ER: auB21 MUT ann | = FIFRERIT IN EZ EEE a yannaaaannu.: P] v2 u Hol Maksnanzunan -BORLE RETEITEETTE | y7 es ug u: TR Ba vehger« [s E57} Paei "EEE Zu VD Ad ANATOMISCHE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTLICHE MONOGRAPHIEN HERAUSGEGEBEN VON PROF. WILHELM ROUX 1. HEFT DAS GEHIRN DES CHEMIKERS D. J. MENDELEJEW VON Pror. W. von BECHTEREW UND Pror. R. WEINBERG MIT EINEM BILDNIS MENDELEJEWS UND ACHT TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1909 IsHlERT DAS GEHIRN DES CHEMIKERS D.J.MENDELEJEW Pror. W. von BECHTEREW UND Pror. R. WEINBERG MIT EINEM BILDNIS MENDELEJEWS UND ACHT TAFELN EEIBZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1909 Fr Br ' di: 47 Pr ICH a wir WIRFT N gs” 5 5 3 9 er =. [ ur > “u 2 Id: E Fi N i wc 1 ö 0; u r 1y Br ER D. J. MENDELEJEW 1E der Frage von Natur und Wesen des Genies gewinnen gegenwärtig Formbefunde an den Gehirnen schöpferisch-genialer und geistig hervorragender Menschen immer mehr an Bedeutung. Die ersten anatomischen Erhebungen über diesen Gegenstand stammen aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. In diese Zeit fallen WAGNERS bekannte Untersuchungen über eine ganze Reihe von Gehirnen hervorragender Gelehrter und Schriftsteller. Späterhin hat sich die sog. Societe d’autopsie mutuelle der Angelegenheit bemächtigt und eine stattliche Anzahl von Beobachtungen zutage gefördert, unter denen in erster Linie diejenigen von DUVAL, CHUDZINSKI u. a. genannt zu werden verdienen. Eine erschöpfende Darstellung der Literatur der Elitegehirne liegt uns hier indessen vollkommen fern. An Übersichten dieser Art fehlt es ja nicht. Wohl aber ist hervorzuheben, daß die neueren Publikationen von G. RETZIUS ın bemerkenswerter Weise den gegenwärtigen Zustand der Erkenntnisse vom Aufbaue der Gehirnoberfläche wiederspiegeln. Sie haben die Frage der Elite- gehirne gewissermaßen in eine neue Bahn gelenkt. Daneben wären u. a. die Mitteilungen von SPERINO, v. HANSEMANN und SPITZKRA als solche zu nennen, die — zum Teil wegen des Stoffes, den sie betreffen — Aufsehen erregt haben. Niemand hat sich bisher entschlossen, aus dem vorhandenen Material eine entscheidende, abschließende Meinung zu begründen. Das Problem ist ja außerordentlich schwierig und verwickelt, unsere Einsicht in vielen wesent- lichen Beziehungen noch schwankend, das Beweismaterial nicht umfassend. Auch wird es immer offenbarer, daß das Genie auch anatomisch in seinen verschiedenen Entwicklungsrichtungen zu verfolgen sein möchte. Im ganzen liegen namentlich von naturwissenschaftlichen und mathematischen Talenten noch zu wenig Gehirnspecimina vor, um hinsichtlich dieser — vielleicht merk- würdigsten — Varietät oder Gruppe der Elitegehirne ein sicheres Urteil zu gewinnen. Es erschien uns schon in dieser, wie in mehreren anderen Be- ziehungen als Gebot wissenschaftlicher Pflicht, an dem Gehirn des unlängst gestorbenen Chemikers MENDELEJEW, der als Forscher und Denker weit über den engeren Fachkreis hinaus Anerkennung in der Wissenschaft fand, den Roux, Monographien. I: Von Bechterew u. Weinberg. 1 Faden jener anatomischen Untersuchungsreihen nochmals aufzunehmen, in der Erwartung, damit eine Erweiterung und Vertiefung unserer Einsicht in das Problem zu erzielen. Wir werden in einem Epilegomenon auf die Persönlichkeit und Leistungen MENDELEJEWsS im Zusammenhang mit der anatomisch-physiologischen Gesamt- beurteilung seines Gehirns! besonders eingehen. Hier soll zunächst der Tatbestand an dem frisch der Leiche entnommenen, sowie an dem in Formalin erhärteten und konservierten Gehirn so kurz und vollständig, als billig, wiedergegeben werden. Die Tafeln, nach unseren Originalphotographien in Naturgröße hergestellt, sind bestimmt, einer weiteren Prüfung und Verfolgung der deskriptiven Dar- stellungen als Unterlage zu dienen. II, Allgemeine Beschreibung und Messung des Gehirns von D. J. Mendelejew:. Ehe man zur Herausnahme des Gehirns aus dem Schädelraume schritt, wurde nach Ablösung der Weichteile des Schädeldaches eine genaue Messung der Dimensionen (Durchmesser, Umfänge) der Gehirnkapsel ausgeführt. Wie sich dabei herausstellte, betrug der Größte Längsdurchmesser des Schädels. . . . 180 mm Quere, Divehmessen dessSchadels er 7 Honizontalımtanermes ES Sa, © Die Dicke der Schädel nechen im Bereiche des Schädelgewölbes schwankte zwischen 6 und 7 mm. Die Diploö der Schädelknochen erschien ein wenig sklerotisch verändert, doch konnten an den Knochen Erscheinungen von Transparenz oder lokale Verdickungen nicht bemerkt werden. Die Dura mater fand sich an einzelnen Stellen des Schädelgewölbes mit der Innenoberfläche des Knochens verwachsen. Die Pia mater erschien leicht ödematös; sie wies Erscheinungen von venöser Stauung auf. R Das absolute Gesamtgewicht des Gehirns betrug unmittelbar nach seiner Entnahme aus der Schädelhöhle, ohne Dura mater, 15718. Das spezifische Gewicht des Gehirns betrug 1053. ı Es befindet sich im Museum des Psycho-Neurologischen Institutes zu St. Petersburg. 2 Aus dem Schädel befreit und einer ersten Besichtigung unterzogen wurde das Gehirn MENDELEJEWS durch Prof. W. v. BECHTEREw in Verbindung mit dem Prosektor Dr. Korowın. Die weitere Untersuchung des Gehirns, seine Messung und morphologische Beschreibung und Beurteilung ist von den Verfassern dieser Arbeit unter Beteiligung von Prof. Zukovskı ausgeführt worden. ne Die äußere Besichtigung der Oberfläche des Gehirns nach zweitägiger Vorhärtung desselben in einer 2%igen Lösung von Formaldehyd ergab fol- gendes: In der linken Parietalregion zeigt die Gehirnoberfläche im Bereiche des oberen Drittels des Gyrus centralis posterior, in der Nähe des mittleren Drittels dieser Windung, eine geringe Depression oder Vertiefung, welche, wie gewöhn- lich, von den hier zusammentreffenden Zwischenräumen zwischen den Parietal- windungen bzw. von den sie trennenden Furchen gebildet wird. Eine weniger auffallende Depression der Rindenoberfläche besteht an- nähernd in derselben Region auch an der rechten Hemisphäre, doch betrifft die Vertiefung hier auch einen Teil des oberen Abschnittes des Gyrus centralis posterior. Maße des gehärteten Gehirns. Die Höhe des Gehirns, gemessen vom hinteren Rande des Pons Varolii bis zum Gipfel der Parietalregion, betrug III,5 mm. Die Breite des Gehirns, bestimmt zwischen den ventralen Enden der beiden Zentralfurchen, betrug 145 mm. Der bitemporale Breitendurchmesser (zwischen beiden Schläfenlappen) hatte eine Ausdehnung von 156,5 mm. Der biparietale Breitendurchmesser, zwischen den beiden Lobuli parietales inferiores bestimmt, betrug 147,5 mm. Der bifrontale Breitendurchmesser, welchen man zwischen den Gyri fron- tales inferiores beider Hemisphären abnahm, zeigte eine Größe von 130 mm. Bei der späteren Bearbeitung des Gehirns (mehrere Monate nach der Herausnahme aus dem Schädel, bei fortwährendem Aufenthalt in Formalin) erulerte der Eine von uns noch folgende Maße: Länge des Corpus callosum. . . . 0 85mm Länge des Lobus frontalis vor dem ene ds Balken EEE 385 3 Länge der Hemisphäre vom hinteren Rande des Corpus callosum bis zum Occıprialpole- Dora ae in ea EI 2 links?685 > rechts 68 » Der Neigungswinkel der Cerebrospinalachse zur Fronto-oceipitallinie des Vorderhirns hatte an dem gehärteten Gehirn eine ungefähre Größe von 67°. Die Epiphysis cerebri hat keine größeren Dimensionen, als in gewöhn- lichen Fällen. Der Suleus hypothalamicus der medialen Zwischenhirnoberfläche erscheint stärker vertieft, als sonst; offenbar eine Folge der destruktiven Einwirkung des Formalins auf die Form des dritten Ventrikels. Die Hypophysis cerebri zeigt bezüglich ihrer Form, Lage und Größe keine Abweichungen vom gewöhnlichen Verhalten. Beide Hauptäste des Arbor cerebelli verästeln sich in vollkommen typischer Weise. 1* Pr. ne Linke Gehirn-Hemisphäre. Höhe der linken Hemisphäre ....... : a .. 