine Abhandlung mehr aus seiner Feder — sich auch der jetzt allgemein gültigen Anschauung angeschlossen, und die überzeugende Darstellung von Peters hatte wohl kaum noch Gegner aufzuweisen. Neuerdings ist aber unser bester Kenner der Placentationsvorgänge, Strahl, nicht absolut überzeugt von der Herkunft des Syncytium aus fötalen Zellen. Er schreibt, wir möchten nicht verfehlen, her- vorzuheben, dass wir für sicher-fötal nur die Zellen der Langhansschen Schicht halten, die syncytiale Deckschicht dagegen in ihrer Genese noch für zweifelhaft. Ich hielt früher in Übereinstimmung mit allen neueren Untersuchern das Syn- eytium für fötales Gewebe, muss jedoch jetzt nach langem Studium meines Präparates gestehen, dass mir die sichere Entscheidung unmöglich ist, jedoch mehr Neigung besteht, mich für die Herkunft vom Fötus zu bekennen. Die schmalen Bänder, mit denen es die Grundschicht über- zieht, wachsen hier und da in kolbige Verdickungen aus. Eine homogene, etwas dunkler als die allgemeine Umgebung ge- Ein junges menschliches Eileiterei. 445 färbte Grundsubstanz, das Protoplasma, birgt in sich eine Menge rundlicher, dick gefärbter Kerne, zwischen denen nirgends Grenzen zu unterscheiden sind. Die Protoplasma- klumpen variieren in ihrer Grösse sehr. Von kleinen mit nur 2-3 Kernen wachsen sie an zu grossen Massen, die in ihrem Innern Haufen von Kernen bergen. In der Nähe des gleich- mässigen bandartigen Überzugs der Decke der Eiblase findet sich sehr wenig klumpiges Syneytium. Im intervillösen Raum flottieren grössere und kleinere Massen frei herum. Sie be- decken auch die Langhanszellhaufen und umkleiden sie an manchen Orten ganz, um dann von ihnen aus sich wieder wurstförmig und kolbig weiter zu schlängeln. In der weiteren Umgebung des Eies liegen sie oft in wirrem Durcheinander mit den Langhans- oder mit den mütterlichen Zellen. Dass sie von der Deckschicht der Zotten ausgehen, kann man überall da beobachten, wo das Protoplasma derselben direkt ohne Grenze in die Syncytiumknospen und -knollen überfliesst. Die Syneytiummassen sind gewöhnlich mit einem Bürstenbesatz bekleidet. Die Struktur bleibt sich nicht immer gleich. Ähnlich den Protoplasmafortsätzen bei den Plasmodien streckt das Syn- cytium seine Fühler oft fingerförmig nach allen Seiten nach einem Halt, einer Haftfläche aus. Die Kerne stehen dabei einmal mehr in der Mitte des Protoplasmaklumpens, ein ander- mal mehr peripher, so dass die ganzen Massen Ähnlichkeit mit Riesenzellen haben. Zu der Annahme der sog. Decidua- frakten habe ich wenig Neigung, denn eine Zerstörung, ein „Fressen“ ist, abgesehen von der ödematösen Umwandlung in ihrer Nähe nicht vorhanden. Besonders in den (Gebieten, wo die Eiblase noch nicht getroffen, wo ein wirres Durch- einander von mehr oder weniger geblähten und weniger weit- maschigen Zotten herrscht, ist eine starke Vielgestaltigkeit der Deckschicht zu finden. Von mehreren Autoren ist diese Art 446 M. PENKERT, als Schaumstruktur bezeichnet worden. Zwischen bandartigen und in ihrer Dicke sehr wechselnden Streifen mit wechselndem Kernreichtum und Kernformen finden sich grössere und kleinere, Schaumblasen ähnliche Hohlräume, die man viel- fach auch Siegelringen vergleichen kann. Diese Form des Syncytium zeigt zum Teil auch eine andere Färbung wie die gewöhnlichen Syncyliummassen auf den Zotten und erinnert stark an die, oder ich möchte sagen, gleicht den syneytialen Elementen der Strahlschen Zwischenzone. In der allgemeinen Beschaffenheit der Langhanszellschicht und des Syneytium bietet sich sonst nichts wesentlich Be- merkenswertes. Wichtig und schwierig zu deuten ist aber nun das weitere Verhalten der Grund- und Deckschicht zur Tube. Schon oben habe ich erwähnt, dass in der Tube eine Decidua vollkommen fehlt. Ob sie in späteren Schwanger- schaftsstadien gebildet wird, darüber zu entscheiden, gehört nicht hierher. Jedoch darf ich vermutungsweise die Be- hauptung wagen, dass die Decidua, wenn sie nicht in meinem, doch schon etwas späteren Stadium zu finden ist, auch später nicht erwartet werden darf. Das Bindegewebe der Schleim- haut, welches, ähnlich wie im Uterus, zur Decidua werden sollte, ist so spärlich vorhanden, dass es die Rolle der Decidua, des weichen Bettes, zu übernehmen nicht imstande ist. (Gelegentlich der Schilderung des Verhaltens des Schleim- hautepithels habe ich mich schon über den Verbleib der Schleimhautfalten geäussert. Es sind in diesem Nidations- stadium nur noch vereinzelte in der Umgebung zu finden, die oberhalb der Capsularıs mit langen ausgezogenen Stützpfeilern, mehr oder weniger hohem Epithel erst bei langer genauer Betrachtung als solche zu differenzieren sind. Über den Verbleib des übrigen Teiles der epithelbedeckten Schleimhaut will ich mich hier nicht äussern, nur soviel soll Ein junges menschliches Eileiterei. 447 gesagt sein, dass es mir nicht möglich gewesen ist, in den centraleren Eipartien noch drüsenähnliche Elemente nach- zuweisen. — Die Langhanszelle und gewöhnlich über ihr als Vorläufer das Syneytium dringen fraglos gegen diese (ie- websbestandteile vor. Unter diesem Einfluss entstehen, wie oben erwähnt, Epithelabschuppungen, Abhebungen und nach Auflockerung des umgebenden dünnen Bindegewebes würde dann nach Schwund der Membrana limitans das Ei in den drüsenähnlichen Schleimhautfaltenraum einbrechen, wenn nicht auf die oben- von mir angenommene Art und Weise durch Blutcoagula der Auf- und Durchbruch verhindert würde. Wo- durch die Anfüllung der abgeschlossenen Schleimhautfalten mil Blut zustande kommt, kann ich nicht sagen, vielleicht durch Platzen kleinster Gefässchen oder durch Diapedese in der Peri- pherie unter den abgestossenen Epithelien. Jedenfalls glaube ich nicht aus den Bildern herauslesen zu können, dass eine freie Cireulation zwischen Schleimhautrecessus und intervillösem Raum stattfindet. Auch gegen die mütterlichen Gefässe wuchern die fötalen Elemente vor. Eine Durchfeuchtung der um- gebenden mütterlichen Gewebe, eine Auflockerung der Zellen tritt ein und schliesslich, nachdem die fötalen Elemente bis zur Wand der dünnen Gefässchen vorgedrungen, finden wir plötzlich die syneytialen Zellen am Gefässlumen, das nun zum Teil von diesen Zellen, zum grössten Teil aber noch vom Endothel begrenzt wird. Das Syneytium ist hier mit seinen intensiv gefärbten Kernen zusammengepfercht und wird im weiteren Verlauf der Serie distal vom Gefäss protoplasma- reicher. Unvermittelt sieht man in wahrscheinlich maternem Gewebe plötzlich Haufen von Zellkernen, die keine Protoplasma- begrenzung haben, aufschiessen (Taf. 49, Fig. 9) und allmählich an Grösse zunehmen, zwischen ihnen vielfach frische rote Blutkörperchen, daneben aber auch Zotten den mütterlichen Schichten direkt angelagert. Überall in ihrer unmittelbaren Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3.) 30 448 M. PENKERT, Nachbarschaft wird hier in letzterem eine bei Eosinfärbung rosa leuchtende homogene Substanz sichtbar, die sich auch um die Gewebsspalten ausserhalb des Endothels nach der Tiefe zu fortsetzt. Es finden sich ferner den Saftspalten ent- lang ziehende Syneytiumelemente (Fig. 11), die zunächst oft den Anschein erwecken, als ob sie vom Endothel abstammen. Das Endothel ist nämlich auch vergrössert und stärker tingiert, aber trotzdem sind die syncytialen Elemente unmöglich als gewucherte Endothelien anzusprechen, da noch im gleichen Lymphgefäss deutlich Endothelien in typischer Form liegen. Auch in ihrer Nähe wird diese homogene Veränderung her- vorgerufen. Im Gebiete der Zotten liegen ferner vereinzelte grössere Gewebsstücke mit fast totaler ödematöser Homogeni- sierung, in denen die Zellkerne vollkommen matt, verwaschen sind. Manchmal hat man den Eindruck, als ob hier ein Kern- zerfalı bestände und grössere Flächen der Schleimhaut fibrinoid umgewandelt dem Untergange anheimfielen. Man kann «dann die kleinen pyknotischen Kerne als Kerntrümmer zunächst an- sehen, um dann aber doch zu der Überzeugung zu kommen, dass vielleicht nur ein geringer Teil maternen Gewebes zu- srunde geht, dass die Kerne in der Hauptsache aber Leukocyten angehören. Wenn hier zuweilen grössere Flächen ödematösen (Gewebes liegen, so handelt es sich bei der Verfolgung der Serie um Flach-Tangentialschnitte durch mütterliches Gewebe im Gebiete deutlichen Schleimhautbindegewebes. Die ödematös- fibrinoide Aufquellung spielt sich hauptsächlich hier ab. Wenn nun dieses nicht mehr vorhanden, wenigstens nicht mehr mikroskopisch sichtbar ist und die fötalen Elemente an die Muskulatur herangewachsen sind, wird auch diese in den Prozess hineingezogen, aber nur insoweit, als ein ganz schmaler, oft verschwindend geringer homogener Streifen zwischen ihr und dem kindlichen Mantel erscheint. Die Öödematöse und fibrinoide Umwandlung spielt sich Ein junges menschliches Eileiterei. 449 hier auch an den Gefässen ab an Stellen, wo noch Reste der Schleimhaut stehen geblieben sind. An ihnen werden dann die adventitiellen Zellen infolge seröser Durchtränkung deciduaähnlich (keine deciduale Reaktion der Gefässe), die Zellkerne blassen ab, gehen vielleicht in der homogenen Masse auf und schliesslich erscheinen in den Gefässen syncytiale Elemente. An der Grenzzone gehen die Langhanszellen in ge- waltigen Schwärmen eine innige Verbindung mit ihrer Um- gebung ein. Sie haften breit an der Circumferenz der Tube. Die Trophoblastzellen gehen unmerklich in die Submucosa | über, ja ich möchte annehmen, dass nach Verdrängung ler maternen, labilen Elemente die Langhanszellen erst an der Muscularis halt machen. Es kann aber auch sein, dass die weit ausgestreuten Vorposten gequollene, sehr saftreiche mit blasigem Protoplasma umgebene materne intermuskuläre Bindegewebszellen sind. Das ist meines Erachtens der schwie- rigste Punkt in der ganzen Frage, der eine absolut unumstöss- liche Deutung nicht zulässt. Wo in der Nähe keine wirklich maternen Zellvergleichsobjekte dem Auge sich bieten, ist eine sichere Äusserung unmöglich. Ich möchte annehmen, dass bei weitem der grösste Teil, wenn nicht alle diese Zellen fötaler Herkunft sind. Sie hören nach der circulären Muscularis zu allmählich auf und hier sind dann hin und wieder noch ein- zelne Kerne sichtbar, die sich durch ihre relative Kleinheit von den anderen Zellen abheben. Der homogene Streifen ist hier wenig oder fast gar nicht ausgeprägt. Das ist erklärlich dadurch, dass hier das leicht quellende ödematöse mütterliche Gewebe nicht mehr da ist. Die Muskelwülste, die zuweilen ins Lumen der Tube hineinragen, zeigen zwischen ihren Bündeln ebenfalls die blasigen Zellen, die man mit Sicher- heit nicht klassifizieren kann. Als Bindegewebszellen haben sie eben eine bedeutendere Quellung erfahren, als Langhans- 30* 450 M. PENKERT, Zellen können sie aber in gleicher Weise wie sonst zwischen die Muskulatur eingedrungen sein. Auffallend sind weitere Bilder in einem Teil der Tube, wo gegen die Mitte der Tube ein muskulärer Zapfen zieht und gegen ihn von allen Seiten Zellen vordringen, wo von der anderen Seite noch etwas Schleimhautbindegewebe sich dagegen vorwölbt. Die Ver- bindung zwischen beiden wird im Schnitt hergestellt durch Langhanselemente. Es ist hier noch eine Unterscheidung der Langhanszellen gegen die der Schleimhaut möglich. Letztere sind klein mit dreieckigen, spindeligen, ovalen Kernen, un- vefähr halb so gross wie diese Langhanszellen, an anderen Stellen aber ist kein Unterschied mehr zu machen, da ähneln beide Zellarten einander vollkommen (Taf. 45, Fig.2). Ein tolles Durcheinander von Grund- und Deckschicht, von mütterlichem Gewebe finden sich hier, Langhansschwärme mit grotesken Syn- cytiumformen mehr nach der Peripherie, alles drängt durch- einander und sucht sich den Weg vorbei an den mannigfach gebuchteten Muskelzapfen, in dem noch verschwommen ein- zelne drüsige Elemente zu erkennen sind. Zwischen diesen Wirrwarr windet sich oft ein Stück der homogenen fibrinoiden Substanz hindurch, dazwischen liegen fast nur in der Musku- latur Leucocyten. Das weniger widerstandsfähige Schleimhaut- bindegewebe zeigt gröbere Veränderungen. Das Syncytium schiebt sich überall im Verein mit den Langhanszellen hin- ein, das zwischen den Zellenelementen liegende Gewebe wird homogen, blass rosa leuchtend (Taf. 49, Fig. 8). Die hier liegenden Bindegewebszellen werden zunächst grösser, saftreicher, ähneln den Deciduazellen. Das Ei respektiert aber die umgebende Muskulatur, die sich anscheinend mit einer reichlichen Leuco- cytenmasse wehrt. Es lässt sich andererseits aber nicht ver- kennen, dass Langhanszellen, mächtig aufgequöllen, beginnen, hier und da auch zwischen die Muskelfasern der Tube eın- zudringen und diese auseinander zu zwängen. Ein junges menschliches Eileiterei. Jung 451 Neben den Langhanszellen entfaltet das Syncytium eine grosse Tätigkeit. Es schwärmt überall gegen das mütterliche Gewebe vor, bevorzugt besonders feine Saftspalten und nach Eröffnung zarter Bluträume gewöhnlich wohl die Venen, die es durch ihre abführende Kraft in ihr Inneres hineinziehen. Es lagert sich dann mit Vorliebe an das Endothel an, das häufig durch Synceytium substituiert erscheint. Oft hat man den Eindruck der chorialen Invasion ins maschige Binde- gewebe. Bei Verfolgung der Serie kann man aber meist den Zusammenhang mit dem in Lymphspalten und Bluträume ver- schleppten Syneytium herausbekommen. Die Synceytiummassen umklammern vielfach das zwischen ihnen liegende materne Gewebe. Es tritt dann in diesem Ödem eine Homogenisierung auf, in der die Zellen schliesslich vielleicht (!?) zum Teil verschwinden. Dass sich die Kerne hier anders verhalten als in normaler Schleimhaut, dass sie keine gute Färbbarkeit auf- weisen, dass sie an diesen Stellen direkt abblassen and un- scheinbar werden, ist nur zu natürlich, da ja durch die ödematöse Durchtränkung das ganze Chromatingerüst weit maschiger wird und die Kerne grösser, dabei auch heller und blasser aussehen. Man kann unmöglich aus diesem Verhalten der Kerne auf einen Zelluntergang schliessen. Grund- und Deckschicht zusammen also wuchern bis zur Muscularis unter Verdrängung der submucösen Elemente, eine deutliche Abgrenzung gegen die mütterlichen Elemente ist nicht möglich, da ein allmählicher Übergang zwischen Langhans- zellsäulen und mütterlichen Bindegewebszellen vorhanden ist, auch andererseits die Syneytiumklumpen bis auf direkte An- lagerung an das materne Gewebe regelmässig in wirrem Durch- einander mit den wirklichen und vermeintlichen Langhans- zellen liegen. Das von manchen Autoren erwähnte Syneytium maternum oder Symplasma kann ich als besonderes Syncytium in meinen 452 M. PENKERT, Präparaten nicht finden. Formlose Massen sind mir nicht auf- gefallen Es ist erstaunlich, wie oft zwischen dem miütter- lichen Gewebe unvermittelt Zellkomplexe auftreten, wie plötz- lich ein Konglomerat von Kernen in einer mehr dunkel ge- färbten Protoplasmamasse sich entpuppt. Es scheint, als ob von einfachen Syncytiummassen, von einer invadierten Chorion- ectodermzelle, ähnlich bei der chorialen Invasion durch direkte Zellkernteilungen (?) ein Büschel Kerne im Innern aufschliesst und dann weiter wuchert. Es sind das hauptsächlich auch syncytiale Massen, wie sie Strahl-Beneke in der Zwischen- zone in ihren jüngsten Publikationen abbilden. Mitotische Kernteilungsfiguren habe ich in der Deckschicht nicht nach- weisen können, wohl aber glaube ich, direkte Kernteilungen in den Zellen aufgefunden zu haben. — In diesen frühen Placentarstadien in der Tube halten sich übrigens die fötalen Chorionepithelien schon nicht mehr an den intervillösen Raum, auch nicht mehr an die diesem zunächst liegenden Venen, sondern auch hier tritt schon die Verschleppung in weiter entfernt liegende Gefässe ein. So konnte ich in mehreren Schnitten synceytiale Elemente, dickgefärbtes Deckschichtproto- plasma mit ein paar Zellkernen finden, die dicht unter dem peritonealen Überzug der Tube in einer kleinen Vene lagen. Grenzbestimmung zwischen Mutter und Kind. Weder durch besondere Färbemethoden, noch durch Diffe- renzierung der einzelnen Zellen ist es mir bisher möglich ge- wesen, eine Grenze zwischen maternem und fötalem Gewebe festzustellen. Es hat ja manchmal den Anschein, als ob das fötale Syneytium band- und streifenartig die Eihüllen vom Ge- webe der Mutter scheidet, als ob ähnlich einer Kapsel die Begrenzung circulär an der Muscularis herumliefe. Aber doch treten bei genauerer Betrachtung so viel Zweifel dagegen auf, Ein junges menschliches Eileiterei. 453 dass diese natürliche Grenze aufgegeben werden muss, vor allem weil Langhanszellen in der Hauptsache unvermittelt in das mütterliche Gewebe übergehen und fast überall die Ver- bindung des Fötus mit der Mutter herstellen. In dem rötlichen homogenen Ödem, das zum Teil als fibrinoider Streifen imponiert, ist dagegen mangels anderer Unterscheidungsmerkmale ein Anhaltspunkt zu suchen. Am deutlichsten ist es ja in den peripheren Serien dort, wo die äusseren Ausläufer des Eies nach dem abdominalen oder uterinen Ende sich finden. Hier ist es fast kontinuierlich, geht aber diffus ins umgebende Gewebe über, während es nach der Mitte zu verschwindet und nicht mehr als zusammen- hängender Streifen gefunden werden kann. Auch an den Stellen, wo auf dem ins Lumen der Tube sich vorbuchtenden Muskel- zapfen noch Schleimhautgewebe lagert, breitet es sich in un- regelmässiger Form aus, selbst da, wo fötale Elemente, Zotten direkt ohne Vermittlung von Syneytium und Langhanszellen der Muskulatur anliegen, findet sich der Streifen angedeutet. Auf sein tinktorielles Verhalten habe ich schon oben hinge- wiesen. Es handelt sich um das nach Veit für die erste Ernährung des Eies auf dessen Reiz von der Mutter gelieferte Ödem. Einen wirklichen kontinuierlichen Fibrinstreifen oder die ersten Andeutungen des Nitabuch habe ich nicht gefunden. Ein Wachstum der fötalen Elemente auf der einen Seite ist deutlich, ein sicherer Untergang dagegen nicht. Die gross- blasigen Langhanszellen zeigen in der Peripherie keine zahl- reichen Mitosen, aber auch keine Degenerationserscheinungen, also keinen Untergang. — Die maternen Elemente dagegen sind spärlicher, nicht besonders entwickelt, aber, wie aus den ver- einzelten Mitosen an wenigen Stellen hervorgeht, wenn auch in bedeutend geringerem Masse wie die fötalen, im Wachs- tum und im Zunehmen begriffen. Dass grössere Massen mütterlichen Gewebes zugrunde 454 M. PENKERT, gehen, habe ich bei den gewöhnlichen Färbungen nicht finden können, wohl aber sind in Präparaten, die in Flemming- schen Osmiumsäuregemisch fixiert sind, kleinste Fetttröpfchen innerhalb der maternen Zellen, also kleinste Zelltrümmer, in der Gegend des ödematös-fibrinoiden Streifens zu sehen. Das sind meines Erachtens Veränderungen, die nicht in Wachs- tumssteigerungen ihren Grund haben, sondern Veränderungen degenerativer Art. Hier gehen materne Zellen zugrunde, hier finden sich Abbauprodukte, die vielleicht für den Fötus Be- deutung haben. Physiologische Befunde. Untersuchungen über den Stoffwechsel der Mutter und des Fötus an ganz jungen guterhaltenen Eiern sind bisher überhaupt noch nicht veröffentlicht. Ich versuchte daher mir über diese so wichtigen Fragen, soweit angängig, an meinen Präparaten Aufklärung zu verschaffen. Zunächst gelang es .mir, durch die Methode von Best in meinen Präparaten Glykogen nachzuweisen und zwar in den Celloidin-Präparaten. Leider war es nicht möglich, in den centralen Teilen der Fruchtblase diese Reaktion vorzunehmen, da diese Teile durch ihre Einbettung in Paraffın dem Ver- fahren nicht zugänglich waren. Es fand sich nun intracellulär Glykogen reichlich in den zarten Septen, die von den Schleim- hautfalten der Tube noch vorhanden waren, und zwar hier mehr weniger zerstreut, manchmal in reihenweiser Anordnung in kleinen und grösseren Tropfen. Das Glykogen trat hier sehr deutlich leuchtend rot und sehr reichlich auf. Auch das Epithel der Schleimhaut, das flachkugelig oder ganz abgeflacht noch den Lamellen aufsass, barg in sich kleinste Glykogen-Kugeln. Frei im Blut konnte ich nichts nachweisen. Das Glykogen fand sich nur in dem zur Schleimhaut gehörigen Gewebe, Tafel 46. 131. Heft (43. Bd,, H. 3). I. Abt. Anatom. Hefte, | | ! | | ONEZD Yes GR, iin Bi r. ae — Z a Hohe Verlag von J. F, Bergmann in Wiesbaden. Penkert. Fr En ! -.- _Anatom. Hefte IAbteitung 131.Heti (42 Bd.H.3) Tatel 47 A u an de ut 2 1 ae « Känigl. Universitätsdruckerei H, Stürtz A.G. Würzburg. Verlag von J.F. Bergmann, Wiesbaden. Ein junges menschliches Eileiterei. 455 also im Epithel und im Bindegewebe. Die sonstige Tuben- wand enthielt in ihrer Muskulatur und in ihrem Zwischen- gewebe nirgends Glykogen. Je näher dem Ei, desto stärker wurde der Reichtum an dieser Substanz. An den Stellen, wo auch die fibrinoide Umwandlung angedeutet, da scheint eine Glykogenanhäufung nicht vorzuliegen, sondern man sieht hier kleinzellige Infiltration und diesseits und jenseits davon mehr oder weniger reichlich Glykogentropfen. Die Grösse der ein- zelnen Bindegewebslamellen ist nicht wesentlich verändert. Die Zelle ist wohl etwas voluminöser und man findet um den Kern herum kleine Glykogentropfen, vielfach polständig, ähnlich dem braunen Pigment bei der braunen Atrophie im Herzmuskel. Ich habe schon oben des öfteren erwähnt, dass sich zwischen fötalem und maternem Gewebe vielfach keine deut- lichen Grenzen ziehen lassen. Ich hatte ferner angedeutet, dass ich die von den Zotten nach dem maternen Gewebe vordringenden blasigen Zellen als fötale Elemente ansehen möchte. Gerade diese Zellen bieten beim Glykogennachweis wichtige Befunde. Je näher nämlich diese Elemente dem maternen Boden, desto blasiger, desto glykogenhaltiger sind sie. Der relativ grosse Kern liegt central oder peripher ziem- lich inkonstant und um ihn herum lagern sich kleinere oder grössere Glykogentropfen, die den Kern oft an Grösse erheblich überragen und durch verschiedenen Umfang wechselnde Grösse der Zelle bedingen. Das Bild ist sehr variabel. Die Langhans- inseln haben ebenfalls einen wechselnden, aber immerhin grossen Reichtum an diesem Stoff aufzuweisen. Hier sind die Zellen jedoch nicht so gebläht und blasig als im Grenzgebiet. Die auffallende Durchsichtigkeit und der anscheinend fehlende Protoplasmagehalt in den mit Hämatoxylin gefärbten gewöhn- lichen Paraffinpräparaten ist sicher durch die Extraktion des Glykogen und fehlende Tinktion bedingt. Das ist deutlich zu 456 M. PENKERT, sehen, wenn man einen Schnitt der Celloidinserie auf Glykogen färbt und den folgenden einfach mit Hämatoxylin, man findet dann im letzteren rosig geblähte Zellen, die mitten im maternen Gewebe liegen und hier wohl die Langhanszellen einer Haft- zotte darstellen, daneben dichtgefärbtes Syneytium; diese ge- blähten Zellen sind dann nach der Methode Best gefärbt, vollgepfropft von Glykogen, das bei der anderen Färbung die anscheinend leeren Räume dicht ausfüllt (Taf. 50, Fig. 12). Die Syneytiummassen verhalten sich wesentlich anders. Sie zeigen eine homogene gleichmässige Färbung mit Häma- toxylin, intensiv blaue Kerne und blassbläuliches Protoplasma, aber nirgends auch nur ein Tröpfehen Glykogen. Weder die frei im intervillösen Raum schwimmenden, noch die auf dem Blutwege verschleppten riesenzellenähnlichen Massen sind glykogenhaltig, Auch das Syncytium, das als Deckschicht den Langhanszellen der Zotten auflagert, bleibt frei von roten Tröpfchen. Die Langhanszellen der Grundschicht bieten wieder ein anderes Bild. Man glaubt zuerst, dass die Glykogentropfen zwischen den einzelnen Zellen liegen, die Zellkerne wechseln mit einem meist länglichrunden Tropfen ab. Bei genauer Be- trachtung kommt man aber zu der sicheren Überzeugung, dass das Glykogen intracellulär liegt und intracellulär aufgespeichert ist. Unterhalb der Langhansschicht findet sich nun meist in feineren Tröpfchen ziemlich reichlich das Glykogen und weiter- hin zerstreut im Chorionbindegewebe. Hier ist es teilweise ebenfalls an die Kerne der spindeligen Zellen angegliedert oder liegt im Verlauf der zarten Ausläufer der Zellen oder frei in der homogenen Zwischensubstanz des Mesoblastgewebes. Über den Glykogengehalt der Fötalanlage stehen mir keine Beobachtungen zur Verfügung; auch im Blut habe ich kein freies Glykogen nachweisen können. Vergleichsweise habe ich dann noch zwei geplatzte Tubar- Ein junges menschliches Eileiterei. 457 graviditäten aus der 4. und 8. bis 9. Woche untersucht. Auch in diesen Präparaten fand ich in den oben beschriebenen Schichten, besonders in den Langhansinseln Glykogen. Im Gegensatz zu der jüngsten Tubenschwangerschaft war aber der Glykogengehalt wesentlich geringer und trat nıcht in so massen- hafter Anhäufung auf. Es ist mir ferner gelungen, in den Chorionzotten Fett nachzuweisen. Die in Flemmingschem Säure- gemisch nach Vorhärtung in Formalin behandelten Schnitte zeigten in verschieden reichem Masse schwarze Fettkörnchen. Während das Glykogen fast ausschliesslich in den Langhans- elementen abgelagert war, fand sich das Fett in den syncytialen oder Deckschichtelementen, besonders reichlich in freien ver- einzelten syncytialen Massen in den riesenzellenähnlichen Ge- bilden. Sie kann man schon bei schwächerer Vergrösserung als runde schwärzliche Massen sehen, bei stärkerer Vergrösse- rung kann man zunächst oft die Kerne kaum aufdecken, die ganze Masse ist mit feinsten schwarzen Fetttröpfchen übersät und hier und da nur erkennt man mit Mühe einen rotgefärbten Kern. Derartige syneytiale Haufen bestehen aus einer äusseren gelblichrötlichen, wahrscheinlich der Flimmerhaarzone, einem mittleren schwarzen Kranze und einer rötlichen Kernschicht. Die Fettschwärzung findet sich weiter in den Deckschicht- bändern, die der Grundschicht aufliegen. Die Grundschicht wird hier wie mit einem feinen schwärzlichen Saum umgeben. Er besteht aus feinsten Fetttröpfchen, die ebenfalls unregel- mässig zwischen den Kernen und der Deckschicht eingestreut sind. Nicht alle Zotten beherbergen indes diese Fetttröpfchen, sondern nur der kleinere Teil zeigt die Fettinfiltration. Im Stroma, dem Chorionbindegewebe konnte ich kein Fett auffinden, weder in den Zellen, noch entlang kleinster Lvmphstrassen, noch in den Hofbauerschen Zellen. Zum Vergleich habe ich auch hier eine Placenta, herrührend von 458 M. PENKERT, einem Abortus artificialis mensis II sofort in Flemming- sche Lösung eingelegt und fand auch hier, allerdings wesent- lich weniger, feinste Fettinfiltration der Deckschicht. | Einen anderen Befund habe ich bereits oben erwähnt. Es waren spindelige Zellen mit feinsten Fetttröpfchen in der fibrinoid umgewandelten Gewebszone. Der Nachweis von Eisen in der Placenta ist mir mit Sicherheit nicht geglückt. Wohl scheint es, als ob ab und zu kleine mit der Berlinerblau-Reaktion blau erscheinende Partikelchen vorhanden wären, diese wage ich aber nicht als vom fötalen Gewebe aufgenommenes Eisen anzusprechen. Mög- lich ist es ja, dass bei dem jungen menschlichen Stadium noch kein Eisen in der durch mikro-chemischen Reaktion nach- weisbaren Form vorhanden ist. Ich kann mich also hier auf weitere Erörterungen nicht einlassen. Die Embryonalanlage. Die Embryonalanlage habe ich zum grössten Schaden des wertvollen Präparates bei der Zerlegung des Objektes unbeab- sichtigt mitten durchgeschnitten, so dass davon ein absolut vollkommenes Bild nicht erhalten werden kann. Auch die Hüllen des Embryo sind zum Teil infolgedessen zerstört, viel- fach abgehoben und zerrissen, so dass auch sie nicht voll ver- wertet werden können. Immerhin glaube ich doch durch Beigabe einiger ausführlicher Zeichnungen (Taf. 51, Figg. 13, 14, 15) einiges Wichtige zur Entwickelung der frühesten Embryonal- stadien beitragen zu dürfen. Der vorhandene Rest der Em- bryonalanlage ist wie das ganze übrige Ei recht gut erhalten und konserviert. Man findet hier, wenn auch nicht in zu reich- licher Anzahl, Mitosen, sonst aber nirgends irgend welche Degenerationserscheinungen. Die ganze Anlage ist senkrecht zur Längsachse durch- Ein junges menschliches Eileiterei. 459 schnitten, so dass wir fast überall Querschnitte des Embryo haben. Der Embryo ist wohl ungefähr in der Mitte halbiert, und zwar glaube ich, nach einem Vergleich mit dem Embryo Strahl-Beneke, dass meinem Präparat der Kopfteil fehlt. Um es nur zu erwähnen, habe ich die Embryonalanlage vom ersten bis zum letzten Beginn in 38 Celloidinschnitten zu 20 u und 60 Paraffinschnitten zu 10 u. Es würde dies eine Länge des vorhandenen Fötus von ungefähr 1300 u ergeben. Das ist selbstverständlich nicht die wahre Grösse des Embryo, sondern ich glaube nach reichlicher Berechnung durch (egen- über- und Zusammenstellung der Schnitte unter Betrachtung der Krümmungsebenen höchstens eine Länge von 600-700 u annehmen zu dürfen, ich glaube, dass selbst diese hypothetische Zahl fast noch zu hoch gegriffen ist. Die grösste Breite des Embryonalschildes lässt sich schwer berechnen. Es wäre eine zu wenig sichere Spekulation, wenn ich, wie ursprünglich beabsichtigt, eine Rekonstruktion des Em- bryo hätte vornehmen wollen. Es ist nur angängig, absolut lückenloses Material dazu zu verarbeiten und selbst Präparate, bei denen nur ganz minimale Teile fehlen, sollten Jeshalb, um sich nicht Trugschlüssen hinzugeben, von einer figürlichen Wiederherstellung ausgeschlossen bleiben. Wenn ich zuerst auf die eigentliche Embryonalanlage, die Keimscheibe, eingehe, so finden wir einen einfachen, wenig zellreichen flachen Querstreifen, eine einfache Schicht flach kugeliger Epithelien, die im weiteren Verlaufe zu höheren cylindrischen Zellen sich vergrössern. An den äusseren Teilen flach und schmal, nehmen sie in der Mitte einen breiteren Raum ein, so dass hier ein diekerer Schild entsteht. Diese als Eetoderm anzunehmende Schicht ist einer in der Mitte verdickten Spindel zu vergleichen, die im weiteren Verlaufe in ihrer Mitte eine seichte, sich bald vertiefende Furche trägt. Sie möchte ich mit Gasser als Primitivrinne ansehen. In 460 M. PENKERT, einer grösseren Reihe von ca. 30 Schnitten zu 10 u ist diese Rinne deutlich sichtbar. Nicht überall treffen wir streng ge- nommene Querschnitte, sondern zuweilen mehr schräge Schnitte. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass der Embryo nicht absolui flach angelegt ist, sondern schon verschiedene KXrüm- mungen, speziell auch in der Längsachse, zeigt. Unter dem Ectoderm ıst von der Mitte ab deutlicher, ın der Gegend der Primitivrinne stärker hervortretend das Meso- derm zu sehen. Durch einen mehr oder weniger schmalen Zwischenraum ist es vom Eetoderm getrennt, vielfach sich deutlich in zwei Lagen spaltend, die meist miteinander ver- bunden sind Irgend welche besonderen Zellknoten oder Zell- elemente lassen sich in ihm ebensowenig wie im Eetoderm unterscheiden. Die Mesodermschicht zieht deutlich um die die Primitivrinne umgebende Zellschicht herum und flacht sich am untern Pole derselben ab. Einen Canalis neurentericus habe ich nicht finden können, möglicherweise ist er gerade in den fehlenden Schnitten mit untergegangen. Unter dem Mesoderm liegt dann in dünner, meist »zin- zelliger flachkubischer Schicht das Entoderm, das keine her- voıstechenden Eigentümlichkeiten bietet. Das weitere Verhalten der drei Keimblätter gestaltet sich nun folgendermassen: Das Ectoderm verjüngt sich lateral und schlägt sich hier meist in einfacher Schicht nach oben aussen um und bildet auf diese Weise eine Höhle, die Amnion- höhle. Sie ist nach dem Kopf- und Schwanzende des Fötus mehr halbkugelig geformt. In der Amnionhöhle findet sich sehr spärlich feinkörniges Gerinnsel, ab und zu eine flache rundliche, abgestossene Zelle. Um diese geschlossene Höhle spannt sich eine Mesodermlamelle. Das Mesoderm besteht im Präparat bereits aus zwei Schichten. Beide verlaufen entlang dem Ectoderm bis zur Umschlagestelle desselben gemeinsam, dann spalten sie sich. Ein junges menschliches Bileiterei. 461 Die eine Platte zieht um die Amnionhöhle herum, während die andere nach der entgegengesetzten Seite sich weiter ver- breitert, um den Dottersack, der vom Entoderm umschlossen und gebildet wird, einzuscheiden. Die einzelnen Hüllen haben sich teilweise voneinander gelöst und sind besonders der Mesoblast des distalen Dottersacks und das Entoderm vielfach zerrissen. Der Mesoblast zeigt schon an den verschiedensten Stellen kleine Lumina. Sie sitzen ihm wie kleine Knospen auf, viel- fach sind diese Knospen noch als solide Zellnester zu finden, die im weiteren Verlaufe Aushöhlungen erhalten. Die Lich- tungen sind als Gefässlumina anzusehen und sind mit kleinen kreisrunden kernhaltigen Blutscheiben verschiedentlich aus- gefüllt. Oberhalb der Ectodermplatte scheint sich nun ein Stiel an die Amnionhöhle anzusetzen. Die Verbindung der Em- bryonalanlage mit dem Choriongewebe habe ich nicht auffinden können. In der Nähe der Kuppel der Amnionhöhle findet sich aber in zahlreichen Schnitten ein Mesoblastzapfen, der in seinem Innern kleinste Spalten und Gefässe trägt. Aus dem Längsverlaufe der Gefässchen ist wohl zu schliessen, dass sie durch den Zapfen nach dem Mesoderm der Embryonal- anlage ziehen. HaNen]. Im vorhergehenden habe ich mich darauf beschränkt, ganz objektiv die histologischen Befunde der Jüngsten er- haltenen Tubenschwangerschaft zu notieren. Irgend welche 462 M. PENKERT, Schlüsse habe ich bisher nicht gezogen und bin absichtlich bei der bisherigen Schilderung nicht auf Vergleiche mit bis her beschriebenen jüngeren Fällen eingegangen. Die Literatur über die tubare Einbettung ist von Werth in seiner geradezu klassischen Monographie 1904 zusammen- gestellt. Seitdem ist wenig oder fast nichts Bemerkenswertes über diesen Gegenstand veröffentlicht. Ich glaube daher, mich auf eingehendere Erörterungen und Vergleiche mit früheren Publikationen nicht einlassen zu müssen und zu sollen, um so mehr, als bisher noch kein tadelloses unzerstörtes ver- öffentlichtes Tubenei existiert. Auf das Gebiet grosser Theorien will ich mich nicht be- geben. Was zunächst die Einnistung des Bies anlangt, so darf man mit Fug und Recht annehmen, dass die erste Einbettung der uterinen im grossen und ganzen vollkommen gleicht, und dass auf Grund der grossen Übereinstimmung zwischen beiden an der Identität der uterinen und tubaren Ne dation kaum noch gezweifelt werden darf. Werth ist der Meinung, dass wohl in der Regel an einer faltenfreien Stelle der inneren Tubenfläche die Ein- nistung stattfindet, und dass von da aus das Ei sogleich in die muskulöse Tubenwand gelangen muss. Es kann ferner, wie von frühern Autoren vermutet (Hennig) und von Kreisch und Werth gleichzeitig nachgewiesen, auch ein Faltenstamm der Tubenschleimhaut den ersten Ort des Ei- sitzes bilden. Dieser Modus ‚der kolumnaren“ zum Unter- schied von dem ersteren, dem „interkolumnaren“, soll der seltenere sein. Auch sollen vielleicht die kolumnar einge- betteten Eier mehr dem Untergang geweiht sein als dıe anderen, weil hier das Ei in seiner ganzen Peripherie nur eine sehr lockere, leicht nachgebende Umhüllungsschicht besitzt, welche dem wuchernden Chorion wohl nicht lange Stand zu halten vermag. Ein junges menschliches Eileiterei. 463 Es liegt mir fern, an diesen vorsichtigen Behauptungen Werths Zweifel laut werden zu lassen. Ich glaube, dass die bisher bekannten Eier zu weit zerstört, vor allem aber zu weit entwickelt waren, um überhaupt derartige Schlüsse zu gestatten. Zunächst ist die Frage, ob das Ei sogleich ın die Tubenmuskulatur gelangen muss, zu beantworten. Ich habe in der ganzen Serie mich bemüht, auch nur eine Stelle zu finden, wo ich diese Behauptung stützen könnte. Zuweilen glaubte ich eine Aushöhlung, ein besonders vertieftes Bett in der Muscularis annehmen zu sollen, in der Verfolgung der Serie jedoch konnte ich mich jedesmal davon überzeugen, dass hier keine Zerstörung der Muskulatur vorlag, sondern dass dieses Bild vorgetäuscht war durch die verschiedene Schlängelung der Tube. Nur an einigen Stellen schien die Muskelschicht schwächer ausgebildet oder gedehnt. In den Anfangsteilen der Serie, dem zugespitzten Eipole, kann man nun beobachten, dass das Ei sich im Bindegewebe einer mitten im Tubenlumen ge- legenen Schleimhautfalte entwickelt und daher kann man die Annahme herleiten, dass die Einnistung kolumnar entolot. Das Ei passt sich, wie Ich7oben”be- schrieben, den ihm von der Natur gegebenen vorgezeichneten Verhältnissenanundlegtsich dort an, wo es vorgeschriebene Wege findet, esr respektiert zunachst’ innerhalb des Bmrde: gsewebes der Schleimhaut das im Muskel- schlauch der Tube freigebliebene Lumen und schlängelt sich gewissermassen dureh das un- regelmässig gewundene Strombett hindurch. Ich kann nach meinem Präparat den Modus von Werth nicht bestätigen. Während im allgemeinen Übereinstimmung über die Art der Entwickelung im Uterus herrscht, ist diese bei dem spär- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3). 31 464 M. PENKERT, lichen Tubenvergleichsmaterial zunächst nicht zu erzielen. Immerhin aber dürfte doch wohl die Annahme Berechtigung finden, dass auch in der Tube im allgemeinen ein gleich- mässiger Typus aufgestellt werden kann. In meinem Fall denke ich mir den Vorgang folgender- massen: Das Ei hat auf seiner Wanderung an irgend einer Stelle in der Tube Halt gemacht und ist durch eine Lücke in der Kontinuität des Oberflächenepithels unter das Epithel ge- langt. Es siedelt sich dann im Bindegewebe der Mucosa an — ganz gleichgültig ob kolumnar oder interkolumnar, in meinem Fall wohl kolumnar —, wo es zunächst in dem aufgelockerten zur Zeil der Menstruation stärker durchfeuchteten und durch- bluteten Gewebe auf einen günstigen Nährboden stösst. Die Lücke, die Dehiscenz an der Eintrittsstelle wird dann plastisch verschlossen und darauf legt sich der Deckel, das Verschluss- coagulum Das Ei entwickelt sich im Bindegewebe der Tube weiter. Dieses wird entfaltet und die von der Tubenschleim- haut gebildete Kapsel immer mehr gedehnt. Das Tubenlumen besteht zunächst noch vollständig; unter der Wirkung des wachsenden Eies wird es verengt, säbelscheidenartig abge- flachi, es verschwindet ganz, nachdem durch das vergrösserte Ei das Lumen vollkommen ausgefüllt ist. Von der Lichtung, von Epithelien ist schliesslich nichts mehr zu finden Das Lumen, welches im Uterus erstımm 4. Monat verödet, ist in der Tube sehärzungs- weise wohl schon bald nachdem Wr Tagerwenz schwunden. Das Ei lässt dıe Muscularıs bısmzu diesem frühen Termin treı und verschonizzrr wächst konzentrisch; der quere Tubendurchschnitt mit dem Ei ist vollkommen rund, die einzelnen Schichten sind auf dem Querschnitt fast vollkommen konzentrisch geschichtete Ringe. Erst dann, wenn das Ei an Grösse zunimmt, wenn seine Hülle, die Tubenmuskulatar, nicht gleichen Schritt in Ein junges menschliches Bileiterei. 465 der Dehnung halten kann oder keine gleichmässig konzen- trische Dehnung erfolgt, kann wohl bisweilen ein mehr ex- zentrisches Wachstum nach der einen oder anderen Seite zu auftreten. Während die Schleimhaut der Tube in der Mitte des Eies oder da, wo die grösste Ausdehnung stattgefunden hat, vollkommen fehlt, kann sie sich in den peripher davon beiderseits liegenden Abschnitten und ebenso das Tubenlumen selbst fast unverändert wieder vorfinden. Das Ei kann dann aber weiterhin zwischen die einzelnen Schichten dringen und zwischer den einzelnen Muskelbündeln, dieselben auseinander drängend, sich weiter entwickeln. So kommen dann die Bilder zustande, die Füth und Werth als dissezierende Entwicke- lung des Eibettes angesprochen haben, Bilder, wie man sie auch besonders bei der Graviditas interstitialis tubae zu sehen bekommt, Bilder, bei denen leicht eine Ruptur, ein äusserer Kapselaufbruch erfolgen kann. Die Anfänge der Eieinbettung sind natürlicherweise bei der schon etwas vorgeschritteneren Entwickelung des vor- liegenden Präparates nicht mehr nachzuweisen. Und so müssen wir uns auch hier wieder zu dem Schluss bescheiden, dass ein Nachweis und Beweis der darüber aufgestellten Theorien auf Grund bisher vorliegender mikroskopischer Präparate nicht zu erbringen ist. Das vielumstrittene Schlusscoagulum fehlt hier. Die erste Implantationsstelle ist nicht mehr aufzufinden und auch der Entscheid, welche Rolle das Syneytium spielt, ist nicht recht zu geben. Immerhin erlauben doch die Schnitte Schlüsse über die Eieinnistung. Zunächst möchte ich näher auf die Eikammer ein- gehen. Im Uterus unterscheiden wir an ihr die Decidua basalis und capsularis und zwischen ihnen siedelt sich das Ei an und wächst weiter. Strahl kann sich mit Veit für Sl> 466 M. PENKERT, die Implantationszeit nun ganz gut vorstellen, „dass mindestens ein Teil des Platzes geliefert wird, indem die seröse Flüssig- keit, welche das Bindegewebe der Uterinschleimhaut durch- tränkt, resorbiert wird, und nicht durch Spaltung der Vera“. Dieser Meinung möchte auch ich mich anschliessen. Strahl sagt dann weiter: „Nach der Art, wie die Drüsen und Ge- fässe im Bogen um die Fruchtkammer herumlaufen, muss man für diese Zeit unbedingt ein seitliches Ausbiegen ursprünglich gerade aus der Tiefe nach der Oberfläche ziehender Gänge annehmen.“ Und daraus folgt dann weiter, dass das Ei einen mechanischen auseinanderdrängenden Einfluss auf seine Um- gebung ausübt. Diesen letzteren bestreitet Veit. Er hat dabei, wie Strahl ganz richtig angibt, „den eigentümlichen Verlauf der Uterindrüsen in der Wand der Fruchtkapsel zu wenig berücksichtigt, der nach unserer Auffassung in der Tat auf ein mechanisches Auseinanderdrängen der mütterlichen Teile hindeutet“ (S. 31). Welche Druckverhältnisse dabei herrschen, ist exakt nicht zu sagen. „Hier wird es wohl ebenso sein, wie an anderen Stellen des Organismus, in denen Hohlräume und Inhalt wachsen, beide passen sich eben in ihren Druckverhältnissen einander an“ (Strahl)!). Wann dann die Spaltung der Vera in Capsularis und Basalis im Uterus vor sich geht, lässt Strahl offen. Er „möchte den Termin nicht zu weit ausdehnen und auch hier der individuellen Variation einen gewissen Spielraum lassen, nach einem vorliegenden Präparat über die Mitte des zweiten Graviditätsmonats hinaus und für spätere Zeit der Placentar- entwickelung ist unter allen Umständen ein interstitielles Wachstum der Placentarregion anzunehmen“. Diesen Erläuterungen möchte ich nun die Befunde meiner Tubenpräparate anfügen und gegenüberstellen. In den centralen 1) Mit dieser Ansicht Strahls über die Druckverhältnisse ist Herr Geh. Rat Veit, wie er mir persönlich mitteilte, vollkommen einverstanden. Ein junges menschliches Eileiterei. 467 Eipartien ist von Decidua capsularis und basalis nichts zu sehen. Das Bindegewebe der Schleimhaut ist an keiner Stelle mehr deutlich nachzuweisen, das Ei liegt innerhalb der Tube so, dass seine Kammer von der Muskulatur gebildet wird. Eine Grenze zwischen fötalen Elementen und mütterlichem Bindegewebe ist meines Erachtens nicht zu ziehen, da die Übergänge so fliessende sind, dass weder nach der Färbung noch nach der Zellform ein Unterschied zu machen ist. Die Zellschwärme, die von vielen Autoren früher für deciduale Veränderungen gehalten sind, gehören wahrscheinlich zum Langhans-Typus. Es muss demnach hier das Bindegewebe der Schleimhaut nicht mehr vorhanden sein. Dagegen gewinnen wir für die Ausbreitung und das Wachs- tum des Eies Anhaltspunkte in den peripheren Schnittserien, vor allem in den äussersten Ausläufern des Zottenmantels, dem zugespitzten Pole der Eispindel. Das Ei liegt mit seinen Ausläufern hier mitten im Tubenlumen, d. h. innerhalb des Bindegewebes einer Schleimhautfalte, so dass eirculär herum noch Schleimhautfalten, die als Drüsenquerschnitte im Präparat imponieren, angereiht sind. Weiterhin liegt es so, dass nach dem antimesosalpingealen Teil Schleimhautfalten mit häufiger Schlängelung und im Bogen um dasselbe herumziehen, das Ei selbst aber mit den periphersten Zotten nach der Mesosalpinx zu auf einem bindegewebigen Lager in dem Bindegewebe der Schleimhaut liegt. Hier können wir mit Strahl auch von einem auseinanderdrängenden mechanischen Einfluss des Kies auf seine Umgebung reden. Die Eikapsel wird nach oben ge- bildet von den Schleimhautfalten — Epithel und einer mehr oder weniger dicken Schicht Bindegewebe — ebenso seitlich unten von der Basalis, dem Bindegewebe, das zunächst noch neben und unter sich Falten hat, später nach Entfaltung und Verdrängung derselben auf der reinen Muskulatur ruht. Die Capsularis, die wir noch finden, besteht nun 468 M. PENKERT, aus mit Epithelien nach aussen überkleidetem Bindegewebe, deren Zellen, wie schon beschrieben, öde- matös im lockeren Verbande liegen. Dazwischen finden sich ab und zu deciduaähnliche Gebilde, aber an Grösse bei weitem nicht die typische, spätere uterine Deciduazelle er- reichend Die Kapsel ist von wechselnder Dicke, die durch das mehr oder weniger starke Vordringen der fötalen Klemente bedingt wird. Bei der Vergrösserung der Oberfläche der Capsularis scheint es nach dem mikroskopischen Befunde, dass vielleicht hier und da kleinere Lücken auftreten und diese, wie ich bei der Beschreibung hervorhob, durch plastı- sches Material verschlossen werden können. So besteht denn wohl die Kapsel an gefährdeten Stellen ausserdem noch aus diesem eben angeführten Verschluss- und Schutzmaterial. Nach der Mesosalpinx zu ist das Lager der Bindegewebszellen reich- licher. Hier sind sie ödematös aufgelockert, deciduaähnlich und im Vergleich zur sonstigen Tubenschleimhaut entschieden sehr zahlreich. Hier ist ferner ein ausserordentlich wichtiger Befund zu erheben, ähnlich den Befunden von Marchand und Bonnet im Uterus, Kernteilungsfiguren im Bindegewebe. Wenn auch nur in sehr spärlicher Menge anscheinend vor- handen, so beweisen sie doch, dass hier eine lebhaftere Zell- vermehrung vor sich geht und dass das mütterliche Gewebe ebenfalls im Wachstum begriffen ist. Die Basalis wird also gebildet aus dem Schleimhautbindegewebe, das ebenfalls wie das Ei in Vermehrung begriffen ist. Wenn Strahl in seinem jungen Präparat von einer Becherform der Decidua basalis spricht und solche auch bei anderen jungen Eiern gefunden wird, so darf man wohl auch hier zunächst beim Beginn der Implantation bis zu einem gewissen Grade dieselbe annehmen, wenngleich in den Präparaten im Centrum nichts mehr davon nachzuweisen ist, sondern nur noch in der Peripherie des Eies. Ein junges menschliches Eileiterei. 