| 163” NR R R 4 ’ I R I HM 6 x eo a n N e IhAOR } 1:82 U \) \ ı n War 5% 17 ln . ty En N A hie : haaln 3 ‚ Ar Se ANATOMISCHE HEFTE. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 45, BAND (135,136, 137. HEFT), IRN r He Me ai OT Ve 4 ur W u I Fe D A >ikg U: "Las i d FE u ame SEE I ° Da RA ART, ey Nuiah ERBEN Da a no EHEN SL SIE ei Un Ka Sr \ ANATOMISCHE HEFTE. BEITRÄGE UND REFERATE ZUR ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE. UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL UND R. BONNET 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GÖTTINGEN. 0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN BONN. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. 45. BAND (135.4.136., 137 EIBET). MIT 28 TAFELN UND 111 FIGUREN IM TEXTE. WIESBADEN. VERLAGWONGT E BERGMANN 1912 Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht in alle Sprachen vorbehalten. Druck der Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A. 6., Würzburg. kmkakt 135. Heft (ausgegeben im Dezember 1911). Seite K. Okajima, Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. Mit 26 Textfiguren und 22 Figuren auf den Tatelm, 1/47... 1 K. Weigner, Über die Assimilation des Atlas und über die Varia- tionen am Os oceipitale beim Menschen. Mit 30 Figuren im Hoxtes Yes. Re! S. Tschassown iR, Zur Frage über BER Centeomen "Sphären und achromatischen Figuren der Zellen. Mit 22 Abbildungen aufslafe alla. ne a ee KO 136. Heft (ausgegeben im Januar 1912). Y. Meurman, Über die Entwickelung der Epidermisfibrillen in der menschlichen Sohlenhaut. Anhang: Die Bizzozeroschen Knöt- chen. Mit 3 Textfiguren und 20 Figuren auf den Tafeln 13/16 233 Hedwig Buch, Beobachtungen an der Taubenleber. Mit 14 Figuren außden@Rafelne lilser Erz 285 Angelo Bruni, Über die evolutiven ae involuliven Vorgänge der Chorda dorsalis in der Wirbelsäule mit besonderer Berücksich- tigung der Amnioten. Mit 2 Textfiguren und 16 Figuren auf den« Tafeln? 19/22 1 HA IE Ne RE ee Ver 50 137. Heft (ausgegeben im März 1912). Michio Inouye, Der Zwischenkiefer, seine Entstehung und der Verlauf der Hasenschartenkieferspalte und der schrägen Ge- sichtsspalte. Mit 33 Textfiguren . . 481 Johannes Norberg, Beiträge zur Kennitis de Wotlarzacker hei menschlichen Embryonen der 3. und 5. Woche. Mit 7 Abbil- dungen auf Tafel 23. . . . 611 S.E. Wichmann, Über die Entstehung der Uroeenrtelrerhindung und die Bedeutung der Müllerschen Genitalgänge bei den Säuge- tieren. Mit 12 Textfiguren und 14 Figuren auf den Tafeln 24/28 629 ee N E vA E TI L ur rer ART AYE. Ei ü Ä 2 RAR ENE 7 62} RL BE.) KUua.. RO Fe > Pa a, ER A di [2 + AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT zu KyoTo, JAPAN. DIE ENTWICKELUNG DES GEHÖRORGANS VON HYNOBIUS. VON K. OKAJIMA, KYOTo. Mit 26 Textfiguren und 22 Figuren auf den Tafeln 1/4. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 1 Einleitung. Das Gehörorgan der Amphibien bietet manche Besonder- heiten dar, weshalb es auch von vielen Seiten untersucht wurde. Die morphologische Kenntnis von demselben ist darum auch schon weit gefördert. Gegenüber den anderen Klassen, bei denen sich die Macula neglecta im Utriculus befindet, ist sie bei den Amphibien weit in den Sacculus verschoben und bildet sich hier zu einer grossen Pars neglecta aus. P. und F. Sa- rasın (32) waren die ersten, die bei Ichthyophis glutinosus auf dem Utriculusboden eine Nervenendstelle entdeckten, welche sie für eine andere als die Macula neglecta von Retzius) hielten und welche sie Macula neglecta fundi utrieuli nannten. Retzius (30) und Ayers (3) verneinten die Ansicht von Sarasın und nahmen an, dass die beiden Maculae gleich seien. Alexander (1) meinte, in einer Epithelbildung von Echidna aculeata an der Mündungsstelle des Ductus endo- Iymphaticus eine phylogenetische Erinnerung an die Macula Sarasini gefunden zu haben. Fleissig (6) aber lehnte dies ab und fand vielmehr bei Gecko während der Entwickelung eine progrediente Macula Sarasini, welche sich auch im völlig ausgewachsenen Zustand als eine hohe Epithelzone deut- lich erkennen lässt. Neuerdings wurde die Macula neglecta. von Alexander (1, 2) bei den Säugetieren zum ersten Male bei Echidna aculeata und Talpa europaea gefunden. 1* 4 K. OKAJIMA, Phylogenetisch kommt erst von den Amphibien an eine Pars (Macula) basilaris vor, welche aufwärts zu allmählich an Grösse und Mächtigkeit zunimmt und sich zu einer an- sehnlichen Cochlea entwickeln kann, während sie beim Fisch- ohre vollständig verloren gegangen ist. Harrison (9) wollte aus dem gegenseitigen Verhalten der betreffenden Pars zu der Lagena die alte Theorie der Lagena-Homologisierung verneinen; dies wurde aber von allen Seiten abgelehnt. Bezüglich der Ohrkapsel des Urodelenschädels, besonders ihrer medialen Wand, sind bisher verschiedene Meinungen aus- gesprochen, zwischen welchen man jedoch keine Überein- stimmung finden kann. Die Befunde, welche kürzlich von mir (20) bei. vielen Urodelengattungen gewonnen wurden, be- stätigen die Ansichten von Windischmann (36), Retzius (29) und Stöhr (33), dass die betreffende Wand, einen sehr komplizierten Zustand aufweisend, stets drei oder mehrere Foramina acustica trägt. Die Schliessungsweise der knorpeligen oder knöchernen halbzirkelförmigen Kanäle ist nach den einzelnen Tierklassen eine sehr verschiedenartige. Selbst bei derselben Species verhält. es sich nach den Individuen mannigfaltig, wie Gaupp (5) u. a. dies bei Axolotl festgestellt hatten. Ich (21) kam neulich zu dem Ergebnis, dass in manchen Fällen bei sechs Urodelen- gatlungen der hintere Bogengang meist offen geblieben ist. Dieser Zustand ist wohl ausschliesslich den Urodelen eigen- tümlıich. Wir leiden sehr Mangel an Untersuchungen über das perilymphatische Gewebe, Raum und Kanal. Wie bekannt, trägt die Ohrkapsel der Urodelen nur ein Foramen peri- Iymphaticum für den Canalis perilymphaticus; z. B. erkennt Harrison (8) das Vorhandensein eines Foramen perilymph. inferius und eines Saccus perilymphaticus bei den Anuren. an, während bei den Urodelen diese beiden Abschnitte nach Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. [ub} | ihm nicht vorhanden sind. Vor kurzem fand ich selbst (22 bei Hynobius die bemerkenswerte Tatsache, dass er nicht ein, einziges Foramen perilymphaticum, sondern stets deren zwei, ein vorderes und ein hinteres besitzt. Die Entwickelungsgeschichte des Gehörorgans von Urodelen ist bis dato durch genaue Untersuchungen von Wieders- heim (35), Stöhr (33), Norris (17), Witebsky (38), Netto (15), Winslow (37), Peter (24), Platt (25), Krause (12, #13), Buchs. (7), Kıngsbiury u Reed.(Il)u a m. gewürdigt worden. Nach Netto wird das Hörbläschen nicht durch Einstülpung der Grundschicht des Ectoderms, sondern durch Abschnürung gebildet, und sein Hohlraum entsteht erst später für sich. Dies hat auch Semon beim Ceratodusohre gesehen (nach Krause). Peter und Krause kommen beim Axolotl zu einer anderen Ansicht als Netto. Bezüglich des Ductus endolymphaticus soll erst die Frage in Betracht gezogen werden, ob seine Spitze der Abschnürungs- stelle des Hörbläschens entspricht oder nicht. Sie ist von. Krause und anderen Autoren als regellos beurteilt; an den verschiedenen Tierarten als regellos bezeichnet, variiert sie nach Rabinowitsch selbst an derselben (Emys europaea). Ferner nahmen Krause und Fleissig an, dass der Ductus aus der früher gebildeten medialen Wand des Hörbläschens sich abschnürt, im Gegensatz zur älteren Ansicht, welche eine sekundäre Ausstülpung des Ductus aus dem Hörbläschen für richtig hält. Endlich fällt uns eine hohe Epithelbekleidung des Ductus auf; nach Fleissig ist es begreiflich, dass der noch im Wachstum begriffene Ductus einen hohen Epithelüberzug trägt. Ich selbst aber habe bei Cryptobranchus japonicus, Onychodactylus und Salamandra maculosa, besonders an seiner ventralen (medialen) Wand ein eigentümliches Epithel gesehen, das ich als Ependymalanordnung der lange Fortsätze tragen- 6 K. OKAJIMA, den Zellen bezeichnet habe. Dieser beachtenswerte Zustand ist wohl von besonderer Bedeutung. Ich konnte dies auch während der Entwickelung der Hynobiuslarve und oft bei aus- gewachsenen Exemplaren dieser Species feststellen. Die drei Bogengänge der Urodelen entwickeln sich nach dem sogenannten Teleostiertypus, nämlich durch Einstülpungs- prozesse des Hörbläschens. Wie im allgemeinen angenommen wird, konnte ich auch bei unserem Tiere konstatieren, dass der horizontale Bogengang am frühesten, der hintere (frontale) am spätesten sich abschnürt. Durch diese Tatsache glaube ich die schon erwähnte Schliessungsweise des hinteren Bogen- ganges einigermassen erklärt zu haben, indem der letztere am spätesten abgeschnürt wird und demgemäss seine knorpelige oder knöcherne Umschliessung viel später und schwächer er- hält, als die anderen beiden. — Die Winkelstellung der vorderen und hinteren Bogengänge ist durch vielfache Faktoren erklärt, einmal durch die mediale Verschiebung des gemeinsamen, widerstandsarmen Schenkels, durch raschere Entwickelung der Gänge und dann durch Anstemmen des wachsenden Sacceulus an den lateralen Bogengang. Ich möchte den Schwerpunkt dabei gern auf die raschere Ausbildung der vorderen (nach vorn lateral) und hinteren Ampulle (nach hinten lateral) legen. — Die Basalmasse in der Einfaltung des Hörbläschens, welche Noorden (16) zuerst bei Fischen und Amphibien entdeckte und benannte, hat Fleissig auch bei Reptilien gut aus- gebildet gesehen und glaubte dies noch in anderen Klassen vorfinden zu können. Über die Entwickelung der Pars inferior labyrinthi ist bis heute keine ausführliche Erörterung bekannt geworden; ich habe festgestellt, dass die Lagena anfangs als eine Ausstülpung mit grosser Öffnung angelegt wird, und dass sich die letztere in der weiteren Entwickelung excentrisch von unten her all- mählich verengt, wobei das Centrum stets nach oben geneigt Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 1, liegt. — Für die Entstehung der Pars basilaris halte ich zweierlei Faktoren für notwendig, einmal die medial-obere Ausstülpung der oberen Lagenaabteilung, dann die starke Ent- faltung des perilymphatischen Ganges, welcher von sich den Recessus partis basilaris lateralwärts schickt und damit die untere (ventrale) Begrenzung der Pars basilaris vollständig markiert. Die Macula neglecta, welche, wie schon auseinandergesetzt, von vielen Autoren ziemlich eingehend studiert wurde, hat in bezug auf ihre Entwickelung und Abstammung nur wenige be- schäftigt. Alexander (1) und Retzius (28) betonten, dass die Macula aus dem Neuroepithel der hinteren Ampulle stammt. Dagegen äussert Fleissig eine andere Ansicht, nach welcher sie sich beim Gecko vielmehr von der Macula partıs inferioris labyrinthi direkt trennt. Nach meiner Untersuchung ist der Mutterboden der Macula ebenfalls im Neuroepithel der Pars inferior zu suchen. — Die Pars neglecta entsteht nicht durch die Ausstülpung des Hörbläschens, sondern durch seine zwei- malige Einfaltung; die obere Falte, welche früher erscheint, liefert der Pars eine feste Grundlage, auf der diese an Grösse und Mächtigkeit zunehmen kann, während die untere, die vom Sacculus scheidende Pars, durch die starke Ausbildung des Ductus perilymphaticus verursacht wird und viel später er- scheint als die erstere. Excentrisch verengt sich das Foramen (Canalis) utriculo- sacculare allmählich; das Centrum liegt dabei mehr nach medial, nahe der Pars neglecta, deren frühere und stärkere Ausbildung wohl die eigentümliche ellipsoide Form des Foramen ver- anlassen kann. Über die Entwickelung des schalleitenden Apparates, welche sehr ausgiebig untersucht worden ist, herrschen noch einige Meinungsverschiedenheiten ; dabei muss man dreierlei berück- sichtigen. Erstens, die Herkunft des Apparates; nach den einen >) K. OKAJIMA, Autoren stammt das Operculum aus der Ohrkapsel, die Colu- mella aus dem Visceralskelet, nach den anderen auch das erstere 'aus dem Hyoidbogen, während Fuchs u. a. alle beide aus der Ohrkapsel herleitet. Mein Befund entspricht dem letzteren. Zweitens, die Entstehungsweise; der Apparat kann durch die circuläre Verdünnung der Ohrkapsel oder durch den 'Forschritt der Spaltbildung der Fenestra ovalıs abge- schnürt, oder auch durch das Hervorwachsen des Ohrkapsel- knorpels im vorderen Bereiche der Fenestra gebildet werden (Stöhr). Ich möchte mich der letzteren Ansicht anschliessen. Endlich wird diskutiert, ob die Fenestra ovalis präformiert sei oder sekundär vom ausgebildeten Ohrknorpel entstehe; ich habe sie bei meinem Tiere präformiert gesehen. Leider kennt man keine eingehende Veröffentlichung über die Entwickelung des perilymphatischen Systems bei Urodelen. Wie oben angegeben, trägt Hynobius stets zwei Foramina peri- Iymphatica, wie die Anuren. Entwickelungsgeschichtlich habe ich aber nachgewiesen, dass der einfache Ductus anfangs durch ein weites Foramen in die Schädelhöhle führt, was auch beim ausgewachsenen Zustand vieler Urodelen gesehen wird. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung aber entsteht eine verti- kale Knochenspange und scheidet das einfache Foramen in zwei Teile, in deren vorderen der eigentliche Ductus peri- Iymphaticus passiert, während in den hinteren der Recessus partis basilaris seinen Weg nimmt, welcher nunmehr in der Ohrkapselhöhle mit dem Ductus nicht in Zusammenhang steht. Anfangs weist der Nervus acusticus einen sehr einfachen Zustand auf, nämlich man kann an ihm nur einen vorderen und einen hinteren Zweig unterscheiden. Aber bei der Diffe- renzierung der medialen Ohrkapselwand, wobei die Knorpel- bildung sehr kompliziert wird, gehen aus dem hinteren Zweig sehr feine Ästchen ab, welche durch besondere, ebenfalls sehr feine Löcher an das Labyrinth gelangen. Er nähert sich also Die Entwickelung. des Gehörorgans von Hynobius. 9) allmählich dem ausgebildeten Zustande. Der Ramus anterior bleibt immer einfach. Material und Methode. Ich verfolgte die verschiedenen Stadien von 4 mm bis zu 40 mm langen Larven von Hynobius (Ellipsoglossa) nebulosus; dazu fügte ich auch Serien von erwachsenen Exemplaren. Der grösste Teil dieses nicht leicht zugänglichen, wertvollen Mate- rials wurde mir von Herrn Kollegen T. Nakano zu Kanasawa freundlichst zur Verfügung gestellt. Bei dieser Gelegenheit spreche ich ihm meinen verbindlichsten Dank aus. Er hat sie unweit von dort in Asakawamura, Kahoku-Gun, mit grosser Mühe gesammelt. Die Larven waren mit Chromsäure, Kalibichromat, Sub- limat oder Formalin fixiert. Als Fixiermittel der ausgewachsenen Exemplare wurde ausschliesslich Formalin angewandt. Ich habe die Larven alle mit Paraffin eingebettet und in grossenteils senkrechte Serien geschnitten; auch wurden eine Anzahl von horizontalen angefertigt. Die Schnittdicke beträgt 10, 15 oder 20 u. Als Färbmittel fanden alkoholisches Borax- carmin, Eisenhämatoxylin nach Weigert, wässeriges Bis- marckbraun, für Stückfärbung und Doppelfärbung von Borax- carmin-Anilinblau, Hämatoxylin-Eosin ihre Anwendung. Die erwachsenen Exemplare wurden, nachdem sie mit 3%igem Salpetersäure-Alkohol entkalkt waren, alle in Celloidin eingebettet und in Serien von 30 u Dicke zerlegt. Senkrechte und horizontale Serienschnitte wurden nach Suzukischer Methode numeriert und mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. Meine folgenden Beschreibungen von einzelnen Stadien be- 10 K. OKAJIMA, ruhen auf der Beobachtung von Wachsplattenmodellen und Serienschnitten; ich habe 14 Modelle des Labyrinthes von acht Stadien und 3 vom schalleitenden Apparate angefertigt. Sie sınd entweder fünfzig- oder hundertmal vergrössert mo- delliert. I. Stadienbeschreibung. Von den oben erwähnten Materialien habe ich neun folgende Stadien verfolgt: 1. Stadium, Körperlänge 4 mm. 2 > „ 5 ” B) 55 > 10" 5 Are > 11,5 „ 5. bs en 12,5, 6 „ EB) 13 „ 7 rs e 19,5 , 8. ” e 24,5 „ 9. N 2 3 Hierzu fügte ich noch ein Stadium, welches sich auf eine jüngere Stufe bezieht als das erstere, wennschon die beiden die gleiche Körper- länge von 4 mm betragen. Stadium 1. (Tafelfiguren 1 und 2, Tafel 1.) Die Larve hat eine grösste Länge von 4 mm und ist fast recht- winkelig gebogen. Das primäre Augenbläschen ist schon deutlich ausgeprägt. Keine Andeutung von Riechfeld und Linsenplatte. Das Hörbläschen zeigt beiderseits fast gleichen Ausbildungs- zustand und ist fast kugelig. Mit seiner ganzen Medialfläche liegt es der Hirnblase dicht an. Die Wandung ist äusserst dick, der Binnen- raum sehr fein, kaum erkennbar; auf Schnitten untersucht, sieht er linienartig aus und kommuniziert am vorderen Drittel der oberen Lateralfläche des Bläschens durch eine sehr enge Öffnung (Fig. 1. A) mit der Aussenwelt; hier findet man eine leicht nabelartige Ver- tiefung, in welcher das Bläschen mit dem Eetoderm in Zusammen- hang steht. Äusserlich ist die Anlage des Ductus endolymphaticus nur leicht angedeutet und erweist sich als eine stumpfe Erhebung. Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 11 Auf Frontalschnitten (Textfig. 1) nimmt sich das Bläschen wie ein Dreieck mit abgerundeten Winkeln aus; eine längere Seite steht aussen oben, eine kürzere innen, eine etwas lange unten. Wie schon angegeben, ist der Binnenraum linienartig schmal, steigt nach medial- unten ab und biegt dann lateralwärts. Der Ductus endolymphaticus schliesst, wenngleich äusserlich angedeutet, noch keinen Hohlraum ein. Das Vorhandensein dieser minimalen Aushöhlung lässt das Hör- bläschen wie eine solide Kugel erscheinen. Netto (15) beim Axo- lotl, Semon (nach Krause [13]) beim Dipnoer (Ceratodus) sahen, dass das Hörbläschen nicht durch Einstülpung, sondern durch Aus- EEE TEEN Tore Er Textfigur. 1. Frontaler Durchschnitt des Kopfes von Hynobiuslarve (Stadium 1.) Ch. Chorda. Ek. Eetoderm. H. Hörbläschen. H.b. Hirnblase 1). wachsung des Eetoderms gebildet wird und die innere Aushöhlung erst nachher für sich zustande kommt, ohne irgend einen Zusammen- hang mit der Aussenwelt aufzuweisen. Ich konnte aber bei meinem Falle nachweisen, dass der Hohlraum deutlich mit der Aussenwelt kommuniziert. Aus dem Auseinandergesetzten kann man schon ersehen, dass die Spitze des Ductus endolymphaticus mit der Abschnürungsstelle des Hörbläschens nicht übereinstimmt. Die Höhe des Bläschens mag etwa 0,24 mm betragen, der medio- laterale Durchmesser 0,25 mm und der antero-posteriore 0,22 mm. „an 1) Leitz, Achromat-Objektiv 4, Ocular 1, Agfa’s Chromisolarplatte. Textfiguren 2—4, wie oben, 5—13, Achromat-Objektiv 3, Ocular 1, 12, Achrom.- Objektiv 7, Ocular 1. 12 K. OKAJIMA, In der Bläschenwandung trifft man überall Kernteilungsfiguren ; besonders kommen sie in der gegen das Lumen gewandten Zone vor. Auch sind in dieser reichliche gelblich-braune Pigmentkörnchen ab- gelagert. Stadium 2. (Tafelfiguren 3 und 4, Tafel 1.) Die Larve ist leicht gebogen und zeigt eine grösste Länge von 5 mm. Das Riechfeld ist gut ausgebildet, es besteht aus mehreren Zellenschichten. Die Linsenplatte ist ausgebildet, ziemlich verdickt. Der Augenbläschenstiel schliesst ein sehr enges Lumen ein; die distale Wand der Augenblase ist sehr hoch. Textfigur 2. Stadium 2. A. Abschnürungsstelle des Hörbläschens. Ch. Chorda. G. Gan- glion acusticum. H. Hörbläschen. H.b. Hirnblase. Das Hörbläschen (Textfigur 2, H) ist allseitig vollständig ge- schlossen, seine Form hat sich etwas geändert und besitzt eine Länge von 0,27—0,28 mm, einen antero-posterioren Durchmesser von 0,14 mm und einen mediolateralen von 0,16 mm. Abgesehen von dem kleinen Oberteil der medialen Fläche, welcher sich der Hirnblase (Textfig. 2, H. b.) dicht anlegt, entfernt sich der grösste Teil dieser Fläche, d. h. das Hörbläschen selbst, allmählich von der letzteren. Dies beginnt erst an seinem unteren Ende, wodurch die stumpfe Winkelbildung zwischen dem medialen und unteren Rande des Bläs- chens, welche im vorhergehenden Stadium sehr deutlich ausgeprägt war, hier fast vollständig verschwunden ist. Während ausserdem dort der ventrale Pol des Bläschens hoch über der Horizontalebene Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 13 des unteren Hirnblasenendes lag, ist dies hier nicht mehr der Fall, sondern er ist von dieser Ebene weit herabgestiegen. Seine Längs- achse fasst zwischen sich und der lateralen Hirnblasenwand einen. Winkel von ungefähr 60°. Der Ductus endolymphaticus (Fig. 3 u. 4, D.) ist deutlich fort- geschritten; dementsprechend beginnt in ihm ein Hohlraum zu ent- stehen. Dieser zeigt eine Länge von ca. 0,15 mm und eine Breite von 0,06 mm. Unten vorn von dem der Ductusanlage entsprechenden Fortsatze befindet sich eine breite flache Vertiefung. Etwas nach unten davon setzt das Wandepithel sich in das Ectoderm fort (Textfig. 2, A.); es stelit dies die Abschnürungsstelle des Bläschens dar, an deren unterem Ende es eine zur medialen Fläche fortgehende vertikale Leiste zeigt. Nach der Stelle schwankt die Dicke des Epithels sehr, am dicksten ist der untere Bläschenteil, während es nach oben gegen den Ductus endolymphaticus allmählich dünner wird. An der dicksten Stelle hat es eine Höhe von 0,08 mm, an der dünnsten von 0,045 mm. Die Innenzone enthält Kernteilungsfiguren, welche besonders an der Spitze des Bläschens reichlich vorhanden sind. Das Ganglion acusticum (Textfig. 2, G.) liegt nach vorn sehr ausgedehnt zwischen der Hirnblase und der unteren Medialwand des Hörbläschens; es verschiebt sich aber nach hinten allmählich gegen seine Ventralwand und verschwindet endlich. Stadium 3. (Tafelfiguren 5 und 6, Tafel 1.) Die Larve ist völlig gestreckt und hat eine grösste Länge von 10 mm. Riechgrube sehr tief. Vordere Wand des Augenbechers dick; Retina stark pigmentiert; Linse kugelig, zeigt eine mehr oder minder deutliche Spalte, ihre hintere Wand sehr dick. Das Hörbläschen (Textfig. 3, H.) hat sich weit von der Hirn- blase (H.b.) entfernt und steht mit dem Ectoderm nicht mehr in Zusammenhang. Es besitzt einen dorsoventralen ‚Durchmesser von 0,19 mm, einen antero-posterioren von 0,25 mm und einen medio- lateralen von 0,19 mm. Es ist also der antero-posteriore Durch- messer beträchtlich gewachsen. Der Ductus endolymphaticus (Fig. 5 u. 6, D. und Textfig. 3, D.e.) hat sehr an Grösse zugenommen, ebenso auch sein Hohlraum. Die obere laterale Wand des Bläschens ist oben gewölbt, es stellt die Andeutung der vertikalen Bogentasche (Textfig. 3, v.B.t.) dar und ist vom Ductus endolymphaticus scharf abgesetzt. Diese Abgrenzung entsteht, wie Fleissig (6) sagt, da- durch, dass sich die Bläschenwand von oben nach unten einstülpt. Das untere Ende ist spitz. Am unteren Bereiche der lateralen und medialen Fläche kann man je eine leichte senkrechte Leiste erkennen, von welchen die laterale sich wahrscheinlich zur Anlage des hori- zontalen Bogenganges differenziert. 14 K. OKAJIMA, Der Binnenraum des Bläschens ist erheblich weiter geworden, dementsprechend die Wandung aber dünner. Die mediale und ven- trale Wand ist am dicksten, so dass die letztere etwa 0,04 mm hoch ist, während die lateral-obere am dünnsten ist und nur eine Dicke von etwa 0,01 mm hat. An der dicksten unteren Stelle besteht die Wand aus zwei Zellenschichten, an der medial-oberen Wand wnd am Ductus endolymphaticus aus einschichtigen zylindrischen Zellen, während an der lateral-oberen Wand nur eine kubische Zellenschicht vorhanden ist. Was den Ductus endolymphatieus angeht, so trägt er hier ein spitzes Oberende, während die Ausmündungsstelle dagegen beträcht- Pr; “ H.b, FR u; ER, y Textligur 3. Stadium 3. Ch, Chorda. D.e. Ductus endolymphaticus,. G. Ganglion acu- stieum. H. Hörbläschen. H.b. Hirnblase. v.B.t. vertikale Bogentasche. lich weit ist; das Lumen stimmt ganz mit seiner äusseren Form überein. Es ist bemerkenswert, dass die Einfaltung des Ductus nicht absolut von oben nach unten herabsteigt, sondern auch einigermassen von vorn, so dass der Ductus vorn vom vorderen Bläschenteile durch eine verhältnismässig tiefe Grenzfurche abgeschieden wird, während er hinten allmählich in das Bläschen übergeht und hier keine scharfe Furche erkennbar ist. Dies ist in nachfolgenden Stadien deutlicher nachweisbar. Das Ganglion (Textfig. 3, G.) liegt medial-vorn-unten vom Hör- bläschen, mit dem es in innigstem Zusammenhang steht. Stadium 4. (Tafelfiguren 7 und 8, Tafel 1.) Die Larve hat eine höchste Länge von 11,5 mm. Riechgrube äusserst vertieft. Linse ganz solid, ihr mediolateraler Durchmesser Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 15 übertrifft den dorsoventralen stark. Die Retinaschichten haben sich zu differenzieren begonnen; Stäbchen-Zapfenschicht ziemlich deut- lich. Andeutung der oberen Extremität. Das Hörbläschen hat einen beträchtlichen Fortschritt erfahren, an Volum hat es sehr zugenommen; der Abstand von der Spitze des Ductus endolymphaticus bis zum unteren Bläschenende misst etwa 0,40 mm, derselbe von der oberen Kante der vertikalen Bogentasche (Fig. 7 u. 8 und Textfig. 4, v.B.t.) bis dort etwa 0,33 mm, während der antero-posteriore Durchmesser 0,32 mm, der medio-laterale 0,2 mm beträgt. Die vertikale Bogentasche hat sich stark fortgebildet und v.B.t. 1.B. G. Textfigur 4. Stadium 4. D.e. Ductus endolymphaticus. G. Ganglion acusticum. H.b, Hirnblase. 1.B. laterale (horizontale) Bogentasche. v.B.t. vertikale Bogen- tasche. liegt noch von vorn nach hinten in einer geraden Linie. Seitlich stark abgeplattet, schickt sie oben einen scharfen Kamm ab, welcher am hinteren Teil höher steht als am vorderen: Am letzteren Teile teilt er sich in zwei, fast parallel von vorn nach hinten ziehende Leisten, welche zwischen sich eine breite seichte, ebenfalls sagittal laufende horizontale Furche fassen. Dieselbe, welche bei den nach- folgenden Stadien auch erkennbar ist, steigt schief ab und setzt sich in eine flache grosse Grube zwischen der hinteren und lateralen (1.B.) Bogentasche fort. Vom mittleren Teil dieser Furche, zwischen der vorderen und lateralen Bogentasche, zieht vorn eine seichte Rinne steil herab. Die laterale Bogentasche wölbt sich als ein halbkugeliger Vorsprung lateralwärts stark hervor. 16 K. OKAJIMA, In diesem Stadium ist die Pars inferior labyrinthi (Fig. 7 u. 8, P.i.), eine kugelige Wölbung bildend, vom hinteren Anteil des Hör- bläschens abwärts verlängert und von der lateralen Bogentasche durch eine seichte flache, von oben hinten nach unten vorn ziehende Furche abgeschieden. Die mediale Fläche des Bläschens ist im allgemeinen glatt und bietet nichts Bemerkenswertes. Der Ductus endolymphaticus (D. u. D.e.) hat sich gut ausge- bildet, die Anlage des Saccus endolymph. erweitert sich sehr und ragt über die Höhe des oberen Endes der vertikalen Bogentasche weit hervor, von welchem sie durch eine stark abwärts eindringende Furche, Plica verticalis, abgesetzt ist. Wie beim vorhergehenden Stadium wird der Duetus von der Bläschenwand vorn viel schärfer abgeschieden als hinten. Mikroskopisch ist das Wandepithel des Hörbläschens äusserst dünn geworden; dies beruht hauptsächlich auf der bedeutenden Er- weiterung seines Hohlraumes. In diesem Stadium trifft man zum ersten Male den Anfang einer Differenzierung der Nervenendstellen, und es kommt eine dicke Zellenschicht auf folgenden Stellen vor. Am dicksten ist sie an der medialen Wand der Pars inferior, so dass es sich hier um zwei bis drei Zellenschichten handelt; dicht daneben befindet sich der hintere Anteil des Ganglion acusticum. Diese dickste Stelle verlängert sich vorn zur Unterseite der Pars inferior und dann nach deren Lateralseite, wo das zweizeilige Epithel den Mutterboden der Nervenendstelle der Pars inferior darstellt. Aus dem Auseinander- gesetzten ersieht man, dass alle Nervenendstellen in dieser Zeit noch einheitlich vereinigt sind; die Pars inferior trägt ein dickstes Neuro- epithel. — Die Einmündungsstelle des Ductus endolymphaticus ist sehr eng geworden. Den ganzen Ductus kleiden noch kubische Epi- thelzellen aus. Im Gegensatz zu den erwähnten dicken Stellen ıst das Epithel an den vorgewölbten Teilen des Bläschens dünn; hierzu gehören die vertikale, laterale Bogentasche und das’ untere Ende der Pars inferior. Ausserdem ist die Stelle, welche sich am oberen Teil der medialen Bläschenwand oben bis zum Ductus ausdehnt, wohl als eine solche anzunehmen, es trägt sehr dünne Plattenzellen. Die Zwischenstellen, an welchen das Hörbläschen nicht vorwächst und äusserlich die schon erwähnten Furchen und Rinnen sichtbar sind, haben entweder eylindrisches oder kubisches Epithel. Unterhalb des vorderen Bläschenteils befindet sich das Ganglion (G.), welches nach hinten zu allmählich medialwärts aufsteigt und endlich, das hohe Neuroepithel der Pars inferior erreichend, ver- schwindet. Stadium 5. (Tafelfiguren 9 und 10, Tafel 1.) Die höchste Länge der Larve beträgt 12—13 mm. Riechgrube röhrenförmig verlängert. Vordere Extremität makroskopisch konisch Die Entwiekelung des Gehörorgans von Hynobius. 17 vorspringend. Linse (fixiert) erweist sich makroskopisch als ein weisser Punkt. Der antero-posteriore Durchmesser des Hörbläschens beträgt 0,37 bis 0,38 mm, während der dorsoventrale sich wegen seiner Unregel- mässigkeit nicht exakt angeben lässt. Das Wachstum ist sehr fort- geschritten. Das vordere Ende des Bläschens hat sich abgerundet, ist etwas angeschwollen und bildet den Beginn der vorderen Ampulle. Im mittleren Anteil, in der Gegend des Ductus endolymphaticus, weist die vertikale Bogentasche eine mehr oder minder deutliche Knickung auf, deren Konkavität lateralwärts schaut; diese Biegung kann man an dem medialen Rand der Tasche leicht erkennen, an der Tasche selbst äber noch viel deutlicher. Die flache Längsfurche auf der oberen Seite der vorderen Bogentasche wurde etwas undeutlicher, ist aber nicht verschwunden. Der hintere Bogengang ist auch sehr fortgeschritten. Die Furche zwischen ihm und der lateralen Bogen- tasche ist deutlicher geworden. Es entsteht hier eine Furche, welche ihn von der Pars inferior abscheidet; sie ist nichts anderes, als eine Fortsetzung der ihn von der lateralen Tasche trennenden Furche. Seine Knickungsstelle biegt sich von lateral nach unten, um dann rückwärts aufzusteigen. Der nach oben von dieser Furche liegende Abschnitt stellt die Ampulla posterior dar. Eine Abgrenzung zwischen dem vorderen und hinteren Taschenteil ist nicht gut ausgeprägt. Die laterale Bogentasche (l.B.) erfährt eine beträchtliche Entwicke- lung und ragt lateralwärts stark hervor. Es ist in diesem Stadium besonders im Auge zu behalten, dass hier zum ersten Male die Septumbildung für den lateralen Bogengang zum Vorschein kommt; man findet ihrer zwei. Das eine Septum (Fig. 9, S.1) entsteht auf der lateralen Bogentasche weit lateral von einer Furche, welche sie von der vertikalen abscheidet. Sie stellt eine rundliche Delle dar und hegt etwas nach hinten von einer Linie, welche sich vom Ductus endolymphaticus lateralwärts ver- längert. Die zweite Delle (S:2) befindet sich an der Unterfläche, nahe dem hinteren medialen Ende der die Pars inferior von der lateralen Bogentasche (Pars superior) abgrenzenden Furche, weiter hinten als die obere, und stellt eine längliche, dieser Furche parallel stehende Vertiefung dar. Beim rechten Modelle ist die untere Delle, beim linken dagegen die obere deutlich ausgeprägt. Besonders gut ist die Pars inferior fortgebildet (P.i.); sie ist von dem unteren Ende der Pars superior weit abwärts herabgestiegen. Äusserlich zeigt der Ductus endolymphaticus (V.) keine Veränderung gegen das vorhergehende Stadium, er ist von der vertikalen Bogen- tasche noch durch eine deutliche Einfaltung getrennt; sein oberes Ende ist ebenfalls noch spitz. Mikroskopisch (Textfig. 5) zeigt der Innenraum des Hörbläschens den Beginn von Komplikationen, indem hier zwei Septa (S.1 u. S.2) für den lateralen Bogengang entstehen und ausserdem die verti- Anatomische Hefte. ]J. Abteilung. 135. Heft (45. Pd. H. 1). 2 18 K. OKAJIMA, kale Bogentasche stark nach oben hervorragt. Der Ductus endo- Iymphatieus (D.e.) ist verlängert und mit eylindrischem Epithel aus- gekleidet; seine verengte Einmündungsstelle in das Hörbläschen ist weit nach unten verschoben, entsprechend dem Absteigen der Plica verticalis und liegt etwas nach oben von der Mittelhöhe der medialen Bläschenwand. An dieser Stelle schlägt sein hohes Epithel unmittel- bar in das platte der vertikalen Bogentasche um. In dem Masse, in welchem am Modelle die Pars superior und inferior nach und nach sich deutlicher voneinander scheiden, zeigt v.B.t. S.1 Pl. v. 1.B. ; RRRpeRR . ..'. M.i. N.s. Textfigur 5. Stadium 5. D.e. Ductus endolymphaticus. H.b. Hirnblase. 1. B. laterale Bogentasche. M.i. Macula partis inferioris. M.s. Mac. part. superioris, 8. 1. oberes Septum für lat. Bogengang. v.B.t. vertikale Bogentasche. das einfache Neuroepithel die Neigung, in zwei Abschnitte zu zer- fallen; jedoch hängen sie durch eine Zone von kubischen Zellen miteinander zusammen. Die zur Pars inferior gehörende Nervenend- stelle (M.i.) liegt am unteren Teile der medialen Wand der Pars und baut sich am höchsten Teile aus drei Zellenschichten auf, während die der Pars superior (M.s.) auf der unteren lateralen Seite ıder Pars sich befindet und aus zweizeiligem Epithel zusammen- gesetzt ist. In den beiden Septen des lateralen Bogenganges, welche stark in den Innenraum hineinragen, dringt stets das Mesenchym mehr oder minder ein; sie sind mit kubischen Zellen ausgekleidet. Die Entwiekelung des Gehörorgans von Hynobius. 19 Das Ganglion bewahrt noch die gleiche Lage wie im vorigen Stadium, es verschwindet hinten in die Gegend der Nervenendstelle der Pars inferior. Stadium 6. (Tafelfiguren 11, 12 und 13, Tafel 1/2.) Die grösste Länge der Larve misst etwa 13 mm. Alle Merk- zeichen wie beim vorigen Stadium, nur etwas weiter gediehen. Konische Anlage der vorderen Extremitäten sehr deutlich. Nasen- höhle kommuniziert durch einen sehr feinen Kanal, die Choane, mit der Mundhöhle. Der antero-posteriore Durchmesser des Hörbläschens beläuft sich auf 0,48 mm. Der scharfe Kamm der vertikalen Bogentasche ist vollständig verschwunden. Die Winkelstellung zwischen dem vor- deren und hinteren Bogengange hat sich viel deutlicher ausgeprägt als im vorigen Stadium (Fig. 13). Über ihre Entstehung ist Krause der Meinung, dass der gemeinsame Schenkel dank dem rascheren Wachstum der beiden Bogengänge medianwärts verschoben wird, wo er nur geringen Widerstand findet. Ich erachte es jedoch für wahrscheinlich, dass das laterale Hervorwachsen der beiden Am- pullen dabei auch von Wichtigkeit ist. Die Längsfurche des vorderen Bogenganges ist fast vollständig verschwunden, ihre Spur kaum noch erkennbar. Das vordere Ende des vorderen Ganges, die vordere Ampulle, erweitert sich. Erst von diesem Stadium an treten die Septa für den vorderen Bogengang auf. Das laterale Septum (Fig. 11, S.3) dringt, im Mittelteil der Furche zwischen dem lateralen und vorderen Bogengange liegend, von aussen (etwas hinten) nach innen (etwas vorn) hinein; infolgedessen trägt dieser Taschenteil einen mehr oder minder zugeschärften Rand, d. h. er scheint in dorso- ventraler Richtung abgeplattet. Das mediale Septum (S.4), welches nahe dem vorderen Bläschenpol, weit vorn von der Ebene des Ductus endolymphaticus liegt, dringt von medial (etwas vorn) nach aussen (etwas hinten) ein. Hier nimmt sich die Tasche ebenfalls etwas ab- geplattet aus, aber leichter als beim vorhergehenden Teil. Was die hintere Bogentasche angeht, so ist ihr Wachstum beträchtlich fort- geschritten, und sie wird von der lateralen durch eine immer deut- licher werdenden Furche geschieden. Von Septen ist hier nur ein laterales (5.5) zu bemerken. Die laterale Septumbildung geschieht dadurch, dass die die Tasche vom lateralen Bogengang trennende Furche hier ziemlich tief eingeschnitten hat; sie zieht von vorn oben nach hinten unten. Dadurch wird hier, wie bei den vorderen Taschensepten, ein abgeplatteter Taschenteil gebildet. Der von jener Furche nach oben befindliche breite Taschenabschnitt stellt die be- trächtlich vergrösserte Ampulla posterior dar. Die vordere und hintere Tasche wird durch eine flache, medio-lateral laufende Vertiefung be- grenzt (Fig. 11 u. 13). 98 20 K. OKAJIMA, Erheblich fortgeschritten ist das Wachstum des äusseren Bogen- ganges (Fig. 11 u. 13, 1.B..), so dass er hier schon als ein selb- ständiger Gang isoliert ist. Dies geschieht dadurch, dass die beiden Dellen, welche im vorigen Modelle nur als eine seichte Grube sich erwiesen hatten, hier tiefer eingedrungen und miteinander zusammen- getroffen sind; diese Stelle ist resorbiert und jetzt kommt eine senkrechte, von oben nach unten durchgehende Spalte zustande. Die obere Öffnung dieser Spalte, frühere obere Delle (Septum), stellt einen von vorn nach hinten gerichteten, seitlich mehr oder minder abgedrückten Längsschlitz dar, welcher eine Länge von etwa 0,09 mm und eine Breite von 0,04 mm zeigt. Er wird abwärts steigend all- mählich enger, besonders nimmt seine Breite beträchtlich ab, fast auf die Hälfte. Die untere Öffnung hat beiläufig dieselbe Grösse wie die obere und entsteht in einer Furche, welche die Pars inferior von der lateralen Bogentasche abtrennt. Wie im vorigen Modelle an- gedeutet, zieht sie schief von medial vorn nach lateral hinten und ist etwa 0,09 mm lang und 0,03 mm breit. Die obere Öffnung setzt sich nach vorn medial in eine seichte Rinne fort, welche ihre un- gefähre zukünftige Fortschrittrichtung andeutet und schliesslich in das laterale Septum der vorderen Bogentasche übergeht. — Es ist zu bemerken, dass der laterale Gang vorne sich lateralwärts be- deutend vorwölbt, wodurch besonders an der Unterfläche eine schiefe Richtung (wie angegeben, von medial vorn nach lateral hinten) der unteren Öffnung deutlich hervortritt; diese Erweiterung ist nichts anderes als die laterale Ampulle (Fig. 13, 1.A.), welche sich im folgenden Stadium sehr deutlich ausbilden wird. Die Furche zwischen dem vorderen Ende des lateralen Ganges und dem vorderen Gange ist ziemlich deutlich ausgeprägt. Von den eben erwähnten dreierlei Taschen wird ein drei- eckiges Feld umgeben, welches sich von oben her gut erkennen lässt und den Körper des Utriculus darstellt. Die Pars inferior (P. 1.) hat sich vergrössert und wird abwärts erweitert von der lateralen und hinteren Tasche durch eine deutliche Furche getrennt. — Die mediale Fläche des Labyrinthes weist keine Besonderheit auf, geht ohne bemerkliche Grenze in die Pars inferior über. Der Saccus endolymphaticus hat in diesem Stadium eine erhebliche Erweiterung erfahren, indem sein antero-posteriorer Durchmesser bedeutend zu- nımmt; also erscheint er seitlich, im Gegensatz zu dem vorigen Sta- dıum, sehr abgeplattet. Er erscheint besonders nach vorn erweitert, wovon man sich leicht dadurch überzeugt, dass er von der vorderen Bogentasche durch eine äusserst tiefe Rinne getrennt ist. Der Ductus endolymphaticus (D.) verursacht auf der medialen Labyrinthfläche eine Längsleiste. Mikroskopisch (Textfig. 6, 7 u. 8). Die Nervenendstellen sind hier, entsprechend der Differenzierung der äusseren Form, in mehrere Abteilungen getrennt. Aus dem gemeinsamen Neuroeptithel, welches Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobıus. 21 im vorigen Stadium nur zwei mit der kubischen Epithelzone ver- bundene Maculae für die Pars superior und inferior zeigte, sind die Macula (Crista) acustica anterior, lateralis, Mac. utriculi und Mac. partis inferioris und noch von letzterer die Mac. (Ur.) ac. posterior mehr oder minder gut differenziert. Die äusserlich deutlich ge- wordene Ampulla anterior trägt an ihrer lateralen Wand die Mac. (Cr.) acustica anterior, ein kleines Neuroepithel, das aus zwei Zellen- reihen besteht. Das letztere setzt sich mit der kubischen Epithel- zone nach hinten unten in die sehr ausgedehnte Nervenendstelle fort, welche ebenfalls aus einer zweizeiligen Zellenschicht zusammen- S.4 Textfigur 6. Stadium 6. Vorderer Labyrinthabschnitt. H.b. Hirnblase. S. 4. mediales Septum für vorderen Bogengang. gesetzt wird; es ist die Macula utrieuli (M.s.). Nach lateral oben steht dieselbe mittels der kubischen Zellenzone direkt mit der Mac. acustica lateralis auf der lateralen Wand der Ampulla lateralis in Zusammenhang. Weiter rückwärts geht die Macula utrieuli in das äusserst umfangreiche Neuroepithel der Pars inferior (M.ı.) über, das sich von oben von der zylindrischen Epithelschicht des Ductus endolvmphaticus fortsetzt. Diese Macula übertrifft die anderen nicht nur an Grösse, sondern auch an Epithelhöhe, indem sie sich am höchsten Teil aus drei Zellenschichten aufbaut. Sie zeigt jedoch noch keine Andeutung der Differenzierung zu der Macula lagenae, Mac. partis basilaris und Mac. partis .neglectae, sondern bleibt ein- fach. Nach hinten ist sie durch eine niedrige Zellenzone mit einem _ 2 K. OKAJIMA, 3.0. Textfigur 7. Stadium 6. Mittlerer Labyrinthabschnitt. M.s. Macula der Pars superior. S.e. Saccus endolymphaticus. S.3. laterales Septum für vord. Bogengang. Textfigur 8. Stadium 6. Hinterer Labyrinthabschnitt. H. Hörbläschen. 1. B. lateraler Bogengang (schon isoliert). M.i. Macula der Pars inferior. Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 23 hohen Epithelteil verbunden, der sich auf der lateralen unteren Seite der Ampulla posterior befindet und an Umfang sehr klein ist; es stellt die Macula ac. posterior dar. Der Binnenraum des Saccus (S.e.) und Ductus endolymphaticus ist mehr oder minder erweitert; seine Ausmündungsstelle liegt ein wenig oben von der Mitte der medialen Labyrinthwand. Auf «len Septen ist das bekleidende Epithel stets höher, kubisch, als den anderen indifferenten Teilen. Beachtenswert ist es, Er das Epithel an der lateralen Fläche der Innenwand des abgeschnürten lateralen Bogenganges im allgemeinen sehr niedrig, platt ist, während es sich an deren medialer, labyrinthärer Fläche stets höher, niedrig kubisch erweist und die an der Konkavität des Bogenganges vor- kommende Raphe darstellt. Das Mesenchymalgewebe um das Labyrinth hat begonnen, an dessen lateralem Umfang eine mehr oder minder geformte Anordnung anzunehmen. Besonders kann man nach aussen vom lateralen Bogen- gang das erste Auftreten knorpeligen Gewebes finden, so dass hier antero-posterior gelegene längliche Bindegewebszellen zu rundlichen umgewandelt eine dicke Schicht bilden. Nach aussen davon folgt noch eine längliche Kerne führende Bindegewebsfaserschicht. Es darf daraus geschlossen werden, dass die Knorpelbildung erst in «der lateralen Umgebung des horizontalen Bogenganges auftritt, während an anderen Stellen noch keine Andeutung davon zu ersehen ist. Bei einer anderen Larve von 13 mm Körperlänge, die mit der dargestellten in gleichem Entwickelungszustand steht, und welche ich mit Bis- marckbraun gefärbt hatte, konnte ich den vorknorpeligen Teil durch den braunen Farbenton mit Bestimmtheit unterscheiden. Stadium 7. (Tafelfiguren 14, 15 und 16, Tafel 2.) Die Larve hat eine höchste Länge von 19—20 mm; die Kopf- länge beträgt etwa 5mm. Die Nasenhöhle kommuniziert durch die breite Choane mit der Mundhöhle. Vordere Extremität in Ober- und Unterarm gegliedert. Schwimmhautbildung zwischen den Fingern. Die Sprossung der hinteren Extremität erst äusserlich erkennbar. Äusserlich hat das einen antero-posterioren Durchmesser von 0,44—0,58 mm zeigende Labyrinth alle Bestandteile, welche dem aus- gewachsenen Tiere zukommen, doch ist es noch viel einfacher. Der vordere Bogengang (v.B’.) hat sich vollständig isoliert und ist noch mehr oder minder von oben nach unten abgeplattet. Er verläuft von oben hinten medial nach unten vorn lateral, sein unteres Ende biegt plötzlich unten lateral ab und erfährt eine ansehnliche Er- weiterung, die vordere Ampulle. Das laterale Septum des Ganges zeigt eine deutliche Neigung, indem hier der Gang selbst, wie oben auseinandergesetzt, schief geneigt läuft, während im vorigen Modelle das Septum und der Gang mehr horizontal standen. Die Abschnürung 24 K. OKAJIMA, des hinteren Bogenganges (h. B.) ist weit fortgeschritten, so dass das laterale Septum sich sehr vertieft und sogar das mediale (S.6), das im vorigen Stadium keine Spur aufwies, hier ziemlich deutlich ausgeprägt ist. Dieses Septum dringt von medial nach lateral (etwas vorn) ein; dadurch werden der hintere Gang und die hintere Am- pulle voneinander sehr deutlich geschieden und stossen hinten unten in einem scharfen Winkel miteinander zusammen. Der laterale Bogengang (1.B’.) eilt im Wachstum stets den anderen voraus; er springt stark lateral vor. Die Spalte, welche ihn vom Utrieulus trennt, ist länger und breiter geworden. Wie schon im vorigen Sta- Textfigur 9. Stadium 7. F.u.s. Foramen utriculo saceulare. L. Lagena. ].B‘. lateraler Bogengang. N. Macula neglecta. S. Sacculus. U. Utrieulus, dium angedeutet, schreitet diese Trennung hauptsächlich in vorn- medialer Richtung fort. Die Messung der Spalte ergibt folgendes. Am rechten Modelle, der obere Schlitz: Länge 0,18, Breite 0,05 mm; der untere: Länge 0,2, Breite 0,06 mm. Am linken Modelle, der obere Schlitz: Länge 0,14, Breite 0,06 mm; der untere: Länge 0,17, Breite 0,06 mm. Die Ampulla lateralis (1. A.) ragt anschwellend weit lateral hervor, ihre vordere Fläche flacht sich plötzlich ab und ist unterhalb der vorderen Ampulle verschwunden. Die Pars inferior (P.i.) ist von der Umgebung stark abgesetzt, besonders medial ist ihre Begrenzung gegen die Pars superior sehr deutlich. Der Saccus endolymphaticus (D.) scheint seinen antero- posterioren Durchmesser etwas vermindert zu haben. Der Ductus Anatom.Hefie IAbteitung 135. HeR.145.Bd.H.1) Tafel 1. D. Fis.12. Verlag von J.F.Bergmenn, Wiesbaden, Königl, Universitätsdruckerei H. Stürtz A.G, Würzburg, van = - = ar Po Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius, | 8 I ist vom vorderen Bogengang durch eine von lateral oben nach medial unten ziehende, ziemlich tiefe Furche begrenzt. Hinter der medialen unteren Abteilung des Labyrinthes fällt zuerst ein kleiner, medialwärts (etwas nach unten) hervorgewölbier Vorsprung auf, welcher vorn nach oben von der Übergangsstelle der hinteren Ampulle zum Utrieulus, weit hinten von der Ebene des Ductus endolymphaticus steht. Er ist klein und stellt die Lagena- ausstülpung (L.) dar; während sie gegen den Sacculus keine deut- liche Begrenzung aufweist, ist sie vom Utrieulus (U.) durch eine ver- hältnismässig deutliche Längsfurche abgegrenzt. Mikroskopisch (Textfig. 9). Entsprechend der äusseren Gestal- tung hat sich das Labyrinth erheblich kompliziert. Die vorderen und lateralen Maculae acusticae sind zufolge der Erweiterung der be- treffenden Ampullen sehr deutlich geworden und von der Macula utriculi gut geschieden. Die vordere Macula hat an ihrem höchsten, hügelartig hervorragenden Teil zwei Zellschichten, während zwei andere Maculae aus dreizeiligen Zellenschichten bestehen. Die Ma- cula utrieuli hängt aber noch durch mehr oder minder höhere Epithel- zonen mit zwei anderen Nervenendstellen zusammen. An der ven- tralen oder konkaven Seite dieser beiden Bogengänge zeigt sich das Wandepithel ein wenig höher, und stellt die Raphen, d. h. die rück- gebildeten Verwachsungsstellen der Einstülpungssepta dar. Von der lateral-oberen Wand des Labyrinthes steigt eine Epithel- falte medial-unten herab und steht der Falte der Pars neglecta gegen- über, von welcher bald die Rede sein wird; sie ist dünn, so dass man auf Frontalschnitten die Zellenschichten der beiden Flächen nicht gut unterscheiden kann. Der Zwischenraum zwischen diesen beiden Falten verengt sich nach und nach von allen Seiten her und wird endlich zu einem sehr engen Foramen (Canalis) utriculo- sacculare (F.u.s.). Näheres weiter unten. Vollständig getrennt hat sich die Macula ac. posterior vom gemeinsamen Neuroepithel der Pars inferior und ragt hügelartig her- vor. Hier ist eine minimale Randzone zu finden; die Macula besteht aus zwei bis drei Zellenschichten. Der Zusammenhang mit der Macula partis inferioris ist völlig verschwunden. Diese Nervenendstelle trennt sich also am frühesten vom gemeinsamen Neuroepithel der Pars inferior. Kaum erkennbar ist die Differenzierung der Maculae der Lagenaausstülpung und der Pars neglecta vom letzteren. Die Pars neglecta (N.) repräsentiert die hintere obere Fortsetzung des übrigen Epithelteils oder der Macula sacculi und geht unten in zwei andere Maculae über. Ihr hohes Epithel setzt sich über die Spitze der Falte in das niedrige der oberen oder utriculären Fläche fort. Die Macula neglecta, welche an der unteren Fläche der medialen Laby- rinthfalte gelegt ist, bildet eine nach innen gerichtete leichte Ver- tiefung. Auch trägt die Macula lagenae (L.) ein hohes Epithel, welches sich unten hinten von der Macula sacculi fortsetzt und 26 K. OKAJIMA, unterhalb der Pars neglecta eine ‚bedeutende Aushöhlung zeigt. Äusserlich springt die Lagena nach aussen (medialwärts) vor. Man hat denjenigen Epithelteil, welcher vom gemeinsamen Neuro- epithel der Pars inferior noch übrig bleibt, wohl als die Macula sacceuli anzusehen; sie geht vorn oben in das einschichtige cvlin- drische Epithel, welches die ganze Wand des Ductus endolymphaticus auskleidet, über. Die Ausmündungsstelle des letzteren liegt eben- falls ein wenig nach oben von der Mitte der medialen Labyrinth- wand. Der Saccus endolymphaticus trägt eine einschichtige kubische Zellenschicht. Der hintere Bogengang ist schon völlig vom Utriculus resp. hinteren Teil des lateralen Ganges getrennt, aber die Wände beider berühren sich, weshalb auf dem Modell die beiden nicht voneinander gesondert erscheinen. Der Umfang dieser Trennung ist sehr kurz, er misst auf Schnitten beiderseits nur etwa 0,07 mm. Erst von diesem Stadium an tritt das perilymphatische Gewebe deutlich auf; es besteht aus einem Netzwerk feiner Fäserchen mit unregelmässig geformten Kernen. Durch dasselbe wird der schon entstandene Ohrkapselknorpel und das Labvrinth an den Stellen in Verbindung gesetzt, an welchen sich beide nicht direkt berühren. Am deutlichsten ausgebildet ist es ausserhalb des lateralen Ganges (1. B’.), wo der Ohrknorpel am frühesten auftritt; hier umgibt es den Gang von allen Seiten her. Nach vorn zu setzt sich das Gewebe bis nach ausserhalb von der lateralen Ampulle fort. Um die Ohrkapsel, besonders den schalleitenden Apparat, ge- nauer zu untersuchen, habe ich von einer mit diesem Stadium in gleicher Entwickelungsstufe stehenden Larvenserie (18 mm lang, nur ein wenig jünger) ein Plattenmodell (Fig. 20) rekonstruiert. Die Serie war mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt, um die exakte Begrenzung des fertigen Knorpels deutlich kontrollieren zu können, weil die ein- fache Stückfärbung mit Boraxcarmin zu diesem Zweck sich nicht genügend eignet. Der grösste Teil der Ohrkapsel ist verknorpelt. Wenngleich sehr kurz, nur 1—2 Schnitte lang, tragen der vordere und laterale Bogengang (1.B’.) je ein knorpeliges Septum semicirculare. Die vordere und hintere Kuppel, die obere, laterale und untere Wand der Ohrkapsel sind schon verknorpelt, während der grösste Teil der medialen Wand, abgesehen von vorderen und hinteren kleinen Teilen, keinen Knorpel zeigt; diese Wand zeigt noch eine weite Lücke, durch welche der Nervus acustieus und Ductus endolymphati- cus ein- und austreten. Dieser Zustand bleibt bei Fischen lebens- lang erhalten. Den vorderen Anteil der Knorpelkapsel durchbohrt das grosse Facialisbündel. Was den schalleitenden Apparat anlangt, so kann man unter- halb des lateralen Bogenganges (1.B’.) eine unverknorpelte Spalte finden, welche nichts anderes ist, als die ursprüngliche Fenestra ovalis (F.). In diesem Stadium weist sie eine schmale, ellipsoide, Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 27 von vorn nach hinten ziehende Spalte auf, welche eine Länge von 0,14 mm hat und eine Breite von 0,06 mm besitzt. Sie ist voll- ständig von einer bindegewebigen Verschlussplatte ausgefüllt. Das Modell (Fig. 20) demonstriert in 50 facher Vergrösserung das nähere Verhalten am linken Ohre. Der die Fenestra umgebende Knorpelteil ist sehr dünn, er erscheint auf dem Frontalschnitt spitz. Die Fenestra wird bisher von den einen Autoren als sekundär auf der völlig verknorpelten Ohrkapselwand entstanden angenommen, während die anderen die entgegengesetzte Ansicht haben, dass sie eine von An- fang an nicht verknorpelnde Spalte repräsentiert. Ich habe an jüngeren Stadien, als die vorliegende Larve ist, keine vollständig verknorpelte Ohrkapsel angetroffen, weshalb ich die Fenestra als präformiert an- sehen möchte. Mit dem medialen Teil ihrer ventralen Wand steht die Ohr- kapsel mit der Parachordalplatte in unmittelbarem Zusammenhang. Nach aussen von ihr ist das Quadratum schon als eine ansehnliche Knorpelmasse aufgetreten. Stadium 8. (Tafelfiguren 17, 18 und 19, Tafel 3/4.) Die Larve hat eine höchste Länge von 24,5 mm, die Kopf- länge beträgt etwas über 5 mm. Sprossung der hinteren Extremi- täten stark ausgebildet, seitlich abgeplattet und klappenartig. Das Labyrinth besitzt einen antero-posterioren Durchmesser von 1,2 mm. Seine äussere Gestaltung ist sehr dem Wachsplattenmodelle des erwachsenen ÖOnvchodactvlus-Labvrinth ähnlich, welches ich früher angefertigt und schon beschrieben habe (17). Der vordere Bogengang (v.B’.) ist sehr lang und vom Utriculus weit entfernt, indem zwischen beiden ein weiter Raum zu bemerken ist; er wölbt sich nach oben stark hervor und zeigt eine cvlindrische Form, von der mehr abgeplatteten des vorigen Modells sehr abweichend. Auch hat sich die Ampulle gut weitergebildet und setzt sich vom vorderen Teile des lateralen Bogenganges (l.B’.) deutlicher ab. Der hintere Bogengang (h.B’.) hat sich sehr verlängert und zeigt die Neigung, sich vom hinteren Teile des lateralen und dem Utrieulus immer mehr zu entfernen. Er umfasst im vorigen Stadium zwischen seinen beiden, oberen und unteren, Schenkeln einen Winkel, im vorliegenden ist derselbe aber mehr abgerundet, hufeisenförmig umgeformt; an dieser Stelle kann man von hinten her das hintere Ende des lateralen, Bogenganges in den Utriculus eintreten sehen, was bis dahin nicht deutlich ausgeprägt war. Der Bogengang selbst ist noch mehr oder minder seitlich komprimiert, während die Ampulle mit deutlicher Abschnürung nach oben-vorn in den sehr angeschwollenen Sinus posterior (S.u.p.) des Utriculus übergeht. Der erheblich verlängerte laterale Bogengang beschreibt über die Hälfte eines Kreises; sein vorderes Drittel schwillt beträchtlich spindelförmig zur Ampulla 28 K. OKAJIMA, lateralis an und geht nach vorn unten hinten von der vorderen Am- pulle in den Utrieulus über, während das hintere Ende, wie schon angegeben, zwischen beiden Schenkeln des hinteren Bogenganges ver- steckt liegt, oben und unten je einen kurzen Zwischenraum aul- weisend. Dieser Abschnitt wird vom Sinus posterior utrieuli durch eine von oben nach unten laufende Längsvertiefung geschieden. Die äussere Begrenzung des Utriculus (u.) ist sehr deutlich geworden, und zwar ist auf der medialen Fläche der ganze Utriculus von der Pars inferior durch eine breite tiefe geknickte Furche ab- gesetzt. Die Spitze dieser Knickung liegt weit nach hinten vom Ur- Textfigur 10. Stadium 8. F. u. s. Foramen utrieulo saceulare. 1. B‘. lateraler Bogengang. M. sac. Macula saceuli. P.n. Pars neglecta. S. Saceulus. U. Utriculus. sprung des Ductus endolymphaticus; ihr vorn-unten ziehender Schenkel trennt ihn vom Sinus anterior, der hinten-unten laufende trennt den Sinus posterior vom Sacculus (Pars inferior). Beträchtlich angeschwollen, stellt der Sacculus (S.) eine kugel- förmige Auftreibung dar. Die aus seinem medial-hinteren Abschnitte medial hervorragende Lagena (L.) ist sehr vergrössert und weist eine Kugelform auf; sie wird hinten von der Ampulla posterior, vorn vom Sinus posterior durch je eine tiefe Furche geschieden, deren letztere verhältnismässig breit ist, vorn bis zur Medialseite der Pars neglecta reicht und den allmählich entstehenden, horizontal von hinten nach vorn laufenden Ductus perilymphaticus aufnimmt. Der- selbe dringt hinten zwischen dem Sinus posterior und der Ampulla posterior tief hinein und geht entlang dem hinteren Ende des lateralen Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 29 Bogenganges nach aussen. Die Lagena schickt auf ihrer oberen Fläche in der Mitte einen leichten Vorsprung aufwärts, welcher nichts anderes ist, als der erste Beginn der Pars basilaris (Textfig. 11, P. b.\. Da er sich auf dem Modell nur auf 1—2 Wachsplatten erstreckt, also etwa nur 0,04 mm lang ist, so lässt er sich nicht deutlich er- kennen, während er auf Schnittpräparaten klar zu sehen ist. Die Pars neglecta ist äusserlich nicht gut erkennbar. Der Sacculus springt aufwärts weit vor. Der Saccus endolymphaticus (S.e.) ist stark nach vorn ge- wachsen; er erscheint als eine grosse Blase, und seine obere Fläche steht mit dem höchsten Utrieulusteil fast in gleicher Ebene. U. Textfigur 11. Stadium 8. D.p. Ductus perilymphatieus. F.u.s. Foramen utriculo sacculare. L. Lagena. P.b. Pars basilaris. S. Sacculus. U. Utrieulus. Mikroskopisch (Textfig. 10, 11 u. 12). Die Begrenzung des Utri- culus (U.) ist sehr deutlich geworden, er besitzt eine im Längsdurch- messer von oben medial, nach aussen lateral ziehende Eiform, deren breites Ende abwärts gerichtet ist. Hinten stülpt sich seine mediale Wand erheblich medialwärts aus und bedeckt, durch eine tiefe Spalte geschieden, die Lagena von oben her; dieser Teil repräsentiert den Sinus posterior. Das Foramen utriculo-sacculare (F.u.s.) hat sich nach und nach verengt und besitzt eine höchste Breite (mediolateral) von 0,12 mm und eine höchste Länge (antero-posterior) von 0,16 mm; seine Öffnungsebene steht nicht richtig horizontal, sondern stets von 30 K. OKAJIMA, lateral oben nach medial unten geneigt. An der unteren Seite des vorderen Utrieulusteils kann man eine umfangreiche Nervenendstelle vorfinden, welche an der höchsten (Macula utriculi) Stelle aus zwei oder dreizeiligen evlindrischen Zellenschichten aufgebaut ist; die oberflächlichen Zellen tragen kurze Härchen und haben eine kern- lose Randzone, welche mit Anilinblau gut färbbar ist. Ausserdem bemerkt man hier eine dünne Lage von Kalkkristallen. Nach aussen vorn setzt sich die Macula in die Mac. ac. anterior fort, welche auf der lateralen unteren Ampullenwand eine sehr hohe mehrzeilige Zellenschicht aufweist und als Crista innen stark hervorragt. Lateral- U. l \ | | ! \ \ | | | | Textfigur 12. Stadium 8. Ducetus endolymphatieus. D.e. Duct. endolymph. S. Sacculus. U. Utrieulus, Z. eigentümliche Epithelzellen der medialen Ductuswand. wärts geht die Macula utrieuli in die Mac. ac. lateralis über, welche umfangreicher ist als die vordere und eine viel höhere Epithelschicht trägt; innen aber ragt sie nicht hervor. Diese beiden Nervenend- stellen tragen eine mehr oder minder deutliche Randzone und gut ausgebildete Härchen. Der vordere Bogengang ist vom Utrieulus weit entfernt: die Länge seines Gebietes beläuft sich auf etwa 0,2 mm, während die des lateralen Ganges 0,48 mm misst. Der obere und untere Schenkel des hinteren Ganges ist vollständig vom lateralen getrennt; berührt ihn aber an der Spitze des Hufeisens. Von der unteren lateralen hinteren Wand der Ampulla posterior ragt die Crista posterior als ein hoher Flügel vor, welcher aus zwei bis Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. Sl drei Zellenschichten bestehend, eine feine Randzone und äusserst lange Härchen besitzt. Der Saccus endolvmphaticus ist vorwärts sehr erweitert und dem lateralen Teil der Decke der Rautengrube aufgelagert; seine Wand ist mit einschichtigem kubischem Epithel ausgekleidet. Der Ductus endolymphaticeus (D.e.) durchsetzt die schon verknorpelte mediale Ohrkapselwand schief von oben medial nach unten lateral und steigt dicht der unteren medialen Wand des Utriculus anliegend herab, um vorn von der Pars neglecta auf dem unteren Teil der medialen Sacculuswand mit mehr oder minder trichterförmig erweiterter Öff- nung auszumünden. Seine Wand trägt eine im grossen und ganzen einschichtige kubische Zellenschicht, aber an der unteren (medialen) Wand erfährt das Epithel eine eigentümliche Umwandlung, worauf ich auch schon bei Cryptobranchus japonieus, Onvchodactylus und Salamandra maculosa als Ependymalanordnung der Wandzellen auf- merksam gemacht habe. Mit breiter Basis gegen das Ductuslumen schauende kegelförmige Zellen (Textfig. 12, Z.) werden lateralwärts nach und nach schmäler und an ihrem kernlosen Teil findet man feine mehr oder minder geschlängelte Streifen, welche sich an dem peripheren bindegewebigen Häutchen anhaften. Der Streifen tingiert sich mit Anilinblau gut. Der Sacculus (S.) hat im grossen und ganzen eine rundliche Form, welche lateral oben beträchtlich nach aussen vorspringt. Die umfangreiche Nervenendstelle auf seiner medialen Wand (M. sac.) geht oben vorn mit ceylindrischem Epithel an der Ausmündungsstelle des Ductus in das seine medial-untere Wand auskleidende Epithel über. An höherer Stelle trägt die Macula sacculi eine mehrzeilige Zellenschicht, welche eine deutliche, bisweilen pigmentierte Rand- zone repräsentiert; ihre freie Oberfläche ist glatt und trägt deutliche ' Härchen. Kalkkristalle sind hier reicklich vorhanden. Nach oben hinten setzt sich die Macula unmittelbar in die Macula neglecta (P.n.) fort. Die letztere ist weiter fortgeschritten, auf Frontalschnitt ist sie von lateral oben nach medial unten geneigt. Unten findet man ein Querschnittbild des wachsendes Ductus perilymphaticus (D.p.), wel- cher die Sacculuswand etwas nach aussen zu drücken scheint; da- mit hat hier die eigentliche Form der Pars neglecta zu entstehen be- gonnen. Ich möchte annehmen, dass die weitere laterale Verschiebung des Ductus im Sacculusraum die untere Begrenzung der Pars neglecta allmählich deutlich macht, bis sie endlich die definitive Gestaltung erreicht. Daraus erhellt, dass die Pars neglecta nicht durch Aus- stülpung der Labyrinthwand, sondern vielmehr durch die zweimalige Einstülpung entstanden ist. Das laterale Vorrücken des Ductus er- klärt es, dass in ausgewachsenem Zustand die Wand, äusserst dünn werdend, eine feine Membran darstellt; die bekleidenden Epithel- zellen, welche im Larvenstadium sehr hoch sind, sind hier durch den Zug äusserst platt und lang gezogen. Die Macula neglecta be- 32 K. OKAJIMA, steht aus zwei- oder dreireihigen Zellenschichten und erweist sich als einen niedrigen Hügel; ihr unterer Schenkel (Boden) trägt noch evlindrisches Epithel und geht unten allmählich in die Macula sac- culi über. Bei diesem Stadium stellt die Lagena (L.) eine medial hervor- ragende Blase dar, welche unterhalb des Sinus posterior eine untere Fortsetzung der Pars neglecta bildet. Ihre Länge (dorso-ventrale) beträgt etwa 0,16 mm, die Länge ihrer Ausmündung 0,12 mm. Sie wird äusserlich von Sinus und Pars neglecta durch den perilymphati- schen Raum geschieden. Die Wandung trägt eylindrisches Epithel, das durch die Ausmündung heraus auch in deren näherer Umgebung sich ausbreitet und endlich weiter peripher in das platte indifferente Epithel übergeht. Die Macula liegt an der medialen Lagenawand und besteht aus einer zwei- oder dreizeiligen Zellenschicht. Die Aus- mündungsstelle ist etwas verengt. Im mittleren Teil trägt die Lagena eine von ihrer lateral-oberen Wand aufwärtsragende Ausstülpung, Pars basilaris (P.b.), welche hier sehr deutlich ausgeprägt ist, wenn sie auch am Modell, wie schon erwähnt, nicht gut zu erkennen war. Die Lagena und Pars basilaris berühren medial den unteren Teil des Ductus perilymphaticus. Die ein hohes evlindrisches Epithel tragende Macula basilaris liegt an der oberen Wand der Pars basilaris. Die- selbe stellt also eine sekundäre Ausstülpung der Lagena dar. Das perilymphatische Gewebe ist in diesem Stadium beträcht- lich weiter gebildet, so dass das ganze Labyrinth mit den drei Bogen- gängen überall von demselben umgeben wird, abgesehen von einigen Stellen, der oberen medialen Wand des Utriculus und der sehr dünnen unteren Sacculuswand, wo sich das Labyrinth fast direkt der Ohr- kapsel anschmiegt. Besonders reichlich ist es in dem Raum aus- gebildet, welcher aussen vom Utrieulus, unten vom Sacculus und lateral oben von der Ohrkapsel umgeben wird. In diesem Stadium ist ein beträchtliches Spatium meningeale im lateralen unteren Teil der Schädelhöhle aufgetreten; auch kann man erkennen, dass am unteren Teil der schon verknorpelten medialen Ohrkapselwand ein grosses Foramen perilymphaticum für den Ductus perilymphaticus vorhanden ist, welcher aufwärts steigend unterhalb der Pars neglecta nach hinten biegt; dann geht er zwischen der letzteren und dem Sinus posterior durch und kommt zwischen das untere hintere Ende des lateralen Bogenganges und die laterale Seite der Ampulla posterior, um schliesslich lateral ziehend zwischen den lateralen Gang und Sacculus zu gelangen. Von hier lässt er sich nicht weiter verfolgen. In seinem Verlaufe innerhalb der Ohrkapsel schickt er einen Fortsatz, Recessus partis basilaris, zum unteren Boden der Pars basilaris. Nach aussen vom Sacculus und Utrieulus ist ein Spatium noch nicht wahrzunehmen. Die Verknorpelung der Ohrkapsel ist sehr fortgeschritten, so dass ihre mediale Wand, welche beim vorigen Stadium noch ein grosses Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 33 Fenster aufwies, hier nur einige feine Löcher für verschiedene Organe darbietet. Es ist also keinem Zweifel unterworfen, dass der Ver- knorpelungsprozess bis zu den früher ausgebildeten Organen fort- schreitet, wodurch die betreffende Wand nach und nach geschlossen wird. Die vorhandenen Löcher sind noch weiter als im ausgebildeten Zustand; es sind drei verschiedene Arten: Foramen endolymphaticum, Foram. perilymphaticum (noch einfach) und Foramina acustica. Die letzteren sind gross und zwei an der Zahl. Ich hatte beim erwachsenen Hvnobius gesehen, dass ausser diesen beiden Löchern, Foramen acusticum anterius und posterius für die betreffenden Zweige des Hörnerven, noch eine Anzahl von anderen feinen (3 bis 6) vor- handen sind, welche für den Sacculus bestimmte feine Nervenäste durchgehen lassen. Es ist wohl zu vermuten, dass das einfache weite Foramen posterius bei weiterer Entwickelung durch feine Knorpel- balken in komplizierte Fächer abgeteilt wird; ich habe an dem vor- liegenden Material beiderseits je eine feine Spalte auf der medialen Ohrkapselwand gesehen, wobei aber nicht klargelegt werden konnte, ob es sich um ein Loch für Nerven, oder ein Gefässloch, handelt. Der vordere und laterale Bogengang hat ein deutlich knorpeliges Sep- tum semicirculare erhalten, während beim hinteren ein solches noch vollständig fehlt und nur eine Andeutung davon in einer medial- wärts hervorragenden Knorpelplatte zu sehen ist. Es ist sehr wahr- scheinlich, dass dieselbe zu einem vollständigen Septum posterius heranwächst. Bezüglich des schalleitenden Apparates habe ich ebenfalls aus dieser Serie ein Wachsplattenmodell rekonstruiert (Fig. 21). Während beim vorigen Modelle die Fenestra ovalis nur eine von vorn nach hinten laufende Längsspalte darstellte, hat sie hier eine bemerkens- werte Veränderung erlitten. Die Spalte (F.) hat an der ventral- medialen des lateralen Bogenganges (1.B’.) an Länge beträchtlich zu- genommen. Von ihrem vorderen Ende ragt ein knorpeliger Vor- sprung (K.) unten von der Verschlussplatte, nach hinten lateral hervor, welcher zapfenförmig mit einer verhältnismässig schmalen Wurzel von Ohrkapselknorpel am vorderen Fenestrarande ausgeht und mit seiner stumpfen rundlichen Basis medial gerichtet steht. Diese etwas verdickte Basis verursacht auf der Knorpelwand eine leichte Vertiefung, während ihre relativ scharfe Spitze sich lateral- wärts richtet und die untere Knorpelfläche weiter lateral über- schreitet. Somit ist die Fenestra vorn erheblich medialwärts aus- gebreitet. während sie, nach hinten einen viel engeren seitlichen Durchmesser aufweisend, schliesslich mehr oder minder zugespitzt endigt, wobei man von einer geknickten, mit der Konvexität lateral ge: richteten Spalte sprechen kann. Daraus erhellt, dass die eben aus- einander gesetzten Befunde mit den bei Kammolche von Stöhr (33) erhobenen übereinstimmen, aber nicht mit der Ansicht von Fuchs (7), nach welcher die von der Fenestra ausgehende Spalte das Oper- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 3 34 K. OKAJIMA, culum allmählich abschnürt. Sollte die Meinung von Fuchs richtig sein, dann würde bei Salamandra jene Spalte nach medial hinten fortschreiten, während dies bei unserem Tiere in vorn-medialer Rich- tung geschieht; es würde sich also die Verwachsungsstelle les Oper- culum mit der Ohrkapsel bei Salamandra am hinteren medialen Um- fang der Fenestra, bei Hynobius an deren vorderem medialem be- finden. Stadium 9. (Textfigur 13 und Tafelfigur 22, Tafel 4.) Die grösste Körperlänge dieser Larve beträgt 3,5 em, die Kopf- länge etwa 8 mm. Gliederung des oberen und unteren Schenkels und Fusses deutlich; fünf Zehen klar unterscheidbar. Dem Labyrinth fehlte schon im vorigen Stadium keiner der äusserlich sichtbaren Teile. Der ausgebildete Zustand wird dadurch erreicht, dass die einzelnen Teile bei weiterer Entwickelung ihre Massenproportion verändern und einige Formumwandlungen voll- ziehen. Ich habe deshalb ein Modell von diesem Stadium nicht an- gefertigt; die folgende Beschreibung stützt sich hauptsächlich auf die Frontalschnittserie. Die Crista ac. anterior hat an Höhe sehr zugenommen, sie ragt stark nach innen vor und besteht aus einer mehrreihigen Zellen- schicht. Auch die Crista ac. lateralis, Macula utrieuli und Crista ac. posterior sind fortgeschritten. Das Foramen utriculo-saceulare besitzt einen antero-posterioren Durchmesser von 0,18 mm und eine höchste seitliche Breite von 0,05 mm. Die utrikulare Fläche der Pars neglecta hat ein kubisches Epithel mit grossen rundlichen Kernen. Die Pars ist gut ausgebildet, nimmt eine horizontale Lage ein und weist eine ausreichende Differenzierung des Neuroepithels auf. Ihre untere Wand, welche, dem Ductus perilymphatieus dicht anliegend, äusserst dünn geworden ist, ist wellenförmig gebogen und trägt auf beiden Flächen äusserst langgezogene Kerne. Der mediale, durch den Ductus verursachte Vorsprung ist in diesem Stadium weit in den Binnenraum des Sacculus gedrungen und nähert sich all- mählich der lateralen Sacculuswand, welche durch das an Grösse und Mächtigkeit zunehmende Spatium perilymphaticum medialwärts vorgedrängt wird. Beim erwachsenen Tiere berühren sie sich voll- ständig. Der Vorsprung trägt kubisches Epithel, welches sich von der dünnen Stelle mit platten Zellen gut unterscheiden lässt. Seine Unterlage bildet eine dünne Bindegewebsschicht. Entsprechend seiner Entfaltung erhält die Pars neglecta nach und nach ihre eigentliche und vollständige Gestaltung; die noch von ihr folgende Macula sac- culi geht mit einer leichten Vertiefung aus. Wenn man den Ductus endolymphatieus im vorigen Stadium mit dem des vorliegenden vergleicht, so erkennt man leicht, dass er sich dort mit dem Saccus in eine gerade Linie verbindet, während Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 3 er hier leicht S-förmig gebogen ist. Die obere Konkavität des S hat man dadurch entstanden zu denken, dass der mediale Wand- knorpel der Ohrkapsel von oben nach unten den Ductus abwärts vortreibt. Das Wandepithel des letzteren zeigt keine eigentümliche Beschaffenheit, wie dies beim vorhergehenden Stadium beobachtet wurde, sondern ist nur gleichmässig niedrig-kubisch. Der Saccus hat sich medial sehr erweitert und überlagert die obere Gehirnfläche noch breiter als früher. Durch das nach und nach sich vergrössernde Spatium peri- Ivmphaticum wird der Sacculus (S.) stark medialwärts gedrängt und erscheint auf dem Frontalschnitt halbmondförmig, mit der Kon- L. Textfigur 13. Stadium 9. D.p. Ductus perilymphaticus. L. Lagena. L. m. Lagenaausmündung. P.b. Pars basilaris. R.a.p. Ramulus ampullae posterioris. R.p.b. Recessus partis basilaris. Sp. m. Spatium meningeale. vexität lateral gerichtet. Er ist enger geworden, und seine laterale und mediale Wand nähern sich einander immer mehr. Die laterale Wand trägt auf beiden Flächen je eine, platte Kerne führende, Zellen- schicht. Die Lagena (L.) und ihre Macula sind sehr gut ausgebildet, die letztere bildet eine typische Nervenendstelle mit zweischichtigem Epithel; an anderen Stellen kommen niedrig-kubische Epithelzellen vor, welche durch die Ausmündungsstelle (L.m.) heraus in das gleichartige Epithel des Sacculus übergehen. Die Ausmündung ist äusserst eng geworden, was in der Hauptsache durch das oben-mediale Eindringen ihres unteren Umfanges veranlasst wird. Im vorigen Sta- dium erwies sich diese Einfaltung als ein nach oben (etwas medial) 3* 36 K. OKAJIMA, ragendes stumpfes Dreieck, während sie bei diesem eine auf dem Frontalschnitt keulenförmig aussehende lange Falte darstellt, welche durch das Zusammenfliessen der medialen Sacculus- und lateralen Lagenawand entstanden ist und oben medial aufsteigt. Damit ge- schieht die Verengerung der Lagenaausmündung in der Hauptsache excentrisch, wie dies beim Foramen utriculo-saceulare der Fall ist; ihr Centrum liegt stets weit oben. Dies erklärt sich daraus, dass am oberen Umfang der Ausmündung der Ramulus ampullae poste- rioris (R.a.p.) des Nervus acusticus verläuft, wodurch dieser Teil natürlich viel fester fixiert wird, als die anderen Stellen. Auf dem Frontalschnitt kann man den Ramulus quer getroffen vorfinden. Die Länge der Lagena selbst misst etwa 0,2 mm, die der Ausmündung 0,04 mm. Was die Pars basilaris (P.b.) angeht, so hat sie sich weiter entfaltet, so dass sie, eine starke medial-obere Ausstülpung der Lagena bildend, eine deutlich differenzierte Macula trägt. Von der Lagena wird sie durch einen medial vorspringenden bindegewebigen Vorsprung geschieden. Ihre untere, sehr dünne Wand berührt den Recessus partis basilarıs (R.p.b.) des perilymphatischen Ganges; es sieht also aus, als ob sie nach medial in den Gang stark vor- gedrungen wäre. In dem perilvmphatischen Gewebe erkennt man schon ein gut ausgebildetes weites Cavum perilymphaticum, welches zwischen der Sacculus- und Lateralwand der Ohrkapsel liegt und ziemlich den ganzen Raum einzunehmen scheint. Wegen der Entstehung dieses Raumes hat der Sacculus von aussen den Druck erlitten, was, wie angegeben, seine Form beträchtlich geändert hat. Das Spatium tritt also viel später auf als der Ductus perilymphaticus (D.p.). Es wäre nun von Interesse zu wissen, ob der Ductus und das Spatium je für sich entstehen und sich erst später miteinander verbinden, oder ob nur der Ductus, weiter fortschreitend, das Spatium bildet, so dass die beiden von Anfang an ein einziges Höhlensystem dar- stellen. Ich bin jedoch nicht in der Lage, diese Frage mit voller >estimmtheit beantworten zu können, da ich über kein für die Ent- scheidung geeignetes Präparat verfügte. Jedoch bin ich geneigt an- zunehmen, dass sich der Druck der Flüssigkeit im Spatium menin- geale (Sp.m.) allmählich nach aussen fortpflanzt und dabei das geräumige Raumsvstem hervorruft. Die Wand des Spatium bekleiden platte längliche Zellen; auch finden sich reichliche Pigmentzellen. In diesem Stadium verläuft ein Bindegewebsbündel vom oberen Um- fang des noch einfachen Foramen perilymphaticum abwärts; es scheint in seinem Verlaufe den Gipfel der medialwärts beträchtlich verlängerten Pars basilaris zu berühren und mit ihm in Zusammen- hang zu stehen. Entsprechend dem erheblichen Fortschritt der Verknorpelung der medialen Ohrkapselwand werden die Löcher für die verschie- Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 37 denen Organe enger. Wie schon erwähnt, steigt von oben ein Knorpelzapfen ab, welcher den oberen Teil des Ductus endolympha- ticus abwärts vortreibt und ihm eine Biegung verleiht. Während im vorigen Stadium der obere und untere Knorpelrand, welcher den Ductus umrahmt, einander gegenüber standen, greifen sie jetzt, weit vorrückend, ineinander ein, und zwar ist der obere medial, der untere lateral gelagert; der Ductus durchbohrt die betreffende Wand schief von medial oben nach lateral unten. Das Foramen für den Ramus posterior ist insofern viel komplizierter geworden, als bei dieser Serie rechts, wenngleich fein, zwei Foramina media und ein grosses Foramen posterius, links ein medius und ein poste- rius, bei einer anderen Serie von gleicher Entwickelungsstufe beider- seits je zwei Foramina media vorhanden sind. Während der vordere und laterale Bogengang in einem voll- ständigen knorpeligen Cavum semicirculare eingeschlossen sind, trägt der hintere ein solches nicht, sondern liegt nur in einen Halb- kanal eingebettet; aber bei einer anderen, mit der vorliegenden in gleicher Entwickelungsstufe stehenden Serie konnte ich beiderseits je ein minimales Septum semicirculare posterius finden. Bei der vorliegenden Serie ist noch zu bemerken, dass auf dem vorderen und hinteren Teil der oberen Ohrkapselwand, ent- sprechend dem vorderen und hinteren Bogengang, der Knorpel beider- seits je eine Lücke von etwa 0,14 mm antero-posterioren Durch- messer aufweist; die Lücken sind von einer dünnen Bindegewebs- schicht ausgefüllt; nach aussen davon folgt der erste Beginn der Ossifikation des Parietale. Dies wurde auch bei einer anderen Larve von gleicher Körperlänge beobachtet, nur noch bedeutender, auch an der ventralen Wand, während eine noch viel ältere Larve keine solchen Defekte des Kapselknorpels aufweist. Beim ausgewachsenen Tiere kann man erkennen, dass die betreffende Stelle durch eine äusserst dünne Knochenschicht verschlossen ist und dass dort kein Defekt von Deckknochen besteht. Daraus kann geschlossen werden, dass die anfangs sehr dicke Knorpelkapsel im Verlaufe der Ent- wickelung eine Rückbildung der Knorpelsubstanz erfährt. Von dem Wachsplattenmodell (Fig. 22) des schalleitenden Appa- rates, welcher aus dieser Serie stammt, kann man ersehen, dass der zapfenförmige Fortsatz beträchtlich rückwärts gerückt ist und sich fast an der ganzen Fenestra ovalis ausdehnt, von welcher er durch eine ringförmige Spalte getrennt wird. Vorne hängt er aber noch mit breiter Wurzel mit dem Vorderrand der Fenestra zusammen. Wie beim vorigen Stadium, ist die obere Begrenzung weiter vorwärts verlängert als die untere und es entsteht hier keine Rinne, sondern eine minimale Spalte zwischen dem Opereulum (O.) und der eigent- lichen Ohrkapsel, was auf Schnittpräparaten deutlich zu sehen ist. Die Spitze des Zapfens hat sich sehr vergrössert und ragt lateral weit hervor; er bildet sich später zur Columella (C.) aus. Die 38 K. OKAJIMA, Jugularvene läuft auf der oberen Fläche der Zapfenwurzel sagittal und verursacht eine Längsfurche, welche sich auf dem Frontal- schnitt als ein nach oben geöffneter Halbkanal des Zapfens erkennen lässt. Der Zapfen geht nicht mehr, wie im vorigen Stadium, vom hinteren Teil der Operculumplatte aus, sondern aus der Mitte des Operculum hervor; der nach hinten von ihm liegende Operculum- anteil ist etwas verdickt und steht lateral durch ein straffes Binde- gewebsbündel mit dem unteren Rande des noch knorpeligen Quadra- tum in Zusammenhang. Nun hat sich das Operculum ganz der Form der Fenestra angepasst. Wenn die vordere Verbindungswurzel des Operculum von der Ohrkapsel getrennt ist, ist damit die Heraus- modellierung des schalleitenden Apparates vollständig beendigt. Vergleichung und Zusammenfassung. Wenn man alle Fragen nach den Entwickelungsvorgängen des Labyrinthes ins Auge fassen will, so ist dies eine un- gemein grosse Anzahl; ich beschränke mich hier auf das Wichtigste in folgender Reihenfolge: 1. Das Hörbläschen. 2. Der Ductus endolymphaticus. 3. Die drei Bögengänge. 4. Die Pars inferior labyrinthi. 5. Die Pars neglecta und Macula neglecta, das Foramen utriculo-sacculare. 6. Der schalleitende Apparat. 7. Das perilymphatische System. 1. Hörbläschen. Seither ist ausschliesslich behauptet worden, dass die jildung des Hörbläschens durch eine Einstülpung des Ectoderms hervorgerufen wird. So sagt Norris (17) von Urodelen Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 393 (Axolotl), dass von der Aussenseite des Ectoderms sich eine Grube einstülpe, die sich später zum Gehörbläschen abschnürt. Netto (15) kam jedoch bei demselben Tiere zu einer anderen Ansicht, indem er sagt, dass durch Abschnürung der Innen- schicht des äusseren Keimblattes (nicht durch Ausstülpung, da kein Hohlraum vorhanden ist) sich ein Zellhaufen bildet, welcher ohne Höhlung kompakt nach innen vordringt. Ohne Verbindung mit dem Mutterboden wachsen die Zellen, weichen auseinander und bilden einen Hohlraum. Dagegen sagt Peter (24) vom Ohre von Triton: Wie auch Norris bei Amblystoma fand, stülpt sich das Gehörorgan als Einsenkung ein, deren Ränder sich fast berühren; diesen spaltförmigen Zwischenraum hatte Netto wohl übersehen, wenn er als An- lage für das Gehörbläschen des Axolotl eine solide Wucherung annimmt. Ferner sagt Krause (13) folgendermassen: „Nach einer brieflichen Mitteilung von Prof. Semon bildet sich bei Ceratodus zunächst eine Verdickung des Ectoderms, welche sich zu einem Epithelzapfen auswächst. Er trägt an seinem Ende eine solide Epithelkugel, welche sich nach und nach aus- höhlt und zu einem rundlichen, später länglichen Hörbläschen wird.“ Bei unserem Tiere stellt das Gehörbläschen im Stadium 1 (Textfig. 1) schon eine grosse Epithelkugel dar, welche aber in ihrem Inneren eine, wenngleich minimale, spaltförmige Höhlung einschliesst. Dieselbe scheint auf dem vorderen oberen Teil der lateralen Bläschenfläche mit der Aussenwelt zu kommuni- zieren. Im Stadium 2 (Textfig. 2) wird sie beträchtlich weiter und besitzt keine Verbindung nach aussen mehr. Man kann also mit vielen Autoren vermuten, dass die Höhlung im Sta- dium 1 von aussen her eingedrungen ist, entgegen den An- sichten von Norris und Semon, nach welchen sie aus- schliesslich durch Aushöhlung eines soliden Epithelzapfens ent- steht. Um meine Vermutung noch weiter zu stützen, fertigte 40 K. OKAJIMA, ich eine Serie einer viel jüngeren Larve als das Stadium 1 an, der jüngsten, welche mir zugänglich war. Die Präparate sind leider nicht ganz tadellos, sondern an einigen Stellen zerrissen, und zwar an der oberflächlichen Schicht des Ecto- derms. Dennoch genügten sie zu folgendem Befund. Wie bei- stehende Textfig. 14 zeigt, ist die Deckschicht des Ectoderms (Ek.) ganz glatt und zieht über die Grundschicht, welche aus ER. Textfigur 14. Jüngstes Stadium. Ch. Chorda. E. Epithel für Hörbläschen. Ek. Eetoderm. Gr. Hörgrube. H.b. Hirnblase. einer dicken Schicht mehrerer Zellreihen besteht. Zwischen beiden isi eine oberflächliche, mehr oder minder deutliche Ver- tiefung (Gr.). Dieser Zustand stimmt gerade mit dem von Krause (12, 13) beschriebenen überein, der ihn bei einer in Streckung begriffenen Axolotl-Larve gesehen hatte. Es ist leicht zu verstehen, dass diese Vertiefung die Hörgrube vor- stellt und dass sie im weiteren Entwickelungsverlaufe einen Hohlraum einschliessen werde, wenngleich mir leider ein Zwischenstadium fehlt. Es entsteht also der Labyrinthraum Anatom. Hefte IAhteitung 135. Heft.145.Bd.H.1) Tafel 2. Fig.15. pi. Fig. 15 A.B. Verlag von J.F, Bergmann, Wiesbaden. Königl. Universitätsdruckerei H,Stürtz A.G. Würzburg. Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 41 bei Hynobius wie bei anderen Urodelen durch die Einstülpung der Hörgrube. Eine Vertiefung der Deckschicht auf der Hörgrube, welche Norris und Krause beim Axolotl gesehen und als ein etwas differentes Verhalten, eine Art Mittelstellung der Uro- delen bezeichnet hatten, sah ich auf meinem Präparate nicht. Auch konnte ich keine Kommunikation der Hörgrube mit der Aussenwelt, welche Krause für wahrscheinlich hielt, nach- weisen. 2. Duetus endolymphatieus. Bei der Entstehung des Ductus endolymphaticus hat man auf drei Punkte, welche bis dato noch nicht zu einer be- friedigenden Übereinstimmung gebracht sind, die Aufmerksam- keit zu richten. Erstens auf die Frage, ob der Ductus der Abschnürungsstelle des Hörbläschens aus dem Eetoderm ent- sprechend, oder davon abhängig an einer anderen Stelle gebildet werde. Zweitens, ob der Ductus durch eine Ausstülpung des Bläschens gebildet oder durch deren Einstülpung abgesetzt wird. Endlich das Wesen und die Bedeutung des die Ductuswand bekleidenden hohen Epithels. 1. Stelle der Entstehung. Nach Krause (13) gibt es keine bestimmte Regel, dass die Ductusspitze der Ab- schnürungsstelle des Hörbläschens entspricht. Er sagt folgender- massen: Es scheint das in der Tat meistens der Fall zu sein, so bei Säugern und Vögeln (99 Keibel, 10 Krause), da- gegen trifft es nicht zu für die Reptilien und Cyelostomen (99 Poli, 00 Kupfer, 01 Krause, 01 Peter). Über Emys europaea äussert sich Rabinowitsch (27): „— kann an diesem Embryo ganz im Sinne Krauses entschieden werden, nämlich dass es keine konstante Regel dafür, nicht nur bei derselben Species, sondern auch nicht bei demselben Indivi- duum, geben kann.“ Poli (26) sagt von Anuren: Der Re- 42 K. OKAJIMA, cessus labyrinthi ist in seiner Anlage noch vor Abschluss der Blase sichtbar und ist somit nicht der äusserste Punkt, an welchem sich die Gehör-Invagination von der Eetoderm- schicht ablöst. Nach Norris (17) ist der Ductus endo- Iymphaticus die letzte Verbindung des Bläschens mit dem Ectoderm. Bei Hynobius schliesst das kugelige Hörbläschen schon im "Stadium'/T (Taf. 1;- Figg.' 1 u. 25 Dextfig. 1) eine) spalt- förmige Aushöhlung ein, welche am vorderen oberen Abschnitt der lateralen Bläschenfläche nach aussen ausmündet (A.); hier ist aber noch keine Andeutung des Ductus aufzufinden. In dem folgenden Stadium (Textfig. 2) hat das Bläschen im dorso- ventralen Durchmesser zugenommen, dementsprechend er- weitert sich der Innenraum sehr und zeigt oben medial die beginnende Anlage des Ductus. Das Bläschen bewahrt noch seinen Zusammenhang mit dem Ectoderm durch eine Zellen- gruppe (A.) an der Stelle, welche etwas nach unten von der Mitte der lateralen Bläschenfläche entspricht. Die Ductus- anlage liegt also vom Ecetoderm weit entfernt. Im Stadium 3 (Taf. 1, Figg. 5 u. 6; Textfig. 3) stülpt sich die laterale dorsale Wand des Bläschens weit nach aussen und oben hervor, und die Ductusanlage wird sehr deutlich. Das Bläschen selbst hat sich von dem Eetoderm vollständig getrennt, und es ist kein Zusammenhang zwischen beiden zu erkennen. Jetzt liegt die obere Hälfte der lateralen Bläschenwand dem Eetoderm am nächsten an. Beim Vergleich mit Stadium 2 erkennt man, dass der Binnenraum des Bläschens abwärts erweitert ist. Aus dem eben Auseinandergesetzten ergibt sich, dass die Spitze des Ductus endolymphaticus bei Hynobius mit der Abschnürungs- stelle des Hörbläschens nicht übereinstimmt. 2. Entstehungsweise. Nach den einen Autoren ist der Ductus durch die Ausstülpung der Bläschenwand entstanden, während die anderen dabei von einem Einstülpungsprozess Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 43 sprechen. Nach Krause (12) stellt der Ductus den dorsalsten verengten Teil der Hörblase dar und ist in Wirklichkeit der ursprünglichste Teil der Hörblase, indem ihr dorsaler Rand sich zuerst umstülpt und damit die Bildung des Ganzen einleitet. Fleissig (6) sagt über das Geckolabyrinth wie folgt: Der Ductus endolymphaticus, der, wie auch Krause gezeigt hat, an dem vollständig abgeschnürten Bläschen als dessen dorsalster Abschnitt bereits vorhanden ist, wächst nicht in cranialer Richtung aus, sondern dringt stetig nach unten vor, indem er sich aus der medialen Wand des Labyrinthbläschens abschnürt. Schon im Stadium 2 (Taf. 1, Figg. 3 u. 4; Textfig. 2) ist, wie eben bemerkt, die Anlage des Ductus bei unserem Tiere ausgebildet. An dem Modell erkennt man, dass die Einfaltung, welche die Ductusanlage vom Hörbläschen trennt, noch flach und breit ist. Der Ductus selbst ist im Vergleich mit den anderen Abschnitten bedeutend grösser geworden. Im folgen- den Stadium (Taf. 1, Figg. 5 u. 6; Textfig. 3) bleibt die Grösse des Ductus fast unverändert, die Einfaltung aber wird deutlicher, dementsprechend ragt die vertikale Bogentasche stark hervor. Andere Labyrinthteile haben sich sehr ver- grössert; dies ist dadurch leicht verständlich, dass die Ab- schnürungsstelle des Bläschens hier weit oben ausserhalb der vertikalen Bogentasche zu liegen kommt, während sie früher am unteren Teil der lateralen Labyrinthwand lag. Sie scheint sich also nach oben verschoben zu haben; dies ist jedoch in der Tat nicht der Fall, sondern es ist der untere Labyrinth- abschnitt abwärts heruntergewachsen. Im Stadium 4 und 5 (Textfigg. 4 u. 5) wölbt sich die Bogentasche stark aufwärts hervor und die Plica verticalis (Pl. v.) steigt sehr tief ab, so dass ihr unteres Ende fast die Mitte der medialen Bläschen- wand erreicht. Der Ductusteil, welcher oben vom oberen Ende der Bogentasche liegt, schwillt etwas an und stellt den Beginn des Saceus endolymphaticus dar. Dieses Verhalten schreitet H K. OKAJIMA, beim Stadium 6 und 7 weiter fort. Im Stadium 8 (Taf. 3/4, Figg. 17, 18 u. 19) aber ändert es sich etwas; der Saccus hat sich in allen Durchmessern, besonders im antero-posterioren, vergrössert und breitet sich auf dem oberen lateralen Teil des Gehirns aus; dies ist auch im Stadium 9 und beim erwachsenen Tiere gut zu sehen. Während im Stadium 7 die Ductus- ausmündung etwas nach oben von der Mitte der Labyrinth- wand liegt, findet man sie ım Stadium 8 an der medialen oberen Ecke des Sacculus, der schon vom Utriculus deutlich ge- trennt ist. Aus vorstehendem erhellt, dass sich der Ductus endo- Iymphaticus bei Hynobius, wie Krause und Fleissig sagten, nicht sekundär aus dem Labyrinth ausstülpt, sondern gebildet wird durch das absteigende Eindringen einer Falte, Plica verticalis, durch welche der Ductus aus der Medialwand des Alveus abgeschnürt wird. >. Es ist nun noch zu erörtern, ob die dem Ductus ent- sprechende Längsleiste auf der medialen Hörbläschenfläche im Verlaufe der Entwickelung beträchtlich wächst oder nicht. Bei Emys europaea erachtet Rabinowitsch (27) diese Falte für eine ganz frische Ausstülpung, die deutlich zeigt, aus welchem Material der untere Teil des Ductus sich allmählich bildet. Hiergegen äussert sich Fleissig folgendermassen: „Ich glaube aber gezeigt zu haben, dass der ganze Ductus sich durch Abschnürung gebildet hat und bin der Meinung, (dass er selbst ein aktives Wachstum nur in geringerem und vor allem wesentlich schwächerem Grade als das übliche Labyrinth be- sitzt; wenn seine Spitze bei dem Embryo y die der Plica verticalis überragt, so ist der Grund dafür in der starken Auftreibung des Saccus endolymphaticus zu suchen, von der oben gesprochen wurde; aber der Ductus reicht nur etwa bis zum Punkte e.“ Wie schon mehrfach angegeben, konnte ich bei Crypto- branchus, Onychodactylus, Salamandra maculosa, der Hynobius- Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 45 larve und dessen erwachsenem Exemplare an der medialen Wand des Ductus ein eigentümliches Epithel vorfinden. Die dreieckigen Zelleiber gehen mit verhältnismässig breiter Basis von der dem Lumen zugekehrten Fläche aus und setzen sich aussen allmählich in feine fadenartige Fortsätze fort. Die- selben schlängeln sich mehr oder minder und heften sich end- lich an eine feine bindegewebige Membran an. Es entstehen zwischen diesen mit Anilinblau gut färbbaren Fortsätzen ge- räumige Spalträume, welche sich bei dickeren Schnitten als ein körperliches Raumsystem erkennen lassen. Dieser Zu- stand der Epithelzellen ähnelt sehr dem Ependymgewebe des Centralnervensystems, und ich bezeichnete ihn in früheren Arbeiten als Ependymalanordnung der Zellen. Meiner Meinung nach wird diese Besonderheit der medialen Ductuswand da- durch hervorgerufen, dass die letztere, welche zugleich die ursprüngliche mediale Labyrinthwand darstellt, durch die Plica verticalis an der Alveuswand abgeschnürt und nicht fort- entwickelt wird, wie es bei anderen Labyrinthanteilen der Fall ist, wobei ihr hohes Epithel keine bemerkbare Differenzierung erfährt; sie werden im gewissen Grade rückgebildet und bleiben lange Zeit in diesem Zustand. Der Ductus scheint mir also, wie Fleissig mit Recht gezeigt hat, auch ein Labyrinthteil zu sein, welcher in seinem Entwickelungsverlaufe einer weniger starken Ausbildung unterworfen ist. 3. Bogengänge. Nach Krause (13) lässt die Bildungsgeschichte der Bogen- gänge in der Reihe der Wirbeltiere zwei differente Typen er- kennen. Zu dem einen gehören die Säugetiere, Sauropsiden und Selachier, bei denen es sich wesentlich um Ausstülpungs- vorgänge handelt und welcher als der Säugertyp bezeichnet wird, während zu dem anderen die Teleostier und Amphibien 46 K, OKAJIMA, gehören, welche Einstülpungsprozesse aufweisen und der Teleostiertyp genannt wird. — Er sagt noch: Bei den Amphibien (reten an die Stelle der Zapfen (bei Teleostiern) Septen, indem sich das Epithel der Hörblase einstülpt oder einfaltet und ın das Innere der letzteren vordringt. Es treten so 2 Septen für die beiden vertikalen und ein Septum für den horizontalen Bogengang auf (Villy 90, Norris 92). Bei den Urodelen scheint sich der horizontale Bogengang früher zu entwickeln als die vertikalen. Bei Hynobius tritt zuerst im Stadium 3, zwischen dem Ductus endolymphaticus und dem eigentlichen Hörbläschen, die Plica verticalis auf und wölbt den davon lateral gelegenen Bläschenteil stark dorsalwärts hervor. Im nächsten Stadium wird diese Taschenbildung bedeutender; ausser dieser verti- kalen Tasche für den vorderen und hinteren Bogengang sieht man noch einen von der lateralen Bläschenwand lateral her- vorragenden rundlichen Vorsprung, welcher von der vertikalen Tasche durch eine flache Furche geschieden wird. Das erinnert an den Befund von Netto (15) bei Axolotl, wo der vertikale und sagittale Bogengang als grosse gemeinsame Tasche an- gelegt sind, während sie sich etwas anders verhält, als die Ansicht von Norris (17), nach welcher bei demselben Tiere die Bogengänge nach dem Säugetiertypus aus drei Protuberanzen entstehen. Welche der beiden Taschen früher zum Vorschein kommt, konnte ich auf Modellen nicht sicher feststellen; auch kann ich nicht sagen, ob sich die laterale auch aus der vertikalen differenziert oder nicht. Beim Stadium 5 kann man auf und unter der lateralen Bogentasche je eine flache Delle kon- statieren, welche sich nach und nach zu einem Septum um- wandelt. Damit ist es klar, dass sich hier bei Hynobius, wie Krause sagt, die Bogengangbildung hauptsächlich durch einen Einstülpungsvorgang nach dem Teleostiertyp vollzieht. In diesem Stadium weist die vertikale Tasche keine merkliche Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 47 Veränderung auf; nur ist die Furche, welche auf dem vorderen Taschenteil sagittal verläuft, undeutlicher geworden. Im Sta- dium 6 sind die beiden Dellen der lateralen Tasche als starke Septa tief eingedrungen und modellieren, indem sie sich mit- einander verbinden, einen isolierten lateralen Bogengang her- aus. Die obere Öffnung dieser vertiefenden Septa liegt sagittal, während die untere schief von medial vorn nach lateral hinten geneigt zieht, entsprechend der Furche, welche die Pars inferior von dem betreffenden Bogengang abtrennt. Von oben her ge- sehen wölbt sich der vordere Teil des Ganges lateralwärts be- trächtlicher hervor als hinten; dies ist noch viel deutlicher von der unteren Fläche aus wahrzunehmen, indem die untere Öffnung, wie oben bemerkt, schief gelegt ist. Dieser breite Abschnitt stellt wohl die Ampulla lateralis dar. Für den vorderen Bogengang sind in diesem Stadium gegen früher auch zwei Dellen aufgetreten. Die eine laterale dringt nach medial vorn ein und repräsentiert die vordere Fortsetzung der oberen Öffnung des Septums des lateralen Ganges, während die andere hintere nach lateral hinten gerichtet steht. Die verlängerten Linien dieser beiden Dellen beschreiben miteinander zusammen- stossend eine gerade Linie, in deren Richtung sie weiter schreiten und so den Bogengang abschnüren. Der hintere Bogengang trägt nur eine Andeutung einer lateralen Delle, welche ihn vom lateralen Bogengang abscheidet, während an der medialen Seite noch keine solche zu ersehen ist. Der obere scharfe Kamm der vertikalen gemeinsamen Bogentasche ist ver- schwunden. Nach vorstehendem kann man sagen, dass die selbständige Abschnürung der Bogengänge nicht zu gleicher Zeit vollzogen wird; am frühesten schnürt sich der laterale 3ogengang ab, dann folgt der vordere; vom hinteren ist noch kaum eine Andeutung vorhanden. In diesem Stadium (6) ist der schon abgeschnürte laterale Bogengang noch nicht eylindrisch, sondern seitlich abgeplattet, 43 K. OKAJIMA, und zwar ist sein dorsoventraler Durchmesser viel kürzer als der mediolaterale. Der vordere Gang, wenngleich noch nicht abgetrennt, zeigt das gleiche Verhalten, dass er von oben nach unten sehr stark komprimiert erscheint. Dies ist auch im folgenden Stadium (7) zu ersehen; der hintere sieht von oben abgeplattet aus, während der laterale schon eine cylindrische Form aufweist. Man kann also sagen, dass jeder neu ab- geschnürte Bogengang eine Zeitlang einen in der Richtung der eingedrungenen Septa verlängerten Durchmesser zeigt, was aber im weiteren Entwickelungsverlaufe allmählich einer cylin- drischen Form Platz macht. Im Stadium 8 schreitet die Abschnürung des lateralen Bogenganges fort und die betreffende Ampulle ragt stark er- weitert lateralwärts hervor; dabei bemerkt man, dass der Ab- stand zwischen der medialen konkaven Seite des Ganges und der Pars inferior grösser zu werden beginnt. Der vordere Gang hat sich vollständig abgetrennt, ragt stark lateralwärts hervor, seine Ampulle ist auch deutlich grösser geworden. Die mediale Delle des hinteren Ganges beginnt aufzutreten. Im folgenden Stadium (8) hat sich auch dieser letztere abgetrennt, und man findet zwischen seinem oberen und unteren Schenkel und dem hinteren Teil des lateralen Ganges je eine deutliche Spalte. Der letztere Gang liegt dem Sacculus noch näher, da hier das spätere Spatium perilymphaticum zwischen dem Sacculus und der Ohrkapselwand noch fehlt. Über die Winkelbildung des vorderen und hinteren Bogenganges äussert Krause (13) die Ansicht, dass die beiden Gänge äusserst stark wachsen und ihr gemeinsamer Schenkel sich nach medial, wo er am wenigsten widerstandsfähig ist, vorschiebt. Er sagt dabei noch: „Dazu kommt noch bei manchen Tieren, z. B. bei den Sauropsiden, ein anderes Moment hinzu. Hier schiebt sich nämlich der sich bildende Saceulus in die Öffnung des horizontalen Bogenganges hinein und drängt! Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius, 49 so den gemeinsamen Schenkel medialwärts vor.“ Bei unserem Tiere beschreibt die vertikale Bogentasche bis zum Stadium 4 eine gerade Linie und erst vom Stadium 5 an kommt allmählich ein nach aussen geöffneter Winkel an ihr vor, der nach und nach zunimmt. Auf den Modellen habe ich mit Bestimmtheit gesehen, dass die beiden Ampullen rasch lateralwärts vor- rücken, die vordere.nach lateral vorn, die hintere nach lateral hinten, wie auch Krause mit Recht sagt, dass die Bildung der Ampullen bei allen Wirbeltieren derjenigen der Bogengänge vorauszueilen scheint. Ich möchte daraus schliessen, dass die Winkelbildung der Vorschiebung der Bogengänge durch die wachsenden Ampullen zu verdanken ist. Die sogenannte Basalmasse, wie sie von Noorden (16) bei Knochenfischen genannt wurde, welche die Falten des Hörbläschens ausfüllt, war von ihm als Abscheidungsprodukt des Epithels des letzteren angenommen worden, während Krause (13) sie für das Produkt des die Ohrblase umgeben- den Mesenchyms hielt. Fleissig (6) hatte dieses Gewebe bei Gecko gut ausgebildet gefunden. Bei Hynobius untersuchte ich die Serie eines sehr geeigneten Stadiums, bei welchem die Septen (Zapfen) eben eingedrungen waren, mit Bismarckbraun gefärbt, und fand in den Septen die Masse, welche mehr oder minder kernarm, faserig ist und von dem das Hörbläschen um- gebenden Bindegewebe keinen bemerkbaren Unterschied auf- weist. Sie färbt sich durch Bismarckbraun ganz ähnlich wie die vorknorpelige Substanz, welche in diesem Stadium lateral vom lateralen Bogengang zu entstehen beginnt. Eine so wohl ausgebildete homogene Substanz, wie sie Noorden in seiner Arbeit beschreibt und zeichnet, konnte ich nicht konstatieren. 4. Pars inferior labyrinthi. Bezüglich der Pars inferior labyrinthi, mit Ausnahme der Pars neglecta, haben wir zu wenig Literatur vor uns; hier soll Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 4 50 K. OKAJIMA, Sacculus, Lagena und Pars basilaris betrachtet werden, während die Pars neglecta ihre nähere Erörterung im folgenden Kapitel finden wird. 1. Sacculus. Ontogenetisch stellt der Sacculus einen sehr alten Abschnitt des Hörbläschens dar, indem schon in der Zeit, wo das Bläschen selbst noch kugelig aussieht, seine erste Anlage angedeutet ist. Schon im Stadium 4 kommt er als ein kugeliger Vorsprung am hinteren unteren Labyrinthteil zum Vorschein, welcher im folgenden Stadium noch weiter fort- gebildet von der Anlage des lateralen Bogenganges durch eine deutliche Furche getrennt wird. Auf Schnittpräparaten erkennt man, dass im Stadium 7 zwei Falten von der Innenfläche des noch gemeinsamen Bläschens sich zu entwickeln beginnen, von welchen die laterale nach medial unten vorrückt, während die mediale, die Basis der Pars neglecta bildend, lateralwärts sich verlängert. Diese .beiden grenzen weiter fortschreitend nach und nach den Utriculus und den Sacculus voneinander ab, so dass der zwischen beiden übrig bleibende Raum das Foramen utriculo-sacculare repräsentiert. Im Stadium 8 wird das Foramen allmählich von der Peripherie her excentrisch verengt, und dementsprechend wird die Begrenzung der Pars superior und inferior deutlicher. Hier stellt der Sacculus noch eine Kugel- form dar. Beim Stadium 9 aber wird die laterale Wand des Sacculus durch das äusserst rasch an Grösse zunehmende Spatium perilymphaticum medialwärts verschoben und nähert sich seiner medialen Wand. Der Sacculus wird dadurch scheibenförmig und erscheint auf Frontalschnitten halbmond- förmig. Die Abplattung nimmt immer weiter zu, so dass end- lich im ausgewachsenen Zustand seine beiden Wände an zwei verschiedenen Punkten einander berühren, einmal an der Pars neglecta, der medialen Grenzstelle des Foramen utrieulo-saceu- lare, und dann am Vorsprung, welcher auf der medialen Sacculus- wand dem Ductus perilymphaticus entspricht. Der Sacculus Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. öl wird also vom gemeinsamen Hörbläschen durch die sich bilden- den Falten des Foramen utriculo-sacculare von dem Utriculus abgegrenzt; er ist anfänglich kugelig, dann wird er durch das rasch zunehmende Spatium von aussen her flachgedrückt und bekommt endlich eine eigentümliche, seitlich abgeplattete Form. 2. Lagena. Erst im Stadium 7 kommt eine leichte mediale Ausstülpung der von hohem Neuroepithel bekleideten medialen Sacculuswand zustande, welche aussen ein wenig hügelartig hervorragt, medial dementsprechend eine flache Vertiefung aufweist; es ist der erste Beginn der Lagena. Im Stadium 8 nimmt diese Ausstülpung sehr zu und enthält innen einen weiten Hohlraum, welcher durch eine weite Öffnung in den Sacculus ausmündet. Schon hier kann man die Pars basilarıs an ihre medial-obere Wand angelegt erkennen. Während hier der untere Umfang der Lagenaausmündung auf dem Frontalabschnitt ein abgerundetes Dreieck darstellt, ist er im Stadium 9 langgezogen und wird keulenförmig, stark nach medial oben hervorragend (Textfigg. 15b u. 16b). Die Lagena selbst erscheint in diesem Stadium nach unten medial ver- längert, was grösstenteils hervorgerufen wird durch die Ver- engerung der Mündung nach oben; dieselbe ist anfangs sehr weit, wird dann sehr verengt und erweitert sich in der Folge wieder etwas, um den ausgebildeten Zustand zu erreichen. Es mag dies folgende Messung erläutern: > Ausmündung-Länge Legena-Länge 5 € (dorsoventral) Stadium 8 0,16 mm 0,12 mm Stadium 9 0,20 mm 0,04 mm Ausgewachsenes Tier 0,52 mm 0,16 mm Die Verengerung der Lagenaausmündung geschieht nach meiner Beobachtung nicht concentrisch, sondern excentrisch, so dass das Centrum stets weit oben, nahe dem oberen Umfang 4* 52 K. OKAJIMA, dem Ausmündung liegt, indem die Keule, welche ihren unteren Umfang bildet, nach und nach aufwärts aufsteigt, und dann am oberen Umfang stets ein dicker Ramulus ampullae posterioris verläuft, welcher ohne Zweifel diesen Teil besonders festhält. R.a.p. R.a.p. Textfigur 15. Lagena, Stadium 8. (schematisch.) a. Laterale Ansicht. b. Frontaler Durch- sebnitt. L. Lagena. L.m. Lagenaausmündung. P.b. Pars basilaris. R.a.p. Ramu- lus ampullae posterioris. R.a.p. Textfigur 16. Lagena, Stadium 9. (schematisch). a. Laterale Ansicht. b. Frontaler Durch- schnitt. (Bezeichnungen wie bei Textfigur. 15.) Die Lagena wird mithin durch die mediale Ausstülpung der medialen hinteren Sacculuswand hervorgerufen, ihre Aus- mündung, welche anfangs sehr weit ist, verengt sich zeitlich sehr, wobei das Centrum stets nach oben liegt. 3. Pars basilarıs. Wie eben bemerkt, wird die Pars Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 53 basılaris erst im Stadium 8 angelegt, sie stellt eine obere mediale Ausstülpung der medial-oberen Lagenawand dar; auf Frontalschnitten untersucht, erscheint sie nur wie eine obere Ecke der Lagena, und es ist die Begrenzung dieser beiden Abschnitte nicht deutlich erkennbar. Aber im folgenden Stadium Textfigur 17. Lagena, Erwachsenes Stadium. (schematisch.) a. Laterale Ansicht. b. Fron- taler Durchschnitt. (Bezeichnungen wie bei Textfigur. 15. ist die Grenze klar geworden dadurch, dass der obere Teil der medialen Lagenawand nach medial hervorzuragen beginnt, was durch den sich ausbildenden Recessus partis basilaris des Ductus perilymphaticus herbeigeführt wird; dabei wird die untere Wand der Pars basilaris durch den medialen Zug dünn ausgedehnt, wie dies bei der unteren Wand der Pars 54 K. OKAJIMA, neglecta stattfindet. Daraus erhellt, dass sich die Pars basilaris als eine mediale obere Ausstülpung der Lagena entwickelt und darum viel später angelegt wird, als die letztere. Die Grenze von beiden wird durch den medialwärts fortschreitenden Re- cessus partis basilaris verursacht. 5. Macula und Pars neglecta. 1. Entwickelung der Macula neglecta. Mit Be- zug hierauf sind uns nur einige Untersuchungen bekannt ge- worden. Alexander (1) sagt von Echidna: „Die Frage, aus welchem Neuroepithel die genannte Macula (neglecta) hervor- geht, kann nach dem vorliegenden Material nicht vollkommen exakt beantwortet werden. In dem vorhergehenden Stadium ist sie vorhanden, im darauffolgenden ist sie noch nicht isoliert. Es fehlt also ein Zwischenstadium, an welchem die Macula neglecta, die als besondere Nervenendstelle schon zu erkennen wäre, doch noch durch eine schmale Neuroepithelzone mit der Nervenendstelle zusammenhängt, aus welcher sie hervor- gegangen ist, der Crista ampullaris inferior oder der Macula ‘s utriculi (Recessus utriculi).“ Krause (13) sagt, dass ein kleiner Bezirk vom gemeinsamen Neuroepithel bei Trennung des utricularen vom saccularen Anteil abgesprengt wird. Es hat diese Nervenendstelle, welche man als Macula neglecta bezeichnet, eine etwas verschiedene Lage bei den verschie- denen Tierklassen. Nachdem er die Ansicht von Alexander zitiert hat, kommt Fleissig (6) beim Geckolabyrinth zu folgender Meinung: „Nach seinen tatsächlich gemachten Be- obachtungen musste Alexander also die Frage nach der direkten Abstammung der Macula neglecta unentschieden lassen ; er meint zwischen Macula amp. post. und Mac. recessus utrie. wählen zu müssen. Aus vergleichend anatomischen Gründen und mit Rücksicht auf die Art der Nervenversorgung entscheidet (db) | (ib) | Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. er sich schliesslich für die Macula ampullae posterioris und findet sich darin in Übereinstimmung mit Retzius, der aus den gleichen Gründen ohne embryologische Untersuchungen schon früher dasselbe vermutet hatte.“ Retzius (28) sagt hierüber schon 1880: „—, um bei den Vögeln und Säuge- tieren nimmermehr zu verschwinden, gewissermassen in die Crista acustica der frontalen Ampulle, aus welcher sie mög- licherweise von Anfang an durch Abtrennung entstanden ist, zuletzt aufgehend —“. Gegen diese bisherigen Ansichten be- hauptet aber Fleissig wie folgt: „Damit ist nun gesagt, dass die Macula neglecta (Retzii, Sarasıni) ihrer Ab- stammung nach dem Neuroepithel der Pars inferior angehören ; sie leiten sich unmittelbar vom Nervenendstellenepithel des Sacculus her, mit dem sie am längsten in Zusammenhang bleiben.“ Die von mir bei Hynobius gewonnenen Befunde stimmen ganz mit denen von Fleissig überein; es stammt die betreffende Macula nicht aus der Macula ampullae posterioris her, wie dies bis dato im allgemeinen geglaubt wird, sondern unmittelbar aus dem Neuroepithel der Pars inferior. Dabei ist es aber im Auge zu behalten, dass die Macula neglecta bei Amphibien in den Sacculus verlegt ist, was die Sache viel leichter erklärt als bei anderen Klassen, wo sie sich stets in den Utrieulusboden verschoben findet. Schon im Stadium 5 zeigt das Neuroepithel des Gehör- bläschens Neigung, sich in zwei Abschnitte zu teilen. Der obere Abschnitt, welcher zur Pars superior gehört, liegt an der lateralen unteren Wand des Bläschens, während der untere für die Pars inferior an dessen medialer (unterer) Wand be- findlich ist. Im darauffolgenden Stadium sondert sich das obere Neuroepithel in drei deutlich abgesetzte Abteilungen, entsprechend der äusseren Labyrinthform, für Ampulla ante- rior, lateralis und Utrieulus. Die untere hat sich indessen in 56 K. OKAJIMA, zwei Teile, eine grosse gemeinsame Macula für die Pars inferior an der medialen Wand und eine für die Ampulla posterior be- stimmte gesondert. Im Stadium 7 haben sich die drei Maculae der Pars superior viel deutlicher differenziert, während sich die Macula ampullae posterioris von der Pars inferior weiter entfernt hat, es trennt sich also die letztere am frühesten aus dem Neuroepithel der Pars inferior. Nun haben sich die Macula neglecta und lagenae von dem gemeinsamen Epithel zu sondern begonnen, deren erstere die obere hintere Fortsetzung darstellt; ihre hohe Epithelschicht hört oben mehr oder minder plötz- lich auf; diese Stelle ragt als eine Falte in den Labyrinthraum leicht hervor und über die Spitze der Falte geht das dicke Epithel, allmählich dünner werdend, in das der oberen oder utricularen Faltenfläche über, während es unten ohne scharfe Grenze in das Epithel der anderen Stelle (Sacculus) sich fort- setzt. Die andere Macula für die Lagena ist nichts anderes als eine unmittelbare untere hintere Fortsetzung des gemeinsamen Neuroepithels und weist der Lagenaausstülpung entsprechend eine lateral ausgehöhlte Vertiefung auf. Man kann also an- nehmen, dass der noch übrige Teil des gemeinsamen Neuro- epithels die zu differenzierende Macula sacculi repräsentiert. In diesem Stadium werden aber die drei Nervenendstellen noch durch eine hohe Zellenzone miteinander in Verbindung gesetzt. Ihre Differenzierung wird beim Stadium 8 deutlicher, indem sich die Pars neglecta dem ausgebildeten Zustand immer mehr nähert und der wachsende Ductus perilymphaticus die untere Wand der Pars nach aussen vorspringen lässt. Die Macula neglecta selbst besteht aus einer zwei- oder dreireihigen hohen Neuroepithelschicht, während die untere Wand der Pars kubi- sches oder cylindrisches Epithel trägt, welches sich ohne scharfe Begrenzung in das des Sacculus fortsetzt. Im Stadium 9 stehen die Pars und Macula neglecta dem ausgewachsenen Zustand sehr nahe, dessen untere Wand äusserst dünn und Anatom. Hefte [Abteiting 135. Heft.(45.Bd.H.1) Tafel 2. Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden. Königl, Universitätsdruckerei H.Stürtz A.G. Würzburg. Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 97 zart und vom perilymphatischen Raum durch eine sehr feine Membran getrennt wird. Aus vorstehendem erhellt, dass die Macula neglecta bei Hynobius aus dem Neuroepithel der Pars inferior herstammt. Es verschwindet bei erwachsenem Tiere die Erinnerung an die Entwickelung nicht ganz, indem von dem oberen Teil der Macula sacculi eine kubische Epithelzone sich in die Pars Textfigur 18. Macula und Pars neglecta, Stadium 7. M.n. Macula neglecta. S. Sacculus. U. Utriculus. neglecta fortsetzt, wie dies auch zwischen dem Sacculus und der Lagena beobachtet wird. 2. Entstehungsweise der Pars neglecta. Wie schon wiederholt erwähnt, liegt die Pars neglecta bei Amphibien im Sacculus nicht wie bei anderen Tierklassen, wo sie sich nahe dem Utriculus, meist in dessen Grund, befindet. Die Frage, wie diese eigentümliche Lokalisation bei Amphibien ent- standen ist, wurde bis jetzt noch nicht genügend erklärt; ich gehe deshalb in folgenden Zeilen darauf ein. Wie schon angegeben, beginnt im Stadium 7 (Textfig. 18) das Neuroepithel der Pars inferior sich in die Macula neglecta und die Macula lagenae zu differenzieren. Der hintere obere 58 K. OKAJIMA, Abschnitt der Macula partis inferioris wird oben plötzlich niedrig, hier steht die Längsachse der Epithelzellen (M. n.) mehr geneigt, und zwar etwas abwärts gerichtet, gegen die anderen Epithelstellen, wo die Zellen stets auf der Unterlage rechtwinkelig angeordnet sind. Die den oberen Grund der Pars neglecta bildende Falte ragt also nach medial in die Hör- bläschenhöhle hervor. Die Falte ist von medial oben nach lateral unten gerichtet und steht der lateralen Falte gegenüber, zwischen denen sich das beginnende Foramen utriculo-sacculare Textfigur 19. Maeula und Pars neglecta, Stadium 8. D.p. Ductus perilymphaticus. F.u.s. Fo- ramen utriculo sacculare. M.n. Macula neglecta. S. Sacculus. U. Utriculus. (F.u.s.) findet. Die obere oder utriculare Fläche der medialen Falte ist von kubischem Epithel bekleidet, welches über ihre Spitze in das hohe Epithel der saccularen Fläche übergeht. Das letztere setzt sich unten vorn ohne Unterbrechung in das Neuroepithel des Sacculus fort. Diese Falte schliesst in sich weniges Mesenchym ein. Oberhalb der Falte hat sich die mediale Utrieuluswand sehr nach medial ausgebuchtet. Im Stadium 8 (Textfig. 19) schreitet diese Falte erheblich lateral- Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 59 wärts vor und berührt sich mit der lateralen immer mehr, wo- durch das Foramen nach und nach verengt wird. Die Macula neglecta (M. n.) wird hoch, zweischichtig, während das Epithel der utricularen Fläche allmählich dünner wird und in das indifferente des Utrieulus übergeht. Bei diesem Stadium ist es besonders bemerkenswert, dass unten medial von der Pars neglecta, zwischen der letzteren und der Lagena, der Ductus perilymphaticus zu entstehen beginnt und das unterhalb der medialen Falte gelegene kubische Epithel gegen die Labyrinth- höhle vortreibt; damit wird dieser Teil nach und nach vom übrigen Sacculusabschnitt abgeschieden. Auf Frontalschnitten erweist er sich als lateralwärts eingedrungener stumpfer Vor- sprung und erreicht lateral nur die Mitte der oberen Falte. Im Stadium 9 wird entsprechend der starken Ausbildung des Ductus perilymphaticus jener Vorsprung sehr stark und hat ungefähr dieselbe Länge wie jene Falte selbst. Der untere Schenkel der Pars, auch die Epithelzellen werden durch den medialen Zug dünner, bilden eine sehr feine Membran, was bei erwachsenem Exemplar sehr deutlich nachweisbar ist. Die Zellen der utricularen Fläche sind noch niedrig-kubisch. Der Vorsprung selbst trägt kubisches Epithel, welches unten all- mählich in die Macula sacculi übergeht. Das Foramen hat sich erheblich verengt. Die laterale Wand des Sacculus hat sich sehr der medialen genähert, besonders an zwei Stellen, einmal an der Spitze der Pars neglecta und dann an jenem Vorsprung für den Ductus perilymphatieus; ihre Berührung mit dem letzteren kann beim erwachsenen Tiere (Textfig. 20) be- obachtet werden. Die Grundlage der Pars enthält ausser Binde- gewebe noch Pigmentzellen. Man erkennt nach dem Gesagten leicht, dass die Pars nicht durch die mediale Ausstülpung der Labyrinthwand, son- dern durch deren Einfaltung entstanden ist; von den dabei vorhandenen zwei Einstülpungsfalten (Textfig. 21) liefert die 60 K. OKAJIMA, Textfigur 20. Macula und Pars neglecta, Erwachsenes Stadium. Bezeichnungen wie bei Textfigur 19. 7 EN Textfigur 21. Schema von der Entstehung der Pars neglecta. D. p. Ductus perilymphatieus. P.n. Pars neglecta. S. Sacculus. U. Utrieulus. Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 61 obere die Grundlage der Pars; sie tritt früher auf und entspricht einer Stelle, an welcher das Neuroepithel der Pars inferior oben in das indifferente übergeht. Die andere Falte wird durch den sich bildenden Ductus perilymphaticus hervorgerufen, dessen mediale Verschiebung die untere Parswand durch den Zug allmählich dünner macht, wie dies bei dem Recessus partis basilaris der Fall ist. Bezüglich der Homologie der Macula neglecta hat man zu fragen, ob die Macula neglecta (Mac. neglecta sacculi nach Sarasin) im Amphibiensacculus derjenigen (Mac. negl. utri- culi) im Utrieulusboden der Fische und anderen höheren Klassen homolog ist, und dann, wie sich die Macula Sarasıni bei Amphibien zu der am Foramen utriculo-sacceulare vorhandenen verhält, welche Fleissig bei Gecko finden konnte? Nach dem bis jetzt Angegebenen darf ich folgende Ansicht aus- sprechen: Das kubische Epithel auf der utrieularen Fläche der Pars neglecta bei Stadium 7 und 8, das über deren. Spitze hin in die Macula neglecta übergeht, stimmt mit der Macula neglecta am Utrieulusboden überein, die Macula neglecta (sac- culi) bei Amphibien mit der Macula Sarasıni beim Gecko (Fleissig). Bei Amphibien bleibt die erstere wenig aus- gebildet, die letztere ist dagegen einer bedeutenden Entwicke- lung unterworfen, es ist also hier das unten gelegene Neuro- epithel weiter entwickelt, während bei anderen Klassen das entgegengesetzte Verhalten herrscht. Ich möchte also zusammenfassend sagen: Macula neglecta utrieuli (Fische und Sauropsiden) — Mac. neg. Sarasini (lIchthyophis) und hohes Epithel um Foramen utriculo saceulare (Amphibien). Macula neglecta Sarasını (Gecko) und hohes Epithel um Canal. ut.-sacc. (Fische und Sauropsiden) = Macula ne- glecta saccul: (Amphibien). Auf Grund davon halte ich es für richtig, den geschicht- 62 K. OKAJIMA, lichen Namen für die betreffende Nervenendstelle zu verlassen und dafür einen wissenschaftlichen zu wählen. Ich möchte die Pars neglecta bei Amphibien als „Pars utriculo-saceularıs (sacculi)‘, die Macula als „Macula utriculo-saccularıs“ be- zeichnen, zu welch’ letzterer nach ihrer Lokalität das Wort „sacculi“ oder „utriculi“ zugefügt werden kann, z. B. bei Amphibien „Macula utriculo-saccularis sacculi“. Diese eigentümliche Lage der Macula neglecta bei Amphi- bien ist auf eine stärkere Sinnesleistung als bei anderen Klassen zurückzuführen. Wie bekannt, zeigt sie bei Amphibien nicht nur eine abnorme Lage, sondern auch eine sehr starke Aus- bildung, besonders bei Anuren. Man versteht, dass diese starke Ausbildung eine frühere Differenzierung des Neuroepithels herbeiführen wird. Dadurch, dass das Epithel auf der medialen Hörbläschenwand sehr rasch heranwächst, ragt es nach medial, wo es weniger Widerstand begegnet, als eine Falte hervor. Diese raschere Faltenbildung trennt den darunter liegenden Teil vom Utrieulus ab; um die Hörleistung zu vollziehen, muss er sich dem Sacculus und dem perilymphatischen Gang nähern. So verursacht der letztere, die Pars lateralwärts vortreibend, eine zweite Falte, welche fortschreitend die untere Wand nach und nach zu einem feinen Häutchen verdünnt. Die Schall- wellen, welche vom perilymphatischen Gang fortgepflanzt werden, können diese Membran leicht in Schwingung versetzen. Ich hatte eine starke Hörleistung der Pars neglecta schon bei Onychodactylus vermutet (19), wie es Harrison (8) auch am Frosch gezeigt hatte. Die dem Ductus perilymphaticus an- gepasste zweite Falte veranlasst also in der Hauptsache diese eigentümliche Lage der Pars bei Amphibien. Foramen (Canalis) utriculo-sacculare. Das- selbe entsteht aus dem einfachen Hörbläschen durch die centripetale Verengerung einer lateralen und einer medialen Falte, streng genommen von allen Seiten. Das Centrum dafür Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 6 liegt aber nicht in der Mitte des Bläschens, sondern weit medial gegen die Pars neglecta geneigt. Schon in dem Stadium, ın welchem das Foramen noch schwach ausgebildet ist, ragt die Falte der Pars neglecta von der medialen Bläschenwand stark Textfigur 22. Textfigur 23. Schemata von Entstehung des Foramen utriculo sacculare. F.w,s. Foramen utriculo sacculare.. M.n. Macula neglecta. S. Sacculus. U. Utrieulus. hervor (Textfigg. 22 u. 23). Die laterale Falte wächst rasch nach medial vor, um sich der Spitze der medialen zu nähern. Aus eben Erwähntem lassen sich noch andere Fragen er- klären, welche sich auf die Gestalt und Grösse des Foramen beziehen; so bewahrt die schon angelegte Pars neglecta bei Amphibien einen innigen Zusammenhang mit dem Foramen. 64 K. OKAJIMA, Da die laterale Spitze der Pars stets den medialen Umfang des Foramen darstellt und sehr früh fixiert ist, so verengt sich das letztere, von der Pars vollständig beherrscht. Während es anfangs eine weite rundliche Form zeigt, besitzt es später eine lange, von vorn nach hinten gerichtete Spaltform (Text- figur 22). Dies erklärt auch mit voller Sicherheit die Tat- F.u.s, Textfigur 24. Verhalten des Foramen utriculo saceulare zur Pars neglecta bei erwachsenem Onychodactylus, Wachsplattenmodell. D.e. Ductus endolymphaticus. F.u.s. Foramen utriculo sacculare. L. m. Lagenaausmündung. M.p. b. Mac. partis basilaris. M. sac. Mac. sacceuli. P.n. Pars neglecta. sache, dass die Länge im Vergleich mit der Breite des Foramen bei Amphibien sehr viel grösser ist, wie auch Kuhn (14) es als eine grosse Querspalte gezeichnet hatte. Dies ist auch bei meinem Wachsplattenmodell des erwachsenen Onychodactylus- ohres leicht zu ersehen, wie die beistehende Figur (Textfig. 24) es gut demonstriert. Ausserdem bin ich der Meinung, dass die Macula neglecta bei anderen Klassen nicht deshalb mehr oder minder weit vom Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 65 Foramen (Canalis) utrieulo-sacculare entfernt liegt, weil hier die Ausbildung der Pars neglecta eine stärkere ist, sondern weil das Foramen von der Peripherie mehr oder minder gleich- mässig verengert wird, wodurch die Macula von letzterem ab- weicht. Wenn diese mehr gleichmässige Verengerung noch weiter fortschreitet, so kommt es, dass die Ränder des Foramen miteinander verlötet werden und dass keine Kommunikation mehr zwischen dem Sacculus und Utrieulus besteht, was bei einigen Fischen lebenslang der Fall ist. 6. Schalleitender Apparat. In der Entwickelung desselben bei Urodelen ist viel unter- sucht worden und es besteht eine ziemlich grosse Literatur bezüglich seiner Vergleichung mit Säuger-Stapes, Reptilien- Otostapes und Hyomandibula der Fische. Dennoch treffen die Ansichten nicht völlig zusammen. Bezüglich der Entwickelung des Apparates hat man auf drei Punkte seine Aufmerksamkeit zu lenken. Erstens auf die Abstammung des Apparates, und zwar auf die Frage, ob er sich aus der Ohrkapsel oder aus dem Visceralskelet differenziert. Zweitens auf seine Ent- stehungsweise, ob er sich aus der Ohrkapsel abschnürt oder von ihr unabhängig ist. Endlich darauf, ob die Fenestra ovalis primär entsteht oder sekundär auf der schon verknorpelten Ohrkapsel. Schon Reichert (31)nahm bei Amphibien einen doppelten Ursprung des schalleitenden Apparates an, und zwar diffe- renziert sich nach ihm das Operculum aus dem knorpeligen Labyrinth, während die Columella wesentlich zum oberen Teil des Zungenbeinbogens gehört. Diese Ansicht wurde eine Zeit- lang als zutreffend angenommen. So sagt Parker (23) vom „Common frog‘“, dass das Operculum „periotic“, die Colu- mella aus dem zweiten Visceralbogen abstammt. Bei Betra- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). h) 66 K. OKAJIMA, chiern kommt der letztgenannte Autor zu der Ansicht, dass die Verschlussplatte aus der Ohrkapsel hervorgeht und der Stapes (Operculum) „periotic“, die Columella „a hyodean element“ ist. Auch kommt nach ihm bei Siredon pisciformis auf dem lateralen Teil der Unterfläche der verknorpelten Ohr- kapsel eine Spalte zustande und das ÖOperculum trennt sich durch Abschnürung von der Kapsel. Vom Ohr von Triton alpestris und amblystoma sagt Wiedersheim (55): Was ich über die Entwickelung des Operculum beobachtete, ist folgendes: Kurz nach Verschmel- zung der Parachordalelemente mit dem Gehörbläschen sieht man am äusseren Rand ihrer Unterfläche eine ringförmige Zone auftreten, welche bei genauerem Studium sich als eine circuläre Verdünnung der Kapselwand herausstellt. Letztere schreitet immer weiter fort und schliesslich hat sich eine rundlich-ovale Knorpelscheide aus der Labyrinthwand herausgeschnürt, ein deutlicher Beweis, dass das Operculum der Urodelen onto- genetisch nicht vom Kiemen-Apparat, sondern von der Gehör- kapsel selbst herzuleiten ist. Seine Verbindung mit den gleich zu besprechenden Bandmassen oder Knorpelspangen erfolgt erst sekundär. Stöhr (33) sagt von Triton cristatus, dass das Operculum demnach ein Teil der knorpeligen Ohrkapsel ist, hervorge- wachsen vom vorderen Umfang des ovalen Fensters. Mit dem Hyoidbogen steht es genetisch in keiner Beziehung. Über die Enntstehungsweise fertigte er zum ersten Male Wachsplatten- modelle an, von denen er folgende Befunde gewinnen konnte. „Was zunächst die Bildung der Fenestra ovalis betrifft, so steht meine Angabe, dass das ovale Fenster ein unverknorpelter Teil der primitiven häutigen Ohrkapsel sei, allen bisherigen Angaben entgegen, welche übereinstimmend lehren, dass ein Stadium existiere, in welchem der ganze Boden der Ohrkapsel knorpelig sei, ein Stadium, in welchem es keine Fenestra ovalis Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 67 gebe; dasselbe entsteht erst später entweder durch Dehiscenz (Parker, Urodelenschädel S. 546) oder unter gleichzeitiger Entwickelung des Operculum (Senner, Wiedersheim).“ Witebsky (38) sagt vom Axolotl, dass das Operculum keinen Zusammenhang mit dem Rand der Fenestra ovalis hat. Es stellt mitsamt der Columella in genetischer Beziehung ein einheitliches Gebilde dar, welches sich vom Visceralskelet her- leitet und zwar vom vorderen Abschnitt des zweiten Schlund- bogens, des Hyoidbogens. Das Operculum und die Columella samt dem Ligamentum hyocolumellare sind das Homologon des Hyomandibulare der Haie. Er schliesst sich also nicht der Ansicht von Reichert, Parker und Wiedersheim an, dass die Fenestra ovalıs sekundär in der Knorpelsubstanz entstehe, sondern der Meinung von Stöhr und Gaupp, nach welcher eine Spalte ab initio existiere. Seine Meinung differiert nur insofern von der Stöhrs, als nach ihm kein knorpeliger Zusammenhang vorhanden ist. Überdies erachtet er eine selb- ständige Verknorpelung des Operculargewebes für zweifelhaft, gegen Gaupps Ansicht vom Frosche. Gaupps Zitat von Winslows Arbeit (37) über das Chondrocranium der Ichthyopsida lautet: „Ich möchte zwei Tatsachen hervorheben: einmal die, dass bei allen Urodelen das Operculum zuerst im vorderen Teil der Fenestra vestibuli auftritt und von hier aus die Verknorpelung rückwärts fort- schreitet, und ferner die, dass bei manchen Urodelen (z. B. Amphiuma) schon im Knorpelstadium ein kontinuierlicher Über- gang des Columella-Stieles in das Quadratum statthat.“ Platt (25) sagt von Necturus: „— the Operculum in Necturus is neither part of the primitive otie capsule, nor formed in the membrane closing the fenestra. It arises independently.“ Sie äussert sich noch: „The cartilago of the operculum is at no time connected with the hyoid cartilago, but this fact does not demonstrate that the cartilago in question may not be a rudi- 5* 68 K. OKAJIMA, mentary element of the hyoid arch, since each element of the cartilaginous arches arises from an independent centre of chondrification, and secondary fusions of cartilaginous elements do not necessarily show original association.“ „The operculum arises near the anteroventral margin of the fenestra ovalis in cells of the mesenchyma external to the auditory capsule.“ Also nimmt sie die hyale Natur der Ohrcolumella bei Urodelen als wahrscheinlich an. Von Ichthyophis glutinosus behauptet Peter (24), dass das Operculum und die Columella direkt aus der noch zum Teil knorpeligen Labyrinthwand herauswachsen. So kommt der Stapes aus der Gehörkapsel. Gaupp (4) sagt von Anuren, dass alle neueren Ansichten über die Entwickelung des be- treffenden Apparates übereinstimmen, und zwar entstehen das OÖperculum und die Pars interna plectori in der sekundären Fenestra ovalıs voneinander selbständig und das Operculum und die Columella sind von der Ohrkapsel herzuleiten. (Ganz neuerlich kommt Fuchs (7) bei Salamandra atra zu einem sehr interessanten Ergebnis, indem er drei Wachs- plattenmodelle der Columella genauer verfolgt hat. Er sagt: „Die Ränder des ovalen Fensters werden also auf folgende Weise gebildet: der laterale, unmittelbar unter dem hinteren Abschnitt des äusseren Bogenganges gelegene Rand bleibt von vornherein von der Verknorpelung ausgespart; im Anschluss daran entsteht dann zunächst der cranıale, darauf der mediale und schliesslich der caudale Rand, und zwar durch Rückbildung des Knorpels.“ Nach ihm schnürt sich das Opereulum beim Salamander onto- genetisch zum grossen Teil aus der bereits knorpeligen Laby- rinthkapsel ab. Zugleich konnte der Autor bei Reptilien zu folgendem Schluss kommen: Das Operculum bezw. Operculum —+- Stilus der Urodelen ist dem Otostapes der Reptilien homolog, die beiden auch dem Stapes der Säugetiere. Diese drei sind ontogenetisch Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. die Abkömmlinge der Gehörkapsel, phylogenetisch hat man sie auf dieselben zurückzuleiten. Kingsbury und Reed (11) sagen vom Axolotl: „The columella apparently developes outside the ear capsule. — „Operculum, as distinguished from the columella seems to arıse from a differentiated portion of the ear capsule itself.“ Wenn wir die referierten Ansichten der Autoren kurz zu- sammenfassen, so kann man sie etwa in folgender Art formu- lieren: 1. Abstammung des Apparates: a) nach den einen Autoren ist er von der Ohrkapsel herzuleiten, während b) die anderen das Visceralskelet dafür annehmen; c) auch wird eklektisch behauptet, dass das Operculum aus der Ohrkapsel, die Columella aus dem Visceralskelet herkommt. 2. Seine Ent- stehungsweise wird erklärt: a) einmal durch Abschnürung aus der Ohrkapsel, oder b) durch Heranwachsen der Kapselwand in die Fenestra ovalis, oder c) durch das Heranwachsen der noch vorknorpeligen Ohrkapsel. 3. Fenestra ovalis: a) sie kann entstehen sekundär in der vollständig verknorpelten Ohrkapsel, oder b) sie stellt präformiert eine bei der Verknorpelung aus- gesparte Lücke dar. 1. Herkunft des Apparates. a) Die Herkunft des OÖperculum aus der Ohrkapsel ist neuerdings von vielen Seiten übereinstimmend bestätigt, abgesehen von Witebsky und Platt. Bei Hynobius tritt erst im Stadium 6 der Knorpel lateral vom lateralen Bogengang auf; die Verknorpelung der OÖhrkapsel schreitet im Stadium 7 rasch vorwärts, so dass nur direk® unten medial vom lateralen Bogengang der laterale Teil der ventralen Kapselwand eine von vorn nach hinten, ziehende unverknorpelte Spalte trägt, welche durch eine binde- gewebige Verschlussplatte ausgefüllt wird. Im Stadium 8 ragt vom vorderen Rande dieser Spalte ein kleiner Knorpelfortsatz nach hinten lateral hervor, welcher sich nach und nach (bei Stadium 9), rückwärts fortschreitend, vergrössert, um endlich 70 K. OKAJIMA, den grössten Teil der Spalte oder der Fenestra ovalıs auszu- füllen. Dieser Fortsatz ist wohl nichts anderes als das Oper- culum. Bei letzteren zwei Stadien (8 und 9) steht er vorne mit der Ohrkapsel noch in deutlichem Zusammenhang, welcher später aufgehoben wird. Es ist also mit voller Sicherheit zu sagen, dass das Operculum aus der Ohrkapsel selbst abstammt. b) Die Columella. Bei Hynobius zeigt das Modell 21 schon am Stadium 7, dass der Knorpelfortsatz, der vom vorderen Rand der primitiven Fenestra ovalis ausgeht, nicht bloss nach hinten, sondern auch lateralwärts rückt, und dass er eine zapfen- artige Form annimmt. Dieser Zapfen verlängert sich ventral von der ventralen Wand des lateralen Bogenganges und zieht sich im darauffolgenden Stadium lateral lang aus, so dass er aussen vom lateralen unteren Rand des schon lang gewordenen Operculum stark hervorragt (Modell 22). Sein vorderes Ende rückt besonders lateralwärts lang vor. Auf Frontalschnitten nimmt er sich wie eine dicke Keule aus, deren hinteres Ende aufwärts eingerollt ist und auf der Schnittfläche einen oben geöffneten Halbring darstellt. In diesen eingebettet läuft die Anlage der Vena jugularis. Die abgestumpfte, mehr platte Spitze des vorderen Keulenendes wird durch einen starken bindegewebigen Strang lateral mit dem unteren Rande des Quadratum, welches von ihm wenig entfernt liegt, in Ver- bindung gesetzt. Wenn man dies mit dem vorhergehenden Stadium vergleicht, so erkennt man, dass die Keule sich immer mehr lateralwärts verlängert hat und in der Richtung des Stranges noch weiter lateral gegen das Quadratum fortzu- schreiten scheint, um schliesslich mit ihm zu verwachsen. Dieser Umstand erklärt es, dass im ausgewachsenen Zustand die Columella nach ihrem relativ kurzen Verlaufe in der Form eines Cylinders mit dem (Quadratum verwachsen ist. Jener Keulenteil, der vom Operculum lateral hervorragt, stellt also die Columella dar und wächst samt dem letzteren als ein Dıe Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 1 einziges Gebilde am vorderen Fenestrarand aus dem Ohrkapsel- knorpel hervor. Das Operculum und die Columella sind mithin von der Öhrkapsel herzuleiten. 2. Entstehungsweise des Apparates. Fuchs’ Ansicht, dass von der langen Spalte ein Ast nach medial hinten ausgeht und der Apparat so durch sein Fortschreiten allmählich abgeschnürt wird, entspricht unserem Fall nicht, da auf meinem Modelle 21 hinten von dem hinteren Fortsatzende ein zu grosser Spaltraum noch übrig bleibt und dennoch die Wurzel des Fort- satzes zu schmal ist, was freilich die Abtrennung durch die Abschnürung des Operculum ablehnen lässt. Wenn man aber vorläufig dies für zutreffend hielte, so besteht doch der Unter- schied zwischen Fuchs und mir darin, dass der Fortschritt der Abschnürung bei beiden eine vollständig entgegengesetzte Richtung einschlägt, indem bei Salamandra das Operculum mit der Ohrkapsel anfangs hinten medial zusammenhängt, während bei Hynobius dies vorn medial geschieht. Also kann ich mich weder der Ansicht von Fuchs und Parker anschliessen, nach welcher ausschliesslich der Abschnürungsvorgang dabei die Hauptrolle spielt, noch an die von Wiedersheim, welche der Herausschnürung der Knorpelwand durch circuläre Ver dünnung das Hauptgewicht beilegt, sondern an Stöhr. Dass der Vorderteil der Fenestra ovalis die Entstehungsstelle des betreffenden Apparates ist, sagte auch schon Winslow. Den Befund von Peter bei Ichthyophis, dass der Apparat direkt aus vorknorpeliger Grundlage herauswächst, kann ich nicht be- stätigen. 3. Bezüglich der Entstehung der Fenestra ovalis herrschen noch einige Meinungsdifferenzen. Bisher wurde sie dadurch entstanden angenommen (Senner, Parker, Wie- dersheim u. a.), dass sie an der schon verknorpelten Ohr- kapsel sekundär zustande kommt (durch Dehiscenz u. a.). Stöhr aber kam zuerst zur Ansicht, dass die Fenestra ab -] DD K. OKAJIMA, origine als eine nicht verknorpelnde Spalte auftritt. Dies ist im allgemeinen bei Anuren konstatiert worden. Witebsky und Winslow schlossen sich auch dieser Ansicht an, welche neuerdings von Fuchs mit Recht bestätigt wurde. Mein Be- fund stimmt auch vollständig mit der neueren Ansicht überein. Die Fenestra tritt unterhalb des verknorpelten lateralen Bogen- ganges, lateral vom lateralen Abschnitt der unteren Ohrkapsel- wand, als eine bei der Verknorpelung ausgesparte längliche Spalte auf, wie es das Modell 20 darstellt. Im vorhergehenden Stadium sieht man den Knorpel nur ausserhalb des lateralen Bogenganges, und konnte ich niemals den betreffenden Teil knorpelig finden. Man kann also sagen, dass die Fenestra ovalis hier auch präformiert, nicht sekundär, entstanden ist. 7. Perilymphatisches Gewebe. Über dasselbe sind nur die Arbeiten von Villy und Harrison vorhanden. Villy (34) sagt von „Common frog‘“ folgendermassen: „At about 16 mm the Lagena (wirklich die Pars basilaris) becomes flattened as in the adult; and the beginning of its canal is to be seen as a small sac in the perilymph applied to the lagena (P. bas.) as already mentioned. It is formed by mutual separation of the mesoblast cells in the vicinity of the lagena (P. bas.), and the cells so separating constitut the walls of the canal. The second canal appears soon after in a precisely similar manner, and the two grow towards the brain, meet and mute.“ Harrison (8) sagt: „Der Recessus partis basilaris, der bei Urodelen nur einen Blindsack des Ductus perilympha- ticus innerhalb der Ohrkapsel darstellt, wird bei Anuren selb- ständiger und bleibt mit dem Ductus nur durch einen engen Ductus reuniens verbunden. Dieser liegt auch bei Anurenlarven noch innerhalb der Ohrkapsel und wird erst bei der Meta- _Anatom. Hefte IAbteitung 135. Heß.145.BdH.1) Tafel 4. Verlag von’J.F.Bergmonn, Wiesbaden. Königl. Universitätsdruckerei H,Stürtz A.G. Würzburg. Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. 73 morphose durch Resorption und Neubildung von Knorpel- spangen aus dieser herausgedrängt und in seine definitive Lage gebracht. Das Foramen perilymphaticum inferius ist eine Neu- erwerbung der Anuren, entstanden zu denken durch Erweiterung des Recessus partis basilaris von der Innenwand der Ohrkapsel her und Ausstülpung aus demselben zum Saccus perilympha- ticus.“ Neuerdings fand ich (22) beim erwachsenen Hynobius eine bemerkenswerte Tatsache bezüglich des perilymphatischen Systems, und zwar schickt der Ductus perilymphaticus in die Ohrkapselhöhle keinen Recessus partis basilaris, sondern es dringt dieser durch das besondere Foramen perilymph. posterius in die Schädelhöhle ein, was vom Urodelentypus abweicht. Was die Entwickelung anlangt, so tritt das perilymphatische Gewebe erst im Stadium 7 auf; am reichsten entwickelt ist es ausserhalb des lateralen Bogenganges, wo die Verknorpelung der Ohrkapsel am frühesten beginnt. Es setzt sich nach vorn ausserhalb der lateralen Ampulle fort. Auch an den Stellen, woran zwischen dem Labyrinth und der Ohrkapsel die Spalt- räume entstanden sind, ist es mehr oder minder stark aus- gebildet. Beim folgenden Stadium stark entwickelt, umhüllt es fast alle Teile des Labyrinthes, mit Ausnahme der Stellen an der oberen medialen Utrieuluswand und der ventralen Sacculuswand, wo diese beiden sich unmittelbar der Ohrkapsel anlegen. Der Ductus perilymphaticus kommt durch das weite einfache Foramen perilymphaticum in die Ohrkapselhöhle hin- ein, biegt unterhalb der Pars neglecta lateralwärts um und geht dann nach hinten, um endlich, nachdem er lateralwärts abge- bogen ist, zwischen dem hinteren Wurzelteil des hinteren Bogenganges und dem Sacceulus sich zu verlieren. Wenngleich ausserhalb des Utrieulus und Sacculus ein erhebliches peri- Iymphatisches Gewebe ausgebildet ist, so sieht man doch noch kein Spatium perilymphaticum darin entstanden. Der grosse 74 K. OKAJIMA, Recessus partis basilaris kommuniziert noch durch eine weite Mündung mit dem Ductus, und es geht der letztere und der Recessus miteinander vereinigt durch das einfache Foramen in die Schädelhöhle hin, was stets bei ausgewachsenen Exem- plaren der Urodelen und nach Harrison am Larvenstadium vom Frosche konstatiert wird; ich habe dies auch bei Onycho- Textfigur 25. Schemata von Entstehungsweise des perilymphatischen Systems. (Figur 25. Larvaler Figur 26. Erwachsener Zustand). D. p. Ductus perilymphatieus F. p. Foramen perilymphaticum (einfach). F.p. a. Fovam. perilymph. ant. F. p. p. Foram. perilymph. post. L. Lagena. O. mediale Ohrkapselwand. P.b. Pars basilaris. R.p.b. Recessus partis basilaris. dactylus, Triton, Salamandra und Axolotl beobachtet (Text- figur 25 F.p.). Im Stadiumi 9 tritt erst ein ansehnliches Spatium zwischen dem Sacculus und der lateralen Ohrkapselwand auf und ist schon mit dem Ductus in Zusammenhang getreten. Die Pars basilaris gelangt beträchtlich medialwärts und steht der medialen Ohrkapselwand sehr nahe, wodurch der Ductus und Recessus hier gegen früher voneinander sehr deutlich ab- >} [23 © = ıB = = a © DR © = | 09 a ® 10) | [ep) © Eu ©: =) - [je] I | 2 | < | © |B jan: | 4 S FS == =: a I} -] | geschieden werden. Von dem oberen Umfang des Foramen spannt sich ein bindegewebiges Bündel zum unteren aus; in seinem Verlaufe passiert es an der Spitze der Pars basilaris dicht vorbei, wahrscheinlich stehen sie miteinander in Ver- bindung. Ductus und Recessus werden in der Ohrkapsel voll- ständig durch die Pars und jenes Bündel voneinander getrennt. In späteren Stadien ist das Bündel schon zu einer Knochen- (6) F.p.a. R.p.b. Textfigur 26. spange umgewandelt. Jetzt kommuniziert also der Recessus erst durch das andere Loch mit der Schädelhöhle. Wie schon erwähnt, wollte Harrıson die Entstehungsweise der doppelten Foramina in der Art erklären, dass sie durch Erweiterung des Recessus von der Innenwand der Ohrkapsel her und durch Ausstülpung aus derselben zum Sacculus perilymphaticus werden. Nach meinen Befunden verhält sich die Sache etwas anders; ich möchte es folgendermassen darstellen (Textfig. 