2. Tosmamı. Länge der linken Hemisphäre, gemessen von der Spitze = Stirn- lappens bis zur Spitze des Hinterhauptlappens .. ......193 » Länge des Stirnlappens, gemessen vom oberen Ende des Sulcus cen- tralis bis zur Spitze des Stirnlappens (Polus frontalis). .. . 125 » Länge des Lobus parietalis, gemessen vom oberen Ende des Sulcus centralis bis zum Außenstück der Fissura parieto-oceipitalis . 62 » Länge des Lobus occeipitalis, gemessen vom äußeren Ende der Fissura parieto-occipitalis bis zur Spitze (Pol) des Hinterhauptlappens 49 » Höhe des Lobus temporalis in vertikaler Richtung (oberer Meßpunkt dicht hinter dem unteren Ende der hinteren Zentralwindung) 47 » Längerdes, Suleus_ eentralis ui e..0 Sr Zu a OR Breite des Gyrus centralis posterior in seinem oberen eher > je P 20 Breite des Gyrus centralis anterior in seinem oberen Abschnitt .. 12 » Der Gyrus frontalis der linken Hemisphäre, in seinem mittleren Teil am besten ausgebildet, hat eine Breite von 2,5 cm. Er wird durch eine ziemlich tiefe, unregelmäßig verlaufende Furche in zwei bis zu einem gewissen Grade selbständige Windungen gespalten. Der Gyrus frontalis medius erscheint ebenfalls wohl ausgebildet. Er ist stellenweise bis zu 34 mm breit. In seinem hinteren Abschnitt wird diese Windung, wie gewöhnlich, von transversalen Furchen durchzogen; in seinem vorderen Abschnitt zeigt sie die für diese Gehirngegend typische longitudinale Gliederung. Die Breite des Gyrus frontalis inferior, gemessen vom Rande der Fissura Sylvii bis zum Sulcus frontalis inferior, hat eine Ausdehnung von 36 mm; jedoch weist die Windung an ihren Krümmungsstellen nur eine Breite von 24 mm auf. In ihrem vorderen Abschnitt wird sie von einer (überschüssigen) Längsfurche durchzogen; ihr hinterer Abschnitt wird außerdem durch eine Ouerfurche von ansehnlicher Tiefe abgegrenzt. Die Regio parietalis wird von vorn nach hinten von dem tiefen Sulcus parietalis s. intraparietalis durchzogen, dessen medialer Ast den Lobulus pa- rietalis superior in zwei Abschnitte, einen größeren vorderen und einen kleineren hinteren Abschnitt zergliedert. Die Gesamtlänge des Lobulus parietalis superior mißt 46 mm. Der Lobulus parietalis inferior zerfällt infolge der Ausbildung eines Sulcus intermedius ebenfalls in einen vorderen und hinteren Abschnitt. Der Gyrus supramarginalis wird in seinem vorderen und hinteren Teile von einer Se- kundärfurche durchzogen. Der Gyrus angularis erscheint in zwei sagittale Felder zergliedert, da der Sulcus intermedius hier mit der oberen Temporalfurche zusammenfließt. 2 Der Lobulus temporalis der linken Hemisphäre ist im ganzen wohl aus- gebildet. Doch weist hier der vordere Abschnitt des Gyrus temporalis superior eine merklich schwächere Entfaltung auf, als die entsprechende Stelle der rechten Hemisphäre. Die Windung ist vorn bis zu 0,8 cm breit, während ihr hinterer Abschnitt eine Breite bis zu I,4 cm erreicht. Eine tiefe Furche zieht sich an der Grenze dieser beiden Windungsabschnitte hin. Die zweite und dritte Temporalwindung fließen nahezu miteinander zu- sammen und werden von tiefen Furchen durchzogen, welche teils in trans- versaler, teils in longitudinaler Richtung verlaufen. Die Orbitalfläche des Lobus frontalis erscheint, wie gewöhnlich, konkav und von schwachen Furchen durchzogen, welche eine sehr wechselnde Rich- tung einhalten. Die Breite des Orbitalfeldes des Stirnlappens mißt 60 mm. Seine Länge, gemessen von der Stirnlappenspitze bis an die Grenze der Lamina perforata anterior, beträgt 68 mm. An der medialen Fläche der linken Hemisphäre finden sich die typischen Hauptfurchen (Sulcus calloso-marginalis, Fissura parieto-occipitalis, Fissura calcarina) in scharfer Ausprägung. Gleiches gilt von den entsprechenden Windungen und Lappen dieser Hemisphärenfläche (Gyrus fornicatus, Pars medialis der ersten Stirnwindung, Präcuneus, Cuneus). Bemerkenswert ist in diesen Gegenden der Reichtum und die Tiefe der Sekundärfurchen, namentlich im Bereiche der Medianfläche des Gyrus fron- talis superior, des Präcuneus und des Cuneus. Rechte Gehirn-Hemisphäre. Es betrug die Elonesdersrechten®klemispharese UNE PHENETTO: EN Länge der rechten Hemisphäre vom Stirnpole bis zum Hinter- Kafptpolewan. m ne el MAASCTOR > Länge des Lobus frontalis, gemessen vom oberen Ende = Sulcus “centralis bis zum Polus frontalis ...... ö ET Länge des Lobus parietalis, gemessen vom oberen Ende Ge Suleus centralis bis zum Außenende der Fissura parieto-oceipitalis . 70 » Länge des Lobus occipitalis, gemessen von der Fissura parieto- occipitalis bis zum Polus oceipitalis. . . . . ET > Der hintere Teil des Lobus occipitalis zeigt eine 2 ertälane Vertiefung als (gewöhnliche) Folge des hier dem Gehirn sich anschmiegenden Confluens sinuum (Impressio torcularis Retzii). Höhe des Lobus temporalis in vertikaler Richtung (gemessen wie links) 55 mm, IBansendesr Suleusweentralise a WR 2 oz Breite des Gyrus centralis posterior in dessen oberer Ihbsehnitte TE Ereitesdes) Gyrus cenitralistanteriorte le bi 2 0 DEE REL Ru Br Der Gyrus frontalis superior hat an der rechten Hemisphäre, wie links, eine Breite von 28mm und ist nahezu in seiner Gesamtlänge von einer Se- kundärfurche in typischer Weise durchzogen. Die Breite des Gyrus frontalis medius beträgt in seinem mittleren Abschnitt 32mm. Wie auch an der linken Hemisphäre, ist diese Windung in querer Richtung stark durchfurcht und zeigt eine zickzackförmige Aufeinanderfolge ihrer Teile. Die Breite des Gyrus frontalis inferior, gemessen wie links, beträgt 32 mm, die Breite seiner einzelnen Krümmungen 21 mm. Auch hier ist die Windung durch eine Vertiefung in einen vorderen und hinteren Abschnitt zergliedert, wobei letzterer die doppelte Größe aufweist, als das entsprechende Feld der linken Hemisphäre. Der Sulcus intraparietalis erscheint, wie so oft, durch eine Querbrücke unterbrochen. Der Lobulus parietalis superior zerfällt infolge der Anwesenheit einer tiefen Furche in zwei Windungen von annähernd gleicher Größe, eine vordere und hintere. Die Gesamtlänge des oberen Scheitelläppchens mißt 43 mm. Der Lobulus parietalis inferior zerfällt infolge des Bestehens eines tiefen Suleus intermedius in zwei deutlich abgegrenzte Felder, den Gyrus supra- marginalis und Gyrus angularis. Die Windungen des Schläfenlappens sind wohl ausgebildet. Der vordere Teil des Gyrus temporalis superior erscheint hier jedoch besser entfaltet, als die entsprechende Stelle der linken Hemisphäre. Im vorderen Abschnitt ist der Gyrus temporalis superior Io mm breit, im hinteren Abschnitt 14 mm. Der Gyrus temporalis medius ist, wie gewöhnlich, nur undeutlich von dem Gyrus temporalis inferior abgrenzbar. Beide sind, wie auch auf der linken Seite, in typischer Weise von longitudinalen und transversalen Furchen durchzogen. Die orbitale Basalfläche des Lobus frontalis erscheint in typischer Weise ausgehöhlt und noch reichlicher, als links, mit kleinen Furchen von mannig- faltiger Richtung ausgestaltet. Die Breite des Orbitalfeldes des rechten Stirnlappens mißt 57 mm; seine Länge (gemessen wie links) 70 mm. Der Limbus postorbitalis erscheint hier ein wenig auffallender entwickelt, als links. Die Facies medialis der rechten Hemisphäre zeigt die gewöhnliche An- ordnung der Hauptfurchen (Sulcus calloso-marginalis, Fissura parieto-occipi- talis, Fissura calcarina). Einzelne Windungsgebiete erscheinen hier noch reicher durchfurcht, als links. Der Gyrus fornicatus ist hier, wie gewöhnlich, stärker entfaltet, als an der linken Hemisphäre; sein vorderer Teil zerfällt in großer Ausdehnung in eine obere und untere Etage infolge der Ausbildung einer typischen Längsfurche in dieser Gegend. Der hintere Abschnitt des Gyrus fornicatus zeigt die übliche transversale Gliederung seiner Oberfläche. See: Der Präcuneus ist rechts stärker, als links; sein Oberflächenrelief erscheint zugleich komplizierter. So ist es auch mit dem Cuneus an den beiden Hemisphären von MEN- DELEJEWS Gehirn. Gehirnstamm. Die Gesamtbreite des Kleinhirns betrug . . . rır mm. Dies BreitendersrechtensHemisphares 222226675 Die Breite der linken Hemisphäre. . .... 