469 Ich deutete früher an, dass um die Eiperipherie herum sich häufig in dem Bindegewebe bei Hämatoxylin-Eosinfärbung rosatingierte Streifen finden. Es handelt sich hier um Ödem und vielleicht fibrinoide Aufquellung des mütterlichen Ge- webes. Die Entscheidung, ob reines Ödem oder fibrinoide Umwandlung, ist kaum zu treffen, wichtig ist, dass mit den Fibrinfärbungen die Streifen nicht die übliche Reaktion geben. Es kanr, sich demnach nicht um reines Fibrin handeln, viel- leicht um ein Vorstadium, das unter der Wirkung der in ihm liegenden Leucocyten, die gelegentlich zu Fibrinbildnern würden, entstände, oder man kann diese fibrinoide Substanz mit grösster Wahrscheinlichkeit als Rest des Ödems auffassen. An Stellen, wo die Langhans- zellen ins mütterliche Gewebe übergehen, findet sich diese Färbung nicht, sondern nur da, wo entweder keine Langhans- Elemente oder Syneytium dem Bindegewebe anliegen. Das Ödem findet sich dann weiter in Spalten der Basalis und zwar so gelagert, dass entweder noch Endothel, dahinter Ödem vor- handen, oder Endothel fehlt. Man findet ferner, wie die Endothelien der Saftspalten, die in den distalen Teilen der Basalis kaum oder überhaupt nicht auffallen, plötzlich inten- siver gefärbt und deutlicher hervortreten, ferner wie dann in den Saftspalten sich langausgezogene schmale Syneytienmassen vorschieben. Es ist oft schwer, das Endothel vom Syneytium zu trennen und man kann es verstehen, wie Pfannenstiel zu dem Ausdruck kommen konnte: „Dass die Wandungen der Blut- gefässe und zwar sowohl Endothel wie umgebendes Stroma sich in Syneytium verwandeln und dass dieses Syneytium identisch ist mit dem Syneytium der Chorionzotten“ (Strahl, S. 30). „Wir wissen heute, dass syncytiale bezw. symplasma- tische Zellformen während der Entwickelung der Embryonen und Placenten an den verschiedensten Stellen vorkommen M. PENKERT, 470 können, z. B. in den mütterlichen Gefässwandungen, in mütter- lichen Drüsen und im decidualen Bindegewebe, als Überzug der Zotten und der Membrana chori und endlich in dem fötalen Mesoderm der letzteren“ (Strahl, S. 56). Wenn ich hier nicht die Frage der Herkunft des Syn- cytiums behandeln kann, die nach den neuesten Unter- suchungen Strahls für den Menschen auch heute noch eine offene ist, so kann man doch wohl kurz sagen, dass das Syncytium lediglich ein Schwangerschaftsprodukt ist, das — falls fötaler Herkunft — für die Bildung der Eikammer und der Anheftung des Eies von grosser Bedeutung sein dürfte. Ein Ödem der Decidua basalis ist nun vorhanden als Folge des implantierten Eies und dieses Ödem dringt mit dem Wachstum des Eies weiter und weiter vor. „Wenn man diese seröse Durchtränkung der Decidua und den demnächstigen Austritt von Blut zwischen die Trophoblastelemente annimmt und die immer weitergehende Hyperämie zugibt, so begreift man die langsam sich vergrössernden Öffnungen in den Capillaren“, schreibt Veit und damit leugnet er in der Hauptsache auch das mechanische Auseinanderdrängen der Kammer. Dem ist — wie auch Strahl hervorhebt — nicht so. Ich denke mir, da ja der mechanische drängende Einfluss des Eies aus dem Verlauf der Drüsen in der Uterusmucosa und der Tubenschleimhauffalten vollkommen einwandsfrei da- steht, dass die Zotten des Eies oder in erster Linie die syn- cytialen Massen sich an vorgezeichnete Strassen halten. Sie sind gegeben in den Saftspalten der Capillaren, die durch die infolge des Eireizes überall vorhandene Auflockerung nach- giebiger und leichter dehnbar sind, und diese Annahme ist zu beweisen dadurch, dass Syneytium in den feinsten Saft- spalten liegt, dadurch, dass ganz unregelmässig Spalten von dem das Ei umgebenden freien Raum in der äussersten Peripherie nach dem Bindegewebe ziehen. Wenn nun die _Anatom. Hefte [Abteilung 131.Hefi (43. Bd.H.3) Tafel 48 Ze —E S= G >— er GE FG Verlag vor J.F.Bergmenn, Wiesbaden. Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A.G. Würzburg. 7 ‚Anatom. Hefte IAbteitung 131.Heft (43.BAd1.3) Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden, Tafel #9 BYA Känigl. Universitätsdruckerei t1.Stürtz A.G. Würzburg. Ein junges menschliches Eileiterei. 471 Capillaren immer mehr eröffnet werden und auseinander- weichen und schliesslich an grössere venöse (Grefässe heran- kommen, schliesslich in diese einmünden, so ist doch zu ver- stehen, dass syncytiale Elemente im Zusammenhang mit den Zotten auf diesen Bahnen allmählich in grössere Gefässe hinein- gelangen und dann die Gefässe vollgestopft erscheinen. Da- durch kann der Eindruck erweckt werden, als ob die fötalen Elemente sich nach der Ansicht mancher Autoren „hinein- gefressen“ haben. Das eröffnete Geläss wird peripher von seinem ursprünglichen Endothel, proximal vom Syneytium oder von Langhanselementen begrenzt. Das Gefäss öffnet sich ferner weit in den intervillösen Raum. An solchen Gefässen, wo das Endothel der Muskulatur der Tube anliegt, fehlen weitere Veränderungen. Hier hat dann die Einmündung der kleinsten Capillaren in die grösseren circulär an der Musku- latur verlaufenden Gefässe stattgefunden. Es fehlen dann viel- fach auch die perivasculären Bindegewebselemente, die, wenn vorhanden, nur vereinzelt eine geringe Auflockerung oder Schwellung zeigen. Wenn dem Endothel Zotten direkt an- liegen, so ist dieses vielfach geschwunden und die Langhans- elemente gehen unvermittelt ins materne (Gewebe über. Das? Vorhandensein 'fötalerm Blemente m Venengebiet, vornehmlich oder fast ausschliess- lıch syneytialer Elemente ist für mich nur so esklärlıch, dass sie in den präformkerten Sart- spalten niedrigster bis höchster Ordnung und iniden Capillaren schliesslich bis’ ın die Venen wordringen und hier in (deren brebtiung er- scheinen. Es ist dazu kein „Fress”- oder 'Zer- störungsvorgang meines Erachtens notwendig, sondern die Bilder sind eine Folge mecha- nischer durch das vorhandene Ödem erleich- terter Auseinanderdrängung. 472 M. PENKERT, Wenn man noch vollends die Saugkraft im Venengebiet dazu nehmen will, so wird noch verständlicher, dass auf dem Saftspalten- und Capillarwege syncytiale Massen gerade in die Venen eingesaugt werden können. Für das Venengebiet ist der ganze Modus leicht verständ- lich, schwieriger für das arterielle. Die Möglichkeit, dass die schon vorhandenen Lücken in kleinsten arteriellen Gefässen, die bei der menstruellen Stellung per rhexin entstanden sind, sich unter dem Reiz des Eies vergrössern, mag bestehen. Dieser Modus mag sich auch stellenweise abspielen, ist aber durch mikroskopische Bilder noch nicht erwiesen. Man kann sich aber auch vorstellen, dass ursprüng- lich minimale Gefässchen oder Spalten imarte- riellen Gefässystem bei der stärkeren Blut- zufuhr nach der Implantationsstelle zu sich erweitern. Selbstverständlich darf dieser Vorgang nur ganz allmählich sich entwickeln, ein Überdruck im arteriellen Ge- biet, womöglich auch im intervillösen Raum muss negiert werden. Fötale Elemente können sich in arteriellen (Gefässen kaum ansiedeln, da sie durch den arteriellen Blutdruck daran verhindert werden. Der Unterschied, ob mütterliche Arterien oder Venen vor- liegen, ist schwer zu treffen. Immerhin darf man behaupten, dass die Gefässe, die syneytiale Elemente oder Riesenzellen enthalten und dünne sehr schwache Wandungen haben, daran ohne weiteres als Venen zu erkennen sind, und in solchen habe ich auch Verschleppung von syncytialen Elementen bis dicht unter das Peritoneum der Tube verfolgen können. Für die äussersten Zottenausläufer des Eies sind diese eben ge- gebenen theoretischen Betrachtungen durch Präparate zu be- legen. Schwieriger ist es, sich ein Bild aus Schnitten der centralen Teile zu machen. Man sieht da, wo in den ganz spärlichen Resten des Schleimhautbindegewebes noch kleinste Ein junges menschliches Eileiterei. 473 deutlich mütterliche Gefässe vorhanden, in deren Umgebung die perivasculären Bindegewebszellen ödematös werden, zwischen ihnen Ödem auftreten, syneytiale Zellen, dicht unter dem Endothel, bis auch dieses verschwindet, und nun Syneytium und Langhanselemente im Lumen erscheinen. Dann kann man hier auch den Eindruck gewinnen, als ob das Bestreben vor- liegt, die vorhandenen mütterlichen Gefässe und das (Gewebe peripher zu umklammern. Es schiessen hier mitten im maternen Gewebe Haufen von Zellkernen auf, die noch nicht die Grösse der hier sonst liegenden syncytialen Zellen haben, aber sicher bald erlangen werden. Im Bindegewebe scheinen dann die sonst so deutlichen Zellkerne blasser zu werden, unregelmässig zackig, und sich zu verlieren. Zunächst kann man sich hier vorstellen, dass mütter- liches Gewebe zugrunde geht, dass es gewissermassen er- drückt wird. Aber ein Zugrundegehen ist nicht mit Sicher- heit nachzuweisen, Degenerationsprozesse und Produkte kann ich hier nicht finden. Mit Hilfe der vorangehenden Über- legungen kann man auch zum Verständnis dieser Präparate kommen und hier die fortgeschritteneren Stadien obiger An- fangsformationen ohne weiteres erkennen. Das Bi entwickelt sich’also interstucrellium Bindegewebe unter Beibehaltung der ihm hier vorgeschriebenen Wege, also der Saftspalten und Capillaren,dieinfolgederstärkeren Durch- feuchtung des ganzen Gewebes durch syncyti- ale und fötale Elemente auseinander gedrängt, zur Vergrösserung der Eikammer im wesent- licher beitragen. Es muss also in den frühen Stadien der Eileiterschwanger- schaft die Erweiterung der Eikammer durch Aufspaltung des Bindegewebes, kurz gesagt der Basalis, erfolgen. Ob dieser Vorgang zwischen Basalis und Capsularis eintritt, ist natür- 474 M. PENKERT, lich im vorliegenden Falle nicht mehr zu sagen. Die Auf spaltung tritt in der Tube entschieden ganz bedeutend früher als im Uterus auf. Im Anschluss hieran ist die Frage zu beantworten: Wird in der Tube ähnlich wie im Uterus eine Decidua gebildet? Von den meisten Autoren wurde die Bildung einer Deeidua in der Tube bis zum Erscheinen der Kühne- schen Arbeit angenommen. Selbst Pfannenstiel und Krömer stehen noch 1904 auf dem Standpunkt, dass im Eileiter eine Decidua gebildet wird. Neuerdings ist man wohl allgemein zu der Überzeugung gekommen, dass die Bildung nicht statthat. Werth „muss in Übereinstimmung mit Aschoff und Uleskow-Stroganowa das Vor- kommen eines typischen decidualen Gewebes in der Form zusammenhängender, in ein feines Fibrillennetzwerk einge- lassener Zellkomplexe, wie wir dasselbe in der Schleimhaut des schwangeren Uterus und auch abseits des Eisitzes in der Schleimhaut der schwangeren Tube beobachten, in Abrede stellen“. Dass einzelne Zellen, die dem Habitus der Deecidua- zellen ähneln, vorkommen, will er nicht leugnen. Ich habe in den centralen Eipartien in meinem Falle keine zusammenhängende Lage von Decidua- zellen finden können. Die Elemente der noch erkenn- baren Capsularis wie überhaupt die Zellen, die wohl erkenn- barer Schleimhaut angehörten in der Gegend des Fibrinblut- coagulums und der weitesten Ausläufer des Eies, waren ver- grössert und gequollen, sie zeigten eine stärkere Durchtränkung und ähnelten bis zu einem gewissen Grade den Deciduazellen. Als typische Deeiduazellen kann ich sie jedoch noch nicht ansehen. Wenn sie im Uterus in den allerersten Stadien auch noch nicht vorhanden, so treten sie dort dann doch bald in Erscheinung. In der Tube aber fehlen sie sowohl in den allerersten Stadien wie auch in den späteren im Bereiche des Ein junges menschliches Eileiterei. 475 Eisitzes. Es fehlt eben in der kärglich angelegten Schleimhaut der Tube, die noch dazu sehr bald verschwunden ist, an dem für die Ausbildung der zusammenhängenden Decidua genügenden Stammaterial. Die Deciduazellen, welche viele Autoren als solche in der Tube angesehen haben, sind nach den klärenden Untersuchungen der letzten Jahre nach Bekannt- weıden der bislang jüngsten Stadien menschlicher Placentation nichts anderes als Langhanselemente. Von einer Einbettung des Eies in der Tube auf normalem Boden kann kaum die Rede sein. Im Uterus findet das Ei eine starke, dicke Schleimhaut bei seiner Ansiedelung vor; die spongiöse und kompakte Schicht sind weiche volle Polster, in denen das befruchtete Ovulum ruhen kann, die es schützend umgeben. Die Schleimhaut der Tube dagegen ist äusserst kärglich entwickelt, sie bietet zwar in den ersten Tagen dem Ei einen ausreichenden Schutz und ausreichendes Nährmate- rial, hingegen ist von ihr schon bald danach kaum etwas oder nichts mehr vorhanden. Die Implantation voll: zieht sich zunächst auf einem geeigneten, das Wachstum aber später aufeinem ungenügenden Boden. Ich muss daher der Behauptung Werths voll kommen beipflichten: „Der Hergang der Einbettung des Eies auch in der Tube gestaltet sich nach dem physiologischen Paradigma, erhält aber sofort dadurch ein pathologisches Ge präge, dass er auf ein, nach seiner anatomischen Beschaffen. heit ungeeignetes Organ trifft.“ Ich muss nun weiterhin noch auf die Zone eingehen, die von den neueren Untersuchern seit Merttens als Umlage. rungszone bezeichnet worden ist. „Der Name wurde vorge- schlagen für den Teil des Uterus, der unmittelbar vor den Köpfen der fötalen Zotten liegt (Strahl). Diese Stelle ist bei Raubtieren ganz scharf bestimmbar. Bei der Unsicherheit, 476 M. PENKERT, die aber für die menschliche Placenta in der Auffassung von fötal und mütterlich herrscht, erscheint er hier nicht zweck- mässıig.“ Strahl verwendet ihn für sein Präparat nicht mehr, sondern redet von einer Zwischenzone von Im ganzen syn- cytialem Bau zwischen sicher maternem und sicher fötalem (rewebe. Diese Zwischenzone ist nach ihrer Genese unsicher, es ist nicht mit Sicherheit zu behaupten, ob das syncytiale Ver- bindungsmaterial zwischen Fötus und Mutter von ersterem ab- stammt. Fraglos stellt es ein Gewebe dar, das lediglich beı den jüngsten Eiern auftritt. Im Ei von Bryce und Teacher, das wir wohl als das jüngste ansehen müssen, finden wir um das Chorion-Binde- gewebe eine kärgliche Zone „Cytotrophoblast“ und um diese eine breitere Zone „Plasmoditrophoblast“ oder Syneytium. Keine Stelle des Walles der Fruchtblase ist unbedeckt geblieben vom Plasmoidal-layer. Überall umgibt also der Plasmodi- trophoblast die Fruchtblase. Zwischen dem Plasmoditropho- blast findet sich Blut und man kann zum Teil diese Blut- lacunen als Zwischenräume zwischen auswachsenden primitiven Plasmoidalzotten betrachten. Wir finden ferner die Implan- tationshöhle begrenzt von einer necrotischen Zone. Trotzdem das Ei ein Abortivei ist, ist es besonders auch in der Embryonalanlage sehr gut erhalten und wir dürfen daraus wohl erlaubte Schlüsse ziehen. Die Entwickelung des Eies und seiner Hüllen geht demnach folgendermassen vor sich: Nachdem es mit einem vollkommenen Syneytiummantel sich nach Durchdringung des Epithels im Bindegewebe an- gesiedelt hat, wachsen zunächst die primitiven Syncytialzotten und verkleben durch die ihnen eigene klebrige Beschaffenheit mit dem umgebenden Gewebe. Es ist möglich, dass sie sich in Lücken der Gefässwände, aus denen per rhexin die roten Ein junges menschliches Eileiterei. 47 Blutkörperchen ins Ödem sich ergossen haben, legen oder dass sie in die kleinsten Saftspalten sich hineinschieben, möglicherweise durch den im Venensystem herrschenden nega- tiven Druck angezogen. Die primitiven Plasmoidalzotten sind somit. wenn wir das Syneytium als fötal ansehen, die ersten Haftorgane des Eies. Sogleich entfalten sie eine besondere Wirkung auf das umgebende Gewebe. Zunächst wird sicher das prämenstruelle Ödem noch vermehrt, die Bindegewebs- zellen werden massiger, grösser, mehr durchfeuchtet und können sich dann weiterhin, wenigstens im Uterus, zu wirklichen Deeciduazellen entwickeln. Es erfolgt gleichzeitig durch den Reiz des Eies eine stärkere Hyperämie, eine stärkere Füllung und Schlängelung der Capillaren. Ob durch Berührung mit mütterlichem Ödem oder Blut infolge Überernährung die Langhansschen Zellen zu Syncytien umgestaltet werden, mag ich nicht weiter entscheiden, die Möglichkeit gebe ich zu. Die gleiche Zone von syncytialen Massen haben auch Strahl und Beneke in ihrem Präparat und sie prägt sich auf der Abbildung deutlich gegenüber dem fötalen wie dem maternen Gewebe aus. Die Zellmassen schieben sich ohne deutliche Grenze in die Decidua hinein; weniger hervor- stechend ist diese Zwischenzone schon bei Jung, noch weniger bei den folgenden späteren Stadien. Es ıst wohl an- zunehmen, dass sie in allen Eiern das Vorstadium bildet. Im allgemeinen findet sich dieser syncytiale Zwischen- streifen bei meinem Tubenpräparat nicht mehr. In den cen- tralen Eipartien ist das Syneytium spärlicher anzutreffen, da- gegen liegt ein wirres formloses Durcheinander von syneytialen Strängen und Bändern in den Teilen des Eies, in denen die Eihöhle nicht mehr vorhanden, nach dem zugespitzten Pole zu. Hier bilden die syneytialen Massen das Bindeglied zwischen Mutter und Kind. Mehr oder weniger grosse Saft- und Ge- webslücken sind dort von dem, maschige Schaumstruktur 475 M. PENKERT, zeigenden, regellosen Gewebe ausgefüllt und besorgen hier die Anheftung und Verbindung des Fötus mit der Mutter. Auch hier kann man vielfach die gleiche Beobachtung wie Strahl machen, dass nämlich streckenweise eine ausgeprägt senkrechte Richtung der in die Decidua eingeschobenen Zellen hervortritt, das typische Bild der syneytialen Wanderzellen. Diese grossen Haufen syneytialen Gewebes halte ich für den Rest der ursprünglichen Zwischenzone Strahls. Wenn nun ihre Genese für Strahl noch nicht erwiesen und die Frage nach der Genese des Syneytiums noch eine offene ist, so glaube ich doch aus der ganzen Vergleichsreihe Junger Eier, besonders denen von Bryce und Teacher, Strahl und Beneke und dem eigenen schliessen zu dürfen, dass die syneytialen Zellhaufen — höchstwahrscheinlich fötalen Ursprungs — den Eizotten zunächst als Pfadfinder und Bahn- brecher auf ihrem Wege dienen. Das Syneytium in der Form der Zwischenzone streckt seine Fühler überali hin aus und ebnet den Boden für die weitere Implantation. In der nach- giebigen syneytialen Hülle kann sich aber auch allmählich das Zottensystem besser entwickeln und mit ihm die Langhans- schen Zellhaufen, die sich durch andauernde Kernteilung be- sonders stark an der Basis am Chorionbindegewebe, weniger in der Peripherie vermehren. Ganz allmählich wird die syn- cytiale Zwischenzone verschmälert, die sicher fötalen Gewebe nehmen an Ausdehnung zu und mit der Anheftung der Lang- hanssäulen an das mütterliche Gewebe verschwinden die Syneytiumbänder usw. mehr und mehr. So kommt es, dass wir in den späteren Stadien diese ganz besonders geformten syneytialen Elemente nicht mehr vorfinden. Die Zotten werden dann mehr und mehr herausmodelliert und verlieren später die üppige Fülle der bis dahin an ihren Spitzen sitzenden Langhanszellhaufen, welche nach Wegfall der Syneytien die Verbindung mit der Mutter in Form der sog. Trophoblast- Ein junges menschliches Eileiterei. 479 schale herstellen. Ob dabei das Blut eine aktive Rolle, eine korrodierende Wirkung spielt, lässt sich schwer sagen und scheint mir recht zweifelhaft. Einer wichtigen Erscheinung in der sog. Umlagerungszone oder besser gesagt, im mütterlichen Gebiete muss ich noch Erwähnung tun, des fibrinoid umgewandelten Ge- webes. Bryce und Teacher fanden dasselbe schon bei ihrem jüngsten Ei, in dem das Syncytium die Decidua berührt und hierin eine Veränderung, die nekrotische Zone, hervorruft. Wenn man diese nicht als zufälliges Produkt beim Abortivei ansieht, als Absterbeprozess der Hülle des Eies, so :larf man wohl schliessen, dass dem Syneytium eine besondere Fähigkeit eigen ist, nämlich die, eine Umwandlung an der Grenze des mütterlichen Gewebes hervorzurufen, eine fibrinoide Auf- quellung zu erzeugen oder wie Strahl meint, dass in diesem frühen Stadium ein geringer Zerfall von Decidua erfolgt, der in dem anschliessenden Stadium nicht mehr nachweisbar ist. Peters fand fibrinoide Umwandlung, auch Jung in ge- ringster Ausdehnung, ebenso Siegenbeek van Heuke- loom, dessen Befund allerdings von Veit negiert wurde, während ich mich an den gleichen Präparaten von dem Vor- handensein selbst überzeugen konnte. Strahl vermisst über- all einen Fibrinstreifen in seinem Präparat, überall auch die Zone necrotischer Decidua. Auch in dem Präparat Franz konnte Strahl keinen kontinuierlichen Fibrinstreifen auf der Basalis nachweisen. Aus diesen kurzen Andeutungen und aus der Literatur folgt jedenfalls, dass der Fibrin- streifen bei den jüngsten Eistadien ein inkon- Sitanter Besundıst und seine Ausdehnung sehr variiert; ferner, dass, „wenn Nitabuch früher den von ihr beschriebenen Fibrinstreifen als Grenze von fötalem gegen mütterliches Gewebe beschrieben hat, das nur für weiter entwickelte Stadien möglich ist“ (Strahl, S. 63). Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3.) 32 480 M. PENKERT, In meinem Tubenpräparat habe ich nun besonders in den Teilen der Eispindelspitze einen besonders mit Eosin deutlich rosa gefärbten Streifen dort, wo teils grössere Syneytium- massen, teils das Syneytiumband der Zottenoberfläche dem maternen Gewebe anliegt, gefunden, der, wie schon beschrieben, sogar auch, ohne dass fötales Gewebe anliegt, entlang ein- zelner Saftspalten sich zieht. Als kontinuierlicher Streifen ist er auch hier nicht nachzuweisen, sondern tritt hin und wieder auf kleineren Strecken in mehr oder weniger starker Breite auf und ist am wenigsten ausgeprägt oder fehlt voll- kommen in den centralen Teilen des Eies. Dabei hat man oft den Eindruck, als ob in ihm oder in seiner allernächsten Nähe etwas Decidualgewebe zugrunde geht. Verstärkt wird für mich dieser Gedanke dadurch, dass es mir gelungen ist, in einzelnen Streifen mit Osmium geschwärzte kleinste Fett- tropfen nachzuweisen — als Grenze zwischen maternem und fötalem Gewebe ist der Streifen des öfteren anzusehen. Eine vollständige Abgrenzung bildet er im vorliegenden Präparat nicht. Wodurch wird wohl nun die Bildung dieses Fibrinoid- streifens hervorgerufen? Ich muss hier zunächst auf die An- sichten einiger Autoren eingehen, die sich mit der Frage der Einwirkung des Eies auf seine Umgebung besonders beschäftigt haben. Von den neueren Untersuchern äussert sich Herzog dahin, dass der Trophoblast in einem gewissen Stadium seiner Entwickelung ein Enzym secerniert, welches in die umgebenden mütterlichen Gewebe diffundiert und hier Coagulationsnekrose und vor allem Degeneration hervorruft. Die Trophoblastzellen sind sicherlich nicht phagocytisch im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Auch Bryce und Teacher, ebenso Jung sprechen von einer auflösenden Wirkung. Neuerdings hat Gräfenberg Studien über das Ver- halten junger Eihüllen gegenüber den eiweisshaltigen Serum- nährböden auf der Löfflerplatte begonnen und festgestellt, Ein junges menschliches Eileiterei. 481 1. dass sie auf das Eiweiss der Platte eine auflösende Wirkung ausüben, 2. dass die Wirkung des Chorions an ein tryptisches Ferment gebunden ist, das in den Langhansschen Zellen gebildet wird und daher mit dem Verschwinden jener vom 4. Monat ab nicht mehr nachweisbar ist, 3. dass die Decidua durch die Bildung von Antitrypsin die tryptische Wirkung des Langhans-Enzymes abzuschwächen vermag. Zur Erzielung dieser Wirkung wird gleichzeitig mit dem Eindringen des Eies in die Schleimhaut diese selbst decidual umgewandelt, 4. dass auch der Nitabuchstreifen antifermentativ wirkt. Diese Beobachtungen machen es für den Uterus wahr- scheinlich, dass die fötalen Elemente durch das Chorion- trypsin eine zerstörende Wirkung wenigstens bis zum 4. Monat besitzen, dass dieser zerstörende Einfluss aber paralysiert wird durch ein Antitrypsin, das gleichzeitig mit dem Ein- dringen des Eies durch die infolge des Reizes sich bildenden Deciduazellen erzeugt wird. Die Deciduazellen mit ihrem anti- tryptischen Gehalt halten also dem sich vergrössernden Ei das Gleichgewicht und so kommt es, dass man von der zer- störenden Wirkung des Eies im Uterus nicht allzuviel nach- weisen kann. Die Versuche Gräfenbergs habe ich hier nur erwähnt, weil sie vielleicht die Anregung zu weiterer Forschung auf diesem (Gebiet geben können. Sie sind aber noch zu grob und können zu Schlüssen für die allerfrühesten Eistadien nicht herangezogen werden. Auch die Theorien von der histo- Iytischen Fähigkeit der Eiperipherie stehen noch auf zu schwanken Füssen, um berechtigte Anerkennung finden zu können. Die Rosafärbung des mütterlichen Gewebes in den Tubenpräparaten ist zumeist als Ödem 32* 482 M. PENKERT, zu erklären, das nur an einzelnen Stellen eine fibrinoide Aufquellung, gestipptes Verhalten und ab und zu bei starker Vergrösserung strei- fige Beschaffenheit zeigt. Wenn nun vielleicht diese Erscheinung in der Tube etwas ausgeprägter als im Uterus ist, so lässt sich das vielleicht dadurch erklären, dass infolge weniger reichlicher Saftströmung als im Uterus leicht einmal eine Stase der Ödemflüssigkeit eintreten kann, die dann viel- leicht unter Beteiligung der darin befindlichen Leucocyten zu fibrinoider Umwandlung führt. Eine wirkliche Nekrose oder Nekrobiose ist in zusammenhängender Schicht nicht nachzuweisen, am allerwenigsten in dem centralen Eiteile, wo nur noch allerspärlichste Reste des Ödems vorhanden sind, der beste Beweis für die Annahme Strahls, dass diese Deciduadegeneration (?) nur vielleicht den allerfrühesten Stadien eigen ist. Würde wirklich ein histolytischer Vorgang bei der Im- plantation sich abspielen, dann könnte derselbe so leicht auch keine’ Grenzen finden. Besonders in der Tube müssten sich dann Veränderungen abspielen, die ein Wachstum des Eies bei intakten Hüllen absolut sicher ausschliessen. Ich habe jedenfalls positive Beweise für ein derartiges Wirken der Eiperipherie nicht gefunden und kann mich an der Diskussion dieser Frage nicht beteiligen, glaube auch im all- gemeinen nicht dafür eintreten zu können. Denn wenn in der Tube die Histolyse weiter und weiter vor sich gehen würde, dann könnte nur allzu leicht die dünne Kapsel aufgelöst werden und damit wäre durch die Ruptur oder den inneren Kapselaufbruch der Tod des Eies besiegelt. Bilder, die auf diese Veränderungen hindeuten, habe ich nicht gesehen: Weder Zotten frei im Tubenlumen noch Kommunikationen mit den vielfach als Drüsenlumina imponierenden Querschnitten der Schleimhautfalten. Und das ist der beste Beweis. Ein junges menschliches Eileiterei. 483 Von einigen Autoren ist der Nachweis der Kommunikation der Drüsen der Uterusschleimhaut mit dem intervillösen Raum erbracht: so vor 20 Jahren schon und neuerdings wieder von Gottschalk und von Frassi nach ihrer Beschreibung mit Sicherheit. Ich will an der Objektivität der Untersucher keinen Zweifel laut werden lassen, möchte aber doch derartigen Be- funden gegenüber selbst sehr vorsichtig sein. Bei der Ver- änderung an den Epithelien der Drüsen kann meines Erachtens leicht eine Verwechslung mit aufgequollenen Gefässendothelien unterlaufen. Die „Gefäss-Drüsenbahnen“ Gottschalks sind mir wie allen anderen Untersuchern ausser Peters auch nach den neueren Ausführungen und den wenig guten photo- graphischen Abbildungen noch recht zweifelhaft. Das Ödem in der Capsularis und Basalis ist lediglich eine Folge des Reizes des in das Bindegewebe eingedrungenen Eies und dient dem jungen Ei zunächst zu seiner Nahrung. Das gleiche möchte ich auch von der fibrinoiden Substanz an- nehmen. Auch sie ist nur vorübergehend mit dem Ödem vor- handen, vielleicht eine weitere Folge, ein Produkt aus dem Ödem infolge länger dauernder Stase. Das Ödem sowohl wiedıe fibrinorde substanz sind nur vorwber- gehende Bildungen in der Umgebung des Eies und wohl nur in denallerfrühesten Stadien’der Eieinbettung. In dem Präparat von Strahl-Franz sind sie nicht mehr vorhanden. Auch in etwas älteren Tuben- schwangerschaften habe ich sie nicht mehr gefunden. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass sie das Vorstadium des Nitabuch sind, der doch erst viel später auftritt. Das Wachstum des Eies in der oben ausgesprochenen Art und Weise auf den Saft- und Lymphspalten geht so lange voran, als die Ernährung auf diesem Wege besorgt werden kann und hört auf, wenn der intervillöse Raum und damit auch die Ausbildung der der Ernährung dienenden fötalen und maternen 484 M. PENKERT, (refässe abgeschlossen ist. Und dieser Termin scheint meines Erachtens innerhalb der ersten drei Wochen zu liegen, am Ende der dritten Graviditätswoche vollendet zu sein und mit diesem Termin scheint mir dann auch das Vorhandensein des eigentümlich geformten Syncytium der Zwischenzone Strahls erschöpft, mit diesem Termin auch die Anheftung der Zotten für die spätere Zeit vollendet. DieBlutversorgungdesintervillösenRaumes wird wohl meines Erachtens dadurch geschaffen, dass primar vor der Einbettung) dies7Eresgerz öffnete Gefässchen arterieller Natur ihre Öff- nungen vergrössern oder ausdehnen und an- dererseits die nach dem. venösen Gebietzr.ab- ziehenden Saftspalten durch syncytraleapıez mente bei vorhandenem Ödem gedehnt und dadurch erweitert werden. Welche Faktoren auf der fötalen und mütterlichen Seite den Abschluss des intervillösen Kreislaufs beginnen, darauf kann ich hier nicht eingehen. Jedenfalls muss ein Zeitpunkt kommen, wo dem zunächst un- beschränkten Wachstum des Eies Einhalt geboten wird, ein beschränkter Raum, in dem es sich unter gegenseitiger An- passung des Fötus an die Mutter weiter entwickeln kann. Der Blutgehalt in dem vorliegenden Präparat hält sich im intervillösen Raum in mässigen Grenzen. Der intervillöse Raum ist noch nicht in seiner Bildung vollendet und somit das ganze Ei noch im Stadium der Im- plantation. Es ist noch nicht soweit entwickelt, dass der Placentarkreislauf ausgebildet ist, noch nicht soweit, dass es einzig und allein seine Ernährungsstoffe aus ihm bezieht. Nach alledem bleibt mir noch die Erörterung über den Verbleib der Schleimhaut der Tube im Bereiche des Eisitzes übrig. Ich habe oben angedeutet, dass es mir gelungen ist, Ein junges menschliches Eileiterei. 485 Mitoser und damit Zellvermehrung im Bindegewebe der Schleim- haut zu finden. Damit ist der Beweis erbracht, dass die Schleimhaut ebenfalls im Wachstum und in der Vermehrung begriffen ist. Diese Vorgänge sind nachzuweisen in der Peri- pherie des Eies. Im centralen Teil dagegen ist Deeidua basalıs oder Schleimhautbindegewebe nicht mehr zu finden. Am ein- fachsten wäre es ja, anzunehmen, dass es durch das Ei zer- stört wäre, dass, wie manche Autoren behaupten, das mütter- liche Gewebe hier aufgefressen und zur Ernährung des Eies verbraucht wäre. Doch davon kann keine Rede sein, da, wie aus den mikroskopischen Präparaten hervorgeht, ausgedehntere Schleimhautpartien unmöglich dem Untergang anheimfallen. Das Schleimhautbindegewebe wird durch die Vergrösserung des Eies mehr und mehr entfaltet und auf diese Weise wird das Bindegewebe, da es anscheinend im Wachstum und in der Vermehrung kaum gleichen Schritt mit dem wachsenden Ei halten kann, nach der Peripherie abgedrängt und so aus- einandergezogen, dass kaum noch Partikel der Schleimhaut ım centralen Teil vorzufinden sind. Ab und zu sieht man noch mit Blut gefüllte „Drüsen“ oder besser Schleimhautfalten in der Peripherie oder stark dilatierte mütterliche Blutgefässe, vielfach aber überhaupt nichts mehr davon. Bisweilen sind auch kleine Gebiete zu finden, in denen fibrinoide Quellung und reichliche Leucocyten auffallen. Vielleicht ist an solchen Stellen eine Verschmelzung der Capsularis mit der gegenüber- liegenden Vera nach Untergang der Epithelien vonstatten ge- gangen. Es taucht hierbei noch eine andere Frage auf: Wie geht beim Tubenabort, der doch fraglos in den allerfrühesten Sta- dien häufiger vorkommt, als nach aussen bekannt wird, die Regeneration der Schleimhaut vor sich? Das lässt sich nun aus dem Präparat nicht absolut sicher sagen. Man sieht bei Tubenaborten, bei denen das Ei noch innerhalb der Tube im 486 M. PENKERT, Blut liegt, wie sich an die Wand gedrückte Schleimhautfalten allmählich wieder abheben, und dieser Vorgang ist gewöhnlich an den weiter entfernt vom Eisitze gelegenen Tubenabschnitten, nicht aber an der Stelle des ursprünglichen Eisitzes zu beob- achten. Wenn nun hier eine Verklebung der Capsularis und Vera stattgefunden oder aber dann infolge der Dehnung strecken- weise kein Schleimhautepithel mehr vorhanden ist, so kann man wohl nur analog den Vorgängen im Uterus eine Regene- ration der Tubenschleimhaut aus einzelnen stehengebliebenen Schleimhautresten vermuten, ähnlich einer Epithelisierung an einem Fistelgang. Wird nun die Submucosa oder das Bindegewebe immer weniger und weniger, kann es dem Ei nicht mehr als Lager und Umhüllung dienen, so bleibt als Schutzmittel des Fies nur die Muskulatur übrig. Fraglos werden durch die reich- liche Saftströmung die Muskelfibrillen gelockert und unter stärkere Ernährung gebracht. Sie nehmen an Volumen za und ebenso tragen ausserdem zur Vergrösserung des Volumens der Muskelwand die stark gefüllten Gefässe bei. Geschieht die Dehnung — diese muss doch wenigstens in der Tube zugegeben werden — gleichmässig, dann kann auf einige Zeit vielleicht das Wachstum und die Entwickelung des Eies gesichert sein. Degenerationsprozesse in der Muskulatur habe ich nicht gefunden und daher scheint mir, dass ein zerstörender Einfluss auf die Muskulatur im allgemeinen im frühesten Stadium nicht ausgeübt wird. Das Ei hält sich vielmehr an das weiche, lockere Schleimhautbindegewebe und das intermuskuläre Bindegewebe. Auf diesen Bahnen spielt sich das Wachstum der Eihüllen ab. In der Muskulatur, d. h. in ihrem Zwischengewebe finden sich weiterhin noch sehr zahlreiche Leucocyten. Sie können, wie ich schon hervorhob, von einer Gonorrhöe herrühren. Dagegen sprechen meine früheren Bemerkungen; näher liegt Anatom Hefte lAbteitung 131 Heft (43 Bd.H.3) Fig. 10 Tafel 50 192. . . Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden. Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A.G. Würzburg. Tafel 31 Inatom Hefte IAbteitung 131.Heft (43. Bd.H-3) „ s % os »e0 =: F a5 a. Ti _— et "oa, SEN > — z ar E. g‘ en 2 re, . 5 % a N Ken Selen r [7 Ir Eh n, Wiesbaden. Verlag von J.F. Bergmann, Wies Ein junges menschliches Eileiterei. 487 mir aber nach meinen Beobachtungen die Ansicht, dass das mütterliche Gewebe als letzte Hilfe gegen das Vordringen des Eies diese weissen Blutkörperchen auffahren lässt, welche viel- leicht mit einem Antitoxin oder mit Nährstoffen beladen sind. Ich seh: also in dem reichlichen Leucocytenwall lediglich eine Schutzmassregel gegen die in der Eiperipherie vorhandenen Stoffe des Fötus, vielleicht gegen dessen Ausscheidungen (?). Ähnlich wie die Schleimhaut, im engeren Sinne ihr Binde- gewebe entfaltet und auseinandergedrängt wird, muss auch das Ei von innen einen Druck auf die Muskulatur ausüben. Die Bilder, wie wir sie in den Präparaten an den Polen der Eispindel finden, wo die Zotten die Muskelwindungen der Tube respektieren, könnten zunächst nicht als Stütze für diese Behauptung herangezogen werden insoweit, als die natürliche Form des Tubenlumens hier gewahrt worden ist. Die Zotten- läufer entwickeln sich in für sie zunächst natürlichen Bahnen in der Submucosa, der Druck des Eies fällt in diesen Partien fast noch vollständig weg, die Eihöhle ist hier überhaupt noch nicht entwickelt, sie kann hier keine Entfaltung des Tuben- lumens schaffen, ihre Zottenausläufer schlängeln sich Fang- armen, Pseudopodien ähnlich, nach allen Richtungen auf be- quemen Wegen. Wenn aber dann weiter die Schleimhaut schon vollkommen verdrängt ist, die Zottenausläufer den Boden zur Ansiedelung des Eies geebnet und die Bahn bis zur Musku- latur freigemacht haben, so muss sich dann die wachsende Eihöhle nach hier ausdehnen und demnächst auch dies noch enge, manchmal bohnenförmige Lumen cylindrisch entfalten. Mit dem Wachstum des Eies und der Entfaltung der Schleim- haut kommt selbstverständlich ein Druck zustande, der den Muskelschlauch auseinanderdrängt, aber sich im allgemeinen den umgebenden Druckverhältnissen anpasst. 488 M. PENKERT, Implantation ohne zerstörenden Einfluss. Noch immer ist die Frage nicht entschieden, ob das Ei einen zerstörenden Einfluss auf das mütterliche Gewebe bei seiner Einbettung im Uterus ausübt. Während fast alle Unter- sucher jüngerer Eistadien der Ansicht sind, dass das Ei destruierende auflösende Eigenschaften besitzt, und auch die allerneuesten Arbeiten über die Bieinbettung mit aller Schärfe diesen Standpunkt vertreten, ist Veit anderer Anschauung. Er bestreitet jeglichen zerstörenden Einfluss auf das materne (tewebe. Neuerdings sagt darüber Strahl folgendes: „Veit ent- nimmt die Stütze für seine Auffassung in erster Linie dem von neuem durchgearbeiteten bekannten Präparate von Siegenbeek van Heukeloom und steht auf einem Standpunkt, den wir (Strahl und Beneke) auf Grund unserer Präparate teilen, dass für die Festsetzung der Frucht- blase im Uterus eine wesentliche Zerstörung mütterlichen Gewebes nicht notwendig sei. Er denkt sich, dass zur Zeit, wenn ein im Beginn der Entwickelung stehender Keim in den Uterus eintritt, das Uterusepithel nicht mehr ganz intakt sei; dann senkt sich an einer Stelle, an der es fehlt, die kleine Fruchtblase in das uterine Bindegewebe ein und lebt und ver- grössert sich zunächst auf Kosten des Ödems, welches sie hier vorfndet.“ Veit „sieht statt der zerstörenden Tendenz des Eies nur einen Reiz des Eies, der zur serösen Druchtränkung, zur Hyperämie, zur Hyperplasie des Gewebes der Mutter führt.“ Das Ei findet im Uterus eine ödematöse Durchtränkung vor, auch Blut, durch Diapedesis oder Rhexis aus den Blutgefässen ins Gewebe ausgetreten, und legt sich hier an, vielleicht in die Lücke des zerrissenen Blutgefässes, so dass es gewisser- massen bald im Gefäss liegt (?). Die Gewebsflüssigkeit kann leicht weitergedrängt werden, ein mehr oder weniger grosser Ein junges menschliches Eileiterei. 489 Teil wird sehr wahrscheinlich vom Ei als erstes Ernährungs- material assimiliert. Vor Beantwortung der Frage des zerstörenden Einflusses muss ich zunächst auf die Beschaffenheit der Eiperipherie der jüngeren Stadien eingehen und untersuchen, ob hier Wachs- tums- oder Degenerationsprozesse statthaben. Veit nimmt mit Siegenbeek van Heukeloom an, dass auch fötale Teile zugrunde gehen, da nach beider An- sicht in der Eiperipherie Degeneration gefunden wird. Veit fand die stärkste Proliferation im Trophoblast am Chorion- bindegewebe. Er vergleicht das fötale Betoderm mit dem Plattenepithel der Haut. Ähnlich wie hier eine Verhornung, ein allmähliches Zugrundegehen des Epithels sich abspielt, so soll es auch in der Weiterentwickelung des fötalen Ectoderms sein. Dieser Vergleich würde ja auf die einfachste Weise über die Schwierigkeiten hinwegführen. Veit schreibt, dass man Mitosen in Trophoblast nicht allzu leicht und dann nur an der Basis nach dem Chorionbindegewebe hin zu findet. Er will dadurch beweisen, dass die Vermehrung der Zellen nur an der Basis stattfindet, dass die weiter auswärts liegenden absterbendes kraftloses Zellmaterial sein sollen. Und wenn dem so wäre, käme ja ohne weiteres die zerstörende Kraft in Fortfall. Dem ist nun erstens die Tatsache entgegenzuhalten, dass wir in meinen Präparaten, ebenso wie in denen von Jung, zahlreiche Mitosen im Trophoblast sahen, nicht nur an der Basis, sondern auch in den peripheren Abschnitten. Und zweitens einen Befund, der in jugendlichen Eiern bisher über- haupt noch nicht beschrieben ist. Die peripheren Trophoblast- zellen haben nämlich die Eigentümlichkeit, dass das Proto- plasma in dem sehr grossen mit deutlicher Membran ver- sehenen Zellen zu fehlen scheint. Diese Zellen von Siegen- beek van Heukeloom und auch Veit als Degenerations- 490 M. PENKERT, produkte angesehen, sind nach Driesen synonym mit der von ihm gefundenen Glykogeninfiltration („denn die Be- schreibung der Degeneration passt genau auf die Zellen unserer peripheren Schicht“). Durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Geh. Rat Veit war ich in der Lage, nochmals die Präparate Heukelooms durchzusehen, in denen das Ei an den meisten Stellen von der Eikammer abgelöst ist und die meines Erachtens nicht ganz einwandsfreie Schlüsse ge- statten, zumal das Ei ein Leichenpräparat und erst mehrere Stunden nach dem Tode der Trägerin konserviert ist. Die fraglichen peripheren Langhanszellen fand auch ich voll- kommen gleichend denen in meinem Präparat. In den frühesten Stadien ist nach Driesen das junge Ei mit einer Schicht elykogenreicher Zellen umgeben, die sich an der Stelle be- finden, wo fötales und maternes Gewebe sich berühren. Bei meinen Untersuchungen auf Glykogen fand ich diese Annahme Driesens nur bestätigt. Ich fand in diesen peripheren Zellen nach Bests Methode mehr oder weniger grosse leuchtend rot gefärbte Glykogenkugeln und fand die Form und Grösse der Zellen abhängig von ihrem Glykogengehalt. Dadurch war es auch zum Teil vielfach möglich, die fötalen von der maternen Zellen zu sondern, die sonst in schranken- losem Durcheinander in der Peripherie der Umlagerungszone liegen. Im Ödemstreifen selbst fanden sich nie Glykogen- tropfen, wohl aber in den jenseits von ihm in nächster Nähe des Eies gelegenen maternen Zellen. In Hülle und Fülle fanden sich diese kleinen Glykogentropfen in den kleinsten Spangen mütterlichen Gewebes, die besonders in allernächster Nähe der Fötalanlage Ähnlich der Spongiosa im Uterus angeordnet waren. Das ist wahrscheinlich der Ort, wo das Glykogen zur Nahrung des Fötus aufgespeichert wird (Driesen). Wir sind gewohnt, das Glykogen als Reservematerlal an- zusehen. Nach Driesen soll es aber noch einen anderen Ein junges menschliches Eileiterei. 491 Zweck haben; das Gewebe wird dadurch äusserst saftreich und locker, so dass die fötalen, die syncytialen Sprossen, die aber selbst nie Glykogen enthalten, mit ihren amöboiden Be- wegungen sich ohne Mühe in das Gewebe einbohren können. Wir sind ferner gewohnt, das Glykogen nur im wachsenden Gewebe, z. B. Neubildungen anzutreffen und so ist die Glykogenproduktion kein Zeichen einer Degeneration, sondern Testimonium activitatis. Die tote degenerierte Zelle enthält nie (Glykogen. Diese wichtigen Befunde sind natürlich nur durch be- sondere Konservierung zu erhalten. Sie beweisen, dass die von einzelnen Autoren als Degenerationsprodukte angesehenen Zellen in Wirklichkeit eine andere Bedeutung haben, dass sie lebendes aktiv wucherndes Material darstellen und in ihrer physiologischen Vollkraft stehen. Ich kann sie daher nicht mit den verhornenden Epithelien der äusseren Haut vergleichen, die dort als Degenerationsprodukte zugrunde gehen. Das Glykogen ist in der Hauptsache nur bis zum dritten Monat bei uteriner und von Driesen und mir auch bei tubarer Schwangerschaft gefunden. Bis zu diesem Monat voll- zieht sich wahrscheinlich eine ständige Wucherung der Lang- hanszellen, die dann nach Ausbildung des grösseren fötalen Kreislaufes ihre Bedeutung verlieren und mehr und mehr ver- schwinden und damit auch ihre invasive Fähigkeit (Hitsch- mann und Adler) verlieren. Dann ist der Nitabuchsche Streifen voll ausgebildet, der die Grenze zwischen Mutter und Kind einzig und allein bestimmt. Ich glaube damit zur Genüge dargetan zu haben, dass das vorliegende Ei in der Tube in der Peripherie im ständigen Wachstum und nicht im Stadium der Degeneration begriffen ist. Bei meinen Untersuchungen gelang mir im fötalen Teil ausser dem Nachweis von Glykogen noch der von Fett und zwar hauptsächlich in einzelnen syncytialen Klumpen und 492 M. PENKERT, syncytialen Deckschichtbändern. Wenn man die syneytialen Massen als fötal ansehen will, so kann man entweder annehmen, dass in ihnen vielleicht Fett assimiliert wird, dass also das Syneytium fettassimilierende Funktionen hat oder aber dass einzelne syneytiale Gebilde durch Fettmetamorphose zugrunde gehen. Dieser letztere Vorgang ist vielleicht wahrscheinlicher, weil im Laufe des Wachstums des Eies doch immer syncytiale Massen zugrunde gehen, wenigstens in späteren Stadien in geringer Menge auftreten. Den Nachweis von Eisen habe ich nicht erbringen können, auch nicht den Nachweis von Stoffen, die vom fötalen Gewebe aufgenommen und von Bonnet, Kolster u. a. als Em- bryotrophe bezeichnet werden. Im mütterlichen Gebiet ist dann ebenfalls der Befund von kleinsten Fetttröpfehen zu erwähnen in der Nähe fibrinoid um- gewandelten Gewebes und hier kann man dann wohl nur von fettiger Degeneration sprechen, bei der kleinste materne (re- websteilchen zugrunde gehen. Unter Zuhilfenahme der eben angeführten morphologischen und physiologischen Befunde der Eiperipherie und der Ei- kammer will ich nun kurz versuchen, das Für und Wider der zerstörenden Wirkung des Eies abzuwägen. Die Hauptstützen der Veitschen Behauptungen gegen die zerstörende Wirkung des Eies sind die Degenerations- prozesse in der Peripherie des Kies und das Fehlen degene- rierter mütterlicher Elemente, das Gleichgewicht, das sich Mutter und Kind durch den gegenseitigen Reiz und die Hyper- plasie halten. Ich gehe hier nur auf die Verhältnisse der Tube ein und habe konstatieren können, dass in der Peripherie des Eies keine Degenerationsprozesse stattfinden, dass die Zellen des peripheren Langhans in Kernteilung begriffen, in voller aktiv physiologischer Tätigkeit sind, welche sich an den Langhans- Ein junges menschliches Eileiterei. 493 zellen in einer reichlichen Glykogenaufnahme und -Bildung (an dem Syneytium vielleicht in einer fettassimilierenden oder fettspaltenden Funktion) äussert. Wäre eine Degeneration vor- handen, so müsste bis zu einem gewissen Grade ja auch der lebhafte Reiz, den das Ei auf seine Umgebung ausüben soll und ausübt, eingeschränkt sein. Damit fällt also eine der Stützen gegen die zerstörende Wirkung des Eies. Ich habe dann ferner die Hyperplasie in den mütterlichen Geweben in der Tube wenigstens an einzelnen Stellen (Kernteilungsfiguren) nachgewiesen, ebenso eine vermehrte Saftströmung mit Ödem und Glykogen der Zellen und Erweiterung der Gefässe im mütterlichen Boden. Freilich fehlt ein sehr wichtiges Doku- ment für die Hyperplasie, eine zusammenhängende Decidua- bildung, ebenso die Vermehrung und Vergrösserung der Muskel- bündel, an denen allenfalls eine Volumenzunahme zuzugeben ist. Ausgedehnte Degenerationserscheinungen im mütterlichen Gewebe habe ich nicht nachweisen können, nur ab und zu Degeneration in Gestalt vereinzelter kleinster Fetttröpfchen und etwas undeutlicher Gewebspartikel. Jedenfalls sind diese Veränderungen ausserordentlich winzig und fallen für die Er- nährung des Fötus kaum ins Gewicht. Es findet also zweifellos eine starke Wucherung der Langhanszellen im vorliegenden Stadium statt, keine Degene- ration. Ferner aber auch bis zu einem gewissen Grade eine Vermehrung mütterlichen Gewebes. Letzteres ist jedenfalls bemüht, wenigstens für dieses frühe Stadium dem Ei eine sichere Hülle und eine gesicherte Kammer zu bieten. Es hat den Anschein, als ob vielleicht syneytiales Mate- rial zugrunde geht, da die syneytiale Zwischenzone, die viel- leicht als Übergangszone und als Vorstadium der Langhans- elemente anzusehen ist, im Verlauf des Wachstums ver- schwindet. Es ist auf der anderen Seite der Nachweis er- bracht, dass mütterliches Gewebe in ganz minimaler Menge 494 M. PENKERT, einer Fettmetamorphose anheimfällt, einer Menge, die sicher so gering ist, dass sie zur Ernährung des Eies in keiner Weise ausreicht. Somit kann man also behaupten, dass auf beiden Seiten eine grosse Wachstumstendenz besteht und auch ferner das Bestreben, sich gegenseitig das Gleichgewicht zu halten, such gegenseitig einander anzupassen. Man kann, wenn man das Syneytium als fötales Gewebe akzeptiert und die Fetttröpfichen darin als Diez generation ansieht, füglich wohl behaupten, dass beim Wachstum des Eies in der Tube im allerjüngsten Stadium sowohl fötales als auch maternes Gewebe, wenn auch nur in ganz ge- ringem Umfang zugrunde geht. Ein „Auffressem des mütterlichen Gewebes durch den Fötus ıst jedenfalls von mir an dem jugendlichen Er Fenterei nicht wacheewiesen. Wenn die Mehrzahl der heutigen Untersucher von dem zerstörenden Einfluss des Eies auf das uterine Gewebe über- zeugt ist, ja das Ei als zerstörenden Parasiten auffasst, so kann ich mich auf Grund meiner Befunde in der Tube nicht zu ihr bekennen. Nach Strahl-Beneke geht zwar im Üterus ein geringer Teil mütterlichen Gewebes zugrunde, er reicht aber für die Ernährung des Eies nicht aus und der Hauptteil bleibt unangetastet; für die Ansiedelung und die erste Entwickelung des Eies in der Tube bin ich zu den gleichen Schlüssen gekommen. Ich muss mich daher für die Anfanssstadien im Eileiter den Be hauptungen von Veit und Strahl-Beneke an. schliessen dass-daswEr keinen zerstörenden Einfluss auf seine Umgebung ausübt. Ein junges menschliches Eileiterei. 