25 und 26 F.p.a. und F.p.p.). Zuerst wird der Recessus durch die mediale raschere Erweiterung der Pars basilaris vom 76 OKAJIMA, Die Entwickelung des Gehörorgans von Hynobius. Ductus geschieden, und ein Bindegewebsstrang, welcher sich dabei vom oberen Umfang des Foramen zum unteren aus- spannt, wird der Ossifikation unterworfen; es entsteht eine vertikale Knochenspange, welche das bis jetzt einfach gewesene Foramen in zwei Fächer oder Löcher teilt, ein vorderes und ein hinteres, wovon das letztere den Recessus durchgehen lässt. Daher repräsentiert das in dieser Weise entstandene Foramen perilymphaticum posterius nicht einen neugebildeten, sondern einen älteren Foramenteil, welcher vom ursprünglichen ein- fachen Foramen durch eine neue Knochenspange abgeschieden wird. Der Recessus steht darum ab ovo usque ad mala fort- während mit der Schädelhöhle in Kommunikation. Der Ductus scheint früher zu entstehen als das Spatium. Ob diese beiden, nachdem sie gesondert angelegt und ausge- bildet sind, sich miteinander vereinigen oder das eine gegen das andere fortschreitet, musste unentschieden bleiben. Den- noch scheint mir sehr wahrscheinlich, dass der Ductus nach und nach peripher fortwächst, wenngleich sie beide gesondert ausgebildet sind. Kyoto, November 1910. Literaturverzeichnis. Die Arbeiten mit * waren mir als Referate zugänglich. . *Alexander, G., Entwickelung und Bau des inneren Gehörorgans von Echidna aculeata. Jenaisch. Denkschr. 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Fig. 2" „ 8. „ Fig. 2 „ g. ”„ un "er 68 Ex AI a -RUPERPPPPPL ons: OP RuprrFupm= Hap En s z”"«:< Figurenerklärung. Abschnürungsstelle des Hörbläschens aus Ektoderm. Columella. Ductus endolymphatieus. Ductus perilymphaticus. Fenestra ovalis. Hintere Ampulle. Hintere Bogentasche. Hinterer Bogengang. Knorpelfortsatz. Lagena. Laterale Ampulle. Laterale Bogentasche. Lateraler Bogengang. Operculum. Pars inferior. Plica verticalis. Sacculus. Saccus endolymphaticus. Sinus utriculi posterior. Laterales Septum für lateralen Bogengang. Mediales 7 4 „> Laterales = „ vorderen 55 Mediales ; 55 a5 Laterales ,, „ hinteren 5 Mediales h ” a * Utrieulus. Vordere Ampulle. Vordere Bogentasche. Vorderer Bogengang. Vertikale Bogentasche. Aus DEM INSTITUTE FÜR NORMALE ANATOMIE. PROF. DR. JANOSIKS. ÜBER DIE ASSIMILATION DES ATLAS UND ÜBER DIE VARIATIONEN AM Do OGGIPITALE BEIM MENSCHEN ), VON PROF. DR. K. WEIGNER, ASSISTENTEN DES ANATOMISCHEN INSTITUTS. Mit 50 Figuren im Texte. ‘) Böhmisch in den Rozpravy Öesk& Akademie Nr. 8 und Nr. 11 Jahrg. XX. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd, H. 1). 6 BRne Dreh U» | ” N Du Arasie ' . ’ f B i 5 Pr ural, IE AM Ieu 4% ne Kerl * Fr wi I R 4 473 | wi a F As ze i,® ee 2) Das Problem über die Entwickelung des Kopfes erweckte seit Oken (1807) das Interesse vieler Forscher, ist aber noch sehr weit von seiner endgültigen Lösung entfernt geblieben ; wie bei anderen zahlreichen Fragen kam man auch bei dieser zur Überzugung, dass unsere bisherigen Kenntnisse so mangel- halt sind, dass die Konstruktion einer endgültigen Antwort als unmöglich betrachtet werden muss. Nur weitere Forschungen werden eine Grundlage zur kritischen Sichtung und Ergänzung der generalisierenden Erklärungen und Theorien bilden; die Entwickelung der detailen, hie und da perhoreszierten Forschung gewährt einzig und allein den wirklichen Fortschritt, sollen die erzielten Kenntnisse in ihrem Gesamtbilde eine reelle Basis für weitere Arbeiten bilden. Für die Frage über die Metamerie des Kopfes bedeutet die Erforschung der Occipitalregion einen wichtigen Punkt, da die Occipitalsomiten als mit den Rumpfsomiten homologisch betrachtet werden; in dieser Hinsicht soll die Anmerkung von Filatoff angeführt werden, welcher mit Recht hervorhebt, dass der Somit als solcher bisher streng nicht definiert ist (Bolk, Koltzoff, Dohrn); bisher wurde die Variabilität der Somiten nicht sichergestellt, es fehlt also die Grundlage, auf welche die Definition einer jeden morphologischen Einheit sich stützen muss; die Entwickelungsgeschichte eines jeden Organs, verbunden mit dem Vergleichen ähnlicher Verhältnisse bei vielen Tierformen, führt zur Erkenntnis der Variabilitäts- grenzen des Organs, der stabilen und variablen Merkmale; auf die Schwierigkeiten bei der Vergleichung der Segmentierung des 6* 54 K. WEIGNER, Rumpf- und Kopfskelets deuten die Anmerkungen JanosSiks in Hinsicht auf die veränderte Funktion der betreffenden Teile des Skelets (Anat. Clov&ka [i. e. d. Menschen] S. 129 und 3. 196). Beim erwachsenen Menschen wurden verschiedene Varia- tionen am Os oceipitale und am Atlas sichergestellt, die Koll- mann als Assimilation des Atlas und Manifesta- tion des Occipitalwirbels näher bestimmt; dieselben tragen dazu bei, dass die Frage über die Occipitalsomiten und die theoretischen Erwägungen über die Metamerie des Kopfes eine Beleuchtung erfahren. Da fast alle in der Literatur be- schriebenen Fälle von verschiedenen Variationen in der Um- gebung des For. oceipit. magn. zufälligerweise bei der Mace- ration oder Präparation gewonnen wurden, kann man die Häufigkeit ähnlicher Variationen nicht erschliessen, nebstdem entgehen uns alle weniger auffallende Fälle; um dieser Even- tualität nach Möglichkeit auszuweichen, untersuchte ich alle Schädel der anatomischen Anstalt und das Leichenmaterial im Schuljahre (Wintersemester) 1909/10. I. Befunde an den Schädeln Erwachsener. 1. Besondere Fälle. 1. Die rechte Hälfte des Atlas verwachsen mit dem Os occipitale. Die rechte Hälfte des Atlas ist mit dem der Umgebung des For. occıp. magn. verwachsen; diese Öffnung misst der Länge und Breite nach 33.28 mm, hat vom Innern des Schädels betrachtet eine abgerundet rhomboide Gestalt und ist nach links etwas schief gestellt; die verwachsene Hälfte des Atlas ist in das Lumen des Rückgratkanals vorgeschoben. Bei der Besichtigung des Präparates von unten (Fig. 1) sieht man, dass der linke oceipitale Gelenkhöcker auffallend klein, niedrig und sagittal geteilt ist: der äussere Teil ist ventrodorsal leicht konvex, ventral 3 mm, dorsal 5 mm breit, 13 mm lang, glatt, also im frischen Zustande mit Knorpel bedeckt; der innere rauhe Teil prominiert konsolenartig in das For. occıp. magn., ist in der Mitte seiner Länge durch eine Furche geteilt und bildet ventral eine nach aussen gebogene Lingula. Der dorsale Rand des For. occ. magn. ist durch eine seichte und breite Fig. 1. Rinne, die dorsalwärts vom For. condyl. zieht, bedeutend ge- schmälert. Der Canalis hypoglossi ist einheitlich, die angehörige Hälfte des Atlas ist nicht erhalten. Rechterseits ist der Befund wie folgt: Der Cond. occipitalis ist vollkommen mit der Massa lat. atl. verwachsen, so dass die Gelenksspalte spurlos verschwunden ist; auch der ventrale Bogen ist bis zum Tuberc. pharyng. verwachsen und zwar bis auf einen kleinen Rest der Atlantooceipitalspalte; diese Hälfte des Atlasbogens endet in der Mitte mit einer rauhen sagittal gestellten Fläche und war deshalb sehr wahrscheinlich mit der anderseitigen syndesmotisch verbunden. Auf der unteren Seite der Massa lat. ist die Gelenksfläche der Artic. S6 K. WEIGNER, atlantoepistrophea ziemlich gross und setzt sich in eine glatte mediale Fläche fort; proximalwärts befindet sich ventral der Anfang des Can. hypoglossi, 1/, cm dorsal die breite Öffnung des Can. art. vertebralis; dieser kam dadurch zustande, dass der dorsale proximodistal ganz flache Atlasbogen mit dem Rande des For. occip. magn. verschmolzen ist. Das freie stumpfe Ende des Atlasbogens reicht bis zur Mittellinie, links von ihm ist das For. occ. magn. deutlich eingeschnitten; zwischen dem scharfen äusseren Rande des Atlasbogens und dem Hinter- hauptsbeine verläuft eine tiefe, durch Exostosen hie und da zu einem Kanale ergänzte Furche. Das For. transvers. ist aussen offen, da der Proc. costarius zugespitzt endet und den Proc. transv. nicht erreicht; dieser erweitert sich zu einem Ellıpsoid, dessen medioventrale Hälfte mit einem Höcker am Os oceipitale hinter dem Proc. jugularıs verwachsen ist; die Art. vertebralis verlief aus dem offenen For. transversarium in dem Kanal zwischen dem Proc. transvers. und der Basis eranıl, weiter in dem Kanal zwischen dem hinteren Atlasbogen und dem Rande des For. occip. magn. Eshandeltsichalso umeinen Hemiatlas, der mit dem Hinterhauptsbeine durch die Bögen, Massaelat. und Proc. transversi verwachsen ist. 2. Ein älterer Schädel). Der ganze Atlas ist mit dem Os oceip. verwachsen. Das For. oceip. m. ist oval (35.28 mm), unter seinem Rande ragen die Massae lat. atl. in den Can. vertebr. und zwar rechts etwas stärker hervor; der dorsale Atlasbogen verlängert das Hinter- hauptsloch trichterartig, wogegen dessen ventraler Rand scharf- kantig ist. Die Artie. atlantooceip. sind spurlos verschwunden, ebenfalls ist der sehr breite ventrale Atlasbogen bis auf eine ‘) Wenn die Identität der Leiche nicht ganz bestimmt sichergestellt werden konnte, gebe ich das vermutliche Alter und Geschlecht überhaupt nicht an. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 87 kleine runde, fast medial gelegene Öffnung mit der Unterfläche des Hinterhauptsbeines verwachsen. Vom Rande des runden For. atlantooceipit. zieht eine Kante zum Tubere. pharyng. und hängt am Atlas mit seinem Tubere. ant. zusammen. Der hintere Atlasbogen ist auch mit dem dorsalen Rande des For. occ. m. bis auf einige unregelmässige Spalten verschmolzen ; das Tuberc. post. ist links gelegen. In der Gegend der verschwundenen Gelenke befindet sich links zwischen dem Rande des For. occ. m. und dem flachen hinteren Atlasbogen die Öffnung des Can. art. vertebr., ventralwärts zwei Öffnungen, die durch den Hinterhauptslochrand geteilt sind: die dorsale führt schief ventrolateral und endet oberhalb des Proc. cost. (R. ant. n. cervicalis 1?); die ventrale Öffnung endet in einer tiefen Grube, die man für den einzigen Rest der Atlantooceipitalgelenksspalte halten könnte. Vom Can. condyloideus zweigt sich ein Teli ab, der ventrodorsal verläuft und in den Can. hypoglossi mündet: rechts ist nur der Can. hypoglossi und ein breiter Kanal für die Art. vertebralis entwickelt. Das For. transvers. ist beiderseits normal, rechts auffallend gross (l cm im Durchmesser); Proc. cost. und transv. sind links normal, rechts setzt sich die Fläche des Proc. cost. mittels einer vertikalen Lamelle direkt in die dorsale Wand der Incisura 88 K. WEIGNER, jugul., wo sie von dem gut entwickelten Proc. jugul. durch eine schmale Spalte geteilt wird (Fig. 2). Die -Assimilatzon des Atlas "besteht in der VerwachsungderArtic.atlantooccip., der Bögen und der Entwickelung einer Lamelle vom Proc. cost.zumRandederlIncis.jugul.undzuminneren Teile des Proc. jugularis. 3. Ganzer Schädel. Durch den nach innen hervorragenden hinteren Atlasbogen ist das For. oce. magnum (35.30 mm) von unten gesehen dorsal- wärts verengt. Die Artic. atlantooceip. sind fast spurlos ver- schwunden, die Grenze ist durch eine Reihe feiner Öffnungen angedeutet. Die untere Gelenksfläche des Atlas (Artic. atlanto- epistrophea) ist rechts oval, mit der stark dorsalwärts ver- schobenen Kante, links ist dieselbe birnförmig, das schmale Ende sieht dorsolateral; kaum deutlich konkav, ist diese Fläche schiefer als rechts und dorsomedial gestellt. Der vordere Atlas- bogen verschmilzt mit dem Umfange des For. occip. magn. so, dass die ovale Fovea ovalis dentis von dem sehr scharfen Rande des Hinterhauptsloches durch eine schmale, 1/, cm lange Spalte, die zwischen dem Tuberc. pharyng. und ant. atlantıs ausmündet, getrennt wird. Die Entfernung der Querfortsätze des Atlas vom Hinterhauptsbeine beträgt bloss einige mm, rechts besteht fast em Kontakt mit dem Proc. styloideus. Die rechte Hälfte des hinteren Atlasbogens ist frei und mit dem zugeschärften Ende emporgehoben, links mit dem Rande des For. oce. magn. verwachsen, wodurch der Can. art. vertebr. zustande gebracht wird ; zwischen den Enden beider Hälften des hinteren Atlasbogens besteht ein tiefer Einschnitt. Dive Artie. atlantooceipit, dervordere Bögen, bis auf die Fissura atlantoocecipit., die linke Hälfte des hinteren Atlasbogens sind mit dem Hinterhauptsbeine verwachsen. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 39 4. Ganzer Schädel. Das For. occip. magn. (39.30 mm) ist ventral kreis-, dorsal herzförmig, was durch eine stärkere Prominenz rauher Vor- sprünge an den Massae lat. atl. bedingt ist. Die Can. hypoglossi sind einheitlich, die Proc. jugul. sind als stumpfe Spitzen eni- wickelt (Fig. 3). Die Artie. atlantooceip. sind vollkommen ver- schwunden; oberhalb des Ansatzes des Lig. transv. atlantıs befindet sich links ein belangloser Vorsprung, rechts ist der Rand des For. occip. m. durch einen deutlicheren in das Lumen vorspringenden Höcker unterbrochen; derselbe hat die Form einer dorsal konvexen Kante, proximal zieht sich eine zweite feine Kante in den Can. hypoglossi, in welchem sie eine schmälere, spaltenartige, ventrale von der runden dorsalen teilt. Der ventrale Rand des For. occip. magn. ist ziemlich scharf, in der Mitte fängt der Canaliculus chordae an, proximalwärts befindet sich am Clivus eine zweite Öffnung; das Ausmünden des genannten Kanälchens lässt sich hier aber nicht feststellen. Vor. der linksseitigen Massa lat. bis zur rechten Peripherie der Fovea ovalis dentis ist eine 2 mm breite Fissura atlanto- 90 K. WEIGNER, occipitalis, weiter rechts ist der vordere Atlasbogen mit dem Hinterhauptsbeine verwachsen. Der rechtsseitige Proc. transv. atlantıs fliesst mit seinem äusseren Umfange bis zur Sutura occipitomastoidea mit dem Hinterhauptsbeine zusammen, er- reicht beinahe die Spitze des Proc. jugularıs, von welchem sich eine scharfe Kante, die mit dem Proc. costarius parallel verläuft, zum Proc. intrajugularis erstreckt. Links ist der sehr schwache Proc. cost. und der ziemlich starke Proc. transversus frei. Der hintere Atlasbogen verschmilzt rechts mit dem Rande des For. occip. magn. (Can. pro art. vertebr. durch kleine Exostosen verengt), mit seinem freien zugeschärften Rande erreicht er die Mittellinie nicht; links ist der dorsale Bogen voll- kommen frei und erreicht verjüngt die Mittellinie; von dem Rande des For. occip. magn. ist derselbe nicht gleichmässig entfernt, so dass hier ein Anlauf zur Bildung eines Can. pro art. vertebr. besteht. Eshandelt sich in diesem Falle um eine Ver- wachsung der sArtich atlantpoecenpiwaher, der rechtsseitigen Hälften des vorderen und hin- teren Bogens, des rechtsseitigen Proc. trans- versus. 5. Der Schädel eines Erwachsenen. Das For. occip. magn. ist leicht asymmetrisch, ventral durch das Vorspringen der Massae lat. eingeschränkt, schärfer eingeschnitten, dorsal oval, breiter; links ist der ventrale Rand papierdünn. Die flachovalen Can. hypoglossi sind einheitlich; ca. 3 mm direkt dorsal vom rechtsseitigen Can. condyl. findet man eine kleine, oberhalb des Can. pro art. vertebr. aus- mündende Öffnung. Der Canalic. chordae besteht als eine ganz undeutliche Öffnung, die 6 mm vom ventralen Rande des For. oce. m. entfernt ist, und weiter als eine breitere Öffnung vor dem Tubere. pharyngeum (Fig. 4). Der Atlas ist mit der Umgebung des For. occ. magn. ver- Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 91 wachsen, die Artic. atlantooceipitales sind beiderseitig ver- schwunden, so dass die Formumrisse der oceipitalen Gelenk- höcker gar nicht geahnt werden können; links ist die normale Entfernung zwischen dem Atlas und Oceiput auf eine Fissur reduziert, rechts vom Tubere. ant. atl. ist der vordere Atlas- bogen mit dem Rande des For. occ. magn. total verschmolzen; der ganze ventrale Atlasbogen ist so gestellt, dass die dıstal zipfelartig auslaufende ovale Fläche für den Dens epistrophei dorsodistal geneigt ist; das Tubere. atl. ant. ist links ver- Fig. 4. schoben. Der hintere Atlasbogen bildet förmlich eine direkte Fortsetzung des hinteren Randes des Hinterhauptsloches, links ist die Grenze durch eine Furche gekennzeichnet. Das For. transversarium ist links besonders gross, oval, lateral etwa ausgezogen ; der Querfortsatz erreicht beinahe das Hinterhaupts- bein und überschreitet mit seinem freien Ende die Sut. oceıi- pitomast.; ventral ragt der niedrige zugespitzte Proc. para- condyl.; der Proc. cost. ist in der Mitte erweitert, hier mit einem Höcker am ventralen Rande versehen und mit dem dorsalen Rande des For. jugul. verwachsen; mit dem Quer- fortsatze ist derselbe durch eine schmale Spange, oberhalb 9% K. WEIGNER, derer sich der Proc. paracondyl. befindet, verbunden. Die Art. vertebr. verlief also zwischen dem Arcus atlantıs post. und dem Rande des Hinterhauptsbeines in einem Kanälchen, von dessen äusseren Öffnung die äussere Mündung des weiten Can. condyl. durch eine feine Lamelle getrennt ist; die Pars venosa des For. jugul. ist an dieser Seite eng. Der rechte Querfortsatz ist schlank, frei, vom Hinterhaupts- beine weit entfernt und endet mit einem dorsal gerichteten Höcker; der um eine Hälfte kürzere Proc. cost. hat die Form eines sagittal gestellten, breiten, lateroventral konvexen Vor- sprunges, der in den dorsalen Rand des For. jugul. übergeht. Von der äusseren Seite der Massa lat. entspringt der Proc. cost. mit zwei Spangen, zwischen denen sich in einer Grube ein Kanälchen befindet; zwischen der hinteren Spange und der unteren Fläche des Hinterhauptsbeines sieht man knapp hinter dem Can. hypogl. eine runde grosse Öffnung; es hat also das For. transvers. auf dieser Seite die Form einer breit klaffenden Spalte. Oberhalb des Can. pro art. vertebr. ist die kleine Mün- dung des Can. condyl., die Pars venosa for. jugul. ist hier etwas breiter. EssindhierdieAtlantooccipitalgelenke,der hintere Bogen, die beiderseitigen Proc. cost. verwachsen. 6. Os oceipitale mit dem Atlas. For. oceip. magn. (36.28 mm) hat eine unregelmässige Gestalt, was dadurch bedingt ist, dass der mit dem Occecipitale verwachsene Atlas mit seiner linken Hälfte dorsal und nach innen gedreht ist (Fig. 5). Der linke dorsale Rand des Hinter- hauptsloches ist normal, wogegen wir sehen, dass derselbe rechts von der Crista oceip. ext. sich senkt, da er hier durch den hinteren an das Hinterhauptsbein iangewachsenen Atlas- bogen gebildet wird; die linke Hälfte des genannten Bogens ist dünn, ganz frei und endet 1 cm von der Mittellinie mit einer Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os ocecip. b. Menschen. 93 stumpfen Spitze. Die Grenze der Gelenkflächen des Atlanto- occipitalgelenkes ist nicht sichtbar, links besteht eine ventral sich stark verschmälernde Spalte. Durch die Verwachsung der rechten Hälfte des hinteren Atlasbogens wird der Can. pro art. vertebr. realisiert; seine sehr breite Mündung sieht man hinter dem Can. hypoglossi. Die Entfernung des Querfortsatzes vom Hinterhauptsbeine beträgt ca. 3 mm. Was den ventralen Atlas- bogen anbelangt, übergeht derselbe auch rechts in die untere Fläche des For. oceip. magn., dessen Rand er überragt; die Verschmelzung reicht bis zu dem Tuberc. ant. atlantis. Die Fig. 5. Fovea dentis ist oval, mit der breiteren Fläche schräg rechts ge- stellt, der schmälere Teil ist in eine Rinne vertieft und über den unteren Rand des Atlasbogens umgebogen; etwa 1/, cm medial vom Can. hypoglossi, der hier durch das Hinterhauptsbein und den Atlasbogen begrenzt wird, ist eine blinde Grube als die letzte Spur des Spatium atlantooceip., links sieht man eine enge, ca. 1 cm lange Spalte, da der Atlasbogen auf dieser Seite schmäler ist als auf der rechten. Der Proc. cost. ist abge- brochen, der Proc. transversus 1/; cm vom Hinterhauptsbeine entfernt. Die rechte Hälfte des Atlas ist bis auf den Querfortsatz mit dem ÖOccipitale verwachsen; der dorsale Bogen ist offen. 94 K. WEIGNER, 7. Der Schädel eines erwachsenen Mannes. Das For. occip. m. (31.28 mm) ist fast kreisförmig, sein dorsaler Rand hat die Labia post. angedeutet; der Can. hypo- elossi ist rechts einheitlich, links durch eine breite Scheide- wand geteilt (Fig. 6). Der linke Proc. paracondyloideus entspringt als ein kleiner Höcker, der sich medial in eine tiefe, hinter dem Gelenks- kondyl gelegene Grube senkt; die steil gestellte laterale Fläche Fig. 6. dieses Vorsprunges ist glatt und sieht nach dem Proe. styloideus; vom Rande des For. jugul. ist der Proc. paracondyl. 5 mm, von der Sut. oceipitomast. 8 mm entfernt. Rechts befindet sich ein bedeutend mächtigerer Vorsprung, der seiner Form sowie auch der sagittalen Stellung nach an den Condylus oce. en miniature erinnert; seine distale Fläche ist nämlich sagittal konvex, dorsal fast frontal gestellt; zwischen diesem Proc. paracond. und dem Gelenkshöcker des Hinterhauptsbeines hebt sich unter der Ausmündung des Can. condyl. noch ein kleiner distal glatter Vorsprung. Die Condvli oceipitales sind ganz ungewöhnlich gestaltet; N Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 95 dieselben sind sehr niedrig, die linke Gelenksfläche ist oval (14.10 mm), die rechte beinahe kreisförmig; die beiden Gelenk- flächen sind sagittal schwach konvex, die linksseitige etwa sattelförmig. Von den ventralen Enden ziehen medial zwei runde Kanten, von denen die linksseitige mit einem deutlichen Proc. basilaris endet. Die oberen Gelenkflächen am Atlas (Fig. 7) weisen eine unregelmässige Form vor, denn die rechtsseitige, beinahe kreis- runde ist ventral in einen Zipfel ausgezogen, die linksseitige längliche ist leicht sattelförmig, und zwar der Form des Condyl. oceipit. entsprechend umgekehrt, zugleich im ganzen nach hinten verschoben. Der hintere Rand der Gelenktlächen trägt kleine Vorsprünge, die mit den vom hinteren Atlasbogen ausgehenden zugespitzten Ecken höchstwahrscheinlich bindegewebig ver- bunden waren, wodurch der Sule. art. vertebr. in ein Kanälchen verwandelt war. Der rechte Proc. transv. zeigt an seiner oberen Seite eine Gelenksgrube für den Proc. paracond. dext.; der zweite, unter der Ausmündung des Can. condyl. gelegene Vor- sprung artikuliert mit einer kleinen Fläche, die sich an der Massa lat. dorsal. befindet. Der Proc. transv. sin. trägt einen unregelmässig eylindri- schen, 17 mm hohen Knochenvorsprung, dessen Spitze eine nach der medialen Seite schräge Facette besitzt, die mit der lateralen am linksseitigen keilförmigen Proc. paracondyl. über- einstimmt; die äussere Fläche der eben angeführten Spitze I6 K. WEIGNER, ist durch eine Kante geteilt und passt ın die Vertiefung am Proc. jugul., knapp hinter dem Proc. styloideus. Das Tubere. post. atl. ist in eine dünne Kante ausgezogen. Der Occipitalwirbel manifestiert sich durch die Proc. paracondyloidei, Proc. basil. sin., Can. hypoglossi duplex sin., Labiıa post. 8. Der Schädel eines ca. 7Ojährigen Mannes Das For. oceip. m. (35.25 mm) ist dorsal durch deutliche abgerundete —- Br diese Labia post. enden mit einem rechts kleinen, von der Mittellinie 7” mm und links mit einem deutlichen, von der Mittellinie 15 mm entfernten Knochen- höckerchen (Fig. 8); zwischen diesen Höckern ist der dorsale Rand des Hinter narrtelhehen scharf, links mehr eingeschnitten. Die Can. hypoglossi sind durch eine starke Scheidewand geteilt. 3esichtigt man das Os oceipitale von unten, erscheint links dorsal vom For. jugul. ein dreiseitiger stumpfkanliger Proc. para- condyloideus, dessen untere Fläche leicht konvex, glatt, frontal breiter als sagittal ist; diese Gelenksfläche steht lateromedial 7 Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 97 etwas schief. Die sagittale mediale konkave Fläche des Proc. paracondyl. läuft breit in den dorsalen Teil des Condyl. oceip. aus. Der linksseitige Condyl. oceip. (18.11 mm) ist sagittal schwach konvex, ventral beinahe flach; der rechtsseitige Cond. occip. (30.14 mm) ist bedeutend länger, ebenfalls flach, sein ventraler breitester Teil ist kaum deutlich konvex; da die innere Partie tief eingeschnitten ist, ist der dorsale Teil schmäler, zugleich quer ausgehöhlt, sein dorsales Ende äusserlich um- geschlagen. Zwischen den Gelenkfortsätzen hat der ventrale Rand des For. occ. m. die Form eines mächtigen, links besonders hohen Walles; beinahe in der Mittellinie ist ein Vorsprung (Condylus tertius) sichtbar, dessen Höhe, am sagittal durch- sägten Schädel gemessen, 12 mm beträgt; seine dorsale Fläche ist fast eben, trägt eine glatte Facette und setzt sich im stumpfen Winkel in die Clivusfläche fort; die Spitze ist abgerundet, an der ventralen leicht konvexen Fläche befindet sich eine tiefe Grube mit einem blind endenden Kanälchen; da das Tubere. pharyng. ventralwärts gelegen ist, handelt es sich um den Rest eines Can. intrabasilaris. Atlas (Fig. 9): links ist der ganze Querfortsatz umfang- reicher als rechts, der Proc. transv. erhebt sich als ein niedriges Segment eines Cylinders, dessen Endfläche glatt, schwach kon- kav und schief medioventral gestellt ist; dieselbe war für die Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1.) 7 98 K. WEIGNER, gelenkige Verbindung mit dem Proc. paracondyl. bestimmt. Die Foveae articul. sup. entsprechen ihrer Form und Grösse nach den Hinterhauptskondylen. Der ventrale Atlasbogen trägt eine 8 mm hohe halbkreis- förmige Hervorragung, deren dorsale ‚Fläche quer ausgehöhlt und durch eine feine Kante von der Fovea dentis getrennt ist; die proximale Kontur dieses Vorsprungs wird durch eine ab- gerundete Kante gebildet; die ventrale Fläche ist schief, kon- kav, glatt; wie der Cond. tertius überschreitet auch dieser Vor- sprung die Mittelebene ein wenig nach rechts; da diese Vor- sprünge miteinander artikulieren, ist ihre übereinstimmende Läge leicht begreiflich; die freie Spitze des Cond. tertius über- ragt ventral das Tubere. ant. atl. Der Occipitalwirbel manifestiert sich hier durch den Proc. paracondyl. sin., den links ver- schobenen Cond.tertius,diegeteiltenCan.hypo- glossi, den Rest des Can. intrabasilaris. 9. Eın Teil’des Schädels. For. oceip. m. (35.30 mm) hat den dorsalen Rand rauh- kantig aufgeschlagen und trägt rechts einen schaufelförmigen, den Atlasbogen fast erreichenden Ausläufer; bei der Betrach- tung von der Schädelhöhle sieht man, dass der hintere Atlas- bogen bedeutend vor dem Rande des For. oceip. m. gelegen ist. Vom ganzen Proc. transv. «dext. erhebt sich eine dicke und breite Knochenlamelle, die sich mit einem stark entwickelten proc. paracondyl. verbindet; eine rauhe laterodorsale Hervor- wölbung entspricht der Verwachsungsgrenze beider Fortsätze, deren Oberfläche sonst glatt ist. Das Ende des linken Querfort- satzes ist beschädigt; am Os occipitale springt am äusseren Umfange des For. jugul. ein kleinerer Proc. paracondyl. vor. Gelenkspalten der Artic. atlantooceip. sind frei. Uber d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 99 Die beiden Can. hypoglossi fangen mit zwei Öffnungen an und zwar ist die proximale rechts dreieckig, links spaltenartig, die distale breit; zwischen beiden ist eine 3 mm breite Scheide- wand; die Ausmündung der beiden Kanäle an der Schädelbasis ist einfach. Der Occipitalwirbel erscheint in der Dupli- zität des Canales hypoglossi, in der Entwicke- lung eineslinks freien, rechts mit dem Querfort- satze des Atlas verwachsenen Proc. paracon- dyloideus. 10. Der Schädel Va. 526. Das For. occ. m. (37.34 mm) hat nicht seine typische rundliche Form, da die beiden Hälften des dorsalen Atlasbogens in dasselbe weit vorstossen. Der Can. hypoglossi sin. ist einfach, rechts befindet sich an der oberen Wand eine kleine Spitze. Knapp bei der Sut. occipitomast. erhebt sich beiderseits der Proc. paracondyl. als ein warzenförmiger, an der Ober- fläche grubiger Fortsatz, der mit seiner ventralen ausgehöhlten Fläche die dorsale Wand des For. jugul. bildet; betrachtet man den horizontal orientierten Schädel von hinten, sind diese Vor- sprünge auffallend den Querfortsätzen des Atlas ähnlich (Fig. 10). Zu beiden Seiten des Tubere. pharyngeum zieht sich eine tiefe Furche, die beiderseits ventral von einer scharfkantigen. Leiste begrenzt wird; vor dem Tuberc. pharyng. deutet eine breite Grube mit einem blinden Kanälchen den Rest des Canalic. chordae an. Mit dem Umfange des Hinterhauptsloches ist der Atlas ver- wachsen; die Grenze der Artic. atlantooccip. ist rechts kaum erkennbar, links ist an der Stelle der Gelenksspalte eine aussen 7* 100 K. WEIGNER, am meisten hervorspringende Leiste. Oberhalb der linken Hälfte des vorderen Atlasbogens bleibt eime ovale Fissura atlanto- occip. übrig, die rechte Hälfte ist vollkommen mit der unteren Fläche des Hinterhauptsbeines verwachsen und wird vom ven- tralen Rande des For. oceip. im. überragt. Unter der Fovea articularis dentis befindet sich am unteren Rande des Atlas- bogens eine flach konischer, tief eingeschnittener Vorsprung. Die Facies articulares inf. des Atlas sind ansehnlich gross (20.15 mm) von ungleichen Umrissen, im ganzen konkav. Die Proc. transv. atl. sind mächtig, die Proc. costarii schmächtig. Der dorsale Atlasbogen ist offen, seine rechte Hälfte ist vollkommen mit dem Rande des For. oceip. m. verwachsen und zugleich nach innen eingebogen; dadurch entsteht ein Can. pro art. vertebr., dessen Anfang fast gerade unter der Mündung des Can. condyl. liegt. Die linke Hälfte des hinteren Atlas- bogens ist erheblich flach, breit (10 mm) und endet in der Mittellinie mit einer zugeschärften Kante; seine Breite nimmt dorsal vom Sulcus art. vertebr. zu, da der obere Rand sich allmählich hervorhebt. Latera! von der Sut. oceipitomastoidea bedingt ein länglich Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 101 ovaler Proc. paramastoideus die Tiefe der breiten Ineis. mastoidea. Der Oceipitalwirbel manifestiert sich durch die beiderseitigen Proc. paracondyl., nebstdem ist der Atlas mit dem Hinterhauptsbeine ver- wachsen und zwar mittels der Atlantooccipital- gelenke und der rechtsseitigen Hälften des ven- tralen und dorsalen Atlasbogens, von welchen die dorsale die Mittellinie nicht erreicht. 11. Der Schädel eines Mannes. Das For. occ. m. (35.28 mm) ist mit seiner Längsachse dorsal schief gelegen; sein dorsaler Rand ist dick, links stärker ausgeschnitten. Die Can. hypoglossi sind einheitlich (Fig. 11). Der Condyl. oceip. dext. (19.10 mm) ist ventral breiter, dorsal schmäler, fast sagittal gestellt und in dieser Richtung konvex; der linke Condylus ist (15.12 mm) beinahe kreisrund, medio- ventral läuft derselbe in das For. occ. m. als ein dreieckiger 102 K. WEIGNER, Zipfel aus. Von diesem Vorsprunge und vom ventralen Ende des rechten Gelenkshöckers ziehen medialwärts dem ventralen Rande des For. occip. m. aufsitzende Kanten: besonders rechts ist die Kante scharf ausgebildet, vor ihr verläuft noch eine niedrige, die mit einem Höckerchen endet. Beide Kanten bilden zusammen einen länglichen, am distalen Rande eingeschnittenen Wall; es sind das die Proc. basilares, welche teilweise zu einem Condylus III verschmolzen sind; vor demselben be- findet sich eine tiefe Grube mit feiner Öffnung (Can. intra- basilaris). Die dorsale Fläche des Cond. II ist glatt, reicht nach rechts hin und artikuliert mit dem Dens epistrophei. Rechts ist ein Proc. paracondyloideus angedeutet. Der Occipitalwirbel. manifestiert sich durch die zw sfeinem: Gond. tertius teilweise ver- wachsenen PToe: basılares, 12. Der Schädel eines jungen Individuums. Das For. occ. m. ist 34.31 mm; der Can. hypoglossi sin. ist links geteilt, rechts ist die Teilung durch zwei gegenein- ander gerichteten Spitzen gekennzeichnet. Die Kondylen sind hoch, von typischer Form; vom ventralen Ende des linken Condylus zieht sich an der unteren Fläche des ventralen Randes des For. oce. m. eine Kante, die mit einem Proc. basilaris endet. Die Manifestation des Occipitalwirbels be- steht in-der Bildung eines Proc. basıl."sin. und in der Teilung der Can. hypoglossi. 103 Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 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Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. 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Heft (45. Bd., H, 1), I. Abteilung. Anatomische Hefte, K. WEIGNER, Sunyıawuy 19profÄpuoowaed "90.17 +3ıprgosoq usjueyy opuaıaıy -I9A UDIS SIIEMTEIP9UL uayaIz uopuf uejeayuaA usp UOA !TeSıop SIE AO] -BWUIS [erlu9A ‘u9Isa} -[919 we uoyylmur wu 01'373 "us 'IOTRWwyos93 uoyrwu wwug'gz 'IXOp y51ou -93 Y18]s [eaoge] ‘yooy puıs oproq “wu OL 'F7 "uıs ‘us8ozessne [ojJdız UHABYUON Uaulo Ur [es -10p 481 “ww OL ' 23 'YXap [1948 a0Zıu9M I9IS [19], ofesıop a9p ‘oJuwy aypey ou Zunduoumf a9p 9o[[EIg AOp uw IzZY1S og wwg " Gz uIS ©4][898 -25 I4991YU9S IseJ es -IOp ‘AryuoN uossne ISI OydRLT Pfeajusa Ip -u9osI9A ‘oPu9 Loy -19g 91p Juey doura Jruu day ‘Su99dur uayıu ur ‘ww 11'635 'YXop ‚yornoy -u19 *Ixop ‘JIoge3 "uıs pue y us1oqo 19p UB 9248S}10,7 ourofy puıs uopag uapıeg ur A91a1q Aoyo TIa], ojeıJusA AEP ‘418993 "xap qaıpoquro uıs 4119903 'Yxap ‘ypalpequm us sojeyıdıooo ı74puon ıssojsodAy "ury yosııyaw -urÄs® Iyd1a] ‘FI799191TA ypunssdge ‘wur 08 °C8|| '9q uıopury uoJIegds pur wurgg"gg | ‘cc opus] US}NDIPIaA 'esıop u ‘wu 73'087 mu 18.88 "89 "useu ‘dıvo 107 = 115 Os oceip. b. 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Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. 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Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 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WEIGNER, II. Befunde an den proximalen Halswirbeln. 1. Am Atlas ist beiderseits die dorsale Spange in der Ge- stalt eines hackenförmigen scharf zugespitzten Processus ent- wickelt, der von dem dorsalen Teile der Massa lat. seinen Ursprung nimmt und gegen den dorsalen Bogen gerichtet ist, ohne denselben zu erreichen; die Proc. costarıı sind zu dünnen spitzigen Fortsätzen reduziert. 2. Am Atlas ist beiderseits eine starke dorsale Spange ent- wickelt; der Proc. costarius dext. ist unvollständig. 3. Am Atlas befindet sich links eine dünne dorsale Spange. 4. Am Atlas ist eine starke knöcherne dorsale Spange rechts, links an der Massa lat. angedeutet. Der dorsale Bogen steht offen, seine linke Hälfte ist dünn, wird gegen die Mittellinie noch feiner und endet stumpf; die rechte Hälfte ist unvergleich- lich umfangreicher, indem sie im sagittalen Durchmesser 15 mm beträgt; das mediale Ende ist zu einer Spitze ausgezogen, deren ventrale Seite länger ist als die dorsale. An der Unter- fläche dieser in die Breite entwickelten Partie ist eine ovale glatte Fläche angebracht, die mit dem Epistropheusbogen artikuliert; die rechte Hälfte dieses Wirbelbogens ist auch stärker gestaltet, besitzt am oberen Rande einen wirklichen (relenkshöcker von ovaler Form, der in der Richtung des Bogens schief gestellt ist. Zwischen dem Gelenkshöcker des normalen ventralen und abnormalen dorsalen atlantoepistrophealen Ge- lenkes befindet sich das Foramen intervertebrale. 5. An dem sonst auffallend mächtigen Atlas fehlen beide Proc. costaril. 6. Der Epistropheus und der dritte Halswirbel sind durch ihre Körper und ihre Bögen zusammengeflossen; die Körper- grenze ist in der Reihe von Blutgefässöffnungen erkennbar. Der dorsale Epistropheusbogen ist sehr schlank und läuft in Uber d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 129 eine nach rechts gekehrte einheitliche Spitze aus. Der dorsale Bogen des dritten Halswirbels ist im Gegenteile sehr hoch und mächtig, in seiner Mitte befindet sich eine grubige Rauhig- keit mit zwei Höckern, zwischen welche sich die Spitze des Epistropheusbogens einsenkt. Die Processus articulares sind beinahe spurlos verschwunden. Der schmale Querfortsatz des dritter Halswirbels ist stark dorsal geneigt. 7. Der Epistropheus ist mit dem dritten Halswirbel mittels der linksseitigen Gelenkfortsätze verwachsen, sonst im übrigen frei. Auf Grund der untersuchten Fälle (I) kann man folgende Gruppierung derselben aufstellen: a) eine reine Atlasassimilation zeigt sich als: 1. ein Hemiatlas, wo die Bögen, Massa lat. und Proc. transv. verwachsen sind; 2. eine Verwachsung der Atlantooceipitalgelenke, des ventralen sowie dorsalen Bogens und mittels einer Lamelle, die vom Proc. costarius zum Rande der Inecis. jugul. und zum: inneren Teile des Proc. jugularis sich erstreckt; 3. eine Verwachsung der Atlantooccipitalgelenke, des ventralen Bogens bis auf die Fissura atlantooccipitalis, der linken Hälfte des dorsalen Atlasbogens; 4. eine Verwachsung der Atlantooceipitalgelenke, der rechtsseitigen Hälften des ventralen und dorsalen Atlasbogens, des rechtsseitigen Proc. transversus; b) eine reine Manifestation des Ocecipital- wirbels zeigt sich als: 7. Proc. paracondyloidei, Proc. basilaris sin., Can. hypo- glossi duplex sin., Labia post. for. occip. magn.; 8. Proc. paracondyloideus sin., nach links verschobener Condylus tertius, geteilte Canales hypoglossi, Spur eines Can. intrabasilaris ; Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 9 130 K. WEIGNER, 11. teilweise zu Condylus tertius zusammengeflossene Proc. .basilares; 12. Proc. basilaris sin., geteilte Canales hypoglossi; c\ eine Manifestation des Occipitalwirbels mit gleichzeitiger Atlasassimilation: 5. Proc. paracondyloideus sin. ist mit einer Verwachsung der Atlantooceipitalgelenke, des hinteren Bogens und der beiderseitigen Proc. costarii kombiniert; 9. beiderseitiger Can. hypoglossi duplex, Proc. para- condyloideus sin. ist frei, dexter mit dem Querfortsatze des Atlas verwachsen ; 10. Proc. paracondyloidei und Verwachsung der Atlanto- oceipitalgelenke und rechtsseitiger Hälften des ventralen und dorsalen Atlasbogens, von welchen diese die Mittellinie nicht erreicht. Vor. den systematisch untersuchten Fällen, Gruppe II, ist ersichtlich, dass in der Umgebung des For. occip. magn. am Os occipitale zahlreiche und verschie- dene Varietäten vorkommen, die erstens nicht gewöhnlich beschrieben werden (die Gestalt und Grösse des For. occip. magn., die Formation der Condylen, die nicht seltene Teilung des Can. hypoglossi usw.), zweitens unter die Erscheinungen der Manifestation des Occipitalwirbels gehören und von sehr un- gleicher Intensität sind. Wie aus der Beschreibung der Befunde bei Erwachsenen hervorgeht, kommen in der Umgebung des For. occip. magn. und am Atlas zahlreiche Variationen vor, deren morphologischer Charakter und Dignität auf Grund der Untersuchung bloss defi- nitiver Zustände nicht endgültig beleuchtet werden kann; in dieser Hinsicht wurden verschiedene Meinungen ausgesprochen, wie wir es bei der Besprechung der Literaturangaben sehen Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 131 werden, nun aber überall fühlt man, dass es an zur Unter- stützung dieser theoretischen Erwägungen nötigen embryo- logischen Untersuchungen mangelt. Ich habe mich bemüht, die Entwickelungsgeschichte der Ocecipitalregion näher zu studieren, und versucht, auf Grund dessen die definitiven Zu- stände zu analysieren. III. Die entwickelungsgeschiehtlichen Verhältnisse. 1. Die mikroskopischen Befunde an Embryonen. 1. Embryo 6 mm. Die proximalsten Wirbelanlagen können nach dem Ver- halten der Nerven und Blutgefässe unterschieden werden. Ver- folgen wir die durch den ganzen Embryo so geführten Schnitte, dass die Bauchhöhle quer getroffen ist, dann sehen wir, dass der N. hypoglossus aus drei Wurzeln sich zusammensetzt, von denen die distale die stärkste, die mittlere die schwächste ist; rechts gibt es vier Wurzeln, die letzte ist wiederum die mäch- tigste, die proximalsten zwei schmelzen in ihrem Verlauf zu einer einzigen zusammen. Das erste Spinalganglion ist auf- fallend kleiner als das folgende. Das proximalste Myotom reicht in die Höhe zwischen die erste und zweite Hypoglossuswurzel, die einzelnen Myotome sind gegenseitig nicht genug scharf abgegrenzt, um die Dreizahl der Occipitalmyotomen ganz be- stimmt sicherstellen zu können. Zu der letzten Hypoglossus- wurzel gesellt sich beiderseitig ein winziges Blutgefäss (Art. interprotovertebralis I ?), vor welcher die dunkle caudale Sclerotomhälfte des primitiven Wirbelbogens (Frorieps Occi- pitalwirbels) sich befindet; seine proximale Partie erscheint als ein abgerundeter Fortsatz; je weiter distalwärts man fort- 9* 132 K. WEIGNER, schreitet, desto mehr medial reicht derselbe, d. h. in die Nähe der Chorda dorsalis. Im Bezirke der proximalen zwei Hypo- glossuswurzeln finden wir in dem verdichteten Mesenchym gar keine Segmentation — der ungegliederte Abschnitt, in welchem die lichte Sclerotomhälfte ohne bestimmte Grenze übergeht. Analogische Verhältnisse zeigt der primitive Atlasbogen zur zukünftigen Art. vertebralis und zum ersten Spinalnerven. Bei Epistropheus sehen wir schon, dass der primitive Wirbel die Chorda dorsalis ventral wie dorsal umgibt; dagegen ist die Verbindung dorsal von der Chorda beim Oceipitalwirbel und beim Atlas kaum angedeutet, die hypochordale Spange ist aber deutlich entwickelt; an der sagittalen Projektion kann man in der Mittellinie sicherstellen, dass die Mesenchymbezirke ver- dichtet sind und lateralwärts in die Primitivbögen übergehen; mit ihrem abgerundeten Rande nähern sich beide Hypochondral- spangen — ho und ha — (Fig. 14) besonders beim Atlas der Chorda, mit ihrem distalen zugeschärften Rande sind sie ven- tral gerichtet. Die Chorda dorsalis besitzt eine unregelmässige, durch Hervorwölbungen und blinde Ausläufer bedingte Gestalt. 2. Embryo 13 mm. An der Oceipitalanlage konnte sichergestellt werden : proxi- malwärts wird dieselbe von zwei gegen die Mittelebene mit Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 133 ihrer Konvexität gerichteten Ovale gebildet, an deren äusserer Seite sich eine Furche befindet, in welcher der N. hypoglossus verläuft; rechts besteht derselbe aus vier, links aus drei Wurzeln, von welchen die distale an beiden Seiten durch eine Scheidewand von den übrigen geteilt ist. Diese in der Mittel- linie durch ein verdichtetes Mesenchym zusammenhängenden Anlagen nähern sich distalwärts immer mehr und an den Schnitten, die die leicht bogenförmig verlaufende Chorda dor- salis der Länge nach getroffen haben, sieht man in dem un- gegliederten und dem dem Occipitalwirbel entsprechenden Ab- schnitte, dass zu Seiten die Knorpelbildung anfängt. Von den Bögen des Oceipitalwirbels und des Atlas entspringen seitwärts vom ersteren eine Querleiste, vom zweiten die (uerfortsatz- anlage, die sich vollkommen analog verhalten. Der caudale Teil der Occipitalwirbelanlage setzt sich an der Unterfläche in zwei ovale Gebilde, die quer verbunden sind, fort; hier kann man gut die hypochordalen Spangen des Occipitalwirbels und des Atlas unterscheiden. Dorsal von der Chorda dors. findet man eine mächtige Schicht von verdichtetem Mesenchym, die sich ventralwärts zu Seiten der Chorda verliert; in der proximo- distaler Richtung erscheint dorsal von der Chorda die paarige kugelige Anlage des Atlaskörpers, die proximalwärts allmäh- lich verschwindet, mehr distalwärts treffen wir wieder zu Seiten der Chorda die ebenfalls paarige knorpelige Anlage des Epi- stropheuskörpers, die nicht in der Mittellinie zusammen- geflossen sind. Embryo 135 mm. An Querschnitten unterscheidet man in der Oceipitalanlage proximodistal in einer kernhaltigen Schicht die ersten Knorpel- anlagen, die nicht gut abgrenzbar sind; die Kerne sind hier nicht so zusammengedrängt; an beiden Seiten hat diese An- lage eine hufeisenförmige Gestalt, der innere Kolben ist um- 134 K. WEIGNER, fangreicher und ventral verdickt, der äussere eher schlank und zugleich proximal gelegen; zwischen beiden befindet sich eine ventral offene tiefe Furche, die für den N. hypoglossus bestimmt ist. Derselbe besteht aus drei Wurzeln; die proximalste, zu- gleich die schwächste, verschmilzt bald mit der mittleren zu einer stärkeren Wurzel, die von einer Vene begleitet durch eine ansehnliche Scheidewand von der dritten Hypoglossuswurzel getrennt ist; unweit von dem Austritte bilden beide Wurzeln einen einheitlichen Stamm, wobei die Scheidewand ver- schwindet; die genannte Vene mündet in die V. jugul. int. Die Oceipitalanlagen legen sich distalwärts immer mehr an und begrenzen so cranial eine dreieckige Fläche, caudal eine tiefe Rinne, in welcher sich von dichtem Mesenchym um- hüllt die Chorda befindet; indem die Anlagen in der Mittellinie verschmolzen sind, bilden sie den ventralen Teil des For. occip. magn. Bei der Besichtigung von unten sehen wir an der Unter- fläche des erwähnten Randes zwei quergestellte Ovale, die durch ein dichtes Gewebe verbunden sind. Wir haben vor uns die Bogenmasse des Occipitalwirbels; vom lateralen Kolben entspringt hinter den Hypoglossuswurzeln der bindegewebige Querfortsatz. Von der Bogenmasse des Occipitalwirbels ent- stehen die Condyli oceipitales, zwischen deren ventralen Enden die hypochordale Spange sich befindet; die Condylenanlagen sind mit den Bogenhälften des Atlas durch dichtes Mesenchym verbunden, Der schon erwähnte, hinter dem Hypoglossus entspringende Querfortsatz reicht zwischen die V. jugul. int. mit den IX. —XI. Nerven und den ersten Spinalnerven mit der Art. vertebralis; es handelt sich hier um die Anlage des Proc. transversus des Oceipitalwirbels, die vollkommen mit der Anlage des Proc. transv. atl. übereinstimmt. Schreiten wir von der tiefen Furche entlang der Chorda (ch) distal, erblicken wir zu ihren beiden Seiten und dorsal von Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 135 derselben im verdichteten Mesenchym zwei undeutlich be- grenzte, etwas blässere Stellen, die der Chorda nirgends an- liegen: es sind das die bilateralen Anlagen des Atlaskörpers (Ca — Fig. 15); der hypochordalen Spange des Occipitalwirbels (ho) folgt die des Atlas (ha). Distal von der Atlasanlage trifft man die besser entwickelte Anlage des Epistropheuskörpers (Ce); ebenfalls bilateral; dieselbe liegt zuerst dorsal, dann zu beiden Seiten der Chorda; diese knorpeligen Anlagen haben am Querschnitte eine ovale Gestalt und sind mit ihrem ge- schmälerten Ende laterodorsal gerichtet; zwischen den kon- vexen, gegeneinander zugewendeten Teilen sieht man die Chorda, die weiter distal in die Anlage der Intervertebralplatte zwischen dem 2. und 3. Wirbel gelangt. Die Anlage des Occi- pitalwirbels kann in diesem Stadium im verdichteten Mesen- chym noch nicht abgegrenzt werden, die Atlasanlage verschmilzt noch nicht mit der Epistropheusanlage. 4. Embryo 14,5 mm. Die Entwickelung ist im Vergleiche mit dem Embryo 13,5 mm nicht besonders vorgeschritten (Fig. 16); man ersieht den Altersunterschied zwischen der Anlage des Atlas- (Ca) und Epistropheuskörpers (Ce); die hypochordalen Spangen (ho und ha) sind entwickelt; oberhalb der Anlage Ca kann man die Spur der Anlage des Occipitalwirbelkörpers finden. 136 K. WEIGNER, Fig. 16. 5. Embryo 15,3 mm. An der cranialen Fläche des distalen Teiles des Occipital- knorpels befindet sich in einer tiefen Rinne die Chorda dors.; diese Fläche ist caudal steil gestellt (Fig. 17). Da die Oceipital- kolben ventral verschmolzen sind, ist die beim Embryo 13,5 mm beschriebene Furche in einen einheitlichen ovalen Can. hypo- glossi umgewandelt; proximal wird seine Begrenzung durch eine stark prominierende Kante gebildet, die dorsal allmählich niedriger wird und aussen in die Squamaanlage übergeht. Die flachen Condylenanlagen sind mit den Massae lat. atl. durch eine mächtige Perichondriumschicht verbunden. Hinter der Chorda dors. beobachtet man zwei Stellen, die undeutlich be- grenzt, an mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten durch ihre blass rosaviolette Farbe auffallend sind; dies ist die erste bilaterale Anlage des knorpeligen Oceipitalwirbelkörpers. Diese Anlagen nähern sich distalwärts immer mehr der Mittellinie, zugleich nähert sich denselben von der ventralen Seite die Chorda; diese Anlagen gehen allmählich in die bilateralen und Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 137 älteren Anlagen des Atlaskörpers über; an den so verschmol- zenen Anlagen des Occipitalwirbel- und Atlaskörpers befindet sich ventral und dorsal eine Furche, in welche ventral die Chorda eintritt, durch den Atlaskörper schief dorsal verläuft, um in den Epistropheuskörper zu gelangen, der analog dem Atlaskörper distal in der Mittellinie schon einheitlich ist und proximal in zwei Höcker ausläuft. Der Atlaskörper ist vom Epistropheuskörper durch eine ellipsoide Spalte geschieden, die vom dichten Mesenchym erfüllt die Chorda enthält; in der dorso- ventralen Richtung ist der Epistropheuskörper schief zuge- schnitten und endet mit einer runden Kante. An den Schnitten, wo die Chorda in (die ventrale Furche am Atlaskörper kin- zudringen beginnt, ist der Anfang des ventralen Atlasbogens und oberhalb desselben der mediale Teil der Bogenmassen des Oceipitalwirbels gebildet, die eine längliche Form besitzen und durch die hypochordale Spange verbunden sind. Der vordere 138 K. WEIGNER, Atlasbogen und der Proc. costarius sind bindegewebig angelegt; ebenfalls so verhält sich der Proc. cost. des Epistropheus. Die dorsalen knorpeligen Bögen der ersten zwei Halswirbeln sind von der Mittelebene mit ihren Enden noch weit entfernt. 7. Embryo 15,6 mm unterscheidet sich wenig von dem vorhergehenden; die hypo- chordalen Spangen ho und ha (Fig. 18) sind sehr schwach; der Proc. cost. atl. ist bindegewebig, in demselben Fortsatze des Epistropheus sieht man die Spur eines Knorpelherdes; der knorpelige Querfortsatz des Atlas endet bindegewebig zuge- spitzt (Fig. 19). Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 139 8 Embryo 16 mm. Die mediale Projektion (Fig. 20) zeigt uns übersichtlich die Anlagen der Wirbelkörperanlagen resp. der zu den ersten zwei gehörenden Hypochordalspangen. Der Oceipitalwirbel- körper (Co) ist als zwei Höcker angelegt und zwar wird er vom älteren Vorknorpel (Levi) gebildet: die Kerne liegen nicht mehr so dicht gedrängt aneinander und werden durch feine, mit Hämatoxylin tief gefärbte Scheidewände voneinander ge- -rılli ll, «1 Ins Eh ur. : wii x Fig. 20. trennt. In der Umgebung findet sich das dichte Mesenchym, in welchem dorsal vom Occipitalwirbelkörper die Differenzie- rung des Lig. transv. atl. beginnt. Die erwähnten Anlagen des Occipitalwirbelkörpers gehen ohne scharf ausgeprägte Grenze in den älteren Knorpel des Atlaskörpers (Ca) über; dieser beginnt proximal ebenfalls als zwei Höcker, an die sich die Anlagen des Occipitalwirbelkörpers anschliessen, und die sich 140 K. WEIGNER, distalwärts immer mehr der Medianebene nähern, um die Chorda dors. endlich in sich aufzunehmen; der Atlaskörper endet wieder in der Form von zwei Höckern, so dass im ganzen die Zusammenfliessung der bilateralen Anlagen um die Chorda in der Mitte zustande kommt, wogegen die proximalen und distalen Enden frei bleiben; analog verhält sich auch der Epi- stropheuskörper, was am Schema der sagittalen Projektion durch verschiedene Schraffierung erläutert wird. Die Bogenmassen des Ocecipitalwirbels verschmelzen als zwei laterale Höcker mit dem Basilarknorpel und stehen mittels der hypochordalen Spange in Verbindung. 9. Embryo 1775 mm, Der Basilarknorpel entspricht der verschmolzenen Anlage des Sphenoidale und Occipitale; an dem distalen, occipitalen Fig. 21. Teile kann man ein Mittelstück und zwei Portiones lat. (Levi) unterscheiden (Fig. 21). Der caudale Abschnitt des Mittelstückes Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 141 steigt schief in der distoproximalen Richtung, der craniale ist in der genannten Richtung viel sanfter gestellt, beide treffen in einem stumpfen Winkel zusammen. Der distale Abschnitt ist in der Mittellinie ein wenig ausgehöht, der ventrale Rand ist von der dorsalen Seite tief eingeschnitten; in diesem Ein- schnitte befindet sich ein kernreiches Bindegewebe, in welchem sich die Anlagen für den ligamentösen Apparat des Deus epi- strophei heranbilden. In der Mitte des zukünftigen Lig. apıicis dentis befindet sich die Chorda dors., die sich in dem Ein- schnitte verliert. Verfolgen wir die Schnittserie distalwärts, treffen wir in dem verdichteten Mesenchym eine Knorpel- anlage, die sich als eine blasse Stelle präsentiert, was dadurch bedingt ist, dass die Zellen hier spärlicher sind; in dem älteren Basilarknorpel sind die Zellen schon deutlich eingekapselt. In diese Knorpelanlage des proximalen Teiles des Dens epistrophei ist die Chorda dors. eingenommen und zwar so, dass sie in proximodistaler Richtung schief ventrodorsal verläuft (Fig. 22); in der Spitze selbst hat der Knorpel an Querschnitten eine halbmondförmige Gestalt, mit einer tiefen Furche an der ven- tralen Seite, wo sich die Chorda befindet und von den freien Knorpelspitzen von Seiten umschlossen wird; weiter gelangt die Chorda in das Knorpelcentrum; distaler wird die Knorpel- anlage etwas schmäler, in diesem Niveau erblickt man dorsal zwei neue Knorpelanlagen, so dass am Querschnitte das Bild eines Kleeblattes entsteht; der allmählich verschwindende Rand 142 K. WEIGNER, des Lig. transv. atl. hängt hier mit dem dorsalen Perichondrium zusammen. Die lateralen abgestumpften Knorpelanlagen, welche älter sind als die der Spitze selbst, vergrössern sich distalwärts sehr rasch und umgeben die Chorda, welche aus dem proxi- malen Teile der Epistropheusspitze zwischen sie gelangt; an der Grenze dieses Teiles und der eben beschriebenen Anlage des Atlaskörpers kann man eine schwache Schicht von mehr gedrängten Zellen nachweisen, die vielleicht dem Rest der Horizontalplatte des primitiven Atlasses entspricht (Weiss). Die Chorda dors. zieht immer mehr dorsal hin; an der dorsalen Seite des ersten Wirbelkörpers ist eine in der Mittellinie mit verdicktem Perichondrium ausgefüllte Furche, durch welche sich die bilaterale Anlage des Atlaskörpers kundgibt; an der distalen Grenze dieses Körpers verschwindet diese Furche, von hier aus lässt sich gegen die Chorda, um dieselbe und weiter ventral eine dichtere Zellenschicht zwischen dem Atlas- und Epistropheuskörper verfolgen. Die Chord. dors. behält bei ihrem Durchtritte durch den Epistropheuskörper dieselbe schiefe Richtung wie im Atlaskörper; der Epistropheuskörper nimmt in Hinsicht zum Atlaskörper eine mehr dorsale Stellung ein, läuft ventral in einen stumpfen, ventrodorsal abgeplatteten Kegel aus, der durch eine deutliche Anlage der Intervertebralplatte vom Körper des dritten Wirbels getrennt wird (Fig. 23). An der Unterfläche des ventralen Randes des For. occip. magn. ragen zwei abgerundete, querovale, frontalgestellte Höcker, die durch die hypochordale Spange des Occipitalwirbels verbunden in der Höhe der Atlasspange allmählich ver- schwinden; lateral setzen sich dieselben direkt in die Condylen- anlagen fort, die durch eine dicke Perichondriumschicht mit den Massae lat. atl. in Verbindung stehen. Der ventrale Atlas- bogen ist proximal rein bindegewebig, distal knorpelig, in der Mittellinie jedoch im ganzen bindegewebig (Tubere. ant.). Die Grenze zwischen dem ventralen Bogen und Körper des Atlas ist Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 143 eine ganz bestimmte; zu Seiten enden die Bogenhälften gerade so wie die an der Unterfläche des Basilarknorpels beschrie- benen Höcker. Der dorsale Bogen des Atlas sowie des Epistropheus ist oberhalb des Rückenmarkes noch nicht geschlossen; es sind weiter die Gelenkfortsätze knorpelig angelegt, die Foramina transv. pro art. vertebr. sind entwickelt, die Proc. costarii sind bindegewebig. Fig. 23. An der äusseren Seite des lateralen Teiles des Basilar- knorpels befindet sich eine mächtig vorspringende Querkante, deren Ende abgestumpft und ventral gebogen ist, wodurch sie zu der Abgrenzung des tief eingeschnittenen For. lacerum post. beiträgt. Der Anfang der Canales hypoglossi ist knorpelig geteilt; durch die ventrale Öffnung treten zwei, durch die distale eine starke Hypoglossuswurzel hindurch; die Scheidewand verliert 144 K. WEIGNER, sich langsam, so dass die Ausmündung des Kanals einheit- lich ist. 10. Embryo 20 mm. An der für das Occipitale und Sphenoidale gemeinsamen Knorpelanlage ist die Grenze zwischen beiden histologisch nicht ausgeprägt, wie dies Levi behauptet. In der Sagittalprojektion weist der Clivus die Kontur einer zweimal stumpfwinkelig ge- brochenen Linie auf, wobei der caudale Teil steil gestellt und rinnenartig ausgehöhlt ist; wo dieser in den horizontalen cranialen Abschnitt übergeht, senkt sich die Chorda dors. in den Basilarknorpel ein. Der Canalis hypoglossi beginnt mit einer breiten Öffnung, ist rechts einheitlich und führt drei Hypo- glossuswurzeln, links ist derselbe von einer bindegewebigen Scheidewand getrennt und enthält zwei Hypoglossuswurzeln; beiderseits begleitet den N. hypoglossus ein Venenplexus. Eine hohe Kante trennt den Can. hypoglossi vom For. lac. post.; die Schneckenkapsel hängt mit dem lateralen Teile des Occeipital- knorpels cranial knorpelig, dorsal durch das Perichondrium zusammen. Laterodorsal von den Canales hypoglossi befinden sich die Can. condyloidei. Bei der Betrachtung der Unterfläche des knorpeligen Occi- pitale bemerkt man, dass die ventrale Begrenzung des Can. hypoglossi eine Knorpelspange bildet, die mit ihrem cranial ge- bogenen Ende die Knorpelanlage des Os petrosum erreicht; ventral ist dieselbe konkav und beteiligt sich an der dorsalen Begrenzung des For. lac. post. Diese Kante entspricht dem Querfortsatze des Oceipitalwirbels, von dessen Bogenmassen die Condyli oceip. ihren Ursprung nehmen und noch keine besondere Konvexität aufweisen, wie es uns das Modell (Fig. 24) sichtbar macht. An die Unterfläche des ventralen Randes des For. oceip. magn. erstrecken sich von den ventralen Teilen der Gelenkhöcker knorpelige Erhebungen, die durch die hypo- Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 145 chordale Spange, welche der des Atlas entspricht und mit der- selben parallel ist, in Zusammenhang gebracht werden. Am Atlas sind schon alle Bestandteile des definitiven! Wirbels deutlich erkennbar; der Proc. costarius ist bindegewebig, der Proc. transv. knorpelig, mit seinem freien Ende proximal gegen die stumpfe Spitze der Querleiste des Occipitalwirbels um- gebogen. Das For. transvers. ist entwickelt. Der dorsale Atlas- bogen steht noch über dem Rückenmarke weit offen. Die Massae Fig. 24. lat. tragen ganz flach konkave Gelenkflächen für die Condyli occip., mit welchen sie durch eine mächtige Perichondrium- schicht verbunden sind; links deutet ein gelockertes Binde- gewebe an einigen Schnitten die erste Spur des in Entwickelung begriffenen Atlantooceipitalgelenkes an. Der Dens epistrophei ragt hoch in die Schädelhöhle, zwischen ihm und dem knorpeligen mittleren Teile des Occi- pitale befindet sich ein spärliches lockeres Bindegewebe, welches lateral bis zu den Atlantooccipitalgelenken sich erstreckt und distal allmählich sich verliert und zwar im dichten Ge- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 10 146 K. WEIGNER, webe, das den vorderen Atlasbogen mit dem Epistropheuskörper verbindet. An Querschnitten präsentiert sich der Dens epistrophei in proximodistaler Richtung folgendermassen: zuerst finden wir eine nicht genug bestimmt begrenzte Zellengruppe, die eine abge- rundet dreieckige Form aufweist und mit der Spitze ventral gerichtet ist; lateral zieht sich ein weniger dichtes Bindegewebe (Lig. transvers. atl.) mit transversal gerichteten Zellen in das Perichondrium, welches die Gelenkspalte der Artic. atlanto- oceip. ausfüllt. In die Rinne des Basilarknorpels setzt sich das Lig. apicis dentis und die Ligg. alaria fort; das erste deckt die Chorda von der dorsalen Seite. An Schnitten, wo die Chorda mehr der Länge nach getroffen ist und in die Rinne von der ventralen Seite des Epistropheuszahnes eindringt, wird dieser von einem mehr blassen Gewebe gebildet, wo man um die Kerne feine Scheidewände sicherstellen kann; in diesem sehr jungen Knorpel sind die Knorpelzellen um die Chorda kon- zentrisch angeordnet. Dorsal von der schon, wie wir sehen, einheitlichen Anlage der Spitze des Dens epistrophei kommen zwei neue Knorpelcentren zum Vorschein; dieselben sind dorsal rund, ventral zugespitzt und umgreifen die erwähnte Zahn- anlage von den Seiten; dorsal werden sie von einer starken Perichondriumschicht gedeckt, welche zwischen sie in der Mittel- linie verfolgt werden kann und ventral sie von dem Spitzen- knorpel trennt. Diese proximal abgerundeten Höcker nähern sich distalwärts rasch der Medianebene, fliessen hier zu einem einheitlichen Knorpel zusammen; dieser Knorpel ist histologisch und entwickelungsgeschichtlich, wofür die Befunde an jüngeren Embryonen beweisführend sind, älter als der der Spitze; die mediale dorsale Furche spricht dafür, dass es sich um den bilateral angelegten Atlaskörper handelt. Analog erscheinen distalwärts die der dorsalen Seite des Atlas aufsitzenden Höcker, die ebenfalls in der Mitte durch eine tiefe Furche getrennt Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 147 werden; diese Furche schwindet immer mehr durch die An- näherung und Verschmelzung der genannten Höcker, welche den proximalsten Teil des Epistropheuskörpers darstellen; die Grenze zwischen dem Atlas- und Epistropheuskörper bleibt jedoch merklich, denn das die mediale Furche ausfüllende Peri- chondrium setzt sich in dem einheitlichen Knorpel in der Form eines kleinen, abgerundet spindelförmigen Feldes ventral fort, indem es sich der Chorda, die umgekehrt verläuft, immer mehr nähert; dieses Gewebe muss als die Spur der Intervertebral- platte betrachtet werden. Die Körperknorpel dieser beiden Wirbel unterscheiden sich auch dadurch, dass der Epistropheus- knorpel älter ist. Am Epistropheus sind deutlicher die proximalen Gelenk- fortsätze entwickelt als am Atlas, der dorsale Bogen ist ganz kurz; die Proc. costarii und transv. sind kurz und schon knorpelig. 11. Embryo 26 mm. Der mittlere Teil des Occipitalknorpels hat eine schiefe Richtung, sein caudaler Rand ist inmitten ausgeschnitten, so dass zu Seiten Erhebungen hervorragen, die bindegewebig zu- sammenhängen und lateral in die Condyli oceip. übergehen. An der schiefen Fläche befindet sich eine breite Rinne, in welcher proximal der Canalic. chordae anfängt. Die leicht konvexe Gelenkfläche der Oceipitalcondylen wird von einer starken Perichondriumschicht gedeckt, in welche der ligamen- töse Apparat des Epistropheuszahnes ausstrahlt; die Spalte des Atlantooccipitalgelenkes ist als eine Schicht lockeren Binde- gewebes erkennbar. An der Stelle, wo die Chorda in den Oceipitalknorpel sich einsenkt, ist sie von der dorsalen Seite her vom dichten Binde- gewebe gedeckt, welches ohne deutliche Grenze in die Um- gebung übergeht und distalwärts um die mehr ventral gelegene 10* 148 K. WEIGNER, Chorda konzentrische Schichten bildet. Das Modell belehrt uns, dass der Dens epistrophei im ganzen einem abgestumpften und abgerundeten Kegel entspricht; an seiner ventralen Fläche treffen wir eine runde, von zwei sagittalen Furchen abgegrenzte Leiste, die distal allmählich verschwindet, proximal bis zum Eintritte der Chorda reicht; prüfen wir diesen Teil an Schnitten durch, so merken wir, dass die Chorda in proximodistaler Richtung wie bei jüngeren Stadien dorsalwärts verschoben ist, dass sie am Anfang ventral vom konzentrisch angeordneten Perichondrium gedeckt, weiter vom Knorpel mit konzentrisch gelegenen Zellen umgeben wird. An der sagittalen Projektion (Fig. 25) belehrt uns wie der Verlauf der Chorda so auch der Umriss des Dens epistrophei, dass dieser im proximalen Teile vom Oceipitalwirbelkörper gebildet wird, dass dieser sich dem Atlaskörper anschliesst und in den Epistropheuskörper übergeht; die Grenze des Occipitalwirbelknorpels gegen den Atlaskörper wird dadurch dargestellt, dass die konzentrische Anordnung (der Knorpelzellen allmählich verschwindet; die Grenze zwischen Atlas und Epistropheus besteht in einer Zellen- schicht, wo die Kapsel noch nicht so entwickelt ist wie im Körper des zweiten Wirbels. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 149 Zwischen dem Epistropheuszahn und dem Occipitalknorpel befindet sich zuerst ein ganz lockeres Bindegewebe, mehr distal erscheint aber eine breite Gelenkspalte, die seitwärts bis an die Erhebungen grenzt, die an der Unterfläche des ven- tralen Randes des For. oce. magn. angebracht sind und schon beschrieben wurden. Das Perichondrium der dorsalen Seite des Dens epistrophei geht in das Lig. transv. atl. über; zwischen dem vorderen Atlasbogen und dem Epistropheuszahn befindet sich ein lockeres Bindegewebe. Die dorsalen Bögen des Atlas und Epistropheus erreichen die Medianebene nicht. 12. Embryo 38 mm. Die Spitze des Epistropheuszahnes umgibt halbmondförmig als eine dichte Perichondriumschicht die Chorda dors., welche dorsal von der Anlage des Lig. susp. dentis gedeckt wird; weiter distal erscheint der ebenfalls halbmondartig gestaltete Knorpel, bis endlich die Chorda in die Mitte des Knorpels zu liegen kommt; proximal ist eine tiefe Rinne an dem Oceipitalknorpel für die Chorda bestimmt. Der Epistropheuszahn ist mit diesem Knorpel durch ein lockeres Bindegewebe verbunden, welches einer breiten Gelenkspalte, welche mehr als den ventralen Um- fang des Epistropheus einnimmt, den Platz räumt; dort, wo an der Unterfläche des basioccipitalen Knorpels die ventralsten Enden der Gelenkhöcker als querovale Hervorragungen sich emporheben und bindegewebig zusammenhängen, hört die eben beschriebene Gelenkspalte wieder auf. Das Gelenk zwischen dem ventralen Atlasbogen und dem Dens epistrophei ist in diesem Stadium schon entwickelt, ebenfalls die Artic. atlanto- epistrophica. Der vordere Atlasbogen mit dem Tuberc. ant. sind knorpelig, die dorsalen Bögen der beiden ersten zwei Halswirbeln sind nicht geschlossen. Die Grenze der Wirbelkörper im Dens epistrophei lässt sich wegen der Dicke der Schnitte nicht bestimmen. 150 K. WEIGNER, 13. Embryo 48 mm. Am Modell (Fig. 26) sieht man, dass die Zusammensetzung des Epistropheuskörpers mit dem Dens aus drei Teilen sehr gut ausgeprägt ist: der umfangreichste Teil ist der distale, cranial erhebt sich der mittlere durch eine Furche abgegrenzt und endlich die Spitze, welche von einer sanften Depression umgeben ist und von Seiten allmählich zu der Stelle aufsteigt, wo die Chorda dors. in sie eindringt. An der Serie von Sagittal- schnitten können wir sicherstellen, dass beiderseits in der Furche zwischen dem knorpeligen Körper des Epistropheus und des dritten Halswirbels die Intervertebralplatte angelegt ist; in der Tiefe der Furche sind Zellen mit mehr weniger runden Kernen zusammengedrängt, an der ganzen Peripherie der ge- nannten Furche sind die abgerundeten Ränder der beiden Wirbelkörper mittels nach aussen ausgebuchteten binde- gewebigen Strängen verbunden; ähnliche, selbstverständlich weit schwächere Stränge treffen wir in der Furche zwischen dem Atlas und Epistropheus, sonst setzt sich der Knorpel eines Wirbels direkt in jenen des zweiten fort; die Grenze lässt sich um die Chorda nur nach der Lage der Knorpelzellen bestimmen, an der Peripherie ist der Knorpel mehr blass, die Grundsubstanz spärlicher. Eine sehr mächtige Perichondrium- schicht umhüllt die Spitze des Epistropheuszahnes, die dem Oceipitalwirbelkörper entspricht; der Knorpel ist hier Jünger, die Grundsubstanz spärlich entwickelt, so dass die ganze Spitze durch ihre gleichmässige schwache Färbung und deutliche Ein- schnürung sich vom Atlaskörper unterscheiden lässt, was am Sagittalschnitte, wo die Chorda in ihrer Mitte getroffen ist, klar (Fig. 27) hervortritt. Die abgeflachte Spitze des Dens epistrophei hängt mit dem ventralen Rande des For. oce. magn. bindegewebig zusammen; eine hier zum Vorschein kommende Spalte lässt sich nicht als eine Gelenkspalte bestimmen; eine Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 151 solche fehlt zwischen dem ventralen Atlasbogen und dem Epı- stropheuszahne. Bei einem anderen Embryo, welcher dem eben be- schriebenen sehr nahe steht, ohne dass seine Länge angegeben Fig. 27. werden kann, besteht zwischen dem Dens epistrophei und dem Rande des Hinterhauptloches eine deutliche Gelenkverbin- dung; die Gelenkkapsel dehnt sich bis zu dem Bindegewebe aus, welches den Dens epistrophei mit dem vorderen Atlas- bogen in Verbindung setzt. 152 K. WEIGNER, 14. Embryo mit ventrodorsalem Schädeldurch- messer 95 mm. Der ventrale Rand des For. oceip. magn. ist breit, rund, die Canales hypoglossi sind einheitlich, bei der Ausmündung mit einer Kante versehen, die jener beim Embryo von 20 mm gleicht. Die schwach gekrümmten Gelenkflächen der Atlanto- oceipitalgelenke sind durch eine dichte Perichondriumschicht verbunden, analog verhält sich auch die Artie. atlantoepistroph. Die Proc. costarii aller Halswirbeln sind bindegewebig, die Proc. transv. knorpelig, wobei jener des Atlas am längsten ist; das For. transvers. ist schon geschlossen. Es ist bemerkens- wert, obzwar hier nicht näher erörtert werden soll, dass das dritte und vierte Spinalganglion an der Grenze der betreffenden For. intervertebralia an der Bogenkante des dritten Halswirbels breit verschmolzen sind. Die hinteren Bögen des Atlas und Epistropheus stehen offen, der zweite ist mächtiger und länger. Der vordere Atlasbogen entbehrt eines Tubere. ant., seine Perichondriumschicht setzt sich in jene des ventralen Randes des For. oceip. magn. und des Atlaskörpers fort. Die Sagittalschnitte durch die Halswirbel belehren uns, dass die erste Intervertebralplatte aus dichtem Bindegewebe besteht, durch welches die Chorda verläuft und hier ein wenig verbreitet ist; an der Grenze der Intervertebralplatte und der Körperknorpeln sind die Knorpelzellen parallel mit der Ober- fläche der Intervertebralplatte angeordnet. Eine ganz bestimmte Grenze treffen .wir zwischen dem Corpus epistrophei und atlantis, welche durch die ebenfalls parallele Anordnung der Knorpelzellen und dadurch eine minimale Schicht von Binde- gewebszellen gegeben ist, welche ventral bis in die Furche zwischen den Rändern der Wirbelkörper sich erstreckt; eine weit sanftere Furche besteht dorsal. Die Chorda dorsalis weist an dieser Grenze keine Anschwellung auf, sendet aber in den Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 153 Knorpel des Atlaskörpers Ausläufer. Die proximale Fläche des Atlaskörpers ist in der dorsoventralen Richtung abgerundet, trägt am dorsalen Abschnitte die am Sagittalschnitte abge- stumpft dreieckig gestaltete Spitze des Epistropheuszahnes (Fig. 28); seine dorsale Seite ist leicht konvex, die ventrale schwach konkav und an den ventralen Rand des For. occip. Fig. 28. magn. knapp angelegt. Die relativen Grössenverhältnisse aller Bestandteile des „Corpus und Dens“ epistrophei weichen von den definitiven beträchtlich ab. Mehr exzentrisch zu der ven- tralen Fläche genähert verläuft die Chorda dors. im Epi- stropheuszahne und von seiner Spitze zum Occipitalknorpel geschlängelt. Die Durchmusterung der Präparate lehrt uns, dass der Knorpel des Zahnfortsatzes sich von jenem des Atlas- körpers dadurch unterscheidet, dass die Zellen mehr zusammen- 154 K. WEIGNER, gedrängt sind, die Grundsubstanz noch spärlich entwickelt ist, ein Zeichen für die jüngere Beschaffenheit des genannten Knorpels; weiter noch sind die Knorpelzellen in dem proxi- malsten Abschnitte des Atlaskörpers mit dem Umrisse der oberen Fläche parallel gestellt. 15. Embryokopf mit ventrodorsalem Durch- messer von 20 mm. In der Umgebung des Can. hypoglossi beginnt schon die Ossifikation und zwar an der Unterfläche des Oceipitalknorpels und proximal von seinem ventralen Rande, welcher knorpelig bleibt; auch die dorsalen Bögen des Atlas und Epistropheus sind bis auf die Mitte ossifiziert. Am Epistropheuskörper mit seinem Zahne ist die Zusammensetzung aus drei Teilen ge- kennzeichnet, denn diese sind durch Furchen an der ventralen und dorsalen Fläche getrennt; was den Umfang anbelangt, bleibt der proximalste Teil nicht hinter dem mittleren, dem Atlas- körper, und dem distalen, dem Epistropheuskörper; in den Knorpel dieser zwei Körper dringt Bindegewebe mit Blutgefässen ein. Die Spitze ragt in die Schädelhöhle bis über das Niveau des ventralen Randes des For. oceip. magn., welchem sie eine flach konkave Fläche zuwendet. Die Körper der beiden ersten Halswirbel und des Oceipitalwirbels lassen sich durch ihre histologische Struktur unterscheiden und sind deutlich gegen- einander abgegrenzt: der proximalste Körper hat relativ am wenigsten, der Epistropheuskörper am meisten die Grund- substanz entwickelt; die Grenze wird durch die an die Längs- achse der verschmolzenen Wirbelkörper senkrecht stehenden Reihen von Knorpelzellen und mit denselben parallelen Balken der hyalinen Grundsubstanz bestimmt; von der perichondralen Schicht dringen hier sehr feine Bindegewebsfasern ein. Die Grenze ist ganz besonders in der unmittelbaren Umgebung Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 155 der Chorda dors. entwickelt und verschwindet allmählich gegen die Peripherie. Die Lage der Grenze zwischen dem Oceipital- wirbel- und Atlaskörper entspricht dem distalen Rande des Arcus ant. atl., in einer Ebene mit der Grenze der gelenkigen Verbindung des Dens epistrophei und des genannten Bogens. Der Proc. transv. des Oceipitalwirbels ist beim Rande des For. jugul. distal gebogen und wie der Proc. transv. und cost. des Atlas knorpelig. 16. Embryokopf mit ventrodorsalem Durch- messer 35 imm. Die Ossifikation hat schon auch ‘den knorpeligen Rest des ventralen Randes des For. occip. m. getroffen ; es ist bemerkens- wert, dass weit proximal vor diesem Rande der ventrale Atlas- bogen gelegen ist; zwischen beiden besteht eine bindegewebige Verbindung, links befindet sich im Bindegewebe eine Spalte, die gegen die Mittellinie verschwindet; die kapselartige An- ordnung der Fasern und die endotheliale Auskleidung lassen an eine Gelenksspalte denken; rechts hängt diese Spalte mit dem Gelenke zwischen dem Dens und dem Atlasbogen zu- sammen. Im Epistropheuskörper können wir die ersten bilateral an- gelegten Anfänge der Ossifikation erblicken, die in dem distalen Halswirbel mehr vorgeschritten ist. Das Lageverhältnis des Dens epistrophei zum Hinterhaupts- beine und dem Atlas ist ein solches, dass die Längsachse des Basioccipitale mit der Längsachse der verschmolzenen drei Wirbelkörper beinahe einen rechten Winkel bildet, wobei die Spitze cranial auf die Clivusfläche reicht. Die Chorda dors. sendet in den Knorpel Ausläufer und ist im Epistropheus in der Gegend der beginnenden Ossifikation auf eine kurze, zwischen dem Atlas und Oceipitalwirbel auf eine längere Strecke 156 K. WEIGNER, spindelförmig erweitert. Die Grenze zwischen dem Occeipital- wirbel- und Atlaskörper halbiert horizontal den vorderen Atlas- bogen, so dass an der Bildung des Dens im gegebenen Falle der Oceipitalwirbel und der proximale Anteil des Atlaskörpers teilnimmt. Die Chorda dors. bildet vor ihrem Eintritte in den Canalic. chordae ein ansehnliches ovoides Gebilde. 17. Embryokopf mit dem ventrodorsalen Durch- messer 55 mm. Der Ossifikationskern im Epistropheuskörper ist wesentlich grösser als im Atlas, die Grenze zwischen beiden Wirbelkörpern sowie zwischen dem Atlas- und Occipitalwirbelkörper wird durch die Anordnung der Knorpelzellen bestimmt. 18. Embryokopf mit dem ventrodorsalen Durch- messer ‘5 mm. Im Epistropheuskörper ist ein grosser Ossifikationskern, dagegen beweist die konzentrische Schichtung der Knorpel- kapseln im Atlas, dass die Verknöcherung sich vorbereitet. Die Spitze des Dens artikuliert mit dem ventralen Atlasbogen und weist eine besondere Beschaffenheit auf: die Knorpelkapseln sind schmal, auffallend in die Länge ausgezogen, spindelig; in dem Atlasknorpel sind zahlreiche Blutgefässe, in der Spitze fehlen sie fast vollkommen; nebstdem ist hier noch die Chorda dors. erhalten. 19, Embryokopf, mit. ventrodorsalem Durch- messer 85 mm. Die Ossifikation schreitet vom Atlas in die Spitze fort, wo wir keine Zeichen einer selbständigen Ossifikation sicherstellen können. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 157 20. Kopf eines Neugeborenen. Die Ossifikationskerne des Epistropheus und Atlas nähern sich, die Verknöcherung erreicht in beiden Körpern die ven- trale und dorsale Fläche. Vom proximalen Ende des Ossi- fikationscentrums im Atlas setzt sich die Ossifikation in die Spitze fort, wo im Knorpel zwar zahlreiche Gefässe sind, dieser jedoch inaktiv ist. Von der ventralen Seite beginnt die Ver- knöcherung des vorderen Atlasbogens. 2. Makroskopische Befunde an Feten- und Kindermaterial. 1. Fetusschädel mit ventrodorsalem Durch- messer 60 mm. Das For. occip. magn. (15.11 mm) ist oval, dorsal zu- gespitzt. Das Occip. lat. ist aussen knorpelig umgeben, die beiderseitigen Knorpel laufen dorsal scharfwinkelig zusammen und reichen in die ossifizierte Hinterhauptsschuppe. Die Can. hypoglossi sind einheitlich; die Proc. paracondyl. sind als un- bedeutende Höcker sichtbar. Der Canalic. chordae besteht als eine feine Öffnung. 2. Fetusschädel mit ventrodorsalem Durch- messer 65 mm. Das For. occip. magn. läuft dorsal scharf aus, ist hier mit Bindegewebe, wo sich ein zipfelartiger Verknöcherungs- kern befindet, ausgefüllt. Beiderseits tritt der N. hypoglossus durch zwei Öffnungen in die Dura; am Schädel befindet sich rechts eine grosse und oberhalb dieser eine punktförmige Öff- nung, die durch eine knöcherne Scheidewand getrennt sind, links wird die Scheidewand von einer knöchernen Kante ge- bildet, die bindegewebig ergänzt ist. Am Clivus ist 1 mm vom 158 K. WEIGNER, ventralen Rande des For. occip. magn. eine feine Vertiefung, 5 mm weiter zwei solche in einer Frontalebene gelegen. 3. Schädel eines 17 cm (Kopfsteisslänge) langen Fetus. Das For. oce. wmagn. (11.9 mm) wird dorsal vom Knorpel begrenzt, der sich zwischen der Pars lat. und Squama befindet; die Schuppe ragt mit einer ossifizierten Spitze zwischen beide Knorpel; die Can. hypoglossi sind einheitlich. Der Atlas ist knorpelig, im Atlas- und Epistropheuskörper trifft man selb- ständige Ossifikationscentren. 4. Schädel eines achtmonatlichen Fetus. Dorsal von den ganz flachen Condylen wird der glatte und dünne Rand des For. occip. magn. von einer feinen Furche lateral abgegrenzt. Die Can. hypoglossi sind einheitlich. Der Verknöcherungskern im Epistropheuskörper sendet einen Ausläufer zum Kern im Dens. 5. Schädel eines Neugeborenen. Das For. oceip. m. (25.10 mm) hat den dorsalsten Teil seines Randes mit kleinen dreieckigen Knorpeln ergänzt. Der Can. hypogl. dext. ist bindegewebig getrennt, sin. einheitlich. Cond. oceip. (15.10 mm) sind ventral schon konvex; bei dem dorsalen Ende des rechten Condylus befindet sich knapp neben der Gelenkkapsel eine kleine Gelenkfläche, die lateral ge- richtet ist. Am rechten Proc. transv. atl. befindet sich eine knorpelige Erhebung, die an der Basis von Seiten abgeplattet ist, proximal sich erweitert, am medialen Rande zugeschnitten ist und mit dieser glatten Fläche mit der höher erwähnten Fläche neben dem Cond. oceip. artikuliert; dieser Höcker überragt die Ge- Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 159 lenkfläche der Massa lat. und ist im ganzen etwas medial geneigt. Der Ocecipitalwirbel manifestiert sich hier durch einen kleinen Proc. paracondyl., der eng dem Gond. occip. angeschlossen, miteinem Fort- Satze am Proc.»transw able imbseelenkiger Ver: bindung steht. 6. Schädel eines Neugeborenen (Fig. 29). Das For. occ. magn. misst mit den Atlasbögen 20.17 mm; zwischen dem ossifizierten Occip. lat. und der Squama ist eine breite, nach aussen zugespitzte Spalte, die mit Knorpel aus- Fig. 29. gefüllt ist; die medialen Ränder der Knorpel sind bindegewebig verbunden, zugleich erstreckt sich dieses Bindegewebe in die Spalte in der Hinterhauptsschuppe. Die Can. hypoglossi sind einheitlich. Die linke Hälfte des dorsalen Randes des For. occip. magn. weist nichts Besonderes auf, dagegen sind die Verhältnisse rechtsseits dadurch bemerkenswert, dass hier eine Verwachsung dieser Atlashälfte mit dem Hinterhauptsbeine zustande kam. Der dorsale Atlasbogen ist mit seinem schon ossifizierten Teile vollkommen mit dem knöchernen Teile des Occip. lat. ver- 160 K. WEIGNER, schmolzen, sein äusserer Rand ist als eine feine Kante er- kennbar; das knorpelige Ende ist proximal gebogen und geht hier erweitert in den medialen Teil des dreieckigen Knorpels zwischen dem Oceip. lat. und Squama über. Eine freie atlanto- occipitale Spalte trennt den ventralen Rand des For. occip. magn. und den knorpeligen Atlasbogen. Durch die Verwachsung des hinteren Atlasbogens mit dem Hinterhauptsbeine wird ein Can. pro art. vertebralis bedingt. Was die Artic. atlantoocecip. anbelangt, ist ihr ventraler Abschnitt frei, der dorsale vollständig verschwunden, da der knorpelige Condylus mit der knorpeligen Massa lat. verschmolzen ist. Der Proc. transv. ist knöchern, sein Ende und der Proc. cost. knorpelig; die Spalte zwischen dem Oceip. lat. und Pars mastoidea wird vom Knorpel aus- gefüllt, der sich zu einem stumpfen Höcker erhebt; dieser Proc. paracondyl. ist bindegewebig mit der knorpeligen Spitze des Proc. transv. atl. verbunden. Links läuft der freie dorsale Atlasbogen in einen abge- stumpften Knorpel aus, der die Medianebene nicht erreicht; der knöcherne Proc. transv. endet knorpelig, der Proc. cost. fehlt. Die Artic. atlantooceip. ist frei. Es handelt sich also um eine Atlasassimi- lation, die durch die Verwachsung der rechten Hälfte des dorsalen Bogens, teilweise des At- lantooccipitalgelenkes, des knorpeligen Teiles des Proc. transy.mit’dem Proe.- paracondy!- De- dingt wird. 7. Schädel eines Neugeborenen. Das For. oceip. magn. hat die Gestalt eines abgestumpften Deltoides, zwischen den dorsalen Knorpeln ragt eine kleine ossifizierte Spitze von der Schuppe hervor. Can. hypoglossi sin. in der Dura und im Schädel geteilt, dext. einheitlich. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 161 8. Schädel eines Neugeborenen. Die dreieckigen Knorpeln bilden die dorsale Begrenzung des For. oceip. magn. bis zur Medianebene; die Proc. paracondyl. sind analog wie im Falle 6 angedeutet. 9. Schädel eines Neugeborenen. Das For. occip. m. ist dorsal deutlich eingeschnitten, die Ineisur wird von einem zipfelartigen, mit der Squama zu- sammenhängenden Keile ausgefüllt. Fig. 30. 10. Schädel eines Neugeborenen. Das For. oce. m. (25.20 mm) besitzt zwischen den dorsalen Knorpeln ebenfalls einen knöchernen Zipfel, der bloss eine Unebenheit des dorsalen Randes verursacht. 11. Schädel eines Neugeborenen. Der zipfelartige Ausläufer fehlt in dem knorpeligen Ein- schnitte. Der Can. hypoglossi dext. ist einheitlich, sin. binde- gewebig geteilt. 12. Schädel eines Neugeborenen (Fig. 30). Der dorsale Rand des For. occip. m. (28.20 mm) besitzt einen keilartigen Ausläufer, im rechten, aussen abgestumpften Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 11 162 K. WEIGNER, dorsale:: Knorpel befindet sich ein selbständiges Ossifikations- centrum. 13. Schädel eines Neugeborenen. Das For. occ. m. (20.18 mm) wird dorsal bloss von den medialen Kanten der dreieckigen dorsalen Knorpeln begrenzt, wobei der linksseitige über die Mittellinie nach rechts ver- läuft, hier abgestumpft endet, und mit dem rechtsseitigen binde- gewebig verbunden ist; die verknöcherte Squama ocec. endet bei den Knorpeln mit einer geraden Linie. 14. Schädel eines Neugeborenen. Der mittlere Teil des For. occ. m. wird dorsal von der Squama gebildet, die zwischen die dreieckigen Knorpeln hineinragt. 15. Schädel eines Neugeborenen. Das For. oce. m. ist dorsal ausgezogen, die dreieckigen Knorpeln berühren sich in der Mittelebene; die Squama endet geradlinig. 15. Schädel eines Neugeborenen. Das For. oce. m. ist dorsal ausgezogen, die dreieckigen Knorpeln berühren sich in der Mittelebene; die Squama endet geradlinig. 16., 17. und 18. Schädel eines Neugeborenen. Zwischen die Knorpeln ragt in das For. oce. m. ein Zipfel, die Enden der Knorpeln legen sich von unten an den Rand des Squama. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 163 19. Schädel eines Neugeborenen. For. occ. m. (27.18 mm) hat eine beträchtlich ausgezogene Gestalt; nach der Entfernung des Periostes bemerkt man dorsal einen deutlichen ‚Winkel, der im frischen Zustande binde- gewebig ausgefüllt war; zwischen die dreieckigen Knorpeln reicht hier der geradlinige Rand der Schuppe. Hinter den Cond. oceip. ist der dorsale Rand zu einer niedrigen Kante erhoben. Die Can. hypoglossi sind einheitlich, die Proc. paracond. wie im Falle 6 angedeutet. Knapp am ventralen Rande des For. occeip. m. sind zwei kleine Vertiefungen (Canalıc. chordae), weiter proximal erhebt sich eine sagittale Kante. Der dorsale Atlasbogen steht offen. 20. Schädel eines einjährigen Kindes. Der dorsale Rand des For. oceip. m. wird inmitten von den verschmolzenen dreieckigen Knorpeln gebildet, zu beiden Seiten treffen wir wie im Falle 12 Ossifikationscentren. 21. Schädel eines zweijährigen Knaben. Das For. occip. m. (29.23 mm) besitzt dorsal kleine spalten- förmige Einschnitte, zwischen welchen der Rand scharf ist; die Can. hypoglossi sind einheitlich. Der Canal. chordae ist als ein kurzes Kanälchen erhalten. 22. Schädel eines zweijährigen Knaben. Das For. occeip. m. (32.25 mm) hat die dorsalen Ränder rund, dieselben laufen in einem ziemlich scharfen, etwas nach links verschobenen Winkel zusammen; die Grenze zwischen dem Oceip. lat. und Squama ist links als eine Sutur, rechts als eine unvollständige Spalte erhalten. Die Can. hypoglossi 11% 164 K. WEIGNER, sind einheitlich. Die Cond. oce. (18.5 mm) sind flach und werden wie im vorigen Falle vom Oceip. lat. und Basıoccip. gebildet. 23. Schädel eines dreijährigen Kindes. Das For. occip. m. (32.26 mm) ist analog wie im Falle 22 gestaltet; der Can. hypoglossi sin. ist einheitlich, dext. ventral geschmälert. Die Cond. oceip. (20.7 mm) sind flach (siehe Fall 22). IV. Literaturübersiecht. Kollmann richtet unsere Aufmerksamkeit auf die Varie- täten der Wirbelsäule und besonders auf die Interkalation, wo es sich nicht bloss um einen überzähligen Wirbel, sondern um die Einschiebung eines ganzen Segmentes mit Muskeln, Adern und Nerven handelt; derselbe behandelt die kongenitale Assimilation des Atlas und das Hervortreten des Oceipital- wirbels. An einem Schädel aus der Anatomie in Basel ist der vordere Atlasbogen gut entwickelt, während der hintere ver- dünnt ist und klafft; ventral ist statt des Spatium atlanto- oceip. ein Foramen; in einem zweiten Falle einer weiter vor- geschrittenen Assimilation fehlt der hintere Bogen in grosser Aus- dehnung. Die Manifestation beschreibt er an fünf Fällen, die am besten an einem Hinterhauptsbeine mit Cond. tertius, deut- lichen Labia post. for. occip. magn. und höckerigen Verdickungen an den Cond. oce., d. h. Massae lat. des Oceipitalwirbels, ent- wickelt ist; einer von den Schädeln hat starke Massae lat., Labia post. for. magn. und einen Proc. paracondyloideus. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen, 165 Vom morphologischen Standpunkte sind bloss die kon- genitalen Assimilationen des Atlas interessant und werden folgend erklärt. Nach der ersten Meinung ist der Schädel der Anamnier und auch der Amnioten im caudalen Vorrücken be- oriffen, so dass schliesslich eine neue Species Homo sapiens mit bloss sechs Halswirbeln denkbar und möglich wäre. Gegen das Vorrücken des Schädels caudalwärts bei Amnioten hat sich Gaupp ausgesprochen; nach ihm haben die Reptilien, Vögel und Säugetiere eine feste Schädelgrenze; daran wird durch die die cranialen Urwirbeln behandelnden Arbeiten Frorieps (Rind), Kollmanns (Affen), His, Lewis u. a. (Mensch) nichts geändert. Die andere Erklärung stützt sich auf die „Drucktheorie“ von Serger. Neben den Assimilationen des Atlas kommen oft in der direkten Umgebung des For. magnus Abweichungen von der Norm vor, für deren Beurteilung noch ein einheitlicher Ge- sichtspunkt fehlt: die Proc. basilares, abnorm vergrösserte Proc. jugul., Incis. margin. post., Labia foraminis magni, kurze Can. intrabasil., Varianten der Condylen, Condylus tertius, der doppelte Can. hypoglossi. Indem diese Varianten, die in der Nähe des Hinterhaupts- loches vorkommen, mit der Assimilation des Atlas nichts zu tun haben, können sie nach Kollmann mit der teilweisen Hyperentwickelung eines postotischen Urwirbels in Zusammen- hang gebracht werden. Der caudale Abschnitt des primordialen Oceipitalskeletes legt sich in Form mehrerer Rumpfwirbel an; in der Höhe des Ganglion hypoglossi tritt ein Urwirbelkomplex, bei den Amnioten drei, auf; derselbe wandelt sich in Myotome um, aus dem letzten entsteht an der medialen Seite die Bogen- anlage eines Primitivwirbels, wobei sich noch ein knorpeliger Wirbelkörper bildet; später geht dieser unkenntlich in der Bildung des Primordialschädels auf (Froriep); das ist der „Oceipitalwirbel“, der mächtigste von allen postotischen und 166 K. WEIGNER, präcervikalen Wirbelanlagen. Die craniovertebrale Grenze wird durch die Oceipitalisation der Urwirbel oder durch die Ocei- pitogenese deutlich; das aus den drei oceipitalen Urwirbeln stammende Mesenchym verdickt sich und wächst rasch latero- dorsal beim caudalen Ende des letzten als Occipitale lat.; diese drei Ursegmente können passend als bildende Elemente des Hinterhauptes, vielleicht als Oceipitoblasten bezeichnet werden. Auf Grund dieser Entdeckungen erklärt Kollmann einige Varianten am Occiput im Anschluss an ein Präparat der Baseler Sammlung, welches näher beschrieben wird. Diese Merkmale in der Umgebung des For. occ. m. deutet Koll- mann als Reste des letzten postotischen Wirbels, der in der Zusammensetzung des Hinterhauptes eingeht; Kollmann schlägt hier die Bezeichnung Manifestation vor, um die Merkmale zu bezeichnen, wodurch die Bedeutung des embryo- nalen Oceipitalwirbels am Schädel eines Erwachsenen hervor- gehoben werden soll: Cond. Ill., Labia for. occip. m., Massae lat., Scheidewand im Can. hypoglossi. Ähnliche Fälle wurden von Calori und Zoja publiziert. Schon vor Kollmann haben eine analoge Vermutung mehrere Autoren (Chiarugi, Lachi, Musumeci) ausgesprochen; dieselben betrachten den Condylus tertius als einen Teil des primitiven Oceipital- wirbels. Ausser durch den Cond. Ill. kann sich der Oeccipital- wirbel auch anders bemerkbar machen (Fall Dorellos). Soll diese Frage vollständig entschieden sein, ist auch die komparative Anatomie heranzuziehen; Cunningham sprach z. B. die Vermutung aus, dass die Manifestation des Occipital- wirbels mit dem Vorkommen des Proatlas verwandt ist; es sei nach Kollmann hervorzuheben, dass die Tendenz zur Manifestation gar nicht so selten ist, nur ausgeprägle Formen sind selten. Kollmann spricht sich dahin aus, dass die angeborene Assımilation des Atlas auf Druckwirkungen in utero zurück- Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 167 geführt werden kann, ebenso viele Varianten am Atlas für sich; ein caudales Vorrücken des Occiput kann ausgeschlossen werden. Viele Varianten des Os oceipitale in der Umgebung des For. oceip. magn. sind „Manifestationen des Oceipital- wirbels“; durch die kongenitale Assimilation des Atlas hohen Grades verschwindet gänzlich die Artic. cranioatlantica und entwickelt sich eine neue cranioepistrophica. Fischel bemerkt zu Kollmanns Ansicht, dass es sich bei der Assimilation um eine Reduktion eines Segmentes handelt, wie umgekehrt Fälle von Vermehrung der Segmente bekannt sind; alle solche Fälle sind einfach Variationen der embryonalen Segmentation, ohne ein Urteil über die pro- und regrossiven Formen des Axialskeletes des Menschen zuzulassen. In der ceraniologischen Sammlung in Amsterdam befindet sich nach Bolk wohl ein Unikum: ein medial durchschnittenes Haupt mit Hals und allen Weichteilen, mit einer vollständigen Assimilation des Atlas. Bolk studierte die phylogenetische Umbildung des Atlas bei den Affen und die Variationen dieses Wirbels beim Menschen. Eine vergleichende Betrachtung des 1. Halswirbels bei den Affen beweist, dass dieser Wirbel speziell an seinem cranialen Rande einer Regression unterliegt. Bolk beschreibt einen voll- ständigen Atlas bei den Cynocephalen mit einem For. atlanto- ideum lat. und post., den auch der Mensch besitzen kann. Aus dieser Form geht der normale menschliche Atlas durch Re- duktion hervor, und zwar schwindet zuerst die laterale, dann dorsale Beinspange. Die atavistischen Variationen des mensch- lichen Atlas sind solche, wo die Cynocephalenform mehr weniger ausgeprägt ist, wogegen bei den progressiven Varla- tionen der Reduktionsprozess weiter fortgeschritten ist; dabei bildet sich der Can. art. vertebralis in einen Suleus um und weiter ist der hintere Bogen reduziert. Die erste Variation. äussert sich dadurch, dass der Can. art. vertebr., der Proc. 168 K. WEIGNER, costarius vollkommen fehlen und der Proc. transv. atl. in seinem vorderen Rande tief eingeschnitten ist; in unserer Sammlung befindet sich ein solcher Fall. Der weitere Verfall des hinteren Bogens manifestiert sich durch ein Immerniedrigerwerden, bis schliesslich die zugespitzten Bogenhälften einander in der Mittellinie nicht mehr berühren; in der anatomischen Samm- lung besitzen wir einen Atlas, wo der hintere Bogen offen ist, an der rechten Seite ist die laterale Spange vollkommen entwickelt, an der linken durch zwei Vorsprünge, die wahr- scheinlich durch ein Ligament zu einer Brücke ergänzt waren angedeutet; dieser Fall bekräftigt die Meinung v. Barde- lebens, ob die Reduktion des hinteren Bogens nicht von der Reduktion des ganzen Wirbels unabhängig verlaufen könnte. Die jüngste phylogenetische Geschichte und die indivi- duellen Atlasvariationen vervollständigen einander somit nach Bolk in erfreulicher Weise, indem sie dafür beweisend sind, dass der 1. Halswirbel bei den höheren Primaten sehr typisch reduziert ist. Durch diese Reduktion wird kaum die funktio- nelle Dignität dieses Wirbels erhöht, denn der Reduktions- prozess betrifft nicht die Gegend der Artikulationsflächen. Nach Bolk ist diese Reduktion bei den höheren Primaten nur eine Teilerscheinung eines allgemeinen Prozesses, nämlich der Re- duktion des ganzen ersten Halssegmentes, wozu ein Beleg ın der Einschränkung des Innervationsgebietes des R. posterior des 1. Spinalnerven zu sehen ist. Nun aber wie soll man die Reduktion des 1. Halssegmentes in bezug auf die Atlaskonkreszentien deuten? Bilden dieselben eine Erscheinung sui generis oder eine weitere Etappe des Reduktionsprozesses? Nach Bolk fängt die Reihe der ge- nannten Verwachsungen mit einer blossen Verklebung des un- zweideutige Spuren einer Reduktion aufweisenden Atlas und endet mit der totalen, selten symmetrischen Einverleibung des- selben in die Schädelbasis. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 169 Bolk bestreitet nicht die Möglichkeit des intrauterinen Druckes als der Ursache der Konkreszenz (Kollmann), doch scheint es ihm, dass von allen Gelenken gerade das Atlanto- occipitalgelenk am wenigsten einem Drucke ausgesetzt ist, wozu die Plastizität des Hirnschädels beiträgt. Nach Bolk handelt es sich hier um eine besondere Entwickelungsweise, was er durch seinen Fall zu bekräftigen versucht: die ganze cranio- vertebrale Verbindung ist in eine einfache occipitoepistropheale umgewandelt, denn es besteht hier eine wirkliche Assimilation des Atlas. Dieser Fall stimmt mit dem von Kollmann be- schriebenen überein; wie wir gesehen haben, erklärt Koll- mann seinen Fall als „Manifestation“ des letzten postotischen Wirbels, wogegen Bolk einer anderen Meinung ist: es handelt sich hier um eine progressive, nicht regressive Erscheinung, nämlich um eine Reduktion des Atlas. Bolk lässt zu, dass in der Umgebung des For. occip. magn. Relieferscheinungen vorkommen, die als „Manifestalionen eines Wirbels“ zu deuten sind. Wenn bei der Assimilation des Atlas seine Reduktion abgestuft erscheint, bildet dies nach Bolk einen Beweis dafür, dass während der Ontogenese der Assımi- lationsprozess früher oder später in die Entwickelung ein- greifen kann; geschieht dasselbe bald, trägt das ganze erste Sclerotom des ersten Halssegmentes zur Bildung der Schädel- basis bei; es muss sich dann allerdings das zweite Sclerotom zum Atlas, das dritte zum zweiten differenzieren. Diese topo- graphische Korrelation erinnert (v. Bardeleben) an die „Sacralisierung‘‘ des letzten Lumbalwirbels; was aus einem Segment werden soll, wird durch die Stelle, die es im Körper als Ganzes einnimmt, bedingt (Bolk). Die Bedeutung der Variationen an der Schädelbasis und Atlas beim Menschen erklärt Bolk folgendermassen: Die cranio- vertebrale Grenze ist nicht eine absolut fixierte, sie schwankt um eine Norm, jedoch mit der Tendenz, sich caudalwärts zu 170 K. WEIGNER, verschieben. Fällt sie ein wenig cranialwärts, d. h. nähert sie sich der phylogenetisch älteren Grenze, dann treten in der Um- gebung des For. occip. magn. Relieferscheinungen auf, die mit Kollmann als „Manifestationen des Occipitalwirbels“ zu be- zeichnen sind. Fällt sie caudalwärts von der Norm, dann kommt es zunächst zum weiteren Abbruch des Atlas, sodann zur ein- fachen Konkreszenz desselben mit dem Occeipitale, die um so vollständiger wird, je weiter caudal von der Norm die Grenze fiel, bis es zu einer wahren Inkorporation des Atlas kommt. Ist die Grenze caudalwärts bis hinter die normale Grenze des 1. und 2. Halssegmentes vorgerückt, hat es eine metamere Um- bildung des 2. Segmentes zur Folge; der vollständig assimilierte Atlas ruft dann die Relieferscheinungen eines sich „mani- festierenden Oceipitalwirbels“ hervor. Bolk verteidigt hier seinen Standpunkt aus früherer Zeit; in einem Falle, der als ein Skelet mit einer sogen. siebten Hals- ıippe oder als ein solches mit nur sechs Halswirbeln zu deuten ist, sieht sich Bolk zur zweiten Erklärung genötigt; nach Bolk ist die Ansicht über die Konstanz der Siebenzahl der Halswirbel beim Menschen ein morphologisches Dogma, da er auf Grund seiner Untersuchungen zu der Überzeugung kam, dass die intersegmentale Grenze zwischen Oceipitale und Hals- wirbelsäule beim Menschen eine schwankende ist; das Cranium zeigt die Tendenz, ein Halssegment zu assimilieren. Kollmann beschreibt einen Fall von kongenitaler hoch- gradiger Assimilation des Atlas aus der Edinbourgher Samm- lung; Kollmann zieht auch den Fall Bolks in Betracht und bemüht sich aufs Neue, die Assimilation des Atlas zu deuten; sie ist wohl in der frühesten embryonalen Periode erfolgt und durch eine unvollkommene Anlage des 1. Rumpf- urwirbels herbeigeführt worden. Diese Reduktion hat sich offen- bar sogar auf die untere Hälfte des letzten Kopfurwirbels er- streckt, da die Condyli oceip. und ihre nächste Umgebung, Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 171 ein Derivat des „Occipitalwirbels“, fehlen. In bezug auf diese zwei Fälle, wobei der Atlas grösstenteils verschwunden ist, reicht die Drucktheorie nicht mehr aus, da sie nur im vor- gerückten fetalen Zustande wirksam sein dürfte. Es fanden hier also Störungen in der Anlage des 1. Rumpfsclerotoms statt (Bolk), nur pflichtet Kollmann nicht der Ansicht Bolks bei, dass die craniovertebrale Grenze bei den Amnioten schwankt und dass die Reduktion des Atlas bei den Primaten fortschreitet. Kollmann hält die Assimilation und Mani- festation für Variationen, in welchen sich. der Werdegang des Hinterhauptbeines bei höheren Tieren spiegelt, was aber für eine caudale Vorrückung des Schädels der Amnioten nicht beweisführend ist. Die craniovertebrale Grenze kann bei Amnioten schwanken, aber sie wird nicht caudalwärts verlegt. Für diese Auffassung spricht nach Kollmann die Mani- festation des Occipitalwirbels in seinem Falle; die Rekonstruk- tionen embryonaler Schädel von Maulwurf und einem Makaken (Fischer) und von einem menschlichen Embryo (unter der Leitung Hertwigs) berechtigen zu der Annahme, dass der nächste Umfang des For. occip. magn. aus dem Oceipitalwirbel hervorgehe. Die erwähnten Varianten erklärt Kollmann folgendermassen: Der Oceipitalwirbel, d. h. der letzte Kopf- wirbel, ging nicht völlig im Oceipitale ein, sondern machte sich mit manchen Merkmalen, z. B. mit den Resten der Proc. {rans- versi, bemerkbar; Kollmann setzt voraus, dass dieser Kopf- wirbei während der Entwickelung auffallend mit den oberen Rumpfwirbeln übereinstimmt, was durch die Erfahrung ge- stützt wird dass jeder überzählige Wirbel die Eigenschaften seiner Nachbarn wiederholt. Durch die Spuren eines hinteren Bogens des Occipitalwirbels, Incisura margin. post., Can. bası- laris med.-chordae, und vielleicht durch die Scheidewand an den inneren Öffnungen des Can. hypoglossi, wird die hypo- thetische Annahme der Manifestation des Occipitalwirbels auf- geklärt. 172 K. WEIGNER, Kollmann schildert den ganzen Vorgang folgender- massen: Der Rand des For. oceip. magn., die Cond. oceipit., die unmittelbar lateral an diese Condyli anstossenden Teile des Oceipitale rühren vom Oecipitalwirbel her; wenn dieser letzie Kopfurwirbel sich mit dem vorangehenden nicht vollständig vereinigt, begegnen wir einer Manifestation verschiedenen Grades, d. h. der embryonale Ocecipitalwirbel erscheint mehr weniger deutlich entwickelt mit vorderen und hinteren Bogen- resien, Condylus III, stark entwickelten seitlichen Abschnitten, die sich an die Cond. oceip. anschliessen und den verkümmerten Proc. transv. entsprechen. Kollmann bestreitet die Annahme Bolks über das Vor- rücken der craniovertebralen Grenze und erklärt die Assimi- lation und Manifestation als Merkmale der Variabilität der Wirbelsäule; derselbe stellt die Zeichen, durch welche die Assımilatıon von der Manifestation unterschieden werden können, fest. Bei der Manifestation sind die Cond. occip. normal ent- wickelt und formiert, da sie aus den Occipitalwirbeln ihren Ursprung nehmen; bei einer besonders hochgradigen Assimi- lation des Atlas fehlen die Cond. occip., am Hinterhauptsbeine ist bloss die Fovea artic. inf. atlantis, die von den genannten Condyli ganz verschieden ist. Diesen Unterschied in der For- mation der betreffenden Gelenkflächen betrachtet Kollmann als das Hauptkriterium zwischen der Assimilation und Mani- festation; Kollmann nimmt mit Bolk an, dass die cranio- vertebrale Grenze um eine Norm schwankt, nur geht es nichl so weit, um darin eine Tendenz zum cranialen Vorrücken zu erblicken. Nach Bolk handelt es sich nicht immer um ur- sprüngliche präcervikale Wirbel, sondern kann auch der Atlas eine Manifestation darstellen; dagegen reserviert Kollmann den Begriff einer Manifestation bloss auf das Wiederhervor- treten des Oceipitalwirbels, um Missverständnisse zu meiden, denn eine hochgradige Assimilation kann schwer von einer Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 173 Manifestation unterschieden werden. Die Interpretation Bolks ist insofern annehmbar, wenn Kollmann sich so äussert, dass das craniale, phylogenetisch ältere Vorrücken zur Mani- festation führt, wogegen die letzte Phase des caudalen Vor- rückens die totale Inkorporation des Atlas bildet. Es kann auch wolle Erhaltung des Atlas und darüber hinaus Hervor- treten des Occipitalwirbels vorkommen, also Varianten, welche die ceraniovertebrale Grenze höher oder tiefer legen. In der Umgebung des For. occip. m. kommen Proc. para- condyloidei vor; dieselben sind grössere oder kleinere Fort- sätze, welche ein- oder beidseitig zwischen dem Cond. ocecip. und der Sutura mastoidea auftreten, eine rundliche oder kegel- förmige Form bis zu einer Höhe von 1!/, cm und Dicke von 8-10 mm haben, mit dem Proc. transversus antlantis in Kontakt. treten oder sogar verwachsen. Bei der Manifestation des Occi- pitalwirbels sind sie in verschiedenem Umfange vorhanden. Kollmann hebt folgende Punkte hervor: Bei Fällen von weitgehender Assimilation findet eine mangelhafte Entwicke- lung der Ursegmente an der Schädelgrenze statt. Der Condylus tertius ist möglicherweise ein Rest des embryonal vorhandenen Cond. impar., wobei auch der Dens epistrophei beteiligt sein dürfte; das Labium for. magni anterius et posterius sind aber wohl nur Reste des Oceipitalwirbels. Der selten vorkommende Proc. paracondyloideus des Occipitale ist wahrscheinlich homo- log mit dem Proc. jugularis der Prosimier und am Menschen- schädel eine Exzessbildung des Oceipitalwirbels. Die Schädelgrenze kann bei dem Menschen variieren: 1. als Rückbildung des Atlas und Verwachsen des Rudimentes mit dem Oceiput, wodurch die Artie. atlantooceipitalis bei starken Graden der Assimilation vollkommen verschwindet, 2. als Manifestation des Oceipitalwirbels, wobei der Atlas voll- ständig intakt ist, dagegen das Oceipitale in der Umgebung des For. occip. magn. verschiedene auffallende Bildungen her- ir K. WEIGNER, vortreten lässt, die als Teile eines Wirbels gedeutet werden dürfen. Kollmann ist sich wohl bewusst, dass in der An- sicht über die Manifestation des Oceipitalwirbels noch viel Hypothetisches enthalten ist, und dass dieselbe eine tiefere Begründung begehrt, da komparativ-morphologische und em- bryologische Untersuchungen fehlen. Dwight bespricht die verschiedenen Modus der Verbin- dung des Atlas mit dem Hinterhauptsbeine (Verschmelzung, Hemiatlas, Proc. paracondyl. verwachsen mit Proc. transversus) und bringt diese Varietäten mit den Gesichtsasymmetrien in Zusammenhang. Swjetschnikow verfügte über 22 Fälle von Atlasassimi- lationen, von denen 13 noch nicht zur Darstellung gelangt sind; er bespricht näher verschiedene Varietäten am Atlas hypo- oder hyperplastischer Natur; die Varietäten der unteren Fläche des Hinterhauptsbeines stehen zu der Assimilation des Atlas in Beziehung: so der mit dem Atlas manchmal artikulierende Condylus tertius, Proc. basilares, Canalic. chordae mit seinen Ausmündungen am Clivus und vor dem Tubere. pharyngeum. Die Grössenverhältnisse der Cond. oceip. sind variierend und asymmetrisch; der Proc. jugularis wird zuweilen ziemlich lang — Proc. paracondyloideus, paramastoideus, der band-, gelenk- artig oder knöchern mit dem Proc. transv. atlantis verbunden werden kann. Auf Grund einer Beschreibung einzelner Fälle präzisiert Swjetschnikow die charakteristischen Merkmale eines assimilierten Atlas gegenüber jenen eines Oceipitalwirbels, be- sonders hebt er hervor, dass das Spatium atlantooceipitale bei kompletter Synostose des vorderen Bogens minimal ist, jedoch immer bleibt hier eine Öffnung. Der Proc. transversus unter- liegt bei der Assimilation oft der Atrophie und zwar ist immer der Proc. costarius reduziert; wie wir gesehen haben, ist dem nicht immer so. Der Proc. transversus ist oft mit dem Proc. jugularis ankylosiert. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 175 Von den Ursachen der Atlasassimilation ist die kongenitale die wichtigste; der Verwachsungsprozess der in den Schädel eingegangenen Sclerotome ergreift nach Swjetschnikow auch das Scelerotom, aus dem der Atlas hervorgeht und zwar ın der Frühperiode der embryonalen Entwicklung. Die Reduktion des Atlas weist die verschiedensten Grade auf, bis zur voll- kommenen Einbeziehung in das Os oceipitale. Aus den Schilderungen «der verschiedenen Befunde beim Menschen geht nach Swjetschnikow unstreitbar her- vor, dass es sich bei der Assimilation des Atlas lediglich um eine mangelhafte Differenzierung des obersten Halswirbels handeln kann, da derselbe wie ein jeder Übergangswirbel durch eine deutliche Variabilität gekennzeichnet ist. Swjet- schnikow betrachtet die Assimilation des Atlas als eine Varietät progressiven, die Manifestation des Oeceipitalwirbels regressiven Charakters und stimmt insofern Bolk bei, dass die eraniovertebrale Grenze oszillierend ist. Swjetschnikow erörtert näher die Ansichten über die Manifestation des Oceipitalwirbels: Es handelt sich um einen Proatlas (Cunningham), um die Manifestation des Oceipitalwirbels, um eine hochgradige Assimilation des Atlas (Bolk); gegen die Ansicht Bolks kann angeführt werden: die distalen Gelenkflächen der Massae later. stimmen der Form nach mit den Gelenkflächen der Condyli oceip. überein, wo- gegen sie bei der Atlasassimilation die runde flache Form der distalen Gelenkflächen des Atlas besitzen; bei der Atlas- assimilation ist das Spatium atlantooceipitale oder wenigstens seine Spur, das For. transversarium und der Suleus art. verte- bralis konstant. Aui die in der Literatur beschriebenen Fälle sich stützend, betrachtet Swjetschnikow den Condylus tertius als einen Teil des vorderen Bogens des Oceipitalwirbels; auch die abnormen Verhältnisse des Can. hypoglossi sprechen für 176 K. WEIGNER, die Manifestation des Occeipitalwirbels insofern, als dieser Kanal ein Komplex von Foramina intervertebralia darstellt, wobei die Scheidewände Reste der Verwachsung der Occipitalwirbel darstellen. Nach den Ergebnissen der Froriepschen Arbeiten be- wahrt der Oceipitalwirbel bei den Wiederkäuern lange seine Selbständigkeit; es muss also nach Swjetschnikow die Möglichkeit einer starken atavistischen Entwickelung dieses Wirbels beim Menschen zugelassen werden; die embryologi- schen Untersuchungen (Lachi, Chiarugi und Musumeci) bestätigen, dass im embryologischen Zustande der Occeipital- wirbel deutlich zu erkennen ist. Swjetschnikow erwähnt einen sehr selten vorkom- menden Kanal oberhalb des Condylus tertius, welchen er Canalis intraoceipitalis nennen will und den er für das Spatium atlantooceipit. ant. als homolog erklärt. Einen Überrest des Proc. transversus vom Occipitalwirbel bilden die Proc. para- condyloidei, alias paramastoidei, paraoccipitales, die sehr oft mit dem Condylus III, Canalis intraoceipitalis, Incisura margin. post. und Labia for. occip. magn. vereinigt vorkommen. Indem Swjetschnikow die Assimilation des Atlas mit der Manifestation des Ocecipitalwirbels vergleicht, macht er darauf aufmerksam, dass eine Verwechslung beider Erschei- nungen um so leichter ist, da dieselben. zufälligerweise bei der Maceration entdeckt wurden und die Halswirbel gewöhn- lich verloren gegangen sind. Swjetschnikow beschreibt einen interessanten Fall von Atlasassimilation und zugleich einer Manifestation des Oceipitalwirbels, erörtert weiter verschiedene Variationen, durch welche der Oceipitalwirbel sich manifestieren kann; hebt die Ausmündung des Canalic. chordae vor dem Tubere. pharyng., des Can. intrabasilarıs hinter denselben. Das Spatium (Can.) atlantooceip. kommt oft vor, der Can. intra- Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 177 —— basilaris ist sehr selten; darin sieht Swjetschnikow das Hauptmerkmal für die Unterscheidung der Atlasassimilation von der Manifestation des Oceipitalwirbels; fehlt oberhalb des vorderen Bogens eine Öffnung, ist dies eine Manifestation, findet man hier eine Spalte, handelt es sich um die Assimilation. Zufälligerweise gelang v. Schumacher in Besitz eines Präparates, wo die Elemente des rudimentären Oceipitalwirbels mit dem Hinterhauptsbein ligamentös verbunden waren und wo alle Weichteile in Betracht gezogen werden konnten. An die knöcherne Umrandung des For. oceip. magn. sind durch Bandmassen vier verschieden lange Knochenspangen befestigt; am vorderen Rande des Hinterhauptsloches sieht man zwei Knochenhöcker, die eine Inceisura ‚marginalis ant. begrenzen, in welcher das Lig. apicis dentis inseriert; weiter erhebt sich direkt vor dieser Ineisur am Clivus ein kielartiger Vorsprung, der zwischen die Enden der genannten Höcker reicht. Nach v. Schumachers Deutung sind die Knochenspangen Rudi- mente des hinteren Wirbelbogens und zwar möglicherweise eines vollkommen entwickelten Atlas, eines zwischen Oceipitale und Atlas interkalierten Wirbels, d. h. eines Proatlas oder eines sich manifestierenden Oceipitalwirbels;v. Schumacher entscheidet sich für die dritte Möglichkeit: die Knochenspangen sind Rudimente des hinteren Bogens des Oceipitalwirbels, die frei geblieben und parallel mit dem hinteren Bogen des Atlas sind ; wären sie mit der Umrandung des For. oceip. magn. knöchern verschmolzen, würden sie die Labia post. deutlich vorstellen. Dass dieselben die Medianebene nicht erreichen, erscheint dadurch erklärlich, dass bei der Manifestation des Ocecipital- wirbels die Inceisura margin. post. charakteristisch ist, d. h. der hintere Bogen bleibt offen, wie dies auch nicht selten am Atlas beobachtet wird. Weiter ist es wahrscheinlich, dass auch die in die Fibrocartilago basilaris ausstrahlenden Bandmassen den nicht verknöcherten Bogenresten des Oceipitalwirbels ent- Anatomische Hefte, I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 12 178 K. WEIGNER, sprechen. Nach v. Schumacher umfassen die Massae lat. des genannten Wirbels ausser den Condyli occip. noch die Proc. paracondyl. Die die Incis. margin. ant. begrenzenden Tuberc. basilarıa dürften wohl als die nicht miteinander in der Mittellinie zur knöchernen Vereinigung gelangten hypochordalen Bogen- abschnitte des Ocecipitalwirbels betrachtet werden; dies be- weisen Fälle, wo die Labia anteriora des For. occip. magn. sehr verschiedene Grade der Entwickelung erkennen lassen; ihre vorderen Enden — Tubercula, Proc. basilares, Proc. pa- pillares — verhalten sich verschieden: sie liegen entweder ziemlich weit voneinander entfernt oder fliessen in der Mittel- linie zu einem Höcker zusammen; selbstverständlich sind zwischen diesen beiden Extremen zahlreiche Übergangsformen ; nach v. Schumacher kann wenigstens eine Art von Con- dylus tertius auf Verknöcherungen im Bereiche des vorderen Bogens, der hypochordalen Spange des Occipitalwirbels, zurück- geführt werden. Die Bildung der Incis. margin. ant. erklärt v. Schumacher so, da die Grube vom Lig. apicis dentis eingenommen wird, dass die normale Knochenbildung in der unmittelbaren Umgebung der Chorda ausgeblieben ist, resp. sich Knochen nur einseitig als ein dachförmiger Knochen- vorsprung gebildet hat; somit wäre die Grube ein Rest des Canaliculus chordae. Der Körper des Occipitalwirbels — falls sich derselbe überhaupt bildet — entsteht im Bereiche der Chorda, und es wäre möglich, dass in unserem Fall der Körper- anteil nur mangelhaft oder auch gar nicht zur Ausbildung ge- langt ist, weswegen der dorsalste Anteil des Basalteiles des Occipitale defekt geblieben ist. Nach dieser Deutung müsste der mediane vordere Teil der Umrandung des Hinterhauptsloches dem Körper des Oceipital- wirbels zugerechnet werden, während die Tubere. basilaria als Reste des vorderen Bogens zu betrachten wären. Allerdings Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 179 fehlen nach v. Schumacher zurzeit noch entwickelungs- geschichtliche Angaben, ob oder inwieweit der Körper des Oceipitalwirbels Anteil nimmt an der Bildung der Pars basilaris des Hinterhauptsbeines des Menschen; aus den embryologi- schen Untersuchungen Frorieps und Weiss’ ist hervor- gegangen, dass der Körper des Ocecipitalwirbels bei verschie- denen Säugergruppen verschieden sich verhalten kann. Nach v. Schumacher gehört sein Fall unter die Mani- festationen des Occipitalwirbels; es handelt sich also um eine regressive, um so bemerkenswertere Erscheinung, da sich selb- ständige Anteile des Bogens, mit dem Oceipitale durch Band- massen verbunden, erhielten. Schwertz beschreibt fünf Fälle von Manifestationen des Oceipitalwirbels und einen Fall von Assimilation des Atlas. Auf Grund mehrerer Präparate entschied sich Ganfini für die Ansicht (Lachi, Chiarugi), dass die Proc. basilares Reste eines Arcus hypochordalis oceipitalis vorstellen; wenn dieser Bogen des Occipitalwirbels erscheinen und als Con- dylus III oder als Proc. basilares sich individualisieren kann, sind diese abnormen Gebilde am Oceiput unabhängig. Die Arbeiten Giuffrida-Rugieris, Dıxons, Hrd- li@ka enthalten Beschreibungen von beiden Varianten in der Umgebung des For. occip. magn., die uns hier interessieren. Die Deutung Inhelders, dass die von ihm dorsal vom For. oceip. magn. beobachtete Schuppennaht einer Wirbel- neuraponeurose entspricht, dass dieselbe ein Rest des in den Schädel einverleibten Atlas ist, ist kaum annehmbar; man könnte hier eher an eine abnorme Erhaltung der Grenze oder Verknöcherung der das For. occip. magn. umgrenzenden Knorpelpartien denken. Erna Glaesmer beschreibt einen Fall von Synostosis atlantooceipitalis mit besonders entwickelter medialer Portion des M. rectus capitis post. major. Die Ursachen dieser 12* 180 K. WEIGNER, Synostosen sind pathologische und morphologische; bei diesen kommen das caudale Vorrücken der Schädelgrenze und zufällige Variationen, die den Werdegang des Hinterhauptsbeines an- deuten, in Betracht. Nach Glaesmer beweisen die Verhält- nisse der Muskulatur eine organofunktionelle Beziehung, die Natur trägt hier die Funktion des Atlantooceipitalgelenkes auf das atlantoepistropheale Gelenk über, wodurch die Funktion des ersten Gelenkes ausser Kraft gesetzt und auf das zweite, beziehungsweise auf die ganze Halswirbelsäule übertragen wird; das atlantooceipitale Gelenk verfällt einer Inaktivität und es ist nicht die Umwandlung des Atlas in den Epistropheus nötig; Glaesmer verwirft die Theorie Bolks. V. Zusammenfassung der Resultate. Im Einklang mit den Arbeiten Frorieps kann man auch beim Menschen den Beweis erbringen, dass in der ersten An- lage der Occipitalgegend die Spur der Zusammensetzung aus einzelnen Wirbeln angedeutet ist, nicht aber so bestimmt, wie bei den Wiederkäuern; Froriep formuliert seine Ansicht durch den Satz: „Einen in gleicher Höhe mit dem Zwischen- raum zwischen zwei segmentalen Nerven gelegenen Abschnitt eines ungegliederten, aus perichordalem Mesoblastgewebe be- stehenden Achsenskeletes darf man Wirbel nennen.“ Der spinale Teil des Schädels repräsentiert höchstwahrscheinlich den vertebralen Anteil desselben, indem er durch die onto- und phylogenetisch caudal fortschreitende Umbildung der Wirbelanlagen zugleich mit der Reduktion der vordersten cranialen Anlagen zustande kommt. Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 151 Im Bereiche der ersten zwei Hypoglossuswurzeln finden wir beim Menschen keine deutliche Segmentation, dagegen ist die letzte und zugleich stärkste Wurzel durch den primitiven Wirbelbogen abgeteilt; proximalwärts befindet sich Frorieps scheinbar ungegliederter Abschnitt der Occipitalregion. Wie sich der primitive Zustand in die Übergangsperiode, sowie diese in die detailen Verhältnisse des definitiven Zustandes um- wandelt, konnte an der unvollständigen Serie der menschlichen Embryonen und an mehr weniger quer geführten Schnitten. nicht so eruiert werden, um auf Grund dessen ein so voll- ständiges und durch alle Fasen des Entwickelungsganges be- legtes Bild konstruieren zu können, wie das Weiss beı der weissen Ratte tut; die erzielten Resultate können doch zur Beleuchtung mancher, gewöhnlich zufälligerweise in den defini- tiven Zuständen sichergestellten Resultate der Manifestation des Oceipitalwirbels beitragen und zwar mit Bezug auf die Ontogenese, was nach der Anmerkung v. Schumachers bisher nicht geschehen ist. An den Bogenmassen des Ocecipitalwirbels und des Atlas bemerkt man lateral hervorgehende Fortsätze, die bei beiden Wirbeln sehr ähnlich sind und die Anlage der Querfortsätze bilden; diese durch eine dichte Mesenchymschicht verbundenen Massen bilden am Oceipitalwirbel die Anlage der Condyli occi- pitales, wobei an der unteren Fläche der occipitalen Knorpel- anlage zwei Höcker sich erhalten, die durch die hypochordale Spange in Verbindung stehen; analog legen sich die Massae lat. atlantıs an. In dem verdichteten Mesenchym treten dorsal von der Chorda dors. die bilateralen Knorpelcentren für das Corpus atlantis und epistrophei, am Anfang isoliert, auf; später ver- schmelzen beide, einem Wirbel angehörenden Centren zu einem einheitlichen Knorpel, durch welchen die Chorda dors. in der proximodistalen Richtung schief dorsal verläuft; später tritt 182 K. WEIGNER, die Anlage für den Atlaskörper mit der des Epistropheuskörpers in Verbindung; die zwischen beiden Wirbeln ursprünglich breite Spalte gewinnt nachher eine ellipsoide Form und wird endlich zu einer Bindegewebsschicht reduziert; es gelingt auch in späteren Stadien, die Grenze zwischen beiden Wirbeln zu be- stimmen, und zwar nach dem histologischen Bilde und den äusseren Furchen. Zwischen dem Oeceipitalknorpel, der in seinem distalen Anteile aus den Bogenmassen des Occipitalwirbels und seiner hypochordalen Spange seinen Ursprung nimmt, und der Anlage für den Atlaskörper sehen wir etwas später als diesen die wieder bilaterale Knorpelanlage für den Körper des Occi- pitalwirbels. Für die Beurteilung der entwickelungs- geschichtlichen Verhältnisse dieser Gegend erachte ich als massgebend, dass in dem verdichteten Mesenchym in einer be- stimmten zeitlichen Folge die Körper der Halswirbeln und des Oceipitalwirbels angelegt werden; die Chorda dorsalis ist von diesen Anlagen stets ventral gelegen, erst in späteren Stadien gelangt dieselbe in die verschmolzenen knorpeligen Anlagen der Wirbelkörper. Dieser Umstand schliesst schon an und für sich jede Beteiligung des Körpers des Occipitalwirbels an der Bildung des Occipitalknorpels, resp. des ventralen Umrandes des For. occip. magn., der vom Anfang ventral von der Chorda gelegen ist, aus. Die Anlage des Occipitalwirbelkörpers ver- wächst sehr frühzeitig mit dem Atlaskörper, obzwar die Form- verhältnisse und besonders die histologische Struktur recht lange eine deutliche Abgrenzung zulassen. Diese Befunde sprechen dafür, dass der Corpus des definitiven Epi- stropheus mit seinem Zahnfortsatze aus drei Wirbelkörpern sich entwickelte: des Occipital- wirbels, des Atlas und des Epistropheus, wobei an der Bildung des Dens epistrophei die beiden ersten Wirbel - der Occipitalwirbelkörper und der proximale Teil des Atlas- körpers — beteiligt sind. Es werden also beim Men- schen zur Schädelbildung nur die Bogenmassen des Oceipitalwirbels herangezogen, wogegen sein Körper dem Atlaskörper sich anschliesst. Diese Befunde kann man nicht mit den Angaben Hagens und Levis in Einklang bringen, dieselben entsprechen im ganzen den von Weiss bei der weissen Ratte beschriebenen Ver- hältnissen. Nach Hagen wird jetzt allgemein die Anschauung ange- nommen, dass der Dens epistrophei aus den Körperanlagen des 1. und 2. Halswirbels gebildet wird, wobei man sich be- sonders auf die Tatsache stützt, dass die Chorda durch den Zahnfortsatz hindurchgeht; auch treten hier zwei übereinander liegende Verknöcherungscentren auf. Im Bereiche des Atlas und Epistropheus beginnt die Knorpelbildung so, dass von den Urwirbeln sich zwischen Chorda und den Ursegmenten die Mesenchymmassen ausspannen; dann treten sowohl im Atlas- als im Epistropheusgebiete bilaterale Centren auf, die ihrer Grösse nach von den Centren der übrigen Halswirbeln nicht abweichen. Die bilateralen Knorpelcentren verwachsen nicht sofort; zu keiner Zeit kann man im Atlas- oder Epistropheus- gebiete einen einheitlichen Körper wie bei den übrigen Wirbeln unterscheiden. Dagegen verwachsen die bilateralen Anlagen des Epıi- stropheus mit den entsprechenden des Atlas von der Seite her, während die Trennungsschicht in der Medianebene noch er- halten bleibt; es folgt daraus, dass der Dens epistrophei aus dem Gebiete des Epistropheuskörpers und einem damit ver- wachsenen Teile des Atlaskörpers entstanden ist. Die Condyli oceip. bilden den Hauptanteil des Oceipital- knorpels; sie sind oberhalb der Massae later. atlantis gelegen; in dem vorknorpeligen Stadium befinden sich an dieser Stelle die bilateralen Knorpelcentren. Bei einem 17 mm langen 184 K. WEIGNER, Embryo haben die Cond. oceip. nach Hagen ihre definitive Form und artikulieren in ausgedehnter Weise mit dem Atlas. In bezug auf die ungenügenden Kenntnisse über die Ent- wickelung des Chondrocraniums bei den Säugern rekonstruierte Levi das Chondrocranium bei vier menschlichen Embryonen (13, 14, 17 und 18 mm); aus seiner umfangreichen Arbeit sei hervorgehoben: Die Entwickelung der Oeccipitalregion besitzt viele Ähnlichkeiten mit der Entwickelung der Wirbelsäule; es wird hier deutlich der Oceipitalwirbel paarigen Ursprungs und ein eranialer Abschnitt angelegt, der zwar bestimmte Merk- male einer Wirbelentwickelung darbietet, nun aber, wie es scheint, aus der Verschmelzung von einigen Wirbelanlagen ent- standen ist. Die Occipitalregion weist in den Anfangsstadien ihrer Entwickelung dieselben Beziehungen zur Chorda dors. auf wie die Wirbelsäule. Die Condyli occipitales, die am defini- tiven Schädel viel ausgedehnter sind als am knorpligen, nehmen ihren Ursprung von dem caudalen Teil der Mittelpartie, von dem Körper des Occipitalwirbels; sollte sich diese Annahme be- stätigen, würde dann die Pars basilaris dem ungegliederten Abschnitt des embryonalen Schädels entsprechen. Die an der äusseren Seite der Portio later. stark prominierende Querleiste entsteht aus dem Bogen des Oceipitalwirbels und gibt Ursprung dem Proc. jugularis. Durch diese Befunde erfährt der Satz Frorieps seine Bestätigung, dass die Oceipitalregion beim Menschen den wahren spinalen Anteil des Schädels vorstellt. In einer neueren Arbeit studierte Levi die Frage über die Entwickelung der Occipitalregion vergleichend-anatomisch, um die in dieser Gegend vorkommenden Variationen zu er- klären. Von seinen Untersuchungen am menschlichen Material ist ersichtlich, dass bei einem 13,5 mm langen Embryo in der Höhe des ersten Cervikalnerven, zwischen dem Bogen des ersten Wirbels und der Oceipitalanlage sich eine Zone befindet, die die Chorda dorsalis umschliesst und ohne Grenze bis zur Occi- Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 185 pitalanlage zieht, von der aber der Bogen des ersten Wirbels gut abgegrenzt ist. Die Oceipitalplatte wird durch zwei zu beiden Seiten der Chorda gelegenen Anlagen gebildet, die eine ähnliche Struktur aufweisen wie die Körper der Cervikalwirbel, die noch nicht knorpelig sind. An der ventralen Seite dieser Anlagen befindet sich die hypochordale Spange. Der Occipital- bogen ist angelegt, die Körperanlagen dieses Wirbels, die mehr weniger rudimentär sind, verschmelzen zu einer einheitlichen Masse, die zur Hauptanlage der Occipitalplatte wird. Bei einem 25 mm langen Embryo reicht der Dens epistrophei bis zur Ebene der Oceipitalplatte, ist aber mit derselben nicht im Kontakt. Nach Levi scheint es bewiesen zu sein, dass bei vielen Species der caudale Teil der Occipitalanlage, präziser ein Teil des Occipitalwirbelkörpers dem Zahnfortsatze des Epi- stropheus inkorporiert wird. Obzwar die Arbeiten Weiss’ und Gaupps sich nicht mit menschlichen Embryonen befassen, verdienen ihre Ergebnisse hier angeführt zu werden. Weiss untersuchte die Entwickelung der Occipitalgegend an einer vollständigen Serie von Embryonen der weissen Ratte und fand, dass im Bereiche zwischen der Atlas- und Oceiput- anlage es aus der Perichordalschicht zur Entwickelung der Anlage des rudimentären postoceipitalen Wirbelkörpers kommt, der knorpelig wird, mit dem Atlaskörper verwächst und die Spitze des Dens epistrophei bildet; diese Anlage kann als Rudi- ment des Proatlases oder als rudimentärer Oceipitalwirbel- körper betrachtet werden. Was die Anlage des Occipitalwirbels anbelangt, entwickelt sich hier der hypochordale Bogen ohne Wirbelkörper und wird in den Schädel einbezogen. Nach Gaupp entsteht der knorpelige Atlas bei Echidna wie bei anderen Säugern durch die Verschmelzung der beiden aufsteigenden Teile des ersten primitiven Wirbelbogens mit der hypochordalen Spange, die von zwei Centren verknorpelt; 186 K. WEIGNER, im Bindegewebestadium kann man die Anlage eines Rippen- rudiments das später vollkmmeno eingeht, sicherstellen. Der Dens epistrophei schliesst nicht nur den ersten Wirbelkörper, sondern auch das vor ihm gelegene, vielleicht auch das der Schädelbasisanlage angehörende Material ein. Der Epistropheus- zahn ist bei den Amnioten wahrscheinlich nicht überall gleich potent, seine bis an die Schädelbasis reichende Ausdehnung stellt das ursprünglichere Verhalten dar, welches bei vielen Sauropsiden und Säugern eine Reduktion erfahren hat. Der Epistropheuszahn der Amnioten und das Lig. apicis dentis stellt das vorderste reduzierte Ende der Wirbelsäule, in welchem eine noch grössere Anzahl von Wirbelkörpern einbezogen ist und zwar von Körpern solcher Wirbeln, deren übrige Anteile — die Bögen, die hypochordalen Spangen — bei der Bildung der oceipitalen Schädelgegend in Anspruch genommen wurden; verschiedene Befunde sprechen dafür, dass im Dens neben dem Körper des ersten spinalen noch der Körper wenigstens eines Occipitalwirbels einbezogen ist. Es ist interessant, dass bei den oben näher beschriebenen Stadien die Spitze des Epistropheuszahnes weit proximalwärts in das For. oceipit. magnum hineinragt; die ventral schiefe Fläche der Epistropheusspitze artikuliert mit dem runden knorpeligen Rande des Hinterhauptloches; diese Gelenkspalte hängt manchmal bis mit der Gelenkhöhle zwischen dem vor- deren Atlasbogen und Dens und räumt später den Platz einem lockeren Bindegewebe, wenn der Epistropheuszahn distalwärts sich befindet. Diese eigentümliche, von den definitiven Ver- hältnissen abweichende Lage des Zahnfortsatzes im Hinblick auf den Oceipitalknorpel liesse sich durch die grosse ventrale Kopfneigung erklären. Aus den bei Feten und an Kinderschädeln, die [risch präpariert oder maceriert waren, gemachten Befunden folgt, dass schon in diesen Stadien die Atlasassimilatıon Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os oceip. b. Menschen. 137 und die Manifestation des Occipitalwirbelsvor- kommt, und zwar in der Form des verwachsenen Hemiatlas, resp. der deutlich ausgeprägten knorpeligen, mit den Proc. transversi atlantis artikulierten, wie auch kaum angedeuteten Proc. paracondyloidei; in der mir zugänglichen Literatur fand ich solche Fälle bei Neugeborenen nicht beschrieben. Der Can. hypoglossi kann in solchen Stadien eine bindegewebige oder knöcherne Scheidewand besitzen. Was das For. oceipit. magn. anbelangt, können manche in den definitiven Verhältnissen vorkommenden Varietäten aus dem Verhalten der dreieckigen, zwischen das Occipitale lat. und Squama oceipit. eingeschalteten Knorpelplatten zu dem dorsalen Rande des Hinterhauptsloches erklärt werden; die diesem Rande ansitzenden Höcker befinden sich in verschie- dener, an beiden Seiten oft ungleichen Entfernung von der Mittellinie und bilden möglicherweise den Rest der Verschmel- zung des Occipitale lat. und der Hinterhauptsschuppe an der Stelle der verschwindenden Knorpelplatten; wenn diese Knorpeln mit ihren Rändern die Medianebene erreichen und in einem scharfen Winkel zusammentreffen, ist dadurch die Mög- lichkeit zur Bildung eines Einschnittes am sonst glatten hinteren Rande des For. oceipit. magn. geschaffen. Diese Verhältnisse könnte man zur Erklärung der Existenz des dorsalen Oceipital- bogens heranziehen, indem an der Bildung dieses Bogens der mediale glatte Rand, der lateral durch eine Furche begrenzt wird, und die genannten Knorpelplatten, welche dem mittleren knorpeligen Teile des dorsalen Atlasbogens analog sind, Anteil nehmen. Die ausgesprochenen, an macerierten Präparaten sicher- gestellten Befunde können in drei Kategorien gruppiert werden: a) Die Assimilation des Atlas tritt als eine Er- scheinung der ungenügenden Differenzierung des ersten Cer- vikalwirbels gewöhnlich in verschiedener Intensität hervor, 188 K. WEIGNER, wobei die Lage des Atlas durch Verschiebung oder Drehung geändert werden kann; im Einklang mit der Ansicht Bolks erscheint der Atlas einfach mit dem Hinterhauptsbeine ver- klebt; es handelt sich in der Regel um eine Verwachsung der Atlantooccipitalgelenke und der Atlasbögen mit dem Rande des For. oceipit. magnum. Nicht selten nehmen die distalen (elenkflächen des Atlas nicht die gleiche Frontal- und Hori- zontalebene ein, ihre Neigung ist mehr weniger schief. Von unseren Fällen sind jene bemerkenswert, an welchen bei der Verwachsung auch der Querfortsätze des Atlas mit der Unter- fläche des Os occipitale die zu einer breiten Lamelle ver- grösserten Proc. costariiı mit dem Rande des For. jugul. ver- schmolzen sind, und zwar ein- wie beiderseitig; dies stimmt mit der Angabe Swjetschnikoffs nicht, dass die Proc. costarii bei der Atlasassimilation immer reduziert sind. Der dorsale Atlasbogen ist bei der Assimilation oft defekt. Die letzte Phase der Atlasassimilation ist seine Inkorporation in das Hinterhauptsbein, die vollständig ist oder eine Hälfte (Hemi- atlas) betrifft; dabei sind die Anteile der Occipitalgelenke ver- schwunden, der vordere und hintere Atlasbogen verstärkt den Rand des For. occip. magn. Die Angabe Swjetschnikoffs muss als zutreffend bezeichnet werden, dass bei der Atlas- assimilation immer der Rest des Spatium atlantooceipitale in der Form einer engen Spalte oder bloss einer runden Öffnung erhalten bleibt. b) Die Manifestation des Ocecipitalwirbels, bei der die Spuren eines embryonal angelegten Oceipitalwirbels zum Vorschein kommen, bekundet sich des öfteren durch die Eintwickelung der Proc. paracondyloidei, die ein- oder beid- seitig sind; diese Vorsprünge stehen in bindegewebiger, ge- lenkiger oder synostotischer Verbindung mit den analogischen Vorsprüngen an den Querfortsätzen des Atlas; weiter kommen die Proc. basilares zur Geltung, die zu einem einheitlichen Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 189 Condylus tertius verschmelzen können. Oft kommt die Teilung des Can. hypoglossi vor. Die dem Spatium atlantooceipitale entsprechende Spalte zwischem dem Oceipitalwirbel und dem ungegliederten Abschnitte des Basioceipitale befindet sich dor- sal vom Tuberc. pharyngeum und ist sehr selten (Swjet- schnikoff); in unseren Fällen wurde einmal ihre sichere Spur an der Basis des Condylus tertius sichergestellt. Der dorsale Occipitalbogen gibt sich an dem Rande des Hinterhaupt- loches als Labia post. kund. c) Die Atlasassimilation kann zugleich mit dem Manifestation, des vOceıipıtalwirbels auT- treten; die Assimilation wird durch eine analoge Verwach- sung wie in reinen Fällen sub a) realisiert, wobei zugleich eine Reduktion des Atlas zustande kommt; die Manifestation erblickt man in der Bildung der Proc. paracondyloidei, die frei oder mit den übereinstimmenden Vorsprüngen an den Quer- fortsätzen des Atlas verwachsen sind. Aus der Statistik der systematisch untersuchten Fälle folgt: 1. Das For. occipitale magn. zeigt auffallende indi- viduelle Variationen, was die Form, Grösse und seine nächste Umgebung anbelangt; so kann sein Rand verdickt oder sehr dünn sein; der dorsale Rand ist mit verstärkenden Höckern oder rauhen Feldern versehen, die in gleicher oder ungleicher Entfernung von der Medianebene stehen; in der Mitte, manch- mal auch zur Seite verschoben, befindet sich wann und dann die Incisura margin. post. Die Form des Hinterhauptsloches kann oval rund, abgerundet viereckig sein, der ventrale Teil wird durch die prominierenden Condyli occipit. eingeengt, bei ungleicher oder einseitiger Prominenz ist derselbe asymmetrisch ; der Gelenkshöcker ragt in das For. occıpit. magn. mit seinem vorderen, mittleren oder hinteren Teile vor. Das For. occip. magn. ist auch dann asymmetrisch, wenn eine Hälfte breiter oder der Rand einseitig stärker ausgeschnitten ist. 190 K. WEIGNER, 2. Dass der Canalishypoglossi ein Konglomerat von Foramina intervertebralia vorstellt, dies beweisen seine binde- gewebigen oder knöchernen Scheidewände. Der Can. hypoglossi sin. war in 59 Fällen einheitlich, in 17 unvollständig, in 21 vollständig geteilt; analog war der rechte in 60 Fällen ein- heitlich, in 15 unvollkommen und in 21 Fällen vollkommen ge- teilt; das beiderseitige Verhältnis ıst sehr varıabel. Es kommt also die Verdoppelung des genannten Kanals ca. in 24%, eine Scheidung überhaupt in 37% vor (nach Poirier, Traite d’ana- (omie humaine, ca. in 15%). Ist der Can. hypoglossi geteilt, so handelt es sich gewöhnlich um einen kleineren proximo- ventralen und einen grösseren distodorsalen Kanal, was damit im Einklang steht, dass die Hypoglossuswurzeln in «distaler Richtung an Stärke zunehmen; die distale Wurzel ist die mäch- tigste; in zwei Fällen kam es vor, dass der distale Kanal kleiner war als der proximale. In dem grösseren Kanal kann noch ein kleiner unbedeutender Kanal abgespaltet werden, so dass eine jede von den gewöhnlich zu drei vorkommenden Wurzeln einen selbständigen Durchtritt besitzt. Der ventrale Teil des Can. hypoglossi pflegt manchmal zu einer engen Spalte ausgezogen zu sein, was vielleicht ein Zeichen zur Bildung eines selb- ständigen Kanälchens ist. Wie angeführt, kommt neben der knöchernen Scheidewand auch eine bindegewebige vor, die man als den letzten Rest einer Scheidewand überhaupt betrachten kann. Der Canalis condyloideus setzt sich manchmal mit dem Can. hypoglossi in Verbindung und dieser mit dem For. jugulare, so dass der Can. hypoglossi als eine venöse Bahn zur Ableitung des Blutes aus der Schädelhöhle benützt wird; in einem Falle war der Can. condyloideus durch mehrere mit dem Can. hypoglossi verbundene Kanälchen vertreten. 3. Die Condyli oceipitales variieren bedeutend in ihrer Form, Grösse und gegenseitigen Ausdehnungsverhält- Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 191 nissen; neben der typischen treffen wir olt eine Form, die mitten geschmälert und hier mit einer mehr weniger breiten rauhen Kante versehen ist; umgekehrt pflegt die Gelenkfläche gerade in der Mitte am breitesten zu sein. Es gestalten sich zahlreiche Übergänge von den hohen, stark konvexen Gelenk- höckern in die fast ganz flachen, geradeso von der elliptischen Form zur ovalen, mit dem schmäleren Ende ventral oder dorsal gerichteten zur runden und abgerundet dreieckigen Form; mit der Höhe stimmt der verschiedene Grad der lateromedialen Neigung der Gelenkfläche überein. Diese Variationen betreffen verschiedene Individuen; nun aber können die Verhältnisse auch an demselben Schädel, wie bein Can. hypoglossi, an beiden sehr differieren. Der eine Condylus ist oft länger als der andere, besonders ist für dieses Verhältnis die stärkere Entwickelung des Proc. paracondylo- ideus massgebend. Der dorsale Teil des Gelenkhöckers ist nicht selten ausgehöhlt und an den Rändern wallartig aufgerollt, Von den ventralen Enden der Cond. oceipit. ziehen in der Richtung zum Tubere. pharyng. mehr weniger scharf ausge- prägte Kanten, die in der Nähe der Medianebene in den Pir.o'e basilares ihr Ende nehmen; diese Vorsprünge können zu einem einheitlichen Condylus tertius zusammenfliessen (siehe sub b). Die erwähnten Kanten sind keine besondere Selten- heit, wogegen die genannten Vorsprünge und der Condylus III selten vorkommen. Vergleichen wir diese Verhältnisse mit jenen oben bei der Entwickelung der Oceipitalgegend beschriebenen, entspricht der Condylus III einem Teile des primitiven Ocecipital- wirbels und zwar einem vorderen Teile der Bogenmasse, resp. der hypochordalen Spange. 4. Canaliculus chordae besteht als eine einfache Grube oder als ein kurzes oder auch 6—15 mm langes Kanäl- chen, dessen Anfang verschieden weit vom ventralen Rande des Hinterhauptloches entfernt ist (siehe Perna); je dünner 192 K. WEIGNER, dieser Rand ist, desto seltener ist dıe Persistenz des Canalic. chordae; es kann auch die proximalere Ausmündung dieses Kanälchens am Clivus und an der Unterfläche der Schädelbasis vor dem Tuberec. pharyng. sichtbar sein. In einem Falle ent- wickelte sich (vielleicht auf Grund einer perichondralen Ossi- fikation) am Clivus an der Stelle der Ausmündung ein knöcherner Vorsprung. 