60 » Die Länge des rechten Kleinhirnlappens . . . 75 » Die Länge des linken Kleinhirnlappens. . ... 72 » Die großen arteriellen Gefäßstämme an der Gehirnbasis (Carotis interna, Basilaris) weisen Erscheinungen von Sklerose auf. IT. Der morphologische Tatbestand. MENDELEJEWs Gehirn entspricht, was seine allgemeine Formgestaltung betrifft, einem eurencephalen Typus. In der Stirnregion ist nirgends eine Einziehung der Umfassungslinie zu gewahren. Auch erscheint die Abschrägung der Orbitalfläche im ganzen als eine mäßige. Die Gesamtkonturierung des Gehirns erinnert an die Gestalt eines regelmäßigen Ovoids, an welchem nur die vordere Parietalregion als hervortretender Teil auffällt. Vgl. die Ansicht des Gehirns von oben, Taf. VI. Gegen den Occipitalpol hin spitzt sich das Gehirn weniger auffallend zu, als dies für andere Fälle die Regel ist. In den Durchmessern dieses Gehirns findet die ebenmäßige allgemeine Formgestaltung desselben ihren vollen Ausdruck. Man wolle die Maßwerte vergleichen, welche im vorigen Abschnitt eruiert wurden. Wir sind indessen geneigt, den räumlichen Verhältnissen und Wechsel- beziehungen der einzelnen Regionen und Lappen des Gehirns eine vielleicht noch erheblichere Bedeutung für die Beurteilung seiner physiologischen und morphologischen Ausstattung beizumessen, als der allgemeinen Entfaltung des Ganzen. In diesem Sinne muß vor allem betont werden, daß die hinteren Hemi- sphärengebiete an dem vorliegenden Elitegehirn dimensional relativ stärker hervortreten, als in der Mehrzahl gewöhnlicher Fälle. Auch hier wird der allgemeine Eindruck durch die messende Methode als richtig erhärtet. Was endlich das anatomische Bild der Windungen am Gehirn MENDE- LEJEWS betrifft, so sind im Zusammenhange mit den Ausführungen des I. Ka- pitels folgende Zustände vor allem bemerkenswert. ı. Der Vorderast der Fissura Sylvii erscheint an beiden Hemisphären gabelförmig gespalten. Der hintere Gabelast erreicht rechts den Sulcus fron- Baer talis inferior. Eines Orbitalastes entbehrt die Furche beiderseits. Wie ge- wöhnlich, hat die linke Fissura Sylvii eine größere Längenausdehnung. Ihr Hinterende zerfällt typisch in einen aufsteigenden und einen absteigenden Ast. 2. Der Sulcus centralis ist mit der Fissura Sylvii unverbunden. Sein oberes Ende verstreicht auf der Medianfläche des Gehirns. Unterbrochen ist er nirgends in seinem Verlaufe. Der Suleus subcentralis anterior fehlt an der gewöhnlich ihm zukommenden Stelle; linkerseits ist nur ein Rudiment dieser Furche vorhanden; rechts hat eine starke Verschiebung nach vorn stattgefunden (Taf. II, sca). 3. Am Sulcus callosomarginalis bestehen gewöhnliche Verhältnisse. Er entsendet rechts, wie so oft, den Sulcus subparietalis. a) Lobus frontalis. Ungewöhnlich scharf ist der Vierwindungstypus des Stirnlappens an diesem Gehirn ausgeprägt. Die als p (Taf. VI) bezeichnete Furche hat kontinuierlichen Verlauf und erstreckt sich über einen großen Teil der Länge des Stirnlappens. Der Sulcus frontalis superior läuft vorn in den Sulcus frontalis medius aus. Links ist diese Furche dicht an ihrer Abgangsstelle von der Präcentralis unterbrochen. Der Sulcus frontalis inferior ist von nahezu schematisch einfacher An- ordnung; er gibt linkerseits eine Reihe typischer Queräste an das hintere Feld der mittleren Stirnwindung ab. Der Suleus praecentralis hat links kontinuierlichen Verlauf über die Ge- samtbreite des Stirnlappens. Die rechte Hemisphäre weist volle Selbständigkeit der Elemente der Präcentralfurche auf. Dem Sulcus frontomarginalis entspricht rechts eine kontinuierliche Furchen- formation, welche sich in die mittlere Stirnfurche hinein verfolgen läßt. Die gleichnamige Furche der linken Seite findet in zwei losen Stücken ihren Aus- druck. Die typischen Längswindungen des Stirnlappens sind räumlich vollkommen proportional ausgebildet (Taf. VI). Der Stirnlappen der linken Seite weist in einigen Beziehungen bemerkens- werte Abweichungen von seinem gewöhnlichen, typischen Verhalten auf. 1. Zunächst findet sich in dem Raume zwischen mittlerer und unterer Stirnfurche eine gewissermaßen überzählige longitudinale Furche (Taf. I, f 3a), welche die untere Etage der mittleren Stirnwindung in zwei schmale Längs- züge zerschneidet (F3 a und F 3a). Das der Lage nach korrespondierende Rindenfeld der rechten Hemisphäre weist wohl mehrere quere Windungszüge auf, es sind aber Anzeichen einer longitudinalen Durchfurchung nicht vorhanden. 2. Die untere Stirnwindung der linken Hemisphäre (Taf. I) ist mit einem einer Longitudinalfurche entsprechenden sekundären Eindruck der Oberfläche zug versehen, welche dem vorderen Abschnitt des Sulcus £frontalis inferior annähernd parallel verläuft (Taf. I, /2a). Die Anwesenheit dieser Furche bewirkt den Zerfall des Operculum triangulare in zwei sagittale Windungszüge. An der rechten Hemisphäre des untersuchten Gehirns ist diese ziemlich ungewöhnliche Anordnung des Reliefs der unteren Stirnwindung nicht vor- handen (Taf. II). 3. Die sog. Pars opercularis der unteren Stirnwindung (Brocasche Win- dung) ist an der linken Hemisphäre in diagonaler Richtung von einer tiefen Furche (Taf. I, d) durchschnitten, welche dadurch, daß sie mit dem Sulcus frontalis inferior zusammentrifft, bei oberflächlicher Betrachtung als Teil der Präzentralfurche erscheint. Die BrocAsche Windung der rechten Seite zeigt nicht dieses Verhalten (Taf. II, 5). Faßt man das Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich, daß der gesamte Stirnlappen, vor allem aber sein dorso-laterales Gebiet entsprechend den beiden lateralen Längswindungszügen, an der linken Hemisphäre von MENDELEJEWS Gehirn bemerkenswerte Anzeichen einer offenbar gesteigerten Reliefausbildung erkennen läßt. Das Vorhandensein einer lebhafteren Differenzierung wird dabei nicht nur bei einer Vergleichung mit den Zuständen der rechten Hemisphäre wahr- scheinlich, sondern kann gerade aus der Betrachtung zahlreicher gewöhnlicher Fälle mit Bestimmtheit erschlossen werden. Im übrigen jedoch geben die Form- und Lagerungsverhältnisse der Windungen der lateralen Stirnlappenfläche dieses Gehirns keinen Anlaß zu besonderen Bemerkungen. Denn die vorderen Zentralwindungen weisen voll- kommen typische Verhältnisse auf, wenngleich die ihrem Verlauf eigentüm- lichen Krümmungen bzw. die Kniebildungen der Roranposchen Furche an- scheinend schwächer ausgeprägt sind, als in vielen gewöhnlichen Fällen. Auch ist die Anordnung der Vorderfläche des Stirnhirns im Bereiche der Fronto- marginalwindungen eine erstaunlich einfache, nahezu schematisch zu nennende. Die Orbitalfläche des Stirnlappens läßt an der linken Hemisphäre ohne weiteres eine Zergliederung in alle jene Windungen und Felder zu, welche ge- wöhnlich in dieser Gehirngegend unterschieden werden. An der rechten Hemi- sphäre jedoch erscheint das Bild der Windungen hier merklich komplizierter. Eigentümlich ist dieser Hemisphäre auch der Besitz eines mäßig starken Limbus postorbitalis mit deutlichem Abdruck des kleinen Keilbeinflügels am Gehirn (Taf. III, 2p). Nennenswerte Abweichungen vom durchschnittlichen Verhalten sind auch an der medialen Stirnhirnfläche nicht zu bemerken. Doch fällt an der linken Hemisphäre ein scharf abgegrenzter Lobulus paracentralis von hervor- ragender Massenentfaltung auf (Taf.V, 1). Ein Carrefour (Taf. IV, c) ist nur rechterseits ausgebildet. za b) Lobus temporalis. Der Suleus temporalis superior der linken Seite erscheint, wie gewöhnlich, im vorderen Drittel seines Verlaufes unterbrochen. Rechts ist die Furche kontinuierlich. Die einzelnen schrägen Segmente des Sulcus temporalis medius weisen eine typische Verlaufsrichtung und Anordnung auf. Ein größerer Teil der dritten Temporalwindung gehört der lateralen Ge- hirnoberfläche an. Eine