495 Das Alter des Eies. In der Publikation von Bryce und Teacher sind in übersichtlicher, klarer Weise die verschiedenen jungen Eier nach ihrem Alter zusammengestellt. Es ergibt sich daraus, dass die meisten Eier falsch berechnet, d. h. ihr Alter viel- fach zu jung angegeben ist. Nach Birch-Hirschield er- reicht das Sperma beim Menschen die Tuben gewöhnlich innerhalb 24 Stunden und man kann nach den vergleichenden Untersuchungen bei Tieren annehmen, dass zwischen Coitus und Befruchtung kaum ein grösserer Zeitraum als 24 Stunden liegt. Aus der vergleichenden Embryologie ist nun weiter be- kannt, besonders durch die grundlegenden Arbeiten vom Grafen Spee, dass das Meerschweinchenei erst 7 Tage post coltum im Uterus sich ansiedelt. Es scheint danach unwahrscheinlich, dass das Ei des Menschen sich in utero früher ansiedelt und so ist es wohl berechtigt, sich der Meinung Graf Spees an- zuschliessen, dass das menschliche Ei nicht früher als nach 7 Tagen seinen Ankerplatz findet. In Anbetracht dieser Tat sachen bei Tieren und auf Grund der ganz genauen Angaben über die regelmässige Periode, den befruchtenden Coitus und den Abort kommen Bryce und Teacher zu dem Resultat, dass ihr junges beschriebenes menschliches Ei 13—14 Tage alt ist. Es ist nach der Entwickelung der Eihüllen und des Fötus sicher das jüngste bisher beschriebene uterine Ei. Wenn nun die übrigen bekannten jungen Eier, obwohl sie mit ihren Föten relativ viel weiter entwickelt sind, sich eng an das Bryce-Teachersche im Alter anschliessen, so mag das darin seinen Grund haben, dass der Embryo nach der festen Ansiedelung des Eies verhältnismässig sehr rasch wachsen soll. Es wäre ja auch sonst nicht zu erklären, dass am Ende der vierten Woche der Fötus schon eine durchschnittliche Länge von 1 cm haben kann. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3.) 33 496 M. PENKERT, Wenn ich die ungefähre Grösse und Entwickelung der Föten mit dem meinigen vergleiche, so dürfte der von mir beschriebene sich fast unmittelbar an das von Beneke oder Frassi beschriebene Entwickelungsstadium anreihen. Herr Geh. Rat Gasser-Marburg hatte die Liebenswürdigkeit, den Embryo, soweit er vorhanden, einer genauen Durchsicht zu unterziehen und glaubte mir bei genauer Kenntnis der Präparate von Strahl-Beneke versichern zu können, dass er sich diesem Fötus (Strahl-Beneke) direkt anschliesse. (Ich er- laube mir, auch an dieser Stelle Herrn Geh. Rat Gasser meinen besten Dank auszusprechen.) Wenn ich dagegen die Entwickelung der Eiblase mit den bisher bekannten jungen Eiern vergleiche, so würde, wie oben berichtet, mein Tuben- ei ein viel höheres Alter haben müssen. Dagegen sprechen nun verschiedene Momente. Zunächst ist das Ei ein Tubenei, es ist höchstwahrscheinlich nach 24 Stunden befruchtet worden. Wenn es sich nun in der Tube sofort angesiedelt hat, so braucht es unnötigerweise doch wohl nicht zu seiner Weiterentwicke- lung den Zeitraum von ca. 7—8 Tagen, der bis zur Einnistung im Uterus vergeht. Diese sieben Tage hat es vor dem intra- uterinen Ei, das sich ja bekanntlich auf dem Wege von der Tube zum Uterus wenig oder fast gar nicht weiter entwickeln soll, voraus, und so ist es leicht möglich, dass die Fiblase und der Fötus im Verhältnis zum uterinen Ei sich schneller entwickeln können. Vielleicht ist aber auch mangels fehlender oder weniger umfangreicher Gegenleistungen von seiten der Tube das befruchtete Eı imstande, eine grössere Wachstums- tendenz an den Tag zu legen. Das sind jedoch Hypothesen, die nicht bewiesen werden können und auf zu phantastische Wege führen. Dann aber habe ich genauere Daten über dıe Menstruation und Cohabitation. Die Menstruation ist seit dem 14. Jahre stets regelmässig gewesen, alle 28 Tage, ganz typischer vier- Ein junges menschliches Eileiterei. 497 wöchentlicher Cyklus. Die letzte Periode war am 6. III. 1909 eingetreten, die nächste wäre am 3. IV. zu erwarten gewesen. Während der Uxor nach seinen glaubwürdigen Angaben bis dahin stets mit Condom verkehrt hatte, soll in der Nacht vom 3. zum 4. April eine Cohabitation ohne Sicherheitsmass- regeln stattgefunden haben. Am 16. IV. erfolgte dann die Ope- ration, bei der das oben beschriebene Tubenpräparat gefunden wurde. Zwischen dem Coitus vom 3. und 4. und der Ope- ration am 16. April liegen also 13 Tage. Wenn man nun 24 Stunden — zwischen Gohabitatton,. und in: prägnation verstrichen — abzieht, so bleiben 12 Tage übrig. Bryce und Teacher berechnen das Alter der Eier von Strahl-Beneke und Frassi auf 16 bis 17 bezw. 15 bis 19 Tage. Wenn meine Annahme richtig wäre, dass das tubare Ei durch seine baldige Ansiedelung in der Tube in seiner Entwickelung einen Vorsprung von 6 bis 7 Tagen vor dem uterinen hat, so könnte die Berechnung seines Alters auf ca. 12 Tage wohl stimmen, und so könnte der Fötus dem- jenigen von Strahl-Beneke und Frassi trotz seiner be- deutend weiter ausgebildeten Fruchthüllen nahegestellt werden. Über die Ätiologie dieser Tubenschwanger- schaft können nur Theorien aufgestellt werden. Bei der früher überstandenen Gonorrhöe des Mannes wäre es ja immer- hin möglich, dass in den 2 Jahren der Ehe eine schleichende gonorrhoische Salpingitis sich entwickelt hat. Infiltrate in der Tube sind nachzuweisen. Sie sprechen jedoch mangels anderer charakteristischer Merkzeichen der chronischen Gonorrhöe nicht für diese Erkrankung, wie ich schon oben ausführte. Vielmehr glaube ich, dass diese Rund- zelleninfiltrationen als Folgen der Gravidität aufzufassen sind, da auch sonstige schwerere gonorrhoische Veränderungen 33* 495 M. PENKERT, (Pelveo-Peritonitis usw.) nirgends zu finden waren. Vielleicht fallen aber die Veränderungen an den Ovarien in gewisser Weise bei der theoretischen Erwägung der Ätiologie mit ins Gewicht. Nach der Cohabitation traten sehr heftige Schmerzen ein, die vielleicht mit einer geringen Torsion oder Verlagerung des umfangreichen linksseitigen Kystoms in Zusammenhang zu bringen waren. Es wäre denkbar, dass dadurch bei der Reizung und Schmerzempfindlichkeit des Peritoneums Tubenwehen aus- gelöst wären und durch antiperistaltische Kontraktionen in der Tube dem weiteren Vordringen des Eies uterinwärts ein Wider- stand entgegengeworfen wäre. Das Ei hat sich infolgedessen in der ohnehin prämenstruellen Tubenschleimhaut angesiedelt und ist dann hier weiter gewachsen. Die Möglichkeit dieser Ätiologie ist mangels nachweisbar anatomischer Veränderungen, einer Missbildung oder mangelhafter Anlage der Tube, annehm- bar, sie liegt aber wie jede andere im Gebiet grauer Theorie. Schlussätze. 1. Die vorliegende Tubenschwangerschaft ist die jüngste wohlerhaltene und gut konservierte, die bisher beschrieben ist. Ihr Alter beträgt nach den über Menstruation und Co- habitation in Erfahrung gebrachten Daten ungefähr 12 bis 13 Tage. 2. Die Ansiedelung hat in einer an sich als normal an- zusehenden Tube stattgefunden. Die Ätiologie ist vielleicht zu suchen in antiperistaltischen Tubenwehen, die vielleicht Ein junges menschliches Eileiterei. 499 etwas bedingt sind durch Verlagerung und Drehung erkrankter Övarien. 3. Die Eiansiedelung erfolgt in der gleichen Weise wie im Uterus; das Ei siedelt sich nach Durchwanderung des Ober- flächenepithels im Schleimhautbindegewebe an, dasselbe wird entfaltet und allmählich verdrängt. Das Ei hält sich zunächst im Bindegewebe innerhalb des Tubenlumens, wächst anter Be- achtung der Grenzen der Muskulatur dort, wo es den geringsten Widerstand findet. 4. An der grössten Peripherie des Eies fehlt das Schleim- hautepithel, es fehlt ferner das Bindegewebe der Tube, das Tubenlumen ist hier ungefähr am 12. Tage bereits vollkommen ausgefüllt. 5. Eine zusammenhängende Decidua wird nirgends ge- bildet. Eine Hyperplasie, ein dem kindlichen proportionales Wachstum des mütterlichen Gewebes tritt nur bis zu einem gewissen Grade ein. Die Tube reagiert auf den fötalen Reiz ausserdem mit Hyperämie, Ödem, einer starken Leucocyten- infiltration und Glykogenaufspeicherung. 6. In den frühesten Stadien entwickelt sich das Eı nur in dem weichen, nachgiebigen Schleimhaut-Bindegewebe, später wohl auch dem intermuskulären Zwischengewebe folgend in der Muskulatur. Die Grenze zwischen maternem und fötalem Gewebe ist nur an ganz vereinzelten Stellen durch den öde- matös-fibrinoiden Streifen zu bestimmen, vielfach ist eine Unterscheidung zwischen beiden mit den postmortalen Färbe- methoden unmöglich. 7. Die Tube ist für die spätere Entwickelung des Eies als ein ungenügender pathologischer Boden anzusehen. 8. Die Eiperipherie befindet sich im ständigen Wachstum. In den ersten Monaten spielen sich in der peripheren Langhans- 500 M. PENKERT, Ein junges menschliches Eileiterei. schicht keine Degenerations-, wohl aber aktive Proliferations- prozesse ab, die sich äussern in einer reichlichen Glykogen- aufspeicherung in den Langhanszellen. 9. Die Eiperipherie hat keine ‚„fressenden‘ Eigenschaften ; eine Phagocytose oder ein dieser ähnlicher Vorgang ist nicht vorhanden. 10. Die Ansichten von Veit und Strahl-Beneke, dass das Ei bei seiner Ansiedelung im Uterus keinen zer- störenden Einfluss auf seine Umgebung ausübt, bestehen eben- falls nach meinen Untersuchungen für die frühesten Stadien der Eiansiedelung im Eileiter zu Recht. Figurenerklärung. Tafel 44. Fig. 1. Photogramm eines Schnittes am Anfangsteil der Eispindel. M. Tubenmuskulatur. Sf,. Unveränderte Schleimhautfalten in der Peripherie. Sf. Veränderte Schleimhautfalten mit Abstossung der Epithelien. c. Capsularis mit bl. Blutcoagulum. b. Basalis mit deeiduaähnlichen Zellherden. Tafel 45. Fig. 2. Photogramm weiter nach der Eihöhle zu. m. Muskelwulst im Lumen der Tube. Sy. Maschiges Syneytium ähnlich Strahls Zwischenzone. Sb. Schleimhautbindegewebsinseln. Sf. Schleimhautfalten. Tafel 46. Fig. 3. Photogramm eines Schnittes ungefähr durch die Mitte der Eı- höhle. Sf. Schleimhautfalten mit Blut im Lumen. C. Capsularis. L. Langhans- zellenschale. E. Eihöhle. Mes. Mesosalpinx. Tafel 47. Fig. 4. Übersichtsbild über die Fruchtblase und ihre Beziehungen zur Fruchtkammer. Von Schleimhaut ist in diesem Schnitt nirgends etwas zu sehen. Zwischen Muskulatur und Zottenmantel in der Peripherie Langhans- zellenschwärme, die dicht an die Muskulatur herangehen, stellenweise in diese hineingreifen. Syneytium nur noch sehr spärlich vorhanden. Ein zusammen- hängender Fibrinstreifen oder Degeneration nicht sichtbar. Tafel 48. Erklärung auf Seite 427—428. Tafel 49. Fig. 5. Vorwuchern der fötalen Elemente Langhans und Syneytium gegen eine Schleimhautfalte, Capsularis. Se. Schleimhautepithel, darunter noch 502 Figurenerklärung. dichtes Bindegewebe, das bald aufgelockert, durchfeuchtet wird. d. Deeidua- ähnliche Zellen. Fig. 6. Schnitt aus dem peripheren Teil der Eispindelspitze- f. Fötale Elemente. F. Ödematös-fibrinoider Streifen mit Leucocyten, dahinter Auf- lockerung des mütterlichen Bindegewebes. Sf. Schleimhautfalte mit Epithel. Fig. 7. Ödematöse Durchtränkung des Bindegewebes mit deeiduaähnlichen Zellen. Sy. Syneytium zwischen ihm und dem Ödem blasig gequollene Lang- hanszellen L. (anscheinend mit Glykogen). Dr. Drüsenähnlicher Schleimhaut- faltenquerschnitt. Fig. 8. Regelloses Durcheinander von Langhanszellen und mütterlichen Zellen, dazwischen Ödem in fibrinoider Umwandlung. Um das Gefäss r. u. Aufquellung, anliegend syneytiale Kernmassen, Eindringen der Langhans- elemente in Saftspalten des Bindegewebes und Vordringen eng zusammen- gepferchter Syneytialmassen. Fig. 9. Zottenanhaftung. Die Langhanszellen sind am proximalen Teile noch klein, um dann grösser und blasiger zu werden. Oben noch mütterliches Gewebe, fliessende Übergänge zwischen kindlichen und mütterlichen Zellen. Syneytiummassen schiessen unvermittelt im maternen Bindegewebe, das öde- matös gequollen ist, auf. Umrahmung der Langhanszellen durch Syneytium. Tafel 50. Fig. 10. Pilzähnlicher Pfropf in einer drüsenähnlichen Schleimhautfalte (Dr.). Die fötalen Elemente f. dringen gegen die Membrana limitans vor, Auf- lockerung, Ödem. Bl. Blutkoagulum, in beginnender Organisation. Ep. Epi- thelien unter dem Einfluss der Schwangerschaft verändert. Fig. 11. Schleimhautbindegewebe. Die Zellen z. T. ödematös gequollen, deeiduaähnlich. Intensiver gefärbte Kerne noch im Ruhestadium, die helleren gehören gequollenen Zellen an. Zwei Kernteilungsfiguren (M.) Fig. 12. Glykogennachweis im fötalen (f.) und mütterlichen (m.) Gewebe. Anordnung in grösseren und kleineren roten Tropfen. Einzelne grosse fötale Zellen fi. (Langhanszellen) mit Glykogentropfen. Am folgenden, nicht auf Glykogen gefärbten Präparat der Serie an Stelle der roten Tropfen Vakuolen, dadurch ist der Unterschied zwischen Langhans- und mütterlichen Elementen noch deutlicher. Tafel 51. Fig. 13. Schnitt durch den Embryo (wahrscheinlich Schwanzende). E. Ektoderm. A. Amnionhöhle. Fig. 14. Beginn der Primitivrinne Pr. Ek. Ektoderm. M. Mesoderm. E. Entoderm. G. Gefässe im Mesoblast. Ch. Chorionbindegewebe. Fig. 15. Grösster Durchmesser des Embryo. Primitivrinne deutlich aus geprägt. Ek. Ektoderm. M.p. parietales Mesoderm. M.v. viscerales Meso- derm. E. Entoderm. A. Amnionhöhle. AUS DEM PHYSIOLOGISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT KOPENHAGEN. DIE VITALE FIXATION DES ZENTRALNERVENSYSTEMS. ÜBER EINB NEUE HISTOLOGISCHE METHODIK UND DEREN VORLÄUFIGE RESULTATE. HOLGER MOLLGAARD, KOPENHAGEN. Mit 6 Abbildungen im Text und den Tafeln A—K. Win im Inhaltsverzeiehnis. Seite I. Die vitale Fixation der lebenden Gewebe . . . . 22 2.2.2... 507 Kap. 1. Die Methodik der „vitalen“ Fixation . . . 518 Kap. 2. Untersuchung der Moe Ihre allgemeine Seo barkeit und deren Grenzen . . Se OS ET: lI. Die „vitale* Fixation des Ze ne er 536 Kap. 1. Gliagewebe, Neurospongium und Nisslsche anularonen 937 Kap. 2. Einfache spezifische Färbung des Gliagewebes . . . 544 Kap. 3. Kontrolle der Präparationen mittelst Untersuchungen von ungefärbten und unfixierten Präparaten. . - 546 Kap. 4. Elemente der allgemeinen Histologie des Clasemehes 548 Kap. 5. Über Neurofibrilfärbung an vital fixierten Präparaten 558 Kap. 6. Studien über funktionelle Veränderungen in den Ner- venzellen : .:. 3.4 9% were ro! a) Die „ruhende* Nervenzelle. . . . 2 2 2 00. 562 b) Stase, Ersticken, Verbluten. . . 72566 c) Die direkte elektrische Irritation der Nervenzelle . 568 d) Das sekundäre Neuron in der elektrisch irritierten Leitung . - ll e) Spinale Wenirälhorzeilen nach ae ER de 572 f) Der Einfluss des Eınährungszustandes auf das Cie netz der Nervenzelle . . . .» a Er g) Untersuchungen über die Nurkoes er 576 Kap. 7. Versuch einer physiologischen Theorie des Blingewebes 58l Schluss: Von der Bedeutung der vitalen Fixation für die Neurologie und für die Nervenpathologie. - . -» : = 2 2 nn nn 889 Die ..vitale“* Fixation der lebenden Gewebe. Bei der histologischen Untersuchung von lebendem Ge- webe ist es immer eine Hauptfrage gewesen und zwar auch jetzt noch, ob man bei der für die mikroskopische Unter- suchung notwendigen Präparation des Gewebes, dessen Struk- tur dergestalt verändert, dass die Bilder, die das Mikroskop uns zeigt, den im lebenden Zustand vorkommenden Verhält- nissen nicht entsprechen. Diese Frage ist in der neueren Zeit mehr und mehr in den Vordergrund getreten, weil man sich mit den gröberen histologischen Details nicht mehr begnügt, sondern angefangen hat, die allerfeinsten Einzelheiten, die mit den Lebensäusserungen der Zellen zusammenhängen und die während der Funktion der Zellen morphologische Verände- rungen erleiden, zu studieren. Eine Untersuchung der morphologischen funktionellen Ver- änderungen in den Zellen lässt sich nur durchführen, wenn man während der Präparation entweder die Struktur der Zellen gar nicht verändert oder auch sie auf eine bestimmte Weise verändert, die für denselben Zellenzustand während aller Verhältnisse konstant ist und deren Konstanz man imstande ist zu kontrollieren. Eine histologische Präparation durchzuführen, die eine wertvolle mikroskopische Untersuchung ermöglicht, ohne das 508 HOLGER MÖLLGAARD, Gewebe zu verändern, ist, jedenfalls auf dem gegenwärtigen Standpunkt unseres allgemeinen biologischen Wissens, un- möglich. Es ist deshalb die Aufgabe der „physiologischen Histologie“, erstens die Veränderungen auf das möglich Geringste zu reduzieren, zweitens die Wirkungsart der Präparation absolut konstant zu machen. Die Kontrolle für die Konstanz wird durch eine kombi- nierte mikroskopische und physiologische Untersuchung geführt. In den ganz speziellen Fällen (Elementarorganismen), wo es möglich ist, das betreffende Gewebe im lebenden Zustand zu untersuchen ohne Vorbehandlung, kann die Kontrolle so weit geführt werden, wie es überhaupt möglich ist, indem man hier imstande ist, die Veränderungen, die während der Präpa- ration hervorgerufen werden, direkt zu beobachten und sich dadurch Aufklärungen zu verschaffen über deren Wirkung auf lebende Protoplasma im allgemeinen. In den meisten Fällen, wo es sich, wie in dieser Arbeit, um eine Untersuchung von zusammengesetztem (Grewebe han- delt, ist eine wirkliche wertvolle mikroskopische Untersuchung dagegen erst möglich, wenn die Gewebe eine Präparation er- litten haben. Eine Veränderung der Gewebe ist deshalb nicht zu vermeiden und es ist also unsere Aufgabe, das lebende Gewebe, das wir untersuchen wollen, auf eine solche Weise zu präparieren, dass wir unter demselben physio- logischen Zustand immer, ohne Ausnahme), ge- nau dasselbe mikroskopische Bild der feinsten histologischen Einzelheiten im Gewebe und dessen Zellen erhalten. Je mehr es uns gelingt, die künstlichen Veränderungen zu vermindern, desto näher können wir natürlich den wirk- lichen, im lebenden Zustand vorkommenden Verhältnissen zu- leibe gehen und desto konstanter müssen auch die Bilder, die das Mikroskop uns zeigt, erwartet werden. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 509 Um die Kunstprodukte so viel wie möglich zu vermindern, muss man natürlich so wenig wie möglich präparieren, Je weniger man präpariert, desto leichter ist es auch, die Folgen der Präparation zu kontrollieren. Will man dazu gelangen, die feinsten Strukturverhältnisse in den lebenden Zellen unter- suchen zu können, muss man deshalb zu allererst eine ganz einfache Präparationsmethode anwenden und dann deren Wir- kungen auf die lebenden Gewebe, die man untersuchen will, kontrollieren. Aber hiermit ist noch nicht alles gemacht. Wie oben er- wähnt, verlangt auch die physiologisch-histologische Unter- suchung, dass wir imstande sind, das Gewebe in einem be- stimmten physiologischen, funktionellen Zu- stand zu untersuchen. Da eine physiologische Funktion ein beständig vorwärts- schreitender Prozess ist, müssen wir, um dessen Verlauf zu untersuchen, den Prozess und die morphologischen Verände- rungen, die ihn begleiten, in dem bestimmten Augenblick, ın dem wir die Funktion zu untersuchen wünschen, unterbrechen können. Da eine mikroskopische Untersuchung eines zusammen- gesetzten Gewebes beinahe immer den Tod des Gewebes mit sich führt, ist es ausserdem notwendig, dass wir uns zu Herren der mortalen und postmortalen Veränderungen im Gewebe machen und sie, wenn möglich, ausschliessen. Dies wird nur vollständig erreicht, wenn wir imstande sind, die morpho- logischen Details im Gewebe zu festigen, bevor dieses stirbt und das Gewebe in einen solchen Zustand überzuführen, dass postmortale Prozesse ausgeschlossen, sind. Da jede solche Festigung von morphologischen Details in der Regel zugleich das Leben aufhebt, können wir wohl nicht weiter kommen als das Gewebe in genau demselben Augenblick, in dem wir es töten, zu „fixieren“. Da- mit aber sind wir gewiss auch praktisch gesprochen in der 510 HOLGER MÖLLGAARD, Methodik so weit gekommen, wie unser gegenwärtiges mikro- biologisches Wissen uns erlaubt sie auszunützen. Um alles kurz zusammenzufassen: die physiologische Histo- logie stellt folgende Forderungen an unsere Technik: 1. Den physiologischen Prozess zu unterbrechen und dessen begleitende morphologische Veränderungen unver- änderlich zu dem bestimmten Zeitpunkt, wo wir den Prozess zu untersuchen wünschen, zu befestigen, d.h. das Gewebe „vital“ zu fixieren. 32. Das Gewebe nach einer Methode zu fixieren, die so einfach ist, dass die Veränderungen, die dieselbe hervor- ruft, die möglichst geringsten sind, und die Bilder, die das Mikroskop uns zeigt, für denselben physiologi- schen Zustand so beständig sind, dass wir von künst- lichen Veränderungen — sofern solche überhaupt vorhanden sind — absehen können. Es ist ja nun sofort einleuchtend, dass die allgemein an- gewendete Form für histologische Präparation diese Forde- rungen sehr schlecht erfüllt. Wie bekannt, ist der Zweck mit dieser histologischen Prä- paration erstens die Details des Gewebes dergestalt zu fixieren, dass sie keine weiteren Veränderungen erleiden, zweitens das Gewebe in einen solchen Zustand zu versetzen, dass es sich in dünne Schnitte schneiden lässt, und somit der mikroskopi- schen Untersuchung zugänglich ist. Schliesslich färbt man die Schnitte, um die Details des Gewebes deutlicher zu machen. Dies alles erreicht man in der Hauptsache technisch ge- sehen auf folgende Weise. Man fixiert das herausgenommene Organstück in toto, indem man es eine längere Zeit (12—24 Stunden) in einer oder der anderen Fixationsflüssigkeit (Alkohol, Formol, Metallsalz) liegen lässt. Darauf werden die Gewebe- stücke entwässert und mit Paraffın oder Celloidin durchtränkt, das erste bei höherer Temperatur, das andere bei allgemeiner Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 511 Zimmertemperatur oder am liebsten im Eisschrank. Was Celloidin betrifft, härtet man in Alkohol nach. Erst wenn man soweit gekommen ist, kann das Gewebe in dem Mikrotom ge- schnitten werden. Wenn dies geschehen ist, müssen die Schnitte, falls Paraffin gebraucht wurde, durch Hilfe von Xylol davon befreit werden. Ist Celloidin angewendet worden, muss dieses weiter entwässert und die Schnitte in Xylol geklärt werden. Erst von diesem Augenblick an sind die Schnitte für mikroskopische Untersuchung zugänglich. Die Folge hier- von ist, dass man nur imstande ist, die Veränderungen zu kon- trollieren, die die Färbung einführen kann. Während der ganzen vorigen Prozedur von dem Augen- blick an, wo das Gewebestück herausgenommen wird, bis zu dem, wo es in Form von Schnitten unter das Mikroskop ge- bracht werden kann, ist es ganz ausser Kontrolle. Es ist nicht möglich zu entscheiden weder wieviel die lange Vorbehand- lung das Gewebe verändert oder in welcher Richtung. Ich möchte hier nicht näher auf die sehr umstrittene Frage der grösseren oder geringeren Wahrscheinlichkeit eingehen, dass nämlich die angewendeten Fixationsmittel das lebende Gewebe verändern. Ich will nur bemerken, dass der Gedanke, dass schwere Metallsalze, die Eiweissstoffe fällen und mit ihnen Verbindungen eingehen, dass Säuren, die Fett spalten und Al- buminate bilden, und dass Stoffe, die so reaktionstüchtig sind wie Formaldehyd, nicht die Details der Gewebe verändern sollten, so unwahrscheinlich ist, dass er nicht angenommen werden kann, bevor man in jedem einzelnen Falle den Beweis dafür erbracht hat. Dazu kommt ferner die Entwässerung der Gewebe, die Erhöhung der Temperatur, das Einbetten in Paraffin oder Celloidin und die Klärung mit Xylol. Dass diese Prozesse die fixierten Gewebe nicht verändern, ist wohl wahrscheinlich; was aber die meisten Gewebe betrifft, weiss man nichts davon. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3.) 34 512 HOLGER MÖLLGAARD, Dies alles lässt sich indessen durch Hilfe der Technik, die wir bis jetzt besitzen, nicht untersuchen. Die physiologische Untersuchung könnte indessen diese Untersuchung auch ent- behren, wenn die Wirkungsart der Präparationkonstant wäre. Die Wirkungsart einer solchen verwickelten und zusammen- gesetzten Methode konstant zu machen, ist natürlicherweise doch eine höchst schwierige, um nicht zu sagen unmögliche Aufgabe, und die traurige Variabilität und die Inkonstanz in den mikroskopischen Bildern der Gewebestücke, die von dem- selben Organ und unter denselben Verhältnissen genommen wurden, zeigt deutlich, dass es auch nicht gelungen ist. Was die feineren Details betrifft, gibt die allgemeine histologische Technik durchgehends so unbeständige Bilder, dass die Sicher- heit der Untersuchung in hohem Grade darunter leidet und oft ganz illusorisch ist. Dies kommt nicht allein von der zusammengesetzten Prä- paration, sondern stammt auch von einem anderen Fehler, der der allgemeinen histologischen Technik anhaftet, nämlich dass diese uns weder erlaubt, das Gewebe in dem physiologischen Zustand, in dem wir es zu untersuchen wünschen, zu fixieren, noch die postmortalen Veränderungen zu vermeiden. Die Fixa- tion „‚in toto“ geht so langsam vor sich, dass der physiologische Prozess weiter geht als wir es wünschen und das Gewebe längere Zeit tot sein kann, bevor es fixiert wird. Summiert man alles zusammen, so kleben an der allge- meinen histologischen Technik gerade alle diese Fehler, die die physiologisch-histologische Untersuchung zu vermeiden ver- langt. Die Wirkung dieser Fehler ist natürlich für die ver- schiedenen Gewebe verschieden und hängt davon ab, wie reaktionstüchtig das Gewebe ist, wie schnell und intensiv der physiologische Prozess verläuft und wie leicht das Gewebe nach dem Tode Veränderungen unterworfen ist. Das Gewebe, wo- von diese Untersuchungen besonders handeln, nämlich das Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 513 Centralnervensystem, lässt sich bekanntermassen in hohem Grade beeinflussen ; die physiologischen Prozesse verlaufen mit grosser Schnelligkeit, und wie wir später sehen werden, treten die postmortalen Veränderungen sozusagen sofort ein. Für physiologisch-histologische Untersuchungen des Centralnerven- systems ist die allgemeine Technik deshalb unbrauchbar. Ein Versuch, der leichten Veränderlichkeit des Nerven- systems einigermassen abzuhelfen, ist von Nissl gemacht worden, indem er während der Vorbehandlung zu seiner be- rühmten, nun überall angewendeten Methode das Einbetten in Paraffin oder Celloidin vermied, und die Gewebestücke direkt aus der Fixationsflüssigkeit (Alkohol) in das Mikrotom brachte. Auf diese Weise lassen sich Schnitte herstellen, die genügend dünn sind, so dass man die Nisslschen Granulationen in den Nervenzellen untersuchen kann. Nissl vermied indessen hierbei nur den Teil der Prä- paration, der nach allem was wir wissen am wenigsten Schaden verursacht und die späteren Untersuchungen mit den von Held eingeführten Modifikationen der NissIschen Methode zeigen auch deutlich, dass die Niss1l-Körner keine nennenswerten Veränderungen während des Einbettens in Paraffin erleiden. Über die Hauptsache, nämlich die funktionellen und namentlich diepostmortalen Veränderungen kommt Niss] nicht hinaus. Wenn es sich um gewaltsame Veränderungen (starke Chromatolysis, Sklerose) von Nervenzellen handelt, und das Gewebe in frischem Zustande und in kleinen Stücken fixiert wird, spielen die postmortalen Veränderungen natürlicherweise keine besonders grosse Rolle. Deshalb hat die Niss!sche Me- thode eine so ausgedehnte Anwendung bei Degenerationsunter- suchungen und Untersuchungen über chronische Vergiftungen finden können, und es kann nicht genügend hervorgehoben werden, dass diese Methode, wenn man sorgfältig nach Nissls Vorschriften arbeitet, gerade bei Untersuchungen über aszen- Ra4* 514 HOLGER MÖLLGAARD, dierende Degeneralion ganz vorzüglich ist. Man braucht absolut nicht, wie es in der letzten Zeit oft gemacht wird, seine Zu- flucht zur Statistik zu nehmen, um zu entscheiden, ob eine Sammlung chromatolytischer Zellen in einem Ganglion von der Exstirpation eines Organes herrührt oder nur ein Kunst- produkt ist. Aber zur Untersuchung der feineren funktionellen Ver- änderungen genügt die Niss1lsche Methode nicht. Die Unter- suchungen über die elektrische Irritation der Nervenzellen (Nissl, v. Lenhossek, Lugaro u. a.), die Wirkung des Ernährungszustandes (Schaffer, Lugaro, Jacobsohn) und die pathologischen Veränderungen während Krankheiten, zeigen deutlich genug, dass die Methode die Aufgabe, der sie gegenübergestellt ist, nicht zu bewältigen vermag. Dies kommt von zwei Dingen. Erstens sind die mikro- skopischen Bilder unter denselben Bedingungen nicht konstant, zweitens ist die Methode nicht empfindlich genug. Wohl meinte Nissl, den Begriff „das Nervenzellenäquivalent‘ als einen Sammelbegriff für das morphologische Aussehen der Nervenzellen, die von einem Tiere genommen sind, das auf eine bestimmte Weise getötet und nach der Niss|schen Me- thode behandelt wurde, aufstellen zu können. Für die gröbsten Veränderungen kann dieses Postulat aufrecht erhalten werden, aber ein Äquivalentbild im Sinne Nissls existiert nicht, so- bald es sich um die feineren Veränderungen in den Nerven- zellen handelt. Grössere oder kleinere Chromatinkörnchen, längere oder kürzere Entfernung zwischen ihnen, mehr oder weniger scharfe Färbung, leichtere Grade von Chromatolysis, centrale oder peripherische Verstaubung sind alle Unterschiede, die im Gehirn desselben Tieres zu finden sind, selbst wenn die vorgeschriebene Behandlung mit grösster Sorgfalt durchge- führt ist. Vielleicht rührt der Mangel der Methode an Empfindlich- Die vitale Fixation des Zentralner vensystems. 515 keit zum Teil davon her, dass die geringen Veränderungen von die Varietäten nicht unterschieden werden können. Aber, wie weiter zu ersehen ist, verhält es sich vielmehr so, dass die Nisslschen Körper infolge ihrer Natur über die erwähnten Variationen hinaus nicht verändert werden können, bevor die Veränderungen, die die Nervenzellen erleiden, von recht ein- greifender Natur sind. Aus dem folgenden wird zugleich her- vorgehen, dass der wesentlichste Fehler der Methode Nissls im Mangel an Herrschaft über die postmortalen Prozesse in der Nervenzelle liegt. Endlich kommt noch hinzu der Mangel an Kontrolle selbst bei der Alkoholfixation. Was das Centralnervensystem anbelangt, so hat man bis jetzt nicht eine Methode gehabt, die uns erlaubt, die postmortalen Verärderungen auszuschliessen. Dagegen ist versucht worden, die Technik auf einem anderen Gebiete der Histologie, nämlich auf dem der Granulauntersuchungen zu vervollstän- digen. Altmann führte das Ausfrieren des lebenden Gewebes während der „kritischen Temperatur‘ (— 200 bis — 30°) ein. Nach dem Ausfrieren trocknete er die Gewebestücke im Vakuum bei einer Temperatur von ungefähr — 20°. Darauf durchtränkte er die getrockneten Gewebestücke mit Paraffın, brachte das Gewebe in Schnitte und entfernte das Paraffın mit Xylol. An den Schnitten konnte er dann die Wirkungen der verschiedenen Fixationsmittel studieren. Bei dieser Methode schliesst Altmann wohl die post- mortalen Veränderungen aus, aber die Veränderungen, die in den Geweben infolge Trocknen, Paraffin’inbetten und Behand- lung mit Xylol entstehen können, sind durchaus ausser Kon- trolle; und was schlimmer ist, wenn das Gewebe in trockenem, unfixiertem Zustande mit Paraffin oder Xylol behandelt wird, werden, wie Altmann übrigens selbst bemerkt, alle fett- artigen Substanzen in den Zellen sich auflösen. Schon aus diesem Grunde würde die Methode zur Untersuchung des 516 HOLGER MÖLLGAARD, Centralnervensystems unmöglich sein. Für die weniger lipoid- haltigen Gewebe bedeutet diese Extraktion natürlicherweise nicht so viel, da aber stets die Kontrolle fehlt, sowohl beim Trocknen als bei der Paraffin- und Xylolbehandlung des ge- trockneten Gewebes, wird man niemals nur einigermassen sicher sein können, ob man Kunstprodukte oder wirklich exi- stierende Dinge vor sich hat. Wenn man nun trotzdem für eine gewisse Klasse von Ge- weben, bei welchen diese Methode besonders Anwendung fand, nämlich bei den Drüsen, nach und nach recht gute Auf- klärungen über die morphologischen Veränderungen während der spezifischen Funktion der Zellen erhalten hat, so kommt dies davon, dass man hier durch Untersuchungen an lebenden oder ganz [rischen Drüsen die Bilder kontrollieren konnte, die diese oder andere histologische Methoden gezeigt haben. Dass diese Untersuchung im frischen Zustande seine Grenzen hat, weiss jeder. Wenn das Organ nicht so dünn ist, dass man sogar im lebenden Zustande durch dasselbe sehen kann, was ja selten der Fall ist, ist man darauf angewiesen, es entweder als Zupfpräparat oder in dicken Schnitten zu unter- suchen. Die Bilder der ersten Methode werden oft sehr schwierig zu deuten sein und was die andere betrifft, hängt es von dem Verhältnis der Durchsichtigkeit des Gewebes und dessen Kon- sistenz ab, ob man von dem frischen Gewebe überhaupt Schnitte von solcher Dünne herstellen kann, dass man sie mikro- skopisch untersuchen kann. Von dem Centralnervensystem weiss jeder, dass dies sich nicht machen lässt. Andererseits aber ist es einleuchtend, dass wir gerade dieses Untersuchungsprinzip benutzen müssen, wenn wir der Lösung des Problems der histologischen Technik näher kommen sollen. Wir müssen mit anderen Worten einen Ausweg schaffen, um das Gewebe zu untersuchen, entweder ohne irgend welche vorausgehende Behandlung oder, wenn Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 517 dies unmöglich ist, dann nach einer Behandlung, deren Wirkungsart unter allen Verhältnissen konstant ist, unabhängig von dem physiologischen Zu- stande der Zellen und die so wenig eingreifend ist, dass sie selbst die feinsten physiologischen Prozesse nicht daran hindert, ihre morphologischen Wirkungen entfalten zu können. Fassen wir alles, was wir nun entwickelt haben, zusammen, ist leicht zu ersehen, dass die physiologisch Histologie folgende drei konkrete Forderungen an die Technik stellt: 1. denphysiologischenProzessindemAugen- blick zu unterbrechen, wo wir es wünschen ; ID das Gewebe in einen solchen Zustand zu versetzen, dass postmortale Prozesse ausgeschlossen sind, und 3. unter beständiger Aufrechterhaltungdieses Zustandes, das Gewebe für mikroskopische Untersuchung, ohne vorausgehende Be- handlung mit chemischen Agenzien, zugäng- lich zu machen. Dies alles zu machen, ohne überhaupt Veränderungen im Gewebe hervorzurufen, ist, wie schon erwähnt, für die meisten Gewebe unmöglich, jedenfalls augenblicklich, und da besonders für das Centralnervensystem, wovon diese Untersuchungsreihe besonders handelt. Falls man aber alle drei Forderungen durch Behandlung mit einem einzigen einfachen Agens er- füllen könnte, dessen Wirkungsart wir kannten und von welcher wir wüssten, dass sie unter allen Verhältnissen absolut konstant wäre, dann hätten wir in der Tat es so weit gebracht, mit Recht erwarten zu können, dass selbst sehr feine Veränderungen in den Zellen sich uns zeigen würden. Eine solche Methode würde mit voller Berechtigung den Namen „Die vitale Fixation“ tragen als die Methode, die uns erlaubt, die morphologischen Details des lebenden Ge- 518 HOLGER MÖLLGAARD, webes in einem dem lebenden so naheliegenden Zustande zu festigen, wie es vorläufig wohl möglich sei, weil sie sich nur von dem lebenden Zustande durch die Veränderungen trennt, die beständig durch eine Behandlung mit einem einzigen wenig eingreifenden Agens erfolgt. Die im folgenden beschriebene histologische Methode soll die Forderungen erfüllen, die an die „vitale Fixation“ gestellt wird, und die nachfolgenden Untersuchungen über die funktionellen Veränderungen des Centralnervensystems werden zeigen, dass sie, so weit meine Untersuchungen über dieses Gewebe vorläufig reichen, diese in Wirklichkeit vollständig er- füllt und also nicht ohne Recht ihren Namen trägt. Kap. 1. Die Methodik der „vitalen“ Fixation. Die neue histologische Methode ruht in ihrem Grundprinzip auf der Beobachtung, dass alle einigermassen homo- genen lebenden Gewebe bei einer Temperatur vonungefähr —20°CeineKonsistenzwieideelles Paraffin erhalten, so dass sie bei dieser Tempe- ratur ohne vorausgehende Fixation oder Ein- betten sich auf dem Mikrotom in Schnitte schneiden lassen, dieeineDickevon5ybis 1O uhaben, und die in technischer Hinsicht völlig auf der Höhe mit den besten Paraffinschnitten von gleicher Stärke sind. Alle einigermassen homogenen Gewebe brauchen also, um sie zum Gegenstand für mikroskopische Untersuchung zu machen, nur eine einzige Behandlung, nämlich das Ge- frieren bei niedriger Temperatur. Der Gang der Methode ist in der Hauptsache folgender: das Gewebe wird von dem lebenden Tiere oder spätestens in unmittelbarem Anschlusse an einen Nackenstich herausge- Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 519 schnitten. Es gefriert darauf in einer Kältemischung, die in einem Dewars-Gefäss steht. Darauf wird das Gewebe in ein dazu konstruiertes Mikrotom eingesetzt und in einer abgekühlten Flüssigkeit geschnitten, die die oben angeführte Temperatur (ca. — 200) hat. Die Flüssigkeit ist entweder eine indifferente Flüssigkeit, die nicht in das Gewebe eindringt, oder eine Fixa- tionsflüssigkeit, die die Schnitte im gefrorenen Zustande und ungefähr momentan fixiert. Im ersten Falle haben die Schnitte vor der mikroskopischen Untersuchung keine andere Veränderung erlitten als die Erstarrung durch die niedrige Tem- peratur; im anderen Falle sind sie in dem gefrorenen Zustande mit einem Fixationsmittel fixiert, dessen Wirkung wir ganz unter Kontrolle haben. Ist das Gewebe fixiert, kann es ge- färbt werden oder nicht, ganz wie man es wünscht. Zur Fär- bung werden nur einzelne chemische Stoffe verwendet, deren Bindungsweise so weit wie möglich spezifisch ist und deren Wirkung kontrolliert werden kann. Dies sind die Hauptprinzipien der Methode. Es folgt nun eine Beschreibung der technischen Einzelheiten in den ver- schiedenen Abschnitten der Methode. Das primäre Gefrieren des Gewebes. Da die physiologischen Prozesse, besonders im Centralnervensystem, sehr schnell verlaufen, gilt es, das Gewebe so schnell wie möglich zu erstarren. Es wird deshalb bei — 40° C gefroren. Das Gefrieren geht entweder in Alkohol t) oder in einer Mischung von Kohlenstofftetrachlorid und Xylol vor sich (siehe unten). Die Kältemischung wird hergestellt durch Zusatz von Kohlen- säureschnee zu der betreffenden Flüssigkeit, die sich in einem Dewars-Gefäss von passender Grösse befindet. Wenn die ') Bei dieser Temperatur fixiert der Alkohol das Gewebe nur, wenn es in Schnitten ist. Auf grössere Gewebestücke hat es sozusagen keinen Einfluss. Man kann die Gewebestücke tagelang bei —40° stehen lassen. Nimmt man sie dann heraus, findet man, dass eine äussere Zone von '/i mm fixiert ist. Der Rest ist ganz unbeeinflusst. 520 HOLGER MÖLLGAARD, Temperatur — 40° erreicht hat, deckt man das Gefäss mit Staniolpapier zu, und die Temperatur hält sich nun ungefähr selbst längere Zeit, konstant. Im Laufe einiger Stunden steigt sie nur ein paar Grad. Das zu untersuchende Gewebe wird nun von dem lebenden Tiere oder unmittelbar nach einem Nackenstich herausge- schnitten. Darauf ist es sofort in die Kältemischung zu über- führen. Wenn das herausgeschnittene Stück nicht grösser als 2 cm ist (und grösser braucht man ja in der Regel das Prä- parat nicht zu haben), nimmt es im Laufe von 4—5 Sekunden eine Konsistenz wie Kreide an. In diesem Zustande kann es dann aufbewahrt werden, solange man wünscht, wenn nur die Temperatur auf ungefähr — 40% gehalten wird. Dies er- reicht man am leichtesten dadurch, dass man das Gefäss mit der Kältemischung in einem anderen Dewars-(efäss mit etwas fester CO, auf dem Boden anbringt. Wenn man mit kleinen Tieren (z. B. Mäusen) zu tun hat, kann es mitunter zweckmässig sein, das ganze Tier zu ge- [rieren. Dies lässt sich auch recht gut machen, man tut aber am besten, die Temperatur auf — 50° herabzusetzen. Das lebende Tier steckt man dann direkt in die Kältemischung im Dewars-Gefässe. Es stirbt natürlich sofort, und was eine Maus betrifft, so ist das ganze Tier in 2—-3 Minuten durch- gefroren. Hat man mit etwas grösseren Tieren (Ratten) zu tun und will man das Gehirn gefrieren, muss man dieses am lieb- sten ım voraus teilweise entblössen, da es sonst nicht schnell genug erstarrt, wenn das Tier total gefriert. Was grosse Tiere betrifft, ist es am besten, die Exzisionsmethode anzuwenden, deren Technik unter dem Kapitel besprochen wird, das die vitale Fixation des Centralnervensystems behandelt. Das Mikrotom. Tafel I, Figur 1 zeigt eine Photographie eines Mikrotomes, das ich zur Herstellung von Gefrierschnitten angewendet habe. Es ist in den Hauptzügen auf folgende Weise Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 521 konstruiert. Ein allgemeines Schanzesches Mikrotom ist auf zwei Eisenschienen angebracht. Diese sind mit einem Glied versehen. um dessen Achse das Mikrotom schwingen kann und zwar so, dass es auf der Kante zu stehen kommt. Das Messer und die Schneidefläche des Objektes kommt dadurch in verti- kale Stellung. Um den Schlitten und das Messer in dieser Stellung abzubalanzieren, ist dem Mikrotom eine vierte Schiene angeschliffen worden. Das Messer ist ein allgemeines Paraffinmesser. Als Ob- jekttisch werden zwei verschiedene Modelle benutzt. Das eine ist eine ganz einfache Messingplatte, die mit dem Stab, durch dessen Hilfe sie im Mikrotom befestigt ist (siehe Tafel, Fig. 1), einen rechten Winkel bildet, und auf diese Weise vertikal zu stehen kommt, wenn das Mikrotom auf der Kante steht. Wie auf der Figur zu ersehen ist, ist sie mit den vordersten Enden an dem Stabe befestigt. Der ganze Rest der Platte ragt frei unter dem Messer hervor. Das andere Modell besteht aus einem rechtwinkligen Metallrahmen, der ebenso wie obige Metallplatte festgemacht ist. In diesem Rahmen ist ein Schieber, der mit Hilfe einer Schraube gegen einen Block im untersten Ende des Rahmens hinuntergeführt wird und auf diese Weise ein Prä- parat festklemmen kann. Das erste Modell wird für breite und dicke Präparate angewendet, das zweite für lange und dünne. Unter dem Messer ist, wie Tafel I zeigt, ein Metallkasten angebracht, der durch einen Führungsmechanismus auf zwei Säulen aufgehängt ist. Durch Hilfe einer grossen Schraube kann der Kasten gehoben und um das Messer und den Objekttisch emporgeführt werden. Der Kasten selbst ist wie ein allgemeines Kalorimeter gebaut. Er ist aus zwei Metallkästen zusammen- gesetzt, die ineinander mit einem Luftzwischenraum von 1 em angebracht sind. Der innerste Kasten ruht auf Elfenbeinstiften. Die Aussenseiten des inneren Kastens und alle Seiten des aus- wendigen sind vernickelt und blank poliert. Die Rinne zwischen HOLGER MÖLLGAARD, (ob) | [6] [X6) den beiden Kästen ist mit einem Ebonitdeckel bedeckt, der in die Rinne gepresst wird, um so dicht wie möglich zu schliessen. An dem Kasten ist schliesslich, wie die Tafel I zeigt, ein Thermo- meter angebracht, um die Temperatur bequem ablesen zu können. In dem innersten Kasten kann ein Drahtnetz eingeschoben werden, das genau in den Kasten passt. Mikrotom und Kalorimeter sind schliesslich mit Hilfe von Stellschrauben derart im Verhältnis zueinander eingestellt, dass letzteres sicher und schnell um das Messer und den Objekt- tisch emporgeführt werden kann, ohne irgendwo anzustossen. Das Verfahren beim Schneiden ist nun folgende Das Mikrotom wird vom Kalorimeter weggeschwungen. Die Flüssigkeit, in der man zu schneiden wünscht, wird in den innersten Kasten des Kalorimeters gegossen und durch Zusatz von fester CO, auf eine Temperatur von — 20° bis — 25° heruntergebracht. Darauf wird das Objekt, das sich bei — 40° befindet, zugeschnitten und zwar dergestalt, dass es plane Flächen und eine passende Grösse erhält (ca. 1 cem in der Regel). Benutzt man das erste Modell des Objekttisches, so ist das Präparat an diesen durch einen kleinen Tropfen Gummi arabicum-Lösung zu befestigen. Man gibt dem Präparat einen leichten Druck gegen den Objekttisch, schwingt das Mikro- tom herum, so dass es auf der Kante steht, und führt nun das Kalorimeter mit der Kältemischung bei — 20° um Messer und Objekt empor. Im Laufe einiger Sekunden friert das Präparat an dem ÖObjekttisch fest. Wenn dies geschehen ist, beginnt das Schneiden. Dies geschieht ganz auf dieselbe Weise, wie wenn man in Paraffin schneidet. Doch muss das Messer recht schräg gestellt werden. Die Schnitte schwimmen dann in die kalte Flüssigkeit hinaus. Sinken sie auf den Boden (dies hängt von dem spezifischen Gewicht der Flüssigkeit ab), lässt man sie ruhig liegen und schneidet weiter, bis man genug zu haben 523 Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. glaubt!). Wenn man fertig ist, lässt man das Kalorimeter wieder sinken und schwingt das Mikrotom weg. Man zieht nun alle Schnitte mit dem Drahtnetz des inneren Kastens heraus. Dieses wird so hoch gehoben, dass dessen Boden nur 1—-2 cm unter der Flüssigkeitsoberfläche steht. Man kann dann die, Schnitte bequem herausfischen, und zwar am besten mit ge- krümmten Glasstäben. Die Stärke der Schnitte hängt teils von der Natur des Gewebes, teils von der Temperatur ab. Im all- gemeinen kann man sagen, je gleichartiger das Gewebe ist, desto leichter lässt es sich in dünne Schnitte schneiden. Bei den meisten, bloss einigermassen gleichartigen Geweben, kann man ohne Schwierigkeit Schnitte von einer Dünne bis zu 5 u schneiden. Wenn das Gewebe, wie beim Centralnervensystem, ganz gleichartig ist, kann man Schnitte von 4—3 u herstellen. In solchem Falle aber muss das Messer beinahe fehlerfrei sein. Kleine Unebenheiten in der Schneide spielen hier natürlicher- weise eine weit grössere Rolle als beim Paraffinschneiden. Überhaupt gilt bei dieser Methode, dass man stets dafür Sorge trägt, ein gut geschliffenes Messer zu haben, sonst reisst man die dünnen Schnitte leicht entzwei. Was die Temperatur betrifft, ist zuerst im allgemeinen zu sagen, dass, je niedriger sie ist, desto dünnere Schnitte sich schneiden lassen. Unter — 30° darf sie doch nicht gehen, da das Gewebe in diesem Falle so hart wird, dass es unter dem Messer zerbröckelt. Demgemäss muss hervorgehoben werden, dass es für dasselbe Objekt bestimmte Temperaturintervallen gibt, die bestimmten Schnittdicken entsprechen und zwar der- gestalt, dass man innerhalb desselben Intervalls die Schnitt- dicke nicht viel variieren kann. Schneidet man dünnere Schnitte als die dem Intervall entsprechenden, so gehen sie entzwei, !) Will man Serienschnitte schneiden, muss man natürlicherweise die Schnitte, jeden für sich, herausnehmen. 