5. Wie oben näher auseinandergesetzt wurde, bestimmt Bolk am Atlas eine ganze Reihe von Merkmalen, die auf eine Reduktion hindeuten; die Variationen des atavistischen Schlages bestehen darin, dass die dorsale und seltener laterale Spange vorkommt, die den Sulc. art. vertebralis in einen Canalis umbilden; das Aussehen dieser Spangen ist verschieden: es handelt sich um bindegewebige Stränge, mehr weniger ent- wickelte knöcherne Vorsprünge, die im frischen Zustande bande- gewebig zusammenhängen und endlich um verschieden starke und breite Knochenspangen; die progressive Tendenz zeigt Variationen, die den Proc. costarius treffen, welcher durch einen bindegewebigen Zug vertreten ist oder sogar fehlt; hierher gehören auch die Defekte des hinteren Bogens. Die Annahme v. Bardelebens, ob die Reduktion des hinteren Bogens von. der Reduktion des ganzen Wirbels nicht unabhängig sein könnte, bekräftigt nach meiner Ansicht der Fall, wo der dorsale Bogen klafft, zugleich aber die dorsale Spange entwickelt sein kann. \ Eine besondere Aufmerksamkeit verdienen Fälle von Assimilation des Atlas mit gleichzeitigen Merkmalen der Mani- festation des Ocecipitalwirbels; vom Standpunkte Bolks, dass die craniovertebrale Grenze im caudalen Vorrücken begriffen ist, lassen sich dieselben schwer erklären. In der Manifestation des Oceipitalwirbels liegen uns verschieden abgestufte Grade der phylogenetisch älteren Grenze vor; in der Atlasassimilation, in seiner endgültigen Inkorporation in das Os oceipitale, müssen Über d. Assimilation d. Atlas u. Variationen am Os occip. b. Menschen. 193 wir eine prospektive Potenz sehen, die darauf hinzielt, die craniovertebrale Grenze zwischen das 1. und 2. Halssegment zu verschieben; wohin soll man die für sich allein bestehende Verwachsung des Epistropheus mit dem 3. Halswirbel ein- reihen? Wenn Fälle mit pro- und regressiven Variationen zu- gleich vorkommen, können diese in ihrer Intensität sehr schwer auseinander gehalten und in der Hinsicht beurteilt werden, inwiefern sie sich gegenseitig beeinflussen und welche Erschei- nung bestimmter zur Geltung kommt. Es ist also bloss der Schluss zulässig, dass hier Varia- tionen der Schädelgrenze beim Menschen be- stehen, die durch die Reduktion des Atlas oder die Mani- festation des Occipitalwirbels zustande kommen. Die hypothetische Annahme Kollmanns von der Existenz des Occipitalwirbels wird durch die embryologischen Untersuchungen unter- stützt: der primitive Occipitalwirbel wird beim Menschen angelegt und seine Derivate mani- festieren sich in verschiedener Weise in den definitiven Zuständenin der Umgebung desFor. occeipit. magnum. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. 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PT RE hi hi nm ST: re Vıu ma 35 3 4 Bere a Unter den Hauptproblemen der gegenwärtigen Biologie nimmt die Frage über die Centrosomen eine ganz eigentümliche Stellung ein. Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass seit der Entdeckung dieser Gebilde durch van Beneden (1876) in den sich teilenden Zellen diese Frage nie die Tages- ordnung verliess und stets die Aufmerksamkeit der Spezial- forscher auf sich zu lenken wusste. Dabei wurde das Studium über die Centrosomen gleichzeitig in zwei verschiedene Rich- tungen geleitet: einerseits suchte man sie zu entdecken und entdeckte sie tatsächlich in verschiedenen ruhenden Zellen bei verschiedenen Tierarten, andererseits strebte man dem Schick- sal dieser Körperchen bei der Vermehrung der Zellenelemente nachzuforschen. Diese zahlreichen Beobachtungen stellten die Lehre fest, mit welcher Th. Boveri etwa 10 Jahre später (1887) für mög- lich hielt hervorzutreten und die er folgendermassen formu- lierte: „Das Centrosoma ist ein selbständiges und dauerndes Zellenorgan, das sich gerade wie die chromatischen Elemente durch Teilung auf die Tochterzellen vererbt. Das Centrosoma ist das eigentliche Teilungsorgan der Zelle, es vermittelt die Kern- und Zellteilung.“ !) Der vorliegende Aufsatz, der durch Beobachtungen über achromatische und zum Teil chromatische Figuren ergänzt ist, stellt einen Bericht dar, welcher vom Verfasser am Anfang vorigen Jahres auf der XII. Versammlung russischer Naturforscher und Ärzte in Moskau vorgetragen wurde. 200 S. TSCHASSOWNIKOW, Die nachfolgenden eingehenderen Untersuchungen (Bo- veri [1895] u. a.) haben bewiesen, dass die Centrosomen, welche sich gewöhnlich in Form feiner Körnchen kundgeben, in denjenigen Fällen, wo sie ein etwas grösseres Kaliber er- reichen, dann gewisse Differenzierungen zeigen, aus welchen man als ziemlich beständig und deswegen ganz beachtens- wert ersehen dürfte, dass in jedem Centrosoma ein minimaler Punkt oder Centriol vorhanden ist. Nach Boveri zerfalle das Centriol analog dem Centrosoma, aber zeitlich früher, in zwei gleiche Hälften und stelle das Centrum für das Centrosoma dar, ebensc wie letzteres das Centrum der ganzen Zelle repräsentiert. Kurz darauf wurde von Boveri und nach ihm von anderen Histologen noch auf die Tatsache hingewiesen, dass die im ruhenden Zustande der Zellen räumlich ganz unbedeutenden Centrosomen bei der Karyokinese sich sehr vergrössern, um in der zweiten Hälfte des genannten Prozesses sich wieder etwas zu verkleinern und bei dem Übergang in die Tochterezllen einer wesentlichen Reduktion zu verfallen. Die tiefdurchdachte und durch Tatsachen gestützte Lehre Boveris hielt sich in der Wissenschaft unberührt verhält- nismässig lange und setzte sich erst in den letzten Jahren Angriffen aus, die sie aus zwei ganz verschiedenen (resichts- punkten trafen: physiologischen und morphologischen. In erster Hinsicht haben zweifellos eine grosse Rolle die Untersuchungen mit der künstlichen Befruchtung der Eier gespielt, die von Morgan, Wilson, Kostanecki u. a. ausgeführt wurden, — Untersuchungen, durch welche festgestellt wurde, dass die Zellteilung auch ohne sichtbare dynamische Centren vor sich gehen kann und dass die letzteren in den Zellenelementen de novo zu entstehen vermögen. Ohne uns auf eine eingehende Analyse der betreffenden Ergebnisse einzulassen, wollen wir nebenbei bemerken, dass es diesen Experimenten dennoch nicht Tafel 5/6. _o a) (0) LTE es... o Anatom. Hefte. 1.Abt. 135. Heft (45. Bd.H.D. = LitkAnstvKWesser,lena Verlag von J.F.Bergmann - Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 201 gelungen ist, die Bedeutung der Centrosomen als Zellenorgane zu erschüttern. Was die histologische Bearbeitung der Frage anbetrifit, so haben hier eine besonders grosse Bedeutung die Untersuchungen von Vejdowsky und Mrazek über die Befruchtung und Furchung der Eier eines Gliederwurmes (Rhynchelmis) erlangt. Aus den Ergebnissen dieser Forschungen sei folgendes hervor- gehoben: Das Protoplasma der Zelle hat in allen seinen Ab- schnitten einen schaumigen Bau, wobei die sich bildenden Alveolen in gewissen Stadien der Teilung sich in die Länge strecken, in Reihen ordnen und in Form von Radialstrahlen zu den Centriolen wenden, indem sie denselben Plasmaströme zuführen. Um jedes Centriol bildet sich dank diesem Prozesse eine kleine sphärische Anhäufung aus, welche aus feinen Körn- chen besteht, die nachher aufquellen und sich in Alveolen um- wandeln. Auf solche Weise entstehen Boveris ÜCentrosamen, die einen schaumigen Bau besitzen und die infolge der Ab- lagerung eines neuen Bildungsmaterials auf ihrer Peripherie, neuer Alveolen, allmählich sich im Umfang vergrössern und in den Anaphasen der Mitose, d. h. von der Zweiteilung jedes Centriols, die allergrösste Entwickelung erreichen. Zu dieser Zeit entstehen um jedes Tochtercentriol Radialstrahlen, an- fangs kurze, die sich nachher verlängern und das alte Centro- soma zur Peripherie verschieben; indem sie zu den Centriolen die plasmatische Masse zuleiten, führen sie rings um die Can- triolen zur Bildung neuer Centrosomen, welche anfangs klein und feinkörnig sind, später gröber und alveolär werden. Der oben genannte Vorgang wiederholt sich im Laufe eines Teilungseyklus, nämlich vom Beginn der Befruchtung des Eies bis zur Ausbildung der ersten Furchungsspindel dreimal, von da bis zur Entstehung der nächsten gleichen Figur abermals dreimal und somit reduziert sich das Centrosoma trotz B9- veris Lehre nicht einmal, sondern zweimal. Diese Tatsachen 202 S. TSCHASSOWNIKOW, veranlassten Vejdowsky und Mrazek, sich in der Rich- tung auszusprechen, dass zünächst das Boverische Centro- soma keineswegs ein selbständiges und persistierendes Zellen- organ darstellt, sondern dass es periodisch aufs neue und dabei immer endogen innerhalb des alten Centrosoma entsteht, und dann zweitens, dass dasselbe als Ausdruck innerer Zellen- tätigkeit aufzufassen sei, als unmittelbares Produkt der ein- fachen Ansammlung eines neuen Baumaterials um das Zellen- centrum, das Üentriol. Anderseits kam Fr. Meves, nach den von Boveri zur Unterscheidung der Centrosomen und Centriolen festgestellten Merkmalen sich richtend, zur Überzeugung, dass die Doppel- körner oder Centralkörperchen, die von Flemming, M. Heidenhain, Zimmermann und vielen anderen ın verschiedenen Gewebs- und Geschlechtszellen gefunden wurden, in Wirklichkeit den Centriolen entsprechen. Ausserdem be- stätigt Meves, gestützt auf seine eigenen Beobachtungen über die Spermatogenese bei Litobius forcipatus, einen Prozess, der ganz Ähnlich bei den Mollusken und Selachiern verläuft, dass aus den Spermatocyten, in welchen sich nebeneinander Centro- somer und Centriolen befinden, nur die letzteren in die Samen- fäden übergehen, dass sie allein am Aufbau von dessen Mittel- stück teilnehmen und deswegen ausschliesslich die Bedeutung der Cytocentren besitzen. Zum Schluss seien noch erwähnt die Forschungen von Bouin und Blackman, welche in den sich teilenden Sper- matocyten der Tausendfüssler beobachten konnten, wie die protoplasmatischen Radialstrahlen, von der Peripherie der Zellen sich richtend, das mit dem Boverischen Centrosoma identische homogene sphärische Körperchen durchdringen, den Zerfall des Centrosoma in Fragmente hervorrufen und in solcher Weise die Centriolen, als ihre Insertionsmittelpunkte, erreichen. Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 203 Auf Grund der obengenannten Beobachtungen verfiel die Boverische Lehre einer radikalen Umwandlung, verlor zur Zeit in der Histologie jeglichen Kredit und wurde durch eine andere Ansicht ersetzt, welche sich mehr und mehr Bahn bricht und allgemeine Anerkennung erobert, — eine Ansicht, der- zufolge nur den Centriolen eine dynamische und teilweise kinetische Eigenschaft in der Zelle zukommt, indem die Centro- somen einfache und inkonstante Gebilde von untergeordneter Bedeutung darstellen. Ist die neue Theorie, die jeden Zu- sammenhang mit der sich historisch langsam ausgebildeten. Vorstellung über die Centrosomen aufgibt, richtig? Sind die Tatsachen, die hauptsächlich ins Gewicht fallen und geradezu vor unseren Augen eine radikale Wendung in der Lehre über die Zellencentren hervorrufen, einwandsfrei? Das sind Fragen, die sich beim Kennenlernen der einschlägigen Literatur von selbst aufdrängen und den Histologen veranlassen, sich seine eigene Meinung darüber sich bilden. Zur Prüfung der besprochenen Fragen bedienten wir uns einerseits unserer älteren Präparate, die sich auf die Spermato- genese bei Helix pomatia beziehen, anderseits ein- und mehr- schichtige Blastulen von geschwänzten Amphibien. Fixiert wurden die sich furchenden Eier der Axolotlen und Tritonen teils in unserer Sublimat-Essigsäure-Osmium-Mischung, teils in den Drünerschen und Flemmingschen Flüssigkeiten. Zur Färbung der 4—5 u dicken Schnitte wurden Delafields Hämatoxylin, Safranın mit Methylgrün, Biondi-Ehrlichs Dreifarbengemisch und hauptsächlich Eisen-Hämatoxylin nach M. Heidenhain mit Nachfärbung mit saurem Fuchsin be- nützt. Die Blastulenzellen der Axolotlen und Tritonen geben vielleicht an Grösse den entsprechenden Elementen der sich furchenden Eier von Rhynchelminus etwas nach, sie besitzen aber den wesentlichen Vorzug, dass sich in Bezug auf die Centrosomen und analoge Gebilde die mikroskopischen Bilder 204 S. TSCHASSOWNIKOW, durch einfachere und leichter analysierbare Beziehungen aus- zeichnen. Das von uns gewählte Untersuchungsobjekt ist schon wiederholt von Forschern benutzt worden, besonders zum Stu- dium der Protoplasma- und Kernstruktur, die bei zweckmässiger Behandlung und zwar nach der Fixation in unserer Mischung mit auffallender Deutlichkeit hervortritt. A. Koelliker (1889) hat als erster seine Aufmerksam- keit auf das Vorhandensein der bald feinkörnig, bald radıär gestreiften Attraktionssphären in den Zellen der Blastulen von geschwänzten Amphibien gelenkt. OÖ. van der Stricht (1892) und H. Braus (1895) haben kurz darauf im Innern dieser Sphären Centralkörperchen bemerkt und verfolgten sie während des Verlaufes des karyokinetischen Prozesses. Im Gegensatz zu diesen verneinte O.Eismond (1894) den selbst- ständigen Charakter der Centralkörperchen und sah im Centro- soma nur einen verdickten Teil, welcher seinerseits einen nicht scharf begrenzten Bezirk der Zelle darstellt, wo das Geflecht der protoplasmatischen Lamellen, die das Wabenwerk bilden, dichter ist und daher in Form eines kompakten Knötchens erscheint. In seiner späteren Arbeit (1900) identifiziert derselbe Autor seine Attraktionssphäre mit dem Centrosoma und be- zeichnet letztere als inertes Centralklümpchen des fibrillären Apparates, das gemeinsam mit den Centralkörperchen als Stütze des ganzen Zellenmechanismus dient und eine Art Cytoskelet repräsentiert. Die Blastomeren der Axolotlen und Tritonen befinden sich in ununterbrochener Vermehrung und ein Stadium völliger Ruhe existiert hier nicht. Noch lange bevor die Mutterzellen in zwei Tochterelemente zerfallen, bemerkt man in ihrem Körper eine Vorbereitung zur neuen Teilung. In Anbetracht dessen bleibt es ganz gleichgültig, bei welchem Teilungsstadium die Beschrei- bung der mikroskopischen Bilder anfängt. Die Mehrzahl der lorscher, die sich mit demselben Objekt befassen, fangen mit Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 205 der Rekonstruktion des ruhenden Kermes an. Wir ziehen vor, mit der Beschreibung der eben gebildeten Tochterzellen zu be- ginnen, da unser Spezialthema vorzugsweise das Studium der Centrosomen und Sphären im Auge behält. Fig. 1 stellt eben diese Phase der Karyokinese dar. Hier fallen vor allem die Tochterchromosomen auf, welche jene Stelle erreicht haben, an der sich später der ruhende Kern ausbildet. Einige derselben behalten ihre Urform der Schleifen, in anderen ist die Veränderung bemerkbar, die mit ihrer weiteren Umwandlung in Bläschen, deren Aussenwand von Chromatinsubstanz gebildet wird, verbunden ist: die Chromo- somen erscheinen nämlich schlangenartig gekrümmt, stellen- weise ringförmig gebogen oder in kleinere Teile zerfallen. Gegen das Innere der Chromosomen bemerkt man von denselben aus- gehende, verhältnismässig dicke Fäden, die von feinen Körn- chen bedeckt sind und zur Teilungsebene der Zelle hinziehen. Zwischen diesen Fäden sind die Dotterkörper verteilt, — meist in geringer Zahl, — infolgedessen man diese sogenannten Ver- bindungsfasern imanchmal bis zur Peripherie der Zelle ver- folgen und sich leicht davon überzeugen kann, dass diese Fäden, je mehr sie sich an der Zellenperipherie einander nähern, in diesem oder öfters im folgenden Stadium in Flemmings Zwischenkörper übergehen. Ein mehr kompliziertes Bild bietet sich dem Beobachter an der anderen Seite der Chromosomen. An dieser Stelle schliesst sich den Chromosomen ein unregel- mässig konturierter heller Raum an, der der Dotterkörner völlig entbehrt und nur von strukturiertem Protoplasma und homa»- genem Hyaloplasma ausgefüllt ist. Bei der sorgfältigsten Unter- suchung dieses protoplasmatischen Gerüstes ist es ganz un- möglich, zu entscheiden, ob dasselbe, wie van der Stricht beschreibt, aus netzartig anastomosierenden Fibrillen mit Körn- chen in. den Knotenpunkten besteht, oder ob es, wie Eismond behauptet, ein System von geschlossenen, ein Wabenwerk 206 S. TSCHASSOWNIKOW, bildenden Alveolen darstellt. Man kann nur mit Sicherheit be- haupten, dass die von Braus gegebenen Abbildungen eines hellen Feldes, auf welchem lose, nicht miteinander verbundene Fäserchen sichtbar sind, der Wirklichkeit nicht entsprechen. In jedem Falle sammelt sich die protoplasmatische Masse, die man in Anbetracht des Gesagten als netz-schaumige be- nennen kann, um zwei sich dunkel färbende Körnchen, die un- gefähr in der Mitte des hellen Raumes schräg zur Chromosomen- gruppe liegen. In der Nähe der obengenannten Körnchen kann man ganz deutlich Plasmastrahlen sehen (Fäden oder Lamellen), welche in ‚Radialrichtung gehen und sich mit den dunklen Punkten vereinigen. Die Centration des Protoplasmas be- schränkt sich jedoch nicht auf die unmittelbare Umgebung oben erwähnter Körnchen, sondern sie dehnt sich — obgleich weniger scharf ausgesprochen — viel weiter, bis zur Peripherie der Zellen aus. Es ist nicht schwer, sich davon an Zellen zu überzeugen, wo infolge wahrscheinlich rein mechanischer Be- dingungen (beim Verfertigen der Präparate) der grösste Teil derjenigen Dotterkörner beseitigt ist, welche normaliter ausser dem Kernraume und dem hellen Felde den Rest des Zellen- körpers einzunehmen und zu verdecken pflegen. In der weiteren Beschreibung wollen wir diese Körner, unter denen nie weder eine Centrodesmose noch eine besondere Centralspindel zu bemerken ist, als die Insertionsmittelpunkte der Plasmastrahlen auffassen und sie, ohne im voraus die Frage ihrer Zugehörig- keit zu den Centrosomen oder Centrislen zu ventilieren, mit der nicht präjudizierenden Benennung Centralkörperchen be- zeichnen. Das unmittelbar darauf folgende Stadium stellen die Fig. 2 und 3 dar, an welchen man teils die Verwandlung der Chromo- somen in ganz deutliche Bläschen, teils das Verschmelzen der- selben zur Bildung des ruhenden Kernes verfolgen kann). ') Dieser Prozess, welcher noch im Jahre 1876 von Hertwig an Fröschen bemerkt wurde, ist später von Kölliker, Henneguy, van der Stricht, Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 207 Die achromatische Bildung des hellen Feldes behält hier das frühere Aussehen. Die Centralkörperchen dagegen haben sich, ohne durch eine Centralspindel verbunden zu sein, gegenseitig verschoben und um jedes derselben ist eine kleine Anhäufung eigenartigen Stoffes erschienen, der zwar auch bei den stärksten Vergrösserungen homogen aussieht, aber dennoch aus feinsten, sehr eng aneinander geordneten Körnchen gebildet sein kann. Solche Anhäufungen haben keine regelmässigen Konturen und sind zunächst von solcher Feinheit, dass es nur hier und da gelingt, diejenigen Plasmastrahlen durchschimmern zu sehen, die zur Vereinigung der Centralkörperchen dienen. Im Vergleich zu den letzteren verhalten sie sich dem Eisenhämatoxylin gegen- über tinktorieli anders und zwar behalten sie diese Farbe ganz ähnlich wie die Achromatinmasse und deshalb erscheinen sie auf den elektiv gefärbten Präparaten blassgrau, als ob sie nach- träglich gefärbt wären (Wirkung des Säurefuchsin). Benutzt man dagegen zur Färbung Delafields Hämatoxylin, dann färben sich diese Anhäufungen ebenso, wie die Centralkörperchen und Braus, Rudnew und vielen andern beschrieben worden. Die Meinung der Mehrzahl der Forscher, es erzeuge jedes Chromosoma ein Bläschen, liess sich jedoch beim Studium der Karyokinese auf unseren Präparaten nicht bestätigen. Einerseits betrug oft die Anzahl der Bläschen mehr als die typische Anzahl der Chromosomen beim Axolotl und Triton, wobei gelegentlich die Querspaltung der Chromosomen mit Abrundung der entstandenen Segmente deutlich zutage trat; anderseits haben wir in Übereinstimmung mit Braus eine im Verhältnis zur Zahl der Chromatinschleifen zu kleine Anzahl von Bläschen beobachtet. Es lässt sich daraus ohne weiteres folgern, dass der geschilderte Vorgang keineswegs immer gleichmässig zustande kommt. In manchen Fällen verwandelt sich die Chromatinschleife direkt in ein Bläschen, in andern entstehen aus einem Chromosom ein Bläschenkonglomerat, in wei- teren Fällen bilden mehrere Chromosomen ein Bläschen, indem sie sich gegen- seitig nähern und schliesslich verschmelzen. Somit wird es auch klar, wes- wegen gleichzeitig mit den grossen schon am Anfang ihrer Entstehung auch kleinere Kernbläschen vorkommen. In diesem Stadium fällt auch die Bildung von sehr feinen, gelegentlich netzartigen Lininfäden, welche zwischen den Chromatinwandungen der Bläschen gespannt sind, ins Auge. Auf diese Weise formiert sich, wahrscheinlich auf Kosten der Chromosomen, die Grundlage für das später sehr entwickelte Liningerüst des Kernes. 208 S. TSCHASSOWNIKOW, letztere werden selbstverständlich undifferenzierbar. Wir halten es für notwendig, auf diese Tatsache besonders aufmerksam zu machen, da man bei der genannten Art der Behandlung Bilder erhält, die identisch mit denjenigen sind, welche Eismond beschrieben, dargestellt und falsch gedeutet hat, indem er die Anhäufungen als Centralkörperchen bezeichnete und den letz- teren den Charakter selbständiger Bildungen absprechen zu müssen glaubte. Anderseits ist bei Braus,vanderStricht und anderen Forschern, die mit ähnlichen Objekten sich be- schäftigten, an Stelle der homogenen Substanz ein kleiner heller sphärischer Raum dargestellt, wobei dieser Unterschied im mikroskopischen Bilde wahrscheinlich durch die Eigenschaft der gebrauchten Fixierungsmittel sich erklären lässt: an unseren Präparaten, die leinfach in Sublimat oder Flemmingscher Flüssigkeit konserviert wurden, trat diese Substanz, obgleich sie sich von der Umgebung differenzieren liess, ziemlich un- deutlich hervor. In letzter Zeit konnten Vejdowsky und Mrazek die beschriebene, wie sie glauben, deutlich körnige Substanz um die Zellencentren beobachten; es gelang ihnen dennoch nicht, sämtliche Entwickelungsstadien derselben zu verfolgen. Das auf Fig. 3 dargestellte Bild ist in noch einer Be- ziehung interessant. Auf ihm lässt sich ausser den zwei Gentralkörperchen in einem Knotenpunkt des protoplasmati- schen Netzes resp. an Stelle der Berührung einiger Waben ein dunkles Körnchen unbekannter Natur bemerken, welches kraft seiner Lage auch als ein Insertionsmittelpunkt der Strahlung erscheint, welche deutlicher auf dem Präparat als auf der Zeich- nung ist. Es ist aber selbstverständlich, dass man gar keinen Grund hat, dieses Körnchen mit den Centralkörperchen für identisch zu halten: neben demselben findet man keine echten Strahlen, die durch den ganzen Zellenkörper gehen, es ist von keiner besonderen Substanz umgeben und es stellt des- LithAnstuKWesser Jena. Verlag von JıF.Be&mann in Wiesbaden Anatom. Hefte. 1.Abt. 135. Heft (45. Bd. H.D. Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 209 halb einen gewöhnlichen Zelleneinschluss dar. Überhaupt halten wir uns, aus Anlass der Beobachtungen von Eismond, der in den Zellen der sich teilenden Eier des Axolotls mehrfache Centrosomen beschrieben hat, für berechtigt zu sagen, dass abgesehen von den äusserst seltenen Fällen der multipolaren Mitose, unter normalen Bedingungen in allen Blastomeren und Stadien ihrer Teilung sich je zwei Centralkörperchen beobachten lassen, von denen jedes in der zweiten Hälfte der Karyokinese geteilt erscheint. Die weitere Entwickelung derselben Prozesse sehen wir auf den Figuren 4, 5 und 6, welche vor allen Dingen zeigen, wie aus den ursprünglichen Chromatinbläschen mittels allmäh- licher und komplizierter Änderungen sich der ruhende Kern ausbildet. Davon, was für feine Strukturen die Kerne in den Blastomeren zum Vorschein bringen, gibt die Fig. 7 eine richtige Vorstellung!). Was das helle Feld anbetrifft, so fahren die Centralkörperchen fort, zur Zeit der Beobachtung sich aus- einander zu schieben und lagern sich schliesslich auf den entgegengesetzten Polen des Kernes, wobei gleichzeitig die in der Umgebung jedes Centrums gelegenen homogenen Klümp- chen allmählich anwachsen, um am Ende dieses Stadiums ihre höchste Entwickelung zu erreichen. Der fertige Kern bleibt !) Auf dieser Zeichnung, welche an die entsprechende Abbildung des Kernes bei Braus (Taf. XIV, Fig. 16) erinnert, bemerkt man ausser dem sehr deutlich hervortretenden Liningerüst und den darin zerstreuten Chromatinkörnchen und Kugeln, die miteinander zum Teil verbunden sind, um die Chromosomen zu erneuern, an Stelle des Kernsaftes eine feinalveoläre Masse, welche den Reinkeschen Ödemantinkörnchen ähnelt. Es ist schwer zu entscheiden, ob eine solche Struktur des Kernsaftes den wirklichen Umständen entspricht oder ob sie einfach ein Kunstprodukt der Behandlung ist. Die letztere Annahme ist nach unserer Meinung wahrscheinlicher, weil die schaumartige Struktur des Kernsaftes lange nicht bei allen ruhenden Kernen der betreffenden Blastulen nachweisbar ist, sondern nur auf ihrem vegetativen Pol, auf den das Fixierungs- mittel weniger schnell und vollkommen wirkt, und zweitens auch deswegen, weil solche Bilder sich weder mit den vorhergehenden, noch mit den folgenden Stadien der Lebenstätigkeit des Kernes in Zusammenhang bringen lassen. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 14 210 S. TSCHASSOWNIKOW, jedoch nicht lange im Ruhezustand, da in ihm infolge des Zu- sammenschmelzens der feinen Chromatinkörnchen zu grösseren Kügelchen und der Vereinigung dieser letzteren untereinander sich bald Chromosomen bilden, die das Aussehen von geraden oder gekrümmten Stäbchen haben, wobei gleichzeitig eine parallele Veränderung des Liningerüstes des Kernes vor sich geht !). In dieser letzteren Beziehung erscheint vor allem als un- bestreitbar die Tatsache, dass noch lange vor der Auflösung der Kernmembran die Lininfasern in kleine Körnchen zerfallen. Verschiedene Phasen dieses Prozesses vergleichend, musste man zu der Entscheidung gelangen, dass die zuerst bezeichneten Körnchen an Stelle des früheren Liningerüstes bleiben und ein sehr hübsches Netzchen bilden (Fig. 10). Darauf unter- bricht sich die gegenseitige Verkettung der Körnchen, sie lagern sich in unregelmässigen Häufchen (Fig. 8) und endlich, wenn die Spindelfasern in den Kernraum eindringen, schmiegen sich teilweise die Lininkörnchen ganz deutlich der Oberfläche der Chromosomen an, teilweise kleben sie sich an die Fäden der Spindel und. indem sie ihnen ein körniges Aussehen verleihen, treten sie nachher mit ihnen in den Zellenkörper aus (Fig. 12). !) Betreffend die Struktur der Chromosomen äussert Eismond die An- sicht, dass sie aus einer Reihe von Alveolen bestehen, die dicht nebeneinander liegen. Wir wissen nicht bestimmt, ob wir die vom Verfasser erhaltenen Bilder einem pathologischen Zustand der Zellen oder der nicht ganz einwandfreien Be- handlung der Objekte zuschreiben sollen, können aber betonen, dass auf unseren Präparaten die Chromatinsegmente immer das gewöhnliche Aussehen haben, das zuerst von Lavdowski gezeigt wurde, da man auf den Querschnitten immer eine sehr dünne und dunkle Korkschicht und den etwas schwächer gefärbten Markstoff beobachten konnte. Es sei hier bemerkt, dass die aus den Chroma- tinkügelchen entstehenden Chromosomen zuerst rauhı erscheinen (Fig. 7) und erst später, wahrscheinlich infolge des vollständigen Verschmelzens der Kü- gelchen untereinander, ganz grade, glatte Umrisse erhalten. Auf diese Weise erklärt es sich, dass, wenn das Verschmelzen der Chromatinkügelchen aus irgend einem Grunde gehemmt wird und gleichzeitig der Unterschied zwischen Färbung der Peripberie und des inneren Teils der Chromosomen wächst, diese eine quasi — schaumige Struktur erhalten können, welche sie natürlich in der Tat nicht besitzen. Zur Frage üb. d. Centrosomen, Spbären u. achromat. Figuren d. Zellen. 211 Infolgedessen entsteht unwillkürlich die Frage, auf welche Weise sich das Linin in den Tochterzellen bilde. Ohne Zweifel zwangen den eben beschriebenen ähnliche Bilder Wilson zu- zugeben, dass die Lininfäden aus dem Kernchromatin sich ent- wickeln. Mit dieser Meinung sind wir jedoch nicht einver- standen; da ein Teil der Lininkörnchen in eine innige Ver- bindung mit den Chromosomen eintritt, kann man eher denken, dass das Linin bei der Karyokinese in die Chro- matinsubstanz einbezogen wird und dass folglich die Chro- mosomen komplizierte Gestaltungen darstellen, die nicht nur aus Chromatin, sondern auch aus Linin zusammengesetzt sind, wobei sich beide Substanzen zur Zeit der Ruhe des Kernes disassozieren. Wenn wir jetzt zu dem Zellenkörper übergehen, so fällt vor allem die Anlage der Achromatinspindel in die Augen. Bekanntlich sind unsere Kenntnisse über diesen Vorgang trotz den beharrlichen Forschungen sehr vieler Autoren noch immer ziemlich mangelhaft und widersprechend. Wenn man sich mit den einschlägigen Literaturauskünften begnügen würde, ge- riete man auf einen völligen Wirrwarr in den Angaben einzelner Gelehrter. So vermutet Koelliker, dass die Fasern der Halbspindel eher vom Kern entstehen, während van der Stricht die peripherischen Teile der Spindel für proto- plasmatische Gebilde hält und den mittleren Teil als Kern- saftprodukt auffasst. Ähnlich sind die Ansichten von Braus; in den einschichtigen Blastulen des Tritons fand er im Inneren des Kernes bei unversehrter Membran Fasern, die in Verbindung mit den Fäden treten, welche sich auf Kosten der Attraktionssphären entwickeln t), in den mehrschichtigen !) Auf der Zeichnung von Braus (Taf. XV, Fig. 21), welche er zum Be- weis der Entstehung des mittleren Teils der Spindel im Innern des Kernes anführt, sieht man kleine Lücken in der Mitte der Kernmembran, welche er geneigt ist, als Kunstprodukt zu betrachten (Messerartefakt). Dieser Erklärung widerspricht jedoch der Umstand, dass die Mehrzahl der abgebildeten Fasern 14* S. TSCHASSOWNIKOW, ID 8 OD Blastulen dagegen liess er die ganze Spindel ihre Entstehung dem Protoplasma verdanken. Nach den Beobachtungen Eis- monds können sich in den sich furchenden Eiern des Axolotls Spindeln sowohl kernigen als auch protoplasmatischen Charak- ters vorfinden. Auf unseren Präparaten, welche ganz gleiche Verhältnisse in den einschichtigen und mehrschichtigen Blastulen offenbaren, konnte man mit genügender Deutlich- keit alle Stadien der Bildung der Spindel verfolgen und sich besonders davon überzeugen, dass derjenige Teil der natz- förmigen oder alveolären protoplasmatischen Masse als ihre Entstehungsquelle erscheint, welcher zwischen dem Kern und den beiden Zellencentren gelagert ist. Auf den angegebenen Stellen verwandelt sich das Protoplasma in Fasern, welche sich in zwei Halbspindeln gestalten, die den Kern umfangen, indem sie ausserhalb seiner noch unversehrten Membran liegen (Fig. 8, 9 und 10). Schon zu dieser Zeit erscheint zuweilen die Kern- membran nicht ununterbrochen, sondern es zeigen sich in ihr Lücken, durch welche die in die Länge wachsenden Fäden der Halbspindel hindurchdringen. Später bildet die Kernmembran vielzählige Falten und deformiert sich immer mehr und mehr, wobei die Zahl der Fasern, die in den Kernraum eindringen, sich entsprechend vermehrt (Figur 12). Endlich.» verschwindet die Kernmembran und die Fäden der Halbspindel treten mit den eben sich ausgebildeten Chromosomen in Ver- bindung (Figur 13). Da sich aber den letzteren die Fasern von zwei entgegengesetzten Seiten nähern, d. h. von einem und von dem anderen Zellencentrum, so schmelzen wahrscheinlich in diesem Moment die beiden Halbspindeln zu- sammen und bilden im Stadium des Mutterknäuels ein Ganzes. Dass das Liningerüst an diesem Prozess gar nicht teilnimmt, sich ganz deutlich bis in das Gebiet des Zellenkörpers ausdehnt, was die Beob- achtungen von Braus ihrer Beweiskraft beraubt und ebensogut die andere Erklärung zulässt, dass die im Kerninhalt sichtbaren Fäden von aussen ein- gedrungen sind. Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u, achromat. Figuren d. Zellen. 213 folgt ohne weiteres daraus, dass das Linin noch früher, bei vollständig unversehrter Kernmembran in kleine Körnchen zer- fällt, welche teilweise den Fasern sich anschmiegen, die in den Kern eingedrungen sind und ihnen ein körniges Aussehen verleihen, entsprechend dem mittleren Drittel der Achromatin- spindel. Zugleich mit solchen typischen Bildern führen wir Figur 11 vor, wo der Zerfall des Linins sich verspätet und zur Zeiı der Formierung der Spindel ein deutlich hervortretendes Netz bildet; aber auch in diesem Falle ist es nicht schwer zu beobachten, dass die Fäden der künftigen Spindel von aussen in den Kern eindringen und zum Linin keine direkten Bezie- hungen haben. Ausser der Anlage der Spindel während der Chromosomen- bildung vollführen sich sehr interessante Veränderungen ın den homogenen Klümpchen, die die Centralkörperchen um- geben: ihre Substanz vakuolisiert sich, indem sie in eine Art dünnsten Schaumes sich verwandelt, wobei dieser Prozess, von der Peripherie zum Centrum fortschreitend, dazu führt, dass die homogene Masse allmählich an Umfang abnimmt, sich zu einem kleinen Rest reduziert und endlich ganz verschwindet (Bie.:8,710, 11, 12’und 13). Ist die Kernmembran geschwunden, so lagern sich die un- regelmässig gebogenen Chromosomen ohne sichtbare Ordnung im Kerngebiet, indem sie die Figur eines Knäuels formieren, welche darauf durch das dem Mutterstern entsprechende Stadium vertreten wird. Dabei erwerben die Chromatinsegmente eine mehr oder weniger regelmässige Schleifenform, nehmen aber nach Braus im Gegensatz zu dem, was man in den Ge- webszellen beobachtet, den ganzen Centralteil der Äquatorial- ebene der Zelle ein und geben deshalb nicht das typische Bild des Monasters. Im Stadium des Knäuels erscheinen die Centralkörper- chen an jedem Pole einzeln (Fig. 13), aber schon während der 214 S. TSCHASSOWNIKOW, Formierung des Muttersterns zerfällt ein jedes in zwei Teile (Fig. 14, 15 und 16). Wenn man die sie umgebenden Massen, welche zur Zeit den grössten Umfang erreichen und vollkommen die „Centrosomen“ von Vejdowsky und Mrazek reprä- sentieren, aufmerksam beobachtet, so ist es leicht zu bemerken, dass sie ebenso wie die homogenen Klümpchen, auf Kosten welcher sie entstanden sind, ein schwaches Lichtbrechungs- vermögen besitzen und Eisenhämatoxylin schlecht aufnehmen, dass sie weiterhin einerseits ohne scharfe Grenze in das be- nachbarte Protoplasmagerüst übergehen, anderseits sich un- mittelbar in die achromatische Spindel fortsetzen. Die die Centralkörperchen umhüllenden Massen haben jetzt einen durch- weg schaumigen Bau und bestehen aus geschlossenen Waben, deren Grösse in der Richtung zum Centrum sich allmählich verkleinert. Vergleicht man die auf die verschiedenen Momente dieses Stadiums sich beziehenden Bilder, so kann man sehen, dass die Gebilde an Umfang sich etwas vergrössern und dass dies von der Lockerheit ihrer Masse resp. von der Anquellung der sie bildenden Waben abhängt. In jedem Falle bleibt im Gegensatz zu dem, was Vejdowsky und Mrazek be- schreiben und zeichnen, ihr allgemeines Aussehen unverändert: die Waben erscheimen in der Richtung zu den Gentralkörper- chen ausgedehnt, wobei die grössten von ihnen an der Peri- pherie, die engsten näher der Mitte, am Centrum, sich finden. Im Monasterstadium erreicht die achromatische Spindel die Acme ihrer Entwickelung und verdient eine spezielle Be- schreibung!). Auf Grund seiner Beobachtungen betrachtet ') Wir teilen nicht die Ansicht von Eismond, der zufolge alle Versuche, die Eigentümlichkeiten der Spindel festzustellen, von keiner Bedeutung sind, da die spindelförmigen Figuren nur die Strukturanzeiger derjenigen Decentrali- sationserscheinungen seien, deren Grundlage die centrierten endokinetischen Prozesse molekularen Charakters bilden. In unserer früheren Arbeit (1905) haben wir nachgewiesen, dass die Spindelfäden auf Grund ihrer Eigenschaften, die sie als morphologische Organisationen besitzen, weder das Auseinander- gehen der Centralkörperchen, noch die Verschiebung der Tochterchromosomen Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 215 Braus die Spindel als ein kompliziertes Gebäude, in welchem er unterscheidet einerseits Zugfasern in Form von dicken glatten Fäden, die von einer hellleuchtenden Hülle umgeben sind, und die in Form von mikrosomal gebauten feinsten Fibrillen spur- los in der zweiten Hälfte der Mitose verschwinden, anderseits Fasern, die in keine Verbindung mit den Chromosomen ein- treten, die von einem Pol zum anderen ununterbrochen ziehen, und somit den Fäden der Centralspindel entsprechen. Dabei sind in den mehrschichtigen Blastulen, nach seiner Beschrei- bung. die einen und die anderen Fasern ohne besondere Ord- nung vermengt, in den einschichtigen Blastulen aber nehmen die Zugfasern die Mitte der Spindel ein und die Fasern der zweiten Gattung ihre Peripherie. So kamen Braus’ Beobach- tungen in die Lehrbücher der Histologie (vgl. Ognew) und werden in denselben als Fälle eigenartiger Struktur der achro- matischen Spindel zitiert. Jedoch das nähere Studium der ent- sprechenden Phasen der Mitose führt zu der Entscheidung, dass die von diesem Autor gefundenen Beziehungen der Wirk- lichkeit lange nicht entsprechen. Allem zuvor: was die Ver- teilung der Spindelfasern zueinander anbetrifft, so liegen sie im Knäuelstadium alle in gleicher Entfernung (Fig. 13). Mit dem Momente, wo die Chromosomen endgültig die Äquatorial- ebene einnehmen, kompliziert sich das Bild: während der grösste Teil der Spindelfasern sich gleichmässig lagert und beinahe in gleicher Entfernung dem Rande der Chromosomen sich anschmiegt, sammeln sich manche in Bündel (Fig. 15 u. 16), die bei dichter Nebeneinanderlagerung manchmal für unser Auge in ein Ganzes zusammenschmelzen und den Eindruck dicker Stränge machen (Fig. 14). Dass aber in Wirklichkeit. zu den Polen bewirken, dass es eher die Angriffsflächen sind, auf welche bei der Mitose die uns noch unbekannten Kräfte einwirken. Selbstverständlich kann man zur Erkenntnis dieser Kräfte nur auf Grund der subtilsten Unter- suchung der mikroskopischen Bilder gelangen und insofern bietet die rein morphologische Erforschung der achromatischen Figuren ein besonderes Interesse. 216 S. TSCHASSOWNIKOW, solche Stränge oder Zugbänder Braus’ nicht existieren, davon überzeugen uns zwei Umstände: erstens zerfallen sie auf Längs- schnitten der Spindel in gewisser Entfernung von den Chromov- somen in Fadenbündeln und zweitens unterscheidet man auf Querschnitten an Stelle der Fibrillen kleine Punkte, welche stellenweise in Häufchen sich sammeln. Hinzugefügt sei, dass. die Lage der Fadenbündel in der Spindel streng festgelegt ist und dass sie immer den Stellen der Verbiegungen der Chromatinschleifen entsprechen, was besonders scharf bei der Bildung und dem späteren Auseinandergehen der Tochter- chromosomen zu den Polen ins Auge fällt und bei deren Ver- setzung die Fadenbündel geradezu als Wegweiser dienen (Fig. 17 und 18). Weiterhin konnten wir trotz der sorgfältigsten Durch- forschungen der Spindel in Längs- und Querschnitten keine Faser finden, die von einem Centralkörper bis zum anderen hin- ziehend nicht in Verbindung mit den Chromosomen treten und den Fäden der Centralspindel entsprechen solltet). Wie man nach den Präparaten urteilen kann, befestigen sich alle Spindel- fasern an den Chromosomen und in Anbetracht dessen ent- stand von selbst die Vermutung, es seien in diesem Falle nur Zugfasern vorhanden, eine Vermutung, die noch mehr berechtigt ist, weil es uns trotz der positiven Angaben von van der Strieht und Braus nicht gelang, die Centralspindel in den Prophasen der Mitose festzusetzen. Zur Entscheidung dieser Frage mussten wir uns zu der zweiten Hälfte der Teilung wenden, wenn zwischen den auseinandergehenden Tochter- chromosomen sog. Verbindungsfasern erscheinen. Der Charakter und die Quelle der Entstehung der letzteren traten, wenigstens !) In den seltenen Fällen, wo die Dotterkörperchen der karyokinetischen Figur sich nicht anschmiegen — und das beobachtet man öfters in einschich- tigen Blastulen —, lagern sich nach aussen von der Spindel Radialstrahlen, welche in der Äquatorialebene der Zelle sich kreuzen; und eben diese Fasern, deren Vorhandensein van der Stricht erwähnt, wurden von Braus wahrschein- lich als Centralsepindelfasern aufgefasst. Anatom. Hefte. 1. Abt. 135. Heft (45. Bd. H.D). Tafel 90. LithAnstuKWessenJena Verlag von.RBerämenn ın Wiesbad Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 217 in vielen Fällen, deshalb mit genügender Schärfe hervor, weil auf unseren Präparaten infolge des Zerfalls des Liningerüstes die Spindelfasern in ihrem mittleren Teile mit kleinen Körn- chen bedeckt waren. Eben solch ein Aussehen hatten auch die Verbindungsfasern, wobei man feststellen konnte, dass sie die unmittelbare Fortsetzung der peripherischen Spindelfäden bilden, welche auf der anderen Seite der Chromosomen liegen, indem sie den Raum zwischen den letzteren und den Central- körperchen mit den sie umhüllenden Massen ausfüllen. Hieraus folgt, «lass wir es in unserem Falle mit [einer Spindel zu tun haben, die in dem Sinne sehr einfach konstruiert ist, dass sie aus Fasern, welche beide Zellencentren unter- einander verbinden, besteht und zur selben Zeit den Chromo- somen sich anschmiegen. Vom Vorhandensein komplizierter Differenzierungen der Spindel, von der Anwesenheit spezieller Zug- und Centralfasern in der Spindel konnten wir uns über- haupt nicht überzeugen, weder an den furchenden Eiern geschwänzter Amphibien, noch an vielen anderen von uns untersuchten Objekten t), und wir sind deswegen geneigt zu denken, dass bei der Teilung der Zellen, wenn nicht immer, so doch in den meisten Fällen, sich eine einzelne Kern- oder Centralspindel bildet, welche sich in verschiedenen Perioden. der Karyokinese ansetzt, angefangen vom Moment des Ausein- andergehens der Centralkörperchen (z. B. in den Spermatocyten, der Tritonen und der Limnaea) bis zur Auflösung der Kern- !) In der letzten Zeit beobachteten wir selbst in den Spermatocyten bei Dytiscus und Hydrophylus neben der Kernspindel und dazu ausserhalb der letzteren noch andere Arten Fasern, welche, ohne Unterbrechung von einem zum andern Pol hinziehend, in keine Verbindung mit den Chromosomen ein- treten und zu Ende der Mitose zwischenzellige Brücken bildeten. Jedoch steht solch eine Centralspindel sensu strietiori, welche keinenfalls an Achromatin- fibrillen, die von Braus und Korschelt unter diesem Namen beschrieben wurden, erinnert, höchstwahrscheinlich in Zusammenhang mit der eigenartigen, stark ausgedehnten stäbchenartigen Form der Centrosomen in den Zellen mancher Insekten. 218 S. TSCHASSOWNIKOW, membran und der Verbindung achromatischer Fäden mit den Chromosomen (z. B. in den Blastulen der Amphibien und den Spermatocyten der Helix pomat.). In Anbetracht der Bilder der mitotischen Teilung, welche wir in verschiedenen Zellen und bei verschiedenen Tieren beobachteten, vermuten wir, dass wir uns nicht besonders von der Wahrheit entfernen, wenn wir behaupten werden, dass das allgemeine Aussehen der Kern- spindel von der Form und der Grösse der Chromatinelemente abhängt, dass sie aus einer Masse feinster Fibrillen im Falle eines grossen Umfangs der Chromosomen besteht, oder aus verhältnismässig wenigen, aber dickeren Fasern, deren Zahl völlig der Zahl der Chromatinsegmente entspricht, sobald die letzteren das Aussehen von Kügelchen oder kurzen Stäbchen und Klümpchen haben. Indem wir zu den Schlussphasen der mitotischen Teilung übergehen, wollen wir bemerken, dass denselben bezüglich der uns interessierenden Frage über die Centrosomen eine be- sondere Bedeutung zukommt. Diese Phasen charakterisieren sich dadurch, dass die im vorausgegangenen Stadium auf dem Wege der Längsspaltung entstandenen Tochterchromosomen sich voneinander trennen, mit ihren Verbiegungspunkten zu den Centralkörperchen sich wenden und in der Richtung zu den letzteren ihren Platz ändern, indem sie auf den Fadenbündeln der Spindel sich bewegen. Aus Anlass solch einer Veränderung in der Lage der Chromosomenschleifen bleiben viele Spindel- fasern, insbesondere die dem Schleifenrande sich anschmie- senden, ausser Funktion und verlaufen frei im Zwischenraume der Chromosomen. Bei der Verschiebung zu den Polen bleiben die Tochterchromosomen untereinander in Vereinigung mittels Verbindungsfasern, von welchen früher die Rede war. Hin- zugefügt sei, dass diese Verbindungsfasern, die im Anfang sehr dünn und vielzählig sind, später sichtbar miteinander ver- schmelzen und die Grundlage verhältnismässig weniger dicker Stränge abgeben. Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 219 Die an jedem Pol in Zahl von zwei Körnchen liegenden Centralkörperchen fangen allmählich an sich auseinander zu schieben, und parallel damit vollführen sich Veränderungen in den sie umgebenden Centralmassen. Schon bei oberfläch- licher Untersuchnug ist es leicht zu bemerken, dass diese an Umfang allmählich abnehmenden Massen wie früher eine völlig schaumige Struktur haben und aus Waben bestehen, deren Grösse vom Centrum zur Peripherie wächst. Eingehenderes Studium zeigt, dass es in der einfachen Weise zustandekommt, dass die peripherischen Alveolen der Masse, indem sie auf- quellen und sich vergrössern, den Umfang gewöhnlicher Waben resp. Maschen des benachbarten protoplasmatischen Gerüstes erhalten und in die letzteren sich verwandeln. Dabei kann man Schritt für Schritt verfolgen, wie die um jedes Centrum vor- handene Anhäufung sich in Protoplasma verwandelt und zu ihrer Vergrösserung führt; sobald die Anhäufung ad minimum reduziert ist, entstehen um die Centralkörperchen Radial- strahlen, welche jedoch keineswegs als Neubildungen aufgefasst werden dürfen, sondern als Effekt der eigenartigen Einrichtung des früheren pericentralen Konglomerats, welches trotz der Behauptung van der Strichts sich nicht teilt und zum Schluss als solches zu existieren aufhört (Fig. 18 und 21). Das Schlussstadium der Mitose, welches den Anfang- und Endmoment dieses Prozesses verbindet und die Abschnürung des Zellkörpers vollendet, stellt unsere Figur 22 dar, auf welcher wir um die Centralkörperchen ein ähnlich centriertes Proto- plasma wie im Anfangsstadium der Existenz junger Tochter- zellen bemerken (vgl. Fig. 1). Bei der endgültigen Übersicht der tatsächlichen Ergebnisse müssen wir auf den Umstand die Aufmerksamkeit lenken, dass die centralen Wabenmassen der hellen Felder in den Zellen von den meisten Forschern als Centrosomen anerkannt wurden. Bezüglich des von uns studierten Objektes steht auch Kis- DD DD oO S. TSCHASSOWNIKOW, mond auf demselben Standpunkte: er weigert sich, den Centro- somen die Bedeutung der Zellencentren zuzuschreiben und ver- weist unter anderem zur Begründung seiner Meinung auf die verschiedene Form dieser Bildungen. Auf den Figuren 9, 17, 19 und 20 sind von uns manche eigenartige Bilder der Central- massen in Beziehung zu den von Eismond dargestellten vorgeführt. Bezüglich derselben haben unsere Untersuchungen gezeigt, dass die auf Figur 20 reproduzierte Form ein Kunst- produkt darstellt, welches von der Trocknung der sich teilenden Eier vor deren Fixierung abhängt. Was aber andere Formen anbetrifft, so ist in dieser Beziehung von uns die Tatsache genau festgestellt, dass die Konfiguration «der Centralmassen sich in direkter Abhängigkeit befindet von den unseres Er- achtens raschen und abnormalen Veränderungen in den äusseren Umrissen der Zellenelemente. Solch ein Zusammen- hang lässt sich deutlich aus unseren Figuren deduzieren. Damit beenden wir die Beschreibung der festgestellten Tatsachen und wenden uns zu den daraus sich ergebenden Folgerungen. Hier kann man die Grundthese betonen, dass der aufeinanderfolgende ‚Wechsel der mikroskopischen Bilder (die Erscheinung einer homogenen Substanz um die Central- körperchen, ihre Vacuolisation und die Verwandlung zuerst in ein netz-wabiges Gerüst und nachher in echte Spindelfibrillen) anzuerkennen zwingt, dass von einer beständigen Protoplasma- organisation nicht die Rede sein kann, und dass in ein und derselben Zelle eine Organisation in die andere in Abhängig- keit von dem physiologischen Zustand der Zellenelemente übergehen kann. Aber der Begriff von der Organisation, d. h. von dem groben Bau des Protoplasma, ist lange nicht mit der Vorstellung ihrer Mikrostruktur identisch. Und in dieser letzten Hinsicht führten einige unserer Präparate, an welchen der mikro- Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 221 somale Bestand der Spindelfasern und Fäden resp. der Plättchen des protoplasmatischen Gerüstes genügend deutlich hervor- tritt, zu der Voraussetzung, dass als Grundstrukturelemente, als Ausgangspunkt einer jeden Organisation des Protoplasmas feinste Körnchen gelten dürfen, die jedoch nichts Gemein- sames weder mit Altmanns Granula, noch mit Bendas Mitochondrien besitzen. (Vgl. M. Heidenhain, Zelle und Plasma.) Das zweite Ergebnis der dargestellten Beobachtungen be- steht darin, dass die die Centralkörperchen umgebende Masse als Centrosoma nicht angenommen werden darf, wie es in analogen Gebilden Vejdowsky, Mrazek und selbst Böoveri (in den Eiern der Thalassema) annehmen zu müssen glauben. Für das Centrosoma sind charakteristisch: 1. gewisse physische Eigenschaften, speziell die Fähigkeit, das Eisen- hämatoxylin zu behalten, 2. ihr Zusammenhang mit den proto- plasmatischen Strahlen, 3. ihre Teilung, welche derjenigen des Kernes und des Zellkörpers vorangeht, und endlich 4. der Übergang der Tochtercentrosomen, wenngleich reduzierter, in neugebildete Tochterzellen. Allen diesen Forderungen kommen die wahren Centrosomen nach, die zuerst von van Beneden und Boveri bei Ascaris megalocephala und unlängst von uns in den Spermatocyten der Helix pomatia be- schrieben wurden. Nicht so jedoch verhält sich die Sache bezüglich unserer Gebilde. Von all den genannten Merkzeichen ist nur eines den Centralsammlungen des Axolotls und Tritons eigen, nämlich die Vereinigung mit den Protoplasmastrahlen ; dass diese Beschaffenheit jedoch an und für sich keine ent- scheidende Bedeutung haben kann, erhellt einerseits aus den Versuchen mit künstlicher Befruchtung, wo als Centrum des Zusammenkommens der Strahlen in den Zellen nicht selten der Kern dient und andererseits aus den Anfangsstadien der Eintwiekelung unserer Centralbildungen, wenn sie als homo- 222 Ss. TSCHASSOWNIKOW, gene Substanz dem Auge sich darstellen: es gelingt dann manchmal zu sehen, dass einzelne Radialstrahlen die Central- masse durchbohren und die Centralkörperchen erreichen. Was jedoch die übrigen Merkzeichen, die für die Centrosomen cha- rakteristisch sind, anbetrifft, so verfügen unsere Bildungen über keine derselben. So war es schon bemerkt worden, dass die in der Umgebung der Centralkörperchen sich ablagernde Masse kein starkes Lichtbrechungsvermögen hat und auf ungefärbten Präparaten beinahe ebenso wie das übrige Protoplasma aus- sieht, und dass sie ebenso leicht das Eisenhämatoxylin ab- gibt wie das letztere. Wir haben nie bemerkt, dass das be- schriebene Gebilde in zwei Teile zerfällt: im Gegenteil, in gewissen Momenten der Karyokinese verliert es sozusagen seine Individualität und hört auf als solches zu existieren. Selbst- verständlich kann bei solchem Verhalten nicht die Rede sein von Übergang der centralen Anhäufungen als besonderer Organe in die Tochterzellen. Umgekehrt, sämtliche histologische Tatsachen zwingen uns, in den untersuchten Centralmassen, ebenso wie in den völlig ihnen entsprechenden Centrosomen von Vejdowsky und Mrazek nur Attraktionssphären zu sehen, welche nach Eismonds richtiger Bemerkung (in seiner Anfangsarbeit) morphologisch nichts anderes als Bezirke des kondensierten Protoplasmas darstellen. Was die physiologische Bedeutung der Sphären anbetrifft, so haben sie ohne jeglichen Zweifel eine unmittelbare Be- ziehung zu der Vergrösserung der protoplasmatischen Masse und stellen einen Herd jungen, noch undifferenzierten Proto- plasmas dar. Ihre Entstehung kann man sich theoretisch am be- quemsten derart vorstellen, dass in der Umgebung der Central- körperchen zwei Prozesse vor sich gehen: Zunächst zieht zu ihnen aus den übrigen Teilen des Zellenkörpers eine fein- körnige, mehr oder weniger dichte Masse hin!) und später, ') Sieht man bei Untersuchung von Blastomeren nach der Bendaschen Methode auf den peripherischen Spindelfasern und auf den Radialstrahlen Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 223 wenn die letztere ihre maximale Grösse erreicht hat, durch- dringt sie eine Flüssigkeit, welche von der Peripherie der gleichartigen Substanz durchsickert, mdem sie dieselbe in eine Menge Vacuolen oder in eine Art feinsten Schaums verwandelt, wobei dieser Prozess in die Tiefe sich verbreitet und zuletzt die Centralkörperchen erreicht. So erhält man Bilder, wie sie auf den Figuren 6, 8, 10, 11 und 12 dargestellt sind, auf denen die Peripherie der Centralmasse aus feinen Waben be- steht, der mittlere Teil jedoch homogen bleibt; auf denen sich im Monasterstadium (Fig. 15) das Kaliber der Waben von der Peripherie zum Centrum verkleinert, — ein Verhält- nis, das auch in den folgenden Phasen der Karyokinese (Fig. 18, 21 und 22) zutage tritt, nachdem die Masse, welche die Central- körperchen umhüllt, allmählich als eine solche zu existieren aufhört und in ein gewöhnliches protoplasmatisches Netz oder in Schaum sich löst. Die von uns in dieser Richtung er- haltenen Ergebnisse stehen in vollem Gegensatz zu den Be- obachtungen Vejdowskys und Mrazeks, nach welchen das Centrum der Sphäre von grösseren Waben als die Peri- pherie besetzt ist. Bei genauer Erwägung des Charakters der Prozesse, die um den Centralkörperchen vor sich gehen, liesse sich somit behaupten, dass die hier auseinandergesetzten Beobachtungen, welche völlig mit den Resultaten der Forschungen anderer Autoren (insbesondere Henneguy, Wilson, Griffin, Vejdowsky und Mrazek) übereinstimmen, auch in der vielfache charakteristisch gefärbte Mitochondrien in Gestalt feiner Körnchen, welche sich als dichter Haufen um die Sphären ansammeln, ohne jedoch in die letzteren einzudringen, so ist es schwer, sich vom Eindruck loszulösen, dass diese Mitochondrien keineswegs identisch mit dem Protoplasma selbst sind. Sie bezeichnen einigermassen die erste Etappe in ihrer Entwickelungs- geschichte, sie sind der architektonische Ausdruck des von der Zelle auf- genommenen und von ihr veränderten Nahrungsmaterials, welches auf den Radialstrahlen zu den Centralkörperchen hinströmt und in deren Nähe in junges, die Sphäre repräsentierendes Protoplasma sich verwandelt. 224 S. TSCHASSOWNIKOW, Hinsicht interessant sind, dass sie unsere Vorstellung über die Centralkörperchen erweitern, indem sie in ihnen nicht nur ein Organ der Zellteilung zu sehen veranlassen, sondern auch ein Centrum, um welches oder, richtiger gesagt, unter dessen Wirkung die Neubildung des Zellenprotoplasma zustande kommt. Dieser Prozess, welcher in grossen und rasch wachsen- den Zellen, in den Blastomeren und auch in den Leucocyten und Spermatocyten, wo nach unserer Überzeugung die Rolle der Attraktionssphären sogenannte Idiosomen spielen, sehr deut- lich ausgedrückt ist, findet wahrscheinlich auch in allen anderen Zellen statt, nur offenbart er sich dort minder klar. Anbei müssen wir von neuem zum Begriff über das Archiplasma als ursprüngliche protoplasmatische Substanz zurückkehren, auf dessen Vorhandensein Boveri hingewiesen hat, was aber zur- zeit beinahe von keinem Forscher anerkannt wird aus dem Grunde, weil Boveri seinerzeit unter diesem Namen nichts anderes als ein Artefakt beschrieb, das von unzweckmässiger Behandlung der Objekte abhing!!). Wenn aber die Centralmassen nichts mehr als Sphären sind, so entsteht eine neue, sehr wichtige Frage, was eigentlich unsere Centralkörperchen, Centrosomen oder Centriolen dar- stellen? Zur Unterscheidung dieser beiden frebilde schlägt Boveri folgende vier Kriterien vor: 1. ihre relative Grösse, 2. die Fähigkeit der Centriolen, das Eisenhämatoxylin besonders fest zu fixieren, 3. die zeitlich frühere Teilung der Centriolen, und endlich 4. die Verbindung mit den protoplasmatischen Strahlen nur der Centrosomen, aber nicht der Centriolen. Wie ') Indem wir von Boveri den Begriff des Archiplasma übernehmen, halten wir das letztere im Gegensatz zu Boveri nicht für eine besondere spezifische Substanz, von welcher nur die Radialstrahlen und Spindelfasern ihren Ursprung nehmen; unseren Beobachtungen gemäss entstehen sowohl die Strahlen als auch die Spindelfibrillen von dem gewöhnlichen protoplasmatischen Gerüst, dessen erster, nicht differenzierter Zustand als Archiplasma bezeichnet werden kann. Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 225 wir schon erwähnten, fand Meves, indem er diese Merk- zeichen auf die Centralkörperchen der Gewebe und Samen bildenden Zellen anwendete, dass diese Körperchen nicht den Centrosomen, wie man es vorher vermutete, sondern den Cen- triolen entsprechen, die auf solch eine Weise allein nur als Zellorgane erscheinen. Wenn man jedoch in die Argumentation von Meves sich vertieft, muss man anerkennen, dass die von ihm zugunsten seiner Anschauungen hergebrachten Gründe mindestens ziemlich anfechtbar erscheinen. Anlässlich des ersten Kennzeichens bezieht er sich darauf, dass Centriolen bei Ascaris, so wie sie bei Boveri dargestellt sind, fast dieselbe Grösse wie die Centralkörperchen bei den Spermatogonien der Salamander besitzen. Indessen gewinnt der vorurteilsfreie Leser einen ganz anderen Eindruck, als wären die Centralkörperchen der Salamander sogar auf den Zeichnungen viel grösser, als die Centriolen sind, in der Tat aber ist der Unterschied zwischen denselben noch bedeutender. Schreibt weiterhin Meves nur den Centriolen die Fähigkeit mit dem Eisenhämatoxylin sich zu färben zu, so finden wir, auf eigene Forschungen gestützt, dass dieses Vermögen in ge- ringerem Masse auch den Centrosomen eigen ist. An dieses Unterscheidungsmerkmal der Centrosomen hat sich die gegen- wärtige Generation der Histologen dermassen gewöhnt, dass Mevesseinen Gedanken ausführlicher begründen sollte, da auch die Centrosomen, welche in grösserer Zahl vorhanden sind und diese Eigenschaft nicht besitzen, unwillkürlich den Ver- dacht erwecken, als wären sie, wie in dem von uns studierten, Falle, nicht einfache Sphären. Das von Boveri betonte dritte Merkzeichen besteht darin, dass die Centriolen sich früher als die Centrosomen teilen, wobei er auf Grund seiner Beobach- tungen an ziemlich spärlichen Objekten glaubte, dass die doppelten Körnchen, welche im Stadium der Äquatorialplatte oder früher erscheinen, mit grosser Sicherheit als Centriolen Anatomische Hefte, I. Abteilung. 135. Heft (45. Bd., H. 1). 15 226 S. TSCHASSOWNIKOW, angenommen werden können. In Anbetracht dessen, dass Boveri seine Ansicht mit verschiedenen Erläuterungen be- gleitet, kann man wohl kaum mit Meves übereinstimmen, wenn er meint, dass die Centralkörperchen der Salamandersper- matocyten Centriolen darstellen deshalb, weil sie in dem der Äquatorialplatte entsprechenden Stadium sich teilen. Gehen wir jetzt zu der Haupteigenschaft der Centrosomen über, nämlich zu ihrer direkten Verbindung mit den protoplas- matischen Strahlen. Zur Widerlegung dieser These stützt sich Meves auf die Spermatogonien der Salamander, in welchen die Fäserchen, indem sie von der Peripherie des Zellenkörpers gehen, nur das Idiosoma erreichen, in ihr Inneres nicht eindringen und sich nicht an in ihm befindliche Central- körperchen befestigen. Hier begegnen wir einer falschen Schlussfolgerung. Unsere Beobachtungen an denselben Objekten und hauptsächlich an den Spermatocyten der Helix pomatia, wo die protoplasmatischen Fäden dicker sind als bei den Salamandern veranlassen uns zu behaupten, dass bei der ersten Erscheinung der Radialstrahlen das Idiosoma zerfällt und dass zwischen dessen Fragmenten die Radialstrahlen durch- dringen, welche mit den Centralkörperchen in Verbindung treten. In dieser Beziehung haben ohne Zweifel eine viel grössere Bedeutung Hinweise entgegengesetzten Charakters, dass die Strahlen die Centrosomen durchdringen und die Centriolen erreichen können. Leider konnten wir nicht die Beobachtungen von Bouin und Blackman kontrollieren, da wir in Warschau keine entsprechenden Objekte (Scolopendren und Geophylen) besassen, aber jedenfalls stehen die Ergebnisse ihrer Er- forschungen ganz isoliert da und erheischen deswegen eine besonders sorgfältige Kontrolle speziell in Anbetracht einer analogen Präzedenz bei den Regenwurmstudien. Bekanntlich stellte seinerzeit K. v. Kostanecki in den Blastomeren der Ascaris megalocephala eine ebensolche unmittelbare Verbin- Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 227 dung der Strahlen mit den Centriolen fest, die jedoch kurz darauf ganz mit Recht von E. Fürst als scheinbare ange- zweifelt wurde. Indem wir die erörterte Frage bezüglich unseres Objektes und auch des von Vejdowsky und Mrazek be- schriebenen Falles prüfen, müssen wir bemerken, dass im An- fang der Karyokinese die protoplasmatischen Strahlen zu den Centralkörperchen herantreten, im Laufe dieses Prozesses sich von den letzteren durch die Attraktionssphären trennen, auf Kosten deren Elemente sich zum Schlusse neue Strahlungen formieren, die mit den Centralkörperchen in Verbindung treten. Falls wir den Gesichtspunkt von Boveri akzeptieren und zugeben, dass der Körper, welchem die Radialstrahlen sich nähern, ein Centrosoma ist, so können unsere Centralkörper- chen, welche im Laufe der Mitose weder ihre Form noch ihre Grösse einigermassen bemerkbar ändern, und welche sich im Monasterstadium teilen, für Centrosomen angenommen werden. Zweifellos wäre es für die Lehre über die Centrosomen ein starker Schlag, falls, wie Meves behauptet, tatsäch- lich nur die Centriolen in Samenfäden aus den Spermatocyten übergingen. Zur Prüfung dieser Schlussfolgerungen haben wir unsere früheren Präparate über die Spermatogenese der Helix pomatia dem sorgfältigsten Durchmustern unterworfen und haben uns überzeugt, dass Meves auch hier nicht ganz recht hat. Der Fehler seiner Beobachtungen erklärt sich damit, dass einerseits, wie Boveri gezeigt hat, die Grösse der Centriolen vom Grade der Entfärbung des Eisenhämatoxylins abhängig ist, und dass anderseits nach unseren Forschungen die Centrosomen den Fixierungsmitteln gegenüber sehr empfindlich sind und in den peripherischen Schichten der Objekte kleiner als in ihren, Centralteilen erscheinen. Infolgedessen fanden wir auch manch- mal in unseren Präparaten den von Meves beschriebenen analoge Verhältnisse. Als man aber infolge der oben erwähnten Erwägungen die männlichen Geschlechtszellen verschiedener 15* 228 S. TSCHASSOWNIKOW, Organisationen nebeneinander stellte, die in ganz gleichen Be- dingungen zu den Fixierungs- und Färbungsmitteln sich be- fanden, so zeigte es sich, dass die Centriolen immer kleiner als die Centrosomen sind und dass eben die letzteren und nicht nur allein die Centriolen an der Bildung des Mittelstückes der Spermatozoen teilnehmen. Wenn wir auf solch eine Weise die eben genannten Ergebnisse resumieren, so müssen wir zu der Schlussfolgerung gelangen, dass sowohl Meves Kritik, wie auch die Beobachtungen von Vejdowsky und Mrazek nicht genügen, um die Lehre über die Centrosomen als Zellen- organe zu erschüttern, welche wir um so bereitwilliger an- nehmen, da sie eine feste historische Basis besitzt!). Wenn aber die Centralkörperchen der Blastomeren des Axolotls und Tritons Centrosomen darstellen, als was soll man dann die. Centriolen betrachten? Wir persönlich sind überzeugt, dass im Innern der Centrosomen, wie klein sie auch sein mögen, sich immer Centriolen befinden, aber bei den gegen- wärtigen Forschungsmitteln ist es manchmal unmöglich, die- selben zu entdecken. In dieser Beziehung ist folgender Umstand belehrend: Einem jeden, der Centrosomen an solchen Objekten studierte, wo neben den Centrosomen auch Centriolen zu be- merken sind, ist aus Erfahrung gut bekannt, dass man die Gentriolen nur in dem Falle leicht in Präparaten erhalten kann, wenn die sie teinschliessenden Centrosomen von mehr oder weniger bedeutender Grösse sind, dass bei der allmählichen Verkleinerung ihres Kalibers die Schwierigkeiten wachsen, und endlich beim Ruhen der Zellen, wenn die Centrosomen (bei ') Es ist als durchaus misslungen zu betrachten der Versuch A. und K.E. Schreiners, die van Beneden und Neyt im Jahre 1887 bei Ascaris beschriebenen und abgebildeten ‚corpuscule central“ im Sinne der Centriolen zu deuten. Berücksichtigt man die Grösse dieser Centralkörperchen und deren Behandlung durch die belgischen Autoren, so kann es keinem Zweifel unter- liegen, dass die genannten Bildungen in der Wirklichkeit den Boverischen Centrosomen entsprechen. Anatom. Hefte. 1.Abt.135. Heft (45. Bd.H.D. Tafel 11/12. Verlag von J.F-Ber@nann in Wiesbaden Lih AnatsKWesser,Jena Zur Frage üb. d. Centrosomen, Sphären u. achromat. Figuren d. Zellen. 229 Ascaris und Helix zum Beispiel) die minimale Grösse erreichen, es gewöhnlich nicht gelingt, in solchen Centrosomen Centriolen zu entdecken). Jedoch auch in diesem letzten Falle bemerkt man zwischen den kleinen Centrosomen und Centriolen, wie man die letzteren in anderen Phasen der Karyokinese be- obachtet, einen scharfen Unterschied, welcher schwer auf den Zeichnungen zu reproduzieren ist. Deshalb ist es klar, dass, wenn man es mit unbedeutenden Centrosomen in den Blasto- meren des Axolotls und Tritons zu tun hat, man ohne weiteres von Centriolen sprechen kann, indem iman so sein histologisches Credo ausdrückt. Sämtliche Abbildungen (ausser 7) sind mit Hilfe des Abbe- schen Zeichenapparates (die Projektion auf dem Objekttisch) mit Zeiss’ Ölapochromat 2 mm und Ocular compens. 6 ent- worfen worden; die Figur 7 hingegen mit Ölapochromat 1,5 mm und Ocular compens. 8. Unsere Abbildungen stellen die ver- schiedenen Stadien der Teilung der grösseren Blastomeren von Eiern des Axolotls Jar, die mit unserer Flüssigkeit, welche aus Sublimat, Osmium und Essigsäure besteht, fixiert und in den Schnitten mit Eisenhämatoxylin gefärbt waren. !) Mit dem Gesagten erklärt sich augenscheinlich auch jene im Grunde unrichtige Ansicht von Conklin, wonach sich das Centriol, indem es sich im Umfange vergrössert, bei der Mitose in ein Centrosoma verwandelt, welches sich später reduziert und das in ihm eingeschlossene Centriol befreit. Literaturverzeichnis. (Es sind nur die in der Abhandlung zitierten Arbeiten angeführt; die uns im Original nicht zugänglichen Arbeiten sind durch * gekennzeichnet.) 1. 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KOLSTER. ) ÜBER DIE ENTWICKELUNG DER EPIDERMISFIBRILLEN IN DER MENSCHLICHEN SOHLENHAUT, ANHANG: DIE BIZZOZEROSCHEN KNÖTCHEN VON Y. MEURMAN, HELSINGFORS. Mit 3 Textfiguren und 20 Figuren auf den Tafeln 15/16. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2). 16 ya Shen: + ie ” PL! “ H Fa Br; yi “ En (4 Bi Seinen Aufsatz: „Über Epithelfasern in der Oberhaut der Daumenschwiele bei Rana fusca“ beendigt A. Nussbaum mit der Äusserung, dass über die Entstehung der Bizzozero- schen Knötchen, der Ranvierschen Fibrillen und der Herx- heimerschen Fasern nur die Untersuchung einer hin- reichend grossen Serie embryonalen Hautmaterials Aufschluss bringen kann. Demgemäss wurde die Frage auch zur Unter- suchung in dem histologischen Laboratorium zu Helsingfors genommen, dessen Vorsteher, Professor Dr. Rud. Kolster, mir die Bearbeitung überliess, und seine Sammlung mensch- licher Embryonen zu meiner Verfügung stellte. Ich bin ihm nicht nur hierfür, sondern auch für die wohlwollende Leitung und das grosse Interesse, mit dem er mir stets beigestanden, meine aufrichtigste Dankbarkeit schuldig. Fibrillen und Interzellularbrücken im Epidermisgewebe sind schon seit vielen Jahren ein Gebiet für verschiedenartige Untersuchungen gewesen. Diese haben doch hauptsächlich die Epidermis der Erwachsenen behandelt, und bis zur neuesten Zeit sind systematische Untersuchungen über die Entstehung der faserigen Struktur sehr spärlich gewesen. Von diesen ist besonders diejenige Studnickas zu nennen, der sich mit der embryonalen Oberhaut der Vertebraten beschäftigt, darunter auch einige menschliche Föten berücksichtigt hat. Ich hoffe doch, dass auch meine Befunde zur Klärung der Frage dienen und etwaige noch nicht hervorgehobene Data zeigen werden. 16* 236 Y. MEURMAN, Ich bediente mich fast ausschliesslich der Sohlenhaut und zwar menschlicher Föten von 7, 12, 19, 22, 25, 27, 30 cm Länge, eines Neugeborenen und eines Erwachsenen, die alle ın 10%igem Formol fixiert waren. Die ca. 1 cm langen und 3-4 mm breiten Hautstückchen wurden nach Durchgang steigender Alkohole (60 bis 100%) in reines Chloroform ge- bracht oder in ein Gefäss, wo sie aus absolutem Alkohol in Chloroform sanken und darauf in reines Chloroform. Dann wurden sie in eine Mischung von Chloroform und Paraffın (1:3-—4) übergeführt, wo sie ungefähr 20 Minuten verweilten, darauf in reines Paraffin von 52° C Schmelzpunkt, wo sie eine halbe Stunde bis 40 Minuten lagen. Trotz dieser kurzen Behandlung wurden einige Stücke ziemlich hart. Die Dicke der Schnitte wechselte von 2—5 u, die häufigste war 3-4 u, aus technischen Gründen doch etwas vom Alter abhängig. Schnitte von 5 u sind schon für viele Zwecke zu dick. Doch ist es hervorzuheben, dass es vorteilhaft ist, Schnitte verschiedener Dicke zu verfertigen. Das ausschliess- liche Studium der dünnen kann zu einer unrichtigen Auffassung führen, indem man glauben könnte, dass es nicht mehrere Zellen durchziehende Fibrillen gäbe. Zu dicke werden entweder ungleich gefärbt oder können das Bild verwischen. Die Schnittrichtung war senkrecht zur Oberfläche (Ver- tikalschnitte) oder parallel derselben (Tangentialschnitte). Be- sonders die letzteren wurden in Serien angefertigt. Ich will bemerken, wie auch schon Rosenstadt (34), dass die Tangentialschnitte ganz notwendig für die richtige Auffassung sind, und doch scheinen sie verhältnismässig wenig angewandt worden zu sein. Ihre Notwendigkeit wird namentlich durchs Studium der obersten abgeplatteten Zellenlagen bewiesen, von denen man kein klares Bild an Vertikalschnitten erhält. Die Präparate wurden nach der Kromayerschen (17) und Unnaschen (47) Färbemethode gefärbt, neben einigen Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 237 Kontrollpräparaten, die vorwiegend mit Hämatoxylin und van Giesonscher Mischung behandelt wurden. — Statt des Methylvioletts 6 B, das Kromayer anrät, habe ich mit gutem Erfolg eine gesättigte Lösung von Methylviolett 2 B be- nutzt. Die Schnitte verweilten in Methylviolett-Anilinwasser- mischung gewöhnlich 4 Minuten. Die Dauer der Jodierung war 20 Sekunden bis 1 Minute. Zur Differenzierung wurde Anilin- xylol 1:4 und 2:3 benutzt, je nach der Dicke der Schnitte und der Dauer des Jodierens. Die Farbe haftet nämlich um so energischer dem (Gewebe an, je länger das Jodieren währt, und es ist demnach nicht vorteilhaft, zu lange mit Jod zu beizen. Auch ist das Haften der Farbe von der Schnittdicke abhängig und zwar so, dass es sogar unmöglich wird, an dicken Schnitten eine gewisse Grenze der Abfärbung zu über- schreiten. Bei der Farbenentziehung habe ich bemerkt, dass sich die Epidermis an der Seite des Coriums leichter entfärben lässt, und so erhält man an etwas dickeren Schnitten (be- sonders beim Neugeborenen und dem Erwachsenen) ungleich gefärbte Zellenlagen. Trotz dieser kleinen Schwierigkeiten stellt man doch leichter nach der Kromayerschen als nach der Unnaschen Methode gelungene Präparate dar. Jene Methode habe ich sowohl mit als ohne Vorfärbungen angewandt. Diese wurden besonders mit Alauncarmin gemacht. Sehr schöne und gelungene Bilder lieferten auch diejenigen mit Magnesiacarmin, Safranin und Hämatoxylın. Beim Färbeverfahren nach Unna (47) habe ich von seiner Wasserblau-Orcein-Mischung 10 Tropfen, von der Eosinlösung (in 80%igem Alkohol) 15—20 Tropfen und der Hydrochinon- lösung 5 Tropfen gemischt. Mit der Mischung wurden die Schnitte nur 5 Minuten behandelt; dagegen, wie Unna anrät, mit Safraninlösung 10 und Kaliumbichromatlösung 20 Minuten. Trotz der rechten Mischung hat dieses Färbverfahren doch eine grossc Neigung zum Misslingen (vgl. Biach: Monats- 238 Y. MEURMAN, hefte f. pr. Derm. Bd. 49, 1909. S. 191). Die Differenzierung mit dem Alkohol abs. erweist sich als sehr schwer. Dieser darf nicht zu lange einwirken. Ich habe sehr schöne Präparate mit guten Kontrastfärbungen der Fibrillen und des übrigen Proto- plasmas von jüngeren Embryonen (12, 19, 22 cm) erhalten, dagegen ist die Färbung weniger oft an den älteren Embryonen gelungen und noch schlechter beim Neugeborenen. Die ge- lungenen Präparate ergaben aber ausgezeichnete Bilder. Embryo von 7 cm Länge. Zur Untersuchung wurden nur vertikale Schnitte ange- wandt, welche nur nach Kromayer gefärbt waren. — Die Epidermis der Planta ist aus 2—3 Reihen von Zellen gebildet. Die Basalzellen sind unregelmässig kubisch, zum grössten Teil von den runden oder ovalen Kernen ausgefüllt. Gegen das Corium sind sie durch eine gleichmässige, ununterbrochene, schmale Linie begrenzt. Diese ist dunkler gefärbt als der Zell- körper. Beim Drehen der Mikrometerschraube kann sie teil- weise verschwinden und an ihrer Stelle strecken sich stellen- weise kurze, unregelmässige, plasmatische Fortsätze ins Corium. Zwischen den Basalzellen sieht man bald gar keine Grenzen, bald eine dünne Linie, bald Lücken, die von breiteren oder schmäleren plasmatischen Zellverbindungen durchzogen sind. Der Inhalt der Zellen ist plasmatisch (Studnicka), färbt sich nach Kromayer nur wenig. Von etwaiger Struktur kann man kaum sprechen, doch sind zuweilen unregelmässige netzähnliche Verdichtungen zu sehen. Die Zellen der oberen Reihe bzw. Reihen sind in tangen- tialer Richtung etwas länger, bläschenförmig und haben den Hauptteil ihres färbbaren Plasmas an den Wänden, so dass der Raum um den Kern leer erscheint. Er enthält wahrschein- lich Flüssigkeit, nach Ide (12) auch Glycogen, nach Stud- nicka (42) „eine Anhäufung von Flüssigkeit und vielleicht Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 239 auch anderer Stoffe“. Jedenfalls entbehrt er jeglicher Struktur, kann doch von einigen Plasmabälkchen durchzogen sein, welche den Kern mit gegenüberliegender Wand verbinden. Die dünnen Scheidewände sind aneinandergrenzenden Zellen ge- meinsam; nur da, wo drei Zellen aneinanderstossen, sieht man zuweilen eine dreieckige Lücke. Als Andeutungen der späteren interzellularen Verbindungen dürfen wohl die dunkleren Punkte hier und da an den Wändenquerschnitten angesehen werden. Von der Oberfläche betrachtet, können im dünnen Plasma ganz vereinzelter Zellen nur einige grössere Maschen von ähnlichem Netzwerk wie in den Basalzellen wahrgenommen werden, grösstenteils ist es auffallend hell und hat keine regelmässige Struktur. Im Gegensatz zu den Basalzellen sind die Kerne hier mit ihrem grösseren Diameter in tangentialer Richtung ge- lagert. [ Embryo von 12 cm Länge. Ausser der Vertikalschnitte bediente ich mich auch in Serien gefertigter Flächenschnitte, welche so tangential als möglich geschnitten waren. Färbung nach Kromayer und Unna. Die Zellen sind gewöhnlich in fünf Reihen übereinander- gelagert (Fig. 1). Die Basalzellen sind beinahe gleich den- jenigen des 7 cm langen Embryos. In manchen von diesen gibt es einige Bälkchen im »Basalteil des Plasmas, zuweilen läuft auch eine Faser dem Zellrande entlang. Die Bälkchen im basalen Teil der Zellen zeigen sich an den Flächenschnitten als Pünktchen oder Fragmente. Im allgemeinen sind sie nicht sehr deutlich, weil sie sich nur schwach färben und das ganze Plasma der Basalzellen ziemlich stark die Farbe festhält. Die Interzellularräume sind enge Spalten von breiteren oder schmäleren plasmatischen Zellverbindungen durchzogen. Die beinahe ununterbrochene Begrenzungslinie gegen das 240 Y. MEURMAN, Corium ist sehr deutlich. Diese besteht ganz sicher aus der unteren Fläche der Basalzellen, welche hier wahrscheinlich beinahe lückenlos miteinander zusammenhängen. Dass sie innig mit den Basalzellen zusammenhängt ist auch von Branca (4) konstatiert: „Accidentellement separ& du chorion l’epiderme emporte generalement avec elle la membrane basale.“ Von den oberen Zellen sind die Basalzellen gewöhnlich nicht durch einen Interzellularraum getrennt. Die oberen Zellen, mit Ausnahme der oberflächlichsten, haben die Gestalt etwas abgeplatteter Bläschen ohne sichtbaren Inhalt. Manchmal vereinigen spärliche zarte Bälkchen die obere und die untere Wand miteinander. Der Kern ist wand- ständig am häufigsten an der oberen Wand (Ide [12]). Ent- weder ist er nicht an der gegen das Zellinnere gekehrten Seite von Plasma bedeckt oder ist dieses nur als sehr dünne eben sichtbare Lage vorhanden. Nur wo ein Protoplasmabälkchen sich befestigt, findet sich eine geringe Anhäufung. In der Plasmawand der Zelle sehen wir ein mehr oder weniger regel- mässiges Netzwerk, mit dichten polygonalen Maschen und her- vortretenden Knotenpunkten (Fig. 2). Die gemeinsamen Zellen- wände (die Grenzschicht) enthalten „Brücken“, welche meistens dünnen fadenförmigen Gebilden gleichen, zuweilen aber auch sich als breitere dunkelgefärbte Züge darstellen. Sie gleichen häufig einer Strickleiter. Dieses ist somit beinahe dieselbe Struktur, welche Ide (12) an Zellen von 3—6 Monate alten Kalbsföten beschrieben hat und für reticuliert hielt. Foa (8) behauptet, dass diese Struktur nicht reticuliert wäre, sondern von ‚amellenförmigen Inter- zellularbrüchen herrühre. Dieser Anschauung schliesst sich auch Studnitka (42) an, der die Pellieulen (Zellmembranen) strukturlos erklärt. Retterer (31, 32, 33) spricht von einer reticulierten Struktur. Wenn der Schnitt die gemeinsame Zellwand (die Grenz- Takl Ki atom. Hefte [Abteilung Klon Ball?) ereı H.Stürtz AG Wü Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 241 schicht) parallel mit deren Flächen getroffen hat, sieht man das oben beschriebene Netzwerk (Fig. 2). Gewöhnlich ändert sich das Bild nicht, obgleich die Blickebene mit der Mikrometer- schraube durch die ganze Grenzschicht geschoben wird. Dieses Verhalten entspräche gut der Anschauung Foas (8), nach welcher die „Intercellularräume“ in der jungen Epidermis von Alveolen gebaut wären. Es scheint doch wahrscheinlich, dass diese Alveolenwände nur einen mehr differenzierten Teil des Protoplasmas darstellen. Textfigur 1. ESS ange b. Textfigur 2. Ihren rundlichen Querschnitt erhalten die Brücken später nach Schulze (39), Foa (8) und Schubotz (38) so, dass die Alveolenwände in ihrer Mitte platzen und nur da, wo sie zusammenstossen, bestehen bleiben (vgl. Textfigur la und b). Schnitt a geht durch die Alveolenwände, im Schnitt b sind diese geplatzt und das vorher in ihnen enthaltene Plasma zieht sich zu den bleibenden Brücken zusammen, welche erst einen dreieckigen, dann allmählich einen rundlichen Quer- schnitt zeigen. Derselbe Vorgang könnte aber auch zu einem wahren Netz- werk an der Oberfläche der Zellen führen. Textfig. 2a stellt einen Querschnitt des „Interzellularraumes‘ dar. 242 Y. MEURMAN, Nach dem Platzen (b) sehen wir die Querschnitte der Netz- fäden an der Oberfläche der Zelle. Diesem entsprechende Bilder sind auch beobachtet worden. Dieses Netzwerk, welches später noch weiteren Veränderungen ausgesetzt wird, scheint nach unseren Beobachtungen eine Zeitlang, nach diesen Bildern zu urteilen, auf der Zelloberfläche zu bestehen, so dass man wohl! Ide (12) wenigstens teilweise recht geben muss. Stud- nicka (42) will freilich ein solches Netzwerk nicht anerkennen und erklärt, indem er auf Foa (8) zurückweist, die Pelliculen (Zellmembranen) strukturlos. Wahre Interzellularräume, welche mit besonderem Inhalt einzelne Zellen scharf abgrenzten, liegen nicht vor, sondern eine Art plasmodialen Gewebes, welche Auffassung sich der- jenigen Retterers (31) nähert, welcher sich wie folgt äussert: „Il me semble que la substance intercellulaire est aussi vivante, aussi active que les cellules cornees (= £pidermales), dont elle represente la zone cortiale fusionnee avec les zones ana- logues des cellules voisines.“ Manche Autoren erwähnen das leere Aussehen der embryo- nalen Epidermiszellen über der Schicht der Basalzellen. Ide (12) sagt, dass der Raum wenigstens im frischen Zustande mit Glycogen gefüllt sei. Retterer (31) hat da eine granulierte Struktur mit Gentianaviolett und Thionin gefunden, nennt diese Hyaloplasma und junges Protoplasma (33), welchem er das Vermögen, neues Plasma mit deutlicher Struktur zu erzeugen, zuschreibt. Er glaubt z. B., bei einer Zellteilung die Entstehung einer Zellwand aus dem Hyaloplasma gesehen zu haben. Stud- nicka (42) dagegen hat hier keine Struktur gesehen (nicht zu verwechseln mit seinem Endoplasma). Auch ich habe in diesem Raum keine Struktur nachweisen können, abgesehen von einigen zarten Protoplasmabälkchen, welche in verschiedener Rich- tung oder anostomosierend ihn durchziehen können. Aufwärts werden die Zellen immer etwas mehr abgeplattet. Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 243 Je näher der Oberfläche die Zelle sich befindet, desto mehr centrale Bälkchen enthält sie. In vereinzelten Zellen habe ich sogar ein Band von parallelen, Fibrillen ähnlichen Bälkchen gefunden (Fig. 3). Einige Zellen dicht unter der Lage der- jenigen mehr homogen gefärbten sind leer und auffallend gross. Die noch kontinuierliche oberste dünne Lage ist von sehr abgeplatteten, stark gefärbten Zellen zusammengesetzt, an den Flächenschnitten sieht man das verdichtete Protoplasma in breitere radiale oder parallele Streifen geordnet (Fig. 3). Von den oberflächlichen Zellen schuppen viele ab. Dies geschieht so, dass ihre Ränder sich abheben und sie somit eine Schäl- chen ähnliche Gestalt annehmen. Manche von den letzt- genannten haben einen hellen, wenig gefärbten, fein granu- lierten homogenen Inhalt. Die abschuppenden und die darunter gelegenen Zellen mit ihrem verdichteten Inhalt entsprechen der epitrichialen Schicht. Diesen Namen hat Welcker (cit. nach Bowen [3]) als Analogon auch für die oberflächliche abschuppende Schicht des menschlichen Embryos benutzt, nachdem er vorher beim Embryo des Bradypus die Lage über den sich entwickelnden Haaren Epitrichium genannt. Bowen (3) hat sie bei den menschlichen Embryonen eingehend untersucht. Nach ihm ist sie eine distinkte histologische Zellschicht, welche im Alter von 2-3 Monaten entsteht und gewöhnlich im sechsten Monat ver- schwindet. Die analogen Zellen entwickeln sich später zu den eigentlichen Hornzellen. Embryo von 19 cm Länge. Die Epidermis (Fig. 4) besteht aus 7—-8 Zellreihen. Die Grenze der Basalzellen gegen das Corium ist nicht viel geändert. An den nach Unna gefärbten Präparaten ist ihr Protoplasma blau. Der Farbenton akzentuiert sich gegen die Zellbasis, so dass die höchste Intensität gerade am Zellrande erreicht wird. 244 Y. MEURMAN, Dieser präsentiert sich somit als eine dünne Linie. Die Ver- änderung der Intensität geschieht innerhalb einer ziemlich schmalen Zone. Diese färbt sich auch mittels Kromayer- scher Färbemethode dunkler als das übrige Protoplasma. Diese Ergebnisse sprechen auch zugunsten unserer schon oben an- geführten Anschauung, dass es sich hier nur um eine ver- dichtete Randzone der Basalzellen handle, nicht um einen be- sonderen, mehr oder weniger selbständigen Gewebsteil. Gewöhnlich sind die Basalzellen deutlich voneinander ge- trennt mittels verschieden breiter Interzellularräume. Auch die Breite der sie durchziehenden Protoplasmaverbindungen wechselt. Der Basalteil der Zelle ist breit, dann verjüngt sie sich etwas, um am unteren Pol des Kernes wieder zuzunehmen. Die Kuppe zeigt eine seichte Krümmung. Das Färbeverfahren Unnas ist bei den Basalzellen dem Studium der Struktur günstig, weil dies den Kontrast der Fibrillen gegen das übrige Protoplasma hervortreten lässt. Mittels der Färbung Kro- mayers werden die Fibrillen nur durch den stärkeren Farben- ton unterschieden und dadurch die zarten, in der Entstehung begriffenen leicht übersehen. Der Kern füllt den grössten Teil der Zelle aus. An seinen Seiten bildet das Protoplasma nur eine ganz dünne Zone, an der Kuppe und besonders an der Basis finden sich beträcht- lichere Mengen. Von dessen blauer Farbe heben sich einige braunrote Fibrillen ab. Dem Zellrande entlang verläuft oft eine wellige Fibrille, die an der Coriumgrenze beginnt und sich an der Kuppe in die folgende Zelle fortsetzt. Von der Basis ziehen einige zum unteren Pol des Kernes, wo sie entweder abgeschnitten sind oder sich leicht beugend aus dem Gesichts- felde verschwinden. Wenn der Schnitt den Kern nicht getroffen, sieht man sie häufig die ganze Länge der Zelle hindurch. Mitunter stellen sie schöne parallele, leicht wellige Gebilde dar, häufig aber vereinigen sie sich unter spitzen Winkeln, um Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Soblenhaut. 245 eventuell wieder auseinander zu laufen. So scheint z. B. eine Randfibrille sich bisweilen in zwei bis drei andere zu teilen. Seltener läuft eine Fibrille durch eine seitliche Protoplasma- verbindung zur nebenliegenden Basalzelle, um dort ihre Rich- tung aufwärts fortzusetzen. Die Fibrillen beginnen entweder vom Basalrande oder etwas höher. Die Randfibrillen könnten mit der Kernmembran ver- wechselt werden, was aber bei einiger Aufmerksamkeit ver- meidbar ist. An Tangentialschnitten (Fig. 5 und 6) sieht man im basalen Teii der Zelle unregelmässig verstreute Punkte oder kurze Fragmente, Querschnitte resp. Schrägschnitte der Fibrillen. Wenn der Schnitt durch die Zellmitte gegangen, bilden sie in der dünnen Protoplasmaschicht um den Kern einen Ring. An der Kuppe laufen sie wieder auseinander. Betreffend die Fibrillen der Basalzellen will ich noch er- wähnen, dass sie relativ spärlich sind, auch habe ich sie nicht in allen Zellen gefunden. Soweit mir bekannt, finden sich nur wenige Angaben über die Fibrillen in den embryonalen Basalzellen. Ide (12), der 3—6 Monate alte Kalbsföten, und Retterer (31), der den Huf des Pferdeembryos untersucht hat, sprechen von einem mehr oder weniger homogenen, mit Granula versehenen Protoplasma. Auch Studnicka (42), der neuerdings sehr eingehend u. a. die Entwickelung der Säuge- tieroberhaut erforscht hat, ‚hebt besonders hervor, dass „im Unterschied zu der fötalen Epidermis“ die „Tonofibrillen‘“ be- reits in den Basalzellen der fertigen Epidermis vorhanden sind. Nur Tischutkin (44) erwähnt sie indirekt, indem er in einzelnen Fällen Übergang der Fibrillen aus der tiefsten Lage der Malpighischen Schicht in das darunterliegende Bindegewebe beobachtet haben will. Die Zellen der Reihe über den Basalzellen gleichen in vielen Beziehungen denjenigen des 12 cm langen Embryos. 246 Y. MEURMAN, Sie sehen leer aus und besitzen zuweilen in diesem Raum spärliche zarte Trabekeln, die eine rötliche Farbe angenommen haben (nach Unna) (Fig. 4 und 7) oder dickere und besser gefärbte, mehr oder weniger zackige Fibrillen. Die Trabekeln sind nach Studnicka (42) die ersten Tonofibrillen (vgl. Embryc 12 cm). Der grösste Teil des Protoplasmas ist wand- ständig. Dessen Oberfläche zeigt nicht die regelmässige reticu- lierte Struktur wie früher. Von den eigentlichen Maschen sind nur vereinzelte zurückgeblieben. Weitaus die meisten sind zer- rissen und die Fragmente ordnen sich zu zackigen Fibrillen (Fig. 7). Obgleich die Verlaufsrichtung beträchtlich wechselt, ist die aufwärtsstrebende doch die häufigste. An den Präparaten nach Unna sind die „Interzellular- räume“ oder die Grenzschichten bläulich, wie das Protoplasma der Basalzellen. Deshalb ist die obere Grenze der letztgenannten schwierig zu unterscheiden. Die quer durchziehenden Brücken sind dunkel rotbraun. Flächenschnitte durch die Grenzschicht zeigen die Brückenquerschnitte so gut wie ausschliesslich als rotbraune Punkte ohne Verbindungen in blauer Umgebung (EIS SIGIFE). Der grosse Unterschied im Habitus der Basalzellen und dem der nächst oberen Reihe zwingt uns die Frage auf, wie diese Veränderung zustande gekommen. So eine grosse Höhle kann sich doch nicht bilden, ohne dass ein Zwischenstadium vor- kommt. Als solche betrachte ich Bilder, welche zuweilen an schräggefallenen Tangentialschnitten zur Beobachtung kommen. Die Basalzellen haben um den Kern nur eine dünne Proto- plasmazone und sind miteinander durch radiale plasmatische Verbindungen vereinigt (Textfig. 3a). Die Zellen, die im Begriff sind, sich zu bläschenförmigen Zellen zu verwandeln, zeigen aber zuweilen radiale, von der Kernperipherie ausgehende Protoplasmazüge, die nicht direkt zur Peripherie des benachbarten Kernes, sondern zu einer Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 247 schmalen Protoplasmazone zwischen den zwei Kernen ziehen (Textfig. 3b, vgl. auch Fig. 6). Manchmal kann diese „ab- gesonderte“ Protoplasmazone, die bleibende Grenzschicht, bei- nahe einen geschlossenen Ring um den Kern bilden. Es treten somit Alveolen auf, die den Protoplasmaleib in zwei Teile sondern, den perinuclearen und den für zwei Kerne gemein- samen (die Grenzschicht). Der letzte vergrössert sich rasch auf Kosten des ersteren. Dabei rücken die Fibrillenquerschnitte von der Kernperipherie längs der radialen Verbindungsbrücken zur Grenzschicht. Schliesslich sind der Hauptteil des Proto- plasmas sowie die meisten Fibrillen wandständig geworden Textfigur 3. und die oben beschriebene Grenzschichtstruktur mit ihren ge- färbten Brücken aufgetreten). Diesen Vorgang, glaube ich, darf man nicht mit der Endo- plasmasonderung Studnickas (42) verwechseln. Nach ihm soll eine innere Membran in der Zelle entstehen, die das Proto- plasma in zwei besondere Plasmaarten, eine innere hellere und locker gebaute, und eine äussere mehr differenzierte sondert. Vom Endoplasma würde später auch neues Exoplasma gebildet. Ide (13), der früher auch die Hufanlage studierte, hat etwas Ähnliches wahrgenommen, ohne grösseres Gewicht darauf zu legen. Retterer (31) sieht in seinem „halb- flüssigen Hyaloplasma‘ feine Granulationen und Filamente, die, vom wandständigen Plasma ausgehend, allmählich ver- !) Der entsprechende Vorgang ist schon an den früheren Stadien zu beob- achten. 248 Y. MEURMAN, schwinden. Die „Lignes refringentes“ (die Grenzschicht) da- gegen sind nach ihm ein Resultat von der Aneinanderlagerung des peripheren reticulierten Protoplasmas der Zellen. Eine Abgrenzung des Endoplasmas zu konstatieren ist mir nie gelungen. Weder mit der Unnaschen noch mit der Kro- mayerschen Methode habe ich ein besonderes Endoplasma nachweisen können. Zwar habe ich zarte Trabekeln oder sogar Fibrillen (vgl. oben; auch Studnicka) im „leer aussehenden Raum“ gesehen, aber ihr Charakter, obgleich sie zuweilen schwächer gefärbt sind, ist durchaus derselbe wie der des übrigen färbbaren Protoplasmas. Es ist möglich, dass der centrale Teil weniger differenziert resp. mehr aktiv ist, doch sind diese zwei besonderen Plasmaarten nirgends an meinen Präparaten zu sehen. Der Kern, der nach Studnitka vom Endoplasma umgeben ist, liegt einer Höhlenwand an und ist wenigstens an dieser Seite im Kontakt mit dem differenzierten Protoplasma. Beim Vorschreiten der Zellen gegen die Hautoberfläche werden sie mehr und mehr abgeplattet (vgl. Fig. 7). Schon die obersten Reihen der nicht verhornten Epidermis bestehen aus polyedrischen, im Schnitt öfters fünfeckigen Zellen. Die Mitte, die den Kern umschliesst, ist dicker. Hand in Hand mit der äusseren geht auch eine innere Gestaltsveränderung vor sich. Es scheint als ob das Protoplasma von den Zellwänden aus centralwärts zunähme, wodurch sich der „leer aussehende Raum“ um den Kern vermindere (vgl. Fig. 8, 9, 10). Gegen ihn begrenzt sich das Protoplasma scharf. Färberisch verhält es sich anders als das der Basalzellen. Sowohl an den nach Unna als nach Kromayer behandelten Schnitten ist es hell, im ersten Falle schwach bläulich, im zweiten etwas röl- lich. In den oberen Zellen ist die Grundfarbe etwas dunkler, was wohl von der hier dichteren Beschaffenheit abhängt. Der perinucleare Raum verkleinert sich in diesen Zellen, so dass Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 249 er entweder nur als ein schmaler Spaltraum hervortritt oder auch ganz verschwunden ist, wodurch das Protoplasma direkt der Kernmembran anliegt. — Es mag bemerkt werden, dass, obgleich der Kern in den mittleren Zellenlagen eine grössere Neigung als in den übrigen zu schrumpfen hat, der ganze peri- nucleare Raum doch wohl nicht auf diesen Vorgang zurück- geführt werden darf. Im hellen Zelleninhalte sind die Fibrillen eingebettet (Fig. 9 und 10). In den bläschenförmigen Zellen der mittleren, Schicht waren sie öfters als Fragmente zu sehen. Nun aber gelingt es, um so längere Strecken derselben auf einmal zu sehen, je dicker die Protoplasmazone im Zellinneren ist. So können sie zuweilen von den unteren zu den oberen „Inter- zellularbrücken“ verfolgt werden (Fig. 7). Die verschiedene zu beobachtende Länge beruht darauf, dass sie nicht genau vertikal verlaufen und besonders in den oberen Zellenlagen mehr und mehr von dieser Richtung abweichen. Weil die Zellen nicht genau übereinander gelagert sind, schlagen die nach der Ober- fläche strebenden Fibrillen schrägere Richtungen ein (Fig. 9). In den oberen platten Zellen bekommen sie somit beinahe einen transversalen Verlauf. Daraus erklärt es sich, warum man an Vertikalschnitten äusserst selten Fibrillen beobachtet, die diese Zellen ganz durchziehen. Die einzelnen Fibrillen ordnen sich der Oberfläche zu mehr und mehr parallel an (Fig. 10). Es scheint, als ob wenigstens in den höheren Schichten die eigentlichen Anastomosen spär- lich wären. Fibrillen können einander angelagert sein oder sich in spitzen Winkeln vereinigen (vgl. in den Basalzellen). Es ist wahrscheinlich, dass auch diese Bildungen sich später in entsprechende Fibrillen spalten. An Tangentialschnitten (Fig. 9) stellen die Fibrillen sich in den nicht abgeplatteten Zellen als kürzere Fragmente und . Querschnitte, seltener eine Strecke tangential verlaufend dar. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45 Bd,, H. 2). 7 250 Y. MEURMAN, In den abgeplatteten dagegen (Fig. 10) sind zuweilen durch die ganze Zelle ziehende parallele Fibrillen zu sehen. An günstigen Zellen habe ich z. B. eine tangentiale „Fibrillen- lamelle“, d. i. ein abgeplattetes Fibrillenbündel, quer durch die Zelle über den Kern ziehen sehen und beim Drehen der Mikrometerschraube noch zwischen dieser und dem Kern ein zweites, deren Fibrillen die Verlaufsrichtung des ersten kreuzte. Das häufigste Bild aber ıst das, wo die Fibrillen unter sich parallel eine Strecke weit von der Grenzschicht verlaufend sich in das ziemlich unanalysierbare Geflecht um den Kern verlieren. Dieser Wirrwarr entsteht dadurch, dass verschiedene Fibrillenlamellen !), nicht nur aus dem dünnen Randgebiete, sondern auch von der unteren Zellenwand kommend, sich in verschiedenen Richtungen kreuzen. Die meisten Kreuzungen müssen in der Nähe des Kernes liegen, weil der centrale Teil der Zelle für die meisten Systeme gemeinsam ist. Die häufigen Querschnitte (Fig. 10), die sehr deutlich an den nach Unna gefärbten Präparaten hervortreten, rühren davon her, dass die Fibrillen auch auf der oberen und unteren Wand, ehe sie sich den Verhältnissen des centralen Zellkörpers anpassen, parallel in beinahe vertikaler Richtung die Zellperipherie durchziehen. Fibrillen in der embryonalen Oberhaut sind schon von früher bekannt, aber über ihre Gestalt und ihren Verlauf herrschen sehr divergierende Ansichten. Ide (12) spricht nur von einer reticulierten Struktur und betrachtet sie als Teile der Zellmembran. Später (13) erklärt er die fibrillenähnlichen Gebilde (Fibres unitives de Renaut) für besonders dicke Trabekeln, die mittels zarteren verbunden seien. Er hebt her- vor, dass nur die dünnen Schnitte wahre Bilder liefern. Vom oben Geschilderten ist es verständlich, dass man leicht an ‘) Die meisten Bündel in den abgeplatteten Zellen sind mehr oder weniger lamellenartig. Es ist eine notwendige Folge des Plattwerdens, weil nur so die Bündel in der dünnen Zone über und unter dem Kern Platz finden können. Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 251 dünnen Schnitten nur Fragmente der unregelmässigen embryo- nalen Fibrillen zu Gesicht bekommt, wenn man nicht auf das wandständige Protoplasma achte. Unna (45) sieht nicht Fibrillen in der embryonalen Epidermis. Rabl (26) hat ım Zahnfleisch eines 5 Monate alten menschlichen Fötus Fibrillen gefunden. Retterer (31) erwähnt retieulierte Filamente. In einem späteren Artikel (33) will er betonen, dass die feineren Anastomosen zwischen den gröberen Fibrillen sich nicht mit der Kromayerschen Methode färben lassen und hielt fest am reticulierten Bau des Cytoplasmas. Tischutkin (44), der Föten von Rind, Hammel und Schwein untersuchte, hat dagegen Fibrillen gefunden, die durch mehrere Zellen verlaufen. Ausserdem unterscheidet er dickere periphere und dünnere centrale Fibrillen. Kromayer (20) gibt ein Bild vom Neugeborenen mit deutlichen Fibrillen. Branca (4) hat beim Hühnerembryo nur in der Eischwiele, aber dort wirkliche, nicht anastomosierende intrazellulare Fibrillen gefunden. Studnicka (42) hat deren Entstehung verfolgt. Nach ihm ordnet sich das Morphoplasma in feste Balken, in den Druck- verhältnissen entsprechenden Richtungen. In oder aus diesen differenzieren sich vom gewöhnlichen Morphoplasmareticulum ziemlich abstechende „Tonofibrillen‘, die „ganz sicher den sogen. Protoplasmafasern der späteren Zellgenerationen ent- sprechen“. In seiner schematischen Figur 6 bildet er sie ab. Der Verlauf ist ziemlich gerade aufwärtsstrebend durch die Zellen und deren Zwischenräume gegen die Hautoberfläche. Ich habe schon oben beschrieben, wie der grösste Teil des Protoplasma> beim Übergang von den Basalzellen zu den über- liegenden Zellen sich gegen die Wände zieht, wobei die inter- zellularen Räume verschwinden. Ich habe auch schon auf das tinktorielle Verhalten des Grenzschichtplasmas, das dem der Basalzellen erheblich gleicht, hingewiesen. Es geht somit her- vor, dass der Inhalt der sogen. Interzellularräume — dieser 17* Y. MEURMAN, 186] [bit DD Name ist hier nicht ganz korrekt — nichts anderes ist, als wahres und zwar lebendes Protoplasma. Ich will hier noch auf den früher von mir citierten Satz Retterers verweisen. Im Grenzschichtplasma entwickeln sich die Interzellularbrücken, die, wie es vom früher Angeführten ersichtlich sein dürfte, nicht genau den gegenseitigen Verbindungen der Basalzellen entsprechen. Das Grenzschichtplasma ist in der mittleren Zellschicht (Fig. 9) als eine ziemlich breite Zone vorhanden. Diese ist von den etwa zylinderförmigen Brücken quer durchzogen. In den entsprechenden Zellen sehen wir innerhalb der Grenzschicht nur sehr spärlich helles Plasma (vgl. oben). Wenn man nicht die fortsetzende Fibrille sieht, enden die Brücken gegen den perinuklearen Raum wie quer durchschnitten. Die meisten stehen wohl in Verbindung mit je einer zugehörigen Fibrille, obgleich dies nicht immer zu sehen ist. Wenn aber der Schnitt den Randteil der Grenzschicht tangential getroffen, ist es öfters der Fall. Geht er dabei durch deren Mitte, so sehen wir nur die Brückenquerschnitte regelmässig auf einem blaugefärbten Grunde verstreut (Unna, Präp.). Die reticulierte Struktur Ides ist hier nicht mehr sichtbar. Gleichzeitig mit dem Vorschreiten der Zellen gegen die Oberfläche verjüngt sich die Grenzschicht (Fig. 9). Wo der perinukleare Raum sich vermindert, sieht man das Grenzschicht- plasma als ein dunkleres Band das übrige Plasma zweier Nach- barzellen scheiden. An den nach Kromayer gefärbten Schnitten ist die Grenzschicht mitunter seitlich von einer haar- feinen Linie, die die Brückenenden unter sich verbindet, be- grenzt. Hier sieht man oft deutlich, wie die Fibrille die Brücke fortsetzt. Letztere besitzt die Form eines kurzen, quer ab- geschnittenen Stäbchens, das etwas kürzer als die Brücke der unteren Lagen ist. Ihre Dicke ist grösser als die der Fibrillen. Zwischen den abgeplatteten Zellen (Fig. 10), wo die Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 253 Fibrillen annähernd tangential verlaufen, ist die Grenzschicht noch schmäler, mitunter sogar linienförmig. An den nach Unna behandelten Schnitten gleicht diese einer Blaustiftlinie, auf welcher die noch mehr verkürzten rotbraunen Brücken sitzen. Sie haben nun die Gestalt eines Ovals oder eines Punktes. Die Fibrillen verlassen diese zu beiden Seiten parallel. Das ganze Gebilde gleicht einer längeren Linie, die von vielen kürzeren rechtwinklig geschnitten wird und an den Kreuzungs- stellen Knoten besitzt. In einigen Zellen beginnen seitlich von der Grenzschicht zwischen den parallelen Fibrillen (helle Lücken aufzutreten. Sie sind manchmal auf beiden Seiten vorhanden. In solchen Fällen scheinen die Fibrillen einen leeren Raum zu durch- ziehen, der durch die dünne Grenzschicht halbiert wäre (Fig. 11). Diese kann in seltenen Fällen fehlen. Im Jahre 1888 publizierte Ide (12) einen Artikel über Zellmembranen in der Malpighischen Schicht. Hier hielt er die Brücken für Verbindungen zwischen den Zellmembranen, in denen er die reticulierte Struktur sah. In seinem folgenden Artikel (13) geht er auf die Genese der Interzellularbrücken ein und kommt zum Resultat, dass sie sich aus punktförmigen Gebilden (points brillants des Autors) entwickeln. Er bilde! von einem Hautcarcinom vier nebeneinander liegende Zellen ab (seine Fig. 13), wo die drei von mir beschriebenen Ent- wickelungsstadien der Grenzschicht auf einmal zu sehen sind (meine Fig. 8, 9, 10). Ich kann mich seiner Auffassung von der Brückenentwickelung nicht anschliessen. Es dürfte aus dem oben Angeführten hervorgehen, dass die Punktform gerade zu- wider der Ideschen Anschauung wein ispäteres Stadium dar- stellt. Meine Verbindungslinie der Punkte wäre seine noch nicht gespaltene Zellmembran. Rabl (26) hat am Carcinom der Unterlippe eine Verbin- dungslinie zwischen den Bizzozeroschen Knötchen gesehen, 254 Y. MEURMAN, die er als eine Doppelmembran der Zelle deutet. Sie ist offen- bar dasselbe Gebilde, wie meine auf eine Linie reduzierte Grenzschicht welche ja auch wie eine Membran die Zelle ein- schliesst. Ihre Flächenansicht ist 1: an den nach Unna ge- färbten Schnitten dunkler blaugefärbt als der innere Teil der Zelle (Fig. 12), 2: wird sie von dem letzteren auch dadurch leicht unterschieden, dass auf ihr dickere Querschnitte als die der Fibrillen verstreut sind, die Brückenquerschnitte, 3: an tangentialen Schnitten durch dieselbe sieht man ein dunkles Grundgewebe ohne zwischenliegende helle Schicht direkt in quergeschnittene Grenzschichten übergehen. Unna (47 und 48) sieht in der Verbindungslinie einen kapillären Lymphraum und deutet die helle Zone daneben für die schwer färbbare Zellmembran. Die Bizzozeroschen Knötchen sind die wahren Zellbrücken. Bering (1) schliesst sich ihm an. Neuerdings hat Rosenstadt (34) auch eine Deutung der Verbindungslinie gegeben. Sie wäre eine im Interzellular- raum verlaufende Fibrille, die Knötchen aber Querschnitte anders verlaufender. Dagegen ist hervorzuheben, dass sich nie Fibrillen an den Flächenansichten der Grenzschicht zwischen den Brückenquerschnitten beobachten lassen. Wie sind die Veränderungen im Protoplasma der Epidermis- zellen zu deuten? Welches ist die Beziehung des hellen Proto plasmas und der Grenzschicht zueinander? Wie verhält sich das Fibrillengerüst zu den Plasmaveränderungen? Alle diese Fragen sind nicht ganz leicht zu beantworten. Sicher ist, dass wirklich bedeutende Formveränderungen in den Zellen vor sich gehen. Warum die Basalzellen in der nächsten Lage bläschen- förmig werden, wissen wir nicht. Sie ist aber für gewisse embryonale Stadien charakteristisch. Die Basalzellen sind von- einander mehr oder weniger getrennt, haben aber protoplas- Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 255 matische Verbindungen. In der Lage der bläschenförmigen Zellen sieht es aus, als sei das Protoplasma für verschiedene Kerne gemeinsam, als sei hier eine Art von Syncytium vor- handen. In den oberen Lagen beginnen die einzelnen Zellen sich wieder gegeneinander zu markieren. Die Aneinanderlagerung des Protoplasmas der verschiedenen Zellen ist somit ein sekun- därer Vorgang. Doch lässt dieser Vorgang auch später sicht- bare Marken zurück: eine für zwei Zellen gemeinsame Proto- plasmazone, die Grenzschicht. Diese bildet sich zurück unter gleichzeitiger Zunahme des inneren helleren Zellprotoplasmas. Es scheint mir wahrscheinlich, als wüchse dieses auf Kosten jener. Später aber, wo die Grenzschicht scharf begrenzt ist (wo die haarfeine Begrenzungslinie zu sehen ist) und wo sie beinahe zu einer Linie reduziert ist, ıst dieser Prozess zu Ende gekommen. Dieser morphologischen Verschiedenheiten unge- achtet ist es wahrscheinlich, dass es sich hier nicht um zwei ihrer Natur nach verschiedene Substanzen handelt. Darauf scheinen die Ergebnisse bei den älteren Embryonen zu deuten. Auch das Verhalten der Fibrillen stimmt mit dieser Annahme überein. Die Zellen der embryonalen Hornschicht und die dicht darunter gelegenen bieten verschiedenes Interessante. Zum Studium sind die Flachschnitte den Querschnitten weit über- legen. Sie bieten etwas verschiedene Bilder, je nachdem ver- schiedene Färbemethoden angewandt sind. Die Zellen dicht unter der Hornschicht sind an den Prä- paraten nach Unna etwas dunkler blaugefärbt als die tieferen und voll von dunklen Granula. Die Granulation auf dem blauen Grunde erstreckt sich bis an die knötchenförmigen Brücken. Diese sind dicht aneinander gelagert und bilden mit der äusserst reduzierten Grenzschicht nur eine dunkle Linie, die die Zelle von ihrem Nachbar trennt. Die dichten Granulationen auf dem relativ dunklen Hintergrunde machen es dem Untersucher bei- 256 Y. MEURMAN, nahe unmöglich zu entscheiden, ob auch Fibrillen vorkommen. Ausserdem ist es schwer, eine sichere Anschauung über die Lage der Granula zu gewinnen, besonders wegen der Dünn- heit der Zellen. Einige rühren sicher von den knötchenförmigen Brücken auf der Oberfläche her, andere sind im Protoplasma eingebettet und können entweder Granula oder Fibrillenquer- schnitte sein. Allmählich gewinnt die Zelle eine ungleichmässige schmutzigdunkle Farbe, dann beginnt z. B. von einem Rande eine Orangefärbung sich über die Zelle auszubreiten und mit jener zu mischen. Das Farbenchaos macht es unmöglich, eine deutliche Auffassung von der feineren Struktur zu erhalten. Das Studium der Homzellen bringt wieder etwas Licht auf das Verhalten. Sie sind hellorange gefärbt, an dickeren Stellen homogen aussehend. An dünneren dagegen sieht man auf dem hellen Fond weniger lichtbrechende Granula und Fibrillen. Diese sind nicht so deutlich wie in den oberen Retezellen, ihr Verlauf und ihre Grösse zeigen doch, dass sie dieselben (Gebilde darstellen. An den nach Kromayer gefärbten Schnitten gewinnt die Zelle allmählich eine dunkelviolette Färbung, welche an- fangs am häufigsten in der Nähe des Kernes auftritt. Die Hornzellen sind oft etwas blasser. Die Fibrillen sind in vielen Zellen zu sehen und in den Hornzellen deutlicher als mit der Unnaschen Färbung (Fig. 13). Ältere Embryonen (von 22, 25, 27, 30 em Länge). Diese können wir in ein Kapital zusammenfassen. Es tritt nämlich eigentlich bei den älteren nichts Neues hinzu, viel- mehr handelt es sich um die weitere Entwickelung schon prä- formierter Gebilde. Dabei steht der Embryo von 22 cm Länge näher demjenigen von 19 cm, als dem von 30 cm. Die Em- bryonen von 19 cm bis 30 cm Länge bilden alle eine kon- „AInatom.Helte IAbteitung BEIROSBAIEN Tele ior . hr stBr Fis.10 Fis.9 AH ABI BZ Fig.20. Fis.13 E Fig.19 “I F.baramann, Wieskaden j eıra Königl.Universtäts drutkerei H,Stürtz A 0. Würzburg Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 257 tinuierliche Reihe in der Entwickelung der Oberhautstruktur. Es ist jedoch besser, das erste deutliche Auftreten der Fibrillen gesondert zu behandeln. Wie beim 19 cm langen Embryo bilden die Basalzellen mit ihren breiteren, zusammenstossenden Basalteilen eine scharfe Grenze gegen das Corium. An Vertikalschnitten sieht man häufiger Basalzellen, durch welche die Fibrillen von der Basis zur Kuppe kontinuierlich verlaufen. Viele von diesen können aufwärts verschieden weit verfolgt werden. Sie scheinen regelmässiger als vorher und „anastomosieren” seltener. Zu- weilen sind die am Zellrande dicker. Die meisten erstrecken sich bis zum Basalrande der Zelle. Ihre basalen Enden scheinen oft aufgequollen oder von einer dunkleren Protoplasmazone umgeben. Diese sind wahrscheinlich analog mit den „Basal- stäbchen‘ bei niederen Vertebraten (Studnicka [42]). Ent- sprechend dem Vertikalschnitte findet man oft am Tangential- schnitte (Fig. 14) die Fibrillen im niedersten Teil der Zelle auch in dunklere Protoplasmahaufen eingebettet. Es scheint annehmbar, dass die Fibrillen sich in diesen Protoplasma- verdichtungen differenzieren. Die Verteilung der Fibrillen in der Zelle beobachtet man am besten auch an den Zellquerschnitten (Fig. 14). Im Basal- teil sind sie durch das ganze Protoplasma verstreut, dann be- ginnen sie sich zur Zellperipherie zu ziehen. Am unteren Pol des Kernes lassen sie daher den centralen Teil frei. In der mittleren Partie bilden sie öfters einen Pünktchenring um den Kern (Fig. 14 und 15). Wenn aber das Zellplasma irgendwo eine dickere Lage bildet, können die Querschnitte in zwei (gewöhnlich unregelmässige) Reihen geordnet sein, umgeben jedoch nicht die ganze Zellet). Wenn die Fibrillen am Kern vorbei gezogen sind, beginnen sie sich wieder über das ganze Zellgebiet zu verteilen (Fig. 15). Oft sieht man an der Zell- !) Die randständigen liegen oft nur teilweise im Protoplasma (Fig. 15). 258 Y. MEURMAN, kuppe nicht reine Querschnitte, weil die Fibrillen gewöhnlich etwas divergierend die Zelle verlassen. Die Interzellularräume zwischen den Basalzellen sind hell, die Brücken öfters schwach gefärbt und schmäler geworden. Wo die Seitenfläche der Zellen in den Schnitt gefallen, sieht man sie als Punkte in regelmässigen Abständen. Meistens lässt sich ein Fortsatz der Brücke nicht in die Zelle hinein ver- folgen, wo dieses der Fall, sieht man die Fibrille sofort vertikal- wärts umbiegen. Transversale Fibrillen sind in den Basalzellen nicht mit Sicherheit nachweisen. Mitunter fand sich zwischen den Basalzellen eine diekere Fibrille, die an ihrem basalen Ende sich in zwei oder drei Äste gespalten hatte. Diese ver- lief aber sicher nicht frei im Interzellularraum !), sondern ge- hörte einer Zellkante an, die sich zwischen die in den Schnitt gefallenen Basalzellen einschob. Die basale Verästelung ist wohl 3) Fibrillen sich eine Strecke lang aneinander angeschlossen haben (vgl. Rabl [27] und Weidenreich [49]). Betreffs des Fibrillenverlaufes in den Basalzellen herrscht dadurch zustande gekommen, dass einige (2 noch keine Einigkeit. Nussbaum (24) sieht sie in der Daumenschwiele des Frosches erst am unteren Pol des Kernes auftreten. Schridde (35) hat mit seinem Verfahren sie nicht in der Zellbasis färben können und behauptet, dass die anderen durch Schrägschnitte getäuscht seien. Nicht nur an Schräg- schnitten, sondern auch an Schnitten, die genau der Länge nach die Zelle gespalten, lassen sich aber an meinen Präparaten Fibrillen bis zur Coriumgrenze verfolgen. Bis zur basalen Zell- grenze zu verfolgen sind sie nach Herxheimer (10) und Kromayer (15, 17,18). Weidenreich (49) sieht sie gleich weit bis zu einer |gleichmässigen Grenzlinie (vgl. meine ver- dichtete basale Randzone). !) Das kann an dem Basalende gesehen werden, wo es färbbares Proto- plasma zwischen den Verzweigungen gibt. Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 259 Die dicken Randfasern sollten nach Herxheimer und Müller (11) gefärbte Zellkonturen sein. Dieser Ansicht haben die meisten übrigen Forscher sich nicht angeschlossen. — Kromayer (18) erklärt sie als Sammelbilder von einzelnen Fasen. Rabl (27) und Weidenreich meinen, dass sie möglicherweise durch Verklebung einzelner Fasern entstanden seien. Auch sagt Rab (l. e.), dass die dicksten und ihre Farbe am stärksten festhaltenden peripher verlaufen. In einigen. Fällen können die peripheren dicken Fasern ganz sicher beim Drehen der Mikrometerschraube im einzelne Fibrillen zerlegt werden. Für andere scheint die Ansicht Rabls und Weiden- reichs 'wahrschemlich. Interzellulare Fasern haben Unna (47, 48) und Nuss- baum (24) gesehen. Ihr Vorkommen bestreitet Weiden- reich (49). Er hat in den Brücken zwischen den Basalzellen Fibrillen wahrgenommen, nicht aber sie in die Zellen hinein verfolgen können. Nach Kromayer (16) senden sie feine Reiserchen durch die Seitenbrücken zu den benachbarten Zellen. Wie es aus dem Obigen schon teilweise hervorgeht, machen einige Autoren einen Unterschied zwischen den dicken Rand- fasern (Spiralen Herxheimers, „geschlängelte Basalfasern“ Kromayers) und den feineren centralen Fibrillen (Ran- viers Faserung), in letzter Zeit besonders Nussbaum (24). Ich habe nie an meinen. Präparaten von der embryonalen Sohlen- haut einen so auffallenden Unterschied gesehen, dass ich es gerechtfertigt halten könnte, von zwei Bildungen zu reden. Die Fibrillen in den Basalzellen sind dieselben Gebilde wie in den anderen können aber zuweilen ein wenig dicker und mehr gefärbt sein. In der Zellreihe über der basalen Reihe vermindert sich die Kernhöhle allmählich bei zunehmendem Alter, verschwindet aber nicht ganz. Ich habe schon oben bemerkt, dass die Kerne 260 Y. MEURMAN, in den bläschenförmigen Zellen eine Neigung haben zu schrumpfen. Die Entstehung der Höhle ist auch so von Ran- vier (eit. nach Retterer [33]) und Unna (47) beschrieben. Studnicka (42) findet sie an verschieden fixiertem Material gleich gross und hält sie für physiologisch. Sie enthielte „Flüssigkeit und das geschrumpfte Endoplasma“. Nach ihm sind die Höhlen so gross, dass sie nicht bloss durch Schrumpfen gebildet sein können. Dieser Ansicht schliesse ich mich an. Zwar habe ich bläschenförmige Zellen gefunden, in denen der Kern die ganze Höhle ausfüllt. Diese sind aber kleiner und wohl erst in Bildung aus den Basalzellen begriffen. Gewöhn- lich ist die Kernhöhle so gross, dass es schwierig ist, sich vor- zustellen, dass der Kern sie ganz ausgefüllt haben könne. Ob- gleich wohl die Kerne in diesen Zellen etwas zu schrumpfen pflegen, gibt es doch eine mehr oder weniger grosse peri- nucleare Cavität, die wahrscheinlich von Flüssigkeit gefüllt ist. Die Cavitäten vermindern sich nach der Oberfläche zu und sind oft nicht mehr in den oberen Zellenlagen zu sehen (vgl. Embryo 19). Beim Vorschreiten des Alters verändert sich die Grenz- schicht. Wir finden sie um so weniger gefärbt, je älter der Embryo ist. An ihre Stelle sind die Interzellularräume ge- treten. Diese Veränderung könnte auf doppeltem Wege zustande kommen. Erstens kann man sich vorstellen, dass die Grenz- schicht entweder resorbiert wird oder sich kernwärts retra- hiert. Zweitens ist es möglich, dass sich die frühere Grenz- schicht nicht mehr ausbildet. Es scheint, als ob in Wirklich- keit die beiden Prozesse vor sich gingen, hauptsächlich doch auf etwas verschiedenem Gebiet: der erste in den höheren Zellschichten, der zweite in den niederen. Die einmal ge- bildete Grenzschicht wird mit den zugehörigen Zellen gegen die Oberfläche verschoben. Hierbei wird sie wahrscheinlich allmählich resorbiert, was daraus hervorgeht, dass sie weniger Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 261 färbbar wird. Bei dem 30 em langen Embryo sehen wir sehr selten deutliche „Bänder“ oder Brückenverbindungslinien. Dieses könnte aber schon zu einem Teil von der zweiten Entwickelungs- veränderung abhängig sein. Es ist nämlich unmöglich zu bestimmen, bei der Betrachtung zweier Präparate von ver- schieden alten Embryonen, welche Zellen in der Malpighi- schen Schicht beim älteren Embryo dieselben sind, die im Alter des jüngeren diejenigen der zweiten, dritten usw. Reihe waren. Das Protoplasma älterer Basalzellen verschiebt sich bei der Zellteilung und Höhlenbildung nicht mehr so stark peripher- wärts, dass es die Interzellularräume ausfüllte. Sie bleiben bestehen obgleich erst enger als zwischen den Basalzellen. Bei der Verminderung der Kernhöhle erweitern sie sich etwas, | bald nimmt die Entwickelung doch ihren regelmässigen Ver- lauf, indem sie in den oberen Schichten sich wieder verengern, um schliesslich im Stratum granulosum zu verschwinden. Da- bei verkürzen sich natürlich die Interzellularbrücken, wie schon oben beschrieben. Es existiert ein annähernd reziprokes Verhältnis zwischen der Grösse der Kernhöhle und der Breite des Intercellular- raumes. Je älter das Gewebe wird, um so kleiner wird die Kemhöhle in den neugebildeten Zellen der zweiten Reihe, und um so mehr lässt das Protoplasma den Interzellularraum frei. Auch färbt sich das Protoplasma im Stratum spinosum allmäh- lich stärker und erreicht schliesslich die Faırbenintensität der Basalzellen. Die Fibrillen gewinnen an Färbbarkeit. Sie verlieren ihre scharfen Biegungen, Kontaktstellen und Anastomosen mit den benachbarten und ihren lockeren Charakter. Sie zeigen mehr und mehr einen schönen welligen Verlauf und ziehen parallel, unter sich in verschiedene Bündel angeordnet, je nachdem durch welche Brücken sie in die Zelle eintreten und sie verlassen. Sie beschränken sich nicht auf eine Zelle (vgl. Branca [4]), 262 Y. MEURMAN, sondern erstrecken sich durch mehrere (Ranvier [28], Re- naut [30], Kromayer [18], Tischutkin [44], Pol- verini [25], Schridde [35], Rosenstadt [34] u. a.). Ich habe beim Embryo dieselbe Fibrille nur durch drei Zellen verfolgen können, längere kontinuierliche Strecken sind auch selten in der Planta des Erwachsenen zu beobachten. Dies beweist aber nicht, dass sie nur auf diese Zellen beschränkt wären. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass sie von den Basal- zellen ausgehend die ganze Oberfläche durchlaufen. Ihre Ver- laufsrichtung ist, mit einigen Ausnahmen, im untersten und mittleren Teil des Stratum Malpighi hauptsächlich aufwärts- strebend, in den höheren Zellenlagen tangential (vgl. Embryo 19 cm und Fig. 16 und 17). In den Epidermisleisten zwischen den Coriumpapillen haben die Bündel mehrere Richtungen, was von der Verschiebung der neugebildeten Zellen abhängig ist. Ich habe weder Schriddes (35) Fibrillenovale noch ihren regelmässigen Verlauf in den drei Richtungen des Raumes, wie es von Rosenstadt (34) beschrieben ist, bestätigen können. In der Zelle verteilen sich die Fibrillen auf das ganze Protoplasma, was besonders an Tangentialschnitten zu sehen ist (Fig. 16, 17). Die Dicke ihrer Lage um den Kern hängt von der Grösse der Kernhöhle ab. — Die Dicke der einzelnen Fibrillen ist etwas wechselnd. Jedoch sind die Variationen an meinen Präparationen nicht so gross wie Rabl (26) beschreibt, auch liegen die dickeren nicht stets an der Peripherie der Zellen wie Weidenreich (49) gefunden. Die Zellen des Stratum granulosum werden allmählich mit Keratohyalinkömner gefüllt. Gewöhnlich gibt es von ihnen nur eine, seltener zwei Zellenlagen. Die isolierten Körner befinden sich oft auf einem verhältnismässig hellen Grunde. Es ist als hätte das Protoplasma etwas an Färbbarkeit verloren. Später werden die Zellen doch dunkler, wenn die Körner zusammen- Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl, Sohlenhaut. 263 zuschmelzen beginnen. Wo sie nicht die ganze Zelle ausfüllen, findet man Fibrillen (Fig. 18). Diese sind gewöhnlich blasser als in den tieferen Zellenlagen. Entweder haben auch sie an Färbbarkeit eingebüsst oder ihr mikrochemisches Verhalten so geändert (vgl. Schridde [35]), dass die Differenzierungs- flüssigkeit sie schneller der Farbe beraubt. So ist es leicht verständlich, dass sie nicht in den engen Spalträumen zwischen den Keratohyalinkörnern sichtbar werden. Die Hornschicht wird dicker, die einzelnen Zellen erleiden aber keine grösseren Veränderungen. ‚Ich verzichte hier auf eine genauere Beschreibung, weil sie nicht Gegenstand meiner Untersuchungen gewesen sind. Nur aufs Vorkommen der Fibrillen habe ich meine Aufmerksamkeit gerichtet. Ich habe schon erwähnt, dass ich beim 19 em langen Embryo Fibrillen gefunden habe. Das ist natürlich auch der Fall bei den älteren. In allen Zellen sind sie nicht deutlich zu sehen, im Gegenteil sind sie nur in spärlichen gefärbt erhalten. Dies beruht so- wohl auf ihrem veränderten mikrochemischen Verhalten (Branca [4], Schridde [35]), möchte auch etwas von der Differenzierung abhängig sein (vgl. auch Rab] [27]), oder dass sie vielleicht teilweise zusammengesintert sein können (Wei- denreich [49]). Ich will bemerken, dass ich nicht die gröbere Streifung der Hornzellen mit den Fibrillen verwechsle. Dies sollen nach Kromayer (18) die Autoren tun, die das Per- sistieren der Fibrillen in der Hornschicht verteidigen. Ich habe zuweilen ganz deutliche Fibrillenbündel gesehen, und das so- wohl an Präparaten, die nach Kromayer als nach Unna gefärbt waren. Die gröbere Streifung ist oft oberflächlich. Sie rührt vielleicht von den zusammengekitteten Fibrillen her (vgl. Weidenreich [49)). Die Angaben der Autoren über das Vorkommen der Fibrillen im Str. granulosum und im Str. corneum sind ver- schieden. Nach Cajal (5), Herxheimer und Müller (11) 264 Y. MEURMAN, und Kromayer (16, 18) sind sie hier nicht vorhanden. Da- gegen erwähnen Unna (46), Rabl (27), Weidenreich (49) (in Vola manus und Planta pedis), Tischutkin (44), Branca (4) und Schridde (35) einen positiven Befund. Ein Faser- werk in den Hornzellen ist von Bowen (3), Macleod (21) und Bering (1) erwähnt. Renaut (30) findet Fibrillen nur in denjenigen Hornzellen, unter denen es nicht ein Str. granu- losum gibt. Neugeborene und Erwachsene. Das histologische Verhalten der Fusssohlenhaut des Neu- geborenen und des Erwachsenen bietet so kleine Verschieden- heiten dar, dass es unnötig ist, sie gesondert zu behandeln. Auf eine genauere Beschreibung werde ich verzichten; teils ist die Struktur der Planta pedis der Erwachsenen von vielen anderen schon früher beschrieben, teils hat sie nur kleinere Verände- rungen erlitten, die ich erwähnen werde. Einige Momente, die entweder im vorhergehenden weniger hervorgehoben oder erst bei diesem deutlich hervortreten, bedürfen noch der Be- sprechung. Es herrschen verschiedene Ansichten über das Enden der Fibrillen gegen das Corium und über den Zusammenhang dieser und der Bindegewebsfasern. Viele nehmen an, dass es eine besondere Basalmembran zwischen den Basalzellen und der Cutis gebe. Schridde (36) hat sie mittels der Silberimprä- gnierungsmethode beinahe isoliert gefärbt erhalten. Nach ihm scheidet die Membran die Epidermis ganz und gar vom Corium ab, so dass die wurzelförmigen Protoplasmaausläufer der Basalzellen sich in die entsprechenden Grübchen der Membran senken. Nach Tischutkin (44) bilden die Fäserchen der basalen Zellschichte in einzelnen Fällen eine Basalmembran. Mir ist es weder mittels der Schriddeschen!) noch mittels !) Die von Schridde 1906 beschriebene Methode habe ich an der Planta eines 27 cm langen Embryos versucht, weil die Grenze zwischen der Epidermis und dem Corium bei diesem deutlicher ist als z. B. bei dem Neugeborenen. Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 265 den anderen von mir angewandten Methoden gelungen, eine besondere Basalmembran darzustellen. Nach Schridde (35) und Nussbaum (24) (Daumen- schwiele des Frosches) nehmen die Fibrillen in den Basal- zellen ihren Anfang etwas über der Cutisgrenze, nach Wei- denreich (49) genau an derselben. Nach Kromayer (15) sind die Fortsätze der Basalzellen in toto gefärbt. Später be- schreibt er eine besondere Grenzschicht, wo sich sowohl die Zylinderzellen als die Bindegewebsfasern anheften. Eine direkte Verbindung zwischen den Epidermisfibrillen und Bindegewebs- fasern schildern u. a. Schuberg (37) und Krauss (14); der letztere hat die Reptilienhaut untersucht. Nach Schütz -(40) dringen elastische Fasern von der Cutis in die Epidermis ein, können 2-3 Zellenlagen aufwärts verfolgt werden und lösen sich dann in die Streifung des Stachelmantels auf. Gewöhnlich (Fig. 19) sieht man die Fibrillen den Basal- rand der Zellen erreichen, wo sie dann gleich lang enden. An den Papillenspitzen überschreiten sie doch oft die Grenze, um sich eine Strecke abwärts in die Cutis zu strecken. Die Länge der Strecke ist gewöhnlich etwas kürzer als die halbe der Basalzellen. Einige können auch länger sein. Oft scheinen diese Ausläufer kontinuierlich in die Bindegewebsfasern über- zugehen (Fig. 20). An einigen Stellen, wo das Messer das Corium von der Epidermis abgerissen hat, ist die untere Fläche der letzteren wie mit dichten Fransen bedeckt. An einigen Schnitten aus der Vola manus des Neugeborenen habe ich auch dicke Fasern vom Bindegewebe in die Epidermis ziehen ge- sehen. Diese scheinen nur an der Oberfläche der Basalzellen zu verlaufen, nicht aber in die Zelle hinein zu dringen. Ob die Epidermisfibrillen in direktem Zusammenhang oder nur in Kontakt mit den Bindegewebsfasern stehen, ist infolge dieser Beobachtungen doch schwer zu entscheiden. Wie dem Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2). 18 266 Y. MEURMAN, auch sei, ist dieser Zusammenhang oder Kontakt ein später eintretender Fall, weil das Übergehen der Fibrillen bei Em- bryonen selten ist. Eine spiralige Faserung ist in den Basalzellen allgemein beschrieben. Nach vielen Forschern ist diese Form Artefakt (Kromayer [1ö, Herxheimer und Müller [il], Schütz [41], Rab! [27], Unna [47, 48], Studnicka [42]), als Ursache ist gewöhnlich die Schrumpfung hervorgehoben. Nach Weidenreich (49) und Nussbaum (24) ist die Spiralform kein Kunstprodukt. Unna (48) erklärt weitläufig, wie die Fasern, die ganz oder teilweise frei vom Protoplasma verlaufen, nach der schrumpfenden Wirkung der Fixations- und anderen benutzten Flüssigkeiten innerhalb des engen Interzellularraumes die Spiralform annehmen müssen. Das Protoplasma schrumpfe nämlich mehr als die Fasern. Es scheint mir aber nicht wahr- scheinlich, dass der enge Raum dabei eine grössere Rolle hätte. Falls die schrumpfende Wirkung verschiedener Agentien mehr das Protoplasma als das Faserwerk beeinflusst — was zu glauben ist —, so müssen, wie Unna sagt, die Fibrillen eine gewundene Form annehmen. Aber gerade das geschrumpfene Protoplasma (es bedarf nicht des engen Raumes) hindert sie, einen Bogen zu bilden, weil es sowohl an der Mitte und den übrigen Stellen, als an den Enden seine ziehende Wirkung ausübt. Die Unnasche Erklärung könnte nur für die „nackten Haftfasern“ gelten. Freie (nackte) Fibrillen habe aber ich an meinen Präparaten von der normalen Planta nicht mit Sicher- heit gesehen. Ich habe schon vorher bemerkt, dass es sich dann um eine scharfe isolierte Zellkante, eventuell mit in ihr erhaltener Fibrille handelt. Nach Rosenstadt (34) beruht die Spiralform der Fibrillen auf die Entspannung der Haut. Er hat sie nicht an den Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 267 Stücken gesehen, die bei der Fixierung auf Korkplatien be- festigt waren. Mir scheint es, als ob die beiden Momente: die grössere Schrumpfung des Protoplasmas (Unna) und die veränderten Spannungsverhältnisse des losgeschnittenen Hautstückes, die Spiralflorm beeinflussen möchten. Übrigens sind spiralige Fibrillen oft auch im mittleren Str. spinosum zu finden. Die Verteilung der Fibrillen im Protoplasma der Basal- zellen ist schon oben bei den Embryonen besprochen. — Die meisten halten sowohl die Ranvier schen Fibrillen als die Herxheimerschen Fasern für protoplasmatische Bil- dungen. Dabei macht neuerdings Nussbaum (24) zwischen ihnen den folgenden Unterschied. Die „Herxheimerschen Fasern“ seien nur in der äusseren Protoplasmaschicht der beiden unteren Zellenlagen, die „Ranvierschen Fibrillen“ dagegen im ganzen Protoplasma gelegen und kommen gleich- zeitig mit den „Fasern“ auch in den untersten Zellenlagen vor. Das Methylviolett färbe die Fasern dunkler und der Farbstoff werde von ihnen länger zurückgehalten, was seinen Grund darin habe, dass die Fasern dicker sind. Die Fasern verlaufen geschlängelt, die Fibrillen in gleichmässigen Bogen. Die Bizzozeroschen Knötchen gehören nur zum interzellularen Teil der Fibrillen, nicht aber der Fasern. — Neuerdings haben Favre und Regaud (6) „Filamente“ in den Basalzellen untersucht. Nach ihnen sind diese als Initialstadium der Fibrillen aufzufassen und besitzen den Charakter der Chon- driosomen. Demnach unterscheiden sie sich von den Fibrillen unter anderem auch dadurch, dass sie nur mit speziellen Methoden gefärbt erhalten werden können. Beim Neugeborenen habe ich nicht einen grösseren Unter- schied zwischen den peripheren und den centralen Fibrillen der Basalzellen gefunden. Auch bieten sie oft eine Welligkeit 18* 268 Y. MEURMAN, desselben Grades dar. Die Fibrillen der höheren Zellenlagen unterscheiden sich von ihnen relativ wenig. Beinahe dasselbe ist der Fall in der Planta des Erwachsenen. Dass die Fibrillen in den Basalzellen oft doch etwas dicker sind, beweist nicht, dass sie etwas anderes seien als die übrigen. Es ist ja natürlich, dass sie hier, wo sie jünger sind, etwas lockere Konsistenz haben. Vielleicht hat dies auch etwas mit ihrem färberischen Verhalten zu tun. Ich habe nämlich oft bei der Differenzierung Präparate erhalten, in denen die Fibrillen der untersten Zellen- lagen beinahe entfärbt, die der mittleren und oberen noch deutlich tingiert waren, ein entgegengesetzter Befund zu Nuss- baum. Einige von den dicken basalen Randfibrillen sind Sammelbilder (vgl. Kromayer [18] und oben). Demnach halte ich die Fibrillen in den basalen (inklusive Herxheimersche Fasern) und in den übrigen Zellen der Stachelschicht (Ranviersche Fibrillen) für dieselben Gebilde im Protoplasma der Epidermiszellen. Es können doch auch Fasern von der Cutis in die Epidermis eindringen. Ihr Ver- halten zur Epithelfaserung bedarf noch näherer Untersuchungen. Der Unterschied, den die Faserung bei den Neugeborenen und Erwachsenen von der der Embryonen aufweist, besteht im regelmässigen Verlauf der Fibrillen. Sie sind in ihren Bündeln mehr parallel untereinander und bringen dadurch auf einmal längere Strecken ins Gesichtsfeld. Dazu sind sie zahl- reicher. Es ist, als ob beinahe der grössere Teil des Proto- plasmas aus Fibrillen bestehe. Die Fibrillen des Erwachsenen sind etwas gröber als beim Neugeborenen. Oft sind am Zell- rande ähnliche geschlängelte Randfibrillen wie in den Basal- zellen zu finden. Die Interzellularbrücken sind von gleicher Dicke wie die Fibrillen. Ich bin somit der Ansicht Weidenreichs (4), dass die Brücken nur von den Fibrillen gebildet werden. Die gleiche Dicke der Brücken schliesst doch nicht, wie er meint, Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 269 das Vorhandensein solcher Fibrillen, die sich durch mehrere Zellen erstrecken, aus. Im Gegensatz entstehen die Fibrillen nicht in der fertigen Epidermis, sondern gleichzeitig mit den zugehörigen Zellen. Zusammenfassung. Dass die Fibrillen nicht nur der Epidermis des Erwachsenen gehören, wissen wir von Aufsätzen vieler Forscher (Retterer [31, 33], Tischutkin [44], Branca [4], Rosenstadt [34] u. a.), und schon Ide (13) erwähnt in den Epidermiszellen des Hufes bei einem 4—5 Monate alten Kalbfötus ein „aspect fibrillaire particulier‘. Untersuchungen über ihre Ausbildung sind noch ziemlich spärlich und besonders fehlen uns Angaben über die Zeit, zu der sie gebildet werden. Retterer (31) siehi sie beim Pferdefötus (20 cm) auf Grund der „lignes refrin- gentes“, d. i. unserer Grenzschicht, sich entwickeln, um von dort aus nach innen zu verlaufen. Später (33) erklärt er, dass das Netzwerk sich in eine Fibrillenlamelle umwandelt, wo die Fibrillen doch feine Anastomosen besitzen. Branca (4) be- schreibt und bildet Fibrillen in der embryonalen Eischwiele des Hühnchens ab. Nach ihm entstehen sie auch aus dem Morpho- plasmareticulum und zwar so, dass einige Querbälkchen ver- schwinden. Die Differenzierung beginnt in der Nähe des Kernes. Doch setzen sie sich hier nicht in die benachbarten Zellen fort, sondern gehören nur der Mutterzelle an. Die genauesten Data gikt Studnicka (42). Die Tonofibrillen entstehen ent- weder im Endoplasma oder direkt im Exoplasma. Die Morpho- plasmatrabekeln ordnen sich in bestimmten, den Druckverhäl:- nissen entsprechenden Richtungen und die Fibrillen entwickeln 270 Y. MEURMAN, sich in oder aus ihnen. Die Tonofibrillen sind anfangs schwer von den gewöhnlichen Trabekeln zu unterscheiden, verlieren aber später ihre Anastomosen, bekommen einen gewellten Ver- lauf und setzen sich in die der benachbarten Zellen fort. Die Bündel entstehen wahrscheinlich durch Längsspaltung der Elementarfibrillen. Trotzdem sagt er, dass die Tonofibrillen (Protoplasmafasern) im embryonalen Epidermisgewebe noch fehlen! (S. 236.) Hier liegt ein Widerspruch vor, den ich mir nicht erklären kann. In den Basalzellen hat er nicht während der Embryonalzeit Fibrillenbildung gesehen. In der letzten Zeit haben Favre und Regaud (6) und Firket (7) die Beziehung der Fibrillen zu den Mitochondrien untersucht. Dabei sind sie zur Auffassung gekommen, dass sich die Fibrillen aus Chondriosomen (Favre et Regaud) oder Chondrioconten (Firket) entwickeln. In der Entwickelung der Fpidermisstrukturen haben wir zweierlei Prozesse zu beachten. Erstens ist die Struktur der Zelle, bei deren Vorschreiten zur Hautoberfläche, gewissen Ver- änderungen unterworfen, zweitens verändern die Zellen aller Lagen ihren Charakter bei zunehmendem Alter. Dies gilt ja auch für die Basalzellen, die Keimzellen der Epidermis. Der Grund, auf dem die neuen Strukturen entstehen, wird also selbst allmählich verändert. Das Studium wird noch dadurch erschwert, dass wir nicht dieselbe Zelle von der Keimlage die Epidermis hindurch bis zu deren Abstossung verfolgen können, sondern sind gezwungen, Schnitte von verschieden langen Embryonen zu verfertigen. Dieselbe Länge entspricht doch nicht genau demselben Alter, und übrigens ist es auch unmöglich, zu bestimmen, wie hoch die Basalzellen eines jüngeren Embryo bei dem Alter eines älteren gelangt sind. Alle Epidermiszellen des 7 cm langen Embryo sind ganz undifferenziert. Bei dem 12 em langen Embryo sind die Basal- Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 271 zellen auch noch ohne Fibrillen. Dagegen besitzen die Zellen der mittleren Schichten ein polygonales Netzwerk an ihren Oberflächen. Die höher liegenden sind in ihrer Entwickelung so weit vorgeschritten, dass viele von ihnen parallele Bälk- chen, Andeutungen der Fibrillen besitzen. Soweit ist die Rich- tung der Strukturentwickelung schon hier erkennbar. Die Strukturveränderung, die man bei sukzessiver Betrachtung der Zellen von der Basallage aufwärts wahrnimmt, gleicht in einem gewissen Grade derjenigen der Zellenreihe derselben Ordnung bei verschieden alten Embryonen. Fertige Fibrillenbündel findet man z. B. in einigen Zellen im oberen Teil der Malpighi- schen Schicht beim 19 cm langen Embryo. Die Zellen der zweiten Reihe bekommen aber viel später so regelmässige Fibrillen. Diese entstehen somit im Protoplasma, wenn die Zelle ein gewisses Alter erreicht. Das Protoplasma hat die Disposition, insich Fibril- len zu erzeugen; die Fibrillen brauchen nicht in der Zelle präformiert zu sein, wenn sie noch der Basallage gehört. Diese ersten „Primärfibrillen‘‘ müssen daher aus dem Morphoplasmareticulum entstammen. Auch bilden einige gerade Trabekeln, die die embryonalen bläschenförmigen Zellen durch- ziehen, den Anfang derselben. Einige Maschen des Netzwerks vereinigen sich so, dass mehr oder weniger parallele Trabekeln übrig bleiben. Der Prozess ist besonders in der zweiten und dritten Zellreihe beim 19 em langen Embryo zu sehen. Doch gibt es in diesen Zellreihen einige Fibrillen, die schon in den Basalzellen präformiert waren. Dass aber dies nicht von allen gilt, geht daraus hervor, dass alle Basalzellen noch nicht Fibrillen enthalten. Die Primärfibrillen erlangen aber nicht den- selben regelmässigen Verlauf, dieselben glatten Konturen und dieselbe Länge, die die späteren besitzen. Sie haben hie und da einige scharfe Knickungen und Anastomosen. Der kon- 272 Y. MEURMAN, tinuierliche Übergang zur benachbarten Zelle ist seltener so deutlich und fehlt oft. Wie oben gesagt, sind die späteren Fibrillen (die wahren Protoplasmafasern) schon in den Basalzellen gebildet. Hier sehen wir immer mehr parallele, kaum anastomosierende (viel- leicht hie und da zusammengeklebte) Fibrillen. Es ist dem- nach auch zu erwarten, wenn sie in die oberen Zellenlagen gelangen, dass ihre ursprüngliche gegenseitige Lage besser er- halten bleibt. Doch verändert sie sich noch etwas bei jüngeren Embryonen. Beim 19 cm langen Embryo z. B. sind die Zellen der zweiten Reihe noch so reich an Flüssigkeit, dass das Protoplasma gegen die Wände gedrückt und die sie verbindende Grenzschicht bildet. Es folgt hieraus, dass auch die Ordnung der Fibrillen etwas leidet. Wenn aber später das Protoplasma nicht mehr soviel peripherwärts verschoben wird, behalten die Fibrillen auch ihre gegenseitige Lage und die Epidermis gewinnt Schritt für Schritt die hübsche, regelmässige Fibrillenstruktur. Mit dem Vorschreiten des Alters vermehren sich die Fibrillen. Es scheint mir schwer zu entscheiden, ob die Ver- mehrung durch Neubildung oder „durch Längsspaltung der Elementarfibrillen‘“ zustande kommt. Ich glaube doch, dass dieses wenigstens hauptsächlich nur in den Basalzellen ge- schieht. Von dem oben Angeführten ist es ersichtlich, dass je eine Brücke nur eine Fibrille enthält, und dass diese von Zelle zu Zelle ohne Diskontinuität verlaufen. Gegen das letzte von den meisten Verfasserın anerkannte Verhalten ist neuerdings Merk (22) aufgetreten. Er will an isolierten Zellen nicht ein- mal Andeutungen von zellverbindenden Fasern gesehen haben. An einigen Präparaten, wo das Messer ein Stück von der Epi- dermis weggerissen hatte, sah ich aber deutlich abgerissene Fibrillen von der Zelloberfläche ausgehen. Übrigens sind die Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 273 kontinuierlichen Fibrillen gar zu deutlich an allen Schnitt- präparaten, um bestritten werden zu können. Es entstehen somit sukzessiv im Verlauf der Entwickelung: Aus‘ den nicht differenzierten Basalzellen bläschenförmige Zellenmitkaumnochdifferen- ziertem Protoplasma. Aus den nicht differenzierten Basalzellen bläschenförmige Zellen mit polysonalem Mor- phoplasmareticulum; aus diesem allmählich unregelmässige kürzere Fibrillen. .