Incisura praeoccipitalis erscheint deutlich ausgebildet nur an der linken Hemisphäre an einer Stelle, wo das typische Ineinanderfließen der Furchen am unteren Schläfenlappenrande zur Entstehung eines recht kom- plizierten Oberflächenbildes Anlaß gibt. Die Fissura collateralis der rechten Hemisphäre verläuft, wie so oft, un- unterbrochen in die Vallecula Sylvii hinein; links hat sich davon — als Fissura rhinica — ein selbständiges Furchenstück (Taf. III, rh) abgelöst, welches in diesem Fall eine eigentümliche hakenförmige Deviation nach außen vollführt. Der Gyrus polaris, von glatter Oberfläche, hat auf beiden Seiten gleichen Charakter. Die Spitze des rechten Schläfenlappens liegt fest auf dem hier ausgebildeten Limbus postorbitalis (s. oben). Die großen Windungen der basalen Oberfläche des Hinterhaupt-Schläfen- lappens (Lobus occipito-temporalis medialis, Lobus occipito-temporalis la- teralis) haben typische Ausbildung. Ein Sulcus subcalcarinus (Taf. IV und V) ist vorhanden. c) Lobus parieto-occipitalis. Der Gyrus centralis posterior erscheint links erheblich breiter, als rechts, und ist in größerer Ausdehnung mit kleinen Furchen und Impressionen versehen, welche eine Art Längsspaltung oder Doppelung der Windung bewirken (Taf. I). Es verdient vielleicht größere Beachtung, daß der Gyrus centralis posterior der linken Hemisphäre an Flächenausdehnung den Gyrus centralis anterior weitaus übertrifft (Taf. I, rechts von R). Die Regel bildet ja gerade das um- gekehrte Verhältnis bei diesen beiden Windungen. Der linke Sulcus postcentralis erscheint in seinem oberen Drittel unter- brochen. An Ort und Stelle dieser Unterbrechung besteht eine stärkere De- pression bzw. trichterförmige Vertiefung der Gehirnoberfläche, als dies bei Individuen des mittleren Lebensalters der Fall zu sein pflegt. Der von dieser Furche abgegebene Sulcus intraparietalis ist an der rechten Hemisphäre an der typischen Stelle unterbrochen; er tritt in das eigentliche Oceipitalgebiet nicht hinein, sondern verstreicht als Transversalfurche ein wenig hinter der Fissura parieto-occipitalis. Sein Reichtum an (lateralen und me- dialen) Seitenzweigen ist nicht groß. ee Der Lobulus parietalis swperior erinnert in jeder Beziehung an jene ana- tomischen Zustände, wie man sie schon mehrfach bei Individuen mit hoch- ausgestattetem Gehirn bemerkt hat. Der Sulcus partetalis superior (Taf.VI, ptr) (die Brıssaupsche Furche) erscheint, wie so oft, an beiden Hemisphären deutlich. Im ganzen jedoch ist das Oberflächenbild dieser Gehirnregion links komplizierter, als rechts; auch ist links eine Vertiefung der Stelle zu gewahren, wo der Übergang in die eigentliche Occipitalregion stattfindet. Der hintere mediale Teil des Läppchens ist ein wenig atrophisch, eine gewöhnliche Erscheinung an Gehirnen des Greisenalters. Die Fissura parieto-occipitalis (Taf. VI, po) hat ein Außenstück von ziemlich ansehnlicher Länge, welches jedoch die Intraparietalfurche nicht erreicht. An der linken Hemisphäre spaltet sich die Fissura parieto-occipitalis im Zusammen- hange mit der hier bestehenden Ausbildung eines Lobulus parieto-oeccipitalis (Taf.V, lo). Rechts ist das Vorhandensein dieses Lobulus ohne ausgiebige Eröffnung des Furchenbettes nicht erkennbar. Der Lobulus parietalis inferior enthält nicht nur alle jene Bildungen, welche dieser Gehirnregion typisch zukommen, sondern läßt deutliche Anzeichen einer reichen Entfaltung hervortreten. Vor allem gilt dies von dem vorderen Bereich des unteren Scheitellappens und von der linken Hemisphäre in erster Linie. Denn der Gyrus supramarginalis erscheint in seinem hinteren Knie merklich gewölbter im Vergleich zu seiner Umgebung und zugleich stärker gekrümmt, als in gewöhnlichen Fällen. Ferner stellt sich das vordere Stück des Gyrus supramarginalis, welches der hinteren Zentralwindung unmittelbar anlagert, in gewissem Sinne als ge- doppelt dar; diese »Doppelung « hängt ihrerseits zusammen mit der Ausbildung einer überschüssigen, dem Durchschnittsgehirn in der Regel nicht zukommenden Furche (Taf. I, spm), welche sich zwischen den aufsteigenden hinteren Ast der Fissura Sylvii und den Sulcus postcentralis hineinschiebt. Der rechten Hemi- sphäre dieses Gehirns fehlt diese »accessorische« Furche (Taf. Il), das korrespon- dierende Windungsstück erscheint von glatter Oberfläche. Im ganzen ist also das untere Parietalgebiet unseres Gehirns, bei sonst vollkommen typischer Ausbildung und ungeachtet einer fast schematisch einfach erscheinenden Anordnung seiner Windungsformationen, durch mehrere bemer- kenswerte Abweichungen vom gewöhnlichen Verhalten ausgezeichnet, nament- lich auf der linken Hemisphäre. Es beherbergt selbst einige überzählige Se- kundärfurchen, welche Gehirnen von gewöhnlichem Typus sonst nicht zu- kommen. Diese mit einiger Wahrscheinlichkeit als Anzeichen einer vorgeschrittenen Ausstattung zu deutenden Erscheinungen vermehrter Oberflächendurch- furchung und stärkerer Windungskrümmung kehren indessen zum Teil auch an den korrespondierenden Stellen der rechten Hemisphäre wieder. Die obere Schläfenwindung erstreckt sich rechterseits, wie so oft, kon- BER tinuierlich bis an den Sulcus intraparietalis. Mit letzterem ist an dieser Hemi- sphäre auch die sog. WERNICKEsche oder vordere Occipitalfurche verbunden. Das wechselvolle Bild der Sulci intermedii des unteren Parietalgebietes ist auf den beiden Seiten des Gehirns ein ungleiches. Alles dies sind aber Verhältnisse, welche erfahrungsgemäß auch an Ge- hirnen von Individuen, welche sich zu Lebzeiten in keiner Weise hervorgetan haben, oft genug nachgewiesen werden können. Der Lobus occipitalis im eigentlichen Sinne des Wortes erscheint auf beiden Seiten in nahezu identischer Weise aufgebaut. Seine Grenzen sind scharf ge- zogen. An dem Verhalten der sog. Occipitalwindungen können auffallende Besonderheiten nicht bemerkt werden; auf unwesentliche Formverhältnisse dieser morphologisch immer noch recht obskuren Gegend hier einzugehen, verlohnt sich gewiß nicht. Die beiden parieto-occipitalen Übergangswindungen liegen an der Gehirn- oberfläche frei zutage. Der Präcuneus hat (s. Kap. I) rechts eine auffallende Form und Größe. Bei außerordentlichem Umfang ist der rechte Vorzwickel in ein reiches Netz sekundärer Windungsstücke zerrissen. Von dem Gyrus fornicatus ist der Vorzwickel deutlich abgesetzt. Die Fissura calcarina der linken Seite weist in ihrem Verlaufe eine Unter- brechung auf (Taf.V). Die Fissura calcarina der rechten Seite (Taf. VIII, ca) gelangt weit auf die Hinterfläche des Occipitalhirns nach außen; sie verstreicht in der Tiefe der hier stark entwickelten, links jedoch fehlenden Impressio torcularis, ein Verhalten, das für viele Gehirne als typisch zu bezeichnen ist. Es darf gerade gegenüber einem Elitegehirn vom Range des hier unter- suchten nicht unbetont bleiben, daß der Gyrus cunei oder Zwickelstiel, also die die Cuneusspitze mit dem Isthmus des Gyrus cinguli verbindende, regel- mäßig versteckt liegende Windungsschlinge, an der linken Hemisphäre eine nahezu oberflächliche Lage einnimmt. d) Rhinencephalon. Der Bulbus und Tractus olfactorius, sowie das Tuber olfactorium mit den Riechwurzeln lassen nennenswerte Abweichungen vom typischen Zustande nirgends erkennen. Dies gilt auch von der Ausbildung der Lamina perforata anterior und von dem Gyrus hippocampi, dessen Oberfläche das gewöhnliche warzenähnliche Relief trägt. Zu erwähnen ist übrigens, daß der Sulcus olfactorius der rechten Hernisphäre merklich länger ist, als links. Der Gyrus cinguli hat eine durchaus typische Anordnung. Der Gyrus fasciolaris der linken Seite fällt am Orte seines Übertrittes auf die obere Balkenfläche durch seine ungewöhnliche Mächtigkeit auf. Fl: II. Kritische Beurteilung des Befundes. Faßt man die bisherigen Darlegungen kurz zusammen, dann drängt sich zunächst die Erkenntnis auf, daß das behandelte Gehirn in