524 HOLGER MÖLLGAARD, und schneidet man sie zu dick, rollen sie sich zusammen. Die absolute Lage der Intervallen ist für die verschiedenen Gewebe etwas verschieden. Für das Centralnervensystem, dessen Ver- hältnisse ich am eingehendsten untersucht habe, gibt nach- stehende Tabelle die am allgemeinsten angewendeten Schnitt- dicken und die entsprechenden Temperaturintervallen an: Schnittdicke: Temperaturintervall: Du — 25° bis — 20° 10 u — 22° bis —38° 15 u — 18° bis —15° 20 u — 17° bis —12° 25 u — 15° bis —10° 30 u« bis 50 u — 12° bis 50 Bei einer Temperatur über — 5° C ist es schwierig, mikro- skopische Schnitte von Geweben überhaupt herstellen zu können. Die Schneideflüssigkeit. Wie im vorgehenden er- wähnt, kann die Flüssigkeit, in der man schneidet, entweder eine indifferente oder eine Fixationsflüssigkeit sein. Beide Flüssigkeiten müssen natürlicherweise vertragen können, bis 300 abzukühlen, ohne zu erstarren. An die indifferente Flüssigkeit wird erstens die zu Forderung gestellt, dass sie nicht gegen das Gewebe reagieren darf, d. h. sie muss chemisch indifferent sein. Sie darf aber auch den physischen Zustand des Gewebes nicht verändern: sie muss also zugleich physisch indifferent sein. Dies letztere erreicht man nur, wenn die Flüssigkeit überhaupt nicht in das Gewebe dringt. Dies will aber zu guter Letzt sagen, dass wir eine chemisch indifferente Flüssigkeit, die sich in keinem Verhältnis mit Wasser mischt, anwenden sollen. Eine solche Flüssigkeit ist der nun in der Technik so viel angewandte Kohlenstofftetrachlorid(CÜl,). Dieser Stoff hat indessen in reinem Zustande zwei Fehler, nämlich Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 525 erstens, dass er eine so geringe spezifische Wärme hat, dass er bei konstanter Temperatur sehr schwierig erhalten werden kann, zweitens, dass er bei einer Temperatur von ungefähr — 230 zu einer geleeartigen Masse erstarrt. Mischt man in- dessen den Stoff in einem bestimmten Verhältnis mit Xylol (20 Teile Xylol zu 100 Teilen CCl,), so erhält man eine Flüssig- keit, deren spezifische Wärme bedeutend höher ist und die nicht erstarrt vor einer Temperatur von ungefähr — 50°. Die Mischung kann benutzt werden, da das Xylol gleichwie CCl, sich beinahe nicht mit Wasser mischt, und jedenfalls vielmals leichter in CCl, als in dem wasserhaltigen Gewebe löslich ist. Wie erwähnt, wird die Schneidungsflüssigkeit durch Zu- satz von fester CO, abgekühlt. Die feste CO, enthält jedoch nicht geringe Mengen Wasser. Da diese beiden Stoffe sich nicht mit Wasser mischen, gefriert dieses dabei und liegt wie eine milchartige Schicht auf der Oberfläche, wo es das Schneiden ım allerhöchsten Grade erschwert. Um diese Eisschicht zu ver- meiden, setzte ich der Flüssigkeit erst etwas festes Cal, zu. Dies nahm auch einen Teil des Wassers, aber nur, wenn man in der Flüssigkeit energisch herumrührte. Dabei wurde sie un- klar, so dass die Schnitte schwierig zu bekommen waren. Ich wählte deshalb, der Flüssigkeit ca. 4% absoluten Alkohol zuzusetzen. Diese Menge ist empirisch gefunden als die, die im allgemeinen gerade notwendig ist, das Wasser in der Menge Kohlensäure zu binden, die zugesetzt werden muss, um die Schneideflüssigkeit von der Zimmertemperatur bis — 250 C ab- zukühlen. Wenn die Temperatur zu diesem Punkt gefallen ist, wird beinahe aller Alkohol das Wasser aufgenommen haben, das er aufnehmen kann und auf diese Weise nicht abwässernd auf das (Gewebe wirken. Da der Alkohol in dieser Konzentra- tion zugleich nicht fixiert, wird die ganze Flüssigkeit den Schnitten gegenüber indifferent sein. 526 HOLGER MÖLLGAARD, Als Fixationsflüssigkeit habe ich bisher nur 96%igenAlkoholund Aldehyd angewendet. Das letztere ist sehr unangenehm zu benutzen, da es alle möglichen Metall- gegenstände oxydiert. Ich habe deshalb am meisten 96%igen Alkohol angewendet. In dieser Flüssigkeit pflege ich Schnitte von 5 oder 10 u zu schneiden. Diese dünnen Schnitte haben eine so grosse Oberfläche im Verhältnis zu ihrer Masse, dass sie in der kalten Flüssigkeit sofort fixieren. Sind die Schnitte 20-30 u, dann dauert es in der Regel ein paar Minuten, bevor sie ganz fixiert sind, aber in jedem Falle werden die Schnitte im gefrorenen Zustande von dem kalten Alkohol fixiert. Die Überführung der Schnitte aus "der Schneideflüssigkeit geschieht am leichtesten mit Hilfe gekrümmter Glasstäbe. An Metallinstrumenten bleiben die dünnen Scheiben oft festhängen. Hat man in Alkohol ge- schnitten, führt man die fixierten Schnitte in dieselbe Flüssig- keit bei 0°, teils um eine neue rapide Temperaturschwingung zu vermeiden, teils, und namentlich weil der Alkohol bei dieser Temperatur den Schnitten nicht schadet, selbst bei längerem Stehenbleiben. Nach der Fixierung kann man die Schnitte färben oder nicht, wie man es wünscht. Hat man in Kohlenstofftetra- chlorid geschnitten, sind die Schnitte unfixiert. Sie sind in diesem Zustande (besonders was das Centralnervensystem betrifft) ganz ausserordentlich zerbrechlich und deshalb sehr schwierig zu handhaben. Sie können nicht auf Glasstäbe auf- gefischt werden, da sie, buchstäblich gesprochen, vom Stabe „tropfen“, sobald sie an die Luft kommen, wo sie ja schnell Zimmertemperatur annehmen. Man muss deshalb ein Objekt- glas in die Flüssigkeit hinunterführen und die Schnitte auf dieses in gefrorenem Zustande auflischen. Da sich das Objekt- glas dabei gewaltsam abkühlt, erreicht man zugleich, dass die Temperatur, wenn die Schnitte aus der Flüssigkeit kommen, nicht so rapid steigt als sonst. Sobald der Schnitt oben ist, Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 527 bringt man einen Tropfen der kalten Schneideflüssigkeit auf ihm an; darauf überdeckt man ihn mit einem Deckglas und bringt ihn sofort unter das Mikroskop. Hier wird der Schnitt mit dem Paraboloidkondensor untersucht. Wie aus dieser Beschreibung hervorgeht, sind wir also imstande, im gegebenen Augenblicke die ganze histologische Präparation zueinereinzigsteneinfachenProzedur zu reduzieren, nämlich das Gefrieren des Gewebes bei niedriger Temperatur. An dem auf diese Weise behandelten Gewebe können wir kontrollieren, ob unsere Fixationsmittel die Struktur, die wir untersuchen, verändert haben von dem Zustand, worin sie sich in dem gefrorenen Gewebe befinden. Die Voraussetzung ist nur, dass wir die betreffende Struktur an den unfixierten und ungefärbten Schnitten sehen können. Aber an diesem Punkte meine ich, wie es später mit gutem Grund zu ersehen ist, dass wir mit dem Paraboloidkondensor überall aus- gezeichnete Resultate zu erreichen imstande sind, wo wir durch Gefrieren das Gewebe in einen solchen Zustand versetzen können, dass es sich in Schnitte schneiden lässt, die dünn ge- nug sind, um sie zum Gegenstand einer eingehenden mikro- skopischen Untersuchung machen zu können. Dies wird, wie erwähnt, bei allen einigermassen gleichartigen Geweben der Fall sein. Die Frage dreht sich nun um zwei bestimmte Dinge: erstens, ob das Gefrieren überhaupt die Struktur des lebenden Gewebes verändert und zweitens, ob dessen Wirkungsart, im Falle sie das Gewebe verändert, da immer konstant ist. Diese beiden Fragen nebst der Kontrollierung der Fixation wird im folgenden Kapitel behan- delt werden. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131 Heft :43. Bd. H. 3) 35 [e5} | 0 on HOLGER MÖLLGAARD, Kap. 2. Untersuchung der Methode. Ihre allgemeine Brauchbarkeit und deren Grenzen. Unsere erste Untersuchung gilt der Frage, inwiefern das Gefrieren des Gewebes dessen morphologische Einzelheiten verändert oder ob diese in der Form und gegen- seitigen Lage erstarren, worunter sie in der lebenden Zelle vor dem Gefrieren gefunden werden. Von physiologischen Untersuchungen weiss man, dass kaltblütige Tiere vertragen können, dass man ihre Temperatur einige Grade unter Null fallen lässt (Nattern in Eis eingefroren, Frösche in durchgefrorenen Wasserlöchern), ohne dass dabei das Leben definitiv aufgehoben wird. In diesen Fällen kann die Abkühlung natürlicherweise das Strukturverhältnis des Protoplasmas nicht viel verändert haben. Bei so niedrigen Temperaturen, wovon hier die Rede ist, wird das Leben natür- lich definitiv aufgehoben. Es geschieht also eine Veränderung im Protoplasma, die es mit sich bringt, dass das Leben nicht weiter existieren kann; die Aufhebung des Lebens aber kann eine Folge der Erstarrung des Protoplasmas durch die niedrige Temperatur sein; diemorphologischen Einzelheiten brauchen nicht verändert zu werden, weder in Form noch in chemischer Zusammenselzung, weil ihre physi- sche Zustandsform verändert wird, und man könnte sich gut denken, dass, wenn das Gewebe wieder aufgetaut ist, das physisch-chemische Substrat des Lebens dasselbe würde wie früher, jedenfalls so weit wir augenblicklich überhaupt ıim- stande sind, dies zu untersuchen. Einen positiven Beweis da- für, dass das Gefrieren keine Kunstprodukte erzeugt, kann nur in den einzelnen Fällen geführt werden, wo wir das Gewebe bei lebendigem Leibe vor dem Gefrieren untersuchen können. Untersuchungen dieser Art können an Elementarorganısmen ausgelührt werden, und man kann dabei zu wissen bekommen, Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 529 ob lebende Protoplasma im allgemeinen durch (Gefrieren ver- ändert wird oder nicht. Solche Untersuchungen habe ich eine ganze Reihe über Temperaturen von ungefähr — 40% gemacht. Rote Blutkörperchen vom Frosch sind in lebendem Zustande oval, scharf konturiert mit einem körmigen Kern und oft lichtbrechenden runden Randkörnern im Protoplasma. Ge- friert man nun ein Ausstrichpräparat von Froschblut in der Kohlenstofftetrachloridmischung oder in reinem Xylol bei — 40% und untersucht es unmittelbar darauf unter dem Mikro- skop, so zeigen die Blutkörperchen überhaupt keine Verände- rung von dem lebenden Zustande. Die Form des Blutkörper- chens ist dieselbe. Es sind keine Sprengungen oder Netz- bildungen im Protoplasma. Die Randkörner liegen an demselben Platz wie früher, und sehen genau so aus wie vor dem Ge- frieren. Schliesslich ist es auch nicht möglich, irgend welche Veränderung des Kernes zu entdecken. Weisse Blutkörperchen vom Lymphsack des Frosches während experimentell erzeugter Entzündung. Bei lebendigem Leibe kann man zwischen drei Arten weisser Blut- körperchen unterscheiden. 1. Blutkörperchen mit mehreren (2—3) Kernen und geringem Protoplasma, 2. Blutkörperchen mit grosskörnigen Kernen und kleinem Protoplasmarand und schliesslich 3. grosse Blutkörperchen mit viel Protoplasma und grossem polymorphem Kern. Nach Gefrieren in indifferenter Flüssigkeit sehen alle drei Arten ganz so aus wie vor dem Gefrieren. Weder in den Kernen, noch im Protoplasma ist irgend welche Veränderungen zu sehen. Grosse Epithelzellen mit grossen blasenförmigen Kernen (vom Lymphsack des Frosches) werden ebenfalls durch das Gefrieren nicht beeinflusst. Es sind speziell keine Spren- gungen oder Netzbildungen zu sehen. Rote Blutkörperchen von warmblütigen 35” 530 HOLGER MÖLLGAARD, Tieren, deren Aussehen ja allgemein bekannt ist, sind genau dieselben vor wie nach dem Gefrieren. Eine Nematode, die im Rectum des Frosches sich befindet, habe ich zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. In Ausstrichpräparaten von Darminhalt finden sich sowohl Wurm, Eier als Larven in grosser Menge. In den Eiern sieht man in der Mitte eine körnige Keimzelle und ausserdem eine Menge grosser Deckzellen mit deutlich grossem rundem Kern. Um das Ganze findet sich eine scharf konturierte Membran. Wenn die Larve entwickelt ist, liegt sie innerhalb des Mem- brans wie eine Oxyurislarve. Der entwickelte Wurm ist ein langer spindelförmiger Körper, der oft in Windungen liegt und bei lebendigem Leibe sich mit grosser Lebhaftigkeit bewegt. Wenn er still liegt, kann man deutlich eine Mundhöhle und einen Darmkanal sehen. Gefriert man nun das Ausstrich- präparat bei — 40° in indifferenter Flüssigkeit und untersucht es gleich danach, ist es nicht möglich, irgend welche Veränderungen bei den drei erwähnten lebenden Wesen zu finden, mit Aus- nahme, dass sich der Wurm nicht mehr bewegt. Die Eier mit ihren Keimzellen, Deckzellen und ihrer Membran sehen ge- nau noch ebenso aus, wie vor dem Gefrieren. Die Larven ebenfalls. Es finden sich keine Sprengungen weder von ihnen selbst noch ihrer Kapsel. Bei dem Wurm sieht man den Darmkanal und die Mundhöhle, und beides sieht ebenso aus, wie vor dem Gefrieren. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass lebende Protoplasma im allgemeinen die Struktur während einer Temperatursenkung bis 40% nicht wer- ändert. Ob dieses auch für die zusammengesetzten (Gewebe, spe- ziell das Centralnervensystem, gilt, können wir nicht zu wissen bekommen, da wir sie unter dem Mikroskop nicht untersuchen können, bevor sie gefroren sind. Es handelt sich nun hier um Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. die Frage, ob die Wirkungsart des Gefrierprozesses immer konstant ist. Theoretisch betrachtet ist es ja schwierig, einzusehen, wie sie inkonstant sein könnte. Bei einer Temperatur von — 200 wird eine jede in dem lebenden Gewebe vorkommende Auf- lösung erstarrt sein. Ob die Zelle sauer, neutral oder alkalisch reagiert, ob mehr Eiweiss in der einen und mehr Lipoid in der anderen ist, spielt in dieser Hinsicht nicht die geringste Rolle. Das Resultat des Gefrierens bei — 20° ist immer, dass alle Stoffe in den Zellen sich in fester Form befinden. Die einzigsten Variationen, wovon die Rede sein kann, ist ein stärkerer oder schwächerer Grad von Kristallbildung oder eine Bildung grösserer oder kleinerer Kristalle. Die Kristalle können entweder von Ausfrieren von Wasser herrühren oder von Ausscheiden der festen, in der Flüssig- keit der Zellen aufgelösten Bestandteile. In Pflanzenzellen, die oft grosse Vacuolen mit dünnflüssigem und darum stark wasser- haltıgem Zellensaft enthalten, ist es möglich, dass ein solches Ausfrieren des Wassers bedeutende Änderungen im Gewebe hervorrufen kann. Jedoch ist bei den tierischen Zellen, wo das Wasser in der Regel molekular mit dem Protoplasma ver- bunden ist, eine solche Bildung von grösseren Eiskristallen nicht gut denkbar. Was die festen Stoffe betrifft, so ist infolge unserer allgemeinen Erfahrung über das Auskristallisieren nur wenig Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass es bei den schwachen Konzentrationen der lebenden Zellen während der Ausscheidung der testen Stoffe überhaupt zu einer bedeutenden Kristall- bildung kommen sollte. Hierzu kommt, dass die Konzentra- tionsunterschiede, die bei den verschiedenen Zellen vorhanden sein können, oder sich bei der Zellenfunktion entwickeln, nie- mals bei lebendigem Leibe so gross werden können, dass sich infolgedessen ein Unterschied an Grösse und Menge der Kri- stalle nachweisen lässt. Dasselbe würde bei den Variationen der Kristallformen der Fall sein. 532 HOLGER MÖLLGAARD, Auf Grund dieser theoretischen Betrachtungen werden wir tatsächlich genötigt, anzunehmen, dass das Gefrieren bei nied- riger Temperatur eine Präparation ist, deren Wir- kungsartinallen Fällen eine konstante und von dem physisch-chemischen Zustande der Zellen unab- hängig ist. Der positive Beweis für die Richtigkeit dieser Folge- rung ergibt sich in dem Augenblick, wo es sich zeigt, dass man bei derselben Art Zellen und in demselben phy- sıiologischen Zustande immer genau dasselbe mikroskopische Bild der morphologischen Ein- zelheiten, die wir untersuchen, bekommt. Dieser Beweis wird durch die später erwähnten Untersuchungen über funktionelle Änderungen im Centralnervensystem geliefert werden. Gehen wir davon aus, dass die Wirkungsart des Ge- frierens immer konstant ist, so lassen sich also die Wirkungen unserer Fixationsmittel und in diesem Falle besonders die des Alkehols!) auf das Gewebe kontrollieren. Bei eben denselben Elementarorganismen, bei denen ich die Wirkung des (efrierens untersuchte, habe ich die Resultate der Fixation mit 96%igem Alkohol des gefrorenen (Gewebes geprüft. Einerseits sind die Untersuchungen so ausgeführt, dass die Organismen zuerst in einer indifferenten Flüssigkeit bei — 40" gefroren und später in 96%igem Alkohol bei 09 fixiert wurden, andererseits auf die Weise, dass sowohl das Gefrieren, wie auch das Fixieren in Alkohol bei — 40% ausgeführt wurde. Die Ergebnisse der Versuche waren für alle vorhergehenden erwähnten Organismen dieselben. In der Struktur des Gewebes zeigte es sich unmöglich, irgend welche Änderungen von dem ') Es ist mir vorläufig nicht gelungen ausfindig zu machen, wie man in anderen Fixationsmitteln als (in) denen, die wie Alkohol oder Aldehyd sich bei niedriger Temperatur ohne Erstarrung abkühlen lassen, schneiden kann- Vielleicht lassen sich doch die Fixationsmittel in der indifferenten Flüssigkeit lösen. Diese Arbeit habe ich angefangen, aber noch nicht beendet. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 533 Zustande nachzuweisen, in welchem sie sich nach dem Gefrieren befand. Darauf habe ich die Orga- nismen mit einer wässerigen Lösung von Toloidinblau gefärbt, jedoch waren auch nach diesem Verfahren Kunstprodukte nicht nachzuweisen. Die feineren Strukturen im Kern und Proto- plasma waren stets dieselben. Weiterhin habe ich Jdas Ver- halten verschiedener zusammengesetzter Gewebe den Alko- holfixationennachvitalem Gefrierengegenüber untersucht, und zwar sowohl das des inhomogenen als auch das des einigermassen homogenen Gewebes. Von in- homogenen Geweben habe ich das Mesenterium des Meer- schweinchens bei Entzündung untersucht (Lapis peritonitis). Hier hat man ausserdem den Vorteil, dass dieses Gewebe sich in lebendem Zustande untersuchen lässt, bevor man es be- handelt. Es zeigt sich, dass durch Gefrieren bei — 40° und fol- gender Fixation in Alkohol bei 0% überhaupt keine sichtbaren Änderungen der verschiedenen Elemente, aus welchen dieses Gewebe zusammengesetzt ist, entstehen; rote und weisse Biut- körperchen, grosse Epithel- und Bindegewebezellen mit ihren Chromatinschlingen, Gefässwände mit ihrem Endothel, Binde- gewebefäden, alles wird vielleicht etwas deutlicher, aber was Form, Aussehen und gegenseitige Lage betrifft, ganz wie vor- hin. Bei diesem Gewebe bewirken das vitale Gefrieren und die Fixation also keine Kunstprodukte. Daraus folgt aber nicht, dass es überall so ist. Die Frage muss ganz natürlich für jedes einzelne Gewebe untersucht werden, und es zeigt sich dann auch, dass man mitunter unzweifelhafte Kunstprodukte, und zwar Sprengungen des Gewebes, bekommt. Schneidet man in 96%igen Alkohol und bei — 20% eine gefrorene Niere, so zeigt die mikroskopische Untersuchung, dass ungefähr alle Harn- kanäle gesprengt sind. Ihr Epithel ist zerrissen und liegt wie Zellenhaufen um grössere Löcher im Gewebe, und sie sind schliesslich so zueinander geordnet, dass es aussieht, als ol 534 HOLGER MÖLLGAARD, sich das Bindegewebe zwischen den Kanälen retrahiert und das Kanalepithel zerrissen hätte. Diese Sprengungen treten während der Alkoholfixation auf. In der vital ge frorenen Niere findet man sie nicht. Wahrscheirlich liegt die Sache so, dass der Alkohol bei der schnellen Fixation des Schnittes das Bindegewebe zum heftigen Einschrumpfen bringt, so dass es die Kanalepithelien zerreisst. Die Epithelzellen selbst — und das muss hervorgehoben werden — ändern sich dagegen nicht. Weder Sprengungen noch Netzbildungen oder andere Änderungen im Kern oder Protoplasma werden sichtbar. Von einigermassen homogenem Gewebe habe ich vornehm- lich das Centralnervensystem untersucht. Dieses wird aber im folgenden besprochen werden, und darum lassen wir vorläufig jene Resultate ausser acht. Ausser dem Gentralnervensystem habe ich die Leber unter- sucht. Ich habe vital fixierte Schnitte dargestellt und sie mit Hämatoxylın gefärbt. Bei solchen Schnitten bemerkt man, dass die Leberzellen durchgehends von einem Maschenwerk durch- gezogen sind. Um den Kern liegt eine ringförmige Masche. Hiervon geht ein Maschenwerk, aus runden Maschen bestehend, hinaus nach der Peripherie. Ganz peripherisch vereinen sie sich mil einer Ringmasche, welche um die Zellenkontur läuft und deren polygonale Form gut darstellt. Was das für eine Bildung ist, weiss ich vorläufig nicht. Anfangs glaubte ich, es wären intercellulare Secretcapillaren, und dass die Ringmasche um die Zellenkontur eine Gallen- capillare sei. Auf Grund des Verhaltens dieser vermeintlichen (Gallencapillaren zu den Blutgefässen kommt dieses mir unwahr- scheinlich vor, und ich neige zu der Anschauung, dass es das auch auf andere Weise nachgewiesene Protoplasmareticulum zwischen den Glycogenablagerungen der Leberzellen ist. Wie dies nun auch sei, so müssen wir, bevor wir neue Unter- Anat.Hefte IAbteilung Heft 131 (43.Bd.H.3. WEGE HET RESTE NEE N a na vg 34 a Ta, N UV ? ER SEERDEETTLT ; ART ZZ a Verlag v.J.F Bergmann,Wiesbaden \s Sr un Die vitale Fıxation des Zentraluervensystems. 535 suchungen bewerkstelligen, natürlicherweise wissen, ob es über- haupt reelle Bildungen oder vielleicht nur Kunstprodukte der Fixation sind, die wir vor uns haben. Um dieses zu untersuchen, beseitigen wir die Fixation, schneiden die Leber in der Kohlenstofftetrachlorid- mischung und untersuchen die Schnitte im Paraboloidkon- densor. Bei dieser Untersuchung sah ich in den Leberzellen ein lichtbrechendes Maschenwerk, welches mit den bei der Häma- toxylinfärbung der vital fixierten Präparate vorgefundenen Maschenwerken völlig identisch war. Das Netzwerk stammt also nicht von der Fixation. Da wir jetzt in keinen der bisher untersuchten Zellen nach dem Gefrieren überhaupt etwas bemerkt haben, das in ge- ringstem Grade einer solchen Netzbildung, wie wir in den Leberzellen vorfanden, gleicht, da der Fund konstant und es schliesslich theoretisch gesehen sehr schwierig denkbar ist, dass das Gefrieren eine solche Wirkung haben könnte, so werden wir genötigt anzunehmen, dass dieses Maschenwerk reell existiert. Von dessen Natur und Funktion kann ich vor- läufig nichts Bestimmteres sagen. Diese Untersuchung der Leber ist ein typisches Beispiel einer Kontrolluntersuchung der Fixation. Für das Central- nervensystem werden wir später darauf zurückkommen. Aber schon jetzt lässt sich im allgemeinen sagen, dass die Alkohol- fixation keine Änderungen bei den gefrorenen Schnitten hervor- ruft, wenn diese einigermassen homogenen Organen ange- hören. Wenn die Organe sehr inhomogen sind, wie z. B. eine Niere, welche grösstenteils aus Epithelien mit Gefässen und Bindegewebe dazwischen besteht, so kann das Gefrieren heftige Sprengungen hervorrufen, weil die Widerstandsfähigkeit an den verschiedenen Stellen des Gewebes sehr verschieden ist, näm- lich am grössten im Bindegewebe und am geringsten in de” Epithelien; hierdurch werden nur die Zellenelemente des Ge- 536 HOLGER MÖLLGAARD, webes voneinander getrennt. Das Protoplasma der Zellen ändert sich aber nicht. Natürlich sind gewöhnlich solche Prä- parate unbrauchbar. Die Grenzen der Alkoholfixa- tion fallen deshalb sicherlich mit den Gebieten des einigermassen homogenen Gewebes zusam- men. Bei dem Gefrieren haben wir dagegen vorläufig nichts gefunden, das auf eine Bildung von Kunstprodukten hindeuten könnte. Bei den untersuchten Elementarorganismen wissen wir, dass solche nicht vorkommen. Was die zusammengesetzten Gewebe betrifft, wissen wir jedenfalls von der Leber, dass die uns bei dem Gefrieren gegebenen Bilder konstant sind. Dass dieses auch für das Centralnervensystem der Fall ist, wird sich durch die folgenden Untersuchungen über einige funktionelle Änderungen des Systems ergeben. Wie weit die Gefriermethode reicht, wissen wir deshalb vorläufig nicht. Alles deutet jedoch darauf hin, dass sich ihr Gebiet bedeutend über den begrenzten Abschnitt der Histologie, wo ich sie bis jetzt benutzt habe, erweitern lässt, und es ist meine Zuversicht, dass sie eine wertvolle Hilfe bei der Kontrolle unserer Fixations- mittel und überhaupt bei der Untersuchung über die Wirkungen unserer allgemeinen histologischen Präparation auf das lebende Gewebe werden wird. II. Die .‚vitale* Fixation des Zentralnervensystems. Die jetzt folgenden Mitteilungen über meine Untersuchungen des Centralnervensystems nach vitaler Fixation ist eine kurz- sefasste Darstellung der Resultate, die ich bis jetzt durch die Gefriermethode erzielt habe. Ich bitte meine Leser sie als eine Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 537 vorläufige Mitteilung zu betrachten, und lasse darum die hierhin gehörende Literatur ausser acht. Dieses scheint mir um so mehr berechtigt, weil die Literatur, die die im folgenden behandelte Frage betrifft, bekanntlich so umfassend ist, dass die Platzverhältnisse nicht eine bloss einigermassen eingehende Darstellung der wichtigsten Punkte gestatten könnten. Ich erlaube mir deshalb, objektiv mitzuteilen, was ich auf experimentellem Wege gefunden habe, und ich berühre nur die Literatur, wo wir direkt mit einigen der Hauptprobleme der Histologie des Centralnervensystems in Verbindung kommen, und wo wir, um die Verhältnisse während der vitalen Fixation zu verstehen, dazu genötigt werden, mit dem bis jetzt ge- fundenen zu vergleichen. Kap. 1. Gliagewebe, Neurospongium und Nissische Granulationen. Entfernt man schnell die Theca cranii einer lebenden Ratte, und lässt man das Grosshirn in ein Dewars-Gefäss mit Alkohol bei 40% fallen, so gefriert das Gehirn im Laufe weniger Sekunden zu einer Konsistenz wie Kreide. Bringt man nun das Gehirn in toto in das Mikrotom und schneidet man es ın Schnitte von 10 u in Alkohol bei —- 20°, so bekommt man eine Reihe dünne Schnitte, die im Laufe kurzer Zeit in gelrorenem Zustande in dem kalten Alkohol fixiert werden. Färbt man alsdann diese Schnitte mit einer dünnen Lösung von Toluidinblau (1%), wäscht man den ungebundenen Farb- stoff mittels Alkohol aus und schliesst auf gewöhnliche Weise in Dammarharz ein, so zeigt das Mikroskop das Bild der Nerven- zellen im Corticalis, welches in Textligur 1, Abbildung 1, dar- gestellt ist. Auf dieser Abbildung sieht man drei Arten von Zellen. Die mit a bezeichnete Art ist die allgemeinste. Man sieht eine ringförmige Kontur und einen birnähnlichen Körper, 538 HOLGER MÖLLGAARD, der sich von der Kontur in den Ring hinein erstreckt. Von diesem Körper können auch ein paar Fäden ausgehen, die ihn mit der Kontur verbinden. Für einen Teil der grösseren Zellen bekommt man die Bilder, die von dem Typus b und c darge- stellt werden, also eine Kontur, die die Zellenform und einige grobe Maschen innerhalb dieser Kontur nur schwach wieder- gibt. Sonst sieht man nichts von den Nervenzellen. Es ist gemeinschaftlich für die drei Arten, dass das zwischen den Maschen liegende Protoplasma ganz farblos ist. Von dem Textfigur 1. zwischen den Zellen liegenden Gewebe sieht man nichts ausser den Capillaren, den Gliakernen, und hier und da die Kon- turen der Achsencylinder. Man kann nun den Versuch so ausführen, dass man zu- erst von einer lebenden Ratte ein Stück des Grosshirns ex- zidiert, es zum Gefrieren und in fixierte Schnitte bringt, dar- auf das Tier tötet, drei Minuten nach dem Tode wieder ein Stück des Grosshirns exzidiert und wie oben behandelt, und schliesslich sieben Minuten nach dem Tode ein letztes Stück für dieselbe Behandlung exzidiert. Färbt man nun diese Schnitte mit Toluidinblau, so sieht man eine Entwickelungsreihe, die oben in den Textfiguren 1, 2 und 3 dargestellt ist. Das erste Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 539 Stück (1) zeigt die Nervenzellen ganz wie bei dem oben be- sprochenen Tiere. Drei Minuten nach dem Tode haben sie das in Abb. 2 dar- gestellte Aussehen, und sieben Minuten post mortem das in Abb. 3. Bei einer näheren Untersuchung zeigt es sich, dass die Zeit, die vergeht, bevor sich die Bilder 2 und 3 zeigen, bei den verschiedenen Tierarten etwas variiert und ebenfalls auch bei den verschiedenen Individuen derselben Art. Stadium 3 ist jedoch in der Regel 10—12 Minuten nach dem Tode ein- getreten. Untersucht man gleichzeitig die chemische Reaktion für Cortex, so zeigt sich diese stets in mehr saurer Richtung zu bewegen. 10 Minuten nach dem Tode (Stadium 3) reagiert sie stark sauer auf neutralem Lackmuspapier. Mit anderen Worten: Die vital fixierte und mit Toltuidinblau gefärbte Nervenzelle zeist uns höchstensein aus3—4grobenMaschen bestehen- des Maschenwerk. Übrigens ist die Zelle völlig farblos. Im Laufe der ersten Minuten nach dem Eintreten des Todes nimmt dieses Maschenwerk zu, indem die Maschen zahlreicher und feiner werden. Ungefähr 10—12 Minuten nach dem Tode erreicht diese Entwickelung ihren Höhepunkt. Par- allel damit wird die Reaktion der Gehirnrinde stets sauer. Lässt man nun das Gehirn längere Zeit nach dem Tode liegen, so fängt die Grundsubstanz zwischen den Netzmaschen nach und nach an, färbbar zu werden. Mit Toluidinblau wird sie in der Regel rotviolett gefärbt. Der Eintritt dieses Stadiums ist etwas verschieden und natürlicherweise teils von dem Zu- stande des Tieres und teils von der umgebenden Temperatur abhängig. Man kann so ungefähr angeben, dass die Grund- substanz 11/,—4 Stunden nach dem Tode anfängt, färbbar zu werden. Lässt man noch längere Zeit, 15—20 Stunden, hingehen, so nimmt die Färbung des Protoplasmas zu, und gleichzeitig 540 HOLGER MÖLLRAARD, fangen die Netzmaschen an, zu zerreissen. Das Maschenwerk sieht aus, als ob es sich an den Berührungspunkten retrahiert und bildet merkwürdige, zusammengeballte Massen. Gleich- zeitig verändert sich auch die zwischen den Zellen liegende Substanz, indem sich ein in diesem befind- liches Netzwerk färbt, welches an Ausschen und Form dem in den vorhergehenden Stadien in den Zellen vorhandenen Netz ähnlich ist. Ob die beiden Maschenwerke miteinander in Ver- bindung stehen, lässt sich nach diesen Präparaten nicht sagen. Gefriert man nun ein kleines Stück Gehirn einer vor sieben Minuten gestorbenen Ratte und bringt es dann in 96%oigen Alkohol bei Zimmertemperatur und lässt es 1!/,; 2 Stunden liegen, um danach in Alkohol bei — 20° zu schneiden und schliess- lich die toluidinblaugelärbten Schnitte zu untersuchen, so findet man, dass die Netze anfangen einzuschrumpfen und zu zer- brechen. Lässt man das Stück ca. 12 Stunden in 96%1igem Alkohol liegen, zeigen sich Bilder wie die in Textligur 1, Ab- bildung 4. Man sieht deutlich, dass sich in diesen Zellen zwei Arten Formelemente, Netz und Granulationen befinden. Die Netze gleichen den Netzen, die man durch Fixation sieben Minuten nach dem Eintreten des Todes sah, und die Granu- lationen vollständig den Niss!-Körnern. Untersucht man solche Präparate genauer, sieht man oft Zellen, wo die Netze noch in der Zelle deutlich sind, wo es sich aber nach genauer Untersuchung zeigt, dass sie aus einer ganzen Reihe läng- licher Körner bestehen. In den anderen Zellen sieht es aus, als ob sich die Netze zusammenballen, und zwar an den be- rührungspunkten zwischen den Maschen. Auf diese Weise können sich grosse und stark gefärbte, längliche oder dreieckige Granulationen bilden. Ziemlich häufig findet man solche grosse Granulationen über dem einen Pol des Kerns, und mitunter sieht man sie direkt in die Maschen des noch restierenden Netzes hinübergehen (Abb. 4b). Man Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 54l sieht sofort, dass diese grossen Granulationen dem Aussehen und der Lage nach der bekannten Polkappe, die man in der Regel auf den Niss|-Präparaten findet, ähnlich sehen. Ver- gleicht man Abb. 4 und 5, welche durch allgemeine!) Nissl- Präparation hergestellt sind, bemerkt man auch, dass die Granu- lationen, die — so weit man sehen kann — durch Zerbrechen des Netzes in den Zellen entstehen, sowohl an Aussehen, wie auch an Form und Lage den Niss1schen Körpern ähnlich sind. Wenn wir jetzt die Resultate der erwähnten Unter- suchungen zusammenfassen, lässt sich folgendes über die Nisslschen Granulationen sagen: 1. Niss1l-Körner existieren nicht in vital fixierten Nervenzellen. 2. Nissl-Körmer sind Kunstprodukte, hervorgerufen während der Alkoholfixation. Gleichzeitig habe ich mich davon überzeugt, dass vital fixierte Schnitte sıch selbst nicht bei längerem Verweilen in 96%igem Alkohol bei Stubentemperatur verändern. Also ist es nicht der Alkohol allein, welcher die Bildung der Nissl-Körner erzeugt. Durch die vitale Fixation haben wir einen Faktor ausgeschlossen, welcher bei der Nissl- Präparation mitwirkend ist, nämlich die postmortale Änderung der Zelle. Von dieser wissen wir, dass ihr erstes Resultat ein Maschenwerk im ungefärbten Protoplasma, und ihr zweites ein zusammengeballtes Maschenwerk im ge- färbten Protoplasma ist. Wir müssen alsdann annehmen, dass die Niss|-Körner durch eine gemeinsame Wirkung der post- mortalen Änderung und der Alkoholfixation entstehen. Gleich- zeitig wissen wir jetzt, dass die postmortale Änderung eine !) Hiermit ist gemeint eine 4tägige Fixation in stets gewechseltem Alkohol. Darauf ist das Gehirngewebe auf dem Gefriermikrotom in Alkohol bei 20° geschnitten worden, weil man dadurch dünnere Schnitte bekommt, als wenn man den fixierten Block bei Stubentemperatur schneidet. 542 HOLGER MÖLLGAARD, zunehmend saure Reaktion des Gehirngewebes verursacht. Da der benutzte Farbstoff aber ein basischer Stoff ist, so liegt es sehr nahe, das Erscheinen des Netzes als ein Resultat der post- mortalen Spaltung in den Nervenzellen zu sehen, deren weitere Entwickelung wir aber durch das Gefrieren 10 Minuten nach dem eingetretenen Tode unterbrechen und durch die vitale Fixation ausschliessen. Die Nissl-Körner sind darum als Kunstprodukte anzusehen, und zwar als solche, die durch eine Verbindung der sauren postmortalen Spaltung und der langsamen Alkohol- fixation entstanden sind. Dieses ist in Wirklichkeit dasselbe Resultat, welches Held!) durch seine Untersuchungen über die Natur der Nissl- Körner erzielte. Jedoch legt Held sicherlich zu grosses (Ge- wicht auf die postmortale Spaltung. Wenn man das Gehirn- gewebe 24 Stunden nach dem Tode liegen lässt, kann man ein Zusammenballen der gefärbten Zellensubstanz zuwege bringen, aber keine typischen Nıss|-Körner. Diese erscheinen erst dann, wenn im selben Zeitraum das Gewebe mit 96%%igem Alkohol behandelt wird. Die sich nun zuerst einstellende Frage ist die von der Natur des Zellennetzes. Wir haben gezeigt oder jedenfalls im höch- sten Grade wahrscheinlich gemacht, dass die Nissl-Körner von diesen Netzen gebildet werden. Dadurch ist die Frage jedoch nur seiner Lösung näher gebracht worden. Jetzt liegt uns ob, ausfindig zu machen, wovon die Netze stammen und was für Bildungen es sind, die wir vor uns haben. Untersucht man die Cortexzellen der grösseren Tiere (des Hundes) 10—15 Minuten nach dem Tode, so bekommt man durchgehends das- selbe Bild wie bei den Ratten. Hier und da findet man aber Zellen (in der Regel grosse Zellen), neben welchen sich stark ') Held: Archiv für Anatomie (u. Physiologie) 1897 pag. 204. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 543 gefärbte, längliche oder halbmöndförmige Körperchen befinden, von welchen mehrere fadenförmige Verlängerungen ausgehen. Diese gehen in die Nervenzellen hinein und zerteilen sich hier zu einem Maschenwerk, das ebenso wie das obenerwähnte aus- sieht (siehe Textfig. 1, Abb. 6). Da man bekanntlich immer in den Nissl-Präparaten Gliazellen vorfindet, die in der nächsten Nähe der grossen Pyramidenzellen gelegen sind, so könnte man sehr dazu geneigt sein, diese Körperchen für Glia- zellen und das Maschenwerk für eine Bildung gliösen Ursprunges zu halten. Die auf diese Weise erhaltenen Bilder sind indessen allzu inkonstant und unsicher, um eine solche Anschauung darauf zu gründen. Dagegen können sie ein Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen werden. Bevor wir weitergehen, müssen wir uns aber anschaulich machen, wovon es sich handelt, wenn wir von der Natur des Zellennetzes sprechen. Wir wissen, dass die Netze bei post- mortalen Änderungen erscheinen, und mit grosser Wahrschein- lichkeit lässt sich sagen, dass diese aus einer sauren Spaltung bestehen. Von der Natur der Netze können wir gleich folgendes bemerken: Entweder entstehen sie durch die Bil- dung färbbarer, d. h. saurer Stoffe im präfor- mierten Netzwerk der Zellen, oder sie sind ganz und gar Kunstprodukte. Um diese Frage zu lösen, muss man erstens die Histo- logie der Netze näher studieren, und zweitens die Präpa- rationsmethode kontrollieren, um zu sehen, ob sie solche Kunstprodukte hervorbringen oder nicht. Wir fangen mit der ersten Aufgabe an und müssen also eine Methode finden, die uns konstante Bilder gibt und uns, wenn möglich, mehr sehen lässt, als es bei den erwähnten Toluidinblaupräparaten der Fall ist. Natürlicherweise gilt es, besonders das Verhalten der Netze zum Gliagewebe festzu- stellen. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3). 36 544 HOLGER MÖLLGAARD, Kap. 2. Einfache, spezifische Färbung des Gliagewebes. (reht man davon aus, dass die Zellennetze präformiert sind 'ınd sich färben lassen, weil saure Spaltungsprodukte darin auftreten, dass also mit anderen Worten die Toluidinblaufarbe sich zu diesen sauren Stoffen bindet, so muss man natürlicher- weise gleichzeitig annehmen, dass die vital fixierte Zelle Stoffe in sich hat, die imstande sind, solche Produkte zu liefern. Da bekanntilch Toluidinblau das Chlorhydrat einer zu der Thiazimen-Gruppe gehörenden Farbenblase ist, so liegt es recht nahe, dass sie nur den sauer reagierenden Teil der Netze färben wird, während der Teil, der die ungespaltenen Stoffe enthält, ungefärbt bleibt. Da gleichzeitig der Prozess gegen- seitig sein muss und stets zugunsten des Chlorhydrats ver- läuft, muss man damit rechnen, dass auch nur ein geringer Teil der sauren Stoffe zur Farbe gebunden wird. Die Folge würde sein, dass nur kleine Partien des Netzes gefärbt würden, und ein viel grösseres und mehr verzweigtes Netzwerk könnte vielleicht in der Zelle vorhanden sein, und vielleicht auch um dieselbe liegen. Wenn man nun statt eines Salzes eine freie Base für das Färben benutzte, würde man erstens erreichen, dass alle die gebildeten sauren Produkte zur Base gebunden wurden, aber zweitens könnte man bei Verwendung einer starken Base hoffen, die Stoffe zu zerspalten, die sonst bei einer postmortalen Spal- tung die sauren Produkte lieferten und jetzt noch ungespalten waren, und auf diese Weise viel mehr zu sehen bekommen als bei der Toluidinblaufärbung. Jetzt isolierte ich die in dem bekannten Farbstoff Nil- blau enthaltene Base. Das allgemein käufliche Präparat ist das Chlorhydrat einer Farbenbase, die der Oxazim-Gruppe an- gehört und aller Wahrscheinlichkeit nach ein quaternäre Ammo- nıumbase und als Aminoderivat des Naphtholblaues konsti- Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 545 tuiert ist. Da sich die Base in Wasser nicht lösen lässt, kann man sie durch Hinzufügen von Alkalien von der Lösung ihrer Salze fällen. Der Stoff saugt indessen mit Begierde die Kohlen- säure der Luft in sich auf, so dass alle Prozesse in kohlen- säurefreier Luft vor sich gehen müssen. Auf diese Massregeln bezugnehmend, isolierte und reinigte ich die Base und löste sie in reinem 96%igem Alkohol im Verhältnis 1:100. Diese Lösung ist feuerrot. In der Luft färbt sie sich schnell blau bei der Bildung kohlensaurer Salze. Ineiner 1%yigen alkoholischen Lösung färbte ich jetzt vitalfixierte Gehimn- und Rückenmarkschnitte eines Hundes. Als ich die Schnitte herausnahm, waren sie von blau- violetter Farbe. Durch Abwaschen in absolutem Alkohol wurde dieser rötlich und die Schnitte rein eyanblau. Darauf habe ich sie mit reinem Xylol geklärt und auf gewöhnliche Weise in Dammarharz eingeschlossen. Bei den Untersuchungen entdeckte ich jetzt, dass die Zellen mit viel feinerem und eleganterem Maschenwerk als früher bei der Toluidinblaufärbung aus- gestattet waren, dass ferner das ganze zwischenden Zellen liegende Gewebe ein einziges und zu- sammenhängendes Maschenwerk bildete, in wel- chem Nervenfäden eingebettet waren und dessen Maschen von den Gliazellen ausgingen. Schliesslichgingdaseigent- liche Zellennetz und das um die Zellen liegende Netz ununterbrochen ineinander über. Es ergibt sich also, dass unsere Erwartung in Erfüllung gegangen ist, indem es unzweifelhaft gelang, gleichzeitig das ganze Maschenwerk, sowohl in den Zellen als um sie zu färben. Da die Färbung mit der roten Nilblaubase eine chemische Reaktion (Salzbildung) ist, und da das Maschenwerk eine so universelle Ausdehnung hat, so ist es natürlicherweise schwierig, sie als ein reines Kunstprodukt anzusehen. 36* 546 HOLGER MÖLLGAARD, Bevor wir aber das Netz eingehender anatomisch be- schreiben, müssen wir trotzdem Beweise dafür erbringen, oder jedenfalls es so wahrscheinlich wie möglich machen, dass unsere Präparation nicht die Art Kunstprodukte im Gehirn- gewebe hervorruft. Kap. 3. Kontrolle der Präparationen mittelst Unter- suchungen von ungefärbten und unfixierten Präparaten. Im vorhergehenden haben wir ganz gewiss infolge der all- gemeinen Kontrolle der Methode gefunden, dass das Gefrieren und die Alkoholfixation des gefrorenen Schnittes nicht irgend welche Kunstprodukte im lebenden Protoplasma im allgemeinen hervorbringt. Für die Leber zeigten wir, dass die Alkohol- fixation auch hier nicht die Struktur der Zellen änderte, indem wir ausfindig machten, dass sie eben dieselben Bilder hervor- rief, die wir im unfixierten Schnitt über dem Paraboloidkon- densor fanden. Die Möglichkeit, dass unsere Präparations- methode das Nervengewebe ändern sollte, ist deshalb nicht eross. Wie aber schon erwähnt, muss man für jedes einzelne Gewebe die Methode kontrollieren. Wir machen also hier ganz dasselbe wie bei der Leber. Indem wir Fixation, Entwässerung und Einschliessen im Dam- marharz beseitigen, reduzieren wir unsere histologische Prä- paration zu einer einzigen einfachen Behandlung, das Gefrieren bei niedriger Temperatur. Textfigur 2 zeigt zwei Zellen vom Ventralhorn des Lumbalmarks eines Kaninchens. Das Rückenmark ist bei — 40% vital gefroren und darauf in Schnitte von 10 u in der Tetrachlorkohlenstoffmischung bei 20° geschnitten. Nach Überführung zum Objektglas wurden die Schnitte mit dem Paraboloidkondensor untersucht. Die beiden Bilder sind mit Abbes Zeichenapparat direkt nach Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 547 den im Mikroskop beobachteten Bildern gezeichnet worden. Die Bilder sind negativ, da die Struktur auf dem dunklen Hinter- grunde leuchtend hervortritt. Wie ersichtlich, enthalten die Vorderhornzellen solcher Präparate ein Maschenwerk, welches vollständig den früher beobachteten ähnlich ist. Nur finden wir hier eine weit grössere Ausdehnung und auch viel feinere Maschen als bei der Toluidinblaufärbung. Das passt aber gut mit dem früher im Abschnitte von der Theorie der Nilblau- Dendrit Kanal Direkter Übergang ins Gliagewebe Textfigur 2. färbung entwickelten, dass nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach ein viel grösseres Maschenwerk in den Zellen vorhanden war, dass es aber erst nach den sauren Spaltungen die Toluidin- blaufarbe zu binden vermochte. Die Nilblaubase dagegen sollte das Ganze färben; und wie wir bald sehen werden, ist das „Nilblaunetz“ auch völlig identisch mit dem über dem Paraboloidkondensor beobachteten Netz. Wie nach der Nilblaufärbung bemerkt man auch hier, dass das um- liegende Gewebe dieselbe Netzstruktur wie die Zelle hat, und dass die beiden Netze ineinander übergehen. Für Corticalis habe ich ebenfalls das Gewebe unter dem Paraboloid- kondensor untersucht. Ich fand eine universelle Netzstruktur 548 HOLGER MÖLLGAARD, ganz wie im Rückenmark, es war aber schwierig, die Zellen. von dem umgebenden Gewebe zu unterscheiden. Das Protoplasma der grossen Ventralhornzellen sieht ıı „Dunkelfeldbeleuchtung‘“ vollständig homogen aus. Von einer fibrillären Struktur fand ich keine Spur. Auf Grund dieser Untersuchungen lässt sich feststellen, dass die Netzstruktur in den Zellen und dem umliegenden Gewebe nicht von der Fixation im Alkohol oder der danach folgenden Präparation herrührt. Jetzt ist also nur das Gefrieren zurück. Dieses lässt sich nicht kontrollieren. Wir können nur zu der Behauptung kommen, dass es sich sehr schwierig denken lässt, dass das Gefrieren die hier erwähnten Kunstprodukte hervorzurufen vermag. Die Schwierigkeit dieser Frage wird durch die folgenden Unter- suchungen vollauf bestätigt werden. Wir betrachten also jetzt die Netze als reell existierend, und da sie, wie oben erwähnt, von Körperchen ausgehen, die infolge ihrer morphologischen Eigenschaften Zellen sind, und dem Aussehen und der Lage nach mit den Gliazellen im Nervengewebe identisch, so betrachten wir das Netz als gliös, und die folgende Beschreibung handelt sich um die elementäret) Histologie des Glia- gewebes. Kap. 4. Elemente der allgemeinen Histologie des Glia- gewebes. Das Gliagewebe im Centralnervensystem bildet ein zusammenhängendes Netzwerk. Die MaschendesNetzeswerdenvonanastomosieren- den Protoplasmaausläufern der Gliazellen ge- !) Da die Alkoholfixierung keine Veränderung an den gefrorenen Präpa- raten bewirkt, verstehen wir im folgenden bei vitaler Fixation: „Gefrieren und Alkoholfixation der gefrorenen Präparate im Schnitte (bei — 20°)“. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 549 bildet. Im Maschenwerk liegen Blutgefässe und die spezifischen Elemente des Nervengewebes eingebettet. Im Schnitte sieht man sie von einer Scheide oder einer. Kapsel aus Netzwerk um- geben. DasGlianetzsendetausserdem Ausläufer in die Nervenzellen hinein, die in deren Innern ein Maschenwerk von verschiedener Ausdeh- nungundFeinheit,jedochvondemselben Typus, wie das um die Zellen liegende, bildet. Da diese Verhältnisse für alle Teile des Nervensystems absolut konstant sind, teile ich in der folgenden allgemeinen Beschreibung das Glianetz in vier Hauptabschnitte ein, und gebe diesen Namen nach den spezifischen Elementen, zu welchen der betreffende Abschnitt in Relation steht. 1. Reticulum pericellulare —= das Glianetz um die Nervenzellen und der erste Teil ihrer Ausläufer. 2. Reticulum endocellulare — das Glianetz ım Protoplasma der Nervenzellen. 3. Reticulum intercellulare — das Glianetz zwi- schen den Nervenzellen, das wie eine Scheide Achsen- cylinder, Dendriten usw. umgibt. 4. Reticulum perivasculare = das Glianetz um die Blutgefässe; besonders um die kleineren Blutgefässe und die Capillaren. Diese Einteilung ist selbstverständlich nicht absolut. Da das Netz zusammenhängend ist, sind keine scharfen Grenzen zwischen den einzelnen Abschnitten. Die Einteilung soll auch nur als ein Mittel zur Erleichterung der Darstellung und Über- sehbarkeit der Verhältnisse dienen. Reticulum pericellulare: Textfigur 3 zeigt eine typische Vorderhornzelle vom Lumbalmark eines Hundes. Textfigur 4 zeigt Typen der Üortexzellen von demselben Tiere. Aus diesen Figuren ist folgendes zu ersehen: Für die 550 HOLGER MÖLLGAARD, kleineren Zellen besteht das pericellulare Glianetz nur aus einem Maschenwerk, das in den naheliegenden Gliazellen (siehe Type D, Fig. 4) entspringt. Das Netz der grossen Zellen da- gegen enthält in der Regel mehrere Gliazellen, die auf der Oberfläche der Zellen im Netze eingelagert liegen. Eine ein- zelne dieser Gliazellen hat einen recht konstanten Platz, indem Gliacelle Dendrit __, Gliacelle Perinucleärer Kanal Gliaceile Dendrit Textfigur 3. 5} sie über dem einen Pole des Kernes liegt (siehe Fig. 3 und 4, Type A,). Sie sendet zwei dicke Ausläufer aus, nach jeder Seite einen. Diese vereinigen sich und bilden dann zusammen einen dicken Ring, der der Kontur des Kernes folgt und dafür einem „perinucleären Kanal“ gleicht. Von diesem Ring aus dehnen sich Netzmaschen nach allen \htn! ee, er ur -- BE 0 ee 48 ER an -C. . 