(Primar- KRbrıllen), Im Protoplasma der Basalzellen parallele, sehr wenig oder gar nicht anastomosierende (zusammengeklebte) Fibrillen (diewahrenProto- plasmafasern),dieimStr.spinosumbeijüngeren Individuen bei der Verdrängung des Protoplas- mas peripherwärts etwas unregelmässiger wer- den, bei älteren aber ihren parallelen Verlauf behalten. Das Auftreten der Fibrillen in den Basalzellen ist schon sehr deutlich beim 19 em langen Embryo. Gleichzeitig mit zunehmendem Alter ver- mehren sich die Fibrillen. Sie verlaufen kon- tinuierlich durch mehrere Zellen, wahrschein- lich durch die ganze Epidermis. Ihre Richtung ist hauptsächlich aufwärtsstrebend. Ich habe schon oben die Veränderungen der Interzellular- räume eingehend besprochen und werde hier die Sache nur kurz repetieren. Betreffs der näheren Details weise ich auf das oben Angeführte hin. Bei jüngeren Embryonen, bis zu den etwa 5 Monate alten, zieht sich das Protoplasma beim Übergang von den Basalzellen zu den Zellen des Str. spinosum 274 Y. MEURMAN, peripherwärts, so dass die Interzellularräume durch die Grenz- schicht gefüllt werden und im Zellinneren eine grosse, zum Teil vom Kern gefüllte Cavität gebildet wird. In welchem Masse die Zellteilungsprozesse dabei beteiligt sind, lasse ich dahingestellt. Beim Vorschreiten der Zelle gegen die Ober- fläche vermindert sich der perinucleare Raum. In älterer Epi- dermis werden die Cavitäten nicht mehr so gross, das Proto- plasma füllt die Interzellularräume nicht mehr aus und beim Neugeborenen verengern sich diese nur allmählich in der Rich- tung gegen die Hornschicht. Nach Mitrophanow (23) entstehen die Interzellular- brücken aus breiteren Protoplasmasträngen zwischen den Zellen, so dass jene in mehrere kleinere zerfallen. F. E. Schulze (39) beobachtete an lebenden Amphibienlarven, wie zwischen den Zellen Vacuolen entstanden und dass durch Platzen ihrer Wände die Brücken aus den Stellen hervorgingen, wo mehrere von diesen zusammenstiessen. Diese Ansicht ist nachdem von Foa (8) Schubotz (38) und Studnicka (42) verteidigt. Es gibt aber schon sehr früh lamellenförmige Verbindungen zwischen den Zellen. Aus diesen gehen später durch Spaltung die drahtförmigen Interzellularbrücken hervor. Anhang: Die Bizzozeroschen Knötchen. In Vorhergehenden habe ich die Frage über die Bizzo- zeroschen Knötchen nicht berührt, und doch ist ja dies ein (Gebilde, das die meisten Epidermisforscher erwähnen. Unter dem Bizzozeroschen Knötchen versteht man ge- wöhnlich eine feine knötchenförmige Verdickung an den Inter- zellularbrücken in der Mitte des Interzellularraumes. Doch ist es zu bemerken, dass auch die von verschiedenen Forschern gegebenen Data von ihrer Gestalt und Lage recht viel wechseln. Dieses Gebilde, das zuerst von Bizzozero (2) be- Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 275 schrieben ist, kommt nach einigen Verfassern (Kromayer [19], Weidenreich [49]) überall in der Epidermis vor, nach anderen (Cajal [5], Schridde [35]) nicht zwischen den Basalzellen, nach Unna 447) auch zwischen den Hornzellen. Herxheimer und Müller (11) haben die Knötchen über- haupt nicht gesehen. — Auch ist es viel bestritten worden, ob die Knötchen vorzugsweise an langen oder an kurzen Brücken vorkommen. Die erste Ansicht ist u. a. von Cajal (5), die zweite von Ranvier (28) verteidigt. Gleich verschieden sind die den Bizzozeroschen Knöt- chen gegebenen Deutungen. Weil Ranvier (28) diese nur an kurzen Brücken sah, deutete er sie als elastisches Organ. Nach Kromayer (19) sind sie als „Ausdruck“ der Elastizität der ganzen Brücken aufzufassen. Seine Ansicht unterscheidet sich somit nur darin von der Ranvierschen, dass nicht nur das Knötchen, sondern auch die ganze Brücke ausdehnungs- fähig sei. Reinke (29) meint, dass die Knötchen multiple Zwischenkörper vorstellen möchten. Dieser Ansicht nähert sich auch Rabl (26). Er hat eine Verbindungslinie zwischen den Knötchen gesehen, die er als eine Doppelmembran auffasst. Cajal (5) glaubt, dass jede Brücke von der Zellmembran um- schlossen sei und dass die Knötchen (an langen Brücken) durch deren Zerreissung entstehen. Einige Knötchen können doch auch davon herrühren, dass zwei Brücken sehr nahe einander gelegen sind oder sich kreuzen. Dieses hebt besonders Henle (9) hervor, indem er sie für eine optische Täuschung erklärt. Sie entständen dadurch, dass über oder unter der eingestellten Brückenreihe eine andere verliefe, deren Brücken- richtung die der ersteren kreuze. Nach Unna (47, 48) sind die Knötchen auch eine optische Täuschung, nicht aber im Sinne Henles. Sie stellen nämlich die eigentlichen Brücken dar, welche den äusserst feinen kapillaren Spalt zwischen den Zellen durchziehen. Er hat auch den Spalt gefärbt gesehen (vgl. 276 Y. MEURMAN, Rabls Verbindungslinie). Die übrigen Teile der Brücke ge- hören zur Fibrille, die die homogene, schwer färbbare Doppel- membran (Interzellularraum der anderen) durchzieht. Der An- sicht Unnas schliesst sich Bering (1) an. Thompson (45) findet in der Nähe eines Epithelcarcinoms, dass die vom Str. germinativum aufsteigenden Fibrillen dicker sind als die Brücken in der normalen Epidermis und nicht Bizzozero- sche Knötchen besässen. Dieses deute auf Entstehung derselben durch Schrumpfung. Neuerdings hat Rosenstadt (34) sich mit der Sache beschäftigt. Auch er leugnet die Existenz der Knötchen, wie Henle und Unna. Diese sind nicht an den Brücken gelegen, sondern neben ihnen. Auch sah er sie nicht immer in der Mitte des Interzellularraumes. Nach ihm sind sie quergetroffene Fasern. Obgleich selten, hat er doch die Rablsche Verbin- dungslinie gesehen. und behauptet, dass sie eine Faser sei. Es gibt nach ihm somit auch Fasern, die der Länge nach im Interzellularraum verliefen. Die Verdickungen an den Zellbrücken sind nicht der embryonalen Epidermis fremde Gebilde. Sie beginnen um so mehr aufzutreten, je weniger die Stelle der Grenzschicht sich färbt, d. i. je heller die bleibenden Interzellularräume werden. Sie sind demgemäss schon bei den älteren Embryonen anzu- treffen. Wie ist nun ihr Auftreten zu erklären? Wie kommen sie zustande ? Wir erinnern uns vom obigen, wie die Grenzschicht beim 19 cm langen Embryo zwischen den oberen abgeplatteten Zellen beinahe zu einer Linie reduziert war. Die Brücken hatten die Form eines Ovals oder eines Knötchens angenommen, zuweilen traten helle Lücken seitlich von der schmalen Grenzschicht hervor. Man könnte also denken, dass die ursprünglichen, durch die Grenzschicht ziehenden Brücken sich zu einem Knöt- chen verkürzten und, eine kurze Strecke der Fibrille, an den Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 277 beiden Seiten des Knötchens sich zu der bleibenden Brücke verwandele. Die Sache ist aber nicht so einfach, weil die Grenz- schicht niemals in den unteren Zellenlagen der Malpighi- schen Schicht sich zu so schmaler Linie reduziert; sie wird nur weniger färbbar, ihre Breite erleidet aber nur kleine Ver- änderungen. Doch könnte man sich vorstellen, dass die Grenz- schicht irgend eine Beziehung zu der Bildung der Verdickungen hätte. Vielleicht könnte ihr Rest als appositionelle Verdickung an der Brücke zurückbleiben. Obgleich dies möglich wäre, muss ich doch gestehen, dass ich keine endgültige Auffassung gewonnen habe, dieses besonders wegen der folgenden Be- obachtungen, welche sich hauptsächlich auf Neugeborene und Erwachsene beziehen. Nussbaum (24) hebt besonders hervor, dass die Knöt- chen an langen Brücken ganz gewiss seltener sind. Ich wurde schon vor einiger Zeit aufmerksam auf das Verhalten, dass ich beinahe niemals Knötchen an solchen Brücken fand, deren Fibrillen eine Strecke weit in den beiden benachbarten Zellen zu verfolgen waren. Auch an der Kuppe der Basalzellen waren die Knötchen selten (vgl. Thompson [43]). Weil die Fibrillen im mittleren Stratum spinosum hauptsächlich gegen die Ober- fläche verlaufen, war dies der Fall besonders an vertikalen Brücken. Dagegen besassen die Brücken zwischen den oberen abgeplatteten Zellen oft Knötchen, so auch die vertikalen Inter- zellularräume, deren Fibrillen seltener in die Zelle hinein ver- folgt werden konnten. Ich fand weiter — was schon andere früher bemerkt —, dass die Knötchen nicht immer in der Brückenmitte sassen (vgl. Kromayer [19], auch Rosen- stadt [34]). Zuweilen waren sie ganz nahe der Zellober- fläche oder sogar an der Grenze. Ich will bemerken, dass ich sie immer an der Brücke selbst, niemals neben ihr, wie Rosenstadt, gesehen habe. Dieses sind aber alles Sachen, die schon teilweise ge- 278 Y. MEURMAN, funden oder wenigstens in der Literatur angedeutet sind. Was ich aber noch nicht erwähnt gesehen habe, ist, dass die Knöt- chen oft beim Drehen der Mikrometerschraube längs den Brücken verschoben werden können. Wie ist nun dieses zu deuten ? Wir können zuweilen ein schräges Fibrillenbündel so ge- schnitten sehen, dass dieses uns auf einmal sein quergetroffenes Ende und eine Strecke der Fibrillen zeigt. Wenn nun die Mikrometerschraube gedreht wird, sieht es aus, als bewegten sich die einzelnen Fibrillenenden (ihre Querschnitte) längs den Fibrillen. In Wirklichkeit ist es aber nicht das quergetroffene Ende der Fibrille, das sich bewegt, sondern die optische Ebene, in welcher die für unser Auge eingestellte Ebene des Prä- parates („die Einstellungsebene‘“) die Fibrille schneidet. Gleiches wäre demnach das Verhalten mit den Knötchen an den Brücken. Die Brücken, an denen Knötchen gesehen werden, sind zur Einstellungsebene etwas schräg gestellt. Liegen aber die Brücken in der letzteren, zeigen sie keine Knöt- chen. Dieses erklärt das Verhalten, dass man die Knötchen da, wo längere Strecken von Fibrillen auf einmal, ohne die Schraube zu drehen, zu sehen sind, selten beobachtet. An den Stellen aber, wo man die von den Brücken ausgehenden Fibrillen nicht in den benachbarten Zellen sieht, ist ihr oberer Teil nahe der Zellperipherie geschnitten, der untere liegt aber nicht in der Einstellungsebene. Wo die optischen Querschnitte an den Brücken nur nach einer Seite verschoben werden können, be- ruht dies darauf, dass die Brücken wirklich abgeschnitten sind. So wird es auch leicht verständlich, dass sich die Knötchen bei aufmerksamer Betrachtung nicht immer in der Mitte des Interzellularraumes finden. — Doch beschreiben ja die meisten Verfasser sie in der Mitte der Brücken. Es scheint mir, als komme dies davon, dass die optischen Querschnitte leichter im helleren Interzellularraume gesehen werden als am mehr Über d. Entwickel. d. Epidermisfibrillen in d. menschl. Sohlenhaut. 279 gefärbten Zellrande. Darum sieht man auch nicht so deutlich solche Knötchenreihen in der Zelle. Doch kommt hierzu ein zweiter Faktor: Innerhalb der Zelle gibt es oft mehrere sich etwas kreuzende Fibrillenbündel, wogegen die Brücken im Interzellularraum annähernd parallel sind, weil sie annähernd senkrecht zu der Zelloberfläche verlaufen und diese keine Grübchen darbietet, sondern ihre Richtung verhältnismässig allmählich ändert. — Wie viele Forscher bemerkt, haben die Knötchen etwas wechselnde Gestalt: sie sind länger oder kürzer. Nach meiner Anschauung kann dies leicht so erklärt werden, dass dieses abhängig ist von der Neigung der Brücke zur Einstellungsebene. Je mehr parallel zu dieser sie ist, um so mehr langgezogen ist das Knötchen. Obgleich manche Verdickungen an den Brücken auf diese Weise erklärt werden könnten, gibt es auch solche, die sich nicht beim Drehen der Mikrometerschraube verschieben oder andere Eigenschaften haben, die auf ihre wirkliche Existenz deuten. Vielleicht könnten sie auf der in der ersten Annahme angedeuteten Weise entstehen. Ich habe auch nur diese Be- obachtungen erwähnen wollen, weil die Frage über die Bizzo- zeroschen Knötchen lange noch nicht als gelöst angesehen werden kann. Helsingfors, den 27. Mai 1911. 10. uk 12. 13. 14. Literaturverzeichnis. Bering, Fr., Zur feineren Anatomie der Oberhaut. Monatsh. f. pr. Der- matologie. Bd. 39. 8.210. 1904. Bizzozero, G., $ulla struttura degli epiteli pavimentosi stratificati. Centralbl. f. med. Wissensch. Bd. 9. (Ref. von Boll.) 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Tangentialschnitt durch die mittleren Zellenlagen der Mal- pighischen Schicht von demselben Embryo. d K, durchschimmernder Kern. Fig. 3. Tangentialschnitt durch die oberste abgeplattete Zelle der Sohlen- haut von demselben Embryo. fB, fibrillenähnliche Bälkchen. Fig. 4. Querschnitt der Sohlenhaut eines 19 cm langen Embryos, die aufsteigenden Fibrillen besonders in den Basalzellen zeigend. vR, verdichtete Randzone der Basalzellen; gK, eingeschrumpfter Kern; tGr, tangential ge- troffene Grenzschicht; HS, verhornte Zellen. Fig 5. Tangentialschnitt von demselben Embryo. Der Schnitt zeigt die basalen Teile der Basalzellen, die zahlreiche Fibrillenquerschnitte enthalten, Ein Teil des Coriums mitgetroffen. CK, Bindegewebskern im Corium; BZ‘. Querschnitt einer Basalzelle unter dem Kern, Fibrillenquerschnitte enthaltend; BZ“, zusammenhängende Basen der Basalzellen. Fig. 6. Sonst wie der vorige; der Schnitt trifft aber den obersten und mittleren Teil der Basalzellen. KBZ, Kuppe einer Basalzelle quergetroften; Gr, Grenzschicht in Bildung begriffen; FQ, Fibrillenquerschnitte. Fig. 7. Querschnitt aus der Sohlenhaut desselben Embryos. Das Bild zeigt u. a., wie die Fibrillen in den unteren und mittleren Zellenlagen unregel- mässige und zackige sind, in den oberen dagegen mehr parallel und geradlinig werden und einen mehr tangentialen Verlauf einschlagen. st. Br, kurze stäb- chenförmige Brücken; Z, eine Zelle nahe ihrer Peripherie getroffen. 195 284 Erklärung ‚der Abbildungen. Fig. 8. Tangentialschnitt: derselbe Embryo. Einige bläschenförmige Zellen. Gr‘, quergetroffene Grenzschicht; Gr‘, tangential getroffene Grenz- schicht mit den Brückenquerschnitten. Fig. 9. Tangentialschnitt: derselbe Embryo. Einige Zellen über den bläschenförmigen Zellen. Die Grenzschicht ist etwas schmäler geworden. Das hellere Protoplasma hat zugenommen. Grenzschichte mit kurzen stäbchen- förmigen Brücken, woraus Fibrillen nur eine kurze Strecke parallel verlaufen. Fig. 10. Tangentialschnitt: derselbe Embryo. Obere abgeplattete, noch nicht verhornte Zellen. Die Grenzschichte noch schmäler, die Brücken ver- kürzt, besitzen die Form eines Ovals oder eines Knötchens, lange Bündel von parallelen, tangentialen, wenig anastomosierenden Fibrillen. Gr, Grenzschicht zum Teil tangential getroffen; FQ, Fibrillenquerschnitte. Fig. 11. Tangentialschnitt: derselbe Embryo. Eine abgeplattete Zelle nahe der Hornschicht. Die Grenzschicht ist beinahe zu einer blauen Linie reduziert. Stellenweise helle Lücken seitlich von ihr. Fig. 12. Schnitt wie oben. Er geht grösstenteils durch die Grenzschicht einer Zelle aus den höheren Zellenlagen der Malpighischen Schicht. Fig. 13. Embryo von 19 em Länge. Verhornte Zellen, in denen parallele Fibrillen gesehen werden. K H, Kernhöhle, durch welche Fibrillen sichtbar sind. Fig. 14. Tangentialschnitt aus der Sohlenhaaut eines 22cm langen Embryos. BZ‘, ein Haufen von zusammenhängenden Basen einiger Basalzellen mit zahl- reichen dunklen Fibrillengrenzschnitten; BZ“, Basalzellen, in der Höhe des Kernes geschnitten, zeigen Zellbrücken und perinucleare Ringe von Fibrillen- querschnitten. Fig. 15. Schnitt wie im vorigen. BZ, Basalzelle in der Höhe des Kernes K BZ, über demselben geschnitten. Fig. 16. Tangentialschnitt aus der Sohlenhaut eines 30 cm langen Em- bryos. Mittlere Zellen der Malpighischen Schicht. Der Schnitt hat die Fibrillen hauptsächlich quergetroffen. An der Stelle der früheren Grenzschicht sieht man stellenweise hellere „Interzellularräume*. Fig. 17. Tangentialschnitt: derselbe Embryo. Obere platte Zellen der Malpighischen Schicht mit langen, hübschen, zahlreichen Fibrillenbündeln KH, Kernhöhle, über welcher ein zu drei Zellen gehörendes Bündel verläuft Fig. 18. Tangentialschnitt: derselbe Embryo. Zellen mit Keratohyalin- granula und Fibrillen. Q, Zellgrenze mit quergetroffenen Fıbrillen; gK, ein geschrumpfter Kern in seiner Höhle. Fig. 19. Querschnitt aus der Sohlenhaut eines Neugeborenen. BK, Inter- cellularräume, an deren Brücken Bizzozerosche Knötchen sichtbar sind; B, Kante einer Basalzelle. Fig. 20. Neugeboren. Das Bild zeigt den Übergang einiger Fasern vom Corium zu einer Basalzelle. Der Schnitt geht schräg durch zwei Basalzellen (BZ’ und BZ“), die auf einer Seite einer Coriumpapille sitzen und darum ihre Basen in ungleicher Höhe haben. AUS DEM HISTOLOGISCHEN LABORATORIUM ZU HELSINGFORS. (Pror. Rup. KoLSTER.) BEOBACHTUNGEN AN DER FAUBENLEBFER VON HEDWIG BUCH, HELSINGFORS. Mit 14 Figuren auf den Tafeln 17/18. Fa » j ke ü A > LAITRUNE ö INA ERE Pe k N IK \ “ Die meisten Forscher, welche sich mit Untersuchungen über den Bau der Leber in den verschiedenen Wirbeltierklassen beschäftigt haben, beschreiben dieses Organ bei den niederen Wirbeltieren und den Säugetieren; die Vogelleber wird als eine Übergangsform zwischen derjenigen von den Reptilien und den Säugetieren meist gar nicht erwähnt. Die vorliegenden Untersuchungen, welche auf Anregung des Herrn Professor R. Kolster und unter seiner Leitung ausgeführt wurden, beabsichtigten ursprünglich eine Erforschung des intrahepati- schen Bindegewebes, sowie der Anordnung der Gallen- kapillaren; auch das Verhalten von den sogen. v. Kupffer- schen Sternzellen, welche bei Vögeln bereits nachgewiesen worden, sollte festgestellt werden. Da sich aber bei Durch- forschung der Literatur die oben erwähnte Tatsache ergab, so wurde das Programm etwas erweitert, und an die genannten Untersuchungen knüpfte sich noch die verschiedener anderer Strukturverhältnisse in der Leber der Taube an. Soweit sich aus der mir zugänglichen Literatur entnehmen lässt. haben folgende Forscher sich mit Untersuchungen der Vogelleber beschäftigt. Der erste ist Beale (3), welcher die Tubuli der Vogelleber aus zwei bis drei Reihen Zellen be- stehend fand; auch vermutet Beale die Existenz einer Basal- membran, welche die den Tubulus bildenden Zellreihen um- gebe. 288 HEDWIG BUCH, Kurz darauf erwähnt Leydig (14) in seinem Lehrbuch der Histologie, dass die Membran der Leberzelle bei Amphibien und Vögeln eine so zarte Hülle sei, dass sie nach Wasser- zusatz alsbald vergehe. Sehr eingehende Untersuchungen über die Leber der Wirbeltiere vom Menschen bis zum Fisch hat Eberth (6) gemacht; von Vögeln benutzte er die Taube und das Huhn. Er untersucht das Bindegewebe in den Läppchen; das intra- lobuläre fehle ganz unter anderem beim Huhn; weiterhin be- hauptet Eberth, an den Gallenkapillaren eine doppelt kon- turierte strukturlose Membrana propria wahrgenommen zu haben, welche er für eine fortgesetzte Cuticularausscheidung des Epithels der verschiedenen Abzugsröhren hält; freilich sei diese Membran unter anderem bei den Vögeln eine äusserst zarte, schwer nachweisbare Lage und fehle bei den Fischen ganz. Was die Übergangskanäle der Vogelleber betreffe, so erinnere diese durch die reichliche Anastomosierung der Zellenbalken und die Verästelung der feinsten Gallenwege sehr an die Säugetierleber. Eine periphere, an der dem Blutstrom zugekehrten Seite der Leberzelle befindliche Lagerung des Kernes vermisst Eberth bei Säugern und Vögeln. Auch Lahousse (12) fand eine derartige Lage des Kernes nur in gewissen Stadien der Verdauung. Im übrigen untersucht Lahousse die Struktur der Leberzellen und das Verhalten der Blutkapillaren in verschiedenen Stadien des Hungerns bei Wirbeltieren, darunter der Taube. Vergleichend-anatomische Studien der Leber von den niedersten bis zu den höchsten Wirbeltieren haben Shore und Jones (22) vorgenommen. Die Leber der erwachsenen Taube finden sie so kompakt, und die Zellkonturen so undeut- lich, dass sie sehr wenig von der feineren Struktur sehen können. Bei jungen Küchlein hingegen sei die Anordnung deut- lich tubulär mit fünf Reihen Zellen im Tubulus. Die Tubuli Heft 13€ 1 Abteilung Beobachtungen an der Taubenleber. 289 bilden ein dichtes Netz, und ihre Lumina seien deutlich. Die Zellen haben einen wabigen Bau mit vielen hellen Lücken, welche Fetttröpfchen enthalten. Die Blutkapillaren seien klein; grössere Gefässstämme seien ziemlich gleichmässig verteilt, und um dieselben lasse sich die Andeutung einer radiären An- ordnung erkennen; eine Einteilung in intra- und interlobuläre Venen lasse sich jedoch nicht unterscheiden. Nach dem Erscheinen der Arbeiten v. Kupffers (10 und 11) über die Sternzellen wurde in den verschiedensten Tier- klassen nach solchen geforscht, meistens auch mit positivem Resultat, wenigstens was die höheren Wirbeltiere betrifft. So hat Rothe (24) Sternzellen beim Sperling gefunden, Nathan (18) bei der Taube, dem Zeisig, der Grasmücke, doch fand er sie recht wenig entwickelt, besonders bei der letzteren. Pilliet (19) findet Pigmentzellen im unmittelbaren Kontakt der Venen bei einer jungen Ente und einem Bussard. Zu den Untersuch- ungen über die „Sternzellen“ sind auch Minkowsky und Naunyns (17) pathologisch-anatomische Versuche an mit AsH,, vergifteten Enten und Gänsen zu zählen. Zu meinen Untersuchungen habe ich ausschliesslich Tauben. benutzt. Für allgemeine Untersuchungen fixierte ich Leber- stücke teils in Alkohol, teils in Formol, Helligs Lösung oder Sublimatessigsäure. Letztere, welche mir am richtigsten die Verhältnisse in diesen Lebern zu bewahren scheint, bestand aus gesättigter Sublimatlösung, zu welcher Eisessig bis zu einer Konzentration von 5% hinzugefügt worden. Die 5 u dieken Schnitte wurden zu Übersichtszwecken mit Hämatoxylin und van Giesons Lösung gefärbt. Um die Granula zu färben, benutzte ich Biondi-Heidenhains Farblösung; teils färbte ich sie auch mit Methylenblau und Eosin, nach vorheriger 4—5tägiger Beizung in 2%wiger K,Cr,O,-Lösung. Ausserdem wurden einige besonders kleine Stücke von jeder Leber in Flemmingscher Lösung fixiert und nach 290 HEDWIG BUCH, Bendas Angaben für Mitochondriafärbung behandelt, bevor 5 u dieken Schnitte sie in Paraffin eingebettet wurden; die 4 wurden dann auch nach Benda gefärbt und eingeschlossen. Da die Resultate nicht ganz deutlich waren, wurden andere Schnitte nach Weigert weiterbehandelt, d. h. nach Entfernung des Paraffins usw. wurden sie auf 24 Stunden in 4%ige Eisen- ammoniakalaunlösung oder in gesättigte Cu-Acetatlösung ge- stellt, nach Spülung mit Wasser 24 Stunden lang in Weigerts Hämatoxylin gefärbt, schliesslich unter dem Mikroskop in Borax- ferrocyankalium differenziert und schnell in Wasser gespült. Auf diese Art behandelte Präparate zeigten sehr deutlich die feineren Strukturverhältnisse der Leberzellen, namentlich die sogenannten Nebenkörper!). Zum Studium der Sternzellen wurden mir von Herrn Prof. Kolster einige von ihm durch intravenöse Injektion von Collargollösung imprägnierte Lebern freundlichst zur Verfügung gestellt. Die 1%Yige Lösung war den Tieren in die V. jugularis eingespritzt worden, worauf sie sofort oder spätestens nach 2 Stunden getötet wurden und die Lebern in Formol fixiert. Von den auf gewöhnliche Art eingebetteten Stücken wurden 5—7 u dicke Schnitte verfertigt, welche teils in Hansens Hämatoxylin, teils ausserdem in van Giesons Lösung nach- gefärbt und auf gewöhnliche Art eingeschlossen wurden. Zur Untersuchung des Glykogens wurden in Alkohol [ixierte Stücke in Celloidin eingebettet und zur Orientierung Schnitte mit Lugols Lösung gefärbt. Um Dauerpräparate zu erhalten, färbte ich die ca. 10—15 u dicken Schnitte nach der von Best später angegebenen Modifikation seiner Methode, worauf die Präparate wie gewöhnlich in Balsam eingeschlossen wurden. Diese Karminfärbung des Glykogens bewährte sich vortrefflich und gab deutliche Bilder. !) Am besten wurden aber die Mitochondrien nach einer von Prof. Kolster ausgearbeiteten Methode gefärbt. Beobachtungen an der Taubenleber. 291 Zur Imprägnation der Gallenkapillaren habe ich mich so- wohl Kopschs wie auch der Golgi-Methoden bedient. Mit ersterer erhielt ich stellenweise eine ziemlich vollständige Im- prägnation, welche besonders in 10-15 u dicken Schnitten einigermassen brauchbare Bilder lieferte. Um unter dem Deck- glase sich erhaltende Präparate zu bekommen, fixierte ich alle Präparate nach Zimmermanns Angaben und färbte sie darauf mit Hämatoxylin. Die Golgische Imprägnation führte ich erst so aus, dass ich die Stücke, nachdem sie ca. 8 Tage in K,Cr,0,-Lösung gelegen hatten, in 0,1%ige Sublimatlösung überführte und in dieser, welche anfangs jeden Tag, später einmal wöchentlich erneuert wurde, 2 Monate liegen liess, bevor sie in Paraffin eingeschlossen wurden. Da jedoch diese Methode leider zu gar keinem Resultat führte, und auch die übrigen Präparate verschiedenes zu wünschen übrig liessen, versuchte ich noch die schnelle Golgi-Methode, d. h. Fixie- rung in einer Mischung von 4 Teilen 3,5%iger K,Cr,O,-Lösung und 1 Teil 1Yiger Osmiumsäure drei Tage lang; darauf wurden die Stücke in 0,75%ige AgNO,-Lösung gebracht und nach 2 Tagen mit dem Rasiermesser geschnitten. Dieser Art an- gefertigt, waren die Schnitte leider ungleichmässig dick; es fanden sich aber auch genügend dünne Stellen, und hier zeigte es sich, dass die Imprägnation ziemlich vollständig gelungen war und recht deutliche Bilder lieferte. Diese Methode scheint mir demnach die sicherste zu sein und besitzt ausserdem den Vorzug der kurzen Zeitdauer, innerhalb welcher die Imprä- gnation vollendet ist; ein Nachteil liegt freilich darin, dass solche Präparate eine Einbettung nicht gut vertragen. Zur Darstellung des Bindegewebes habe ich teils die von Zimmermann modifizierte Methode von Bielschoffsky, teils Trypsinverdauung angewandt. Erstere erwies sich als sehr anwendbar bei Formolfixation, dagegen konnte ich nach Alkoholfixation keine Imprägnation erzielen; zu erwähnen ist, 292 HEDWIG BUCH, dass die Schnitte mit Eiweissglycerin auf die Gläser geklebt werden mussten, da sie sich sonst trotz sorgfältigster Vor- bereitungen immer ablösten. Es gelang bei dieser durchaus unberechenbaren Imprägnation sogar einmal, gleichzeitig mit dem Bindegewebe auch einen Teil der Gallenkapillaren dar- zustellen, was eine deutlichere Übersicht über das Verhältnis beider zueinander gestattete. Die Digestionsmethode gelang nur an in Alkohol fixiertem Material, und zwar mussten die Präparate 20—24 Stunden lang bei ca. 37° C in der Digestionsflüssigkeit stehen. Soda war in einer Konzentration von 0,1% vorhanden; vom Pankreatin (Grübler) durften nur sehr kleine Mengen verwendet werden. Die fertig digerierten Präparate wurden vorsichtig in Wasser gespült, darauf mit Mallorys Hämatoxylin gefärbt und auf gewöhnliche Art eingeschlossen. Die mit dieser Methode er- haltenen Bilder zeigten durchgehend feinere Fasern, sowie grössere zusammenhängende Mengen derselben als die im- prägnierten, so dass dieselben zu Übersichtszwecken geeigneter sein dürften; letztere eignen sich dadurch, dass die Zellen er- halten bleiben, besser zur detaillierten Forschung, obgleich die Resultate durch feine Metallniederschläge zwischen den Fasern etwas getrübt sein dürften, auch sind stellenweise gerade die feinsten Fäserchen überhaupt nicht zum Vorschein gekommen. Die Taubenleber besteht, wie Shore und Jones (22) sowie andere Forscher hervorheben, aus miteinander vielfach anastomosierenden Zellenschläuchen. Eine deutliche Läppchen- bildung mit radiärer Anordnung der Schläuche um eine V. centralis herum ist fast gar nicht zu erkennen, dagegen findet sich, wie dieselben Forscher, die Küchelleber betreffend, er- wähnen, eine deutlich radiäre Anordnung um etwas grössere Blutgefässe herum. Was die Anordnung der Schläuche an der Leberoberfläche betrifft, so habe ich kein einheitliches Ver- halten nachweisen können; streckenweise schienen alle Beobachtungen an der Taubenleber. 293 Schläuche senkrecht gegen die Oberlläche zu stehen, an anderen Stellen waren alle ihr parallel, und wieder an anderen Stellen lagen sie in den verschiedensten Richtungen, kurz da war keine Gesetzmässigkeit zu erkennen. An quergeschnitienen Schläuchen zeigt es sich deutlich, dass diese meistens aus vier, manchmal auch fünf Reihen Zellen bestehen, nicht, wieBeale angibt, aus zwei bis drei. In der Mitte ist oft ein kleines Lumen sichtbar (Abb. 1a). In der Umgebung der Blutgefässe sieht man vielfach An- häufungen von Lymphkörperchen; ausserdem finden sich im Parenchym der Taubenleber hie und da ähnliche Massen vor, scheinbar gänzlich isoliert, da sie nur von Kapillaren umgeben sind, und ein Zusammenhang mit irgend einem grösseren (ie- fässe sich nirgends nachweisen lässt. Diese Gebilde haben zwar einen recht bedeutenden Umfang im Verhältnis zu den um- gebenden Tubuli; da sie aber keineswegs scharf begrenzt sind und auch die von ihnen erfüllten Räume von keinem Endothel ausgekleidet sind, hat man es wahrscheinlich mit bedeutend erweiterten Saftspalten im Sinne Mareschs (16) zu tun. Da auch die Anhäufungen von Lymphkörperchen an den Blut- gefässen oft so gross sind, dass kleine Gallenkanälchen in ihnen eingebettet liegen, könnten vielleicht diese grossen Salt- lücken als etwas der Taubenleber Charakteristisches aufzu- fassen sein. Maresch erwähnt zwar, dass die perikapillären Saftspalten sich bei Ödem vergrössern, da aber die oben er- wähnten Verhältnisse in fast allen von mir untersuchten Lebern sich gleich waren, dürfte ein ödematöser Zustand bei ihnen auszuschliessen sein. Die feineren Strukturverhältnisse in der Taubenleber sind schwer zu unterscheiden wegen der schon von Leydig er- wähnten grossen Zartheit der Zellhüllen. Da diese Hülle, wie Langley (13), Lahousse u. a. betonen, kein selbständiges Gebilde ist sondern als die periphere Verdichtung des proto- 294 HEDWIG BUCH, plasmatischen Netzwerkes, mit welchem die Zellen zusammen- hängen. aufzufassen ist, so wird es oft zur Unmöglichkeit, die Zellen gegeneinander abzugrenzen. Über die Lage des Zellkernes in der Taubenleber sind ver- schiedene einander widersprechende Ansichten geäussert worden. Ich habe durchweg gefunden, dass die Zellkerne sich an der Peripherie der dem Blutstrome zugekehrten Seite der Zelle befanden. Diese Lagerung, welche mir demnach als die Regel erscheint, während eine zentrale mehr zufällig vorkommt, vermisst Eberth ganz bei der Taube; Lahousse findet sie wieder nur bei Tieren, welche 5—6 Stunden nach der Fütte- rung getötet wurden. Die Granula sind bei diesen an dem gegen das Lumen grenzenden Ende angehäuft; eine derartige „Innenzone“ nun habe ich bei Tieren gefunden, welche un- mittelbar nach der Fütterung getötet wurden. Das eine dieser Tiere hatte den ganzen Tag lang zu fressen bekommen, also ca. 8-10 Stunden, das andere hatte 48 Stunden gehungeri und darauf 5 Stunden zu fressen bekommen. Die Schnitte von diesem letzteren bieten ein von den anderen gänzlich ver- schiedenes Bild: der Kern liegt fast ganz an der Peripherie der Zelle; diese ist erfüllt von grossen Vacuolen, in welchen ein ganz feines Fädchennetz zu erkennen ist; zwischen den Vacuolen ziehen sich gröbere Protoplasmafäden vom Kerne ausstrahlend nach verschiedenen Richtungen, besonders gegen das an die Gallenkapillare (das Lumen des Schlauches) grenzende Ende der Zelle hin. In derselben Richtung zieht sich auch ein dunkler Streifen von Granula, welcher zusammen mit gleicharligen der Nachbarzellen ein sternförmiges Bild in quergeschnittenen Schläuchen ergibt (Figg. 2 und 1b). Ganz übersät mit Granula sind die Zellen von Tieren, welche 24 bis 48 Stunden gehungert haben; ebenso beschreibt Lahousse die Zellen nach 31/,tägigem Fasten, nur mit dem wichtigen Unterschied, dass er die Granula um den zentralen Beobachtungen an der Taubenleber. 295 Kern gehäuft findet und am Rande ringsum ein von Granula freies Gebiet, in welchem ein feines Fädchennetz zu erkennen ist; gerade in solchen Präparaten fand ich den Kern am aus- geprägtesten peripher, während die Granula in manchen Zellen in der Tat ein Randgebiet frei liessen (Fig. 4); nur konnte ich auch mit der stärksten Vergrösserung kein Netzwerk darin er- kennen. Es dürften dies vielleicht Jugendstadien der Zellen und nicht auf der Verdauung beruhende Veränderungen sein. Merkwürdig erscheint es, dass ein Hungertag mehr (31/, Tage nach Lahousse) so grosse Veränderungen in der Lage des Zellkernes hervorrufen kann, da die Bilder, welche man nach je 24- und 48 stündigem Hungern erhält, keine durchgreifenden Verschiedenheiten untereinander zeigen. Diese Veränderungen könnten aber auf einem Vorgang beruhen entsprechend der von Grützner in den Magendrüsenzellen gefundenen, von Grober (8) bestätigten Rückresorption der Granula nach mehr- tägigem Hungern. In allen Präparaten, mit Ausnahme der oben erwähnten Vacuolen enthaltenden, findet man sonst, entsprechend Adlers (1) Untersuchungen an Föten- und Kinderlebern, Zellen in den verschiedensten Stadien der Entwickelung dicht neben- einander und voneinander scharf abgegrenzt. Dadurch erhält man ganz ähnliche Bilder, wie Cohn sie bei verschiedenen Säugetieren beschreibt, also einerseits grosse, runde, scharf abgegrenzte Zellen mit groben Körnern gefüllt und daneben, im selben Acinus, kleinere, dunkle, polygonale Zellen, welche von einer anscheinend homogenen Masse vollständig erfüllt sind. Letztere haben auch bei der Taube eine gewisse Vorliebe für die nächste Umgebung der Blutgefässe und entsenden hin und wieder radiäre Ausläufer in das Innere des Parenchyms; da bei diesen Ausläufern aber dunkle Zellen mit hellen ab- wechseln, so erhält man eine eigenartige, Korallenriffen ähn- liche Anordnung der ersteren; der grösste Teil des Parenchyms 296 HEDWIG BUCH, besteht jedoch aus Zellen entsprechend denen (Fig. 3), welche Cohn als Übergangsformen zwischen beiden bezeichnen möchte, da sie annähernd die Grösse und Form der hellen. haben, aber dunkler gefärbt sind. Bei einem Tiere finden sich an einzelnen Stellen, meist auch in der Umgebung von Blut- gefässen, ganze Zellkomplexe, welche sich wesentlich von dem benachbarten Gewebe unterscheiden: die Zellen sind ver- schwommen fast gar nicht voneinander abzugrenzen, auch haben sie offenbar an vielen Stellen die Blutkapillaren fast voll- ständig zusammengedrückt; da diese also meist so eng sind, dass man kaum eine Spalte findet, und sie nur auf ganz kurze Strecken ihren gewöhnlichen Umfang haben, um sich ziemlich plötzlich wieder zu verengern, so ist eine Abgrenzung des Parenchyms in Schläuche überhaupt nicht zu unterscheiden; die Zellen selbst erscheinen anders gefärbt und von ziemlich groben Körnchen vollständig gefüllt (Abb. 5). Da aber auch die nach 48 stündigem Fasten und 5 stündigem Füttern erhaltene Leber solche Bezirke enthält, so hat in diesen vielleicht die durch die Verdauung bedingte Veränderung der Struktur an- gefangen, da auch dieses Tier nach 24stündigem Hungern 3 Stunden gefressen hatte, obgleich Lahousse erwähnt, dass 5 Stunden nach der Fütterung neben den stark ver- grösserten Zellen auch die Kapillaren gedehnt erscheinen. Die meisten Granula der Leberzellen sind azidophil; mit Biondi-Heidenhains Farbgemisch werden die gröberen Körner in den grossen hellen Zellen violett gefärbt; die feinen Körnchen der kleineren Zellen dagegen erscheinen dunkelrot. Ausser diesen Granula findet man in den Zellen einzelne Körnchen welche sich in ‚Grösse und Beschaffenheit wesent- lich von den Granula unterscheiden, sich nach Bendas Methode färben lassen und offenbar seinen „Nebenkörpern“ entsprechen; in Zellen, wo man ein fädiges Gerüst erkennen. kann. treten sie stets als ein Bestandteil desselben auf, sind Beobachtungen an der Taubenleber. 2% jedoch selbst rundlich (Fig. 6). In Zellen, deren übriger Inhalt dieses Gerüst verdeckt, findet man die Körperchen -—- meist zu Gruppen vereinigt (Fig. 7) — teils in der unmittelbaren Umgebung des Kernes, den sie dann oft wie ein Kranz um- zingeln, teils an der Peripherie der Zelle, jedoch so, dass die äusserste Schicht der Zellwand frei von ihnen ist, die Zell- grenzen sich in diesen Präparaten also oft als helle Streifen unterscheiden lassen. Ob die Körperchen vom Hungern oder von der Verdauung beemflusst werden, konnte ich nicht mit Be- stimmtheit nachweisen, es scheint aber, als ob nach 48 stünd. Hungern die Körperchen etwas grösser und vielleicht auch etwas zahlreicher sind als sonst (Fig. 8). Von den übrigen Zelleinschlüssen sind das Fett und das (lykogen die wichtigsten. Ersteres findet sich in einzelnen Zellen in Gestalt von grösseren oder kleineren Tropfen, welche einen grossen Teil der Zelle einnehmen können (Fig. 9). An anderen Stellen sind ganze Gruppen von Zellen von Fett derarl ausgefüllt, dass sie vollständig ihr charakteristisches Aussehen verloren haben und wie typisches Fettgewebe aussehen. Solche Inseln finden sich hie und da im Leberparenchym und unter- scheiden sich scharf von diesem. Bemerkenswert ist dieses sruppenweise Auftreten des Fettes, indem immer einige be- nachbarte Zellen es besonders reichlich enthalten, und dann wieder grosse Gebiete anscheinend ohne sind. Das Vorhandensein von Glvkogen in der Taubenleber habe ich nur in einem Falle feststellen können. In derselben Leber, deren Zellen bei anderer Fixation grosse Vacuolen aufwiesen, lässt sich nach wasserfreier Fixation an deren Stelle eine reich- liche Glykogenablagerung nachweisen: dieselbe ist, überein- stimmend mit Afanassjews (2) und anderer Angaben, ziem- lich gleichmässig auf alle Zellen und Zellschläuche verteilt. Bei Übersicht der Präparate fällt die merkwürdig regelmässige parallele Lagerung von kleinen Streifen auf, welche das in der Anatomische Hefte. ]. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2.) 20 298 HEDWIG BUCH, Nähe der Zellkerne zusammengeballte Glykogen bildet, und welche nach Petersen (25) auf das Zurückweichen des Glykogens vor dem eindringenden Alkohol zurückzuführen ist. Vergleicht man diese Präparate und jene, wo das Glykogen aufgelöst ist, mit den anderen, glykogenfreien, so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, den auch Langley aus- gesprochen hat, dass nämlich die Abnahme der Granula Hand in Hand gehe mit einer Zunahme des Glykogens, obgleich Langley auch zugibt, dass Veränderungen im Verhalten des einen eintreten können, ohne dass das andere davon berührt erscheine. Diese glykogenhaltige Leber stammt von einem Tiere, das nach 48 stündigem Hungern 5 Stunden zu fressen bekommen hatte; die übrigen, in denen keine Spur von Glykogen nach- weisbar war, stammen von Tieren, die 24-48 Stunden ge- hungert: eines wurde darauf 3 Stunden lang gefüttert. Hieraus geht hervor, dass das Glykogen beim Fasten verschwindet, und zwar in der Taubenleber innerhalb der ersten 24 Stunden ; andererseits ist eine Verdauungsarbeit von mehreren Stunden. nach meinen Untersuchungen 4 5, nötig, um eine Ablagerung wieder eintreten zu lassen, da diese nach 3 Stunden noch nich! ihren Anfang genommen hatte. Nach intravenöser Injektion von Kollargollösung finden sich in dem Endothel der Pfortaderkapillaren überall Zellen. welche vollständig schwarz erscheinen; sie haben verschieilene. recht unregelmässige Form und sind ungleichmässig mit schwarzen Körnern gefüllt; an vielen Stellen kann man ım Eindothel lange schwarz gepunktete Ausläufer von dem Haupt- körper der Zelle erkennen; vielfach sieht man in den Kapillaren nur diese gepunkteten Streifen ohne Zellkörper, was mir sehr für die Annahme eines Netzwerkes, in dessen Knotenpunkten die Zellkörper liegen, zu sprechen scheint (Fig. 10 und 11). Die Phagozytose scheint ungemein schnell einzutreten, Beobachtungen an der Taubenleber. 299 denn bei dem Tier, welches unmittelbar nach der Injektion getötet wurde, ist die Farbstoffaufnahme fast ebenso voll- kommen wie in dem anderen; ein greifbarer Unterschied ist nicht wahrzunehmen ; höchstens sind die Ausläufer der Zellen, die gepunkteten Streifen, in geringerer Ausbreitung vorhanden. Möglicherweise sind auch die Zellen etwas öfter unvollkommen gefüllt als in dem späteren Stadium. In solchen Zellen kann man den hellen Kern erkennen; derselbe ist fast ebenso gross wie derjenige der Leberzellen, manchmal in der Mitte der Zelle, oft aber auch an einem Ende, oder richtiger in einer Ecke ge- legen; in manchen Fällen glaube ich zwei Kerne dicht neben- einander wahrgenommen zu haben. Die Farbstoffaufnahme scheint zuerst in der nächsten Umgebung des Kernes vor sich zu gehen; denn wo sie nicht vollständig eingetreten ist, sieht man immer den Kern von einem dichten schwarzen Gürtel um- geben, während der übrige Zellkörper von grösseren oder kleineren Körnern und Klumpen unregelmässig erfüllt ist. Die Gallenkapillaren, ihre Anordnung und Beschaffenheit sind schon vielfach Gegenstand der eingehendsten Unter- suchungen gewesen. Wie schon hervorgehoben, wird die Vogel- leber als Übergangsform zwischen den Reptilien und Säugern betrachtet, und in der Tat tritt dieses besonders in der An- ordnung der Gallenkapillaren deutlich hervor. In Jlängs- geschnittenen Tubuli sieht man einen Kapillarstamm, von dem abwechselnd nach beiden Seiten Äste abgehen, welche zwischen die Zellen eindringen (Fig. 13). Diese Äste können teils blind endigen, teils bilden sie ein Netzwerk, dessen Maschen wie bei den niederen Wirbeltieren mehrere Zellen umspannen; es kommen aber auch kleinere Maschen vor, teils so gross, dass sie eine ganze Zelle umspinnen, teils aber noch kleinere, welche nur auf der Fläche einer Zelle liegen können. Ein solches Verhalten beschreiben auch Hering (26) und besonders Braus (4); dieser erwähnt, dass er in der Säugetierleber so 20* 300 HEDWIG BUCH, kleine Maschen von Gallenkapillaren beobachtet, dass sie un- möglich eine ganze Zelle, sondern höchstens einen Teil einer solchen umfassen können; wie ersichtlich, ganz übereinstim- mend mit meinen Beobachtungen an der Taubenleber. Kleine sackförmige Ausbuchtungen der Kapillaren gegen die Leberzellen, wie Lahousse sie beschreibt, habe ich viel- fach beobachtet. und zwar kommen sie oft vor an Stellen, wo einige Kapillaren sich sozusagen kreuzen, oder wo mehrere Seitenäste auf einmal abgehen. In einem einzigen Falle habe ich ein Bild gesehen, das etwas an v. Kupffers gestielte Sekretvacuolen erinnerte; da aber diese dann zwei Stiele ge- habt hätte und das ganze nicht mit den Angaben der ver- schiedenen Verfasser übereinstimmt zwei feingepunktete Linien die von einer Kapillare ausgehend gegen einen dunklen Fleck in der Nähe eines Zellkernes konvergieren, weicher Fleck mindestens ebenso gross wie der Kern und nicht scharf be- grenzt ist (Fig. 12b), so halte ich das Ganze für ein Produkt eines bei Imprägnationspräparaten leider so oıt vorkommenden Niederschlages. Auch in einer anderen Beziehung kann das Imprägnations- verfahren trügerische Bilder geben; m einigen Fällen können nämlich doppelt konturierte Membranen an den Gallenkapillaren wahrgenommen werden, was auf eine unvollkommene Füllung derselben mit Imprägnationsmasse zurückzuführen sein dürite. da Eberths Behauptung, dass eine solche Membran existiere, von vielen Forschern erfolgreich widerlegt worden ist. In anderer: Fällen imprägniert sich die Substanz zwischen den Zellen, wobei eigentümlich blätterige Gebilde entstehen. Das interlobuläre Bindegewebe der Taubenleber besteht, wie das der übrigen höheren Wirbeltiere, aus gröberen sowie aus ganz feinen Fasern. Die gröberen zweigen sich von der Adventitia der Blutgefässe sowie von der Glissonschen Kapsel ab und folgen grösstenteils der Richtung der Blut- Beobachtungen an der Taubenleber. 301 kapillaren. lim die Blutgefässe sind sie also radiär gelegen, umschliessen aber bald bogenförmig einen Zellenschlauch, so dass längliche Maschen von Radiärfasern gebildet werden: manchmal sieht man auch — entsprechend dem Verhalten der Radiärfasern der Säugetierleber — längere Fasern, welche an einigen solchen Maschen vorbeiziehen, bevor sie sich umbiegen und auffasern. Zu bemerken ist, dass in digerierten Präparaten nie ein vollständig in sich geschlossener Ring von ihnen ge bildet wird; dass man dergleichen hin und wieder in Impräg- nationspräparaten sieht, beruht offenbar auf einem feinkörnigen Metallniederschlag, welcher den Zwischenraum zwischen ein- zelnen Fasern ausfüllt (Fig. 14). Zwischen die Leberzellen eindringende intralobuläre Fasern sind nach Mall (15), falls sie vorkommen, fast unmöglich von den interlobulären zu unterscheiden; ich habe zwar stellen- weise feine Fäserchen beobachtet, welche sich ausserhalb der die Fasernetze begrenzenden Stützfasern, quer gegen deren Richtung, eine ganz kurze Strecke ausbreiten, wage aber nicht zu behaupten, dass diese interlobulär seien. In nicht vollständig reinen Digestionspräparaten bleibt bei Färbung mit Mallorys Hämatoxylin zwischen den Gitter- fasern ein hellblauer Farbton bestehen; es dürfte dieses die von Mall und anderen erwähnte strukturlose Kittsubstanz sein. welche die Zwischenräume zwischen den Gitterfasern ausfüllt. Im ganzen habe ich die Beobachtung gemacht, dass ein oder zwei Fastentage überraschend wenig auf die allgemeinen Strukturverhältnisse Einfluss haben. Es herrscht in der Leber offenbar dieselbe Arbeitsteilung der Zellen, wie sie in anderen Drüsen bekannt ist, denn Veränderungen z. B. im Fettgehalt oder der Beschaffenheit der Granula sind stets nur in kleineren oder grösseren Gruppen von Zellen sichtbar. Bemerkenswert ist ferner, dass solche Gruppen oder ganze Komplexe von Zellen, welche in Anordnung oder Bau vom ganzen abweichen, 302 HEDWIG BUCH, Beobachtungen an der Taubenleber. also sowohl durch die Verdauung beeinflusste als auch jugend- liche Elemente, meist in der Nähe von Blutgefässen zu finden sind, gewöhnlich in ihrer nächsten Umgebung. Diese Anord- nung der jungen Zellen steht offenbar in Übereinstimmung mit Malls Befund, dass das Centrum der ‚„portalen Einheit“ der Punkt sei, wo die regenerativen oder Zuwachsprozesse der Leber vor sich gehen. Faktisch glaube ich auch nur an solchen Stellen mehr als einen Kern in den Zellen wahrgenommen zu haben, während Mall bestimmt behauptet, karyokinetische Figuren an solchen Punkten gesehen zu haben — eine wohl recht seltene Beobachtung an diesem Organe unter ähnlichen Bedingungen. Andererseits ist es einleuchtend, dass Verände- rungen, die durch die Verdauung hervorgerufen werden, zuersi in der nächsten Umgebung der Pfortaderäste zum Vorschein kommen müssen. Literaturverzeichnis. . Adler, Über helle Zellen in der menschl. Leber. Beitr. pathol. Anat. S. 127—168. Jena 1904. 2. Afanassjew, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 30. 8. 385. 1883. 3. Beale, L, On some points in the Struct. of the liver. Phil. Trans. Referat. 1856. 4. Braus, H, Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbeltiere. Habilitationsschrift. Jena 1896. 5. Cohn, Referat in Adlers Aufs. s. oben. 6. Eberth, Arch. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. 39. Heft 1. 8. 70-89. 1867. Arch. mikrosk. Anat. Bd. °. 8. 423—440. 7. Disse, J., Über die Lymphbahnen der Säugetierleber. Arch. mikrosk. Anat. Bd. 36. S. 205—224. 1890. 8. Grober, Deutsch. Arch. für klin. Med. Bd. 83. S. 309. Referat. 1905. 9. Hoehl, Arch. Anat u. Physiol. anat. Abt. S. 133—152. 1897. 10. v. Kupffer, Über Sternzellen in der Leber. Arch. mikrosk. Anat. Bd. 12. Heft 2. S. 352-358. 1876. ll. — Über die sogenannten Sternzellen der Säugetierleber. Arch. mikrosk. Anat. Bd. 54. Heft 2. S. 254. 1899. 12. Lahousse, Contributions a l’&tude des modifications morphologiques de la cellule hepatique pendant la seeretion. Arch. de biol. Tome 7. p. 167. 1837. Langley, Proceedings of the Royal Soc. Vol. 34. p. 20-26. 1882. Leydig, Ref. in Oppel, Lehrb. vergl. mikrosk. Anat. d. Wirbeltiere. III. Teil. S. 916. Mall, A study of the structure un of the liver. 'The american journal. of anat. Vol. 5. p. 227. 1906. Maresch, Über die Gitterfasern der Leber usw. Centralbl. f. allgem. Path. u. pathol. Anat. S. 641. 1905. Minkowsky u. Naunyn, Arch. experim. Pathol. Bd. 21. 1886. Nathan, La cellule de Kupffer. Journ. de l’anat. et de la physiol. Annee 44. p. 208. 1908. Pilliet'), Journ. de l’anat. et de la physiol. Annee 25. p. 264—--276. 1859. ') Compte rendu de la Soeiete de Biologie. Ser. 10. Tome 11. Literaturverzeichnis. Oppel, Lehrb. d. vergl. mikrosk. Anat. der Wirbeltiere. III. Teil. . Schilling, Virchows Arch. Bd. 196. Zur Morphol., Biol. u. Path. der v. Kuppf. Sternz. usw. Shore and Jones, Journ. of physiol. Vol. 10. p. 408-428. Mayer, S., Über die sogen. Sternzellen der Leber usw. Anat. Anz. Nr. 7. Bd. 16. S. 180—192. 1899. Rothe, Ref. in Oppel, Lehrb. vergl. mikrosk. Anatomie der Wirbeltiere. III. Teil. Petersen, O., Über die Lagerung des Glycogens usw. Anat. Anzeiger Nr. 2 u. 3. Bd. 25. Hering, Refer. in Oppel wie oben. Anat.Hefte. LAbteilung. Heft 136 [46Bd.H.2) Le eu Ze AL.Bruni prep. JDefraja. dei. z et vn Wiesbaden j Werrer unten Franka 34 Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. (@uergeschnittene Zellschläuche; die Zellen enthalten Vacuolen. Stammen von einem Tiere, das nach 48stündigem Hungern 5 Stunden gefüttert worden. Sublimatfix. Biondi-Ehrl. Leitz Oc. 4. Immers. Yı2. Fig. 2. Wie Fig. 1. Zellen mit grossen Vacuolen. Subhlimatfix. Methy- lenblau-Eosin. Fig. 3. Sog. „helle Zellen“ des Lebergewebes. Zwischen den Zellen zeigen sich Gallenkapillaren. Präp. stammt von einem Tiere, das nach 24stündigem Hungern 3 Stunden gefüttert worden. Sublimatfix. Biondi-Ehrl. Leitz Oc. 4. Immers. !/ıs. Fig. 4 Zellen in verschiedenen Entwickelungsstadien nebeneinander. Das Tier hatte 24 Studen gehungert. Formolfix. Biondi-Ehrl. Leitz Oe. 4. Immers. }/ı2. Fig. 5. Zellen mit verschwommenen Grenzen; die Blutkapillaren sind zusammengedrückt. Das Tier wurde nach 24stündigem Hungern 3 Stunden lang gefüttert. Formolfix. Biondi-Ehrl. Leitz Oc. 4. Obj. 6. Fig. 6. Mitochondrien im fädigen Gerüst und in der Wandschicht der Zellen. Dasselbe Tier wie in Fig. 1. Bendas Fixierung. Cu-acetat-Beizung. Weigerts Färbung. Leitz Oc. 4. Immers. "/ı2. Fig. 7. Gruppen von Mitochondrien in den Leberzellen nach 24stündigem Hupgern. Bendas Fix. Weigerts Färbung nach Eisenalaun-Beizung. Leitz Oe. 4. Immers. "ı2. Fig. 8 Mitochondrien in den Leberzellen nach 48stündigem Hungern. Formolfix. Prof. Kolsters Färbungsmethode. Leitz Oc. 4. Immers. '/ır. Fig. 9. Fetttropfen und einzelne Mitochondrien; die Zellgrenzen teilweise etwas verschwommen. Das Tier hatte 24 Stunden gehungert. Bendas Mito- ehondrienfärbung. Leitz Oc. 4. Immers. !/ı2. Fig. 10. Phagozytäre Zellen des Kapillarendothels. Collargolinjektion. Formolfix. Delaf.-Hämatox. Vergrössert 800 ınal. Unmittelbar nach der Injektion. Fig. 11. Wie Fig. 10, jedoch 2 Stunden nach der Inj. Man sieht die gepunkteten Ausläufer der ‚Sternzellen“ im Endothel der Blutkapillaren. Leitz Oec. 4. .Obj..8. Fig. 12. Gallenkapillaren. a) Ganz kleine Maschen, b) siehe den Text. c) sackförmige Ausbuchtung der Kapillarwand. Kopsch’ Methode. Leitz Oe. 4. Obj. 6. Fig. 13. Gitterfasern und. Gallenkapillaren. Silbermethode von Biel- schoffsky-Zimmermann. Leitz Zeichenapparat Oc. 4. Obj. 6. Fig. 14. Gitterfasern nach Pankreatinverdauung. Mallorys-Hämatoxylin. Leitz Zeichenapparat Oc. 2. Obj. 6. i ei BERN De AUS DEM INSTITUTE FÜR NORMALE ANATOMIE DER KGL. UNIVERSITÄT TURIKN, (Vorst.: ProF. ROMEO Fusart,) ÜBER DIE EVOLUTIVEN UND INVOLUTIVEN VORGÄNGE DER CHORDA DORSALIS IN DER WIRBELSÄULE BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER AMNIOTEN'). VERGLEICHEND HISTOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN VON DR. ANGELO BRUNI. ASSISTENT. Mit 2 Textfiguren und 16 Figuren auf den Tafeln 19/22. '!) Ins Deutsche übertragen von Dr. med. K. Rühl (Turin). ‚ er EN], ur N j BT il wi - y A u u j' 2 bu ! ru v« N ar meet PN IA Ep er? RATE IFA vo le 2 u . L ’ si Bur.’ \ . . eine Erscheinung, die in einer unteren Abteilung herrscht, nieht plötzlich aufhört, sondern, wenn auch mit allmählich sich min- derndem Werte, noch lange fortdauert. © Gegenbaur, Untersuch. z. vergl. Anat. d. Wirbelsäule. 1862, S. 87.) I. Einleitung und historischer Überblick. Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass das Chorda- gewebe zu den wenig erforschten gehört. Seine besondere Konfiguration, seine Bedeutung als Skeletorgan bei den niedern Wirbeltieren, seine noch heute fragliche Entstehung aus den Blastodermblättern haben von jeher die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen. Bei der Wahl des Materials für die Untersuchung dieses Organs haben die Autoren sich mit Vorliebe der Anamnien bedient, weil bei diesen die Chorda dorsalis das am meisten charakteristische Aussehen besitzt. Weniger haben sie sich mit der Chorda der Amnioten be- schäftigt, bei welchen dieses Organ, seiner ursprünglichen Funktion beraubt, dazu bestimmt ist, zum grossen Teil während des fötalen Lebens zu verschwinden, auch ein weniger typisches Aussehen hat und gleichsam nur noch eine blosse historische Reminiszenz darstellt. Zwar haben sich ältere Anatomen, Zoologen und Histologen ausführlich damit beschäf.ugt, aber später wurde das Studium der Chorda der höheren Wirbel- tiere fast dreissig Jahre lang vernachlässigt. Wenn man von dem Werk Williams’ (1908, 139) absieht, findet man ın den neueren Werken nur fragmentarische und beiläufige An- gaben, die sicherlich nicht genügen, um ein Bild von den 310 ANGELO BRUNI, histologischen Veränderungen zu geben, welche im Chordal- sewebe in der Reihe der Wirbeltiere eingetreten sind, besonders von den Amphibien bis hinauf zu den Säugetieren. Ich habe es deshalb nicht für überflüssig gehalten, einige Untersuchungen über die histologische Evolution der Chorda dorsalis während der ÖOntogenese in den drei Klassen der Amnioten vorzunehmen, wobei ich auch einige Daten über die Amphibien sammelte, um auf Grund persönlicher Erfahrung einen Vergleich zwischen der Chorda dorsalis der Amnioten und derjenigen der Anamnien ziehen zu können. Ich gehe hier nicht auf den Ursprung der Chorda ein, weil mir ein geeignetes Material fehlte, um zu einer Schlussfolgerung über eine so schwierige und verwickelte Frage zu gelangen. 3ekanntlich ist bis jetzt noch die Frage ungelöst, ob die Chorda vom Entoderm abstammt, wie die meisten annehmen, oder vom Eetoderm oder von beiden zusammen, oder endlich vom Mesoderm. Histologisch ist die Chorda als ein für sich be- „v.:Bbnerri32] Schaffer [1910, 116]), welches sich auf Grund einiger stehendes Gewebe anzusehen (l!ssow [134 Charaktere dem Epithelialgewebe nähert, auf Grund anderer (len Geweben mesodermischen Ürsprungs. So gehe ich auch nicht näher auf die genaue Topographie der Chorda in bezug auf die verschiedenen Teile der Wirbel- säule ein, weil in dieser Hinsicht schon sehr genaue Angaben in Älteren und neueren Arbeiten vorliegen und ich denselben nichts Neues hinzufügen könnte. Die Tatsache, welche die Chorda dorsalis bei den Wirbeltieren im allgemeinen, mit Ausnahme des Amphioxus, charakterisiert, ist die, dass die Elemente, aus denen sie be- steht, grosse Vacuolen enthalten, die mit einer wässerigen, völlig farblosen Flüssigkeit ausgefüllt sind, welche dem Ge- webe ein Aussehen verleihen, als ob es aus mehr oder weniger feinen Bälkchen gebildet wäre, deren Zwischenräume die Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Uhorda dorsalis ete. 311 Vacuolen darstellen. In den ersten Perioden des Embryonal- lebens jedoch, wenn die Chorda erst eben als selbständiges Organ aufgetreten ist, fehlen diese Vacuolen gänzlich; sie fehlen ferner, auch wenn das Organ zu voller Entwickelung gelangt ist, am Umfang oder sind dort wenigstens selten; deshalb hat man auch den centralen Hauptteil der vacuolisierten Chorda dorsalis durch den Namen gelatinöser Körper von dem dünnen peripherischen Teil unterscheiden wollen, welch letzterem die verschiedenen Autoren Namen wie Chorda- epithel (Gegenbaur [43]) oder epitheliomorphe Scchineht (Grassı [ol] oder Randsch ehu Ir Nr ch! '1]) gegeben haben. Obwohl nun die Bezeichnung Chorda- epithel vielleicht als die am wenigsten zweckmässige er- scheint, weil bis jetzt die epitheliale Natur dieser Schicht noch nicht in erschöpfender Weise nachgewiesen ist, so ist sie doch die am meisten gebrauchte; der Kürze halber und mit dem nötigen Vorbehalt können wir sie also weiter verwenden. Ausserhalb dieser Randschicht befindet sich eine mehr oder weniger komplexe Hülle, welche man Chordascheide nennt. In einem kurzen historischen Überblick über den (Gegen- stand, der uns hier beschäftigt, müssen wır noch von dem Ver- halten der Chorda vor der Vacuolisierung und in dem Augen- blick, in dem diese eintritt, sprechen, dann von dem gelati- nösen Körper der Chorda, von dem sogenannten Chordaepithel und von der Chordascheide bei den verschiedenen Klassen der Wirbeltiere. Dann müssen wir noch erwähnen, was über ge- wisse besondere Modifikationen des typischen Chordagewebes. die beim Fortschreiten der Entwickelung auftreten, bekannt ist: wie z. B. über den sogenannten Chordastrang, eine Art Schnur oder Band von fibrösem Aussehen. welches sich, be- sonders bei den Anamnien, im Centrum des gelatinösen Körpers bildet: über gewisse aus Stachelzellen gebildete Häutchen, ähn- lieh denjenigen der Epidermis, welche längs des Verlaufs der 32 ANGELO BRUNI, Chorda bei einigen Fischen auftreten: über den sogenannten Chordaknorpel, welcher bei vielen höheren Anamnien und niederen Amnioten gewöhnlich in der vertebralen Portion der Chorda auftritt usw. Über das Chordagewebe vor der Vacuolisierung und über die Vaeuolisierung der Chorda. Cyclostomen und Fische. Balfour (4) fand bei den Elasmobranchien, dass die Chorda dorsalis vor der Vacuoh- sierung aus in der Längsrichtung abgeplatteten Zellen besteht. die reich an albuminoiden Kügelchen sind und an ihrer Perı- pherie kleine Vacuolen besitzen. Diese Zellen gelangen von der Peripherie ans Centrum der Chorda. Später verschwinden die albuminoiden Körnchen nach und nach, während sich ım Körper der Zellen die endgültigen Vacuolen entwickeln, so dass der grösste Teil des Protoplasmas der Zellen mit den Kernen vezwungen ist, nach dem Centrum der Chorda zu zu wandern. Der Rest des Protoplasmas sammelt sich an der Peripherie an. Später jedoch erfolgt eine neue Wanderung der Kerne: sie be- geben sich an die Peripherie, wo sie mit dem sie begleitenden und dem bereits daselbst befindlichen Protoplasma das sogen. Chordaepithel bilden. Bei einigen Fischen sollen aber die Dinge sich in einfacherer Weise abspielen, so beim Tor- pedo, wo Verf. glaubt, man könne mit Sicherheit nachweisen, dass sich in jeder Zelle nur eine einzige Vacuole bilde und wo die erste Wanderung der Kerne nach dem Centrum zu fehlt. Goette (47) fand ebenfalls, dass die noch nicht vacuolı- sierten Chordazellen in der Längsrichtung abgeplattet und nach Art einer Geldrolle angeordnet sind und bestätigte viele der Angaben Balfours. Im Augenblick der Vacuolisierung sollen sich mehrere Vacuolen im einer einzigen Zelle bilden. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 313 Klaatsch (67) bestätigte die Anordnung der noch nicht vacuolisierten Zellen in Geldrollenform und behauptete den intracellulären Ursprung der Vacuolen. So auch Schauins- land (118) für die Holocephalen. Nach diesem Autor findet man in dem Augenblick, wo in den Zellen in der Nähe des Kernes die Vacuolen erscheinen (welche bei ihrer Entwickelung den grössten Teil der Kerne und des Protoplasmas nach der Peripherie drängen, wo sie das Chordaepithel bilden), neben den gewöhnlichen Kernen von rundlicher Form andere sehr färbbare in Stäbchenform, welche er für modifizierte Kerne der ursprünglichen, noch nicht vacuolisierten Zellen hält oder, weniger wahrscheinlich, für Kerne von Zellen, die von den benachbarten Vacuolen komprimiert sind. Boeke (16-18) wies ebenfalls für die Muränoiden das Stadium der Geldrollen- form nach. Da er später beobachtete, dass nach Bildung der Chorda dorsalis die Caryokinese bis zum Auftreten der Vacuoli- sierung fehlt (eine Tatsache, die von Henneguy [59] für alle Anamnien bestätigt wurde), und da er ferner sah, dass die sehr deutlich sichtbaren Centrosomen sich alle längs der Achse anordnen, so nahm er an, dass in dieser Periode, in welcher die Chordazellen in Geldrollenform angeordnet sind (Geldrollenstadium nach Goette, Amphioxus- stadium nach Klaatsch), in der Chorda ein zentriertes System von Spannungen vorhanden ist, augenscheinlich dar- gestelli durch die protoplasmatischen Fasern, die von den Centrosomen ausstrahlen, welches jedwede Modifikation ver- hindert. Boeke wies auch nach, dass in den Querschnitten der Chorda nicht, wie in den Längsschnitten, die Zellgrenzen sichtbar sind, und beschrieb feine protoplasmatische Strahlen, welche sichtbar sind, solange die Vacuolisierung nicht zu weit vorgeschritten ist, und welche sich bis zur Chordascheide ver- folgen lassen, auf welcher sie sich mit einem kleinen Fuss anheften. Anatomische Hefte. ]. Abteilung. 136. Heft (46. Bd., H. 2). 21 314 ANGELO BRUNI, Amphibien. Bei den Amphibien stellt sich die Chorda vor der Vacuolisierung ungefähr so dar wie bei den Fischen. Schon W. Müller (94) hatte gefunden, dass die Zelien eine cylindrische oder cubische Form haben, wenn sich im Innern des pigmentierten Protoplasmas helle Räume als erstes An- zeichen der Vacuolisierung bilden, lange bevor Goette (46 49) die völlige Übereinstimmung in der Struktur und Ent- wickelung der Chorda bei allen Anamnien nachgewiesen und Klaatsch (68) hier die Anordnung der Zellen in Geldrollen- form bestätigt hatte. Über den Prozess der Vacuolisierung machten auch Field (36) und Bergfeldt (11) Angaben. Der erstere behauptet, dass die Vacuolen sowohl innerhalb der Zellen, als zwischen denselben entstehen; der letztere stelite fest, dass sie im centralen Teil der Chorda entstehen und sich dann schnell ausbreiten, einige bis zur Berührung mit der Scheide. Zwischen den Vacuolen sollen protoplasmatische Scheidewände bestehen bleiben, die sich allmählich reduzieren, so dass schliesslich nur noch ein wenig Protoplasma an den Knotenpunkten der die Vacuolen trennenden Scheidewände zurückbleibt: der mit dem grössten Teil der Kerne nach der Peripherie gedrängte Rest soll dann das Chordaepithel bilden. Reptilien. Für diese Klasse fehlen besondere Angaben über die Periode der Vacuolisierung. Vögel. Bezüglich der Vögel hatte dagegen schon v. Baer (2—3) behauptet, dass die Chorda anfangs aus einer einfachen Schicht undurchsichtiger Kügelchen besteht, die sich später verdickt und an den knorpeligen Strang erinnert, der bei einigen Knorpelfischen die Achse der Wirbelsäule bildet. Auch Ram- baud und Renault (102) sprechen von einer einzigen Schicht Zellen, die in den ersten Lebensperioden die Chorda dorsalis beim Huhn bilden, und sich später stark vermehren, und W. Müller (94) machte auch auf die Abspaltung dieser Zellen ın der Längsrichtung aufmerksam. Dursy (31) ist der Meinung, Über d. evolutiven u. involutiven, Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 315 dass die Zellen sich nicht vacuolisieren, dass sich hingegen zwischen denselben eine helle Substanz bildet. Foster und Balfour (37) nehmen an, dass die Chorda zu Anfang aus mesoblastischen Zellen bestehe mit ziemlich regelmässiger strahlenförmiger Anordnung, und dass später, vom Centrum ausgehend, in den Zellen Vacuolen auftreten. Infolge der Vacuolisierung reduziere sich das Protoplasma der einzelnen Zellen auf einen peripherischen Schleier. Koelliker (73) beobachtete, dass beim Huhn die Vacuolisierung am dritten oder vierten Tage der Bebrütung beginnt, mit anscheinender Bildung eines Netzes von Zellen mit dazwischen liegenden Hohl- räumen; in Wirklichkeit handelt es sich aber um polyedrische Zellen, die von vorn nach hinten etwas abgeplattet sind und einen serösen Inhalt haben. Säugetiere. Fast alle Autoren, die Gelegenheit hatten, die Chorda kleiner Embryonen vom Menschen oder von anderen Säugetieren zu beobachten, stimmen darin überein, dass sie nach dem Verschwinden des Chordakanals (der auch bei den Säugetieren vorhanden ist nach Lieberkühn [80], van Beneden [10], Strahl [128], Bertacehini [14], Eter- nod [35], Minot [89] und anderen), aus runden oder poly- gonalen, sehr nahe beieinander liegenden Zellen besteht (Luschka [83], Robin [109], Dursy [31], Hasse und Schwarck [53], Heiberg [58], Koelliker [72— 76], Fro- riep [38-39], Selenka [127], Chiarugi [24], Carlier [22], Bertacchini [12—14], Dorello [30], Weiss [137] usw.). Nur Löwe (82) sagt, dass diese Zellen beim Kaninchen gross sind, ähnlich den Knorpelzellen mit einer Kapsel, und Williams (139) fand, dass sie beim Schwein anfangs keil- förmig sind und von solcher Anordnung, dass ihre äussere Wand eine dünne Scheide bildet. Diese Anordnung erinnert bis zu einem gewissen Grade an die Geldrollenform bei den niederen Wirbeltieren. Nach Luschka beginnt beim Men- 21= 316 ANGELO BRUNI, schen die Vacuolisierung nach der siebten Woche, und beim Kalbsembryo von 7 cm, mit dem Auftreten von Tröpfchen im Innern der Zellen. Dursy nimmt den intercellulären Ursprung der Vacuolen an. Koelliker fand, dass die Vacuolisierung, wie bei den Vögeln, ohne Zerstörung der Zellenindividualität vor sich geht. Williams dagegen beobachtete, dass die in den in der Längsrichtung abgeplatteten Zellen entstandenen Vacuolen sehr bald die Zellwände durchbrechen, und dass dann die Zellen sich durch Brücken aus Cytoplasma mitein- ander verbinden und ein Netz bilden. Der Inhalt der Vacuolen (nach Ansicht des Autors Mucin) füllt zum Teil die Maschen des Netzes aus, entweicht zum Teil daraus und verdickt die schleimige Scheide, die nach dem Autor die Chorda der Säuge- tiere umgibt. Über den gelatinösen Körper der Chorda. Cyelostomen und Fische. Schon in den Werken der älteren Histologen finden wir das charakteristische Aussehen des sogenannten gelatinösen Körpers der Chorda bei den niederen Wirbeltieren genau beschrieben und durch Ab- bildungen erläutert. Es handelt sich um ein Netzwerk von ziemlich regelmässig angeordneten Bälkchen, dessen Maschen um so grösser sind, je näher sie dem Centrum der Chorda liegen. In den Maschen befindet sich eine farblose Flüssigkeit, die von einem dünnen, aus Protoplasma gebildeten Schleier umgeben ist; an einer der Wandungen der Masche sitzt ein abgeplatteter Kern (J. Müller [9], Schwann [125], Ley- dig [79]). Das Gebälk, welches das Gerüst dieser alveolären Struktur bildet, wäre hiernach aus den Zellmembranen ge- bildet und, wie viele annehmen, aus einer intercellularen Sub- stanz. Auch der grösste Teil der modernen Autoren folgt der älteren Meinung, dass jede Höhlung mit ihrem Inhalt die Be- deutung einer Zelle habe (Gegenbaur [43-45], W. Mül- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 317 ler [94], Koelliker [69— 70], Perepelkine [98], Schnei- der Mogji Airerzius 1108], ’Grassi 51], Ewoezr:iei], Scheel [119], Renaut [107], v. Ebner [32—-34], Ussow HA, Albrecht fl, Studnicka, 129 1288]). Nur Goette [47] behauptete, die Wände der Vacuolen seien nicht aus Zellmembranen gebildet, weil jede Zelle mehrere Alveolen bilden könne, da in jeder derselben sich nicht nur eine einzige Vacuole entwickle. Nach der Mehrzahl der Autoren sind die Zellmembranen miteinander verschmolzen und diese Verschmel- zung ist eine so innige, dass ihre Trennung nur schwierig ge- lingt nach Retzius und H. Albrecht. Dagegen hält Klaatsch (67) die Wand der Vacuolen für doppelt und Stud- ni@ka beobachtete intercellulare Räume. Die Struktur der Zellmembranen soll manchmal fibrillär sein (Schwann, Retzius) was von v. Ebner in Abrede gestellt wird. Die Porenkanäle, die nach W. Müller in den Zellmembranen existieren sollen, werden von Retzius geleugnet. Sehr um- stritten ist das Vorhandensein einer intercellulären Substanz. Leydig [79] fand sie in reichlicher Menge zwischen den centralen Zellen der Chorda und betrachtete sie als eine je nach ihrer örtlichen Lage mehr oder weniger faserige Binde- substanz. Gegenbaur (43—45) meint, die Zellmembran der Autoren habe die Bedeutung einer von den Zellen abgesonderten intercellulären Substanz. Nach der Meinung Scheels (119) befindet sich zwischen den benachbarten Membranen zweier Zellen eine cementierende Substanz. Studnicka (129—131) leugnet die Existenz einer intercellularen Substanz. Das, was die anderen Autoren als Zellmembran und intercellulare Sub- stanz deuteten, wäre nichts anderes als das Esoplasma der Chordazellen. Weil die Esoplasmen der benachbarten Zellen nicht von innen nach aussen wachsen, sondern von aussen nach innen auf Kosten des Alveoleninhalts, so werden sie gemein- sam und erlangen den Wert einer Grundsubstanz; man könnte 318 ANGELO BRUNI, daher eine Parallele mit dem Knorpelgewebe aufstellen, wenn nicht inmitten der Esoplasmen selbst intercelluläre Vacuolen zum Vorschein kämen, welche intercellulare Räume und Brücken bilden, ähnlich denen, die man in den Epithelien antrifft. Auch die Struktur dieser Esoplasmen wird fibrillär und die Fibrillen gehen durch die Brücken von einer Zelle zur anderen über, genau so, wie dies in den Epithelien der Fall ist. Diese wich- tige Frage, ob das Gewebe der Chorda dorsalis knorpelartiger Natur ist, wie man früher annahm und wie auch Koelliker (74) behauptet, indem er es in die Gruppen der sogenannten cellularen Knorpel einreiht, oder nicht vielmehr epi- thelialer Natur, wie seine allgemeiner angenommene Abstam- mung vom Entoderm glauben machen könnte, ist sehr um- stritten. Perepelkine (98), Lwoff (84), v. Ebner (32-34), Studnitka (129-133) traten gegen Koelliker auf. Bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse ist es besser, das Chordagewebe als ein Gewebe für sich aufzufassen, welches wegen einiger Charaktere dem Epithelialgewebe nahesteht, wegen anderer dem Bindegewebe. Schaffer (116) hat es neuer- dings, zusammen mit vielen anderen Geweben mit vesiculären Elementen, unter dem Namen chordoides Stützgewebe klassi- fiziert, in der Annahme, dass es nicht mit dem Knorpelgewebe zu vergleichen sei, sondern einen phylogenetischen Vorläufer desselben darstelle. Amphibien. Viele Autoren, die Gelegenheit hatten, die Chorda in der Reihe der Ichthiopsiden zu studieren, be- obachteten, dass die Struktur des gelatinösen Körpers der Amphibien derjenigen der Fische entspricht. So Schwann (125), der jedoch bemerkte, obwohl er diese Übereinstimmung behauptet, dass bei den Amphibien ausser der intercellularen Substanz zwischen den Zellmembranen auch wahre Inter- cellularräume existieren, Gegenbaur (43), W. Müller, Koelliker, Goette, Lwoff (der einzige Beobachter, der Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 319 die Behauptung aufstellte, dass der Inhalt der Vacuolen ein zum Teil gasförmiges degeneratives Produkt der Zelle sei), welchem, Klaatsch” Krauss (76),. welcherJin neuerer Zeit in dieser Klasse die Bildung des Chordaknorpels studierte, kam zu der allgemeinen Schlussfolgerung, dass das Chorda- gewebe, obwohl epithelialen Ursprungs, als Larvalknorpel be- zeichnet werden könne, weil es die Fähigkeit besitzt, sich durch einfache chemisch-strukturale Metaplasie in Knorpel umzu- wandeln, da ihm die von Studnic@ka angeführten Beweise nicht ausreichend erschienen, um es dem Epithelialgewebe näher zu stellen. Studnitka dagegen erweiterte die älteren Forschungen über die Amphibien, fügte neue hinzu und blieb bei seiner Meinung. Reptilien. Ausser den klassischen Forschungen Gegenbaurs (43), dem zufolge die Struktur des gelatinösen Körpers der Chorda bei den Reptilien derjenigen gleich ist, die man bei den Anamnien antrıfft und einigen wenigen Daten, die von den Autoren gesammelt wurden, welche sich mit der Entwickelung der Wirbel bei diesen Vertebraten beschäftigten (Rathke [104-106], Corning [26], Goette [49--50]), be- sitzen wir einige interessante Beobachtungen von Schau- insland (117-118), die sich auf das Vorhandensein kern- förmiger Partikel beziehen, welche reichlich im centralen Teil der vacuolisierten Chorda auftreten und wıe die Kerne, aber auch in anderer Weise, färbbar sind. Derartige Bildungen wurden schon von Klaatsch bei Amphioxus gesehen und nicht gedeutet. Schauinsland hält sie für degene- rierende Überbleibsel von Chordazellen, welche nicht den Vacuolisierungsprozess durchgemacht haben. Vögel. Gegenbaur (43) nimmt an, dass auch bei den Vögeln der gelatinöse Körper der Chorda aus Zellen mit flüssigem Inhalt bestehe, die durch intercellulare, von den Zellen ausgeschiedene Substanz getrennt sind. Rambaud 320 ANGELO BRUNI, und Renault (120) sagen, dass die Zellen durch Intervalle in Gruppen geschieden sind; Rathke (106) spricht nur von hellen vesicularen Zellen; Dursy (31) schreibt die bienen- zellenartige Struktur kleinen Bälkchen aus Zellen zu, die durch die sich in den Maschen entwickelnde Flüssigkeit zusammen- gepresst sind. W. Müller (94) findet auch hier polyedrische, mit einer Zellmembran mit Porenkanälen ausgestattete gela- tinöse Zellen, und von sehr nahe beieinander liegenden Zellen ohne intercellulare Substanz spricht Schwarck (126), ob- wohl in den Figurentafeln ein protoplasmatisches Netz mit Kernen, aber ohne Zellabgrenzung zu sehen ist. Nach Koel- liker (73--75) findet man nur polyedrische Zellen mit serösem Inhalt. Männich (85) beschreibt beim Pinguin nur das bienen- zellenartige Aussehen und fügt hinzu, dass bei fortschreitender Entwickelung die Kerne immer undeutlicher werden und die Chorda das Aussehen von Holundermark annimmt. Säugetiere. ' Donders (29) stellte fest, dass die Zwischenwirbelscheiben beim reifen menschlichen Fötus in den centralen Zweidritteln mit einer Substanz ausgefüllt sind, die dem Glaskörper gleicht. Es wären dies Zellen, die bei der Berührung mit Wasser aufquellen, rund werden und sich deut- lich voneinander trennen, mit einem Kern ausgestattet und von einer amorphen halbflüssigen Substanz umgeben sind. Nach der Peripherie zu wird diese Grundsubstanz mehr körnig, auch feinfaserig und die Zellen erscheinen schmäler und in Reihen angeordnet. Dieser Beobachter schliesst die endogene Ver- mehrung der Zellen aus, welche später von vielen angenommen wurde. Virchow (136), obwohl er annahm, dass der Nucleus pulposus beim Menschen aus Knorpel mit erweichter Grund- substanz bestehe, beschreibt dort mehr oder weniger grosse vesiculäre Zellenanhäufungen, die in einer klaren homogenen, zuweilen colloidale Körnchen enthaltenden Substanz liegen. H. Müller (92) nahm an, dass die Tumoren des Clivus und Foldout Here & ® ® Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 321 des Zahnfortsatzes, die von Virchow als Physaliphorae betrachtet wurden, Tumoren der Chorda seien, und in ähnlicher Weise wies Luschka (83) in der zweiten Auflage seines Lehr- buches über die Halbgelenke unter Berichtigung früherer Meinungen und Bestätigung derjenigen Virchows nach, dass der Nucleus pulposus beim Neugeborenen aus Chordazellen be- steht, die in den Maschen eines Bälkchennetzes liegen, das seinerseits aus Aussprossungen des fibrösen (rewebes des Annulus fibrosus und des Knorpelgewebes der Wirbel- körperenden nach dem Innern des Nucleus pulposus selbst besteht. In einem zehn Wochen alten menschlichen Embryo konnte er neben dem allmählichen Verschwinden der Chorda in der Vertebralgegend Erscheinungen der Zunahme und Metamorphose der Chorda in den intervertebralen Gebieten feststellen. Es sollte sich in der Tat um eine Zellenvermehrung durch Teilung und endogene Produktion handeln. Nachdem sich durch die Tätigkeit der dem Annulus fibrosus be- nachbarten Gewebe und des Vertebralkörpers ein Netz aus feinfaserigen Bälkchen gebildet hat, reich an verzweigten und anastomosierten Bindegewebskörperchen, findet man in den Maschen dieses Netzes Zellenanhäufungen von verschiedener Form (kugel-, schlauch-, keulenförmig, in Bälkchenform wie bei den Leberzellen), in denen die Zellen mit doppelt umrissenen Wänden so nahe aneinander gerückt sind, dass ihre Membranen den Anblick eines wie ein Knäuel aufgewickelten Netzes dar- bieten, dessen Maschen einen homogenen Inhalt haben. Einige dieser Anhäufungen sind von einer Membran umschlossen, welche zuweilen eine Aussonderung der Zellenmasse ist, die demnach danach strebt, sich gegen die umgebenden Teile ab- zugrenzen, in anderen Fällen jedoch würde sie dem Autor zu- folge sicherlich der Membran einer mit Tochterzellen gefüllten Mutterzelle entsprechen. Der Autor spricht auch von den platten Epithelzellen ähnlichen Zellen mit feinen Körnchen und einem Kern mit dunklen Umrissen. 322 ANGELO BRUNI, Der Nachweis Luschkas, dass das Gewebe des Nucleus pulposus zum Teil von dem Gewebe der Chorda dorsalis abstammt, erschien Jäger (63) nicht ausreichend. Doch konnte Robin (109) eine wertvolle Bestätigung derselben beibringen. Er nimmt an, dass die Chordazellen immer isoliert sind, auch wenn sie es nicht immer zu sein scheinen: mit dem Fortschreiten der Vacuolisierung der Zellen teilt sich das Chordagewebe in Gruppen. Der Autor leugnet das Bestehen einer endogenen Vermehrung der Zellen. Die Zunahme des Gewebes erfolge ausschliesslich durch direkte Zellteilungen. Dursy (31) dagegen behauptete, dass wie beim Huhn das durch eine zwischen den Zellen gebildete zähflüssige Substanz zusammengepresste Chordagewebe der intervertebralen Erwei- terungen sich darauf beschränke, Zellenbälkchen und später ein- fache Fäserchen zu bilden, so dass man nicht annehmen könne, dass die Chorda sich dauernd an der Bildung des Nucleus pulposus beteilige. W. Müller nimmt an, dass die Chorda bei den Säugetieren einen aus Glaszellen gebildeten gelatinösen Körper besitzt wie bei den übrigen Wirbeltieren. Hasse und Schwarck (53) bringen eine vorzügliche Abbildung des vacuolisierten Chordagewebes der Säugetiere, obwohl sie der Meinung sind, dass es sich um eine besondere Erweichung des perichordalen Knorpels handle, welche nach dem Ver- schwinden der Chorda eintrete. Löwe (82) beschreibt bei den intervertebralen Erweiterungen in Föten von Mäusen und Kaninchen ein bälkchenartiges Aussehen mit Fibrillen: die Kerne und Zellen verschwänden unter Umwandlung in ein Blastem. Das Netz als Ganzes betrachtet hätte die Form eines Bades mit weiteren Maschen am Umfang. Leboucgq (78) konnte feststellen, dass bei den Säugetieren sowohl das Chorda- gewebe, wie auch das benachbarte umgebende Gewebe der Zwischenwirbelscheibe, sich dissoziiert und dass die Zellen sich durch eine besondere Entartung in Bläschen verwandeln, die Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 323 mit einer hellen Flüssigkeit angefüllt sind. Bei den Wieder- käuern und den Nagetieren schreitet diese Erscheinung, die der Autor als Assimilation bezeichnet, bis zu einem Grade vor, dass man nicht unterscheiden kann, was von der Chorda und was von dem Gewebe der Zwischenwirbelscheibe ab- stammt. Beim Menschen ist die Erscheinung weniger ausge- sprochen und die Überreste der Chorda sind noch nach der Geburt sichtbar. Koelliker (73) behauptet, dass die Chorda noch in dem Nucleus pulposus des Neugeborenen und des Er- wachsenen existiert und aus netzförmigen cellulären Inseln oder Abschnitten besteht, mit Hohlräumen, die eine Flüssig- keit enthalten. In den intervertebralen Erweiterungen vom Fötus der Katze, des Hundes, des Kalbes fand er, dass die Chorda aus einem Netz von fibrillärem Gewebe besteht, mit Kernen ohne deutliche Zellkörper, beim Fötus des Schafes aus Inseln und Zellnestern, die sich mit von Tochterzellen angefüllten Mutter- zellen vergleichen lassen; beim Fötus des Schweines, wo die intervertebralen Erweiterungen aussergewöhnlich gross sind, könnte man mit Hilfe gewisser Reagenzien (Wasser, Alkohol) ein aus sternförmigen Zellen mit dazwischen liegenden Inter- vallen gebildetes Netz beobachten. Mit anderen Reagenzien (Essigsäure, Ätzkali) sähe man runde oder polyedrische Zellen, besonders an der Peripherie. Bei Embryonen des Kaninchens wären die Chordazellen abgeplattet. Nach Renault (107) be- steht das Chordagewebe bei den Säugetieren wie bei den anderen Vertebraten aus deutlich unterscheidbaren Zellen, von denen jede von einem esoplastischen kapselähnlichen Gebilde von glänzendem Aussehen umgeben ist, so wie er es auch in Epithelialgeweben beobachtet hat. Williams studierte das Chordagewebe hauptsächlich bei Embryonen und Föten vom Schwein. Er fand, dass in den intervertebralen Dilatationen zu einem gegebenen Zeitpunkt (Fötus von 150 mm) sehr zahl- reiche Caryokinesen vorhanden sind und meint sogar, dass 324 ANGELO BRUNI, die Mitose die einzige Vermehrungsart der Kerne sei. Bei der Vacuolisierung zerschmelzen die Chordazellen zu einem netz- förmigen Syneytium, dessen Maschen von den Vacuolen ge- bildet werden. Der Inhalt der Vacuolen bestände nach ihm aus Mucin, welches bei seiner Ausdehnung bei den erwachsenen Subjekten das Syneytialgewebe zu isolierten Massen zerteilte. Diese Massen teilten sich weiter und in jeder von ihnen träten wahre, unter sich verbundene Zellen auf, die nach der Aus- drucksweise des Autors aus einer kleinen Menge syncytialen Protoplasmas entständen. Jede dieser Zellen enthielte gewöhn- lich zwei, manchmal aber eine oder drei Vacuolen. Williams leugnet die Verschmelzung des notochordalen mit dem um- liegenden Gewebe. Demnach wäre das Chordagewebe anfangs cellular, dann syneytial, ähnlich dem mucösen Bindegewebe, dann von neuem cellular und sehr ähnlich dem Knorpelgewebe. Schon Carlier (22) hatte im Jahre 1890 beim Schaf beobachtet, dass die anfangs runden Chordazellen spindelförmig wurden oder eine unregelmässige Gestalt annahmen und dann knorpel- artig wurden. Auch bezüglich des Chordagewebes der Säugetiere trat die Frage auf, ob es sich um ein Binde- oder um ein Epithelhal- sewebe handle. Mihalkovies (87), dem Ranvier (103), Renaut (107) und viele andere folgten, war der eifrigste Ver- fechter der epithelialen Natur, wobei er sich auf verschiedene Betrachtungen stützt, und zwar: auf den Ursprung der Chorda, die nach ihm vom Mesoderma unabhängig ist; auf die Tat- sache, dass eine glasige Scheide, wie man sie ähnlich zwischen Epithel und Bindegewebe antrifft, sie vom Mesoblast isoliert; auf das Fehlen einer Grundsubstanz zwischen seinen Zellen; auf die Form der Zellen, die den Epithelzellen nicht unähnlich sind; auf die Tatsache, dass sich im Protoplasma durch Ent- artung Vacuolen bilden, wie es gewöhnlich in den Epithelien vor- kommt, und dass die Chordazellen an den Stellen, wo sie Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 325 komprimiert sind, eine Art Verhornung erleiden können, indem sie den Kern verlieren, sich abplatten, sich atrophisieren, ge- nau so wie es in den Epithelien geschieht. Über das Chordaepithel. Cyclostomen und Fische. In der Umgebung des gelatinösen Körpers der Chorda beschreiben alte Forscher bei den niederen Wirbeltieren eine Protoplasmaschicht mit Kernen und ohne Vacuolen, welche für das Wachstum des gelatinösen Körpers sorgt (Goette, Grassi), und welche ausserdem auch für die Regeneration der ganzen Chorda und ihrer Scheide bei den Anamnien sorgt (Barfurth [8-9], Nusbaum und Sidoriak [97]). Dies ist das, was Gegenbaur Chorda- epithel genannt hat wegen der Ähnlichkeit, die er zwischen den Zellen dieser Schicht und den epithelialen zu finden glaubte. Die Benennungen: epitheliomorphe Schicht (Grassı) und Randschicht (H. Albrecht) sind vorzuziehen, weil sie die Frage nach der Vergleichbarkeit mit den Epithelien offen lassen. Unter den älteren Histologen hatte Schwann (125) diese Be- merkung gemacht. Alle Forscher stimmen darin überein, dass sie bei den erwachsenen Individuen diese Schicht als aus wohlunterschiedenen Zellen bestehend annehmen (Gegenbaur 43], W. Müller [94], Goette [46-48], Retzius [108], Grassi [51], Hasse [56], v. Ebner [32—34], Ussow [134], Boeke [16]). Sie bildet sich, wenn die Vacuolisierung der Zellen eintritt; kurz nach ihrer Bildung lässt sie vielen Be- obachtern zufolge keine wohl individualisierten Zellen erkennen. Schon W. Müller hatte ausgesprochen, dass die Zell- membranen des Chordaepithels wenig deutlich sind. Goette beschreibt eine gekernte Protoplasmaschicht, ebenso auch Schauinsland und Ussow. Amphibien. Das anfangs hohe Chordaepithel plattet 326 ANGELO BRUNI, sich später ab (W. Müller [94], Bergfeldt [11]) und ver- hält sich im übrigen wie bei den Fischen, mit dem Unterschied, dass es, wenigstens bei den Anura, kleine Vacuolen aufweisen kanı (Gegenbaur [43], Bergfeld). Die Forscher sind nicht einig über die Existenz von Zellbegrenzungen in dem Proto- plasma, welches das Chordaepithel der Amphibien bildet. In der Tat leugnet Goette sie unbedingt, Hasse (54—55) sagt, die Begrenzungen seien nicht deutlich und ebenso Field (35) und Kapelkin (64), welche das Verschwinden der Zellgrenzen dem Druck zuschreiben, den der gelatinöse Körper auf das Chordaepithel ausübt. Viele Autoren finden häufige Mitosen in dieser Schicht. Bergfeldt behauptet, dass diese nur hier und nie im gelatinösen Körper vorkommen. Reptilien. Für diese Klasse liegen keine besonderen Daten vor. Vögel. Aus den spärlichen Notizen, die wir hier haben, geht hervor, dass das Chordaepithel, wenn überhaupt vor- handen, weit weniger entwickelt ist als in den niederen Klassen. W. Müller (94) sagt, dass es gegen den zehnten Bruttag durch Umwandlung in gelatinöse Zellen zu verschwinden beginnt. Schwarck (126), wie auch Foster und Balkone Io), beschreibt als Chordaepithel eine Reihe kleiner Zellen, die auf der Scheide sitzen. Koelliker (73) nimmt kein eigentliches Epithel an und sagt nur, dass "die peripherischen Zellen ihre ursprünglichen Charaktere länger beibehalten. Säugetiere. Donders (29) beobachtete einen Unter- schied zwischen den centralen und den per:pherischen Ze’len in den intervertebralen Erweiterungen von Säugelieren. Nach Robin (109) wären diese schmäleren und reihenweise an- geordneten peripherischen Zellen, deren Existenz er bestätigt, ein wirkliches Epithel der Chorda. Auch W. Müller erwähnt bei den Säugetieren eine aus indifferenten Zellen bestehende Randschicht, welche für das Wachstum der centralen Masse Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 327 der Chorda sorgt. Leboucgq (78) nimmt das Epithel in den intervertebralen Erweiterungen an, aber nicht in dem verte- bralen Segment. Planteau (99) bemerkt nur, dass man nicht von einem Chordaepithel reden könne, weil die ganze Chorda aus epithelialem Gewebe bestehe, nimmt aber wie Koelliker an, dass die peripherischen Zellen geringere Veränderungen erleiden als die centralen. Weiss (137) fand bei der weissen Maus die peripherischen Zellen weniger dicht aneinander ge- drängt als die centralen. Williams (139) stellte beim Schwein und bei anderen Säugetieren fest, dass von Anfang an die äusseren Wandungen der peripherischen Notachoördazellen eine ununterbrochene Wand der Chorda zu bilden scheinen; später, wenn sich das chordale Syncytium gebildet hat, besteht der peripherische Teil desselben aus einer an Kernen reicheren und an Vacuolen ärmeren Protoplasmaschicht. Über die Scheide der Chorda. Gymekostomen und, Kischer 7 Minllerz(95rbe schreibt zwei Umhüllungen um die Chorda, eine fibröse und eine andere fibromembranöse, welche sich ın die Wirbelsäule umwandelt. Leydig (79) fand bei Polypterus an Stelle der Scheide nur eine helle, undeutlich gestreifte bindegewebige Substanz, bei den Stören fand er ausser dieser noch eine äussere elastische; bei den Chimaeren läge nach ihm die höchste Komplikation vor, nämlich eine konnektive Scheide mit Fasern und kreisförmig angeordneten konnek\iven Körper- chen, eine elastische innere Scheide zwischen der faserigen Scheide und dem Chordagewebe und eine elastische äussere, gefensterte. Der Befund Leydigs bei den Chimaerides wurde von Koelliker (69-71) für die Knorpelfische im allgemeinen bestätigt, ebenso später von Gegenbaur (43). Was die Haupt- schicht, d. h. die fibröse Scheide, anbelangt, so beschrieb 328 ANGELO BRUNI, Gegenbaur (44) zwei Entstehungsweisen: bei der einen (Typus Ganoiden) würde sie nach Art eines Häutchens vom Chordaepithel abgesondert, bei der anderen (Typus Seiachier) würde sie nicht bloss von der äusseren Oberfläche der Zellen des Chordaepithels, sondern rund um dieselben herum, wie es bei den gewöhnlichen Binde- und Knorpelgeweben der Fall ist. So wäre auch das Vorhandensein von Zellen in der Dicke der Scheide erklärt. Doch wurde diese Bildungs- weise des Typus der Selachier von W. Müller (94) in Abrede gestellt, welcher nur die Existenz einer eigentlichen Scheide (Cuticula chordae) und einer elastischen äusseren zu- gab, welch letztere von der skeletbildenden Schicht und nicht von der Chorda erzeugt werde. Koelliker (71), der auf den Gegenstand zurückkam, stellte eine allgemeine Nomenclatur für die Chordahüllen auf und nannte eigentliche oder innere Chordascheide die zellenlose Hülle der Chorda, gleichviel ob dieselbe dünn ist (Selachier, Chimaeren, Sirenoiden) oder dick (Teleostier, Ganoiden); diese Hülle leitet sich nach ihm wahrscheinlich von einer Ausscheidung der Chordazellen ab. Wenn diese Hülle kräftiger wird, so kann ihm zufolge noch eine äussere Begrenzungsschicht hinzutreten und zuweilen auch eine innere äussereundinnereBegrenzungsschicht nach Koelliker). Mit dem Namen äussere Chorda- scheide bezeichnete er die, welche nur bei den Selaci, den Chimären den Sirenoiden existiert und vom Mesoblast erzeugt wird, welches die Chorda auf ihrer ganzen Länge umgibt; sie grenzt sich gegen die skeletbildende Schicht durch eine elastische Membran ab (äussere elastische Schicht nach Koelliker). Cartier (23) beschreibt eine äussere elastische und eine innere cuticuläre Scheide, welche fibrillär wird. Perepelkine (98) findet bei Petromyzon eine elastische innere und eine fibröse Bekleidung, in welcher er das Vorhandensein der von den älteren Autoren beschrie- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 329 benen Porenkanäle bestreitet, die er als einen optischen, durch Faltung der Fasern hervorgebrachten Effekt betrachtet. Goette (47) fand bei den Ganoiden zwei unterscheidbare Schichten der Chordascheide: eine äussere elastische durchlöcherte und eine innere gelatinöse fibrilläre: die innere Begrenzungs- schicht nach Koelliker sei nur eine cuticuläre Bildung dieser letzteren. Bei den Plagiostomen beobachtete er eine cuti- culäre, zuweilen durchlöcherte Scheide vor dem Auftreten der äusseren Scheide, später, nach Entstehung der zelligen äusseren Scheide, bleibt eine fibrilläre Schicht dieser letzteren frei von Zellen. A. Schneider (122) bemerkte, dass die äussere elastische Scheide vor der fibrillären existiert und beobachtete als erster die Wanderung von Zellen quer durch dieselben. Die so gewanderten Zellen sollen die fibrilläre Scheide bilden, welche also keine cuticuläre Bildung ist, wie Gegenbaur und Koelliker annahmen. Die innere Begrenzungs- schicht von Koelliker fand er nicht immer deutlich er- kennbar. Retzius (108) beschäftigte sich vorwiegend mit der Natur der Chordascheide: sie wäre nach ihm ein konnek- tives Häutchen, welches eine innere und eine äussere Begren- zungsschicht von elastischer Beschaffenheit darstellen könne. Grassi (51) schrieb ebenfalls dem Chordaepithel die Bildung der Scheide zu, die innere Begrenzungsschicht derselben wäre kein konstantes Gebilde und die äussere Begrenzungsschicht wäre von der skeletbildenden Schicht hervorgebracht. Lwoff (84) nennt die innere Begrenzungsschicht Koellikers Cuticula chordae und glaubt, dass sie aus dem Chorda- epithel ihren Ursprung nehme; ähnlich wie A. Schneider glaubt er, dass die fibrilläre Scheide aus Zellen der skelet- bildenden Schicht hervorgehe, die durch die elastische äussere Schicht hindurchgegangen sind. Hasse (56) unterscheidet eine Cuticula chordae und eine Cuticula sceleti, bezw. hervorgegangen aus der Chorda oder dem skeletogenen Gewebe. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2). 22 330 ANGELO BRUNI, Die Cuticula sceleti soll jedoch bei den Tectobranchiaten (Cyelostomen, Ganoiden, Dipnoi, Amphibien, Anuri) fehlen: zwischen den beiden Häutchen sollen sich Zellen befinden, die durch die Cutieula sceleti hindurchgedrungen sind und dem intervertebralen Knorpel der Amphibien homolog sein sollen. In einigen Fällen wäre die jüngste Schicht der Cuti- cula chordae von dem Rest unterscheidbar. Schmidt (121) und Scheel (119) nehmen als konstant nur die häutige Scheide (die jedoch nach dem ersten dieser beiden Autoren kein wirkliches Häutchen wäre, sondern, weil sie leicht isolierbar ist, ein Sekretionsprodukt) und die elastische äussere (Begren- zungsschicht) an. Die innere Begrenzungsschicht soll als Ge- bilde für sich nicht existieren. Claus (25), dessen Anschau- ungen von Klaatsch (67) bestätigt wurden, wies nach, dass die äussere elastische Schicht ihren Ursprung aus der Chorda nimmt. Sie ist eine Hülle, die die Chorda sich erzeugt, bevor das skeletogene Gewebe sie umgeben hat. v. Ebner (32—34) beobachtete ebenfalls die Erzeugung der äusseren elastischen Schicht seitens der noch nicht vacuolisierten Chorda und die darauf folgende Erzeugung der fibrillären Scheide ebenfalls von seiten der Chorda, wie ein nur angedeutetes granulöses, weniger färbbares Gebilde, in welchem infolge der mechanischen Spannungen die kollagenen Fibrillen entstehen und sich in sehr verwickelter Weise anordnen. Bei den Knochenfischen wäre nach diesem Autor auch eine elastische Innenschicht sichtbar, bestehend aus einem feinen elastischen Netz; die elastische Aussenschicht wäre gefenstert und bei den Selachiern und den Dipnoisten drängen durch die Öffnungen Zellen ein und wanderten in die sonst zellenlose konnektive Scheide ein. Ein solches Eindringen von Zellen in die fibrilläre Scheide wurde von Klaatsch (68) bestätigt. Ussow (134) schrieb ebenfalls der Tätigkeit des Chordaepithels die Bildung der fibrillären Scheide zu — welche in ihrem ersten Anfang in Form von Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 331 Tropfen ausgeschieden würde, die nachher zusammenflössen — ebenso wie die Bildung der äusseren elastischen Schicht, welche sich durch mechanische Ursachen auf der Oberfläche der fibrillären Scheide differenzieren. Bei den Teleostiern findet der Autor zwischen dem Chordaepithel und der fibrillären Scheide ene Cuticula chordae, von der er jedoch unentschieden lässt, ob sie eine Schicht für sich bildet oder eine Zusatzschicht zur fibrillären Scheide ist. Henneguy (59) nimmt an, dass das Chordaepithel durch Aussonderung oder durch peripherische Umwandlung eine Grundsubstanz bildet, in der zuerst elastische Fasern entstehen, dann kollagene und zuletzt wieder elastische Fasern, so besonders bei Acanthias. Boeke (16-18) be- merkte, dass bereits, wenn die Chorda aus nicht vacuolisierten, in Geldrollenform angeordneten Zellen besteht, eine Membran vorhanden ist, die sich intensiv mit Hämatoxylin färbt. Amphibien. Bei diesen höheren Anamnien stellt sich die Hülle der Chorda dorsalis noch ungefähr ebenso dar wie bei den Fischen; es bestehen jedoch noch Zweifel über die Homologie der verschiedenen Schichten mit den anscheinend korrespondierenden der Fische. So nahm Gegenbaur (43), welcher das Vorhandensein zweier Lamellen beobachtet hatte, von denen die innere inkonstant war und sich sekundär bildete, an, alle beide wären der einzigen elastischen Innenschicht bei den Fischen homolog. W. Müller (94) stellte, wie bei den Fischen, das Vorhandensein einer Cuticula chordae fest, zu der bei einigen Arten noch eine elastische Aussenschicht hinzutreten kann. Koelliker (71) ordnete die Frösche unter die Tiere mit eigentlicher dicker Chordascheide ein, die dem- nach auch mit einer inneren und einer äusseren Grenzschicht versehen sind. Lwoff (84), welcher besonders den Axolotl untersuchte, beschrieb eine elastische äussere Schicht und eine faserige fibröse Scheide, die von durch die Öffnungen der elastischen Aussenschicht eingedrungenen Zellen der skeleto- 22* 332 ANGELO’BRUNI, genen Schicht hervorgebracht wird, wie bei den Fischen: doch soll die Cuticula chordae fehlen. Auch Hasse (53) nahm an, dass hier analoge Verhältnisse vorliegen wie bei den Fischen: es sei eine gestreifte, nicht fibrilläre Cuticula chordae vorhanden und eine Cuticula sceleti, die von einer epitheliomorphen Schicht des skeletbildenden Gewebes hervorgebracht würde. Die Cuticula sceleti fehle bei den Anuren wie bei den Amnioten. Zwischen die beiden Häutchen schiebe sich bei den Urodelen der Zwischenwirbelknorpel ein, indem er durch intervertebrale Unterbrechungen in der Cuti- cula sceleti hindurchdringe. Schmidt (120-121) be- schreibt, wie bei den Fischen, eine Cuticula chordae, die von den Zellen des Chordaepithels abgesondert wird, und eine elastische Aussenschicht. So auch Field (36), welcher die innere elastische oder Grenzschicht der anderen Autoren als Cuticula chordae bezeichnet, die sich sehr frühzeitig bilde, und beschreibt an der Aussenseite derselben eine Cuti- eula sceleti; zwischen den beiden Lamellen können, wie er annimmt, Zellen eingeschlossen zurückbleiben. Wir verdanken Bergfeldt (11), welcher die Chorda- scheiden bei Alytes obstetricans unter Bestätigung der Befunde von Claus studierte, eine neue Anordnung der Nomenclatur dieser Scheiden, die ich hier wörtlich folgen lasse: Cuticeulare Scheiden: primäre Cuticula = elastica externa — cuticula sceleti (Hasse) — elastica (Klaatsch J) cutieula chordae (v. Ebner) primäre Chordascheide (Klaatsch II); sekundäre Cuticula = cuticula chordae — Chordascheide = innere Chordascheide — Faserscheide (v. Ebner, nicht aber Hasse bei Cyclost.) = innere Sekretschicht (Claus) = elastica interna (aber nicht bei Koelliker und Lotz und nicht bei Claus). Bindegewebige Scheide oder äussere zellige Scheide, häutiger Zustand der Wirbelsäule von Gegen- baut Nach den eigenen Untersuchungen Bergfeldts färbt sich die elastische Aussenhaut (Cuticula primitiva) mit Orcein schwarz, erlangt jedoch erst spät die übrigen elastischen Eigen- schaften. Nach v. Ebner (33) gäbe es eine fibrilläre Scheide (beim Frosch waren die Fibrillen vor der Metamorphose nichl in Bündeln angeordnet) und die Elastica externa, es fehlte jedoch die Elastica interna. Klaatsch (68) fand auch, dass die Scheiden der Amphibien denen der Fische homolog sind; ferner fehle bei den Anuri die Cuticula sceleti nicht, wie Hasse behauptet, denn das, was Hasse als solche deutete, sei eine Knochenlamelle. Kapelkin (64) beschreibt die vom Chordaepithel abgesonderte Scheide als in zwei Schichten geteilt, eine faserige und eine elastische äussere. Er sah auch die Cuticula sceleti Hasses, hielt sie aber nicht für homolog der elastischen äusseren Schicht. Reptilien. Von den Reptilien angefangen und bei allen anderen Amnioten ist die Chordascheide sehr reduziert, jedoch sah Gegenbaur (43) neben der Hauptlamelle (Elastica interna) zuweilen Spuren einer zweiten Schicht. Dagegen sah Rathke (104-106) eine einzige strukturlose Membran, die obendrein nicht in allen Abschnitten gut sichtbar war. Koel- liker (71) ordnet die Reptilien unter die Tiere mit dünnen wirklichen Scheiden ein. Schauinsland (117-118) fand, was von Howes und Swinnerton (62) bestätigt wurde, dass bei Sphenodon die Scheide sich gleichzeitig mit den Vacuolen bildet, demnach bevor das Chordaepithel vorhanden ist. Bei den weiter entwickelten Embryonen und beim aus- gewachsenen Tier konnte er, besonders in den Zwischenwirbel- gebieten, eine äussere und eine innere Schicht unterscheiden. 334 ANGELO BRUNI, Vögel. v. Baer beobachtete schon im Jahre 1828 (2), dass die Chorda dorsalis sich alsbald nach ihrer Bildung mit einer glasigen Scheide umgibt, die anfangs nur sehr schwer von der Chorda isoliert werden kann, später jedoch leicht isolierbar ist. Von einer strukturlosen Lamelle, welche die Chorda der Vögel umgibt, sprechen auch Gegenbaur (43), Rathke (106), W.Müller(94), Koelliker(71),Schwarck (126), die in derselben eine konzentrische Streifung beobachteten, Foster und Balfour (37), Romiti (112), Männich (85), nach deren Beobachtungen sie bald verschwände (Pinguin von 35 mm). Rambaud und Renault (102) verstehen unter dem Namen Scheide die ganze in der Entwickelung begriffene Wirbelsäule, erwähnen aber auch eine Hülle aus fibroidem Gewebe. Dursy (31) ist der Meinung, dass sie fehle und dass statt dessen, wie bei den Säugetieren, ein Chordakanal vorhanden sei. Koelliker (73) sagt in seinem Lehrbuch der Embryologie: Wenn die Wirbelsäule knorpelig ist, so hat die Chorda keine Scheide und man kann als solche die unmittelbar perichordale Schicht aus Knorpelgrundsubstanz deuten, welche frei von Zellen bleibt. Säugetiere. Luschka (83) beschreibt bei einem menschlichen Embryo von 7 Wochen eine längsgestreifte Scheide. Bei einem zehnwöchigen Embryo ist sie verschwunden und nur hie und da sieht man Fragmente einer fettgetränkten Lamelle. In den intervertebralen Erweiterungen hat zu dieser Zeit die Chorda eine schleimige Hülle. Gegenbaur (43) erwähnt das Vorhandensein einer einzigen Lamelle, wie bei den Vögeln. Robin (109) beschreibt zwischen der Scheide (die homogen sein und im Knochenbildungscentrum ın der Nähe der Zwischenwirbelscheiben und in diesen Zwischen- wirbelscheiden selbst durch Atrophie verschwinden soll) und den Chordazellen eine halbflüssige Schicht. Dursy (31) leugnet die Existenz einer Scheide: der Chordazellenstrang wäre nach Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 335 ihm von einem kanalartigen wasserhellen Raum umgeben (Chordakanal). W. Müller (94) sah im Gegensatz zu Robin einen hellen dünnen Raum zwischen einem homogenen, an der peripherischen Schicht der Chorda haftenden Mantel und den Andeutungen der Rückenwirbel. Hasse una Schwarck (53) beobachteten keine Scheide, obwohl sie nicht geradezu ausschlossen, dass sie in früheren Entwickelungs- stadien vorhanden sein können. Sie glauben jedoch, dass m guten Präparaten kein Zwischenraum zwischen den Chorda- zellen und den angedeuteten Anfängen der Rückenwirbel vor- handen sei. Mihalkowics (87) interpretiert als Scheide die helle perichordale Schicht, die er jedoch nicht für flüssig hält wie Dursy, sondern für fest und, wie die Linsenkapsel, her- vorgegangen aus benachbarten Bindegewebszellen, welche hell werden und zerschmelzen. Löwe (82) hält diese Schicht ebenfalls für fest, da sie an den eingeschnürten und den erweiterten Stellen der Chorda von gleicher Dicke ist. Koelliker spricht von einer hyalinen Hülle, die in den intervertebralen Erweiterungen bei etwas entwickelteren Embryonen fehlt, was von Planteau (99) be- stätigt wird, welcher dem Dünnerwerden und Verschwinden der Scheide in der intervertebralen Erweiterung die Ausbreitung des Chordagewebes in der Zwischenwirbelscheibe zuschreibt. Romiti (111) erwähnt eine Scheide ähnlich derjenigen beim Huhn. Froriep (38—39) sagt, dass beim Menschen und beim Kalb in den ersten Entwickelungsstadien eine elastische Innen- schicht vorhanden ist, die das Bestreben zeigt, bald zu ver- schwinden. Nach Froriep wäre der helle perichordale Raum (Chordakanal Dursys) auch beim lebenden Individuum vor- handen, er bestände nach dem Verschwinden der Scheide an den Stellen weiter, wo die Chorda in Beziehung zu knorpeligen Teilen steht und verschwänden da, wo sie in Beziehung zu bindegewebigen Teilen steht. Auch Bertacchini (12—14) 336 ANGELO BRUNI, sah bei menschlichen Embryonen von 3,93 und von 5 mm eine strukturlose Scheide. Dorello (30) sah um die Chorda eines menschlichen Embryos von 8 mm nur einen hellen Hof. Renaut (107) spricht von einer genau mit der Linsenkapsel vergleichbaren Lamelle wie Mihalkovics, mit dem Unter- schiede, dass er diese Lamelle für das Erzeugnis der Chorda- zellen hält. Weiss (139) bestätigte die Beobachtungen Fro- rieps bei der weissen Maus. Williams (139) unterscheidet, wie schon Minot (89), beim Schwein eine strukturlose äussere ‘Membran und eine innere aus Schleimstoff, die später auftritt. Die erstere, welche konzentrisch gestreift ist, verschwände in der Zwischenwirbelscheibe bald infolge der erlittenen Streckung. Über den Chordastrang. Cyclostomen und Fische. J. Müller (93) beschrieb ihn als ein plattes, in der Mitte des gelatinösen Körpers der Chorda liegendes Faserband. Bei den ausgewachsenen Knochen- fischen konnte er auch beobachten, dass es durch einen mit Flüssigkeit gefüllten Kanal ersetzt war, und zuweilen stellte er fest, dass an die Stelle des ganzen gelatinösen Körpers eine Flüssigkeit getreten war. W. Müller (94) sah ebenfalls die faserige Struktur des Chordastranges bei ausgewachsenen Fischen und wies nach, dass die Fasern nichts anderes sind als modifizierte gewöhnliche Chordazellen, abgeplattet und mit verdickten Wänden. Dasselbe nehmen auch Goette (47) und A. Schneider (122) an. Goette schrieb die Bildung des Stranges der fortwährenden Anlagerung neuer Alveolen des gelatinösen Körpers von seiten des Chordaepithels zu. Nach Retzius (108) ist der Strang nur aus den Zellmembranen gebildet, deren Inhalt verschwunden ist. v. Ebner (32—34) kehrt zu der Ansicht zurück, dass es sich bei den Knochen- fischen um verlängerte Chordazellen mit gestreiften Membranen Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 337 handle und um wahre Faserzellen. Prenant, Bouin und Maillard (101) nehmen an, dass der Strang aus nicht vacuoh- sierten Zellen gebildet sei. Studnitka (129-131) endlich beobachtete im Chordastrang Tatsachen, die an die Verhornung der Epithelialgewebe erinnern. Amphibien. Gegenbaur (43) beobachtete, dass im Strang die Zellen ganz oder fast ganz zerstört sind und die Membranen (nach ihm Intercellularsubstanz) ein fibrilläres Aus- sehen annehmen. Goette (46) und viele andere finden ihn identisch mit dem der Fische. Krauss (76) bemerkte im Strange, besonders in den Abschnitten, wo seine Grenzen durch die Kompression durch den umgebenden Chordaknorpel be- stimmt sind, eine besondere Acidophilie, eine Modifikation, die, wie er annimmt, der Bildung des Chordaknorpels voraus- geht. Reptilien. Schauinsland (117—118) betrachtet be- sondere stäbchenförmige Bildungen von ziemlicher Länge, die ‘er bei Sphenodon gefunden hat, als Andeutungen des Chorda- stranges. Bei den anderen Amnioten ist der Chordastrang nicht beschrieben worden. Über den Chordaknorpel und andere Modifikationen des Chordagewebes. Gyclostomen und Fische. Eine wahre Knorpel- struktur der Chorda wurde von Studnicka (130-131) in dem Schwanzende der Chimaeren und der Selachier beschrieben. Der Knorpel ginge zum Teil aus dem Chordaepithel hervor, dessen Zelien knorpelig werden, zum Teil (bei den Selachiern) aus Zellen die aus dem skeletogenen Gewebe eingewandert sind. Von einer solchen Einwanderung skeletogener Zellen ins Innere des Chordagewebes hatte schon Schaffer (115) bei Petromyzon gesprochen. 338 ANGELO BRUNI, v. Ebner (33) beschrieb beim Hecht ein besonderes inter- vertebrales Trennungshäutchen der Chorda, gebildet aus Zellen von epitkelialem Aussehen, die mit Oberflächenstacheln ver- sehen sind und dicke Wände von fibrillärer Struktur haben, worin jedoch die Fibrillen weder bindegewebsartig noch elastisch sind und sich an die Elastica interna anheften. Hier soll es sich um differenzierte Chordazellen handeln und die Differenzierung soll eine fortschreitende Erscheinung darstellen. Ussow (134) konnte diese Befunde bestätigen und kam zu der allgemeinen Schlussfolgerung, dass das junge Chordagewebe indifferent und befähigt ist, sowohl ein epetheliales wie ein bindegewebsartiges Aussehen anzunehmen. Auch Studnitka bestätigte den Befund v. Ebners beim Hecht und beim Belone. Amphibien. Viele Urodelen zeigen in der Verknöche- rungsperiode des Wirbelkörpers eine charakteristische Knorpel- bildung in der Mitte des Wirbelkörpers in der Gegend des Punktes, wo das vordere Ende des Zwischenwirbelknorpels aufhört, der bekanntlich die Höhlung des knöchernen amphi- celen Vertebralkörpers ausfüllt (Kapelkin [64]). Viel dis- kutiert wurde über den Ursprung dieses Knorpels, der allgemein der chordale genannt wird, weil er sich an einem Platze befindet, der vorher von der Chorda dorsalis oder auch inter- vertebralis eingenommen wurde (Zykoff [140]). Er soll aus dem Chordaepithel hervorgehen nach Gegen- baur (43), Hasse (54), Field (36), v. Ebner (33), Schaf- fer (115—116), Kapelkin (64), C. K. Schneider (123). Der Beweis dafür soll darin liegen, dass dieser Knorpel sich innerhalb der nicht unterbrochenen Chordascheide befindet, sowie darin, dass man den centralen Teil der Chorda in der Gegend dieses Knorpels vacuolisiert, in Form eines Chorda- stranges zusammengepresst oder auch zerstört (Gegenbaur, Klaatsch) oder umgewandelt (Kapelkin) antrifft. Andere Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 339 hingegen leiteten den Ursprung des Chordaknorpels von meso- dermischen Zellen her, die durch die Unterbrechung der Scheide in die Chorda eingedrungen sind (Lwoff [84], Zykoff [140], Gadow [42]. Studnicka (130) nimmt beide Ursprungs- arten an. Schmidt (120-121) sah den Knorpel in dem Chordastäbchen des Schwanzendes der Amphibien und auch der Reptilien sich durch Kapselbildung um die Chordazellen bilden und durch Ablagerung von Grundsubstanz zwischen den- selben. Klaatsch (63) hebt hervor und bestätigt das, was schon Gegenbaur erwähnt hatte, nämlich dass ausser dem Hauptteil des Chordaknorpels, der sich an der oben erwähnten charakteristischen Stelle von der Peripherie nach dem Centrum zu bildet, auch noch hie und da eine insulare Produktion von Knorpel vorkommt. Er nimmt an, dass der grössere Teil dieser Inseln von eingewanderten Zellen des Chordaepithels herrührt, welche wie jene, die sich in situ umwandeln, imstande sind, durch Verdiekung und Umwandlung ihres peripherischen Teiles knorpelig zu werden; er nimmt jedoch an, dass auch etwas vacuolisierte Zellen sich in dieser Weise umwandeln können. In letzter Zeit wurde die Verknorpelung der Chorda bei Axolotl von Kraus (76) eingehend beschrieben. Nach diesem Forscher nehmen auch die vacuolisierten Zellen an dem Prozess teil. Durch besondere chemische Prozesse soll sowoh! in der die Vacuolen ausfüllenden Flüssigkeit, als ın den Zellmembranen eine Substanz entstehen, die entweder von vornherein Chondromucin ist oder sich bald darin umwandelt. Sie erscheint wie ein Protoplasmasekret unter den verschie- densten Formen (Fibrillen, Tröpfehen, Rosenkranz, Netze). Auch verschiedene Zellmembranen sollen eine Verdickung er- fahren, ohne sich chemisch zu verändern. Diese Erscheinungen sollen der Verknorpelung des Chordaepithels vorhergehen, in welchem nur bei Beginn des Prozesses Kernteilungen vorhanden zu sein scheinen. Zuerst entfernen sich die Zellen des Chorda- 340 ANGELO BRUNI, epithels von der faserigen Scheide der Chorda durch Zwischen- lagerung eines protoplasmatischen Netzes; der ganze peri- pherische Teil der Chordaepithelzellen wird ehondromucoid und verschmilzt mit. der faserigen Scheide. Infolge des durch den Druck ausgeübten Reizes vermehren sich die benachbarten Zellen des nicht verknorpelten Chordaepithels und die neuen Zellen können der sich bildenden Grundsubstanz einverleibt werden, oder sich direkt in Knorpelzellen verwandeln. Wenn dies geschehen ist, schreiten die Erscheinungen in den vacuoh- sierten Zellen weiter fort. Der peripherische Teil derselben (Zellmembran, Esoplasma) wird von dem centralen Teil (Endo- plasma) unabhängig und verhält sich wie eine intercellulare Substanz. Inzwischen erscheinen in den Vacuolen immer mehr von den oben erwähnten Gebilden von sehr wechselndem und oft bizarrem Aussehen, die nach dem Autor die Bestimmung haben, sich in Tropfen von Chondromucoid umzuwandeln. Ähnliche Gebilde treten in den Spalten der Wandungen der vacuolisierten Zellen auf. Das Endoplasma der vacuolisierten Zellen scheint selten an Volumen zuzunehmen. Beim ausge- wachsenen Tier gewinnt der Chordaknorpel ein dem gewöhn- lichen Knorpel sehr ähnliches Aussehen. Beim Salamander und beim Triton bildet sich ausser dem Knorpel des Verte- bralgebietes solcher auch in den Intervertebralgebieten. Dieser ist mehr von insularem Typus und eignet sich weniger zum Studium der histogenetischen Prozesse, aus denen er hervor- gegangen ist. Verf. führte auch einige Versuche zur Über- pflanzung der Chorda dorsalis aus und sah, dass die Vacuolen sich vermindern und die Membranen sich in breite proto- plasmatische Trabekeln umwandeln, woraus ein Gewebe ent- steht, das kein Knorpel ist, sondern sehr ähnlich dem embryo- nalen Chordagewebe. Indem er diese Tatsache mit denen der Verknorpelung vergleicht, kommt er zu der Schlussfolgerung, dass das schon differenzierte Chordagewebe sich noch auf Über d. evolutiven u, involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 341 anderem Wege differenzieren kann, ein Schluss, der im Gegen- satz zu der Hypothese von Goette, Grassi, Lwoff und verschiedenen anderen steht, dass die vacuolisierte Chorda ein degeneriertes Gewebe sei, unfähig zu weiteren Modifikationen. Die Ursachen, welche die Knorpelbildung begünstigen, sollen mechanisch und trophisch sein. Diese Arbeit gab Veranlassung zu einer Polemik mit Studnicka (132—77), worin dieser die von Krauss festgestellten Tatsachen nicht bestreitet, aber im wesentlichen behauptet, dass sie nicht genügen, um die epitheliale Natur der Chordazellen auszuschliessen. Reptilien. Bei vielen dieser niederen Amnioten wurde die Gegenwart des Chordaknorpels festgestellt, der seiner Lage nach dem Knorpel der geschwänzten Amphibien entspricht, und bezüglich seines Ursprunges fanden dieselben Diskussionen statt. So beobachteten, im Gegensatz zu Gegenbaur (43), dem zufolge die Chordazellen die knorpelige Grundsubstanz aussondern, Goette (50) und Schauinsland (117-118), der erstere bei den Chelonien, der letztere bei Sphenodon, dass der Prozess vom Chordaepithel ausgeht, während hingegen Gadow (42) die Herkunft des Chordaknorpels aus Mesoderma- zellen annimmt, die durch die Unterbrechung der Scheide in die Chorda eingedrungen sind. Vögel. Nur zwei Autoren erwähnen eine knorpelige Um- wandlung der Chorda bei den Vögeln: Gegenbaur (43) und Koelliker (73). Der erstere beobachtete sie, wie bei den Reptilien, im Vertebralkörper und nahm an, dass der Knorpel wie bei den Reptilien sich bilde, weil die Chordazellen die Grundsubstanz sezernieren. Der letztere fand ihn beim Hüne so, wie ihn Gegenbaur beschrieben hatte, nur ın den prä- sacralen Wirbeln. Er fand hingegen einen wahren hyalinen Knorpel mit kleinen Zellen in den Rückenwirbeln eines wenige Tage alten Bussard, und bei einem weniger entwickelten Exemplare derselben Species hatte er Gelegenheit zu beobachten, 342 ANGELO BRUNI, dass an die Stelle der Chorda dorsalis Knochenmark getreten war, welches dieselbe Form der Chorda beibehalten hatte und bei oberflächlicher Untersuchung mit der Chorda dorsalis hätte verwechselt werden können. Säugetiere. Erscheinungen, die bis zu einem gewissen Punkt mit der Verknorpelung der Chorda vergleichbar waren, wurden mehrmals von verschiedenen Autoren beim Menschen und anderen Säugetieren erwähnt. So erwähnte H. Müller schon 1858 (92) Anordnungen, welche einen Übergang zum Knorpelgewebe im Innern des Chordastranges anzeigen, nach dem Autor strukturlos und den Zahnfortsatz durchsetzend. Robin (109) beschreibt als Umhüllung der Zellanhäufungen der Chorda im Nucleus pulposus eine Substanz, die ein Exsudat dieser Zellen sein könnte, oder auch eine Verdichtung der Schleimsubstanz, in der sie liegen. Diese Substanz soll nach der Geburt zur Bildung eines Faserknorpels führen. Koel- liker (73-74) sah bei einem Kinde von 6 Monaten in den letzten noch knorpeligen Wirbeln eine kleine Gruppe von knorpeligen, aus der Chorda stammenden Zellen, welche von faseriger Grundsubstanz umgeben war. Denselben Befund hatte er in dem noch knorpeligen Teil des Vertebralkörpers bei einem Embryo vom Schaf. Carlier (22), der die Zwischenwirbel- scheibe des Schafes zum Gegenstande eines Spezialstudiums machte, beobachtete, dass verschiedene Chordazellen nach Bildung einer Kapsel knorpelig werden. Degeneriert, zu Proto- plasmafragmenten mit Stückchen vom Kern reduziert, können sie noch lange nach der Geburt zurückbleiben, mit einer Kapsel versehen oder auch ohne eine solche, eingelagert in eine Grund- substanz. Diese letztere enthält einen faserigen Knäuel und besitzt Höhlungen, die zuweilen sehr gross sind im Vergleich zu den kleinen degenerierten Zellen, die sie enthalten müssen. Der Verfasser weist noch auf die mögliche Vermischung der verknorpelten Chordazellen mit dem umgebenden Knorpel- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 343 gewebe hin weiss aber nicht, wie die Vermischung zustande kommt. Auch Salvi (114) beschäftigte sich mit dem von Koelliker beim Schaf aufgefundenen Chordaknorpel und sah, dass der vertebrale Teil der Chorda sich in einen Knorpel umwandelt, den er mit demjenigen der Vögel vergleicht. Die Grundsubstanz dieses Knorpels soll nach ihm aus der Hülle der Chorda hervorgehen, bezüglich deren Verf. es unentschieden lässt, ob sie chordalen oder vertebralen Ursprungs ist. Weiss (137) beobachtete bei der weissen Maus, dass in den Zwischen- wirbelscheiben zwischen den Chordazellen eine Grundsubstanz in Form eines feinmaschigen Netzes auftritt. Williams (139) glaubt, wie schon erwähnt, ohne weiteres, dass das Chorda- gewebe anfangs cellular sei, dann syneytial ähnlich dem Binde- gewebe, schliesslich von neuem cellular und dem Knorpel sehr ähnlich. Besonders beim ausgewachsenen Hund bemerkt er, dass der Nucleus pulposus aus zwei sehr ähnlichen Teilen be- steht, von denen der centrale aller Wahrscheinlichkeit nach sich von der Notochorda herleitet und aus einer Grundsubstanz mit Zellennestern, die zuweilen sehr gross sind und Zellen oder Gruppen von vacuolisierten oder nicht vacuolisierten Zellen enthalten. Über das Verschwinden der Chorda dorsalis. Bekanntlich bleibt die Chorda bei den Anamnien lange, auch das ganze Leben hindurch bestehen. Bei den Reptilien und den Vögeln hingegen verschwindet sie mehr oder weniger schnell, sowohl in den intervertebralen wie in den vertebralen Bezirken. Über die Art des Verschwindens bei den Vögeln machen spärliche Angaben Schwarck und Männich, welche behaupten, dass die komprimierten Chordazellen rissig werden, und sich in eine Anhäufung von Zellenüberresten ver- wandeln, was zu einer Kontinuitätsunterbrechung der Chorda führe. 344 ANGELO BRUNI, Bei den Säugetieren verschwinden die vertebralen Seg- mente der Chorda sehr bald. Koelliker (72—73) beobachtete beim Kaninchen mehrere Stadien dieses Verschwindens. Zuerst erscheinen die Chordazellen in der Längsrichtung ge- zerrt später hat die Chorda ein fadenförmiges Aussehen mit hellem Rand (der helle Rand stellt vielleicht die Scheide dar), dann sieht man an Stelle des Fadens nur noch Kerne und zuletzt verschwinden auch diese. Koelliker nimmt die von Le- boucgq (78) bekämpfte Hypothese Löwes (82) an, wonach ein Teil des vertebralen Chordagewebes infolge des durch die Entwickelung des Knorpels der Vertebralkörper erzeugten Druckes in die Zwischenwirbelscheiben gedrängt wird, und später wurde diese Hypothese auch von Bardeen (6—7) und Williams angenommen, welch letzterer beobachtete, dass das Protoplasma und die Kerne des wenigen in den Vertebral- körpern zurückgebliebenen Chordagewebes sich leichter mit den auswählenden Farbstoffen färben lassen, dann ın Stücke zerfallen und schliesslich verschwinden. Als Tatsachen, die mit der Art des Verschwindens der Chorda dorsalis im Zusammenhang stehen, erwähne ich noch die schon im vorigen Paragraphen angeführten: Substitution der Chorda dorsalis durch Knochenmark bei dem Bussard (Koelliker) und Vermischung von Zellen chordalen Ur- sprungs mit dem Gewebe der Zwischenwirbelscheibe beim Schaf (Carlier). Wenn ich jetzt dazu übergehe, meine Untersuchungen und Betrachtungen darzulegen, so werde ich in folgender Reihen- folge vorgehen. Zuerst werde ich meine Befunde bei den Amphibien berichten, die ich hauptsächlich zu dem Zweck untersucht habe, die Anordnung resp. Einrichtung, die man bei diesen Tieren antrifft, mit derjenigen der Amnioten zu ver- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 345 gleichen, was der Hauptgegenstand meiner Arbeit ist. Danach werde ich meine Befunde mit den von den anderen Autoren bei derselben Tierklasse erhaltenen kurz vergleichen. Danach werde ich die hauptsächlichen Daten berichten, die ich beı meinen Untersuchungen über die drei Amniotenklassen ge- sammelt habe, und sie mit den entsprechenden Befunden der anderen Autoren vergleichen. Schliesslich wird mir ein Ver- gleich der Befunde bei den Amnioten mit denjenigen bei den Anamnien die Gelegenheit bieten, einige Betrachtungen allge- meiner Natur darzulegen. Das Material, welches mir zu diesen Untersuchungen diente, ist zum Teil dasjenige, welches ich bei meinen Untersuchungen über die Entwickelung der Wirbelkörper und ihrer Gelenke (20) benutzt habe. Meinem Lehrer, Herrn Prof. Fusarı und den Herren Prof. A. Bovero und Cognetti Demartiis drücke ich hier meinen verbindlichsten Dank für ihre freundliche ÜUnter- stützung aus. Die von mir angewendeten Fixierungsmethoden werde ich bei der Beschreibung der einzelnen Beobachtungen angeben. Zur Färbung habe ich stets bei jedem Exemplar möglichst ver- schiedene Methoden (Hämatoxylin-Eosin; Heidenhain sches Eisenhämatoxylin und Eosin, oder Orange, oder Vesuvin, oder Hansens Pikrofuchsin;; Safranin und Gemische von Calleja oder von Traina; Färbung nach Mann, modifiziert nach Veratti; panoptische Färbung nach Martinotti; Trichrom- färbung nach Cajal; ferner einige besondere Färbungen, wie die Weigertsche für die elastischen Fasern, die Mayer- sche mit Mucicarmin usw.) angewendet. Ich habe stets jedes Exemplar möglichst in Längs- (Iron- talen) und Querschnitten untersucht. 189) [SU Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. lIeft (45. Bd, H. 2). 346 ANGELO BRUNI, II. Untersuchungen bei den Anamnien. 1. Amphibien — Urodela. Da ich aus dieser Ordnung nur wenige und zwar mehr oder minder zu einem und demselben Entwickelungsstadium gehörende Exemplare zur Verfügung hatte, glaube ich, dass eine summarische Beschreibung genügen wird. Beobachtung 1. Salamandra maculosa: 23 mm (Fixierung nach Gilson). 3eobachtung 2. Salamandra maculosa: 30 mm (Fixierung nach Zenker). Beobachtung 3. Salamandra maculosa: 31 mm (Fixierung nach Maximow [Zenker- Formol-Ösmiumsäure]). Beobachtung 4. Salamandra maculosa: 33 mm (Fixierung nach Zenker). Beobachtung 5. Triton taeniatus unmittelbar nach dem Heraustreten aus dem Oviductus (Fixierung in Alkohol). Bei allen diesen Exemplaren ist die Vacuolisierung. der Chorda beendigt und noch bei keinem eine Spur von der Ent- stehung des Chordaknorpels nachweisbar. Der gelatinöse Körper (Fig. 1) weist die charakteristische alveoläre Struktur auf; jede Alveole besteht aus einer Höhle mit vollständig hyalinem und farblosem Inhalt, umgeben von einer dünnen Wand, welche, im Querschnitt betrachtet, wie eine stark ge- färbte Linie erscheint, während sie von der Seite gesehen homogen erscheint, aber eine charakteristische blasse, ver- schleierte Farbe zeigt, als ob es sich um ein feines und regel- mässiges Geflecht aus Fibrillen oder um nebeneinander ge- drängte und eine feine Membran bildende feinste Körnchen handelte, wobei die Bestandteile, d. h. die Fibrillen oder die Körnchen nicht zu unterscheiden sind. Man beobachtet jedoch Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 347 einige echte Fibrillen dort, wo der Schnitt die Wände an der Stelle trifft, wo sie ihre Richtung ändern, d. h. an der Stelle, wo man sie nicht mehr im Querschnitt, sondern von der Seite sieht. Mehr als um einfache Fibrillen scheint es sich jedoch um Vereinigungen von elementaren Fibrillen zu handeln, welche sich in dem zarten Geflecht der Lamelle verlieren. Nicht selten werden jedoch die Fibrillen durch Falten vorgetäuscht. Die echten Fibrillen sind dort zahlreich vorhanden, wo die Wände der Vacuolen mit der fibrillären Scheide der Chorda oder mit dem Chordaepithel in Berührung stehen. In jeder Vacuole be- obachtet man ganz nahe an ihrer Wand einen abgeplatteten, blattförmigen Kern, mit deutlich sichtbarer Membran und deut- lichem Chromatinnetz, welches meistens mit einem oder zwei Nucleoli versehen ist. Jede Vacuole hat eine eigene Wand, so dass die Scheide- wand zwischen je zwei Alveolen eine doppelte ist; die beiden diese Scheidewand bildenden Blätter sind durch einen Raum getrennt, welcher hie und da in unregelmässiger Weise mit Querbalken aus Protoplasma durchzogen ist (Fig. 1a). Von den peripherischen Vacuolen stehen viele in direkter Berührung mit der fibrillären Scheide; bei diesen die Scheide berührenden Vacuolen liegt der Kern dicht an der Scheide selbst, zuweilen in derselben wie eingenistet. An den Stellen, wo die Wände zweier benachbarter Vacuolen, die mit der Scheide in Berührung stehen, ausein- anderweichen, kann man einen oder mehrere Kerne beobachten, umgeben von einer kleinen Anhäufung gewöhnlichen Proto- plasmas, mit fibrillärer Struktur und ohne cellularen Grenzen (dessleen). Die soeben beschriebenen Erscheinungen beobachtet man sowohl bei dem Salamander wie bei dem Triton. Die Chordascheide ist hingegen bei den beiden Tierarten etwas verschieden. Beim Salamander unterscheidet man recht 23* 348 ANGELO BRUNI, deutlich zwei Schichten, von denen die äussere (Fig. 1cp) sich intensiv färbt und zwar meistens mit den Kernfarben, und die Form einer homogenen ununterbrochenen Abgrenzungs- membran von ungleichmässiger Dicke annimmt. So erreicht dieselbe entsprechend dem mittleren Teil der sogenannten Zwischenwirbelknorpel (Gebilde, die den Raum ausfüllen, der zwischen zwei einander gegenüberliegenden Wirbelkörpern freibleibt) eine Dicke von ungefähr 2,5 u, während sie ent- sprechend den Extremitäten derselben Zwischenwirbelknorpel fast halb so dick ist und entsprechend dem mittleren Teil des Wirbelkörpers, wo sie mit der Knochenplatte in Berührung steht, noch dünner ist. Die innere Schicht der Scheide (Fig. 1 c s) ist bedeutend dicker, aber auch nicht gleichmässig; sie ist jedoch derartig gestaltet, dass sie die grössere Breite, die der Chordakanal an bestimmten Stellen hat, kompensiert. So ist sie am dünnsten (3—5 u) mitten im Wirbelkörper, während sie mitten im Zwischenwirbelknorpel eine mittlere Dicke (12 bis 15 u) hat und am Ende dieses letzteren am dicksten (24 bis 30 u) ist. Diese innere Schicht hat eine deutliche fibrilläre Struktur; die Fibrillen werden durch die für das Collagengewebe elektiven Farbstoffe (Pikrofuchsin, Indigocarmin, Methylwasser- blau) gefärbt. Infolge der Anordnung der Fibrillen kann man bei geeigneten Querschnitten deutlich drei Schichten unter- scheiden: nämlich eine äussere (Fig. 1 cs 1) dichte, oft an die Grenzmembran grenzende, eine innere (Fig. 1 cs 3), eben- falls dichte aber dünnere, an das Chordagewebe angrenzende und schliesslich eine mittlere (Fig. 1 cs 2), ziemlich dicke, aber an Fibrillen arme und infolgedessen heller aussehende. In diesen drei Schichten zeigen die Fibrillen einen kreisförmigen gewellten Verlauf. In den frontalen Längsschnitten sind auch entsprechend den Stellen von mittlerer Dicke die drei Schichten deutlich unterscheidbar. Die äussere Schicht besteht aus parallelen, sehr dicht aneinander gedrängten Fasern, die quer Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 349 von der äusseren Grenzmembran nach der Chorda verlaufen ; nach einem kurzen Verlauf erscheinen sie abgetrennt. Die innere, äusserst dünne Schicht besteht fast ausschliesslich aus Faserschnitten oder aus ebenfalls quer verlaufenden Faser- abschnitten, die nach ganz kurzem Verlauf abgetrennt sind. Die mittlere, sehr breite Schicht besteht aus spärlichen, quer verlaufenden Fibrillen und aus Fibrillenschnitten: infolge des Gewelltseins der Fibrillen nimmt die Fläche ein gitter-, fast netzartiges Aussehen an, obwohl keine echten Knotenpunkte bestehen. An den Stellen, wo die Scheide die grösste oder die geringste Dicke aufweist, sieht man eine einzige Fibrillenschicht, welche ihrem Aussehen nach der mittleren Schicht entspricht. Bei einigen Längsschnitten wurde die fibrilläre Scheide in tangentialer Richtung getroffen. Die dünnen, gewellten Fibrillen verlaufen quer, mit meistens nicht parallelen Wellen; sie stehen in den intervertebralen Gebieten sehr dicht, in den vertebralen (Gebieten weitläufiger. Beim Triton ist die Scheide ziemlich dünn, wie wir es bei den Anura sehen werden, und weist keine strukturellen Besonderheiten auf. 2. Amphibien — Anura. Als Material zu den Untersuchungen über diese Amphibien- ordnung dienten mir: eine Reihe von Kaulquappen von Rana esculenta in verschiedenen Entwickelungsstadien, zwei aus- gewachsene Exemplare von Rana muta und eine von Rana arborea. Ich muss hier bemerken, dass die Kaulquappen von Rana esculenta sich in einem von der Sonne nicht beschienenen Teich während der Monate Juli, August und September sehr langsam entwickelten, ohne bis zur Metamorphose zu gelangen. Beobachtung 6. Kaulquappe von Rana esculenta, Gesamtlänge 3 mm (Fixierung nach Bouin-Brasil). Fron- 350 ANGELO BRUNI, talschnitte. Die Vacuolenbildung hat an der caudalen Extremität der Chorda kaum begonnen und tritt in dem Masse, wie man nach dem eranialen Ende vorschreitet, immer ausgesprochener hervor. Die Beobachtung wird durch die Anwesenheit grosser Eiweisskörnchen und feiner Pigmentkörnchen gestört. Nichts- destoweniger beobachtet man da, wo die Vacuolenbildung kaum begonnen hat, die Anwesenheit sehr hoher und abgeplatteter, zur Länge der Chorda quer angeordneter Zellen. Die eiförmigen, ziemlich länglichen Kerne haben dieselbe Richtung. Mehr cranialwärts sieht man zahlreiche keil’örmige, quer angeordnete Vacuolen, deren Basis der Peripherie der Chorda zugewendet ist. Dieselben nehmen fast immer die Hälfte oder zwei Dritiel der Dicke der Chorda ein. Der grösste Teil des körnigen Proto- plasmas ist zusammen mit dem Pigment und den Eiweisskörn- chen an der Peripherie der Chorda angesammelt: die Kerne nehmen hingegen mit etwas Protoplasma vorwiegend die Achse des Organs ein. Die Vacuolen sind durch ganz dünne proto- plasmatische Trabekeln voneinander getrennt. Noch mehr cranialwärts sind die Vacuolen noch grösser und erstrecken sich fast regelmässig von der Peripherie zur Achse der Chorda; die peripherische Protoplasmaschicht ist dünner und enthält den grössten Teil der Kerne; im Centrum beobachtet man noch zahlreiche grosse Eiweisskörnchen; die Septa zwischen den Vacuolen sind sehr dünn und einfach. Noch weiter cranıalwärts, in der thorakalen Gegend haben die Vacuolen eine weniger regel- mässige Form und Dimension, indem einige sehr grosse mehr als die Hälfte der Dicke der Chorda einnehmen, während andere kleiner sind; ihre Form hat sich ebenfalls geändert, indem man nicht mehr ein so starkes Vorwiegen des Querdurchmessers im Vergleich zum Längsdurchmesser beobachtet; die Scheide- wände erscheinen, im Schnitt gesehen, an einigen Stellen wie eine doppelte Linie, meistens jedoch wie eine einfache intensiv gefärbte Linie; auf der Fläche gesehen, erscheinen sie wie k Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 351 halb durchsichtige äussert feinkörnige Blättchen. An den Stellen, wo die Alveolen die Peripherie berühren, beobachtet man gewöhnlich einen Kern, umgeben von einer Schicht von Protoplasma, welches mit demjenigen benachbarter Alveolen zusammenhängt und eine wechselnde Dicke aufweist, jedoch immer ziemlich dünn erscheint; die wenigen Kerne, welche Alveolen entsprechen, die nicht die Peripherie berühren, sind gegen das Centrum der Chorda hin gelegen. Das Chordagewebe ist überall von einer äusserst dünnen (ungefähr 0,5 u) strukturlosen Membran umgeben, welche durch Eisenhämatoxylin intensiv schwarz gefärbt wird. Beobachtung 7. Kaulquappe von Rana esculenta, Gesamtlänge 8,5 mm, Länge vom Kopfende bis zur Analöffnung 35 mm, maximaler Querduchmesser 2,3 mm (Fixierung nach Mingazzini). Querschnitte. Die Chorda zeigt eine ziemlich dicke (ca. 3-5 u) Scheide mit radialen Streifen, welche offen- bar Kunstprodukte (wahrscheinlich Falten) sind, und ist nach aussen durch eine homogene Membran abgegrenzt. An der Scheide ist keine Struktur nachweisbar; sie wird durch die für die leimbildenden Stoffe elektiven Farbstoffe schwach ge- färbt. Von innen liegt dieser Scheide eine äusserst dünne ununterbrochene Protoplasmamembran ohne Spuren von Zellen- grenzen an, welche abgeplattete, sehr chromatinreiche Kerne enthält. Von dieser Protoplasmamembran gehen einige Septen aus, welche den ganzen inneren Raum der Chorda in fünf bis sechs grosse Höhlen (Vacuolen) teilt. Diese nach aussen zu dünnen Septa werden durch die Protoplasma-Farbstolfe ge- färbt, und erscheinen nur an den Stellen, wo drei oder vier Alveolen aneinander stossen, aus zwei Linien gebildet. Äusserst selten beobachtet man einen der Alveolenwand anliegenden Kern: es sei jedoch bemerkt, dass keine Trennung zwischen der peripheren Protoplasmamembran (Chordaepithel) und den Alveolen, die die Peripherie erreichen, besteht, und dass ferner 352 ANGELO BRUNI, der Chordaepithelabschnitt, der zwischen zwei eine Vacuole von zwei Seiten abgrenzenden Scheidenwänden liegt, einen einzigen Kern enthält. Beobachtung 8. Kaulquappe von Rana esculenta, (resamtlänge 13 mm, Länge von der Kopfextremität bis zur Anal- öffnung 5,5 mm, maximaler Durchmesser 3,4 mm (Fixierung nach Flemming). Frontalschnitte. Dieses Exemplar weist, abgesehen von einer geringen Verdickung der peripheren Proto- plasmaschicht, keine IInterschiede von dem vorigen auf. Die sehr grossen Vacuolen zeigen infolge des welligen Verlaufes der Septa eine unregelmässige Form; der Längsdurchmesser wiegt meistens gegenüber dem (uerdurchmesser vor. Beobachtung 9. Kaulquappe von Rana esculenta, G.L.1) 14 mm; C.A.L. 5,5 mm; M.Q.D. 4 mm. (Fixierung nach Flemming.) Frontalschnitte. Die Vacuolen sind im Vergleich zur Dicke der Chorda kleiner und zahlreicher; während sie sich bei den vorigen Exemplaren meistens vom Centrum bis zur Peripherie der Chorda erstreckten, kann man jetzt centrale und peripherische Vacuolen unterscheiden. Die intervacuolären Septa sind noch sehr wellig; charakteristisch ist dabei, dass sie grösstenteils aus zwei intensiv gefärbten und voneinander durch einen hellen Raum getrennten Linien bestehen. Viele der Vacuolen erreichen direkt die Chordascheide. Der zwischen den divergierenden eigenen Wänden zweier benachbarter Alveolen und der Scheide begriffene, in den Schnitten drei- eckig erscheinende Raum ist von einem granulös-fibrillären Protoplasma mit Kernen erfüllt. In diesem Stadium sind, ent- sprechend der Vermehrung der Vacuolen, auch die abgeplatteten Kerne zahlreicher, die den Wänden der Alveolen anliegen, welche sich im Innern des gelatinösen Körpers befinden. 1) G.L. Gesamte Länge. C.A.L. Cephalo-anale Entfernung, d. h. Länge von der Kopfextremität bis zur Analöffnung. M.Q.D. Grösster (Querdurch- messer. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 353 Beobachtung 10. Kaulquappe von Rana esculenta, G.L..13 mm, C.AL. 6 mm, M.Q.D. 4 mm (Fixierung nach Flemming). Querschnitte. Beobachtung 11. Kaulquappe von Rana esculenta, G.L. 19 mm, C.AL. 9 mm, M.Q.D. 6,7 mm (Fixierung nach Flemming). Frontalschnitt. Man beobachtet eine bedeutende Zunahme der Dicke der peripherischen Protoplasmaschicht (Chordaepithel), welche jetzt keine Unterbrechung mehr auf- weist. In derselben sind keine Spuren von Zellgrenzen nach- weisbar. Die mit einem schönen Chromatinnetz ausgestatteten Kerne sind weniger abgeplattet und zusammengedrückt als im vorigen Stadium. Die nur 2—3 u dicke Scheide färbt sich wie die Farbstoffe für Collagenstoffe, zeigt aber keine Spur von fibrillärer Struktur. Beobachtung 12. Kaulquappe von Rana esculenta, G.L. 28 mm, C.A.L. 12 mm, M.Q.D. 7 mm (Fixierung nach Flemming). Die Zahl der Vacuolen ist, im Vergleich zur Dicke der Chorda, vermehrt, ebenso hat die Dicke des Chorda- epithels zugenommen. Die Vacuolen haben eine polygonale Form angenommen. In der Scheide, welche nicht dicker als bei dem vorigen Exemplar und stets strukturlos ist, unter- scheidet man deutlich die äussere Grenzmembran, welche sich mit Vorliebe durch die Kernfarbstoffe färben lässt und an einigen Stellen sich leicht von der inneren Hauptschicht lostrennt. Beobachtung 13. Kaulquappe von Rana esculenta, G.L. 31 mm, C.A.L. 17,5 mm, M.O.D. 10,7 mm (Fixierung nach Flemming). Die Zahl der Vacuolen ist im Vergleich zum Durchmesser der Chorda und zur Dicke des Chordaepithels noch weiter vermehrt; in letzterem beobachtet man caryokine- tische Figuren. Die innere Hauptschicht der bedeutend ver- diekten Chordascheide (ca. 6 u) zeigt eine fibrilläre Struktur. Da es sich um Frontalschnitte handelt, erscheinen die Fibrillen parallel zueinander und verlaufen quer von der äusseren Grenz 354 ANGELO BRUNI, membran nach dem Chordaepithel, wo sie alle ın derselben Höhe durchschnitten sind. Sie sind sehr dicht aneinander ge- drängt und verleihen in ihrer Gesamtheit der Scheide ein samt- artiges Aussehen. Die Art und Weise, wie sie durchschnitten erscheinen, deutet auf ihre transversale, zur Chorda konzen- trische Anordnung hin. Beobachtung 14. Kaulquappe von Rana esculenta (G.L. 33,3 mm, C.A.L. 18 mm, M.Q.D. 9,8 mm), bei der die Verkalkung der Wirbelkörper begonnen hat (Fixierung nach Flemming). Frontalschnitte. Die relative Zahl der Vacuo!en hat weiter zugenommen; die peripherischen Vacuolen sind kleiner. Es ist zu bemerken, dass im Centrum der Chorda die Entstehung des Chordalstranges begonnen hat. Dieser erscheint vollkommen unabhängig von den noch sehr kleinen, durch die umgebende Wirbelsäule erzeugten Einschnürungen der Wirbel- saite, da man ihn ununterbrochen längs mehreren Wirbel- körpern und Zwischenwirbelknorpeln verfolgen kann. Der Chordastrang erscheint aus zahlreichen Wänden (Fig. 2 f} von dicht nebeneinander in der Längsrichtung an- geordneten Alveolen gebildet und zeigt zahlreiche Kerne, von denen einige von deutlicher Entartung (Piknose, Chromatolyse usw.) befallen sind. Am bemerkenswertesten ist aber die Tat- sache, dass sich an einigen Stellen ringsum eine Art centralen Kanals, der sehr unregelmässig erscheint (Fig. 2 c), eine proto- plasmatische Masse (Fig. 2 p) ohne Zellengrenzen bildet, welche mit Kernen durchsetzt ist, von denen einige frei von Entartungs- zeichen sind, und ferner Tröpfchen einer Substanz enthält, die zu gleicher Zeit die protoplasmatischen und die nucleären Farbstoffe annimmt (Fig. 2 m). Auch das Chordaepithel weist interessante Erscheinungen auf. In den Schnitten, die dieses Epithel in der Seitenansicht zeigen (Frontalschnitte, die die Chorda tangential interessieren), Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 355 beobachtet man neben Strecken, auf welchen das Protoplasma ohne Spur von Zellengrenzen mehreren Kernen gemeinsam angehört, solche, auf welchen bald eine Verdichtung, bald eine Lockerung oder eine wahre und echte Unterbrechung des Ge. webes Zellengrenzen sichtbar macht; die auf diese Weise ab- gegrenzten Zellen haben das Aussehen von Pflasterepithel- zellen (Fig. 3). Beobachtung 15. Kaulquappe von Rana esculenta ın vorgeschrittenerem Entwickelungsstadium als die vorige (Fixie- rung nach Flemming). Frontalschnitte. Man beobachtet e.ne Zunahme der Dicke der Chordascheide, welche eine deutlichere fibrilläre Struktur aufweist als bei der vorigen Beobachtung. Die Scheide ist hier dünner als bei den Urodela, ihre Dicke ist aber gleichmässiger; sie ist nur entsprechend dem Centrum des Wirbelkörpers etwas dicker (8-10 u) als an den übrigen Stellen (7-8 u). Von den die Wirbelsäule bildenden Geweben ist die fibrilläre Scheide durch eine ganz dünne (Bruchteile von u), aber recht deutliche Grenzmembran getrennt, die sich durch die Kemfarbstoffe intensiv färben lässt. Die Dicke des Chordaepithels ist sehr vermindert und mehrere Vacuolen gelangen in unmittelbare Berührung mit der Scheide. Dieses Exemplar ist besonders interessant, weil an einigen Stellen der Präparate, vielleicht infolge der Fixierung, nicht nur die die Alveolen des gelatinösen Körpers abgrenzenden Wände aus zwei Linien gebildet erscheinen, sondern diese Linien derartig voneinander entfernt sind, dass man mit S.cher- heit sehen kann, dass das, was an anderen Stellen desselben Präparates und in den Präparaten aus anderen Exemplaren als eine zwischen den benachbarten Wänden zweier Alveolen liegende (und als eine intercellulare oder Kitt- oder ectoplas- matische Substanz zu deutende) Substanz erscheint, oft nichts anderes als ein Abschnitt der Wand anderer Alveolen ist, welcher in Form einer langen und dünnen Kante, zuweilen 356 ANGELO BRUNI, sogar einzelne Kerne enthaltend, wie ein Keil zwischen die beiden benachbarten Wände eindringt. Der Chordastrang gleicht demjenigen des vorigen Exemplars. Beobachtung 16 und 17. Kaulquappe einer Rana muta, bei welcher die Metamorphose unmittelbar bevorsteht und Kaul- quappe einer Rana muta unmittelbar nach erfolgter Meta- morphose (Fixierung in Alkohol). Man beobachtet keine Ver- änderung im Vergleich zu dem vorigen Exemplar. Beobachtung 18. Junge Rana arborea (Fixierung nach Mingazzini). Das Chordagewebe füllt eine grosse Höhle der eranialen Wand des Wirbelkörpers aus, und dringt dann in einen äusserst engen Kanal, welcher durch das nach Art einer Gelenkschale ausgebildete eraniale Ende des Wirbel- körpers, durch das interarticuläre Gewebe und durch den Ge- lenkkopf des caudalen Endes des vorigen Wirbels verläuft und sich in der cranialen Höhle des vorigen Wirbelkörpers wieder erweitert. In dieser Höhle zeigt das Chordagewebe noch die Charaktere, die es bei den vorher untersuchten Exemplaren aufwies. In dem Kanal, der quer abgeplattet ist und kein in seiner ganzen Länge gleichmässiges Kaliber hat, erscheint das Chordagewebe bedeutend modifiziert, und zwar gleichmässig an allen Stellen des Kanals. Man unterscheidet hier, ebenso wie über manche Strecken des Chordastranges, nicht mehr die Vacuolen und ihre Wände; in den Längsschnitten erscheint das Gewebe in eine fast homogene Masse umgewandelt, die zahl- reiche stäbchenförmige Kerne enthält, welche sich sehr intensiv und homogen färben. In den Querschnitten beobachtet man ebenfalls eine veränderte Protoplasmamasse mit käsigem Aus- sehen, welche unregelmässige Risse aufweist und mit grossen Körnchen durchsetzt ist, die sich durch die Kernfarbstoffe inten- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 357 siv färben lassen und nichts anderes als die Schnittflächen der piknotischen stäbchenförmigen Kerne darstellen. III. Zusammenfassender Überblick und Betrach- tungen über die Chorda der Amphibien. Ich werde in diesem Kapitel in derselben Reihenfolge wie bei der Darstellung der Literatur vorgehen. Das Chordagewebe vor der Vacuolenbildung und die Vacuolisierung der Chorda. Unter den Amphibien konnte ich nur bei den Anura die Chordazellen vor der Vacuolenbildung und den Beginn der Vacuolenbildung beobachten. In bezug auf den ersten Punkt kann ich nur die Behauptungen von Goette, Klaatsch, Schauinsland bestätigen, nämlich dass ebenso wie bei den übrigen Anamnien auch bei den Amphibien, die nicht vacuoli- sierten Chordazellen geldrollenartig angeordnet sind. Was den zweiten Punkt anbelangt, so wurde ich durch die Anwesen- heit grosser Eiweiss- und Pigmentkörnchen daran gehindert, festzustellen, ob die Entstehung der Vacuolen ausschliesslich intracellular, oder, wie Field behauptet, auch intercellular erfolgt. Es ist jedenfalls sicher, dass man, sobald die Vacuolen- bildung begonnen hat, schwerlich Zellengrenzen unterscheiden kann. An der Peripherie der Chorda beobachtet man eine ziemlich dicke protoplasmatische Schicht; im Centrum findet man hingegen den grössten Teil der Kerne mit wenig Proto- plasma. Zwischen dem centralen Teil und der Peripherie be- steht eine Zone, in welcher man eiförmige, centralwärts schmale und peripheriewärts breite Vacuolen mit bedeutendem uer- 353 ANGELO BRUNI, durchmesser und sehr geringem Längsdurchmesser beobachtet. Die Vacuolen sind voneinander durch Äussert dünne Massen aus körnigem Protoplasma getrennt, in welchen man den direkt die Vacuolen berührenden Teil nicht von dem Zwischenteil unterscheiden kann. Kurz, man kann in diesem Stadium keine Zellen unterscheiden. Diese centrale, mit Kernen versehene Protoplasmamasse nimmt sehr bald ab und verschwindet, während die Vacuolen ihre Form ändern und zwar hauptsächlich infolge der Ab- nahme des Unterschiedes zwischen dem Quer- und dem Längs- durchmesser. Die Vacuolen bleiben jedoch noch voneinander getrennt. Die Kerne wandern grösstenteils nach der Peripherie hin, wo das wenige Protoplasma, welches sie begleitet, mit der bereits präexistierenden peripheren Protoplasmaschicht zu- sammenfliesst. Diese Schicht wird jedoch infolge des Sich- ausdehnens der Vacuolen dünner. Zu dieser Zeit hat die Wirbelsaite bereits das charak- teristische alveoläre Aussehen. Jede Vacuole nimmt in der Regel die Hälfte des Durchmessers der Chorda ein. Jeder Vacuole entspricht ein in der peripheren Protoplasmaschicht, welche die Vacuole peripherwärts abgrenzt, gelegener Kern. Man kann somit in jeder Alveole der Chorda dorsalis eine farb- lose und unfärbbare ringsum von einer den benachbarten Alveolen gemeinsamen dünnen Protoplasmaschicht umgebene Hauptmasse unterscheiden. Diese Protoplasmaschicht ist an der Peripherie des Organs dicker und enthält hier einen Kern. Infolgedessen könnte man jede Alveole, für sich betrachtet, als eine aus Protoplasma und einem Kern zusammengeseizte Zelle betrachten, welche eine grosse, mit einer besonderen Substanz ausgefüllte Alveole enthält. Da aber das Protoplasma einer solchen Zelle in unmittelbarem Zusammenhang mit dem- jenigen der benachbarten Zellen steht, so muss man von einem Syncytium im wahren Sinne des Wortes reden. In dem Masse, wie die Entwickelung fortschreitet, nimmt die Zahl der Alveolen zu, während ihre frühere Anordnung, der zufolge sie sich alle von der Peripherie zum Centrum er- streckten, verschwindet. Zu einer gewissen Zeit beginnt das Auftreten von Alveolen, die die Peripherie nicht erreichen; ihr entsprechender Kern ist dann dicht an der überall dünnen Protoplasmawand gelegen. Vermutlich bilden sich die neuen Alveolen infolge der Entstehung einer Vacuole in der proto- plasmatischen Randzone, wo durch Caryokinese — die caryo- kinetischen Figuren kommen hier häufig vor — ein neuer Kern entstanden ist. Inzwischen tritt aber eine weitere wichtige Veränderung ein: die zwei Alveolen gemeine Wand ändert sich, wie dünn sie auch ist, durch Schwund seines mittleren Teiles, so dass jedes Septum zwischen zwei Vacuolen aus zwei intensiv gefärbten Linien gebildet erscheint, die durch einen helleren Streifen voneinander getrennt sind. Somit ist die definitive Struktur der vacuolisierten Chorda hergestel:t; die einzelnen Vacuolen stellen zusammen mit dem entsprechenden Wand- teil und dem Kern eine echte cellulare Unität dar. Wir können also sagen, dass man von der cellularen Struktur der nicht vacuolisierten Chorda durch die Übergangsform einer echten syncytialen Struktur zur cellularen Struktur der vacuolisierten Chorda übergeht. Unter den von mir bei den Amphibien beobachteten Tat- sachen entspricht das Ansammeln der Kerne zuerst im centralen Teil der Chorda und dann an der Peripherie einer ähnlichen von Balfour bei verschiedenen Elasmobranchien beschrie- benen Erscheinung. Die Trennung der einzelnen Alveolen voneinander wurde besonders von Studnicka bei den Fischen und den Am- phibien untersucht. Dieser Autor ist jedoch der Ansicht, dass die peripherischen Teile der Wände einer jeden Alveole zu- sammenschmelzen (Ectoplasmen) und dass dann im Innern 360 ANGELO BRUNI, dieser verschmolzenen Ectoplasmen durch eine besondere Vacuolisierung Zellengrenzen auftreten. Der Unterschied zwischen dem, was ich beobachtet habe, und dem, was Stud- nicka behauptet, besteht im wesentlichen darin, dass es nach meiner Meinung ein Stadium gibt, in welchem die Wände mehreren benachbarten Alveolen durchaus gemeinsam sind, ohne dass man bei diesen ein Endoplasma und ein Ectoplasma unterscheiden kann; es besteht nur ein vacuolisiertes Sym- plasma; Ectoplasmen und Endoplasmen differenzieren sich im Symplasma in einem späteren Stadium. Über den gelatinösen Körper der Chorda. Sowohl bei den Urodela wie bei den Anura, die ich unter- suchte, findet man nach Vollendung des Vacuolisierungs- prozesses im gelatinösen Körper der Chorda dorsalis so viele cellulare Einheiten, als Alveolen vorhanden sind. Die Wand jeder Alveole besteht aus einem dünnen Blatt von dichtem Protoplasma, welches, im Querschnitt beobachtet, wie eine intensiv gefärbte Linie erscheint, während es, von der Seite gesehen, ein charakteristisches Aussehen aufweist und eine etwas blasse Farbe zeigt, als ob es sich um eine aus ganz [einen Fibrillen oder aus ganz feinen, regelmässig angeordneten Körn- chen bestehende Substanz handelte, die infolge ihrer grossen Feinheit der Beobachtung entgehen. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass hie und da echte Fibrillen vorkommen, obwohl an einzelnen Stellen das fibrillenarige Aussehen ohne Zweifel auf den optischen Effekt von Falten der dünnen Mem- bran zurückzuführen ist. An der inneren Fläche dieser Mem- branen liegt in jeder Alveole ein Kern, welcher infolge von Kompression sehr breit und äusserst platt gestaltet ist. Das Chromatin ist dabei meistens gut erhalten und erscheint in Netz- form; hie und da beobachtet man auch Chromatinhäufchen ; es sind fast immer Nucleoli nachweisbar. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 361 Besonders interessant ist die Untersuchung des Inhaltes des zwischen den benachbarten Wänden zweier Alveolen ge- legenen Raumes. An einigen Stellen sieht man eine färbbare Substanz, die heller erscheint als diejenige, aus welcher die Wände bestehen; an anderen Stellen sieht man einen wirk- lichen Raum, in welchem wahrscheinlich nur Lymphe enthalten ist; an noch anderen Stellen ist der Raum von Linien durch- zogen, die ganz genau wie die Wände der Alveolen aussehen, wenn man sie im Schnitt beobachtet. Dort wo man eine färbbare Substanz antrifft, hat man es ohne Zweifel mit einer ecto- plasmatischen Umwandlung zu tun. Ob man diese Substanz nun als eine Grund- oder als eine Kittsubstanz betrachten will, doch handelt es sich immer um ein Metaplasma, um einen differenzierten Teil des ursprünglichen syncytiellen Proto- plasmas, welches zwischen den Vacuolen lag. Ich habe in diesem Ectoplasma keine so regelmässige Vacuolenbildung be- obachten können, wie sie Studniäka beschrieben hat, ebenso wie ich in den Bälkchen, die brückenartig durch die intercellularen Räume ziehen, nicht alle die Details beobachten konnte (sphärische oder scheibenartige Körperchen, ähnlich den- jenigen, die man in der Mitte des Verlaufes der intercellularen Brücken des Epithels findet), die der genannte Autor beschrieben hat. Die unzweifelhafte Anwesenheit der intercellularen Brücken selbst und die Entstehung wirklicher intercellularer Räume scheinen mir jedoch zu genügen, um im wesentlichen die Er- scheinungen Studnitkas zu bestätigen, die dieser Autor wahrscheinlich an einem geeigneteren Material sorgfältig und detailliert verfolgen konnte. Nicht selten keilen sich in die intercellularen Räume zwischen zwei Alveolen Ausläufer der Wand einer anderen Alveole ein (Beobachtung 15). In diesem Falle sieht man, dass das Septum zwischen zwei benachbarten Vacuolen anstatt aus zwei aus drei Linien gebildet ist. Ich erwähne diese Erschei- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2). 24 362 ANGELO BRUNI, nung, weil sie auch Studnicka beschrieben (137, Fig. 1 u. 2) hat, ohne darauf besonders einzugehen. Über das Chordaepithel. Unmittelbar nach dem Beginn der Vacuolisierung ist das Chordaepithel einfach durch eine Schicht von fast kernlosem Protoplasma vertreten, welche die Vacuolen peripherwärts ab- erenzi und, wie der übrige Teil des zwischen den Vacuolen gelegenen Protoplasmas, keine Spur von Zellengrenzen zeigt. Diese Schicht wird jedoch recht bald von den Kernen erreicht, die erst im Centrum der Chorda lagen; dieselben ordnen sich nun derartig an, dass jeder von ihnen in je eine der Portionen. des Chordaepithels zu liegen kommt, die einer Vacuole als peripherische Grenze dient. Obwohl durch diesen Kernwande- rungsprozess der peripherischen Protoplasmaschicht neue Sub- stanz zugebracht wird, so wird diese Schicht, im Vergleich zum Volumen der Chorda, welches zunimmt, immer dünner, und zwar einerseits infolge der Vergrösserung der Vacuolen, und andererseits infolge der Bildung der Chordascheide. Vorwiegend oder vielleicht sogar ausschliesslich in dieser Schicht (Berg- feldt) beobachtet man die caryokinetischen Figuren, wahr- scheinlich weil hier die Kerne nicht komprimiert sind. Die neuen Kerne mit den neuen Vacuolen, die sich ebenfalls ın dem Protoplasma bilden, welches die Kerne umgibt, bewirken die zahlenmässige Zunahme der Alveolen des gelatinösen Körpers der Chorda. Wenn die intercellularen Räume zwischen den einzelnen Alveolen des gelatinösen Körpers der Chorda entstehen, grenzen sich die Alveolen auch gegen das Protoplasma des Chorda- epithels durch eine laminäre Verdickung des Protoplasmas selbst ab. Zu gleicher Zeit nimmt das Protoplasma des Chorda- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 363 epithels, wenigstens bei den Anura, wieder zu. Es behält stets eine faserig-körnige Struktur bei, welche für das nicht kom- primierte Protoplasma der Chordaelemente bei der ganzen Reihe der Wirbeltiere charakteristisch ıst. Als wichtige Veränderung findet man, dass in der kontinuierlichen protoplasmatischen Randmasse deutliche Spuren von Zellengrenzen, in Form von Verdichtungen oder von Rarefaktionen oder wirklichen Unter- brechungen des Protoplasmas (Fig. 3) auftreten. Wenn man einen tangentialen Schnitt der Chorda dorsalis, nachdem diese Veränderung stattgefunden hat, betrachtet, so sieht man, dass das Chordaepithel das Aussehen eines Pflasterepithels hat. Nach erfolgter Teilung des chordalen syneytiellen Epithels in getrennte Zellen hört die Erzeugung neuer Vacuolen und neuer Alveolen des gelatinösen Körpers seitens desselben nicht auf; ja es erfolgt sogar ein aktiveres Wachstum des gelatinösen Körpers und der Chordascheide, so dass das Epithel wieder dünner wird. Es ist übrigens wahrscheinlich, dass in bezug aul die Dicke des Epithels Unterschiede zwischen einer Tierat und der anderen bestehen ; die Fig. 1 bezieht sich auf eine Larve von Salamander, bei welcher die Individualisierung von Zellen im gelatinösen Körper bereits eine vollständige ist; das Epithel (ep) beschränkt sich darauf, wenige Räume zwischen den periphersten Alveolen auszufüllen, welche fast alle die Scheide erreichen und mit der- selben in Berührung kommen. Diese Beschränkung hängt viel- leicht mit der starken Entwickelung der Scheide zusammen. Die von mir hinsichtlich des Chordaepithels angeführten Tatsachen wurden bereits von anderen Autoren hervorgehoben. Ich verweise diesbezüglich auf das erste Kapitel gegenwärtiger Arbeit. Diese Beobachtungen kann man folgendermassen zu- sammenfassen: Das Chor.d&eprtherr entsteht zur Zeite diem Naicwolistrerung, und zwar 7 wenstnme Kommmeiiner 24° 364 ANGELO BRUNI, kontinuierlichen protoplasmatischen Schicht, nach welcher später Kerne einwandern Es nimmt dann das Aussehen einer syncytiellen Masse an, ebenso wie das übrige Chordagewebe, von welchem es sich nur dadurch unterscheidet, dass es nicht vacuolisiert ist. In diesem Epithel erfolgt eine Zunahme des Protoplasmas, eine Vermehrung der Kerne und eine Bildung neuer Vacuolen. Durch diese Vorgänge erfolgt somit ein Wachstum des gelatinösen Körpers, und zu gleicher Zeit auch ein Wachstum der Chorda- scheide. In einer gewissen Periode der Entwickelung tritt auch im Chordaepithel, ebenso wie im gelatinösen Körper, eine Deilung. des Syneytiums in individualisierte Zellen ein. Über die Scheide der Chorda dorsalis. Die Chorda ist, bereits bevor sie sich vacuolisiert, von einer dünnen Scheide umgeben, die durch die Kernfarbstoffe intensiv gefärbt wird, und die nach der Nomenclatur Berg- feldts die Cuticula primitiva darstellt. Dieselbe ist ein direktes Erzeugnis des peripherischen Teiles der nicht vacuoh- sierten Chordazellen. Innerhalb dieser Cuticula entsteht auf Kosten des Chordaepithels eine zweite Scheide (Bergfeldis Cuticula secundaria), welche in kurzer Zeit eine viel grössere Dicke erreicht, so dass die Cuticula primitiva, welche aussen bleibt und dabei ihre ursprünglichen Charaktere bei- behält und sich wenig verdickt, nur wie eine äussere Grenz- membran erscheint. Die zweite Cuticula ist zuerst homogen, färbt sich wie die kollagenen Stoffe in der ersten Zeit ihrer Entwickelung schwach und dann intensiv; später nimmt sie eine fibrilläre Struktur an, wobei die Fibrillen aus der homo- genen Substanz entstehen. Sie erreicht eine bedeutende Ent- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 365 wickelung bei dem Salamander, wo sie an einzelnen Stellen eine Schichtung der Fasern (Fig. 1, csl, cs2, cs3, vgl. Be obachtung 1-4) zeigt. Diese Fibrillen sind stets dünn, mil gewelltem querem Verlauf, und zeigen alle histologischen Charaktere der gewöhnlichen kollagenen Fasern. Über den Chordastrang. Bei der Beschreibung der Beobachtung 14 (Kaulquappe von Rana esculenta), auf welche sich Figur 2 bezieht, habe ich angegeben, wie sich der Chordastrang verhält. Die hauptsächlichste, meines Wissens noch unbekannte Tatsache, die ich nachweisen konnte, besteht darin, dass man neben Strecken, auf welchen der gewöhnlich beschriebene Befund, d. h. ein dichtes Bündel von fibrillärem Aussehen (f) be- obachtet wird, welches durch das sich Aneinanderdrängen der Wände stark komprimierter Alveolen mit ebenfalls kompri- mierten und zum Teil entarteten Kernen entsteht, andere Strecken vorkommen, auf welchen man die Bildung oder, besser, die Wiederherstellung einer homogenen protoplasmatischen Masse (p), durchsetzt mit bald gut erhaltenen, bald entarteten Kernen, beobachtet. Ich werde weiter unten Gelegenheit haben, die Bedeutung dieser Erscheinung hervorzuheben, welche mit folgender, bei der Reihe der Wirbeltiere ziemlich allgemeinen Regel zu- sammenhängt: da wo im Chordagewebe die Notwendigkeit der Vacuolisierung aufhört, tritt wieder das gewöhnliche Proto- plasma auf. Diese Wahrnehmung hat einen grossen Wert, da die grosse Mehrzahl der Autoren der Meinung ist, dass das Protoplasma der vacuolisierten Zellen nach erfolgter Vacuolen- bildung nicht mehr imstande ist weiter zu wachsen und sich zu modifizieren. Nur Krauss hat bis jetzt, und zwar durch die experimentelle Verpflanzung der Wirbelsaite, die Mög- 366 ANGELO BRUNI, lichkeit einer Wiederherstellung eines Protoplasmanetzwerkes mit dieken Trabekeln nachgewiesen. Der Chordastrang des Frosches würde uns somit schon einen direkten Beweis dalür liefern, da man die Entstehung einer bedeutenden homogenen Protoplasmamasse im Centrum der Chorda durchaus nicht anders als aus den aneinander gedrängten Wänden der Vacuolen (von welchen man im Protoplasma selbst.noch einzelne Spuren sieht) nachweisen und fast ebensowenig begreifen könnte. Erwähnenswert ist ferner die Anwesenheit (in den proto- plasmatischen Massen des Chordastranges) von Tröpfchen einer besonderen Substanz, welche zu gleicher Zeit durch die Protoplasma- und durch die Kern-Farbstoffe färbbar ist (Fig. 2 m). Diese Tröpfchen sind nicht verschieden von den- jenigen, welche wir in der Chorda der Reptilien und der Vögel besonders entwickelt finden werden. In Fig. 2 ist auch ein Beginn von Kanalisierung des Chorda- stranges (c) sichtbar, welche an die von J. Müller bei einigen ausgewachsenen Knochenfischen beobachtete Disposition er- inneıt und beweist, dass dieselbe bei den Anura in einem ziem- lich frühen Entwickeulngsstadium auftreten kann. Über den Knorpel der Chorda und über andere Ver- änderungen der Elemente der Chorda. Leider fehlte mir ein geeignetes Material, um bei dem Salamander und dem Trito die besonderen Veränderungen zu untersuchen, welche zur Bildung des sogenannten Knorpels der Chorda führen. Bei den Fröschen beobachtet man diese Modifizierung bekanntlich nicht. Über die Art und Weise in der die Chorda dorsalis verschwindet. Hier verdient das besondere Aussehen erwähnt zu werden. welches das Chordagewebe an den Stellen annımmt, wo es komprimiert ist, also entsprechend den Gelenkenden und dem caudalen Teil des endgültig entwickelten Wirbelkörpers. Auch hier, wo das Gewebe, ebenso wie im Chordastrang, sehr kom- primierl ist, finden wir eine homogene Protoplasmamasse, welche längliche und entartete (meistens piknotische) Kerne enthält. Auch die protoplasmatische Masse weist Eintartungs- zeichen auf: man sieht in derselben Risse. Dagegen sieht man keine Zellengrenzen. Wenn man von der Entartung absieht, so kann man diese protoplasmatische Masse mit derjenigen des Chordastranges vergleichen. Ich habe in der schematischen Figur A die hauptsächlichen succesiven Stadien der Entwickelung der Chorda der Amphibien dargestellt. m—111777 TTLIIBETEN RES 5 IE u BEL ; ; Z- } Es > RD x II YÄ mn nn nn vi ww ö) ji nd s } 3 / 2 iin. a man isn ann nn / ei i} m. Textfigur A. In 1. ist das Stadium der geldrollenartigen Gestaltung dar- gestellt: die Kerne befinden sich an der Peripherie des Organs. In 2. sehen wir das Stadium der Vakuolenbildung: die Kerne befinden sich im Centrum des Organs. In 3. ist das Stadium des Syneytiums und der Entstehung des Chordaepithels dargestellt: die Kerne sind wieder an der Peripherie gelegen, die Vacuolen erstrecken sich über die Hälfte des Durchmessers der Chorda. 368 ANGELO BRUNI, In 4. haben wir das Stadium der Individualisierung von Zellen aus dem Syncytium ım gelatinösen Körper. Man sieht die Entstehung der sekundären Cuticula. In 5. beobachten wir die Individualisierung von Zellen auch im Chordaepithel. Man sieht ferner die Entstehung des Stranges (a) und die Veränderungen, die derselbe erfährt (ß). Untersuchungen bei den Amnioten. Zu diesen Untersuchungen benutzte ich folgendes Material: unter den Reptilien eine Reihe von Embryonen von Gongylus ocellatus, die ich ın gesättigter Sublimatlösung oder in der Zenkerschen Flüssigkeit fixierte, und einige Exemplare in verschiedenen Entwickelungsstadien von Laceria muralis und Lacerta viridis; unter den Vögeln eine Reihe von Embryonen von Gallus domesticus; unter den Säuge- tieren eine Reihe von Embryonen und Föten vonBos taurus, Exemplare in verschiedenen Entwickelungsstadien von Ovis aries, Lepus cuniculus, Cawiacobaya, Mus mus- Gularsı, Mus deeumannsz Mioxuselis, Belis catus, Erinaceus europaeus, und eine Reihe von menschlichen Embryonen und Föten. Reptilien. Gongylus ocellatus. Beobachtung 19. Dimensionen!) der Scheibe, welche das spiralartig zusammengerollte Tier bildet: 3,8.2,5 mm. — So- 1) Diese Masse beziehen sich auf die bereits fixierten Embryonen. Das gilt auch für die übrigen Embryonen von Gongylus, nicht aber für die Exemplare von Lacerta. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 369 wohl in den Längsschnitten wie in den Querschnitten erscheint das Chordagewebe wie eine körnige, protoplasmatische Masse, durchsetzt mit rundlichen oder ovalen Kernen, von denen letztere so angeordnet sind, dass ihre Längsachse senkrecht zur Längsachse der Chorda liegt. An mehreren Stellen sind die protoplasmatischen Granulationen reihenweise angeordnet und zuweilen zu echten Fibrillen vereinigt und verschmolzen, welche ebenfalls senkrecht zur Längsachse der Chorda ver- laufen. Man sieht keine Spur von Zellengrenzen. Die proto- plasmatische Masse ist mit zuweilen rundlichen, meistens aber ovalen, und in diesem Fall auch senkrecht zur Längsachse des Organs angeordneten Vacuolen durchsetzt. Diese haben sehr verschiedene Grösse: einige sind äusserst klein, andere so gross, dass sie die Hälfte des Durchimessers der Chorda einnehmen. Zwischen einer Vacuole und der benachbarten findet man bald breite Trabekeln aus Protoplasma, mit Kernen, bald nur dünne Septa, welche im Schnitt wie ein homoögener Faden aussehen, und nur an den Stellen granulös werden, wo sie bei ihrer An- heftung an grössere protoplasmatische Trabekeln breiter werden. Man beobachtet ferner alle Übergangsstufen von den homogenen Septa bis zu den breiten Trabekeln. Die Vacuolen zeigen in bezug auf ihre Grösse keine regelmässige Anordnung; besonders kann man nicht behaupten, dass die grösseren im Centrum und die kleineren an der Peripherie gelegen sind. Viele der grösseren gelangen in direkte Berührung mit der Scheide. Die Kerne haben eine sehr deutlich sichtbare Kernmembran, ein Chromatinnetz und einen, zwei, selten mehrere Nucleoh. Die caryokinetischen Figuren sind nicht seltene. An einigen Stellen gegen das Centrum der Chorda hin beobachtet man im Innern des Protoplasmas kleine unregel- mässig gestaltete Massen von 6-10 u Durchmesser, welche sich stets wie die Chordascheide färben (intensiv rot mit Eosin, blau mit Methylenwasserblau, rot mit saurem Fuchsin usw.). 310 ANGELO BRUNI, Bei der Färbung mit Eisenhämatoxylin (Heidenhain) nimmt der centrale Teil dieser Massen zuweilen eine gleichmässig schwarze Farbe an. Die Scheide der Chorda ist weniger als 1 u dick; doch kannı man in den geeigneteren Schnitten erkennen, dass sie aus zwei Blättern zusammengesetzt ist, die beide sehr dünn und durch eine äusserst dünne hellere Schicht voneinander getrenn! sind. Das innere Blatt, welches durch Eisenhämatoxylin schwarz gefärbt wird, steht in engem Zusammenhang mit der proto- plasmatischen Masse, welche das eigentliche Chordagewebe bildet; an dieses Blatt heften sich die protoplasmatischen Fibrillen an, welche sich dabei im Winkel umbiegen oder eine Art Fuss bilden. Beobachtung 20. Dimensionen: 3,8.3,8 mm. Dieses Exemplar zeigt ein etwas weniger vorgeschrittenes Entwicke- lungsstadium als das soeben beschriebene. Die allgemeinen Charaktere sind dieselben; man beobachtet jedoch noch einige Spuren von Zellengrenzen; die Zellenleiber zeigen in den Längsschnitten die Form eines sehr langen Keils und sind senkrechi zur Längsachse des Organs angeordnet. Man be- obachtet hie und da von den übrigen verschiedene, sehr lange und schmale Elemente mit dichterem Protoplasma und stäb- chenförmigem Kern. Die Massen im Protoplasma des Centrums der Chorda, die sich wie die Scheide färben, sind bei diesem Exemplar zahlreicher als bei dem vorigen. Beobachtung 21. Dimensionen: 6,2.4,3 mm. Die Vacuol- sierung ist sehr vorgeschritten. Zwischen einer Vacuole und der anderen beobachtet man — mit Ausnahme einiger Stellen an der Peripherie der Chorda — keine breiten protoplasmatı- schen Trabekeln mehr, sondern nur noch Membranen, welche, im Schnitt gesehen, wie Fäden aussehen, von der Seite be- obachtet wie dünne Blättchen mit granulös-fibrillärer Struktur erscheinen. Zwischen den grossen Vacuolen beobachtet man Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 37] hie und da Gewebsportionen mit sehr kleinen Vacuolen, die ebenfalls durch dünne Häufchen voneinander getrennt sind; letztere sind jedoch öfters unterbrochen, so dass die kleinen Vacuolen miteinander zusammenfliessen. Das ist der Ausdruck des Beginns der Vacuolenbildung in den Protoplasmateilen, die sich zwischen den früher entstandenen Vacuolen befinden. An den Stellen, wo die Wände zwischen den Vacuolen auf Häut- chen beschränkt sind, zeigen diese nie eine Zweiteilung. Die runden, ovalen, sternförmigen, durch die Kompression von seiten der Vacuolen in verschiedener Weise deformierten, stels mit Kernmembran, Chromatinnetz und Nucleoli versehenen Kerne sind durch das ganze Chordagewebe, zwischen und in den Alveolen verbreitet, und im letzteren Falle wandständig. An der Peripherie beobachtet man keine kontinuierliche proto- plasmatische Schicht; zahlreiche Vacuolen erreichen direkt das innere Blatt der Chordascheide, welches dünner als das äussere und auch durch die Kernfarbstoffe färbbar ist. Im centralen Abschnitt sind auch hier die Substanzanhäufungen vorhanden, die sich wie die Scheide färben lassen. Beobachtung 22. Dimensionen 6,1.5,7 mm. Die Vacuoh- sierung der Chorda ist hier vollendet. Man findet nur noch ein Balkenwerk aus homogenen Septis, welche die Vacuolen voneinander trennen. Man beobachtet nur hie und da an der Peripherie einige Anhäufungen von Protoplasma. Die Kerne sind noch äusserst zahlreich und haben wechselndere Formen als bei den bisher untersuchten Exemplaren; sie liegen an den Vereinigungspunkten der Trabekeln oder an diesen letzteren. Sie sind nicht mehr gleichmässig über das ganze Chordagewebe verteilt, sondern sind im Achsenteil und an der Peripherie zahlreicher. Im centralen Teil findet man auch noch in grosser Zahl die Massen, die sich wie die Scheide färben (Fig. 4 m). Beobachtung 23. Dimensionen: 6,7.5,0 mm. Beobachtung 24. Dimensionen: 7,0.5,5 mm. Die Unter- 372 ANGELO BRUNI, schiede zwischen diesen und dem soeben beschriebenen Exemplar beziehen sich nur auf die Scheide der Chorda. Da die Verknorpelung der Wirbelkörper begonnen hat, finden wir, eng an der Scheide der Chorda anliegend, eine dünne Schicht von Grundsubstanz, die mit der Grundsubstanz des Knorpel- oder Bindegewebes der Wirbelsäule ununterbrochen zusammen- hängt. Diese Schicht unterscheidet sich sowohl von der Grund- substanz der Gewebe der Skeletteile, wie von der eigentlichen Chordascheide nur dadurch, dass sie eine Färbbarkeit auf- weist, die zwischen derejnigen der beiden genannten Teile liegt. Infolge der Anwesenheit der genannten Schicht unterscheidet man in der Scheide der Chorda, deren Dicke nicht viel mehr als 1 u beträgt, wie bereits in der Fig. 4 angedeutet ist, eine innere durch die für die kollagenen Stoffe elektiven Farbstoffe intensiver gefärbte Schicht (ep), die gegen das Chordagewebe durch ein Blättehen abgegrenzt ist, welches die Kernfarbstoffe annimmt (c s) und eine äussere (g s) weniger intensiv gefärbte. Ferner scheint die Chordascheide mit der Grundsubstanz der umgebenden Gewebe verschmolzen. In diesem Stadium be- ginnt der Prozess der intervertebralen Einschnürung der Chorda. Beobachtung 25. Dimensionen: 7,5.5,4 mm. Beobachtung 26. Dimensionen: 7.7 mm. Hier ist die Ver- schmelzung der Chordascheide mit der Grundsubstanz der um- gebenden Gewebe noch ausgesprochener, und der Teil chordalen Ursprungs zeigt Spuren von fibrillärer Struktur. Die wie die Scheide färbbaren Massen im Centrum der Chorda neigen dazu, sich miteinander zu verschmelzen und bilden dabei lange Stäb- chen, in welchen die einzelnen Bestandteile noch danach zu erkennen sind, dass sie im Centrum mehr verdickter sind und je eine Varikosität des Stäbchens bilden. Beobachtung 27. Dimensionen : 10,0.8,4 mm. In den Wirbel- körpern sind die ersten Spuren von Knochenbildung sichtbar. Bemerkenswert sind in der Chorda folgende Erscheinungen : Über?d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 375 1. Die centralen Vacuolen haben, besonders an den einge- schnürten Stellen, eine längliche Form und sind parallel zur Achse der Chorda angeordnet (Andeutung der Bildung eines Chordastranges). 2. Einige der Septa zwischen den Vacuolen sind in zwei geteilt infolge der Zwischenlagerung einer Sub- stanz, die sich in derselben Weise wie die Scheide und wie die oben erwähnten centralen Massen färbt, aber weder zu diesen noch zu jener Beziehungen zu haben scheint. Diese Erscheinung beobachtet man nur auf der Höhe der Wirbel- körper und zwar entsprechend dem Vereinigungspunkt der beiden cranialen Drittel mit dem caudalen Drittel derselben; man kann sie sowohl im Centrum wie an der Peripherie der Chorda beobachten. 3. Die Septa sind modiliziert, indem sie nicht mehr homogen wie früher, sondern in ein ziemlich dickes Blatt aus ganz feinem fibrillärem Protoplasma umge- wandelt sind. Beobachtung 28. Dimensionen: 11,7.9,8 mm. Die soeben erwähnten Veränderungen sind ausgesprochener geworden; be- sonders sind die durch eine Grundsubstanz in zwei geteilten Septa sehr zahlreich geworden. In einigen nach der Methode von Weigert für die elastischen Fasern gefärbten Quer- schnitten der Wirbelsäule dieses Embryos sind in der Scheide der Chorda zwei Blätter von elastischer Natur (Fig. 5) unter- scheidbar; das eine derselben teilt die Dicke der Scheide selbst in zwei gleiche Teile, d. h. in eine innere (ep), mit dem Chorda- gewebe in Berührung stehende und eine äussere, sich in die Grundsubstanz der umgebenden Gewebe (gs) fortsetzende Portion, während das andere (c s) die Chordascheide nach innen abgrenzt. Infolge Zunahme der Dicke der durch die Grundsubstanz des umgebenden Gewebes gebildeten Scheide erreicht nun die gesamte Scheide eine Dicke von 2,5 bis 3 u. Beobachtung 29. Dimensionen: 16.7,4 mm; Gesamtlänge des ausgestreckten Tieres 51,5 mm; Länge des Kopfes 10 mm. 374 ANGELO BRUNI, In jedem Wirbelkörper nimmt das Gewebe ın der Höhe der Vereinigung des cranialen 2/, mit dem caudalen Drittel infolge ler Vermehrung des Protoplasmas und der Anwesenheit einer Grmdsuubstanz, die zahlreiche intervacuoläre Septa in zwei Teile teilt. ein besonderes Aussehen an, welches dadurch, dass das Gewebe sich hier schwer zusammenzieht, während es an den Stellen, wo es nicht modifiziert ist, eine grosse Tendenz zur Retraktion zeigt, noch deutlicher hervortritt. In den inter- vertebralen Einschnürungen wird die Andeutung eines Chorda- stranges immer ausgesprochener. Beobachtung 30. Dimensionen: 19,0.8,0 mm; Gesamtlänge les ausgestreckten Tieres 63 mm; Länge des Kopfes 12 mm. Die Modifizierung des Chordagewebes in den Wirbelkörpern entspricht nur der ganzen Höhe der weiten Markhöhlen, die infolge der Resorption des Knorpels im Innern der Wirbel- körper entstanden sind, und ist der Art, dass man bereits von dem sogenannten Chordaknorpel sprechen kann. Die Grund- substanz dieses Chordaknorpels bildet ein weitmaschiges Neiz, dessen dünne Trabekeln sich in gleicher Weise wie die Grund- substanz des benachbarten Knorpels der Wirbelkörper färben. Jede Masche enthält gewöhnlich einen Kern und ein sehr zartes Protoplasmagefüge, welches einen richtigen Zellkörper mil einer wechselnden Zahl von Vacuolen von verschiedener Grösse bildet. Hie und da beobachtet man auch in den intervertebralen Form der Chorda dorsalis Andeutungen einer Bildung von Grundsubstanz im Innern der intervacuolären Sepla. Hier sind auch die Massen zahlreich vorhanden, die sich wie die Scheide der Chorda und wie die Grundsubstanz des Chordaknorpels färben. Die Chordascheide zeigt noch, mit der Weigerl- schen Lösung behandelt, die beiden bei Gelegenheit der Beob- achtung 23 beschriebenen und aus Fig. 5 ersichtlichen elastı- schen Blätter. Der innere Teil der Scheide geht an den dem Chordaknorpel entsprechenden Stellen direkt in die Grund- substanz desselben über. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 375 Laecerts muralıs Lacerva verydrs Beobachtung 31. Lacerta viridis. Länge der durch das spiralartig zusammengerollte Tier gebildeten Scheibe: 5 mm. Fixierung nach Kleinemberg. Die Vacuolisierung der Chorda ist ebenso wie bei dem Gongylus der Beobachtung 22 vollendet und das Organ hat dieselbe Gestaltung wie dort. Auch hier sind die Massen von acidophiler Substanz, die sich in derselben Weise färben wie die Scheide, zahlreich nachweisbar und zwar sind sie an ihrer Peripherie zart, im Centrum dicht, überall homogen. Die proto- plasmatische Randschicht (Chordaepithel) ist gut entwickelt, in derselben ist jedoch keine Spur von Zellenindividualisierung sichtbar. In einem Schnitte dieses Embryos sieht man, wie an einer Stelle, wo die Chordascheide durchgerissen ist, ein inneres Blatt dieser letzteren an dem Chordagewebe anhaftet, während ein äusseres Blatt an dem umgebenden skeletogenen (tewebe anhaftet; die beiden Blätter sind voneinander getrennt. In anderen mit Eisenhämatoxylin und Eosin gefärbten Prä- paraten erscheinen die beiden Blätter durch eine fast schwarze Linie getrennt. Beobachtung 32. Lacerta muralis. Gesamtlänge: 55 mm. Fixierung nach Flemming. Einige aus diesem Exemplar gewonnene Präparate dienen vorzüglich zum Nachweis des sogenannten Chordaknorpels. In Fig. 6 beobachteten wir: 1. Einen schwarzen Strich (ee), welcher den Teil der Chordascheide, der an dem Knorpel des Wirbelkörpers an- haftet, von demjenigen deutlich trennt, der an dem Knorpel der Chorda anhaftet. 2. Dass ebenso wie bei dem Gongylus, ja sogar in noch höherem Masse, das Protoplasma stark vermehrt ist, und infolge- dessen die Vacuolen sehr an Volumen abgenommen haben 376 ANGELO BRUNI, oder völlig verschwunden sind. Dies ist besonders in der un- mittelbaren Nachbarschaft der Chordascheide der Fall, wo man jetzt wirkliche cellulare Einheiten (c), mit oder ohne Vacuolen, unterscheiden kann. Es sei ferner erwähnt, dass an den Stellen, wo kein Chordaknorpel vorhanden ist (inter- vertebrales Gebiet), das Chordaepithel äusserst reduziert ist und keine Spur von Zellenindividualisierung nachweisbar ist. 3. Dass die Grundsubstanz des Knorpels ein Produkt einer metaplastischen Umwandlung des Protoplasmas ist, was daraus hervorgeht dass man alle Übergangsstufen von einer geringen Änderung der Färbbarkeit des centralen Teiles einer proto- plasmatischen Trabekel bis zur Entstehung einer Trabekel aus vollkommen entwickelter Grundsubstanz (s f) beobachten kann. 4. Dass die Bildung von Grundsubstanz sowohl an der Peripherie wie im Centrum des Organs erfolgt, und zwar nicht in der Umgebung besonderer Zellen, sondern im Innern des Chordagewebes, welches, ausser einer Vermehrung des Proto- plasmas keine weitere Modifizierung erfahren hat. 5. Dass die sich bildende Grundsubstanz meistens derart angeordnet ist, dass sie eine Portion Protoplasma mit einem Kern und mit oder ohne Vacuolen umfasst; es kommt somit zur Bildung individualisierter Zellen. Ich konnte im Chordaknorpel keine caryokinetischen Figuren beobachten; dagegen sind eingeschnürte Kerne nicht selten, welche die Annahme einer direkten Teilung nahe legten (n). Der Chordaknorpel liegt, wie beim Gongylus, in der Höhe der Markhöhlen des Wirbelkörpers; der übrige Teil des Gewebes verhält sich wie beim Gongylus, es fehlt nur die Andeutung der Bildung des Chordastranges. Beobachtung 33. Lacerta muralis. (resamte Länge 54 mm. Fixierung nach Zenker. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 377 Beobachtung 34. Lacerta muralis. Gesamte Länge 55 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 35. Lacerta muralis. Gesamte Länge “1 mm. Fixierung nach Kleinemberg. Beobachtung 36. Lacerta viridis. Länge des Kopfes 7 mm. Fixierung nach Kleinemberg. Beobachtung 37. Lacerta viridis. Länge des Kopfes 8 mm. Fixierung nach Kleinemberg. Der sehr gut entwickelte Chordaknorpel zeigt alle Charaktere, die wir bei Gelegenheit der Beobachtung 32 be- schrieben haben; wir beobachteten sowohl in bezug auf den Chordaknorpel, der hier etwas mehr entwickelt ist, wie in bezug auf die Chordascheide, bei welcher zwei durch eine dunkle Linie voneinander getrennte Blätter, d. h. ein äusseres, von dem skeletogenen Knorpel abhängendes, und ein inneres, von dem Chordagewebe abhängendes Blatt deutlich zu unter- scheiden sind, denselben Befund. Der Chordaknorpel in dem Wirbelkörper liegt, da er stets genau den Markhöhlen ent- spricht, etwas mehr cranialwärts als bei der L. muralis. Beobachtung 38. Lacerta muralis zur Zeit des Aus- schlüpfens aus dem Ei (2 Exemplare). Fixierung nach Zenker resp. Kleinemberg. Beobachtung 39. Lacerta viridis zur Zeit des Aus- schlüpfens aus dem Ei. Fixierung nach Zenker. Im Innern der Wirbelkörper liegt das von einer Knochen- scheide eingeschlossene Chordagewebe ın einer kegelförmigen Höhle, deren Basis am cranıalen Ende des Wirbelkörpers liegt, während die Spitze der caudalen Extremität (Gelenkkopf) ent- spricht, wo es sich in der intervertebralen Einschnürung fort- setzt, und auf einen äusserst dünnen Spalt reduziert ist, der in der Längsrichtung verläuft und durch alle Articulationen zwischen den folgenden Wirbelkörpern zieht. Der Knorpel der Chorda erreicht eine beträchtliche Höhe im cranialen Teil der Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2). 25 378 ANGELO BRUNI, Höhle: seine Höhe entspricht etwa einem Fünftel der ganzen Höhe des Wirbelkörpers, und er zeigt noch eine ausgesprochene Tendenz, sich weiter auszudehnen. Was seine Struktur an- belangt, so beobachtet man, im Vergleich zu den vorigen Stadien, eine bedeutende Verdünnung der Trabekeln aus Grund- substanz, welche fast fadenförmig erscheinen, aber intensiver färbbar sind. Die Zellen des Chordaknorpels sind hell, mit ebenfalls hellen vesikulösen Kernen, die mit einer deutlichen Membran und mit Nucleoli versehen sind; das Gewebe ist in seiner Gesamtheit dem Knorpel der Enden der Wirbelkörper sehr ähnlich, der der Verknöcherung entgegengeht. Der übrige Teil der chordalen Höhle des Wirbelkörpers wird von Chorda- gsewebe eingenommen, welcher das gewöhnliche alveoläre Aus- sehen hal und im centralen Teil einen Strang zeigt, der sich gegen die Farbstoffe in derselben Weise verhält wie die Grund- substanz des Chordaknorpels. Der Strang dringt nur auf eine kurze Strecke in den Chordaknorpel ein: hier laufen die Tra- bekeln der Grundsubstanz des Knorpels auf ihn zu, ähnlich wie die Wurzeln eines Baumes zum Stamme. Auf der Höhe der intervertebralen Einschnürungen verschwinden die Vacuolen allmählich, bis man nur noch eine Anhäufung von entartetem Protoplasma. mit sehr veränderten und meistens pycnotischen Kernen sieht, welche dazu neigt, sich in Schollen zu verteilen. Dies ist besonders gut in den Querschnitten sichtbar. Der Schlitz, welcher bestimmt ist, die Chorda aufzunehmen, hal kein gleichmässiges Kaliber, sondern ist an einigen Stellen eng, an anderen verhältnismässig weit; er ist durch eine dicke (7—8& u); Schicht von Substanz abgegrenzt, die sich wie die Scheide der Chorda bei den weniger vorgeschrittenen Exemplaren färbt. Unter geringer Vergrösserung beobachtet, scheint diese Schicht homogen ; wenn man sie aber unter starker Vergrösserung untersucht, erscheinen ihre Umrisse in einer charakteristischen Weise gefältelt, und zwar mit hohen und Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 379 dicht nebeneinander liegenden Falten, so dass der Umfang dieser Scheide, wenn man die Falten ausbreitete, viel grösser sein würde. Beobachtung 40. Junge Lacerta muralis. Fixierung nach Mingazzini. Die einzige noch sichtbare Spur von Chorda dorsalis be- steht in einem Überrest der Scheide, welcher in den Quer- schnitten des Gelenkknorpels der Wirbelkörper wie eine lange, stark gefältelte Faser erscheint, die sich mit Hämatoxylin intensiv färben lässt (Fig. 7 ee). Vögel. Gallus domesticuüus. Beobachtung 41. 42. Bebrütungsstunde 1). Fixierung nach Flemming. Beobachtung 42. 48. Bebrütungsstunde. Fixierung nach Flemming. In den frontalen Schnitten zeigen die Zellen der Chorda deutliche Grenzen: sie sind keilförmig, eylindrisch oder pris- matisch, sehr schmal und langgestreckt, palissadenähnlich, senkrecht zur Längsachse der Chorda angeordnet. Jede von ihnen nimmt wenigstens die Hälfte des Durchmessers der Chorda ein. Sie zeigen in ihrem körnigen hellen Protoplasma bereits kleine Rarefaktionszonen und auch echte kleine Vacuolen. Diese Vacuolen sind besonders im Centrum des Organs nachweisbar, wo auch die Zellengrenzen nicht deutlich unterscheidbar sind. Die durchwegs ovalen, quer angeordneten, vesiculösen, mit einer deutlichen nucleären Membran und einem oder zwei grossen Nucleoli versehenen Kerne sind äusserst regelmässig an der Peripherie des Organs angeordnet, wenige, 1) In Anbetracht des Zweckes dieser Arbeit hielt jch es für überflüssig, meine Untersuchungen bei weniger vorgeschrittenen Stadien anzufangen. 25* 380 ANGELO BRUNI, keiner bei dem kleineren Embryo, nach dem Centrum zu, fast niemals im Centrum selbst. Es sind zahlreiche caryokinetische Figuren nachweisbar, welche bei dem 42 Stunden alten Embryo derart angeordnet sind, dass die Verlagerung der Chromosomen längs einer zur Achse der Chorda perpendikulären Linie vor sich geht. Zwischen den gewöhnlichen Zellen treten andere (Fig. Sa) mit sehr dichtem Protoplasma und kleineren und länglicheren Kernen hervor, welche ebenfalls senkrecht zur Längsachse der Chorda angeordnet sind; man kann sie in den Schnitten von der Peripherie bis zum Centrum des Organs und auch noch weiter verfolgen ; ihr inneres Ende ist oft in zwei Zweige geteilt, welche zwischen die gewöhnlichen Chordazellen eindringen. Diese Zellen können durch ihre Enden oder durch dicke Aus- läufer miteinander anastomosieren. Einige von ihnen zeigen kleine Vacuolen. Sowohl die gewöhnlichen Zellen wie die anderen mit dichtem Protoplasma haben einen verdickten peripherischen Saum, welcher bereits in diesem Stadium eine deutliche cuti- culäre Scheide (Fig. 8cp) bilde. Da die cuticuläre Ver- dickung sich über eine kurze Strecke längs der Grenzen zwischen einer Zelle und der anderen erstreckt, und weil die einzelnen Zellen an der Peripherie des Organs kleine unregel- mässige Vorsprünge bilden, so erscheint in diesem Stadium die Chordascheide unregelmässig gewellt und aus einer einzigen Lamelle gebildet. Auch in den Querschnitten ist die peri- pherische Lage der Kerne sichtbar; dagegen sieht man hier nicht die Zellengrenzen. Diese Tatsache legt, zusammen mit der, dass man in diesen (uerschnitten kaum jemals zwei in einer und derselben Ebene gelegene Kerne findet, den Gedanken nahe, dass die Zellen, welche in den Längsschnitten keilförmig erscheinen in Wirklichkeit die Form breiter, mehr oder minder vollkommener sehr abgeplatteter und geldrollenartig angeord- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 381 neter Scheiben haben. Ebenso ist es wahrscheinlich, dass die oben beschriebenen Zellen mit dichtem Protoplasma breit und platt sind, denn auch von diesen sind in den exakt senkrechten Querschnitten die Grenzen nicht sichtbar. Beobachtung 43. 72 Stunden alter Embryo. Fixierung nach Flemming. Dieses Exemplar zeigt keine bedeutenden Unterschiede von den vorigen. Die Zellengrenzen sind in den Längsschnitten, besonders an der Peripherie des Organs, noch ziemlich deutlich. Das Protoplasma der gewöhnlichen Chordazellen ist viel zarter geworden, und hat hier eine körnig-fibrilläre Struktur; der grösste Teil der plasmatischen Fibrillen bildet ein reticuläres Balkenwerk; einige derselben sind jedoch grösser als die übrigen, sehr lang und senkrecht zur Längsachse der Chorda angeordnet und überschreiten den centralen Teil des Organs, wo keine Spuren von Zellengrenzen mehr sichtbar und zahl- reiche Vacuolen vorhanden sind. Auch an der Peripherie des Organs sind Vacuolen nachweisbar. Die Kerne sind jetzt viel zahlreicher und nicht mehr an der Peripherie angeordnet, son- dern im ganzen (Gewebe verbreitet. Es sind zahlreiche caryo- kinetische Figuren nachweisbar. Auch hier sind die verästelten Zellen mit dichtem Proto- palsma deutlich sichtbar; ja sie treten sogar infolge der Rare- faktion des Cytoplasmas der gewöhnlichen Zellen deutlicher hervor. Die Scheide ist viel weniger gewellt und etwas verdickt (0,6—0,8 u): der innerste Teil derselben erscheint noch wie ein ganz dünner, aus dichtem Protoplasma bestehender Saum, der peripherischen Extremität der Chordazellen, und färbt sich wie das übrige Protoplasma; der peripherste Teil der Scheide wird hingegen durch die protoplasmatischen Farbstoffe (Eosin, Orange @G.) intensiver und durch Methylenwasserblau intensiv blau gefärbt. 382 ANGELO BRUNI, Beobachtung 44. Ende des 4. Bebrütungstages. Fixierung nach Flemming. Die Vacuolisierung ist schon sehr weit vorgeschritten, so dass das Chordagewebe das Aussehen eines protoplasmatischen Netzes hat, dessen Maschen (Vacuolen) zuweilen eine rundliche, aber meistens eine ovale Form, mit quer angeordneter Längs- achse. und sehr verschiedene Grösse haben. Die grössten nehmen: ein Drittel der ganzen Dicke der Chorda oder auch noch mehr ein. Offenbar nehmen die Zellen mit dichtem Proto- plasma ebenso wie die übrigen an dieser Umwandlung teil, da man sie jetzt nicht mehr unterscheidet. In den Protoplasma- hälkchen, welche das Geflecht des Netzes bilden, kann man nicht die geringste Spur einer Trennung zwischen den einzelnen Zellen nachweisen. Die Dicke der Trabekeln ist eine wechselnde; einige, sehr breite, lassen die fibrilläre Struktur des Protoplasmas deutlich erkennen; andere sind, im Schnitt beobachtet, auf variköse, zuweilen auch homogene Fäden redu- ziert. Dem sehr zarten Protoplasma der Trabekeln dient ein System von grossen mitemander verflochtenen protoplasmati- schen Fibrillen (Fig. 9 f) als Gerüst. An der Peripherie der Chorda beobachtet man eine Schicht von Protoplasma, deren Dicke von Stelle zu Stelle verschieden ist (Fig. 9 ep), aber nur selten durch die Anwesenheit einzelner mit der Chorda- scheide in Beziehung stehender Vacuolen unterbrochen ist. Obwohl die zahlreichen protoplasmatischen Fasern, die durch diese Schicht ziehen, um die innere Fläche der Chordascheide unter einem rechten Winkel zu erreichen (es), den Eindruck von Zellengrenzen machen, so kann man doch eine Teilung in wirkliche cellulare Individualitäten bei genauerer Unter- suchung unbedingt ausschliessen. Die Kerne sind in diesem Stadium sehr zahlreich und stets dadurch charakterisiert, dass sie mit einer deutlichen nucleären Membran versehen sind nd einen oder zwei, selten mehrere Nucleoli enthalten. Sie sind Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 383 meistens rund und von verschiedener Grösse und unregel- mässig in der ganzen Dicke der Chorda zerstreut. Ihre Zahl, die viel grösser als in den vorigen Stadien ist, die Form von einigen derselben, die Tatsache, dass man solche antrifft, die ganz dicht nebeneinander liegen und keine Spur von caryo- kinetischer Tätigkeit aufweisen, legen die Vermutung nahe, dass neben nicht sehr zahlreichen und in der ganzen Dicke der Chorda verbreiteten Caryomitosen auch direkte Teilungen vor- kommen. Die Chordascheide stellt sich noch ebenso dar wie in dem vorigen Stadium; ihr peripherischer Teil (Fig. 9 cp) färbt sich wie die Kollagenstoffe, ist jedoch durchaus homogen und strukturlos; das innere Blatt (es) färbt sich stets wie sehr dichtes Protoplasma. Dieses Blatt ist so dünn, dass man es nur bei genauerer Untersuchung und an den geeignetsten Stellen der Präparate unterscheiden kann. Im Achsialteil der Chorda beobachtet man im Gefüge der breiteren protoplasmatischen Trabekeln Massen aus einer be- sonderen strukturlosen Substanz, welche sich ın derselben Weise wie die Chordascheide färbt, d. h. acidophil ist und alle für den Kollagenstoff elektivren Farben annimmt. Diese Massen zeigen die Form von Streifen oder von mehr oder minder grossen Haufen, meistens mit kurzen und dicken Ausläufern. Beobachtung 45. Ende des 5. Bebrütungstages. Fixierung nach Flemming. Dieses Exemplar unterscheidet sich von dem vorigen nur durch eine grössere Dicke aller protoplasmati- schen Trabekeln und eine geringere Grösse der Vacuolen zur Dicke der Chorda, so dass die Vacuolen selbst viel zahlreicher zu sein scheinen. Das hängt mit dem bedeutenden Wachstum des Organs zusammen. Erwähnenswert ist auch die Vermeh- rung der acıidophilen, wie das äussere Biatt der Chordascheide färbbaren Massen. In bezug auf die Struktur besteht kein Unterschied zwischen dem centralen und dem peripherischen Teil der Chorda. Ebenso findet man die caryokinetischen 384 ANGELO BRUNI, Figuren und andere Figuren, die man auf eine direkte Teilung zurückführen kann (achterzahlähnliche und hemdknopfähnliche Kerne, dicht nebeneinander liegende Kerne kleiner als die übrigen), unterschiedslos an der Peripherie und im Centrum der Chorda. Beobachtung 46. Ende des 6. Bebrütungstages. Fixierung nach Zenker. Unveränderte Sachlage. Einige Präparate dieses Embryos sind interessant, weil sie gestatten, die Entstehung der acido- philen Massen im Achsialteil der Chorda zu verfolgen. An verschiedenen Stellen erscheint das Protoplasma der Trabekeln wie mit einer Substanz durchsetzt, welche die Farben der Kollagenstoffe schwach annimmt und zwar ungleichmässig, so dass in ihrem Gefüge ein intensiver gefärbtes Balkenwerk her- vortritt. Es ist bemerkenswert, dass in der Umgebung dieser Massen stets zahlreiche Kerne vorhanden sind. In diesem Stadium besteht ein geringer Unterschied zwischen der Rand- schicht des Chordagewebes und dem übrigen Teil desselben, indem die centralen protoplasmatischen Trabekeln dünner ge- worden sind. Auch an der Peripherie besteht jedoch keine kontinuierliche Protoplasmaschicht, denn zahlreiche Vacuolen erreichen direkt die Scheide. Es ist keine Spur von einer Zellen- individualisierung sichtbar. Beobachtung 47. Ende des 7. Inkubationstages. Fixierung nach Flemming. Bemerkenswert ist hier nur eine weitere Diekenzunahme der protoplasmatischen Trabekeln zwischen den Vacuolen, so dass man den Unterschied zwischen der Randschicht und dem übrigen Chordagewebe nicht mehr erkennt. Beobachtung 48. Ende des 8. Inkubationstages. Zwei Exemplare. Fixierung nach Flemming. Das eine dieser Exemplare, bei welchem sich das Chorda- gewebe infolge starker Retraktion von der Scheide losgelöst Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 385 hat, eignet sich gut zur Untersuchung dieser letzteren. Die Scheide ist gegen das Gewebe durch eine dunkle gewellte Linie abgegrenzt, an welcher noch Chordagewebsfragmente haften. Ausserhalb dieser Linie beobachtet man einen schmalen, heller gefärbten Streifen ; ausserhalb dieses trennt eine weitere dunkle glatte Linie die Scheide von einer dünnen kontinuierlichen Schicht von Grundsubstanz der umgebenden (rewebe. Bei dem zweiten, ‚besser fixierten Exemplar zeigt das Chordagewebe noch dasselbe Aussehen wie bei dem vorigen. Man beobachtet durch die ganze Dicke des Organs verbreitete Caryokinesen. Beobachtung 49. Ende des 9. Inkubationstages. Fixierung nach Flemming. Beobachtung 50. Ende des 10. Inkubationstages. Fixierung nach Flemming. Befund wie bei der vorigen. Beobachtung 51. Ende des 12. Inkubationstages. Fixierung nach Flemming. Beobachtung 52. Ende des 13. Inkubationstages. Fixierung nach Zenkerr. Beobachtung 53. Ende des 14. Inkubationstages. Fixierung nach Flemming. Es hat die Verknöcherung der Wirbelkörper begonnen. Das Chordagewebe erscheint stark verändert und zwar in verschiedener Weise, je nachdem man es in den vertebralen Erweiterungen oder in den intervertebralen Einschnürungen beobachtet. In den vertebralen Erweiterungen beobachtet man in Längsschnitten (Fig. 10) folgende hauptsächliche Tatsachen : 1. Eine sehr beträchtliche Zunahme der Dicke der proto- plasmatischen Trabekeln auf Kosten der Grösse und der Zahl der Vacuolen. 2. Eine Zunahme der Dichtigkeit des Protoplasmas in der Umgebung mehrerer Vacuolen, besonders an den beiden lix- 386 ANGELO BRUNI, tremitäten derselben, wenn sie eine längliche Form haben (a); die Verdichtung geschieht in der Weise, dass sie einen oder höchstens zwei Kerne einschliesst. Stellenweise bildet sich rings um das dichte perivacuoläre Protoplasma ein Raum, so dass die Vacuole in einer von der übrigen’ gemeinen vacuolisierten Masse getrennten cellularen Einheit enthalten zu sein scheint. 3. Das zartere Aussehen der fibrillären Struktur des Prötoplasmas an den Stellen, wo dieses über breite Strecken vacuolenfrei erscheint. 4. Die Verdichtung des Protoplasmas in der Umgebung mehrerer Kerne in den vacuolenlosen Zonen (b). Dies beob- achtet man besonders an der Peripherie des Organs. 5. Von der Chordascheide (ec), die jetzt homogen und mit der Grundsubstanz des Knorpels der benachbarten Skeletteile verschmolzen ist, gehen dünne Ausläufer (s) aus, welche, wie Septa. sich teilend und zuweilen wieder miteinander ver- einigend, die Tendenz zeigen, ein Netzwerk zu bilden, dessen Maschen Protoplasmaportionen mit zahlreichen Kernen, mit oder ohne Vacuolen, oder einen oder wenige von dichtem Proto- plasma umgebene Kerne enthalten. Im gegenwärligen Stadium entfernen sich diese Septa wenig von der Peripherie der Chorda. 6. Ähnliche, zuweilen breite und deutlich hervortretende Septa gehen von den Massen aus, die sich wie die Scheide färben und im axialen Teil der Chorda liegen. Diese Massen sind jetzt meistens in verschiedener Zahl verschmolzen, so dass stäbchenartige Gebilde entstehen (m). In diesen Prä- paraten sind caryokinetische (m i) und andere, auf direkte Teilung zurückführbare Figuren (a m) nicht selten. Sowohl die ersteren wie die letzteren sind im Centrum und an der Peripherie regellos verteilt. Wenn man von den vertebralen Erweiterungen zu den intervertebralen Einschnürungen übergeht, so findet man nur Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 337 eine Verschiedenheit in der Form der Vacuolen, der Massen dichten Protoplasmas und der Maschen aus Grundsubstanz, indem alle diese Gebilde länglich und parallel zur Längsachse der Chorda werden. An den eingeschnürten, den Aufhänge- bändern der Wirbel entsprechenden Stellen sind die Vacuolen fast ganz verschwunden; die von verdichtetem Protoplasma umgebenen Kerne sind viel zahlreicher; die von der Scheide oder von den axialen Massen ausgehenden Trabekeln aus Grund- substanz sind ebenfalls zahlreicher und ausserdem miteinander zu einem fast vollständigen Netzwerk mit länglichen, parallel zur Längsachse angeordneten Maschen verflochten. Auch hier fehlen die caryokinetischen Figuren und diejenigen der direkten Teilung nicht; neben denselben beobachtet man jedoch, be- sonders im axialen Teil, auch in Chromatolyse begriffene Kerne. | Die Untersuchung von Querschnitten bestätigt nicht nur die soeben erwähnten, an Längsschnitten gewonnenen Befunde, sondern bei denselben tritt die Haupterscheinung, d. h. die Verdichtung des Protoplasmas in der Umgebung der Kerne, also der Beginn der Bildung von cellularen Einheiten in der ur- sprünglichen gemeinsamen Protoplasmamasse noch deutlicher hervor. | KR! Beobachtung 54. Ende des 15. Inkubationstages. Fixierung nach Flemming. Man beobachtet nur ein Fortschreiten der soeben er- wähnten Erscheinungen, besonders an den eingeschnürten Stellen des Chordagewebes, wo die Entwickelung der Grund- substanz, die Individualisierung der Zellen und die Abnahme der Vacuolen derartig vorgeschritten sind, dass das (Gewebe jetzt das Aussehen eines echten Knorpels hat. Dieser Chorda- knorpel unterscheidet sich etwas von dem umgebenden Knorpel des Ligamentum suspensorium der Wirbel und der Knorpel- hülle der Chorda im verknöcherten Wirbelkörper durch eine 388 ANGELO BRUNI, stärkere Färbbarkeit mit den für den Kollagenstoff elektiven Farbstoffen. An den den vertebralen Erweiterungen entsprechenden Stellen beobachtet man das Eindringen von Knochenmark durch Unterbrechungen der perichordalen Knochenhülle und der chordalen Scheide, welche gänzlich mit der Grundsubstanz des umgebenden Knorpels verschmolzen ist. Beobachtung 55. Ende des 17. Inkubationstages. Fixierung nach Flemming. Die wichtigsten Erscheinungen, die man bei diesem Exemplar beobachtet — auf welches sich Fig. 11 bezieht, in der der Knorpel der Chorda auf der Höhe des Gelenkendes des Wirbelkörpers abgebildet ist —, beziehen sich auf den Zer- störungsprozess des vertebralen Teiles der Chorda, der ein knorpeliges Aussehen hat, trotzdem noch zahlreiche Vacuolen vorhanden sind. Die Zerstörung ist durch das Eindringen von Knochenmarkselementen durch die Scheide hindurch bedingt; diese ist jetzt stellenweise durch eine Knochenplatte ersetzt, die durch in einer epitheliomorphen Schicht angeordnete Osteohlasten erzeugt ist. Da man grosse mehrkernige Elemente antrifft, angesammelt in Aushöhlungen des peripherischen Teiles des Chordagewebes, liegt die Annahme nahe, dass die Zerstörung des Chordagewebes wenigstens zum Teil auf diese Elemente zurückzuführen ist. In den intervertebralen Gegenden haben die Kerne in diesem Stadium ein solches Aussehen, dass man annehmen muss, dass das Gewebe seine Lebensfähigkeit verloren oder wenigstens einen grossen Teil derselben eingebüsst hat; ın der Tat findet man dort, wie aus Fig. 11 ersichtlich ist, zahl- reiche Caryolysen (c) und Pyenosen (p). Beobachtung 56. Ende des 19. Inkubationstages. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 57. Soeben aus dem Ei ausgekrochenes Hühn- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 389 chen. Fixierung nach Maximow (Zenker-Formal-Osmium- säure). Das Chordagewebe ist nur noch in den intervertebralen Gebieten und in der Dicke des Aufhängebandes sichtbar, wo es, abgesehen davon, dass die Grundsubstanz und die Scheide ein fibrilläres Aussehen angenommen haben, keine Unterschiede im Vergleich zu den vorigen Stadien aufweist. Im übrigen ist das Chordagewebe durch Knochenmark er- setzt; es sind nur noch einige in Entartung begriffene Portionen davon zwischen den Markelementen sichtbar. In der Gegend des knorpeligen Endes der Wirbelkörper tritt die durch Ver- knöcherung von innen nach aussen in eine knöcherne Platte (Fig. 12 g) umgewandelte Chordascheide sehr deutlich hervor; das Chordagewebe ist hier hingegen völlig durch rotes Mark (Fig. 12 m) ersetzt. Säugetiere. Bos taurus Beobachtung 58. Embryo: Länge!) vom Scheitel zum Steissbein (L. v. c.) = 21 mm. Fixierung nach Mingazzini. Das Chordagewebe, welches ein dünnes kontinuierliches, durch die ganze Länge der Wirbelsäule verlaufendes Stäbchen ohne Spuren von intervertebralen Erweiterungen darstellt, be- steht aus einer mit Kernen versehenen protoplasmatischen Masse, welcher die Anwesenheit kleiner Vacuolen die Gestalt eines Netzwerkes verleiht. Rings um das Chordagewebe bestehi in der Gegend der in diesem Stadium bereits verknorpelten Wirbelkörper ein unfärbbarer Raum; die Chordahöhle ist durch eine ganz zellenlose Schicht von Knorpelgrundsubstanz mit 1) Bei den Embryonen von Ochsen und Schafen wurden die Messungen an frischem, bei den übrigen Säugetieren an fixiertem Material ausgeführt. * Bil) ANGELO BRUNI, fein fibrillärer Struktur (zur Höhle konzentrisch angeordnete Fibrillen) abgegrenzt. In der Gegend der intervertebraln Scheiben ist der perichordale Raum von einer sehr zarten Substanz eingenommen, in welcher sich Fibrillen färben, die wahrscheinlich nichts anderes als ein Koagulationsprodukt sind. Beobachtung 59. L. v. ec. = 33 mm. Fixierung nach Aenker. ne Die Bildung der spindelförmigen intervertebralen Erweite- rungen der Chorda dorsalis hat begonnen, während das Kaliber des Kanals, der sie enthält, noch sozusagen gleichmässig ist. Das Chordagewebe hat sein Aussehen nicht geändert; nur in den Wirbelkörpern ist es zerstückelt und die meistens grossen Fragmente sind von einer Substanz umgeben, die sich wie die Grundsubstanz des benachbarten Knorpels, jedoch etwas schwächer färbt. Beobachtung 60. Embryo: L. v. ce. = 41 mm. Fixierung nach Bouin (Sublimat-Formol-Pikrinsäure-Essigsäure). Beobachtung 61. Embryo: L. v. c. = 44 mm. Fixierung nach Zenker. Das Chordagewebe nimmt in den intervertebralen Zonen bedeutend zu; in den Wirbelkörpern ist es mehr zerstückelt. Es hat seine früheren Charaktere beibehalten. In den Zwischen- wirbelscheiben ist die Grenze der Chordahöhle sehr deutlich durch eine sehr dichte fibrilläre Platte von kollagener Natur bezeichnet, welche von der Grundsubstanz des Bindegewebes der Zwischenwirbelscheibe abhängt. Beobachtung 62. Fötus: L. v. c. = 49 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 63. Fötus: L. v. c. = 55 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 64. Fötus: L. v. c. = 63 mm. Fixierung nach Zenker. In den intervertebralen Erweiterungen sind in dem stets Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 391 aus gewöhnlicher gekernter protoplasmatischer Masse mit kleinen Vacuolen bestehenden Chordagewebe grosse Höhlen entstanden, deren Inhalt sich durch die gewöhnlichen Farb- stoffe nicht färben lässt. In den Wirbelkörpern beobachtet man wenige Chordagewebsfragmente, die von einer Substanz um- geben sind, die sich wie die Grundsubstanz des umgebenden Knorpels färbt, oder in einer Höhle frei liegen. Beobachtung 65. Fötus: L. v. c. = 76 mm. Fixierung nach Zenker. Derselbe Befund wie beim vorigen Exemplar. Das Chorda- gewebe in den intervertebralen Erweiterungen ist stets durch eine fibrilläre Platte von dem umgebenden Bindegewebe scharf abgegrenzt. Die Bildung von grossen Höhlen in der Chorda ist derart vorgeschritten, dass das peripherische Protoplasma an einigen Stellen auf eine dünne Schicht reduziert und nicht selten unterbrochen ist. Im Wirbelkörper hat die Verkalkung begonnen; der die Chorda enthaltende Kanal ist etwas er- weitert. Beobachtung 66. Fötus: L. v. c. = 87 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 67. Fötus: L. v. c. = 92 mm. Fixierung nach Zenker. Es hat die Verknöcherung in den Wirbelkörpern begonnen. Die Reste der Chorda sind noch im Ossifikationscentrum nach- weisbar und in einer Hülle eingeschlossen, bestehend aus einer Knochenplatte, die an Stelle der Schicht von zellenloser Grundsubstanz aufgetreten ist, die in den vorigen Stadien die Chordahöhle abgrenzte. In den intervertebralen Erweiterungen ist der Zustand unverändert. Beobachtung 68. Embryo: L. v. ce. — 100 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 69. Embryo: L. v. ce. = 112 mm. Fixierung nach Zenker. 392 ANGELO BRUNI, Beobachtung 70. Embryo: L. v. c. = 120 mm. Fixierung nach Zenker. In den intervertebralen Erweiterungen ist das Chorda- gewebe auf dünne Trabekeln, die zwischen den entstandenen grossen Höhlen liegen, reduziert oder in Fragmente von ver- schiedener Form und Grösse zerstückelt, die von einer zarten, in fibrillärer Form koagulierenden Substanz umgeben sind. Es hat die gewöhnlichen Charaktere; eine mit Kernen versehene protoplasmatische Masse mit kleinen Vacuolen. An mehreren Stellen fehlen die Vacuolen; hier beobachtet man hin und wieder perinucleäre Verdichtungen des Protoplasmas oder plattenförmige Verdickungen des Protoplasmas, dıe derart an- geordnet sind, dass sie Zellengrenzen bilden. Diese Erschei- nungen deuten jedenfalls auf eine Tendenz zur Individuali- sierung von Zelleneinheiten hin. In der noch knorpeligen Zone der Wirbelkörper beobachtet man Fragmente, und zwar stellenweise beträchtliche, von Chordagewebe, umgeben von einer Grundsubstanz, die nicht von derjenigen des umgebenden Knorpels verschieden ist, aber ein mehr fibrilläres Aussehen hat, mit in der Längsrichtung angeordneten Fibrillen. Im Verknöcherungscentrum beobachtet man denselben Zustand wie beim vorigen Exemplar. Beobachtung 71. Fötus: L. v. c. = 137 mm. Fixierung nach Zenker. In den intervertebralen Erweiterungen ist das Chorda- gewebe jetzt gänzlich zerstückelt und zu Haufen oder Strängen von gekerntem Protoplasma reduziert, in welchem die Indi- vidualisierung von Zellen fortschreitet. Die wichtigste Erschei- nung besteht in dem Verschwinden der scharfen Abgrenzung der Chordahöhle, so dass diese Chorda in einer sehr unregel- mässigen Höhle enthalten ist, in welche das Bindegewebe der Zwischenwirbelscheibe hineinragt. Dje Grenzen sind noch schari in der Gegend der knorpeligen Enden der Wirbelkörper. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 393 Im Ossifikationscentrum wird die knöcherne Scheide der Chorda durch die Bildung einer grossen centralen Markhöhle unter- brochen. Auch hier sind noch kleine Häufchen von Chorda- gewebe nachweisbar, in welchen die Vacuolen verschwunden sind. Beobachtung 72. Fötus. L. v. c. = 141 mm. Fixierung nach Zenker. In den Zwischenwirbelscheiben fehlt jede Spur von Ab- grenzung der Chordahöhle. Das Chordagewebe ist jedoch sehr reichlich; man unterscheidet grosse, verschiedenförmige, mit grossen Vacuolen versehene Chordagewebsmassen. umgeben von einer farblosen Substanz, die wenige Detritus und wenige Fibrillen enthält. Einige der letzteren sind Ausläufer derjenigen des Bindegewebes der Scheibe, welches sich in unregelmässiger Weise nach den Chordagewebshaufen hin erstreckt. Man be- obachtet sogar kleinere Massen dieses Gewebes, die direkt vom Bindegewebe der Scheibe umgeben und in durch eine dünne und dichte Fibrillenschicht abgegrenzten Höhlen enthalten sind, so dass, während die Hauptchordahöhle nicht schar! abgegrenzi ist, die Grenzen der accessorischen chordalen Höhlen sehr deutlich hervortreten. Das Chordagewebe zeigt überall eine Tendenz zur Bildung von cellularen Einheiten, welche stets nur auf einzelne Stellen beschränkt ist. In den knorpeligen Enden der Wirbelkörper vertritt eine wie die Grundsubstanz des umgebenden Knorpels färbbare Masse mit fein fibrillärer Struktur den ursprünglichen chordalen Kanal. Hie und da be- obachtet man in dieser Masse spärliche Chordagewebsreste. Im Verknöcherungscentrum ist der Chordakanal durch die Markhöhlen unterbrochen. Beobachtung 73. Fötus: L. v. c. = 141 mm. Fixierung nach Zenker. Die Chordagewebshaufen in den Zwischenwirbelscheiben sind spärlicher als bei dem vorigen Exemplar. In den Quer- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2). 26 394 ANGELO BRUNI, schnitten, die das Ossifikationscentrum mittrelfen, kann man hingegen sehen, dass der Chordakanal mit Chordaresten die- selben Charaktere aufweist, die er in viel weniger vorgeschrit- tenen Stadien besass. Man beobachtet hier eine regelmässige runde Höhle, ausgefüllt mit Chordagewebsdetritus, die von einer zarten körnig-kleinfaserigen Substanz umgeben sind. Die Höhle ist ringsum durch eine dicke Schicht von Knorpelsubstanz mit fein fibrillärer Struktur begrenzt, ausserhalb deren man eine Anlagerung von Knochensubstanz beobachtet, die von Osteoblasten erzeugt ist. Beobachtung 74. Fötus: L. v. c. = 165 mm. Fixierung nach Zenker. Auch bei diesem Exemplar beobachtet man in frontalen Längsschnitten im Verknöcherungscentrum den Chordakanal mit Chordaresten, umgeben von Knorpelgrundsubstanz wie beim vorigen Exemplar. In den Zwischenwirbelscheiben sind die Chordagewebshäufchen, die hier die gewöhnlichen Charak- tere aufweisen, viel reichlicher. Beobachtung 75. Fötus: L. v. c. = 172 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 76. Fötus: L. v, c. = 176 mm. Fixierung nach Zenker. Es sind zahlreiche accessorische chordale Höhlen vor- handen: die Hauptchordahöhle ist sehr verkleinert. Im Ossi- fikationscentrum ist die Chordahöhle verschwunden. Beobachtung 77. Fötus: L. v. c. = 186 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 78. Fötus: L. v. c. = 196 mm. Fixierung in Trichloressigsäure. Die ganze Hauptchordahöhle ist von einem zarten Geflecht von Bindegewebe der Scheibe mit Bindegewebszellen einge- nommen. Die Chordagewebsmassen sind meistens klein; in denselben ist der Zellenindividualisierungsprozess vorge- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 39 schritten. Dies ist besonders in den kleineren Strängen der Fall, wo man sogar vollständig isolierte und etwas vonein- ander entfernte cellulare Elemente sehen kann. Die rundliche Form, die Dichtigkeit des Protoplasmas, die stärkere Färbbar- keit der Kerne und oft die Lage lassen diese Zellen ohne weiteres von den Bindegewebszellen unterscheiden. In Fig. 13 ist ein Haufen von Chordazellen (b) abgebildet; links von demselben sieht man eine isolierte Chordazelle (a); unterhalb des Haufens liegt eine Bindegewebszelle (c). Beobachtung 79. Fötus: L. v. c. = 215 mm. Fixierung nach Kleinemberg. Beobachtung 80. Fötus: L. v. c. = 220 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 81. Fötus: L. v. c. = 240 mm. Fixierung nach Zenker. Beobachtung 82. Fötus: L. v. c. = 250 mm. Fixierung nach Zenker. Abgesehen von einigen individuellen Unterschieden in der Menge des Chordagewebes, welches in den Zwischenwirbeln weiterbesteht, beobachtet man keine erheblichen Veränderungen im Vergleich zu dem soeben beschriebenen Exemplar. Beobachtung 83. Fötus: L. v. c. = 495 mm. Fixierung nach Zenker. Vor diesem Exemplar besitze ich nur einige Querschnitte der Zwischenwirbelscheibe. Aus denselben geht hervor, dass in den Zwischenwirbelscheiben noch reichliche Reste von Chordagewebe vorhanden sind. Es handelt sich um kleine Häufchen oder um isolierte Zellen in einem mehr oder minder vorgeschrittenen Entartungszustande; dieselben sind durch Massen von einer der Knorpelgrundsubstanz sehr ähnlichen Substanz zu Gruppen vereinigt; sie haben sehr verschiedene Form und Grösse, sind in einer ziemlich weiten Höhle verstreut und schwimmen wahrscheinlich in einer nicht färbbaren 26* 396 ANGELO BRUNI, Flüssigkeit. Die Chordaelemente sind in Kapseln aus Grund- substanz eingenistet, ähnlich wie es für die Knorpelzellen der Fall ist. Die Massen von Grundsubstanz, die an einigen Stellen eine deutliche fibrilläre Struktur zeigen, sind ganz unabhängig von der Grundsubstanz der benachbarten Gewebe. Man be- obachtet hingegen fast stets eine direkte Kontinuität zwischen dieser und den Chordagewebshaufen, die sie enthält; man be- obachtet ferner in ihr bei genauerer Untersuchung nicht selten Protoplasmafragmente auf dem Wege der Verschmelzung. An einigen Stellen ist in dieser Grundsubstanz noch eine An- deutung der ursprünglichen Struktur des Chordagewebes zu erkennen, an anderen Stellen erscheint sie mit nackten, pyc- notischen Kernen durchsetzt; die Haufen, die sie bildet, zeigen genau die Form der Chordagewebshaufen und -stränge der vorigen Stadien. Alles spricht also für eine direkte Abstammung dieser Grundsubstanz von dem Chordagewebe selbst. Ovis aries. Beobachtung 84. Fötus: L. v. c. = 112 mm. Fixierung nach Zenker. In den sagittalen Schnitten der Wirbelsäule sieht man, dass das Chordagewebe aus einer protoplasmatischen Masse besteht, die ein kleinmaschiges (Vacuolen) mit Kernen durch- setztes Netzwerk bildet. Man beobachtet an zahlreichen Stellen perinucleäre Verdichtungen des Protoplasmas. Das Gewebe ist wenig reichlich in der Zwischenwirbelscheibe, wo es nicht über eine besondere Höhle verfügt; in dem knorpeligen Teil der Wirbelkörper und im Verknöcherungscentrum ist das ge- nannte Gewebe in einem Kanal enthalten, ähnlich demjenigen, den man beim Kalb in einem entsprechenden Stadium antrilft; in diesem Kanal ist das Chordagewebe reichlich vorhanden und befindet sich in einem noch nicht sehr vorgeschrittenen Entartungszustande. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 397 Beobachtung 85. Fötus: L. v. ec. = 185 mm. Fixierung nach Zenker. In den Zwischenwirbelscheiben ist das Chordagewebe auf wenige Häufchen, oder meistens zu isolierten, zwischen dem Bindegewebe des centralen Teiles der Zwischenwirbelscheibe zerstreuten Zellen reduziert, welche bald von der Grundsubstanz des Bindegewebes direkt umgeben, bald von einer dichteren Fibrillenschicht eingekapselt sind (kleine accessorische Chorda- höhlen). Es fehlt jede Spur von einer wirklichen Hauptchorda- höhle. In den Wirbelkörpern ist das Chordagewebe noch reich- lich vertreten, aber zerstückelt; die Fragmente sind von einer fibrillären Grundsubstanz umgeben, welche, ebenso wie beim Kalb. den Kanal ausfüllt. In einigen Wirbeln dieses Exemplars durchläuft der Kanal auch das Verknöcherungscentrum, das in einer grossen intakten Knorpeltrabekel mitten zwischen den neugehildeten Knochenlamellen liegt. Lepus cuniculus. Beobachtung 86. Fötus: L. v. c. — 45,7 mm. Fixierung nach Flemming. In den Zwischenwirbelscheiben befindet sich das Chorda- gewebe in einer weiten ovalen, glatt abgegrenzten Höhle, mit querem Längsdurchmesser, welche mehr als die Hälfte des Volumens der ganzen knorpeligen Scheibe einnimmt. Diese Höhle ist durch keinerlei Grenzmembran umschrieben; die Grundsubstanz des Knorpels hört brüsk auf; die der Höhle am nächsten liegenden zwei bis drei Reihen von Knorpelzellen bestehen aus länglichen, konzentrisch zu denselben angeord- neten Elementen. Das Chordagewebe bildet keine einheitliche Masse. sondern eine bedeutende Anzahl von grossen Fragmenten von verschiedener Grösse und Form, die derart angeordnet sind. dass sie vorwiegend die Peripherie der Höhle einnehmen 398 ANGELO BRUNI, und hier nur einen kleinen Raum frei lassen. Die Fragmente schwimmen in einer unfärbbaren Flüssigkeit, in welcher man sonst nur wenige Fibrillentrümmer sieht. Sie bestehen aus gewöhnlicher protoplasmatischer Masse, mit zahlreichen Kernen und äusserst zahlreichen Vacuolen, die bald klein, bald so gross sind, dass sie weite geschlossene oder peripherwärls geöffnete Höhlen darstellen. Das Protoplasma ist körnig, dicht, mit spärlichen plasmatischen Fibrillen; infolge der Anr => ;- heit der Vacuolen erscheint es in Form eines Netzwerkes mil sehr unregelmässigen, bald dicken, bald fadendünnen Trabekeln. Die Kerne zeigen ein schönes Chromatinnetzwerk; man beob- achtet sowohl im Centrum wie an der Peripherie der Gewebs- anhäufungen mehrere Kerne, die in caryokinetischer Tätigkeit (Fig. 14 m) begriffen sind. In den Wirbelkörpern beobachtet man einen Chordakanal mit Grundsubstanz und Chordafrag- menten, welcher in den Verknöcherungscentren unterbrochen ist, ähnlich wie es beim Kalb der Fall ist. Beobachtung 87. Fötus: L. v. c. = 47,7 mm. Fixierung nach Zenker. Als Unterschied gegenüber dem vorigen Stadium beobachtet man in einigen der an der Peripherie liegenden Chordagewebs- fragmenten eine Verdichtung des Protoplasmas in der Um- gebung einiger Kerne und das Auftreten richtiger intercellularer Räume. Man sieht auch mehrere isolierte Chordazellen. Man beobachtet ferner in Carvokinese begriffene Kerne. Beobachtung 88. Fötus: L. v. c. = 52 mm. Fixierung nach Müller. Beobachtung 89. Fötus: L. v. c. — 53 mm. Fixierung nach Müller. Derselbe Befund wie bei dem vorigen Exemplar: die Chordahöhle in den Zwischenwirbelscheiben ist noch sehr weit und gut abgegrenzt. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 399 Cavia cobaja. Beobachtung 90. Fötus: L. v. c. = 40 mm. Fixierung nach Müller. Beobachtung 91. Fötus: L. v. c. = 41 mm. Fixierung nach Bouin. Derselbe Befund wie bei dem Kaninchen von 45,7 mm (Beobachtung 86); nur ist die Chordahöhle der Zwischenwirbel- scheibe etwas kleiner, jedoch immer noch sehr ansehnlich. Mus musculus und decumanus. Beobachtung 92. Fötus von Mus musculus. Lv.c. = 17 mm. Fixierung nach Mingazzini. Beobachtung 93. Fötus von Mus musculus. L.v.c. = 18 mm. Fixierung nach Mingazzini. In den Zwischenwirbelscheiben nimmt das Chordagewebe eine weite, gut abgegrenzte Höhle ein, welche es mit einer ein- heitlichen Masse gänzlich ausfüllt. Es besteht aus einem proto- plasmatischen Netzwerk mit bald dicken bald dünnen Trabekeln, deren Maschen aus den verschieden grossen Vacuolen gebildet sind. Das Protoplasma ist zart, mit körnig-fibrillärer Struktur, durchsetzt von grossen, rundlichen Kernen, die eine deutliche Membran und ein gut entwickeltes Chromatinnetz zeigen. So- wohl im Centrum wie an der Peripherie der Chorda beobachtet man caryokinetische Figuren in dem hohen Verhältnis von etwa 1 auf 10 Kerne. Man beobachtet keinen Unterschied zwischen der Struktur des centralen und derjenigen des peri- pheren Teiles des Organs. In den Wirbelkörpern ist das Chorda- gewebe sehr vermindert und in einem schmalen Kanal ent- halten, umgeben von einer ziemlich dicken Schicht von zellen- loser Grundsubstanz des umgebenden Knorpels. Wenn man vom Chordagewebe der Zwischenwirbelscheibe zu demjenigen des Chordakanals der Wirbelkörper übergeht, so sieht man, 400 ANGELO BRUNI, in dem Masse wie man nach dem Centrum der Wirbelkörper vorschreitet, dass zuerst die Vacuolen verschwinden, das Proto- plasma homogen wird und die Kerne pycnotisch werden; dann wandelt sich das Protoplasma in eine amorphe, der Knorpel- grundsubstanz ähnliche Masse um, in welcher man einige Köm- chen sieht, die durch die nucleären Farbstoffe diffus gefärbt werder. (Kernfragmente). Beobachtung 94. Fötus von Mus decumanus. L. v. e. — 22 mm. Fixierung nach Mingazzini. Beobachtung 95. Fötus von Mus decumanus. L. v. c. — 24 mm. Fixierung nach Mingazzini. Man beobachtet keine bedeutenden Unterschiede gegenüber den soeben beschriebenen Exemplaren, wenn man davon ab- sieht, dass die Chordahöhle der Zwischenwirbelscheibe etwas grösser und die Vacuolisierung des Chordagewebes etwas vor- geschrittener ist, so dass dieses dasselbe Aussehen hat, welches es gewöhnlich bei den Reptilien und den Vögeln nach vollendeter Vacuolisierung aufweist; viele Trabekeln des protoplasmati- schen Netzes sind derartig reduziert, dass sie im Längsschnitt wie homogene Fäden aussehen. In den Wirbelkörpern enthält der Chordakanal nur noch eine homogene amorphe, zellen- lose Masse, die mit der Grundsubstanz des Knorpels identisch und mit derselben gänzlich verschmolzen ist. Im Verknöche- rungscentrum unterbricht eine weite centrale Markhöhle den Kanal. | Beobachtung 96. Fötus von Mus musculus Lv.c. — 26 mm. Fixierung nach Mingazzini. Beobachtung 97. Fötus von Mus decumanus. L. v. ce. — 28 mm. Fixierung nach Mingazzini. Beobachtung 98. Fötus von Mus deeumanus. LE. v. c. — 31 mm. Fixierung nach Mingazzini. Derselbe Befund. Als Unterschied zwischen dem Mus musceulus und dem Mus decumanus beobachtet man Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 401 auch hier, wie bereits bei den Beobachtungen 92, 94, 95, dass bei der letzteren die Vacuolisierung des Gewebes verhältnis- mässig stärker ist und somit die Protoplasmatrabekeln zwischen den Vacuolen dünner sind. Mioxus glis Beobachtung 99. Fötus: L. v. c. = 37 mm. Fixierung in Formalin. Beobachtung 100. Fötus: L. v. c. = 50 mm. Fixierung in Formalin. Man beobachtet denselben Zustand wie bei den vorge- schritteneren Exemplaren von Mus decumanus; das Chorda- gewebe, welches eine grosse, in den meisten Höhlen der Zwischenwirbelscheiben enthaltene Masse bildet, besteht aus einem kernreichen Protoplasmanetzwerk mit dünnen Trabekeln, bei welchem die Maschen aus grossen und ziemlich regel- mässigen Vacuolen bestehen. Kelıs @eatus Beobachtung 101. Katze am ersten Tage nach der Geburt. Fixierung nach Zenker. Auch hier ist die Chordahöhle der Zwischenwirbelscheiben sehr weit und gut abgegrenzt. Das Chordagewebe, welches diese Höhle einnimmt, gleicht, indem es eine einheitliche Masse bildet, demjenigen des Mioxus. In den Wirbelkörpern sieht man in der Gegend ihrer knorpeligen Enden noch Spuren vom Chordakanal mit den gewöhnlichen Charakteren: Grundsubstanz von longitudinalen Fibrillen, ohne Zellen. Erinaceus europaeus. Beobachtung 102. Exemplar am 8. Tage nach der Ge- burt. Fixierung nach Flemming. 402 ANGELO BRUNI. Das Chordagewebe ist noch in grosser Menge vorhanden und zwar in einer besonderen, gut abgegrenzten Höhle in der Zwischenwirbelscheibe enthalten, welche so gross ist, dass das Gewebe der Scheibe nur einen dünnen Rahmen für sie bildet. In den Wirbelkörpern findet man, als Spuren der Chorda dor- salis und ihres Kanals, nur noch eine schmale Zone von zellen- loser Grundsubstanz in dem dünnen, nicht verknöcherten Ab- schnitt; man kann aber nicht mehr ihre Kontinuität mit der intervertebralen Höhle nachweisen, weil in der Nähe der Zwischenwirbelscheibe auch dieser Rest des Chordakanals in- folge der Anwesenheit von Knorpelzellen unkenntlich ge- worden ist. Das Chordagewebe kann, obwohl es einen geringen Grad von Retraktion aufweist, bequem untersucht werden. Es weist gegenüber demjenigen der bisher untersuchten Tiere mehrere bemerkenswerte Besonderheiten auf. Die sehr grossen Vacuolen sind voneinander durch sehr dünne Platten getrennt, welche, im Schnitt beobachtet, wie grosse homogene Fäden erscheinen. Mehrere dieser Platten zeigen eine Spur von Zweiteilung; in diesem Fall sieht man zwischen den beiden durch die Zwei- teilung entstandenen Blättern einen Raum oder häufiger eine zartere Substanz. Hie und da findet man an Stelle der dünnen Platter ziemlich dicke Protoplasmatrabekeln. Die abgeplatteten Kerne liegen an den Wänden der Vacuolen und zeigen die Charaktere vollkommener Lebensfähigkeit. Die Peripherie der Chorda ist charakterisiert durch eine Protoplasmaschicht, welche an den einzelnen Stellen verschiedene Dicke hat, jedoch stets ziemlich dünn ist, und in welchem die Vacuolen spärlich und klein sind. An dieser Schicht haftet eine granulös-fibrilläre Platte an, welche, in der Fläche gesehen, einfach körnig er- scheint, im Schnitt beobachtet hingegen ziemlich diek (2—4 u) und kontinuierlich erscheint, und eine Scheide zur Chorda bildet. Bei der Retraktion haftet sie vorzugsweise am Chorda- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 403 gewebe; sie kann jedoch auch an der Knorpelgrundsubstanz anliegen. An einigen Stellen stand sie isoliert. Homo sapıens. Beobachtung 103. Embryo: L. v. c. = 30,4 mm. (62. Tag nach Tourneaux.) Fixierung nach Flemming. Man beobachtet schon grosse spindelförmige intervertebrale Erweiterungen und bedeutende vertebrale Einschnürungen nicht nur des Kanals, sondern auch des Chordagewebes. In den Erweiterungen füllt das Chordagewebe die Höhlen nicht vollständig aus, sondern es bleibt zwischen dem Gewebe und den Wänden der Höhlen ein weiter Raum übrig. Das Gewebe hat unregelmässige Umrisse und besteht aus einem Netzwerk von granulös-fibrillärem Protoplasma mit sehr unregelmässigen Maschen. Ausser den Maschen dieses Netzwerkes, welche ver- hältnismässig kleinen Vacuolen entsprechen, beobachtet man einige grosse Höhlen von regelmässiger Form, mit scharfen Umrissen, gefüllt mit einer farblosen Substanz, die tropfen- und fadenförmige Detritus enthält. Die sehr scharfen Grenzen der intervertebralen Chordahöhle sind durch eine dünne Schicht von feinen, in der Längsrichtung verlaufenden kollagenen Fibrillen markiert. Diese Schicht setzt sich in dem Körper der benachbarten Wirbel fort, wo sie, in noch feinere Fibrillen (ähnlich denen der Knorpelgrundsubstanz, von denen sie sich durch die longitudinale Richtung und dadurch unterscheiden, dass sie zu einem dichten Bündel vereinigt sind) zerfallend, noch dicker wird und einen sehr schmalen Kanal abgrenzt. In dem Kanal beobachtet man Reste von entartetem Chorda- gewebe: es handelt sich hier meistens um Protoplasmastück- chen mit Kernfragmenten, umgeben und eingeschlossen von einer Grundsubstanz, welche einerseits enge Beziehungen zu der den Chordakanal auskleidenden Grundsubstanz hat, deren fibrilläre Struktur sie besitzt, und andererseits mit den Frag- 404 ANGELO BRUNI, menten von entartendem resp. entartetem (Gewebe eng zu- sammenhängt; man trifft in der Tat Protoplasmastücke an, welche sich an der Peripherie in derselben Weise wie die genannte Grundsubstanz färben. In den @Querschnitten der Wirbelkörper sieht man deutlich das enge Lumen des Chorda- kanals; die dicke Wand dieses letzteren unterscheidet sich von der Grundsubstanz des benachbarten Knorpels durch eine inten- sivere Färbbarkeit. Beobachtung 104. Fötus: L. v. c. = 55 mm. (75. Tag.) Fixierung nach Zenker. In den Wirbelkörpern ist der Befund unverändert. In den Zwischenwirbelscheiben ist das Chordagewebe umfangreicher geworden, während seine Struktur unverändert geblieben ist. Es sind nur die grossen Höhlen zahlreicher und grösser ge- worden. Die hauptsächlichen Änderungen betreffen die Chorda- höhlen der intervertebralen Scheiben, dieselben werden durch Vorsprünge und Einziehungen des umgebenden Bindegewebes sehr unregelmässig gestaltet. Die Höhlen sind jedoch stets durch eine dichte Fibrillenschicht deutlich abgegrenzt. Beobachtung 105. Fötus: L. v. c. = 60 mm. (2. Hälfte des 3. Mondmonats.) Fixierung nach Müller. Beobachtung 106. Fötus: L. v. c. = 70 mm. (Ende des 3. Mondmonats.) Fixierung nach Müller. Die wenigen Unterschiede gegenüber dem vorigen Exemplar hängen mit der begonnenen Verknöcherung zusammen und be- ziehen sich auf die vertebralen Segmente der Chorda. Zahl- reiche Kalkkörner haben die Wand des Chordakanals invadiert; dieser ist nun gänzlich von einer mit derjenigen der Wand identischen Substanz verstopft, in welcher Fragmente von ent- artetem Chordagewebe eingekapselt sind. Beobachtung 107. Fötus: L. v. c. = 90 mm. (1. Hälfte des 4. Mondmonats.) Fixierung nach Zenker. (Zwei Exemplare.) Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 405 ‘ In den Wirbelkörpern ist das entartete Chordagewebe noch spärlicher geworden, und der Chordakanal selbst erscheint nur noch wie ein Trabekel aus zellenloser Knorpelgrundsubstanz. Das Chordagewebe ist in den intervertebralen Erweiterungen reichlich vorhanden; diese letzteren haben eine unregelmässige Form, sind aber wie bei den vorher untersuchten Exemplaren scharf abgegrenzt. Die Vermehrung des Gewebes ist durch eine aktive Vermehrung der Kerne bedingt. Interessant ist ferner die Tatsache, dass man in der Umgebung einiger Kerne eine Verdichtung des gemeinen Protoplasmas beobachtet, so dass hie und da echte durch Protoplasmabrücken miteinander ver- bundene Zellen (Fig. 15) auftreten. Beobachtung 108. Fötus am Anfang des 5. Kalendermonats. Fixierung nach Zenker. Obwohl die allgemeine Entwicklung dieses Exemplars im Vergleich zu den vorigen sehr vorgeschritten ist, ergibt sich ein mit dem vorigen identischer Befund. Das Chordagewebe nimmt eine sehr grosse Höhle in den Zwischenwirbelscheiben ein, welche noch sehr glatt abgegrenzt ist. In bezug auf die Struktur des Gewebes bemerken wir, dass die Entstehung von cellularen Einheiten durch perinucleäre Verdichtung des Proto- plasmas stets auf einzelne Stellen beschränkt ist. Als neue Erscheinung ist eine geringere Vacuolisierung des Protoplasmas in einer dünnen peripherischen Schicht und die Bildung (in dieser weniger vacuolisierten Schicht) eines Häutchens (einige Zehntel u), welches eine dünne Scheide darstellt. Beobachtung 109. Fötus am Ende des 5. Kalendermonats. Fixierung nach Flemming. In den Zwischenwirbelscheiben beobachtet man eine weitere Zunahme des Volumens des Chordagewebes, welches jedoch nicht mehr eine einheitliche Masse bildet. Infolge der Vergrösserung und der Zersprengung der grossen Höhlen, die in den vorigen Stadien entstanden waren, ist das Gewebe ın 406 ANGELO BRUNI, eine Hauptmasse und mehrere an der Peripherie angeordnete Nebenmassen zerteilt. Es besitzt aber überall die Zeichen der Lebensfähigkeit und erscheint stets wie eine vacuolisierte, mit Kernen durchsetzte Protoplasmamasse (Fig. 16). Nur hie und da, besonders an der Peripherie und an den Stellen, wo am Rande grosser Höhlen das Protoplasma zu dünnen Trabekeln reduziert ist, beobachtet man die Entstehung von Zellenein- heiten; diese entstehen entweder durch perinucleäre Verdich- tung des Protoplasmas oder durch derartige plattenförmige Ver- dichtungen desselben, dass Zellengrenzen entstehen, ähnlich wie es in Fig. 13b dargestellt ist. Auch bei diesem Exemplar umgibt eine dünne Schicht von scheidenartig verdichtetem Protoplasma die Hauptmasse und die Nebenmassen des Chordagewebes. In den Wirbelkörpern beobachtet man eine Spur des Chordakanals in Form einer Trabekel von zellenloser Grund- substanz, welche sich vielleicht etwas intensiver als die Grund- substanz des umgebenden Knorpels färbt. Ich konnte sie nicht durch das Ossifikationscentrum hindurch verfolgen. Beobachtung 110. Fötus: L. v. c. = 230 mm. (5. Kalender- monat.) Fixierung nach Flemming. Man beobachtet beträchtliche Änderungen, welche nicht so sehr die Struktur des Chordagewebes, wenigstens wenn dieses in seiner Hauptmasse betrachtet wird, als vielmehr die Ent- wickelung der Nebenmassen und die Lage betreffen, welche diese letzteren gegenüber dem umgebenden Gewebe der Zwischenwirbelscheibe einnehmen. Eine dünne aber dichte und sehr deutliche Schicht von kollagenen Fibrillen begrenzt die grosse Chordahöhle, welche die Form einer Scheide hat und zwei kurze Ausläufer mitten in der cranialen resp. caudalen Fläche zeigt. Ausserhalb dieser Grenschichtt kann man zwischen dem Bindegewebe kleine Massen von Chordagewebe beobachten, welche sehr verschiedene Grösse haben, so dass Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 407 einige nur ein bis zwei Kerne, andere zehn und mehr von solchen einschliessen. Diese Massen liegen stellenweise in einer Höhle, welche, wie die Haupthöhle, durch eine Fibrillenschicht scharf von dem Bindegewebe der Zwischenwirbelscheibe ab- gegrenzt ist, oder sie liegen frei, ohne Abgrenzung, im Binde- gewebe. In den Massen sind die Erscheinungen der Zellen- individualisierung meistens vorgeschritten; in diesem Fall be- obachtet man eine Ansammlung von Zellen, welche sich von den umgebenden Bindegewebszellen durch ihre Form und be- sonders dadurch unterscheiden, dass der ganze Zellenhaufen von einer Membran umhüllt ist, welche nichts anderes als die dünne eigene Scheide ist, die wir bereits rings um die Chorda- massen in den vorigen Stadien gesehen haben. Man findet ferner viele frei Chordazellen mitten im Ge- webe: hier unterscheidet man sie bis zu einem gewissen Grade durch ihre von derjenigen der Bindegewebszellen verschiedene und mit derjenigen der Chordazellen identische Form. Ich hatte bereits in einer anderen Arbeit Gelegenheit, diese Ver- streuung von Chordazellen im umgebenden Gewebe zu be- schreiben (20. Fig. 14). In dem seitlichen Abschnitt der Hauptchordahöhle zer- teilt sich die Fibrillengrenzschicht nach dem Innern zu in den Fibrillen der Knorpelgrundsubstanz ähnliche Fibrillen, und bildet Kapseln, in welchen kleine Chordagewebsmassen ein- genistet sind. Der übrige, nicht mit Chordagewebe ausgefüllte Teil der Höhle ist farblos; daneben sieht man nur einzelne Körner oder grobe Fäden, welche offenbar Detritus und Koagu- lationsprodukte darstellen. Beobachtung 111. Fötus am Ende des 5. Monats. Fixierung nach Zenker. Bemerkenswert ist hier nur die Tatsache, dass man im lateralen Teil der grossen Chordahöhle eine Masse von echtem Knorpelgewebe findet, welche sich auch durch das Aussehen 408 ANGELO BRUNI, ihrer Zellen als solche erweist. Man kann nicht entscheiden, ob alle Zellen von Chordagewebe herstammen; von einigen kann man dies bestimmt behaupten, da man in einigen Kapseln noch kleine Anhäufungen von Chordagewebe mit vier bis fünf Kernen findet. Dort wo früher die Hauptmasse von Chordagewebe lag, befinden sich jetzt mehrere kleinere Massen. Beobachtung 112. Fötus im 6. Monat. Fixierung nach Aenker. Beobachtung 113. Fötus im 7. Monat. Fixierung nach Zemker. Die Verhältnisse sind unverändert. Die Hauptchordahöhle ist stets sehr weit; es bestehen jedoch im Bindegewebe des centralen Teiles der Zwischenwirbelscheibe zahlreiche kleine chordale Nebenhöhlen. Ich sehe der Kürze halber von der Beschreibung von vor- geschritteneren Föten und von wenige Monate alten Kindern ab, da man bei denselben keine bedeutenden Änderungen im Ver- gleich zu den soeben beschriebenen Befunden beobachtet. Ich schreite somit ohne weiteres zur Beschreibung des bei einem fünfjährigen Kinde, also bei dem ältesten der von mir unter- suchten Exemplare, erhaltenen Befundes. Beobachtung 114. Fünfjähriges Kind. Fixierung nach Lenker. In einigen queren und frontalen Schnitten der Zwischen- wirbelscheibe fand ich eine sehr weite, deutlich abgegrenzte, ringsum von Faserbündeln umgebene Chordahöhle, in welcher noch zahlreiche Chordagewebsmassen zu erkennen sind. Die- selben bestehen aus einem mit Kernen durchsätem Protoplasmä- netz, dessen Maschen grosse Vacuolen darstellen. In anderen Massen, in welchen das Gewebe sich in einem besseren Zu- stande befindet, lässt das Protoplasma noch einige Spuren seiner Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 409 früheren Struktur erkennen; es ist jedoch überall von Tropfen oder Klumpen einer Substanz von käsigem Aussehen durch- setzt, welche sich homogen färbt. Die Kerne färben sich ent- weder sehr intensiv und gleichmässig (Pycnose) oder erscheinen wie eine Menge von stark gefärbten, zu Haufen vereinigten (Fragmentierung) Körnchen. In vielen Chordagewebsmassen sind, besonders in ihrem Centrum, die Kerne über weiteStrecken des Gewebes verschwunden, und vom Protoplasma nur noch Trümmer übrig geblieben. Man beobachtet Haufen von Detritus, die noch die Form der früheren Chordagewebsmassen zeigen. Man findet ferner zwischen den mehr oder minder entarteten Chordagewebsmassen weitere Trümmer in Form von Fasern, von Netzen oder von Tropfen. Zusammenstellung der Resultate und Betrach- tungen über die Chorda der Amnioten. Über das Chordagewebe vor der Vacuolenbildung und über die Vacuolisierung der Chorda. Nur bei den Vögeln (Gallus domesticus) gelang es mir, die Chorda in einem Stadium anzutreffen, in welchem die Tacuolisierung eben erst begonnen hatte. Immerhin geht auch aus der Untersuchung der kleinsten Exemplare von Gongy- lus, die mir vorlagen und bei denen (Beobachtung 20) trotz der vorgeschrittenen Vacuolisierung die Zellengrenzen noch sichtabr waren, hervor, dass die Chorda dorsalis kurz nach ihrem Auftreten als selbständiges Organ aus stark in der cranio- caudalen Richtung abgeplatteten Zellen besteht, die geldrollen- artig aneinander gereiht sind, so dass sie in Längsschnitten das Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd. H. 2). Di 410 ANGELO BRUNI, Aussehen von Palisadenzellen haben. In genau senkrechten (uerschnitten ist es äusserst schwer, die Zellengrenzen zu ent- (lecken, weil unter das Auge des Beobachters sehr breite Zellen- oberflächen fallen, die vielleicht sogar den ganzen Querschnitt der Chorda einnehmen. In diesen Zellen sind die Kerne sehr regelmässig an der Peripherie angeordnet. Diese Feststellung vervollständigt die wenigen Angaben, welche v. Baer, Rambaud und Renault und W. Müller über die Anordnung der Chordazellen bei den Vögeln vor der Vacuolenbildung gemacht haben und bestätigt vor allem für Reptilien und Vögel das, was Williams bei verschiedenen Säugetieren nachgewiesen hat. Was die Struktur der Chordazellen in dem Stadium, mit dem wir uns hier beschäftigen, angeht, so habe ich nur das Vorhandensein langer Protoplasmafäden zu erwähnen, die senk- recht zur Längsachse der Chorda verlaufen (Beobachtung 19 bei Gongylus, Beobachtung 43 bei Gallus). Die Kerne sind durch eine sehr deutliche Kernmembran und einen oder mehrere Nucleoli charakterisiert. Die in diesem Stadium vor- wiegende Form der Kernteilung ist die indirekte. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass man zwischen den gewöhnlichen Chordazellen, bevor die Vacuolisierung beginnt und solange diese nur wenig vorgeschritten ist, andere Zellen antrifft, die wegen ihrer besonderen Färbbarkeit und auch wegen ihrer Form als für sich bestehende Elemente unterschieden werden müssen (Fig. 8 a). Unter Bezugnahme auf das, was ich bei Gelegenheit der Beobachtung 20 bei Gongylus und Beobachtung 41, 42, 43 bei Gallus beschrieben habe, muss ich erwähnen, dass diese Zellen vor allem durch eine grössere Dichtigkeit und Färbbäarkeit des Protoplasmas ausgezeichnet sind und ferner dadurch, dass sie einen lang gestreckten Kern, nicht selten in Stäbehenform, haben, der kleiner und leichter färbbar ist, als bei den anderen Zellen. Ferner zeigen diese Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 411 Zellen, besonders beim Huhn, in einem Längsschnitt betrachtet, Verzweigungen, mittels deren sie sich miteinander verbinden und anastomosieren. Beim Hühnerembryo in der 72. Bebrütungs- stunde (Beobachtung 43) bilden sie mit ihren Anastomosen ein wahres Netz, welches den anderen Zellen als Gerüst dient. In der Literatur habe ich keine Beschreibung dieser Elemente auffinden können; nur eine Annäherung kann man zwischen diesem meinen Befund und dem von Schauins- land bei den Holocephalen feststellen. Dieser Autor beob- achtete im Zeitpunkt der Vacuolisierung der Chorda neben den gewöhnlichen Kernen auch stärker gefärbte stäbchenförmige Kerne, von denen er annimmt, dass sie noch nicht vacuolisierten Zellen angehören oder, jedoch mit geringerer Wahscheinlich- keit, Zellen, die von den benachbarten Vacuolen zusammen- sedrückt sind. Da die von mir beschriebenen Elemente schon zu einer Zeit auftreten, wo die Vacuolisierung noch nicht in einem merkbaren Grade begonnen hat, und da sie anderseits selbst an der Vacuolisierung teilnehmen, so können sie weder nicht vacuolisierte Zellen noch zusammengedrückte Zellen sein. Ich halte sie für besondere Zellen, die wahrscheinlich die Funktion haben, den anderen Zellen als Stütze zu dienen. Bei den kleinsten Hühnerembryonen, die ich untersuchte, habe ich den Beginn der Vacuolisierung beobachten können. Vorwiegend im centralen Teil der Chorda beobachtet man, schon in der 42. Bebrütungsstunde (Beobachtung 41), zuerst eine Rarefaktion des Protoplasmas und auch das Auftreten wahrer kleiner Vacuolen. Dass viele dieser Vacuolen endo- cellular sind, ist unbestreitbar; der sicherste Beweis hierfür ist, dass sie sich im Innern der besonderen Stützzellen befinden können, deren Körper sehr deutlich hervortritt (im unteren Teil der Fig. 8); es lässt sich aber in keiner Weise feststellen, ob alle endocellular sind, denn, sobald im centralen Teil der Chorda die Rarefaktion des Zellprotoplasmas beginnt, ver- 27* 412 ANGELO BRUNI, schwinden dort die Zellengrenzen. Die Entwickelung der Vacuolen schreitet schnell nach der Peripherie vor, aber mit derselben Geschwindigkeit verschwinden auch vom Centrum nach der Peripherie zu die Zellengrenzen. Man kann deshalb bei Reptilien und Vögeln als allgemeine Regel ansehen, dass der Vacuolisierungsprozess der Chordazellen von einem Verschmelzungsprozess der Chorda- zellen zu einer syncytialen Masse begleitet ist. Dies steht im Gegensatz einerseits zu der von Dursy ver- tretenen Meinung, dass die Vacuolen intercellularen Ursprungs seien und andererseits zu der vonKoelliker vertretenen, dass sie ausschliesslich endocellular entstehen, bestätigt dagegen voll- ständig das, was Williams für die Säugetiere nachgewiesen hat: wier können daher annehmen, dass diese Regel für alle Amnitoen Gültigkeit habe. Nur die ersten Vacuolen bilden sich mit Vorliebe im mittleren Teil der Chorda; später entstehen sie sowohl bei den Reptilien wie bei den Vögeln unterschiedslos in der Mitte und an der Peripherie. Auch hinsichtlich der Grösse gibt es keinerlei Regelmässigkeit in der Anordnung; man beobachtet keinen Unterschied zwischen dem mittleren Teil und dem Um- fang der Chorda. Sobald die ersten Vacuolen sich gebildet haben, hört die regelmässige Anordnung der Kerne am Umfang des Organs auf: zahlreiche indirekte und sehr wahrscheinlich auch direkte Kernteilungen bewirken, dass die Kerne sich über die ganze Dicke des Gewebes zerstreuen. Zwischen je zwei Vacuolen bleiben anfangs ziemlich dicke protoplasmatische Trabekeln bestehen, in denen man bis in recht weit vorgeschrittenen Stadien plasmatische Fibrillen be- obachtet, die senkrecht zur Längsachse der Chorda stehen. Das Wachstum der Vacuolen reduziert viele dieser Trabekeln zu dünnen Scheidewänden von homogenem Aussehen, zur Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 413 selben Zeit bilden sich viele neue Vacuolen in anderen dickeren protoplasmatischen Trabekeln (Beobachtung 21). Ich will jetzt auf die Tatsache aufmerksam machen, dass während der Vacuolisierungsperiode sowohl bei den Reptilien wie bei den Vögeln im Innern der protoplasmatischen Trabekeln der centralen Teile der Chorda kleine Massen von wechselnder Form auftreten, als Tropfen, Schollen oder sternförmige Korpuskeln, mit kurzen Ausläufern aus einer Substanz, die sich immer in derselben ‚Weise färbt wie die Chordascheide. Welchen Wert und welche Bedeutung diese Tatsache, die wir später diskutieren werden, auch haben möge, auf alle Fälle ist ihre absolute Konstanz bei den Reptilien und Vögeln bemerkens- wert. Trotzdem erwähnt sie meines Wissens nur ein einziger Beobachter: Schauinsland, der diese Massen bei den Rep- tilien als kernförmige Teilchen beschrieb, die wahrscheinlich der Entartung von nicht vacuolisierten Zellen zuzuschreiben seien. In der Tat nehmen diese Massen im centralen Teil zu- weilen eine diffuse Kernfärbung an; ich will jedoch sogleich bemerken, dass dasselbe auch beim inneren Teil der Chorda- scheide stattfindet und dass man deshalb aus dieser Tatsache allein keine Schlüsse auf ihren Ursprung ziehen kann. In diesen Massen ist nichts, was an einen Kern erinnert, weder an einen normalen, noch an einen degenerierten. Über den gelatinösen Körper der Chorda. Wenn die Vacuolisierung vollendet ist, finden wir, dass bei den Reptilien, den Vögeln und den Säugetieren der Haupt- teil der Chorda aus einem Netz von gekerntem Protoplasma besteht, mit mehr oder weniger grossen Maschen, die von den Vacuolen gebildet werden, und mit mehr oder weniger dicken Trabekeln. Bei Gongylus und Lacerta sind die Trabekeln zu dünnen Scheidewänden reduziert, die sich im Schnitte ge- 414 ANGELO BRUNI, sehen als homogene Fasern darstellen, von der Fläche ge- sehen als Blättchen aus faserig granulösem Protoplasma. Bei Gallus tritt das Dünnerwerden der Trabekeln im allgemeinen in geringerem Grade ein, und überdies bestehen in dieser Hinsicht sehr bemerkenswerte individuelle Verschie- denheiten (Beobachtung 46, 47, 48). Die wichtigste Tatsache ist die, dass der gelatinöse Körper da, wo er in seinem ursprünglichen Zustand weiter besteht, während der ganzen Zeitdauer seines Bestehens keine Zwei- teilung der Wände zwischen den Vacuolen zeigt (Reptilien), oder eine solche erst spät aufweist (Säugetiere — Erinaceus europaeus am 8. Tage nach der Geburt. Beobachtung 102). Im allgemeinen konserviert sich in den intervertebralen Erweiterungen der Säugetiere, einschliesslich Mensch, das Chordagewebe lange Zeit mit durchaus lebenskräftigen Charak- teren. Bei den Säugetieren mit knorpeligem Nucleus pulposus (Nagetiere Fleischfresser, Insektenfresser) besteht es meistens als eine einzige grosse Masse weiter; bei den Säugetieren mit bindegewebigem Nucleus pulposus (Artiodactyla, Mensch) hal es eine etwas kürzere Dauer und zeigt die Tendenz, sich zu kleineren Massen zu zerstückeln und auch sich teilweise mit dem umliegenden (rewebe zu vermengen. Jedenfalls bewahrt der centrale Teil der Chordagewebsmassen gewöhnlich die Eigenschaften des gelatinösen Körpers der Chorda der niederen Amnioten. Als allgemeine Regel lässt sich sagen, dass die protoplasmatischen Trabekeln zwischen den Vacuolen dicker bleiben bei den Säugetieren mit bindegewebigem Nucleus pul- posus (Kalb, Schaf, Mensch), weniger dick bei denn mit knorpeligem Nucleus pulposus (Kaninchen, Meerschweinchen, Maus, Myoxus glis, Katze, Igel); jedoch auch bei diesen letzteren gibt es Unterschiede nicht nur unter den Tieren verschiedener Ordnungen, sondern auch ımter denen, die verschiedenen Species einer und derselben Gattung angehören. In der Tat Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 415 sind bei Mus decumanus die Trabekeln dünner als bei Mus musculus. Je dicker die protoplasmatischen Trabekeln bleiben, um so geringer ist die Deformation der ın ihnen ent- haltenen Kerne. Trotzdem, wie auch immer die Kerne des gelatinösen Körpers der Chorda durch den Zwang der Um- gebung nach Vollendung der Vacuolisierung in ihrer Form ver- ändert sein mögen, haben sie in der ganzen Reihe der Am- nioten lebensfähige Eigenschaften und bewahren dieselben nicht nur lange Zeit, sondern es finden sich, wenigstens bei den Vögeln und den Säugetieren, Caryokinesen auch in ziem- lich weit vorgeschrittenen Stadien. (Vgl. die Beobachtungen bei Gallus, aus denen hervorgeht, dass man solche während der ganzen Zeit findet, in der der gelatinöse Körper keine be- sonderen Veränderungen erleidet, sowie die Beobachtung 87 bei Lepus cuniculus.) Auch im Innern des gelatinösen Körpers der Chorda, wenn er sich gebildet hat, findet man nicht nur die Substanz- massen, die sich wie die Chordascheide färben, sondern sie nehmen noch an Zahl zu. Sie bleiben immer im centralen Teil der Chorda lokalisiert und haben die Tendenz, sich zu Stäb- chen zu verschmelzen. Wenn wir das, was ich hier in bezug auf den gelatinösen Körper der Chorda bei Reptilien, Vögeln und Säugetieren re- sümiert habe, mit dem vergleichen, was die verschiedenen Autoren in dieser Hinsicht gesagt haben, so sehen wir, dass ich der von Williams nur für die Säugetiere verfochtenen Meinung beitreten kann, dass es sich bei allen Amnioten um ein syncytiales protoplasmatisches Netz handelt, dessen Maschen durch die Vacuolen dargestellt werden, entgegen der fast all- gemein aufgenommenen Meinung, dass es sich vielmehr um Zellen mit serösem Inhalt und mit undeutlichen Grenzen handle. Nur bei dem schon erwähnten Exemplar von Igel (Beob. 102) habe ıch den Beginn einer Zweiteilung der Scheidewände 416 ANGELO BRUNI, zwischen den Vacuolen beobachten können, weshalb man an- nehmen kann, dass sicher bei diesem Insektenfresser, wahr- scheinlich auch bei anderen Säugetieren mit knorpeligem Nuc- leus pulposus, von denen mir keine hinreichend weit vorge- schrittenen Exemplare zur Verfügung standen, mit dem Fort- schreiten der Entwickelung der gelatinöse Körper der Chorda mit syneytialer Struktur sich in einen gelatinösen Körper mit Zellenstruktur verwandelt durch Rarefaktion des Protoplasmas im mittleren Teil der Trabekeln. Jede Zelle würde hierbei eine Vacuole umfassen. Über das Chordaepithel. Das, was man bei den Amnioten als Chordaepithel zu bezeichnen pflegt, entwickelt sich bei den Reptilien und den Vögeln unbedingt nur in geringem Masse. Bei den Reptilien, bei denen die protoplasmatischen Tra- bekeln sich auf dünne Scheidewände reduzieren, existieren als Vertreter des Chordaepithels nur einige protoplasmatische An- häufungen im peripherischen Teil des Organs (Beob. 22, Fig. 4 e.p.). Die protoplasmatischen Anhäufungen, die nicht zu einer zusammenhängenden Schicht vereinigt sind, weil viele Al- veolen des gelatinösen Körpers bis zur Berührung der Chorda- scheide vordringen, haben ganz und gar nicht die Üharaktere von Zelleneinheiten; sie sind nichts anderes als Abschnitte ddes gemeinsamen Symplasmas der Chorda, welche in Räumen liegen, die von der Chordascheide und den benachbarten Wänden von Alveolen begrenzt sind, welche letzteren bis zur Berührung der Scheide auseinander streben. Man beobachtet nicht die für die Anamnien charakteri- stische Tatsache, dass die peripherischen Vacuolen kleiner sind als die centralen, mit anderen Worten, das Chordaepithel Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 417 der Reptilien ist bis zu einem Grade reduziert, dass ihm das fehlt, was seine hauptsächlichste Funktion ausmachen sollte: für das Wachstum des gelatinösen Körpers zu sorgen. Dies hindert aber nicht, dass mit fortschreitender Entwickelung eın- zelne Vacuolen im Innern der kleinen Protoplasmaanhäufungen entstehen können, welche letzteren in diesem Falle, wenn auch nicht ihrer Funktion nach, so doch morphologisch, eine An- deutung des Chordaepithels darstellen. Bei Gallus liegen die Dinge nicht anders, bei den Exem- plaren, bei denen die protoplasmatischen Trabekeln des gela- tinösen Körpers dicker bleiben, kann man sogar nicht den ge- ringsten Unterschied zwischen der Randschicht und dem gela- tinösen Körper selbst entdecken. Bei den Exemplaren, deren Trabekeln dünn sind, sieht man unzusammenhängende Proto- plasmahäufchen, wie bei den Reptilien. Auch für die Säugetiere gilt die allgemeine Regel, dass die Entwickelung des Chordaepithels in umge- kehrten Verhältnis steht zwder Diiekeder proto- plasmatischen Trabekeln des gelatinösen Kör- pers. Da bei den meisten Säugetieren die Trabekeln eine wechselnde Dicke haben. aber immer ansehnlich und dicker sind als bei den Reptilien, so folgt daraus, dass man gewöhn- lich die Randschicht nicht durch besondere Charaktere vom Rest des Chordagewebes unterscheiden kann. Wenn aber die Septa zwischen den Vacuolen dünn sind, wie bei dem mehr- fach erwähnten Exemplar von Erinaceus (Beob. 102), dann findet man an der Peripherie der Chorda eine dünne, fast kon- tinuierliche Protoplasmaschicht, in der die Vacuolen sehr klein und spärlich sind. Morphologisch ist dies ein wahres Chorda- epithel. Beim Menschen beobachtet man in einem gewissen Entwickelungsstadium (Beginn des 5. Monats, Beob. 108) auch einen leichten Unterschied zwischen dem peripherischen Teil des Chordagewebes und dem centralen. Der peripherische Teil 418 ANGELO BRUNI, stellt sich wie eine dünne, wenig vacuolisierte Protoplasma- schicht dar. Eine Tatsache, die man sich gegenwärlig halten muss, ist die, dass bei den Amnioten das Chordaepithel nicht der einzige Sitz der Kernvermehrung ist. Wenn wir diese Daten mit dem vergleichen, was ich in den historischen Notizen anführte, so sehen wir, dass hinsichtlich der Reptilien diesbezügliche Notizen fehlen, bezüglich der Vögel wurde die geringe Dauer und Entwickelung des Epithels schon von W. Müller und von Koelliker erwähnt. Bezüg- lich der Säugetiere scheint es ziemlich allgemein als vorhanden angenommen zu sein, jedoch nur Williams beschreibt es als eine Protoplasmaschicht ohne unterscheidbare Zellen. Die anderen Autoren glaubten, es bestehe aus reihenweise ange- ordneten Zellen, die weniger differenziert sind als die Zellen des gelatinösen Körpers. Über die Chordascheide. Schon in den kleinsten der von mir untersuchten Em- bryonen des Huhns ist die Chorda gegen die umliegenden (e- webe scharf durch eine dünne Membran abgegrenzt. Wenn die Chordazellen noch nicht vacuolisiert sind, erscheint diese Membran wie ein häutiges Produkt der Aussenwand der Zellen selbst. Über diese Ursprungsart ist kein Zweifel möglich, denn jede Chordazelle (Beob. 41 und 42) zeigt nach der Aussen- seite des Organs hin einen schmalen häutigen Saum, der sich auch auf eine kurze Strecke längs der Grenze zwischen zwei benachbarten Zellen fortsetzt. Ferner stehen die plasmatischen Fasern in enger Beziehung zu diesem Häutchen, welches an- fangs lediglich als einfache Verdichtung des Protoplasmas er- scheint. dann aber seine Färbbarkeit modifiziert und die für koliagene Substanzen elektiven Farbstoffe aufnimmt. Sehr Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 419 bald teilt sich sowohl beim Huhn (Beob. 44), wie beim Gongy- lus (Beob. 19) und Lacerta (Beob. 31) die Scheide in zwei Blättehen, obwohl sie dabei sehr dünn bleibt. Von diesen blätt- chen nimmt das äussere, etwas dickere, die Färbbarkeitseigen- schaften der kollagenen Substanzen an und zeigt auch Spuren einer faserigen Struktur (Beob. 26); das innere äusserst dünne färbt sich vorwiegend mit den Kernfarbstoffen, speziell mit Eisenhämatoxylin nimmt es eine schwarze Farbe an. Mit dem Eintritt der Verknorpelung der Vertebralkörper tritt zu der häutigen Scheide der Chorda sowohl bei Gongylus wie beı Gallus (Beob. 24 und 48) eine neue Schicht hinzu, die ein- fach aus einem zellenlosen Blatt aus Grundsubstanz besteht, welche von den Geweben der Vertebralkörper und der inter- vertebralen Gelenken geliefert wird. Dies ist eine echte Cuticula sceleti. Auch bei Verwendung der gewöhnlichen Färbungen (Beob. 48) erscheint die Grenze zwischen den beiden Schichten verschiedenen Ursprungs deutlich. Besser tritt dies noch hervor mit den für elastische Fasern elektiven Farb- stoffen (Methode Weigert, Beob. 28 und 30): Die Grenze zwischen der häutigen Scheide und der Lamelle aus Grund- -substanz ist durch eine elastische Lamelle markiert (oder wenigstens durch ein Element, welches sich zu einer solchen entwickelt, wenn wir mit Bergfeldt annehmen, dass die tinktoriellen Eigenschaften vor den übrigen Eigenschaften des Elastins erscheinen). In derselben Weise reagiert dıe innere Lamelle der häutigen Scheide. Bei fortschreitender Entwicke- lung vermischen sich beim Huhn die beiden Teile der Chorda- scheide, d.h. diecehordalenUrsprungs und die skeleto- genen Ursprungs miteinander (Beob. 53) und die Ver- schmelzung wird immer inniger. Bei den Säugetieren habe ich keine Stadien verfolgen können, bei denen die Verknorpelung der Wirbelkörper noch nicht eingetreten war. Bei den mir zur Verfügung stehenden 420 ANGELO BRUNI, Exemplaren ist die Chordascheide skeletogenen Ursprungs stark entwickelt, in der Regel viel weniger die Scheide chordalen Ursprungs. Ferner ist zwischen dem Chordagewebe und der Scheide skeletogenen Ursprungs fast immer ein mehr oder weniger grosser Zwischenraum vorhanden. Ich erwähne in dieser Hinsicht, dass Hasse undSchwarck diesen Zwischen- raum einem Fixierungsfehler zuschrieben, während Froriep ihn als normal und auch im lebenden Zustande bestehend ansah. Dass es sich bisweilen tatsächlich um eine Retraktionswirkung des Chordagewebes handelt, wird durch die Tatsache bewiesen, dass die häutige Scheide, wenn sie existiert, meistens an der Chorda haftet, dass sie aber manchmal auch an der skeleto- genen Scheide haften kann, während das Chordagewebe sich von ihr entfernt. Die skeletogene Scheide wird stets aus der Grundsubstanz der benachbarten Gewebe des Wirbelkörpers und der Zwischen- wirbelscheibe gebildet. In den Zwischenwirbelscheiben der Säugetiere mit bindegewebigem Nucleus pulposus besteht sie aus kollagenen, in der Längsrichtung verlaufenden Fasern, die zu einer ziemlich dünnen, aber bemerkenswert d'chten Lamelle zusammengedrängt sind. Im Knorpel der Wirbelkörper besteht diese Scheide aus einer Schicht Grundsubstanz, die sich vom übrigen nicht nur dadurch unterscheidet, dass sie ohne Zellen ist, sondern wesentlich auch dadurch, dass sie die kollagenen, der knorpeligen Grundsubstanz eigentümlichen Fasern .besitzt, die in der Längsrichtung verlaufen als Fortsetzung derjenigen, aus denen die Scheide skeletogenen Ursprungs der Zwischen- wirbelscheibe besteht. Bei den Säugetieren mit knorpeliger Zwischenwirbelscheibe fehlt ein der skeletogenen Scheide ver- gleichbares Gebilde in den Scheiben, ist dagegen vorhanden in den Vertebralkörpern und mit denselben Eigenschaften aus- gestattel, welche sie bei den anderen Säugetieren aufweist. Ich mache hier gleich darauf aufmerksam, dass das, was ich Chordasehmerde skelevogenen, Ürsprunseisiınnenns den Wänden des Chordakanals Dursys entspricht. Wenn wir jetzt zu der Scheide chordalen Ursprungs über- gehen, d. h. zu der häutigen Scheide, so sehen wir, dass sie auch bei einigen Säugetieren, wenngleich stark reduziert und nicht konstant, vorhanden ist, wenigstens in den Entwickelungs- stadien, die mir zur Untersuchung vorlagen. Meistens dient die Aussenwand des Symplasmas, aus dem die Chorda dorsalis besteht, als häutige Scheide. Als ein Gebilde für sich tritt die häutige Scheide in einigen Chordagewebsmassen hervor, be- sonders wenn sich im Symplasma Zellenindividualitäten dilfe- renzieren. So findet man sie leicht beim Menschen (Beob. 110 u. ff.). Übrigens sind die von einigen älteren Autoren (vgl. historische Notizen) beschriebenen „mit Tochterzellen ange- füllten Mutterzellen“ zwischen den Überresten des Chorda- gewebes in den Zwischenwirbelscheiben beim Menschen und bei den Wiederkäuern nichts anderes als diese von einer häutigen Scheide umhüllten Chordagewebsanhäufungen. Fine gut entwickelte häutige Scheide, vergleichbar mit derjenigen der niederen Amnioten, habe ich bei Erinaceus (Beob. 102) be- obachten können, und eine etwas weniger gut entwickelte bei einem menschlichen Fötus im Anfang des 5. Monats (Beob. 108). Auf alle Fälle gilt die Regel, dass die Entwickelung der häutigen Chordascheide in direktem Ver- hältnis steht zur Entwickelung des Chordaepi- thels: Da bei allen Amnioten die Entwickelung des Chorda- epithels nur dürftig ist, so ist auch die häutige Scheide der Chorda immer dünn, um so dünner oder ganz abwesend, wo das Chordaepithel spärlich vorhanden ist oder fehlt. Auf Grund meiner Befunde bei den Reptilien kann ich der Ansicht der wenigen Autoren beipflichten, welche in dieser Wirbeltierklasse die Existenz einer in zwei Schichten geteilten häutigen Scheide der Chorda annehmen (Gegenbaur, 422 ANGELO BRUNI, Schauinsland, Howes und Swinnerton), füge aber hinzu, dass zu dieser Scheide chordalen Ursprungs eine andere von der skeletogenen Schicht abstammende hinzutritt. Die- selbe Tatsache habe ich bei den Vögeln beobachten können, bei denen die meisten Autoren eine einzige strukturlose Lamelie beschreiben, während Dursy ihre Existenz in Abrede stellt, und Koelliker annımmt, dass sie nach Eintritt der Ver- knorpelung nur durch die die Chorda umgebende zellenlose Grundsubstanzschicht dargestellt werde, d. h. durch das, was ich Scheide skeletogenen Ursprungs genannt habe. Hinsichtlich der Säugetiere erwähne ich, ohne mich bei den von den älteren Autoren gegebenen Beschreibungen des Chordakanals aufzuhalten, hier nur, dass Froriep, Weiss, Minot und Williams in den frühzeitigen Stadien vor der Verknorpelung der Vertebralkörper die Existenz einer dünnen häutigen Lamelle feststellen konnte. Ich erwähne ferner, dass Williams den Raum, der gewöhnlich zwischen dem Chorda- gewebe und dem umliegenden Gewebe der Skeletgebilde liegt, für eine schleimige Scheide hält. Ich habe mich nicht von der schleimigen Natur dieser Schicht überzeugen können, eben- sowenig wie von ler schleimigen Natur des Vacuoleninhalts, der, aus den Vacuolen austretend, eben die in Frage stehende Schicht bildet. Wenn man ihr trotzdem die Bedeutung einer Scheide zuschreiben will, so kann man sie für ein Homologes weder der häutigen Scheide chordalen Ursprungs, noch der. Scheide skeletogenen Ursprungs ansehen. Über den Chordastrang. Wenn wir uns an die Definition halten, so müssen wir unter dieser Benennung ein faseriges Band verstehen, welches den centralen Teil des gelatinösen Körpers der Chorda ein- nimmt. Keiner hat ihn bei den Amnioten beschrieben ausser Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 423 Schauinsland, der als Ansatz zu einem Strange besondere stäbchenförmige Gebilde von ziemlicher Länge betrachtet, die er bei Sphenodon angetroffen hat. Ich habe dagegen (re- legenheit gehabt, bei allen von mir untersuchten Reptilien Gongylus oc, Lacerta muralis, L. viridis) die Bil- dung eines echten Chordastranges festzustellen. Bei kongy- lus tritt diese Bildung sogar sehr frühzeitig ein. Noch ın der Periode, in der die Vertebralkörper knorpelig sind, beobachtet man im Chordagewebe eine ungleiche Anordnung der Kerne: sie sind reichlich vorhanden an der Peripherie und im axialen Teil des Organs, spärlich in dem dazwischenliegenden Teil (Beob. 22, Fig. 4). Bald danach, wenn in den Vertebralkörpern die Verknöcherung beginnt und in der Chorda die Bildung des Chordaknorpels, entsprechend dem Verknöcherungscentrum der Vertebralkörper, nehmen die Vacuolen desjenigen Teils der Chorda, der keine Veränderung erleidet und seine Kennzeichen als gelatinöse Körper unverändert beibehält, eine längliche (Ge- stalt an und ordnen sich in der Längsrichtung der Chorda an (Beob. 27). Bei Gongylus habe ich den Prozess nicht weiter verfolgen können. Immerhin ist es sicher, dass er den Beginn der Bildung eines wirklichen und echten Chordastranges an- zeig. Bei Lacerta scheint der Strang sich beträchtlich später zu bilden: Die Verknöcherung der Vertebralkörper ist schon weit vorgeschritten, ohne dass man die geringste Spur (es Stranges wahrnehmen könnte. Aber zur Zeit des Ausschlüp’ens aus dem Ei (Beob. 38 und 39) finden wir in dem Teil des gelatinösen Körpers der Chorda, der intakt bleibt, den Chorda- strang sehr gut entwickelt. Man sieht dann, dass er einfach durch eine starke Streckung der Vacuolen in der Längsrichtung der Chorda gegeben ist. Aber ausser dieser passiven Verände- rung, die offenbar durch den von den benachbarten Teilen ausgeübten Druck herbeigeführt wird, ist noch eine wichüge aktive Veränderung zu bemerken. Sie besteht in der Änderung 424 ANGELO BRUNI, der chemischen Eigenschaften: Die Wände dieser zusammen- gedrückten Vacuolen reagieren nicht mehr wie das Protoplasma, sondern färben sich wie die Grundsubstanz des Chordaknorpels, indem sie acidophil werden. Die Tatsache, dass man kurz vor dem Beginn der Ver- längerung der Vacuolen, die später zur Bildung des Stranges führt, an derselben Stelle eine Vermehrung der Kerne bemerkt, zeigt an, dass hier eine lebhaftere Tätigkeit des Gewebes vor- handen ist. Für diese verstärkte Tätigkeit haben wir einen anderen Beweis in der Tatsache, dass gerade hier die mehr- fach erwähnten Anhäufungen einer Substanz, die sich wie die Chordascheide färbt, reichlich zu finden sind. In dem Masse, wie sick der Chordastrang entwickelt, nimmt auch die Zahl dieser Anhäufungen zu, sowie ihre Tendenz, sich zu Stäb- chen zu verschmelzen, die zuweilen eine beträchtliche Länge erreichen (Beob. 26). Die Bildung dieser Stäbchen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit denen entsprechen, welche Schau- insland als Ansätze zum Chordastrang deutete, hat nichts mit diesem Strang zu tun: ihre Entwickelung erfolgt unab- hängig von demselben, und andererseits existieren sie auch und sind ebenso gut entwickelt bei Gallus, bei welchem man in keinem Entwickelungsstadium ein Gebilde antrifft, welches sich mit dem Chordastrange vergleichen liesse. Auch bei den Säugetieren ist nichts vorhanden, was sich mit dem Chordastrang vergleichen liesse. Über den Chordaknorpel und andere Modifikationen des Chordagewebes. Bei den von mir untersuchten Reptilien erscheint zur Zeit der Verknöcherung der Vertebralkörper immer der sogenannte Chordaknorpel und bildet eine vollständige Scheidewand im centralen Teil der Vertebralkörper in der Höhe, in der sich die Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 425 Markhöhlen befinden. Die hauptsächlichsten Erscheinungen, die man während der Bildung des Chordaknorpels beobachtet, sind folgende. Man sieht zuerst eine mehr oder weniger starke Dickenzunahme der protoplasmatischen Trabekeln, welche die Vacuolen voneinander trennen, und im mittleren Teil derselben das Auftreten einer Substanz, die eine beträchtliche Acidophilie und andere Eigentümlichkeiten der knorpeligen Grundsubstanz besitzt. Die Bildung dieser Substanz erfolgt durch einfache Metaplasie des Protoplasmas und beginnt gleichzeitig an mehreren Stellen, regellos in den peripherischen und centralen Teilen der Chorda (Beob. 27). Während die Grundsubstanz des Chordaknorpels in ihrer Entwickelung fortschreitet, und sich an die häutige Scheide der Chorda anheftet, mit der sie bereits ähnliche tinktorielle Eigenschaften besitzt und sich mit ıhr ver- mischt, setzt sich die Vermehrung des Protoplasmas auf Kosten der Vacuolen fort (Beob. 29, 30 und 32); diese letzteren werden nach und nach vollständig durch ein protoplasmaltisches Ge- flecht ersetzt, welches anfangs äusserst zart ist, aber später dichter wird. In der Regel erfolgt die Produktion von Grund- substanz im Innern des Symplasmas, aus welchem das Chorda- gewebe besteht, in der Weise, dass sie ein einen Kern und eine Vacuole enthaltendes Stück Protoplasma einhüllt, deshalb- ist dieser Prozess völlig gleichbedeutend mit dem, der nach der nunmehr fast allgemein angenommenen Ansicht bei der Bildung des gewöhnlichen Knorpelgewebes aus einem Syn- cytium mesenchymaler Elemente vor sich geht. Nur eine leichte und nicht wesentliche Komplikation besteht in der Gegenwart der Vacuolen, die während des Prozesses schnell kleiner werden. Hieraus und aus dem, was ich schon bei Gelegenheit der Be- obachtung 32 auseinandergesetzt und in Figur 6 dargestellt habe, ergibt sich offenbar die Richtigkeit der diesbezüglichen Beobachtungen und Deutungen Gegenbaurs. Er behauptete, dass die Chordazellen des gelatinösen Körpers die Grundsub- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd. H. 2). 28 426 ANGELO BRUNI, stanz erzeugen. Und so verhält es sich wirklich, nur, dass man in dem Augenblick, wo sich bei den Reptilien der Chorda- knorpel bildet, nicht von Chordazellen sprechen kann, sondern nur von einem chordalen Syncytium, und dass es daher an- gemessener erscheint, zu sagen, die Grundsubstanz bilde sich durch Umwandlung des Symplasmas an bestimmten Stellen in der Weise, dass daraus die gleichzeitige Bildung von Zell- einheiten erfolge. In der Tat kann man im Chordagewebe der Reptilien erst Zellen unterscheiden, nachdem sich die Grund- substanz des Chordaknorpels gebildet hat. Wenn wir die Nomenklatur von Mall und von Studnicka annehmen, so können wir die Grundsubstanz Ectoplasma, und die Zellen Endoplasma nennen. Abgesehen von dieser geringfügigen Berichtigung der Ausdrucksweise, bedingt durch die ver- schiedene Art, die Konstitution des gelatinösen Körpers der Chorda aufzufassen, die nach Gegenbaur cellular, nach meinen Untersuchungen syneytial ist, glaube ich die Meinung (les genannten Forschers vollauf bestätigen zu können. Die Möglichkeit, dass bei den Reptilien der Chordaknorpel durch Einwanderung von Knorpelzellen aus dem benachbarten skeletogenen Gewebe sich bilde, kann nicht zugegeben werden wegen der vollkommenen und absoluten Unverletztheit der Chordascheide, die man bei gut fixierten Exemplaren beob- achtet 1). Einen indirekten Beweis für die Nichtexistenz einer !) Als gegenwärtige Arbeit bereits dem Übersetzer zugesandt worden war, er- schien eine solche von Georgi(45b), in welcher Verf. berichtet, dass er in früh- zeitigen Entwickelungsperioden die Bildung desChordaepithels ausmesenchymalen Zellen beobachtet habe, die durch Lücken in der Elastica externa eingewandert waren. AufGrund dieser Beobachtungen, die er selbst jedoch mit einigem Vorbehalt mitteilt, weist er nach, welche Bedeutung eine Theorie über den mesodermischen Ursprung des Chordaepithels haben kann, um die Entstehung der Chordascheiden und speziell des Chordaknorpels zu erklären. Meine Untersuchungen bei den Amnioten berechtigen mich nicht, die tatsächlichen Feststellungen des Autors zu bestätigen, im Gegenteil ist eine der wichtigsten Schlussfolgerungen, zu denen ich gelangt bin, sogar gerade die, dass man in keinem Entwickelungs- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 427 Einwanderung mesenchymaler Zellen hat man ferner in der Tatsache, dass in der Gegend des Chordaknorpels der Chorda- strang fehlt, der dagegen in den benachbarten Portionen der Chorda vorhanden ist, wo die ursprünglichen Eigenschaften des gelatinösen Körpers bewahrt sind. Nach den Autoren, welche die Einwanderung von Knorpelelementen aus dem um- liegenden Gewebe annehmen, soll das Chordagewebe von dem sich bildenden Knorpel zusammengedrückt und zu einem Strang reduziert werden. Auch die erst kürzlich (1910) von Schaffer verfochtene Meinung, dass nur indifferente Elemente der Chorda imstande seien, den Chordaknorpel zu bilden, findet keinerlei Unter- stützung. Auch abgesehen von der Erwägung, dass mir bei der Untersuchung einer Reihe von Embryonen in ziemlich nahe beieinander liegenden Entwickelungsstadien eine solche Tat- sache schwerlich hätte entgehen können, sind einige positive Feststellungen in Betracht zu ziehen, die sie ausschliessen. Vor allem die, dass die Grundsubstanz bei ihrem ersten Aul- treten einfach eine dünne Protoplasmaschicht darstellt, die ihre Reaktionen geändert hat und so angeordnei ist, dass sie eine Spaltung der Wand zwischen zwei Vacuolen herbeiführt. Das bedeutet, dass der Prozess direkt in dem schon vacuolisierten. Chordagewebe seinen Anfang nehmen kann. Als weniger er- schöpfende Beweise könnte ich noch die äusserst dürflige Ent- wickelung des Chordaepithels anführen, eine Entwickelung, die nicht merklicher wird, bevor die Verknorpelung beginnt, sowie die Tatsache, dass ich niemals die Gegenwart indifferenter Ele- mente in dem schon vacuolisierten Chordagewebe habe nach- weisen können. Auch die von Götte und Schauinsland bemerkte Tat- stadium einen irgendwie wesentlichen Unterschied zwischen dem Chorda- epithel und dem eigentlichen Chordagewebe (Urchorda nach der Benennungs- weise Georgis) feststellen kann. 28* 428 ANGELO BRUNI, sache, dass bei den Reptilien die Bildung des Chordaknorpels vom Chordaepithel ausgeht, war bei den von mir studierten Exemplaren nicht nachweisbar: ich habe nur bemerkt, dass der Prozess an der Peripherie etwas schneller fortschreitet, besonders in bezug auf die Ersetzung der Vacuolen durch Proto- plasma. Beim Huhn habe ich gefunden, dass nicht nur ein verte- braler Abschnitt des Chordagewebes, sondern die ganze Chorda knorpelig wird, sowohl in den vertebralen, wie in den inter- vertebralen Portionen (Beob. 54 und 57). Obwohl keine wesentlichen Verschiedenheiten in der Bil- dung des Chordaknorpels bei Vögeln (Gallus) und Reptilien bestehen, so verdienen doch einige Eigentümlichkeiten hervor- gehoben zu werden. Die wichtigste ist die, dass beim Huhn eine starke Vermehrung des syncytialen Protoplasmas auf Kosten der Vacuolen vorliegt und eine ausgesprochene Ten- denz, Zelleinheiten zu bilden, ehe die Grundsubstanz erscheint. Die Zellenindividualitäten bilden sich entweder durch peri- nucleare Verdichtung des syneytialen Protoplasmas, oder durch das Auftreten von Zwischenräumen rings um einen mit einem Kern und zuweilen auch mit einer Vacuole ausgestatteten Protoplasmaabschnitt. Fast gleichzeitig bilden sich jedoch dünne Septa von Grundsubstanz. Während jedoch bei den Rep- tilier. dieses Auftreten gleichzeitig an verschiedenen Punkten des Chordagewebes erfolgt, beginnt es hier (beim Huhn) nur im Zusammenhang mit der Chordascheide, an der Peripherie, und im Zusammenhang mit den aus der Verschmelzung der acıdophilen Substanzmassen hervorgegangenen Stäbchen im Centrum. Aber auch hier sind die Septen aus Grundsubstanz als eine einfache Umwandlung des Protoplasmas aufzufassen, wie übrigens auch die häutige Scheide und die axialen Stäb- chen, von denen die Septa ausgehen, nur einfache Modi- fikationen des Protoplasmas sind. Bei dieser (relegenheit muss Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 429 ich bemerken, dass ich gerade beim Huhn den Ursprung der Massen, die durch ihre Vereinigung die axialen Stäbchen bilden, habe beobachten können. Ich verweise in dieser Be- ziehung den Leser auf die 46. Beobachtung, durch welche nach- gewiesen wurde, dass es sich einfach um eine Änderung der tinktoriellen Eigenschaften des Protoplasmas handelt. Diese Massen sind um so dichter, je frühzeitiger sie sich bilden: manchmal unterscheiden sie sich noch eben durch ihre grössere Dichtigkeit inmitten der neugebildeten Grundsubstanz des Chordaknorpels, der sich in derselben Weise färbt. In den Intervertebralgegenden schreitet der Verknorpelungsprozess im Verhältnis zu dem engeren Raum, in dem er sich wegen der an dieser Stelle vorhandenen Einschnürung der Chorda abspielen muss, schneller fort. Das Verschwinden der Vacuolen ist hier schnell und vollständig, wogegen es in den Vertebralkörpern, wo dem Chordagewebe ein grösserer Raum zur Verfügung steht, niemals vollständig ist. Ferner tritt in den Intervertebralgebieten, wo die Chorda durch das sogenannte Ligamentum suspen- sorium nach Jäger hindurchtritt, im Augenblick des Aus- schlüpfens aus dem Ei (Beob. 56 und 57) eine besondere Ver- änderung der Grundsubstanz des Chordaknorpels ein, wodurch sie faserig wird mit längsgerichteten Fasern, während die Zellen degenerative Eigenschaften annehmen. Bei den Säugetieren stellen sich Erscheinungen ein, die bis zu einem gewissen Punkt mit der Umwandlung in Knorpel vergleichbar sind; doch treten sie nicht konstant, in jedem Falle in beschränktem Masse und erst in späteren Entwickelungsstadien auf. Bei vielen Säugetieren findet man dagegen andere ein- greifende Veränderungen des gelatinösen Körpers. Eine Ver- änderung, die man bei verschiedenen von mir untersuchten Säugetierspecies antrifft, besteht in der Zerstückelung des Chordagewebes, welches in grösserer oder geringerer, aber immer beträchtlicher Menge in den intervertebralen Auswei- 430 ANGELO BRUNI, tungen bestehen bleibt. Man beobachtet sie beim Kalb (Beoh. 68 u. ff.) beim Schaf (Beob. 85), beim Kaninchen (Beob. 86), beim Meerschweinchen (Beob. 90) und beim Menschen (Beob. 109); sie fehlt jedoch, soviel aus meinen Beobactungen hervor- geht, bei der Maus, dem Myoxus, der Katze, dem Igel. Sie ist durch die Tatsache bedingt, dass sich in der anfangs eın- heitlichen Chordamasse, welche die intervertebrale Erweiterung ausmacht, ausser den gewöhnlichen charakteristischen Vacuolen andere grössere Höhlungen bilden, die bei ihrem Wachstum sich schliesslich nach aussen öffnen und die einheitliche Masse des Chordagewebes in eine Anzahl kleinerer Massen von den verschiedenartigsten Formen zerteilen. Je nach dem Entwicke- lungsgrade, und vielleicht auch dem Individuum, kann man, oder auch nicht, eine Hauptmasse und kleinere, rings um die erstere angeordnete Nebenmassen unterscheiden. Gleichzeitig mit dieser Erscheinung, oder wenig späfer, bemerkt man bei den eben erwähnten Säugetieren eine andere: Das Protoplasma nimmt an Volumen und Dichtigkeit zu, zum Nachteil der Vacuolen, die kleiner werden oder auch ver- schwinden. Dies tritt jedoch gewöhnlich nur hier und da in einigen der kleineren Fragmente des Chordagewebes ein, oder an einigen, meist peripherisch gelegenen Stellen der grösseren Fragmente. Die Erscheinung ist meistens von der Individuali- sierung von Zellen im Innern des Chordasymplasmas begleitel. Die Zellen bilden sich aus dem Symplasma auf zweierlei Art: entweder erscheinen dünne, lamellenartige Verdickungen desselben, die so angeordnet sind, dass sie Zellräume ab- grenzen (Fig. 13, Beob. 77 beim Kalb); oder sie bilden sich durch Verdichtung des Symplasma um die Kerne und Ver- dünnung an den Grenzen zwischen den neuen Zellen (Fig. 19, Beob. 107 beim Menschen). Diese beiden Bildungsarten können gleichzeitig nebeneinander vorkommen. Das, was die Erschei- nung der Zellenindividualisierung in der Chorda der Säugetiere Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 431 von der entsprechenden Erscheinung in der Chorda der anderen Amnioten unterscheidet, besteht darin, dass bei ersteren die Individualisierung rn der Weise vor sich geht, dass aus der neuen Zelle die Vaceuolen ausge- schlossen bleiben. Gleichzeitig kann man, besonders beim Ochsen und beim Menschen, beobachten, dass Chordazellen sich isolieren und in der Chordahöhle der Zwischenwirbelscheibe frei werden, oder, und zwar häufiger, in die Grundsubstanz der Zwischen- wirbelscheibe übertreten. Hier nehmen sie infolge der Art ihrer Einnistung in die Grundsubstanz das Aussehen von Knorpel- zellen an. Indessen kann man trotz dieses Aussehens nicht von einer Verknorpelung der Chordazellen sprechen, denn hier ist die Grundsubstanz, die den hauptsächlichsten Charakter der Verknorpelung ausmacht, von einem anderen Gewebe nur ge- borgt. Dem Verknorpelungsprozess der Chorda, wie wir ihn bei Reptilien und Vögeln gesehen haben, ist eher vergleichbar das, was wir beim Ochsenfötus von 495 mm (Beob. 83) gesehen haben. Hier konnten wir die direkte Umwandlung des Chorda- gewebes in Blöcke einer Substanz beobachten, die der Knorpel- grundsubstanz sehr ähnlich ist. Der wesentliche Unterschied zwischen diesem Chordaknorpel, wenn wir ihn so nennen wollen, und dem bei den Reptilien und den Vögeln besteht: 1. darin, dass er durch die Umwandlung nicht eines inter- cellular werdenden Teiles des Protoplasmas, sondern einer ganzen Strecke des Chordagewebes, Kerne einbegriffen, besteht; 2. darin, dass er sich nicht bildet, wenn das Chordagewebe in voller Tätigkeit ist (im Chordaknorpel des Huhns finden sich zahlreiche Caryokinesen), sondern wenn das Gewebe anfängt, deutliche Anzeichen von Entartung aufzuweisen. Wenn wir das, was ich soeben über die besonderen Ver- änderungen des Chordagewebes bei den Säugetieren gesagt 432 ANGELO BRUNI, habe, mit dem vergleichen, was ich in dieser Hinsicht in den historischen Notizen referiert habe, so sehen wir, dass der allzu nahe Vergleich, den viele Autoren zwischen den Chordazellen der Säugetiere und den Knorpelzellen aufstellen woilten, etwas übertrieben ist. Ein Chordaknorpel im engsten Sinne des Wortes wenn er überhaupt existiert, findet sich nur bei einigen Säugetieren (beim Hund nach Williams), sicher nicht bei allen. Wenn übrigens dieser Berührungspunkt mit den beiden niederen Klassen der Amnioten auch fehlt, so haben wir einen anderen, nicht minder wichtigen, in der Tendenz zur Isolierung individualisierter Zellen im Chordasyneytium, die wir bei den Säugetieren wie bei den Vögeln beobachten. Uber die Art des Verschwindens der Chorda dorsalis. : Unter den Reptilien habe ich nur bei Lacerta einige der Rückbildungserscheinungen der Chorda dorsalis, die ihrem Verschwinden vorhergehen, verfolgen können. Zur Zeit des Ausschlüpfens aus dem Ei (Beob. 38 und 39) nımmt das zum Teil in Knorpel umgewandelte Chordagewebe eine grosse Höhlung des Wirbelkörpers ein und hat noch vitale Kigen- schaften; in den intervertebralen Einschnürungen dagegen ist es in einen schmalen Spalt eingezwängt und weitgehend ver- ändert. Beim Übergang aus der Vertebralhöhle zum interverlie- bralen Spalt sieht man, wie die Wände der Vacuolen zusammen- fallen und zerschmelzen, in der Gegend des Spaltes ıst das Chordagewebe auf eine dichte homogene Anhäufung von Proto- plasma von käsigem Aussehen reduziert mit der Tendenz, sich in mit pyknotischen Kernen durchsetzte Schollen zu zerteilen. Die Chordascheide bleibt bestehen; besonders gut erscheint bei starker Vergrösserung die, wahrscheinlich elastische, Lamelle, welche in den weniger vorgeschrittenen Stadien den Teil chordalen Ursprungs von demjenigen skeletogenen Ur- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda doısalis etc. 433 sprungs trennt. Infolge des beschränkten Raumes ist sie in charakteristischer Weise gefältelt und besteht beim ausge- wachsenen Tier, wenn jede andere Spur des Chordagewebes verschwunden ist, allein weiter inmitten des Gelenkknorpels der Wirbelkörperenden. { Das Verschwinden des vertebralen Teiles der Chorda habe ich nicht verfolgen können. Was den intervertebralen Teil an- belangt, so ist bei der jungen Lacerta (Beob. 40), auf die sich Fig. 7 bezieht, alles, was im Innern der gefältelten Lamelle liegt (e, e), in eine mit der umgebenden Knorpelgrundsubstanz indentische Substanz umgewandelt, und die Lamella selbst bildet nicht mehr einen geschlossenen Ring, sondern ist unter- brochen. Bei den Vögeln, wenigstens beim Huhn, verschwindet die Chorda dorsalis frühzeitiger, und ich konnte den Vorgang des- halb bequem verfolgen. Es ist schon erwähnt worden, dass zur Zeit der Verknöcherung der Vertebralkörper das Chorda- gewebe knorpelartig wird, sowohl in der Gegend der Vertebral- körper selbst, als in der Gegend der intervertebralen (Gebilde. Beim Fortschreiten des Verknöcherungsprozesses wird auch die Knorpelhülle von demselben ergriffen, die bekanntlich die Chorda eine gewisse Zeit lang in unveränderiem Zustand um- gibt. Es bilden sich so Unterbrechungen in dieser knorpeligen Hülle und in der Chordascheide und es kommen Elemente des Marks in direkte Berührung mit dem Chordaknorpel (Beob. 54). Während der perichordale Knorpel und die Chordascheide durch Knochenlamellen ersetzt werden, nisten sich grosse mehrkernige Elemente, Osteoklasten vergleichbar und identisch mit den- jenigen, welche die Bildung der ersten Markhöhlen des Verie- bralkörpers herbeiführen, in den Chordaknorpel ein und zer- stören ihn. Die Zerstörung schreitet schnell fort, die Stelle des zerstörten Chordagewebes wird von Knochenmark einge- nommen welches bald die gewöhnlichen Eigenschaften des 434 ANGELO BRUNI, roten Marks annimmt. Die Schnelligkeit, mit der dieser Prozess vor sich geht, ist so gross, dass man die Chorda auch an den Enden des Vertebralkörpers durch Mark ersetzi findet, wo auf der Aussenseite noch unverändertes Knorpelgewebe vor- hander: ist. Gleichzeitig wird die Chordascheide von innen in eine sehr regelmässige Knochenlamelle verwandelt und man bekommt das sonderbare Bild, welches in Fig. 12 dargestellt ist und auch schon von Koelliker bei den Bussarts bemerkt wurde In dem Ligamentum suspensorium der Wirbel des kaum aus dem Ei geschlüpften Kükens existiert das Chordagewebe noch und hat das Aussehen eines Knorpels mit faseriger Grund- substanz, doch zeigen die Zellen Entartungserscheinungen. Die Chorda der Vögel verschwindet also zuerst in den vertebralen Teilen oder verschwindet durch einen Prozess gleich dem, durch welchen der Knorpel des Vertebralkörpers während der Bildung der ersten Markhöhlen verschwindet. So wie in den ersten Markhöhlen der endochondralen Verknöcherung 1n- mitten des Marks Knorpelzellen zurückbleiben, so bleiben hier kleine Fetzen des Chordaknorpels zurück, die bald Entartungs- prozessen unterliegen. Es muss jedoch bemerkt werden, dass in dem Zeitpunkt, in dem das Mark in den Chordaknorpel ein- dringt, dieser letztere noch deutliche Charaktere der Lebens- [fähigkeit besitzt. Für die Säugetiere ist die Tatsache charakterisiisch, dass der vertebrale Teil schnell und bei allen in derselben Weise verschwindet. Nach der Ansicht einiger Autoren (Löwe, Koelliker, Bardeen, Williams) wird die Chorda in die Zwischenwirbelscheiben durch den von den Vertebral- körpert. ausgeübten Druck zurückgedrängt, wenn diese letzteren sich verknorpeln. Aber das hat nur den Wert einer Hypothese gegenüber zwei Tatsachen: 1. im Anfang hat die Chorda, wie bei den übrigen Vertebraten, in ihrem ganzen Verlauf ein gleich- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 435 förmiges Kaliber; 2. in dem Zeitpunkt, in dem die vertebralen Erweiterungen entstehen, findet man eine so grosse Zahl von Caryokinesen (im Mittel eine auf je zehn Kerne, Beob. 92), dass sie zur Erklärung der gewebsvermehrung an dieser Stelle und der Entstehung der Ausweitungen ausreichen. Der Teil des Chordagewebes, welcher in den Wirbelkörpern übrig bleibt, zerfällt in Stücke und entartet, während die Chorda- scheide skeletogenen Ursprungs in die freigelassenen Räume eindringt und die Reste der Chorda einhüllt. Wenn diese ver- schwunden sind, füllt sie allein den Chordakanal aus, wobei sie sick immer mehr mit der Knorpelgrundsubstanz der Verte- bralkörper vermischt, aber lange Zeit frei von Zellen bleibt. Kleine Unterschiede in der Schnelligkeit des Prozesses kann man von Species zu Species oder auch von Individuum zu In- dividuum beobachten, und besonders auch in der Art, wie sich die Chordascheide skeletogenen Ursprungs hinsichtlich der Verknöcherung verhält. Sehr häufig verknöchert diese Scheide später, obwohl sie in allen den anderen knorpeligen Trabekeln. ähnlich ist (Ochse, Beob. 73; Schaf, Beob. 85). Was die zum Verschwinden des Chordagewebes in den Vertebralgebieten führenden Prozesse anbelangt, so bestehen sie in der Zerstückelung und degenerativen Umwandlung des Proto- plasmas und der Kerne. Ich verweise in dieser Beziehung auf das, was ich bei Gelegenheit der Beobachtung 93 bei Mus musculus und der Beobachtung 103 beim Menschen be- schrieben habe. Die Vacuolen verschwinden, das Protoplasma wird homogen, die Kerne werden pyknotisch und zerfallen, wie das Protoplasma, in kleine Stücke. Es verdient Beachtung, dass wir als letztes Entartungsprodukt des Protoplasmas eine Substanz finden, die sich nahezu wie die die Wand des Chorla- kanals bildende Scheide färbt. Die Tatsache, dass sich beim Fortschreiten der Entwicke- lung im Vertebralkörper der Säugetiere an Stelle der Chorda 436 ANGELO BRUNI, eine Trabekel aus Grundsubstanz befindet, ähnlich der knor- peligen, ohne Zellen und längsgestreift, ist seit langer Zeit bekannt. Hinsichtlich der Degeneration des Chordagewebes be- stätigen meine Befunde vollauf diejenigen Williams. Be- kanntlich beschrieben Koelliker und Salvı die Bildung eines echten Chordaknorpels im Vertebralkörper des Schals. Tatsächlich haben nicht nur beim Schaf, sondern bei allen Säugetieren, die kleinen Chordagewebsfragmente, welche in die Grundsubstanz eingekapselt sind, aus der die von mir so be- nannte Scheide skeletogenen Ursprungs besteht, wirklich das Aussehen von Knorpelelementen. Diese Ähnlich- keit tritt um so mehr hervor, wenn die Fragmente klein und zahlreich sind und wenn jedes derselben nur einen oder zwei mehr oder weniger entartete Kerne enthält. Ist aber dieser Chordaknorpel, wenn wir ihn so nennen wollen, mit jenem der Reptilien und der Vögel vergleichbar? Um einen solchen Vergleich aufstellen zu können, müsste die Grundsubstanz ein Produkt des Chordagewebes selbst sein: Das ist das einzige Kennzeichen welches uns berechtigen würde, von einem echten Chordaknorpel zu sprechen. Bei den Säugetieren leitet sich die zwischen den Chordagewebsiragmenten befindliche Grundsubstanz zum grössten Teil von einem fremden Gewebe ab: man kann daher nicht von einem Chordaknorpel sprechen. wenn man diesem Namen dieselbe Bedeutung beilegen will, die er bei Reptilien und Vögeln hat. An die Fähigkeit des Chorda- gewebes, eine Art Grundsubstanz zu bilden, erinnert bei den Säugetieren höchstens die Tatsache, dass die Entartungspro- dukte des Protoplasmas nicht nur zerschmelzen, sondern auch infolge ihrer tinktoriellen Eigenschaften mit der Grundsubstanz, in die sie eingebettet sind, verwechselt werden können. Was den intervertebralen Teil des Chordagewebes angeht, so habe ich deutliche Rückbildungsprozesse nur bei den Säuge- tieren mit bindegewebigem Nucleus pulposus auffinden können, Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 437 nicht bei denen mit knorpeligem Nucleus pulposus. Als erstes Zeichen der Rückbildung des interveriebralen Teiles der Chorda können wir es betrachten, dass die Grenzen der Höhlung, die zur Aufnahme der Chorda bestimmt ist, weniger deutlich werden, und vor allem, dass sich Fragmente des Chordagewebes in die Grundsubstanz des Gewebes der Zwischenwirbelscheibe einnisten. Unter den von mir untersuchten Säugetieren tritt diese Erscheinung am schnellsten und deutlichsten beim Schaf ein. Auch beim Menschen ist sie festzustellen. Die Chorda- gewebsfragmente treten aus der Haupthöhle heraus und schieben sich zwischen die Bündel der Scheide skeletogenen Ursprungs. Nachdem sie mehr oder weniger in das umgebende Bindegewebe der Scheibe eingedrungen sind, werden sie entweder von den Fasern des Bindegewebes selbst eingekapselt, und man hat dann die schon von den älteren Autoren beschriebenen Neben- höhlen der Chorda, oder sie bleiben frei in der Grundsubstanz, eingehüllt, oder auch nicht, von einer häutigen Scheide. Weil eleichzeitig die Individualisierung von Zellen im syneyilalen Chordagewebe eintritt, so können Chordazellen im Innern der Grundsubstanz der Scheibe sich frei machen. Über diesen Punkt hinaus ist es schwer, das Schicksal der genannten Zellen fest- zustellen. Bei anderer Gelegenheit habe ich nachgewiesen, dass viele derselben, wenigstens beim Menschen, dazu beitragen, die Grundsubstanz, welche den Chordakanal nach dem Verschwin- den der Chorda ausfüllt, mit Zellen zu bevölkern. Sehr bald jedoch werden die Eigenschaften der Chordazellen denen der Nachbarzellen so ähnlich, dass es unmöglich wird, sie zu unter- scheiden. Das bestätigt die Beobachtung Carliers beim Schaf. Man könnte der Erscheinung den Namen geben: Assi- milierung der Chorda dorsalis, insofern als die Chordaelemente sich denen anderer Gewebe assimilieren, wenn diese Benennung nicht schon von Leboucgq in Gebrauch ge- nommen wäre, um die Erscheinung der gleichzeitigen und gleich- 438 ANGELO BRUNI, artigen Vacuolisierung des Chordagewebes und des umliegenden Gewebes der Scheibe zu bezeichnen, eine Erscheinung übrigens, die ich niemals habe beobachten können. Degenerative Tatsachen des Chordagewebes in den inter- vertebralen Ausweitungen habe ich bei einem Kinde von fünf Jahren beobachten können (Beob. 114). Das Protoplasma wird homogen und zerfällt zu käsigen Klumpen, die Kerne werden pyknotisch und fragmentieren sich. Auch beim Kalb habe ich deutliche Entartungszeichen des in den Zwischenwirbelscheiben enthaltenen Chordagewebes beobachtet und schon im vorigen Paragraphen bei Besprechung des Chordaknorpels darauf hin- gewiesen. | Wie ich schon bei den Anamnien zur Vervollständigung des Gesagten getan habe, fasse ich hier in Fig. B die haupt- sächlichen Entwickelungsstadien der Chorda dorsalis bei den Amnioten graphisch und schematisch zusammen. Bei 1 sehen wir das Geldrollenstadium. Man unterscheidet die untereinander anastomosierten Elemente mit dichterem Protoplasma. Bei 2 das Vacuolisierungsstadium. Die regelmässige Anordnung der Kerne am Umfang fehlt und es verschwinden die Zellgrenzen. Bei 3 das syncytiale Stadium: A bei Reptilien und Vögeln (man beachte das Vorhandensein der axialen Massen acidrophiler Substanz), B bei den Säugetieren. Bei 4 das Stadium der Zellen- individuailsierung und der hauptsächlichen Modifikationen des Chordagewebes: A bei den Reptilien (man beachte bei a den gelatinösen Körper, der noch die syneytiale Struktur bewahrt, bei ß die Bildung des Chordastranges, bei y die Bildung des Chordaknorpels und die darauffolgende Zellenindividualisie- rung), B bei den Vögeln (man beachte bei « die Individuali- sierung von Zellen, bei ßB die Bildung von Grundsubstanz in Beziehung zur Chordascheide und zu den axialen acidophilen, zu Stäbchen verschmolzenen Massen, bei y die Bildung des Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 439 Chordaknorpels), € bei den Säugetieren mit knorpeligem Nu- cleus pulposus (bei a ist das Chordagewebe vor der Individuali- Textfigur B. sierung von Zellen aus dem Syncytium dargestellt; bei B nach der Individualisierung von Zellen. Man vergleiche diese mit Fig. A, S. 367). D bei den Säugetieren mit bindegewebigen‘ 440 ANGELO BRUNI, Nucleus pulposus (bei « bemerkt man die teilweise Indivi- dualisierung von Zellen inmitten der Hauptmassen des frag- mentierten Chordagewebes, bei ß die Individualisierung von Zellen in kleinen sekundären Massen und die Bildung einer sekundären Cuticula, bei y isolierte Chordazellen, dazu be. stimmt, sich in dem Bindegewebe der Zwischenwirbelscheibe auszubreiten). Allgemeine Betrachtungen und Schlussfolgerungen. Da ich schon an anderer Stelle die Betrachtungen aus- einandergesetzt habe, die sich speziell auf die Chorda der von mir untersuchten Anamnien und der Amnioten beziehen, so be- schränke ich mich hier darauf, als Schlussfolgeurng aus meinen Untersuchungen einige allgemeine Betrachtungen über die Chorda dorsalis der Wirbeltiere im allgemeinen anzuschliessen, ausgenommen Amphioxus, bei dem sie ein besonderes Ver- halten zeigt. i. Da ich durch meine Untersuchungen bei den niederen Amnioten die Existenz einer geldrollenarligen Anordnung der Chordazellen in den Stadien, in welchen die Chorda noch nicht vacuolisiert ist, nachgewiesen habe, und Williams feststellen konnte, dass auch bei den Säugetieren eine solche Anordnung vorliegt, so sind wir zu der Annahme berechligt, dass das so- genannte Geldrollenstadium (nach Goette, Amphioxus- stadium nach Klaatsch) charakteristisch für die noch nicht vacuolisierte Chorda aller Wirbeltiere, von den untersten bis zu den höchsten Klassen, ist. Diese bei der ganzen Reihe der Wirbeltiere gleichmässige Anordnung kann offenbar nicht ohne Grund sein: deshalb ist meines Erachtens auch für die Am- nioten die von Boeke auf Grund seiner Untersuchungen über die Mureniden aufgestellte Hypothese nicht zu verwerfen, dass in der Chorda während dieses Stadiums ein centriertes System von Spannungen existiert, welches einerseits im Organ jede Modifizierung verhindert (von Henneguy für alle Anamnien bestätigter Fehler der Caryokinese in der Periode, die der Vacuolisierung vorausgeht), und andererseits dem Organ eine grössere Widerstandsfähigkeit verleiht, welche seine Funktion als axiales Skeletorgan unterstützt. In der Periode, wo die Vacuolisierung gerade beginnt, habe ich noch deutliche Spuren jener Erscheinungen finden können, die Boeke als einen nach- weisbaren Ausdruck des centrierten Systems von Spannungen betrachtet. Es sei die regelmässige peripherische Anordnung der Kerne erwähnt: in den Längsschnitten von Hühner- embryonenchorda (Beob. 41) habe ich die Kerne in zwei parallelen Reihen an der Peripherie der Chorda angeordnet ge- [unden, ähnlich der Anordnung, die man in Boekes Figuren beobachtet. Dagegen habe ich die regelmässige Anordnung der Centrosomen auf der axialen Linie der Chorda nicht sehen können; ein indirekter Beweis dafür, dass auch diese Anord- nung beim Huhn besteht, liefert aber die Tatsache, dass während der Caryokinese, in dem Augenblick, wo die Vacuolisierung beginnt, die Kerne derart angeordnet sind, dass die beiden Attraktionssphären sich auf einer zur Achse der Chorda senk- rechten Linie befinden (Beob. 21). Ausserdem findet man die ebenfalls senkrecht zur Chordaachse angeordneten Plasma- fibrillen welche Boeke als im Protoplasma die Richtung der Spannungen angebend, beschreibt, auch bei den Amnioten, wo sie eine der strukturellen Charakteristika darstellen, und auch nach begonnener Vacuolisierung lange fortbestehen. II. Ich habe bereits die Anwesenheit besonderer eeldulärer Elemente” mit verdichtetem Proto- plasma eingehend besprochen, welche ın der Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (#5. Bd. H. 2). 