morphologischer Beziehung kaum eine bloße Wiederholung des gewöhnlichen, durchschnitt- lichen Aufbaues der Furchen und Windungen in sich verkörpert. Es sind vielmehr bestimmte Abweichungen von diesem Typus vorhanden, und zwar solche, die schon der oberflächlichen Betrachtung nicht entgehen. Die charakteristischen Merkmale des Gehirns von D. MENDELEJEW kon- zentrieren sich vor allem in zwei Regionen, nämlich am Stirnhirn und am Scheitelhirn. Sie erscheinen, wenn nicht ausschließlich, so doch vorzugsweise an die /inke Hemisphäre dieses merkwürdigen Gehirns gebunden. a) Zustand des Stirnhirns. Die Eigentümlichkeiten des Stirnlappens des Gehirns von MENDELEJEW werden ohne weiteres bemerkbar, wenn man die Taf. I, welche die linke Hemisphäre von außen her darstellt, ansieht. Sie bestehen in folgendem: I. Die äußere oder laterale Etage des Gyrus frontalis medius wird von der überzähligen Sagittalfurche f 3a durchzogen. So kommt es zur Ausbildung zweier schmaler Längszüge F 3a und F 3a’ innerhalb dieser Etage der mitt- leren Stirnwindung. Das entstehende Bild ist ungemein charakteristisch, man möchte fast sagen, bezeichnend für unser Gehirn. Nun erkennt man aber bei aufmerksamer Betrachtung, daß die Gehirn- oberfläche im Bereiche der hier in Rede stehenden Region merklich stärker gewölbt und breiter, massiger ist, als das entsprechende Feld an der rechten Hemisphäre. Dabei erscheinen alle übrigen sagittalen Windungen des Stirn- hirns regelrecht ausgebildet und unter keinen Umständen auf Kosten der mittleren Stirnwindung verschmächtigt. Man darf daraus vielleicht schließen, daß die mittlere Stirnlappenregion der linken Hemisphäre durch ein ergiebigeres Wachstum zu einer Art räumlicher Hegemonie gelangt sein möchte. Es liegt die Möglichkeit vor, daß die Prominenz des Stirnlappens im Bereiche der zweiten Windung zu Lebzeiten noch stärker sich ausprägte, als dies jetzt im anatomischen Bilde der Fall ist. Verhält sich dies so, dann waren die Manipulationen bei der Eröffnung des Schädelraumes und bei der Heraus- nahme, Wägung usw. des Gehirns sicher geeignet, die Deutlichkeit der ur- sprünglichen Formverhältnisse mehr oder weniger erheblich zu vermindern. 2. In der »Verdoppelung « des vorderen Abschniltes der dritten oder unteren Stirnwindung (Taf. I) prägt sich eine weitere Besonderheit und zwar in be- merkenswerter Weise wiederum an der Zinken Hemisphäre aus. Wie bei der de Schilderung des Gehirns bereits erwähnt wurde, spielt in dieser Region eine accessorische Sagittalfurche eine Rolle, welche in der Taf. I als f2a auf- fällt. In dem Vorhandensein dieser Furche prägt sich eine eigenartige Varietät aus, welche jedoch, wie die anatomische Erfahrung lehrt, über die Grenzen des individuellen Wechsels der Formen weit hinaustritt. Uns ist eine ähnliche Anordnung der Windungen im lateralen Stirnlappenbereiche bisher bei anderen Gelegenheiten nicht aufgefallen; sie wird an gewöhnlichem Material wohl vorkommen, aber gewiß außerordentlich selten; in dieser Aus- prägung tritt sie uns hier zum ersten Male entgegen. Die Annahme, daß auch in dieser Formvarietät der Gewinn einer reicheren Ausstattung bedeutsamer Rindenfelder sich ausspreche, liegt wohl recht nahe. Erzielt würde unter anderem eine gewisse Massenvermehrung der Rinden- fläche und der subkortikalen Assoziationsleitungen, und zwar in einer Region, welche ihrer physiologischen Wertigkeit und Bestimmung nach jenem Felde nahestehen möchte, welches vorhin unter 1. Behandlung fand. Auch schließt sich diese Region, welche ja vor allem dem Operculum triangulare der Insel entspricht, ihrer Lage nach ganz unmittelbar der Stelle an, in welche viele nach BrocaAs Vorgange noch jetzt den Sitz bestimmter Sprachzentra zu legen geneigt sind. Unter allen Umständen bleibt, selbst abgesehen von dem Wert dieser speziellen Beziehungen, welche noch diskutiert werden, die Wahrschein- lichkeit bestehen, daß die am Stirnlappen des berühmten Chemikers vorhandene Abweichung vom durchschnittlichen, typischen Gehirnaufbau in dieser oder jener Weise mit einer Luxusausstattung des höheren psychischen Vermögens zusammenhängen möchte. Dafür, daß eine direkte Beziehung zur Sprachfunktion hier für die Beurteilung des Tatbestandes von entscheidender Bedeutung nicht ist, spricht das anatomische Bild insofern, als die geschilderten Verhältnisse des Gyrus frontalis inferior nicht einmal die Sprachwindung in ihrer ursprünglichen Abgrenzung betreffen, sondern, wie gesagt, einer Nachbarregion zukommen. Die als sog. Sprachwindung unterschiedene Stelle (Taf. I, bei d) nimmt an der linken Hemisphäre ein größeres Areal ein, als rechts. Dies ist in ge- wissem Sinne auch nicht anders zu erwarten. Doch muß bemerkt werden, daß diese Differenz zwischen rechts und links an gewöhnlichem Seziersaalmaterial sehr häufig nicht in so deutlicher Weise ausgesprochen gefunden wird. 3. Daß die oberste Stirnwindung an MENDELEJEWS Gehirn beiderseits in mächtiger Entfaltung sich darstellt (Taf. VI), ist gewiß ebenfalls von Bedeutung. Die dort als p bezeichnete Längsfurche erscheint besonders rechts von an- sehnlicher Länge und Tiefe. Ein irgendwie ungewöhnliches Vorkommnis liegt hier aber entschieden nicht vor. Wir können außerdem die hier in Frage kommenden Zustände der oberen Stirnwindung um so weniger an den Elite- gehirnen mit Sicherheit ermessen, als gerade an die Ausbildung der g-Furche bekanntlich höchst schwierige und komplizierte vergleithend-anatomische Fragen anknüpfen. el b) Zustand des Scheitelhirns. Eine besonders reiche Formausstattung erscheint an dem Gehirn MENDE- LEJEWs in unverkennbarer Weise der Parietalregion aufgeprägt. Auch hier tritt die linke Gehirnhälfte als weitaus dominierend hervor. Man beachte an Taf. I vor allem die Rindenregion zwischen s’ und ?’! Man hat schon bei mehreren großen Denkern (es sei nur an KAnT und LEIBNIZ erinnert), sowie an den Gehirnen hervorragender Naturforscher (so namentlich bei dem Chemiker Justus von LIEBIG) gerade in dem Parietal- gebiet, dort also, wo am Kopfe und Schädel die Parietalhöcker hervortreten, Entfaltungen angetroffen, welche die Grenze des gewöhnlichen deutlich über- schritten. MENDELEJEWS Gehirn nun verkörpert, wie es scheint, gerade diesen Typus der Elitegehirne in seiner anatomischen Ausstattung. Ein Blick auf Taf. VI gibt eine genaue Vorstellung von der Ausbreitung des oberen Parietalgebietes und von der reichen Sekundärfaltung seiner Oberfläche. Der Sulcus intraparietalis (Taf.VI,ip) hat dementsprechend eine starke Verschie- bung nach außen, vor den oberen Parietalwindungen zurückweichend, erfahren. Der Zustand wiederholt sich an beiden Hemisphären, ist aber links gesteigert. An LiEsıcs Gehirn lagen, wie es scheint, recht analoge Verhältnisse vor; auch dort war die linke Hemisphäre, wenn die Erinnerung nicht täuscht, die bevorzugtel. Daß an dem Lobulus parietalis inferior von MENDELEJEWws Gehirn be- stimmte Anzeichen einer Luxusausstattung der Windungen bestehen, und zwar an der linken Hemisphäre (Taf. I), ist bereits dargestellt worden. Bloß aus der Vergleichung mit den Zuständen der rechten Hemisphäre (Taf. II) kann dies natürlich nicht erschlossen werden, wohl aber aus der Vergleichung mit der linken Parietalregion einer Anzahl anderer, gewöhnlicher Gehirne. Eine in offenkundiger Weise ungewöhnliche, überschüssige Ausbildung ist an zwei Stellen des unteren Parietalgebietes vorhanden: I. am hinteren, oberen Teil (Pars ascendens) des Gyrus temporalis superior (Taf. I, in der Umgebung von T) bzw. im Bereiche des hinteren Schenkels des Gyrus supramarginalis, und 2. im Gebiete des Gyrus angularis (Taf. I, G). Daß es sich hier etwa um gewöhnliche Formvariationen irgendwelcher Art handeln möchte, ist insofern nicht anzunehmen, als der Nachweis ähnlicher Zustände an Gehirnen von Individuen, welche zu Lebzeiten durch keine be- sonderen psychischen Leistungen hervortraten, nicht