5 a dr Be! 551 Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. Seiten gegen die Peripherie der Zelle. Bei dem ruhenden Tiere ist unter allgemeinem Verhalten keine Masche innerhalb des Ringes. Unter gewissen bestimmten Verhältnissen, die später erwähnt werden sollen, sieht man den Ring mit Maschen aus- gefüllt (siehe Fig. 4, Type B und C und zum Teil A,). Ist dann gleichzeitig der Kern gefärbt, wird dieser halb versteckt unter dem Netze sichtbar. Mitunter sieht man sternförmige Gliazellen dicht bei den grösseren Dendriten liegen (Fig. 3). Im Glianetz finden sich nicht selten grössere Varikositäten, besonders in der Nähe des Kernes (Fig. 3 und Fig. 4, A,). An den äussersten Rändern der Zellen geht das Reticulum pericellulare fortlaufend in Reti- culum intercellulare über (siehe Fig. 3 und 4). Hier stösst es auch zusammen mit dem Reticulum endocellulare. Dieses scheint in der Regel aus einem oder in grossen Zellen mitunter aus zwei bis drei flachförmigen Netzen zu bestehen, die wie Reticulum peri- cellulare hier ihren wirklichen perinucleären Kanal haben. Von diesem sieht man oft, besonders in der Corticalis, einen birnen- oder stabförmigen Kanal in den Kern einlaufen. Der Kanal endigt immer in einem Knoten, der dem Nucleolus zu ent- sprechen scheint!). Sie anastomosieren in der Zelle nach beiden Seiten mit den oberflächlichen Netzen durch Hilfe der Maschen, die man unter dem Mikroskop durch das Protoplasma hinunterlaufen sieht (siehe Fig. 3). An den äussersten Rän- dern der Zellen gehen sie, wie erwähnt, direkt in das peri- celluläre und intercelluläre Netzwerk über. Das Reticulum endo- cellulare kann kleine Varikositäten haben; dagegen enthält es natürlicherweise keine Gliazellen. ') Beim Vergleich mit den von Holmgreen, V. Lenhossek und Cajal dargestellten Bildern der endocellularen Kanäle ist es sofort auffallend, dass das von diesen Forschern beschriebene Kristalloid im Kerne kaum anderes als „der Kernkanal“ ist. HOLGER MÖLLGAARD, Das Reticulum intercellulare ist in Hinsicht auf das Maschenwerk wie die Glianetze in und um die Zellen gebaut. Es ist wesentlich durch die Typen der Gliazellen charakterisiert, die im Netze eingelagert sind, und die in den verschiedenen Regionen des Centralnervensystems etwas verschieden sind. Für die Corticalis und das Rückenmark habe ich diese Axencylinder und dessen Gliascheide Intercellulares Glianetz __ Gliascheide des Radıärfasers zer: Gliacelle _ Perinucledrer Gliakanal, Textfigur 4. Verhältnisse genau studiert. Fig. 5 zeigt Typen der Gliazellen in der Corticalis. Dieses denkt man sich, wie auf der Figur angegeben, in drei Schichten geteilt: 1. die plexiforme Schicht, 2. die Zellenschicht (d. h. ein Sammelbegriff für alle ver- schiedenen Zellenschichten in der Corticalis) und schliesslich 3. die weisse Substanz. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 553 Plexiforme Schicht: Type I ist selten und liegt in der Regel dicht bei den Capillaren. Type II ist in dieser Schicht Plexiforme * Schicht Schichten der Pyrarnıden 1 II III Ne Weisse SE En Substants Textfigur 5. die allgemeinste. Type Il und IV liegen gerade unter der Pia. Davon kommt der flachgedrückte Charakter. 554 HOLGER MÖLLGAARD, Die Zellenschicht: Type I ist beinahe immer in der Nähe von Blutgefässen zu finden. Type II mit dem kleinen Kern ist selten. Type Ill zeigt die beiden häufigsten Formen. Type IV ist eine nicht ganz ungewöhnlich vorkommende stab- förmige Gliazelle. Die weisse Substanz: Type III mit körnigem Proto- plasma ist die allgemeinste; Type I und II seltener, kommt aber doch oft vor, besonders Il. Textfigur 6. Für das Rückenmark zeigt Fig. 6 die Haupttypen der Gliazellen. Type II und III sind die häufigsten. Type IV ist recht selten. Type V kommt vereinzelt in der Nähe eines Blutgefässes vor. Das morphologische Aussehen der Zellen wird besser durch die Tafeln als durch eine Beschreibung ver- anschaulicht. Der Teil des intercellulären Netzwerkes, der uns am meisten interessiert, ist das Reticulum perivasculare. Die Blut- gefässe sind von dem Glianetz wie von einer Scheide umgeben. Im Netze um die kleineren Blutgefässe und alle Capillaren Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 999 liegen Gliazellen eingelagert. Diese liegen immer gerade an der Capillarwand und wölben oft diese gegen das Lumen der Capillare ein (siehe Fig. 5, Type V und VI). Die feineren Blut- gefässe sieht man oft vollständig mit solchen Gliazellen wie übersät. Wie aus der Figur ersichtlich, ist es in der Corticalis eine recht charakteristische Type, die immer um die Gefässe liegt. Im Rückenmark sind es sternförmige Gliazellen, wie auch in den übrigen Teilen des Glianetzes im Rückenmark, sonst aber sind die Verhältnisse die gleichen wie in der Corti- calıs (siehe Fig. 6, Type VI). Type I auf Fig. 6 und Type VII auf Fig. 5 zeigen den Durchschnitt der Capillaren mit Glia- zellen. Dies möchten die Hauptzüge der allgemeinen Histologie des Gliagewebes sein. Schon jetzt könnte eine etwas detail- liertere Beschreibung darüber gegeben werden, was mir in- dessen die Platzverhältnisse in dieser Abhandlung verbieten; auch werden weitere Untersuchungen sicher imstande sein, noch mehrere Details festzustellen, die es mir nicht gelang zu entdecken. Doch glaube ich, dass es mir gelungen ist, die für das physiologische Verständnis wichtigsten Hauptpunkte darzustellen. Um zum Schlusse eine gesamte Vorstellung darüber zu geben, wie die cellulären und intercellulären Netzwerke im Präparat aussehen, füge ich als Tafelfigur II eine Mikrophoto- graphie vom Vorderhorne eines Hundes bei (Nilblaufärbung). Bekannterweise liegt eine grosse Lileratur über die Saft- kanäle in den Nervenzellen vor. Wie ich bereits oben dargelegt habe, erlaubt mir der Platz nicht, diese Literatur durchzugehen. Ich will daher nur bemerken, dass das endocelluläre Flecht- werk, wie bekannt, von mehreren verschiedenen Autoren ge- sehen wurde, zuerst von Golgi, später und unabhängig da- von von Holmgren und Nelis. Nach diesen folgten eine dteihe Untersuchungen über das Tr>phospongium in den Nerven- 556 HOLGER MÖLLGAARD, zellen. teils bei Säugetieren, teils und dies besonders bei niederen Tieren. Den von mir gefundenen Ergebnissen stehen die von Holmgren am nächsten. Bei Helix pomatia fand Holmgren, dass die Nervenzellen des Schlundganglions mit einem Kanalsystem versehen war, das von sternförmigen Zellen herrührte, die um die Zellen lagen und Ausläufer in diese sandten. Die Ausläufer anastomosierten und bildeten zusammen das Kanalsystem. Ferner fand Holmgren, dass sich das Tigroid immer an den Saftkanälen ablagert. Gab es viele Kanäle, so war viel Tigroid vorhanden, fanden sich wenige, war auch das Tigroid spärlich. Dies entspricht genau dem von mir gefundenen, näm- lich, dass Niss1-Körner, Tigroid, vom Kanalsystem durch eine Kombination von saurer Spaltung und lang- samer Fixation entstehen. Bekanntermassen lässt es sich am besten mit Alkohol fixieren, doch ist auch durch andere Fixa- tionsmittel eine gute Tigroidfärbung zu erzielen, wie eben mit der von Holmgren verwendeten Mischung von Pikrinsäure und Sublimat. Im vorhergehenden wurde gesagt, dass das Tigroid durch das Zerreissen des Netzes gebildet wird. Dies muss der oben angeführten Beschreibung des Glianetzes nach und infolge Holmgrens Fund wohl vielmehr dahin geändert werden, dass die Nissl-Körner durch bestimmte artifi- zielle Veränderungen bestimmter färbbarer Stoffe in dem endocellulären Netz entstehen. Die Veränderungen kommen von einer Kombination von post- mortaler saurer Spaltung und langsamer Fixation. Ein Zer- reissen des Netzes braucht nicht zu geschehen, und ist auch unwahrscheinlich, wenn aber die färbbare Substanz sich zu- sammendrängt, entstehen zwischen den farblosen Partien Klümp- chen, die Tigroidkörner. Jedenfalls steht es fest, dass die Nissl-Körner Kunst- oO‘ L Ne | Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. produkte sind, deren Gegenwart wesentlich davon abhängt, dass im Gewebe saure Spaltungen entstehen. Ihr Zustand ist daher weit mehr davon abhängig, wie der postmortale Prozess verläuft und wie weit er geht, als von der augenblicklichen funktionellen Veränderung der Zelle. Davon stammt grössten- teils die fehlende Fühlsamkeit der Nissl-Methode Die Nissl-Körner werden infolge sogrober postmor- taler Veränderungen gebildet, dass diese die feineren morphologischen Veränderungen, die von der Funktion der Zellen stammen, decken. Was das pericelluläre Flechtwerk anbelangt, so ist dies, wie bekannt, zuerst von Golgi, später von Bethe und Cajal beschrieben worden. Der letztere stellte das Netz durch die Ehrlichsche Methylenblaumethode her und gab eine genaue Beschreibung davon. Bei allen Zellen konnte man das Netz nicht vorfinden, sondern nur da, wo das Methylenblau beson- ders stark angegriffen hatte, und Cajal bemerkt, was im Zu- sammenhange ‘hiermit recht interessant ist, dass diese Zellen vermutlich eben im Injektionsaugenblick abstarben, eine An- schauung, die, wie zu ersehen ist, in bestem Einklang mit meinen Versuchsergebnissen steht. In den letzten Jahren haben bekannterweise Bethe, Nissl und andere behauptet, dass das pericelluläre Flechtwerk terminale Verzweigungen von Nervenfäden sind, und Bethe hat gemeint, den Beweis er- bracht zu haben, dass die Knotenpunkte im Netze mit den Neuro- fibrillen in den Zellen in Verbindung stehen, und dass das pericelluläre Netz das für die Neurofibrillentheorie theoretisch geforderte Bindeglied zwischen den Neurofihrillen von ver- schiedenen Zellen bildete. Im Gegensatz hierzu bemerkt Held richtige, dass die ter- minalen Endverzweigungen mit dem Golgi-Netze in keiner fortlaufenden Verbindung stehen, und es ist interessant zu er- sehen, dass Held gerade die Meinung hegt, dass das Netz 558 HOLGER MÖLLGAARD, ein „Abkömmling der Neuroglia“ ist, eine Anschau- ung, die ja durch diese Untersuchungen zur Genüge bestätigt worden ist. Helds Anschauung schliesst sich Donaggio an, der gefunden hat, dass die Golgi-Netze von den Neuro- fibrillen ebenfalls unabhängig sind. Endlich führt Cajal an, dass der Betheschen Anschauung in höchstem Grade die Tatsache widerspricht, dass keine derspezifischenNeuro- fibrillmethoden die Maschen im Golgi-Netze färben kann. Diese letzte Bemerkung kann ich mit der Feststellung vervollständigen, dass ich umgekehrt mit meiner spezifi- schen Gliafärbung niemals Neurofibrillen habe färben können, während die Netze immer mit grosser Prä- zision hervortreten. Hiermit werden wir zur Frage über Neurofibrillfärbung an vital fixierten Präparaten geführt, wozu ich einige Bemer- kungen in dem folgenden Kapitel zu machen habe. Kap. 5. Über Neurofibrillfärbung an vital fixierten Präparaten. Wie oben erwähnt, sieht die Grundsubstanz, das Proto- plasma zwischen den Netzmaschen, sowohl bei gefärbten, vital fixierten als ungefärbten, vital gefrorenen Nervenzellen, ganz homogen aus. Weder durch Färben mit Nilblau, noch bei Unter- suchung mit dem Paraboloidkondensor habe ich irgendwo eine Spur von fibrillärer Struktur der Grundsubstanz entdecken können. Ich habe nun gleichzeitig an vital alkoholfixierten Schnitten die allgemeinen Fibrillmethoden versucht, doch überall mit ne- gativem Ergebnis. Werden die vital fixierten Schnitte nach Cajals Methode behandelt, die sonst mit grosser Präzision Neurofibrillbilder an alkoholfixierten Präparaten gibt, so er- Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 559 scheinen da keine Neurofibrillen. Die Zellen lassen sich über- haupt sehr schwierig imprägnieren. Ebenso geht es mit Biel- schowskys Methode, die sonst mit Leichtigkeit Neuro- fibrillen an Schnitten darstellt. Die Bethesche Methode ist von mir in allen Einzelheiten nach Vorschrift durchgeführt worden, ich erhielt aber keine Neurofibrillen. Endlich ver- suchte ich die einzelnen Präparationen dieser Methode zu iso- lieren. Ich versuchte erst zu nitrieren und darauf zu färben. Ich habe mit Salzsäure und Alkohol behandelt und mit Molyb- dän gebeizt. Alles ohne Resultat. Endlich habe ich einfachere Färbemethoden versucht, Säurefuchsinfärbung, Eosin usw. Kurz und gut: Es ist mir mit keinem dieser Mittel, durch welche ich"so oft früher hübsche Bibrıll- bilder dargestellt habe, geglückt, etwas zu er- zewsen,das nur irgendwie an sıbrılläresStruk> tur in der Grundsubstanz oder in den Proto- plasmaausläufern (Dendriten, Achsencylinder) erinnert. Auf Grund dieser Versuche darf ich nicht wagen, die Exi- stenz der Neurofibrillen zu verneinen. Dazu scheint mir, dass ich die Verhältnisse vorläufig zu wenig untersucht habe. Doch kommt mir unleugbar vor, dass die ebenerwähnten negativen Ergebnisse recht stark gegen die Existenz der Neurofibrillen sprechen. Falls die Neurofibrillen etwas reell Existierendes sind, und an den Präparaten, die in toto in Alkohol fixiert sind, gefunden werden, so müsste man mit gutem Grund erwarten, dass sie auch bei Präparaten zugegen seien, die mit demselben Mittel, aber bloss in Schnitten, fixiert waren. Dass die morpho- logischen Elemente, die einer doppelten Wirkung der post- mortalen Prozesse und der langsamen Fixation widerstehen, verschwinden sollten, weil der postmortale Prozess ausge- schlossen und die Zellen schnell fixiert werden, ist wohl schwierig zu verstehen, da wir besonders wisse.ı, dass so feine Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3). 32 560 HOLGER MÖLLGAARD, Bildungen, wie Netze, sich durch Fixation nicht im geringsten verändern. Falls dagegen Neurofibrillen Kunstprodukte gleichwie Niss1l-Körner sind, so würden diese vermutlich ganz das- selbe Schicksal wie die Niss1-Körner erleiden, nämlich dass sie erscheinen, wenn man langsam fixiert und die postmortalen Prozesse verlaufen lässt, während sie nicht vorkommen, wenn diepostmortalen Prozesseausgeschlossensind, d.h. wenn man das Gewebe vitalfixiert. Ich für meine Person halte die Erklärung für die richtige und stelle mich der von Held behaupteten Auffassung von der Natur der Neurofibrillen am nächsten. Da ich aber diese Untersuchungen beständig fortsetze, reserviere ich eine be- stimmtere Aussprache, bis ich noch weitere Versuche ange- gestellt habe. Eines muss ich indessen bestimmt hervorheben. Das pericelluläre Flechtwerk, das meinen Unter- suchungen zufolge als gliös betrachtet werden muss, istnachForm,AussehenundLagedurchausiden- tisch mit dem von Bethe dargestellten pericellu- lären Netz, das mit den Neurofibrillen in Ver- bindungstehen sollt). Da man sich nur schwierig denken kann, dass um die Zelle zwei solche Netzwerke vorhanden sein sollten, die einander vollständig ähnlich wären und die- selbe Ausdehnung hätten, so muss man, wenn die Existenz der Neurofibrillen eingeräumt wird, in jedem Fall ihre Verbindung mit dem Betheschen Netz verneinen. Dass die Netze anastomosieren, wie Bethe angibt, ist voll- ständig richtig. Die anastomosierenden Netze aber sind Glia- '!) Vergl. Bethes Zeichnung der Golginetze einer Ganglienzelle aus Nucleus dentatus; siehe Bethe, Über die Neurofibrillen in den Ganglien- zellen. Die Figur ist reproduziert in v. Monakows „Gehirnpathologie“‘. 1905 zweite Auflage, S. 159. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 561 netze, und dass die spezifischen leitenden Ele: mente in den Zellen durch das Gliagewebe in fortlaufen- der Verbindung miteinander stehen sollten, ist, wie jeder ein- räumen wird, physiologisch betrachtet ein allzu unwahr- scheinlicher Gedanke. Es scheint mir also, dass man beim Nachweis des gliösen Natur des pericellulären Flechtwerkes eine der wesentlicheren Stützen für die Theorie über die fort- laufenden Neurofibrillen entfernt, insoweit man hiermit das postulierte Bindeglied zwischen Neurofibrillen von verschie- denen Nervenzellen beseitigt. Soviel über Neurofibrillen. Einen bestimmten Standpunkt darf ıch, wie oben erwähnt, noch nicht einnehmen. Doch kann man nicht leugnen, dass man annehmen muss, dass die Bilder, die die vital fixierte Nervenzelle zeigt, dem wirk- lichen Verhalten am nächsten liegen, und dass man mit einer gewissen Berechtigung behaupten kann, dass, was an vital fixierten Zellen nicht vorhanden ist, sich auch bei lebendigem Leibe nicht findet. Weitere Untersuchungen werden hoffentlich diese wichtige Frage noch näher aufklären. Kap. 6. Studien über funktionelle Veränderungen in den Nervenzellen. Im vorhergehenden ist erwähnt worden, dass das Toluidin- blau nur das Glianetz färbt, wenn im letzteren postmortale Veränderungen geschehen, und ebenfalls wurde hervorgehoben, dass diese Veränderungen aller Wahrscheinlichkeit nach in sauren Spaltungen bestehen und diese Anschauung ist nun durch die Nilblaufärbung bestätigt worden. Das negative Resultat der Toluidinblaufärbung nach vitaler Fixation gilt indessen nur in dem Fall, dass die betreffenden Nervenzellen so weit wie möglich in Ruhe waıen. Das nächst- Sie 562 HOLGER MÖLLGAARD, folgende wird zeigen, dass die Toluidinblaufärbung ganz andere Resultate gibt, wenn die Zellen sich in Funktion befinden. Diese Färbung lässt sich deshalb verwenden, um funktionelle Veränderungen in den Nervenzellen und dem Glianetz nachzuweisen, und wie sich ergibt, ist sie äusserst empfindlich. Im Gegensatze zu der Toluidinblaufärbung stellt die Nil- blaufärbung das Glianetz sowohl in den als um die Zellen dar, gleichgültig, ob sie in oder ausser Funktion sind. Von dieser Färbemethode kann man deshelb erwarten, dass sie nur die groben, anatomischen Veränderungen zeigt, während zu vermuten ist, dass bei der Färbung mit Nilblau die feineren unserer Aufmerksamkeit entgehen werden. Obwohl die folgenden Untersuchungen hauptsächlich nur die feineren Veränderungen behandeln, wird trotzdem die Nil- blaufärbung parallel mit der Toluidinfärbung verwendet werden, und wie später ersichtlich, gibt uns eben diese Parallelfärbung Aufklärungen grossen Wertes. Bei den ım folgenden besprochenen Untersuchungen ist also de Hauptmethode folgende: Färben des vital fixierten Schnittes mit Toluidinblau inziyre iger wässeriger Lösung. Parallel damit benutzte ich an verschiedenen Stellen Färbung mit Nilblaubase in 1°/,iger alkoholischer Lösung. au Dies, zuende = Nenverzeite Wenn man untersuchen will, wie eine Nervenzelle ın Funktion aussieht, muss man notwendigerweise zuerst wissen, wie sie in Ruhe aussieht. Unsere erste Aufgabe be- steht also darın, das morphologische Bild der „ruhenden Nervenzelle7 festzustellen. Da das Centralnervensystem für Untersuchungen unzu- gängig ist, so lange die beschützenden Teile nicht entfernt sind, Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 563 so fordert jede solche Untersuchung also eine Operation. Da jede Operation bei unbetäubten Tieren grossen Schmerz und heftige Aufregung mit sich führt, müssen alle Operationen in „Narkose‘ vorgenommen werden, sofern man die Nerven- zellen des Tieres in ruhendem Zustande zu untersuchen wünscht. Da die „Narkose“ wahrscheinlich was auch später ersichtbar wird — grossen Einfluss auf das morphologische Aussehen der Nervenzellen ausübt, muss man dafür Sorge tragen, dass die Narkosewirkungen vor der Untersuchung des Tieres verschwunden sind. Diesen Bedingungen bin ich auf folgende Weise nachge- kommen. Bei dem Tiere, das untersucht werden sollte, wurde die Operation um 10 Uhr vormittags vorgenommen. In Äther- narkose wurde alsdann eine Kranieresektion oder Laminektomie ausgeführ‘. Die Dura liess ich dagegen immer frei, um nicht Prolapsis der Gehirnteile hervorzurufen. Die Wunde wurde mit Metalldraht zusammengehalten. 7--8 Stunden später (am Nach- mittag), wenn das Tier erwacht war und recht lebendig umher- spazierte, wurde die Wunde wieder geöffnet. Dieses geschah so langsam und vorsichtig, dass das Tier so ungefähr keine Unannehmlichkeiten dabei fühlte. Von dem lebenden Tiere wurde dann schnell ein Stück des Gehirnes oder des Rückenmarkes exzidiert, und das aus- geschnittene Stück in en Dewars-Gefäss mit 96 Yoigem Alkohol bei 40° gelegt. Danach wie gewöhnlich vitale KBixation. Die mit Toluidinblau (1°/,,) gefärbten Schnitte gaben die Bilder der Nervenzellen, die für die Corticalis in Tafelfigur II und für das Rückenmark in Tafelfigur IV dargestellt sind. Dass diese Bilder konstant sind, habe ich durch eine grosse Reihe solcher Versuche konstatiert. In Tafelfigur III sieht man von den Corticaliszellen nur eine Kontur, und auf den meisten derselben bemerkt man, 564 HOLGER MÖLLGAARD, dass sich von der Kontur ein mehr oder weniger birnenförmiger Kanal in die Zelle hinein erstreckt. Von diesem entspringen wieder einzelne dünne Fäden nach der Kontur der Zelle. Wie ersichtlich, ist es dasselbe Bild, das wir in der Zeichnung in Fig. 2 abgebildet haben. Der birnenförmige Kanal entspricht dem Kernkanal in den mit vollständigem Netzwerk versehenen Zellen. Für das Rückenmark zeigt Tafelfigur IV die Bilder, die man unter diesen Verhältnissen von den Ventralhornzellen bekommt. Man sieht in der Figur einen Ring, von welchem ganz unregelmässig einige Fäden ausstrahlen, die ein grobes Maschenwerk bilden. Innerhalb des Ringes sieht man keine Maschen. Der Ring ist der perinucleäre Kanal des Zellennetzes. Vom Glianetz sieht man hier wie im Cortex so ungefähr nichts. Färbt man nun das Ventralhorn eines Hundes, der wie oben erwähnt behandelt ist, mit Nilblaubase, bekommt man das in Tafelfiıgur II dargestellte Bild. Man sieht hier, wie in Tafelfigur IV, einen perinucleären Kanal, und inner- halb desselben keine oder nur wenige Maschen. Dagegen ist das Netz um den Kanal, wie ersichtlich, viel dichter und geht gerade in das umliegende Glianetz über. Also fehlt in Tafel- figur IV das Glianetz nicht teilweise, sondern ist, wie früher hervorgehoben, in voller Ausdehnung vorhanden, lässt sich aber nur teilweise mit dem Toluidinblau färben. Dasselbe ist mit dem Glia zwischen den Zellen der Fall. In der Corticalis des „ruhenden‘“ Tieres färbt sich das Glia zwischen den Zellen wie im Rückenmark. Die Zellennetze färben sich in der Peri- pherie. In der grossen Zelle mit dem deutlichen perinucleären Kanal färbt sich das Netz in ungefähr der ganzen Ausdehnung, ausserhalb aber nicht innerhalb des Kanals. In den kleinen Zellen, wo kein deutlicher perinucleärer Kanal vorhanden ist, bleibt die ganze Partie in der Mitte ungefärbt. Im allge- Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 565 meinen wird die ruhende Cortexzelle nicht so stark von der Nilblaubase gefärbt, wie die Ventralhornzelle. Bei den weiteren Untersuchungen zeigte sich nun, dass man dieselben Bilder erhielt, wenn man nur dem Tiere den Nackenstich gab, und im Laufe von höchstens ein paar Minuten, bevor also die postmortale Spaltung eintraf, ein Stück des Gehirns oder des Rückenmarkes exzidierte. Man muss aber so schnell wie möglich arbeiten, da man sonst, wie wir später sehen werden, Veränderungen auf Grund des einge- tretenen Erstickens bekommt. Mit einiger Übung lässt es sich jedoch leicht ausführen, und als ich mich davon überzeugt hatte, dass diese Methode die oben erwähnten Bilder von den Nervenzellen konstant gab, habe ich sie öfters bei den ım folgenden erwähnten Funktionsuntersuchungen benutzt. Sowohl bei der ersten wie bei der letzten Methode ver- ursacht man dem Tiere einen Schmerz und irritiert in gewissem Grade die Centralorgane. Man könnte sich deshalb denken, dass die Nervenzellen schon auf diesen Bildern teilweise in Funktion waren, oder dass sie jedenfalls bei einem noch höheren Grad von Ruhe ein anderes Aussehen haben könnten. Um dieses zu untersuchen, gab ich einem Kaninchen 3 g Äthylurethan mittels einer Ventrikelsonde. Eine halbe Stunde danach war es betäubt. Ich liess es 31/, Stunden in Ruhe liegen. Dann war das Tier gerade an der Grenze des Er- wachens. Jetzt habe ich den Schädel aufgemeisselt, während welcher Operation das Tier sich so zu sagen nicht rührte. Als ich fertig war, war es jedoch ungefähr ganz wach. Ich ex- zidierte nun ein Stück Cortex, welches vital fixiert und mit Toluidinblau 1°/,, gefärbt wurde. Das Resultat sieht man in Tafelfıgur V. Wie ersichtlich, ist es ganz dasselbe Bild wie in Tafelfigur III, bloss mit noch weniger farbiger Substanz. Die morphologischen Verhältnisse aber sind dieselben (Kontur und Kernkanal). Da zwischen den Tafelfiguren III und V kein 566 HOLGER MÖLLGAARD, qualitativer Unterschied vorhanden ist, und da man annehmen muss, dass die Narkose auch auf diesem späten Zeitpunkt eine Rolle gespielt hat, lässt sich daraus schliessen, dass der allgemeine Ruhezustand zwischen den beiden Bildern liegt. Wahrscheinlich wird hier etwas mehr farbige Substanz als in Tafelfigur V und etwas weniger als in Tafelfigur III vor- handen sein. Kurz zusammengefasst lässt sich im allgemeinen folgendes sagen: Die ruhende Nervenzelle ist in minimalem Grade mit To- luidinblau färbbar, und mehr speziell: 1. Die ruhende Cortexzelle zeigt bei der Toluidinblau- färbung einen Konturkanal und einen Kern- kanal. 2. Die ruhende Ventralhornzelle zeigt bei der Toluidin- blaufärbung einen perinucleären Kanal und wenige Netzmaschen ausserhalb desselben. Auf Grund dieses morphologischen Bildes gehen wir zu den funktionellen Untersuchungen über. Bevor ich aber deren Resultate mitteile, muss ıch kurz einige Vorsichtsmassregeln erwähnen, denen man bei den Ver- suchen auf Grund der leichten Beeinflussung der Nervenzellen folgen muss. b) Stase, Ersticken, Verbluten. Im vorhergehenden habe ich erwähnt, dass man immer für ein Beseitigen der Irritation während der Operation be- müht sein muss. Beabsichtigt man deshalb das Gehirn elek- trisch zu reizen, so muss man immer zuerst in Äthernarkose aufmeisseln, darauf das Tier liegen lassen, bis die Narkose verschwunden ist, am liebsten bis zum nächsten Tag, und dann die Reizung ausführen. Unter diesen Verhältnissen muss man indessen sehr aufpassen, dass nicht ein Vorfallen der z R £ u = ER g . 4 u > 2 . + 7 N “ - > ‘ ’ P \ m - m 2 u - 5 Y \ . 2 - r CE * =.“ u = f D D ° x ir u £r A I 2 . ! © ‘ = a \ 5 * 2 PER N Tafel G Anat.Hefte IAbteilung Heft 131 (43.Bd.H.3) M r, Frankfurt Werner u.Winte) Wiesbaden Verlag v.J.F Bergmann N N 05 VENO® Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 567 aufgemeisselten Region des Gehirns entsteht. Man folge des- halb der Regel, die Dura nicht früher als gerade vor der Reizung zu spalten. Bekommt man nämlich Prolaps, dann folgt auch eine Stase in der prolabierten Gehirnregion, und während einer Stase verändert sich diese, wie aus Tafelfigur VI ersicht- lich, sehr schnell. Man sieht an dem Toluidinblaupräparat, dass das Glianetz stark hervortritt und scharf und dicht ge- färbt ist. Man bemerkt die merkwürdig verkrüppelten Zellennetze, und was wesentlich ist, dass das Protoplasma der Zellen gefärbt wird, was sonst niemals bei vitaler Fixation be- obachtet wird. Das bedeutet, dass Stoffe im Protoplasma aul- getreten sind, die sich färben lassen und die möglicherweise aus den Netzkanälen herausgetreten sind. Das bedeutet jeden- falls, dass das Protoplasma krank ist, und nach unserer obigen Theorie für das Färben sollte es bedeuten, dass es nun sauer reagiert, dass heisst, dass es stark alteriert ist. Wie zu erwarten war, führte das Ersticken des Tieres ungefähr dieselben Veränderungen mit sich. Besonders tritt bei der Toluidinblaufärbung das Glianetz hier stark hervor. Das Protoplasma fängt gleichzeitig an, sich zu färben. Deshalb darf man unter keinen Umständen das Tier durch Er- sticken töten. Will man nicht die Methode benutzen, die ich bei den Untersuchungen über die ruhende Nervenzelle be- handelt habe, kann man das Tier durch einen Nackenstich lähmen, um dann sofort das Kranium oder den Rückenmarks- kanal aufzumeisseln oder aufzuschneiden und das erwünschte Stück zu nehmen. Nach hinlänglicher Übung lässt dieses sich so schnell machen, dass, wie oben erwähnt, keine nachweis- baren Veränderungen, weder in der Nervenzelle, noch im Glia- netz, vor sich gehen. Was das Verbluten’ betrifft, so entstehen davon keine anderen Symptome als die, die mit dem eintretenden Tode des 568 HOLGER MÖLLGAARD, Tieres zusammenhängen und im Kapitel 1 besprochen sind. Man darf das Tier nicht durch Verbluten sterben lassen, weil dies zu lange dauert, und deshalb in der Agonie „postmortale“ Veränderungen eintreten, welche die feineren funktionellen Ver- änderungen decken können. Wir gelangen also zu dem Resultat, dass man bei den hier behandelten Untersuchungen entweder das gewünschte Stück Hirngewebe vom „lebenden“ Tier exzidieren oder, wenn man das nicht zu tun wünscht, einen Nackenstich aus- führen und in unmittelbarem Anschluss daran exzidieren muss. Die letztere Methode ist nicht leicht und fordert eine nicht geringe operative Übung. Bei den folgenden Untersuchungen sind in der Regel beide Methoden parallel benutzt worden, so dass die Zuverlässig- keit der letzten Methode sicher kontrolliert ist. Ich werde jetzt objektiv und summarisch darstellen, was ich gefunden habe, um nachher die Hauptpunkte der Re- sultate zu sammeln und zu diskutieren. ec) Die direkte elektrische Reizung der Nerwen zelle. Für diese Untersuchungen ist die erste Methode angewendet und die Versuche sind an dem Grosshirn ausgeführt worden. Also habe ich zuerst eine doppelseitige Kranierresektion in Äthernarkose vorgenommen, darauf das Verschwinden der Nar- kose abgewartet, um schliesslich die Irritation zu vollführen. Diese ist mit Induktionsstrom und nach der uni- polaren Methode vorgenommen worden, und zwar mit einer grossen Platinplatte unter der Rückenhaut und auf dem Cortex mit einer kleinen elastischen Platinelektrode, nach dem Sher- ringtonschen Prinzip konstruiert. Auf diese Weise habe ich eine Reihe Versuche ausgeführt, indem ich die Irritationsstärke konstant hielt, während ich die Irritationszeit variierte. BE U Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 569 In diesem Kapitel werde ich die Hauptpunkte der hierdurch erzielten Resultate mitteilen !): Tafelfigur VII zeigt einen Schnitt von der Cortex motoria bei einem Kaninchen nach drei Minuten elektrischer Reizung. Der Schnitt stammt von demselben Kaninchen wie das ın Tafelfigur III abgebildete. Der letztere Schnitt stammt von einem Stück Hirngewebe, das ich aus dem linken motorischen Cortex vor der Irritation exzidiert hatte. Ich reizte darauf den rechten motorischen Cortex und drei Minuten nach An- fang der Reizung exzidierte ich hiervon das in Tafelfiıgur VI abgebildete Stück. Wenn man die beiden Figuren vergleicht, bemerkt man sofort, dass die Zellen nach der elektrischen Reizung ein recht feines Netzwerk erhalten haben. Das zwischenliegende Gewebe ist beinahe ungefärbt. Da das vom rechten Cortex exzidierte Stück sehr klein war und das Entfernen sozusagen ohne Bluten vor sich ging, habe ich die Reizung in einer anderen Region des motorischen Cortex noch acht Minuten fortgesetzt. Das Resultat ist aus Tafelfigur VIII zu ersehen, die also Cortex desselben Tieres nach im ganzen 11 Minuten langer Reizung zeigt. Man bemerkt hier, dass die Zellennetze nicht mehr so deutlich wie in Tafelfigur VII gefärbt sind. Die Zellen haben eine merkwürdig unregelmässige Form und ihre Konturen lassen sich nur schwierig feststellen. Aber während das Gewebe zwischen den Zellen in Tafelfigur VII so gut wie ungefärbt war, so ist das intercelluläre Glianetz zu diesem Zeitpunkt färb- bar geworden. In der rechten Seite des Bildes sieht man dieses in Form eines kegelförmigen Streifens hervortreten, welcher durch den Cortex läuft. Dieses ist ein ungefähr konstantes spiration des Tieres nicht während der tetanischen Zuckung litt. Um völlig jede Art von Ersticken zu vermeiden, habe ich nach kurzen Zwischenräumen die Reizung unterbrochen und habe das Tier einige Zeit frei atmen lassen. 570 HOLGER MÖLLGAARD, Zeit in der Regel als färbbare Streifen von Maschenwerk auf, und diese laufen niemals längs des Cortex, sondern stets durch diesen in der Richtung nach dem Verlauf der Radiärfasern, was in der Tat bedeutet, dass das Glianetz als Streifen auftritt, die in derselben Richtung wie die Leitung der lokal irritierten Partien des Cortex gehen. Tafelfigur IX stammt von einem Hunde und zeigt ein Übergangsstadium zwischen Tafelfigur VII und VIII. Das Bild zeigt den motorischen Cortex nach fünf Minuten elektrischer Reizung und zeigt sowohl das Zellennetz, als auch das intercelluläre Glianetz. Zu diesem Zeitpunkt sind also beide mit Toluidinblau färbbar. Setzt man die Reizung noch längere Zeit fort, z. B. 20—25 Minuten, so bekommt man in der Corticalis einen Zustand, der dem in Tafelfigur VI abgebildeten ähnlich sieht. Nur findet nicht wie in dieser Figur eine Färbung des Protoplasmas statt. Sowohl das Zellennetz, als auch das Protoplasma sind dagegen ganz ungefärbt, das intercelluläre Glianetz aber ist ausserordentlich stark gefärbt. Zu diesem Zeit- punkt ist das Tier völlig erschöpft. Rekapitulieren wir alles, so bewirkt also eine kurze, direkte elektrische Reizung des Corticalis, dass die Zellen- netze mit Toluidinblau färbbar werden. Nach längerer Reizung wird zugleich das intercelluläre Glianetz färbbar. Setzt man. die Reizune immer noch vort, ea schwinden die färbbaren Substanzen nach und nach vom Zeilenetze, während das Glianetz in noch höherem Grade die Farbein sıch aufnımmr d) Das sekundäre Neuron in der elektrisch ge- rerzten Leitun. Um nachzuweisen, dass die obenerwähnten Veränderungen nicht von der elektrischen Reizung herrühren, habe ich das Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 571 andere Neuron der gereizten Leitung untersucht, in diesem Falle also die Vorderhornzellen des Rückenmarkes. Tafelfigur IV zeigt das mikroskopische Aussehen des ruhenden Rückenmarkes eines Hundes. Tafelfigur X zeigt das Lumbalmark eines Hundes derselben Grösse und desselben Wurfes, aber nach 15 Minuten elektrischer Reizung des rechten motorischen Cortex. Durch Vergleich mit Tafelfigur IV sieht man deutlich, dass die Reizung erstens bewirkt hat, dass das Netz um den perinucleären Kanal deutlich hervorgetreten und feinmaschiger geworden ist, aber zweitens, dass sich jetzt die Maschen innerhalb dieses Kanals färben lassen. Auf einem Teil der Zellen in der Figur schımmern die Konturen des Kerns und dessen tiefer perinucleäre Kanal durch das Maschenwerk hervor. Das intercelluläre Glianetz ist hier schwach gefärbt. Bei anderen Versuchen aber, wo ich stärker gereizt habe, trat das Glianetz wie in der Corticalis nach direkter Irritation hervor. Färbt man einen solchen Schnitt mit Nilblaubase, so sieht man in dem ausserhalb des perinucleären Kanals liegenden Teil des Netzes keinen weiteren Unterschied von den Verhält- nissen nach der Nilblaufärbung der ruhenden Ventralhornzelle. Dagegen gewahrt man ein Netzwerk innerhalb des Kanals, welches man selbst nach der Nilblaufärbung nicht bei der ruhenden Zelle findet. Resume: 1. Bei elektrischer Reizung eines primären Neurons treten in dem entsprechenden sekun- dären Neuron dieselben Veränderungen auf, die durch direkte elektrische Reizung der-Nerven- zellen hervorgebracht werden. 2. In der ruhenden Vorderhornzelle finden sich inner- halb des perinucleären"Kanalsskeine StorfTte, die sich von der Nilblaubase spalten lassen. Nach der Reizung des primären Neurons treten 572 HOLGER MÖLLGAARD, solche Stoffe im Maschenwerk innerhalb des Kanals auf. e) Spinale Ventralhornzellen nach Arbeit. Um die Veränderungen während der normalen Funktion noch besser festzustellen, habe ich die Vorderhörnzellen des Lumbalmarkes nach starker Arbeit untersucht. Für die Ver- suche benutzte ich Katzen, die ich durch halbstündiges Umherjagen im Laboratorium ermüdet hatte. Da man natür- licherweise nicht ein Tier mit aufgemeisseltem Rückenmark umherlaufen lassen kann, folgte ich bei diesen Versuchen der zweiten der obenerwähnten Methoden. Als das Tier nach einer halben Stunde ausser Atem war und starke Zeichen der Müdigkeit darbot, wurde es schnell in ein Netz eingewickelt, erhielt darauf den Nackenstich, und in unmittelbarem Anschluss daran schnitt ich den Rückenmarkskanal in der Lumbalregion auf und exzidierte ein Stück des Lumbalmarkes. Das Resultat der Toluidinblaufärbung ergibt sich in Tafel- figur XI. Eine nähere Beschreibung ist unnötig. Die Figur zeigt, dass während der Arbeit ganz dieselben Veränderungen wie bei der elektrischen Reizung eintreten. Die Wirkung der normalen Arbeit ist nur nicht so stark. In Tafelfigur XI ist das intercelluläre Glianetz nicht sichtbar, trotzdem das Tier 1/, Stunde gearbeitet hatte. Nach mittelstarker elektrischer Rei- zung fängt es schon eine Viertelstunde nach Anfang der Reizung an, sich um die sekundären Neuronen zu zeigen. Um die primären, direkt irritierten, zeigt es sich noch früher, nach ca. fünf Minuten Irritation. Färbt man einen Schnitt eines „Arbeitrücken- markes‘“ mit der Nilblaubase, bekommt man von den Zellen dasselbe Bild, wie von den Ventralhornzellen nach elektrischer Reizung der Corticalis. Bei diesen Präparaten tritt, wie früher Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 573 erwähnt, dann zugleich das Glianetz zwischen den Zellen hervor. we Schliesslich nur die Bemerkung, dass ich selbstverständ- lich das Rückenmark der Katze während der Ruhe unter- sucht habe und zwar mit erwartetem Resultat: es zeigten sich nämlich ganz dieselben Bilder wie bei dem Hunde (Tafel- figur IV). Nach den jetzt erwähnten funktionellen Untersuchungen steht folgendes fest: „Dienormale Funktion der Nervenzellen hat zur Folge, dass deren Glianetz mit Toluidinblau- chlorhydrat färbbar wird und dass in den Maschen innerhalb des perinucleären Kanals Stoffe auf- treten, die sich von Nilblaubasen färben lassen.“ f) Der Einfluss des Ernährungszustandes auf das Glianetz der Nervenzellen. Da ich einmal zu einem Arbeitsversuch eine sehr hungrige wilde Katze anwendete, zeigte es sich, dass trotz eines halb- stündigen Herumlaufens in der Stube keine so hübschen und feinmaschigen Netze in die Vorderhornzellen traten. Dagegen war das Glianetz zwischen den Zellen zu sehen, aber sehr schwach hellblau gefärbt, wie die Zellennetze. Das Tier war nach der Arbeit so ermattet, dass es beinahe nicht auf seinen Beinen stehen konnte. Ich schloss nun daraus, dass wahrscheinlich dessen schlechter Ernährungszustand mit sich brachte, dass der nor- male Prozess in den Netzen nicht verlaufen konnte. Mit dieser Anschauung als Grundlage nahm ich nun eine Reihe Inanitionsversuche an Ratten vor. Ich liess sie in ver- schieden langer Zeit hungern und dann 10 Minuten sehr herum- laufen. Darauf gab ich ihnen den Nackenstich, und 574 HOLGER MÖLLGAARD, gleich darauf habe ich das Lumbalmark herausgeschnitten. Tafelfigur XII zeigt die Vorderhornzellen des Lumbalmarkes bei dem Tier, das am längsten gehungert hat (8 Tage). Das Tier war ausserordentlich erschöpft, es gelang aber doch, es dazu zu bewegen, auf einem Tisch recht schnell hin und her zu laufen. Wie man sieht, ist trotz Arbeit beinahe keine ge- färbte Substanz in den Zellen vorhanden. Einige wenige Maschen sind zu erblicken, sie sind aber sehr schwach und im Schnitte ganz hellblau gefärbt. Der Unterschied von dem normalen Ar- beitszustande tritt bei einem Vergleich mit Tafelfigur XIII, die die Vorderhornzellen des Lumbalmarkes einer gesunden, kräftig gefütterten Ratte nach 10 Minuten Herumlaufen wiedergibt, sehr stark hervor. Ferner habe ich versucht, die Kost zu variieren. Es zeigt sich da, dass man das schönste Netz nach der Arbeit erhält, wenn das Tier mit Fleisch und Speck gefüttert wurde, während die Netze niemals so scharf und dichtmaschig wurden, wenn das Tier längere Zeit nur Brot und Milch allein erhielt. Da ich einige der Schnitte von dem Rückenmark, wovon Tafelfigur XII stammt, mit Nilblaubasen färbte, traten die Zellen- netze noch deutlicher hervor, insofern sie mehr von der Farbe annahmen. Die Netze sind aber anatomisch verändert. Siesind verkrüppelt und an mehreren Stellen zu- sammengeballt. Daraus schloss ich nun, dass bei diesem Tiere während der Inanition grosse Veränderungen in den Nervenzellen vorgegangen sein mussten. Handelte es sich um wirklich grobe anatomische Verände- rungen, musste man erwarten, sie durch die Niss1I- Methode nachweisen zu können, besonders wenn man das Einbetten unterliess und die alkoholfixierten Blöcke auf dem Gefrier- mikrotom schnitt!). Tafelfigur XIV zeigt das Ergebnis der !) Bei normalen Ratten erhalte ich, wie erwähnt, auf diese Weise immer schöne Nisslkörner. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 575 Toluidinblaufärbung der Ventralhornzellen im Lumbalmark bei derselben Ratte, die die Schnitte zu Tafelfigur XII geliefert hat. Man sieht sofort, dass die Zellen ausgesprochen chroma- tolytisch sind. Bei einem grossen Teil ist alles Tigroid beinahe verschwunden. Der Kern ist klein und atrophisch. Bei der anfangs des Kapitels erwähnten Katze war die Chromatolyse noch stärker. Die Zellen waren ganz blass mit atrophischen, eckigen Kernen. Für diese Tiere ist auch charak- teristisch, dass keine postmortale Spaltung eintritt. Die Netze treten nicht deutlicher hervor, selbst wenn die Tiere ein paar Stunden nach dem Tode im ungefrorenen Zustande liegen bleiben. Es gibt einfach keinen Bestandteil mehr in den Zellen, der nach dem Tode eine Spaltung erleiden kann, die farbige Stoffe erzeugt. Es zeigt sich nun zugleich, dass die groben anatomischen Veränderungen nur bei den Tieren vorhanden waren, die sehr lange gehungert hatten und unzweifelhaft Zeichen darboten, dass der Eintritt des Todes im Laufe kurzer Zeit geschehen würde. Unterbrach man die Inanition auf einem früheren Zeit- punkt, waren die Zellennetze wohl nicht so schön wie bei normalen Tieren — die farbige Substanz war etwas reduziert —, es waren aber niemals anatomische Veränderungen im Netze zu finden. Diese treten offenbar erst bei einem späteren Stadium auf, wo das Tier, den Symptomen nach zu urteilen, nicht mehr zu retten sein würde, auch wenn es reichliche Kost erhielt. Kurz wiederholt können wir folgendermassen schliessen: Während der Inanition vermindert sich die Menge der färbbaren Stoffe im Zellennetz. Am Ende der Inanition erleidet das Zellennetz gewalt- same anatomische Veränderungen, die nach allem zu urteilen, mit dem Leben der Nerven- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43 Bd., H. 3). 38 576 HOLGER MÖLLGAARD, zellen und dafür auch mit dem Leben des Tieres unvereinbar sind. e) Untersuchungen überrdie.Narkose, Seit Meyers und Overtons bekannten Untersuchungen über den Teilungskoeffizienten für die narkotisieren- den Methanderivate gilt als die allgemeine Anschauung, dass die Narkose durch Eindringen der narkotisierenden Substanzen in die Lipoide der Nervenzellen entsteht. Über die letzte Ursache der Narkose weiss man bekannter- massen nichts Bestimmtes. Meyer und Overton meinten, dass die Narkose allein von der Verschiebung in der Zusammen- setzung der Zellen stammt, die durch Eindringen der betäuben- den Stoffe hervorgerufen wird. Sie sahen die allgemeinen Narcotica in chemischer Hinsicht als so träge an, dass man sich ein Reagieren mit der lebenden Substanz kaum denken könnte. Im Gegensatz hierzu hat man auf Grund einer Reihe Unter- suchungen aus dem Verwornschen Institut gemeint, den Schluss ziehen zu können, dass die Narkose in einer Erstickung des Nervensystems bestehe. Dieser Theorie hat Bürker erst ganz kürzlich eine weitere Entwickelung gegeben, indem er auf eine Reihe Untersuchungen über das Verhalten von Nar- coticis gegenüber elektrolytisch freigemachten Sauerstoffes ge- stützt, die Theorie aufgestellt hat, dass die narkotisierenden Substanzen während ihres Eindringens in die Lipoide der Nervenzellen Beschlag auf den Sauerstoff legten und auf diese Weise eine temporäre Erstickung der Nervenzellen und damit eine Lähmung ihrer physiologischen Funktion hervor- riefen. Bei Oxydierung der narkotisierenden Substanzen bilden sich Kohlenoxyd, Kohlensäure, Acetaldehyd und Essigsäure, und diese Substanzen macht Bürker für die unangenehmen Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 577 Nachwirkungen der Narkose mitverantwortlich. Von einem physiologischen Gesichtspunkt aus ist es mir immer merk- würdig erschienen, wenn die Narkose wirklich ein Erstickungs- prozess sein sollte. Weiss man, wie empfindlich die Nerven- zellen für Sauerstoffmangel sind, so scheint es höchst eigen- tümlich, dass sie den Sauerstoff, und sei es nur teilweise, mehrere Stunden ohne den geringsten Schaden sollten ent- behren können. Indessen ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Narkose durch Herabsetzung der Dissimila- tionsfähigkeit der Nervenzellen entstand, d. h. dass das Chloroform und der Äther wie Protoplasmagifte auf die Nervenzellen wirkten, die (wie Cyanwasserstoff) die Dissi- milationsfähigkeit der Zellen verminderte und siedamitan der Ausübung ihrer Funktionhin- diente. Diese Anschauung würde an Wahrscheinlichkeit gewinnen, falls es zu zeigen gelänge, dass die Nervenzellen in- folge Reizung imstande wären, während der Narkosezuarbeiten,selbstbeisotiefer Nark»)se, dass ihre normale Funktion, d. h. Muskelkon- traktionen zu erzeugen, unterdrückt ist. Nach unserem Wissen zu urteilen, müssen wir nämlich annehmen, dass die Nervenzellen, falls die Narkose Erstickung ist, während dieser einen harten Kampf für ihre Existenz führt. Man kann gut davon ausgehen, dass die Nervenzellen bei Aufhebung der Funktion durch Erstickung Beschlag auf allen Sauerstoff legt, den der narkotisierende Stoff nicht bindet. Die Oxydationen können nicht weiter beschleunigt werden, ohne dass der narkotisierende Stoff ausgetrieben wird, aber in diesem Fall müsste die Narkose gehoben werden. Falls man also imstande wäre nachzuweisen, dass die Nervenzellen während der Narkose dazu gebracht werden könnten — 38* 578 HOLGER MÖLLGAARD, und seidiesauchnurin geringerem Gräde, aber doch qualitativ — genau dieselben Verände- rungen wie unter normaler Arbeit zu erleiden, trotzdem das normale Ergebnisihrer Funktion, nämlich die Muskelkontraktion, unterdrückt sei, so müsste man annehmen, dass weiterer Sauer- stoff zuihrer Verfügung stände, in welchem Falle die Narkose keine Erstickung sein könnte. Im Kapitel 6 habe ich auf Tafelfigur V das Aussehen der Cortexzellen des Kaninchens gerade nach dem Aufhören der Äthylurethannarkose wiedergegeben. Wie man sieht, sind bei diesen Verhältnissen die Zellen noch ärmer an farbiger Substanz als während der Ruhe. Tafelfigur XV stammt von einem Hunde und ist während der Äthernarkose, ungefähr eine Stunde nach Beginn derselben, herausgeschnitten worden. Es ist sofort er- sichtlich, dass die Verhältnisse hier dieselben wie in Tafel- figur V sind. Da wir nun aus dem Vorhergehenden erfahren haben, dass eine Zunahme der farbigen Substanz eine vermehrte Funktion bedeutet, so ist es leicht verständlich, dass hier beinahe keine farbige Substanz zugegen ist, da ja die Narkose auf alle Fälle die Funktion der Nerven- zellen unterdrückt, gleichgültig, auf welche Weise sie auf die- selben wirkt. Über die Wirkungsart sagen diese Versuche da- gegen nichts. Es handelt sich eben darum, ob man unter tiefer Narkose die farbige Substanz zum Zunehmen bringen kann. Um dies zu untersuchen, habe ich folgende Versuche an- gestellt. In tiefer Äthernarkose meisselte ich das Kranium eines grossen Hundes an beiden Seiten auf und entfernte die Dura in einer Ausdehnung, die dem Defekte entsprach. Ich stellte dann den Induktionsapparat auf eine Stromstärke ein, die meines Wissens genügend war, sogar recht kräftige Muskel- kontraktionen auszulösen. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 579 Ich irritierte darauf den Teil des rechten motorischen Cortex, der der linken Unterextremität entspricht. Die Narkose dauerte beständig fort und war so tief, dass sich überhaupt nicht die geringsten Kontraktionen oder bloss Spannungen in der Muskulatur des Hinterkörpers zeigten. Ich setzte fünf Minuten damit fort und schnitt darauf das irritierte Stück Cor- tex heraus. Es wurde vital fixiert und mit Toluidinblau gefärbt. Ich unterbrach nun die Narkose und ca. t/, Stunde später erwachte das Tier und schlug um sich. Ich irritierte nun dıie- selbe Partie an der linken Gehirnhemisphäre. Anfänglich benutzte ich dieselbe Irritationsstärke wie während der Narkose, da es mir aber schien, dass die Muskelkontrak- tionen nicht kräftig genug wurden, erhöhte ich die Irritations- stärke und erhielt nun eine kräftige tetanısche Kontraktion in der Muskulatur an der rechten Seite des Hinterkörpers. Nach einer Irritation von fünf Minuten schnitt ich die irritierte Partie heraus, die wie oben angeführt behandelt wurde. Tafelfigur XVI zeigt das Resultat der Irritation unter der Narkose. Wie man sieht, haben sich sowohl das Zellen- netz wie dasintercelluläre Glianetz gefärbt. Ge- wiss sind die Maschen im Zellennetz grob, vergleicht man aber Tafelfıgur XVI mit den Bildern des ruhenden Cortex (Tafel- figur III) oder Cortex während der Narkose (Tafelfigur V und XV), so sieht man sofort, dass der Unterschied der Menge von farbiger Substanz recht gross ist. Tafelfigur XVII zeigt das Ergebnis der Irritation nach dem Erwachen des Tieres. Hier sind die normalen Veränderungen zu sehen. Die Zeilen sind mit feinen scharfgelärbten Netzen ausgestattet worden. Schliesslich zeigt Tafelfigur XVIII das gewöhnliche Aussehen der Ventralhornzellen im Rückenmarke nach elektrischer Irritation. Aus diesem Versuche können wir schliessen: 580 HOLGER MÖLLGAARD, „Eine Reizung der Nervenzelle bei tiefer Narkose, wo Muskelkontraktionen ausgeschlossen sind, führt in qualita- tiver Hinsicht dieselben Veränderungen wie Irritation der unbetäubten Nervenzelle mit sich.“ „Die Narkose setzt also nur die Intensität der Verände- rungen herab, die während der Funktion vor sich gehen; hebt sie aber nicht auf.“ Dieses Ergebnis spricht gegen die Erstickungstheorie und für die Anschauung, dass die narkotisierenden Stoffe die Oxy- dationen, die Dissimilationsprozesse in den Nervenzellen herab- setzend beeinflussen und dadurch die normalen Funktionen unmöglich machen. Werden die Zellen stimuliert, so steigt bis zu einem gewissen Grade die Dissimilation, doch vermag die Irritation natürlich die Narkose nicht zu überwinden, da, wie gesagt, das lähmende Gift immer den Sieg davon tragen wird. Mir ist natürlich ganz einleuchtend, dass dies keine voll- ständige Theorie für das innerste Wesen der Narkose ist; doch kommt mir vor, dass diese Betrachtungsweise mehr Wahr- scheinlichkeit hat und in grösserer Übereinstimmung mit unserem Wissen steht als die Erstickungstheorie. Mit diesen letzten Untersuchungen ’bin ich mit meinen vor- läufigen Mitteilungen zu Ende. Es muss nun gefragt werden, ob es möglich ist, die kurz aufgezählten Versuchsergebnisse zu einem Ganzen zu sammeln, ob, mit anderen Worten, ein Grundprinzip zu finden ist, das durchgeht und in allen gewon- nenen Ergebnissen wiedergefunden werden kann. Da die von uns behandelten funktionellen Veränderungen zu guter Letzt alle Veränderungen im Gliagewebe sind (endo- celluläre und extracelluläre), so wird ein solches Zusammen- arbeiten der Ergebnisse und ein solches Herleiten allgemeiner Gesichtspunkte in der Tat das gleiche, wie ein Versuch einer physiologischen Theorie des Gliagewebes. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 58l Kap. 7. Versuch einer physiologischen Theorie des Gliagewebes. Ein Versuch einer Feststellung der physiologischen Funk- tion des Gliagewebes muss seinen Ausgangspunkt von dem anatomischen Bau des Gewebes nehmen und diesen mit den Ergebnissen vergleichen, die die physiologischen Untersuchun- gen uns gegeben haben. Wie aus diesen Untersuchungen hervorgeht, formt sich der anatomische Bau des Gliagewebes hauptsächlich auf fol- gende Weise: Das Gliagewebe besteht aus einem universellen Netzwerk, das auf der einen Seite die Nervenzellen umspinnt und durchwebt und auf der anderen Seite die Blutcapil- laren mit dichtem Maschenwerk umschliesst, das Gliazellen enthält, die in intimer Berührung mit der Capillarwand gelagert liegen und oft ins Capillar hinein prominieren. Dieser Bau lenkt sofort den Gedanken auf eine ernäh- rende Funktion des Gliagewebes: von den Capillaren könnten durch die darumliegenden Gliazellen Nahrungsstoffe aufgenommen und durch das Maschenwerk zu den Nerven- zellen geführt werden, und umgekehrt könnten Stoffwechsel- produkte von den Nervenzellen in das Gliagewebe hinaus ge- führt und dort fortgeschafft werden. Dies stimmt mit den An- schauungen überein, die man sich in der Regel über endo- celluläre Kanalsysteme gebildet hat, und die zur Bildung des Wortes „Trophospongium“ Anlass gegeben haben. Wie stimmt aber nun diese auf den anatomischen Bau gegründete Auffassung mit den Ergebnissen unserer physio- logisch-histologischen Untersuchungen überein? Lassen sich dieselben unter diese Anschauung einordnen, und auf welche Weise? Zuerst muss sich die Aufmerksamkeit hier darauf kon- 582 HOLGER MÖLLGAARD, zentrieren, dass wir in den vorhergehenden histologischen und physiologischen Untersuchungen zwei verschiedene Farbstoffe, Toluidinblauchlorhydrat und Nylblaubaserssem Salz und eine freie Base, angewendet haben. Wie aus den physiologischen Untersuchungen hervorgeht, werden während der Funktion der Nervenzellen Veränderungen gleicher Art wie bei der postmortalen Spaltung hervorgerufen, die Netze werden mit Toluidinblauchlorhydrat färbbar. Es steht ausser- dem fest, dass das Hirngewebe während der postmortalen Spal- tung sauer reagiert, und dass der Säuregrad in derselben Weise zunimmt, wie die Netze für die Farbe empfänglich werden. Wie oben erwähnt, liegt es nahe, die Prozesse im Netze mit der sauren Reaktion in Verbindung zu setzen, und es ist an- zunehmen, dass während und nach dem Tode im Netze Spal- tungen von Stoffen vor sich gehen, wodurch sich saure Produkte bilden. Da aber die funktionellen Veränderungen gleicher Art wie die postmortalen sind, muss man annehmen, dass bei der Funktion der Nervenzellen saure Stoffwechselpro- dukte gebildet werden. In dem Abschnitt über die Theorie der Nilblaufärbung (II. Kap. 2) ist erwähnt, wie ich davon ausging, dass die Fär- bung mit Toluidinblauchlorhydrat eine einfache chemische Re- aktion zwischen sauren und basischen Stoffen sei. Auf Grund- lage hiervon habe ich die Nilblaufärbung ausgearbeitet, und der Umstand, dass die Schnitte durch diese Färbung blau werden, erbringt den positiven Beweis dafür, dass es sich jedenfalls bei dieser Färbung um einfache chemische Reak- tionen, d. h. Salzbildungen, handelt. Wenn dies nun für die Nilblaufärbung gewiss ist, so liegt es ja umgekehrt nahe, zu behaupten, dass dasselbe auch der Toluidinblaufärbung gilt. Dies wollen wir im folgenden als Aus- gangspunkt benutzen, und legen wir unseren theoretischen Ent- wickelungen die wohlbegründete Annahme zugrunde, dass das Anat.Hefte 1.Abteilung Heft 131 (43.Bd.H3) Tafel H. Verlag v.J.E Bergmann, Wiesbaden Werneru.Winter, Frankfürt®M. Anat.Hefte I.Abteilung Heft 131 (43.Bd.H.3) Verlag v.J.E Bergmann Wiesbaden u. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 583 Toluidinblauchlorhydrat, als Salz, sich nur zu den freien, durch den Stoffwechsel der Zellen gebildeten Säuren und ihren Alkalisalzen binden wird, während es die festgebundenen, in Albumin- oder Fettstoffen enthaltenen Säuren oder sauren Bestandteilen nicht angreifen wird. Die Nilblaubase wird sich dagegen wie eine starke freie Base mit Albumin verbinden und Fettstoffe spalten. Sie wird also sicher zu allererst imstande sein, die Stoffe zu spalten, die sonst durch postmortale oder funktionelle Spal- tung saure Produkte liefern. Wie es in der Hauptsache der Fall ist, sollte also die Nilblaufärbung zu einem gewissen Grade von der Funktion der Zellen un- abhängig sein, die Toluidinblaufärbung da- gepehn nursauf die vwitalıtısierte Nervenzelle stattfinden können, wenn diese gearbeitet hat. Für alle Funktionsversuche ist nun gemeinschaftlich, dass die von Toluidinblau gefärbten Stoffe immer zuerstinden Zellen auftreten. Deren Netz ist dann auf ungefärbtem Grund gefärbt. Bei fortgesetzter Arbeit treten die Stoffe in dem intercellulären Glianetz auf. Zu diesem Zeitpunkte sind dann sowohl das Zellennetz, wie das extracelluläre Netz gefärbt und sehr schwierig voneinander zu unterscheiden. Wird die Arbeit fortgesetzt, verschwinden die Stoffe nach und nach aus den Zellennetzen, während sie im Glianetz um die Zellen zunehmen. Im ietzten Stadium schliesslich sind die Zellen- netze beinahe wieder ganz farblos, während das Glia- netz nun intensiv blau gefärbt ıst. Gehen wir nun von der erwähnten Anschauung über das Wesen der Toluidinblaufärbung aus, so wird gewiss ein jeder zugeben müssen, dass diese Ent- deckungen kaum irgend eine andere Darlegung erlauben als die, dassdurchdasGlianetzeinEntfernenvonStoffen vorsich geht, die durch die Funktion der Zellen gebildet sind. Dass diese zuletzt durch das Blut entfernt 584 HOLGER MÖLLGAARD, werden, folgern wir aus dem anatomischen Bau. Diese An- schauung stimmt vollständig damit überein, dass wir bei Stase das ganze Glianetz ungewöhnlich stark efärbt finden. Während der gehinderten Blutzirkulation eschieht die Entfernung der sauren Produkte nicht schnell genug. Sie häufen sich dafür im Glianetze an, wodurch sich dieses durch Toluidinblau sehr stark färbt. Hört die Stase nicht innerhalb einer passenden Zeit auf, dann tritt vermutlich eine toxische Läsion der Wände der endocellulären Gliakanäle ein, genau wie wir sie bei Ödemen während venöser Stase kennen. Die Gliakanäle werden permeabel und die angehäuften sauren Produkte dringen in das Protoplasma hinaus, das dann, wie der Fall ist, durch Toluidinblauchlorhydrat färbbar wird. Bei der Erstickung rührt die starke Färbung der Glıa wahrscheinlich von der Anhäufung der Kohlensäure in den (reweben her. Was die Narkose betrifft, zeigten die morphologischen Untersuchungen, dass die Funktion in den Zellen herabgesetzt war. Durch Irritation könnten wir den Umsatz in den narko- tisierten Zellen erhöhen, doch nicht sehr. Die Zellennetze traten wohl hervor, waren aber schwach gefärbt und bei weitem nicht in ihrer ganzen Ausdehnung. Auf der Tafelfigur XVI ist indessen zugleich ersichtlich, dass, obwohl in den Zellennetzen nicht viel färbbarer Stoff vorhanden ist, das Glianetz doch recht gut färbbar ist. Wie erwartet, wurden durch Irritation nach Erwachen des Tieres die Zellennetze stärker gefärbt, das Glianetz dagegen verblieb ungefärbt. Dieses anscheinend paradoxale Verhalten stimmt nun in der Tat mit dem überein, was man erwarten müsste, wenn die Nervenzelle wirklich während der Narkose arbeiten könnte. Während dieser werden nämlich die Bedin- gungen für Entfernung der Stoffwechselprodukte aus den inneren Organen immer schlechter sein als unter normalen Ver- Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 585 hältnissen, weil der Blutdruck niedriger ist und alle peripheri- schen Gefässe ausgedehnt sind. Wahrscheinlich setzt auch die Narkose selbst die Funktion des Gliagewebes herab und ver- spätet dadurch die Entfernung der Stoffe. Trotz des geringen Umsatzes in den Nervenzellen wird das Reticulum intercellulare jedoch färbbar werden, weil die Ausscheidung herabgesetzt ist. In der halben Stunde bis zum Erwachen des Tieres kommen die Funktionen nach und nach wieder in Ordnung und schaffen die Stoffwechselprodukte weg, so dass das Tier der nächsten ausgeführten Irritation in wachem Zustande mit normal fun- gierenden Gliagewebe, das frei von Stoffwechselprodukten, d. h. von farbigen Stoffen ist, begegnen kann. Unter diesen Verhältnissen erzeugt dann die Irritation wie gewöhnlich zu- erst Färbung der Zellennetze und erst später des Reti- eulum intercellulare. Die bisher erwähnten Ergebnisse der Toluidinblau- färbung werden also alle ungezwungen von der einfachen Voraussetzung aus erklärt, dass die Nervenzellen saure Stoffwechselprodukte bilden, die durch das Gliagewebe beseitigt werden. Wir wenden uns nun zur Nilblaufärbung. Bei dieser Färbemethode färben wir immer das Reticulum inter- cellulare in seiner ganzen Ausdehnung, gleich- gültig, ob die Nervenzellen tätig sind oder nicht. Von den Zellen- netzen wird bei ruhenden Nervenzellen nur der peripheri- sche Teil gefärbt. Die ganze mittlere Partie, oder jedenfalls diejenige innerhalb des perinucleären Kanals ist hier farblos. Dagegen wird während der Funktion der Nervenzelle das Maschenwerk innerhalb dieses Kanals durch die Nilblaubase färbbar. Hieraus folgt, dass in der ruhenden Zelle keine Stoffe innerhalb des perinucleären Kanals vorhanden sind, die vom Nilblau gespaltet werden können, und dass während der Funktion der Zelle solche Stoffe in diesem Teil des Maschen- werkes auftreten. 586 HOLGER MÖLLGAARD, Da nun das ganze intercelluläre Glianetz und die peri- pherischen Teile der Zellennetze immer von der Nilblaubase gefärbt werden, liegt die Annahme nahe, dass die Stoffe während der Funktion in die Maschen in der Mittelpartie der Zelle ge- wandert sind. Da in jedem Falle ein Teil dieser Stoffe mit denen, die nach der Spaltung Material zur Toluidinblaufärbung liefern, identisch ist, so bedeutet dies vielleicht einfach, dass denNervenzellenErnährungsmaterialvomGlia- netz zugeführt wird, welches diesesals Reserve enthält. Diese Auffassung stimmt mit den Ergebnissen der Ernährungsversuche überein. Am Ende der Inanition konnten wir, wie sonst bei der Arbeit, die Zellennetze nicht mit To- luidinblau färben. Ist die Theorie richtig, sollte dies also be deuten, dass infolge des Hungers kein Ernährungsmaterial in den Zellennetzen vorhanden war. Es zeigte sich bei der Nil- blaufärbung, dass sich ganz ungemein wenig farbige Substanz in den Zellen fand, und eine Niss1]-Färbung zeigte, dass so wenig vorhanden war, dass nicht einmal Nıssl-Körner ge- bildet werden konnten. Eine bessere Übereinstimmung kann man ja nicht verlangen. Von diesen Betrachtungen aus erklären sich auch die End- ergebnisse bei der elektrischen Irritation. Wenn man die Irri- tation sehr lange fortsetzte, so würde das Reservematerial im Gliagewebe nach und nach aufgebraucht, und kann dieses nicht schnell genug Umsatzmaterial vom Blute herbeischaffen, so hört der Umsatz in den Nervenzellen von derartigen Stoffen auf, und die grosse Menge Stoffwechselprodukte, die infolge der starken Irritation gebildet wurden, liegen somit im intercellulären Glianetz. Dieses ist dann stark ‚gefärbt, die Zellennetze sind dagegen farblos. Es ist also zu ersehen, dass die einfachen Konsequenzen der Theorie über das Gliagewebe als Ernährungsgewebe Resul- tate ergeben, die vollständig mit den experimental gefundenen übereinstimmen. Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. 587 In aller Kürze stelle ich somit folgende Hypothese für die physiologische Funktion des Gliagewebes auf: „Das Gliagewebe im Centralnervensystem bildet ein uni- verselles Ernährungsnetzwerk, das Reservener- nährung für die Nervenzellen aufmagazinieren kann. Bei normaler Funktion der Nervenzellen gehen durch die Maschen des Gewebes zwei einander entgegenge- setzte Strömungen. Die eine führt der Zelle Umsatz- material zu, die andere beseitigt die Stoffwechselprodukte. Das Ernährungsmaterial ist derart, dass es Salze mit freien Basen bilden und in der Nervenzelle chemische Verände- rungen erleiden kann, die aller Wahrscheinlichkeit nach in der Bildung saurer Produkte resultieren.“ Mit der Aufstellung dieser Hypothese schliesse ich eine vorläufige Mitteilung über eine Reihe Untersuchungen, deren wesentlicher Zweck es war, eine histologische Methode zu er- bringen, die, soweit es im Augenblick den Anschein hat, mög- licherweise die Forderungen erfüllt, die eine rationelle experi- mental-physiologische und -pathölogische Untersuchung des Centralnervensystems an unsere Technik stellt. Die mitgeteilten Untersuchungen zeigen, dass die prinzi- pielle Forderung, dass die in den Nervenzellen beobachteten morphologischen Unterschiede nicht von der Methode, son- dern einzig und allein von dem physiologischen oder pathologischen Zustande der Zellen ab- hängig sein sollen, in Wirklichkeit in so hohem Grade befriedigt worden ist, wie überhaupt zu erwarten war. Die von mir im vorhergehenden behandelten physiologischen und pathologi- schen Zustände zeigen so treffende und so konstante morpho- logische Unterschiede, wie man es noch bei keiner anderen Methode erreicht hat. Mir ist natürlich völlig klar, dass ich den strengen wissen- schaftlichen Beweis nicht erbracht habe, und dass ich ihn 588 HOLGER MÖLLGAARD, auch nicht zu führen vermag, dass nämlich die von mir er- wähnten netzförmigen Bildungen und das von mir beschriebene Gliagewebe keine durch Gefrieren hervorgerufene Kunstprodukte sein können. Es kommt mir aber vor, dass der Gedanke so absurd ist, so unvereinbar mit allem was vorliegt, dass man Recht haben muss, davon abzusehen und das Glianetz als reell existierend festzustellen. Ganz davon abgesehen, welchen Standpunkt man in dieser Frage auch einnimmt, eines steht jedoch fest: Ich habe durch diese Methode eine bestimmte, wohl charakterisierte, stets an- wesende, morphologische Bildung in den Nervenzellen nach- gewiesen, die für denselben Zellenzustand konstant ist, und deren morphologischer Charakter also einzig und allein vom Zustande der Zelle abhängt. Uns stehen zwei Farbstoffe zur Verfügung, die beide die Glianetze färben. Der eine, die Nilblaubase, zeigt die Glianetze beinahe in ihrer vollen Ausdehnung, gleichgültig, ob die Zelle fungiert oder nicht, wenn sie nur unbeschädigt ist. Nur die Maschen in der Mittelpartie der Zelle sind farblos, wenn die Zelle nicht arbeitet. Der andere, das Toluidin- blauchlorhydrat, ist in seiner Bindung von dem physio- logischen Zustande der Zellen intim abhängig. Die Nilblaublase zeigt also wesentlich pathologisch- anatomische Veränderungen in den Glianetzen in der und um die Zelle. Das Toluidinblauchlorhydrat zeigt uns den Funktionszustand der Zelle oder dıe Veränd rungen in dieser. Da aber, wie erwähnt, die Resultate der Untersuchung von der Methode nicht beeinflusst sind und allein von dem Zustande der Zelle abhängen, so haben wir Recht, das histo- logisch-anatomische Bild zur Diagnose’ des physiologischenoderpathologischenZustandes der Zelle zu benutzen. 589 Die vitale Fixation des Zentralnervensystems. Hier stehen wir somit am Kernpunkte der Methode, am Ziel dieser Untersuchungen. Falls dies sich wirklich Stich zu halten zeigt, so haben wir hiermit eines der schlimmsten Hinder- nisse für ein rationell experimentelles Studium der Funktionen der Nervenzellen und ihrer Krankheiten überwunden, nämlich dass die Symptome für denselben Zustand nicht immer dieselben sind. Wir wollen alsdann versuchen, die Diagnose des funk- tionellen oder pathologischen Zustandes zu stellen, nicht mit Hilfe der Symptome, sondern mit der des Mikroskopes. Wir haben hiermit jedenfalls die experimentelle Nervenphysio- logie und -Pathologie unter dieselben Bedingungen gebracht, wie die experimentellen Untersuchungen anderer (Gewebe. Ich sehe hier ganz davon ab, dass die Methode, wie früher erwähnt, vermutlich bei physiologisch - histologischen Untersuchungen aller homogenen Gewebe angewendet werden kann. Wie weit sie reicht, weiss ich ja noch nicht. Möglicher- weise sind ihre Grenzen bedeutend enger, als ich erwarte; was aber das Centralnervensystem beirifft, zeigen die mitge- teilten Untersuchungen, dass sie die Forderungen, die an sıe gestellt werden müssen, völlig erfüllt, und dass sie Aufgaben zu bewältigen vermag, wie keine andere Methode zuvor. Hieraus ergibt sich auch die Berechtigung, die Methode die vitale Fixation zu nennen und zwar als die Methode, die in den Nervenzellen morphologische Bildungen zeigt, wenn auch nicht in einem Zustande, von dem wir beweisen können, dass er mit dem lebenden adäquat ist, so doch in einem sol- chen, der einzig und allein von den Lebensäusse- rungen der Zelle oder Veränderungenin diesen abhängt, denn die Wirkungsart der Methode ist unter allen Verhältnissen eine konstante! In der Glandula pinealis sind bekanntlich sehr wenige oder vielleicht keine Nervenzellen vorhanden. Das Körperchen soll wesentlich aus Gliagewebe bestehen. 590 H. MÖLLGAARD, Die vitate Fixation des Zentralnervensystems. Auf Präparaten von diesem Körper sieht man nach vitaler Fixation und Nilblaufärbung ein grobmaschiges Netz- werk vom gleichen Aussehen wie das Glianetz im Central- nervensystem. Nimmt man nun die Glandula pinealis einer eben getöteten Ratte, und presst man sie zwischen Deckglas und Objektglas in einer dünnen Schicht aus, so sieht man im Mikroskop über Paraboloidkondensor an diesem ungefrorenen und unfixierten Präparat ein hellgraues Maschenwerk auf dunklem Boden. AnGrösseundFormentsprechendieMaschen desgrauen Netzesganzdenendes Nilblaunetzes. Presst man Substanz vom Vorderhorn des Rückenmarkes einer eben getöteten Ratte zwischen Deckglas und Objektglas aus, so sieht man an einigen Stellen zwischen den Zellen ein Netzwerk, wie nach vitaler Fixation. An einzelnen kleineren Zellen sieht man einige lichtbrechende Maschen. An den grösseren Zellen sieht man nichts. Sie sehen schwarz und homogen aus. Dies war ja auch zu erwarten. Denn die Zellen sind im allgemeinen zu dick, dass man in dieser Weise ihre Struktur sehen kann. Der Zellkörper absorbiert das Licht, welches er nicht von seiner Unterfläche reflektiert. Hinsichtlich der Nervenzellen können wir uns wohl daher vorläufig nicht den wirklichen Zuständen viel mehr nähern, als wir es durch die vitale Fixation getan haben. In der Glandula pinealis ist aber bei leben digem Leibe ein Netzwerk zu sehen, das dem Nilblaunetze in Form und Grösse der Maschen entspricht. AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT FREIBURG 1. Br. UNTERSUCHUNGEN BAU UND ENTWICKELUNG DES ZUSAMMENGESETZTEN MAGENS DER SCHLANMATFEN, VON DR. HERBERT VoN BERENBERG-GOSSLER, FREIBURG ı. B. Mit 12 Figuren auf den Tafeln 52/33. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd, H. 3). 39 2. A PrEen v = = v. A a.‘ Einleitung. Bevor eine auf mikroskopischer Forschung gegründete, all- gemeine Übersicht über die Morphologie des. Wirbeltiermagens existierte, wurde die Entwickelung vom einfachen zum zu- sammengesetzten Magen als eine in der Reihe der Wirbeltiere progressive aufgefasst. Ein komplizierter Magen, wie z. B. derjenige der Wiederkäuer, sollte sich von einem einfachen Typus, wie ihn z. B. der Magen der Carnivoren darstellt, all- mählich fortschreitend, gebildet haben. In neuerer Zeit hat vor allem Oppel nachgewiesen, dass diese Auffassung nicht richtig sein kann, da in verschiedenen Säugerfamilien in ein und derselben Ordnung Vertreter mit einfachem und zusammengesetztem Typus vorkommen. Diese verschieden komplizierten Formen können also nicht Glieder einer fortlaufenden Reihe bilden, „sie haben sich vielmehr in jeder der verschiedenen Ordnungen für sich gebildet, während andere Vertreter derselben Ordnung das ursprüngliche Ver- halten mehr oder weniger bewahrten“ (Oppel). Ein geeignetes Beispiel hierfür bieten unter anderen die Nager, bei denen sich, in Anpassung an die Ernährungsweise, grosse Verschieden- heiten im Magenbau zeigen (Toepfer). Sogar in einer und. derselben Gattung können grosse Differenzen im Bau des Magens bestehen. Ich verweise hierfür auf das Genus Manis: Im Magen 39* 594 H. v. BERENBERG-GOSSLER, von Manis javanica z. B., welcher sich von demjenigen anderer Maniden stark unterscheidet, fand Weber hochgradig speziali- sierte Verhältnisse vor, als deren Bildungsursache er in erster Linie die hauptsächlich aus Ameisen und Termiten bestehende Nahrung ansieht. Wie sehr die Ausbildung des Magens von der Ernährung abhängt, erhellt am besten, wenn wir die Magenformen der reinen Herbivoren vergleichen. Wie Toepfer richtig bemerkt, pflegen diese mehr Nahrung aufzunehmen, als sie auf einmal verwerten können. Den mehr oder weniger differenzierten Vormagen dieser Tiere kann man nun als Warteraum auf- fassen, aus dem kleinere Portionen entweder direkt oder auf dem Umwege durch das Maul, in welchem sie noch einmal gründlich zerkaut und eingespeichelt werden, in den eigent- lichen Verdauungsmagen gelangen. Der Vormagen ist histologisch im allgemeinen dadurch ge- kennzeichnet, dass er, seiner Funktion entsprechend, mit ge- schichtetem Plattenepithel ausgekleidet ist. Der Grad seiner Ausbildung scheint auch von der Art und Weise der pflanz- lichen Ernährung abhängig zu sein. Strecker postuliert ihn für den Grundtypus des Säugermagens, behauptet selbst beim Menschen sein Vorkommen, ohne allerdings stichhaltige Be- weise dafür zu liefern. Für die Ausbildung der Vormägen der Ruminantia haben Ellenberger und seine Schüler eine phylogenetische Reihe aufgestellt: Die erste Stufe vom einfachen zum zusammen- gesetzten Magen bildet das Schwein, bei dem ein Teil des Schlundes an der Magenbildung teilnehmen soll. Die nächst- höhere Stufe findet man beim Pferd, dessen Schlundabteilung, der Saccus coecus, schon makroskopisch vom Verdauungsmagen deutlich abgegrenzt ist. Die Mittelstellung zwischen Einhufer und Schwein einerseits und den Wiederkäuern andererseits nimmt in bezug auf den Magenbau der Hamster (Cricetus Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 595 frumentarius) ein (Roscher). Bei ihm ist ein geräumiger Vormagen, welcher ein zum Teil verhorntes Plattenepithel mit Papillarkörper besitzt, vom Drüsenmagen durch eine ring- förmige Einschnürung deutlich getrennt. Der Vormagen sell als ein ausgestülpter Teil der Speiseröhre aufzufassen sein, welcher an der Decke des Verbindungstores zwischen den beiden Abteilungen mündet und sich als ventral offene Rinne mit Vormagenschleimhaut in den Drüsenmagen hinein fortsetzt. Boden und Lippen der Schlundrinne werden von Speiseröhren- muskulatur gebildet. Die Spezialisierung des Magens findet sich bekanntlich bei den Wiederkäuern am höchsten entwickelt. Als mit ge- schichtetem Plattenepithel ausgekleidete Vormagenabschnitte sind Rumen, Reticulum und Omasus aufzufassen, während erst im Abomasus die eigentliche Verdauung stattfindet. Im all- gemeinen begegnet man der Anschauung, dass die drei Vor- mägen Ausbuchtungen eines Teiles der Ösophaguswand sind, während der diesen Ausbuchtungen gegenüberliegende Speise- röhrenwandabschnitt am wenigsten seine Herkunft verleugnet und zur Schlundrinne wird. Während der Ontogenese soll der Labmagen auch rein morphologisch seine Homologie mit dem einfachen Magen anderer Säugetiere dadurch bekunden, dass er allein die typische Schräg-, bezw. Querstellung eingeht. Der Omasus ist nach Grote morphogenetisch als Teil der Schlund- rinne anzusehen, da er sich dadurch bildet, dass sich ein Teil der unteren Wand des Hintermagens hebt und an die Schlund- lippen anlegt. Gegen die Ansicht, dass die Schlundabteilungen — darunter sind nicht nur abgegrenzte Vormägen, sondern alle mit ge- schichtetem Plattenepithel ausgekleideten Magenpartien zu ver- stehen — als ösophageale Ausbuchtungen aufzufassen sind, wendet sich Oppel. Er gibt zwar zu, dass diese Theorie im makroskopischen Verhalten des Magens mancher Cetaceen eine 596 H. v. BERENBERG-GOSSLER, Stütze findet, sucht aber an den Monotremen, bei denen sich geschichtetes Plattenepithel bis in das Gebiet der Brunner- schen Drüsen im Duodenum findet, und unter Hinweis auf die Entwickelung des Magens der Feldmaus, nachzuweisen, dass, wenigstens bei vielen Säugern, die mit Plattenepithel ausge- kleideten Magenbezirke genetisch nicht zum Ösophagus gehören, sondern dass sie echten, veränderter physiologischer Leistung angepassten Magenteilen entsprechen. Bei der Beschreibung der Entwickelung des Magens von Semnopithecus gedenke ich eine weitere Stütze für diese Oppelsche Theorie zu bringen. Jetzt schon möchte ich bemerken, dass gerade in der Ent- wickelungsgeschichte des Magens ein zähes Festhalten an der Spezifität der Gewebe unmöglich ist. Schon am Ende des 18. Jahrhunderts wurde man auf die interessante Tatsache aufmerksam, dass es Affen mit zu- sammengeselztem Magen gibt. Wie Cuvier und Owen an- geben, berichtete Wurmb im Jahre 1785 zum ersten Male über diesen Befund. Unabhängig von ihm beschrieb Otto 1824 eine neue Affenart, welche er, wohl mit irrtümlicher Gattungsbezeichnung, Cercopitheceus leucoprymnus nannte, Wo- bei er die komplizierte Form des Magens erwähnte. 1829 ent- deckte Cuvier, dass dieser Magentyp, den er an drei Arten bemerkte, spezifisch für eine bestimmte Affengruppe sei, welche er dann in der Gattung Semnopithecus zusammenfasste. In seinen Lecons d’Anatomie comparce erwähnt er, dass die Form des Magens anders ist als bei allen anderen Säugern, ausgenommen beim Känguruh und bei der Känguruhratte. Wie wir später sehen werden, ist eine solche Ähnlichkeit in der Tat vorhanden. Owen gibt eine genauere Beschreibung des Magens von Semnopithecus entellus, äussert sich auch kurz über die ver- mutlichen Funktionsverhältnisse: Links von der Cardia befindet sich eine zweiteilige Tasche. Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 597 Die mittlere und weiteste Partie ist in verschiedene Sacculi gefaltet, der pyloriale Teil ist lang, eng, gebogen und entlang der Linie der grossen Kurvatur bis zu einem Drittel der Ent- fernung vom Pylorus ausgesackt. Von dort ab verjüngt er sich allmählich. Die Blutgefässversorgung und Struktur der aus- kleidenden Membran des dritten Teiles zeigt diesen als Haupt- sitz der echten Verdauung. Die weiteren ausgesackten Teile haben lediglich eine vorbereitende und aufspeichernde Funktion. Gelegentlich finden sich Bezoarkonkretionen, wie bei Wieder käuern. Owen bestimmt diese Verhältnisse als charakteristisch für eine natürliche Affengruppe, einschliessend die (renera Semnopithecus, Nasalis und Colobus. Im allgemeinen ähnlich lautende Beschreibungen finden wir bei Oppel, Pilliet und Boulart, Keith und Jones, sowie bei Weber. Oppel wies in seinem Lehrbuche der ver- gleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere auf das Interesse hin, welches eine histologische Untersuchung der Magenepithelien bieten würde. Dieser Anregung haben dann Pilliet und Boulart Folge geleistet. Ihre Untersuchung gab der Annahme Owens, soweit sie sich auf die Funktion der am meisten links gelegenen Abteilung bezieht, Recht: Die linke, weiteste, mit Anschwellungen versehene Partie des Magens, welche durch eine Rinne mit der Speiseröhre in Verbindung steht, stellt eine Schlundabteilung mit geschichtetem Pflasterepithel und Papillen dar. Zwei weitere, durch Kämme voneinander getrennte Abteilungen, in die sich ebenfalls der Ösophagus öffnet, sind die Träger der Fundusdrüsen. Pylorus- drüsen finden sich an zwei einfrankstückgrossen Stellen der letzten Partie. Das Epithel der Schlundrinne, welche sich in die zweite und dritte Abteilung hineinerstrecken soll, entspricht demjenigen der ersten, welche als eine pansenartige Bildung anzusehen ist. 598 H. v. BERENBERG-GOSSLER, Da die Literatur bisher noch keine genaueren Angaben bringt, welche sich auf Vergleichung dieses interessanten Magentypus mit Magenformen anderer Säuger beziehen, habe ich den Bau und, soweit mir Material zur Verfügung stand, die Entwickelungsgeschichte des Magens einiger Arten iler von Owen zusammengestellten Affengruppe bearbeitet. Besonderen Weri habe ich auf die Untersuchung der Bildung des Vormagens gelegt, da die Frage, ob dieser genetisch zum Ösophagus oder zun eigentlichen Magen gehört, von allgemeinerem, ver- gleichend-anatomischem Interesse sein dürfte. Anatomische Ergebnisse. Durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Herrn Direktor Vosseler vom zoologischen Garten, sowie des Herrn Professor Pfeffer vom naturhistorischen Museum in Hamburg, denen ich auch an dieser Stelle meinen verbind- lichsten Dank aussprechen möchte, erhielt ich Mägen von Semnopithecus entellus, Semnopithecus schistaceus, Presby- pithecus cephalopterus und Colobus palliatus zur Bearbeitung. Eire feinere histologische Untersuchung des Materials war mir leider unmöglich, da das Plattenepithel des Vormagens, trotzdem die meisten Mägen möglichst bald nach dem nachts erfolgten Tode in Formol fixiert wurden, in allen Fällen schon abmaceriert war. Die äussere Form des Magens von Semnopithecus entellus, dem in Ceylon heimischen, von den Buddhisten heilig ge- haltenen Hulman, ist folgende: Der linke Teil des Magens stellt sich als grosser, weiter Sack dar, welcher durch unregelmässige Einschnürungen zu Anat.Hefte 1.Abteilung Heft 131 (43.Bd.H3) Tafel K. 18 Verlag v.J.F Bergmann, Wiesbaden Werner u Winter, Frankfurt®M Anatom.Hefte I Abteilung 131.Heft (43 BdH-3) Tafel 52 Fig. a a gez.von w Berenberg-Golsler und Schalling. Verlag von J.F.Bergmenn, Wiesbaden, Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A.G. Würzburg. a | Be Ey BE u) Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 599 mehreren verschieden grossen Taschen ausgebuchtet ist. Er ist wegen seiner Auskleidung mit geschichtetem Plattenepithel (Pilliet und Boulart) als Vormagen anzusehen. Einen deutlich sich von diesen Taschen noch abhebenden Blindsack links von der Cardia, wie ihn Oppel nach Duvernoy ab- bildet, habe ich nicht abgrenzen können. Wenn man den Magen mit Flüssigkeit aufpumpt, treten vielmehr sämtliche Taschen blindsackartig hervor. Der weite, sackartige, linke Magenteil, welchen ich als Vormagen bezeichnete, geht mit äusserlich scharfer Grenze in die erheblich engere schlauch- förmige, der eigentlichen Verdauung dienende Abteilung über. Diese hat das Aussehen eines Colonstückes, sowohl infolge des Verhältnisses zwischen Länge und Durchmesser, als auch besonders durch die ziemlich regelmässigen, queren Ein- schnürungen, durch welche, im Verein mit den beiden nachher zu erwähnenden Jlängsverlaufenden Muskelbändern, haustra- ähnliche Aussackungen bedingt werden. Mehr zum Pylorus hin hören die Einschnürungen auf, worauf der Magen sich bis zum Übergang in das Duodenum hin allmählich verjüngt. Der Ösophagus mündet an der Grenze zwischen Vormagen und Verdauungsmagen. Von vorne gesehen wird die Cardia durch bis über die Mittellinie sich erstreckende Ausbuchtungen des Vormagens verdeckt. Das colonartige Aussehen des zwischen Vormagen und pylorialem Teile liegenden Abschnittes wird noch verstärkt durch zwei tänienartige, bandförmige Streifen, von denen einer ‚sich auf dem Vormagen bildet und bis zum Pylorus hinzieht, während der andere breitere an der Cardia beginnt, an der Decke der zweiten Abteilung entlang läuft und sich gegen das Ende dieser Abteilung hin verliert. Beide Streifen werden in der Hauptsache durch längsverlaufende Muskelfasern gebildet, am zuletzt beschriebenen, welcher die kleine Kurvatur be- zeichnet, setzt sich das Ligamentum hepatogastricum an, 600 H. v. BERENBERG-GOSSLER, während der andere der grossen Kurvatur entspricht, wie sich aus dem Verhalten des grossen Netzes. welches von ihm ent- springt, ergibt. Bei einer selber vorgenommenen Sektion konnte ich kon- statieren, dass die grosse Kurvatur in situ nach vorne gedreht und eranialwärts so abgeknickt ist, dass der Vormagen zum Verdauungsmagen einen spitzen, caudalwärts offenen Winkel bildet, welcher somit vom grossen Netze überspannt wird. Diese Konfiguration spielt, wie ich weiter unten zu zeigen ge- denke, ın der Entwickelungsgeschichte eine Rolle. Die kleine Kurvatur steht nicht quer, sondern verläuft von hinten und oben links nach vorn und unten rechts. Die Mägen anderer Semnopitheciden weichen von dem- jenigen des Hulman nur wenig ab. Bei Semnopithecus schistaceus, einem auf dem Himalaya, in einer zwischen 700 und 4000 m liegenden Zone lebenden Schlankaffen, scheinen die Dimensionen im ganzen kleiner zu sein. Obendrein ist der Vormagen im Verhältnis zum Ver- dauungsmagen weniger voluminös, die Taschen des ersteren sind weniger stark hervortretend. Der Magen von Presby- pithecus cephalopterus, des auf Ceylon heimischen Weissbart- Schlankaffen, unterscheidet sich in keiner Beziehung von dem- jenigen des Hulman. Bei Colobus palliatus endlich, welcher in Deutsch-Ostafrika vorkommt, finden sich, abgesehen von den weniger deutlichen Vormagentaschen, ganz ähnliche Form- verhältnisse. Ausgewachsene Mägen von Nasalis larvatus standen mir leider nicht zur Verfügung. Es ist aber anzunehmen, dass bei ihm ein vom Vormagen abgesetzter, deutlicher Blindsack links von der Cardia besteht, da ein solcher bei einem ver- hältnismässig jungen Embryo schon deutlich angelegt war, bei einem älteren Fetus aber, bei dem der Vormagen sonst noch gar keine Einschnürungen aufwies, sich scharf von diesem absetzte. Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlaukaffen. 601 Der Magen von Semnopithecus entellus zeigt von innen folgende Beschaffenheit: Von der Einmündungsstelle des Ösophagus, welche an der Grenze zwischen Vormagen und Verdauungsmagen liegt, er- streckt sich, der kleinen Kurvatur entsprechend, also caudal- und ventralwärts offen, eine Schlundrinne, wie sie schon von älteren Autoren erwähnt wird, durch die zweite Abteilung bis in die Nähe des nicht scharf abgesetzten Übergangs in die einschnürungslose, pyloriale Partie. Begrenzt wird sie von zwei stark hervortretenden Lippen, von denen die untere und hintere sich ein kurzes Stück in schräger Richtung auf die hintere Wand des unteren Speiseröhrenabschnittes fortsetzt, so dass dieser sich rechts und hinten in die Schlundrinne öffnet, während er im übrigen in den Vormagen einmündet (vgl. Fig. 1). Eine ähnliche Beschreibung geben Pilliet und Boulart. Die Schlundrinnenlippen weichen gegen das Ende der zweiten Abteilung hin etwas auseinander, um dann schnell flacher zu werden und sich zu verlieren. Der Übergang vom Vormagen in den Verdauungsmagen erscheint als verhältnismässig enger Durchgang. Die Grenz- spalte weist sonst keine Unterschiede von den vielen Ein- schnürungen, welche, von innen gesehen, sich als vorspringende Kämme darstellen, auf. Ich möchte bei dieser Gelegenheit an die Ähnlichkeit mit dem Magen des Känguruhs erinnern, welche Cuvier schon erwähnt. Wie auch Edelmann hervorhebt, findet man bei Macro- pus Muelleri einen an der grossen Kurvatur stark abgesetzten, linken Blindsack. Der Hauptmagensack ist von zwei Band- streifen begleitet. An der kleinen Kurvatur befindet sich eine Schlundrinne. Einen ganz ähnlichen Befund konnte ich am Magen einer nicht näher bestimmten Känguruhart erheben. Es dürfte sich hier um eine interessante Konvergenzerscheinung handeln. 602 H. v. BERBNBERG-GOSSLER, Auf Grund der mikroskopischen Untersuchung lässt sich der Befund von Pilliet und Boulart bei Semnopithecus nemaeus auf Semnopithecus entellus verallgemeinern. Das von diesen Autoren beschriebene geschichtete Plattenepithel war bei meinem Material leider abmaceriert, im Gebiete des ganzen Vormagens waren aber in der Tunica propria aur spär- liche, schlauchförmige Drüsen zu konstatieren, welche am Anfange der zweiten Abteilung zahlreicher werden, um dann erst typischen Magendrüsen mit Haupt- und Belegzellen Platz zu machen. Ob in den vermehrten Drüsen der Über- gangsregion Cardiadrüsen zu erblicken sind, kann ich leider nicht entscheiden, da das Oberflächenepithel bei meinem Mate- rial nicht erhalten war. Es wäre dies zum Vergleich mit den Wiederkäuern, welche bekanntlich keine Cardiadrüsenregion be- sitzen, vielleicht von Interesse. Sind die äusserlich sichtbaren Formverhältnisse des Hulman- magens schon nichts weniger als primatenartig, so weist die Muskulatur höchst merkwürdige Ähnlichkeiten mit derjenigen des Wiederkäuermagens auf. Um die Muskelfasern zur Präparation geeignet zu machen, genügte es, die Mägen einige Tage in schwachen Alkohol zu legen. | ae | Ebenso wie es beim Menschen und bei vielen Säugetieren (Weisspflog) nachgewiesen ist, treffen wir auch hier ein äusseres Stratum longitudinale, ein inneres Stratum circulare und endlich, am meisten nach innen, die Fibrae obliquae. Der Ösophagus besitzt eine äussere Längs- und eine innere Ring- muskelschicht. Das Stratum longitudinale geht aus der Längs- muskulatur der Speiseröhre hervor und strahlt, zum Teil nur ein Stück weit, auf den Vormagen aus. Viele dieser Fasern sammeln sich an dem Anfange des bandartigen Streifens, welcher die grosse Kurvatur bezeichnet, an und bilden sein Hauptkontingent bis in die Gegend des Pylorus. Die Mehr- Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 603 zahl der Längsfasern läuft an der kleinen Kurvatur entlang, bildet so eine kräftige, am meisten nach aussen liegende Schicht des Schlundrinnenbodens. Einige Fasern ziehen an der Cardia vorbei, um an deren -linker Seite zu enden. Das Stratum circulare verhält sich sehr regelmässig. An den meisten Teilen des Magens bildet es die einzige Muskel- schicht. Die Fasern verlaufen genau eirceulär zur Längsachse des Magens, so dass sie die Längsmuskelstränge an den beiden Kurvaturen rechtwinklig kreuzen. An den Einschnürungen liegen sie dichter zusammen. Sie gehen aus der inneren Öso- phagusschicht hervor. Interessant ist das Verhalten der Fibrae obliquae, des stärksten Muskelapparates des Magens, welche als dicke Schnüre die Schleimhaut zu den Schlundrinnenlippen auswulsten und somit deren Längsmuskulatur bilden. Die Fasern umgreifen den untersten Teil des Ösophagus, wobei diejenigen der unteren Lippe, wie vorher erwähnt, die Speiseröhrenmündung durch- ziehen. In der linken Wand der Speiseröhre gehen die Fasern einer Lippe in die der anderen über. Die Lippenmuskeln bilden also eine dicke Schlinge, deren Scheitel auf dem cardialen Ende des Ösophagus reitet. Ihr Übergang ineinander findet unter der Längsmuskelschicht im Gebiete der Ringmuskulatur der Speiseröhre statt, in welcher sich ein kleiner Teil der Fasern verliert. Im Gebiete der zweiten Magenabteilung, wo die Schlundrinne aufhört, strahlen die Lippenmuskeln pylorus- wärts auseinander. Die tiefe Lage dieser Muskeln, sowie ihr Zusammenhang mit der Ringmuskelschicht des Ösophagus, gibt, in Analogie mit den Verhältnissen bei den Wiederkäuern, die Berechtigung, sie den Fibrae obliquae der einfachen Säugetiermägen gleich- zustellen. Durch die Arbeiten von Massig und Würfel wissen wir, dass bei den Wiederkäuern die Ringmuskeln der Vormägen sowohl wie die Längsmuskeln der Schlundrinnen- 604 H. v. BERENBERG-GOSSLER, lippen aus der Ringmuskulatur des Ösophagus hervorgehen. Nur sind die Muskelverhältnisse dort komplizierter, wie es den der Verarbeitung der Nahrung hochgradig angepassten und deshalb sehr differenzierten Magenpartien entspricht. Die grösste Ähnlichkeit besteht, auch in bezug auf die Anordnung der Muskulatur, merkwürdigerweise zwischen den Mägen von Semnopithecus und von Cricetus frumentarius (Hamster). Nach Roscher und Würfel stellen auch bei diesem die Lippenmuskeln die Schenkel einer, auf dem Eintritt der Speiseröhre reitenden, sich von deren innerer Schicht ab- leitenden Muskelschlinge dar, während der Schlundrinnenboden ebenfalls vom Ösophagus gebildet wird. Wie ich schon vorher erwähnte, halten Ellenberger und seine Schüler den Magen des Hamsters für den einfachsten Typ eines zusammengesetzten. Nach Toepfer ist seine Bildung aus einem einfachen Magen, wie ihn die Lagomorpha und Hystricomorpha besitzen, in der Reihe der Rodentia za ver- folgen. j Für den Schlankaffenmagen würde eine stammesgeschicht- liche Abteilung auch nicht unmöglich sein. Die weitere Diffe- renzierung von Verhältnissen, wie wir sie z. B. in der Wal- deyerschen Magenstrasse, im Zusammenhange mit den Fibrae obliquae, beim Menschen finden, auf Grund besonderer Er- nährungsweise, ist sehr wohl auszudenken. Man muss an- nehmen, dass die Vorfahren der Semnopitheciden einfache Mägen, wie wir sie bei den ihnen nahestehenden Cercopitheciden finden, besassen. Nun könnten Schleimhautfalten, wie sie beim Menschen nach Waldeyer an der kleinen Kurvatur die Magenstrasse markieren, in Anpassung an ein Bedürfnis nach schnellerer Beförderung von Flüssigkeiten, vor allem von Wasser, in engere Beziehung zu den Fibrae obliquae getreten, sein. Dadurch wäre der Anstoss zu der Entstehung eines schlundrinnenartigen Gebildes gegeben. Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 605 Für eine direkte Wasserbeförderung muss in erster Linie bei solchen Tieren gesorgt sein, welche einen grossen Speise- vorrat im Magen aufspeichern, wie dies bei den meisten reinen Herbivoren der Fall ist, da eben dieser Vorrat sonst das Wasser zu lange zurückhalten würde. Nach Toepfer und Weber ist bei den Wiederkäuern grösstmögliche Ausnutzung der Äsungszeit und somit eine Anhäufung von Nahrung zur Art- erhaltung von grösstem Nutzen wegen der steten Verfolgung von Feinden, der diese Tiere in der Freiheit ausgesetzt sind, Auf die Schlankaffen kann man diesen Gedanken wohl nicht anwenden. Vielmehr müssen wir uns vorstellen, dass ein Vormagen entstand in Anpassung an die schwer assimilier- bare, an Nährstoffen arme Blatternährung, welche, um dem Nahrungsbedürfnis des Körpers zu genügen, in grosser (Juantität aufgenommen, aber, um die eigentlichen Verdauungsapparate nicht zu sehr zu belasten, zur Verdauung vorbereitet werden musste. In Pansen und Haube der Wiederkäuer finden Ein- weichungs- und vor allem Gärungsprozesse statt (Ellen- berger und Baum). Ähnliche Vorgänge kann man im Vor- magen der Semnopitheciden annehmen. Welche verhältnismässig ungeheuren Futtermengen diese Tiere auf einmal bewältigen können, erhellt aus einer Messung von Keith und Jones, welche bei Schlankaffen von 13 bis 15 Pfund Gesamtkörpergewicht 3 bis 5 Pfund Mageninhalt fanden. Wenn man hier überhaupt von morphologischen Verhält- nissen auf funktionelle schliessen will, so liegt ein richtiges Wiederkauen bei diesen Affen nicht ausserhalb des Bereiches der Möglichkeit. Grote ist der Meinung, dass bei den Vor- fahren der Wiederkäuer zuerst eine Schlundrinne nur zur Leitung des Wassers diente, dass diese dann aber bei stärkerer Trennung des Vormagens vom Verdauungsmagen die Funktion übernahm, die im Maul zum zweiten Male verarbeitete, vorher 606 H. v. BERENBERG-GOSSLER, im Vormagen vorbereitete Nahrung in den der eigentlichen Ver- dauung dienenden Teil des Magens überzuführen. Bei den Wiederkäuern glaubt Würfel eine ursprünglich einheitliche Schlundrinne, derjenigen des Hamsters entsprechend, in der Gesamtheit der Speiserinne, Psalterrinne und vielleicht gewissen Falten des Labmagens, wiedererkennen zu können. Wie ich bei Grote finde, hat Retzius sich 1841 über die physio- logische Leistung der Schlundrinne bei den Wühlmäusen dahin geäussert, dass ein Wiederkauen bei ihnen möglich sei. Brümmer hat sich später gegen diese Ansicht gewandt, mit der Begründung, dass die unmittelbare Beobachtung dagegen spreche, die Schlundrinne obendrein anatomisch derartig un- vollkommen eingerichtet sei, dass man ihr die Fähigkeit, wieder- gekautes Futter zu befördern, nicht zutrauen könne. Die aus- schliesslich Wasser leitende Funktion der Schiundrinne soll sich bei Wühlmäusen und Hamstern obendrein aus der rela- iiven Trockenheit der im Vormagen befindlichen Futtermassen ergeben. Wie Grote erwähnt, nimmt Brümmer auch die Schlundrinne, die er beim Känguruh fand, lediglich als Leitungs- organ für Flüssigkeiten in Anspruch. Der zweite Beweisgrund dürfte für Schlankaffen nicht zu- treffen, da die Längsmuskeln der Schlundrinnenlippen ver- hältnismässig stark ausgebildet sind. Durch ihre Kontraktion muss die Einmündungsstelle der Speiseröhre leicht bis in das in der Nähe befindliche Verbindungstor zwischen Vormagen und Verdauungsmagen hineingeführt werden können, in ähn- licher Weise, wie Massig die Annäherung des Haubenpsalter- loches der Wiederkäuer an die Cardia beschreibt. Durch Ver- kürzung der Lippen kann es obendrein zu ihrer Aneinander- lagerung und damit zur Umwandlung der Rinne in ein ge- schlossenes Rohr kommen. Zugleich würde das ösophageale Ende der unteren Lippe die Kommunikation zwischen Speise- röhre und Vormagen verlegen. Die starke Ausbildung der Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 607 Schlundrinne, im Verein mit ihrer frühen Anlage, welche ich weiter unten zu beschreiben gedenke, spricht für eine lebens- wichtige und hochgradig differenzierte Funktion dieses Gebildes. Genauere diesbezügliche Beobachtungen an lebenden Affen liegen noch nicht vor, dürften auch in der Ausführung auf manche Schwierigkeiten stossen wegen der grossen Beweglich- keit und Spielsucht der Schlankaffen. Ein gelegentliches Hin- aufwürgen von Mageninhalt kommt, wie mir Herr Direktor Vosseler freundlichst mitteilte, auch bei den, bekanntlich , einen einfachen Magen besitzenden. Anthropomorphen vor, würde also noch nicht ohne weiteres ein reguläres Wieder- kauen beweisen. Reichlicheren Mageninhalt habe ich nur einmal unter- suchen können. Es fanden sich im Vormagen grössere Massen schlecht zerkauten Futters, während im Verdauungsmagen, so- weit man am konservierten Objekt konstatieren konnte, eine mehr speisebreiartige Masse vorhanden war. Selbstverständ- lich kann man aus dieser vereinzelten Beobachtung keine all- gemeinen Schlüsse ziehen, vielmehr kann die Wiederkaufrage bei den Schlankaffen nur durch wiederholte und genaue Be- obachtungen des lebenden Tieres entschieden werden. Ich möchte an dieser Stelle einige Korrelationen im Ge- biete des Verdauungskanals erwähnen, welche in ihren Be- ziehungen zum Magen zu Vergleichen mit anderen Säugern auffordern. Seit Cuvier gehört zu einer biologischen Magenunter- suchung unbedingt das Studium der Zahnverhältnisse. Über die Zähne der Schlankaffen habe ich mich auf Grund eigener Anschauung nicht orientieren können, jedoch finde ich bei Giebel einige Angaben, nach denen sie sich von den- jenigen der übrigen Affen in etlichen Punkten unterscheiden. Die Schneidezähne sind meist gleich gross, die Eckzähne wenig überragend, die Backzähne verhältnismässig klein. Die Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3.) 