29 442 ANGELO BRUNI, Dorsalchordasichtbarsind,solangedieVacuoli- sie kung nochnTchtrzursehr vorgeschritveneest Diese Elemente habe ich bei den Reptilien und den Vögeln, Schauinsland bei den Holocephalen beobachtet. Es wäre interessant, festzustellen, ob sie bei der ganzen Reihe der Wirbeltiere konstant vorkommen. Bei den Vögeln treten sie so deutlich und charakteristisch auf, dass sie dem Blicke des Beobachters nicht entgehen können. Bei den Reptilien sind sie weniger deutlich sichtbar; die Kerne treten deutlich hervor, weniger das Protoplasma, weil die Ausläufer und Anastomosen desselben weniger zahlreich sind. Nach Schauinslands Angaben scheint es sich bei den Holocephalen ebenso zu ver- halten. Bei den Amphibien konnte ich die genannten Elemente nicht nachweisen; ich muss aber daran erinnern, dass hier die enorme Menge von albuminoiden Granulationen und von Pig- ment die Beobachtung nicht wenig stört. 3ei dem heutigen Stande der Kenntnisse können wir nur sagen, dass diese besonderen Elemente bei den Anamnien wenig entwickelt und vielleicht inkonstant sind; ihre Entwickelung nimmt bei den Reptilien und noch mehr bei den Vögeln zu; es bliebe noch übrig, festzustellen, ob sie bei den Säugetieren existieren. Ich habe bereits gesagt, dass ihr Aussehen den Ge- danken nahelegt, dass ihnen eine Stützfunktion gegenüber den übrigen gewöhnlichen Elementen des Chordagewebes zukommt, deren Schicksal sie während des Vacuolisierungsprozesses teilen. Ich möchte vor allem betonen, dass diegenannten Elemente im Laufe der Vacuolisierung wver- schwinden, und zwar um die Vermutung zu beseitigen, dass sie eine Rolle bei der Bildung des Chordaknorpels spielen, was man besonders auf Grund der Behauptung einiger Autoren viel- leicht vermuten könnte, dass der Chordaknorpel aus indiffe- renten Elementen entsteht, die unter den gewöhnlichen vacuoli- sierten Chordaelementen zurückgeblieben sind. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 443 Ill. In bezug auf den Vakuolisierungsprozess, der die charakteristische Erscheinung bei der Chorda der Wirbeltiere (mit Ausnahme des Amphioxus) darstellt, muss ich sagen, dass ich aus meinen Untersuchungen über die Anuren und über die niederen Amnioten die Überzeugung gewonnen habe, dass die Entstehung derersten Vacuolen von dem Ver- schwinden der Zellengrenzen begleitet ist. Aus der Literatur geht trotz der Verschiedenheit der Meinungen der Autoren indirekt hervor, dass die eben erwähnte Erschei- nung eine allgemeine sein muss; dies ist durch die Tatsache bewiesen, dass man bis jetzt für keine Art von Wirbeltieren mit Sicherheit hat sagen können, ob die Vacuolen ausschliess- lich intra- oder intercellulären Ursprungs sind oder zı gleicher Zeit intra- und intercellulären Ursprungs. Meine Untersuchungen bestätigen einerseits die von Goette bei den Anamnien ge- machte Beobachtung, und andererseits die von Williams bei den Säugetieren nachgewiesene Tatsache, dass eine Vacuole mit ihren Wänden nicht einer Zelle (Goette) entspricht, oder, in anderen Worten, dass das Chordagewebe sich infolge der Vacuolisierung in ein Syneytium umwandelt (Williams), und berechtigen mich somit dazu, diese Behauptung auf alle Wirbel- tiere auszudehnen. Nachvollzogener Vacuolisierung ist das Chordagewebe ein Synceytium. IV. Das Verschwinden der Zellengrenzen schreitet sehr rasch vom Centrum nach der Peripherie vor, und dehnt sich über die ganze Dicke der Chorda aus. Die Bildung der Vacuolen erfolgt ebenfalls sehr rasch, aber nicht in demselben Grade bei allen Wirbeltieren. Bei den niederen Wirbeltieren verschont die Vacuolisierung eine Protoplasmaschicht an der Peripherie des Organs. Diese vor der Vacuolisierung verschonte Rand- schicht wird bei den höheren Wirbeltieren immer «dünner, so dass sie bei den Reptilien und Vögeln äusserst dünn und nicht kontinuierlich ist und bei den Säugetieren nicht als eine kon- 29* 444 ANGELO BRUNI, stante Erscheinung betrachtet werden kann. Infolgedessen kann man, ungeachtet einiger seltener Ausnahmen, d. h. einzelner Säugetiere (Erinaceus, Beob. 102), bei denen man ein ziemlich stark entwickeltes Epithel findet, stets folgende Regel als geltend betrachten: „DieEntwickelungunddiefunktionelle Bedeutung des Chordaepithels nehmen von den niederen Anamnien zu den höheren Amnioten fortschreitend ab.“ Gleichzeitig mit der Abnahme der Entwickelung des Chordaepithels beobachtet man, zu den höheren Wirbeltieren aufsteigend, im Centrum des Organs eine progressive Abnahme der Ausdehnung der Vacuolen, so dass die Protoplasmatrabekeln zwischen einer Vacuole und der be- nachbarten die grösste Dicke bei den Säugetieren aufweisen. Das Chordaepithel hat bei den Wirbeltieren, bei denen es gut entwickelt ist, den Zweck, für das Wachstum des gelatinösen Körpers der Chorda zu sorgen, ja es scheint sogar der Sitz der Kernvermehrung zu sein (Bergfeldt). Da dieses Epithel zuletzt die einzige einigermassen dicke Protoplasmaschicht ım ganzei Organ darstellt und sich, indem es an der Peripherie und somit in geringerer Entfernung von den Gefässen als der gelatinöse Körper liegt, unter günstigeren Ernährungsbedin- gungen befindet, so nimmt es dank der Ernährung an Masse zu und liefert das Material zur Bildung neuer Alveolen, welche durch Apposition zu den bereits existierenden Alveolen «des gelatinösen Körpers hinzutreten. Bei den Amnioten, besonders bei den Vögeln und den Säugetieren, sind die Funktionen des Chordaepithels nicht mehr ausschliesslich in diesem lokalisiert, sondern werden von der ganzen Chorda aufgenommen. Das geht aus folgenden Tat- sachen deutlich hervor: a) das Vorkommen von unregelmässig in der ganzen Dicke der Chordazelle verstreuten Caryokinesen; Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 445 b) die bei den einzelnen Individuen einer und derselben Art wechselnde Dicke der Protoplasmatrabekeln zwischen einer Vacuole und der benachbarten ; c) die Bildung neuer Vacuolen im Gefüge der Trabekeln ddes gelatinösen Körpers der Chorda. V. Übrigens sind das Chordaepithel und das Corpus gela- tinosum nur im Aussehen, infolge der Anwesenheit der Vacuolen in letzterem, so sehr voneinander verschieden; in Wirklich- keit aber, d. h. im wesentlichen, haben die beiden Gebilde eine grosse Zahl gemeinsamer Eigenschaften. So sind beide imstande, besondere Stoffe (Scheide, Grundsubstanz in ver- schiedenen Formen) zu erzeugen, und besonders wandeln beide in einer gewissen Entwickelungsperiode ihre syneytiale Struk- tur in eine celluläre um. Die Zweiteilung der intervacuolären Scheidewand, infolge deren jede Vacuole eine eigene Wand be- kommt, welcher ein Kern anliegt, so dass die Wand, der Kern und die Vacuole zusammen eine Zelle bilden (Fig. 1), stellt eine Erscheinung dar, die man ganz gut mit der Individualisierung von Zellen im Chordaepithel der Anuren (Fig. 3) und in den dicken Protoplasmatrabekeln des gelatinösen Körpers der Chorda beim Menschen (Fig. 15) vergleichen kann. Es handelt sich stets um eine und dieselbe Erscheinung: der Unterschied liegt nur in dem Fehlen der Vacuolen in den beiden letzteren Fällen. Bei der Chorda des Huhnes haben wir (Fig. 10) eine Übergangsform zwischen der Art und Weise, in der die Zellenindividualisierung bei den niederen Wirbeltieren erfolgt. und derjenigen, in der sie bei den Säugetieren statt- findet. Williams hat für die Säugetiere folgendes Gesetz auf- gestellt: das Chordagewebe ist zuerst cellulär, dann synceytial bindegewebsähnlich, und dann wieder cellulär, und zwar dem Knorpelgewebe 446 ANGELO BRUNI, sehr ähnlich. Wenn wir dieses Gesetz auf seine Essenz reduzieren und sagen, dass das Chordagewebe zuerst zellie, dann’svnceytral und dann? wieder’ zellng ist, so können wir es auf alle Wirbeltiere ausdehnen. Somit finden wir eine Analogie zwischen dem Chordagewebe und einer Anzahl anderer (rewebe, die bei ihrer Evolution ein syncyHales Stadium durchmachen, wie es bei allen konjunktivalen re- weben (Mall [146], Retterer [149-152], Studnicka [155], Schaffer [153—154], Bruni [142-145], Merkel |148]) und bei einigen Geweben wahrscheinlich oder sicher epi- thelialen Ursprungs, wie dem Zahnpulpagewebe (Masur [147]) und der Neuroglia (Hardesty [145], Bonome [141), Cival- leri [144]) der Fall ist. Aus Analogie mit den genannten anderen Geweben müssen wir annehmen, dass die endgültige Zellenindividualisierung darauf hinweist, dass das Gewebe die letzte Phase seiner Ent- wickelung vollzogen und die höchste, resp. vollendetste An- ordnung erreicht hat. Und hier ist zu bemerken, dass in dem Masse, wie man jeden höheren Wirbeltieren aufsteigt, d. h. in dem Masse, wie die Chorda an Bedeutung verliert, die Zellenindividualisierung immer später eintritt und sogar unvollkommen bleiben kann. So ist beispielsweise beim Frosch diese Erscheinung bereits vor dem Beginn der Verknöcherung der Wirbelkörper (Beob. 9) sehr vorgeschritten, während beim Igel dem einzigen unter den von mir untersuchten Wirbeltieren, bei dem die Chorda ein Aussehen hat, welches man mit dem der Anamnien ver- gleichen könnte die Individualisierung von Zellen im Syn- cytium acht Tage nach der Geburt kaum begonnen hat (Beob. 102). Bei anderen Säugetieren, Mensch mitbegriffen, sehen wir, dass das Chordagewebe an vielen Stellen entartel und ver- schwindet, ohne dass eine Zellenindividunlisierung eingetreten ist. Diese Tatsache weist noch mehr als die geringere Ent- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 447 wickelung der Vacuolen darauf hin, dass die Evolution der Dorsalchorda bei den Säugetieren früher aufhört. VI. Ebenso wie das Chordaepithel nimmt auch die cuticuläre Chordascheide (nach der Bergfeldtschen Nomenklatur) in dem Masse, wie man von den niederen zu den höheren Wirbel- tieren aufsteigt, an Bedeutung ab; ich habe jedoch feststellen können, dass in dem Masse, wie die Scheide chordalen Ur- sprunge an Bedeutung verliert, eine andere, von der skeleto- genen Schicht gelieferte Hülle der Chorda sich stärker ent- wickelt. Trotz der grössten Diekenabnahme der cuticulären, Scheide, welche beim Übergang von den Amphibien zu den Reptilien plötzlich eintritt, beobachtet man sowohl bei den Rep- tilien, wie bei den Vögeln nicht nur deutliche Spuren einer Teilung der eutieulären Scheide in eine primäre und eine sekundäre Cuticula (immer nach der Bergfeldtschen Nomenklatur), sondern man beobachtet in einer bestimmten Entwickelungsperiode eine zwischen der primären Cuticula und der Scheide skeletogenen Ursprungs gelegene äussere (Grrenz- membran von elastischer Natur, welche wahrscheinlich durch Umwandlung des peripheren Teiles der primären Cuticula ent- steht. Im Gegensatz zu dem, was bei den Anamnien geschieht, ist bei den Amnioten die Cuticula primaria diejenige, die sich am meisten entwickelt und die Charaktere des kollagenen Stoffes annimmt. Die sekundäre Cuticula behält die Form eines Blättchens bei, welches in etwas vorgeschrittenen Stadien durch die für elastische Gewebe elektiven Farbstoffe (Weigertsches Gemisch) gefärbt wird. Bei den Säugetieren dauert die primäre Cuticula, wenn sie überhaupt existiert, wie es Froriep, Weiss und Wil- liams beobachtet haben, nur kurze Zeit und verschwindet sehr bald oder verschmiltzt sich mit der stark entwickelten Scheide skeletogenen Ursprungs. Bei den Säugetieren mit knor- peligem Nucleus pulposus, bei welchen die Chorda an den 448 ANGELO BRUNI, intervertebralen Erweiterungen eine Struktur aufweist, die sehr derjenigen ähnlich ist, die man bei den Anamnien antrifft, kann zur Zeit der Zellenindividualisierung eine dünne, von der bei diesen Säugetieren fehlenden skeletogenen Scheide unab- hängige cuticuläre Scheide vorhanden sein (Igel, Beob. 102). Etwas Ähnliches kann man auch bei den Säugetieren mit binde- gewebigem Nucleus pulposus beobachten, bei denen die cuti- culäre Scheide solange fehlt, solange sich die Chorda im syn- cytialen Zustande befindet. Es handelt sich in diesen Fällen um ein sekundäres Gebilde, das sehr gut mit der sekundären Cuticula der Anamnien und der niederen Amnioten vergleichbar ist, und sich von derselben nur dadurch unterscheidet, dass es nicht der hier verschwundenen primären cuticulären Scheide dicht anliegt. Wir können also schliessen, dass man bei der ganzen Reihe der Wirbeltiere eine cuticuläre Scheide unterscheiden kann, geteilt in primäre und sekundäre Cuticula. Wenn die cuticuläre Scheide an Bedeutung verliert (Amnioten), dann tritt eine Scheide skeletogenen Ursprungs hin- zu, welche auseiner Schicht von Grundsubstanz ohne Zellen der umgebenden Gewebe besteht. Bei der Reihe der Amnioten tritt die Verschmel- zung der primären Cuticula mit der Scheide ske- letogenen Ursprungs immer früher ein. So fehlt diese Verschmelzung bei den Reptilien, sie tritt bei den Vögeln spät, bei den Säugetieren sehr früh ein (Williams), und zwar tritt sie bei den Säugetieren lange Zeit vor dem Auftreten von Spuren einer sekundären Cuticula ein. VII. Ich habe bereits Gelegenheit gehabt, hervorzuheben, dass das Chordagewebe im allgemeinen, sowohl wenn es sich um das Epithel, wie um den gelatinösen Körper handelt, welches auch die Klasse von Wirbeltieren sei, die man betrachtet, die Fähigkeit und die Tendenz zeigt, besondere Substanzen zu er- Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 449 zeugen. Diese Eigenschaften des Protoplasmas äussert sich stets in einem zu der an einem bestimmten Orte des Organs angesammelten Menge des Protoplasmas selbst proportionalen Masse. Bei den Anamnien schreitet die Vacuolisierung des gela- tinösen Körpers so weit vor, dass in diesem die Menge des Protoplasmas eine minimale ist. Es besteht aber eine dicke Schicht fort, welche das sogenannte Chordaepithel dar- stellt, dessen Tätigkeit sich durch die Erzeugung einer dicken cuticulären Scheide, oder, nach Ussow, durch die Erzeugung von Tropfen äussert, welche zusammenfliessen und die genannte Scheide bilden. Selbst bei den Amphibien treten, wenn im Gefüge des gela- tinösen Körpers der Chordastrang entsteht und dieser sich ın eine Protoplasmamasse umwandelt, in diesem letzteren Tröpf- chen einer besonderen Substanz auf, die gleichzeitig proto- plasmatische und nucleäre Farbstoffe aufnimmt (Fig. 4, m). Diese Erscheinung sieht man deutlicher bei den Reptilien und noch deutlicher bei den Vögeln, bei denen ähnliche, aber grössere und zahlreichere Tropfen den axialen Teil des gela- tinösen Körpers charakterisieren, in welchen eine ziemliche Menge von Protoplasma vorhanden ist. Die Grundsubstanz des Chordaknorpels, die bei vielen Amphibien, Reptilien und Vögeln entsteht, ist einerseits mit diesen Tropfen, andererseits mit der euticulären Scheide der Chorda vergleichbar. Dies wird durch die Tatsache bewiesen, dass bei dem Huhn die drei ge- nannten Erzeugnisse des Chordaprotoplasmas (Scheide, axtale Massen und Substantia fundamentalis des Knorpels), mit dem Vorschreiten der Entwickelung so innig miteinander zusammen- schmelzen, dass man nicht mehr das eine vom anderen unter- scheiden kann. Dass die axialen Massen einem Sekretions- produkt ähneln, dass die Substantia fundamentalis ein Beto- plasma, und die Substanz der Szheide ein cuticuläres Produkt ist, 450 ANGELO BRUNI, hindert nicht, die drei Gebilde als verwandt zu betrachten, oder miteinander zu vergleichen: es handelt sich in jedem Falle um metaplastische Produkte, deren verschie- denes Aussehen von den Raumverhältnissen, von mechanischen oder ähnlichen Faktoren abhängt. VINM. Ich möchte, durch die Resultate meiner Unter- suchungen veranlasst, die Tatsache hervorheben, dass, wenn aus irgend einer Ursache die Vacuolen nicht mehr notwendig sind, dieselben von Protoplasma ausgefüllt werden. Krauss hat zuerst, entgegen der Meinung Goettes, Grassis, Lwoffs und der grossen Mehrzahl der anderen Autoren, be- hauptet, dass das bereits differenzierte’ Chorda- gewebesichaufanderem Wegenochweiterdiffe- renzieren kann, und seine Behauptung besonders durch die Ergebnisse der Verpflanzung von Chordagewebe begründet. In einer verpflanzten Chorda nehmen die Vacuolen an Lumen ab und die intervacuolären Septa werden zu breiten proto- plasmatischen Trabekeln. Ich kann hinzufügen, dass man die- selbe Erscheinung auch unter gänzlich normalen Bedingungen beobachtet: ich brauche nur auf meine Beschreibung gelegent- lich des Chordastranges von Rana esculenta (Beob. 14, Fig. 2p) und auf meine Betrachtungen dazu hinzuweisen. Dort redu- ziert sich der Chordastrang zu einer protoplasmatischen Masse. Eine ähnliche Erscheinung beobachtet man während der Ver- knorpelung der Chorda bei den Reptilien und den Vögeln. Mit den Entstehen der Substantia fundamentalis verlieren die Vacuolen ihren physiologischen Daseinszweck. In der Tat, jede Vacuole mit ihrer Wandung stellt, wie noch kürzlich Schaffer nachgewiesen hat, ein mechanisches Element dar, dessen Elastizität und Widerstandsfähigkeit der Spannung der inneren Flüssigkeit zu verdanken ist; wenn nun eine inter- cellulare Substanz auftritt, übernimmt diese den Hauptteil der mechanischen Funktion, während die vor den in ihr ein- Über d evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 4öl gekapselten Elementen gespielte Rolle eine geringere wird. Darauf ist es vielleicht zurückzuführen, dass die Vacuolen nach und nach verschwinden und der von ihnen eingenommene Raum von Protoplasma ausgefüllt wird. Die Zunahme der Menge des Protoplasmas kann übrigens bereits vor dem Auf- treten der Substantia fundamentalis erfolgen, wahrscheinlich weil aus noch wenig bekannten Ursachen, die mechanische Notwendigkeit der Vacuolen aufhört. Jedenfalls üben bei der Bildung des Chordaknorpels die beiden Prozesse: Zunahme des Protoplasmas und Entstehung der Substantia fundamentalis einen wechselseitigen günstigen Einfluss aus, indem der eine die Entwickelung des anderen befördert. Da ich Gelegenheit hatte, den Chordastrang und den Chordaknorpel zu erwähnen, erscheint es angezeigt, dass ich hier auf diese beiden (Gebilde etwas näher eingehe. IN Der Chordastrang ist charakteristisch für die Anamnien, bei denen die Vacuolisierung der Chorda die grösste Entwicke- lung erreicht und das Dickenwachstum der Chorda durch aktıve Apposition neuer Alveolen von seiten des Chordaepithels er- folgt; der Strang entsteht durch die Kompression der centralen alten Alveolen von seiten der peripheren neuen. Den Strang finden wir jedoch auch noch bei den Reptilien, bei welchen das Chordaepithel spärlich entwickelt ist; er fehlt nur bei den beiden höchsten Klassen der Amnioten. Ich habe bereits hervorgehoben, dass, wenigstens bei den Reptilien, neben dem passiven Faktor der bestehenden Kom- pression, auch ein aktiver bei der Entstehung des Stranges eine Rolle zu spielen scheint, worauf die beträchtliche Ver- mehrung der Kerne in der Chordaachse kurz vor dem Beginn der Strangbildung hinweist. Es ist zwar sicher, dass die Tätig- keit des Protoplasmas im Chordastrang nicht sofort aufhört; ja das Protoplasma kann sogar zunehmen (Frosch); eine Ent- artung oder wenigstens eine Metaplasie des Protoplasmas 452 ANGELO BRUNI, erfolgt jedoch früher im Strang als in den übrigen Teilen der Chorda. Infolge dieser Metaplasie nimmt der Strang oder, besser, die Wand der Vacuolen, aus welchen er zusammen- gesetzt ist, zu einer gewissen Zeit der Entwickelung eine aus- gesprochene Affinität zu sauren Farbstoffen an. Krauss hat diese Acidophilie, da er sie in einem wenig vorgeschrittenen Entwickelungsstadium beobachtet hatte, als ein Vorzeichen der Bildung des Chordaknorpels betrachtet. Dieser Ausnahme kann man aber nicht beipflichten, wenn man bedenkt, dass bei den Reptilien, bei denen der Strang spät entsteht, die Acıdophilie erst auftritt, nachdem der Chordastrang seine völlige Entwicke- lung erreicht hat. Und wenn auch bei den Reptilien die Tat- sache, dass die Grundsubstanz und der Strang eine direkte Kon- tinuitäi aufweisen (Beobachtung 38 und 39), auf eine Beziehung zwischen der Acidophilie des Stranges und der Entstehung des Chordaknorpels hinzuweisen scheint, so muss man doch diese Beziehung in einem dem von Krauss entgegengesetzten Sinne auffassen: d. h. es handelt sich um eine Ausbreitung der Metaplasie des Protoplasmas über den ganzen Chordastrang, welche die Bildung der Substantia fundamentalis des Chorda- knorpels zur Folge hat. Wenn wir bedenken, dass in vielen anderen Fällen das entartete Chordaprotoplasma acıdophil wird, so ist die Annahme nicht unwahrscheinlich, dass die Acido- philie des Chordastranges ein Entartungszeichen sei. X. Die Bildung eines Chordaknorpels scheint keine bei der ganzen Reihe der Wirbeltiere konstante Erscheinung zu sein. Man beobachtet sie z. B. bei vielen Amphibien (Urodela), während sie bei vielen Anuren fehlt, ähnlich wie es bei den Fischen der Fall ist; sie scheint bei den Reptilien und den Fischen allgemeiner zu werden; sie fehlt, wenigstens in einer Form, die mit der verglichen werden könnte, in der sie bei (len übrigen Klassen auftritt, bei den Säugetieren. Der Chorda- knorpel würde somit an den beiden Endpunkten der Reihe der Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 453 Wirbeltiere fehlen, d. h. bei Vertretern dieser Klassen, bei denen die Chorda dorsalis den höchsten Entwickelungsgrad er- reicht, und bei denjenigen, bei denen ihre Entwickelung am frühesten aufhört. Die Entstehung des Chordaknorpels scheint ferner mit der Verknöcherung der Wirbelkörper eng verbunden zu sein, denn die beiden Erscheinungen beginnen stets zu gleicher Zeit, und die Stelle, wo die Verknorpelung der Chorda beginnt, entspricht, wie ich selbst bei den Reptilien feststellen konnte, der Höhe der ersten Markhöhlen des Wirbelkörpers. Diese Tatsachen wurden bereits vor langer Zeit fest- gestellt, und es ist natürlich, dass man die Ursache des Aul- tretens des Chordaknorpels gerade in der Verknöcherung hal suchen wollen. Die am meisten befriedigende Hypothese ist die, dass der Chordaknorpel sich deshalb bildet, weil infolge der Bildung einer knöchernen Scheide rings um die Chorda die funktionelle Notwendigkeit der Vacuolen aufhört. Gegen diese Hypothese und gegen diejenige, nach welcher das kausale Moment in den verbesserten Ernährungszuständen zu suchen ıst, kan. man jedoch einwenden, dass der Chordaknorpel bei einem Teil der Wirbeitiere (z. B. Amphibia, Urodela) vorhanden ist und hingegen bei anderen (Amphibia, Anura) fehlt, bei denen die Verknöcherung der Wirbelkörper in der- selben Weise vor sich geht. Ebensowenig kann man die Ursache auf die Kompression zurückführen, denn, wenn auch tatsächlich der Chordaknorpel oft am engsten Punkte des Wirbel- körpers entsteht, so fehlt er hingegen häufig an viel stärker eingeschnürten Stellen. Es fehlt zurzeit noch an genügenden objektiven Anhaltspunkten, um eine ın jeder Hinsicht be- friedigende und durchaus einwandfreie Hypothese aufstellen zu können. Auch über die Art der Entstehung des Chordaknorpels sind die Autoren noch uneinig. Den ım vorigen Kapitel dargelegten Betrachtungen muss ich nur noch hinzufügen, dass nach meiner 454 ANGELO BRUNI, Meinung das, was ich mit Sicherheit für die Reptilien und die Vögei festgestellt habe, auch bei den Amphibien zutrifft. Aus den Untersuchungen von Krauss hat sich eine bereits von Klaatsch zaghaft angedeutete wichtige Tatsache ergeben, nämlich dass die vacuolisierten Chordaelemente an der Bildung des Chordaknorpels teilnehmen. Diese Feststellung von Krauss ist um so wichtiger, als sie bei einer Tierklasse gemacht wurde, bei welcher man, so weit aus den von verschiedenen Autoren gelieferten Abbildungen des Chordaknorpels der Amphibien zu entnehmen ist, annehmen muss, dass das Chordaepithel eine Hauptrolle bei der Bildung des Chordaknorpels spielt. Sie bringt die alte Anschauung von Gegenbaur wieder zu Ehren. Der gegen dieselbe von der erossen Mehrzahl der Autoren erhobene Widerspruch, gestützt auf die allzu aprioristische Annahme, dass die Gewebe, die auf einem bestimmten Wege differenziert sind, sich nicht noch aui einem anderen Wege differenzieren können, hat keinen Wert. Die Umwandlung der vacuolisierten Chordazellen oder eines Teiles des vacuolisierten Chordasyneytiums stellt eine neue Art von Differenzierung dar und ist in diesem Sinne eine Erscheinung, die man mit der Bildung einer proto- plasmatischen Masse im Chordastrang des Frosches, mit der Wiedererzeugung dicker protoplasmatischer Trabekeln vor oder während der Verknorpelung der Chorda, oder in einer ver- pflanzten Chorda (Krauss), oder mit der Bildung von epi- theloiden Zellen in der Chorda der Fische (v. Ebner ver- oleichen kann. Was den Prozess der Bildung der Substantia fundamentalis anbelangt, so habe ich nur eine allmähliche Umwandlung des syneytialen Protoplasmas beobachten können, oder, wenn die Zellen im Syneytium schon individualisiert sind, eine solche des peripherischen Teiles dieser letzteren, ähnlich wie es Schmidt im caudalen Chordastäbchen beobachtet hat. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 455 Ich habe die Bildung der komplexen Struktur, welche Krauss als Vorstadien des Chondromucins beschreibt, nicht verfolgen können. Man konnte glauben, dass ein Teil derselben den oft tropfenförmigen Achsialmassen entspricht, die ich bei den Reptilien und den Vögeln in den der Chondrifikation der Chorda vorausgehenden Perioden zahlreich nachgewiesen habe. Ich habe jedoch, selbst angenommen, dass diese Massen, auch ihrer Entstehungsweise nach, mit der Substantia Fundamentalis vergleichbar seien, nie beobachten können, dass sie sich aus- breiteten oder in irgend einer Weise die Chordaknorpelgrund- substanz erzeugten. Ich glaube deshalb auf Grund meiner eigener Beobachtungen behaupten zu können, dass der KnorpelderChordader Wirbeltiereinähnlicher Weise wie der gewöhnliche Knorpel aus dem ganzen Chordagewebe, unabhängig von der Vacuolisierung, entsteht. Gleichen Schritt mit der Entstehung der Substantia fundamentalis hält die Abnahme der Grösse der Vacuolen. Im Vergleich mit der Hauptmodifizierung des Ühorda- gewebes, d. h. der Individualisierung von Zellen aus dem Syn- eytium, tritt, wenigstens bei den Amnioten, die Bildung der Substantia fundamentalis des Chordaknorpels desto später ein, je höher man bei dieser Tiergruppe aufsteigt, d. h. sich den Säugetieren nähert. In der Tat treten bei den Reptilien die beiden Erscheinungen zu gleicher Zeit ein; bei den Vögeln beginnt zuerst die Zellenindividualisierung, und sofort nach dieser die Bildung von Knorpelgrundsubstanz; bei den Säuge- tieren beobachtet man erst nach der fast stets teilweisen Zellen- individualisierung einige Erscheinungen, die der Bildung einer Substantia fundamentalis an die Seite zu stellen wären, ohne dass es jedoch zur Entstehung eines wirklichen Chordaknorpels kommt. 456 ANGELO BRUNI, XI. Zum Schluss bleibt mir nur noch- übrig, kurz zu- sammenfassend das Verschwinden der Dorsalchorda bei den- jeniger: Wirbeltieren zu besprechen, bei denen die Chorda nich! währen«a des ganzen Lebens in ihrer ganzen Ausdehnung fort- besteht. Die Chorda dorsalis verschwindet auf dreierlei Art: a) Sie wird zerstört durch das Vorschreiten der Knochen- bildung, während sie noch die Charaktere der Lebensfähigkeit besitzt. Dies ist bei den Wirbelkörpern der Vögel und höchst- wahrscheinlich auch bei denen der Reptilien der Fall. b) Durch Entartung des Gewebes. Dies geschieht ın den intervertebralen Abschnitten bei Amphibien, Reptilien und Vögeln, und ın den vertebralen und zum Teil auch in den ıntervertebralen Gegenden bei den Säugetieren. | e) Dureh Verstreuungs der Chordaelementein den benachbarten Geweben. Diese Art des Verschwin- dens der Dorsalchorda ıst charakteristisch für die Säugetiere mit bindegewebigem Nucleus pulposus, und infolgedessen auch für den Menschen. Durch dieselbe lässt sich die Entstehung der Chordome, die längs dem Verlaufe der Wirbelsäule be- obachtet und von Morpurgo (91) und Mazzia (86) be- schrieben wurden, am einfachsten erklären. Als kurze Zusammenfassung will ich mich hier darauf be- schränken, hervorzuheben, dass ich durch meine ÜUnter- suchungen folgende neue oder nicht genügend bekannte Tat- sachen zutage gefördert habe: 1. Die Anwesenheit besonderer, zwischen (die gemeinen Chordazellen eingefügten Elemente mit verdichtetem Proto- plasma in der Periode, wo die Chorda noch nicht vacuolisiert ıst oder gerade beginnt sich zu vacuolisieren. 2. Die Anwesenheit von Massen einer Substanz, die ein metaplastisches Produkt des Protoplasmas darstellt und die Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis etc. 457 für die kollagenen Stoffe elektiven Farbstoffe annimmt, im Ge- füge des vacuolisierten Chordagewebes und besonders ım centralen Teile desselben. Diese Massen sind besonders bei den Reptilien und den Vögelr reichlich vorhanden und fehlen auch nicht bei den Amphibien. Sie liegen im axialen Teil der Dorsalchorda, «d.h. an dem Orte, wo der Chordastrang entsteht: bei den Amphibien liegen sie sogar im Chordastrange selbst. 3. Die Anwesenheit einer primären und einer sekundären Cuticula oder wenigstens von mit denselben vergleichbaren Gebilden in der Chordascheide aller Amnioten. 4. Die Tendenz des bereits vacuolisierten Chordagewebes, unter normalen Verhältnissen dicke protoplasmatische Tra- bekeln wieder zu erzeugen und den Inhalt der Vacuolen in den Fällen durch Protoplasma zu ersetzen, in denen die mechani- schen Verhältnisse aufhören, welche die Anwesenheit der Vacuolen notwendig machten. 5. Die Fähigkeit des bereits vacuolisierten Chordagewebes, durch Metaplasie des Protoplasmas Substantia Fundamentalis zu erzeugen. Die wichtigsten und weittragendsten Resultate meiner Untersuchungen verdanke ich dem Umstande, «dass ich die Evolution der Chorda darsalis bei den Reptilien und den Vögeln untersuchte, also bei Tierklassen, über die bisher in der Literatur äusserst spärliches Material vorlag. Bei denselben ist die Chorda noch ziemlich gut entwickelt und verdient schon an und für sich studiert zu werden. Ganz besonders aber findet man hier die Elemente, um eine Parallele zwischen den typischen An- ordnungen bei den niederen Wirbeltieren und den viel weniger typischen bei den Säugetieren zu ziehen. Ohnedies könnte man z. B. den grossen Unterschied, den man zwischen der Chorda- scheide der Anamnien und derjenigen der Säugetiere findet, schwerlich begreifen. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 136. Heft (45. Bd., H. 2.) 30 458 ANGELO BRUNI, Durch diese Ergänzung der vergleichend-anatomischen Kecherchen konnte ich zu folgenden Schlussfolgerungen ge- langen: I. Die geldrollenartige Anordnung der noch nicht vacuolı- sierten Chordazellen ist charakteristisch und konstant bei allen Wirbeltieren. I} Bei allen Wirbeltieren ist das Chordagewebe zuerst cellular, dann syneytial und zuletzt wieder cellular. li. Die Entwickelung und die Wichtigkeit des Chorda- epithels nimmt von den niederen Anamnien zu den höheren Amnioten fortschreitend ab. Die Rolle, die das Chordaepithel verliert, wird von dem ganzen CUhordagewebe übernommen. IV. Die cuticuläre Scheide der Chorda, bei welcher man stets eine primäre und eine secundäre Cuticula unterscheidet, zeigt eine von den Anamnien zu den Amnioten allmählich ab- nehmende Entwickelung; es tritt aber eine Scheide skeleto- genen Ursprungs hinzu, welche allmählich an Bedeutung zu- nimmt. V. Die Bildung eines Chordastranges im Gefüge des gelati- nösen Körpers der Chorda fehlt nur bei den beiden höheren Klassen der Amnioten. Dieser Strang kann eine gewisse Tätig- keit (Vermehrung des Protoplasmas, Erzeugung metaplas- matischer Stoffe bei Rana) entfalten. VI. Die inkonstante Bildung eines Chordaknorpels be- obachtel man besonders bei den Amphibien, den Reptilien und den Vögeln. Bei letzteren verknorpelt sich das in der Wirbel- säule eingeschlossene Chordagewebe sowohl in den vertebralen wie ın den intervertebralen Gegenden. Der Chordaknorpel entsteht nicht nur durch Tätigkeit des Chordaepithels, sondern auch durch eine solche des gelatı- nösen Körpers der Chorda, und zwar in derselben Weise, wie man es bei dem gewöhnlichen Knorpelgewebe beobachtet. Über d. evolutiven u. involutiven Vorgänge d. Chorda dorsalis ete. 459 VII. Die Chorda dorsalis verschwindet in den Wirbel- körpern der Reptilien und der Vögel infolge von Verknöche- rung, die sie erfährt, während sie noch lebensfähig ist; in den intervertebralen Gegenden der Amphibien, Reptilien und Vögel, in den vertebralen und zum Teil auch in den inter- vertebralen Abschnitten der Säugetiere infolge von Ent- artung; bei den Säugetieren mit bindegewebigem Nucleus pulposus durch Verstreuung des Chordagewebes im Binde- gewebe der Zwischenwirbelscheibe. Turin, Dezember 1910. Nachträgliche Bemerkungen. In Heft 128 dieser Zeitschrift veröffentlichte Link (80a) eine interessante Studie über die Chorda dorsalis beim Men- schen. Die von diesem Autor beobachteten Tatsachen stimmen im wesentlichen mit denjenigen überein, die ich beim Menschen beobachtet habe, besonders in bezug auf das Auftreten von Zellengrenzen in einer Art Syneytium, und auf die Entartungs- erscheinungen des Chordagewebes und die Bildung der Sub- stantia fundamentalis der Chorda. Ich kann nur der Meinung links nicht beipflichten, dass die Erzeugung von Substantia fundamentalis einen Unterschied zwischen der Chorda des Menschen und derjenigen der Tiere darstellt. Link stützt sich besonders auf die bekannten Befunde bei den Anamnien, lässt aber die Beobachtungen von Williams bei den Säugetieren unbeachtet, welche seine Meinung einigermassen hätten ändern können. 30* 460 BRUNI, Über die evolutiven und involutiven Vorgänge etc. Während gegenwärtige Arbeit gedruckt wurde, wurde mir eine weitere Veröffentlichung bekannt, nämlich diejenige Schaffiers (116a), über die Chorda der Säugetiere nach der Geburt. Da ıch nicht auf diese Arbeit näher eingehen kann, will ich nur erwähnen, dass aus einem Vergleich der Befunde Schaffers mit meinen hervorgeht, dass bei den Säugetieren mit knorpeligem Nucleus pulposus ähnliche Modi- hzierungen des Chordagewebes erfolgen, wie diejenigen, die bei den Säugetieren mit bindegewebigem Nucleus pulposus, jedoch ın einem späten Entwickelungsstadium, vorkommen. Der einzige Punkt, ın welchem ich der Meinung Schaffers nicht zustimmen kann, betrifft die Existenz des syneytiellen Stadiums in der Evolution der Chorda. Dieses Stadium existiert bei allen Wirbeltieren. —1 10. Literaturverzeichnis. . Albrecht, H., Zur Entwickelungsgeschichte des Achsenskelettes der Teleostier. Diss. Strassburg 1902. v. Baer, Entwickelungsgeschichte der Tiere. Königsberg 1828. — Developpement des oiseaux. Burdachs Physiologie (französische Übersetz.). Tome 3. Paris 1838. Balfour, F. M., The development of Elasmobranch Fishes. Journ. of Anat. and Plıys. 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Man beobachte: den gelatinösen Körper der Chorda, in welchem alle intraalveolären Septa in zwei geteilt sind (a.), das Chordaepithel (ep.) und die Scheide, in welcher man eine in eine äussere (1), eine mittlere (2) und eine innere (3) Schicht geteilte dicke sekundäre fibrilläre (ec. s.) und eine dünne homogene primäre Cuticula (c. p.) unter- scheidet. (Homog. Immers. Obj. "/ı2. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 2. Kaulkuappe von Rana escul. (Beob. 14.) Diese Figur zeigt den Chordastrang (f.) und seine Umwandlung in eine protoplasmatische Masse (p.), mit einem centralen Kanal (c.). In der protoplasmatischen Masse beobachtet man acidophile Tröpfechen (m). (Homog. Immers. Obj. '/ı2. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 3. Dasselbe Exemplar wie in Fig. 2. Hier sieht man in einem zur Chorda tangentialen Schnitt die Individualisierung von Zellen im syncytialen Chordaepithel. (Homog. Immers. Obj. 'fız. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 4 Embryo von Gongylus oc., 6,1.5,3 mm. (Beob. 22.) Der Längs- schnitt der Chorda dorsalis zeigt die cuticuläre Scheide, in der man zwei Blätter (e. p. und c. s.) unterscheiden kann, und die Scheide skeletogenen Ursprungs (g.8.), das dünne und diskontinuierliche Chordaepithel (ep.), den gelatinösen Körper und die acidophilen achsialen Massen (m.). Die Figur ist unmittelbar jenseits des centralen Teiles der Choıda unterbrochen. Man sieht, wie die Kerne an der Peripherie und im Centrum zahlreicher als in den Zwischen- partien sind. (Homog. Immers. Obj. '/ı2. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 5. Embryo von Gongylus oc., 11,7.9,8 mm. (Beob. 28.) Hier sieht man die Chordascheide chordalen Ursprungs (c.p. und c.s.), und die- jenige skeletogenen Ursprungs (g.s.), getrennt durch ein elastisches Blatt (e.e.); ein weiteres in direkter Beziehung mit dem Chordagewebe stehendes elastisches Blatt stellt die äusserst dünne Cutieula secundaria (c.s.) dar. (Homog. Immers. Obj. "iz. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 6. Embryo von Lacerta muralis, 55 mm. (Beob. 32) Diese Figur zeigt die Entstehung des Chordaknorpels. a.e.e.—lamina elastica ex- terna; s.f. — substantia fundamentalis; c. = Zelle der Cartilago chordalis: n = Kern, wahrscheinlich in direkter Teilung begriffen. (Homog. Immers. Obj. "/ıe. Oe. 4.) Erklärung der Abbildungen. 469 Fig. 7. Junge Lacerta muralis. (Beob. 40.) Zeigt den einzigen Überrest der Chorda (elastisches Blatt [e.e.], welches die cuticuläre Scheide von derjenigen skeletogenen Ursprungs trennt) in den intervertebralen Ge- genden. (Homog. Immers. Obj. "/ı2. Zeiss, Oe. 4.) Fig. 8. Embryo von Gallus domesticus in der 48. Bebrütungsstunde (Beob. 42.) Zeigt die besonderen Zellen mit verdichtetem Protoplasma (a.) in der Chorda dorsalis, in der gerade die Vacuolisierung beginnt. (Homog. Immers. Obj. "/ı2. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 9. Embryo von Gallus domesticus am Ende des 4. Bebrütungs- tages. (Beob. 44.) Zeigt die plasmatischen Fibrillen (f.) im chordalen Sym- plasma. (Homog. Immers. Obj. '/ı2. Zeiss, Oc. 4.) f Fig. 10. Embryo von Gallus domesticus am Ende des 14. Bebrü- tungstages. (Beob. 53.) Zeigt die Eıscheinungen der Individvalisierung von Zellen aus dem chordalen Syneytium (a.b.) und die Bildung der ersten Tra- bekeln aus Knorpelgrundsubstanz (s.), die von der Chordascheide (e.) und von den zu Stäbchen zusammeng: schmolzenen acidophilen Massen (m) ausgehen. Man beobachtet Kerne in Caryokinese (mi.) und solche, die wahrscheinlich in direkter Teilung begriffen (am.) sind. (Homog. Immers. Obj. '/ı2. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 11. Embryo von Gallus domesticus am Ende des 17. Bebrü- tungstages. (Beob. 55.) Zeigt den Chordaknorpel in einer intervertebralen Einschnürung. Einige Kerne sind pyenotisch (p.), andere in Caryolyse (cl.). (Homog. Immers. Obj. '/ı2. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 12. Embryo von Gallus domesticus am Ende des 19. Bebrü- tungstages. (Beob. 56.) Zeigt die Ersetzung der Chorda dorsalis durch Knochen- mark (m.) und die Verknöcherung der chordalen Scheibe (g.) an dem noch knorpeligen Ende eines Wirbelkörpers. (Homog. Immers. Obj. 5. Koristka, Oc. 4.) Fig. 13. Fötus von Bos taurus. L.v.c. — 186 mm. (Beob. 77.) Zeigt in b. die Individual'sierung von Zellen aus dem chordalen Syncytium, in a. eine isolierte chordale Zelle, in e. eine Bindegewebszelle. (Homog. Immers. Obj. "/ı2. Zeiss, Oc. 4.) Fig. 14. Fötus von Lepus euniculus, L.v.c. 45,7 mm. (Beok. 86.) Zeigt das chordale Syneytium mit Kernen in Caryokinese (mi.). (Homog. Immers. Obj. !ız. Zeiss, Oc. 4.) Fıg. 15. Embryo von Homo sapiens, L.v.c.=90 mm. (Beob. 107.) Zeigt die Individualisierung von Zellen aus dem chordalen Syncytium. (Homog. Immers. Obj. Yı2. Zeiss, Oc. 2.) Fig. 16. Fötus von Homo sapiens im Alter von 5Monaten. (Beob. 109.) Zeigt einen Abschnitt des chordalen Syneytiums, in w«lchem die Zellenindi- vidualisierung kaum begonnen hat. Viele Kerne sind noch im gemeinen, nicht differenzieıten Symplasma eingebettet. (Homog. Immers. Obj. "2. Oc. 4.) AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT ZU GREIFSWALD. (DIREKTOR: PROF. E. KALLIUS.) DER ZWISCHENKIERFER, SEINE ENTSTEHUNG UND DER VERLAUF DER HASENSCHARTEN- KIEFERSPALTE UND DER SCHRÄGEN GESICHTSSPALTE, VON MICHIO INOUYE AUS TOKIO (JAPAN). Mit 38 Textfiguren. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3.). 3l s Ei a TE TU Ey ARE. Inhaltsverzeichnis. Il. Einleitung. Historisches Nomenklatur . II. Eigene Untersuchungen a) Zwischenkiefer des Menschen und einiger Säugetiere . b) Entwickelung des Gesichtes und des sekundären Gaumens beim Maulwurf. Die Verteilung der Gebiete der einzelnen embryonalen Gesichtsfortsätze beim ausgebildeten Maulwurf und beim Menschen E a: Entwickelung des Zwischenkiefers beim Maulwurf. Topo- graphie des Zwischenkiefers beim erwachsenen Maulwurf und beim Menschen (=) —_ Sitz der Hasenschartenkieferspalte und der schrägen Ge- sichtsspalte beim Menschen mu Wesen der Zahnanomalie bei den Spaltbildungen des mensch- lichen Gesichtes ® — III. Zusammenfassung . IV. Literaturverzeichnis . 31* Seite 475 491 494 494 508 u ab “ at y, Ar Are % . “% | PL oe I: Bi u u Er X are nat, = n rc reellen | j En d RN 4 “ BO EEE In naht Hr . PR ?; a hier bon EN es Bun N el den er a 0 his ob FT a a) ER oh uheita’R zirl ri BR RI rt 1% n D (8 af En . =“ Beedle DER Sn 207 wet Bla: gi UNE E NE R er x 004 u - e ” I De ” &«- u je Te 2. De ae TR ae at R . 3 N; N ARTEN Ez Bar, anr ER R DMly Au BEN In Perg t v Teer Ri ER, RER IBEN EN ul? u 17 ® B j \ 54%, vr Ki ; ie AR 5 . % a u in ap Kur . WEHREN $ “ u 5 Ve - sul Er IR a ni in a Bu r $ N N Be N ver SR ER TR Kae 55 ua | ip OER BR age er KAHN A Ken TLBTRREEN VOTERATATTER EL OEL dh Er 2) ö et Be a gun A RR he ER er 2 . ie l. Einleitung. Historisches. Am Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts entstand bekanntlich über die Zwischenkieferfrage ein heftiger Streit zwischen den beiden Forschern Albrecht und Th. Koelliker; trotz der eifrigen Forschungen der beiden wurde die interessante Frage damals zu keinem befriedigenden Ab- schluss gebracht. Albrecht behauptete, es gäbe beim Men- schen jederseits nicht einen, sondern zwei Zwischenkiefer, und die Hasenschartenkieferspalte verlaufe zwischen diesen beiden Knochen, also durch die Sutura interincisiva, während sein Gegner Th. Koelliker nur einen Zwischenkiefer annahm und die Spalte zwischen diesem und dem Oberkiefer in der Sutura incisiva entstehen liess. Die bekannte, schon von Goethe herrührende Ansicht, dass bei der doppelten Hasenschartenkieferspalte die Spalte zwischen dem Zwischenkiefer und dem Oberkiefer liege, wurde somit durch Albrecht nicht wenig erschüttert. Die Auf- fassung Albrechts, dass an jedem Oberkiefer zwei Zwischen- kiefer existieren und durch die Sutura interineisiva voneinander getrennt sind, war aber, wie es den Anschein hat, damals gar nicht mehr neu, sondern war schon von früheren Forschern auf- gestellt und zur Frage der Hasenschartenkieferspalte herange- zogen worden. 476 MICHIO INOUYE, Autenrieth, dem sein Freund Klein mehrere Schädel anencephaler Feten mit deutlicher Naht zwischen dem ersten und zweiten Schneidezahn zeigte, äusserte bereits im Jahre 1797 die Vermutung, dass wahrscheinlich jeder Schneidezahn, ja sogar zuweilen der Eckzahn ursprünglich in einem eigenen Knochen gebildet werde, indem er in seinem Werke, wie folgt, sagt: Amicıssimus mıhı D. Klein monstravit ex egregia sua craniorum foetuum colleetione, qui cerebro carentes vel potius cerebro in carnosam substantiam mutato natı erant, plura in quibus aperta adhuc sutura incisiva suleum ceu ramum inter primi ei secundi dentis incisivi alveolum, Albino jam notatum, melius vero aSoemmeringio (vid. Bau des menschlichen Körpers, I. Bd., S 160), descriptum, misit, ut fere videatur, prin- CIpio unumquemque alveolum incisivum, quin Ganinum inter- dum, proprium formasse ossiculum, verum, jam ante coali- tionem ossis intermaxillarıs cum maxillari, 0881 socio junelum. Wie aus den eben angeführten Zeilen Autenrieths hervorgehl, ıst schon vor diesem und seinem Freunde Klein die Sutura interincisiva von den Forschern Albin und Soem- merıing beobachtet worden; Autenrieth ging aber inso- fern einen Schritt weiter, als er annahm, dass das Zwischen- kieferbein ursprünglich nicht einfach, sondern zweifach angeleg! werde. Nach Autenrieth fand Meckel die genannte Sultur bei den mit Hydrocephalus, Hasenscharte und Gaumensvalte be- haftelen Schädeln sowie auch beim Oberkiefer der normal ve- bildeten Feten. Er glaubte, dass die Fälle, wo bei doppelter Hasenscharte und Gaumenspalte das mittlere, mit der Nasen- scheidenwand zusammenhängende Stück nur zwei oder drei Schneidezähne trägt, darauf hindeuten, dass wirklich für einen jeden Schneidezahn ein eigenes Knochenstück gebildet würde. Meckel äusserte sich ferner: „Vorzüglich merkwürdig ist Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 477 es, dass in einigen der angeführten Fälie (Wolisrachenbildung) nicht vier, sondern nur drei oder nur zweı Schneidezähne in dem mittleren Knochen gefunden wurden, während einer oder beide äussere in dem Oberkiefer sassen, ın einem Falie sogar ausser dem getrennten mittleren Stücke auch auf jeder Seite eines, welches den äusseren Schneidezahn enthielt, von dem Oberkiefer getrennt werden konnte, zum deutlichen Beweise, dass, wie schon Autenrieth vermütete, anfangs jeder Schneidezahn in einem eigenen Zwischenkieferknochen ent- ‘s halten ist.“ Es ist also schon Meckel nicht entgangen, dass die Hasenschartenkieferspalte unter Umständen auch von zwei Stücken des Zwischenkiefers abgeerenzt und das lateraie Stück des letzteren durch eine Naht mıt dem Oberkieler verbunden wird. Leuekart, der ausführliche Untersuchungen über den Zwischenkiefer der menschlichen und tierischen Schädei an vestelli hat, glaubte, am menschlichen Zwischenkiefer die von Autenrieth und Meckel vermuteten zwei Knochenkerne nachgewiesen zu haben, und bemerkte folgendes: „In bezug auf die besondere Entwickelune der Intermaxillarknochen elaube ich annehmen zu müssen, dass sich die beiden mitlieren oder inneren grösseren Kerne, also die für die beiden inneren Schneidezähne, zuerst ausbilden, dass danach erst sich die beiden äusseren ansehnlich kleineren Kerne entwickeln und dass die beiden Kerne jederseits gegen Ende des dritten Monats oder spätestens im Anfang des vierten sowohl untereinander als auch mit den angrenzenden Gaumenteilen der Kieferknochen verschmelzen.“ Nachdem nun die Entwickelung des Gesichtes durch Unter- suchungen besonders von Rathke, Bischoffu. Reicher! aufgeklärt war, versuchte man, die Hasenschartenkieferspalte, die zuerst von Goethe und nachher auch von anderen zwischen den Oberkiefer und Zwischenkiefer verlegt wurde, 478 MICHIO INOUYE, mit den embryonalen Vorgängen am Gesicht in gewissen Zu- sammenhang zu bringen, und nahm im aligemeinen an, dass der mittlere Nasenfortsatz den Zwischenkiefer und der Ober- kieferfortsatz den Oberkiefer entstehen liesse und dass dann, wenn die Vereinigung der beiden Fortsätze ausbliebe, dıe Hasen- schartenkieferspalte entstände. Später, nach Meckel, sind aber auch wiederholt solche Fälle der genannten Missbildung bekannt worden, in denen der zweite Schneidezahn nicht am medialen Spaltrande, sondern an dem lateralen gelegen ist. Bardeleben, der ebenfalls wie Autenrieth,Meckel und Leuckart auf jeder Seite zwei Zwischenkiefer annımmt, berichtete auch einen solchen Fall; er sagt in seinem Lehr- buche der Chirurgie an einer Stelle: „Der Oberkiefer bildet sich bekanntlich 1. aus zwei seitlichen Stücken, den aus dem oberen Fortsatze des ersten Visceralbogens jeder Seite sıch entwickelnden eigentlichen Oberkiefern, welche dıe Backzähne und den Eckzahn produzieren, 2. aus dem in der Medianlinie am vorderen Ende der Schädelkapsel hervorwachsenden Zwischenkiefer, welcher die vier Schneidezähne zu tragen be- stimmt ist, und diesen entsprechend aus vier, später zu zwei symmetrischen Knochen verschmelzenden Stückchen entsteht“, und wiederum an anderer Stelle: „Dagegen darf nicht uner- wähnt bleiben, dass es Hasenscharten gibt, welche nicht genau der Grenze zwischen Ober- und Zwischenkiefer entsprechen, wie dies namentlich bei Fällen, die mit Wolfsrachen kompliziert sind, nachgewiesen werden kann. Ich habe auf einen solchen Fall bei der 27. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte aufmerksam gemacht, wo die angeborene Spalte sich zwischen dem ersten und zweiten Schneidezahn befand. Die Zahl und Beschaffenheit der Schneidezähne, sowie die Stellung des Eckzahnes war ganz normal. In soichen Fällen hat man wohl anzunehmen, dass der eine Schneidezahnkeim sich von Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 4/9 vornherein im Oberkiefer entwickelte, resp. das entsprechende /wischenkieferstück mit dem Oberkiefer ganz früh ver- schmolzen war.“ Obgleich Bardeleben diese beiden Möglichkeiten sich vorbehalten hat, nahm Förster in soichen Fällen an, dass ein Stück des Zwischenkiefers mit dem Oberkiefer sich vereinigt habe, indem er saet: „Im höheren Grade der Missbildung findet sich ausser der Spaltung der Lippe auch eine Spalte des Alveolarfortsatzes des Kiefers. Dieselbe findet sich in der grossen Mehrzahl der Fälle zwischen dem äusseren Schneide- zahn und Eckzahn, und nur in ganz vereinzelten Fällen hat man sie zwischen dem äusseren und mittleren Schneidezahn ge- funden. Es hat also in den gewöhnlichen Fällen offenbar die Vereinigung zwischen Oberkiefer und Zwischenkiefer nicht statt oefunden, während in den seltensten sich nur ein Stück des Zwischenkiefers mit dem Oberkiefer vereinigte, das ander» aber nieht... ; . Auch diese Fälle von Lippen-Kieferspalte sind bald einseitig, bald beidseitig; im letzteren Falle besteht das Mittelstück aus dem oben beschriebenen Mittelstücke der Lippe und dem Zwischenkiefer, welcher meist aus zwei Stücken mit zwei Schneidezähnen besteht, während die anderen zwei Stücke fehlen.“ Volkmann, der am lateralen Rand der Hasenscharten- kieferspalte zweimal einen und einmal drei Schneidezähne be- obachtet hat, erklärte soiche Zähne als überzählig; bei seinen Fällen ähnelten diese vor dem Eckzahn stehenden Zähne seiner Ansichi nach mehr einem Eckzahn als einem Schneidezahn. Aus den obigen Zeilen von Bardeleben sowie Förster sieht man klar, dass die beiden Forscher sich auch der schon früher von Autenrieth, Meckel und Leuckart ausge- sprochenen Ansicht, dass der Zwischenkiefer jederseits zweifach angelegi werde, angeschlossen haben. Wenn aber die Hasen- schartenkieferspalte durch die ausgebliebene Vereinigung des 480 MICHIO INOUYE, Oberkiefer- und des mittleren Nasenfortsatzes entstanden sein sollte, wıe könnte dann das laterale Stück des Zwischenkiefers, welcher doch mit dem medialen zusammen in dem mittleren Nasenfortsatze einheitlich angelegt wird, ins Gebiet des Ober- kieferfortsatzes gelangen! Obgleich dies also mit den embrvo- logischen Vorgängen des Gesichtes gar nicht in Einklang zu bringen war, so begnügte man sich doch mit der unbefriedigen- den Erklärung, bis Albrecht ım Jahre 1879 seinen bekannten Aufsatz veröffentlichte, um dem bestehenden Missstande abzu- helfen, Albrecht glaubte durch seine Theorie von der paarigen Anlage jedes Intermaxillare, die er auf Grund eingehender Untersuchungen an teratologischen sowie normalen Schädeln des Menschen und der Tiere aufgestellt hat, die uns sehr interessierende Frage vollkommen aufgeklärt zu haben. Bald aber nach Albrecht wurde auch die Arbeit Th. Koel- likers bekannt, die mehr auf embryologischen Untersuchungen beruhte und sich entschieden gegen die von ersterem ver- vertretene Ansicht aussprach und die frühere Auffassung (oethes verteidigte. Nun beeann der eingangs erwähnte Streil zwischen den beiden Forschern ziemlich heftig zu werden, in- dem sie sowohl ın Vorträgen ais auch ın Aufsätzen ıhre An- sichten gegeneinander aufrecht zu erhalten suchten und einer den anderen nicht nachgeben wolite. Auf diesen Streit folgten auch mehrere grössere und kleinere Arbeiten anderer Forscher, auf die ich nachher noch eingehen muss. Sollten die Missbildungen des Gesichtes, wie die Hasen- schartenkieferspalte und die schräge (resichtsspalte, durch die ausgebliebene Vereinigung der embryonalen (resichtsforisätze entstanden sein, wie wäre es da überhaupt möglich, dass die einzelnen Theorien sich heute noch so schroff gegenüber stehen. Dann müssten notwendigerweise bei der Vereinigung der (re- sıchtsiortsätze zwei verschiedene Typen angenommen werden, Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 41 die durch die Ansichten Albrechts und Koellikers aus- oedrückt sind: sonst müsste ein mechanisches Moment, das in [rühembrvonaler Zeit in einer bestimmten Weise gerade aul eine bestimmte Stelle des Gesichtes einwirkt, zur Erklärung des einen oder des anderen Falies herangezogen werden, was aber als unmöglich zu bezeichnen ist. Ich habe zuerst die Entwickelung des sekundären Gaumens an den zahlreichen Serien sowohl der geschnitienen als auch der nicht geschnittenen Embryonen des Maulwurfes verfoiet. Dabei konnten mir auch die Beobachtungen der Entwickelung des vorderen Gesichtes sowie des Zwischenkiefers nicht ent- gehen, da dieser Prozess ja mit der Bildung des sekundären Gaumens in innigstem Zusammenhange steht. Obgleich zuersl die Untersuchungen der eben genannten Regionen rein embryo- logische waren, tauchte doch einmai der Gedanke in mir auf, ob dieselben zur Lösung der viel diskutierten Streitirage zwischen Albrecht und Koelliker nicht anwendbar seien. So führte mich dies auf die weitere Untersuchung der terato- logischen Präparate des menschlichen (esichtes, und zwar wurden nicht nur die Weichteile, sondern auch die Knochen nach dieser Richtung genau untersucht. Ich habe hier in Greifs- wald und in Berlin!) Gelegenheit gehabt, derartige Präparate eingehend zu studieren. Da der Entwiekelungsvorgang der für uns in Betracht kommenden Regionen beim Maulwurfe im wesent- lichen von dem bereits von den Forschern beim Menschen wie b2}i anderen Säugetieren geschilderten nicht abweicht, so werde ich im folgenden versuchen, das Wesen der als Hasen- schartenkieferspalte und schrägen Gesichtsspalte bezeichneten Missbildungen des Gesichtes des Menschen unter Zugrunde- legung der an unserem Tiere gewonnenen Resultate der Eint- 1) Den Herren Professoren Kallius und Grawitz in Greifswald, sowie dıe Herren Professoren Waldeyer nnd Schütz in Berlin. welche mir die wert- vollen Präparate zur Verfügung stellten, sei hier mein bester Dank abgestattet. 482 MICHIO INOUYE. wickelung klarzulegen. Bevor ich zu meiner eigentlichen Dar- stellung übergehe, will ich kurz das Wichtigste der Frage- stellung nach den Ergebnissen der Untersuchungen in der Lite- ratur zusammenfassen. Was zuerst die Anschauung Albrechts über unsere Frage anbetrifft, so kann sie etwa in folgenden Sätzen wieder- gegeben werden: 1. Der seitliche Nasenfortsatz (seitlicher Stirnforlsatz, Dursy und His), der zuerst noch nicht den Mundrand erreicht, wächst bei weiterer Entwickelung des Gesichtes allmählich oralwärts vor und kommt schliesslich am Mundrande zwischen dem mittleren Nasenfortsatze (mittlerer Stirnfortsatz, Dursy und His) und dem Oberkieferfortsatze zum Vorschein. Die Öberlippe wird sodann nicht einfach durch die Anteile der letzi- genannten beiden Fortsätze, sondern auch durch den des seit- lichen Nasenfortsatzes gebildet; sie besteht also aus der medialen und der lateralen Zwischenkieferlippe und der Ober- kieferlippe. 2. Von den Zwischenkieferknochen sind auf jeder Seite des Oberkiefers nicht einer, sondern zwei angelegt; der mediale Zwischenkiefer entwickelt sich in dem mittieren Nasenfortsatze, der laterale aber in dem seitlichen, während der Oberkietferfortsatz nur. den Boden für die Eint- stehung des Oberkieferbeines abgibt. Die Sutura interineisiva, die an dem Schädel des neugeborenen Kindes in den meisten Fällen zu sehen ist, weist darauf hin, dass die beiden Zwischenkiefer sich aus den früher getrennten Anlagen entwickelt haben. Das mediale Zwischenkieferbein ist bestimmt, den ersten Schneidezahn zu tragen und das lateraie den zweiten. 3. Die Nichtvereinigung der lateralen und der medialen 7Zwischenkieferlippe wird durch die sogenannte Lippenspalte dargestelit. Die Hasenschartenkieferspalte entsteht, wenn die Ver- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 483 einigung des mittleren und des seitlichen Nasenforisatzes aus- bleibt; sie muss also im Knochen zwischen dem medialen und dem lateralen Zwischenkiefer liegen und so durch die Sutura interineisiva gehen. Der mediale Schneidezahn liegt am medialen Spaltrande, der laterale aber am lateralen. Die Fälle, in denen auf einer Seite im ganzen drei Schneidezähne, zwei am medialen Spaltrand, einer am lateralen, vorhanden sind, werden dadurch erklärt, dass der bei den Stammesvor- fahren des Menschen vorkommende mittlere Schneidezahn dem heutigen normalen menschlichen (Gebisse verloren gegangen ist, jetzt aber als der zweite Schneidezahn am mediaien Spalt- rand auf atavistischem Wege wieder auftaucht. Die schräge Gesichtsspalte entsteht durch die Nichtvereini- gung der lateralen Zwischenkieferlippe und des seitlichen Nasen- forisatzes einerseits mit der Oberkieferlippe und dem Ober- kieferfortsatze andererseits; die Spalte kann also nie durch das Nasenloch verlaufen. Die Ansicht, dass die Hasenschartenkieferspalte nicht zwischen dem Oberkiefer- und dem Zwischenkieferbeine, wie vor Albrecht angenommen wurde, sondern in allen Fällen durch die Sutura interineisiva, d. h. zwischen dem medialen und dem lateralen Zwischenkiefer, verläuft, war ganz neu und ein unbestreitbares Verdienst Albrechts, obgleich sich über die genetische Beziehung der an der Kieferspalte sich beteiligen- den Knochen zu den embryonalen Gesichtsfortsätzen noch viel sagen lässt. Drei Jahre, nachdem Albrecht seine erste Abhandlung veröffentlicht hatte, erschien das Werk Th. Koellikers (1882) ‚ welches etwa folgende Sätze enthält: 1. Der seitliche Nasenfortsatz ist an der Bildung der Ober- lippe nicht beteiligt, sondern bildet die lateralen Partien des Nasenflügels und der Nase. Die Oberlippe wird also aus dem 484 MICHIO INOUYE, mittleren Nasenfortsatze und aus dem Oberkieferforisatze ge- bildet (His). 2. An Zwischenkieferknochen haben wir auf jeder Seite des Oberkiefers nicht zwei, sondern einen; er entsteht also nicht, wie Albrecht meint, aus zwei Knochenkernen, sondern aus einem einzigen Ossificationspunkte und wird nur im (rebiele des mittleren Nasenfortsatzes angeiegt. Die zu- weılen vorkommende Sutura endo-mespenathica (interincisiva) Albrechts weist nicht auf die frühere Trennung des /wischenkiefers hin, sondern ist als eine Gefässfurche zu betrachten. Der Zwischenkieferknochen ıst beim Schweine ebenso wie beim Menschen einfach angelegt. 3. Die Hasenschartenkieferspalte entsteht infoige der Nichl- vereinieung des mittleren Nasenfortsatzes einerseits mit dem seitlichen Nasen- sowie dem Oberkieferfortsatze andererseits. Wenn dazu sich die ausbleibende Vereinigung zwischen den letztgenannten beiden Fortsätzen geseilt, wird die erwähnte Missbildung mit der schrägen (resichtsspalte kompliziert. Die Hasenschartenkieferspalte verläuft alsonıichtinterincisiv, sondern extraincisiv, d. h. zwischen dem Zwischen kiefer- und dem Oberkieferbeine. Jedes Zwischenkisferbein ist bestimmi, zwei Schneidezähne zu tragen. Die vielfach vorkom- menden Varietäten in Anordnung und Zahl der Zähne erkiären sich aus der Unabhängigkeit der Zahnbildung von derjenigen des Knochens; der Schneidezahn am lateralen Spaltrand ist als ein überzähliger zu betrachten. Wir sehen also, dass Koellikers Ansicht fast bis in die Einzelheiten in jeder Hinsicht zu derjenigen von Albrecht in sehr schroffem (Gegensatz steht. Der vor wenigen Jahren nach Koelliker veröffentlichte Meyersche Aufsatz unter- stützte besonders die Theorie Albrechts, während diese von A. v. Koelliker, Merkel und Sachs mehr oder weniger bestritten wurde. Unter den Aufsätzen, die nach Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 45 Albrecht, Koelliker und Meyer folgten, verdienen be- sonders diejenigen von Schwink, Biondi, Morian, Sachs, Herhold und Köhne Erwähnung. Die Schwinksche Angabe beschränkte sich bloss auf die rein embryologischen Daten; nach ihm soll das Zwischen- kieferbein bei den von ıhm untersuchten Säugetieren, wie Artio- dactyla, Rodentia, Insectivora, Carnivora und Chiroptera auf jeder Seite des Gesichtes sich stets als eine einheitliche Anlage finden. Die Tatsache, dass Schwink unter den sechs Schafs- embryonen und anderen zahlreichen Embryonen verschie- dener Tierspecies nur ein einziges Mal zwei getrennte Knochen- kerne für den Zwischenkiefer beobachte! hat, würde a’so nicht zugunsten der Zweikerne-Theorie Albrechts ausfallen. Schwink ıst auf die Entstehung der Hasenscharterkieferspalte nicht eingegangen. Biondı hat soweit die Annahme Albrechts unterstützt, als er auch den Zwischenkiefer auf jeder Spalte aus zwei ge- trennten Knochenkernen entstehen lässt; im übrieen weicht seine Darstellung nicht wenig von der Albrechtschen ab und kann etwa ın folgenden Zeilen kurz ausgedrückt werden: 1. Der seitliche Nasenfortsatz beteiligt sich nicht an der Bildung der Oberlippe, indem diese durch Vereinigung des mittleren Nasen- und des Oberkieferfortsatzes entsteht. 2. Der Zwischenkieferknochen wird auf jeder Seite des Oberkiefers nicht einfach, sondern zweifach angelegt; der meto- pogene entwickelt sich aus dem mittleren Nasenfortsatze und der gnathogene aus dem Oberkieferfortsatze, während aus dem seitlichen NasenfortsatzegarkeinKnochen entsteht. Im ausgebildeten Zustande liegt der gnathogene vorn, d.h. an der Gesichtsfläche, der metopogene aber hinten und ist von dem gnathogenen verdeckt. Letzterer kann auf die Ge- sichtsfläche allein beschränkt bleiben oder kann von seinem lateralen Ende, wie es meistenteils der Fall ist, einen knöchernen 186 MICHIO INOUYE, Forisatz nach hinten senden, der sich zwischen den meto- pogenen Zwischenkiefer und das Oberkieferbein einschiebt. Im ersteren Falle bildet der metopogene Zwischenkiefer die hintere Alveolarwand der beiden Schneidezähne, während der gnatho- gene zum vorderen knöchernen Teil der Aiveolen eben dieser Schneidezähne wird; die Grenze zwischen den beiden Knochen ist die Sutura interalveolaris, welche lateral direkt in die Sutura ineisiva, medial aber in die Sutura palatina mediana mündet. Im letzteren Falle aber beteiligt sich der gnathogene /wischenkiefer ausserdem noch an der Bildung der äusseren zwei Drittel der hinteren Alveolarwand des zweiten Schneide- zahnes , die Grenze der beiden Knochen wird durch die Sutura interalveolaris und deren hinteren Ausläufer, nämlich die Sutura interineisiva, gebildet, die hinten in die Sutura incisiva mündet. Wenn der gnathogene Zwischenkiefer keinen hinteren Knochen- fortsatz besitzt, so fällt natürlich die Sutura interincisiva voll- kommen weg, und ist nur die Sutura interalveolarıs vorhanden. Die Schneidezähne kommen nur im Bereiche des Zwischen- kiefers vor 3. Die Hasenschartenkieferspalte entsteht infolge der Nicht- vereinigung zwischen dem mittleren Nasenfortsatze einerseits und dem seitlichen Nasen- und dem Oberkieferfortsatze anderer- seits: die Spalte läuft direkt in das Nasenloch. Die schräge (iesichtsspalte wird verursacht durch die ausgebliebene Ver- einigung zwischen dem mittleren und seitiichen Nasenfortsatze einerseits und dem Oberkieferfortsatze anderersei's; das Nasen- loch ist geschiossen. Im Knochen verlaufen sowohl die Hasen- schartenkieferspalte als auch die schräge esichtsspalte stets zwischen dem gnathogenen und dem metopogenen Zwischen- kiefer. In diesem Falie wächst der letztere nach vorne und kommt an der Gesichtsfläche zum Vorschein, um sich an der Bildung des vorderen Teiles der Schneidezahnalveolen zu be- teiligen. So findet man nach aussen von der Spalte den gnatho- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 47 genen Zwischenkiefer mit einem Schneidezahn, während nach innen von ihr der metopogene mit einem oder zwei Schneide- zähnen liegt. Bıondı erklärt ebenso wie Albrecht, das Auftreten des überzähligen Schneidezahnes ın vielen Fällen der Kieferspalte sei als ein atavistischer Rückschlag anzusehen. Bei der Biondischen Ansicht fällt besonders auf, dass er die beiden Zwischenkieferknochen ım normalen Falle nicht wie Albrecht durch die Sutura interincisiva allein getrennt wissen will, sondern dazu noch eine neue Naht .‚Sutura ınter- alveolarıs“ annımmt und nur den gnathogenen Zwischenkiefer an der Gesichtsfläche liegen lässt. Seiner Ansicht is: auf dem XV. Chirurgenkongress von Stöhr zugestimmt worden. Morıan, der sich eifrig mit der schrägen Gesichtsspalte beschäftigt hat, vermag an der Hand von 34 in der Literatur vorhandenen (inklusive seinen eigenen) Fällen dreierlei Formen aufzustellen. Die erste Form entspricht der Auffassung Koel- likers und die zweite der Aibrechts. Seine dritte Form wird für uns kaum in Betracht kommen, da sie, wie er selbst und auch andere Forscher zugeben, höchst wahrscheinlich mit unseren Missbildungen gar nichts zu tun hat. Die erste Form unterscheidet sich insofern von der zweiten, als die von der Oberlippe nach dem Auge sich hinziehende Spalte bei der ersten ins Nasenloch einschneidet, während dieses bei der zweiten von der seitlich vorbeigehenden Spaite unberührt bleibt. Im Knochen liegt die Spalte bei der ersten Form am Mundrande interincisiv ; weiter oben fliesst sie mit der Apertura piriformis in breiter Ausdehnung zu einem einheitlichen Defekt zusammen, dadurch, dass die sonst die Apertur seitlich begrenzenden Knochenteile vollständig fehlen. Morian glaubt, in diesem Falle seien die beiden Zwischenkieferknochen vollkommen er- halten. Bei der zweiten Form, an der die knöcherne Spalte nach seiner Meinung am Mundrande zwischen dem Zwischen- kiefer und dem Oberkiefer gelegen ist, schliesst sich die Apertura Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137 Heft (45. Bd, H. 3). 32 {SS MICHIO INOUYE, piriformis durch eine schmale Knochenspange, die den medialen Zwischenkiefer mit dem Nasenbein verbindet, gegen die Spalte vollkommen ab. Das Foramen infraorbitale nımmt sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Form eine iaterale Lage zu der knöchernen Spalte ein. Morıan hat alierdings versucht, diese beiden Formen an der Hand der Bıondıschen Auffassung zu erklären, und meint, die erste Form würde sich sehr gut dieser Auffassung anpassen; bei der zweiten Form musste er aber, um seine Er- klärung aufrecht erhalten zu können, einen Ausweg suchen, inden: er behauptete, dass die Spange, die die Apertura piri- formis von der Spalte vollständig trennt, entweder durch einen amniotischen Strang von dem Oberkiefer abgetrennt oder wahr- scheinlicher durch das excessive Wachstum des innerenZwischenkiefersnachoben, der in der Norm nur ein kleines Knochenplättchen darstellt, entstanden sei. Zur Erklärung dieser zweiten Form ist auf dem XV. Chirurgenkon- gress, wo Morian und Biondi zugegen waren, von Stöhr eine Ähnliche Meinung geäussert worden, indem er sagte: ‚Was den Fall Morians betrifft, so erklärt sich die merkwürdige Tatsache, dass der hintere Zwischenkiefer sogar die laterale Begrenzung der Apertura piriformis bildet, durch die Annahme eines noch exzessiveren Wachstums des hinteren (metopogenen) Zwischenkiefers, und diese Annahme hat um so weniger Be- fremdendes, als wir jetzt wissen, dass unter anormalen Ver- hältnissen der innere Zwischenkiefer überhaupt die Neigung besitzt, sich über seine normalen Grenzen auszudehnen.“ Da Bıondi die Entwickelung des medialen Zwischenkiefers im mittleren Nasenfortsatze, die des lateralen im Oberkieferfort- salze annımmt und die schräge Gesichtsspalte stets zwischen gnathogenem und metopogenem Zwischenkiefer verlaufen lässt, leibt nichts anderes übrig, als bei Morians zweitem Falle nur ein exzessives Wachstum des medialen Zwischenkiefers nach oben zur Erklärung heranzuziehen. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 48) Köhne tritt an der Hand seiner Untersuchung an den sowohl mit der Hasenschartenkieferspalte als auch mit der Cyelopie behafteten Missbildungen der Ansicht Albrechts und Biondis, dass der Zwischenkiefer auf jeder Seite aus zwei Stücken bestehe und die zuweilen vorkommenden über- zähliger Schneidezähne auf einen atavistischen Rückschlag zurückzuführen seien, mit Entschiedenheit entgegen. Die Köhnesche Behauptung ging hauptsächlich von dem Stand- punkte der odontologischen Verhältnisse aus; er äusserte sich etwa foleendermassen. Wenn bei einem Lippenkieferspaltenpräparat der mensch- liche Oberkiefer im ganzen mehr ais vier Schneidezähne trägt, so handelt es sich um accessorische Zähne, welche stets im Oberkieferfortsatz zur Entwickelunge kommen und nicht im /wischenkiefer. Da solche überzähligen Zähne fast ausschliess- lich an Schädein beobachtet werden, denen auch an sich schon eine Missbildung anhaftet und an sonst gesunden Schädeln überaus selten ist, so ıst das Vorkommen von sechs Schneide- zähnen, wie bei den von Albrecht, Biondi etc. ange- führten Fällen, stets als pathologisch zu betrachten. Die über- zähligen Zähne haben gleichsam die Bedeutung von Lücken- büssern, welche den bestehenden Spalt nachträglich durch eine andere Bildung ausfüllen sollen. Bei den Cycelopenschädeln, an denen ja der seitliche und mittlere Nasenfortsatz nicht zur weiteren Ausbildung gelangen und die beiden Oberkieferfort- sätze gegeneinander nach der Mitte zu wachsen, können auch Schneidezähne auftreten; diese sind als im Oberkiefer ent- standen anzusehen, da keine Naht seitwärts von dem Schneide- zahne nachzuweisen ist. Ist der mittlere Schneidezahn bei der hexaprotodonten Kieferspalte nach Biondi ein überzähliger, dann ist es doch sehr auffällig, dass bei der tetraprotodonten Kieferspalte der sonst rudimentäre Schneidezahn vorhanden sein soll und der normale nicht. Der am lateralen Spaltrand 32* 490 MICHIO INOUYE, gelegene Praecaninus incisivus ist also überzählig und gehört zum Oberkiefer; mithin muss die Hasenschartenkieferspalte inSallen-Rallen’mrt der Suturarıneıs mar zusam: menfallen. Die Arbeiten, die nach Köhne veröffentlicht wurden, zielten meistens dahin, entweder die Ursache der fraglichen Missbildungen aufzuklären oder über die einzelnen vorkom- menden Fälle zu berichten. Obgleich, wie wir oben gesehen haben, noch keine Theorie aufgestellt worden ist, die alle Fälle der Hasenschartenkieferspalte sowie der schrägen Gesichts- spalte definitiv erklären könnte, so ist trotzdem noch von nie- mand versucht worden, auf Grundlage eingehender Unter- suchungen die bestehenden Theorien nochmals auf ihre Richtig- keit hir zu prüfen oder eventuell eine neue Ansicht aufzu- stellen, damit man nicht je nach den vorkommenden Fällen gezwungen ist, nach der einen oder anderen Theorie willkürlich zu greifen. Wenn unsere Missbildungen auf die gehemmte Vereinigung der einzelnen Gesichtsfortsätze zurückgeführt werden, so müsste es allem Anscheine nach nur eine einzige Theorie geben. Denn die physiologische Vereinigung würde ja nur immer nach einem Modus stattfinden, und so lässt sich kaum annehmen, dass z. B. die Oberlippe einmal im Sinne Albrechts aus drei Fortsätzen und das andere Mal nach der Annahme Koel- likers und Biondis aus zweien sich entwickelt; ferner können wir gar nicht einsehen, warum ein und derselbe Zwischenkiefer in einem Falle nur im mittleren Nasenfortsatze (Koelliker), im anderen Falle ausser diesem entweder in dem seitlichen Nasenfortsatze (Albrecht, Meyer) oder in dem OÖberkieferfortsatze (Biondi) entstehen sollte. Dass die einzelnen Theorien heute noch bestehen und die Dinge nicht vollkommen aufgeklärt sind, liegt wahrscheinlich daran, dass die Forscher entweder den Tatbestand der friühembryonalen Ent Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d Hasenschartenkieferspalte ete 491 wickelung des Menschen und der Säugetiere sofort auf die Ver- hältnisse der ausgebildeten normalen sowie der teratologischen Präparate zu übertragen versuchten und es leider vernach- lässıgt haben, die Entwickelung des Zwischenkiefers besonders in Hinsicht auf seine topographischen Beziehungen zu den äusseren Weichteilen vom Beginn der Entwickelung bis zum definitiven Stadium in den einzelnen Phasen genau zu studieren. Nomenklatur. Bevor ich auf meine eigentliche Untersuchung eingehe, sei es mir gestattet, die Nomenklatur, die in dem in Rede stehenden Gebiete bis jetzt angewendet worden ist, einer kriti- schen Prüfung zu unterwerfen. Sehr irreführend sind die verschiedenen Bezeichnungen für die embryonalen Fortsätze des Gesichtes. Dursy und His unterschieden am embryonalen Gesichte vier verschiedene Fortsätze, nämlich den mittieren, den seitlichen Stirnfortsatz, den Oberkiefer- und den Unterkieferfortsatz. Der mittlere Stirn- fortsatz ist unpaar und umfasst das zwischen den beiden Nasenrinnen bzw. Nasenschläuchen geiegene (rebiet des Ge- sichtes. Da diese hinten bis zur primitiven Choane reichen, so bildet der zwischen den beiden primitiven Choanen gelegene Teil (Nasenseptum) nach His den Mundhöhlentei! des mitt- leren Stirnfortsatzes. Der davor am Gesichte geiegene Teil ge- hört zum Gesichtsteile des letzteren. Der seitliche Stirnfort- satz, der Oberkiefer- und der Unterkieferfortsatz sind paarig und füllen den hinter dem mittleren Nasenfortsatze bis zur Ohr- anlage sich erstreckenden Teil des Gesichtes aus. Der Ober- kieferfortsatz hat nach His auch den Gesichtsteil und den Mundhöhlenteil; aus dem letzteren soll der spätere Gaumen entstehen. Allerdings bilden die genannten fresichtsfortsätze gemein- 492 MICHIO INOUYE, sam den Teil des Gesichtes, der beim ausgebildeten Menschen unterhalb der Augen und der Stirn gelegen ist, aber doch nicht vollkommen. Es bleibt vielmehr, da der mittlere Stirnforlsalz den zwischen den beiden Nasenschläuchen gelegenen Teil des embryonalen Gesichtes beansprucht, oberhalb von ıhm zwischen ihm und der Stirnwölbung, die die Grosshirnhemisphären be- herbergi und die spätere Stirn bilden soil, ein dreieckiges Feld übrig. Dieses Feld nannte His „Area triangularıs“. Das spätere (tesicht wird also, abgesehen von der Stirn, von den Gesichts- fortsätzen und der Area triangularıs gebildet. Bekanntlich besteht der mittlere Stirnforlsatz aus einer eingesenkten Partie (Area infranasalis, His) und zwei seitlichen erhabenen Teilen (Seitenflügel, Dursy; Seitenwülste, His). Dieser Seitenpartie haben neuerdings viele Forscher den Namen „medialer Nasenfortsatz“ gegeben und demgegenüber die vordere wulstige Erhebung des seitlichen Stirnfortsatzes, die die laterale Umrandung des Nasenloches abgibt, als „lateralen Nasenfortsatz“ bezeichnet. Prüfen wir die obigen Benennungen genauer nach, 50 gibt der Name ‚„Stirnfortsatz‘‘ leicht eine irrige Vorstellung, näm- lich dass von dem Stirnfortsatze die spätere Stirngegend ge- bilde! werde, entsprechend dem Verhalten der übrigen Gesichls- fortsätze, die als Unterkiefer- und Oberkieferfortsatz den späteren Unter- und Oberkiefer entstehen lassen. In Wirk- lichkeit hat aber der Stirnfortsatz, wie wir späler sehen werden, mit der Bildung der Stirn gar nichts zu tun; aus dem mittleren Stirnfortsatze gehen später das ganze Nasenseptum, die Philtrumgegend der Oberlippe, die Papilla palatina und die vor dieser gelegene Kieferpartie aus, während der seitliche Stirnfortsatz grösstenteils das Bildungsmaterial für den Seiten- teil der späteren äusseren Nase liefert. Die spätere Stirn wird von der oberhalb der Stirnfortsätze und der Area triangularıs gelegenen Stirnwölbung, die die Hirnhemisphären beherbergt, Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 495 gebildet. Ich möchte deshalb für den Stirnforisatz den Namen „Nasenfortsatz‘ gebrauchen, weil die sog. seitliche Stirn- fortsatz hauptsächlich an der Bildung der Nase sich beteiligt und der mittlere Stirnfortsatz, obgleich nicht in dem Masse wie der seitliche, teilweise dazu bestimmt ist, das ganze Nasen- septum zu bilden. Der früher mittlere Stirnfortsatz wird somit zum mittleren und der seitliche zum seitlichen Nasenfortsatze. Dann fallen die für die mediale und die laterale Umrandung des Nasenloches gegebenen Bezeichnungen, ‚„medialer und lateraler Nasenfortsatz“, voll- kommen weg, und das (Gebiet des medialen Nasenfortsatzes wird einfach als Seitenwulst bezeichnet, so dass der mittlere Nasenlortsatz nach dieser Bezeichnung in die mittlere Area infranasalis und die beiden Seitenwülste eingeteilt wird. Wegen der Übersichtlichkeit seien im folgenden die alten und die neuen Bezeichnungen der das Gesicht bildenden Teile tabellarısch zusammeneestellt: Alte Bezeichnung Neue Bezeichnung mittlerer g Area infranasalıs mittlerer f Area infranasalis strnforttz medial. Nasenfortsatz | Nasenfortsatz | Seitenwulst seitlicher Stirnfortsatz — lateraler | SSTETCHETEN AS EHTOSATZ Nasenfortsatz | Area triangularis | Area triangularis Öberkieferfortsatz Oberkieferfortsatz Unterkieferfortsatz Unterkieferfortsatz Ferner sind noch einige alte Bezeichnungen durch neue ersetzt worden, worüber später in der Arbeit berichtet wird. 494 MICHIO INOUYE, II. Eigene Untersuchungen. a) Zwischenkiefer des Menschen und einiger Säugetiere. Von den menschlichen Schädeln sind 15 von Neugeborenen sowie von jugendlichen Individuen bis zum Alter von sieben Jahren und 15 von Erwachsenen — ım ganzen also 30 Ober- kiefer — besonders von mir hinsichtlich der Zwischenkiefer- nähte studiert worden. An den genannten Exemplaren konnte ich 285 mal eine mehr oder weniger deutliche Sutura incisiva konstatieren, während diese zweimal vollkommen fehlte. Die Sutura ıinterincisiva kommt etwas seltener vor, nämlich ın 21 von den 30 Fällen; von diesen 21 fielen 8 auf die Er- wachsenen und 13 auf die Neugeborenen. Die Sutura incisiva (Fig. 1) beginnt meistens am Foramen incisivum, sehr selten aber auch hinter diesem an der Sutura palatına, und zwar in ganz beliebigem Winkel, und verläuft eine Strecke lang lateralwärts, um dann die Sutura interincisiva nach vorn abzugeben. Nach dieser Abgabe be- schreibt die Sutura in ihrem weiteren Verlaufe in den meisten Fällen eine mehr oder weniger scharf ausgesprochene, un- regelmässige, nach hinten ausgebogene Figur, um sich, wenn gut ausgebildet, meistens bis zur medialen Partie des Eck- zahnalveolus (Fig. I rechts !), in einigen Fällen aber zur Scheide- wand zwischen dem letzteren und dem lateralen Schneidezahn (Fig. 1 links) zu verlieren. In den übrigen, nicht gut aus- gebildeten Fällen ist die Naht in ihrer lateralen Partie schon mehr oder weniger weit vollkommen verstrichen, so dass nur ıhr medialer Abschnitt erhalten ist. Wenn das Verstreichen des lateralen Abschnittes sehr weit vollzogen ist, kann diese ') Es sei hier darauf aufmerksam gemacht, dass die im Texte vor kommenden Ausdrücke, wie „rechts“. „links“, rechte Seite“ und „linke Seite“, nicht direkt auf die Figur, sondern auf den Embryo selbst Bezug haben. Der Zwischenkiefer, Entsteli. u Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 495 unter Umständen am Foramen incisivum nur als ein kurzer Riss existieren, so dass man bei der flüchtigen Betrachtung leicht diese rudimentäre Naht übersehen kann. Die Sutura incisiva geht, wie bereits erwähnt, in der Regel vom Foramen incisivum aus; es gibt aber auch einige Fälle, in denen an diesem Loche von der Naht gar nichts zu sehen ist und eine kurze Strecke seitwärts der frühere mittlere Teil der Naht auftaucht. Oftmals ist die Naht in ihrer ganzen Länge zu einer seichten Rinne umeestaltet, so dass sie ın der Tat sehr an eine Gefässfurche erinnert. Die Sutura incisiva kann auf beiden Seiten des aumens ın den erwähnten Arten verschieden ausgebildet sein. Sie kann sich nämlich auf einer Seite ziemlich weit bis zum Alveolarrande er- strecken, während sıe auf der anderen Seite von diesem ent- fernt endet; sie kann auf einer Seite fehlen und doch auf beiden Seiten gleich weit seitwärts verlaufen und den Alveolarrand erreichen oder in verschiedener Entfernung von ihm aufhören. Die Naht, die vollständig ausgebildet ist, d. h. den Alveolar- rand erreicht, wurde von mir bei den untersuchten 20 Exem- plaren von Schädeln siebenmal beobachtet. Davon waren zwei Schädel von Erwachsenen und fünf von Kindern und Feten. Dass die Naht auf einer Seite bis zum Alveolarrand entwickelt wäre, auf der anderen aber ganz oder fast vollständig fehlte, wurde von mir ebensowenig wie von v. Meyer beobachtet. Die Suturainterincisiva, dienach Albrecht und Biondi auf die paarige Anlage des Zwischenkiefers hindeutet, eeht in den allermeisten Fällen von der Sutura incisiva in einiger Entfernung vom Foramen incisivum ab (cf. Fig. 1); nur selten beginnt sie bereits am Foramen. Sie verläuft von ihrem Ursprung schräg nach vorn, um entweder die inediale Partie des Alveolus des zweiten Schneidezahnes, oder auch das Septum der beiden Schneidezähne zu erreichen. Soweit ist sie verhältnismässig selten zu verfolgen, in den meisten 496 MICHIO INOUYE. Fällen verliert sie sich mehr oder weniger weit entfernt vom Alveolus. Beim Gaumen des Erwachsenen ist sogar die Sutura interineisiva sehr oft vorn gar nicht zu sehen und nur an der Sutura ineisiva strichartig angedeutet; in diesen Fällen würde man ohne grosse Vorsicht leicht die rudimentäre Naht über- sehen. Die vollständige Ausbildung der Sutura interincisiva wurde T Pmx. Si.pmx. Fig. 1. Gaumenansicht des Schädels eines einjährigen Kindes. Si.pmx. Sutura inter- praemaxillaris. Si. Sutura incisiva. Sii. Sutura interineisiva. Pmx. Prae- maxillare (Zwischenkiefer.. Mx. Maxilla. P. Palatinum. I’ Dens ineisivus |. I: Dens incisivus II. €. Dens caninus. M' Dens molaris I. M’Dens molaris 11. unter den 30 Oberkiefern auf einer Seite des Gaumens zwel- mal bei Erwachsenen und ebenso oft bei Kindern und Feten gefunden. Eine auf beiden Seiten des Gaumens gleich gut entwickelte Sutur fand sich (Fig. 1) bei dem Oberkiefer eines einjährigen Kindes, dessen Gaumenfläche in Fig. 1 abgebildet ist. Beim OÖberkiefer von Erwachsenen reichte die Sutur ein- mal bis an die Scheidewand der beiden Schneidezähne, ein- mal bis an die mediale Seite der Alveolarwand des zweiten Schneidezahnes: beim Gaumen des Kindes und des Fetus aber endete sie, abgesehen von dem in Fig. 1 abgebildeten Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 497 Falle, im medialen Bereiche des zweiten Schneidezahnalveolus. Der Gaumen des einjährigen Kindes (Fig. 1) besitzt auf der rechten Seite eine Sutura interincisiva, die an der Scheide- wand zwischen dem ersten und zweiten Schneidezahn endet, auf der linken Seite aber eine, die in die mediale Partie des Alveolus des zweiten Schneidezahnes einschneidet. Wir sehen also, dass ın der Mehrzahl der gut ausgebildeten Fälle die Sutura interincisiva bis in die Alveolarwand des zweiten Schneidezahnes geht. Auf dieses Verhalten der Nahl seı hier. besonders aufmerksam semacht, da ich ihm, wie ich später noch ausführen werde, eine wichtige Be- deutung beimessen zu können glaube. Obgieich die Zahl der untersuchten Fälle natürlich sehr unzureichend ist, lässt sich doch sagen, dass die laterale Wand des Alveolus des ersten Schneidezahnes sehr selten vom Ende der Sutura interincisiva getroffen wird. Wenn die Sutura interincisiva nicht bis an den Alveolarrand läuft, ist es sehr schwer, aus ihrer Richtung genau zu entscheiden, an welchem Punkte sie geendet hätte. Die Verschiedenheit ihrer Ausbildung auf beiden Seiten des (saumens entspricht im allgemeinen den Formen, die bei der Sutura incısiva beschrieben wurden. Die Sutura incisiva und interineisiva ist bei jugendlichen sowie besonders bei fetalen Schädeln mit scharfen Rändern versehen. Bei Schädeln des Erwachsenen sind die Nähte enger und undeutlich, da ihre Ränder nicht so scharfkantig sind. Da die Verstreichung der Nähte von der Peripherie aus erfolgt, so ist sehr häufig ihre peripherische Partie einer Ge- fässfurche recht ähnlich, wenn auch bei wirklich sorgfältiger Betrachtung immer der Charakter einer richtigen Naht deut- lich erkannt werden muss. Über die Ausdehnung der Nähte in embrvonaler Zeit wird später eingehend berichtet; dass es sich absolut zweifellos hier an den Schädeln um richtige Nähte handelt, wird dann ganz klar werden. MICHIO INOUYE, Wie frühere Forscher konnte auch ich bei den von mir untersuchten Fällen kein einziges Mal die Fortsetzung der genannten beiden Nähte auf der Gesichtsfläche des Oberkiefers konstatieren. Ebenso wie die Gaumenfläche zeigt auch die nasale obere Fläche des Gaumes die deutliche Sutura incisiva. Um dıe nasale Naht verfolgen zu können, sind von mir zehn getrennte einzelne Oberkiefer untersucht worden, von denen acht dem Erwachsenen, je einer einem Kinde und einem 16 jährigen Individuum angehörten. An den Oberkiefern der Erwachsenen fehlte die nasale Sutur zweimal vollkommen, und einmal war am Foramen incisivum nur eine ganz kurze Strecke erhalten, während die übrigen Oberkiefer die mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Sutur besassen. Die nasale Sutura incisiva beginnt an der nasalen Mündung des Canalis incisivus, verläuft seitwärts und ein wenig nach hinten und strebt in ihrem weiteren Verlaufe einfach lateralwärts, ohne also dabei mit der an der Gaumenfläche gelegenen Sutur im Verlaufe genau übereinzustimmen. An der seitlichen Partie des Gaumens angelangt, biegt die Sutura incisiva in einem ab- gerundeten Bogen auf die nasale Fläche des Oberkieferkörpers um, um hier noch weiter aufwärts zu steigen. Bei den er- wähnten sieben Oberkiefern, die eine deutliche nasale Sutura incisiva aufweisen, endete diese einmal am lateralen Ende des Gaumens, dreimal etwa in der Mitte des letzteren und der Crista conchalis, während bei den übrigen drei, die je einem Schädel des Erwachsenen, des Kindes und des 16 jährigen Individuums angehörten, die noch tief einschneidende Sutur die Crista conchalis erreichte. Bei dem eben genannten kind- lichen Oberkiefer war die Sutura incisiva sogar noch weiter, bis 3 mm oberhalb der angeführten Leiste zu verfolgen (Fig. 2). Besonders bemerkenswert ist es, dass bei diesem Oberkiefer (Fig. 2) eine schwach angedeutete Rinne, die aber gar nicht wie eine (Gefässfurche aussieht, fast parallel dem vorderen Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 499 Rande des Oberkiefers bis zum Nasenbeinende seines Stirn- fortsatzes verläuft; sie ist in Fig. 2 durch Strichelung an- gedeutet. Die Verbindung der Furche mit der tief einschneiden- den Sutura incisiva sowie der typische Verlauf nach dem Nasenbeine hin zeigt offenbar, dass die genannte Furche nichts anderes sein kann als die bereits beinahe geschlossene obere Fortsetzume der nasalen Suturarneisıva v. Meyer, der diese Naht bis zur Crista conchalis verfolgte, scheint von ihrem weiteren Verlaufe nichts gesehen zu haben. Pn. Si Pmx. Fig. 2. Sutura ineisiva auf der Nasenfläche des Oberkiefers eines Kindes. Si. Sutura ineisiva; die gestrichelte Linie zeigt die beinahe geschlossene, obere Fort- setzung derselben. Pmx. Praemaxillare. Pn. Processus nasalis des Zwischen- kiefers. Fi. Foramen ineisivum. SI. Suleus lacrimalis. Hmx. Hiatus maxillaris. Bei dem bereits erwähnten Oberkiefer des Erwachsenen, der die bis zur Crista conchalis gelangende nasale Sutura incisiva aufweist, ist das obere Ende dieser Naht vom Rande der Apertura piriformis 7 mm entfernt. Nach ihrem Verlaufe und ihrer Richtung muss es als ausgeschlossen gelten, dass ihre eventuelle Verlängerung nach oben hin an der Peripherie der Apertura piriformis endigen könnte. Sie muss notwendigerweise den Seitenrand des Nasenbeines erreichen, um so mehr, als der bereits erwähnte kindliche Schädel ein solches Verhalten ekla- tant zeigt. 500 MICHIO INOUYE, Den wirklichen Beweis, dass die nasale Sutura incisiva nicht am Rande der Apertura piriformis, sondern am Seiten- rande des Nasenbeines endet, konnte ich glücklicherweise auch auffinden. Es handelt sich um den Schädel des einjährigen Kindes, dessen Gaumenfläche bereits in Fig. 1 abgebildet ist. Auffallend ist es besonders, dass die obere Partie der Suturainceisivahiersogarander@Gesichtsfläche Pmx. Fig. 3. Derselbe Schädel wie Figur lin etwas schiefem Profil. N. Nasale. Si. Sutura ineisiva. Api. Apertura piriformis. Pmx. Praemaxillare (Zwischenkiefer). Mx. Maxilla. Fio. Foramen infraorbitale. J. Jugale. I’ Dens ineisivus 1. I” Dens ineisivus 11. des Stirnfortsatzesdes Oberkieferszusehen ist. Ob man diese Naht auch auf der Innenfläche des Stirmforisatzes zu sehen bekommt, konnte ich leider nicht feststellen, da ich den Schädel in unversehrtem Zustande nur von aussen her be- trachtete und von der Apertura piriformis aus die nasale Naht nach oben zu verfolgen nıcht möglich war. Wie Fig. 3 deut- lich zeigt, beginnt die Naht an der Mitte des Seitenrandes des Nasenbeines, läuft dann auf dem Processus frontalıs des Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 501 Oberkiefers paraliel seinem medialen freien Rande, um nach einem ziemlich langen Verlaufe in einem kleinen Gefässloche zu verschwinden; die Länge der Sutur beträgt 1,3 cm. Der Verlauf dieser Naht entspricht genau dem der zur Furche ge- schlossenen Sutur, die bereits auf der nasalen Fläche des Stirnforlsatzes des Oberkiefers beim Kinde gesehen worden ist. Damit ist also ohne Zweifel anzunehmen, dass dieeben beschriebene Naht einen noch un- vollkommen geschlossenen oberen Teil der fa cialen Naht darstellt, die sich in frühembryo- naler Zeit vom. -Nasenbeine bis zum Alveolar- rande erstreckte und im vorliegenden Falle nur in ihrer unteren Hälfte geschlossen ist. Somit sehen wir, dass die v. Meyersche Vermutung, der obere Teil des Zwischenkiefers reiche bis zum Nasenbeine, voll- kommen berechtigt ist. Der untere Teil der facialen Naht kann aber dadurch leicht konstruiert werden, wenn man die bereits erwähnte Sutur in fast gerader Richtung nach unten bis zur medialen Partie des Eckzahnalveolus verlängert denkt. In Rücksicht auf diese Befunde kann die Grenze des Zwischenkiefers (des Prämaxillare) an dem Oberkiefer des Er- wachsenen leicht rekonstruiert werden. Auf der linken Seite der schematischen Abbildung von Fig. 33a (Seite 567) ist die Ausdehnung des linken Zwischenkiefers in Vorderansicht dar- gestellt und durch feine Punktierung von der Umgebung unter- schieden. Die Frage, ob der Zwischenkiefer sich aus zwei Knochenkernen oder aus einem entwickelt, sei vorläufig dahin- gestellt, jedenfalls bildet er im fertigen Zustande auf jeder Seite einen einheitlichen Knochen und besteht aus einem Körper und drei Fortsätzen; diese sind der .Pro- Gessus palatinus, alveolaris und nasalis. An dem Körper treffen die einzelnen Fortsätze zusammen ; er ist im Verhältnis zu diesen ziemlich schmächtig. Von den 502 MICHIO INOUYE, Flächer des Körpers sind nur die nasale und die faciale vor- handen; die erstere bildet mit der nasalen Fläche des Pro- cessus palatinus die vordere, kleinere Partie des Nasenbodens, während die letztere frei am (Gesichte liegt. Der Processus alveolaris steigt direkt vom Körper nach unten und enthält die Alveolen für die beiden Schneide- zähne; er besitzt eine Gesichts- und eine Gaumenfläche. Der Processus -palatinus geht vom Körper nach hinten ab und bildet zusammen mit dem der anderen Seite den vorderen Teil des harten Gaumens. Sein hinterer Rand verbindet sich durch die Sutura incisiva mil dem gleichnamigen Fortsatz des Oberkiefers. Wie bereits erwähnt, ist der Palatın- fortsatz in den meisten Fälien durch die Sutura interincisiva mehr oder weniger stark in zwei Hälften geteilt; der laterale Teil würde dann den eigentiichen Processus palatinus (Pro- cessus palatınus lateralis) darstellen und der mediale dem Processus Stenonianus (Processus palatiınus me- dialıs) entsprechen, dessen Homologon bei Tieren die Apo- physis Stenoniana ist. Der Processus Stenonianus liegt zwischen der Sutura interincisiva und palatına und verbindet sich durch diese Naht mit dem der anderen Seite. Der mediale Rand des Stensonschen Fortsatzes bildet mit dem des Körpers die Semicrista ınciısiva. Nach hinten erenzt der Processus Stenonianus an das Foramen palatınum und an den vorderen, medialen Teil des Oberkiefers. Der eigentliche (laterale) (saumenfortsatz schiebt sich keilförmig zwischen den Processus Stenonianus und den Gaumenfortsatz des Oberkiefers ein; die Grenze gegen den letzteren ist in der Regel durch den hinten konvexen Teil der Sutura incisiva gegeben. Der Processusnasalis ist ein schmaler, aber ziemlich langer, mächtiger Fortsatz, der von dem seitlichen Teile des Körpers nach oben abgeht. Er steigt an dem vorderen Rande des eigentlichen Oberkiefers entlang aufwärts und bildet die Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 505 seitliche Begrenzung der Apertura piriformis. Oben keilförmig zugespitzt, schiebt sich der Processus nasalis zwischen das Nasenbein und den Stirnfortsatz des Oberkiefers ein; die Spilze des Processus nasalis reicht nach oben etwa bis zur Mitie des Seitenrandes des Nasenbeines. Die Apertura piriformis wird also oben von beiden Nasenbeinen, auf beiden Seiten und unten vom Zwischenkieferbeine begrenzt, sodassder Ober- Krefer an der Bildung’der Apertur gar nrehtteil- nimmt. Dieselben Verhältnisse zeigen auch die meisten Säuge- tierschädel, indem der Nasenfortsatz des Zwischenkiefers bis zum Nasenbeine reicht. Von mir sind auch mehrere Exemplare von Affenschädeln untersucht worden. Von diesen besitzen nicht nur die jugendlichen, sondern auch nicht selten selbst die von Erwachsenen eine ganz deutliche Sutura incisiva an der Gesichtsfläche des Oberkiefers. 3eiı den meisten von mir angesehenen Arten von Affen, wie Cercopithecus aethiops, Cercopithecus Mona, Cercopithe- cus sabaeus etc., stellt die Sutura inciısıva an der Gesichts- fläche eine vom Alveolarrande bis zum Nasenbeine durch- gehende Naht dar, indem also der eigentiiche Oberkiefer sich gar nicht an der Begrenzung der Apertura piriformis beteiligt. Dieselben Verhältnisse zeigte auch ein Schädel von einem jungen Orang-Utang, während bei einem Erwachsenen von der Naht an der Gesichtsfläche des Oberkiefers nichts zu sehen war. Ks gibt aber auch Affen, bei denen die Zwischenkiefernahlt sich etwas anders verhält. Zum Beispiei konnte ich bei einem erwachsenen Gorillaschädel und bei je einem Schädel vom Inuus eynomolgus und Inuus sylvanus die Sutura incisiva an der Gesichtsfläche von der Gegend des Eckzahnes auf- wärts deutlich verfolgen. Die Naht endete aber nicht an dem Seitenrande des Nasenbeines, sondern vorher an der Apertura piriformis, indem sie anfangs mit dem Seitenrande dieser nach Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 33 504 MICHIO INOUYE, oben immer stärker konvergierte, um dann unweit von dem Nasenbeine, ohne es zu erreichen, am Rande der Apertur auf- zuhören. So wird hier die Begrenzung der Apertura piriformis nicht nur vom Nasenbeine und dem Zwischenkieferbeins, sondern auch von dem Oberkieferbeine gegeben. Dass beim menschlichen Oberkiefer die Sutura incisiva wohi niemals ın die Apertura piriformis einschneiden wird, ist bereits eingehend erörtert worden. Das Zwischenkieferbein des Maulwurfes zeigt in seiner lagebeziehung ein ähnliches Verhalten wie das des Menschen. Bei den von mir zunächst untersuchten drei Exemplaren von Schädeln des erwachsenen Tieres konnte ich an der Gesichts- fläche des Oberkiefers die Zwischenkiefernaht nicht deutlich herausfinden, da diese hier fast in ihrer ganzen Ausdehnung bereits geschlossen war. So habe ich einen Schädei zin2s jugendlichen Individuums zu diesem Zwecke sorgfältig maze- riert, und hier konnte ich die Sutura incisiva deutlich auch am (Gesichte verfolgen. Eine der Sutura interincisiva entsprechende Naht an der Nasenfläche des Oberkiefers konnte an keinem Schädel ge- [unden werden. Der Zwischenkiefer des Maulwurfes (vel. Fig. 3la und b) besteht auch aus dem Körper und den drei Koresatzen, dem roces sus pral arınm us, alveolkarıs und nasalis: von den Fortsätzen ist die zuletzt genannte am kräftigsten entwickelt. Der Körper des Zwischenkiefers ist durch die Alveolen der Schneidezähne fast in seiner ganzen Dicke durchsatzt; von den zwei Flächen des Körpers sieht die eine nach der Nasenhöhle, und die andere liegt am @resichte. Der Pro- cessus alveolaris ragt sehr wenig hervor; ihm würde der vom Körper aus nach unten befindliche kleine Teil ent- sprechen, der die schmalen Ränder der einzeinen Alveolen Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 505 bildet. Der Körper mit dem Processus aiveolarıs gemeinsam enthält drei Schneidezähne. Der Processus palatinus geht vom Körper nach hinten ab, seine hintere Grenze ist durch die deutliche Sutura incisiva gegeben. Diese Naht ist beim Maulwurfe durch das Foramen incisivum, das nicht wie beim Menschen zu einem unpaaren Loche vereinigt ist, sondern paarig seitlich von der Sutura palatına liegt, in einen medialen, kleineren und einen lateralen, grösseren Abschnitt zerlegt, wie aus Fig. 3la deut- lich zu sehen ist. Von diesen beiden Abschnitten geht der erstere von dem hinteren zugespitzten Ende des Foramen incisivum direkt nach "hinten und biegt nach einem kurzen Verlaufe medianwärts um, um bald in die Sutura palatina aus- zulaufen. Der laterale ‘Abschnitt der Sutura incisiva beginnt aber an dem entgegengesetzten Ende des Gaumenloches, zieht nach hinten seitwärts zur medialen Wand des Eckzahnaiveolus und kommt an seiner lateralen Wand wieder zum Vorschein. Die (raumenfläche des Zwischenkiefers ıst also nach hinten konkav und in einen lateraien, die vordere Hälfte des Eck- zahnes einschliessenden, breiten und einen medialen, schmalen /apfei geteilt, der mit dem hinteren Abschnitt des Processus Stenonianus des menschlichen Zwischenkiefers zu homologi- sieren wäre. Zwischen den erwähnten beiden Zipfeln ist das Foramen incisivum und der zungenförmiee Fortsatz des Ober- kiefers eingelagert. Der mediale Rand des Processus palatinus, der sich mit dem Gaumenfortsatze der anderen Seite verbindet, erhebt sich nach oben zu einer Leiste, die ein wenig schräg lateralwärts gestellt ist und so mit der anderen Seite eine nach oben offene Rinne bildet. Das vordere Ende der Leiste senkt sich allmählich zum Boden der Nasenhöhle hin. Von dem Körper geht seitwärts nach oben ein ziemlich mächtiger Fortsatz, der Processus masalis, ab. Dieser steigt zuerst als eine gleich breite Spange an der Maxilla 35*F DU6 MICHIO INOUYE, schief nach oben und zugleich medianwärts und schiebt sich oben mit seiner nach hinten spitz ausgezogenen Parlie zwischen das Nasenbein und den Oberkiefer ein, so dass dieserauch beim Maulwurfie mit der Begrenzung der Aper- tuara piriformis garmichts zu tun hat. Die Spatze des Processus nasalis erreicht die Mitte des Seitenrandes des Nasenbeines. Das Nasenbein ist beim Maulwurfe vorn und hinten gleich breit und verbindet sich in seiner hinteren Hälfte seitlich mit dem oberen Teile der Maxilla, hinten mit dem Frontale. Der obere Teil des Maxillare grenzt also an das spitze Ende des /wischenkiefers, an das Nasale und hinten in einer ziemlich breiten Strecke an das Frontale; so würde er ein Homolagan für den Stirnfortsatz des menschlichen Oberkiefers darstellen, ist aber wegen der Verlagerung der kleinen Orbitahöhle nach hinten ziemlich breit abgerundet. Der Zwischenkiefer und das Nasenbein des Maulwurfes zeigen also in ihrer Lagebezıehung zueinander sowie zu der benachbarten Maxilla dieselben Ver- hältnısse wie beim Menschen. Indessen ist der Oberkiefer des Maulwurfes im Vergleich mit dem des Menschen teils wegen der zugespitzten Schnauze, teils infolge der Verlagerung der Orbitahöhle in seiner Form beträchtiich verändert. Das Foramen infraorbitale fehlt beim Maulwurfe; es ist in die Orbitahöhle übergegangen. Das in Fig. 31 b sichtbare Loch, das vorn oben von der Orbita gelegen ist, stellt die obere Öffnung des Canalis nasolacrimalis dar. Diese ist vorn unten vom Maxillare be- grenzt; neben der Öffnung soll das Tränenbein liegen. Letzteres konnte aber beim vorliegenden Schädel wegen der bereits weit vollzogenen Verwachsung mit den benachbarten Knochen nicht in seiner Ausdehnung bestimmt werden. Das rudimentäre Auge würde mit seiner oberen Hälfte beinahe den ganzen Umfang des Tränenloches decken; es ist aber in der Figur weiter unten eingezeichnet. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 0% Wie eingangs bereits bemerkt worden ist, glaubt Biondi eine neue Naht, die Sutura interalveolaris, an menschlichen sowie tierischen Schädeln gefunden zu haben. Die Naht soll nach ihm quer durch die Alveoien des ersten und des zweiten Schneidezahnes verlaufen und sich lateral in die Sutura inter- incisiva fortsetzen. Ich habe bei 2 fetalen, 1 kindlichen und 30 erwachsenen Schädeln vom Menschen, bei denen die Zähne vorher vollkommen entfernt waren, sowie auch die zahnlosen Alveolen eines Maulwurfschädels auf die Biondische Naht hin untersucht. Bei keinem konnte ich aber die Naht oder ein nahtähnliches Gebilde finden. Nur bei einem Schädel von einem 11/, Jahre alten Kinde bemerkte ich an den hinteren Alveolarwänden des oberen ersten und zweiten Milchschneide- zahnes auf jeder Seite je eine frontal gesteilte schmale Spalte; diese erinnert wohl an die Biondische Interalveolarnaht. Die genauere Betrachtung lehrt aber, dass diese Alveolen der Milchschneidezähne durch die Spalte mit den dahinter ge- legenen Alveolen der bleibenden Schneidezähne kommunizieren. Diese Spalte war früher sicher mit einer bindegewebigen Mem- bran ausgefüllt, die den bereits verknöcherten Teil der Scheide- wand zwischen den Alveolen der bleibenden Schneidezähne und denen der Milchschneidezähne vervoilständigte. Nach dem, was ich an meinem Material, nach den Literaturangaben (von Th. Koelliker und Schwink z. B.) und nach meinen eigenen entwickelungsgeschichtiichen Untersuchungen gefunden habe, kann ich mit Bestimmtheit behaupten, dass es sich bei der Biondischen Interalveolarnaht nur um einen V.erknöcherungsdefekt oder dergleichen, nicht um eine wirkliche Naht handeit. In dem nun folgenden embryologischen Teil wird dies des näheren aus- geführt werden. DOS MICHIO INOUYE, b) Entwickelung des Gesichtes und des sekundären Gaumens beim Maulwurfe. Die Verteilung der Gebiete der einzelnen embryonalen Gesichtsfortsätze beim aus- gebildeten Maulwurfe und beim Menschen. Die Maulwurfsembryonen sind von dem Stadium aus, an dem bereits die einzelnen Gesichtsfortsätze deutlich ausgebilde! sind, der sekundäre Gaumen aber noch ın seiner ersten An- lage sich befindet, bis zum ziemlich weıt fortgeschrittenen Stadium untersucht worden, bei dem der sekundäre Gaumen bereits vollkommen geschlossen ist; sie umfassen insgesaml [folgende 12 verschiedenen Stadien, die tabellarısch angeordne! sind. Die einzelnen Stadien enthalten meistens zwei gleich- alterige Embryonen, von denen der eine einfach präpariert — der Unterkiefer nebst der Zunge wurde entfernt und der andere in unversehrtem Zustande in Schnitte zerlegt worden ist. (re- oebenenfalls sind in die Tabelle, um diese übersichtlicher zu gestalten, nur die Masse des präparierten Embryos aufgenom- men. In der Tabelle bezeichnet der Buchstabe « die grösste Länge des Embrvos, die nämlich von dem Rüsselende, das bei jungen Stadien durch die Nasenkante (His), bei älteren durch den oberen Rand der Rüsselscheibe bezeichnet wird, entlang der Rückenkrümmung bis zur Schwanzspitze gemessen worden ist, B aber die bekannte Scheitel-Steiss-Länge. Stadium I @) 20, 2:mm en) on naslan II a AN Ba lea 5 I E22 IE Be SE s IV ar DANS: Be IT V u — als a N VI a 2a, Be ElNSrr Rs vu 2 BE 22000: H VII 7. 5120 De IX DE Wa Da ld Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 504 Stadium X 0 — 350mm Bu 116,2 mm XI Hall: ,, Br 20085 s Xu or — AD >, m 280% > XI] Erwachsener Maulwurf. Da die ausführliche Beschreibung der Entwickelungs- vorgänge des Gesichtes sowie des sekundären Gaumens, in der fast alle Stadien (I—XI und XIII), die in der Tabelle an- gegeben sind, berücksichtigt werden, demnächst als eine be- sondere Abhandlung erscheinen wird, so soll die folgende Darstellung nur die allerwichtigsten Züge aus den eben er- wähnten Vorgängen in knapper Form enthalten, und demnach ist sie auf wenige Stadien (Stadium I, II, IH, VII und XIII) beschränkt worden. In den nachfolgenden Kapıtein über die Eintwickelung des Zwischenkiefers werden ausser den oben er- wähnten Stadien die Stadien IV, VI, VII, VIIL, XI, XII und XIII in Betracht gezogen. Im folgenden sollen zuerst die Anlage und Umgestaltung der Gesichtsfortsätze beim Maulwurf verfoigt werden. Alsdann wird der Versuch gemacht, daraus auch für den Menschen unter Berücksichtigung der Literaturangaben bindende Schlüsse zu ziehen. Darauf wird im nächsten Kapitel eine ausführliche Darstellung der Entwickelung des Zwischenkiefers und seiner topographischen Beziehungen gegeben werden. Stadium I. Dieser Embryo zeigt ein Fintwickelungs- stadium des Gesichtes, das mit anderen Abbildungen früherer Forscher gut übereinstimmt. In Fig. 4 und Fig. 5 ıst der Kopf des vorliegsenden Stadiums in ventraler Ansicht abgebildet. Da der Unterkiefer nebst der Zungenanlage vorher in der Gegend des Mundwinkels entfernt worden ist, so sieht man in den Figuren unmittelbar hinter dem Vordergesichte das kon- kave Dach der primitiven Mundhöhle. Die einzelnen Gesichts- fortsätze sind gerade gut ausgebildet: und sind voneinander ziemlich deutlich abzugrenzen. Der mittlere Nasenfortsatz ist >10 Figg. 4 und 5. Vordergesicht nebst dem Dache der primitiven Mundhöhle in ventraler Ansicht. Stadium I; Originalpräparat. m.Nf. mittlerer (fein punktiert), s.Nf. seitlicher Nasenfortsats (grob punktiert; im mittleren Nasenfortsatze ist dıe Area infra- nasalis (Ain) durch diehtere Punktierung abgehoben. Pg. Processus globularis. Rk. Randknoten. Lk. Lipperkante. St. Stirnwölbung. At. Area triangularis. Nl. Nasenloch. Okf. Oberkieferfortsatz. p.Ch. primitive Choane (geschlossen). Ns. Nasenseptum. (Ga. Gaumenanlage. RT. Rathkesche Tasche. 'Tm. Tuben- mündung. S. Schnittfläche. Vergrösserung 27 fach. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 511 mit dem Oberkieferfortsatze, teilweise auch bereits mit dem seitlichen Nasenfortsatze vereiniet. Auf dem Dache der Mund- höhle jederseits ist die primitive Choane noch geschlossen. Da die beiden Nasenfortsätze sich nur in einem kleinen Bezirke miteinander vereinigt haben, so stellt die vordere Öffnung des Nasenschlauches noch eine länglich birnförmige Spalte dar, die vorn abgerundet, hinten aber zugespitzt in eine scharfe Furche ausläuft. Diese kennzeichnet die Ver- einigungsstelle der beiden Ränder des jetzt bereits zum blinden Schlauch abgeschlossenen, hinteren Bezirkes der Nasenrinne. Die beiden Nasenspalten konvergieren ein wenig nach vorne. Von dieser Spalte sowie der nach hinten ausgehenden Furche jederseits scharf begrenzt, stellt der mittlere Nasen- fortsatz einen zwischen den beiden Nasenschläuchen ge- legenen, sehr breiten Lappen dar. Die hintere (orale) Fläche des Lappens ist der Mundhöhle zugekehrt; sie soll später be- sonders betrachtet werden. Am Gesichte ist der mittlere Nasen- lortsatz deutlich in zwei Abschnitte gesondert, in das ver- tiefte mittlere Feld (Area infranasalis, His) und die beiden vorspringenden Seitenteile (Seitenwülste). Entsprechend der Konvergenz der Seitenteile nach vom hin beginnt die Area infranasalis vorn mit einem schmalen Zipfel, wird nach hinten aber breiter und tiefer eingesenkt bis zum vorderen Mundrande hin, an dem die Area infranasalıs in einer stumpfen Kante in die orale Fläche des mittleren Nasenfortsatzes übergeht; die Kante, die weiterhin als Lippen- kante (Zwischenkieferwulst von His) bezeichnet werden soll, ist schwach nach vorn geschweift und zeigt in der Mitte einen seichten Einschnitt. Zu beiden Seiten des letzteren zeigt die Area infranasalis je eine schwache Erhabenheil, die vorn und seitlich ziemlich undeutlich begrenzt ist. Von dem Einschnitt ausgehend zieht eine seichte schmale Furche nach vorne und setzt sich in die Furche fort, die sich zwischen den vorderen 512 MICHIO INOUYE, Abschnitten der beiden erhabenen Seitenteile des mittleren Nasenfortsatzes findet. Die Wülste, die zu beiden Seiten der Area infranasalis gelegen sind, bilden die mediale Umrandung der Nasenspalte. Jeder derselben geht nach hinten und oralwärts in einen ab- serundeten Vorsprung über, den Processus globularis von His. Wie bereits erwähnt, ist der mittlere Nasenfortsatz in diesem Teile mit dem vorderen Ende des Oberkieferfortsatzes, auch teilweise mit dem seitlichen Nasenfortsatze verwachsen. Jene Wülste gehen am vorderen Rand des Nasenloches in di» eben- falls wulstig vorgetriebene apicale Partie des seitlichen Nasen- fortsatzes über; das Nasenloch bekommt dadurch eine hufeisen- förmige Umrandung. Die beiden hufeisenförmigen Wülste stossen in der Höhe des Nasenloches miteinander zusammen und sind dort durch die eben erwähnte mediane Furche, die in die Area infranasalıs hineingeht, getrennt. Da. wo die Furche vorn aufhört, beginnt ein flaches, dreiseitiges Feld (Area triangularis, His), das nach oben in die Stirn übergeht, wo die breite Basis dieses Dreiecks liegt. Der mittlere Nasenfortsatz würde im üblichen Sinne nur den Teil bezeichnen, der zwischen den beiden Nasenschläuchen gelegen ist. Streng genommen muss aber die mediale Hälfte des Scheitels jedes Bogenwulstes zu dem mittleren Nasen- fortsatze und die laterale Hälfte zu dem seitlichen zugerechnel werden. N: Der seitliche Nasenfortsatz (Figg. 6 und 7, vgl. Figg. 4 und 5) endet oben breit zwischen der Area triangularıs und dem Auge an der gewölbten Stirne, von der er durch eine seichte Furche getrennt ist. Von der Stirne aus schiebt sich der seitliche Nasenfortsatz zwischen die Area triangularıs und den mittleren Nasenfortsatz einerseits und den Oberkieferfort- satz andererseits ein und reicht am unteren Ende der Nasen- spalte an den mittleren Nasenfortsatz heran. Als Ganzes be- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 513 trachtel ist der seitliche Nasenfortsatz vorn breit und hinten schmal bis zum Auge ausgezogen. Die ganze Ausdehnung des seitlichen Nasenfortsatzes ist besonders deutlich in Fig. 7 m.Nt, Rk. s.Nf. Auf. Eie7. Figg. 6 und 7. Kopf vom Stadium | in ein wenig schiefem Profil. Originalpräparat. m.Nf. mitt- lerer (fein punktiert), s.N. seitlicher Nasenfortsatz (grob punktiert). At. Area triangularis (quer schraffiert). St. Stirnwölbung. Okf. Oberkieferfortsatz. N]. Nasenloch. Rk. Randknoten. Auf. Augennasenfurche. A. Auge. Ver- grösserung 18fach. zu sehen: hier ist der seitliche Nasenfortsatz grob und der mittlere fein punktiert, während die Area triangularıs hori- zontal schraffiert ıst. Das untere Ende des seıtiischen Nasen- 514 MICHIO INOUYE, fortsatzes, das unten zwischen dem Processus globularis des mittleren Nasenfortsatzes und dem vorderen Ende des Ober- kieferfortsatzes keilförmig ausläuft, steht dem Mundrande am nächsten; seine Spitze ist als ein rundlicher Höcker abge- gliedert, der von jetzt an als „Randknoten” bezeichnet werden mag. Dieser ist durch sämtliche weiteren Entwicke- lungsstadien bis zum erwachsenen Mauiwurfe als ein selb- ständiges Gebilde erhalten und bezeichnet immer die Stelle des nasalen Endes des seitlichen Nasenfortsatzes, die dem Mundrande am nächsten gelegen ist. Dieser Randknoten kannalsgutesKriteriumbenutztwerdenzurEnt- scheiduns der Fraoe, ob der seitliche Nasen- fortsatz sich an der Lippenbildung (Albrecht) beteilhi et oder michi. Der Oberkieferfortsatz, der eine dicke Ausladung des Gesichtes nach unten seitwärts hin darstellt, tritt mit seinem vorderen Ende an die beiden Nasenfortsätze heran; mit dem vorderen kleinen Teile deckt er das hintere Ende des Nasen- schlauches von der Seite her, mit dem hinteren, weitaus grösseren Teile aber die Mundhöhle von oben und seitwärts. Somit besitzt der Oberkieferfortsatz ebenso wie der mittlere Nasenfortsatz einen Mundhöhlenteil und einen (esichtsteil. Dieser letztere, der den Mundhöhlenteil mit einem abgerundeten Wulst, dem Lippenwulst (His) nach unten überragt, nimm! die Gegend der späteren Wange und des Seitenteiles der späteren Oberlippe und des Rüssels ein; vorn stösst er nur in einer schmalen Stelle an die Spitze des Processus globu- laris an, während er sich im übrigen an den ganzen Seiten- rand des seitlichen Nasenfortsatzes anlegt. Die Grenze zwischen diesem und dem Oberkieferfortsatze ist durch eine deutliche Furche, die sogenannte Augennasenfurche, gegeben, die hinten am Auge beginnt und in einem sanften Bogen vorn bis zum Processus globularis verläuft; die Furche ist in ihrem Ver- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 515 laufe in der Gegend des Auges ziemlich tief eingeschnitten. Vorn ist der Gesichtsteil des Oberkieferfortsatzes durch eine flache Rinne, die am Randknoten beginnt und eine kurze Strecke nach hinten verläuft, in einen oberen und einen unteren Zipfel geteilt. Der Mundhöhlenteil des Oberkieferfortsatzes ist der primitiven Mundhöhle zugewandt und hilft deren Dach bilden. Das Dach der primitiven Mundhöhle, das vorn sowie seitlich von den Gresichtsteilen des mittleren Nasen- und des Oberkieferfortsatzes wallartig flankiert wird, ist im ganzen stark konkav ausgehöhlt. An seiner Bildung beteiligt sich vorn die orale Fläche des mittleren Nasenfortsatzes und auf beiden Seiten die Mundhöhlenteile der Oberkieferfortsätze, während die mittlere schmale Partie, die am meisten ein- gesenkt ist, von der Schädelbasis gebildet wird. Die der Mundhöhle zugewandte Fläche des mittleren Nasen- fortsatzes, die sich vorn ın der bereits erwähnten Lippen- kante (Zwischenkieferwulst, His) an die Gesichtsfläche an- schliesst, fällt nach hinten ziemlich steil ab, um dann in sanfter Biegung in ein mittleres Feld überzugehen, das der Hirnschädel- basıs angehört. Sie ist auf beiden Seiten gegen den oralen Teil des Oberkieferfortsatzes durch eine flache Grube abge- grenzt. Dort ist die Stelle der primitiven Choane, an der das hintere blinde Ende des Nasenschlauches an die Mundhöhle stösst. Wenn die jetzt noch durch die Membrana bucconasalis geschlossene primitive Choane später durchbricht, dann münde!l erst die Nasenhöhle in die Mundhöhle. Der zwischen den beiden primitiven Choanen gelegene Teil des mittleren Nasen- fortsatzes kann danach als Nasenseptum bezeichnet werden. Das Gebiet der Hirnschädelbasis steilt die Kuppel des Munddachgewölbes dar. In seiner Mitte ist eine quergestellte spaltenförmige Öffnung, der Eingang zur Rathkeschen Tasche, sichtbar. Hinten geht dieses Feld zwischen den Ein- 516 MICHIO INOUYE, sängen der Tuben in die hintere Wand der Rachenhöhle über. An die primitive Choane und die Fläche der Hirnschädel- basis schliesst seitlich der Mundhöhlenteil des Oberkieferfort- satzes an. Dieser, der lateral von dem Lippenwulst überragt und von demselben durch eine deutliche Furche scharf abge- setzt ist, stellt eine schwach erhabene Fläche dar, welche ım sanzen zur mittleren Partie des primitiven Munddaches schräg oesiellt ist. In dieser Erhabenheit ist bereits die erste An- lage des sekundären Gaumens gegeben. Die Fläche ist in ihrem vorderen Teile am meisten vorgewöibt, während die hintere, seitliche Partie gegen die Verbindung mit dem Unterkiefer flach eingesenkt ist; der vorgewölbte Teil fällt allmählich vorn zur primitiven Choane, medial zur eigentlichen Hirnschädelbasis ab. Genau genommen, liegt die Anlage «des sekundären Gaumens nicht allein im Bereiche des Oberkiefer- fortsatzes, sondern sie dehnt sich weiter nach hinten bis zur Tubenmündung aus. Kommen wir jetzt auf den Nasenboden zurück, der durch Vereinigung der beiden Ränder der Nasenrinne entstanden ist, so stelli er den vorderen Teil des von Dursy sogenannten primitiven Gaumens dar. Die Schnitte des Embryos ergeben, dass die Verwachsung jetzt nur in den epithelialen Teilen, aber noch nicht in den mesodermalen erfolgt ist; das Epithel der Nasenhöhle ist also mit dem Oberflächenepithel durch eine kurze Epithellamelle brückenartig verbunden. Dieselben Verhältnisse sieht man noch an der primitiven Choane; die Epithellamelle setzt sich also vom Bereiche der primitiven Choane bis zum hinteren Rande der Nasenspalte fort, und die Verbindunesstelle ist, wie bereits erwähnt, im Bereich des (Gesichtes durch die deutliche Furche und in dem der primitiven ('hoane durch die bekannte Einsenkung gekennzeichnet. Im vorliegenden Stadium ist also der mittlere Nasenfortsatz Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 517 von dem seitlichen Nasen- sowie dem Oberkieferfortsatze in mesodermalen Teilen noch vollkommen geschieden; das Mesen- chymgewebe der einzelnen Fortsätze lässt noch keine An- deutung von Knochenkernen, wie etwa eine dafür bestimmie dichte Zellenansammlung, erkennen; ihre Zellen liegen in den beiden Nasenfortsätzen etwas dichter als im Oberkieferfortsatze. Stadium Il. Bei diesem Embryo, der ein wenig weiter als der vorhergehende entwickelt ıst, sollen nur die Umegestal- tungen der Grenzen zwischen den einzelnen Gesichtsfor.sätzen berücksichtigt werden. Die bereits epithelial verwachsenen Ränder der Nasen- rınne haben sich nun ın ihren mesodermalen Teilen auch voll- kommen vereinigt, indem die bereits erwähnte Epitheliamelle im Bereiche des Gesichtes durch das von beiden Seiten her eingedrungene Mesodermgewebe zerstört und vollständig auf- gelöst ist. Im Bereiche der primitiven Choane ist aber die Epithellamelle infolge der Ausweitung des an das Dach der primitiven Mundhöhle anstossenden blinden Endes der Nasen- höhle zu einer dünnen Membran (Membrana bucconasalıs, Hochstetter) ausgezogen; die Nasenhöhle kommt dadurch näher an die Mundhöhle heran, ist aber gegen diese durch die Membran noch vollkommen abgeschlossen. Somit ist der Nasen- schlauch mit Ausnahme seines vorderen und hinteren Endes nunmehr in der Zwischenstrecke frei im Mesoderm eingelagert. Der freie untere Rand des Nasenschlauches ist in dem vorderen Abschnitte zugeschärft (Fig. Sa), während er in dem hinteren mehr stumpfwinkelig (Fig. Sb) ausläuft; derselbe bezeichnet die frühere Anheftungsstelle der jetzt durch das Mesoderm voll- kommen zerstörten epithelialen Naht. Ihm gegenüber am Ober- flächenepithei ist eine Einsenkung und Verdiekung als Rest der epithelialen Naht geblieben. Die Einsenkung ist äusserlich durch die Furche gekennzeichnet, die wir ım vorigen Stadium kennen gelernt haben. Diese jetzt noch ziemlich deutliche 518 MICHIO INOUYE, Furche erstreckt sich ebenfalis von der Nasenöffnung bis zur primitiven Choane. Da nun die frühere, obere sowie untere Ansatzstelle der Verwachsungsnaht jetzt noch deutlich ange- voeben werden können, so sind wir trotz ihres Weefalles doch a P: Nh. p- Nh. Dnl. Durchschnitte durch das Vordergesicht vom Stadium II; die Nasenhöhle bei a nahe dem Nasenloche, bei b kurz vor dem Mundrande getroffen. m. Nf. mitt- lerer, s. Nf. seitlicher Nasenfortsatz. Okf. Oberkieferfortsatz. Rk. Randknoten. p.Nh. primitive Nasenhöhle. G. Gehirn. Dnl. Ductus nasolacrimalis. Ver- grösserung 33 fach. imstande, die beiden Mesodermanteile mit gewisser Deutlich- keit voneinander abzugrenzen; dieser Abgrenzung entsprechen die gestrichelten Linien in Fig. 8a, b. Die Grenze zwischen dem seitlichen Nasen- und dem Ober- kieferfortsatze ist noch durch die deutliche Augennasenfurche Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 519 markiert. Die Furche schneidet am Auge noch ziemlich tief ein, isi aber in einiger Entfernung von ıhm schon stark ver- lacht, um in ihrem weiteren Verlaufe wieder deutlicher her- vorzutreten. Wir sehen hieraus, dass die Verwachsung des seitlichen Nasen- und des Oberkieferfortsatzes zuerst von der bereits verflachten Stelle der Furche aus beginnt. Sie schreitet in der Weise fort, dass das den Boden der Furche auskleidende Epithel dureh das darunter gelegene vorwachsende Mesoderm- gewebe nach der Oberfläche hin abgedrängt wird und infoige- dessen die früher durch die Furche geschiedenen beiden Teile der oberflächlich gelegenen Mesodermschicht zu einer einheit- lichen Masse zusammenfliessen, die in die tiefere, unterhalb der Furche gelegene, ansehnliche Mesodermmasse einbezogen wird. Dieser Verwachsungsmodusist also prin- zipiell anders als derjenige zwischen den bei- den Rändern der Nasenrinne; denn hier erfolst die Vereinigunganfangsepithelialundnach der Muflöosunse der einmal gebilderen-Epichelmahn erstmesodermal, während dort dieindem Grund der FEurche von Anfang an vollkommen zusam- menhängende, einheitliche Mesodermmasse welezs vorläufiger Erhaltung derz vrenmeniden Epithelfurche allmählich die Tiefe der Furche won ummen-her verrınsert. 3eim Maulwurf ist besonders beachtenswerl, dass das aridumesmaterial des Tranenmasensangeszyon derStellegeliefertwird,anderdieAugennasen- kumehle ım die Rıngfurche des Auses, dıie Amlkalere des späteren Conjunktivalsackes, mündet. Wir sehen im vorliegenden Stadium bereits den Gang als einen kurzen, zylindrischen, epithelialen Strang angelegt, der von der Ringfurche des Auges her im Mesoderm schief nach vorn unten medial verläuft, dann in schwachem Bogen nach vorn Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 34 520 MICHIO INOUYE, umbiegt, um dann der lateralen Wand des Nasenschlauches näher als der Augennasenfurche eine kurze Strecke lang nach vorn zu verlaufen. Der Strang ist etwa parallel der Augen- nasenfurche gestelit und endet vorn ganz frei im Mesoderm. Mit der weiteren Ausbildung des Gesichtes wächst der solide Tränennasengang mit seinem freien Ende immer mehr nach vorne, zugleich kommt er auch der Nasenhöhie näher. Beim Stadium VII erreicht der Gang erst die Nasenhöhle in der Fig. 9. Nähe der vorderen Nasenöffnung. Wir werden auf die Einzel- heiten der Entwickelung des Tränennasenganges nicht mehr, als eben geschehen ist, eingehen, da es uns zu weit führen würde. Stadium Ill. Das Gesicht dieses Embryos zeigt erheb- liche Veränderungen gegen das Stadium I; doch sind seine Reliefverhältnisse nicht schwer von ihm abzuleiten. Anmı Gesichte, dessen ventrale Ansicht in Fig. 9 und 10 abgebildet ist, fällt zuerst beiderseits das kommaförmig ge- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 521 staltete, schmale Nasenloch auf. Infolge der starken Entfaltung des nasalen Endes des Gesichtes hat dieses sich gegen früher weit von dem Mundrande entfernt und zugleich dem der anderen Seite erheblich genähert. Dieses Verhalten ist besonders beim Vergleich der Figg. 4 und 5 mit den Figg. 9 und 10, die in derselben Vergrösserung gezeichnet worden sind, deutlich zu Ain. m. Nf. SENT. Rk. Okt. p. Ch. — (EI Tm. Fig. 10. Figg. 9 und 10. Vordergesicht nebst dem Dache der primitiven Mundhöhle in ventraler Ansicht, nach dem Originalpräparat vom Stadium III gezeichnet. m. Nf. mittlerer, s. Nf. seitlicher Nasenfortsatz. Ain. Area infranasalis. Rk. Randknoten. Okf.Ober- kieferfortsatz. Ha. Haaranlagen. p. Ch. primitive Choane (offen). Ga. Gaumen- anlage. I'm. Tubenmündung. Vergrösserung 27 fach. erkennen. Die veränderte Gestalt des Nasenloches wird da- durch herbeigeführt, dass der Randknoten und der mit diesem verbundene Teil des Processus elobularıs nach vorn und zu- gleich seitwärts gerückt sind und damit das orale Ende des (resichtes nicht nur nach vorn gewachsen ist, sondern sich auch zugleich, wie die beiden Figg. 7 und 11 deutlich zeigen, 34* 522 MICHIO INOUYE, aufgerichtet hat; so sieht das Nasenloch jetzt mehr schräg nach vorne als früher, und das ganze die beiden Nasenlöcher tragende Ende gewinnt an Einheitlichkeit und bekommt ein charakteristisches Gepräge. Somit kann man wohl ım vor- liegenden Stadium den Beginn der Rüsselbildung ansetzen. Der mittlere Nasenfortsatz hat auf Kosten der Breite an Länge zugenommen; er ist nunmehr gegen den Rand- knoten sowie den Oberkieferfortsatz durch die bereits bekannte l"urche, die von der vorderen Nasenöffnung bis zur primitiven (hoane verläuft, abgegrenzt. Die Furche ist aber nicht so deutlich wie früher und im hinteren, grössten Teile besonders stark verflacht. Auf diese Grenzfurche werde ich später noch- mals zurückkommen. Da der Processus globularis in dem dem Oberkieferfort- satze anerenzenden Teile sich verflacht und sich im übrigen mit dem Randknoten nach vorn verschoben hat, so legt sich die seitliche Partie der Area infranasalis breiter an das vorder2 Ende des Oberkieferfortsatzes an. Infolge des Vorwachsens der Nasenlöcher und der zugleich sich vollziehenden Vor- wölbung der zwischen den Randknoten gelegenen Strecke des mittleren Nasenfortsatzes liegt die vordere Spitze der Area infranasalis nicht mehr wie früher im Bereiche der Nasen- löcher, sondern kommt dahinter zu liegen. Die stärkere Ent- faltung der umgebenden Teile bringt es mit sich, dass die Area infranasalis gegen früher tiefer eingesenkt ist, indem dabei der angrenzende vordere Teil des Oberkieferfortsalzes in die Fläche der Area einbezogen wird. Der hintere tief- stehende Rand der Area infranasalis (Lippenkante) zeigt den medianen Einschnitt sehr deutlich, und zu beiden Seiten des letzteren sind die beiden schwachen Erhabenheiten zu sehen, die jetzt viel stärker hervortreten. Auf der Area infranasalıs ist die frühere mediane Furche nicht mehr zu sehen, und venauv an ihrem Platze ist ein schmaier, erhabener Substanz- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 523 streifen aufgetreten. Dieser beginnt an dem eben erwähnten Einschnitt und zieht nach vorne auf die zwischen den Nasen- löchern gelegene vertiefte Partie, verbindet also die Area infra- nasalıs mil der Area triangularis. Die beiden Seitenwülste des mittleren Nasenfortsatzes haben sich durch die beginnende Vorwölbung des letzteren ein wenig nach vorne gedreht und dabei die Spitze der Area infranasalis nach hinten abgedrängt, so dass sie nun weiter vor dieser zu liegen kommen. Ferner sind die Seitenwülste auf Kosten des dazwischen nun schwach eingesenkten Feldes in schmale Lippen umgewandelt, die die Nasenlöcher medial begrenzen. Auf dem Felde ist die frühere mediane Furche nicht mehr zu sehen, dafür aber eine mediane Leiste, die vordere Fortsetzung des bereits bei der Area infranasalıs be- sprochenen Streifens. Vorn ist das Feld durch eine zwischen den vorderen Umrandungen der Nasenlöcher jetzt deutlich sicht- bar gewordene, quere Auftreibung (Nasenkante, His) gegen die dorsale Fiäche der Nasengegend schärfer abgesetzt worden. Mit der Verlängerung des Rüsselrückens ist die Area triangularis auch bedeutend in die Länge gezogen; sie hat alsc jetzt eine schmale Basis und einen lang ausgezogenen vorderen Teil. Die Breite der Basıs ist ein wenig grösser als der Abstand der beiden Nasenlöcher. Der seitliche Nasenfortsatz, der beträchtlich in die Länge gewachsen ist, setzt sich jetzt sehr deutlich von der stark vorgewölbten Stirne ab; zum besseren Verständ- nis ziehe man ausser Fig. 9 noch Fig. 11 in Betracht, welche das vorliegende Stadium im Profil zeigt. Obgleich der hintere Teil der Augennasenfurche gegen vorher in längerer Strecke verflacht ist, ist doch der zum Auge hin reichende, hintere Zipfel des seitlichen Nasenfortsatzes noch vollkommen abzu- grenzen. Von seinem vorderen breiten Teile, der das Nasen- loch als Wulst von der Seite her begrenzt, hat sich der Rand- 324 MICHIO INOUYE, knoten nunmehr scharf abgesondert. Da die Furche um diesen Knoten herum lateral viel deutlicher ausgesprochen ist als medial, so bekommt man leicht den Eindruck, als wäre der Knoten von dem mittleren Nasenfortsatze abgegliedert. /wischen dem Randknoten und dem Processus globularis ist gerade am Rande des Nasenloches ein deutlicher Einschnitt zu sehen, der die Abgangsstelle der bereits erwähnten nach der primitiven Choane hin ziehenden Furche bezeichnet. s. Nf. - Okf. Fig. 11. Vordergesicht vom Stadium III im Profil. m.Nf. mittlerer, s.Nf. seitlicher Nasenfortsatz. At. Area triangularıs. Rk. Randknoten. Okf. Oberkieferfort- satz. Wf. Wangenfurche. A. Auge. Anf. Augernasenfurche. Vergrösserung 18 fach. Der Gesichtsteil des Oberkieferfortsatzes zeigt einige Reliefveränderungen gegen früher. Die seichte Einsen- kung, die in Fig. 6 an dem Randknoten angedeutet war, hat sich jetzt in eine richtige Furche umgewandelt, die als „Wangenfurche“ bezeichnet werden mag; diese zieht paraliel der Augennasenfurche von vorn nach hinten, um in einiger Entiernung vom Auge aufzuhören. Der Oberkieferfort- salz ısi also vorn in zwei Zipfel gespalten, einen kleinen, Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 525 oberen und einen grossen, unteren. Auf dem letzteren, entlang der Wangenfurche treten drei Knötchen auf; dies> sind Haar- anlagen. Der untere Zipfel ist vorn in breiter Ausdehnung mit dem mittleren Nasenfortsatze verbunden und entsprechend der Verschmälerung des mittleren Nasenforisatzes dem der anderen Seite viel näher gerückt als früher. Das Abwärtswachsen des (sesichisteiles des Oberkieferfortsatzes bringt mit sich, dass der Lippenwulst (His) bedeutend den Mundhöhlenteil des letzteren überragt. Das Dach der primitiven Mundhöhle (Fig. 9) ist in seiner Modellierung gegen früher wesentlich verändert. Die beim Stadium I noch schwach gewölbte Gaumenanlage ist in- zwischen bedeutend abwärts gewachsen. Dementsprechend ist das mittlere Feld des Munddaches erheblich tiefer geworden und seitlich von den Gaumenanlagen scharf abgesetzt. Das Feld enthält vorn die orale Fläche des mittleren Nasenfort- satzes und hinten die Fläche der Gehirnschädeibasis. Die orale Fläche des mittleren Nasenfortsatzes, welche, wie schon vorher, zur Fläche der Schädeibasis schräg gestellt ist, lässt nunmehr drei Abschnitte deutiich erkennen, ein mittleres eingesenktes Feld und zwei seitliche Teile. Diese sind schwach erhaben, ziehen an der primitiven Choane ent- lang nach vorn und geben deren mediale Umrandung ab. Vor der primitiven Choane angelangt, biegen sie sich lateralwärts, um in den vorderen Zipfel der Gaumenanlagen ohne Grenze überzugehen. Da die Seitenteile nach hinten zu allmählich auseinander weichen, so ist das mittlere Feid dreiseitig ge- staltet. mit der Basis nach hinten gerichtet. Das Feld wird durch eine leichte mediane Erhebung halbiert, die vorn über den medianen Einschnitt des vorderen Mundrandes in den bereits erwähnten Streifen der Area infranasalis sich fortsetzt. Die primitiven Choanen, die zu beiden Seiten der oralen Fläche des mittieren Nasenfortsatzes gelegen sind, stellen nun- 526 MICHIO INOUYE, mehr offene Spalten dar, da die Membrana bucconasalis bereits in grosser Ausdehnung eingerissen ist. Sie reichen mit ihrer vorderen Spitze ins (rebiet der oralen Fiäche des mittleren Nasenfortsatzes hinein und erhalten von ihm, wie bereits er- wähnt, ihre vordere sowie mediale Begrenzung. Von unten her gesehen scheint es, als wäre die laterale Begrenzung von dem vorderen Teile der Gaumenanlage gegeben; in Wirklich- keil ist es aber nicht der Fali. An der Stelle, an der die mediale Fläche der letzteren durch die primitive Choane hindurch in die primitive Nasenhöhle übergeht, hat sich eine schwach er- habene Leiste ausgebildet, die von Dursy sogenannte primi- tive Gaumenleiste. Das an der Schädelbasis gelegene Feld, das sich vorn an die orale Fläche des mittleren Nasenfortsatzes ohne Grenze anschliesst, liegt zwischen den Gaumenanlagen. Es wird später zum Dache des Cavum nasopharyngeum. Die Seitenwände des letzteren werden dann von den medialen Flächen der Gaumenanlagen gebildet. Auf dem Felde ist der Eingang zur Rathkeschen Tasche nicht mehr zu sehen; diese hat sich zum Mundhöhlenteii der Hvpophysis bereits abgeschnürt und in die Tiefe verlagert. Sie würde ungefähr in der Mittellinie in der Höhe der Tubenmündungen liegen. Somit ergibt sich, dass das zwischen den Gaumenanlagen gelegene Feld gegen früher bedeutend in die Länge gewachsen ist. In dem medialen Abschnitte der Gaumenanlagen, die, wie schon vorher erwähnt, vorn mit einem schmalen Zipfe} an dem vorderen Rande der primitiven Choanen aus- laufen, beginnen die späteren Gaumenplatten hervorzuwachsen. Wie aus Fig. 9 und Fig. 10 deutlich sichtbar ist, fällt die Grenzfurche zwischen dem mittleren Nasen- und dem Ober- kieferfortsatze nicht mit der Spitze des eben erwähnten vorderen Zipfels der Gaumenanlagen zusammen, sondern kommt lateral von ihr zu liegen. Die Gaumenanlagen sind also vorn aus Der Zwischenkiefer, Entstel. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 527 dem Bereiche des Oberkieferfortsatzes ins Gebiet des mittleren Nasenfortsatzes vorgewachsen;; sie reichen hinten bis zum Ein- gang der Tubenöffnung. Die soeben erwähnte Grenzfurche zwischen dem mittleren Nasenfortsatze einerseits und dem seit- lichen Nasen- sowie dem Oberkieferfortsatze andererseits be- ginn! vorn an dem medial von dem Randknoten gelegenen Einschnitt und läuft zuerst direkt nach hinten bis zum vorderen Rande des Lippenwulstes; hier angelangt, läuft sie nach hinten medianwärts, um dann in der Gegend der primitiven Choanen zu enden. Die Lage deshinteren Endes der Furche kanr etwa, von der Mundhöhle her gesehen, durch den Kreuzungspunkt (Fig. 9) des latera- ken am meisten vorspringendenm Seitenrandeis des Nasenseptums mit dem darunter Schräg ver- laufenden, vorderen: schmalen? Ziyrelrder Gare menanlage angegeben werden. Wenn man eine seradre, Linie von.diesem Kreuzunespunlereszaus mareh Zorn bus zudem Einschnireuderrzwaisıchen dem Randknoten und dem Processus globularis Meet, zieht, so ’kommt sie vorn und Rintemsder eigentlichen lateralen Grenzfurche des mitt- lernen Nasentortsatzesmahe, während ihre/mitt- lere Strecke ein wenige von dieser Grenze ent- renntsisit. In späteren Stadien schwindet der grössere, hintere Teil der Furche vollkommen ; trotzdem kann man konstatieren, wenn man das starke Vorwachsen der Nasenregion berücksichtigt, dass die konstrwierte aerade Lin eäsimmerzvwolt- standieer' mit. deriwirklichen Grenze de ram Frage kommenden Gebiete zusammenfällt. Die gerade Linie gibt dann also ziemlich genau den Verlauf der äusseren Naht (resp. der Furche) am oralen Eingang des Nasenschlauches an, von der 528 MICHIO INOUYE, oben beim Stadium Il die Rede war und die von jetzt an immer undeutlicher wird. Dernach dem Nasenschlauche zu- gewendete Teil der Naht wird durch eine Linie bestimmt, diein der primitivenChoanevondem SeitenrandedesNasenseptums(mittleren Nasen- Forvsatzes), bis zum tieisten Punkt des äusseren Nasenloches gezogen wird. Wenn die obere und untere Nahtlinie durch eine Ebenerverbunden wird (vgl. Figg. 23 und 24), so bestimmt diese die frühere Zugehörigkeit der in dem’ Boden: der Nasenhöhle gelegenen Mesodermmassen. Damil ist die Möglichkeit gegeben, zu entscheiden, ob später die Knochenanlage des Zwischenkiefers, wie Th. Koellikersagt, im Bereichedesmittleren NasenfortsatzesangelegetwirdoderimSinnevon Albrecht und Biondi ausserdem auch im Be- reiche eines anderen Gesichtsfortsatzes. Beim vorliegenden Embryo sehen wir, dass im Mesenchym- gewebe des Vordergesichtes die Zellen noch im allgemeinen diffus verteilt sind und in der Vorderkiefergegend noch keine abgrenzbare Zellenanhäufung zu erkennen ist, die etwa als Voranlage des Knochenkernes für den Zwischenkiefer gehalten werden kann. Stadium VII. Bei diesem Embryo hat die Ausgestaltung des Vordergesichtes sowie des Munddaches erhebliche Fort- schritte gemacht, so dass das Bild der Figg. 12, 13 und 14, die die eben erwähnten Regionen im Profil und in ventraler An- sicht zeigen, sich beim flüchtigen Anblick ziemlich schwer von dem in Figge. 9 und 11 abgebildeten Zustande ableiten liesse. Der vorliegende Embryo steht etwa kurz vor der zweiten Phase der Umlagerung der (raumenplatten. Das Vordergesicht, das be- deutend in die Länge gezogen und zugleich aufgerichtet ist, besilzt bereits die typische Gestalt des Rüssels. Das hinten Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 52%) anschliessende Munddach hat sich ebenfails in oralaboraler Richtung gestreckt und weist eine Anzahl von bedeutenden Veränderungen auf. Das Gesicht hat sich nunmehr, wie aus beistehender 2. b. Gw. s. Nf. Auf. Gw, Okf. Fig. 12. a) Vordergesicht vom Stadium VII im Profil; b) Rüsselscheibe in der Vorder- ansicht. m.Nf. Gebiet des mittleren Nasenfortsatzes. Ns. Nasenseptum. Gw. Grenzwulst. s.Nf. Gebiet des seitlichen Nasenfortsatzes. Rk. Rand-, Fk. Flügel- kooten. NI. Nasenloch. Okf. Gebiet des Oberkieferfortsatzes. Auf. Augen- nasenfurche; bereits ausgeglichener Teil derselben mit gestrichelter Linie an- gegeben. A. Auge. Vergrösserung 18 fach. Fig. 12 (vgl. Figg. 13 und 14) ersichtlich ist, in zwei Abschnitte gegliedert, in den die Nasenlöcher tragenden vorderen Teil und die hinten daran anschliessende weitaus grössere Partie. Diese Gliederung ist aber im vorliegenden Stadium nur 530 MICHIO INOUYE, ventral und seitlich deutlich ausgesprochen, während dorsal der Vorderteil noch nicht scharf abgesondert ist. Der Vorderteil hat, von vorn her gesehen, etwa die (re- stalt einer querovalen Scheibe (Fig. 12b), die infolge des Aufrichtens des Rüssels nunmehr zu seiner Längsachse senk- recht gestellt ist; er soll von nun an als „Rüsselscheibe” bezeichnet werden. Diese besteht aus dem früheren vorderen, erhabenen Teile des mittleren Nasenfortsatzes, den Randknoten und den vorderen Partien der seitlichen Nasenfortsätze. Man sieht in Fig. 12b auf beiden Seiten die stark gebogenen Nasen- löcher. Ventral von diesen finden sich drei Erhabenheiten auf jeder Seite; sie sind nebeneinander gelagert und nicht nur in der Vorderansicht, sondern auch in ventraler Ansicht deut- lich zu sehen. Die am meisten medial gelegene Erhabenheit ist durch eine scharfe Furche von der der anderen Seite getrennt. Da die Furche nur eine kurze Strecke nach oben verläuft, so vereinigen sich die beiden Wulstungen bald zu einer einheitlichen Masse, die als Nasenseptum die Nasen- löcher voneinander trennt; die Grenze der Wüist> gegen dieses Nasenseptum ist durch eine flache Einsenkung angegeben. Das Septum und die daran ventral anschliessenden beiden Wulst- ungen stellt den früheren vorderen, erhabenen Teil des mitt- leren Nasenfortsatzes dar, und zwar hat sich dieser erhabene Teil, der hinten durch die Spitze der Area infranasalıs ge- trennt war, dicht aneinander geschlossen und diese nun- mehr nach hinten verdrängt. Der frühere vordere Teil der Area infranasalis ist also nunmehr als die erwähnte mediane Furche zwischen den beiden Wulstungen zurückgeblieben. Diese sollen weiterhin als „Grenzwülste“ bezeichnet werden und würden dem an den Randknoten anschliessenden Teile des früheren Processus globularis entsprechen. Die Grenzwülste vereinigen sich später zu einem einheitlichen ventralen (unteren) Rand der Rüsselscheibe. Dorsolateral von dem Grenzwulste liegt Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 531 der bekannte Randknoten, der von dem seitlichen Nasenfort- satze stammt. Der lateral anschliessende Knoten ist eine ganz neue Bildung, die wir bei den früheren Stadien nicht gesehen haben; er hat sich von dem vorderen Ende des seitlichen Nasenfortsatzes abgegliedert und bildet im Verein mit dem handknoten den späteren lateralen Rand der Rüsselscheibe und soli als „Flügelknoten“ bezeichnet werden. Die drei Knoten jeder Seite sind voneinander durch Furchen deutlich getrennt, die von dem unteren Schenkel des Nasenloches ab- gehen und ventral sich zu einer Furche vereinigen, die den Vorderteil des Rüssels von dem hinteren, mit zahlreichen Haar- anlagen besetzten trennt und weiter ventrai bis zur Spitze der Area infranasalis zu verfoigen ist. Ihre dorsale Fortsetzung wendet sich hinter dem Flügeiknoten schräg aufsteigend nach hinten auf die laterale Fläche des Rüssels, um bald nachher zu enden. Der dorsalwärts von dem Nasenseptum gelegene Teil der Rüsselscheibe, der seitwärts bis zum Flügelknoten reicht, bildet ihren oberen Rand. Die seitliche Partie des letzteren, die oberhalb des Nasenloches gelegen ist, stammt von dem vorderen Teile des seitiichen Nasenforlsatzes, der den Flügelknoten abgegeben hat. Der zwischen den Seitenteilen gelegene, direkt auf dem Nasenseptum ruhende, mittlere Teil gehört aber zum mittleren Nasenfortsatze. Der obere Rand ist beim erwachsenen Maulwurfe von der dahinter gelegenen Mantelfläche des Gesichtes deutlich abgesetzt; im vorliegenden Stadium ist dort aber nur eine flache Einsenkung angedeutet (vgl. Fig. 12a). Auf der Rüsselscheibe ist die Grenze zwischen den Ge- bieten des mittleren und des seitlichen Nasenfortsatzes durch eine Linie gegeben, die medial an dem Randknoten vorbei durch den oberen Schenkel des Nasenloches zum dorsalen Saum der hüsselscheibe verläuft. Es ist sehr interessant, die einzelnen Teile an der Rüssel- ID MICHIO INOUYE, - scheibe mit den um das Nasenloch der menschlichen Nase gelegenen Abschnitten zu homologisieren. Wie der Nasen- flügelbeim Menschenvondemseitlichen Nasen- fortsatze gebildet wird, ebenso entstehen beim Maulwurfe aus diesem der Rand- und Flügel- Enloitiene als or. dıessip.ate nen laberalen-kandlerder tüsselscheibe, dieso den menschlichen Nasen- [lügeln entsprechen würden. Das Nasenseptum beim Maulwurfe stellt zweifellos dieselbe Bildung dar wie beim Menschen. Die obere Fortsetzung des Nasenseptums im Verein mit den von ihm beiderseits abgehenden Partien kann zweifel- los als ein Homologon für die menschliche Nasenspitze be- trachtei werden. An der Bildung des dorsalen Randes der Rüsselscheibe beteiligen sich beim Maulwurfe nicht nur der mittlere sowie der seitiiche Nasenfortsatz, sondern auch die vordere kleinere Partie der Area triangularıs; wir sehen also hierin denselben Biidungsmodus wie beim Menschen. Es be- reitel aber grosse Schwierigkeit, für die an das Nasen- septum ventral sich anschliessenden beiden Grenzwülste ein Homologeon bei der ausgebiideten menschlichen Nase zu finden, da hier keine ähnlichen Biidungen vorhanden sind; sie würden aber der Übergangsstelle des Nasenseptums in die Oberlippe entsprechen. An der ausgebildeten menschlichen Nase sind zwar keine entsprechenden Abgrenzungen zu sehen, aber, wie die Abbildungen von Retzius (Biologische Untersuchungen Bd. XI; auf Tafel 16, Nr. 3, 8, 10, 12, zeigen, sind sie während der Entwickelung deutlich zu erkennen. Der sich an die Rüsselscheibe anschliessende Teil (les Gesichtes hat die Form eines kurzen, abgestumpften Kegel- mantels, der an der Mundhöhlenseite einen Einschnitt zeigt. Seine dorsale Fläche erstreckt sich hinten bis zur Stirne, die beiden seitlichen bis zum Auge, und die ventrale liegt zwischen der Rüsselscheibe und dem vorderen Mundrande. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 539 Die dorsale Fläche ist ganz glatt; die Area triangularis ist nunmehr nicht abzugrenzen. In der Seitenansicht des Gesichtes (Fig. 12a) sieht man drei Furchen; die mittlere ist der Rest der früheren Augen- nasenfurche. Sie reicht aber jetzt nicht mehr bis zum Auge; das Gebiet des seitlichen Nasenfortsatzes ist dort, wo die Furche nicht mehr zu sehen ist, mit dem des Oberkieferfort- satzes vollkommen verschmolzen. Von den beiden anderen Furchen liegt die eine oberhalb und die andere unterhalb der Augennasenfurche. Die obere Furche geht vom Jateralen Ende des Nasenloches aus und läuft etwa parallel der Augen- nasenfurche nach hinten; sie reicht aber nicht bis zur Stirn. Durch die Furche ist der vordere Teil des seitlichen Nasenfort- salzes in zwei Abschnitte gesondert, in einen oberen, grösseren und einen unteren, kleineren. An der Rüsselscheibe liegt zwischen ihr und der Augennasenflurche der Flügelknoten. Da die Augennasenfurche ın ihrem hinteren Teile vollständig zurückgegangen ist, ist die Grenze zwischen dem seitlichen Nasen- und dem Oberkieferfortsatze in der Fig. 12a durch eine gestrichelte Linie angegeben, die das hintere Ende der Augennasenfurche mit dem vorderen Teile der Ringfurche des Auges in einem schwach nach oben konvexen Bogen verbindet. Die unterhalb der Augennasenfurche gelegene Furche ist nur schwach angedeutet und stellt die Wangenfurche dar. Ste hat früher den Gesichtsteil des Oberkieferfortsatzes vorn in zwei Zipfel geteilt, die aber jetzt fast vollkommen zu einer einheit- lichen Masse verschmolzen und mit Haaranlagen dicht be- setzt sind. An der ventralen Fläche des Gesichtes ist, wie aus Figg. 13 und 14 ersichtlich, jetzt nicht mehr die frühere Grenze zwischen den Gebieten des mittleren Nasen- und des Oberkieferfortsatzes vorhanden. Über die Beteiligung der embryonalen Gesichts- fortsätze an dieser Fläche gibt die Erklärungsfigur 14 voll- DA MICHIO INOUYE, kommen Auskunft, in der die Abgrenzung des mittleren Nasen- fortsatzes durch gestrichelte gerade Linien angegeben ist. Das (Gebiet der Area infranasalis ist zum grössten Teile in die Fläche des Mantelteiles einbezogen und zeigt noch nahe dem Mundrande eine dreiseitige vertiefte Stelie, die nichts mehr von den Bildungen der Fig. 9 erkennen lässt. Wie die Fig. 13 deutlich zeigt, wird das ganze Gebiet des früheren Lippen- Fig. 13. wulstes beim Mauiwurfe zur Bildung der ziemlich breiten Lippe verwendet, an der im ausgebildeten Zustand noch ein schmaler medialer Lippensaum hervorragt. Das Dach der primitiven Mundhöhle hat sich erheblich in die Länge gestreckt und weist eine Anzahl von Veränderungen auf. Von dem mittleren Gaumenfelde, das nun- mehr tief zwischen die beiden wohl ausgebildeten Gaumen- platten eingesenkt ist, weist die orale Fläche des mittleren Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 535 Nasenlortsatzes, der auch wohl als Nasenseptum bezeichnet werden kann, vorn in der Mitte zwei neue Bildungen auf: die eine ist der Vorgaumen, die andere die Papilla palatina. Der Gw. Rk. FK. p. Ch. % feiD Gp.(h) Phw. \ Be Gp. (w) Fig. 14. Figg. 13 und 14. Vordergesicht nebst der primitiven Mundhöhle vom Stadium VII in ventraler Ansicht. Das Gebiet des mittleren Nasenfortsatzes fein, dasjenige des seit- lichen grob punktiert. Gw. Grenzwulst. Rk. Rand-, Fk. Flügelknoten. Ain. Area infranasalis.. Vg. Vorgaumen. Pp. Papilla palatina. p.Ch. primitive Choane. Zf. Zahnfurche. Gp.(h). die dem karten Gaumen angehörende, Gp.(w). die dem weichen Gaumen angehörende Gaumenplatte. G]? dritte, Gl’ neunte Gaumenleiste. Phw. Pharynxwulst. Vergrösserung 16 fach. Vorgaumen ist paarig und liegt als ein frontal gestellter, noch schmaler Wulst dicht an dem vorderen Mundrande. Derselbe ist aus der früheren vorderen Umrandung der primitiven Choane entstanden, an der der vordere, schmale Zipfel der Gaumen- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3.) 3 536 MICHIO INOUYE, anlage mit der medialen Umrandung der primitiven Choane zusammentraf, und. .hest erösstenteils im Bereiche des mittleren Nasentertsatzes‘ Der laterale, kleinere Teil des Vorgaumens würde bereits im Bereiche des Oberkieferfortsatzesliegen (cf. Fig. 14, in der das hintere Ende der gestrichelten Linie diese Grenze an- gibt). Die Papilla palatina ist in dem von den Vorgaumen ge- bildeten Winkel gelegen und aus drei längsovalen Lappen zu- sammengesetzt. Der vorderste Teil der medianen Erhabenheit, die wir vorher (Fig. 9) auf dem mittleren, vertieften Felde des Nasenseptums gesehen haben, ist nunmehr zum vorderen Lappen der Papille umgebildet. Die beiden kleinen hinteren Lappen sind neue Erscheinungen. Die Gaumenanlagen sind medianwärts zu den be- kannten Gaumenplatten vorgewachsen. Diese beginnen an dem Vorgaumen und ziehen nach hinten, um sich schliesslich über den Eingang zur Tube hinweg bis zur hinteren Schlundwand zu begeben. Ihre vorderen Ränder legen sich beim Verschluss des sekundären Gaumens an den hinteren Rand der Vorgaumen an und verwachsen mit diesem. His hat den Vorgaumen als „Zwischenkiefer“ bezeichnet. Da diese Bezeich- nungleicht zu Verwechselung mit dem knöcher- nen Zwischenkiefer, der ja gewöhnlich einfach Zwischenkiefer benannt wird, Anlass gibt und ausserdem.:die gemannte,- Bildung, wie es sich aus meinei späteren Darstellung ergeben wird, mit der Aus- dehnung desknöchernen Zwischenkiefers nicht zusammenfällt, so habe ich dafür den Namen, ‚Vor- gaumen“ gebraucht. Stadium XII (erwachsener Maulwurf) Das Vordergesicht des erwachsenen Maulwurfes (Fig. 15) ist nach vorn schmal zugespitzt und läuft in die Rüsselscheibe aus. Während der Mantelteii, abgesehen von dem Lippen- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 537 saume und einer kleinen Partie, dıe dorsal an die Rüssel- scheibe sıch anschliesst, dicht mıt Haaren bedeckt ist, bleibt diese selbst unbehaart. Fig. 15. a. Ventrale Ansicht des Vordergesichtes des erwachsenen Maulwurfs; b. Rüssel- scheibe im vergrösserten Massstabe. o.R. oberer, u.R. unterer Rand der Rüsselscheibe. Ns. Nasenseptum. Fk. Flügel, Rk. Randknoten. N]I. Nasen- loch. Ph. Philtrum. Lp. Lippe. Gl' erste, Gl!’ zehnte Gaumenleiste. w.G. weicher Gaumen. s.Ch. sekundäre Choane. Aphp. Arcus pharyngopalatinus. K. Kehlkopf. Vergrösserung 2 fach. Die hüsselscheibe ist gegen früher nicht viel verändert. Die Grenzwülste haben sıch zu ihrem unteren Rande ver- einigt. Der Flügelknoten hat sich bedeutend verbreitert, während der Randknoten verhältnismässig klein geblieben ist: 35° 533 MICHIO INOUYE, beide bilden nun den Seitenrand der Rüsselscheibe. Die dorsale, breite Strecke der letzteren, die in der Mitte auf dem Nasenseptum ruht und beiderseits die Nasenlöcher umfasst, bildet ihren oberen Rand. Das Nasenseptum, das «die jetzt schwach gebogenen Nasenlöcher voneinander scheidet, ist von dem unteren Rande durch Niveaudifferenz deutlich abgesetzt, geht aber in den oberen Rand kontinuierlich über, der, von der Seite gesehen, den unteren Rand erheblich überragt (cf. Fig. 31b). Die einzelnen Ränder sind durch Furchen scharf voneinander getrennt, die alle am lateralen Ende des Nasen- loches abgehen und in die die Rüsselscheibe von dem be- haarten Teile trennende Rinefurche ausmünden. Die Zuge- hörigkeit der einzelnen, die Ränder der Rüsselscheibe zu- sammensetzenden Bestandteile zu den Gebieten der beiden Nasenfortsätze ist bereits im vorigen Stadium bestimmt worden. Der an die Rüsselscheibe hinten sich anschliessend Teil (Mantelteil) des Vordergesichtes ist grösstenteils behaart. An seiner Seitenfläche ist von den früheren Furchen nichts zu sehen. Obgleich die Augennasenfurche verschwunden ist, kann doch die Grenze zwischen den Gebieten des seitlichen Nasen- und des Oberkieferfortsatzes durch eine Linie angegeben werden, die vom Flügeiknoten nach dem Auge hin verläuft (Fig. 31b). An der Unterfläche des Rüsseis ist median eine breite, tiefe Grube zu sehen, die dem Philtrum beim Menschen entspricht. Auf dieser ventralen Fläche ist auch die Grenze zwischen dem mittleren Nasen- und dem Oberkieferfortsatze in bekannter Weise zu bestimmen (cf. Fig. 3la und b). In der Mundhöhle sieht man den sekundären Gau- men, von Zahnreihen hufeisenförmig umgeben, die auf jeder Seite aus 3 Schneidezähnen, 1 Eckzahn, 4 Prämolaren und > Molaren bestehen. Auf dem Gaumen finden sich 10 Leisten, von denen die erste auf dem hinteren Rande des Vorgaumens liegt (el. Fig. 31a, wo der Vorgaumen rechts punktiert ge- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 539 zeichnet ist). Die Papilla palatina ist auch beim erwachsenen Maulwurfe, mit der Lupe betrachtet, deutlich aus drei Höckern zusammengesetzt. Sie ist in Fig. 15a zwischen den ersten Schneidezähnen als ein weisses Pünktchen angegeben, in Fig. 3la aber etwas besser zu sehen. Die drei Höcker, die vor- her auf dem Nasenseptum zwischen den beiden Vorgaumen lagen (Fig. 13), sind in der Weise ins Dach des sekundären (Gaumens aufgenommen, dass sie bei seinem Schliessungs- prozesse seitlich von den Vorgaumen und hinten von den Gaumenplatten eingefasst werden. Da, wie bereits erwähnt, die erste Gaumenleiste auf dem hinteren Rande des Vor- gaumens entstanden ist, gibt sie die Grenze zwischen Vor- gaumen und dahinter gelegenem Gaumen an. Wie weit der Vorgaumen über den Bereich des mittleren Nasenfortsatzes hinaus seitwärts ausgedehnt ist, sieht man aus Fig. 3la deutlich, wo die Ver- teilung der Gebiete der einzelnen Gesichtsfortsätze einge- zeichnet ist. Beim erwachsenen Maulwurf ergibt sich nun folgende Ver- teilung der embryonalen Fortsätze: 1. Auf der Rüsselscheibe: a) mittlerer Nasenfortsatz: mediane Partie des oberen Randes; Nasenseptum; unterer Rand. b) seitlicher Nasenfortsatz: beide Seiten- teile des oberen Randes; Seitenränder. c) Area triangularis: mediane schmale Partie der dorsalen Fläche des oberen Randes. 2. Auf dem Gesichte (abgesehen von der Rüsselscheibe) und dem sekundären Gaumen: a) mittlerer Nasenfortsatz: ventralie, schmale. aber lange Partie des Rüsseis; Papilla palatina; medialer, grösster Teil des Vorgaumens. >40 MICHIO INOUYE, b) seitlicher Nasenfortsatz und Areartri- angularis: dorsale Partie des Vordergesichtes. e) Oberkieierfortsatz: "seitliche Partie des Vordergesichtes; lateraler, kleiner Teil des Vor- gaumens, eigentlicher Gaumen (oder Hinter- gaumen). Obgleich es eigenartig erscheint, das menschliche Ge- sicht in seiner Zusammensetzung aus den embryonalen Fort- sätzen an die Beobachtungen beim Maulwurf anzuschliessen, glaube ich doch dazu deswegen berechtigt zu sein, weil alle einzelnen Teile der Gesichtsfortsätze des Maulwurfes auch beim Menschen, wenn auch natürlich wesentlich umgestaltet, bei der Entwickelung seines Gesichtes nachzuweisen sind. Es scheint unnötig, dies durch meine eigenen Untersuchungen beim menschlichen Embryo zu beweisen, da die zahlreichen in der Literatur vorliegenden Darstellungen der Entwickelung und die Untersuchungen der Missbildungen genügen, die folgen- den Angaben durchaus zu rechtfertigen. Zum Gebiete des mittleren Nasenfortsatzes gehören beim Menschen, wie aus Fig. 33 zu ersehen ist, das Nasenseplum, die daran anschliessende obere und untere Partie der Nasenlochumrandune und die zwischen Nase und Mund- spalte gelegene, mediane, schmale Partie der Oberlippe. Die laterale Grenzlinie dieser letztgenannten Partie würde von dem Munde aus entlang neben dem Philtrum gegen das Nasenloch verlaufen. Im Vestibuium nasi trennt die Verlängerung dieser Grenzlinie eine mediale und eine laterale Hälfte; die mediale gehört dem Gebiete des mittleren Nasenforisatzes an, während die laterale dem des seitlichen Nasenfortsatzes zukommt. Das Gebiet. des seitlichen Nasenfortsatzes umfassı den Nasenflügei, die seitliche Partie der Nasen- spitze und ferner den zwischen Auge und Nasenrücken ge- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 541 legenen Seitenteil der Nase. Die mediane, schmale Zone des Nasenrückens und der Nasenspitze sowie der elwas breitere, an der Stirn wurzelnde basale Teil der Nase stellen das Ge- biet der früheren Area triangularis dar. Der dem medialen Augenkantus benachbarte Bezirk gehört dem seit- lichen Nasenfortsatze an. Die seitliche Grenzlinie des letzteren würde vom Auge bis zum Nasenflügel verlaufen und diesen an seinem hinteren Ende umgeben, um dort am Nasenloche zu enden (cf. Fig. 33a und b). In Fig. 33a ist das obere Ende der Grenzlinie nach Kraskes Falle von der narbig geheilten schrägen Gesichtspalte bestimmt worden. Hier scheint mir die Narbenlinie, die der lateralen Grenze des mittleren Nasen- fortsatzes entsprechen soll, ein wenig mehr lateral zu liegen, als es eigentlich sein sollte. Das wird uns aber gar nicht wundernehmen, da die ursächlichen Momente (entzündliche Prozesse oder der Zug der angewachsenen amniolischen Stränge?) die damals noch leicht beweglichen Spaltränder der Missbildung nach verschiedenen Richtungen verziehen konnten. Das Gebiet des Oberkieferfortsatzes beginnt latera! von den oben geschilderten seitlichen Grenzlinien der beiden anderen Fortsätze und wird seine Ausdehnung ent- sprechend den in Fig. 33a angegebenen gestrichelten Linien haben. Es nimmt den Bereich der Wange, des unteren Augen- lides und des Seitenteiles der Oberlippe ein. Wir sehen also, dass das von mir in Fig. 33 entworfene Schema, dem die Entwickelungsvorgänge des Gesichtes des Maulwurfs zum grössten Teile zugrunde gelegt worden sind, vollkommen mit den von bekannten Forschern, wie His, A.-Koelliker, Merkel, Th. Koelliker und Biondi, beim Menschen gewonnenen Tatsachen übereinstimmt. Die Oberlippe wird also beim Menschen und den Säugern von dem mittleren Nasen- und dem Oberkieferfortsatze gebildet, während der seit- 542 MICHIO INOUYE, liehe) N asentontsatz nur dazu sbe sit mandieise, "den Nasıenklügelbnundxden? Sesatenzeil ders Nase zu batsldeenn: Da, wie bereits erwähnt, die Gebiete der einzelnen Ge- sichtsfortsätze in jeder Phase der embryonalen Entwickelung des Maulwurfsgesichts sowie auch selbst beim ausgebildeten Tiere mit ziemlicher Gewissheit abgegrenzt werden können, werde ich im folgenden versuchen, festzustellen, inwieweit zwischen der Bildung der Knochenkerne und den primären (liederungen des embryonalen Gesichtes gesetzliche Zusammen- hänge bestehen. Im Anschluss daran soll der ausgebildete menschliche Zwischenkiefer in seiner Topographie zu den Ge- sichtsfortsätzen besprochen werden. ec) Entwickelung des Zwischenkiefers beim Maulwurf. Topographie des Zwischenkiefers beim erwachsenen Manul- wurf und beim Menschen. Der Zwischenkieferknochen wird vorerst in der Gegend des bereits erwähnten Vorgaumens in Form dichter Anhäufung von Mesenchymzellen angelegt, indem die anfangs noch ziem- lich gleichmässig im Vordergesichte verteilten Zellen sich dort allmählich verdichten und von der Umgebung schärfer ab erenzen. Wir haben schon gesehen, dass das Stadium Ill, an dem sich die Vereinigung der Ränder der Nasenrinne sowohl epithelial als auch mesodermal vollzogen hat, noch nicht irgend eine Zellanhäufung im Mesenchymgewebe in der vorderen Mundregion aufzuweisen hat, die etwa auf die erste Anlage des Zwischenkiefers hindeutet. Viel früher als die erste Ent stehung des Knochenkernes ist die oben erwähnte binde- sewebige Anlage zu beobachten. Beim Stadium IV ist nämlich diese Zelianhäufung bereits zu finden, während die Knochen- kerne für die Zwischenkiefer erst ım Stadium VII auftreten. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkielerspalte etc. 543 Stadium IV. Dieser Embryo (Fig. 16), bei dem erst die beginnende Bildung der Zahnleiste zu sehen ist, zeigt in der vorderen Kiefergegend, wo die Zwischenkiefer später angelegt Fig. 16a und bh. Frontalschnitt durch das Gesicht vom Stadium IV. Von der bindegewebigen Anlage des Zwischenkiefeıs (Pmx.) ist ın Fig. a. der vordere Teil und in Fig. b. der hintere Teil getroffen. xx Anlage des Processus nasalis. X die- jenige des Körpers des Zwischenkiefers. Nh. Nasenhöhle. Z1. Zahnleiste. Vergrösserung 33 fach. 544 MICHIO INOUYE, werden sollen, eine dichte Zellanhäufung. Sie deutet auf die ersten Anlagen der Zwischenkiefer hin und lässt den Anteil für den späteren Körper und denjenigen für den Nasenfortsatz erkennen. Die Zellenmassen, die der Anlage des Körpers (Fig. 16%) entsprechen, sind gerade oberhalb der Zahnleiste gelagert. Sie sind allerdings noch von einer Zellanhäufung, die sich dieht über der Zahnleiste sowie dem angrenzenden Oberflächenepithel findet und sich seitwärts in den Bereich des Lippenwulstes erstreckt, schwer abzugrenzen. In Fig. 16 sind zwei Querschnitte gezeichnet, von denen der eine (a) die vordere Partie der Zwischenkieferanlage, der andere aber die hintere trifft; die erwähnten Zellmassen sind mit einem Kreuz angedeutet. In Fig. 16a sieht man, dass die Zellmassen der beiden Seiten in der Mittellinie noch zusammenhängen. Hinten gehen sie ohne merkliche Grenze in die bindegewebige Anlage dies Oberkieferkörpers über. Die Anlage für den Nasenfortsatz geht von dem Seiten- teile der Körperanlage aus und zieht als ein flügelförmiger Fortsatz schief nach oben zur Seite der knorpeligen Nasen- kapsel, um hier mit ihrem schmäler werdenden Ende in diffuses Mesenchymgewebe überzugehen. Die aufsteigenden Fortsälze sind in Fig. 16 mit einem doppelten Kreuz bezeichnet. Sie sind eigentlich ein wenig weiter über die Stelle hinaus nach vorn ausgebreitet, an der später der knöcherne Nasenfortsatz an- gelegt wird. Dieser vordere Abschnitt der flügelförmigen Fort- sätze verschwindet mit fortschreitender Entwickelung, während der hintere Teil zum nasalen Fortsatz des Zwischenkiefors wird. Stadium VI. Bei diesem Embryo, dessen Zahnleiste bereits in der Gegend des Zwischenkiefers auf jeder Seite je drei kolbige Verdiekungen für die Schneidezähne zeigt, hat sich die Zellenanhäufung, die sich vorher in der vorderen Mundregion über der Zahnleiste ausbreite, insofern deut- lich differenziert, als die Zellen für den späteren Körper Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 545 des Zwischenkiefers sich besonders verdichtet haben (Fig. 17 bis 20, Fig. 21), so dass sie als gut abgrenzbare Haufen zu erkennen sind. Die Fig. 17, die etwa der Gegend der Verdickungen der Zahnleiste für die ersten Schneidezähne entspricht, zeigt deut- lich die eben erwähnte verdichtete Zellenmasse zu beiden Seiten der Medianlinie; sie und die lateral anschliessenden, JR Pmx. m. Gf. 2. Fig. 18. ein wenig locker gefügten, horizontal gelagerten Zellhaufen entsprechen der Anlage des vorderen Endes des Zwischen- kieferkörpers. Die Zellenverdichtung beginnt also in der Anlage des letzteren zuerst vorn medial und schreitet von hier allmählich nach hinten lateral fort. Die beiden in Fig. 17 sichtbaren, schief auf- steigenden Zellenzüge haben mit der Anlage des Zwischen- kiefers nıchts zu tun. 46 MICHIO INOUYE, Wie die dahinter gelegenen Schnitte zeigen, ist der hintere Teil der Anlage des Zwischenkiefers ebenfalls ziemlich deutlich von dem umgebenden Gewebe abzugrenzen; dieses Verhalten ist aus Fiee. 18 und 19 zu ersehen, die die Schnitte durch die Anlagen für den zweiten bzw. dritten Schneidezahn Fig. 20. Bigg. 17, 18, 19,20. Frontalschnitte aurch das Gesicht vom Stadium VI. Von der Anlaze des Zwischenkiefers (Pmx) ist in Fig. 17 der vordere Teil, in Fig 18 die Abgangs- stelle des medialen Gaumenfortsatzes (m.“f.) und in Figg. 19 und 20 der hintere Teil getroffen. Nh. Nasenhöhle. Dnl. Ductus nasolaerimalis. 2. Zunge. p. Ch. primitive Choane. J.K. Jakobsonscher Knorpel. Vergrösserung 25 fach. wiedergeben. Besonders bezeichnend ist es im vorliegenden Stadium, dass bereits die bindegewebige Anlage für den Pro- cessus Stenonianus, den medialen Gaumenfortsatz, angelegt worden ist. In Fig. 18 ist sie neben der Medianlinie auf jeder Seite zu sehen und hängt noch rechts mit der Anlage des Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 547 Körpers zusammen. Sie ist noch kurz und setzt sich hinten in die vor der primitiven Choane gelegene Zellanhäufung fort. Die in Figg. 18 und 19 von der Medianlinie seitlich weit entfernt gelegene Zellmasse ist die hintere Fortsetzung der Anlage des Körpers; hier stehen die Zellen weniger dicht als vorne, nur die ein wenig dichter gelagerten medialen Zellen stellen noch den hinteren Ausläufer des bereits erwähnten vorderen, verdichteten Teiles des Zwischenkieferkörpers dar. Die erwähnten Anlagen für den Körper und den medialen (saumenfortsatz des Zwischenkiefers sind übersichtlicher in ig. 21 zu sehen. Die Fig. 21 ist in der Weise gewonnen, dass zuerst ein horizontaler Schnitt im Umrisse gezeichnet wurde, in den die Anlagen für die eben erwähnten Teile des Zwischen- kiefers zeichnerisch rekonstruiert eingetragen sind. Die An- lagen sind nach der im Präparat sichtbaren Dichtigkeit der Zellen punktiert; im umgebenden (Gewebe ist auf die Zell- anordnung keine Rücksicht genommen. Der an die Anlage des Zwischenkieferkörpers lateral an- schliessende, flügelförmige Fortsatz (Figg. 17 20), der nun ganz deutlich in die Zellage übergeht, die der knorpeligen Nasenkapsel rundherum aufliegt, enthält die Anlage des Nasen- fortsatzes des Zwischenkiefers. Der in Fig. 17 sichtbare vordere Teil des flügelförmigen Fortsatzes bildet sich später vollkommen zurück, indem seine Zelimassen sich diffus ausbreiten. Der in Fig. 20 von dem Körper des Zwischenkiefers medial ausgehende, spitze Fortsatz ist die Anlage des lateralen Gaumen- fortsatzes. Die in Fig. 21 sichtbare Verdickung am hinteren Teile der Zwischenkieferanlage hängt mit dem Erscheinen dieses lateralen Gaumenfortsatzes zusammen. Das hintere Ende der Zwischenkieferanlage, in dem die Zellen weniger dicht stehen als vorne, reicht hinten bis zur Anlage des Oberkiefers, welche jetzt dicht mit Zellen besetzt und gegen die Umgebung sehr scharf begrenzt ist. Dies hat 548 MICHIO INOUYE, zur Folge, dass der hintere Teil des Zwischenkiefers jetzt deutlich von dem Oberkiefer abgegrenzt wird. Während die Anlage des Zwischenkiefers noch kein An- zeichen der Verknöcherung besitzt, ist am Oberkiefer bereits da, wo die Zellen am dichtesten angehäuft sind, also in der meet: J.O. + Dnp. Ns. Fig. 21. Horizontale Ansicht der bindegewebigen Anlage des Zwischenkiefers von einem etwa gleich entwickelten Embryo wie das in Figg. 17-20 abgebildete Stadium. Der Zwischenkiefer (Pmx) ist durch Kombination mehrerer Schnitte in seiner horizontalen Ausdehnung bestimmt und in die Kontur eines Schnittes, auf dem er am meisten sichtbar ist, eingezeichnet. m. Gf. Anlage des medialen Gaumen- fortsatzes. Gw. Grenzwulst. Rk. Randknoten. Ns. Nasenseptum. JO.—+- Dnp. Vereinigter Gaug des Jacobsonschen Organs mit dem Ductus nasopalatinus. 7. Zunge. p.Mh. primitive Mundhöhle. Mx. Maxilla. Vergrösserung 34 fach. centralen Partie, das durch Hämatoxylin bläulich gefärbte, ganz zarte Netzwerk von Knochensubstanz ausgeschieden (Fig. 21). Stadıum VI. Dieser Embryo zeigt wesentliche Fort- schritie gegenüber früher, indem bereits der erste Beginn der Verknöcherung in der Anlage des Zwischenkiefers aufgetreten Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 549 ist. Die Fig. 22, die in der bereits erwähnten Weise durch Kombination mehrerer Schnitte gewonnen ist, zeigt die Hori- zontalansicht der Zwischenkieferanlage. Zur Ergänzung sollen die Figg. 23, 24 und 25 dienen, welche nach Frontalschnitten eines etwa gleich entwickelten anderen Embryos gezeichnet sind. Fig. 23 zeigt einen Frontalschnitt durch die Gegend der Ns. Rk. J.O. Fig. 22. Anlage des Zwischenkiefers vom Stadium VII. Die Zeichnung ist in derselben Weise hergestellt wie bei Fig. 21. Pmx. Zwischenkiefer. m.Gf. medialer (raumenfortsatz. Mx. Maxilla. JO. Jacobsonsches Organ. Z Zunge. m.Nf. Gebiet des mittleren Nasenfortsatzes, durch dichtere Punktierung von der Umgebung abgehoben. p.Nh. primitive Nasenhöhle. Ns. Nasenseptum. Rk. Randknoten. Vergrösserung 27 fach. Anlage des ersten Schneidezahnes, während Fig. 24 einen solchen durch die Höhe des zweiten Schneidezahnes und Fig. 25 einen ein wenig dahinter gelegenen Schnitt darstellt. Wie aus Figg. 22 und 23 deutlich zu ersehen ist, weist nunmehr der vordere Teil der’ Anlage des Kör- perstdieerstie Verknöcherung auf. Diesehatalso >50 MICHIO INOUYE, dabegonnen, wodieZellensichvorher am dich- besten amesehautt.habenz und sehreitetr’von.da aus, wiewirimnächsten Stadiumsehen werden, nach hinten fort. Der hintere Teil, in dem die Zellen sich viel dichter anhäufen als früher, hat sich jetzt durch eine schmale, zellarm gewordene Partie von dem Oberkiefer scharf abgesetzt, der bereits ım Körper diffus verknöchert ist. Von dem vorderen, zuerst verknöcherten Ende des Zwischenkieferkörperss geht der nach hinten allmählich schmäler werdende, bindegewebige mediale Gaumenfortsatz ab, der ein wenig hinter der Mündung des Jacobsonschen Organs aufhört. Seine Zelien liegen vorn dichter als hinten. Der laterale Gaumenfortsatz ist, wie Figge. 22 und 25 zeigt, jetzt stärker geworden. Der von der Seite des Körpers schief nach oben auf- steigende Nasenfortsatz (Figg. 23, 24, 25) wird nach oben hin allmählich schmäler und weist den bereits bekannten Zu- sammenhang mit der die knorpelige Nasenkapsei umhüllenden Zellschicht auf: seine Zellenanhäufung wird nach oben hın allmählich dünner und lässt noch keine Anzeichen der Ver- knöcherung erkennen. Wir sehen also, dass die am meisten verdichtete Partie der bindegewebigen Anlage des Zwischen- kiefers bei der Verknöcherung der weniger verdichteten voraneilt. Nun ist es von Wichtigkeit, die topographische Lage der /wischenkieferanlage ın bezug auf die Gebiete der einzelnen (resichtsfortsätze zu berücksichtigen. In Fig. 22 ist das Gebiet des mittleren Nasenfortsatzes [fein punktiert. Die Figuren 23 und 24 geben die laterale Grenze des mittleren Nasenfortsatzes durch die von dem Nasenboden aus nach unten ziehende gestrichelte Linie an. Die Abgrenzung ist nach der im Kapitel der Entwickelung der (esichtsfort- sätze geschilderten Weise vorgenommen. Es ist natürlich un- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete JR 7 m\GE Fig. 25. Figg. 23, 24 und 25. Frontalsehnitte durch das Gesicht eines Embryo wie Fig. 22 von gleichem Stadium. Pmx. Zwischenkiefer. höhle. m. Gf. medialer Gaumenfortsatz. Nh. Nasen- Dnl. Ductus nasolacrimalis. J. K. Jacobsonscher Knorpel. 27. Zunge- deutet auf die Grenze zwischen dem seitlichen Nasen- und dem Öberkiefer- fortsatze hin. Vergrösserung 25 fach. .L BG Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 36 551 »52 MICHIO INOUYE, möglich, die Grenzlinie mit mathematischer Genauigkeit an- zugeben, da leichte Verschiebungen selbstverständlich sind. Immerhin ist diese Linie zur Orientierung sehr wertvoll. Sicher ıst, dass die Grenze laterai von der Anlage des ersten Schneide- zahnes liegt; wie sie sich auch noch zur zweiten Schneide- zahnanlage verhält, darüber lässt sich nichts Gewisses sagen; wahrscheinlich geht sie durch die Mitte der Zahnanlage; dar- über wird bei den Zahnanomalien der pathologischen Spalt- bildung beim Menschen weiteres erörtert werden. Wir sehen also aus den Figuren 23 und 24 klar, dass der Körper des Zwischenkiefers nicht nur im Gebiete des mittleren Nasenfortsatzes, sondern auch mit seinem den Processus nasalis tragenden Teile in dem des Oberkieferfortsatzes angeiegt wird. Der mediale Gaumenfortsatz gehört vollständig zum (Gebiete des mittleren Nasenfortsatzes. Nun bleibt noch eine wichtige Frage übrig, nämlich ob das (rebiet des seitlichen Nasenfortsatzes mit der Bildung des Zwischenkieferknochens nicht in irgend einem Zusammenhange steht. Der bindegewebige Zelizug, der in Figg. 24 und 25 vom lateralen Ende des Körpers nach oben zieht, geht, wie bereits mehrmals erwähnt, in die Zellenschicht über, die der Nasen- kapsel aufliegt und die sich, wie sich weiterhin ergibt, an der Ausgestaltung des Nasenfortsatzes des Zwischenkiefers be- teiligt. Somit erstreckt sich die bindegewebige Anlage des Processus nasalis an der Nasenkapsei entlang ziemlich weil nach oben. Da die Grenze zwischen dem (Gebiete des seit- lichen Nasen- und dem des Oberkieferforisatzes auf Grund der bereits erwähnten Entwickelungsvorgänge der Gesichtsfort- sätze etwa der ın Fig. 24 mit einem Stern bezeichneten Stelie entspricht, so erstreckt sich die Anlage des Processus nasalis in das (rebiet des seitlichen Nasenforlisatzes. Mithin er- gibt sich, dass die Anlage des Zwischenkiefers nicht auf einen’ bestimmten embryonalen Ge- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 553 sichtsroertsatz. beschränkt ıst. ! Der Zwischen: kieferentwickeltsichalsonichtnurim Bereiche des mittleren Nasenfortsatzes, sondern auch ausserdem noch ın dem des seitlichen Nasen- und des Oberkieferfortsatzes. Wir werden später u.R. Rk. s. Nh. m.GL 232.0: G£. Fig. 26. Zeichnerische Rekonstruktion des Zwischenkieferss vom Stadium VII. Die Zeichnung ist in der bekannten Weise gewonnen. Pmx. Zwischenkiefer m. Gf. medialer Gaumenfortsatz. Mx. Maxilla. Gf. Gaumenfortsatz. J.O Jacobsonsches Organ. s. Nh. sekundäre Nasenhöhle. m.Nf. Gebiet des mitt- leren Nasenfortsatzes. u.R. unterer Rand der Rüsselscheihe.. Rk. Rand- knoten. Vergrösserung 25 fach. auch sehen, dass die hintere Ausdehnung des medialen sowie des lateralen (Gaumenfortsatzes des Zwischenkiefers mit der hinteren Grenze des Vorgaumens sich gar nicht deckt, sondern über diese hinaus nach hinten reicht. Davon wird später noch ausführlicher die Rede sein. 36* 554 MICHIO INOUYE, Stadium VIII. Bei diesem Embryo, dessen Zwischen- kiefei in horizontaler Ansicht auf bekannte Weise ın Fig. 26 dargestelit ist, hat die Verknöcherung bereits bedeutende Fort- schritte gemacht. Der Körperteil des Zwischenkiefers ist beinah> in seiner oanzen Ausdehnung verknöchert. Seine hintere, noch binde- gewebige Anlage ist nunmehr von dem knöchernen Oberkiefer durch Bindegewebe mit lockerem Gefüge scharf abgesetzt. in Fig. 26 ist der verknöcherte Teil vorn schmal, hinten aber breit; diese verbreiterte Stelie schliesst den lateralen Gaumen- fortsatz ein. Zugleich sehen wir aus Fig. 26 deutlich, dass die Ver- knöcherung vom Körper aus in die noch grösstenteils binde- oewebige Anlage des merialen Gaumenforisatzes eingedrungen ist. Über die Verknöcherung des Processus nasalıs gibt diese Figur natürlich keine Auskunft; die Durchmusterung der Prä- parate ergibt aber, dass auch er eine Strecke an seinem Ur- sprung verknöchert, ist. Ebenso wie die starke Ver- diehtung der Zellen in der bindegewebigen An- lagedesZwischenkiefers zuerstvoneiner Stelle aulses jehsauseedehnt hat, so hat aweh dnerV\er- knöcherung, dieim vorigen Stadium nur im vor- deren Teile des Körpers: zu sehen war, diesen jetztganz ausgefülltund auchden medialen und VemnllaveralensGoaumentortsarz sowte, denazaror ecessus’nasalts ereriffen. Eslässtsichalsobeim Maulwurfenichtnach- weisen, dass die Anlage des Zwischenkiefers, wie Albrecht werd Brirondicbehaupten, aut’yjeder Seite zweifachist. Auch konnte ich die Biondi- sche" Behauptung. nreht' bestätigen, dass siein snathogener Knochenkern im Bereich des OÖber- kieferfortsatzes, der metopogene ab'rer in dem b) Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 555 des mittleren Nasenfortsatzes auftrete und der gnathogenevondaausnachvorneinsGebietdes mittleren Nasenfortsatzes gelange, um sich mil dem ebenfalls nach vorne wachsenden metopo- J.O. m.Gf. Gf. Fig. 27. Zeichnerische Rekonstruktion des Zwischenkiefers vom Stadium XI. Die Zeich- nung ist in der bekannten Weise hergestellt. Pmx. Zwischenkiefer. m. Gf. medialer, 1.Gf. lateraler Gaumenfortsatz. Mx. Maxilla. Gf. Gaumenfortsatz. J.O. Jacobsonsches Organ. s.Nh. sekundäre Nasenhöhle. m.Nf. Gebiet des mittleren Nasenfortsatzes. u. R. unterer Rand der Rüsselscheibe. Rk. Rand- knoten. Fk. Flügelknoten. Vergrösserung 25 fach. genen: Knochenkerne nveht sasıtbal somdern Frontalaın?seiner Dut wrasınTera lmeolamıs zuder- einigen. Die Verknöcherung des Zwischenkiefers geht von dem Körper so gleichmässig zu den Fortsätzen über, dass man nicht angeben kann, welcher zuerst ergriffen wird. >56 MICHIO INOUYE, Der mediale Gaumenfortsatz, der jetzt ziemlich weit nach hinten gewachsen ist, liegt grösstenteils medial von dem Para- seplalknorpei und dem diesem lateral anliegenden Jacobson- schen Organ; in dem bindegewebigen Teil des Gaumenfort- satzes stehen die Zellen viel dichter als früher. Der Gaumenfortsatz des Oberkiefers, der im vorigen Stadium bereits zu verknöchern begonnen hat, ist jetzt deul- lich in Fig. 26 als eine sich an den Körper medial anschliessende Fig. 28. Platte zu sehen. Es seihiernebenbeibemerkt.dassder OÖberkiefer sich ebenso wie der Zwischenkiefer nur auseinem Knochenkerne entwickelt.hat: Es lässt sich mehr ais ein Kern bis zum vorliegenden Stadium nicht nachweisen, was mit den von Th. Koelliker und Mall beim Menschen gemachten Angaben vollkommen übereinstimmt. Stadium XI. Bei diesem Embryo hat der Verknöche- rungsprozess des Zwischenkiefers wiederum weitere Fort- schritte gemacht. In Fig. 27 ist die horizontale Ausdehnung Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 557 des Körpers sowie des medialen und des lateralen Gaumen- fortsatzes wiedergegeben. Zur Ergänzung der horizontalen An- sicht sollen die frontalen Ansichten in Fieg. 28 und 29 dienen, 1. Gf. m. Gf. J.K. Fig. 29. Figg. 28 und 29. Frontalschnitte durch das Gesicht eines beinahe so weit entwickelten Embryos wie das in Fig. 27 abgebildete Stadium XI. Von dem Zwischenkiefer (Pmx.) ist in Fig. 25 der vordere Teil, in Fig. 29 der hintere Teil getroffen. Pn. Pro- cessus nasalis. m. Gf. medıaler, 1. Gf. lateraler Gaumenfortsatz des Zwischen- kiefers. J. O. Jacobsonsches Organ. J. K Jacobsonscher Knorpel. Dnp. Ductus nasopalatinus, daneben Querschnitt des Nervus palatinus anterior. s. Nh. sekundäre Nasenhöhle. N. Nasale. Z. Zunge. Vergrösserung 30 fach. welche von einem beinahe gleichalterigen Embryo gewonnen sind. Der bisher noch bindegewebige hintere Teil des Körpers sowie des medialen Gaumenfortsatzes ist jetzt verknöchert, 558 MICHIO INOUYE, so dass sie beide jetzt nur von der dichten osteogenen Schicht rings umgeben sind. Der knöcherne laterale Gaumenfortsatz ist nunmehr am Körper nicht nur hinten, sondern auch vorn bereits deutlich zu sehen. In Fig. 28 sehen wir den vorderen Teil des Körpers; hier ist der dichte, aufsteigende Zellhaufen, der früher an beiden Enden des Körpers zu sehen war, nun- mehr vollkommen verschwunden, und die Knochenbalken sınd medial viel dicker als lateral. Dies hängt wahrscheinlich mit der Tatsache zusammen, dass die Verknöcherung des Körpers, wie wir bereits gesehen haben, am vorderen Ende begonnen hat. Das Verhalten ist auch in Fig. 29 deutlich zu sehen, die einen Schnitt ein wenig hinter der Abgangsstelle des medialen (raumenfortsatzes von dem Körper zeigt; in dem auf jeder Seite sichtbaren Körper sind die Knochenbalken so angeordnet, dass sie in dem medialen Teile mächtig sind und dichter stehen, aber von da aus lateralwärts hin allmählich dünner und weit- maschiger werden. Die Verknöcherung des Processus nasalıs hat auch an Ausdehnung zugenommen. Wie die Figur 29 deutlich zeigt, ist die bindegewebige Anlage des Processus nasalis, welche im vorigen Stadium nur im unteren, an den Körper sich an- schliessenden, kleinen Teile verknöchert war, jetzt bis weil oben von Knochenbalken durchsetzt. DerknöchernePro- Gessas.nasaliss, reicht; alsornunmehr ob enzins Gebiet des seitlichen Nasenfortsatzes: 'Die ober- halb der Nasenkapsel gelegene Bindegewebsschicht hat sich jetzt besönders scharf von der Umgebung sowie von dem Knochenbalken enthaltenden Bindegewebslager des Zwischen- kiefers abgesondert und weist in ihrem medialen Teile bereits die Verknöcherung für das Os nasale auf. Von dem Oberkiefer möchte ich nur soviel bemerken, dass der Gaumenfortsatz jetzt bedeutend medianwärts gewachsen ıst. Dieser erreicht aber noch nicht den medialen Gaumen- Der Zwischenkiefer, Entsteh, u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 559 fortsatz des Zwischenkiefers der betreffenden Seite. Durch den zwischen dem vorgeschobenen Gaumenfortsatze des Ober- kıefers sowie dem medialen und dem lateralen (Gaumenfort- satze des Zwischenkiefers gebildeten Raum geht lateral der obere Teil des Ductus Stenonianus (Ductus nasopalatinus) und | VB Gf. / | Dnp. J. 0. Gf. Fig. 30. Zeichnerische Rekonstruktion des Zwischenkieferss vom Stadium XII. Die Zeichnung ist in derselben Weise hergestellt wie Fig. 21. Pmx. Zwischen- kiefer. m.Gf. medıaler, 1. Gf. lateraler Gaumenfortsatz desselben. Mx. Maxilla. Gf. Gaumenfortsatz desselben. Dnp. Ductus nasopalatinus. J. O. Jacobson- sches Organ. Vergrösserung 20fach. medial das Jacobsonsche Organ von oben hinten schräg nach unten vorn hindurch. Stadium All. Dieser Embryo, dessen Zwischenkiefer- knochen in Fig. 30 ın bekannter Weise in einer Horizontal- ansicht abgebildet ist, zeigt den Knochen beinahe vollkommen entwickelt, so dass die ganze Form sich von der des fertig aus- gebildeten Zwischenkiefers wenig unterscheidet. 560 MICHIO INOUYE, Der laterale Gaumenfortsatz ist im ganzen nach hinten medial vorgewachsen und der mediale weiter nach hinten. Die Projektion des Zwischenkiefers auf den sekundären Gaumen zeigt, dass der Körper sowie die beiden Gaumenfortsätze bereits über die hintere Grenze des Vorgaumens ins Bereich des eigent- lichen Gaumens erheblich hineingewachsen sind. Von dem Processus nasalıs kommt (das obere Ende mit dem total ver- knöcherten Nasenbeine fast in Berührung. Der Oberkiefer ist mit seinem Gaumenfortsatze weiter nach vorn medial gewachsen. Sein vorderer Zipfel ist, wie Fig. 30 zeigt, zwischen den lateralen und den medialen Gaumenfort- satz des Zwischenkiefers eingeschoben und wird eigentlich in seinem lateralen Teile von dem hinteren, freien Ende des lateralen Gaumenfortsatzes des Zwischenkiefers bedeckt. In Fig. 36 ıst dies aber der Klarheit des Bildes zuliebe nicht ge- zeichnet. Der für den Durchgang des Ductus nasopalatınus und des Jacobsonschen Organs bestimmte Raum ist somit enger geworden und fast vollkommen abgeschlossen, womit der Anfang zur Bildung des Foramen incisivum und der Sutura incisiva mit ihrem lateralen und medialen Abschnitt gemacht ist. Stadium XIII (erwachsener Maulwurf). Da der Zwischenkiefer des erwachsenen Maulwurfes bereits im Ab- schnitt a ausführlich beschrieben worden ist, so werde ich hier nur die Lagebeziehung des ausgebildeten Zwischenkiefers zu den (Gebieten der primären Gesichtsfortsätze erwähnen. Es ıst bei den vorangehenden Stadien gesagt worden, dass der Körper des Zwischenkiefers nicht nur im Grebiete des mittleren Nasenfortsatzes, sondern auch in dem des Ober- kieferfortsatzes angelegt wird und dass der vom Körper ab- gehende Processus nasalis in fortschreitender Entwickelung vom Gebiete des Oberkieferfortsatzes aus in das des seit- lichen Nasenfortsatzes hineinwächst. Dieses Nichtzusammen- fallen der Zwischenkieferabschnittfe mit den Gebieten der Ge- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 561 sichtsfortsätze ist besonders deutlich beim erwachsenen Maul- wurfe zu konstatieren. In Fig. 31 ist in die Konturen der Weichteile des Vorder- kopfes eines erwachsenen Maulwurfes auf der linken Seite der knöcherne Gaumen eingezeichnet. An der Schnauze sind die Gebiete der einzelnen Gesichtsfortsätze in bekannter Weise bestimmt; in Fig. Bla ıst die Grenze zwischen den Gebieten des mittleren Nasenfortsatzes und des Oberkieferfortsatzes durch gestrichelte Linien und in Fig. 31b die Grenze des (tebietes des Oberkieferfortsatzes gegenüber denen des mittleren und des seitlichen Nasenfortsatzes ebenso durch gestrichelte Linien angedeutet. Der Zwischenkiefer ist in Fig. 3la mit Kreuzchen versehen und in Fig. 31b, wo der Knochen im Profil gezeichnet ist, fein punktiert. Die beiden Figuren illustrieren sehr anschaulich, dass der Körper, der drei Schneidezähne und die vordere Hälfte des Kekzahnes trägt, in dem Bereiche des mittleren Nasen- und des Oberkieferfortsatzes (Fig. 3la) gelegen ist, und dass der vom Körper schräg nach oben abgehende Processusnasa- lis von dem Gebiete des OÖberkieferfortsatzes eine erhebliche Strecke in das des seitlichen Nasen tortsatzesrauseellehmesrst.(ıosgalch): Die Gaumenfortsätze des Zwischenkiefers Messen nicht nur ImZVorsaumen, sondern ste dehnen sich über seinen Bereich ziemlich weit nach hinten aus. Dieses Verhalten ist aus Fig. 3la deut- lich zu sehen, da hier, wie bereits erwähnt, auf der rechten Seite der Vorgaumen und auf der linken der Zwischenkiefer durch die verschiedene Ausfüllung übersichtlich abgehoben ist. Wir sehen in dieser Figur, dass der Vorgaumen nur bis.zur ersten Gaumenleiste heranreicht, wäh- rend das hintere Ende des medialen Gaumen- fortsatzes des Zwıischenkiefers die dritte Gau- 562 MICHIO INOUYE, m. Nf. Okf. Fig. 31. Schema zur Darstellung der Lagebeziehung des Zwischenkiefers zu den Ge- bieten der primitiven Gliederungen des Gesichtes. In die Umrisse des Ge- sichtes ist bei Fig. b die Seitenansicht der linken Hälfte des Gesichtsschädels eingezeichnet. m.Nf. Gebiet des mittleren Nasenfortsatzes (fein punktiert), Ns. Nasenseptum. Ph. Philtrum. s.Nf. Gebiet des seitlichen Nasenfortsatzes, inkl. der Area triangularis (grob punktiert, in Fig. b aber der hintere Teil desselben weiss gelassen). Rk. Rand-. Fk. Flügelknoten. Okf. Gebiet des Ober- kieferfortsatzes (weiss gelassen) Vg. Vorgaumen (grob punktiert). h.G. harter Gaumen mit 10 Gaumenleisten. A. Auge. Pmx. Praemaxillare. Fi. Foramen inceisivum. N. Nasale. F. Frontale. Mx. Maxilla. C.nl. Mündung des Canalis nasolacrimalis. Ob. Orbita. P. Palatinum. Fpm. Foramen palatinus majus. I. Dentes ineisivi. C. Dens caninus. Pm. Dentes praemolares. M. Dentes molares. Vergrösserung 2fach. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 563 menleiste ein wenig überschreitet. Dear laterale Gaumenroresatz reicht im.,Werein mıt demchım- teren Abschnittdes Zwischenkieferkörpersbei- nahe soweit wie der mediale Gaumenfortsatz. Wenn man in Fig. 3la links die auf der Gesichtsfläche oe- legene gestrichelte Linie bis zum vorderen Ende des Foramen incisivum verlängert, so wird die Gaumenfläche des Zwischen- kiefers in zwei Hälften geteilt. Die laterale Hälfte (der laterale Gaumenfortsatz und das laterale Stück des Körpers) liegt im Gebiete des Oberkieferfortsatzes, während die mediale (der mediale Gaumenfortsatz und das mediale Stück des Kör- pers) dem des mittleren Nasenfortsatzes zukommt. Nach der Fig. 53la müsste man urteilen, dass der mediale Gaumenfort- satz des Zwischenkiefers in das Gebiet der Gaumenplatte des Oberkiefers hineinreicht; in Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall, denn er liegt im Bereiche des embryonalen Nasen- septums (cl. Fig. 29) und wird an der Mundseite von dem vorderen Ende der Gaumenplatte des Oberkiefers bedeckt. Der Woreaumen, dervon Hiıs’als Zwischemkrereribrer zeichnet wurde, hat somit mit der Ausdehnung desZwischenkiefersgarkeinen Zusammenhang; er Fällt. nur mit dem vorderen Abschnitt des Zwischenkiefers zusammen. Wie oben erwähnt, liegt der Zwischenkiefer nicht nur ım (rebiete des mittleren Nasenfortsatzes, sondern auch in dem des seitlichen Nasen- sowie des Oberkieferfortsatzes. Dieses Verhalten wird uns gar nicht wundernehmen, wenn wir bedenken, dass die mesodermale Verschmelzung sowohl zwischen dem mittleren Nasen- und dem Oberkieferfortsatze als auch zwischen letzterem und dem seitlichen Nasenfortsatze dem Entstehen der Zwischenkieferanlage vorangegangen ist: dem Knochen ist also in der einheitlich gewordenen Mesoderm- masse die Möglichkeit zum beliebigen Vorwachsen nach jeder 564 MICHIO INOUYE, Richtung hin gegeben, und danach lässt sich die Verteilung der einzelnen Zwischenkieferteile in den (rebieten der Ge- sichtsfortsätze folgendermassen zusammenstellen. 1. Körper und Alveolarfortsatz: im Gebiete des mittleren Nasen- und des Oberkieferforisatzes. 2. Nasenfortsatz (Processus nasalis): im Gebiete des seitlichen Nasen- und des Oberkieferfortsatzes. 3. Gaumenfortsatz: im Gebiete des Oberkiefer- (late- raler Gaumenfortsatz) und des mittleren Nasenfortsatzes (medialer Gaumenfortsatz). Wie der Zwischenkiefer in seiner Ausdehnung mit dem Bereiche des mittleren Nasenfortsatzes nicht übereinstimmt, so liegt das Maxillare nicht allein im Gebiete des Oberkiefer- forisatzes, sondern es reicht mit seinem oberen Teile in das Gebiet des seitlichen Nasenfortsatzes, in das er mit fortschrei- tender Verknöcherung hineinkommt. Das Os nasale entwickelt sich im Gebiete der Area triangularis. Nachdem oben die Entwickelung des Zwischenkiefers des Maulwurfes geschildert und dessen Ausdehnung beim ausge- bildeten Gesichte bestimmt worden ist, fragt es sich nun, ob der Knochen auch beim Menschen auf jeder Seite einfach angelegt werde, oder, wie Albrecht und Biondı behaupten, in zwei Knochenkernen auftrete. Da in dieser Hinsicht die Entwickelung des menschlichen Zwischenkiefers von Th. Koel- liker bereits eingehend studiert und zu genau demselben Resultat wie beim Maulwurfe geführt worden ist, will ich davon absehen, die Untersuchung nochmals bei menschlichen Embryonen anzustellen, und glaube berechtigt zu sein, seine Angabe aufzunehmen, um so mehr, als auch Schwink auf Grund seiner eingehenden Untersuchungen an dem umfang- reichen Material aus verschiedenen Säugetierordnungen mit Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 565 ihm darin übereinstimmt, dass in der Regel sich keine doppelte Anlage des Zwischenkiefers nachweisen lässt. Man darf also wohl annehmen, dass der Zwischenkiefer beim Men- schen und auch bei Säugern in der Regel ein- heitlich angelegt wird. Pn. m. Gf. Fig. 32. Frontalschnitt durch das Vordergesicht eines 3!/2 Monate alten menschlichen Embryo. Nach Th. Koelliker. N. Nasale. Pmx. Zwischenkiefer (Körper). Pn. Processus nasalis. m. Gf. medialer, 1. Gf. lateraler Gaumenfortsatz des Praemaxillare. J. K. Jacobsonscher Knorpel. Dnp. Ductus nasopalatinus. C. Dens caninus. I? Dens incisivus 11. Nun taucht aber wiederum die Frage auf, ob der Zwischen- kiefer, der beim Menschen einheitlich angelegt wird, wie Th. Koelliker meint, sich nur im Gebiete des mittleren Nasen- fortsatzes entwickle. Wenn ich auch Th. Koelliker in der Annahme der einheitlichen Anlage des Zwischenkiefers beı- stimme, so kann ich ihm hierin nicht recht geben. Er hat die 566 MICHIO INOUYE, topographische Beziehung des Zwischenkiefers gegenüber den embryonalen Gesichtsfortsätzen nicht genügend beachtet, denn die Betrachtung seiner Figuren 22- 37 ergibt wertvolle Anhalts- punkte für meine Anschauung. Die hier in Fig. 32 wieder- gegebene Abbildung Koellikers (seine Figur 33), die von einem 6,7 cm langen menschlichen Embryo stammt, erinnert sehr an meine Figur 29. Man sieht im Bereiche des Nasen- septums unterhalb des Septumknorpels auf beiden Seiten je eine rundliche Knochenmasse und seitlich von dieser einen dicken, beinahe dreiseitigen Knochen, der aufwärts an der Seite der knorpeligen Nasenkapsel entlang einen schmalen Fort- satz entsendet. Da auf der rechten Seite der betreffenden Figur der zweite Schneidezahn angeschnitten ist auf der entgegengesetzten Seite ist der Eckzahn angeschnitten —, kann man wohl annehmen, dass wenigstens das auf der rechten Seite gelegene, mediale sowie laterale Knochenstück ohne Zweilei dem Zwischenkiefer angehört. Dass das mediale, rundliche Knochenstück, das ım Bereich des Nasenseptums gelegen ist, eine dem medialen (raumenfortsatze des Maul- wurfes homologe Bildung darstellt, ist ohne weiteres klar. Das laterale, dreieckig geformte Knochenstück entspricht alsdann dem Zwischenkieferkörper im Verein mit seinem lateralen (Gaumen- und Nasenfortsatz. Der Körper hängt, wie Th. Koel- liker richtig angibt, vorn mit dem medialen Gaumenforisatze zusammen. Da dieser gerade im Bereiche des Nasenseptums gelegen ist, entstammt er dem früheren mittieren Nasenfortsaltze, während somit der laterale Gaumenfortsatz und der in Fie. 32 sichtbare Körper im (Gebiete des Oberkieferfortsatzes entwickelt sein muss. Der vordere, mediale Teil des Körpers, der unter- halb des Nasenseptums in den medialen Gaumenfortsatz über- geht. würde ebenso wie dieser dem Gebiete des früheren mittleren Nasenfortsatzes angehören. Ob der Processus nasalis nur ım Gebiete des Oberkieferfortsatzes oder ausserdem auch Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 567 in dem des seitlichen Nasenforisatzes gelegen ist, lässt sich aus Fig. 32 schwer entnehmen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass er ın dieser Beziehung genau dieselben Verhältnisse be- wahrt wie beim Maulwurfe (Fig. 29), zumal beim ausgebildeten a. Fig. 33. Schema zur Darstellung der Topographie des Zwischenkiefers sowie der Hasen- schartenkiefer- und der schrägen Gesichtsspalte in bezug auf die einzelnen Gebiete der Gesichtsfortsätze. Zur Ergänzung der Hauptfigur dient die Neben- figur, bei der die Nasenspitze nach oben aufgeklappt und somit die Umran- dung der Nasenlöcher deutlich zu sehen ist. Von den dicken Linien auf der linken Seite des Gesichtes zeigt a—b die Hasenschartenkieferspalte, a—c—d die zweite, und a—b im Verein mit c—d die erste Form Morians der schrägen Gesichtsspalte. m. Nf. Gebiet des mittleren, s. Nf. dasselbe des seitlichen Nasen- fortsatzes (in Nebenfigur ist ersteres fein, letzteres aber grob punktiert.) Okf. Gebiet des Oberkieferfortsatzes. At. Gebiet der Area triangularis. Ukf. Ge- biet des Unterkieferfortsatzes. Pmx. Zwischenkiefer (fein punktiert). M. Maxilla mit dem Foramen infraorbitale. N. Nasale. J. Jugulare. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 37 D68 MICHIO INOUYE, menschlichen Gesichte der obere Teıl des Processus nasalıs weit in den Seitenteil der äusseren Nase hineinragt, der ja eine Bildung des seitiichen Nasenfortsatzes ist. Da der menschliche Zwischenkiefer während seiner Ent- wickelung ebenso wie beim Maulwurfe die beiden Gaumen- fortsätze erkennen lässt, deutet die beim ausgebildeten Zwischenkiefer, sichtbare Sutura inter incisiva zweifellosaufidie Vereinigungsstelle des medialen Gaumenfortsatzes mit dem lateralen hin. Beim Maulwurfe geschieht die Ausfüllung der zwi- schen diesenbeidenFortsätzengelegenen Lücke durch die vorwachsenden Knochenränder der Gaumenfortsätzevonvornher vıelschnellerals von beiden Seiten her, so dass die Suturainter- incasıva nieht zustande kommt. Beim Menschen scheint aber in den meisten Fällen die Ausfül- lungvonvornhernichtsoschnellwiebeim Maul- Wunfe vorsich zu oehen, und somit wırdspater an der Berührungesstelle der beiden Seiten- ander eime Nahl —— die >Surur2 interinersmgas — in mehr oder weniger langer Strecke ausge- spart. Da der Zwischenkiefer eine einheitliche Anlage be- sitzt, kann die Naht nur im Bereich der Gaumen- fortsätze entstehen, und so ist selbstverständ- ch d’ass die Sulura aunderın arsevwa nıemalscan der Gesichtsfläche des Zwischenkiefers zum Vorsichem kommen kann Die Sutrura ımte Eines sıiva deutet also, wie Albrecht und Biondi be- haupten,, nıcht „auf.dıe paarıce Anlaser des Zwiıschenkiefers hin. Sie hat aber insofern eine wich- tige Bedeutung, als in ihr die Grenze der Gebiete des mittieren Nasenfortsatzes und des Oberkieferfortsatzes gegeben ist. Wenn also beim ausgebildeten Zwischenkiefer die Sutura interincisiva Der Zwischenkiefer. Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 569 nach vorn in den Bereich des Körpers verlängert wird, so wird dieser in zwei Hälften geteilt, von denen die mediale zum (rebiete des mittleren Nasenfortsatzes und die laterale zu dem des Oberkieferfortsatzes gehört. Wie die einzelnen Teile des ausgebildeten Zwischenkiefers am (Gresichte ın den Gebieten der Gesichtsfortsätze sich ver- teilen, wird durch die schematische Abbiidung 353 deutlich illustriert. In dieser ıst die Ausdehnung des linken Zwischen- kiefers in der bereits erwähnten Weise bestimmt und durch feine Punktierung angedeutet; die auf der betreffenden Seite sichtbare dicke Linie gibt im schrägen Teile (ed) die Grenze zwischen dem seitlichen Nasen- und dem Oberkieferfortsatze und in dem vertikalen (a—b) diejenige zwischen dem Ober- kiefer- und dem seitlichen Nasenfortsatze einerseits und dem mittleren Nasenfortsatze andererseits. Die vertikale Linie, die oben am Nasenloche beginnt, muss aus den kurz zuvor er- wähnten Gründen am Lippenrande die vordere Verlängerung der Sutura interincisiva treffen. Man sieht aus Fig. 33 deut- lıch, dass der Körper des Zwischenkiefers in den Bereichen des mittleren Nasen- und des Oberkieferfortsatzes und der Processus nasales zum grössten Teil im Gebiete des seitlichen Nasenfortsatzes, zum kleineren Teile aber noch in dem des Oberkieferfortsatzes gelegen ist. Aus dem oben Gesagten lässt sich beim. Menschen die Verteilung der einzelnen Abschnitte des Zwischenkiefers in den Gebieten der Gesichtsfortsätze folgendermassen zusammen- stellen: 1: Körper undzAlveolartortsahz: mediale Hälfte: ım (rebiete des mittleren Nasenfortsatzes, laterale Hälfte: ım Gebiete des Oberkieferfortsatzes. Se 570 MICHIO INOUYE, 2. Gaumenfortsätze: medıaler Gaumenfortsatz: ım Gebiete des mittleren Nasenfort salzes, lateraler Gaumenfortsatz: ım Gebiete des Oberkieferfortsatzes. 3. Nasenfortsatz (Processus nasalis): grösster Teil: im Gebiete des seitiichen Nasenforisatzes, kleiner Teil: im Gebiete des Oberkieferfortsatzes. Im Anschluss an das Vorangehende sei auch daran er- innert, dass der Oberkieferknochen ebenso wie beim Maul- wurfe nicht allein ım Gebiete des Oberkieferfortsatzes liest; vielmehr reicht er, wie aus Fig. 33 deutlich ersichtlich ist, in den Bereich des seitlichen Nasenfortsatzes hinein. Dabei kommt das Foramen infraorbitale lateral von der Grenze zwischen diesem und dem (Gebiete des Oberkieferfortsatzes zu liegen, während die obere Mündung des Tränennasenganges medial von ıhr sıch findet. d) Sitz der Hasenschartenkieferspalte und der schrägen (resichtsspalte beim Menschen. Nachdem ich in den vorhergehenden Kapiteln den Zwischenkiefer sowohl in seiner ausgebildeten Form als auch in seiner Entwickelung, und ferner die Bildungsvorgänge des (iesichtes klargelegt habe, will ich nun im folgenden zu den bekannten Ansichten der verschiedenen Forscher über die Spaltbildungen Stellung nehmen. Da die Spaltbildungen des Gesichtes in den meisten Fällen einen gesetzmässigen Verlauf aufweisen, werden sie auf Stö- rungen in der normalen Entwickelung des Gesichtes zurück- geführt, indem dabei die einzelnen Gesichtsfortsätze nicht zu vollkommener Vereinigung gelangen. Als Ursache für das Zu- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 571 standekommen dieser mangelhaften oder ganz ausbleibenden Vereinigung werden vor allem die Erblichkeit und die mecha- nische Wirkung der Amnionsstränge angenommen; die Krb- lichkeit wird bei der schrägen Gesichtsspalte gar nicht in Betracht kommen, da diese nur durch mechanische oder ent- zündiiche Einflüsse erklärt werden kann. Ausser den genannten Momenten soll nach Biondi die infolge eines entzündlichen Prozesses entstandene primäre Atrophie der Ränder der zur Verwachsung bestimmten embryonalen Teile auch das Offen- bleiben der Spalte bedingen. Ferner wird eine Interposition fremder Teile, wie amniotischer Falten und Stränge und einer durch Entzündung entstandenen Detritusmasse, als die Ver- einigung störend beschuldigt. Die Amnionsstränge wirken nach König zur Entstehung der Hasenschartenkieferspalte in ver- schiedener Weise. Sie veranlassen diese einmal "dadurch, dass die Amnionfäden sich mit der Stelle verbinden, wo die spätere Spalte entstehen soll, andererseits aber da- durch, dass die Fäden, entfernt von der Spalte, an der Wange oder vor dem Ohr anhaften und durch den Zug das Vorrücken des Oberkieferfortsatzes verhindern, womit die Vereinigung des letzteren mit dem mittleren Nasen- fortsatze unmöglich gemacht wırd. Die von dem Amnion aus- gehenden Stränge können ferner an einem entlegenen embryo- nalen Körperteile, z. B. den Extremitäten, sitzen und auf die eine Gesichtshälfte komprimierend wirken, um damit die Ver- einigung des Oberkieferfortsatzes mit dem mittleren Nasen- fortsatze zu verhindern. Ähnliche Wirkungen der Amnions- stränge wie bei der Hasenschartenkieferspalte werden auch beim Entstehen der schrägen Gesichtsspalte geltend gemacht. Wenn die bereits genannten ursächlichen Momente auf die richtig zu vereinigende Stelle der embryonalen Gesichts- teile wirken und dadurch die Spaltbildungen hervorrufen, so seht aus den obigen Darlegungen über die ein- 572 MICHIO INOUYE, zelnen "Gebiete der Gesichtsfortsätze ohne weiteres klar hervor, dass die komplete Hasen- sich are nike nerspalesedurchmaTesaNsIchinereimse sung des mittleren Nasenfortsatzes einerseits wnd dies sentlnichre n-Na sen zund-des>0brerkreter. nortsaizes andererseits entsteht. Die in ‚Rig. 33a links angegebene, dicke, schwarze Linie (ab), die vom Nasen- loche bis zum Mundrande absteigt, soll diese Spalte andeuten. Der obere, von der Nase verdeckte Teil ist nicht voll schwarz gezeichnet, sondern quer gestrichelt. Um diesen verborgenen Teil deutlich zu zeigen, ist die Nase in Fig. 33 b aufwärts ge- hoben. Bei der kompleten Hasenschartenkieferspalte geht also die Spalte ins Nasenloch hinein. Die Ansicht Albrechts, dass die ausbleibende Vereinigung zwischen dem mittleren und dem seitlichen Nasenfortsatze die genannte Spaltbildung bedinge, muss also mit A. Koelliker, Th. Koelliker, His, Merkel und Bıiondi vollkommen verneint werden. Wenn die schräge Gesichtsspalte durch Nicht- vereinigung der Gesichtsfortsätze entstanden sein soll, dann muss sie in der dicken schwarzen Linie der linken Seite der Figur 33a verlaufen, d. h.oben zwischen dem seit- lichen Nasen- und dem Oberkieferfortsatze (b—-d) und unten zwischen diesem und dem mittleren Nasenfortsatz (a—b) liegen. Die An- sichten Th. Koellikers und Biondis sind also vollkommen berechtigt. Da der seitliche Nasenfortsatz sich nicht an der Bildung der Oberlippe beteiligen kann, so kann ich der An- sicht Albrechts nicht zustimmen, dass die schräge Gesichts- spalte nur zwischen dem seitlichen Nasen- und dem Oberkiefer- fortsatze gebildet werde. Die gewöhnliche schräge Gesichts- spalte würde somit nicht durch das Nasenloch verlaufen und stelit die sogenannte Moriansche zweite Form dar. Wenn sich aber zu der eben genannten Spalte noch die Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 573 ausbleibende Vereinigung zwischen den unter dem Nasenloche gelegenen Teilen des mittleren und des seitlichen Nasenfort- satzes gesellt, so beginnt die schräge Gesichtsspalte zuerst als die typische Hasenscharte seitlich vom Philtrum an dem Ober- lippensaume, verläuft in die Nase (Fig.33a, deutlicher Fig. 33 b) und dann auswärts, um den Nasenflügel herum in der in Fig. 35 abgebildeten Richtung nahe an den inneren Augenwinkel heran und stellt somit die zweite Form Morıians dar. Soweit die Spaltung sich nur auf die Weichteile bezieht, kann ich mich also den Ansichten der Forscher (Th. Koel- liker, Biondi), abgesehen von der Albrechts, vollkom- men anschliessen. Wie würde aber die Spalte sich in bezug auf den Knochen verhalten? Es wurde bereits klargelegt, dass der Zwischenkiefer nicht allein im Bereiche des mittleren Nasenfortsatzes, sondern auch in dem des seitlichen Nasen- und des Oberkieferfortsatzes ent- steht. Da der Zwischenkieferknochen erst nach der vollständigen Vereinigung der Ränder der Nasenrinne auf jeder Seite nuralseine einheit- liehe Anlage sich findet, so muss bei der Hasen- schartenkieferspalteangenommen werden, dass infolge der ausgebliebenen Vereinigung des mittleren Nasenfortsatzes mit dem seitlichen Nasen- und dem Öberkieferfortsatze der Zwi- schenkiefer nicht mehr, wie innormaler Weise, sich zu einer einheitlichen Knochenmasse ent- wickeln kann und somit die zu beiden Seiten der Spalterhiesen densKnochenbildnerz dire sonsezur Bildung eines einheitlichen Zwischenkiefers bestimmi waren, nunmehr, durehrdie spalrerge Teens Lee In e nano; hiensbirldrense liter Ss pa genwsund also von den zwei getrennten Knochenteilen beiderseits begrenzt, die in normalen Verhält- 574 MICHIO INOUYE, nissen sich zu einem einzigen Zwischenkiefer vereinigen; die mediale Hälfte des Körpers und des Alveolarkortsatzes im Verein mit dem me: dvalenGaumentortsatze kommt medral vonder SpalternundednTeaberalerHlalfterdesiKorp ersitund des Alveolarfortsatzes, welche nach’ oben den Nasenfortsatz abgehen lässt, nebst dem late- EST [07 \ Pm? ur Pm! N ar I ’ x m EA®r Fig. 34. Doppelseitige Kiefergaumenspalte eines 25 jährigen Menschen. Gaumenansicht. Präparat des anatomischen Institutes zu Greifswald. Pmx. Zwischenkiefer. Si. Sutura ineisiva. V. Vomer. I!, I? erster, zweiter Schneidezahn. C. Eck- zahn Pm!, Pm? erster, zweiter Backzahn. M!, M? erster, zweiter Mahlzahl. Ballen zGaummenboeusar zenlamveral vonzderzn parlire zu liegen (linke Seite der Fig. 33a). Die Suturainter- incisiva deutetalsokeineswegsaufdiedoppelte aAmlawıe” des Zwischenkieters, zeior wohl aber due Stelle, an der ım Falle der Hasenscharten- kieferspalte die Trennung des medialen und des lateralen Gaumenfortsatzes des Zwischen- kiefers stattfinden kann: Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 575 Das, was sich aus den obigen theoretischen Erwägungen ergibt, ist auch an praktischen Beispielen erwiesen. Wir haben bereits in der Einleitung kennen gelernt, dass Meckel bei emem Fall von Wolfsrachenbildung von dem Teil des Ober- kiefers, der die Spalte lateral begrenzt, ein den äusseren M! M? Fig. 35. Dasselbe Präparat wie bei Fig. 34, im Halbprofil dargestellt. Pmx. Zwischen- kiefer.. Die gestrichelte Linie gibt die hintere Grenze des Zwischenkiefers an. T', I” erster, zweiter Schneidezahn. C©. Eckzahn. Pm! erster Backzahn, M!, M’ erster, zweiter Mahlzahn. Schneidezahn enthaltendes Knochenstück isolieren konnte. Diese Trennung ist zweifellos in der Sutura incisiva geschehen, die den Zwischenkiefer von dem Oberkiefer trennt. Von dem Vorkommen dieser Sutur lateral von der Spalte wurden auch zwei Fälle von Albrecht und ein Fall von Biondi berichtet. Zu den oben erwähnten Fällen kann ich ein Präparat aus dem 576 MICHIO INOUYE, hiesigen anatomischen Institut hinzufügen. Das Präparat ist in Fig. 34 in der aumenansicht und in Fig. 35 in der von der Seife her gesehenen Ansicht abgebildet. Es handelt sich um ein mit doppelseitiger Hasenschartenkiefergaumenspalte be- haftetes erwachsenes Individuum. In dem mittleren Bürzel war nur ein Schneidezahn vorhanden, der jedenfalls den ersten linken Schneidezahn darstellt. Wie aus den Figuren ersicht- lich ist, findet sich am lateralen Spaltrande der linken Seite ein rudimentär entwickelter Schneidezahn, während rechts von einem solchen nichts zu sehen ist. Abgesehen von dem ge- nannten Schneidezahn, enthält die rechte und die linke Ober- kieferhälfte je einen Caninus, je zwei Prämolaren, je drei Molaren, von denen aber bei beiden Oberkiefern der letzte Molarzahn und bei dem linken der zweite Prämolarzahn aus- gefallen waren. Das am lateralen Spaltrande gelegene Knochen- stück, welches den rudimentären Schneidezahn träst, ist von dem Oberkiefer deutlich durch eine Sutur getrennt, die zweifel- los als eine Sutura incisiva angesehen werden muss. Die Naht konnte ich aber auf der nasalen Fläche des (raumenfort- satzes nicht erkennen, sie war jedoch auf der Nasenfläche des Oberkiefers sehr deutlich zu sehen; sie verlief hier von der Abgangsstelle des Gaumenfortsatzes parallel dem Seitenrande der Apertura piriformis eine Strecke nach oben, um dann bald aufzuhören. Die Entfernung der Naht von dem Rande der Apertura piriformis betrug 2 mm. Dass diese Naht die obere Fortsetzung der auf der Gaumenfläche sichtbaren Sutura incı- siva darstellt, ist ohne weiteres anzunehmen. Obgleich die Naht auf der Nasenfläche des ÖOberkiefers nur eine kurze Strecke zu verfolgen war, kann doch aus den eingangs bei den ausgebildeten Zwischenkiefern gemachten Befunden ange- nommen werden, dass das obere Ende der Naht in frühembryo- naler Zeit das Nasenbein erreicht hat; die laterale Hälfte des /wischenkieferknochens kann also in Fig. 35 durch die hier Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 577 angegebene gestrichelte Linie von dem hinten gelegenen Ober- kiefer abgegrenzt werden. Es fragt sich nun, ob die Sutura ineisiva auch bei der rechten Kieferhälfte zu finden sei, an der aber kein Schneidezahn vorhanden ist. Bei genauer Be- trachtung bemerkte ich auch eine Sutur, obgleich nicht so deutlich wie die vorherige, an dem vorderen Spaltrande des lateralen Gaumenfortsatzes. Die Naht ist in Fig. 34 wegen ihrer Lage natürlich nicht zu sehen. Die entsprechende nasale Naht konnte ich sowohl auf dem Gaumenfortsatze als auch auf der Nasenfläche des Oberkiefers nicht auffinden. Das ehlen eines Schneidezahnes auf dem durch die Naht hinten abgegrenzten, schmächtigen Knochenstücke kann in der Weise zu verstehen sein, dass infolge der Wirkung der schädigenden Einflüsse, die die Hasenschartenkieferspalte zustande gebrachl haben, oder infolge der von Anfang an gestörten Entwickeiung am Spaltrande der Zahnkeim entweder überhaupt keinen Boden zur richtigen Entwickelung bekommen hat oder sekundär zu- srunde gegangen ist. So steht es nunmehr fest, dass die Hasenschartenkieferspalte durch die Mitte des SAwıischenkiefers verläuft undenach den theoretischen Erwägungen muss dies ja sogar in jedem Falle geschehen. Eine Hasenschartenkieferspalte, die an dem lateralen Spaltrande mit der Sutura incisiva versehen ist, kommt sehr selten vor. In den meisten Fällen ist die Naht gar nicht zu finden. Dies ist sicherlich dadurch herbeigeführt, dass der Z,wischenkiefer, wie von manchen Autoren betont worden ist, mit dem Oberkieferknochen der betreffenden Seite sehr früh- zeitig verwächst. Dann würde der Schneidezahn am lateralen Spaltrande den Beweis erbringen, dass die laterale Hälfte des /Zwischenkiefers seitlich von der Spalte existiert. Solch lateral gelegener Schneidezahn ist bei den meisten Fällen der Hasen- schartenkieferspalte (Albrecht, Turner und Th. Koel- 578 MICHIO INOUYE, liker), ja sogar von Biondi bei allen von ihm untersuchten Fällen gefunden worden. Dass dieser Schneidezahn nicht im Bereich des Oberkiefers, sondern in dem des Zwischenkiefers entstanden ist, kann durch die bereits erwähnte Talsache, dass der Zwischenkieferknochen sich bei der Hasenschartenkiefer- spalte in zwei Teile spaltet, leicht erklärt werden. Der am lateralen Spaltrand gelegene Schneidezahn ist also, wie Th. Koelliker, Volkmann und Köhne behaupten, nicht im Bereiche des OÖberkiefers selegen,sondern erist vielmehrinderlateralen Hälfte des Zwischenkiefers entstanden. Selbst wenn der lateral von der Spalte gelegene Zahn nicht ein Schneidezahn, sondern ein Eckzahn und die Sutura incisiva nicht zu finden ist, darf die Hasenschartenkieferspalte nicht ohne weiteres als zwischen dem Zwischenkiefer und dem Ober- kiefer liegend angesehen werden. In diesem Falle ist eine Reduktion der lateralen Hälfte des Zwischenkiefers infolge der die Spalte verursachenden Momente zustande gekommen, so dass der Schneidezahn nicht zur Entwickelung kam und der Rest des Zwischenkiefers mit dem Oberkieferknochen ver- wachsen ist. Dass der Zwischenkieferrest durch die schädi- senden Momente vollkommen verloren geht, ist jedenfalls für gewöhnlich nicht anzunehmen, wenn auch der laterale Schneide- zahn verloren gehen kann. Dass in äusserst seltenen Fällen bei schwerster Missbildung der laterale Teil. des Zwischen- kiefers zerstört werden kann, ist natürlich nicht vollkommen in’ Abrede zu stellen. Die Hasenschartenkiefer- spalte kann also niemals zwischen dem voll- wertigen Zwischenkiefer und dem Öberkiefer liegen. Was nun den Sitz der schrägen Gesichtsspalte im Knochen anbelangt, so ist er, wie bereits in der Einleitung erwähnt, von Albrecht zwischen den Zwischenkiefer und den Ober- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 579 kiefer, von Biondi aber zwischen den gnathogenen und den metopogenen Zwischenkiefer verlegt. Da nach Th. Koelliker der die Apertura pırıformis laterai begrenzende Teil zum Ober- kiefer gerechnel werden soll, so würde die schräge Gesichts- spalte nach ihm zuerst von dem Lippensaume gegen das Nasen- loch zwischen dem Zwischenkiefer und dem Oberkiefer ver- laufen, um dann ım weiteren Verlaufe durch den Oberkiefer selbst aufwärts bis zur Orbita zu gelangen. Die Ansichten der genannten Forscher enthalten immer etwas Richtiges, können aber doch nicht alle Fälle der schrägen Gesichtsspalte voll- ständig erklären. Es gibt nach Morıian bekanntlich dreierlei Arten von schräger (resichtsspalte, von denen aber nur die erste und zweite Art für uns in Betracht kommen, da die Morian- sche dritte Form wahrscheinlich nicht, wie auch andere Forscher zugeben, in die uns interessierende Kategorie der Spaltbildung gehört, sondern als eine Art von Wangenspalte angesehen werden muss. Bei der ersten Form fälit die seit- liche, knöcherne Begrenzung der Apertura piriformis voll- kommen weg, indem die schräge Gesichtsspalte mit dieser in weiter Ausdehnung zusammenfliesst, bei der zweiten Form ist aber die Apertura piriformis gegen die Spalte durch ihre knöcherne laterale Begrenzung vollkommen abgeschlossen. Weder nach der Albrechitschen noch der Biondi- schen Ansicht können diese Missbildungen aus- Beiichenderkläruwerden NMorsallenDinsenmiacht die Erklärung deriknöchernen Begrenzung der AperturapiriformisimzweitenFalleSchwierig- keiten. Stöhr und Morian nehmen an, dass ein durch exzessives Wachstum des Bıiondischen metopogenen Zwischenkiefers nach oben hin entstandenes Knochenstück die Apertura piriformis von der Seite her begrenzt. Bei solchem pathologischen Wachstum des Knochens müsste immer die 580 MICHIO INOUYE, bestimmte Richtung nach oben hin eingehalten werden, was schwer zu begreifen wäre. Nach der Auffassung Th. Koel- likers sind wir nicht imstande, die Herkunft des die Apertura piriformis begrenzenden Knochenstückes und die Existenz des Schneidezahnes am lateralen Spaltrande zu erklären. In Morians zweiter Form würde meiner Ansicht nach die Spalte im stomatonarinen Abschnitte vom Alveolarrande durch die Mitte des Zwischenkiefers bis unweit von der Aper- tura piriformis verlaufen, um dann schräg durch den Ober- kiefer nach der Orbita hin zu gehen (Fig.33a). Diezwischen der Aperturapiriformisundder Spaltegelegene Knochenspange wird also nicht etwa durch die vom oberen Ende des metopogenen Zwischen- kiefers nach oben exzessiv vorgewachsene Knochenspange (Stöhr, Morian) oder von dem medialen Teile des OÖberkiefers (Th. Koelliker), sondern durch den Nasenfortsatz des Zwischen- kiefers dargestellt. Da die Spalte durch. den Ober- kiefer nach oben geht, so kommt der Stirnfortsatz des letzteren zwischen der Apertura piriformis und der Spalte zu liegen; er beteiligt sich aber nicht direkt an der Bildung der Umrandung der Apertura piriformis, wird vielmehr von dieser durch den oberen Teil des Nasenfortsatzes des Zwischenkiefers getrennt. Dieser Fortsatz steht unten, da der stomatonarine Teil der Spalte nicht ins Nasenloch mündet, direkt mit der medialen Hälfte des Zwischenkieferkörpers ın Verbindung. Medial von der Spalte kommen also das Nasale, der Stirnfortsatz des Oberkiefers und der grösste Teil des Zwischen- kieferbeines, der nach oben bis zum Nasenbeine sich erstreckt, zu liegen. Lateral von der Spalte würden der Körper des Oberkiefers mit dem Foramen infraorbitale und ein kleiner Teil des Zwischenkieferbeines, der mit dem Oberkiefer durch die Sutura incisiva verbunden oder vollkommen verwachsen sein kann, sich befinden. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 581 Wie soll aber die Morıiansche erste Form gegenüber dien benachbarten Knochen sich verhalten? Da sie eine mit der Hasenschartenkieferspalte komplizierte, schräge Gesichtsspalte darstellt, unterscheidet sie sich in dieser Hinsicht von der zweiten Form nur insofern, als der Körperteil des Zwischen- kiefers in seiner ganzen Höhe von der Spalte durchsetzt wird. Der Zwischenkiefer wird also, wie bei der zweiten Form, nicht in zwei Stücke, sondern in drei Stücke geteilt (Big, 32a), indeim.. die bei/der zweiten BKoirm medial von:der Spalte-gelegene Zwischenkieferhällfte durch die obere Verlängerung des stomatona- rinen,;Abschnittes wiederumin eine obere und eine untere Hälfte geteilt wird; die obere ent- spricht. dem grössten Teile. des Processus 'na- Sales und ade untere der medTatenerältvesdes Zwischenkieferkörpers. In: vorangehenden bin ich bei der Bestimmung des Sitzes der schrägen (Gesichtsspalte voilkommen schematisch vorge- gangen, indem ich annahm, dass die Spalte einfach auf der Augennasenfurche und deren unterer Fortsetzung in die Nasen- rınne entstanden ist und, abgesehen von der Spaltstelle, die benachbarten Knochenteile zur normalen Entwickelung gelangt sind. In der Praxis kommen aber allerleı Nebenumstände dazu, die das oben erwähnte Schema mehr oder weniger verschleiern. Morian sagt: unter seinen 26 Fällen wiesen 11 Hirn- resp. Schädelanomalien allein auf, 4 zeigten nur Spuren am- niotischer Verklebungen, die übrigen 11 Köpfe seien mit beiden zugleich behaftet. Man kann also wohl annehmen, dass die amniotischen Verklebungen an den Wänden der Spalte durch Zug oder Druck zugleich auch die benachbarten Teile schädigen können: wenn Knochen noch in Zellansammlungen vertreten sind, können diese in mehr oder weniger grosser Ausdehnung in der Bildung der knöchernen Substanz gehemmt werden, oder 582 MICHIO INOUYE, die zelligen Anlagen können in mehrere Inseln geteilt werden. Im letzteren Falle würde ein normal einheitlicher Knochen aus Knochenstücken bestehen. Die bereits ausgeschiedene Knochen- substanz würde auch nachträglich noch ähnliche Schicksale erfahren können, wie die frühere zellige Anlage. Ich will nun im folgenden einige Fälle der Praxis genauer analysieren. Ein passendes Beispiel für die Moriansche zweite Form glaube ich in dem Herholdschen Falle (Fig. 36c) erblicken zu können, den ich in der Berliner anatomischen Sammlung fand und dank der gütigen Überlassung durch Herrn Geheimrat Waldeyer genau studieren konnte. Es handelt sich um den Schädel eines Neugeborenen, der mit der linksseitigen schrägen Wangenspalte nebst der Gaumenspalte behaftet war. Herhold glaubte, die Spalte könne mit der Albrechtschen Ansicht gut erklärt werden. Hier liegt medial von der Spalte ein Knochenstück, welches sich vom Alveolarrande oben bis zum Nasenbeine erstreckt. Dieser Knochen hat zweifellos mit dem ‚in meinem Schema bereits erwähnten, medial von der Spalte liegenden Zwischenkieferstück zu tun. Etwa von der Mitte des letzteren geht lateral ein kleiner pyramidenförmiger Fort- satz ab. Dieser hebt sich durch seine besondere Farbe sehr scharf von dem anliegenden Knochen ab. Obgleich ich zwischen diesem und dem Knöchelchen keine Sutur finden konnte, be- trachte ich letzteres doch als zum Oberkiefer gehörig. Ober- halb dieses Knöchelchens ist zwischen dem genannten Zwischenkieferteile und dem Tränenbeine eine Spaite vorhanden und mit einer häutigen Membran ausgefüllt gewesen. Diese Spalte zeigt gerade die Stelle, an der eigentlich der Stirnfort- satz des Oberkiefers liegen soll, der aber im vorliegenden Falle nicht zur Entwickelung gelangt ist. Am Oberkiefer ist der erste vordere Zahn der Eckzahn, und dahinter folgen zwei Molaren. Der Oberkiefer hat an der Gesichtsfläche das Foramen inira- orbitale. Nach meinem Schema soll das laterale Stück des 9) Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 583 Zwischenkiefers dem Oberkiefer anliegen. Da die Spalte dicht am Eckzahnalveolus liegt, kann ich nicht sicher sagen, ob hier das laterale Zwischenkieferstück verschmolzen ist oder 2. b. Pmx.— ta pec.mm I Fig. 36. Drei praktische Fälle der schrägen Gesichtsspalte des Menschen. a. Barkows Präparat (nach Morian); b. Morians Präparat (nach Morian); c. Her- holds Präparat (von mir skizziert). Bei Figg. a und b sind die originalen Bezeichnungen teilweise umgeändert. N. Nasale. Pmx. Zwischenkiefer. L. Laeri- male. .Fsl. Fossa sacei lacrımalis. Mx. Maxilla. Fio. Foramen infraorbitale. x. Stivnfortsatz des Oberkiefers. J. Jugulare. I!, I? erster, zweiter Schneide- zahn. C. Eekzahn. M!, M? erster, zweiter Mahlzahn. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 38 584 MICHIO INOUYE, nicht. Sollte dieses ın Wirklichkeit nicht am medialen Rand des Oberkiefers vorhanden sein, dann ist es wohl unter mechanı- schen oder entzündlichen Einflüssen nicht zur Entwickelung gelangt. Jedenfalls entspricht das medial von der Spalte ge- legene Zwischenkieferstück nıcht einem ganzen Zwischenkiefer. Sonst müsste man annehmen, die Spalte sei nicht durch Hem- mung der Vereinigung der embryonalen Fortsätze entstanden. Die weiteren zwei Beispiele (Fig. 36) gehören zu den von Morıan veröffentlichten Fällen. Obgleich ich sie selbst nicht studieren konnte, glaube ich doch an der Hand seiner Abbil- dungen, die ich in Figg. 36a und 36b wiedergegeben habe, sowie an der Hand seiner Beschreibungen einigermassen meine Ansicht aussprechen zu dürfen. Bei dem in Fig. 36a ab- gebildeten Schädei eines Neugeborenen (Barkows Präparat, nach Morian Fall 24) wurde das medial von der Spalte ge- legene Knochenstück, weiches sich oben zwischen das Tränen- und das Nasenbein einschiebt, von Morıan als ein ganzer Zwischenkiefer betrachtet. Meiner Meinung nach entspricht nur der von mir mit feinen Punkten versehene Teil dem medianen Stücke des Zwischenkiefers und der übrige weiss gelassene Teil, der sich oben in zwei Zipfel gabelt, dem Stirnfortsatze des Oberkiefers. Die zwischen den beiden Zipfeln gelegene Naht deutet wahrscheinlich auf die frühere Einwirkung eines Amnionsstranges hin, indem dieser auf den Nasenfortsatz des Oberkiefers noch in seiner bindegewebigen Anlage eingewirkt und diese in zwei Inseln getrennt hat. Die alsdann gebildeten Knochen sind somit im vorliegenden Falle durch eine Naht getrennt, während sıe abwärts mit dem Nasenfortsatz des /,wischenkiefers verwachsen sind. Die obere Mündung des Tränenkanals liegt medial von der Spalte. Mit dem von diesem Stirnfortsatze lateralwärts abgehenden schmalen Ausläufer durch eine Naht verbunden, liegt lateral von der Spalte der ‚Tauptteii des Oberkiefers mit seinem Foramen infraorbitale. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 555 Von den Zähnen des Oberkiefers sind von Morıan zwei Eck- zähne und zwei Molaren angegeben. Ich glaube aber, es handelt sich im vorliegenden Falle nicht um zwei Eckzähne, sondern nur um einen, der direkt vor dem ersten Molarzahn steht. Der am lateralen Spaltrand stehende vorderste Zahn ist höchst- wahrscheinlich ein Schneidezahn, und die Existenz dieses Zahnes deutet ganz sicher darauf hin, dass das Knochenstück, welches ihn trägt, nicht dem Oberkiefer angehört, sondern das laterale Stück des Zwischenkiefers ist. Da in der Morian- schen Abbildung keine Sutur an dem lateralen Spaltrande zu sehen ist, so ist das Knochenstück frühzeitig mit dem Oberkiefer verschmolzen. Die ungefähre Ausdehnung des Zwischenkieferstückes habe ich in Fig. 36 a mit feinen Punkten angedeutet. Der zweite, in Fig. 36b reproduzierte Fall von Morian (Morians Fall 33) stammt von einem 31 cm langen weib- lichen Embryo und ist besonders dadurch sehr lehrreich, dass auf beiden Seiten die schräge Gesichtsspalte vorhanden ist. bei der rechten Spalte sieht man zwischen dem oberen Ende der Spalte und der Orbita ein Knochenplättchen, das nach oben bis zum Stirnbein hinzieht. Dieses Knochenstück wurde von Morıan als rechtes Tränenbein in seiner Fieur bezeichnet. Meiner Ansicht nach gehört es zum Oberkiefer und stellt im vorliegenden Falle die laterale Hälfte seines Stirnfortsatzes dar. Das von dieser abwärts zwischen der Spalte einerseits und dem Nasenbeine und der Apertura piriformis andererseits bis zum Alveolarrande absteigende Knochenstück ist von Morıan zum Zwischenkiefer gerechnet worden. Er meint, dass (der obere, grössere Teil durch exzessivesWachstum des Zwischen- kiefers entstanden sei, wogegen ich glaube, dass nur der in Figur 36b von mir punktierte Abschnitt dem medialen Teil des Zwischenkiefers entspricht, während der obere, weiss ge- lassene Teil die mediale Hälfte des Stirnfortsatzes des Ober- 38* 586 MICHIO INOUYE, kiefers. darstellt. Wenn wir uns bei .dem in Fig. 36a. ab- gebildeten Falle die auf dem Stirnfortsatze gelegene Naht bis zur Spalte durchgehend vorstellen, so hätten wir einen ähnlichen Fail vor uns. Mit dem Stirnfortsatze steht der laterale Teil des Oberkiefers unter der Orbita in Nahtverbindung; er trägt einen von Morian anerkannten Schneidezahn, einen Eckzahn und zwei Molarzähne. Der den Schneidezahn tragende Teil des Oberkiefers gehört zum lateralen Stücke des Zwischen- kiefers, das im vorliegenden Falle mit dem Oberkiefer ver- schmolzen ist. So bewahrt die eben erwähnte rechtsseitige schräge Gesichtsspalte ähnliche Verhältnisse, wie in dem in Fig. 56a abgebildeten Falle Morians. Wenn ich jetzt zur linksseitigen Spalte des genannten Embryos übergehe, so weicht sie im wesentlichen von der rechtsseitigen nicht viel ab. Von dem Knochenstücke, das oben zwischen dem Nasen-, dem Stirn- und dem Tränenbeine beginnt und lateral von der Apertura piriformis nach unten geht, betrachte ich den in Fig. 36b fein punktierten Teil als zum medialen Stücke des Zwischenkiefers gehörig; der obere, nicht punktierte Teil entspricht also etwa dem Stirnfortsatze des Oberkieferbeines, das aber im vorliegenden Falle durch eine Suter nicht in zwei Stücke geteilt ist. Der Stirnfortsatz steht wiederum durch eine Naht mit dem lateralen Oberkieferstücke in Verbindung, in dem das Formaen infraorbitale liegt und das in seinem Alveolenteile einen Eckzahn und zwei Molaren trägt. Nun fragt sich, wo ist überhaupt das laterale Stück des Zwischen- kiefers geblieben? Nach der Zeichnung ist es natürlich un- möglich, ein sicheres Urteil darüber abzugeben. Da in Fig. 36 b medial von dem Eckzahn nach der Spalte hin eine Knochen- masse liegt, die in der Figur punktiert ist, so kann diese wohl als das verwachsene Knochenstück des lateralen Zwischen- kiefers betrachtet werden. Immerhin ist es aber möglich, im vorliegenden Falle daran zu denken, dass dieser Teil des Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 557 Zwischenkiefers nicht zur Entwickelung gelangt oder nach- träglich zurückgebildet ist. Man könnte natürlich auch vermuten, dass die in Fig. 36 a und b zwischen Orbita und Nasenbein weiss gelassenen Teile nicht dem Oberkiefer angehörten, wie ich glaube, sondern aus dem Zwischenkiefer durch exzessives Wachstum hervor- gegangen seien, zumal keine Naht die Grenze zwischen Maxilla und Prämaxillare (Zwischenkiefer) anzeigt. Da aber auch beim normal gebildeten Schädel diese Naht aussen meistens nicht beobachtet wird, würde dieses Fehlen nicht allzu sehr ins (rewicht fallen. Grössere Schwierigkeiten macht die Erklärung der Naht im Öberkiefer am oberen Ende der Spalte (Fig. 36a und b). Normalerweise entwickelt sich der Oberkiefer beim Menschen aus einem Knochenkerne (Th. Koelliker und Mall), und dieser entsteht zuerst im unteren Teile des späteren Körpers, und die Verknöcherung ereift allmählich nach oben, nach medial und nach unten, um den Stirn-, Gaumen- und Alveolarfortsatz zu bilden. Bei der schrägen Gesichtsspalte wird aber die bindegewebige Anlage, welche zur Bildung des Oberkiefers dienen soll, durch die Spaltbildung teilweise oder vollständig zertrennt. Bei der vollständigen Trennung beginnt ja selbst- verständlich die Verknöcherung zu beiden Seiten der Spalte, wie wir ein Ähnliches am Zwischenkiefer bei der Kieferspalte bereits gesehen haben. So ist die Existenz des kleinen Knochen- stückes des Oberkiefers am medialen Spaltrande beim Her- holdschen Falle leicht zu verstehen. Eine getrennte Ver- knöcherung kann auch selbst bei unvollständiger Trennung der bindegewebigen Anlage des Oberkiefers vorhanden sein, und dadurch, dass dann im Stirnfortsatze des Oberkiefers und in dem Körper die Knochenmassen sich selbständig entwickeln. kann wohl die Entstehung der anomalen Naht erklärt werden. Kommen wir nun zur ersten Form Morians, die eigent- 588 MICHIO INOUYE, lich eine mit Hasenschartenkieferspaite komplizierte Gesichts- spalte darsteilt, so will ich für sie als ein praktisches Beispiel das von Morıan abgebildete Schema anführen, das in neben- stehender Figur 37 wiedergegeben ist. Nach seiner Angabe, die das Schema erläutert, beginnt der Spalt zwischen innerem und äusserem Zwischenkiefer und geht zur Nase und zugleich zur Augenhöhle; innerer Zwischenkiefer, Vomer, Nasen-, Tränen- und Siebbein nebst der unteren Muschel liegen medial von deı Spalte, äusserer Zwischenkiefer mit Oberkiefer und Fig. 37. Schema der ersten Form der schrägen Gesichtsspalte (nach Morian). (aumenbein lateral von ihr. Die laterale Begrenzung der Aper- tura piriformis fehlt voilkommen, so dass diese seitlich mil der Spalte zusammenfliesst. Nach Morıan sollen die. in Figur 37 am medialen und lateralen Spaltrande sichtbaren Knochenstücke dem richtigen metopogenen bzw. dem gnatho- genen Zwischenkiefer Biondis entsprechen, da er das bei der zweiten Form die Aperlura piriformis seitlich begrenzende Knochenstück, wie Biondi und Stöhr, durch exzessives Wachstum des metopogenen Zwischenkiefers nach oben ent- standen wissen will. Es ist bereits von mir klargelegt worden, dass dieses Knochenstück den Processus nasalis des Zwischen- kiefers darstellt und dass bei der ersten Form Morians, Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. >) theoretisch beurteilt, der Zwischenkiefer in drei einzelne Stücke gespalten sein muss. Die erste Form Morians lässt sich also auch, aussdem ın Rise. 9089, gegebemen Schema leicht erklären, wenn man annimmt, dass der Processus nasalis des Zwischenkiefers überhaupt nicht zur Entwickelung gelangt ist. Die Spalte kann somit seitlich nur von der medialen und der lateralen Hälfte des Zwischenkieferkörpers begrenzt werden, während sie oben infolge der ausgebliebenen Entwickelung des Processus nasalis des Zwischenkiefers mit der Apertura piriformis in breiter Ausdehnung zusammenfliessen muss. Da die erste Form Morians die mit der Hasenschartenkieferspalte komplizierte schräge Gesichtsspalte darstellt, kann man das Fehlen des Processus nasalis, wenn man auch von mechani- schen oder entzündlichen Einflüssen vollkommen absieht, doch durch lokale mangelhafte Ernährungsverhältnisse der be- treffenden Gegend ohne weiteres erklären. Denn der untere Abschnitt des seitlichen Nasenfortsatzes, in dem sich der Pro- cessus nasalis entwickeln soll, ist bei der Spaltbildung nicht nur vom Gebiete des Oberkieferfortsatzes, sondern auch von dem des mittleren Nasenfortsatzes getrennt, und demnach muss die Blutversorgeung von diesen beiden Seiten her unterbleiben, so dass die Gegend nur von den übrigen Seiten sehr mangel- haft ernährt werden kann. So ist es also leicht verständlich, dass die für den Processus nasalis bestimmten Knochenbildner nicht mehr so ausreifen können, um den Processus. nasalis zu bilden. Dasselbe würde dann auch für den Stirnfortsatz der Maxilla zutreffen, der in diesem Falle auch fehlt. Nachdem in diesem Abschnitte der Sitz der Spaltbildungen, besonders in bezug auf die benachbarten Knochenteile, klar gemacht worden ist, soll im folgenden im Anschluss daran auch auf die nicht weniger interessante Frage über die Zahn- anomalie unserer Missbildungen eingegangen werden. 30 MICHIO INOUYE, e) Wesen der Zahnanomalie bei den Spaltbildungen des menschlichen Gesichtes. Dass bei den Spaltbildungen sowohl die Stellung als auch die Zahi der Schneidezähne ziemlich stark variieren können, ist schon seit langem bekannt. In dieser Hinsicht sind in neuerer Zeit besonders die eingehenden Untersuchungen von Th. Koelliker und Biondi angestellt worden, indem von den beiden Forschern eine gewisse Anzahl der mit Spalt- bildung behafteten Präparate in Betracht gezogen worden ist. Wie die Zahl und die Stellung der Zähne varıieren können, sieht man besonders klar aus der Zusammenstellung von Th. Koelliker (Koellikers Werk S. 369). Wenn man bei der Koellikerschen Tabelle die Fälle von doppelseitiger Spaltbiidung als zwei einseitige Spalten betrachtet und diese zusammen mit den eigentlichen einseitigen Spalten ohne Rück- sicht darauf, ob es sich um eine rechte oder linke Seite handelt, in eine Tabelle bringt, so ergibt sich über die Stellung und die Zahi der Schneidezähne sowie über ıhr Häufigekeitsverhält- nis folgendes. In die Tabelle ıst aber ein Fall (wahrscheinlich ein Fall von Volkmann), bei dem lateral von der Spalte mehrere Schneidezähne vorhanden sind, und ausserdem vier Fälle der medianen Spalte (sogenannter Cyclopie), an der also nach geläufiger Ansicht das Os maxillare vollkommen fehlen soll, nicht aufgenommen worden. le Re { | Nr. |. Stellung und Zahl der | yaUAgkeit der Fälle | Bemerkung Schneidezähne 1 Im Im // Is 21 Im = am medialen Spaltrande 2 || Im Im // € 11 gelegener Schneidezahn. ls — am lateralen Spaltrande e Im // Is 27 2 gelegener Schneidezahn. 4| Im // C 1 ;— Eckzahn. 5 | 0 // Is 1 O —= Schneidezahn fehlt. 6 0//C 1 — Spalt. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 591 Obgleich einige von Koelliker untersuchte Fälle durch nachträgliche Untersuchung Albrechts sowie Biondis einige Umänderungen erfahren haben, so können wir uns doch in der obigen Tabelle über die Odontologie unserer Spalt- bildungen einigermassen orientieren. Wie aus der Zusammen- stellung deutlich ersichtlich ıst, kann ein Schneidezahn so- wohl am medialen Spaltrande als auch an dem lateralen vor- kommen, und zwar entweder zugleich auf beiden Seiten, oder einmal nur am medialen Spaltrande und ein andermal nur an dem lateralen; er kann aber auch unter Umständen auf beiden Seiten vollkommen fehlen (Tabelle Nr. 6). Die Zahl der Schneidezähne, wenn diese am medialen Spaltrande vor- kommen, beträgt 1-2, während an dem lateralen nur ein Schneidezahn vorkommen kann. Die Schneidezähne können sich also bezüglich der Stellung und Zahl der Spalte gegen- über in verschiedener Weise verhalten. Die Häufigkeitszahl dieser verschiedenen Kombinationen ist in der dritten Kolumne der Tabelle angegeben. Am zahlreichsten sind die Fälle, in denen am medialen Spaltrande 1 oder 2 Schneidezähne, aber an dem lateralen zugleich ein Schneidezahn vorhanden ist (Nr. 1 + Nr. 3= 21 4 27 = 48mal). Demnächst sind am häufigsten die Fälle, in denen nur medial von der Spalte sıch ein oder zwei Schneidezähne finden (Nr. 2 — Nr. 4=11-+7 — 18 mal). Die anderen Fälle, in denen ein Schneidezahn nur am lateralen Spaltrande vorkommt, oder auf beiden Seiten voll- kommen fehlt, ist ganz besonders selten (Nr. 5 und Nr. 6). Bemerkenswert ist besonders, dass medial von der Spalte zwei Schneidezähne beinahe ebenso häufig vorkommen als ein Schneidezahn. Dass lateral von der Spalte ein Schneidezahn vorkommen kann, ja sogar, wenn keine besonders schweren Komplikationen vorliegen, die die Zahnanlagen zerstört oder an der Bildung verhindert haben, vorkommen muss, geht aus meiner obigen 592 MICHIO INOUYE, Darlegung klar hervor; denn die Spalte läuft, wie Th. Koel- liker behauptet hat, nicht zwischen dem Ober- und dem /wischenkiefer, sondern am Alveolarrande etwa durch die Mitte des in zwei Teile gespaltenen Zwischenkiefers. Dieser An- sicht Koellikers, dass das Vorkommen des am lateralen Spaltrande gelegenen Schneidezahnes auf die Unabhängigkeit der Bildung des Knochens von der des Zahnes zurückgeführt wird, einer Auffassung, die auch von Merkel, Schwink und Köhne geteilt wird, kann ich nicht zustimmen. Obgleich ich nicht die Behauptung Albrechts und Biondis, (der Zwischenkiefer entstehe aus zwei Knochenanlagen, annehmen kann und somit mich dem einfachen Ursprung des Zwischen- kiefers im Sinne Koellikers und Schwinks vollkommen anschliesse, so muss ich doch das Vorkommen des SchneidezahnesamlateralenSpaltrandeaufdie Existenz des lateralen Stückes des Zwischen- kiefers zurückführen, wie dies auch von Albrecht und Biondi geschehen ist; denn ich habe ja bewiesen, dass der Spalt immer durch die Zwischenkieferanlage geht. Wenn wir aber den am lateralen Spaltrande vorkommenden Schneidezahn als zum Zwischenkiefer gehörig betrachten, so kann bei der Spaltbildung jeder Zwischenkiefer unter Um- -ständen drei Schneidezähne tragen, da medial von der Spalte zwei Schneidezähne auftreten können. Das ist natürlich sehr auffallend, da normalerweise jeder Zwischenkiefer nur zwei Schneidezähne in sich birgt. Dass bei der Spaltbildung die Zahl der Schneidezähne auf 1 und sogar auf 0 reduziert sein kann, ist wohl so zu erklären, dass der Zahnkeim mit dem diesen beherbergenden Knochenstücke unter mechanischen oder entzündlichen Einflüssen zerstört worden oder überhaupt nicht zur Entwickelung gelangt ist. Wie wäre aber die Vermehrung der Zahl der Schneidezähne zu erklären, die nach den’An- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 595 gaben der-Tabelle ziemlich häufig 1st? Dardiese Vermehrung nicht nur bei der einseitigen, sondern auch bei der doppelseitigen Spaltbildung zugleich auf beiden Seiten vor- kommer kann, so sind in dem letzteren Falle im ganzen sechs Schneidezähne vorhanden, was, wie bekannt, auch bei nor- malen Schädeln, wenn auch nicht so häufig, beobachtet worden ist. Mehr als drei Incisivi auf einer Seite scheinen kaum vor- zukommen. Volkmann und Morian berichten allerdings über derartige Fälle. Beim Volkmannschen Falle stellte es sich aber nach den Untersuchungen Albrechts heraus, dass in Wirklichkeit auf beiden Seiten im ganzen fünf Schneide- zähne vorhanden waren, und Volkmann selbst hat seine frühere Behauptung zurückgezogen; der Fall Morians ist von Biondi widerlegt worden. Die Erklärung der Überzahl der Schneidezähne bereitet sowohl beim normalen Schädel als auch bei den Spaltbildungen grosse Schwierigkeiten. Kollmann will das Vorkommen aller überzähligen Zähne auf folgenden Umstand zurückführen. Bei der ersten Ent- wickelung der Zähne trägt die dazu bestimmte Zahnleiste ausser den Zahnkeimen für den Milch- und Ersatzzahn noch mehrere Epithelsprossen, die von der Zahnleiste nach allen Seiten in das Zahnfleisch hineinwuchern. Nach Kollmann soll jeder dieser Epithelsprossen, der normalerweise zugrunde geht, die Fähigkeit besitzen, einen Zahn entwickeln zu lassen, sobald ihm günstige Raumverhältnisse gewährt werden. Eine andere Erklärung geben Baume und Zuckerkandl. Baume fand eine Anzahl der schmelzlosen Zahnrudimente an der Labialseite zwischen den Wurzeln der Prämolaren. Sie kamen sämtlich zwischen dem ersten und zweiten Prämolar oder zwischen dem zweiten Prämolar und ersten Molar vor. Nun meinte er diesen (rebilden eine gewisse morphologische Bedeutung beimessen zu können und hält sie für Überreste des einstmals beim Menschen vorgekommenen zweiten und 594 MICHIO INOUYE, vierten Prämolarzahnes. Da beim Menschen unter Umständen die Vermehrung der Prämolaren beobachtet wird, so sollen nach Baume die im Kiefer verborgenen letzten Rudimente der Prämolaren sich wieder zu gut ausgebildeten Zähnen ent- wickeln können, wenn die für sie stets angelegten Schmelz- organe nicht zugrunde gehen. Baume wollte seine Theorie auch auf das Vorkommen der überzähligen Schneidezähne aus- dehnen. Trotz seiner grossen Bemühungen konnte er aber die letzten Rudimente von den fehlenden Ineisivi nicht auffinden. Diesen Umstand führte er nun darauf zurück, dass jede Spur dieser Zähne bereits vollständig verloren gegangen ist. Baume wili somit das Auftreten überzähliger Schneidezähne und Prä- molaren mit Atavismus erklären. Nach ihm soll der erste Schneidezahn dem jetzigen Menschen verloren gegangen sein, während bis dahin allgemein angenommen wurde, dass der dritte Incisivus gefehlt habe. Die Baum sche Ansicht hat durch Zuekerkandl eine wesentliche Unterstützung be- kommen, da er die Zahnrudimente auch zwischen den me- dialen Schneidezähnen im Unterkiefer gefunden hat. Nach der Untersuchung von Zuckerkandl kommen die Zahnrudimente sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer, ab- vesehen von den Räumen zwischen den Mahlzähnen, im Be- reiche aller übrigen Zähne vor. Zumeist findet man bei einem Schäde! bloss ein Rudiment. Am häufigsten treten die Zahn- rudimente zwischen den Prämolaren auf; in zweiter Reihe stehen die zwischen dem Eck- und dem ersten Backenzahn vorkommenden. !m Oberkiefer hat Zuckerkandl zwischen den Schneidezähnen keine Rudimente gefunden. Auf den ge- nannten Befund gestützt, hält er für wahrscheinlich, dass der Mensch einstmals drei Schneide- und vier Backenzähne ge- habt hat, und er behauptet, dass „aus latent bleibenden Zahn- keimen, die stets vorhanden sind, in einzelnen Fällen durch Rückschlag schmelzlose, im Kiefer verborgene Zahnstiftchen, Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 595 Zapfenzähne oder auch ganz normal geformte Zähne sich ent- wickeln können“. Eine ähnliche Ansicht, wie Baume für den normalen Schädel, vertritt Albrecht auch bei der Vermehrung der Schneidezähne an den Oberkiefern mit Spaltbildungen. So er- klärt er das Vorkommen der drei Schneidezähne auch mit Atavismus; nach Albrecht soll von den drei ursprünglichen Schneidezähnen der zweite dem jetzigen Menschen ver- loren gegangen sein. Den Grund des so häufigen Vorkommens des einmal verschwundenen zweiten Schneidezahnes führt Albrecht darauf zurück, dass infolge der durch die Spalt- bildung bedingten Unterbrechung der Anastomose der A. naso- palatina mit der Gaumenarterie der mediale Zwischenkiefer und der Vomer in einen günstigen Ernährungszustand versetzt werden. Nach Biondi, der der Albrechtschen Ansicht zu- stimmt, kommen dazu noch günstige Raumverhältnisse ın Betracht. Sachs nimmt für die Vermehrung der Schneidezähne bei der Spaltbildung die mechanische Abspaltung eines Zahnkeimes an und sagt folgendermassen: „Den Vorgang (Abspaltung eines Zahnkeimes) denke ich mir nun so, dass, da durch den bleibenden Kieferspalt eine mehr oder weniger bedeutende Ver- schiebung der Lage des Kiefers zu den Zahnkeimen eintritt, die vom Kiefer dem Keime des Incisivus lateralis entgegen- wachsenden Knochenausläuferchen diesen in zwei Hälften teilen. Es ist ganz leicht erklärlich, dass dann, da die Primitiv- falte kontinuierlich ist, der eine Spaltzahn im Zwischenkiefer, der andere im Oberkiefer sitzt.“ Diese Abspaltung nimmt Sachs nur in dem Falle an, wo drei Schneidezähne vorhanden sind, aber nicht für den von Sachs als normal bezeichneten Fall, we die Kieferspaltung zwischen Incisivus lateralis und Caninus verläuft. 996 MICHIO INOUYE, Prüfen wir nun die obigen Auffassungen der verschiedenen Forscher der Reihe nach und fragen zuerst, ob die Koll- mannsche Ansicht auch auf das Vorkommen der überzähligen Schneidezähne bei der Spaltbildung anwendbar sei. Vor der Klarlegung dieser Frage ist aber notwendig festzustellen, welcher von den drei Schneidezähnen ein normaler ist. Da sich aus meiner obigen Untersuchung ergeben hat, dass lateral von der Spalte ein Kieferzwischenstück vorhanden ist, so ist sicher anzunehmen, dass der hier entwickelte Schneidezahn ohne Zweifel dem normalen lateralen Schneidezahn entspricht. Somit bleibt nun zu entscheiden, welcher von den medial von dem Spalt gelegenen zwei Schneidezähnen überzählis ist. Foleen wir der Kollmannschen Ansicht und nehmen an, dass ein Seitenspross der Zahnleiste unter günstigen Raum- verhältnissen zu einem fertigen Schneidezahn sich entwickelt hat, so muss dieser dem dicht an der Spalte gelegenen Schneide- zahn entsprechen, da für die Entwickelung des ersten Schneide- zahnes die Raumverhältnisse nicht günstiger geworden sind als früher. Von den drei Schneidezähnen ist dann der zweite als ein Neuling anzusehen. Dabei muss natürlich auffallen, dass an dem medialen Spaltrande ein überzähliger Schneide- zahn entstanden ist, während der unter gleichen Bedingungen stehende laterale Spaltrand ausser einem normalen lateralen Schneidezahn keinen überzähligen bekommt. Mag die Koll- mannsche Ansicht für normale Schädel diskutierbar sein, so glaube ich doch, dass sie für die Erklärung der Fälle von überzähligen Zähnen bei Spaltbildungen nicht ausreicht. Mit der Annahme eines Atavismus (Baume, Albrecht, Zuckerkandl, Bıiondi) verhält es sich ebenso. Es müsste dann nachgewiesen werden, dass regelmässig überzählige, voll- ständige Zahnanlagen beim Embryo vorhanden sind, die zurückgebildet werden, aber bei Spaltbildungen erhalten bleiben Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 597 können. Soweit ich aus der Literatur ersehe, ist aber die Beobachtung von niemand gemacht worden, dass beim Men- schen an der Zahnleiste auf einer Seite drei epitheliale, kolbige Verdickungen angelegt sind. Ferner sprechen gegen die Theorie des atavistischen Rückschlages noch einige Tatsachen. Erstens sind die Zahnrudimente von Zuckerkandl nur im Unter- kiefer nicht nur zwischen den medialen Schneidezähnen, son- dern auch zwischen dem ersten und zweiten Schneidezahn ge- funden worden. Ein dem jetzigen Menschen verlorener Zahn muss nur eine, ganz bestimmte Lage gehabt haben. Da, wie oben bereits erwähnt, der am lateralen Spaltrande gelegene Schneidezahn der zweite Incisivus sein muss, so ist nur die Möglichkeit vorhanden, dass der verlorene Zahn entweder, wie Baume und Zucekerkandl meinen, der frühere erste Schneidezahn ist, oder, wie Albrecht meint, der frühere zweite Schneidezahn; dementsprechend muss die Lage des Zahnrudimentes eine bestimmte sein und es somil ausge- schlossen. sein, dass dieser einmal zwischen den medialen Schneidezähnen und ein anderes Mal zwischen dem ersten und zweiten Schneidezahn liegt, kurzum seinen Sitz beliebig wechselt; zweitens kommt, wie die Tabelle zeigt, bei Spalt- bildungen ein überzähliger Schneidezahn besonders häufig vor, und es ist nicht einzusehen, warum gerade dann der sogen. Atavısmus in Kraft treten sollte. Unter 68 Fällen sind 32 mal überzählige Schneidezähne (Tabelle Nr. 1 und Nr. 2 beobachtet worden. Sollte nun nach Zuckerkandl etc. der erste Schneide- zahn der atavistisch überzählige sein, so ist nicht klar, warum er sich gerade erhalten haben sollte, obeleich die Raumver- hältnisse für ihn nicht günstiger sind als beim normalen Schädel, die Raumverhältnisse sind vielmehr für die direkt am Spaltrande gelegenen Schneidezähne günstiger, da diese bei ihrer Entwickelung an der Spaltseite keinem Drucke eines 598 MICHIO INOUYE, Nachbarzahnes ausgesetzt sind. Somit kann der erste Schneide- zahn nicht dem vermuteten überzähligen entsprechen. Hier- gegen spricht ausserdem, dass der erste Schneidezahn in den meisten Fällen viel besser entwickelt ist als der zweite. Albrecht meint, dass der zweite, am Spaltrande medial liegende Schneidezahn atavistische Erklärung finden könnte. Nach der Tabelle kommt er aber häufiger vor als der am lateralen Spaltrande liegende dritte, der dem normalen lateralen Incisivus entspricht. Wenn auch durch die Lage am Spaltrande für seine Entwickelung günstige Bedingungen vorhanden sein könnten, so ist doch nicht verständlich, warum er in einem so hohen Prozentsatz auftreten sollte, und so glaube ich, dass der Atavismus, der ja überhaupt zur Erklärung kaum jemals befriedigen kann, auch bei den über- zähligen Schneidezähnen der Spaltbildungen nicht herangezogen zu werden braucht. Die Ansicht von Sachs, von der oben die Rede war, steht wenig mit den entwickelungsgeschichtlichen Tatsachen in Ein- klang. Vor allem kann man nicht von einer Selbständigkeit der knöchernen Alveolaranlage gegenüber den Zahnkeimen reden, und so reicht sie sicherlich nicht aus, in unseren Fällen eine genügende Erklärung zu geben. Ich glaube, man könnte wohl annehmen, dass sich die Vorgänge folgendermassen abspielen: Wenn der mittlere Nasen- und der Oberkieferfortsatz sich vollkommen vereinigt haben, so werden die früher getrennten Mesodermmassen einheitlich. Von der sie bedeekenden Epithelschicht senkt sich nun die bogenförmige Zahnleiste an den Kieferrändern in das Binde- oewebe der Schleimhaut hinein. Aus dieser Zahnleiste ent- wiekeln sich die einzelnen Zahnanlagen sowohl für Milch- zähne als auch für bleibende Zähne in Form der Epithel- verdickungen. Es ist mir sehr wahrscheinlich, dass diese An- lage für den zweiten Schneidezahn gerade an der Stelle ent- Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 599 steht, an der sich der mittlere Nasenfortsatz mit dem Ober- kieferfortsatze vereinigt hat. Wenn nun durch irgend welche Gründe diese Vereinigung ausgeblieben ist, so ist die Folge (lavon, dass die darauf entstandene Zahnleiste durch die Spait- bildung unterbrochen wird. Abgesehen von der Anlage für den zweiten Schneidezahn, werden die übrigen Zahnanlagen in normaler Weise aus der Zahnleiste sich entwickeln. Wie muss sich aber dabei die Anlage für den zweiten Schneidezahn verhalten? Ich glaube, dass durch den Spalt das Material: das. sonst zur Bild umerde sl awemalen Schneidezahnes verwendet wird, in zwei Teile Fig. 38. Schema zur Erläuterung des Wesens der Kiefergaumenspalte sowie des über- zähligen Schneidezahnes bei der Spaltbildung. An der mit dem Pfeile bezeich- neten Stelle ist jeder Zwischenkiefer (Pmx. fein punktiert) in zwei Teile ge- spalten. Si. Sutura incisiva. 1', 1?, I? erster, zweiter, dritter Schneidezahn. C. Dens caninus. M', M° Dens molaris I, Il. M. Maxilla. V. Vomer. zerteilt wird und dass dann jeder der Teile im- stande ist, einen, wenn auch rudimentär ent- wickelten Zahn zu bilden. Die obige Annahme wird durch die schematische Fig. 38 übersichtlich illustriert. Dann würdealsoderersteSchneidezahnbeidenSpalt- bildungen der normale mediale sein, der zweite aus der medialen, der dritte aus der lateralen Hälfte des Bildungsmaterials des lateralen In- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3.) 39 600 MICHIO INOUYE, cisivus entstanden sein. Dass meine Annahme mehr Wahrscheinlichkeit hat als die Theorie des atavıstischen Rück- schlages, dafür würden wohl die folgenden Tatsachen sprechen. 1. In den meisten Fällen der Spaltbildung ist nicht nur der zweite, sondern auch der dritte Schneidezahn rudimentär oder viel schwächer entwickelt als der erste. 2. Die Sutura interincisiva des normalen Zwischenkiefers endel vorn, wenn sie den Alveolarrand erreicht, häufiger an der medialen Partie der Aiveolarwand des zweiten Schneide- zahnes als an der Mitte zwischen den Alveolarwänden des ersten und zweiten Schneidezahnes. Der letztere Umstand würde aber nicht gegen die obige Annahme sprechen, da es sehr wohi möglich ist, dass die Naht, die in der Tiefe durch die Alveolarwand des zweiten Schneidezahnes gehen soll, an der Oberfläche durch Wachstum mehr oder weniger median- wärts sich verschiebt. 5. Wenn man das Vorkommen der am Spaltrande gelegenen beiden Schneidezähne auf die ausgebliebene Vereinigung des für den zweiten Schneidezahn bestimmten Zahnbildners zurück- führt, so kann man wohl bei Nr. 3 und 4 auf der Tabeile von S. 590 den medial von der Spalte gelegenen Schneidezahn als den ersten normalen Schneidezahn betrachten, da der erste Schneidezahn weniger den äusseren, schädlichen Einflüssen ausgesetzt ist als der zweite und so weniger leicht zerstört werden kann. Nun bestimmen wir die Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Schneidezähne. Beı den 68 Fällen kommen vor erster Schneidezahn 66 mal, zweiter Schneidezahn 32 mal, dritter Schneidezahn 49 mal. Dass der erste Schneidezahn viel häufiger vorkommen kann als die anderen beiden, ist wohi darauf zurückzuführen, Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 601 dass er in seinem Sitz mehr gesichert ist und ausserdem sich aus einem voliwertigen Zahnkeime entwickelt. Obgleich der zweite Schneidezahn in Nr. 1 und 2 der Tabelie viel häufiger vorkommt als der dritte, so ist in der (Gesamtzahl der Fälle sein Auftreten ein wenig geringer. Trotzdem ist er unter 67 Fällen 32 mal vorhanden, d. h. in 48 % der Fälle. Diese Zahl ist zu gross, als dass man den zweiten Schneidezahn als durch xückschlag entstanden erklären kann. 4. In der Literatur (Th. Koelliker, Warnekros) findet man Angaben, dass die Vermehrung der Schneidezähne sehr oft auch bei nicht mit der Alveolarspalte komplizierten Spalt- bildungen, wie die narbig geheilten oder offenen Lippenspalten, Gaumenspalten, beobachtet worden ist. Bei diesen hatte wohl ein leichter Grad der Alveolarspalte wenigstens während der ersten Zeil der Zahnentwickelung bestanden, und infolgedessen würde der für den zweiten Schneidezahn bestimmte Zahnkeim bereits damals in der oben von mir geschilderten Weise zwei- fach angelegt worden sein, so dass trotz nachträglicher Ver- einigung der Spalte ausser dem ersten Schneidezahn zwei folgende Schneidezähne bestehen blieben. Denn es ist eine be- kannte Tatsache, dass die Kieferspalte in den allermeisten Fällen mit den genannten Spaltbildungen zusammen vorge- funden wird. Ein direkter Beweis dafür, dass bei den obigen Fällen früher die Alveolarspalte bestanden haben soll, ist z. B. ein Fall von Köhne. Es handelt sich um eine rechtsseitige Kieferspalte mit Spaitung des harten und weichen Gaumens und der Uvula. Auf der kranken Seite waren zwei Schneide- zähne, je einer laterai bzw. medial von der Spalte, während sich auf der gesunden Seite drei fanden. An diesem scheinbar gesunden Teile fand Köhne nach der Präparation der Schleim- haut zwischen zweitem und drittem Schneidezahn eine 1 mm breite Kieferspalte, was unzweifelhaft auf die retardierte Ver- schmelzung der Alveolarspalte hinweist. 39* 602 MICHIO INOUYE, Somit glaube ich bei allen Fällen der Spaltbildung das Vor- kommen der Vermehrung der Schneidezähne mit der von mir aufgesteliten Ansicht wohl erklären zu können. Für die Er- klärung des Auftretens überzähliger Zähne bei normalen Schädeln kann meine Hypothese natürlich keine Geltung haben. Welche von den aufgesteilten Ansichten alsdann richtig sein mag, darüber wili ich nicht weiter diskutieren. III. Zusammenfassung). 1. Der Zwischenkiefer des Menschen und des Maulwurfes hat einen Körper und vier Fortsätze: den Alveolar-, Nasen-, lateralen Gaumen- und medialen Gaumenfortsatz. Der Nasaen- fortsatz (Processus nasalis) steigt vom seitlichen, hinteren Teil des Körpers am vorderen Rande des Oberkiefers entlang auf- wärts und reicht bis ans Nasenbein heran, so dass die Be- teilisung des Oberkiefersan der Umrandung der Apertura- piriformis vollkommen ausgeschlos- sen wird. 2, Die Sutura interineisiva, die an der Gaumenfläche des menschlichen Zwischenkiefers beobachtet wird, ist keine Gefiässfurche, sondern eine richtige Knochen- naht. Sie deutetabernicht auf die frühere zwei- fache Anlage des Zwischenkiefers hin, sondern ‘) Diese Zusammenfassung bezieht sich hauptsächlich auf das Verhalten des Zwischenkiefers beim Menschen und Maulwurf bei normaler Entwickelung und bei Spaltbildungen ; die übrigen Punkte der Gesichtsentwickelung des Maulwurfs werden in der zweiten Arbeit zusammengefasst werden. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte etc. 603 nur auf die, Vereinisungsstelle des) früheren medialen Gaumenfortsatzes mit dem lateralen. Das vordere Ende der Naht schneidet, wenn diese den Alveolar- [ortsatz erreicht, in der Mehrzahl der Fälle in die mediale Partie der Alveolarwand des zweiten Schneidezahnes ein. 3. Die Bildungsvorgänge, die sich am Vordergesichte des Maulwurfes abspieien, stimmen, abgesehen von dem starken Vorwachsen des die Nasenlöcher umgebenden Teiles, im wesentlichen mit denjenigen des menschlichen Gesichtes überein, die von früheren Forschern studiert worden sind. Der seitliche Nasenfortsatz beteiligt sich beim Maulwurfe nicht an der Bildung der Oberiippe, wie Albrecht behaupte! hat; diese wird von dem mittleren Näasentort- satzeim Verein mit dem Oberkieferfortsatze ge- bildet. Der seitliche Nasenfortsatz entfernt sich in fort:- schreitender Entwickelung mit seinem oralen Ende allmählich von dem Mundrande; dieses Ende wird später durch den Rand- und Flügeiknoten markiert, die beide gemeinsam dem menschlichen Nasenflügel entsprechen. Die beiden Knoten sind selbst noch beim erwachsenen Mauiwurfe deutlich erhalten und bilden den Seitenrand der Rüsseischeibe. Beim ausgebildeten Maulwurfe kommt die frühere Ver- einigungsstelle der Ränder der Nasenrinne an der ventralen Umrandung des Nasenloches zwischen dem (Gebiete des mitt- leren und dem des seitiichen Nasenfortsatzes zu liegen, während sie von da aus bis zum Lippensaume des Mundes zwischen dem Gebiete des mittleren Nasen- und dem des Oberkieferfortsatzes verläuft. Der frühere Verlauf der Augen- nasenfurche, mit anderen Worten die Grenze zwischen dem seitlichen Nasen- und dem Oberkieferforisatze, wird durch eine Linie angegeben, die in einiger Entfernung ventral von dem Nasenloche an der eben erwähnten stomatonarinen Linie be- 604 MICHIO INOUYE, ginnt und lateral um den Rand- und Flügelknoten herum gegen das Auge verläuft. Beim menschlichen Gesichte sieht man auch genau die- selben Verhältnisse. An der OÖberlippe verläuft die Ver- wachsungslinie der Ränder der Nasenrinne zwischen den Ge- bieten des mittleren Nasen- und des Oberkieferfortsatzes, an der ventralen Umrandung des Nasenioches sowie in dem Vesti- bulum nası ‚zwischen den Gebieten des seitiischen und des mittleren Nasenfortsatzes. Die Steile der früheren Augennasen- furche wird durch die Linie bezeichnet, welche unweit vom Nasenloche von der oben erwähnten stomatonarinen Linie ab- geht und dann beinahe um den ganzen Nasenflügei herum zwischen Nase und Wange nach dem Auge hin steigt. 4. Der Zwischenkiefer wird beim Maulwurfe auf jeder Seite nur einfach angelegt. Die Ver- knöcherung tritt am allerersten im vorderen TeiledesspäterenKörpersauf. Sobaldderganze Körper knöchern angelegt worden ist, ent- Werckeilmestch won. ıhm ausider laterale, der mier diale Gaumen-, der Nasen- und der Alveolar- WORILS az Da bei allen Säugetierordnungen im allgemeinen eine ein- fache Anlage des Zwischenkiefers angenommen wird, so muss dieser auch beim Menschen normalerweise, wie die Unter- suchungen Th. Koellickers und Malls gezeigt haben, ein- fach angelegt werden, und es ist mir sehr wahrscheinlich, dass hier auch der vordere Teil des späteren Körpers zuerst angelegt wird und von da aus die Verknöcherung nach den übrigen Teilen des Körpers sowie nach den Fortsätzen hin weitergeht. So erklärt sich von selbst, dass die Sutura inter- incisiva, wie bereits erwähnt worden ist, nicht auf die frühere zweifache Anlage des Zwischenkiefers hindeutet. Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 605 Der ausgebildete Zwischenkiefer des Men- schen und des Maulwurfes Hegt nieht, mur’ım Gebrete des mittleren Naseniortsatzes, sondern ausserdem auch im Bereiche des früheren seit- lichen Nasen- und des Öberkreferfonisatzes Dasozeist deutlich, dass die’Entwickelunssdes Kmoehens? mit zdenaprı mar em. @frerderumsenzdes Gesuchtes nicht’ıim einem gesetzlrehen Zusam: menhange steht. Die mediale Hälfte des Körpers und des Alveolarfortsatzes mit dem medialen Gaumenforisatze liegt im Gebiele des mittleren Nasenfortsatzes, während die laterale Hälfte des Körpers und des Aiveolarforlsatzes mit dem lateralen Gaumenfortsatze ın dem des Oberkieferforlsatzes sich findet. Der Processus nasalıs liegt teils ım (Gebiete des seitlichen Nasenfortsatzes, teils in dem des Oberkieferfortsatzes. 9. Die komplete Hasenschartenkieferspalte liegt, auf die Weichteile bezogen, zwischen dem mittieren Nasenforisatze einerseils und dem seitlichen Nasen- sowie dem Oberkiefer- fortsatze andererseits. Die schräge Gesichtsspalte ilegt im ge- wöhnlichen Faile (bei der zweiten Form Morians) zwischen dem Oberkieferfortsatze einerseits und dem mittleren und seit- lichen Nasenfortsatze andererseils, so dass sie nicht ins Nasen- loch verläuft. Wenn die Spalte mit der kompletten Hasen- scharte kompliziert ist (die Moriansche zweite Form), schneidel die stomatonarine Strecke der Spalte oben ins Nasen- loch ein. Diese ins Nasenioch einschneidende Abzweigung der Spalte liegt zwischen dem mittleren und dem seitlichen Nasen- fortsatze. Die Hasenschartenkieferspalteiiegtim Kno- chen zwischen dem medialen und dem lateralen Stück des Zwischenkiefers. Medial von der Spalte be- finden sich die mediale Hälfte des Körpers und des Alveolar- 606 MICHIO INOUYE, fortsatzes und der mediale Gaumenfortsatz, lateral von ihr aber die laterale Hälfte des Körpers und des Alveolarfortsatzes, der laterale Gaumen- und der Nasenfortsatz, welch letzterer die laterale Abgrenzung der Apertura piriformis bildet und oben bis zum Nasenbeine reicht. Die komplette schräge Gesichtsspalte geht im Knochen bei der Morianschen zweiten Form durch die Mitte des Zwischenkiefers sowie des Oberkiefers. Medial von der Spalte liegen oben das Nasale, das Lacrimale, der Stirnfortsatz des Oberkiefers und der Nasenfortsatz des Zwischen- kiefers, unten die mediale Hälfte des Zwischenkieferkörpers, welche oben durch ein kleines, abgetrenntes, oberes Stück der lateralen Hälfte des Zwischenkieferkörpers mit dem Nasenlort- satze im knöchernen Zusammenhange steht, und der mediale Gaumenfortsatz. Die Spalte kann also nicht ins Nasenloch kommen. Lateral von der Spalte liegt oben der Oberkiefer- körper mit dem Foramen infraorbitale, unten der grösste Teil der lateralen Hälfte des Zwischenkieferkörpers mit dem lateralen Gaumenfortsatze. Bei der Morianschen ersten Form geht der Lippenteil der schrägen Gesichtsspalte oben ins Nasenioch hinein. Wenn man diese Form rein schematisch beurteilt und von der Zer- störung der benachbarten Knochenteile voilständig absieht, so verhält sich der stomatonarine Teil der Spalte in seiner Lage- beziehung zu den Nachbarknochenstücken ähnlich wie bei der Hasenschartenkieferspalte. Der obere, schief aufsteigende Teil der Spalte geht durch die Mitte der lateralen Hälfte des Zwischenkiefers und durch den Oberkiefer; medial von diesem Teile der Spalte finden sich das Nasale, das Lacrimale, der Stirnfortsatz des Oberkiefers und der Processus nasalis des Zwischenkiefers mit dem oberen kleineren Stück der lateralen tlälfte des Zwischenkieferkörpers; lateral und unten von der Spalte liegen der Oberkiefer mit dem Foramen infraorbitale Der Zwischenkiefer, Entsteh. u. Verlauf d. Hasenschartenkieferspalte ete. 607 und der grösste Teil der lateralen Hälfte des Zwischenkiefer- körpers mit dem kleinen Teile des Nasenfortsatzes. 6. Das bei der Spaltbiidung sehr häufige Vorkommen eines überzähligen Schneidezahnes ist wahrscheinlich darauf zurück- zuführen, dass durch die Spaltbildung, die den Zwischenkiefer- körper in zwei Teile zerlegt, auch der noch latente Keim kurzdrenen or malen lareraleme Scchmrendezanmererz teilt worden ist und sich beide Teile zujeeimem Zahmrentwiıckelt haben. Abgeschlossen am 15. April 1911. Literaturverzeichnis. Albrecht, P., Die morphologische Bedeutung der seitlichen Kieferspalte und die wahrscheinliche Existenz von 4 Zwischenkiefern bei den Säugern. Zoologischer Anzeiger. 1879. — Sur les 4 os intermaxillaires, le bec-de-lievre et la valeur morphologique des dents ineisives superieures de l’'home. Communication, faite a la soeiete d’anthrophologie de Bruxelles dans la seance du 25 octobre 1882 — Über die morphologische Bedeutung der Kiefer-, Lippen- und Gesichts- spaiten. Langenbecks Arch. Bd. 31. — Über die Zahl der Zähne bei den Hasenschartenkieferspalten. Zentralbl. f. 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BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DES DOTTERSACKES Bei MENSCHLICHEN EMBRYONEN DER 9. UND 5. WOCHE, VON JOHANNES NORBERG, Stockholm. Mit 7 Abbildungen auf Tafel 23. BUY: VERRazoN BIRRFAQL- Be Een I ” ee gr Fa Ki 2 Wann Der Dottersack des Menschen gehört wohl zu den Organen, die in der medizinischen Literatur am meisten vernachlässigt worden sind. Die Beschreibungen über denselben, die jetzt vorhanden sind, sind nämlich nicht viele und auch wenig er- schöpfend. Die Ursache hierzu liegt wohl darin, dass der Dotter- sack des reifen Fötus, der am leichtesten zur Verfügung steht, vom funktionellen und physiologischen Gesichtspunkte aus wenig Interesse bietet, weil er zu dieser Zeit ein ganz rudimen- täres und funktionsloses Organ ist. Von weit grösserem Interesse ist der Dotiersack ın der früheren Embryonalzeit, wo er bekanntlich ein lebenskräftiges Organ und nach meiner Meinung von grosser Bedeutung ist. Es ist ja aber sehr ungewöhnlich, menschliche Embryonen des ersten und zweiten Monats untersuchen zu können. Ich bin deshalb meinem Lehrer, dem Herrn Professor EmilHolm- gren, vielen Dank schuldig für das Wohlwollen und das grosse Vertrauen, das er mir gezeigt hat, da er mich sein vorzügliches Material hat untersuchen lassen. Ich habe also vollständige Schnittserien von menschlichen Embryonen der dritten und der fünften Woche mit dem Dotter- sacke untersuchen können. Beide Serien waren in völlig frischem Zustande, sehr gut mit Carnoys Lösung fixiert worden. Dies gilt besonders von dem Fötus der dritten Woche, der unmittelbar in die fixierende Lösung gelegt worden war. 614 J. NORBERG, Die Schnitte waren mit Hämatoxylineosin gefärbt. Ausser den genannten Dottersäcken bekam ich noch einen, der von einem Embryo der sechsten Woche herrührte. Dieser war ebenfalls nCarnoys Flüssigkeit fixiert, war aber nicht eingebettet. Die Einbettung vom letzterwähnten Dottersack wurde mit Paraflin vorgenommen. Nachdem ich einige Schnitte von demselben gemacht hatte, fand ich aber, dass er sich für feinere Strukturstudien kaum eignete. Dagegen hat er mir grossen Nutzen dadurch gewährt, dass ich an demselben Perls Reaktion auf Hämosiderin habe machen können. Ein englischer Forscher Needham!), in der ..Mitte des 17. Jahrhunderts, soll die erste Untersuchung des Dottersackes der Säuger ausgeführt haben. Das Nabelbläschen des Menschen wurde zum ersten Male 1675 von Hoboken geschildert. Trotz dem frühzeitigen Beobachten und Beschreiben des Dottersackes war man jedoch lange Zeit ungewiss, wie das Vorkommen des kleinen Bläschens, das bei entbundenen Föten fast stetig gefunden wurde, erklärt werden sollte. Erst am Ende des 18. Jahrhunderts konstatierten Chaussier und Blumenbach!), dass das Nabelbläschen des Menschen phylogenetisch analog mit dem Dottersacke der Oviparen sei. Als man jetzt die physiologische Bedeutung des Dotter- sackes zu finden suchte, ergriff man die naheliegende Erklärung, dass er auch funktionell analog mit dem Dottersacke der Ovi- paren sei. Dies sollte jedoch nur für die erste Embryonalzeit gelten. Später sollte sich das Nabelbläschen zurückbilden und rudimentär werden. Einige Forscher waren auch der Meinung, dass das Bläs- chen der Anfang des Darmrohres sei. ') Siehe das Literaturverzeichnis zu J. Lönnberg: Studien über das Nabelbläschen. 1901. Anatom. Hefte Iähteitung 13%. Heft (15.Ba.H3) Tufel 23. Verlag von J.F.Bergmann, Wiesbaden, Körigl, Universitä iruckerei H, Stürtz A.G. Würzburg. Beiträge zur Kenntnis des Dottersackes etc. 615 Später ist die Ansicht immer allgemeiner geworden, dass der Dottersack des Menschen nur ein rudimentäres Organ sei ohne jede Bedeutung und nur für die Entwickelungsgeschichte von Interesse. J. Lönnberg!) äussert sich in seiner Gradualabhandlung in folgender Weise von der funktionellen Bedeutung des Nabel- bläschens: „Betreffend die Funktion mangeln sichere Facta. Indessen ist wohl nicht zu vermuten, dass das Nabelbläschen während der allerersten Zeit wirklich denselben Dienst leistet wie der Eidotter bei den Oviparen, dass es nämlich eine Nähr- substanz enthält, die für den Embryo bei dessen erster Ent- wickelung von Wichtigkeit ist; eher dürfte anzunehmen sein, dass es nur ein rudimentäres Organ von atavistischer Bedeu- tung ist.“ Weiter schreibt er: „Dagegen hat das Nabelbläschen seine Bedeutung als dasjenige Organ, wo zuerst Blutgefässe ge- bildet werden, und möglich ist es, dass diese Gefässe sich eher als die eigenen Gefässe des Embryo mit dem Chorion verbinden. Wäre dies der Fall, so könnte das Nabelbläschen möglicherweise während einer kurzen Periode den Stoffwechsel zwischen dem Embryc und dem Chorion vermitteln. Wenn der Blutlauf zwischen dem Embryo und dem Chorion entwickelt worden ist, was bei einer Länge des Embryo von 2,2 mm wahrgenommen wurde, dürfte das Nabelbläschen weit entfernt davon, dem Embryo Nährsubstanz zu liefern, im Gegenteil behufs seiner eigenen Zunahme und Entwickelung selbst Nährstoff auf- nehmen. Denn die Entwickelung des Nabelbläschens ist nicht nur regressiv; aus der oben mitgeteilten Zusammenstellung geht hervor, dass es so lange an Grösse zunimmt, bis der Embryo eine Länge von etwa 7 mm erreicht hat; mit anderen Worten: das Nabelbläschen nimmt zu, so dass es vielemal grösser wird als zu Anfang, was natürlich auf Kosten von aussen her aufgenommener Nährsubstanz geschehen muss.“ ') J.Lönnberg, Studien über das Nabelbläschen. Gradualabhandl. 1901. Anatomische Hefte. I. Abteilurg. 137. Heft (45. Bd., H. 3.) 40 616 J. NORBERG, Die späteste Untersuchung über den Dottersack des Men- schen ist, soweit ich kenne, eine von H. E. Jordan publi- zierte (Anatomischer Anzeiger Oktober 1907). In dieser Ab- handlung (The Histology of the Yolk Sac of a 9,2 mm Human Embryo) schreibt er: „What then is the significance of the human Yolk sac as evidence by its complicated histological structure? That both morphologically and physiologically it is simply an expression of hereditary tendency seems to be the trent of opinion. As a storehouse of nutritive Yolk it has no importance. Through the intimate relation between ovum and uterine mucosa and the early establishment of a chorionie circulation the embryo receives from the mother all necessary nutriment.“ Er schliesst mit dieser Folgerung: „My own obser- vations lead me to the conclusion that the sole function that the human Yolk sac appears to possess for the embryo is that assumed by the mesoderm in the production of blood islands and the resulting vascular systems, thus supplying the first progenitors of fetal blood cells. The complicated histological structure is probably due largely to the phylogenetic develop- ment of the entoderm.