ohne weiteres gelingt. Andererseits ist durch direkte Beobachtung festgestellt, daß gerade die Rinden- region, um welche es sich hier handelt, bei einem bestimmten Typus der Elite- 1 Vgl. RÜDINGER, Zur Anatomie der Affenspalte und der Interparietalfurche. Fest- schrift für HENLE. ER ee gehirne als eine Art Prädilektionsstelle für die Ausbildung anatomischer Formabweichung eine Rolle spielt. An dem Gehirn von H. v. HELMHOLTZ, welches v. HAnsEMANN beschrieben hat!, findet man ein analoges Verhalten der hinteren Schläfenlappenregion. Eine gesteigerte Ausbildung der Gegend des Gyrus angularis und des ihm vorn angrenzenden Rindenfeldes ist ebenfalls bei HELMHOLTZ, aber auch am Gehirn mehrerer anderer Geistesheroen bemerkt worden, namentlich in Fällen, wo mathematische Begabungen lebhaft hervor- traten (GYLDEN, KOVALEVSKI?). Am Gehirn des Mathematikers GAuss besteht sogar eine förmliche Verdoppelung der dem Gyrus supramarginalis entsprechen- den Stelle der Parietalregion, indem daselbst gleichzeitig eine eigentümliche, sonst hier nicht vorkommende Sagittalfurche zur Ausbildung gelangte®. Im ganzen tritt die allgemeine Entfaltung der Parietalregion des Gehirns von MENDELEJEW deutlich über die Grenzen des Gewöhnlichen hinaus. Es wurde erwähnt, daß der Gyrus centralis posierior an der linken Hemi- sphäre eine enorme Maßentwicklung erfahren hat (Taf. I und VI). Die Win- dung ist, was sonst nicht der Regel entspricht, nahezu in ganzer Ausdehnung von sekundären Furchen und Dellen zerrissen. An Breite übertrifft sie, was ebenfalls auffällt, sogar den Gyrus centralis anterior, welcher doch typisch als der stärkere von beiden auftritt (Taf. I und VI). Dazu kommt die Doppelung des vorderen Schenkels des Gyrus supramarginalis als exzeptionell charak- teristische Eigentümlichkeit von MENDELEJEWS Gehirn. Die Mehrentfaltung der Parietalregion findet aber noch in einem anderen Umstand greifbaren Ausdruck. Es hat nämlich (vor allem an der linken, in schwächerem Grade auch an der rechten Hemisphäre) der Sulcus centralis I. im ganzen eine weiter nach vorn vorgeschobene Lage, als für die Mehrzahl gewöhnlicher Fälle Regel ist, und 2. verläuft diese Furche steiler, mit geringerer Neigung nach hinten, als sonst. Zum Teil hängt dies auch mit der lebhaften Ausbildung des oberen Scheitelläppchens zusammen. Betrachtet man nun die Gehirnhemisphären gerade von oben her (Taf.VT), sowie von der Seite (Taf. I), so wird klar, daß zwischen dem Stirnlappen und Scheitellappen an MENDELEJEWsS Gehirn dimensionell offenbar ein anderes Verhältnis besteht, als der durchschnittlichen Norm entspricht. Dem Scheitel- lappen kommt hier eine relativ und absolut größere Flächenausdehnung und Größe zu. Doch muß betont werden, daß diese parietale Hegemonie nicht ohne weiteres auf Kosten der Entfaltung des Stirnhirns zu setzen ist. Denn der Lobus frontalis hat in sagittaler Richtung keineswegs durch die Ausladung des Lobus parietalis eine Einschränkung erfahren, wie sich aus der Betrachtung der im ersten Kapitel mitgeteilten Messungsergebnisse unschwer ergibt. ı Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 1899, Bd. 20. 2 Beide untersucht durch G. Rerzıus, Biologische Untersuchungen, herausgegeben von Prof. Dr. G. REerzıus. 1897, Bd. 7; 1899, Bd. 8. 3 R. WEINBERG, Gehirnform und Geistesentwicklung. eg An den Gehirnen von Bunsent und Gauss herrschen nahezu gleiche fronto-parietale Proportionszustände vor, wie bei MENDELEJEw. Auch die beiden Hemisphären des Physiologen und Anatomen Lov&n beleuchten dieses Verhalten ?. Im Hinblick auf das vorgeführte Befundmaterial glauben wir nun nicht fehlzugehen, wenn wir das von uns untersuchte Gehirn des Chemikers MENDE- LEJEW jenem besonderen Typus der Genie- oder Elitegehirne zuweisen, welche in ihren anatomischen Aufbauverhältnissen Anzeichen einer reichen Diffe- renzierung verraten. Der objektiven anatomischen Betrachtung drängt sich indessen die Idee einer bevorzugten Ausbildung dieses merkwürdigen Gehirns nicht in seiner Totalität, sondern nach bestimmten Richtungen auf. Denn es fällt, je mehr der Blick sich auf das Verhältnis der Teile zu einander richtet, ein gewisser Mangel jenes allgemeinen Ebenmaßes der Anordnung und Ausbildung der Oberflächengebilde auf, welches an gewöhnlichem Material in den meisten Fällen vorhanden ist. Auf der einen Seite treten Zustände hervor, die geradezu an die Einfachheit der schematischen Bilder gemahnen; eine ganze Reihe von Furchen und Windungen stellt sich, wie im zweiten Kapitel dieser Abhandlung betont wurde, im Bilde einer auffallend einfachen, typischen, gewissermaßen allgemein menschlichen Gestaltung dar. Auf der anderen Seite hinwiederum ist man vergebens bemüht, in der wechselseitigen Gruppierung der Windungen, in dem Bilde ihres gegenseitigen Verhältnisses trocken schematische, alltägliche Zustände wahrzunehmen. Daß eine vorwiegende Ausbildung dieses Gehirns nach einer bestimmten Richtung oder nach bestimmten Richtungen stattgefunden hat, möchten wir als Erscheinung hervorheben, welche für die Beurteilung der Elitegehirne Bedeutung gewinnt. Unsere Auffassung basiert hier jedoch ausschließlich auf anatomischen Befunden. Die unmittelbare Betrachtung lehrt, daß die Stirn- und Scheitelregion, namentlich an der linken Hemisphäre, gegenüber allen übrigen Bestandteilen der Gehirnoberfläche räumlich und strukturell weitaus in den Vordergrund treten. Es liegt sozusagen ein Zustand fronto- parietaler Überentwicklung vor. Beide Regionen überraschen den Blick ebensosehr durch ihre reiche innere Ausstattung, wie durch das Maß ihrer räumlichen Ausbreitung in einer Weise, wie dies an gewöhnlichen Durchschnitts- gehirnen vielleicht nur ganz ausnahmsweise zu beobachten sein dürfte. Daß einzelne ausgedehnte Teile der Hemisphären in räumlicher und struktureller Hinsicht der Durchschnittsnorm viel näher treten, ist ein ana- tomisches Moment, das, wie uns scheint, in der eigentlichen Natur der Elite- 1 D. v. HANSEMANN, Die Gehirne von TH. MoMMSEn, R. BUNsEn und A. v. MENZEL. Bibliot. Medica, Anat. Abteil., herausgeg. von W. Roux 1906. 2 G. Rerzıus, Das Gehirn des Histologen Cur. Lov&n. Biologische Untersuchungen, herausg. von Prof. Dr. G. Rerzıus, N. F. 1905, Bd. 12. Roux, Monographien. I: Von Bechterew u. Weinberg. 2 en ae gehirne seine Wurzeln hat. Man wird an der Taf. I und II unschwer bemerken, daß der Schläfenlappen als Ganzes ungefähr das gewöhnliche Ebenmaß im Verhältnis zu dem Stirnlappen und zu den übrigen Gebieten verrät. Im Gegen- satze dazu erscheint die Region des Präcuneus an der rechten Hemisphäre (Taf. V), sowie der Lobulus paracentralis der rechten Seite von unverhältnis- mäßig ergiebiger Ausdehnung, ein Verhalten, welches übrigens auch in anderen Fällen wiederkehrt und als solches mit den genialen Leistungen wohl nicht direkt im Zusammenhange steht. Recht bemerkenswert für ein Elitegehirn vom Range des hier untersuchten mutet uns der Befund eines Limbus postorbitalis (s. Kap. Il und Taf. III) an, wenn man bedenkt, daß diese Formation schon mehrfach mit inferiorer Gehirn- entfaltung in Zusammenhang gebracht worden ist (SPITZKA). Das Zusammen- treffen von Merkmalen höherer Ausbildung mit Äußerungen unvollkommener Differenzierung ist indessen eine Erscheinung, welche nicht allein am Gehirn, sondern auch im Bereiche der übrigen Organsysteme sich vielfach ausprägt. An Elitegehirnen, welche nach bestimmten Richtungen gewissermaßen ein- seitige Entwicklungsbahnen durchlaufen, braucht das Auftauchen eines in- ferioren Stigma nicht zu überraschen, falls eine gleichzeitige Superiorität an- derer Gehirnformationen vorliegt. IV. Schlußbemerkungen. In dem Gehirn und seinen anatomisch-physiologischen Zuständen findet eine Ausprägung der Individualität und ihrer ererbten und erworbenen Eigen- schaften statt. In seiner körperlichen Erscheinungsweise (s. Porträt) verriet der Chemiker MENDELEJEW Anzeichen einer nordeuropäischen Rassenabstammung. Er war von hohem Körperwuchs, hatte blondes Haar und blaue Augen, sowie eine rotschimmernde Wangenhaut. Diese Merkmale des Homo europaeus Linn& sind bei ihm jedoch verbunden mit einer deutlich brachycephalen Kopfform (der Schädelindex überstieg 85), einem chamäprosopen Gesicht und einigen anderen Erscheinungen am Skelett, welche auf gemischte Abstammung hinweisen. Es ist ja eine bekannte Tat- sache, daß hervorragende psychische Leistungen vielfach gerade bei Misch- lingen auftreten (GOETHE). Wie so oft, hat sich die geistige Entfaltung MENDELEJEWs ganz nach der Richtung seiner durch Verstand und Energie gleich hervorragenden Mutter vollzogen. Von ihr ererbte MENDELEJEW, wenn nicht spezielle Geistesgaben, so doch seine ganze Charakteranlage und jene enorme Willenskraft und Leistungs- fähigkeit, welche dieser merkwürdigen Frau ebensosehr eigen waren, wie ihrem berühmten Sohn. MENDELEJEWS wissenschaftliche Tätigkeit war außerordentlich vielseitig. Viele seiner Leistungen verraten in ihrer Idee und Ausführung einen eigen- artigen und starken Geist von seltener schöpferischer Kühnheit. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, seine Werke, welche bereits Gemeingut der gelehrten Welt sind, eingehend zu schätzen. Wir wollen hier nur berühren, was in bio- logischer Hinsicht an seinen Werken und an der Art seiner Leistungen sich als bemerkenswert aufdrängt und geeignet erscheint, über die Zustände am Gehirn einiges Licht zu verbreiten. Vor allem zeichnet MENDELEJEWS Darstellung der Gegenstände und Er- scheinungen, welche er behandelt, eine ungewöhnliche Klarheit und Lebendig- keit aus. Wer seine »Grundzüge der Chemie « liest, ist überrascht durch die große Lebhaftigkeit der Schilderung und Darstellung, welche die Elemente in geradezu greifbarer Gestalt dem Leser vor Augen führt. So kann nur schrei- ben, wer die konkreten Spuren und Vorstellungen vollkommen genau und lebendig sich zu eigen macht. Dieser charakteristische Zug prägte sich auch an der Sprache MENDE- LEJEWS aus. Er war kein glänzender Redner im gewöhnlichen Sinne dieses Wortes. Aber er hatte die Gabe, sich ungemein treffend auszudrücken; er sprach kurz, ausdrucksvoll und plastisch; er fand für seine Gedanken in allen Fällen ohne Mühe den richtigen und genauen Ausdruck. Einen nicht minder bedeutsamen Zug der Persönlichkeit und Denkungs- weise MENDELEJEWS bildet sein ungewöhnlich reiches Kombinationsvermögen. Er erkannte in schärfster Weise den inneren Zusammenhang der Erscheinungen und Tatsachen. So überrascht uns überall in seinen Werken eine starke und reiche Beweiskraft. Es ist anzunehmen, daß die Entdeckung des periodischen Systems der Elemente, welche MENDELEJEws Weltruf als Denker und Forscher begründete, in seinem außerordentlichen Kombinationsvermögen ihre Wurzeln hatte. Wir können nicht umhin, der hervorragenden mathematischen Begabung MENDELEJEWS zu gedenken. In Fachkreisen hegt man keinen Zweifel, daß das Gesetz der Periodizität wesentlich unter Zuhilfenahme der mathematischen Analyse aufgefunden wurde. Auch in mehreren anderen Schriften MENDE- LEJEWS treten die mathematischen Grundlagen in den Vordergrund. Außerdem ist bekannt, daß MENDELEJEW schon als Schüler durch seine Fortschritte in der Mathematik die Aufmerksamkeit auf sich lenkte und das Studium mathemati- scher Fächer sogar zum Schaden anderer Disziplinen bevorzugte. MENDELEJEW starb in einem Alter von 74 Jahren. Aus diesen kurzen Angaben, welche die biologische Geschichte MENDE- LEJEwWs berühren, fällt es indessen recht schwer, sich eine bestimmte Meinung darüber zu bilden, welchem Typus genialer Naturen er angehörte, ob seine Persönlichkeit harmonisch und gleichmäßig ausgebildet war oder eine mehr einseitige Entwicklungsbahn nach einer bestimmten Richtung eingeschlagen 9% Te AN hat. Durch Befragen der nächsten Angehörigen war nur soviel zu erfahren, daß der berühmte Chemiker eine musikalische Begabung nicht hatte. Vielleicht entspricht dies in gewissem Sinne der relativ geringen Ausbildung des vorderen Teiles der oberen Schläfenwindung, welche an dem toten Gehirn bemerkt wurde. Auch durch mechanische Leistungen im Sinne manueller Geschick- lichkeit hat MENDELEJEW sich nicht hervorgetan. Daß er kein eigentliches rhetorisches Genie war, ist bereits erwähnt worden. Demungeachtet wäre es nicht richtig, sich MENDELEJEW überhaupt als eine einseitig veranlagte Natur vorzustellen. Seine geistigen Interessen ragten weit über die Spezialgebiete hinaus, in denen er mit besonderer Kraft schöpfe- risch tätig war. Denn er nahm, wenn auch nicht aktiv, an den sozialen Fragen einen regen Anteil. Und in seinem letzten Werke über Rußland stellt sich uns MENDELEJEW als ein Mann mit weitem geistigen Horizont dar, der mit einer nicht gewöhnlichen Perzeptionskraft ausgestattet sein mußte. Der anatomisch-physiologischen Untersuchung treten nun gerade bei diesem Typus des Genies, zum Teil gewiß infolge der Unvollkommenheit unserer Erkenntnis und Untersuchungsmethoden des Gehirnbaues, große und in ge- wissem Sinne geradezu unüberwindliche Hindernisse entgegen. Die zerebrale Lokalisation der spezifischen Begabungen wird maskiert oder doch verundeut- licht durch eine in verschiedenen Regionen stattfindende Differenzierung des Gehirns. Es ist wohl im allgemeinen richtig, daß man beim Studium der Gehirn- formen von Genies die besten und klarsten Resultate in den Fällen erwarten darf, wo es sich um die Ausbildung irgendeiner bestimmten Begabung handelt bei Individuen, welche in allen anderen Beziehungen einem gewöhnlichen geistigen Niveau entsprechen!. Leider aber bleiben solche Individuen fast immer vollkommen unbekannt und wir bekommen daher von ihrem Gehirn- aufbau keine Kenntnis, Während das Manuskript dieser Arbeit druckfertig wurde, erschien eine gerade in dem vorhin berührten Punkte interessierende Abhandlung von L. Stıepa über das Gehirn eines höchst einseitig veranlagten Mannes, eines gewissen Dr. SAUERWEIN, der nur in der schnellen und vollständigen Aneignung fremder Sprachen sich hervortat, sonst aber ein gewöhnlicher Durchschnittsmensch war. Das Ergebnis der Untersuchung dieses Gehirns fiel aber keineswegs ermutigend aus. SrıepAa macht sich daraufhin sogar anheischig, »den Glauben an die Wichtigkeit der grob-anatomischen Untersuchung der Hirnoberfläche zu erschüttern, die Meinung von der Bedeutung der individuellen Verschiedenheiten der Furchen und Windungen für die psychischen Funktionen zu untergraben«2. Uns scheint aber, daß der Autor hierin zu weit geht. Die Lehre von dem Aufbau der Elitegehirne steckt, vor allem was das Befundmaterial betrifft, noch ganz in den Kinderschuhen. Auch die Fragestellung gegenüber solchen Gehirnen unterliegt noch der Diskussion, wie wir dies bei einer früheren Gelegenheit betont haben®. Wir sind jedenfalls angesichts eines so schwierigen und wichtigen Problems noch nicht berechtigt, die Flinte so ohne weiteres ins Korn zu werfen. 1 D. v. HAnsEMANN, Über die Gehirne von Tu. MOmMSEN usw. a.a. O. S. 18. 2 L. Stıepa, Das Gehirn eines Sprachkundigen. Zeitschr. f. Morphologie u. Anthro- pologie. 