40 608 H. v. BERENBERG-GOSSLER, vier Höcker der Mahlzähne sind vor der Abnützung gleich gross. Oben werden dann die inneren, unten die äusseren Höcker allein ganz abgeschliffen, so dass zwei stark geneigte Kau- flächen entstehen. Hierin kann man ebenfalls eine Anpassung an die Blätternahrung erblicken, da sie die Zermahlung des cellulosereichen Futters begünstigt. Nicht ohne Interesse ist die Tatsache, dass die Semno- pitheciden im Gegensatz zu den Cercopitheciden keine wohl- ausgebildeten Backentaschen haben. Nach Weber treten nur zwei laterale Schleimhautfalten auf, in welchen man vielleicht ein Rudiment sehen könnte. Eine derartige Schleimhautduph- katur soll jedoch auch bei Anthropomorphen und selbst beim Menschen (Favaro) auftreten. „Dass sie zur Abgrenzung der Backentaschen gebraucht wird, ist kein Grund, in ihrem Vor- kommen eine Andeutung etwaiger Backentaschen bei den Vor- fahren, die dann verloren gingen, zu erblicken. Die Backen- taschen der Cercopithecinae sind weit eher ein Erwerb eben dieser Tiere, in Verbindung mit ihrer Nahrungsweise“ (Weber). Bei Colobus sollen sehr kleine Backentaschen vorhanden sein (Weber). Dass diese bei den Schlankaffen sonst nicht auftreten, ist bei deren Blätternahrung und bei dem Vorhandensein eines dem Magen zugehörigen Aufbewahrungsraumes, welches einen solchen im Gebiete des Vestibulum oris überflüssig macht, nicht weiter verwunderlich. Desto auffallender ist der Bau des Cöcums. Dieses ist ein langer, voluminöser, an der Spitze sich etwas verengender Blindsack. Bei einem ausgewachsenen Hulman war es 131/, cm lang, während sein Durchmesser, in gefülltem Zustande, in der Mitte 41), em betrug. Die drei Tänien des Colons, als dessen direkte Fortsetzung es erschien, verliefen bis nahe an die Spitze auf seiner Oberfläche. Durch Querfalten war seine Wand Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 609 zu zahlreichen Haustra ausgebuchtet. Das Mesenterium des lleums setzte sich als Mesocöcum bis zur Spitze daran an. Eine derartige Ausbildung des Blinddarms findet sich bei keiner anderen Affenfamilie. Vielmehr ist das Cöcum der übrigen Affen, mit Ausnahme der Hylobatiden und Anthropo- morphen, welche einen Processus vermiformis besitzen, ein meist konischer, kurzer und nur unbedeutender Blindsack. Es ist bekannt, dass das Cöcum bei den Herbivoren im allgemeinen stärker ausgebildet zu sein pflegt als bei den Omni- und Carnivoren. Während bei letzteren nach Berry der grösste Teil des Blinddarms niederer Tiere entweder als konischer Blind- sack oder als Appendix vermiformis zu einer Ansammlungs- stätte cytoblastischen Gewebes geworden ist, gehen bei Herbi- voren wichtige Verdauungsprozesse darin vor. Ellenberger fand, dass bei Pferd, Schwein und Kaninchen eine nicht un- erhebliche Verdauung von Stärke und Eiweiss im Blinddarm stattfindet. Rohfaser wird zu einem erheblichen Teile darın gelöst, während eine aufsaugende Funktion seiner Wand un- bedeutend ist. Von grösster Wichtigkeit sollen aber physikalische Vorgänge sein, vor allem die Erhöhung des Wassergehaltes, welche Eintrocknung der Nahrung verhindert. Keith erklärt das Caput coli, unter welchem Namen er den cöcalen Colon- teil sowie das Cöcum selbst versteht, bei vielen Genera als das Hauptverdauungsorgan, welches im selben Verhältnis zum Dick- darm stehe wie der Magen zum Dünndarm. Mag man diesem Autor nun zustimmen oder nicht, an einer korrelativen Relation zwischen Magen und Blinddarm ist nicht zu zweifeln. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch darauf hinweisen, dass das Känguruh nicht nur im Bau des Magens, wie vorher erwähnt, sondern auch in der Gestalt des Cöcums Ähnlichkeit mit Semnopithecus aufweist, eine Tatsache, welche, als einer unter vielen Fällen, nicht nur eine bestehende Korrelation zwischen Magen und Blinddarm höchstwahrscheinlich macht, 40* H. v. BERENBERG-GOSSLER, 610 sondern auch ein weiteres Beispiel für Konvergenzerschei- nungen, welche durch herbivore Lebensweise hervorgerufen werden, darstellt. Embryologische Ergebnisse. Über die Entwickelung des Schlankaffenmagens liegen bis jetzt überhaupt noch keine genaueren Angaben vor. Nur bei Keith und Jones finde ich eine kurze Bemerkung, welche besagt, die drei Abteilungen seien schon vor der Geburt von- einander abgegrenzt. Nachdem die Untersuchungen der Ent- wickelung des Wiederkäuermagens so viele interessante Er- gebnisse zutage gefördert haben, dürfte deren Vergleich mit den, manche Konvergenzerscheinungen bietenden Entwicke- lungsvorgängen bei einem Primaten nicht ohne allgemeines Interesse sein. Das Untersuchungsmaterial, welches mir, mit Ausnahme des grössten Nasenaffen, schon in Schnittserien zerlegt und gefärbt vorlag, stammt zum Teil aus dem Nachlass Emil Selenkas, welchen Herr Professor Keibel mir liebens- würdigerweise für die Untersuchung zur Verfügung stellte. Hierfür, sowie vor allem für seine Anregung, Beratung und Unterstützung bei dieser Arbeit spreche ich Herrn Professor Keibel auch bei dieser Gelegenheit meinen aufrichtigsten Dank aus. Die übrigen Embryonen sind Eigentum des zo0- logischen Museums zu Utrecht. Herrn Professor Hubrecht, welcher mir ihre Bearbeitung freundlichst gestattete, bitte ich, hierfür ebenfalls meinen ergebensten Dank entgegennehmen zu wollen. Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 611 Als Untersuchungsobjekte dienten mir zwei Embryonen von Semnopithecus maurus, einem, besonders in Ostjava, ausserordentlich häufigen Schlankaffen, einer von Semno- pithecus mitratus und zwei von Nasalis larvatus. Beide letzteren Formen leben in Borneo. Magen und Duodenum dieser Em- bryonen, mit Ausnahme des ältesten Fetus von Nasalis larvatus, dessen Magen präparierbar war, habe ich von der caudalsten Partie des Ösophagus bis zur Einmündung des Gallenganges, resp. des dorsalen Parcreasganges, nach der Wachsplatten- Rekonstruktionsmethode modelliert. Die äussere Körperform und den Entwickelungsgrad der Organe dieser Embryonen, resp. Feten, hat Keibel in der IX. Lieferung von Selenkas „Menschenaffen, Studien über Entwickelung und Schädelbau‘“ beschrieben. Ich werde zunächst die Entwickelungsstadien der Mägen einzeln beschreiben, um daraus nachher den allgemeinen Ent- wickelungsgang abzuleiten. Die hinter den Species-Namen ge- setzte Nummer resp. Bezeichnung entspricht derjenigen in der zuletzt genannten Arbeit. Ebenderselben entlehne ich die An- gaben über Grösse und Entwickelungsgrad der ganzen Em- bryonen. 1. Semnopithecus maurus 92 (Zoologisches Museum zu Utrecht). Fixierung: Pikrinschwefelsäure. Schnittdicke: 15 u. Färbung: Boraxcarmin. Die grösste Länge des Embryos betrug 7,2 mm. 47 Somiten- paare, davon 3 im Kopfgebiet, waren vorhanden. Dieser Em- bryo steht zwischen den menschlichen Embryonen R und A von His. Der Magen hat sich um seine schon etwas schräg stehende Längsachse soweit nach links gedreht, dass seine ursprünglich ventrale Seite nach vorne und rechts hin gewandt ist. Die Cardia ist nicht genau zu bestimmen, der Pylorus kennzeichnet sich durch eine leichte Einschnürung. Dorsal und links bildet 612 H. v. BERENBERG-GOSSLER, das sonst spindelförmige Lumen eine sich durch eine dorsal gelegene flache Vorwölbung der Wand absetzende Ausbuchtung, welche etwa in der Mitte der Längsachse ihren grössten Durch- messer hat, um dann ziemlich schnell enger zu werden. Im (rebiete des caudalen Drittels des Magens ist der Durchmesser des Lumens ziemlich konstant. Das Mesogastrium dorsale ist kurz und von der Chorda dorsalis aus nach links gerichtet, das Mesogastrium ventrale ist vom Magen aus nach vorne und rechts gewandt. Die ventrale Magenwand ist stark verdickt. Rechts bildet der Magen die Wand des Recessus superior sacci omenti (His), welcher im übrigen in seiner cranialen Partie vom Mesolaterale dextrum (Brachet) und den Mesogastrien, in seinem caudalen Teil von diesen und der schon Lappung zeigenden Leber begrenzt wird. Der Gallengang mündet von rechts her in das Duodenum, ein ventraler Pankreasgang ist nicht vorhanden (vgl. Figg. 2 u. 3). 2. Semnopithecus mitratus (Surili 5b). (Aus dem Se- lenkaschen Nachlass.) Schnittdicke: 15 u. Färbung: Borax- carmin. Grösste Länge: 13,4 mm. Er entspricht dem mensch- lichen Embryo C” von His. Der Magen stellt sich als ein hinten und links sackförmig aufgetriebener Schlauch dar, dessen Längsachse catıdal- und ventralwärts gerichtet ist, um sich dann in der Gegend des Pylorus rechtwinklig nach rechts abzuknicken. Die aufge- triebene Partie, welche cranialwärts eine über die Höhe der Cardia hinüberragende Kuppe bildet, ist dorsal und links scharf abgesetzt. Der Ösophagus endet an der rechten Seite in der Gegend, in welcher der sackförmige in den schlauchförmigen Teil übergeht. Die kleine Kurvatur, welche durch den Ansatz des Ligamentum hepatogastricum markiert wird, bildet die rechte Wand der schlauchförmigen Partie. Das Duodenum bildet wieder zum horizontalen Pylorusteil einen rechten Winkel. In der Gegend dieses Winkels verbreitert sich das Lebermagenband, Untersuch. üb. Bau a. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 613 um dann als Ligamentum hepatoduodenale den Gallengang, in welchen vorher der hier vorhandene ventrale Pankreasgang gemündet hat, in sich aufzunehmen. Der dorsale Pankreas- gang mündet etwas tiefer in den Darm ein. Die grosse Kurvatur, gekennzeichnet durch den Ansatz (des hier schon durch die Milzanlage zum Omentum majus ausgedehnten Mesogastrium dorsale, ist nach links gerichtet. Das grosse Netz setzt sich in einer caudalwärts offenen, halbkreisförmigen Linie an der linken Wand des sackförmigen Teiles, in welchem wir in diesem Stadium schon deutlich die Anlage des Vormagens erkennen, können, an, um dann genau gegenüber dem Magenleberband zum Duodenum hinabziehen. Die Bursa omentalis reicht also bis etwa zur Mitte der Vormagenanlage hinauf. Das caudale Endstück des Ösophagus ist in einer vom Zwerchfell bis zur unteren Wand des Vormagens, nach unten immer schmäler werdenden Gewebsmasse eingebettet, welche als Ligamentum gastrophrenicum zu bezeichnen ist. Das Innere des Magens zeigt schon auf diesem Stadium spezialisierte Verhältnisse. Der Ösophagus öffnet sich in einen Vorraum, dessen Boden durch eine wallartige Erhebung in zwei flache Rinnen eingeteilt ist, von denen eine zum Grunde des Vormagens, die andere in den schlauchförmigen Teil, welche wir als Anlage des Verdauungsmagens bezeichnen können, zieht. Der Boden der letztgenannten Rinne, welche als Anlage der Schlundrinne anzusprechen ist, wird von der durch den Ansatz des Magenleberbandes gekennzeichneten kleinen Kurvatur gebildet. Über der wallartigen Erhebung zwischen den beiden Rinnen ragt von der ventralen Wand her ein caudalwärts sich allmählich ausgleichender, zungenförmiger Fortsatz in das Lumen hinein. Der Wulst zwischen den Rinnen entspricht, wie wir weiter unten sehen werden, dem Endstück der unteren Schlundrinnenlippe, welche beim ausgewachsenen Tiere den oberen Magenmund durchsetzt. Das infolge mangel- 614 H. v. BERENBERG-GOSSLER, hafter Fixierung schlecht erhaltene Epithel des ganzen Magens scheint zwei- oder dreischichtig zu sein (vgl. Figg. 4—6). 3. Nasalis larvatus. (Aus dem Selenkaschen Nachlass.) Schnittdicke: 15 u. Färbung: Hämatein-Orange. Grösste Länge: 25,2 mm. An den Zehen Nagelanlagen. Der schon verhältnismässig geräumige Vormagen ist mehr nach links und hinten gedreht. An der dorsalsten Partie hat sich ein kleinerer Blindsack ausgestülpt, dessen blindes Ende caudalwärts zeigt. Der Ösophagus mündet von hinten rechts an dem Verbindungsstück der beiden Hauptabteilungen des Magens. Der Verdauungsmagen ist von dem Vormagen scharf abgeknickt durch eine Einschnürung, welche von unten und hinten her an der nach vorne und links gerichteten Magen- wand bis nahe zur Kuppe entlang laufend, das Verbindungs- tor zwischen Vormagen und Verdauungsmagen sehr weit cranlalwärts verschoben hat. Das Duodenum wendet sich vom Pylorus her cranıalwärts, dann dorsalwärts, und dann nach sehr kurzem, scharf nach rechts gewandten Verlauf, in rechtem Winkel caudalwärts abzubiegen. In der Gegend dieses Winkels mündet der mit dem vertralen Pancreasgang ver- einigle Gallengang von hinten her, der dorsale Pankreasgang ölfnel, sich etwas weiter caudalwärts in den Darm. Das Liga- mentum hepatogastricum läuft, wenig zur Horizontalen geneigt, an der rechten Seite des Verdauungsmagens entlang, während das grosse Netz den nach vorne und links offenen Teil der Einschnürung als kurzes Ligament überspannt. Die Ansatz- linie bildet also einen äusserst spitzen Winkel, dessen Scheitel am cranialen Ende der Einschnürung liegt, während die Schenkel jederseits die Grenze der Einschnürung bilden und caudalwärts dann auseinanderweichen: Der rechte Schenkel läuft gegen- über dem Magenleberband zum Duodenum hin, während der linke sich am unteren Pole des Vormagens verliert. Das Innere des Magens entspricht im allgemeinen der Anatom.Hette I Abteilung 131. Heß (43 Bd.H.3) Tafel 53 gezvom v.Berenberg- 6olsler und Schilling- Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A.G, Würzburg. ”, Anatom.Hefte T. Abteilung 131. Heft (43 BdH 3) Tafel 54 Mensch. Horizontalschnitt durch das Septum fibrosum. R. K. Rechte Koronararterie, 4A.s. f. Arteria septi fibrosi. A.n. a. Knotenarterie, Verlag von J.F. Bergmann, Wiesbaden. Känigl. Universitätsdruckerei H,Stürtz A.G. Würzburg. =“ Anatom.Hefte I_Abteilung 131. Heft (43.Bd.H.3) Tafel 55 Mensch. Rechter Ventrikel. R. K. Rechte Koronararterie. R.s.s.v. Ramus superior septi ventriculorum mit perforierendem linken Endast zum hinteren Ast d. linken Schenkels. R.s.f. Ramus septi fibrosi mit perforierenden Ästen zum linken Schenkel und mit Ästen zum rechten Schenkel. R.n.a. Knotenarterie. Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden, König. Universitätsdruckerei H, Stürtz A.G. Würzburg. Anatom.Hette I_Abteilung 131.Heft (43. Bd.H3) Tafel 56 Mensch. Linker Ventrikel. ER: Linke Koronararterie. Ramus descendens, V. S. A. Vordere Septumarterie, den vorderen Ast des linken Schenkels versorgend. A.s. f. Perforierender Ast der Art. septi fibrosi, den Anfangsteil des linken Schenkels und den hinteren Ast desselben versorgend. Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden, Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A.G. Würzburg. Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 615 äusseren Form. Die Einschnürung markiert sich im Innern als stark ausgeprägte Erhebung. Die Anlage der Schlundrinne entspricht der kleinen Kurvatur. Abgesehen von einer in die Hauptabteilung des Vormagens führenden Rinne, zieht vom Speiseröhreneintritt her eine kleinere, flache Rinne ın den kleinen Blindsack, welcher mir in dieser Form spezifisch für den Nasenaffen zu sein scheint (vgl. Figg. 7—9). 4. Semnopithecus maurus 125 (Zoologisches Museum zu Utrecht). Fixierung: Pikrinschwefelsäure. Schnittdicke: 20 u. Färbung: Boraxcarmin. Grösste Länge: 26 mm. Das Entwickelungsstadium des Magens entspricht im all- gemeinen dem vorigen, nur fehlt der kleine Blindsack. Die Einschnürung zwischen Vormagen und Verdauungsmagen ist nicht ganz so scharf und abgesetzt. Daher ist der Winkel, zu welchem die grosse Kurvatur, markiert durch den Ansatz des grossen Netzes, abgeknickt ist, grösser. Die Schenkel weichen bogenförmig auseinander. Der Verdauungsmagen er- scheint verhältnismässig mehr in die Länge gezogen, was wohl auf die Ausbildung des dritten, pylorialen Teiles zurück- zuführen ist. Im Innern ist die Schlundrinne, welche wieder an der kleinen Kurvatur verläuft, sehr scharf abgesetzt, ebenso sind die Schlundrinnenlippen, vor allem das Endstück der unteren, scharf hervortretend. Ein ventraler Pancreasgang ist nicht vor- handen. 5. Nasalis larvatus. (Aus dem Selenkaschen Nachlass.) (Grösste Länge: 46,5 mm. Der Magen wurde durch Entfernung der Bauchdecken und des linken Leberlappens freigelegt. Seine topographische Lage in der Bauchhöhle und zu den Nachbarorganen ergibt sich aus der Abbildung (Fig. 10). Die Einknieckung zwischen Vormagen und Verdauungsmagen tritt deutlich zutage. Dann wurde der Magen herausgenommen. Der kleine Blindsack links von der 616 H. v. BERENBERG-GOSSLER, Cardia hebt sich deutlicher vom Vormagen ab. Die pyloriale Abteilung ist länger ausgewachsen. Im übrigen ıst seit dem vorigen Stadium nur ein allgemeines Grössenwachstum, ohne starke Verschiebung der Grössen- und Formverhältnisse zu- einander, zu konstatieren (vgl. Figg. 11 u. 12). Der Magen wurde dann in Serienschnitte zerlegt. Der Er- haltungszustand war leider recht schlecht, so dass feinere histologische Details nicht erkennbar waren. In dem kleinen Blindsack befand sich deutliches, geschichtetes Plattenepithel, welches dann ohne scharfe Grenze in das Epithel der übrigen Magenteile, welches teils einschichtig, teils zwei- oder mehr- schichtiges Cylinderepithel zu sein schien, überging. Ich werde nun aus den einzelnen Stadien den allgemeinen Gang der Magenentwickelung bei den Schlankaffen abzuleiten versuchen. Trotzdem die untersuchten Embryonen resp. Feten zum Teil verschiedenen Arten oder gar Gattungen angehören, glaube ich dennoch, allgemeine Schlüsse aus meinen Beobachtungen ziehen zu dürfen, da die Differenzen bei den betreffenden Formen geringfügiger Natur sind. Einzig dastehend scheint mir nur die verhältnismässig frühe Entwickelung eines links von der Cardia befindlichen kleineren Blindsackes bei Nasalis zu sein. Da mir leider keine ausgewachsenen Mägen dieses Affen zur Untersuchung zur Verfügung standen, kann ich nur die Vermutung aussprechen, dass auch beim erwachsenen Tier ein solcher speziell ausgebildeter Blindsack vorkommt. Man kann darin lediglich eine weitere Anpassung an das Blätterfutter erblicken, welche in der Vergrösserung des Aufspeicherungs- und Vorbereitungsraumes besteht. Auch dieses ist ein Beispiel für die Veränderlichkeit der Form des Magens, welches als Warnung vor zu grosser Bewertung der Magenmorphologie bei Konstruktion phylogenetischer Hypothesen dienen kann. Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 617 Der Gang der Magenentwickelung der Semnopitheeiden ist in kurzem folgender: Schon in der Zeit, wo der Magen, wie es wohl bei allen Säugern die Regel ist, eine Linksdrehung um seine Längsachse erfahren hat, tritt gegenüber der kleinen Kurvatur eine blind- sackartige Ausbuchtung hervor, ganz ähnlich, wie sie beim Schwein beobachtet wurde. (Vgl.Minot, Abbildung auf S. 258.) Diese Ausbuchtung, die Anlage des Vormagens, nimmt dann an Volumen zu. Dass sie nicht ösophagealen Ursprungs ist, sondern vielmehr einem Teil der primitiven Magenanlage ihre Entstehung verdankt, wird durch die Tatsache bewiesen, dass sie einen Abschnitt der durch den Ansatz des dorsalen Meso- gastriums charakterisierten grossen Kurvatur, welche zunächst nach links gerichtet bleibt, bildet. Dann dehnt sich die Vor- magenanlage nach hinten und links, sowie cranıalwärts aus, so dass ihr oberer Pol höher zu liegen kommt als die Cardia. Nun erfolgt eine starke Einknickung des Verdauungsmagens zum Vormagen, welche bewirkt, dass die grosse Kurvatur einen caudalwärts offenen, spitzen Winkel bildet, welcher vom cranialen Teile des grossen Netzes überspannt wird. Der Ein- knickung voran geht die cranıal beginnende Bildung einer Leiste im Gebiete der vorderen Wand, welcher eine Einstülpung des cranialen Teiles des grossen Netzbeutels folgt. An der Entwickelung der Vormagenanlage ist die kleine Kurvatur, die dem Ansatz des Magenleberbandes entspricht, unbeteiligt, vielmehr bildet sie nur die rechte, später rechte und hintere, Wand des Verdauungsmagens. Der Ösophagus mündet zunächst nur in einen Vorraum, an dessen Boden sich bald ein Längswulst, die Anlage der unteren Schlundrinnenlippe, erhebt. Dieser Vorgang leitet die Entwickelung der Schlundrinne selbst, welche dann, pylorus- wärts fortschreitend, mehr und mehr hervortritt, ein. Ich hebe 615 H. v. BERENBERG-GOSSLER, besonders hervor, dass ihr Boden stets von der kleinen Kurvatur gebildet wird. Schliesslich wächst der Verdauungsmagen immer weiter in die Länge, so dass sein pylorialer Teil die Richtung nach rechts und weiterhin nach hinten einschlägt. Die Differenzierung der Muskulatur, mit welcher die Entstehung der Einschnürungen an Vormagen und Verdauungsmagen vermutlich Hand in Hand geht, findet erst später statt. Der Verlauf der kleinen Kurvatur bleibt immer schräge. Sie wird durch weitere Drehung des Magens um seine Längsachse nachher mehr dorsalwärts ver- lagert. Daraus resultiert schliesslich die Magenform, wie wir sie beim ausgewachsenen Tiere finden. Es dürfte von Interesse sein, zum Vergleiche einige Er- gebnisse der Entwickelungsgeschichte des Wiederkäuermagens hier anzuführen. Nach Krazowsky, Stoss, Martin und anderen Forschern erscheint die Magenanlage der Wiederkäuer, wie bei den anderen Säugetieren, zunächst als eine spindelförmige Er- weiterung des Darmrohres, welche sich allmählich nach links um ihre Längsachse dreht. An der ventralen Wand des sich allmählich schräge stellenden Magens tritt dann eine Ein- schnürung auf, welche die Grenze zwischen Anlage von Pansen und Haube einerseits und Psalter und Labmagen andererseits darstellt. Links von der Cardia entsteht der Pansen als zu- nächst nach vorne auswachsender Blindsack; an diesem legt sich dann die Haube als Ausbuchtung an. An der rechten Seitenwand des primitiven Magens entwickelt sich die, eme direkte Fortsetzung der Speiseröhre bildende Schlundrinne. Sie liegt gegenüber der vorher erwähnten Einschnürung. Das Duodenum zieht, nach rechts gewandt, dann in scharfem Bogen dorsalwärts. Die Achse des Magens, abgesehen vom Pansen, bildet eine Schlangenlinie. Der Pansen erfährt dann noch eine selb- Untersuch. üb. Bau u. Entw. d. zusammengesetzt. Mag. d. Schlankaffen. 619 ständige Drehung, indem seine rechte Wand dorsalwärts rückt und sich nur noch wenig erweitert, während seine linke sich stark ausbuchtet. Die craniale Ausdehnung des Pansens wird durch das Zwerchfell verhindert, daher schlägt er sich caudal- wärts um. Es finden dann noch einige Lageveränderungen der einzelnen Magenabteilungen statt, welche hier nicht weiter von Interesse sind. Wölfel führt die Morphogenese des Wiederkäuermagens nicht ausschliesslich auf mechanisch-topographische Verhält- nisse zurück, sondern glaubt, dass auch ererbte Wachstums- differenzen dabei eine Rolle spielen. Letztere scheinen mir in erster Linie für den Schlankaffenmagen in Betracht zu kommen. Ich weise dafür auf die Tatsache hin, dass bei der Bildung der Einkniekung zwischen Vormagen und Verdauungs- magen zunächst die Innenwand eine Leiste bildet, in welche hinein sich dann erst die Aussenwand einstülpt. Dies scheint mir durchaus für ererbte Differenzen zu sprechen. Was die Entstehung des Vormagens sowie der Schlund- rinne anbelangt, so geht aus den vorher dargestellten Ergeb- nissen hervor, dass sich beide Gebilde bei den Schlankaffen aus der primitiven Magenanlage entwickeln, während von einer direkten Teilnahme des Ösophagus nicht die Rede sein kann. Der Boden der Schlundrinne wird immer von der durch den Ansatz des ventralen Mesogastriums charakterisierten kleinen Kurvatur gebildet, während der Vormagen wegen des Ansatzes des dorsalen Magengekröses, welches sich zum Teil über ihn hinzieht, ein erweiterter, echter Magenteil sein muss. Die Ein- schnürung, welcher im Innern eine Epithelgrenze- entspricht, teilt demnach die grosse Kurvatur in zwei Partien auf. Bei den Veterinäranatomen finde ich die Ansicht vertreten (Massig), die Schlund- und Psalterrinne der Wiederkäuer stellten die eine Wand des caudal erweiterten Ösophagus dar, während sich die gegenüber liegenden Wandungen desselben 620 H. v. BERENBERG-GOSSLER, zu den drei Vormägen erweitert hätten. Auch Weber erklärt die erste Magenabteilung der Cetaceen für eine drüsenlose Aus- stülpung des Ösophagus. Bonnet hält im Gegensatz dazu die Epithelverhältnisse bei den Ruminantia für eine sekundäre, durch physiologische Gründe bedingte Differenzierung und warnt davor, die Grenze zwischen beiden Epithelarten als Grenze zwischen Vorder- und Mitteldarm anzusprechen. Hier- mit lässt sich die in der Einleitung erwähnte Theorie Oppels, nach welcher die Vormägen als echte Magenbezirke anzusehen sind, wohl vereinigen. In bezug auf die linke Magenkammer von Mus und Arvicola kam Toepfer zu demselben Ergebnis. Dieser Autor fand bei ihnen das gesamte Magenepithel erst einschichtig, dann mehrschichtig. Die Umwandlung in Platten- epithel beginnt am blinden Ende des linken Sackes und schreitet dann nach dem Drüsenmagen zu vor. Ich möchte hierbei auf die Epithelverhältnisse im Magen des grösseren Nasenaffen hinweisen, bei welchem nur im linken Vormagenblindsack ge- schichtetes Plattenepithel vorhanden ist, um dann ohne scharfe Grenze in das auf diesem Stadium mehrschichtige Cylinder- epithei der übrigen Magenabteilungen überzugehen. Offenbar handelt es sich auch hier um eine nach dem Verdauungs- magen hin fortschreitende Umbildung des Epithels. Man hat vielfach auf Grund der beim Kind sowie auch beim Schimpansen deutlicher als beim erwachsenen Menschen unterscheidbaren Abschnitte des Magens, nnament- lich der später verstreichenden Grenze zwischen Vestibulum und Canalis pylorieus, den Magen des Menschen von einem gekammerten Herbivorenmagen abgeleitet. Keith und Jones homologisieren den Vormagen von Semnopithecus sogar direkt mit dem Fundus des Menschen bei Gelegenheit der Besprechung der besonders im vierten und fünften Embryonalmonat bei diesem auftretenden, blindsackförmigen Fundusanlage. Im Gegensatz dazu hat Cunningham nachgewiesen, Untersuch. üb. Bau u. Entw, d. zusammengesetzt. Mae. d. Schlankaffen. 621 dass die scheinbare Aufteilung des Antrum pyloricum ledig- lich auf einer besonderen physiologischen Funktionen dienen- den Anordnung der Muskulatur beruht. Die in vielen Arbeiten beschriebenen häufig beobachteten „Sanduhrmägen“ beim Menschen, welche man ebenfalls als atavistische Bildungen an- sah, sind, wenn nicht gewisse pathologische Veränderungen als Ursache in Frage kommen, nach Cunningham auf vor- übergehenden, physiologischen Zuständen begründet. Keith und Jones glauben eine Schlundrinne bei menschlichen Feten beobachtet zu haben und halten dies für eine phylogenetisch wichtige Tatsache. Das Vorhandensein eines solchen (rebildes ist von anderen Forschern nicht bestätigt worden. Vielmehr können die Semnopitheeiden für die Stammes- geschichte des Menschen nicht in Betracht kommen, da man sie auf Grund ihres speziell differenzierten, besonderen Er nährungsverhältnissen angepassten Magenbaues als abseits stehende Gruppe auffassen muss. Dass wir es bei den Magen- formen der verschiedenen Schlankaffengattungen nicht mit analogen, konvergenten, sondern mit homologen Bildungen zu tun haben, halte ich wegen mancher anderer Kriterien, welche auf eine sehr nahe Verwandtschaft dieser Tiere hinweisen, für höchst wahrscheinlich. Zusammenfassung. Der zusammengesetzte Magen der Schlankaffen besteht aus einem, geschichtetes Plattenepithel tragenden und zur Auf- speicherung und Vorbereitung der schwer assimilierbaren Blätternahrung dienenden Vormagen und einem durch eine typische Schlundrinne mit der Speiseröhre verbundenen Ver- dauungsmagen, an welchem man eine weitere Mittelpartie und ein Antrum pyloricum unterscheiden kann. Der Vormaeen, welcher auf Grund seiner Entwickelungsgeschichte alsein echter Magen- teilangesehen werden muss, bietet in vielen Punkten Ähnlichkeit mit Pansen und Haube der Wiederkäuer. In der äusseren Form gleicht der Magen der Semno- pitheeiden am meisten demjenigen des Känguruhs. Es handelt sich hier um durch ähnliche Ernährungsweise verursachte Kon- vergenzerscheinungen, denen nicht der geringste phylogenetische Wert beigelegt werden kann. Für die Stammesgeschichte des menschlichen Magens kann derjenige der Schlankaffen nicht in Betracht kommen, da man annehmen muss, dass seine eigenarligen Formverhältnisse durch spezielle Anpassung an die hauptsächlich aus Blättern be- stehende Nahrung erworben wurde. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. (Mit freier Benutzung einer Abbildung von Keith und Jones) Magen von Semnopithecus entellus, aufgeschnitten und ausgebreitet. Oes. Ösophagus. Vm. Vormagen. Vdm. Verdauungsmagen. Ap. Antrum pyloricum. O.L. Obere Schlundrinnenlippe. U.L. Untere Schlundrinnenlippe. Fig. 2. Plattenmodell des Magens eines Embryos von Semnopithecus maurus. (92) von 7,2 mm Länge, 100 mal vergrössert, '/s natürl, Grösse. Ansicht von vorne. Der Recessus superior sacei omenti ist eröffnet. Die punktierte Linie deutet die Kontur des Lumens an. Ös. Ösophagus. M.d. Schnittfläche des Mesogastrium dorsale. M.v. Schnittfläche des Mesogastrium ventrale. R.s. Recessus superior sacci omenti. D.ch. Ductus choledochus. Fig. 3. Plattenmodell des Magenlumens desselben Embryos. Ansicht von rechts. Vm. Vormagenanlage. Fig. 4. Plattenmodell des Magens eines Embryos von Semnopithecus mi- tratus (Surili 5b) von 13,4 mm Länge. Vergrösserung 66°/smal, '/s natürl. Grösse. Ansicht von links. Oes. Ösophagus. Vm. Vormagen. Vdm, Verdau- ungsmagen. Grf. Grenzfurche zwischen Vormagen und Verdauungsmagen. Pyl. Gegend des Pylorus. Md. Ansatzlinie des Mesogastrium dorsale. D.p.d. Dorsaler Pankreasgang. Fig. 5. Dasselbe Modell, von rechts gesehen. M.v. Mesogastrium ventrale (Sehnittfläche). Lg. phr. Schnittfläche des Ligamentum gastrophrenicum. D.ch. Ductus choledochus. D.p. v. Ventraler Pankreasgang. Sonst dieselben Bezeich- nungen wie in Fig. 4. Fig. 6. Modell’des Magenlumens desselben Embryos. Ansicht von rechts. etwas von hinten. Oes. Einmündungsstelle des Ösophagus. Vm. Vormagen, Vdm. Verdauungsmagen. Schlr. Schlundrinne. Fig. 7. Plattenmodell des Magens eines Fetus von Nasalis larvatus von 25,2 mm Länge. Vergrösserung 33'/s mal, '/ natürl. Grösse. Ansicht von links und vorne. Oes. Ösophagus. Vm. Vormagen. Vdm. Verdauungsmagen. Einschn. Einschnürung zwischen beiden. O. maj. Ansatzlinie des Omentum majus. Fig. 8. Dasselbe Modell, von rechts und hinten gesehen. Vmbl. Vor- magenblindsack. Pyl. Gegend des Pylorus. O. min. Ansatzlinie deskleinen Netzes. D. ch. Ductus choledochus. Sonst dieselben Bezeichnungen wie in Fig. 7. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H 3.) 41 624 Erklärung der Abbildungen. Fig. 9. Modell des Magenlumens desselben Fetus. Ansicht von rechts. Ops. Einmündungsstelle des Ösophagus. Vm. Vormagen. Vdm. Verdauungs- magen. Schlr. Schlundrinne. Vmblr. Rinne zum Vormagenblindsack, Vmbl, Fig. 10. Fetus von Nasalis larvatus. 46,8 mm Länge. 3mal vergrössert. Die Bauchdecken, sowie der linke Leberlappen sind entfernt, das grosse Netz ;st grösstenteils abgeschnitten, so dass der Netzbeutel vorne eröffnet ist, I. Schnittfläche der Leber. Vm. Vormagen. Vdm. Verdauungsmagen. Oma. vor- deres, Omp. hinteres Blatt des grsosen Netzes. P. Pankreas. M. Milz. Nn. Nebenniere. N. Niere. Fig. 11. Magen desselben Fetus, isoliert. Vergrösserung 4 mal. Ansicht von links und von vorne. etwas von oben. Oes. Ösophagus. Vm. Vormagen. Vdm. Verdauungsmagen. O.maj. Ansatzlinie des grossen Netzes. Fig 12. Derselbe Magen von rechts und hinten, etwas von unten. Vmbl. Vormagenblindsack. Cm. Kleine Kurvatur mit Ansatz des kleinen Netzes. Pyl. Pylorus. Sonst dieselben Bezeichnungen wie in Fig. 11. 13. 14. 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(DIREKTOR: GEHEIMRAT PROF, DR. ASCHOFF.) ÜBER DIE GEFÄSSVERSORGUNG DES REIZLEITUNGS- DYOTEMS DES HERZEND. VON DR. GEORG HAAS, FREIBURG ı. BR. Mit 5 Figuren auf den Tafeln 54/58. Die Frage nach der Blutversorgung des Herzens ist in den letzten Jahren wieder mehrfach in Erörterung gezogen worden und ihre neue Bearbeitung hat unsere Kenntnis auf diesem Gebiete in vieler Beziehung erweitert. Die Lehre, dass die Coronararterien als Endarterien im strengen Sinne Cohn- heims (3) anzusehen seien, musste auf Grund anatomischer, pathologisch-anatomischer und experimenteller Untersuchungen fallen gelassen werden. So haben Jamin und Merkel (7) durch eine verbesserte Untersuchungsmethode, durch ihre stereoskopischen Röntgenaufnahmen nachgewiesen, dass im menschlichen Herzen sehr wohl Anastomosen zwischen den beiden Coronararterien an den verschiedensten Stellen exi- stieren. Sie berichten darüber: „Am häufigsten liessen sich Anastomosen an den Vorhöfen, in der Vorhofs- und der Kammer- scheidewand und unter besonderen Umständen auch in der Vorderwand des rechten Ventrikels, wie über den Papillar- muskeln und an der Herzspitze nachweisen. Jedoch bestehen in dem Vorkommen von Verbindungen zwischen den beiden Hauptarterien des Herzens erhebliche individuelle Verschieden- heiten.“ Eine weitere Vertiefung in der Kenntnis über die Blutversorgung des Herzens haben wir Hirsch und Spalte- holz (6) zu verdanken. Beide Autoren demonstrieren uns an der Hand ihrer anatomischen und experimentellen Unter- suchungen ebenfalls, „dass das Herz nicht ein Organ ist, das der arteriellen Anastomosen entbehrt oder arm an ihnen ist, 630 GEORG HAAS, sondern es ist im Gegensatz ausserordentlich reich an ihnen, reich auch an Anastomosen von ansehnlichem Querschnitt“. Sie richten ferner bei ihren Untersuchungen ihr Hauptaugen- merk darauf, das Gesetzmässige in der Verteilung der Gefässe herauszufinden und kommen zu dem Resultat, ‚dass beim Hund und Menschen die feinere Verteilung der Coronararterien eine sehr ähnliche ist“. Indem sıe auf dieser Tatsache fussten, gehen sie noch einen Schritt weiter und zeigen uns an der Hand experimenteller Unterbindungsversuche am Hundeherzen, „dass diese Anastomosen auch leistungsfähig sind“, eine Tat- sache, die von pathologisch-anatomischer Seite schon stets ver- mutet wurde. Ein weiterer Beitrag zu der Lehre von der Blutversorgung des Herzens wurde uns in allerneuester Zeit vonAmenomiya (18) geliefert, der zum Teil die schon viel früher erhobenen Befunde J. Sternbergs bestätigt, zum Teil erweitert. Sternberg hatte schon 1887 nachgewiesen, dass der vordere Teil der Kammerscheidewand und der vordere Papillar- muskel des linken Ventrikels alleın von der linken Coronar- arterie versorgt wird; der hintere Teil der Scheidewand da- gegen von der rechten Coronararterie und der hintere Papillar- muskel des linken Ventrikels von der rechten und linken Coronararterie die Blutzufuhr erhalten. Diese Angaben stehen in Übereinstimmung mit den Feststellungen Amenomiyas, der jedoch im Gegensatz zu Sternberg den grossen Papillar- muskel des rechten Ventrikels nicht nur allein zum Gebiete der rechten Coronararterie rechnet, sondern ihn von den Ästen beider Coronararterien durchblutet sieht. Gegenüber Spalte- holz vertritt Amenomiya die Ansicht, dass die Papillar- muskeln der arteriellen Anastomosen entbehren und dass die (Gefässe derselben als Endarterien aufzufassen seien. Seit der Entdeckung der spezifischen Muskelsysteme im Herzen, die durch Gaskell, Kent und His eingeleitet wurde Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 631 und die auf anatomischem Gebiete besonders durch Aschoff und Tawara, Keithund Flack, Moenckeberg,Koch, Fahr, auf physiologischem Gebiete durch Hering, Er- langer u. a. eine wesentliche Erweiterung und Ausbauung erfahren hat, versucht man natürlich die mannigfachen Stö- rungen der Herztätigkeit auf etwaige pathologische Verände- rungen dieser spezifischen Muskelsysteme zurückzuführen. Bei dem Studium der Pathologie der spezifischen Muskelsysteme, zu denen wir den Keith-Flackschen Knoten, den Aschoff- Tawaraschen Knoten, das Hissche Bündel mit seinen Aus- breitungen im Herzen rechnen, ist man auf viele neu zu lösende Fragen gestossen, deren Beantwortung für das Zustandekommen gewisser pathologischer Zustände dieser Systeme von Wichtig- keit ist. Wir kennen ja heute die hohe Bedeutung der spezi- fischen Muskelsysteme im Herzen und wissen, dass in ihnen gegenüber den anderen Muskelfasern des Herzens „vorwiegend die Funktion der Reizbildung und Reizleitung ausgebildet ist“ (Hering [5]). Wenn wir uns bei der Frage nach der Ent- stehung der Reizbildung die Vorstellung Mackenzies (il) zugrunde legen, „dass die Herzmuskelfasern, sofern sie mit geeigneter Nahrung versehen sind, die Fähigkeit besitzen, in ihrem Innern einen Stoff auszuscheiden, der die Faser zur Kontraktion bringt“, so ist es demnach gerade für die spezi- fischen Muskelsysteme ein Haupterfordernis, dass die Bedin- gungen für den Nahrungsaustausch dieser spezifischen Zellen recht günstige sind, sollen sie ihrer hohen Aufgabe bei dem Zustandekommen des normalen Herzrhythmus gerecht werden. Und so komme ich auf die Frage, wıe gestaltet sich die Blut- versorgung dieser spezifischen Muskelsysteme? Diese Aufgabe ist schon von verschiedenen Autoren in Angriff genommen worden wegen der Wichtigkeit, die die Beantwortung dieser Frage für das Verständnis des Zustandekommens mancher pathologischer Zustände des Herzens hat. 632 GEORG HAAS, Keith und Flack (8) haben zuerst nachgewiesen, dass der Sinusknoten sein eigenes (Gefässsystem besitzt; die Nach- untersuchungen von Koch (9) bestätigen dies und zeigen uns des näheren, welche ausserordentlich günstige Blutbeschaffung beim Sinusknoten vorliegt. „Er ist von einem auffallend grossen und diekwandigen Gefäss durchsetzt,“ das aus dem Circulus arteriosus sinoauricularis hervorgeht. Auch über die Gefässversorgung des Atrio - Ventrikular- knotens liegen bereits Angaben vor. Ein besonderer Gefäss- reichtum des Bündels und des Hauptstammes war schon von Tawara (16) hervorgehoben worden. Keith und Flack beobachteten zuerst den Eintritt eines relativ grossen arteriellen Astes der rechten Coronararterie in den Stamm des Bündels, während seines Durchtrittes durch den Annulus fibrosus als begleitendes ernährendes Gefäss. Moenckeberg (12, 13) hat ebenfalls diesen zum Atrio-Ventrikularknoten und zu dem aus ihm hervorgehenden Hisschen Bündel verlaufenen Gefässast gesehen, doch bezeichnet er ıhn als ‚inkonstant und nicht als regelmässigen Zubehör“. Spalteholz (15) sah vom Vor- hof eine feine Arterie ins Bündel ziehen, deren Endschicksal nicht verfolgt werden konnte. Auf Anregung von Herrn Professor Aschoff hin stellte ich nun ebenfalls Untersuchungen über die Blutversorgung des Atrio-Ventrikularknotens an und dehnte dieselben auch auf den Hund und das Kalb aus. Meine Untersuchungen nahmen nun folgenden Verlauf: Indem ich von der Voraussetzung ausging, dass der Atrio- Ventrikularknoten, wie die gesamten Autoren angeben, zum Gebiete der rechten Coronararterie gehört, injizierte ich die rechte Coronararterie nach dem Thierschschen und Teich- mannschen Verfahren (17) und versuchte durch Präparation die in Frage kommende Arterie nachzuweisen. Nachdem mir dies gelungen war, führte ich diese Art der Untersuchung an Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 633 einer grösseren Anzahl von Herzen durch, um mich von der Konstanz dieser Arterie zu überzeugen und auf individuelle Verschiedenheiten in ihrem Verlauf zu achten. Sodann in- jizierte ich die linke Coronararterie, um etwaige Beziehungen dieses Gefässsystems mit dem Atrio-Ventrikularknoten fest- zulegen. Und schliesslich wurden Injektionen von beiden Coronararterien ausgeführt. Sie hatten den Zweck, mich über das Vorhandensein etwaiger Anastomosenbildung zwischen den beiden Gefässsystemen im Gebiete des Knotens zu orientieren. Auch die mikroskopische Untersuchung injizierter Herzen in Form von Serienschnittuntersuchungen wurde herangezogen, um die makroskopischen Befunde zu kontrollieren und die feineren Gefässverzweigungen im Knoten und im Bündelstamme zu studieren. Untersuchungen am menschlichen Herzen. Injektion der rechten Coronararterien nach dem Thierschschen oder nach dem Teichmann- schen Verfahren und präparatorischer Nachweis der Arterie. Ich gebe nun die Beschreibung der für das Atrio-Ventri- kularsystem in Betracht kommenden Gefässverteilung an meh- reren Herzen. Herz I. (Siehe Tafel 55). Aus dem Ramus eircumflexus dexter der rechten Coronararterie entspringt einen halben Zentimeter vor Abgang des Ramus descendens posterior ein relativ grosses Gefäss. Dasselbe zieht unter dem Coronar- venentrichter hindurch an der rechten Seite des Vorhofseptums ent- lang zum Septum fibrosum arteria septi fibrosi, beinahe in der gleichen Höhe, wie die Ansatzlinie der mittleren Trieuspidalklappe verläuft. Im Bereiche des Atrio-Ventrikularknotens teilt es sich in mehrere Äste, von denen der eine den Knoten durchsetzt (Ramus 634 GEORG HAAS, nodi atrio-ventricularis) und in der Richtung des Hisschen Bündels nach vorne zieht und sich an dessen Teilungsstelle aufsplittert. Von der Teilungsstelle der Arteria septi fibrosi zieht ein feiner Ast an der rechten Seite des Vorhofseptums nach oben, mehrere Äste ziehen unter der mittleren Tricuspidalklappe hinweg und verästeln sich, ziemlich oberflächlich liegend, in der Septummuskulatur des Ven- trikels rechterseits und zwar in deren hinteren Hälfte. Zu nennen ist ferner ein Seitenast, der die Pars membranacea durchbricht und auf der linken Ventrikelseptumseite am Fusspunkt der Pars membranacea aus der Tiefe hervorkommend, sich im Anfangsgebiet des linken Schenkels aufteilt. Vor Abgang der Arteria septi fibrosi aus der rechten Coronar- arterie entspringt ein noch kräftigerer Gefässstamm. Er gibt anfäng- lich Zweigäste zur hinteren Wand des rechten Ventrikels ab und dringt ungefähr 1 cm unterhalb des Ramus septi fibrosi in das Septum ventriculorum ein an einer Stelle, die etwas nach vorne von der Grenze Ventrikelseptum—Hinterwand des rechten Ventrikels gelegen ist. Ich bezeichne diese Arterie als Ramus superior ventri- culorum. Sie teilt sich dann in zwei Äste, von denen der rechte in Gemeinschaft mit den oben erwähnten Zweigästen der Arteria septi fibrosi die rechte Seite des Septum ventriculorum in seiner hinteren Hälfte versorgt. Er kommt also als Versorgungsgebiet des rechten Ventrikels in Betracht. Der linke Endast durchbricht das Ventrikelseptum und gibt an dieses Äste ab. Auf dessen linker Seite splittert er sich im oberen hinteren Drittel auf, allmählich die Oberfläche erreichend. Demnach fallen in sein Gebiet die hinteren Ausbreitungen des linken Schenkels des Reizleitungssystems. Nach dem Ursprung der Arteria septi fibrosi aus der Coronaria gehen noch mehrere kleinere Gefässe zu den oberen peripheren Schichten der linken Seite des Ventrikelseptums in seinem hintersten Abschnitt; und ein Gefässast zieht zur rechts gelegenen Partie der Hinterwand des linken Vorhofs. Sodann folgt der Ramus descendens posterior als nächster Seitenast der Circumflexa dextra zur Hinterfläche des Herzens; er gibt Äste zu den untersten Partien des Septums ab. Nach ihm entspringen noch mehrere andere starke Gefässe, die zur rechts gelegenen Partie der Hinterwand des linken Ventrikels ver- laufen und diese sowohl wie den hinteren Papillarmuskel versorgen. Diese Anordnung in der Gefässverteilung fand ich bei den meisten meiner injizierten Herzen und ich möchte sie deshalb als die gewöhnlich vorkommende der in diesem Gebiete in Betracht kommenden Gefässe bezeichnen. Ich berichte jetzt über einige Variationen. Herz TI. Injektion der rechten Arteria circumflexa (Thiersch). Der Ramus descendens posterior geht hier ziemlich früh aus der Coro- Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 635 naria hervor, ungefähr 21/, em von der Medianlinie entfernt. In der Medianlinie ungefähr entspringt aus der Coronaria ein Gefäss, das seinen Verlauf zum oberen Rand des Septum ventrieulorum nimmt und sich bald nach Abgang in einen rechten und linken Ast teilt (Ramus superior septi ventriculorum). Der rechte Ast ist besonders stark entwickelt, er gibt Äste nach vorne und unten zur rechten Septummuskulatur; sie gehen bis in die vordere Hälfte des Septums. Der linke Ast durchdringt wieder das Septum, indem er schräg nach links unten verläuft und splittert sich in den oberflächlichen Muskelschichten des linken Ventrikelseptums auf und zwar wieder in dessen hinterer, oberer Partie. 