“ Im Jahre 1896 veröffentlichte Graf Spee im Anatom. Anzeiger einen kleinen Aufsatz, der einige Beobachtungen ent- hielt, die er an Dottersäcken von sehr jungen menschlichen Embryonen gemacht hatte. Vorher hatte man, so viel ich weiss, keine eingehende Kenntnis von den histologischen Einzelheiten im Bau des Dottersackes gehabt, sondern ist es sicherlich sein Verdienst, zum ersten Male die Histologie des Nabelbläschens genau beschrieben zu haben. Er beschreibt, wie sich das Epithel des Dottersackes in das unterliegende Bindegewebe wie drüsenartige Schläuche ein- senkt. Diese Schläuche entwickeln sich bei dem jungen Embryo immer mehr, bis sie in der sechsten bis neunten Woche ihre höchste Grösse erreichen. Beiträge zur Kenntnis des Dottersackes etc. 617 Er findet eine auffallende Ähnlichkeit zwischen dem Dotter- sacke und der Leber hinsichtlich sowohl der Histologie als auch der Funktion. Er sagt: „Der Dottersack scheint — — — schon vor dem die Leber vorhanden ist, also für früheste Perioden dieselben Funktionen zu vollziehen, die später der Leber zufallen.“ Dagegen beschreibt er keine Sekretions- prozesse in den Zellen. Das einzige, das er gesehen hat, sind Vacuolen, Fetttröpfehen und einige eigentümliche Strukturen in demjenigen Teile des Protoplasmas, der gegen das Drüsen- lumen gerichtet ist.‘“ Sie erscheinen als Büschel paralleler stab- förmiger Gebilde, die oft wie von einer Art Kapsel umschlossen erscheinen und über deren Natur ich noch kein abgeschlossenes Urteil besitze.‘ Ausserdem spricht er auch von einigen sehr eigentüm- lichen Zellen „von riesigen Dimensionen‘, welche „durchaus wie Epithelzellen sich verhalten, aber doch gegenüber dem regulären Typus der Epithelzellen dadurch abstechen, dass in ihrem Protoplasma eine grössere Menge zellenähnliche Gebilde eingeschlossen sind“. Da diese Gebilde wegen ihres kleinen runden Kerns embryonalen roten Blutkörperchen sehr ähneln, folgert er, dass die genannten grossen Entodermzellen Bildungs- stätten der roten Blutkörperchen seien. Gleich vorher hat auch Saxer!) in einem grösseren Werke u. a. über die embryonale Blutbildung von ähnlichen Riesenzellen der Nabelbläschenwand gesprochen und ihre Be- deutung in derselben Weise gedeutet. Später haben auch Paladino?) und Meyer?) über den !) Saxer, Fr., Über die Entwickelung und den Bau der normalen Lymph- drüsen usw. Anatom. Hefte. 1896. ®) Paladino, G., Contribuzione alla conoscenza sulla struttura e funzione della vesicola ombelicule nell’uomo e neimammiferi. Arch. Ital. Ginecol. Napoli. Vol. 8. 1901. ®) Meyer, A. W., On the Structure of the Human Umbilical vesicle Am. Journ. of anat. Vol. 3. 1903. 40* 618 J. NORBERG, Dottersack des Menschen geschrieben. Ausserdem hat auch Selenka*t) den Dottersack der Affen untersucht. Niemand scheint jedoch der Frage von der Bedeutung des Nabelbläschens für den menschlichen Embryo näher rücken zu können. Sie er- klären in der Regel den Dottersack nur als ein atavistisches und und rudimentäres Organ. Jordan, der wohl der letzte Autor ist, der sich in dieser Frage geäussert hat, sagt am Ende des vorher erwähnten Aufsatzes: „A possible explanation may be found in the fact extensive development of the entodermal lining and vigorous activity of its cells is simply the survival of an hereditary force.“ Paladino unterscheidet in der Wand des Dottersackes drei Schichten: eine innere Epithelschicht (s. Figg. 1 u. 2i), eine mittlere Schicht (s. Figg. 1 u. 2m) von sehr gefässreichem 3indegewebe und eine äussere Endothelschicht (s. Figg. 1u.2y). Um grössere Klarheit zu erlangen, werde ich beim Be- schreiben der beiden von mir untersuchten Dottersäcke und beim Vergleichen derselben miteinander diese Einteilung der Zellenschichten benutzen, besonders da dieselben an dem von mir benutzten Material sehr gut zu unterscheiden sind. Die innere entodermale Epithelschicht desjenigen Dotter- sackes, der aus der dritten Woche (s. Fig. 1) stammt, bekleidet mit einer einfachen Schicht das innere Lumen des ganzen Nabelbläschens. Hier und da sieht man, wie das Epithel Schläuche in das unterliegende Bindegewebe zu treiben beginnt. Diese Schläuche bilden an dem einen Ende geschlossene Epithelröhren und können durch das ganze Bindegewebe bis zum äusseren Endothellager dringen. Da die Röhren oft schief in das Bindegewebe eindringen, werden sie an Schnitten oft quer oder schief getroffen. Die Epithelzellen sind hoch und cylindrisch mit einem ‘) Selenka, E., Studien über Entwickelungsgeschichte der Tiere. Das Opossum, Wiesbaden. 1886. Menschenaffen, Wiesb. 1891 u. 1899. Beiträge zur Kenntnis des Dottersackes etc. 619 Stäbchensaum versehen, der dem Stäbchensaum der Nieren ähnelt, welcher vielleicht besser Pseudostäbchensaum genannt wird. An Stellen, wo mehrere Schläuche von der Oberfläche in das Bindegewebe dringen, ist das Epithel immer bedeutend niedriger und scheint oft mehrreihig zu sein. Dies hängt je- doch eigentlich davon ab, dass die Wände der Epithelschläuche an diesen Stellen parallel mit ihrer Oberfläche geschnitten worden sind. Die Zellen der an Schnitten oft quer getroffenen Epithel- röhren sind von etwa derselben Höhe wie das niedrigere Ober- flächenepithel. Auch hier haben die Zellen einen deutlichen Pseudostäbchensaum. Die Epithelzelle (Fig. 7), die gegen ihre Umgebung scharf umschrieben ist, enthält einen grossen runden Kern mit einem schönen feinen Chromatinnetz und einem oder zwei grossen Nucleolen. Die Lage des Kernes ist sehr verschieden. Er kann irgendwo zwischen der Basis der Zelle und dem Stäbchensaum angetroffen werden. Ob diese Lageveränderung des Kernes sich gesetzmässig vollzieht, kann ich nicht sagen, aber sicherlich hat sie mit den verschiedenen Phasen der Sekretion etwas zu tun. Die Zelle zeigt nämlich eine ganz deutliche, aber sehr komplizierte Sekretion. In einer Phase ist die Zelle stark durch Eosin gefärbt, was davon her- rührt, dass sie von kleinen eosinophilen Granulationen an- gefüllt ist. In dieser eosinophilen Substanz finden sich auch grössere und kleinere eigentümliche basophile Schollen. Dann beginnt der Inhalt der Zelle sich aufzulösen. Dieser Prozess scheint von der Basis nach der Innenzone hin fortzuschreiten. Dies setzt sich fort, bis der ganze Inhalt der Zelle aus grossen Vacuolen besteht, welche Maschen eines feinen Netzes bilden. Schon ehe alles in der Innenzone aufgelöst worden ist, beginnt das feine Netz von der Basis aus sich wieder mit reichlichen 620 J. NORBERG, kleinen Granulationen und Schollen zu füllen. Während der ganzen Zeit behält die Zelle in der Hauptsache ihre Gestalt. Wenigstens ist die Höhe dieselbe. Während aller Phasen der Sekretion sondert die Zelle durch den Stäbchensaum kleine Sekretblasen ab. Der Stäbchensaum scheint während der Sekretion beinahe unverletzt zu bleiben. Bei einer näheren Untersuchung des Epithels kann man aber eine sehr bemerkenswerte Erscheinung wahrnehmen. Hier und da sieht man nämlich, wie embryonale kernhaltige rote Blutkörperchen in die Zellen von der Basis eindringen (Fig. 7 b,). In der Zelle angelangt, beginnt ihr Protoplasma sich aufzulösen und in das Plasma der Epithelzelle auszufliessen, was sehr leicht zu beobachten ist, wenn das Blutkörperchen Hämoglobin aufgenommen hat (Fig. 7 bs). Schliesslich bleibt nur der Kerm des Blutkörperchens zurück (Fig. 7b,), der gegen die Innen- zone zu wandern scheint. Durch irgendwelche Einwirkung des Zellenplasmas wird die Färbung schwächer und der Kern schwindet oder scheint in zwei oder mehrere stark mit Hämat- oxylin gefärbte Schöllen zu zerfallen (Fig. 7b,). Dies alles kann man ziemlich leicht aus zahlreichen Übergangsstadien folgern. Wir verlassen jetzt den Dottersack, der dem Embryo der dritten Woche gehörte, um mit einem vergleichenden Blick das entodermale Epithel (Fig. 2i) des zwei Wochen älteren Dottersackes zu untersuchen. Man wird sogleich von der mäch- tigen Entwickelung der Epithelröhren überrascht. Sie füllen jetzt den grössten Teil der Wand auf dem Querschnitte aus und bewirken eine bedeutende Vergrösserung ihrer Dicke (Fig. 2 vergleiche mit Fig. 1). Die Oberflächenzellen haben nicht eine so regelmässig cylindrische Gestalt, sondern sind sehr unregelmässig und wechseln sehr sowohl hinsichtlich der Höhe als der Grösse. Ebenso verhalten sich die Zellen der Epithelschläuche. In den Beiträge zur Kenntnis des Dottersackes ctec. 621 Schläuchen bilden die Zellen immer eine einfache Schicht, was wohl auch mit den Oberflächenzellen der Fall ist. Aber da die Epithelschläuche, die von der Oberfläche in das Bindegewebe dringen, so zahlreich sind, werden an Schnitten überall die Wände der Röhren tangentiell und schief geschnitten. Die Epithelzellen (Fig. 4) haben eine deutliche Basal- membran und eine Cuticula (Pseudostäbchensaum). Sie zeigen eine ausserordentlich lebhafte Sekretion, die oft in der Gestalt von sehr umfangreichen Blasen erscheint. Die Blasen werden ausgepresst, ohne den Stäbchensaum in erwähnenswertem Grade zu schädigen. In anderen Fällen, wo das Sekret heftiger ausgestossen zu werden scheint, schwindet der Stäbchensaum und das Sekret wird massenweise in das Lumen des Epithel- rohres entleert. Infolge der lebhaften Sekretion werden die Schläuche oft ausserordentlich ausgedehnt, und ihr Epithel wird dann infolge der Spannung sehr niedrig. Die Gestalt des Kernes der Epithelzellen wechselt sehr. Er hat einen oder zwei Nucleolen (Fig. 4ek). Die Sekretionsprozesse der Zelle sind auch hier wie bei den Epithelzellen des vorher beschriebenen Dottersackes sehr kom- pliziert und von ähnlichem Charakter. Auch hier besteht der Zelleninhalt aus feinen eosinophilen Granulationen und baso- philen Schollen. Bei einer aufmerksamen Untersuchung des Epithels wird man bald darüber sehr frappiert, dass hier und da in den Zellen ohne Bezug auf ihre Grösse kleine schwarzblaue Kerne vorkommen, jeder derselben von einer kleinen hellen Zone umgeben, die nach aussen durch eine feine Membran markiert ist (Fig. 3b,)’ Man wird sogleich von der grossen Ähnlichkeit dieser eigentümlichen intracellulären Elemente mit den in den. naheliegenden Gefässen umherfliessenden roten Blutkörperchen (Fig. 3b) überrascht. Das ist derselbe kleine, rundliche, von 622 J. NORBERG, Hämatoxylin schwarzblau gefärbte Kern wie in den Blutkörper- chen und dasselbe farblose Protoplasma, das für die embryo- nalen Blutkörperchen so charakteristisch ist, ehe sie noch grössere Mengen Hämoglobin aufgenommen haben. Dass es sich hier um rote Blutkörperchen handelt, die won den Epithelzellen aufgenommen worden sind, davon wird man ganz überzeugt da- durch, dass man hier und da sehen kann, wie hämoglobinhaltige rote Blutkörperchen von Epithelzellen aufgenommen werden. Übrigens sieht man auch an mehreren Stellen, dass die Blut- körperchen in das Epithel von dem umgebenden Bindegewebe hineindringen (Fig. 4b). Es ist deutlich, dass es sich hier um dieselben intracellulären, Blutkörperchen ähnlichen Elemente handelt, von denen Graf Spee spricht, die er aber nur in spezifischen Riesenzellen gefunden hat. Hier aber finden wir diese Elemente in allen möglichen Zellen in den kleinsten so- wohl als in den grössten und es scheint wirklich, als ob sie durch eine massenhafte Invasion die Epithelzellen zu riesigen Dimen- sionen ausdehnen könnten. Aber es genügt nicht hiermit. Wenn man fortsetzt damit, die Epithelzellen, die solche intracelluläre Elemente enthalten, sorgfältig zu untersuchen, sieht man, wie die Kerne dieser Elemente hinsichtlich ihrer Grösse sehr wechseln, so dass sie bald die Grösse der gewöhnlichen Blutkörperchenkerne zeigen, bald so gross wie die grössten Kerne der Epithelzellen sind (Figg. 3b, u. b,). Auch solche grosse Kerne sind wie die kleineren von einer hellen Protoplasmazone umgeben. Die Übergänge (vgl. Figg. 3, 4, 5 u. 6b, b,, b,) zwischen diesen. beiden extremen Typen der intracellulären Elemente sind so zahlreich, dass man mit Sicherheit annehmen muss, dass die grösseren intracellulären Elemente in irgendwelcher Weise um- sewandelte typische Blutkörperchen sind. Untersucht man jetzt die von den Epithelzellen aufgenommenen Blutkörperchen, sieht man wie der Kern heller und chromatinärmer wird, je Beiträge zur Kenntnis des Dottersackes etc. 623 grösser die Blutkörperzelle ist. Allmählich wird der Kern blasser. Er wird aufgelöst und schwindet schliesslich ganz (Fig.3 b,). Man kann also Epithelzellen antreffen, die zahlreiche, beinahe aufgelöste Kerne enthalten. Mir scheint es, als ob die Kerne der roten Blutkörperchen, die von den Epithelzellen aufgenommen worden sind, durch Einwirkung des Plasmas einen Quellungsprozess durchmachten und gleichzeitig sozu- sagen extrahiert würden, bis sie vollständig digeriert wären. Vielleicht kann man sich denken, dass das Zellprotoplasma in diesem Falle eine für das Blutkörperchen hypisotonische Salzlösung enthält, welche die Quellung bewirkt. Aber die Zerstörung der Blutkörperchen scheint auch in einer anderen Art ablaufen zu können, was man sehr deutlich wahrnehmen kann, wenn ein hämoglobinhaltiges Blutkörperchen aufgelöst wird. In diesem Falle wird zuerst die Membran des Blutkörperchens aufgelöst. Darnach strömt das Protoplasma aus und verteilt sich in der Epithelzelle (Fig. 6b,). Der Kern scheint in solchen Fällen in Schollen oder kleine Stücke zu zerfallen. Beim Betrachten der grosskernigen Zellelemente, die in den Epithelzellen zu finden sind, denkt man gerade wegen des Aussehens der Kerne an Hämatoblasten, denen sie wirklich sehr ähneln. Ich habe mir deshalb die Möglichkeit gedacht, dass die Epithelzellen einfach Hämatoblasten aufnehmen in derselben Weise, wie sie rote Blutkörperchen aufnehmen. Für diese Ansicht spricht teils, wie gesagt, ihre Ähnlichkeit mit Hämatoblasten, teils auch der Umstand, dass sich die Auf- lösung der Blutkörperchen in einer anderen Weise vollzieht. Gegen diese Ansicht spricht, dass ich solche gequollene Blut- körperchen mit eosinophilen Granulationen im Plasma gesehen habe. Denn es ist wohl kaum glaublich, dass die Hämatoblasten Hämoglobin aufgenommen haben, wo die meisten Blutkörper- chen es noch kaum getan haben. Ein anderer Umstand, der mich der Ansicht abgeneigt machte, dass Hämatoblasten in 624 J. NORBERG, das Epithel einwandern sollten, ist, dass man in diesem Falle hier und da Hämatoblasten in dem umgebenden Bindegewebe antreifen müsste, was ich wenigstens nur ausnahmsweise ge- tan habe. Wie dem auch sei, so ist es doch ganz sicher, dass die Epithelzellen Blutkörperchen aufnehmen, welche sie de- struieren und wahrscheinlich zu Sekretbildung verwenden. Da- bei kann man sich denken, dass die Kerne der Blutkörperchen das Material zum Aufbau der eigentümlichen basophilen Schollen des Protoplasmas liefern. Dass in den Epithelzellen rote Blut- körperchen destruiert werden, wird dadurch sehr kräftig be- wiesen, dass ich mit der Färbungsmethode für Hämosiderin von Per] eine deutliche Eisenreaktion in den Epithelzellen erhalten habe. An eine Bildung von Blutkörperchen in den Epithelzellen, wie es Graf Spee und Saxer annehmen, braucht man wohl nicht zu denken nach dem, was wir jetzt durch die neueren Untersuchungen von der embryonalen Blutbildung wissen. Ausserdem beweisen ja meine Beobachtungen genügend das (Gegenteil. Im Bau des Bindegewebes unterscheiden sich die beiden Dottersäcke gewissermassen voneinander. Im Nabelbläschen der dritten Woche ist das Bindegewebe locker mit Blutinseln und ausserordentlich grossen und zahl- reichen Gefässen (Fig. Im). Hier handelt es sich deutlich um eine Neubildung von Blutkörperchen. Der Dottersack der fünften ‘Woche dagegen sieht ganz anders aus. Zufolge der kolossalen Zunahme des Epithels bildet das Bindegewebe hier keine einheitliche Schicht, wie das im vorigen Dottersack der Fall ist, sondern es ist überall von den Epithelschläuchen zersprengt worden (Fig. 2). Es ist auch nicht so locker und so reichlich mit Gefässen ausgestattet, sondern es ist hier fester um ein stützendes Gewebe für die: zahl- Beiträge zur Kenntnis des Dottersackes etc. 625 reichen Drüsen zu bilden. Blutinseln sind nicht vorhanden, und was sehr beachtenswert ist, die Gefässe sind bei weitem nicht so gross und zahlreich wie im jüngeren Dottersack. Hier kann also von einer Neubildung von Blutkörperchen gar nicht die Rede sein, sondern es scheint, als ob sowohl die Neubildung der körperlichen Elemente des Blutes, als auch die Gefässe parallel mit dem kräftigen Zuwachs des Epithels abnehmen sollten. Schliesslich ist noch die Untersuchung der äusseren endo- thelialen Schicht zu machen. Sie besteht im Dottersack der dritten Woche aus kleinen kubischen protoplasmatischen Zellen (Fig. 1 y). In der fünften Woche dagegen sind sie flacher und von deutlicherem endothelialem Charakter (Fig. 2y). Zufolge meiner Untersuchung kann ich jetzt folgende Schlüsse machen. Der Dottersack des Menschen ist während der ersten Zeit seiner Entwickelung ein sekretorisches Organ, dessen sezernierende Elemente an Menge und Sekretionsver- mögen zunehmen, je nach dem Zuwachs des Embryos. Nach Graf Spee vollzieht sich die Entwickelung des Dottersackes während der 6-9 ersten Wochen, wonach eine Rückbildung eintritt, deren Resultat das bei der Nachgeburt zu findende ganz rudimentäre Nabelbläschen ist. Der Zuwachs des Sekre- tionsvermögens des Dottersackes scheint auf Kosten einer phylo- genetisch älteren Funktion zustande zu kommen. Diese ältere Funktion scheint ein blutbildendes und nahrungsbeförderndes Organ zu sein. (Man vergleiche die grosse Bedeutung des Dotter- sackes in dieser Hinsicht bei den Vögeln.) Infolgedessen was hier gesagt worden ist und wenn man bedenkt, welche Massen von Sekret dieses so lebhaft sezer- nierende Organ einem Individuum liefert, dessen ganze Länge nicht das Doppelte der ganzen Grösse der Drüse selbst er- reicht, wenn man ferner an die spezielle Art der Sekretion dieser Drüse denkt, da die Zellen derselben rote Blutkörper- 626 J. NORBERG, Beiträge zur Kenntnis des Dottersackes etc. chen aufnehmen und destruieren, kann man schwerlich dieses Organ als ein Rudiment erklären. Im Gegenteil muss man wohl annehmen, dass es während der ersten Embryonalzeit ein lebenskräftiges Organ ist von grosser physiologischer Be- deutung. Es ist schon lange bekannt, dass das Individuum während jeder Periode seines Lebens mit Ausnahme der frühesten Em- bryonalzeit ein oder mehrere Organe hat, die den komplizierten Chemismus des Körpers regelt. Diese wichtige Funktion wird nicht während des ganzen Lebens von demselben Organ be- sorgt, sondern bei bestimmten Epochen, die von durchgreifenden Veränderungen im Organismus ausgezeichnet werden, geht diese Funktion von dem einen Organ zu einem anderen über. Da man jetzt weiss, dass diese Regulatoren lebenswichtige Organe sind, und da der Dottersack während der ersten Entwickelung des Menschen das einzige vorhandene Organ ist, das genügend entwickelt ist, um eine solche Funktion übernehmen zu können, liegt es nahe an der Hand, folgenden Schluss zu ziehen: Die physiologische Funktion des Dottersackes des Menschen ist, dass er während der ersten Entwickelungszeit einen Regulator für den Chemismus des Körpers ausmacht, d. h. der Dottersack steht im Dienste der inneren Sekretion. Meinem Lehrer, dem Herrn Professor Emil Holmgren, der sich für meine Untersuchung sehr wohlwollend interessiert hat und mir eine wertvolle Hilfe geleistet, bin ich vielen Dank schuldig! Stockholm, Ende Mai 1911. Erklärung der Abbildungen. i. innere Epithelschicht. m. mittlere Bindegewebsschicht. y. äussere Endothelschicht. bg. Blutgefässe. er. Quergeschnittene Epithelröhre. b, b,, b;, b;, b,, Blutkörper in verschiedenen Stadien der Schwellung und Auflösung. l. Lumen der quergeschnittenen Epithelröhren. ek. Kern der Epithelzelle. Fig. 1. Querschnitt durch die Nabelbläschenwand eines drei Wochen alten Menschenembryos. Fig. 2. Querschnitt durch die Nabelbläschenwand eines fünf Wochen alten Menschenembry os. Figg. 3, 4, 5,6. Querschnitte durch die Wand der Epithelröhren eines Nabelbläschens von einem fünf Wochen alten Menschenembryo. Fig. 7. Epithelzellen von der Nabelblasenwand eines drei Wochen alten Menschenembryos. a [4 es ur. ( [r AUS DEM HISTOLOGISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT HELSINGFORS (DIREKTOR: PROF. Dr. R. KOLSTER) UND DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT BONN (DIREKTOR PROF. DR. R. BONNET). ÜBER DIE ENTSTEHUNG DER UROGENITALVERBINDUNG UND DIE BEDEUTUNG DER MÜLLERSCHEN GENITALGÄNGE BEI DEN SÄUGETIEREN VON S. E. WICHMANN. Mit 12 Textfiguren und 14 Figuren auf den Tafeln 24/28. © Be “u 2 Cs Eh Ga ) “ ae eig” ara oe, x ES BR ee BER Beet Bin 2 TEN a ya ‚SE In der Entwickelungsgeschichte des Urogenitalsystems der Säugetiere bestehen noch viele dunkle und umstrittene Fragen. Als solche möchte ich hier folgende hervorheben: Wovon sind die Teile, welche die Urogenitalverbindung vermitteln, das Rete ovarlı resp. testis, abzuleiten? Welches ist die stammes- geschichtliche Bedeutung der Müllerschen Genitalgänge ? Was ist die morphologische Bedeutung der Fimbria ovarica der weiblichen Säugetiere? — Die nachstehende Arbeit ver- sucht einen Beitrag zur Lösung dieser Fragen zu geben. Als Ausgangspunkt meiner Untersuchungen dienten die Adnexa der Genitalien eines siebenmonatlichen menschlichen Fetus, den ich der Freundlichkeit des Direktors der geburts- hilflich-gynäkologischen Universitätsklinik zu Helsingfors, Prof. Dr. G. Heinricius, verdanke. Die bei diesem Fetus vorhandene Entwickelungsanomalie forderte zu ihrer Er- klärung ein ausgedehntes Literaturstudium und machte einen Vergleich der Befunde mit denjenigen bei ganz jungen Säuge- tierembryonen wünschenswert. Dieser wurde mir ermöglicht durch die Güte des Geheimen Medizinalrats Prof. Dr. R. Bonnet, der mir seine Serienpräparate, besonders von Hunde-, Schaf- und Schweineembryonen, zur Verfügung stellte. Ich gebe zuerst die Beschreibung der Adnexa des sieben- monatlichen menschlichen Fetus, den ich der Kürze wegen in der Folge als m. F. bezeichnen werde. Darauf bespreche Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 41 632 S. E. WICHMANN, ich die wenigen in der Literatur von mir gefundenen ähn- lichen Bildungen und gebe die wichtigsten in den Serien der erwähnten Säugetierembryonen vorkommenden hierhergehö- rigen Befunde. Schliesslich ist es noch meine Aufgabe, die Beantwortung der oben gestellten Fragen zu versuchen, so- weit es auf Grund der berichteten Befunde und der aus der Literatur bekannten vergleichend-anatomischen Tatsachen mög- lich ist. Die erwähnten Genitalien des m. F. waren sofort nach der Geburt lebenswarm in die Fixierflüssigkeiten (die links- seitigen in Hellyscher Flüssigkeit, die rechtsseitigen in 10% Formol) übertragen. — Beide wurden nach Paraffin- einbettung in eine lückenlose Serie von aussen nach innen zu geschnitten und zwar links in Schnitte von 2!/, u, rechts in solche von 31/, u Dicke. — Die Präparate waren, was durch das gut erhaltene Ovarialoberflächenepithel, sowie u. a. durch den in den Epithelien der Epoophoronschläuche sehr deutlichen Centralgeisselapparat zur Genüge bewiesen wird, in bestem Zustande. Wenn man beiderseits lateral beginnend den etwa senk- recht gegen die Verlaufsrichtung der Tube gelegten Schnitten in medialer Richtung folgt, sieht man in dem Gewebe der Fimbria ovarica mehrere tiefe, rinnenförmige, mit hohem Fimbriaepithel bekleidete Einbuchtungen. Wo die Fimbria ovarica sich ihrer Ansatzstelle an das Ovarıum zu nähern beginnt. tritt beiderseits eine der Rinnen besonders durch ihre Tiefe hervor und geht nach einem Verlaufe (von etwa 400 u links und 200 u rechts) im antero-lateralen (oder von der Tube her ausgerechnet distalen) Teil des Mesosalpinx in einen geschlossenen, in das Gewebe des Mesovariums sich ein- senkenden Kanal über. Beim Verschlusse der Rinnen zum Kanal misst das Lumen der letzteren links etwa 150x430 u, Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 633 rechts etwa 115x300 u an den weitesten Ausbuchtungen des Lumens gemessen. Dies letztere wird nämlich grösstenteils, besonders links, durch Wandfalten des Kanales ausgefüllt, wodurch die Kanalquerschnitte einem Querschnitte der Tube im kleineren Format oder dem einer ‚„Nebentube‘“ gleichen, um so mehr, als das Epithel des Kanals hier vollständig dem Fimbria- resp. Tubenepithel ähnlich ist und nach aussen gegen das lockere Bindegewebe zu von einer ebenso beschaffenen, etwa 30--50 u dicken und gut vascularisierten zelligen Wand, wie das Epithel der Fimbria ovarica, begrenzt wird. Von der Übergangsstelle der Rinne zum Kanal verläuft der letztere rechts geradlinig, im Beginne auf der Oberfläche des Mesorandes von Fimbriaepithel gefolet, in medialer Richtung und nähert sich allmählich der Mitte zwischen den beiden peritonealen Begrenzungsflächen des Mesovariums, aber nur ganz allmählich und nur in geringem Grade der Ansatz- stelle des Mesovariums an das Ovarıum. Nach einem Ver- laufe von etwa 450 u und einer Verminderung des Durch- messers des Kanälchenlumens bis auf 30x90 u wird das Epithel beinahe kubisch und ist bedeutend weniger gut er- halten. Die längsverlaufenden Falten der eigenen Wand des- selben verschwinden. Ebenso die zellige Umhüllung bis auf Spuren. Hier tritt der Kanal durch einen Strang reihen- weise gestellter degenerierender epithelialer Zellen, welche nur stellenweise ein seichtes Lumen zwischen sich erkennen lassen, in Verbindung mit dem Rete ovarii (vgl. Fig. 1). Dieses befindet sich in den mehr lateralen Schnitten, etwa in der Höhe der Ansatzstelle der Fimbria ovarica an das Ovarium, in der Hilus- gegend das Ovarıumst). In medialer Richtung rückt das Rete ‘) Innerhalb der Linie, welche im Querschnitte des Ovariums die Ansatz- stellen der beiden Peritonealblätter des Mesovariums an das Ovarium, also die Punkte, wo das Ovarialoberflächenepithel in das Peritonealendothel über- geht, vereinigt und welche Linie ich unter dem Namen Hiluslinie bezeichnen möchte. (Vgl. Figg. 4, 5 uud 6 bei H. L.). 41* 634 S. E. WICHMANN, mehr und mehr gegen das Mesovarıum über die Hiluslinie vor und ist bei der eben erwähnten Vereinigungsstelle schon grössten- teils im Mesovarium, ausserhalb des Ovarıums gelegen. — Mediai von der Verbindungsstelle atrophieren die Wandbestand- teile des Kanals mehr und mehr und nach einem Verlaufe von etwa 150 u endet derselbe blind in dem lockeren Bindegewebe. Weiter medialwärts lassen sich keine Spuren eines in etwa derselben Richtung verlaufenden Kanales nachweisen. Durch das Vorrücken des Rete gegen das Mesovarium hin gelangt das Ende des beschriebenen im ganzen etwa 600 u langen Kanales in ziemliche Nähe des Rete. — Das Rete ovarii befindet sich in den Präparaten in augenscheinlicher, ziemlich vorgeschrittener Degeneration. Die Zellen desselben sind selten in Reihen angeordnet und lassen keine grösseren Retelumina zwischen sich. Mehr medial befindet sich dasselbe im Mes- ovarıum, also ausserhalb der Hiluslinie, und tritt durch drei, schief nach unten gegen das Lig. latum zu verlaufende solide Zellstränge mit den drei medialsten, guterhaltenen Epoophoron- schläuchen in spitzem Winkel, etwa an der Abzweigungsstelle des Mesovariums und Mesosalpinx vom Lig. latum, in Ver- bindung. Die Epoophoronschläuche treten überhaupt nicht ins Mesovarium, stehen also mehr medial in keiner Beziehung mit dem beschriebenen Kanale oder dem Rete ovariı. Anders verhält es sich auf der linken Seite (vgl. Fig. 2). Hier teilt sich der Kanal nach einem ziemlich geradlinigen Ver- lauf von etwa 150 u in medialer Richtung in zwei im Beginne ungefähr gleich weite, im Durchmesser etwa 100x130 u messende Äste. Ihre Wand ist ebenso beschaffen wie die- jenige des ungeteilten Kanälchens. Der eine, der kürzere Kanal, wird immer enger und endigt etwa 300 u von der Teilungs- stelle spitz. Sein Epithel ist in dem ganzen Verlauf zylindrisch, die zellige Wand, ebenso beschaffen wie diejenige des eben beschriebenen rechtsseitigen Kanals, wird medial immer dünner Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 635 636 S. E. WICHMANN, Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 637 638 S. E. WICHMANN, bis zum Verschwinden an dem Ende der epithelialen Elemente des Kanals. Der zweite Kanal, welcher die Fortsetzung der tiefsten Teile der lateral beginnenden Rinne sowie der am weitesten in das Gewebe des Ligaments einragenden Teile des noch ungeteilten Kanals darzustellen scheint (vgl. Figg.3 u. 4), reicht weiter medial bis zur Mitte zwischen den beiden peritonealen Begrenzungsflächen des Mesovariums und biegt sich zugleich etwas in der Richtung gegen die Ansatzstelle des Mesovariums an das Ovarium um. Während eines Verlaufes von etwa 200 u hat das Kanallumen sich bis auf die Weite von etwa 20x 532 u verengt, seine zellige Wand ist allmählich verschwunden und im weiteren Verlaufe medialwärts gehen nun die zylindrischen Epithelien in kubisch-platte über. Bald sendet der Kanal einen Seitenzweig ab, der von ähnlichen Zellen begrenzt ist wie der Kanal selbst und hier und da ein schlitzförmiges Lumen zwischen den Zellen erkennen lässt. Dieser Zweig verläuft schief gegen das Rete ovarıi zu und verbindet sich mit ihm. (Diese letzte Vereinigungsstelle liegt im Mesovarium, denn das eine Strecke lateral davon im Hilusgewebe [inner- halb der Hiluslinie] erschienene Rete ovarlı ist medial in das lockere Gewebe des Mesovariums [ausserhalb der Hiluslinie] vorgerückt [vgl. Figg. 2 u. 4].) Im weiteren Verlaufe medial- wärts nähert sich der Kanal allmählich dem Rete ovarli, so dass er an der dem Ovarium entgegengesetzten Seite desselben liegt, jedoch von demselben immer deutlich und scharf getrennt durch lockeres Bindegewebe, sowie ein arterielles Begleit- geläss, welches zwischen den beiden Gebilden hinwegzieht und in hohem Grade die Verfolgung des Kanales erleichtert. So lässt sich der Kanal ununterbrochen in einer Aus- dehnung von etwa 950 u, von der Abgangsstelle der eben be- sprochenen Reteverbindung desselben aus gerechnet, dem Rete entlang verlaufend, nachweisen. Im Durchmesser misst er, von J u, o / eo N FAN N N | TEN AN h) Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 639 der Basis der Epithelzellen aus gemessen, durchschnittlich während des ganzen Verlaufes etwa 7X 25 u; das schlitzförmige Lumen ist in den Querschnitten meist bogenförmig gekrümmt. Die Epithelzellen sind teils noch gut färbbar (etwa 2,5 u hoch und 4,0—5,0 u breit; Kerne 2 u hoch, 4 u lang), teils schon blass und etwas verschwommen gefärbt. Gewöhnlich grenzt die epitheliale Wand des Kanals unmittelbar an das lockere Binde- gewebe; hier und da ist jedoch eine spärliche Gruppierung von Bindegewebskernen um die Wand merkbar (vgl. Figg. 5—8). Im mittleren Verlaufe des eben besprochenen Abschnittes sehen in Abständen von etwa 100 u voneinander drei dünne lumenführende Seitenzweige von dem Kanal gegen das Rete ovarıi ab, wo dieselben mit dessen Zellsträngen in Verbindung treten. In medialer Richtung von diesen drei deutlichen Rete- verbindungen des Kanals finden sich ab und zu noch mehr undeutliche, aus unzusammenhängenden Zellgruppen be- stehende Züge zwischen beiden Gebilden. In der Nähe des medialen Endes des Kanals treten auf der dem Rete entgegengesetzten Seite desselben deutliche Durchschnitte eines Epoophoronkanals auf, die vollständig den übrigen im Mesosalpinx auf den gleichen Schnitten befindlichen ähnlich sind (vgl. Figg. 2 u. 8). Die Zellen sind cylindrisch (etwa 10—12 u hoch), teilweise sehr gut erhalten und tragen hier und da scharf färbbare Cilien mit deutlichen Basal- körperchen. Umgeben sind die Zellen von einer konzentrischen Wand. — Die Durchschnitte des Epoophoronkanals nähern sich denjenigen des längsverlaufenden Kanales und verschwinden allmählich ganz in der Nähe desselben nach einem Verlaufe von etwa 125 u. In den weiter medianwärts folgenden Schnitten ist nur noch der Kanal zu verfolgen. Es treten aber von neuem auf derselben Seite wie früher Durchschnitte einer anderen Epoophoronkanälchenwandung auf und bald geht das Lumen 640 S. E. WICHMANN, des Kanales in dasjenige des neu erschienenen offen über, welcher als ein charakteristischer Epoophoronkanal mit einem hohen, zylindrischen Epithel, dicker, konzentrischer zelliger Wandung und rundem, ziemlich weitem Lumen in etwas schiefer Richtung sich vom Rete entfernend, in der Mesosalpinx ver- läuft und daselbst spitz und atrophisch dicht an den unteren ebenso spitzen und atrophischen Enden der übrigen Epoophoron- kanälchen (vgl. Fig. 2) endigt. Medial von der erwähnten Übergangsstelle unseres Kanals in den Epoophoronkanal ist der erstere nicht mehr zu verfolgen. In weiteren Schnitten trıfft man in dieser Gegend nur das Rete ovarii, welches durch zwei, ziemlich lange, solide Retesprossen mit den zwei medialsten Epoophoronkanälchen in Kontakt tritt. — Zu bemerken ist, dass lateral von der eben be- sprochenen Übergangsstelle keine NHetesprossen gegen die blinden, unteren Enden der Epoophoronkanälchen abgehen; dagegen aber mehrere (3—5), in einem Bogen verlaufende solide Zellstränge von der entgegengesetzten Seite des Rete ovarii in das Markgewebe des Ovariums gegen die sich bildenden Primärfollikelhaufen. Das kurz zusammengefasste Ergebnis dieser Schilderung ist: Bei einem siebenmonatlichen weiblichen Fetus setzt sich die Rinne der Fimbria ovarica zuerst beiderseitsin einen mit Fimbriaepithel ausgekleideten Kanal fort. Dieser Kanal dringt in das Gewebe des Mesovariums ein und ist durch Sprossen mit dem Rete ovarii verbunden. Auf dereinen Seite endet der Kanalhald darauf blind. Auf der anderen Seite ister dagegen mit verflachten Bpithelien beimahe den? sanzen, dem Epoophorongebiete entsprechenden Teil des Rete ovarii entlang zu verfolgen und tritt mehrmals mit dem Rete ovarii und am medialen Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 641 Ende mit einem der medialsten Epoophoron- kanälchen in offene Verbindung. — Esist also hier eine vollständige Urogenitalverbindung beim weiblichen menschlichen Embryo zu- stande gekommen und zwar nicht nur in der bei Säugetieren schon früher bekannten Art, sondern gleichzeitie Zauchadurreh2Vermittlurng eines Kanales, der mit dem Müllerschen Epithel in kontinuierlichem,‘ offenem Z/nsammienhang steht. Vollständig entsprechende Befunde sind mir aus der Literatur nicht bekannt. Einzelne Mitteilungen aber beziehen sich wohl auf verwandte, wenn nicht gleiche Bildungen. Zuerst möchte ich als die sicherste Beobachtung derartiger Verhältnisse diejenige von Kocks (19) (1906, S. 1375) hervor- heben. Er berichtet über eines seiner Präparate von Lutra vulgaris, wo die „Rinne der Fimbria ovarica sich in einen mit demselben zylindrischen Flimmerepithel ausgekleideten Kanal fortsetzte, der weit in den Hilus des Ovars hinein- [3 ragte.....“ Eine offene Verbindung dieses, von Kocks mit dem Namen „Hiluskanal“ bezeichneten Gebildes mit dem Rete ovarıi oder etwa mit den Marksträngen konnte nicht nach- gewiesen werden. — Dieser Kanal scheint also dem Anfangs- teile der beiderseitigen Kanäle des von mir berichteten Falles zu entsprechen. Bei mehreren (4) Kindern und Erwachsenen fand Roth (33) (1882, S. 64-66) offene Kommunikationen der Fp- oophoron- resp. Epididymiskanälchen mit der Cölomhöhle. Bei einem 19 Jahre alten Mädchen stellte er die Einmündungsstelle seines ‚„Tubo-parovarialkanales“ in die Rinne der Fimbria ovarica fest. In dem zweiten weiblichen Individuum fand er ausser einem „vollständigen Tubo-parovarialkanal“ noch einen zweiten, „rudimentären“, welcher von seiner trichter- 642 S. BE. WICHMANN, förmigen Öffnung auf der Fimbria 5 mm weit in medialer Richtung verlief und „im Bereich des Parovariums“ in einer linsengrossen Cyste endete. — An zwei männlichen Genitalien öffneten sich die Kanälchen auf der Oberfläche der „Mor- gagnischen Hydatiden“, welche Roth als Homologon der Pars infundibuliformis tubae nach Waldeyer annahm. In den sämtlichen Fällen gingen die Kanälchen von dem „lateralen oberen Umfange des Parovarium“ resp. von dem lateralen scharfen Rand der Epididymis aus. Nur für einen Fall erwähnt Roth besonders in dem Kanälchen zylindrisches Flimmerepithel, das er als Regel zu betrachten scheint, indem ihr Bau als demjenigen der Parovarialschläuche resp. der Coni vasculosi ähnlich angegeben wird. Er gibt der Vermutung Raum, dass die freien Ausmündungen ‚den sogenannten Trichtern“ (Segmental-Urnierentrichtern) verwandte Bildungen seien (S. 67). | Über hierhergehörige Befunde haben auch von Wini- warter und Sainmont (52) (1909, S. 393) bei Katzen- embryonen berichtet. In der Zeit „ot le bourrelet genital se dessine‘“ hätten sie nicht selten einen Zusammenhang des Wolffschen Ganges mit dem Peritonealepithel nachweisen können und bei einem 27tägigen Embryo haben sie folgende Verhältnisse konstatiert: Cranial endete der Wolffsche Gang mit vier kurzen lateralen Divertikeln, von welchen die zwei längsten an der medialen Seite des Wolffschen Körpers ver- liefen. Von diesen letzteren Kanälchen stand der mehr ventral gelegene mit dem Cölom in Verbindung durch eine offene Mündung, die er gemeinsam hatte mit einem anderen ähn- lichen Kanälchen, das nach einigem Verlaufe gegen das craniale Ende des „Mihalkovicsschen Organes“, also des Rete zu, solid wurde und mit den Zellsträngen des letzteren in Ver- bindung trat. Es liegt also wohl auch hier eine Urogenitalverbindung vor, Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 643 weil die erwähnten Autoren die Retestränge in primärer Ver- bindung mit den Kapseln der Malpighischen Körperchen der Urniere gefunden haben’ wollen, und zwar ist, wie bei meinem Falle, die Verbindungsstelle in offener Kommunikation mit der Cölomhöhle und dies auf der medialen Seite des Ur- nierenwulstes, also wie wir sehen werden, in einer Gegend, die später an der Bildung der Fimbria ovarica beteiligt ist. Die hier bei einigen höheren Säugetieren gefundenen Ent- wickelungsanomalien könnten, obgleich nur spärliche Beob- achtungen vorliegen, zur Annahme führen, dass bei den Säuge- tiervorfahren die Urogenitalverbindung Beziehungen zur Cölom- höhle gehabt hat, und zwar in einer Gegend, die der jetzigen Fimbrienrinne der ausgebildeten weiblichen Adnexa entspricht. Andererseits könnte man dann auch an die Möglichkeit denken, dass man bei den jetzt lebenden Säugetieren, besonders in den frühesten Entwickelungsstadien der entsprechenden Regionen, Anklänge an ähnliche frühere Verhältnisse finden könnte. In- wieweit dies der Fall ist, mag die folgende Zusammenstellung der Befunde in den mir verfügbaren Serienpräparaten zeigen. Von quer, längs und frontal geschnittenen Serien ver- schiedener Altersstufen verschiedener Säugetierembryonen zeigten diejenigen von Hundeembryonen, besonders für die jüngsten Stadien, sehr klare Bilder der Anlage der inneren Geschlechtsteile im Stadium der Geschlechtsleiste. Für die etwas älteren Stufen waren Schaf- und Schweineserien ebenso brauchbar. Selbstverständlich gaben die quer geschnittenen Serien die mich interessierenden Verhältnisse am unzwei- deutigsten wieder, so dass die längs und frontal geschnittenen mehr als Kontrollserien bei der Arbeit von Bedeutung waren. Die Durchsicht der Präparate richtete sich vorwiegend auf die craniale Hälfte der Geschlechtsleistenregion und ganz besonders auf das Mesodermgewebe, welches antero-medial von 644 S. E. WICHMANN, der Mesonephrosanlage resp. den Bowmanschen Kapseln des ausgebildeten Mesonephros liegt und diese letzteren von dem Cölomepithel auf der medialen Seite des Mesonephroswulstes trennt. Nach den obigen Bemerkungen gebe ich möglichst kurz die Beschreibungen einiger Serien, in denen alle mich hier inter- essierenden Befunde enthalten sind. Zwei Hundeembryonen von 22 resp. 24 Urwirbel- paaren und etwä 1Sresp. 20 Tagen. Vom proximalen Nephrotom- ende beginnend sind noch sechs deutliche, obwohl besonders cranial ganz rudimentäre, solide Pronephroskanälchenanlagen vorhanden. Sie gehen alle von einer beinahe rinnenförmig längsverlaufenden seichten Einsenkung im dorso - medialen Gölombegrenzungsepithel aus, welche sich weiter caudalwärts verfolgen lässt in einer Linie, wo die Zellkugeln und Zell- bläschen des Mesonephros der Cölomhöhle am nächsten liegen. Auf der dorso-lateralen Seite der letzteren verläuft im meso- dermalen Zellgewebe, von der Umgebung durch eine deutliche Basalmembran getrennt, der primäre Harnleiter, der als eine kontinuierliche Fortsetzung des siebenten, am besten ent- wickelten Pronephroszellstranges imponiert und 0,5 resp. 0,5 mm von dem caudalen Ende der Embryonen spitz in dem Epidermisblatt endigt. — Der achte Zellkomplex ist be- deutend grösser als die cranialeren, solid und vom primären Harnleiter getrennt, so dass man denselben als die erste Mesonephroskugel bezeichnen kann. Darauf folgen caudalwärts vier resp. sieben mit einem deutlichen Lumen versehene Zell- bläschen, dann solide. Zellkugeln, dann das ungeteilte Ur- nierenblastem. Die Begrenzung gegen die Umgebung ist bei den Meso- nephroskugeln und -bläschen eine sehr ähnliche. Gegen die Seite des primären Harnleiters sowie lateral sind sie scharf - Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 645 abgesetzt durch eine Art von Basalhaut. Gegen den ventralen Teil des Scleromyotoms und gegen das Cölomepithel fehlt dagegen am cranialen Teile der Zellkugeln eine scharfe Grenze, weil die erwähnte Basalhaut sich hier in mehrere feine Ästchen verteilt, die zwischen den Zellen des Übergangsgebietes in die Umgebung sich verzweigen. Dadurch ist es an diesen Stellen oft unmöglich zu unterscheiden, welche Zellen dem Mesonephros angehören, welche dagegen der Umgebung, und das um so mehr, als man nicht selten eben in diesen Über- gangsgebieten Zellteilungsfiguren antrifft, die Zellmaterial so- wohl für das Mesonephrosbläschen, als andererseits auch z. B. für das Cölombegrenzungsepithel zu liefern scheinen. Diese letzteren Befunde fallen regelmässig zusammen mit der oben erwähnten Längsfurche, die an entsprechenden Stellen eine etwas erheblichere Tiefe aufweist als in der nächsten Um- gebung. — Die Figg. 9 u. 10 demonstrieren diese Verhältnisse. Besonders in Fig. 9 gehen die Kerne des Mesonephrosbläschens kontinuierlich, durch Vermittlung eines wenigstens grössten- teils Jlumenführenden Zellstranges und Umbiegung der Kern- achsen um 90°, allmählich in die Kerne des Cölomepithels über. Die Höhe des letzteren in der Nähe der Längsrinne ist, wie aus den Figuren hervorgeht, etwas beträchtlicher als in der Umgebung. Noch sind keine Andeutungen der Geschlechtsleiste vorhanden. Bei mehreren Schafembryonen, von etwa 14—16 mm grösster Länge und 20-22 Tagen, welche schon die Glomeruli und die Urnierenkanälchen in Verbindung mit dem primären Harnleiter aufweisen, sind die Beziehungen zwischen den Epithelien des Cöloms und der Mesonephrosbestandteile weniger klar. Jedenfalls ist aber die Begrenzung der erwähnten Epithel- flächen gegen das Mesodermgewebe im Bereiche etwa der 10—12 cranialsten Glomeruli ganz unscharf und konnte ich auf den entsprechenden Stellen keine Basalmembran, wie in 646 S. E. WICHMANN, der Umgebung, auffinden. Auf diesen, ungefähr der Mitte eines jeden Glomerulus entsprechenden, Stellen gehen die an die Cölomhöhle grenzenden Zellen mit mehr oder weniger unregel- mässigen Konturen in die darunter liegenden und, soweit das auf den Präparaten festzustellen war, ähnlichen Zellen des mesodermalen Gewebes über. Diese Mesodermzellen sind grösser, regelmässiger und dichter aneinander gestellt als die- jenigen der Umgebung, sowohl in der Richtung gegen die Aorta als lateral zwischen der vorderen Wand des Glomerulus und dem Cölomepithel. Diese grossen, mit ziemlich scharf begrenztem Zelleib versehenen Zellen überbrücken den Abstand von der Cölomhöhlenbegrenzung bis zur Bowmanschen Kapsel. Die Epithelien der letzteren sind an den entsprechen- den Stellen entschieden von denjenigen der übrigen Kapsel- wand verschieden, indem sie durch ihren rundlich-polygonalen, ohne scharfe Grenze in die grossen Mesodermzellen über- gehenden Zelleib und bedeutend grösseren, rundlichen Kern deutlich unterscheidbar sind von den übrigen endothelartigen und scharf von dem umgebenden Mesoderm abgesetzten Kapsel- epithelien. Hier und da konnte auf den geschilderten Stellen eine seichte Einsenkung der grösseren Zellenelemente der Bowmanschen Kapsel in das unterliegende Gewebe beob- achtet werden. Die Fig. 111), welche in der Höhe des 9. Glomerulus gezeichnet wurde, zeigt die berichteten Ver- hältnisse. Einige Schnitte caudal von der gezeichneten Stelle be- sinnt die Geschlechtsleiste sich auf einer, den oben be- schriebenen Übergangsstellen der Epithelien in die Mesoderm- zellen entsprechenden Gegend von der Unterlage durch all- mähliche Ansammlung von Zellen unter dem Cölomepithel ') Die Figur ist auffallend einer von Weldon für Lacerta muralis ge- gebenen ähnlich, besonders was den Übergang der Epithelien in die Meso- dermzellen betrifft. (Weldon (45), Taf. 18. Fig. 2.). Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 647 abzuheben. — Die oben bei den Hundeembryonen erwähnte Längsrinne ist nur hier und da andeutungsweise an den, den Übergangsstellen entsprechenden Gegenden vorhanden, fehlt jedoch z. B. an der gezeichneten Stelle. Hundeembryo von etwa 14-15 mm grösster Länge und 25 Tagen. — Am cranialen Ende des Mesonephroswulstes ist das Epithel desselben besonders hoch, nicht nur am antero- lateralen Rande in der Fortsetzung des Zwerchfellbandes und dem cranialen Ende des primären Harnleiters entsprechender Gegend, sondern auch auf der antero-medialen Seite, wo das- selbe sich in das Epithel der Geschlechtsleiste fortsetzt. Durch Verfolgung der Schnitte in caudaler Richtung lässt sich hier beiderseits in dem verdickten Epithel eine längsverlaufende, etwas verschieden tiefe Rinne bis zum 18.-—-20. Urnieren- glomerulus nachweisen. Schon von etwa dem 16. Glomerulus anfangend sind in der Umgebung dieser Furche häufige Kern- teilungsfiguren vorhanden. In den folgenden Glomerulus- abschnitten wird das zellige Gewebe in der Rinnengegend immer dicker, so dass man am 24. Glomerulus in der Fortsetzung der erwähnten Rinne eine in Querschnitten halbkugelförmig in die Cölomhöhle emporragende Geschlechtsdrüsenanlage findet. Diese lässt sich weiter bis zum 37. Glomerulus als eine Vorwölbung des medialen Urnierenwulstes nachweisen und endet am 40. Glomerulus in eine einfach zylindrische Epithelbegrenzung des Cöloms. Die beschriebene Rinne im ceranialen Teile der Geschlechts- leiste liegt nahe dem medialen Rande der Glomeruli. An Stellen. welche gewöhnlich etwa in der Mitte eines jeden Glomerulus zu liegen pflegen, ist die Rinne besonders vertieft und die Ab- grenzung des zylindrischen Rinnenepithels sowie auf ent- sprechenden Stellen des ziemlich naheliegenden Bowman- schen Kapselepithels gegen das sehr dicht gedrängte meso- Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd. H. 3). 42 648 S. E. WICHMANN, dermale Zellgewebe ganz unscharf. Dies um so mehr, als hier die Zellen unter den erwähnten Epithelflächen sehr dicht an- einander gedrängt liegen und ihre Kerne oft so angeordnet sind, dass sie als direkte Fortsetzung der Kernreihe, besonders der Cölombegrenzungsepithelien, imponieren und so den Zwischenraum von der Rinne bis zur Bowmanschen Kapsel überbrücken. Diese Zellbrücken lassen sich bis zum cranialen Ende der Geschlechtsdrüsenanlage, wo sie ganz deutlich und besonders zellreich sind, nachweisen. Von etwa der 2. oder 3. Glomerulusgegend beginnend ver- läuft etwas medial und hinten von der Längsrinne ein un- gleich dicker Zellstrang. Seine verdickten Abschnitte nehmen in caudaler Richtung zuerst an Umfang zu (am 10. Glomerulus im Querschnitte etwa 45x75 u messend) und sind bis zum 13. bis 14. Glomerulus ununterbrochen, und in immer un- deutlicher werdenden Rudimenten bis zum 20. Glomerulus verfolebar. Die Zellen dieses Stranges sind grösser als die- jenigen des umgebenden, ziemlich scharf besonders nach hinten zu von demselben abgesetzten Mesenchymgewebes; sie haben rundliche Kerne und einen sich intensiv färbenden Zelleib. — Der Zellstrang tritt im Bereiche der etwa 10—12 cranialsten Glomeruli an den umschriebenen dickeren Stellen mehrmals, besonders deutlich an der gezeichneten Stelle (Fig. 12), mit den oben beschriebenen Zellbrücken von der inne zum Bowmanschen Epithel in kontinuierliche Ver- bindung, seltener und durch unzusammenhängende Zellzüge mehr medial von der Rinne direkt mit dem zylindrischen Cölomepithel. Innerhalb und in der nächsten Umgebung des Zellstranges kann man mehrere kleine Blutgefässe beob- achten. — Nach dieser Schilderung ist es wohl berechtigt, in diesem Zellstrange die Anlage des Zwischennierensystems zu sehen. Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 649 Zwei Schweineembryonen, von 11 resp. 12 mm Nackensteisslänge und etwa 29 Tagen, zeigen die besprochenen Organteile in ähnlich weit gediehener Entwickelung und teil- weise die besprochenen Verhältnisse so deutlich ausgeprägt, dass ich kurz bei denselben verweilen muss. — Am cranialen Ende des Mesonephroswulstes ist dessen Oberflächenepithel höher als in der Umgebung, besonders an der antero-lateralen Seite, wo es als die distale Fortsetzung des hohen Zwerchfell- bandepithels als eine erhöhte Falte parallel dem Verlaufe des primären Harnleiters eine Strecke weit in caudaler Richtung zu verfolgen ist, und zweitens auf der antero-medialen Seite, wo es in das verdickte Epithel der Geschlechtsleiste ausläuft. Cranial sind diese Flächen erhöhten Epithels miteinander durch einen Streifen ebenfalls zylindrischen Epithels verbunden. Das mediale erhöhte Epithel bedeckt in seiner cranialen Hälfte eine ziemlich breite Fläche zwischen der medialen Glomeruluswand und der Radix mesenteri. An der der Glomeruluswand genäherten Seite dieser Fläche verläuft eine ebensolche rinnenförmige Vertiefung, wie oben geschildert wurde, von dem 2.—3. etwa bis zum 18. Glomerulus. Dort setzt sie sich allmählich ebenfalls in die Geschlechtsdrüsen- anlage fort, während der mediale Teil dieser Fläche mit er- höhtem Epithel gleichzeitig in das Radix mesenteri-Epithel hineingezogen wird. Die erwähnten brückenartigen Verbindungszüge zwischen dem Epithel der Rinne und den Bowman schen Kapseln sind stellenweise sehr deutlich. Die Cölomhöhle entsendet, wie das in den Figg. 13 u. 14 sichtbar ist, an den entsprechen- den Stellen mehr oder weniger tiefe Ausbuchtungen ihres Lumens in diese Zellenzüge. Undeutliche Einsenkungen des Kapselepithels sind gewöhnlich an den Brückenansatzstellen zu verzeichnen. Von etwa dem 13.—15. Glomerulus an beeinnt die Länes- 42* 650 S. E. WICHMANN, furche sich abzuflachen, die Brücken werden zellenreicher, aber dabei auch undeutlicher gegen die Umgebung begrenzt und durch Vermehrung des Zellenmaterials unter dem Epithel der Rinnenfortsetzung wird diese etwa am 18. Glomerulus von der allmählich deutlich gewordenen Geschlechtsdrüsenanlage aus- gelöst. Diese bildet ım Bereiche der 20.—355. Glomerulus- abschnitte eine im Querschnitte halbkugelförmig hervorragende Vorwölbung der medialen Wand des Mesonephroswulstes, dessen Epithel, das Epithelium germinativum, ziemlich deutlich gegen das unterliegende Zellpolster abgesetzt ist. Vom 3.—4. Glomerulusabschnitte bis zu etwa dem 15. verläuft das Zwischennierenblastem, cranıal dicht an der Seite der medialen Wand der Malpighischen Körperchen und durch unzusammenhängende Zellzüge mit den oben geschilderten Brücken in Verbindung (vgl. Figg. 13 u. 14), caudal aber mehr isoliert im lockeren Mesenchvmgewebe, der Aorta genähert. Das Blastem besteht aus teilweise voneinander isolierten Zellen- massen, die jede regelmässig an der Mitte der Glomeruli, also an den den Zellenbrücken entsprechenden Stellen ihren grössten Umfang erreichen und beim Verfolgen der Quer- schnitte in eranıo-caudaler Richtung bald an Umfang zu-, bald abnehmen. — Relativ zahlreiche kleine Blutgefässe treten mit den Zellenmassen ın nahe Beziehung. Bei zwei Schweineembryonen von 18 mm Nacken- steisslänge, welche ın Sagıttal- und Frontalserien zerlegt waren, ist die Verdiekung des Epithels am cranialen, antero-lateralen Umfange des Mesonephroswulstes, etwas unter der Ansatz- stelle des Zwerchfellbandes, sehr deutlich in medio-distaler Richtung zum cranialen Ende des erhöhten Geschlechtsleisten- epithels zu verfolgen. Unter diesem Streifen erhöhten Epithels indet sich eine deutliche Ansammlung von Mesenchymzellen, welche denselben von der Umgebung zu unterscheiden erlaubt. Über die Entstehung der Urogenitaiverbindung etc. 651 Am eranialen Ende dieses Streifens bemerkte ıch in dem einen Falle eine seichte Einbuchtung des besonders hohen Epithels in das unterliegende (Gewebe. Schafembryo von 28 Tagen. Schon am ersten Ur- nierenglomerulus ist das Epithel des Mesonephroswulstes be- sonders hoch am antero-lateralen Umfange desselben, unter- halb des Ansatzes des Zwerchfellbandes. Hier ist auf der linken Seite der Beginn der Einstülpung des Müllerschen Ganges vorhanden, auf der rechten Seite an entsprechender Stelle dagegen nur eine seichte Einbuchtung inmitten des hohen Epithels. Das Epithel zwischen diesen Punkten und dem ebenfalls medial erhöhten Epithel am cranıalen Ende der Ge- schlechtsleiste ist gleich wie bei den eben besprochenen Schweineembryonen höher, zylindrisch, als mehr caudal auf der vorderen Fläche des Mesonephroswulstes. Im cranialen Abschnitte der Geschlechtsleiste, oberhalb der eigentlichen Geschlechtsdrüsenanlage, finden sich gleich- artige Verhältnisse wie in den früher berichteten Fällen, je- doch bedeutend weiter entwickelt. Das dürfte aus den Figg. 15, 16, 17 u. 18, die am 5., 9., 15. und 18. Glomerulus abgezeichnet sind, hervorgehen. An den cranialsten Glomerulusabschnitten sind die Zellenanhäufungen zwischen Kapsel- und Cölomepithel nur undeutliche Verdichtungen des Mesodermgewebes; von etwa dem 5. ab überbrücken sie aber den erwähnten Zwischenraum und stehen ın der Folge mehrmals bıs zum 13. 14. Glomerulus in deutlicher Verbindung mit dem Zwischennierenblastem, welches hier einen kontinuierlichen, bis etwa zum 19.— 20. Glo- merulusabschnitt verlaufenden soliden Zellstrang bildet. Die mehr oder weniger deutlich entwickelten Zellbrücken gehen immer von der mehrmals erwähnten Längsrinne ab und setzen sich an das Kapselepithel oft an denselben Querschnitten, welche auf der entgegengesetzten Seite des Kapselraumes die 652 S. E. WICHMANN, Einmündungen der Urnierenkanälchen in dasselbe aufweisen. Bis zum 11. Glomerulus werden diese Brücken immer deut- licher, mehr caudal sind sie aber weniger scharf gegen die Umgebung abgesetzt, weil hier die Epithelien der Rinne und des unterliegenden Mesodermgewebes eine immer grössere An- häufung ihrer Bestandteile aufweisen. Dadurch wird die Rinnen- gegend durch mehrfache Hervorragungen und Einbuchtungen unregelmässig gestaltet und durch eine immer erheblichere An- häufung von zelligen Elementen, besonders im subepithelialen (Gewebe, auf einer ziemlich breiten Strecke vom 11. bis zum etwa 16. Glomerulusabschnitt, ein immer dicker werdendes Zellenpolster unter dem Oberflächenepithel geschaffen. Dieser anfangs gegen die Umgebung ganz unscharf abgesetzte Teil des Geschlechtswulstes beginnt sich allmählich zwischen den 14. bis 16. Glomerulusabschnitten beiderseits abzugrenzen und tritt erst etwa beim 18. Glomerulus als die wohl umschriebene Ge- schlechtsdrüsenanlage hervor. — Ein Vergleich der Figg. 17 und 18 zeigt die beschriebenen Verhältnisse in groben Zügen. Besonders möchte ich die Aufmerksamkeit richten auf die be- deutend dickere unterepitheliale Zellenanhäufung in der Fig. 17 (welche eben ceranial von der Geschlechtsdrüsenanlage liegt) als in der Fig. 18, welche einen (Querschnitt durch die (e- schlechtsdrüsenanlage selbst wiedergibt. Ein Vergleich der Serien schliesst bei ersterer vollständig die Möglichkeit von Schiefschnitten aus. Eine Andeutung einer Zellenbrücke ist auch in der Fig. 17 abgebildet. Doch ist dieselbe nur an der Kapsel deutlicher durch die etwas höheren Kapselepithelien und die dicht an- liegenden Mesodermzellen wahrzunehmen. Auch hier mündet der entsprechende Urnierenkanal in demselben Schnitte in den Kapselraum. Schafembryo von 2 cm grösster Länge. In den Sagittal- schnitten ist der Müllersche Gang von seiner Abdominal- Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 653 öffnung bis etwa zur Mitte des Wolffschen Körpers zu ver- folgen. Der Trichter desselben scheint etwas mehr medial ge- legen zu sein als im 28tägigen Stadium und ıst mit deutlich medialwärts gerichteter Mündung versehen. Das hochzylin- drische Epithel desselben setzt sich medial- und caudalwärts fort als ein von der Umgebung wohl begrenzter Streifen er- höhten Epithels, das ohne Grenzen in den eranialen Teil des Epithels der Geschlechtsleiste übergeht. Dieses zeigt ebenso wie in den früher beschriebenen jüngeren Stadien eine von kleinen Vertiefungen und von in das unterliegende mesodermale Gewebe hineindringenden Zellzügen getrübte Oberfläche. Dies besonders etwas cranial von der Geschlechtsdrüsenanlage, wo das zellige Gewebe unter dem Oberflächenepithel, wie im 2Stägigem Stadium, besonders zellenreich ist. Schweineembryo von 6,2 cm Länge. Beim Verfolgen der Querschnitte in eranio-caudaler Richtung findet man am oberen Pole des Wolffschen Körpers zuerst nur ein ziemlich niedriges Oberflächenepithel und im Gewebe desselben einige enge Urnierenkanälchen und verhältnismässig kleine, atro- phische Glomeruli. Bald tritt aber an der antero-medialen Seite, an einer etwas hervorragenden Stelle desselben, höheres Epithel auf, welches kontinuierlich in das Epithel des Müllerschen Trichters übergeht. Die Mündung des letzteren ist deutlich medialwärts gerichtet (Fig. 19), und verläuft der Müllersche Gang von da ab zuerst in antero-lateraler Richtung und biegt sich an die Seite des primären Harnleiters angelangt, auf die antero-mediale Seite desselben. Von hier ab ist derselbe immer mehr atrophisch in einer Falte, welche tiefer auch den primären Harnleiter enthält, bis zur Höhe des cranialen Endes der Gie- schlechisdrüse zu verfolgen (Figg. 2023). Das hohe Epithel der Umgebung des Müllerschen Trichters teilt sich in zwei verschiedene, caudalwärts beinahe parallel verlaufende Streifen 654 S. E. WICHMANN, zylindrischen Epithels. Der eine Streifen begleitet den Müller- schen Gang, die Kuppe der erwähnten Falte bedeckend und verliert sich immer flacher werdend mit dem Verschwinden des Ganges in das umgebende platte Oberflächenepithel des Wolffschen Körpers. Der zweite Streifen verläuft geradlinig in cranio-caudaler Richtung bis zum cranialen Ende der Ge- schlechtsdrüse (Testis). Schon im Bereiche der ungeteilten Fläche von erhöhtem Epithel, in der Höhe des Müllerschen Trichters etwa, geht aus dem postero-medialen Teile desselben eine Einstülpung des Epithels in die Tiefe, wo sie in Zusammenhang tritt mit einer Anhäufung von soliden, strangförmigen, von der Umgebung begrenzten Zellsträngen (Fig. 19), deren Zellenelemente hier undeutlich konturiert und zu degenerieren scheinen. Weiter caudal setzen sich diese Zellstränge fort ın das gutentwickelte, aus meistenteils soliden Strängen bestehende NRete testis, welches parallel dem im eranialen Ende der Geschlechtsdrüse endenden Zylinderepithelstreifen verläuft. Vom eranialen Teile dieses Streifens gehen noch zwei weitere wohl ausgebildete, beinahe schlauchartige Einstülpungen des hohen Epithels in das Unterlagsgewebe, wo sıe durch je eine solide Fortsetzung in Kommunikation treten mit den hier gut ausgebildeten Rete- strängen (Fig. 20 u. 25, 21). Alle diese drei Verbindungsbrücken des erhöhten Streifen- epithels mit den Retesträngen gehen von einer in seiner cranı- alen Hälfte wohl ausgebildeten Längsrinne in der Mitte des Streifens aus. Weil dieser Streifen, wie aus den Figg. 19, 20, 21 u. 22 ersichtlich, auf der Kuppe einer Längsfalte. des Wolffschen Körpers liegt, so erscheint diese Falte infolge- dessen in seiner cranialen Hälfte etwa wie geteilt, in seiner caudalen Hälfte, wo die Rinne fehlt, dagegen einfach. Dieses ganze bis zum oberen Testispole verlaufende Gebilde gleicht also beinahe vollständig einer Fimbria ovarica bei weiblichen Individuen. BORN epa« JFBegmann Verlag v Wiesbaden Werner u'Winter, Frankfurt M Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 655 Fig. 19. Fig. 20. 656 S. E. WICHMANN, 6 18) 7 655 S. E. WICHMANN, Ausser diesen ganz cranial gelegenen Verbindungen mit dem hier erhöhten Cölomepithel geht das Retestrangsystem Verbindungen nur mit den Kapseln der Malpighischen Körperchen ein, und zwar auf der erheblichen Strecke vom cranialen Ende der Urniere bis zum Erscheinen auf den Quer- schnitten von den Samenkanälchen des Testis, welche auch mil den Retesträngen sich verbinden. (Vel. Fig. 323 n Bonneits Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte, 1907, S. 430.) Diese auf der rechten Seite verzeichneten Befunde decken sich mit denjenigen auf der linken Seite, nur gehen hier zwei Verbindungsbrücken von einer Ähnlichen Rinne zu den Rete-Testissträngen hinüber. Allgemeine Bemerkungen. Die zusammengestellten normalen und anormalen Befunde werden nur verständlich auf der Basis einer kritischen Be- sprechung der phylogenetischen Entwickelung des Urogenital- systems der Wirbeltiere mit spezieller Berücksichtigung der bei den verschiedenen Vertretern der Säugetiere von ver- schiedenen Autoren festgestellten einander widersprechenden Befunde. Obwohl in unseren Kenntnissen noch viele Lücken besonders in der ontogenetischen Entwickelung bestehen, so ist es doch schon möglich, sich wenigstens in groben Zügen eine Vorstellung von der Gesamtentwickelung zu verschaffen. Beim Studium der phylogenetischen Entwickelung des Urogenitalsystems fällt sofort der innige Zusammenhang des Genital- und exkretorischen Systems schon bei den ältesten Wirbeltierformen auf. Es wird ja sogar behauptet, dass die Vornierenkanälchen der Wirbeltiere und die Genitalkanälchen Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 659 der Anneliden als homologe Gebilde von gleichen Organen ihrer Vorfahren abzuleiten seien. Auch wird angenommen, dass bei diesen letzteren diese Organe und die Geschlechts- drüsen in der ganzen Länge des Rumpfes vorhanden waren, dass die verschiedenen Geschlechtsdrüsenabschnitte der seg- mentierten Cölomhöhle ihre Produkte durch die Genital- resp. Vornierenkanälchen auf die Körperoberfläche befördert haben. Durch die Bildung einer eimheitlichen Cölomhöhle an Stelle der früheren segmentierten, wie es die homologen Gonaden- säcke der Acölomaten noch demonstrieren sollen, fiel der Grund für die Segmentierung der Geschlechtsdrüse und der Ausführungsgänge (Genitalgänge) weg, und es waren die Vor- aussetzungeen zur Bildung einer einheitlichen Geschlechtsdrüse, sowie zur Vereinigung ihrer verschiedenen Ausführungswege durch eine Längskommissur zum einheitlichen Ausführungs- sange gegeben. Ihrer Herkunft nach sind diese beiden Systeme also wenigstens in der ganzen Länge der Cölomhöhle angelegt ge- wesen, und man könnte also in schematischer Weise die Ur- form des Urogenitalapparates der Wirbeltiere etwa im folgenden Bilde zusammenfassen: Eine längs der ganzen Cölomhöhle verlaufende seitliche Reihe von Vornierennephrostomen und in deren Umgebung, besonders medial zwischen ihnen und dem Mesenterialansatze, die zwischen den Cölomepithelien. liegenden Genitalzellen in einer ebenfalls längsverlaufenden Reihe (Geschlechtsleiste). In jedem Vornierensegment mehr oder minder deutlich differenziert die Nephrostome, Ergänzungs- kanälchen, Malpighischen Körperchen, die Hauptkanälchen und der Sammelgang. Diese Urform wird im Laufe der Entwickelung sowohl der Anlage als der Ausbildung nach in verschiedenen Ab- schnitten beschränkt, einmal durch die infolge der immer weiter fortschreitenden Spezialisierung der verschiedenen 660 8, E. WICHMANN, Organsysteme des Embryo bedingten Organverschiebungen und dann durch die verschieden grossen physiologischen Anforde- rungen des Organismus speziell an die hier zu erörternden Organsysteme. In der Ontogenese der höheren Entwickelungs- stufen sind a priori nur noch mehr oder weniger deutliche Anklänge an die ursprünglichen Formen zu erwarten. Es ist deshalb das oben entworfene Bild der Urform beim Studium der Entwickelung des Urogenitalsystems von besonderer Wichtigkeit, denn gemäss der gegenwärtigen entwickelungs- geschichtlichen Anschauungsweise ist man berechtigt, bei der Weiterentwickelung auf der Basis einer Grundform den ver- schiedenen Abschnitten derselben das Vermögen zuzuschreiben je nach dem Bedürfnis, in jedem Spezialfalle entsprechend funktionierende Bestandteile des Systems zu erzeugen. Das enthüllt sich besonders in der Stammesentwickelung des exkretorischen Systems. Es bilden sich ja in der auf- steigenden Wirbeltierreihe die drei einander ablösenden Systeme des Pronephros, Mesonephros und Metanephros, von welchen die zwei ersteren nähere Beziehungen zu dem Genitalsystem aufweisen. Für das Verständnis dieser Beziehungen ist es besonders wichtig, diese drei verschiedenen Systeme als Teile des sich weiter entwickelnden nephroblastischen Gewebsstranges aufzufassen. Dadurch können die verschiedenen integrierenden Bestandteile der aufeinander folgenden Systeme miteinander verglichen werden und also auch speziell die Teile, welche bei höheren Tieren in den Dienst der Urogenitalverbindung eintreten, auf entsprechende phylogenetisch und ontogenetisch frühere Formen bezogen werden. Uber die Urogenitalverbindung. Bei Wirbeltieren, deren männliche Individuen eine ge- schlossene Urogenitalverbindung zur Ableitung der Geschlechts- Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. ‚661 produkte besitzen, werden die Kanälchen des Mesonephros als Abführwege benutzt. Dabei kommt in der Regel die offene Verbindung der Urnierenkanälchen mit der Cölom- höhle, besonders bei den höheren Tierformen, nicht mehr zur Ausbildung, und es entstehen zwischen den mit Malpıighi- schen Körperchen versehenen Enden der cranialen Mesonephros- kanälchen und der Geschlechtsdrüse die sogenannten Vasa efferentia, welche die Urogenitalverbindung vermitteln. — Ge- rade in der Frage nach der Herkunft dieser Vasa efferentia weichen die Ansichten der verschiedenen Forscher am meisten voneinander ab, und speziell für die Säugetiere herrscht da noch jetzt, wie wir sehen werden, völliges Dunkel. Bei dem Versuche, meine Präparate zu deuten, werde ich die meine Befunde betreffenden Anschauungen der Autoren be- rücksichtigen. Die Verbindungen der Zellkugeln resp. Zellbläschen der zwei ersten Hundeembryonen mit dem Cölomepithel kann man selbstverständlich nur als den lateralen Teil des sogenannten Ursegmentstieles, also als dem Ergänzungskanälchen im aus- gebildeten Vornierensegment entsprechende Gebilde deuten. Es entsprechen also diese Gebilde rudimentären primären Nephro- stomalkanälchen. Das Vorhandensein dieser Verbindungen ın der ganzen Länge des Nephrotoms bei diesen Embryonen be- weist weiter, dass diese meine Befunde keine Ausnahme bilden, sondern dass auch in der Säugetierklasse noch von dem lateralsten Teil des Ursegmentstiels herrührendes Zellen- material existiert. Was ist aber dann das Schicksal dieser mesodermalen Elemente? Verschwinden sie spurlos, wie man es allgemein anzunehmen scheint, weil meines Wissens auf deren Existenz die Aufmerksamkeit nicht besonders gerichtet worden ist, oder bleiben sie erhalten und werden dann um- oder weiter- gebildet? — Vom Studium meiner Präparate habe ich den 662 S. E. WICHMANN, sicheren Eindruck bekommen, dass das letztere wenigstens im cranialen Teile der Geschlechtsleiste, dem sogenannten ‘ progonalen Teil oder der „portion presexuelle“ der iranzö- sischen Forscher der Fall ist. Denn anders kann ich die in sämtlichen Serien mehr oder weniger deutlich entwickelten, oft den ganzen Abstand von der Bowmanschen Kapsel bis zu dem Epithel der progonalen Ge- schlechtsleiste überbrückenden Zellspangen nicht erklären. Es fehlen nämlich in meinen Präparaten alle Anzeichen aktiven Wachstums der Zellstränge von einer der hier in Frage kommen- den Epithelflächen durch das mesodermale Gewebe gegen die andere. In den Strängen sind die Zellteilungsfiguren nicht be- deutend häufiger gewesen als in der Umgebung, und die mil dem Alter der Embryonen zunehmende Deutlichkeit der Zell stränge scheint mir auf ein allmählıches Auftauchen derselben aus dem mesodermalen Bildungszellgewebe zu deuten. Über ähnliche von Anfang an bestehende Vereinigungs- züge zwischen den Urnierensegmenten und dem Geschlechts- leistenepithel findet man ın der Literatur Angaben nur in ver- einzelten Fällen. So fand Semon (39) (1892) beilchthyophis die von der Seitenplatte sich lösenden Ursegmentstiele dauernd mit derselben verbunden durch Zellstränge, die sich schliesslich in die Genitalstränge umbildeten; an der Kontaktstelle dieser Zellstränge mit der Seitenplatte sollte später die Genitalfalte sich entwickeln. An der entsprechenden Stelle in der Cölom- wand liess Brauer (8) (1902) bei Hypogeophis dagegen die sekundären Nephrostome entstehen. In der Regel lassen die Autoren jedoch die sogenannten Vasa efferentia durch ein aktives Wachstum der hier in Frage kommenden epithelialen Flächen entstehen. Dies wurde zuerst von Braun (9) (1877, S. 205) für einige Reptilien angegeben, indem er an der Basis der Geschlechtsdrüse eine Serie von aus den Kapseln der Malpighischen Körperchen ausgehenden Über die Entstehung der Uregenitalverbindung etc. 663 soliden Fortsätzen fand. Diese traten später zu einem lang- gestreckten, vielfach durchbrochenen Zellstrang (Segmental- stränge), welche bei der Natter sich zu einem Längskanal aus- bildeten, zusammen, und von diesen aus fand die Einwucherung der Stränge in die Keimdrüse hinein statt. Zu bemerken ist, dass Braun vollständige Serien von besonders den jüngsten Stadien seiner Objekte nicht zur Verfügung hatte. Nach der Braunschen Publikation wurde die Frage über die Form und Art der Entstehung der Urogenitalverbindung auch bei den Säugetieren eifrig in Angriff genommen. Nachdem Waldeyer (43) (1870, S. 141) zuerst die den Vasa efferentia der niederen Tiere entsprechenden Schläuche des Rete Hallerı im Marklager und Hilusgewebe einiger Säuge- tiere (des jungen Hundes, der Katze und des Kalbes) gefunden und dieselben als Schläuche des Epoophoron, welche zwecks der Urogenitalverbindung in die Geschlechtsdrüse hineinwachsen, gedeutet hatte, wurden die verschiedenen Bestandteile der Ver- bindung bei erwachsenen Tieren festgestellt durch die Arbeiten von Balbiani (2) (1879, S. 204), van Beneden (42) (1880, S. 536), Janosik (18) (1885, S. 176), vonMihälkovics (25) (di885, Sau. a. Aber über die Entstehungsweise des wichtigsten Teiles in der Verbindung, der Retestränge, ist bis zu den letzten Jahren noch keine Übereinstimmung erzielt worden. Auf Grund topographischer Befunde bei ziemlich alten Embryonen und erwachsenen Tieren sowie augenscheinlich durch die Braunsche Anschauungsweise beeinflusst, schlossen sich Romiti (32) (1874, S. 202), Koelliker (22) (1875, S. 93), Balbiani (2) (1879, S. 204), Balfour (3) (1878, S. 312), Harz (15) (1883, S. 401) u. a. der von Waldeyer ausgesprochenen Ansicht an. — Auch eine andere Entstehungs- weise wurde jedoch bald für die Vasa efferentia angegeben, indemez.B# Beil ie (13) (leXbes. 55 Di). Schulin (36) (1881, Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd. H. 3). 43 664 S. E. WICHMANN, S. 463) und Janosik (18) (1885, S. 176) bei Jungen Säugetier- embryonen (die Retestränge ursprünglich im Zusammenhang mit (den Samenkanälchen, aber gleichzeitig von den daneben liegenden Urnierenkanälchen getrennt, zu finden glaubten. Gleichzeitig ‘wurde die Theorie des Ursprungs der Rete- stränge aus der Urniere nachdrücklich durch die trefflichen Untersuchungen von von Mihälkovics (25) (1885) unter- stützt, aber in einer von der Waldeyerschen etwas abge- änderten Form. Bei 5-6 em langen Katzen-, Hunde- und Kaninchen- embryonen fand er Epithelstränge, welche von den Malpighi- schen Kapseln des proximalen Endes der Urniere in den Hilus des Hodens hineinwachsen sollten und daselbst in weiter- entwickelter Form bei denselben Tieren und auch bei mensch- lichen Embryonen von 3,0--8,5 cm Länge das Corpus Highmori der beiden Geschlechter bildeten. Die anfängliche Kommuni- kation der Epithelstränge mit dem Urnierenkanälchen geschah durch Vermittlung der Malpighischen Kapseln, später aber, nach der Verschrumpfung der letzteren, gingen sie beide direkt ineinander über (l. ec. S. 472). Diese Befunde Mihälkovies’ stimmten mit den etwa gleichzeitig erzielten Resultaten anderer Forscher für die Amphibien und Sauropsiden gut überem. Dieselbe Entstehungs- weise wurde nämlich für die Vasa efferentia von Hofl- mann (16) (1886, S. 570) bei den Amphibien, von Schmie- selow (35) (1882, S. 165) und Semon (38) (1887, S. 81) für das Hühnchen behauptet. — So war diese Theorie während einer langen Zeitperiode auch für die Säugetiere allgemein geltend. Nur vereinzelt tauchten neue Ansichten auf, indem z. B. Nasel (27) (1889, S. 320) keine anderen Schläuche resp. Stränge im Hilus ovarii als die Epoophoronschläuche finden konnte und Bühler (10) (1894, S. 336) in den Retesträngen den degenerierenden Wolffschen Gang resp. [in Wichsers Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 665 Dissertation (48) (1899, S. 16)| ausserdem andere Bestandteile der Urniere, wie Schlauch-, Glomerulusreste usw. sah. Eine Umwälzung wurde in der allgemeinen Auffassung besonders durch die Arbeit Coerts (12) (1898) hervorgerufen. Auf Grund systematischer, an Kaninchen- und Katzenembryonen ausgeführten Untersuchungen führte er alle epithelialen Gebilde der Geschlechtsdrüse auf das ursprüngliche Cölomepithel zu- rück. Durch eigenes Wachstum, ohne Beimischung von der Umgebung, ging aus dem proximo-basalen, mit kleineren, dunkleren Zellen bedeckten Abschnitt der Geschlechtsleiste durch eine Einwucherung der Cölomepithelzellen in das unter- liegende Mesenchym und darauffolgende Strangbildung, wie es bei der Markstrangbildung resp. Samenkanälchenbildung aus dem eigentlichen Keimepithel geschieht, das „Reteblastem‘“ hervor (l. ec. S. 176). Aus diesem Blastem differenzierten sich das Rete ovarii resp. Rete testis mit den Tubuli recti. Von seiten der Urniere wuchsen keine Schläuche gegen die Geschlechts- drüse vor, nur an den Bowmanschen Kapseln auf der Seite der Geschlechtsdrüsenanlage fanden sich Ausbuchtungen des Epithels und kleinere Schläuche (l. e. Pl. II, Fig. 19), die jedoch, nach der Ansicht Coerts, keinen Anteil an der Rete- bildume nahmen (le. S. 178): Den gründlich beschriebenen Ergebnissen der Coertschen Untersuchungen schlossen sich viele Erforscher des Uro- genitalsystems an, so ohne sichere Belege auch z. B. von Winiwarter (51). (1901, >S7 151) für das Kaninchen. Er wies unter anderem darauf hin, dass die Lage der Zellenmasse, aus der sich das Rete bildet, zwischen dem Wolffschen Körper und den „cordons sexuels“, mit welchen dieselbe in einem beinahe ununterscheidbaren Zusammenhang war, eine andere Ableitung kaum gestattete. /Zaemlich gut mit der Coertschen Auffassung stimmte auch diejenige von Allen (1) (1904) überein. Er beobachtete 43* 666 S. E. WICHMANN, an einem ziemlich vollständigen Material von Kaninchen- und Schweineembryonen in der ganzen Länge der Geschlechtsleiste von dem cranialsten Urnierenende anfangend regelrechte, von Anfang an von einer Membrana propria umgebene Schläuche, die in das Mesenchymgewebe, an denMalpighischen Körpern vorbei wuchern sollten. Die eranialen, längeren Schläuche, die späteren Retekanälchen, gingen erst später (bei Schweine- embryonen von 4,0 cm Länge) eine definitive Verbindung mit den Malpighischen Kapseln resp. deren kleinen Ausbuch- tungen gegen die Retesprosse und noch später mit den Samen- kanälchen 'ein. Die im Bereiche der Sexualdrüse liegenden bildeten später die Markstränge. Zu einem ganz abweichenden Resultat kam beinahe gleich- zeitig Sainmont (34) (1905). Bei Katzenembryonen von 24, 26 und 29 Tagen verfolgte er die sukzessive Entwickelung des Rete von soliden Divertikeln des Bowmanschen Kapsel- epithels (l. e. S. 99). Diese wuchsen in die Länge und drangen in distaler Richtung in das lockere Bindegewebe, welches das Oberflächenepithel der Geschlechtsleiste von den Malpighi- schen Körperchen scheidet. Durch Anastomosenbildung und Weiterwachsen, sowie eine Verkürzung des sogenannten prä- sexuellen Teiles der Urniere und Vergrösserung des sexuellen Teiles der Geschlechtsdrüsenanlage wurde im Stadium von 29 Tagen post coitum schon ein umschriebenes abgegrenztes Kanälchensystem unter der Geschlechtsdrüse gebildet. Dabei hebt Sainmont besonders hervor: (l. c. S. 99): „nous n’avons jamais reconnu de continuite entre eux et l’epithelium de revetement du corps de Wolff, bien que souvent ces deux formations arrivent au contact“. Oft hat er eine Andeutung von Lumen gesehen an der Ansatzstelle der Stränge an das Kapselepithel. — Die Degeneration der Malpighischen Körperchen geschah ähnlich, wie es schon früher von Schmie- gelow (35) (1882) und von Mihälkovics (25) (1885) nachgewiesen worden war. Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 667 Diese letztere mit grosser Bestimmtheit ausgesprochene und mit den Mihäalkovıesschen (daraus der Name ‚l’organe de Mihälkovics“ für die Reteanlage) Befunden übereinstimmende Ansicht fand ın der deutschen zusammenfassenden Literatur keine Anerkennung. Dagegen wurden von Waldeyer (44) (19011903, S. 362) und Bühler (11) (1906, S. 719) ihre auf Grund eigener Arbeiten früher gefassten Ansichten in den Artikeln „Die Geschlechtszellen“ resp. „Geschlechtsdrüsen der Säugetiere“ des grossen Hertwigschen Handbuches zu- gunsten der Coertschen Auffassung aufgegeben }). Sainmont und von Winiwarter (52) (1909), von denen der letztere seinen früheren Standpunkt aufgegeben hat, gegen die oO haben sıch aber in einer gemeinsamen Arbeit wieder Coertschen Befunde ausgesprochen und auf Grund der Sainmontschen Befunde von neuem entschieden die meso- nephrische Herkunft des „Mihälkoviesschen Organes“ be- hauptet. Scrobansky (37) (1903, S. 630—631), der bei Schweine- embryonen seine Aufmerksamkeit beinahe ausschliesslich der Greschlechtsdrüsenanlage zugewendet hat, erwähnt jedoch aus- drücklich, dass ein „Hineimdringen irgendwelcher parenchyma- töser Gebilde in den Eierstock von seiten des Wolffschen Körpers“ von ıhm nicht beobachtet wurde. Nach einer Fülle von Arbeiten auf diesem Gebiete stehen wir also in der Frage über die Entstehung der Vasa efferentia oder des Rete der Säugetiere immer noch vor einem ungelösten Problem. Freilich sind die beiden älteren Ansichten, dass die !) Wenn Bühler in seinem Artikel (l. ec. S. 736) zur Stütze dieser An- sicht die Arbeiten Mac Callums (23) (1902) und Whiteheads (47) (1904) anführt, so wird der Leser irregeführt, denn diese Forscher geben nicht eigene Beobachtungen über Retebildung, geschweige denn im indifferenten Stadium, sondern sie haben die sekundäre Vereinigung der Reteschläuche mit den Bow- manschen Kapseln nur im Anschluss an frühere Forscher, Whitehead spe- ziell nach Allens Beobachtungen, angenommen. 668 S. E. WICHMANN, Stränge durch Weiterwachsen der Urnierenkanälchen (Wal- deyer) oder der Samenkanälchen (Egli) entstehen, durch die neueren Untersuchungen ausgeschlossen worden. Es stehen aber noch die Befunde Coerts und Allens im schroffen Gegensatze zu den von Sainmont und von Winiwarter neuerdings verfochtenen Ansichten. Wie sind diese verschiedenen Befunde erklärbar? Es sind freilich (die eben besprochenen Untersuchungen grösstenteils mit verschiedenem Säugetiermaterial ausgeführt worden, indem die letzteren nur Katzenembryonen, die ersteren dagegen Kanın- chen- und Schweineembryonen verwendeten. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass Repräsentanten so nahe verwandter Tiere ihre Urogenitalverbindungen auf so ganz verschiedenen Wegen bilden sollten. Das phylogenetische Alter des Geschlechtsleisten- epithels und des Bowmanschen Kapselepithels ist ein ver- schiedenes und der Unterschied in genetischer Hinsicht wäre auch ein prinzipieller. Jedoch lassen sowohl Sainmont als Allen die Rete- sprosse vom Ursprungsepithel aus scharf von dem umgeben- den Gewebe abgesetzt entstehen. Der letztere Autor behauptet sogar die sofortige Entstehung einer deutlichen Membrana propria um seine Cölomepitheleinstülpungen. Dagegen ist das an dem „proximo-basalen“ Ende der Geschlechtsdrüsenanlage entstehende ‚Reteblastem“ Coerts anfangs mehr eine un- deutlich begrenzte Zellenmasse, von deren Ausdehnung und eventuellen diskontinuierlichen Entstehung keine genaueren An- gaben vorliegen. In diesem differenzieren sich erst später die einzelnen Stränge aus. Soweit mir aus dem Studium der Arbeiten der erwähnten Autoren ihre Auffassungen klar geworden sind, reicht der Mutterboden des Rete bei Coert bedeutend weniger weit in cranialer Richtung als bei den ersterwähnten. Diese lassen nämlich ihre Stränge von der Höhe des ersten Ürnieren- Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 669 kanälchens in cranio-caudaler Reihe bis zum cranialen Ende der Geschlechtsdrüsenanlage (Allen), resp. bis zum mittleren Abschnitt dieser letzteren (Sainmont) reichen und durch eine im Laufe der Entwickelung vor sich gehende Proliferation der Zellenstrangbestandteile eine mehr kompakte Organanlage ent- stehen, die mit dem Wachstum der Geschlechtsdrüse und Atrophieren des Wolffschen Körpers in die Höhe der ersteren verschoben wird und daselbst sekundär mit den Samen- kanälchen (Sainmont), resp. diesen und den Bowman- schen Kapseln der Urniere (Allen) in Verbindung tritt. Es spielen sich also die ersten Retebildungsvorgänge nach diesen Angaben in derselben Region ab, wo etwa gleichzeitig die ersten Zellkomplexe des Zwischennierensystems hervor- treten, und es fragt sich, wie haben die verschiedenen Autoren die verschiedenen Organanlagen voneinander abzugrenzen ge- wusst? Um Auskunft zu bekommen, habe ich die Angaben Allens verglichen mit denjenigen eines neueren Zwischen- nierenforschers, Soulie, dessen Untersuchungen die meisten jetzt für die Säugetiere geltenden Tatsachen geliefert haben. Bei Schweineembryonen von 13,0--13,5 mm Länge findet Soulie (41) (1903, S. 401) zuerst die Zwischennierenanlage im Bereiche des oberen Drittels des Wolffschen Körpers ‘ „tout pres de l’angle mesenterique“, in Form von „quelques depressions dont le fond, au contact des veines wolffiennes, parait le siege de proliferations cellulaires actives. Par places on trouve quelques amas epitheliaux, detaches de l’epıthehlum du coelome, et qui placent en avant des branches arterielles allant aux elomerules wolffiens ou en avant des veines renales efferentes anterieures.“ An derselben Stelle lässt Allen (1) (1904, S. 95) bei 10,0 und 12,5 mm langen Schweineembryonen und auch später die Peritonealzellen in das unterliegende Gewebe proliferieren als echte „peritoneal invaginations“, welche oft in Kontakt mit 670 S. E. WICHMANN, den Bowman schen Kapseln geraten und zu den Retekanälchen sich entwickeln. Bei diesen Stadien erwähnt Allen kein Wort über die Zwischennierenanlage, ebensowenig als Soulie sich über die Reteanlage äussert. Desgleichen erwähnt Sainmont in seiner Arbeit auch nicht, dass in der nächsten Nähe seiner Retesprossen sich das Zwischennierensystem entwickelt! Nach dieser Vergleichung muss man sich wieder fragen, haben die drei erwähnten Forscher die Anlagen des von ihnen nicht behandelten Systems überhaupt gesehen, oder haben sie alle ein etwa zusammenhängendes ‚„Blastem“ für die von ihnen behandelte Organanlage in Anspruch genommen? Ich lasse diese Frage einstweilen ruhen und versuche meine eigenen Präparate zu erklären, nachdem ich genügende Vergleichspunkte aus den zitierten Arbeiten bekommen habe. Wie ich früher schon erwähnte, habe ich ebensowenig als Coert scharf abgegrenzte Zellsprossen in der zu besprechenden Region gesehen, obwohl ich gleich alte Stadien wie die eben genannten Autoren untersucht habe. Die mehr oder weniger schar! von dem umgebenden mesodermalen Zellgewebe unter- scheidbaren Zellenstränge traten bei Schafembryonen am un- deutlichsten, beim Hunde deutlich und beim Schweine stellen- weise ziemlich scharf hervor. Ich kann auch beim Ver- gleiche meiner Präparate der 11,0—12,0 mm langen Schweine- embryonen mit gleich alten Exemplaren Allens nicht daran zweifeln, dass Allen die von mir in Figg. 13 u. 14 abgebildeten „Brücken“ als Retesprossen aufgefasst hat. Daraufhin deutet auch seine Fig. 6 Tafel II. Ob er aber die in diesem Stadium mehr oder weniger deutlich mit den Brücken zusammenhängen- den und die miteinander noch nicht vollständig zusammen- seschmolzenen Zwischennierenzellklumpen als tiefere Teile seiner Retesprossen aufgefasst hat, entzieht sich der Beurteliung, weil genauere Angaben über die Form der Stränge fehlen und das Vorhandensein von Zwischennierengewebe nicht erwähnt wird. el 28 Taft “ I SS D, N “Sa [7 Heft l g Abteilun: Ti N .S Lu we . Wr BI Tas Bm Anat.Hefte Verlag v. JE Bergmann, Wiesbaden Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 671 Ich habe schon früher (S. 661) erwähnt, dass ich in dem Zellenmateriale der Brücken Formbestandteile sehe, die wenig- stens teilweise sich aus dem mesodermalen Bildungszellgewebe herausdifferenzieren und einem Nephrostomalkanälchen resp. Ergänzungskanälchen homolog anzusehen sind. Dafür spricht meines Erachtens vor allem die Topographie derselben. Dass sie in Verbindung mit den Zwischennierenknospen gefunden werden, beruht wohl einmal auf der dichten Aneinanderlagerung der beiden Anlagen, wenn dieselben verschiedener Herkunft sind; zweitens ist wohl ein genetischer Zusammenhang (wie das von einigen älteren Autoren, Weldon (45) (1885), Hoff- mann (17) (1889, S. 283) u. a. angenommen worden ist) zwischen beiden nicht ohne weiteres zu verneinen, wenn man die von allen Autoren angegebene diskontinuierliche Anlage der Zwischennierenknospen und den bei meinen Fällen bei- nahe regelmässig bestehenden Zusammenhang derselben mit den entsprechenden Brücken berücksichtigt. Allerdings sind die mehr distalen Bestandteile der Zwischennierenanlage ım Be- reiche der Geschlechtsdrüse selbständig, das muss aber dann jedenfalls als eine sekundäre Emanzipation der Anlagen von dem Mutterboden, wie das so häufig in der Stammesentwicke- lung geschieht, gedeutet werden. Um wieder auf die Retefrage zu kommen, so habe ıch also die Retesprosse Allens mit meinen Brücken nebeneinander gestellt. Durch ein lückenloses Material hat Allen diese Zellenelemente bis zum ausgebildeten Organ verfolgt. Doch scheint er das Übergangsgebiet des progonalen Teiles der Geschlechtsleiste in die Geschlechtsdrüsenanlage, welches Gebiet wohl dem ,,proximo-basalen“ Abschnitte Coerts entspricht, nicht genügend gewürdigt zu haben. Hier habe ich nämlich die Brückenbestandteile besonders reichlich entwickelt gefunden und schreibe dieser Region den Haupt- anteıl in der Bildung der Masse des Rete zu (vel. Fie. 17) Oo \ = I, / 672 S. E. WICHMANN, Dass aber auch in dem Bereiche des proximalen Teiles des progonalen Abschnittes der Geschlechtsleiste echte Rete- stränge gebildet werden, beweisen einmal die Befunde Allens, der bei jüngeren Embryonen in der Regel und noch bei 4 cm langen Embryonen in !/, der Länge des Rete dessen Stränge in Verbindung mit dem Peritonealepithel fand, und zweitens meine Befunde beim 6,2 cm langen Schweineembryo, wo das- selbe im eranialen Ende der Rinne der „Fimbria“ der Fall war (mel@Rioe. 2192207217 u7 25% Das beinahe regelmässige spätere Verschwinden dieser Verbindungen, und die am cranialen Ende des Rete vor sich oehende Degeneration (vel. S. 654) lassen darauf schliessen, dass die mehr caudalen Abschnitte für die Urogenitalverbindung von grösserer Bedeutung sind. Damit lässt sich auch gut ver- einbaren, dass Coert nur diese Teile für sein ‚„Reteblastem“ verwertet zu haben scheint. Auch das besonders reichliche Zellmaterial vor dem proximalen Ende der Geschlechtsdrüsen- anlage in meinen Serien unterstützt diese Deutung. Die Fig. 17 scheint mir etwa dasselbe Stadium der Retebildung ın ent- sprechender Höhe der Geschlechtsleiste darzustellen, wie die Fig. 9 Tafel I Coerts von einem 14tägigen Kaninchen- embryo. Der exakte Vergleich wird jedoch schwierig, weil von Coert die genaue Lage der abgebildeten Schnitte ım Verhältnis zu den Glomeruli der Urniere nicht angegeben worden ist. ich muss nach dem Obigen also annehmen, dass die von Allen, Coert und mir beobachteten Blasteme einander wenigstens der Hauptsache nach entsprechen. Dass aber dieses Blastem, welches z. B. in Fig. 17 bedeutend tiefer ın das meso- dermale Gewebe sich hinein erstreckt, als die subepitheliale Zellenmasse im Bereiche der Geschlechtsdrüsenanlage (Fig. 18), sich von peritonealen Invaginationen (Allen) oder durch alleinige Proliferation der Cölomepithelien (Coert) entwickelt Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 673 habe, kann ich auf Grund meiner Präparate nicht zugeben. In den frühesten Stadien (Schafembryonen von etwa 20-22 Tagen) sind die Brückenbestandteile eben von den umgebenden Meso- dermzellen zu unterscheiden gewesen und allmählich erst deut- licher hervorgetreten in ihrer ganzen Länge, nicht aber von irgend einer der hier in Frage kommenden Epithelflächen aus- gehend. Auch beim Studium der Coertschen Beobachtungen, welche übrigens besonders sorgfältig gemacht zu sein scheinen, wird man nicht davon überzeugt, dass das Reteblastem ein direktes Wucherungsprodukt der Cölomepithelien ist. Coert, der vom ganzen Cölomepithel auch Mesenchymzellen hervorgehen lässt, hebt besonders beim Bericht über sein jüngstes Stadium, das 12tägige Kaninchen, hervor (l. ec. S. 80): „Overigens blijkt reeds voldoende uit Fig. 6 Pl. I, dat het door de woekering van het coeloomepithelium geleverde weefsel nog niet scherp te scheiden is van het omringende mesenchym; slechts door den grooteren cellenrijkdom, deels ook door de ietwat donkerder int der celkernen doet dit weefsel zich als iets afzonderlijks tegenover de omgeving voor.“ Obwohl das Blastem schon in «diesem jüngsten Stadium den Abstand zu den Bowman schen Kapseln, mit welchen es in intimem Kontakt steht, überbrückt hat, so hat er jedoch „den Eindruck bekommen“, dass die Bestandteile desselben von dem Cölomepithel abstammen, denn, wie er sich auf S. 93 äussert: „Deelt men onze opvatting niet, dan kan als moederbodem van het rete inderdaad alleen het kapsel- epithelium van de Malpighische lichaampjes der oernier in aanmerkung komen.“ Wucherungen dieses letzteren hat er besonders an solchen Stellen beobachtet, wo das Reteblastem nicht mit den Kapselepithelien in Kontakt war. Von diesen Stellen macht er die folgende Bemerkung (l. e. S. 95): „men kan zieh voorstellen, dat op dergelijke punten het kapsel- epithelium wel woekert, maar dat alleen door de vroege 674 S. E. WICHMANN, versmelting van het epithelium met het rete-blasteem dit proces voor ons niet duidelijk ziehtbaar wordt.“ Es ist also auch Coert unmöglich gewesen, in den [frühesten Stadien der Retebildung die Bestandteile und Wuche- rungsprodukte des Cölomepithels, des Kapselepithels und der Blastembestandteile voneinander und von dem umgebenden Mesodermgewebe zu trennen. Auf Grund alles ım. obigen Gesagten muss ich also annehmen, dass wenigstens der erösste Beil dieser zelligsen Elementedurch Herz ausdifferenzierung in loco aus dem primären Mesenchym entsteht. Die Verbindungen sowohl mit dem (Geschlechtsleistenepithel wie dem Bowmanschen Epithel wären dann zwar von genetischer Bedeutung, sollten aber in der Entstehungsgeschichte des Säugetierrete keine grössere Rolle spielen als Basis für eine strangförmige oder mehr diffuse Proliferation. Wenn diese meine Auffassungsweise richtig ist, so würden die einander widersprechenden Befunde ihrer Erklärung näher rücken. Wenn nämlich der Zusammenhang des mesodermalen Reteblastems mit den beiden Epithelflächen, wie Coert und ich denselben bei den von uns untersuchten Tieren in beiden Richtungen schon in den frühesten Stadien bestehen sahen, nur von mehr phylögenetischer Bedeutung ist, und die genannten Epithelien nicht als Proliferationscentren betätigt sind, so lässt sich sehr leicht annehmen, dass die jedenfalls ungefähr im Bereiche der Mitte der Glomerulusabschnitte diskontinuierlich entstehenden Retestranganlagen bei verschiedenen Säugetier- arten in der genannten Hinsicht sich verschieden verhalten. Dafür scheinen mir einige Angaben über die Beschaffenheit der Oberfläche im Bereiche des progonalen Teiles der Ge- schlechtsleiste zu sprechen. Nach Poll (28) (1905, S. 527) sind die Epitheleinstülpungen in dem der von mir in der Kasuistik erwähnten Längsrinne entsprechenden Teile der Ge- Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 673 schlechtsleiste bei verschiedenen Säugetieren sehr ungleich ge- staltet. So messen sie bei 10 mm langen Schweineembryonen. bis 12/, mm Tiere, während sie bei Kaninchenembryonen nur 250 u tief sind und bei der Katze gänzlich vermisst werden. Mit diesem ungleichartigen Verhalten des Geschlechts- leistenepithels im Bereiche der Reteanlage scheint auch der primäre Zusammenhang des ersteren mit dem letzteren beim Schweine am deutlichsten zu sein (Allens Ableitung des Rete von „peritoneal Invaginations‘), beim Kaninchen weniger augen- fällig hervorzutreten (Coerts Ableitung von einer mehr dif- fusen Wucherung der Cölomepithelien) und bei der Katze bei- nahe vollständig zu fehlen (die Ableitung von Sainmont, der nur eine Aneimanderlagerung der beiden Gebilde kon- statieren konnte). Ändererseits haben die Forscher den Einbuchtungen des Bowmanschen Kapselepithels eine verschiedene Bedeutung zugeschrieben, je nach den eben besprochenen ungleichen Cölomepithelverhältnissen. So erwähnt Allen sie nur bei- läufig, Coert hat ziemlich gut entwickelte beschrieben und abgebildet, meint aber, man könne die Ausdehnung ihrer Wucherung nicht feststellen und glaubt, dass sie keinen Teil an der Retebildung nehmen, sondern nur „rudimenten van organen voorstellen, die in een phylogenetisch jonger ont- wikkelingsstadium der zoogdieren werkzaam mogen geweest zijn bij den opbouw van het systeem van afvoerbuizen der geslachtsklier“ (l. ec. S. 94). Schliesslich hat Sainmont offenbar denselben Gebilden, welche vielleicht bei der Katze deutlicher hervortreten, die Bedeutung von proliferierenden Retesträngen gegeben. Dass dieerwähnten anatomischen Verschieden- heiten der progonalen Geschlechtsleistengegend, die Nähe der Zwischennierenanlage und die un- deutliche Abgrenzung der in Bildung begriffenen 676 S. E. WICHMANN, Blastembestandteile die einander widersprechen- den Beesultate derwerschyedenen Korscherver- amlasst haben, halte’ ich füur.sehr wahrscherint- lieh. — Auf den letzterwähnten Faktor hat schon Semon (38) (1887, S. 81) die Aufmerksamkeit gerichtet. Der Grund für das undeutliche Hervortreten der Retezapfen, welche von den Bowmanschen Kapseln oder den Urnierenkanälchen abgehen sollten, liege zum Teil in der starken Wucherung des umgeben- den Bindegewebes, zum Teil in der Unregelmässigkeit ihres Wachstums. Nach allem muss ich als sehr wahrscheinlich annehmen, dass einige der Autoren, wenigstens im cranialen Ende der Anlagen, die Zwischennierenanlage mit dem Reteblastem zu- sammengeworfen haben. Das scheint schon bei von Mıhäl- kovics (25) (1885, S. 391) der Fall zu sein, wenn man seine Angaben und Figuren über den Zwischennierenmutter- boden z. B. mit denjenigen Coerts über das Reteblastem vergleicht. Es liegt ja auch diese Möglichkeit sehr nahe durch den innigen Zusammenhang der Anlagen in deren cranialem Teile, wie es meine Präparate zeigen. Dieser Zusammen- hang kommt auch später zum Ausdruck und erklärt die ausser- ordentlich häufig ım fertiggebildeten Grenitale vorkommenden sogenannten akzessorischen Nebennieren oder richtiger, weil denselben die Marksubstanz fehlt, die Beizwischennieren. Nach Wiesel (49) (1899, S. 261) sollen bei menschlichen männ- lichen Neugeborenen solche sogar in 761/,% der Fälle vor- kommen, und zwar hauptsächlich in dem Bindegewebe, das das Anfangsstück des Vas deferens umgibt. So bin ich zu einer Auffassung der Reteanlage gekommen, die sich auch wesentlich von derjenigen Coerts und Allens unterscheidet. Das Coertsche Rete ist eine Neubildung, welcher seinen Ausführungen gemäss eine entwickelungs- geschichtliche Grundlage fehlt, denn warum sollte ganz diffus Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 617 nur ein mehr proximaler Teil des Geschlechtsleistenepithels dem mehr distalen das Material für die Ableitungswege bilden. Das gleiche ist der Fall mit Allen, der die im cranialen Drittel der Geschlechtsleiste beim Schweine befindlichen Epithel- einsenkungen nicht nur mit den in der Geschlechtsdrüsen- region sich bildenden Markstrangeinstülpungen, sondern auch, wegen der Nähe und Gleichartigkeit, mit der Epitheleinstülpung des Müllerschen Trichters homologisiert und dies alles ohne entwickelungsgeschichtliche Erklärungsgründe zugunsten seiner Auffassung vorführt. Es scheint mir, als hätten die Autoren überhaupt eine zu grosse Neigung gehabt, alle Entwickelungsvorgänge nur auf epitheliale Elemente zu beziehen. Wir haben es ja anfänglich mit dem primären Mesenchvm, also einem Gewebe zu tun, von welchem ganz verschiedenartige Organsysteme aus ver- schiedenen Blastemen entstehen. Einige von diesen wandeln sich im Laufe der Entwickelung zu Epithelien um, ohne in der Ontogenie aus vorausbestehenden Epithelflächen ausgewachsen zu sein (z. B. Urnieren- und Nierenkanälchenepithel aus dem nicht epithelialen nephrogenen Gewebestrang). Ebensogut wie dem in der aufsteigenden Wirbeltierreihe kontinuierlich be- stehenden Bedürfnisse der Exkretionsorgane entsprechend, die Urnierenkanälchen mit den Glomeruli sehr früh aus dem pri- mären Mesenchym entstehen, ebensogut können die, dem phylogenetisch späteren Bedürfnisse der Urogenitalverbindung dienenden Vasa efferentia später im primären Mesenchym ent- stehen, unabhängig von den benachbarten Epithelflächen, wie z. B. auch gewisse Muskelblasteme aus dem Kopfmesen- chym usw. Ich verlege also den Mutterboden des Rete ins primäre Mesenchym zwischen dem progonalen (vielleicht auch dem cranialen gonalen) Teil der Geschlechtsleiste und denBowman- schen Kapseln der Urniere, wobei dieser primär in Verbindung 678 S. E. WICHMANN, sein kann mit den beiden genannten Epithelflächen, welche beide an der Ansatzstelle der Anlage an denselben vielleicht auch dem Mutterboden angehören. Die endgültige Verbindung mit dem Bowmanschen Kapselepithel und den Samen- kanälchen resp. Marksträngen der Geschlechtsdrüsen ist dann selbsitverständlich eine sekundäre, so wie es von Allen beim Schweine und Coert für Kaninchen beobachtet wurde. Ich habe früher die Brücken und damit die Retesprossen- anlagen mit Nephrostomalkanälchen, oder besser Ergänzungs- kanälchen homologisiert. Dies wird durch die Befunde bei den niederen Wirbeltieren gestützt. So werden bei den Se- lachiern. welche bekanntlich viele Organe in sehr einfacher, fast schematischer Entwickelung zeigen, die Nephrostome der cranialen primären Nephrostomalkanälchen nach den Semper- schen (40) (1875) Untersuchungen zurückgebildet, und es bilden sich die Nephrostomalkanälchen selbst zu den Vasa efferentia durch Entstehung einer Kommunikation mit den Hodenampullen. Bei den Amphibien sah Hoffmann (16) (1886) die Vasa efferentia von den Urnierenkanälchen resp. von deren Mutter- boden den Ursegmentstielen aus in sehr früher Zeit sich ent- wickeln. Bouin (7) (1900, S. 297— 298) dagegen, der neuerdings alle möglichen Stadien an einwandfrei behandeltem Materiate zu beobachten in der Lage war, lässt diese Stränge aus Mesen- chymgewebe der indifferenten Keimdrüse unabhängig von den Urnierenkanälchen entstehen und später sich beiderseits mit den hier in Frage kommenden Epithelflächen verbinden. Durch Ver- sleichung der Angaben und Abbildungen Bouins mit einer Serie von Rana (bei welchen die Extremitätenknospen als niedrig konische Hügel hervortreten), die ich im Bonner ana- tomischen Institut durchzusehen in der Lage war, bekam ich den Eindruck, als wären die Zellenelemente, von welchen er die KEfferentia ableitet, nicht schlechterdings mesenchyma- tischer, sondern, genauer ausgedrückt, primärmesenchyma- Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 679 tischer Natur, weil ich, wie aus der Fig. 26 ersichtlich, die fraglichen Zellen ohne jede Grenze in die mediale epi- theliale Wand der sekundären Nephrostomalkanälchen über- gehen sah, welche bekanntlich im Bereiche der Urogenital- verbindung bei den männlichen Individuen später verschwinden. Es wären also die Vasa efferentia, ebenso wie (früher) die sekundären Nephrostomalkanälchen, von dem primären Mesen- chym herzuleiten }). Es seien noch von den Reptilien die Untersuchungen von Möllers (26) (1899) kurz erwähnt. Durch Rekonstruktion der sehr einfach angeordneten Vasa efferentia bei einigen Schild- krötenembryonen konnte er deutlich feststellen, dass diese anfangs nur hier und da mit dem Peritonealepithel zusammen- hängenden Stränge sekundär in Verbindung traten einerseits mit den Samenkanälchen, andererseits mit den Kapseln der Malpighischen Körperchen (l. c. S. 591). Demnach leitete er diese Vasa efferentia, welche in späteren Stadien durch Anastomosenbildung eine Art von Rete bildeten, vom Cölom- epithel ab. — Wenn man hier ebenso, wie ich es bei den Säugetieren getan, diesen Verbindungen mit dem Cölomhöhlen- epithel nur eine phylogenetische, nicht eine ontogenetische Be- deutung beimisst, dann stimmen auch die Befunde von Möllers mit den meinigen überein. Dann kann man in den von mir hier zitierten Beobach- tungen Sempers, Bouins und von Möllers bei den verschiedenen Wirbeltierklassen einen bis zu den Säugetieren hinaufgehenden sich verkürzenden ontogenetischen Entwicke- lungsmodus der Vasa efferentia sehen. Verkürzt, weil bei den höheren Tieren die Ursprungsform, das Nephrostomalkanälchen, in der Ontogenie nicht mehr zur Ausbildung kommt. 1) Den entwickelten Vasa efferentia im Amphibieneierstocke entsprechende Hohlräume hat Waldeyer (44) (1901—1903, S. 361) ohne entwickelungs- geschichtliche Begründung als Lymphräume aufgefasst. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 44 680 S. E. WICHMANN, Die von mir hier angeführte Auffassungsweise lässt die ontogenetischen Entwickelungsformen der Säugetiere ohne weiteres auf die ursprünglichen Verhältnisse zwischen dem Keimepithel und dem Vornierensystem bei den Wirbeltier-Vor- fahren, wie es auf S. 659 entworfen wurde, beziehen. Während das eigentliche Keimepithel bei den Säugetieren sich auf das mittlere Drittel der Geschlechtsleiste beschränkt hat, wird das Retestrangsystem noch im ceranialen Drittel angelegt. Wie weit in das Gebiet des mittleren Drittels die Anlage reicht, müssen noch weitere Untersuchungen lehren. Durch verschiedene, im Laufe der Gesamtentwickelung entstandene Einrichtungen (Ana- stomosen, Längskanäle, netzartige Verbindungen zwischen den Anlagen der Vasa efferentia) wird eine so grosse Selbständig- keit der Reteanlage erzielt, dass einander ursprünglich nicht genau entsprechende Segmente des Genital- und des exkreto- rischen Systems schliesslich miteinander verbunden werden. Aus dem Obigen ergibt sich auch, wie ausserordent- lich schwierig die Entscheidung in den hier behandelten Fragen gewesen ist. Ausser den schon früher angedeuteten Schwierigkeiten möchte ich noch besonders darauf hinweisen, dass verschiedene Autoren von „Mesenchym“ und „Binde- gewebe“ bei Embryonen gesprochen haben, ohne das „primäre Mesenchym“, d. h. das lockere, aus vielgestaltigen Zellen bestehende, teilweise noch ungesonderte Mesoblast von dem „sekundären Mesenchym“, d. h. dem nach Aussonderung der aus primärem Mesenchym entstandenen Gewebe (z. B. Cölom- epithel, gewisse Muskelblasteme usw.) noch übrigen Binde- gewebskeim strikte zu unterscheiden. — Jedenfalls wird es die Aufgabe der Zukunft sein, die hier behandelten Fragen endgültig zu entscheiden. Dazu sind histologisch einwandfrei behandelte ontogenetische Serien nötig, wobei besonders die Zellvermehrunes- und Gewebswachstumsverhältnisse der hier behandelten Regionen zum Gegenstand eines eingehenden Studiums gewählt werden müssen. Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 681 Über die Müllerschen Genitalgänge. Die Stammesentwickelung der Vasa efferentia zeigt deren immer grössere Selbständigkeit und Kompliziertheit in der auf- steigenden Wirbeltierreihe. Der erste Fortschritt in dem die Urogenitalverbindung vermittelnden Organsystem wird durch die Längskommissuren zwischen den einzelnen Vasa efferentia bedingt. Diese bilden schon bei den Selachiern, deren Nephro- stomalkanälchen zu den Vasa efferentia werden, einen Längs- kanal, wodurch die einzelnen Teile der Vasa efferentia ent- weder auf der Seite der Geschlechtsdrüse oder der Geschlechts- niere eine grössere Selbständigkeit gewinnen. Dieser Längs- kanal, von Felix als Nierenrandkanal bezeichnet, lässt sich in verschiedener Ausbildung bis zu den Amphibien und Reptilien hinauf verfolgen. Felix (14) (1906, S. 826) hat in der Urogenitalverbindung der Wirbeltiere drei Abschnitte unterschieden: den Urnieren- abschnitt, welcher von den Malpighischen Kapseln der Urniere ausgeht, den Genitalabschnitt, der aus dem Keimepithel entsteht, und den die beiden erwähnten Abschnitte vereinigenden Nierenrandkanal, welcher aus einer Ab- kammerung des dorsalen Leibeshöhlenabschnittes zwischen der Genitalfalte und dem Mesenterium hervorgehen soll. Durch Vergleiche der Befunde verschiedener Autoren für die verschiedenen Klassen der Wirbeltiere lässt Felix die Urogenitalverbindung der Selachier und Amphibien durch beide erstgenannten Abschnitte, die der Reptilien und Vögel durch den Urnierenabschnitt, diejenige der Säuger durch den Genital- abschnitt geschehen (l. ec. 5. 827). Als Zeichen der Selbständig- keit des Nierenrandkanales stellt er bei Ganoiden, Dipnoern und Teleostiern eine ganze phylogenetische Reihe auf, wobei derselbe zuerst nur die verschiedenen Vasa efferentia verbindet, in der Folge aber eine derartige Selbständigkeit gewinnt, dass 44* 632 S. E. WICHMANN, er frei in die Kloake durchbricht und unter totaler Rückbildung der Urnierenabschnitte zu einem sekundären Ductus deferens wird (leer >. 829). Ich habe diese Verhältnisse kurz referiert, weil der bei meinem menschlichen Fetus längs dem Rete verlaufende, mit demselben und einem Epoophoronkanälchen in Verbindung stehende Kanal meines Erachtens keine andere Deutung zulässt, als die Homologisierung mit einem Nierenrandkanal. Es wäre dieser anormale Kanal also ein Anklang an phylogenetisch sehr junge Perioden. Zu bemerken ist, dass der Kanal auf der Urnierenseite des Rete ovarii liegt. Es sollte also diese Anomalie die "Theorie stützen, nach welchem das Säugetierrele nur aus dem Genital- abschnitt Felix’ entsteht. Dem entgegen kann aber hervor- gehoben werden, dass z. B. bei Selachiern nach Balfour (4) (1878) auch die geschlechtsdrüsenwärts vom Nierenrandkanal gelegenen Teile der Vasa efferentia aus den früheren Nephro- stomalkanälchen ohne weiteres hervorgehen, also, weil nicht aus dem Keimepithel entstanden, keine Genitalabschnitte aus- machen können. Ein weiterer Umstand ist bei dem Falle noch von be- sonderem Interesse. Das als Nierenrandkanal gedeutete Gebilde mündet offen in das Cölom in der Rinne der Fimbria ovarica. Dieser Umstand scheint eine ziemlich bedeutsame Stütze zu liefern für einen Deutungsversuch, den Felix zur Auffassung der Eileiter höherer Tiere entworfen hat (l. c. S. 833). Bei Selachiern entsteht der Eileiter durch Abspaltung vom primären: Harnleiter, bei Amphibien und Amnioten dagegen durch Rinnenbildung im Epithel der dorsalen Leibeshöhlen- wand, lateral von der Genitalfalte und durch selbständiges Wachstum caudalwärts. — Ebenso wie Felix unter den Ductus deferentes einen primären und einen vom ersteren emanzipierten und vom Nierenrandkanal entstandenen sekun- Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 683 dären unterscheidet, leitet er auch diese zwei Eileiter von ver- schiedenen Quellen her; den ersten selbstverständlich vom primären Harnleiter, den zweiten von dem Nierenrandkanal. Die von demselben abzuleitende und in der Ontogenie von einer Rinnenbildung der Leibeshöhlenwand ausgehende Anlage des Müllerschen Ganges soll selbständig in die Kloake durch- brechen, ganz ähnlich wie der selbständig gewordene Nieren- randkanal bei den sekundären Ductus deferentes. Als Stütze seiner Theorie führt Felix die Arbeiten Wilsons (50) (1896, S. 85) und H. Rabls (29) (1904, S. 339), (30) (1904, S. 666) an. Der erstere kam nach Beobachtungen bei Amphibien und Krokodilen zu dem Resultat, „that the Müllerian duct ıs derived from the thickened coelomie epi- thelium that appears first round the pronephrie nephrostomes, and afterwards extends backwards to give arise to the perfect tube.“ AufGrund von ausserordentlich sorgfältig durchgeführten Untersuchungen präzisierte Rabl bei Salamandra maculosa genauer den Ort der Entstehung des Müllerschen Trichters, indem er den Übergang des zweiten Vornierennephrostoms in dieselbe feststellen konnte. Es sollte also der Müllersche Gang, ähnlich dem Nieren- randkanal, von einem Teile der Cölomwand entstehen, welcher Beziehungen zu den Nephrostomalkanälchen hat und demnach der Müllersche Gang einen Sprössling des Nierenrandkanales darstellen. Der von Felix gemachte Deutungsversuch würde also durch meinen „Nierenrandkanal“, oder besser vielleicht Tubo- reteepoophoronkanal, eine gute Stütze finden, indem hier die Kontinuität der beiden Gebilde deutlich hervortritt. Bevor ich über den Deutungsversuch Felix’ ein eigenes Urteil fälle, muss ich einige hierher gehörige Fragen be- sprechen. Von besonderem Gewicht schemt mir die Deutung der 654 S. E. WICHMANN, offenen Verbindungsstellen der Epoophoron- resp. Retekanäl- chen mit dem Cölomepithel zu sein. Man hat dieselben in sehr verschiedener Weise zu erklären versucht; so wurden sie von von Mihälkovics (25) (1885, S. 479) als durch nachträg- liche Dehiszenz in die Cölomhöhle, im Sinne Rokitanskys (31) (1859, S. 238), von dem erhaltenen proximalen Teil des Wolffschen Ganges entstandene Öffnungen gedeutet, von Robert Meyer (24) (1907, S. 203—209) als Urnieren- oder sogar Vornierennephrostome und von Roth (33) (1882, S. 67) sowie von von Winiwarter und Sainmont (52) (1909, S. 394) als Urnierennephrostome aufgefasst. Durch Allens und meine Befunde besonders bei älteren Schweinefeten scheinen mir die offenen Verbindungen eine Erklärung zu bekommen. Denselben gemäss muss es sich hier um eine ausnahmsweise weit entwickelte, per- sistierende und, wie es in den übrigen Ab- schnitten der Retestranganlage geschieht, durch Dehiszenz ein Lumen bekommende primäre Ver- bindung der Retestränge mit dem Cölom handeln (vgl. Fig. 25), denn nur diese haben, wie wir oben gesehen haben, in der Ontogenie der Säugetiere direkte Beziehungen zum Geschlechtsleistenepithel. Eine Zeitlang kann dann die Verbindung bestehen bleiben sowohl mit dem Urnieren- kanälchen als auch mit dem Rete (von Winiwarters und Sainmonts Fall bei der Katze und mein Tuborete- epoophoronkanal) oder nur mit dem Urnierenkanälchen (wohl die Tuboparovarialkanälchen Roths, weil von einem Nete- strangsystem nichts erwähnt ist), oder nur mit dem Rete (wie rechts bei meinem siebenmonatlichen Fetus). Auf Grund meiner früher dargelegten Auffassung der Reteanlage kann man in den Mündungen der besprochenen Kanälchen, welche wohl regelmässig in der Fimbriarinne liegen (andere Angaben scheinen mir unsicher, weil neuere Beobach- CH [> {q>} 4 [> & = >} eb 7) + [a>} > {=} 5 99 Zu e) rs 4 ler} © 42 © B = = KW} —_ 4 © o' IS | u = ES 79 © - © [op 66) Or tungen fehlen), nicht ein persistierendes Vor- oder Urnieren- nephrostom sehen, denn es fehlen ja die ontogenetischen Vor- aussetzungen für solche. Wohl aber müssen sie auf Grund meiner früheren Auseinandersetzungen für Nephrostome erklärt werden und zwar für solche des Ergänzungskanälchens, das bei den Säugetieren latent und weder von der Vorniere noch von der Urniere direkt abhängigist. Dem- nach wären sie auch den Vornierentrichtern am nächsten homolog. Damit kommen wir mit unserem Materiale von Säugetieren zu demselben Zusammenhang zwischen den Nephrostomen der Ergänzungskanälchen und dem Müllerschen Gangepithel, wie Wilson und Rabl für die Amphibien und Reptilien. In dem theoretischen Schlusskapitel über die Entwickelung der Geschlechtsorgane hat Felix den Nierenrandkanal stammes- geschichtlich von der Cölomwand abgeleitet, in der Ontogenie aber entweder durch eine rinnenförmige Abschnürung von der Leibeshöhle bei einigen niederen Formen, oder durch Ana- stomosenbildung zwischen den aus Teilen der Leibeshöhle hervorgegangenen Ergänzungskanälchen bei den höheren Tier- formen hervorgehen lassen (l. ec. S. 828). Bei einer Ableitung der Müllerschen Gänge der höheren Tiere (Amphibien und Amnioten) von dem Nierenrandkanal nach Felix würde diese Rolle der Leibeshöhle in einer phylogenetisch sehr weit zurück- gelegenen Zeit liegen, während die Homologa der Ergänzungs- kanälchen und deren Trichter, welche ja dem Anfangsteile dieser Arbeit gemäss das Material der Urogenitalverbindung, also eines Teiles der ableitenden Geschlechtswege bilden, bis zu den höchstentwickelten Stadien zu verfolgen sind und, wohl zu bemerken, noch bei den höchsten Säugetierformen einen dann und wann zu konstatierenden Zusammenhang mit dem Müllerschen Epithel bewahren. Ebensogut wie ein 686 S. E. WICHMANN, Sprosslınerder mittleren Terlerdes Rreänzungs- kanälchens, der’ Nrerenrandkanal, sich‘ selb- ständigentwickelnkann, scheint mir diese Mög- lichkeit zu bestehen für die Gebilde, welchein intimer, genetischer Beziehung zu dessen Ne- phrostomen liegen. Der durch Rabl so ausserordentlich klar demonstrierte direkte Übergang der Bestandteile des Vornierennephrostoms, nicht des Cölomepithels, ın das Zellenmaterial des selbständig weiterwachsenden Müllerschen Ganges, sowie die übrigen oben zusammengestellten Befunde scheinen mir nämlich eine Ableitung des Müllerschen Ganges ausschliesslich von den Bestandteilen des Ergänzungskanälchens (das Nephrostom- epithel mitgerechnet), ohne Beteiligung der Cölomhöhle, wie es Felix tut, zuzulassen. Vermutlich wurden, da wegen der Grösse der weiblichen Geschlechtszellen die Cölomhöhle als erster Abschnitt der Ableitungswege benützt wird, die der- selben anliegenden Teile der Ergänzungskanälchen, d. h. die Bestandteile des Nephrostoms, ihrer phylogenetischen Funk- tionsaufgabe entsprechend zur Bildung eines genügend weiten ableitenden Geschlechtsweges für die weiblichen Geschlechts- produkte angeregt. Für die männlichen, kleineren Geschlechts- produkte waren die Kanälchen des exkretorischen Systems immer noch genügend durchgängig. Der kürzeste und sicherste Weg war noch immer derjenige durch die exkretorischen Kanälchen, wenn auch die offenen Verbindungen mit der Cölom- höhle durch die Urogenitalverbindung unnötig gemacht wurden. Es lässt sich also meines Erachtens die selbständige Ent- wickelung des Nierenrandkanales und des Müllerschen Ganges aus dem Umbildungsvermögen der Ergänzungskanälchen erklären und zwar als parallele, voneinander unabhängige Vor- gänge. Der unvermittelte Übergang beider Gebilde ineinander lässt Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 687 sich auch unter dieser Anschauungsweise erklären. Durch ein ausnahmsweise entwickeltes Ergänzungskanälchen kann ja der Zusammenhang eines anormalen Nierenrandkanälchens mit der Cölomhöhle durch eine dem Nephrostom homologe Öffnung zustande kommen. Epithelverhältnisse der Öffnung und Form des Übergangs- gebietes können sich selbstverständlich verschiedenartig in der Ontogenie der höheren Tierformen gestalten, bei welchen das Wachstum der normalen Systeme selbstverständlich mit dem- jenigen der anormalen Gebilde nicht übereinstimmen kann. Über die Fimbria ovarica. Es erübrigt mir noch der Versuch einer Antwort auf die letzte meiner im Beginne aufgestellten Fragen. Welche embryo- nalen Gebilde gehen in die Säugetierfimbria über? In der Literatur findet man ziemlich wenige diesbezügliche Angaben. Die älteste Anschauungsweise betrachtet die „Peri- tonealfalte“‘, welche später zur Fimbria wird, als den cranialen, oberen Keimdrüsenrand [Koelliker (21) (1861)], welcher später als der freie Rand des Mesovariums [Bonnet (5) (1891, S. 216)], resp. Mesorchiums [Klaatsch (20) (1890)] den Abstand von der Tubaröffnung bis zur Keimdrüse über- brückt. Damit ist aber natürlich nichts Näheres klar geworden über die Herkunft sowie die topographischen Verhältnisse der entsprechenden Teile in den frühesten Stadien der Entwickelung. Durch seine genauen Beobachtungen kam von Mıhäl- kovics (25) (1885, S. 305) zu der Überzeugung, dass die Eierstockfimbria von dem proximalen Teil einer Peritoneal- leiste entsteht, die bei ganz jungen Embryonen an der medialen Seite der Urniere, von der Tubaröffnung an bis zur Leisten- gegend hinunterzieht. Ihr mittlerer Teil wird zur Geschlechts- drüse, ihr distaler zum Hunterschen Leitband. Es wäre 688 S. E. WICHMANN. also die Fimbria der proximale Teil der Geschlechtsleiste, an welchem die spezifischen Geschlechtszellen nicht zur Aus- bildung kommen. Zehn Jahre später stellte Wendeler (46) (1895, S. 187) eine neue Theorie nach seinen Untersuchungen an menschlichen Embryonen auf. Er glaubte feststellen zu können, dass das anfangs vom Müllerschen Trichter cranialwärts hinziehende Zwerchfellband der Urniere, mit dem schnellen Wachstum des Müllerschen Ganges und Atrophieren des Wolffschen Körpers bei älteren Embryonen zuerst medialwärts, dann aber sogar schwanzwärts in der Richtung gegen den proximalen Pol des Ovariums verläuft. Dieses Zwerchfellband der Urmiere und ‚der grösste Teil des rinnenförmigen Abschnittes des Müllerschen Ganges gingen später in die Fimbria ovarıca durch Faltenbildung wie in der Eileiteranlage und beim Ent- stehen der übrigen Fimbrien über. Nach seinen oben erwähnten Befunden bei Lutra vulgaris glaubte Kocks (19) (1906, S. 1376) in seinem Hiluskanal, dessen Bedeutung schon von mir besprochen worden ist, den cranialsten Teil des Müllerschen. Ganges sehen zu dürfen. Wo dieser Kanal fehlte, war die Fimbria ovarıca selbst einfach der eranjalste Teil desselben. Auf Grund meiner oben zusammengestellten Befunde muss ich mich unbedingt zugunsten der Ansichtvon Mihälkovics’ aussprechen. — Der sehr frühzeitig eintretende Zusammenhang des erhöhten Müllerschen Trichterepithels mit dem eranı- alsten Teile des erhöhten Geschlechtsleistenepithels bei meinen Embryonen sowie die immer deutlicher werdende Abgrenzung desselben von dem umgebenden Cölomepithel und die An- häufung von mesenchymatischen Elementen unter dasselbe, lassen die Entwickelung bis zur fertigen Fimbria ovarica ver- folgen. Die beste Stütze scheint mir diese Anschauungsweise aber durch die in der Fimbriarinne liegenden offenen Ein- Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 689 mündungen der Epoophoron- oder richtiger Reteschläuche zu bekommen. Deren oben besprochene Bedeutung als Nephro- stome des Ergänzungskanälchens bestimmt zugleich unsere Auf- fassung wenigstens eines Teiles der Fimbria. Ein wie grosser Teil eventuell aus dem rinnenförmigen Einstülpungsteil des Müllerschen Ganges (nach Wendeler) hervorgeht, ist wohl schwer zu entscheiden. Jedenfalls wäre der Anteil nach meinen Befunden beim 6,2 cm langen Schweinefetus nicht besonders gross (vgl. Figg. 19—23). Auch scheinen mir meine Präparate, ebenso wie die Allens, den kontinuierlichen Übergang der Längsrinne jüngerer Embryonen, bei denen die Retestranganlagen zu der Cölomwand ın Beziehung treten, ın die Fimbriarinne der älteren Embryonen, wo immer noch solche Verbindungen aus- nahmsweise bestehen, zu demonstrieren. Dann wäre diese Fimbriarinne homolog mit demjenigen Teile der ceranialen Ge- schlechtsleiste, wo die Nephrostome der Ergänzungskanälchen in cranio-caudaler Linie bei der Ursprungsform der Geschlechts- leiste liegen, wie ıch es anfangs annahm. Eine zweite Frage ist aber die, ob das Epithel der Fimbria Geschlechtsleistenepithel und dann vielleicht Keimepithel, oder ob es nephrogenes Epithel ist. Die Antwort scheint mir aus dem Obigen mit Hilfe der Befunde besonders Wılsons hervorzugehen. Er fand den Müllerschen Trichter in einem erhöhten Epithel, das die verschiedenen Vornierennephrostome verband (l. ce. S. 80). „I found, for example, in Salamandra atra a gradual extension of the eylindrie epithelium of the pronephrie nephrostomes, so that a continuous plate of hightened cells results from the ‘ confluence of the pronephrostomial thiekenings.‘“ — Man muss sich also den Vorgang wohl so denken, dass indem Epithel dercranialen Geschlechtsleiste, bei ausnahms- weisem Vorkommen von Bestandteilen der Ne- 690 S. E. WICHMANN, phrostome,dieErgänzungskanälchendenMutter- boden des Fimbriaepithels bilden. Dieses wäre dann kein Abkömmling des Keimepithels, sondern der Bestand- teile des Nephrostoms und somit dem übrigen Müllerschen Epithel homolog. Mit dieser Ableitung bekommt auch die Flimmerung der Müllerschen Fpithelien ihre phylogenetische Erklärung, indem die Bestandteile der Nephrostome, wo sie ausgebildet werden, Flimmerhaare tragen, die an den Epithelbestandteilen der übrigen Geschlechtsleiste und der Cölomhöhle bei höheren Wirbeltieren bis jetzt nicht nachgewiesen sind. Schlussfolgerungen. Aus meinen Untersuchungen glaube ich folgende Rück- schlüsse auf die Entwickelung einiger Teile der Ableitungs- wege der Säugetiergeschlechtsdrüsen ziehen zu dürfen: Es existiert noch bei den Säugetieren von dem lateralen Teil. des Ursegementstiels her- rührendes Zellenmaterial, welchesin früheren Stadienmehr oder weniger deutlich, oftin Form von Zellspangen, welche den Abstand vom Ge- schlechtsleistenepithel bis zu den Bowman- schen Kapseln überbrücken, hervortritt. Diese Zellbrücken sind den Ergänzungskanälchen im ausgebildeten Vornierensegment homolog. Im progonalen Teil der Geschlechtsleiste bilden diese, wahrscheinlich aus dem primären Mesenchym sich herausdifferenzierenden, bei Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 691 Säugetieren cranialbesonders deutlichen Zell- anhäufungen „Brücken“, caudal, besonders in dem Übergangsgebiete in den cranialen Teilder Geschlechtsdrüsenanlage, schon frühzeitig (z.B. bei Schafembryonen von etwa 28 Tagen) ein zu- sammenfliessendes, von der Umgebung undeut- lich abgesetztes Blastem. Durch Vermehrung dieser Zellbestandteile entsteht eine einheit- liche Organanlage, Coerts Reteblastem. Seine primären Verbindungen mit dem Epithel der Geschlechtsleiste schwinden in der Regel, die- jenigen mit den Bowmanschen Kapselepithelien wahrscheinlichauch während der Verschiebung caudalwärts der in Entwickelung begriffenen teteanlagenunddercranialenTeilederÜrniere. Später differenzieren sich die Retestränge ın diesem Blastem und treten sekundär un Ver. bindung einerseits mıt den Anlagen der Samen- kanälchen resp. der Markstränge, andererseits eventuell mit dem Epithel der Bowmanschen Kapseln der Urnivere. Ausnahmsweise können die hHhetestränge, welche also Homologa der Ergänzungskanäl- ehen wären, ihre prımäre Verbindung mit dem Geschlechtsleistenepithelbeibehalten.,Das Ver- bindungsstück kann, gleich wie der Retestrang selbst, sekundär ein Lumen bekommen. Dann erhalten wir offeme Verbindungen der Rete- und mittelbar auch der Urnierenkanälchen mit der Cölomhöhle durch Öffnungen, die.als Ne- phrostome derErgänzungskanälchen, also wohl als Homologa der Vornierennephrostomen zu deuten sind. Diese Öffnungen scheinen regelmässig ın der Fimbrienrinne zu liegen. Dadurch wird der Zusammenhang des Müllerschen Epithels mit einem den Vornierennephrostombestandteilen homologen Zellmaterial, wie bei den Amphi- bien und Reptrilien,;wauch für die Säugerrere erwiesen. Der aus den mittleren Abschnitten der Er- sänzungskanälchenhervorgehende Nierenrand- kanal kann bei einigen niederen Wirbeltieren selbständiggegendieKloakehinwachsen. Eben- So enisteht wahrscheinhieh auch der nm An schluss an das Zellmaterial der Nephrostomen der Ergänzungskanälchen gebildete Müllersche Gang durch Auswachsen der Bestandteile des Ergänzungskanälchens. Im Anschluss an diese Folgerungen muss das Epithel der Säugetierfimbria als wahres Müllersches Epithel, entstanden von dem Zell- materiale der Nephrostome der Ergänzungs- kanälchen, angesehen werden. Es entspricht also die Fimbria dem Teile der Cölomwand, wo dieselben ihren Sitz gehabt haben, d. h. dem eranialen Teile der Geschlechtsleiste. Meinen hochverehrten Lehrern, Herrn Professor Dr. R. Kolster und Herrn Geheimen Medizinalrat Professor Dr. R. Bonnet, in deren anatomischen Instituten meine Unter- suchungen ausgeführt worden sind, will ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aussprechen. Herrn Professor Bonnet bin ich ausserdem für die ausserordentliche Güte, Über die Entstehung der Urogenitalverbindung etc. 693 mir sein reichliches Serienmaterial zur Verfügung gestellt zu haben, zu ganz besonderer Dankbarkeit verpflichtet. — Auch Herrn Professor Dr. G. Heinricius bin ich für die gütige Überlassung frischen menschlichen Fetalmaterials sehr dankbar. Helsinmerfers,2Oktober2191E Nachtrag bei der Korrektur. Während der Drucklegung dieser Arbeit habe ich Gelegen- heit gehabt, ein paar Arbeiten, deren Ergebnisse die im obigen behandelten Fragen sehr nahe berühren, kennen zu lernen. In der Arbeit H. von Winiwarters (La constitution du corps de Wolff et le developpement du canal de Müller dans l’espece humaine. Archives de Biologie. Tome XXV. 1910. S. 169), dessen Material eine ziemlich komplette Serie von menschlichen Embryonen umfasst, wird auch für den Menschen die von Sainmont für die Katze behauptete Histo- genese des Rete vertreten. Mehr überzeugende Beweise oder Abbildungen als diejenigen Sainmonts werden aber nicht geliefert. Es wird meines Erachtens also die von mir im obigen gegebene Entstehungsgeschichte der Retekanälchen aus den, Ergänzungskanälchen entsprechenden Gebilden, nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil eher gestützt, indem die von von Winiwarter wiederholt (l. ec. S. 201, 205, 215 usw.) hervorgehobene ausserordentliche Schwierigkeit im Verfolgen der Retestranganlagen von ihrem ersten Beginne an deutlich zugunsten einer allmählichen Herausdifferenzierung derselben aus dem primären Mesenchym zu sprechen scheint. 694 S. E. WICHMANN, Die Beispiele, welche einen Teil meiner Schlussfolgerungen demonstrieren, werden durch mehrere interessante Beobach- tungen von Winiwarters bereichert. So hat er beı 14, 19, 30 und 40 mm langen Embryonen einen von der Rinne der Fimbria ovarica resp. dem obersten Abschnitte des Müller- schen Ganges abgehenden und in das lockere Gewebe des Wolffschen Körpers in der Richtung gegen die cranialsten Urnierenkanälchen sich einsenkenden Kanälchen gefunden. In zweı Fällen (3 und 4 cm) trat dieses Kanälchen mit dem cranialsten Urnierenkanälchen in offenen Zusammenhang vor dessen Einmündung in den Wolffschen Gang. Mit Hilfe des {früher erwähnten Falles bei der Katze (S. 642), wo der gegen das Ovarıum eerichtete Zweig des Urnierenkanälchens mit tetesträngen in Verbindung stand, deutet von Winiwarter auch die erwähnten Kanälchen als sekundäre Nephrostomal- kanälchen des Mesonephros, weil die Retestränge aus der Kapsel eines inneren Glomerulus ihren Ausgang nehmen. Er bleibt aber die Erklärung schuldig, warum diese Nephrostomal- kanälchen, wie er das besonders hervorhebt, von ihm nur an den ersten Urnierenkanälchen beobachtet wurden, und warum sie nur im Bereiche des Müllerschen Epithels aus- münden? Die erwähnten Fragen werden durch die oben von mir aufgestellte Theorie beantwortet. — Noch eine zweite Arbeit verdient hier kurz erwähnt zu werden. Im Zusammenhang mit einer Untersuchung über die Rückbildung der Urniere beim Menschen behandelt E. Holz- bach (Die Hemmungsbildungen der Müllerschen Gänge im Lichte der vergleichenden Anatomie und Entwickelungs- geschichte. Beiträge zur Geb. u. Gyn. Bd. XIV. Heft Il. 1909. S. 167) die Literatur über die Beziehungen der Vorniere zum Müllerschen Gange. Besonders zitiert er die folgende Äusse- rung van Wyhes über die Entstehung des Müllerschen Ganges bei den Amnioten (Arch. mikr. Anat. Bd. 33. 1889. Über die Entstehung der Urogenitalverbindung ete. 695 S. 502): „Die Annahme liegt nun nahe, dass die Zellen der Vorniere, welche eine andere Anordnung eingehen und sich dann nicht mehr von ihren Nachbarzellen unterscheiden lassen, später, wie ich bei Selachiern nachgewiesen habe, nach hinten rücken, sich neu anordnen und das orale Ende des Müller- schen Ganges mit dem Ostium abdominale hervorgehen lassen.“ — Das Endergebnis des Literaturstudiums wird von Holz- bach in folgendem Satze zusammengefasst (l. c. S. 192): „Der Anschluss an die niederen Zustände, und die Aufstellung des Begriffes „Bildungsmaterial aus der Vorniere“ für die Anlage des Genitalkanals —, schwebt nach den Ergebnissen der neuesten Untersuchungen durchaus nicht so sehr in der Bub Im Lichte meiner früheren Auseinandersetzungen bedürfen die beiden Äusserungen einer Berichtigung. Die Zellen, welche nach der obigen van Wyheschen Hypothese dem Trichter des Müllerschen Ganges den Ursprung geben sollen, sind nach der Einschmelzung derselben in das umgebende Zell- gewebe nicht mehr Pronephroszellen, sondern Bestandteile des primären Mesenchyms, wenn ihnen der Müllersche Gang ihre Entstehung verdanken soll. — Desgleichen muss Holz- bachs „Bildungsmaterial aus der Vorniere‘ richtiger mit dem Begriffe „Bildungsmaterial aus dem Ergänzungskanälchen“ er- setzt werden. Anatomische Hefte. I. Abteilung. 137. Heft (45. Bd., H. 3). 45 10. 11. 13. 14. 15. Literaturverzeichnis. . Allen, B. M., The embryonie development of the ovary and testis of the Mammalia. Amer. Journ. Anat. Vol. 3. 1904. Balbiani, E. G., Lecons sur la generation des vertebres. Paris. 1879. Balfour, F., On the structure and development of the vertebrate ovaıy. Quart. Journ. mier. Sc. Vol. 18. 1878. — A monograph on the development of Elasmobranch Fishes. London. 1878. (cit. nach Felix [14]). 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Wo beträchtlichere (über 300 mal) Vergrösserungen zur Verwendung kamen, versuchte ich die Zellen und deren Kerne möglıchst genau in natürlicher Lage einzuzeichnen. Die Figg. 1—8 entstammen dem 7 monatlichen menschlichen Fötus. Die Vergrösserung der Figg. 1 u. 2 ist etwa 20, der Figg. 3—6 ist 60 und der Fieg. 7—8 etwa 350. Fieg. 1—2. Schematisch, erhalten durch eine ungefähre graphische Re- konstruktion, wobei als Abseisse eine Linie (H) diente, die die Mittelpunkte der Hiluslınien der verschiedenen Querschnitte vereinigte und als ÖOrdinaten die Abstände der verschiedenen aufzutragenden Punkte von dem Mittelpunkte der entsprechenden Hiluslinie. Es wurde zu dem Zwecke jeder 20ste Schnitt (also in etwa 50 « Abständen) in 150maliger Vergrösserung abgezeichnet, die Resultate der Messung auf Millımeterpapier aufgetragen und die Verkleine- rung nachträglich vorgenommen. Es müssen also die Figuren, wenn auch keine exakten topographischen Verhältnisse, immerhin eine ungefähre Vor- stellung von dem Verlaufe speziell der Kanäle wiedergeben. Fig. 1. Die rechte Seite von vorn gesehen. Ov. Ovarium. R. rete ovarii, grösstenteils im Mesovarium gelegen und durch solide Epithelstränge verbunden, einmal mit dem rudimentären Tubo-rete-kanälchen K., und zweitens mit den drei medialsten Epoophoron-Schläuchen etwa an der Vereinigungsstelle des Mesosalpinx und des Mesovariums. Die Rinne der Fimbria ovarica F. geht am Ostium ©. des Kanales in die Höhlung desselben über. Die meisten Epoophoron-Schläuche liegen isoliert; nur an 3—4 Stellen sind je zwei in ihrem tubaren Ende verbunden durch atrophische Reste des primären Harn- leiters (Gartnerschen Ganges). — H. die als eine rechte Linie gedachte, die Mittelpunkte der Hiluslinien vereinigende Messungsabseisse der Rekonstruktion. Fig. 2. Die linke Seite von vorn gesehen. Die Bezeichnungen wie in voriger Figur. K. das Tubo rete epoophoronkanälchen, welches vier deutliche lumenführende Verbindungen mit dem Rete und (am, a) mit einem aus der 700 Erklärung der Abbildungen. Reihe der übrigen Epoophoron-Kanälchen getrennten Kanälchen (Ep.K.) ein- geht. Ausserdem zwei solide Verbindungen des Rete mit den medialsten Epoophoronkanälchen, sowie 3 mit den Marksträngen. Reste des Gartnerschen Ganges in etwas grösserer Ausdehnung als links. — Die Senkrechten gegen die Linie H, I, II, III und IV bezeichnen die Stellen, wo die Figuren, 3 (am I), 4 (am II), 5 und 7 (am III) und 6und 8 (am IV) abgezeichnet worden sind. Figg. 3—6. Schematisch. Wo die Kpithelien eylindrisch waren sind die Konturen mit verdickten Linien eingetragen. Die dunklen Zonen unter den- selben Stellen bezeichnen, ausser im Ovarium, die ungefähre Dicke des sub- epithelialen zellenreichen Gewebes. Fig. 3. Die Stelle, wo die Fimbriarinne in den Tubo rete epoophoron- Kanal (K.) übergeht. Ov. Ovarium. C. von dem Fimbriaepithel abgesprengtes Cylinderepithel. I. eine isoliert im Ligamentgewebe von Cylinderepithel und einer zelligen Wand umgebene geschlossene Höhle. Fig. 4. Die Stelle, wo der Kanal den ersten Vereinigungsschlauch (V.) gegen das Rete (R.) gesendet hat. Die beiden Zweige des Kanals (K) sind getroffen. F, die Fortsetzung des Fimbriaepithels in medialer Richtung parallel der Ansatzlinie des Mesovariums an das Ovarium (Ov.). H.L. die Hiluslinie. Fig. 5. Die Abgangsstelle des vierten Verbindungsschlauches (V.) von dem Kanal {K) zum Rete (R.). H.L. Hiluslinie. Fig. 6. Bezeichnungen wie oben. Ep. Fragment eines Epoophoronschlauches, der nicht mit dem Kanal in Verbindung tritt. Figg. 7 und 8 geben die in Figg. 5 und 6 abgezeichneten Stellen in stärkerer Vergrösserung (350 mal) wieder. Die Zellen des Rete sind hoch- gradig atrophisch, einige in einem umschriebenen Teile der Fig. 7 auch ge- quollen und von anderen dunkleren umgeben. Keine deutliche Anordnung derselben in Stränge und keine Lumina sind zu verzeichnen. Nur der Quer- schnitt des Tubo rete epoophoronkanals und dessen Zweig gegen das Rete in Fig. 7 weisen eine deutliche Höhlung auf. Im Querschnitte des Epoophoron- kanalfragmentes hohe Cylinderzellen, eine mit Cilien. Von der neunten Figur ab sind sämtliche Figuren so orientiert, dass die dorsale Seite des Embryo nach oben, die ventrale nach unten gerichtet ist. Fig. 9. Hundeembryo von 18 Tagen. H. Haut-Muskelplatte des Sclero- myotoms. Ep. Epidermishlatt. pr. H. primärer Harnleiter (solid). Ur. Urnieren- bläschen. M. Die Stelle, wo die Fasern der Membrana propria des Urnieren- bläschens in ventraler Richtung in das Gebiet des Verbindungsstückes (V.) desselben mit dem Cölomepithel sich verzweigen. In dem letzteren an ent- sprechender Stelle eine deutliche Einbuchtung des Cölombegrenzungsepithels. pr. A. primitive Aorta. En. Enteroderm. In der Höhe des dritten Urnieren- segmentes gezeichnet. (Verg. 1:350). Fig. 10. Hundeembryo von 20 Tagen. Die Bezeichnungen wie in voriger Figur. In der Höhe des zehnten Urnierensegmentes gezeichnet. (Verg. 1: 350). In den Figuren 11 bis 18 gelten folgende Bezeichnungen: Ao. Aorta. B. Die Ansatzstellen der Zellbrücken an das Bowmansche Kapselepithel. Erklärung der Abbildungen. 701 B.K. Bowmanscher Kapselraum. Bl. Das Reteblastem. Br. Die Zellbrücken. Co. Die CGölomhöhle. G. Die Geschlechtsdrüsenanlage. R. Die Längsrinne im proximalen Teile der Geschlechtsleiste, wo die Zellbrücken in dessen Vertiefungen gegen die Bow- manschen Kapseln entspringen. (Ausnahme Fig. 11). U. Epithel der in dem Bowmanschen Kapselraum mündenden Urnierenkanälchen. Zw. Das Zwischennierenblastem. Fig. 11. Schafsembryo von 20 Tagen. Die zwischen R und B gelegenen Zellen des mesodermalen Gewebes sondern sich durch ihren deutlicher abge- grenzten Zelleib und ihre dichtere Aneinanderlagerung von denjenigen der Umgebung. Sie gehen ohne jede Grenze einerseits in die Zellen des Cölom- begrenzungsepithels, andererseits in diejenigen des Bowmanschen Kapselepithels über, welches hier (am B) polygonal und bedeutend grösser ist als anderswo in der Kapselwand. — In der Höhe des zehnten Urnierensegmentes gezeichnet. (Verg. 1: 350). Fig. 12. Hundeembryo von 25 Tagen. Der Abstand von einer vertieften Stelle (R.) in der Längsrinne der Cölomwand zu einer Gegend der Bowman- schen Kapsel (B.), wo deren Epithelien besonders gross sind, wird durch dicht aneinander liegende Zellen überbrückt. Diese Zellenanhäufung setzt sich in medialer Richtung unmittelbar fort in das Zwischennierenblastem (Zw.), welches auf der Seite der Aorta scharf abgesetzt ist, ventral aber durch un- regelmässige Zellzüge mit dem Cölombegrenzungsepithel zusammenhängt. — Am siebenten Urnierenglomerulus gezeichnet. (Verg. 1:350). Figg. 13 u. 14. Schweine-Embryo von 29 Tagen. Die Figuren entstammen einer Serie, die erste am vierten, die zweite am fünften Glomerulus gezeichnet. Besonders in Fig. 14 sendet die Cölomhöhle am R. einen weit hineinragenden Ausläufer ihres Lumens ab, dessen Epithelkerne ohne Grenze in die Kerne der Brückenbestandteile (Br.) übergehen. In beiden Fällen setzen sich diese letzteren an dem Bowmanschen Kapsel in einer deutlich vertieften Einbuch- tung seines Epithels an. Mit dem Zwischennierenblastem werden die Brücken- bestandteile durch mehr unregelmässige Zellzüge vereinigt. (Verg. 1:350). Die Figuren 15—13 entstammen einer Serie von einem 2Stägigen Schaf- embryo und sind in der Höhe des 5., 9., 15. und 18. Glomerulus abgezeichnet, die Fig. 16. aus der linken, die übrigen aus der rechten Seite. An entsprechen- den Schnitten mündete jedesmal das entsprechende Urnierenkanälchen (U.) in den Kapselraum. In den Figuren habe ich nur (Verg. 1:140) die ver- schiedene Anordnung der mit verschieden dicht aneinandergelagerten Zell- bestandteilen aufgebauten Blasteme anzudeuten versucht. In den beiden ersten Figuren hängen die Brücken mit dem Zwischennierenblastem zu- sammen, in den beiden letzten sind sie deutlich voneinander getrennt. In dem proximobasalen Teile der Geschlechtsleiste (G. in Fig. 17) ist eine An- deutung einer Brücke (Br.) in Zusammenhang mit einem tiefliegendem 702 Erklärung der Abbildungen. Blastem (Bl.) unter den gegen die Oberfläche liegenden und eben in Strang- form sich umbildenden Markstrang- resp. Samenkanälchen-Anlagen zu unter- scheiden. R. in Fig. 17 bezeichnet die Fortsetzung der mehr proximal ge- legenen Längsrinne der Geschlechtsleiste. In Fig. 18 werden alle Zeichen von Brücken resp. tiefere Blasteme vermisst; der oberflächliche Zellbelag der Geschlechtsdrüsenanlage ist ziemlich deutlich von dem Markgewebe getrennt, welches letztere weit von den Bowmanschen Kapseln entfeınt liegt. Die Figuren 19—25 entstammen dem 6,2 cm langen Schweineembryo (Vergr. in Figg, 19—24 ist etwa 1:60, in Fig. 25 1:350). Die schematischen Figuren sind in Abständen von etwa 99—180—270—100 und 200 u von ein- ander abgezeichnet. Die Fig. 25 gibt die Verhältnisse in Fig. 20 im Detail wieder. — Es gelten für alle die folgenden Bezeichnungen; N. Nierenkapsel. Re. Das Retestrangsystem, R.F, Die Rinne des der weiblichen Fimbria gleichenden Gebildes, welche in den Fıgg. 19, 20, 21 und 25 eine erheblichere Tiefe in Form einer Epitheleinstülpung gewinnt. An entsprechenden Stellen die soliden Ver- bindungsstränge (V.) der Einstülpungen mit den meisten- teils soliden Retesträngen. Tr. M.G. Der Trichter des Müllerschen Ganges. M.G. Der Müllersche Gang. Ep. Die dem Verlaufe des Müllerschen Ganges entlang be- stehende Leiste erhöhten Oberflächenepithels auf dem Urnierenwulst. W.G. Der Wolffsche Gang. Te. Testis. Fig. 26. Froschlarve. Gezeichnet am achten Urnierenglomerulus, also im vorderen Teile der Geschlechtsdiüse, dessen Falte in der Höhe des dritten Glomerulus beginnt. Die Nephrostome sind im ganzen Bereiche der Geschlechts- drüse zu beobachten, jedoch eranjal und caudal mehr von der Geschlechts- drüsenanlage entfernt als in der mittleren Zone. Die Schnitte, welche zwischen die Nephrostomalkanälchen fallen, weisen zwischen der Bowmanschen Kapsel und der Cölomhöhle nur eine dünne Membran mit dann und wann zu beob- achtenden eingestreuten flachen Zellen. In der Fig. 26 eine andere typische Stelle, wo die ventrale Wand des Malpighischen Körpers aurch die Wand des Nephrostomalkanälchens (N.K.) gebildet wird. Die Kerne des letzteren gehen in der Nähe des Nephro- stoms (N.) am U. unvermittelt in die Kerne des mesodermalen Gewebes, welches das Stroma ‘der Geschlechtsdrüsenanlage bildet, über. — Gl. Glomerulus. Neb.k. Nebenkanälchen. H. Hauptkanälchen. (Vergr. 1: 350). DARK 3 BE rer Bu Hanı Al: N