1907, Bd. XI, Heft ı. ® R. WEINBERG, Gehirnform und Geistesentwicklung. Der von STIEDA auf S. 135 seiner Schrift ausgesprochene Satz: »Wenn die morpho- logische (gemeint ist die sog. grob-anatomische) Verschiedenheit keine Bedeutung für die psychischen Funktionen haben soll, so muß man schließen, daß unbedingt die histologische Verschiedenheit der Hirnrinde hier von Bedeutung sein müsse « ist vom Standpunkte objektiver Forschung geradezu unverständlich. Über individuelle Verschiedenheiten des histologischen Aufbaues liegt ja vorläufig nicht die geringste Feststellung vor. Va- riationen des feineren Baues der Hirnrinde, in welchen STIEDA sogar »die unzweitelhafte Ursache für die Verschiedenheiten der psychischen Funktionen« zu finden vermeint, mögen in dieser oder jener Weise mit den Eigentümlichkeiten der psychischen Äuße- rungen in bestimmter Korrelation stehen. Niemand wird diese Möglichkeit bestreiten wollen. Aber die Notwendigkeit, unter Aufgabe der Windungsstudien das Heil der Lehre von den Elitegehirnen gerade von histologischen Strukturdifferenzen zu erwarten, wird von keinem unvoreingenommenen Forscher als unbedingt vorhanden zugegeben werden. Bisher sind nach dieser Richtung hin ausschließlich die Gehirne von Genies studiert worden, welche nicht vermöge irgendeines speziellen Talentes oder einseitiger Begabung hervorgetreten und bekannt geworden sind, sondern sich geistig nach mehreren Richtungen hervorgetan oder betätigt haben. Des Chemikers Justus v. LIEBIG Gehirn, welches von N. RÜDINGER untersucht wurdel, weist entschieden schon im Aufbaue der Gyri und Sulei große Besonder- heiten auf. Aber diese Eigentümlichkeiten des Gehirns zu lokalisieren und genauer zu charakterisieren in einer für jedermann anschaulichen und ein- leuchtenden Weise, erscheint als nahezu illusorisch gerade infolge der Viel- seitigkeit der Gehirndifferenzierung in diesem Falle. Ähnliches gilt von dem Befunde am Gehirn des hervorragenden Astronomen GYLDEN?, des Mathe- matikers Gauss3 und anderer, ganz abgesehen von jenen Fällen, wo (ein Fall, der z. B. für HELMHOLTZs Gehirn zutrifft) naturhistorische Fähigkeiten oder mathematisches Genie notorisch mit musikalischer Begabung kombiniert waren. Unter den Genies, deren Gehirne bisher Gegenstand anatomischer Untersuchung waren, ist eine ganze Anzahl kombinierter Begabungen nachweisbar. Jedoch gerade dadurch, daß wir bei diesem Typus der Elitegehirne kom- plizierte anatomische Befunde im Maße der komplizierten biologischen Natur der Gehirnträger antreffen, gestaltet sich das Studium derartiger Gehirne überaus wertvoll und lehrreich für alle Fragen, welche den nächsten Zusammenhang zwischen genialen Tätigkeiten und äußerem Aufbau der nervösen Zentralorgane betreffen. Will man sich nun unter Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse ein Urteil über MENDELEJEWS Gehirn im Zusammenhange mit den Besonderheiten seines Genies bilden, dann wird man annehmen dürfen, daß die besondere Schärfe und Lebendigkeit seiner Denkungsart in bestimmten Beziehungen zu 1 N. RÜDINGER, Über die Interparietalfurche usw. Festschr. f. HENLE. 1882. 2 G. RErzıus, a.a.O. 3 R. WAGNER, Vorstudien zu einer wissensch. Morphologie usw. — Die gesamte, diesen Gegenstand betreffende Literatur findet man übersichtlich zusammengestellt bei E. A. SpıtzkA, A Study of the brains of six eminent scientists etc. Transact. of American Philosophical Society. Philadelphia 1907, p. 175—308. HI der namentlich an der linken Hemisphäre bevorzugten anatomischen Ausge- staltung der Parietalregion stehen möchten. Denn gerade in diesen Rinden- gebieten, welche einen wichtigen Bestandteil von FrEcHsıGs hinterem Asso- ziationszentrum bilden, gelangen die Spuren der Sinneseindrücke zur Ab- lagerung, welche vom Tast- und Sehorgane herrühren und der plastischen Darstellung der Gegenstände vor allem zugrunde liegen. Man hat ferner der Vermutung Raum gegeben, daß die Gegend des Gyrus supramarginalis und der angrenzenden Windungen für die Ausbildung des mathematischen Talentes von Bedeutung sein sollte (G. RETZIUS). Wesentlich unterstützt wird diese Annahme, wie der Eine von uns schon früher bemerkt hat, durch den Befund am Gehirn von Gauss. Außerdem liegt Grund zu der Annahme vor, daß das dem Gyrus angularis entsprechende Rindenfeld in bestimmter Weise an den optischen Tätigkeiten beteiligt sei und vor allem an jenen Vorgängen des Innensehens, welche eine wesentliche Grundlage des schöpferischen mathematischen Genies bilden. Andere sind nun freilich mehr geneigt, das physische Substrat der mathe- matischen Begabungen in den Stirnlappen zu legen. Bekanntlich hat GAaLL die der zweiten Stirnwindung entsprechende Stelle der Schädeloberfläche als in dieser Beziehung bedeutsam angegeben. Er stützte sich dabei auf seine Beob- achtungen an den Köpfen hervorragender Mathematikgenies!. In unseren Tagen ist sodann Garzs Meinung von MOEBIUS aufgenommen und unterstützt worden. Er glaubte an den Schädeln der großen Mathematiker eine besondere Protuberanz zu bemerken, welche der Lage nach dem mittleren Frontalgyrus entsprechen sollte. Vielleicht steht der Befund am Stirnlappen von MENDELEJEws Gehirn (s. oben) auch damit im Zusammenhange. Indessen ist eine gesteigerte Ausbildung der vorderen Stirnhirnregion nicht allein bei Mathematikern von Fach beobachtet worden, sondern auch bei sonstigen Genies mit hervorragendem Kombinationsvermögen, zu welchen, wie im obigen dargelegt wurde, auch MENDELEJEW zu zählen ist. Hinzuweisen ist in dieser Beziehung vor allem auf den Befund am Gehirn von HELMHOLTZ, dessen Stirnlappen so ungewöhnlich kompliziert und durchfurcht war, daß die typischen Bestandteile desselben nur mit Mühe wiedererkannt werden konnten?. Ungewöhnliche Anzeichen einer anatomischen Luxusausstattung finden sich an MENDELEJEWs Gehirn, wie wir sahen, gerade im Bereiche des Stirn- lappens, in einer Region, deren hervorragende Bedeutung für die Denktätig- keit wohl nicht bezweifelt werden kann. ı F. J. Gart, Recherches sur les fonctions et les proprietes du syst. nerveux. Paris 2 D. v. HANSEMANN, a.a. O. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Die folgenden Tafeln stellen das Gehirn des Chemikers D. J. MENDELEJEW in verschiedenen Ansichten dar, und zwar: Tafel I von der linken Seite ‚„ II von der rechten Seite „ 9j1II von unten „ 12V von innen, rechte Ge- hirnhälfte Tafel V von innen, linke Ge- hirnhälfte En VI von oben „ VII von vorne „ VIII von hinten Es bedeutet in sämtlichen Abbildungen: ca Fissura calcarina d—Sulcus diagonalis opereuli f', f?, f? obere, mittlere, untere Stirnfurche fa Sulcus frontomarginalis ip Sulcus intraparietalis !p Lobulus paracentralis lo Lobulus parieto-oceipitalis oty Suleus oceipitalis transversus bes, pci obere, untere Präzentral- furche po Fissura parieto-oceipitalis ptr Sulcus parietalis transversus R Zentralfurche rh Fissura rhinalis s'!, s? Fissura Sylvü t!, t? obere, mittlere Schläfen- furche T obere Schläfenw.ndung Eigenfurche der oberen Stirn- windung. Einige Spezialbezeichnungen sind im Texte erläutert. “og er, Uuy j BR a 5 en . Are en 5; Bar < Zee a Are - an Dr Era = ia; yore va E E - f Cr a > ‘ Au ksaksu er... FE AR ar RAR, BE RN Q TWaLS BR Z ET, .S E0} ızdıa "J ur NNVYWT99 NA N 1AHTIM UOA Sedo‘ = er w. % ae he uouydw.Souopy “xnoy ‚Sızdi9a] UI NNYWIIONY NITIHTIMA UOA Seo‘ fo] 7 uaugvasouopy “xnoy Roux, Monographien. 1. Maya JUNE Verlag von WırHEtLM ENGELMANN in Leipzig. -Stzdia] UI NNYWIIONT NIAHTIM UOA Seo‘ SAD, 7 uonydvaSouopy ‘xnoN ZN FR 20] l c ‚Sızdia] UL NNVYNIIONY NIAHTIA UOA Sea‘ A fol 7 uonjdv4douopy ‘ınoy Roux, Monographien 1. ano WAR Verlag von WILHELM ENGELMANN in Leipzig. -Sızdıs] UI NNYWIIONA NITAHTIMA UOA Sea‘ IIA FOL 7 usupgv..souopy ‘no ‘Sızdia] ur NSNYNIGONY NIAHTIM UOA SepoN IA JPL 'y usudvaSouopy “xnoy ig u ANATOMISCHE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTLICHE MONOGRAPHIEN HERAUSGEGEBEN VON PROF. WILHELM ROUX / "0 —— \ Ihe DAS GEHIRN DES CHEMIKERS D. J. MENDELEJEW VON | Pror. W. von BECHTEREW UND Pror. R. WEINBERG MIT EINEM BILDNIS MENDELEJEWS UND ACHT TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1909 BB | _ Fi: Printed in Germany Ankündigung. Die „Anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Monographien“ sollen die Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere sowie die gesamte Entwicklungsmechanik des Menschen und der Tiere umfassen, und zwar solche wertvolle wissenschaftliche Arbeiten, welche wegen zu großen Umfangs oder zu vieler Tafeln in den Archiven und anderen Zeitschriften kein Unter- kommen finden. Halle a.S. W. Roux. "dA SIR, aM N lien BL WHOI Library - Serials