2 cm unterhalb der Kuppe der hinteren Aortenklappe kommt der Gefässstamm aus der Tiefe. Ausser- dem gehen an der Abgangsstelle des Ramus superior septi ventr. aus der Coronaria noch mehrere kleinere Gefässe zu der Ecke, die durch das Septum und die Hinterwand des linken Ventrikels gebildet wird. Die Coronaria nimmt weiter ihren Verlauf in der Atrioventrikularfurche und geht dann, indem sie einen Bogen aus- führt, ungefähr in der Mitte der Hinterfläche des linken Ventrikels nach abwärts; vorher jedoch gibt sie zwei kräftige Äste ab, der eine läuft dem Endast ungefähr parallel nach unten, der andere geht nach oben zur Hinterwand des linken Vorhofs. Aus diesem letzteren entspringt die Arteria septi fibrosi. Zweifelsohne eine Ab- weichung vom normalen Verlauf. Sie geht zuerst nach rechts und unter dem Coronarvenentrichter hervorkommend, zieht sie, der rechten Seite des Vorhofseptums angeschmiest, zu der (Gegend des Knotens. Von da gehen wieder Gefässe nach den verschiedensten Richtungen ab, die einen verlaufen unter dem mittleren Tricuspidal- segel nach abwärts zum Teil nach vorne, eines zieht in der Richtung des Hisschen Bündels, zwei kräftigere Äste, die schon kurz vor der Teilungsstelle etwas nach links abgebogen sind, durchbrechen die Pars membranacea und en sich, dem Verlauf des linken Schenkels entsprechend, bis 11/, cm von der unteren Kuppe der hinteren Aortenklappe entfernt lomıkan verfolgen, dann splittern sıe sich auf, der eine nimmt seine Richtung etwas mehr nach vorne. Aus der Art. septi fibrosi geht wieder ein Gefässästchen, bevor sie den Knoten erreicht, zum Vorhofseptum nach links hinten. Wir sehen also auch hier wieder die Beziehungen der Arteria septi fibrosi und des Ramus superior sept. ventriculorum zum Reiz- leitungssystem, gleichzeitig auch die veränderte Lokalisation ihrer Ursprungsstelle dem Ramus descendens gegenüber. Herz’ III. (Ramus coronarius rechts mit Gelatine [rot] injiziert.) Unmittelbar an der Abgangsstelle des Ramus descendens posterior entspringt eine ausserordentlich kräftig entwickelte Arteria septi 636 GEORG HAAS, hbrosi, die, nachdem sie unter dem Sinus coronarius hervorgetreten ist, an der rechten Seite der Vorhofscheidewand bis zum hinteren Ende der Ansatzlinien der mittleren Trieuspidalis verläuft. Dort teilt sie sich, ein sehr kräftiger Seitenast oder besser Endast ver- läuft, nach links rückwärts umbiegend, ein Stück in der Atrio- ventrikularfurche und senkt sich dann in die hintere Septumwand ein; ein anderer verläuft im Septum fibrosum nach vorne und teilt sich dort in mehrere Äste, von denen die kleineren schlankeren nach dem Bereich des rechten Schenkels ziehen; die beiden linken Äste durchbrechen die Pars membranacea an deren unteren Kuppe und ziehen ungefähr in der Mitte der Verzweigungen des Reizleitungs- systems nach abwärts. Ja es ist mir gelungen, die beiden Äste bis in die trabekulären Ausläufer der Septummuskulatur hinein zu verfolgen. In der Mitte dieser nach rechts und links abzweigenden Seitenäste der Arteria septi fibrosi verläuft der eigentliche Endast. Er versorgt den Knoten und den Bündelstamm; an der Teilungs- stelle des Bündels löst er sich ebenfalls in feinste Äste auf, die in der Richtung beider Schenkel nach abwärts ziehen. Diese starke Entwickelung der Arteria septi fibrosi und ihrer Endausläufer mag wohl im Zusammenhang stehen mit dem abnorm stark entwickelten Gefässsystem der rechten Coronararterie in diesem Herzen. Bei dem Präparieren des weiteren Verlaufes des Ramus circumflexus dexter bemerkt man, dass dieser bis an die Seiten- kante des linken Ventrikels reicht und mit seinen Seitenästen die ganze Hinterwand des Vorhofs und Ventrikels versorgt. Interessant ist ferner die kräftige Anastomosenbildung eines an der Hinterfläche des linken Ventrikels herablaufenden Seitenastes der Circumflexa dextra mit dem Endausläufer der Circumflexa sinistra an der linken Seitenkante des Herzens. Auch die Arteria superior septi ventri- culorum zeigt eine mächtige Entwickelung ihres Gefässnetzes und reicht vor allem weiter nach vorne. Wie mich Durchschnitte durch das Septum des Ventrikels belehrten, ist dieses noch in seinem vorderen Abschnitt stark mit roten Gefässen durchzogen. Man darf wohl annehmen, dass hier in diesem Herzen auch der vordere Teil des Septums und das Atrioventrikularsystem zum grössten Teil von der rechten Coronararterie versorgt wird. Anmerkung: Nach Sternberg, Jamin und Merkel und Amenomiya wird der vordere Teil des Ventrikelseptums vom absteigenden Ast der linken Coronararterie versorgt. Herz-IV. Injektion der rechten Coronaria nach Teichmann (rot). Der Ramus descendens geht hier wieder abnorm früh aus der Coronaria ab, insofern als er in der Mitte der Hinterfläche des rechten Herzens nach abwärts verläuft. Sodann nehmen mehrere kleinere Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 637 Gefässe aus der Coronaria ihren Ursprung; sie verlaufen zur Atrio- ventrikulargrenze der Hinterwand, die nächstfolgende Seitenarterie der Circumflexa, kräftig entwickelt, geht an der oberen Grenze des Ventrikelseptums nach vorne, teilt sich innerhalb der Muskulatur in mehrere kräftige Endäste, wovon die rechts gelegenen die hintere Partie des Septums rechterseits, die linken, noch stärkeren, die linke Seite versorgen (Ramus superior sept. ventric.). Ich habe mich be- müht, dieses Gefässgebiet besonders im Auge zu behalten, da es mir auffiel, dass bei einem Herzen, das mir wegen Infarktbildung des Septums und Atrioventrikularsystems zur Untersuchung zur Ver- fügung stand, der Sitz des Infarktes mit dem Verbreitungsbezirk jener nach links verlaufenden (Grefässe übereinstimmt. In den bis- her beschriebenen Fällen war es stets so wie hier, die hinteren Abschnitte des Verbreiterungsgebietes des linken Schenkels fielen stets in diese Gefässzone des linken Astes des Ramus sup. sept. ventriculorum, dessen Gefässaufsplitterung sich auf den hinteren oberen Teil der linken Septumwand bezieht, der grösstenteils vom vorderen Mitralsegel bedeckt wird. Der nächste Zweigast nach dem Ramus superior septi ventri- culorum gilt der äusseren Wandung, der Hinterwand, in deren Mittel- linie er subpericardial nach abwärts zieht. 11/, cm nach Abgang dieses Seitengefässes entspringt erst der Ramus septi fibrosi zuerst nach rechts ziehend und dann im gewöhnlichen Verlauf zum Knoten. Auch aus diesem Falle geht ebenso wie bei Herz II hervor, wie sehr die Topographie der Ursprungsstelle der Arteria septi fibrosi, verglichen mit der des Ramus descendens posterior, variieren kann. Liegt die Ursprungsstelle der Arteria septi fibrosi gewöhnlich 1/,—1 cm vor der Mündung des Ramus descendens, so sehen wir im Unterschied dazu sie in diesem Falle wie in dem Herz II, erst eine grössere Strecke hinter diesem ihren Ursprung nehmen. Herz V. Injektion der rechten Coronaria nach Thiersch (rot). Unmittelbar nach der Ursprungsstelle des Ramus descendens posterior zieht ein kräftiges Gefäss aus der Coronaria zur Vorhofs- kammergrenze des Septums. Etwas nach vorne von der Kante, wo Septum und Hinterwand zusammenstossen, teilt es ‚sich in zwei Äste, der eine steigt nach vorne und ein wenig nach oben zum Knoten, der andere kräftigere senkt sich nach unten in die Musku- latur ein, teilt sich ebenfalls und sendet nach rechts vorne und links Äste zum hinteren Abschnitt des Ventrikelseptums und zwar zu dessen Aussenseite. Nach dem Ursprung des Hauptstammes dieser Gefäss- verzweigung, der als Ramus superior septi ventriculorum aufzufassen ist, senken sich ungefähr 1 cm von ihm entfernt zwei kleinere Ge- fässe in die Septummuskulatur und ziehen nach links zur Ober- 638 GEORG HAAS, fläche der linken Septumseite. Sodann erst entspringt die eigent- liche Arteria septi fibrosi, die von links nach rechts unter dem CGoronarsinus hindurchzieht, an der rechten Seite des Vorhofseptums zum Septum fibrosum verläuft, ungefähr zu der Stelle, wo der Knoten zu lokalisieren ist. Hier geht die übliche Aufteilung der Gefässe vor sich, die in diesem Falle, da zwei arterielle Gefässe als Hauptstämme vorhanden sind, besonders umfangreich erscheint. Wir haben also hier den interessanten Fall vor uns, dass das Knotengebiet von zwei relativ grossen Nebenästen der Coronaria dextra versorgt wird. Isolierte Atrio - Ventrikulargrenze des Septums, von der rechten Coronaria aus. Bei denselben ging ich von der Idee aus, durch isolierte Injektion der Arteria septi fibrosi deren Versorgungsgebiet näher abzugrenzen. Zur praktischen Ausführung dieses Vor- satzes standen mir zwei Wege zur Verfügung: der eine geht dahin, dass man die Art. sept. fibros. an ihrem Ursprungsort aufsucht und in die Mündungsöffnung eine feine abgestumpfte Injektionsnadel einführt; der andere Weg ist der, dass man von der Coronaria aus injiziert, nachdem man vorher die anderen in Frage kommenden Seitenäste der Coronaria durch Unter- bindung ausgeschaltet hat. Eine einwandsfreie Ausführung dieser beiden Versuchsanordnungen ist mir aber niemals ge- lungen trotz vieler Mühe wegen der praktischen Schwierig- keiten, die mir bei der einen oder andern Art von Injektion entgegentraten. Wählte ich den ersten Weg — Aufsuchen des Ostiums der Art. sept. fibrosi von der Coronaria aus, nachdem ich dieselbe an ihrer äusseren oberen Circumferenz vorher geöffnet hatte —, so wusste ich nie genau, ob das vermeint- liche Ostium auch wirklich der Art. sept. fibros. angehörte oder einem der anderen Seitenäste, deren Ostien in ziemlicher Nähe voneinander liegen. Suchte ich mir durch Präparation der farblosen Gefässe die Verhältnisse klarzulegen, so konnte ich sicher sein, dass durch das Zerren oder auch Schneiden des Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 639 Messers ein feinstes Gefäss einriss, so dass bei der Injektion. ein Farbstoffextravasat entstand, das die genaueren Verhält- nisse zu studieren unmöglich machte. Schliesslich scheiterten oft die Versuche bei dem Einführen der Injektionsnadel oder Anlegen des Unterbindungsfadens um dieses für solche Zwecke zu feine Gefäss, zumal bei älteren Herzen. Die zweite Ver- suchsmethode —— Injektion der Art. sept. fibros. von der Coronar- arterie aus, nachdem vorher alle anderen Gefässgebiete durch Unterbindung ausgeschaltet sind — ist deshalb unmöglich, da ohne sorgfältige Präparation eine Ausschaltung aller in Frage kommenden Gefässe nicht möglich ist. Fängt man aber schon zu präparieren an, so darf man sicher sein, dass bei der In- jektion kräftige Extravasate von Farbstoff entstehen. Mir blieb also, wollte ich eine wenigstens leidlich isolierte Injektion des Knotens und des seine engere Umgegend ver- sorgenden Gefässgebietes ausführen, keine andere Möglichkeit übrig, als auf die Unterbindung der in die Tiefe ziehenden Gefässe, die in der Nähe des Ursprungs der Art. sept. fibros. verlaufen, zu verzichten, und nur die grösseren Seitenäste der Coronaria, die ja ziemlich leicht zugänglich sind, zu unter- binden. Ausser der Art. sept. fibros. wurden also injiziert: die Art. sept. ventr. superior. und kleinere Gefässe, die zur Atrio-Ventrikulargrenze beider Herzhälften gehen, speziell zu dem Winkel, wo Septum und Hinterwand des linken Ventrikels zusammenstossen; auch ist meistens ein Gefässast, der direkt zur Hinterwand des linken Vorhofs zieht, injiziert. Ich habe fünf solche isolierte Injektionen ausgeführt und in allen Fällen erschien ein ganz typischer Bezirk injiziert: Die linke obere Hälfte der Hinterwand des rechten Ventrikels; die Atrio-Ventrikulargrenze des Septums in einer Ausdehnung von 1—11/, em nach oben, nach vorne bis zum vorderen Ende der mittleren Trieuspidalis, nach unten in einer Ausdehnung, die ungefähr ?/, der Septumhöhe ausmacht. Der stets inten- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3). 42 640 GEORG HAAS, siver gefärbte Bezirk der linken Septumwand zeigte seine tiefste Blaufärbung im oberen Drittel des hinteren Septumabschnittes, also unterhalb der hinteren Aortenklappe und der Grenze beider Mitralsegel und nimmt nach vorne und hinten eine Ausdehnung an, die sich ungefähr mit der Länge der entsprechenden Hälften der beiden Mitralsegel deckt. Die Grenzen sind natürlich ver- schwommen, in dem einen Fall ist der Injektionsbezirk grösser und reicht besonders weiter hinab und nach vorne, indem er die Hälfte der Höhe und Länge des Ventrikelseptums einnimmt, im anderen Falle ist er weniger ausgedehnt und erreicht nur ein Drittel. Analog den Befunden, die durch „Präparation“ der Gefässe gewonnen wurden, geht auch aus diesen isolierten Injektionen deutlich die Tatsache hervor, dass die wichtigsten Abschnitte des Atrio-Ventrikularsystems mit Ausnahme der vorderen Aus- breitungen des linken Schenkels in engster Verbindung mit den Gefässverzweigungen der Arteria septi fibrosi und des Ramus superior septoventrieulorum stehen; vor allem Knoten, Bündelstamm und Anfangsteile der beiden Schenkel, sowie die hinteren Ausbreitungen des linken Schenkels. Dessen mittlere Partie ebenso wie der rechte Schenkel liegen an der Grenze des Bezirkes, d. h. der hinteren Hälfte des Septums, in den ausschliesslich nur von der rechten Coronararterie grössere arterielle Gefässe entsandt werden. Die vorderen Äste des linken Schenkels fallen ausserhalb dieses Gefässbezirkes. Injektionen der linken Coronararterie. Ich konnte an keinem der injizierten Herzen ein grösseres oder kleineres arterielles Gefäss finden, das seinen Verlauf zum Knoten oder seiner engeren Umgebung nahm. Am nahesten kommen die Gefässe, die aus dem Ramus descendens anterior in das Septum eindringen und nach hinten verlaufen ; sie können Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 641 von unten bis nahe an die Pars membranacea heranziehen, erreichen dieselbe jedoch niemals vollständig. Injektionen der beiden Coronararterien. (Die rechte Coronararterie wurde blau, die linke rot injiziert (Teichmann- sches Verfahren.) In bezug auf den Knoten und den Bündelstamm geben sie keine neuen Resultate, insofern sie zeigten, dass die Gefässe in der Umgegend des Atrio-Ventrikularbündels nur die blaue Farbe aufwiesen, also zum Gebiete der rechten Coronararterie zu rechnen sind. Eine Anastomosenbildung der Arteria septi fibrosi und ihrer Endausläufer mit Gefässen, die von vorne kommen, konnte nicht nachgewiesen werden. Zwischen den Endgebieten der Coronaria dextra und Circumflexa sinistra sind an der Hinterwand des linken Ventrikels Anastomosen zu sehen; ob sie jedoch als funktionstüchtig in bezug auf den Atrio-Ventrikularknoten angesehen werden können, die Entscheidung dieser Frage muss ich leider offen lassen. Im übrigen konnte man folgende Beobachtung machen: die vordere Hälfte des Septums zeigte nur rote Gefässe, die aus dem Ramus descendens anterior der linken Coronararterie ihren Ursprung nehmen. Der vordere Ast des linken Schenkels des Reiz- leitungssystems muss demnach der Hauptsache nach in das Gefässgebiet dieser Arterie gerechnet werden, während die hintere Hälfte des Septums nur blaue Gefässe aufwies. Die mittleren Verzweigungen des linken Schenkels gehören in das Grenzgebiet der beiderseitigen grossen Blutströme, ebenso der rechte Schenkel. Der nähere Verlauf der roten Gefässe ist am besten aus der Abbildung zu erkennen; man sieht, dass sie im allge- meinen in Schichten laufen, die den Aussenflächen des Septums parallel sind, eine Tatsache, die für die Form der Infarkte in den inneren Myocardschichten von Wichtigkeit ist. 42* 642 GEORG HAAS, Serienschnittuntersuchung der Arteria septi fibrosi. Es wurde die rechte Coronararterie des Herzens eines Neugeborenen nach dem Thiersch schen Verfahren blau in- jiziert. Nachdem das Herz in Formalin gehärtet war, wurde durch zwei Horizontalschnitte, von denen der eine durch den oberen Rand des Coronarsinus, der andere durch den obersten Teil des muskulären Kammerseptums verlief, ein Querstück, das das in Frage kommende Gebiet enthielt, gewonnen. Das- selb2 wurde in Paraffin eingebettet und in Horizontalschnitte zerlegt, von denen jeder dritte aufgezogen wurde. Dicht vor der Ansatzstelle des vorderen Mitralsegels sieht man den oberen Abschnitt des Knotens liegen, er grenzt mit seiner linken Seite an den Annulus fibrosus. Es ist ein kleines arterielles Gefäss im Knoten im Querschnitt, mehrere prä- capillare Gefässe im Längsschnitt getroffen, nur wenig vom hinteren Ende des Knotens entfernt, liegt ein grösseres arteri- elles Gefäss, das im Längsquerschnitt getroffen ist. Im über- nächsten Schnitt ist der Querschnitt des Knotens etwas ver- grössert, besonders das vordere Ende erscheint gestreckt. An seinem hinteren Ende sieht man aus der Vorhofsseptummusku- latur ein im Längsschnitt getroffenes ziemlich grosses Gefäss herantreten, das in der Richtung von hinten nach vorn ver- läuft. Nur durch wenige Bindegewebsbrücken getrennt, liegt weiter rückwärts noch ein zweiter Längsschnitt desselben arte- riellen Gefässes, das seine Richtung mehr von rechts hinten nach links vorne nimmt; aus diesem zweiten hinteren Gefäss- durchschnitt spaltet sich eben ein kräftiger Gefässast zur links- seitig umgebenden Septummuskulatur ab. Im Knoten selbst fällt ein kleines Gefäss auf, das fast die ganze Länge des Knotens von hinten nach vorne durchsetzt; es entspringt aus dem an der hinteren Grenze des Knotens sichtbaren arteriellen Stamm. Derselbe entspringt offenbar der Arteria septi fibrosi. Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 643 Dass diese Annahme richtig ist, beweisen die nächstfolgenden Serienschnitte, in denselben ist der Verlauf des Ramus septi fibrosi in der rechtsseitigen Muskulatur des Vorhois beinahe vollständig zur Darstellung gebracht durch glücklich getroffene Längsschnitte. Er ist von seinem Ursprung aus der Coronaria dextra bis in die Mitte des Knotens sichtbar (s. Tafel 54). In dem- selben hat er teils grössere, teils kleinere Zweigäste abgegeben, die teils quer, teils längs getroffen sind. Ausserdem ist ein an- sehnlicher Seitenast der Art. septi fibrosi in diesen Schnitten zu bemerken; .er zieht nach links vorne. In den nächsten Schnitten, in denen sich der Knoten immer weiter in den Annulus fibrosus hineinerstreckt, biegt die Hauptarterie des Knotens nach unten ab, wie aus den kreisrunden Querschnitten zu erkennen ist. Gehen wir in der Serie weiter abwärts, so sehen wir den Knoten einen breiten, ziemlich lang gestreckten und spitz zulaufenden Fortsatz bis in die Pars membranacea entsenden. Wieder liegt in ihm der ansehnliche Querschnitt der Hauptarterie; weiter nach vorne zieht in der Mitte des Bündelstammes eine Arterie zu dessen vorderem Ende; ihr Lumen ist etwas kleiner als das der eigentlichen Knotenarterie. Links davon gelegen ausserhalb des Bündels, im Übergang des Annulus fibrosus und der Pars membranacea der nach links vorne verlaufende Seitenast der Art. septi fibrosi. In den nächstfolgenden Schnitten sehen wir ausser der eben an- geführten Gefässverteilung einen ansehnlichen Zweigast aus der Knotenarterie hervorgehen, der nach links hinten seine Richtung einschlägt und auch in den nächstfolgenden Präpa- raten stets wieder zu finden ist. In denselben ist nur noch ein kleiner Teil des Knotens zu bemerken, das Atrio-Ventrikular- Bündel läuft im Septum membranaceum auf der linken Seite; in der mittelsten Schicht seiner Muskelfasern zieht ein arteri- eller Gefässlängsschnitt. Die Knotenarterie splittert sich in mehrere Endarterien auf, die immer noch ein stattliches Kaliber 644 GEORG HAAS, aufweisen. Durch ihre kreisrunden, sich allmählich verjüngen- den Querschnitte, die zum Teil auch zahlreicher werden, ist der Verlauf nach unten gekennzeichnet. Wir sind an der Teilungsstelle des Bündels angelangt; es enthält am hinteren. Ende, in seiner Mitte und in seiner vorderen rechten Seite Querschnitte kleiner arterieller Gefässe. In den folgenden Schnitten geht nun die Teilung der beiden Schenkel immer mehr und mehr vor sich; von Bindegewebe eingehüllt schiebt sich der rechte Schenkel als langer Strang immer mehr nach rechts; im hinteren Drittel enthält er inmitten seiner Muskulatur einen ganz kleinen Arterienast, bei dem eben die Injektion noch angedeutet ist, während der linke Schenkel subendocardial ge- legen noch drei relativ grosse arterielle Querschnitte enthält, den kräftigsten inmitten seiner Fasern, die zwei andern in der umgebenden Bindegewebsschicht. In den nächsten Schnitten verschwindet das injizierte Gefäss des rechten Schenkels; bei starker Vergrösserung lässt es sich jedoch noch länger als Präcapillare verfolgen. Im linken Schenkel ist nur noch der mittlere arterielle Querschnitt deutlich sichtbar; in den darauf- folgenden Präparaten verschwindet er ebenfalls. Während sich in dieser Weise die Arterie des Bündel- stammes vollkommen aufgeteilt hat, sind im hinteren Abschnitt des Septums, ungefähr da, wo früher der Knoten lag, rechts und links noch stattliche Gefässdurchschnitte zu erkennen, die beiderseits hauptsächlich in den äusseren Schichten der ‚Septummuskulatur gelegen sind. Je weiter man sie nach unten verfolgt, desto mehr streben sie der Peripherie des Ventrikel septums beiderseits zu und rücken weiter nach vorne. Wenn wir uns nun die einzelnen Serienschnitte rekon- struieren, so kommen wir zu folgendem Gesamtbild: aus der rechten Coronararterie geht ein arterieller Gefässstamm her- vor, der im hinteren Abschnitt des Vorhofsseptums eintritt, in seiner rechtsseitigen Muskulatur nach vorne verläuft und Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 645 in den Atrio-Ventrikularknoten an dessen oberem Ende eintritt. Diese Arterie durchsetzt den Knoten von oben nach unten und versorgt ihn mit feineren Gefässen. Einen grösseren arle- riellen Seitenast entsendet sie dem Hisschen Bündel. Dieses Bündelgefäss ist besonders durch seine centrale Lage gekenn- zeichnet; es endigt in kleinen Gefässen, die die beiden Schenkel in ihren Anfangsteilen versorgen. Aus der Knotenarterie ent- springt ein weiterer Seitenast, der zu den links hinten ge- legenen Muskelschichten des Vorhofseptums zieht. Die eigent- lichen Endäste der Knotenarterie ziehen vom unteren Ende des Knotens in den hinteren Abschnitten der Septummuskulatur auf der rechten Seite nach abwärts, zum Teil sind sie nach vorne gerichtet. Vor Eintritt der Arteria septi fibrosi in den Knoten zweigt ein Nebenast derselben in das fibröse Septum und, die Pars membranacea nach links vorne durchbrechend, in die links gelegenen Schichten des Ventrikelseptums. Die Serienschnittuntersuchung des Herzens eines Er- wachsenen, dessen rechte Coronararterie ebenfalls nach dem Thierschschen Verfahren injiziert worden war. gab mir folgendes Bild von der Gefässanordnung im Gebiete des Knotens. An der Vorhofkammergrenze der Hinterwand des rechten Herzens entspringt aus der rechten Coronararterie ein Seiten- ast (Arteria septi fibrosi), der in der rechten Seite des Vorhof- septums nach vorne verläuft, indem er gleichzeitig eine Biegung nach oben und ein wenig nach innen ausführt. Während seines Anstieges nach oben gibt er nach rechts einen Zweigast ab, der nach oben und vorne zieht zum Aschoff-Tawaraschen Knoten (Knotenarterie), an dessen unterem hinterem Ende in denselben eintritt und ihn in der Richtung von hinten nach vorne durchsetzt. Die Knotenarterie findet dann im Bündel- stamm ihre Fortsetzung; in dessen vorderem Ende zerteilt sie sich in feinere Äste, die die beiden Schenkel in ihrem Anfang ein kürzeres Stück begleiten. In ihrem weiteren Verlaufe gibt 646 GEORG HAAS, die Arteria septi fibrosi ungefähr da, wo sie am weitesten nach links in die Septummuskulatur ausgebogen ist, einen ziemlich steil im Septum fibrosum nach oben verlaufenden Gefässast ab, der dann plötzlich wieder nach unten umbiegt, und ein wenig nach vorne gerichtet zur linken Seite des Ventrikel- septums verläuft. Unmittelbar nach dem Ursprung dieses so- eben genannten Gefässes geht ein weiteres aus der Arteria septi fibrosi hervor, das zum linken hinteren Ende des Ventrikel- septums zieht. Sowohl vor dem Ursprung der Knotenarterie als auch nach demselben gehen aus der Arteria septi fibrosi Äste hervor, die zur rechten Seite des Ventrikelseptums und in demselben nach abwärts ziehen. Der eigentliche Endast der Arteria septi fibrosi durchbricht das Septum fibrosum und splittert sich an der linken Ventrikelseptumseite auf. Die mikroskopische Untersuchung bestätigt demnach die Ansicht, dass der Atrio-Ventrikularknoten und der Bündelstamm von der Arteria septi fibrosi ernährt werden, sei es in der Weise, dass der Hauptstamm selbst den Knoten durchsetzt und innerhalb desselben einen Seitenast zum Bündel entsendet, oder dass die Arteria septi fibrosi unmittelbar vor dem Knoten sich teilt und einen Zweigast in den Knoten und den Bündel- stamm verlaufen lässt. Wie überall in dem Verlauf der Gefässe des Herzens, so besteht auch hier eine ausserordentlich grosse Variations- breite. Diese Tatsache zu bedenken, erscheint mir ungemein wichtig bei der Beurteilung pathologischer Verhältnisse, z. B. bei Infarktbildungen in diesem Gebiet. Wäre im ersten Fall, der zur mikroskopischen Untersuchung herangezogen wurde, eine Embolie der Arteria septi fibrosi eingetreten, so würde, da die Aufsplitterung derselben erst im hinteren Knotenende vor sich geht, neben der umgebenden Muskulatur auch Bündel- stamm und Knoten in den Infarkt einbezogen sein, während im zweiten Falle, wo die Knotenarterie bald nach der Ur- Anatom.Hefte I Abteilung 131.Hefl (43 Bd1.3) Tafel 57 Hund. Rechter Ventrikel, von der Seite eröffnet. RR Ursprung der rechten Koronararterie, R. X1. Hauptstamm der rechten Koronararterie, EIER. Hauptstamm der linken Koronararterie, G. S. Ad. Grosse Septumarterie, direkt am Ursprung der linken Koronararterie ent- springend. 4d.s.f. Arteria septi fibrosi, aus dem Ramus circumflexus der linken Koronararterie entspringend. Verlag von J.F.Bergmenn, Wiesbaden, Känigl. Universitätsdruckerei H, Stürtz A.G. Würzburg. Anatom. Hefte 1_Abteilung 131.Heft (43.Bd.H.3) Tafel 58 6.5.4 “ Kalb. Linker Ventrikel. Pi: Pars membranacea. red: Rechte Aortenklappentasche. RE Ursprung der rechten Koronararterie. G. S. A. Grosse Septumarterie, aus der rechten Koronararterie an ihrem Ursprung oder direkt aus der rechten Aortenklappentasche entspringend. Versorgt den linken und rechten Schenkel und ihre Zweige, 4. Anastomose zur Art. septi fibrosi, die aus d. Ramus circumflexis d. linken Coronaria entspringt. Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden. Königl. Universitätsdruckerei H.Stürtz A.G. Würzburg. Uber die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 647 sprungsstelle der Arteria septi fibrosi als Nebenast derselben entspringt, wenn der Embolus hinter der Abzweigung des Ramus nodi atrioventricularis zu sitzen kommt, nur Vorhof und Ventrikelmuskulatur betroffen würde, während der Tawara- sche Knoten und das Hissche Bündel intakt blieben. Man könnte dann leicht der Meinung sein, das Atrio-Ventrikular- system gehörte zu einem ganz anderen Gefässgebiet. Ich komme also auf Grund meiner Untersuchungen, die an einer grossen Zahl von Herzen (30) vorgenommen wurden, zu dem Ergebnis, dass das Atrio-Ventrikularsystem des mensch- lichen Herzens in seinem wichtigsten Abschnitt, wozu ich den Knoten, den Bündelstamm und den Beginn beider Schenkel rechne, sein eigenes Gefässsystem besitzt, das auf dem Wege der Arteria septi fibrosi sein Blut aus der rechten Coronar- arterie bezieht. Der Verlauf dieser zum Atrio-Ventrikularknoten hinziehenden Blutbahn zeigt mannigfache Variationen. Ein Fehlen des eigenen Gefässsystems des Knotens konnte in keinem meiner untersuchten Fälle konstatiert werden, ebensowenig wie ein Ursprung der Knotenarterie aus der linken Coronarıa oder deren System. Untersuchungen über die Blutversorgung des Atrio- ventrikularknotens des Hundes. Die Untersuchungen wurden an 5 Hundeherzen angestellt, von denen drei doppelseitig injiziert worden waren anmittelbar am Austritt der Coronararterien aus der Aorta, die anderen zwei wurden von der Aorta aus injiziert. Meine Resultate sind folgende: Beim Hunde zieht entsprechend dem Befunde am mensch- lichen Herzen eine Arterie unter dem Coronarvenentrichter durch und an der rechten Seite des Vorhofseptums entlang zum Gebiete des Knotens. Jedoch stellte sich bei jeder meiner 648 GEORG HAAS, Untersuchungen am Hundeherzen heraus, dass diese Arteria septi fibrosi nicht, wie beim Menschen, aus der rechten Coronar- arterie entspringt, sondern aus der linken. Der rechte Ramus circumflexus ist ja beim Hunde viel weniger stark entwickelt als beim Menschen. Sein Versorgungsgebiet umfasst nur die obere Hälfte der Seitenwand und die Hinterwand des rechten Ventrikels und den grössten Teil des rechten Vorhofs. Die übrigen Herzteile gehören zum Gebiete der linken Coronar- arterie, die analog der rechten Coronararterie des Menschen stets einen kräftigen Ramus descendens posterior an der Hinterwand des Herzens abgibt. Zwischen der Abgangsstelle dieses Gefässes und des im rechten Winkel nach unten ab- biegenden Endstückes des Ramus circumflexus nimmt die Arteria septi fibrosi des Hundes ihren Ursprung. Auch sie splittert sich im Bereiche des Knotens auf und gibt relativ kräftige Ästchen, die ziemlich oberflächlich verlaufen, zur rechten Seite des Ventrikelseptums. Die Präparation des Ven- trikelseptums vom Hunde zeigt ein viel mächtiger ausgebildetes Gefässsystem, als es beim Menschen vorkommt; auch liegen zum Teil die Arterien des Septums oberflächlicher als beim Menschen und springen dadurch mehr ins Auge. Das arterielle Gefässnetz im Gebiete des Atrio-Ventrikularknotens erscheint dementsprechend auch dichter; ich versuchte, mich möglichst genau über den Verlauf desselben zu orientieren und fand bei der Präparation eine Anastomosenbildung mit Gefässen, die von vorne unten kamen. Wir beobachten nämlich beim Hunde, dass aus dem Ostium der linken Coronararterie ausser dieser noch ein zweites Gefäss, ein beinahe ebenso kräftiges, seinen Ursprung nimmt). In zwei meiner Fälle — es ist darauf bei Unterbindungs- ') Spalteholz sah beim Hunde auch ein besonders grosses Gefäss von „vorne her“ sich ins Septum einsenken. Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 649 versuchen!) zu achten — nahm das Gefäss, das zum Septum verläuft, aus einem gesonderten Ostium der linken Aorten- tasche seinen Ursprung. Dasselbe umzieht nach rechts die Aortenwurzel und teilt sich auf der rechten Seite der Ven- (rikelscheidewand unter der rechten Aortenklappe. Der rechte, viel kräftigere Ast dieser „grossen Septumarterie“ zieht nun auf der rechten Seite des Ventrikelseptums sehr oberflächlich liegend von vorne oben nach hinten unten zum Ansatz der Papillar- muskeln. Auf seinem Wege gibt er zahlreiche Äste zur um- gebenden Muskulatur ab. Ein kräftiger Seitenast zieht unter dem mittleren Triceuspidalsegel nach oben zur Gegend des Knotens und geht dort eine Anastomosenbildung mit den Endzweigen der Arteria septi fibrosi ein (vgl. Tafel 57). Der linke Endast des grossen Septumgefässes ist in seinem Kaliber kleiner. Er ver- läuft in der linken Seite der Kammerscheidewand nach hinten unten. Er ist ungefähr 1 cm von dem untersten Teil der Pars membranacea entfernt und erreicht hinten die Höhe der oberen Kuppe des vorderen Papillarmuskels nicht ganz. Dieser linke Endast kann auch fehlen; an seiner Stelle finden sich dann zwei kleinere Gefässe, die als Seitenäste des an der rechten Septumseite verlaufenden Hauptstammes anzusehen sind. Wir sehen also, dass beim Hunde die Blutversorgung für das Atrio-Ventrikularsystem eine ganz besonders gute ist, spe- ziell für den Knoten und Bündelstamm. Diese Teile erhalten von zwei Richtungen, von vorne und hinten Zufuhr von Blut, da die beiden Systeme gerade in diesem Gebiete in besonders innige Beziehung treten. Für Unterbindungsversuche, die im Effekt speziell den Knoten und das Atrio-Ventrikularbündel treffen sollen, ist es wichtig, nicht nur den Ramus septi fibrosi !) Lewis (10) hat durch Unterbindung der rechten Coronararterie beim Hunde paroxymale Tachykardie auftreten sehen. Anatomische Angaben liegen leider nicht vor. Anf alle Fälle muss darauf hingewiesen werden, dass die rechte Coronararterie beim Hunde nichts mit der Blutversorgung der spezifischen Muskelgewebe des Atrioventrikularsystems zu tun hat. 650 GEORG HAAS, coronariae sinistrae auszuschalten, sondern auch die grosse Septumarterie. Sie geht unmittelbar aus der Mündungsstelle der linken Coronararterie hervor, gelegentlich auch aus einem gesonderten Ostium, das dann im untersten Teil der Iınken Aortentasche zu suchen ist. Untersuchungen über die Blutversorgung des Atrio- >) ventrikularsystems des Kalbes. Auf die Aussage von Curran Bezug nehmend, die dahin geht, dass bei den Huftieren der Atrio-Ventrikularknoten, der Bündelstamm und die oberen Abschnitte der beiden Schenkel ihr Blut von einem Seitenast der linken Coronararterie beziehen, injizierte ich die Circumflexa sinistra, die ganz analog der des Hundes bei der Blutversorgung des Kalbsherzens die weitaus grössere Rolle spielt wie die Circumflexa dextra. Ich fand denn auch an der Stelle, wo die Circumflexa sinistra an der Hinterwand des Herzens rechtwinkelig nach unten umbiegt, einen relativ grossen Gefässast unter dem Coronarsinus her- vorkommen und an der rechten Seite der Scheidewand des Vorhofs nach vorne ziehen. Der Hauptast biegt jedoch bald nach links um und zieht rückwärts zur Hinterwand des linken Ventrikels. An der Umbiegungsstelle entsendet er zwei Seiten- äste, von denen der eine zur hinteren Atrio-Ventrikularfurche des rechten Herzens verläuft und sich hier subpericardial ın feinste Äste verzweigt, die sich weitgehend in die Endausläufer der Circumflexa einsenken; der andere Seitenast zieht zur Gegend des Knotens, dringt aber in denselben nur mit den feinsten Zweigästen ein. Das Endstück dieses Seitenastes zieht weiter nach vorne bis zum vorderen Zipfel der mittleren Trieus- pidalis, wo es sich in ein Netz von Gefässen aufteilt, nachdem es vorher stattliche Nebenäste zum hinteren Abschnitt der rechten Septumwand abgegeben hat. Das nächste Herz injizierte ich von beiden Coronararterien aus und zwar in ihre Ursprünge, da ich von der Idee ausging, es könnte beim Kalbe ähnlich wie beim Hunde eine Septum- arterie vorhanden sein, die unmittelbar aus der . Aortentasche ihren Ursprung nimmt. Ich fand nun folgendes: An derselben Stelle wie im vorhergehenden Falle entspringt aus der linken Coronararterie ein arterielles Gefäss, das unter dem Coronar- sinus hervorkommend nach vorne zieht; diesmal biegt nur ein kleinerer Seitenast nach links hinten ab, der Hauptstamm verläuft an der rechten Seite des Vorhofseptums nach vorne zum Knoten und zerteilt sich dort in mehrere Äste. Auf seinem Wege nach vorne gibt er einen ansehnlichen Seitenast zur Atrio-Ventrikularfurche der Hinterwand des rechten Ventrikels, der mit den Endästen der rechten Coronararterie Anastomosen bildet. Diese Anastomosenbildung der Arteria septi fibrosi mit der rechten Coronararterie ist jedoch nicht die einzige, die für die spezifischen Muskelsysteme Bedeutung hat. Analog den Befunden am Hundeherzen entspringt hier aus der rechten Aortentasche, entweder aus einem gesonderten Ostium oder mit der rechten Coronararterie gemeinsam, eine kräftige Septum- arterie (s. Tafel 58). Sie zieht zum untersten Abschnitt der Pars membranacea und teilt sich hier in mehrere Äste. Der mittelste Ast, der ein grosses arterielles Gefäss darstellt, zieht inmitten des linken Schenkels nach abwärts und lässt sich leicht bis zu dessen Teilungsstelle verfolgen !). Einen halben Centimeter nach vorne verläuft parallel nach abwärts der erste der Zweig- äste; er durchläuft etwa nur ein Drittel der Höhe der Septum- ) Tawara sah auch schon die die beiden Schenkel begleitenden Blut- gefässe. Er schreibt: „Der linke Schenkel ist ferner von zwei relativ grossen Gefässen begleitet, welche letztere schon zirka 5 mm unterhalb der Aorten- klappen, von dem Innern der Scheidewand kommend, an den linken Schenkel herantreten und von dort ab immer mit dem letzteren verliefen“. „Von dem oberen inneren Teile der Scheidewand läuft ein relativ grosses Blutgefäss fast senkrecht abwärts gerade in der Verlaufsbahn des rechten Schenkels.“ 652 j GEORG HAAS, wand. Der dritte Zweigast läuft auf dem oberen Rand des Ventrikelseptums nach hinten bis zur vorderen Ansatzstelle der hinteren Aortenklappe. Hier teilt er sich in drei Äste, von denen zwei auf der linken Septumseite nach abwärts ziehen — der eine anastomosiert mit dem Hauptgefäss des linken Schenkels —, der dritte zieht nach rechts oben, nachdem er die Scheidewand durchbrochen hat, und erreicht schliesslich die Gegend des Bündelstammes und des Knotens. Hier zerteilt er sich in mehrere feine Gefässe, die sich jedoch nach kurzem Verlaufe in die Arteria septi fibrosi ergiessen. Die Untersuchungen der übrigen Kalbsherzen bestätigen diese Resultate. Besondere Beachtung fand schliesslich noch das Verhalten des rechten Schenkels, bei dem sich ebenfalls herausstellte, dass er eine grosse Strecke von einem Seitenast der grossen Septumarterie begleitet wird. Dieser den rechten Schenkel begleitende Arterienast nimmt ebenfalls an der Haupt- teilungsstelle der Septumarterie seinen Ursprung. haben wir beim Herzen des Menschen und des Hundes gesehen, dass das Atrio-Ventrikularsystem nur in seinen wichtigsten Abschnitten sein eigenes Gefässsystem besitzt, so finden wir beim Kalbe die interessante Tatsache, dass auch die unteren Partien, solange als die beiden Schenkel als ge- schlossener Stamm verlaufen, ihre eigene Blutversorgung be- sitzen. Besonders vollkommen und weitgehend geschützt vor Cireulationsstörungen ist das Gefässsystem im Gebiete des Atrıo-Ventrikularknotens und des Bündelstammes des Kalbes, insofern als diese Gebiete von den verschiedensten Gefäss- systemen ihre Blutversorgung beziehen und zwar auf dem Wege grösserer arterieller Bahnen; von der linken Coronar- arterie durch die Arteria septi fibrosi, von der rechten auf dem Wege ihrer Endäste, und endlich von der Septumarterie, die aus der rechten Aortentasche ihren Ursprung nimmt. Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 653 Meine Befunde kann ich in folgenden Sätzen zusammen- fassen: 1. Das Reizleitungssystem wird sowohl beim Menschen wie beim Hund und Kalb in seinen verschiedenen Abschnitten, von verschiedenen Gefässsystemen versorgt. 2. Beim Menschen spielt die rechte Coronararterie die Hauptrolle, indem dieselbe von der hinteren Coronarfurche aus zwei Äste entsendet. Erstens einen Ramus septi ventriculorum superior, welcher die obere hintere Hälfte des Septums ver- sorgend nach der linken Kammer durchbrechend hauptsächlich die hinteren Äste des linken Hauptschenkels versorgt; und zweitens einen Ramus septi fibrosi, welcher das Vorhofsseptum durchziehend mehrere Äste durch das Septum fibrosum zu den inneren Muskelschichten beider Kammern entsendet und schliesslich als Hauptstamm oder starker Seitenast in den Tawaraschen Knoten eintritt, sich auch noch in den Haupt- stamm und den Anfang beider Schenkel verfolgen lässt. Die vorderen Äste des linken Hauptschenkels werden von kleinen Zweigen der linken Coronararterie versorgt. Der rechte Schenkel liegt gerade an der Grenze zwischen dem Verzweigungsgebiet der rechten und linken Coronararterie am Septum. 3. Beim Hunde spielt die linke Coronararterie die Haupt- rolle. Von der hinteren Coronarfurche verläuft ein relativ schwacher Ramus septi fibrosi in ähnlicher Weise, wie der beim Menschen aus der rechten Coronararterie entspringende Ast, zum Tawaraschen Knoten, um sich in ıhm und in seiner Umgebung aufzulösen. Das Hauptgefäss ist die vordere Septumarterie, welche dicht am Ursprung der linken Coronar- arterie oder direkt aus der linken Aortentasche entspringend, die Aortenwurzel von vorne her umkreist, in das Septum ventriculorum eintritt und in drei Gefässbezirke zerfällt. Ein Gefäss zieht nach hinten und anastomosiert mit Ästen des 654 GEORG HAAS, Ramus septi fibrosi, ein zweites läuft an der rechten Kammer- seite zum (Gebiet des rechten Hauptschenkels. Ein drittes durchbricht das Septum und verzweigt sich im Gebiete des linken Hauptschenkels und seiner Hauptzweige. 4. Beim Kalb sind beide Arterien ziemlich gleichmässig an der Blutversorgung beteiligt; ein mittelkräftiger Ramus septi fibrosi, welcher aus der linken Coronararterie in der hinteren Coronarfurche (Curran) entspringt, versorgt mit seinen Ästen den Tawaraschen Knoten; die beiden Hauptschenkel dagegen werden wieder von vorne her mit Blut versorgt und zwar durch ein Gefäss, welches aus der rechten Aortentasche oder dicht am Ursprung der rechten Coronararterie entspringt, in das Septum eintritt und ebenfalls in drei Bezirke zerfällt; nach hinten entsendet es einen mit dem Ramus septi fibrosi kommuni- zierenden Ast; mit einem linken Ast begleitet es den linken, mit einem rechten den rechten Ast des Reizleitungssystems. Die genaueren Kenntnisse der Blutversorgung des Reiz- leitungssystems scheinen mir sowohl für die experimentelle Physiologie wie auch für die pathologische Anatomie notwendig zu sein. Ich hob schon oben hervor, dass die Wirkungen von Unterbindungen am Kranzgefässe am Hundeherzen nur richtig beurteilt werden können, wenn man weiss, dass gerade beim Hunde nicht die rechte Kranzarterie, wie beim Menschen, sondern die linke die Hauptabschnitte des Reizleitungssystems speist. Andererseits wird beim Menschen eine genaue Lokali- sation atherosclerotischer, thrombotischer und embolischer Verschlüsse der Kranzarterienäste für funktionelle oder auch anatomische Läsionen der verschiedenen Teile des Reizleitungs- systems von Bedeutung sein. Schon Mönckeberg hat darauf hingewiesen, dass eine umschriebene Erkrankung des Reiz- leitungssystems durch Veränderungen der dasselbe versorgen- den Gefässe zu beobachten ist, und ich selbst konnte in der Sammlung des hiesigen pathologischen Instituts zwei Fälle Über die Gefässversorgung des Reizleitungssystems des Herzens. 655 auffinden, bei denen ebenfalls isolierte Erkrankungen der Ge- fässe des Reizleitungssystems vorlagen. Im einen Fall handelte es sich um eine septische Embolie des Ramus septi fibrosi mit hämorrhagischer Infarzierung des Vorhofseptums und der am Knotenaufbau sich beteiligenden Muskelzüge. Der vordere Teil des Knotens war noch erhalten, wenn auch schwer ent- zündlich verändert. Die Blutversorgung war hier vielleicht durch Anastomosen mit dem Ramus superior septi ventri- culorum oder den vorderen Septumarterien ermöglicht. Im zweiten Falle handelte es sich um einen atherosclerotischen. Verschluss des Ramus septi ventriculorum superior mit an- ämischer Infarktbildung am hinteren Septumabschnitt und den angrenzenden Teilen des linken Ventrikels. Hier fielen die hinteren Äste des linken Hauptstammes mit in das Erkrankungs- gebiet, waren aber wegen ihrer subendocardialen Lage zum grossen Teil vor der Nekrotisierung geschützt. Denn die ganzen subendocardialen Muskelzüge waren, wie das so häufig bei ausgedehnten Infarktbildungen zu beobachten ist, noch er- halten, was auf eine besonders günstige Blutversorgung dieser Schichten oder auf eine Ernährung von dem Inhalt des Ventrikels schliessen lässt. Anatomische Hefte. T. Abteilung. 131. Heft (43. Bd., H. 3). 43 [$) Literaturverzeichnis. Aschoff, Referat über die Herzstörungen in ihren Beziehungen zu den spezifischen Muskelsystemen des Herzens. Verhandl. d. deutsch. pathol. Gesellsch. 1910. Aschoff, Über die neueren anatomischen Befunde am Herzen und ihre Beziehungen zur Herzpathologie. Mediz. Klinik. 1909. Leipzig. Cohnheim und v. Schultess-Ruhlberg, Über die Folgen der Kranz- arterienverschliessung für das Herz. Curran, The Anatomical Record 1909. Vo. 3. Hering, Die Herzstörungen in ihren Beziehungen zu den spezifischen Muskelsystemen des Herzens. Verhandl. d. deutsch. pathol. Gesellsch. 1910. Hirsch und Spalteholz, C ronararterien und Herzmuskel. 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Amenomiya, Über die Beziehungen zwischen Coronararterien und Papillar- muskeln im Herzen. Virch. Arch. Bd. 199. H. 1—2. Sternberg, J., Über Erkrankungen des Herzmuskels im Anschluss an Störungen des Coronararterienkreislaufes. Inaug.-Diss. Marburg 1887. Erklärung der Abbildungen. Tafel 4. Mensch. Horizontalschnitt durch das Septum fibrosum. Dem Septum fibrosum rechts angeschmiegt liegt der Knoten; er ist in der Färbung etwas blasser wie die übrige Muskulatur des Vorhofseptums.. Am Übergang der hinteren Wand des rechten Vorhofs in die Scheidewand beider Vorhöfe sieht man aus der rechten Coronararterie die Arteria septi fibrosi entspringen. Sie zieht innerhalb der Muskulatur des Vorhofseptums nach vorne und durchsetzt mit ihrem Endast (Arteria nodi atrio ventricularis) den Knoten; auch feinere Nebenäste der Knotenarterie sind sichtbar; dieselben sind teils im Quer- teils im Längsschnitt getroffen. Tafel 5. Mensch. Der rechte Ventrikel ist von der Seite eröffnet. Das grosse blauinjizierte Gefäss an der Hinterwand des rechten Ventrikels stellt den Ramus eircumflexus der rechten Coronararterie dar. Bevor die Coronararterie die Kante erreicht, die durch die Hinterwand des rechten Ventrikels und durch das Septum gebildet wird, entspringt aus ihr der Ramus superior septi ven- triculorum. Er verläuft nach vorne und nach abwärts in der Seite des Septums. Die mittlere Trieuspidalis ist weggeschnitten und die oberflächlichsten Schichten der rechten Septumwand sind abpräpariert, um den Verlauf des Hauptstammes des Ramus superior septi ventriculorum und seiner rechten Endäste zur Dar- stellung zu bringen. Ungefähr 1 cm hinter der Ursprungsstelle des Ramus superior septi ventriculorum nimmt die Arteria septi fibrosi ihren Verlauf nach vorne. Die wichtigsten Seitenäste (nach links hinten, nach oben, und nach unten in die rechte Septumwand) sind gezeichnet. An der Stelle, wo die Arteria septi fibrosi nach unten abbiegt, ist der Atrioventricularknoten zu lokalisieren. Der nach vorne verlaufende Ast ist die Knotenarterie, die die Richtung des Hisschen Bündels einschlägt. Von der Abbiegungsstelle der Arteria septi fibrosi nach unten entspringen Seitenäste nach links; sie per- forieren, ebenso wie der linke Endast der Knotenarterie, die Pars membranacea und sind nach Entfernung der oberflächlichsten Muskelschichten der linken Septumseite zu sehen (siehe Tafel 56, A. s. £.). 43° 658 Erklärung der Abbildungen. Tafel 56. Mensch. Der linke Ventrikel ist dicht neben dem Septum von vorne eröffnet. Man sieht, dass ein mit V.S. A. (vordere Septumarterie) bezeich- neter Zweigast des Ramus descendens anterior der linken Coronararterie (L. K.) die vorderen Äste des linken Schenkels versorgt. Die blauen Gefässe an der untersten Kuppe der Pars membranacea sind die perforierenden Äste der Arteria septi fibrosi. Tafel 5%. Hund. Der rechte Ventrikel ist von der Seite eröffnet. Die vordere Partie des Septums ist von der Aorta abpräpariert. In der Tiefe dieser Prä- parationsstelle sieht man den Verlauf der „grossen Septumarterie“. Sie ent- springt an der linken Seite der Aortenwurzel, gemeinsam mit der linken Coro- nararterie. R.K. und R.K! bezeichnen Ursprung und weiteren Verlauf der rechten Coronararterie. Man sieht einen Seitenast der grossen Septumarterie nach oben und hinten verlaufen; unter der mittleren Tricuspidalklappe anasto- mosiert er mit der von hinten nach vorne verlaufenden Arteria septi fibrosi. Die hintere Hälfte der mittleren Tricuspidalklappe ist durchsichtig gedacht. Tafel 58. Kalb. Der linke Ventrikel ist von der Seite eröffnet. Auf der unteren Partie der rechten Aortenklappentasche sieht man den Hauptstamm der „grossen Septumarterie‘‘ entspringen und sich innerhalb der Septummuskulatur in drei Äste zerteilen. Der mittlere zieht innerhalb des linken Schenkels nach unten. Der am weitesten nach hinten (in der Ansicht nach rechts) verlaufende Seiten- ast gibt einen Zweigast (A.) nach oben ab; derselbe durchbricht die Septum- wand und anastomosiert mit der Arteria septi fibrosi. \ ! N A Hi,