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Annalen
der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft fur die
sesammten Naturwissenschaften.
Herausgegeben
von
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Professor der Naturgeschichte in Bern.
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GOARDEN
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VRR TE ET RETTET TE EEE CE TE TE TE EEE TEEEEE E DRENERTEETEN BERN, bei C. A. Jexvr, Buchhändler, 1824.
Leiezie, in Commission bei C. H. F..Harnrmann.
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Inhalt des ersten Bandes.
Erstes. Heft.
\ Seite I. Bericht über die neunte Jahresversammlung der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften , die am 241, 22 und 23ften Jul. 1823 in Aarau . Statt gehabt hat. } : » : 41-28
II. Bruchstück aus den Beiträgen zu einer Mo- . nographie der Molasse , von B. Studer. . 29-69 III. Ueber die Vögel der Gegend von Genf, von L. A. Necker. (Aus dem Französischen frei ‚ übersetzt und abgekürzt von dem Herausgeber.) 69-132 IV. Ueber die spröden Glastropfen, von Pet. Merian , Prof. ın Basel. . PAR . 133—136 V. Miszellen, g IT, s l , . 136—138
Zweites Heft. ;
I, Einige Thatsachen über eine eigenthümliche Gebirgsbildung „ worauf die Stadt Basel steht , von Pet. Merien, Prof. PEHAN . 139-149 1I. Beschreibung und Naturgeschichte des bärti- - gen Geieradlers (Gypaetus barbatus.) .. 150—165 III. Ueber zwei noch nicht beschriebene Arten
von Vögeln aus der Familie der Sänger , vor dem Herausgeber. L ; ! . 7. 166-177
IV, Ueber die Physiologie der Weinbergschnecke (Helix Pomatia), von B. Gaspard, D.M. mit Anmerkungen von T. Bell, F. L.S. aus dem Englischen übersetzt vor dem Heraus- geber. . RT 0.00. 110
(%)
V. Ueber das alte Rubinglas, von C. Brunner , Prof. . . . . “ . . E5 190—194 VI. Memoire sur l’Indigestion, par Mr. Zink, Chirurgien. . k s } } . 194—211
Seite.
VII. Naturforschende Gesellschaft in Solothurn, _ 211-216
VIII. Bücheranzeigen : 1. Die Heilquelle zu Pläfers, von J. 4. Kaiser, Chur 1822. 8. : 0%. 216—218 2. Lichenes helvetici exsiccati Fasc. I—-IV, et Lichenum helveticorum Spicilegium Sect. 1. exsic. Fasc. 4—4. illustrans; Autore Zud. Em. Schaerer, Bernae. 215—219 3. Nova theoria de Parallelarum rectarum proprietatibus , auct. D. ZZubero. Basil. 1823. . . . F . . . 219 4. Anfangsgründe der Dampfmaschinen. lehre für Techniker und Freunde der Mechanik , von Dr. Chr. Bernoulli , Prof. Basel 1824. 2 r { . 219 5. Beiträge zur Stöchiometrie und chemi- schen Statik , von F. L. Falkner , Dr. Basel 1324. . BR) . 220 IX. Ankündigungen: 4. Handbuch der schweizerischen Lepi. dopterologie , von dem Herausgeber. 221—223 2. Notes sur les Plant selecte siecz col- s late in herbario De Candollii et des. cripte in Prodromo systematis naturalis regni vegetabilis, par IV. C. Seringe. 223—230 3. Die organischen Formen der Vorwelt bildlich dargestellt, von E. F. Gersnar.' 230—231 X. Miszellen. BR: Hr. i j 232-234
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1.
Bericht über die neunte Jahresversammlung der allgemeinen Schweizerischen Gesell- schaft für die gesammten Naturwissen= schaften, die am 21, 22 und 23sten Jul. 1823 in Aarau Statt gehabt hat. *)
uch dieser Versammlung; hatten sich, von regem Eifer für die Zwecke derselben beseelt , aus ıı Cantonen die Mitglieder der Gesellschaft in zahlreicher Menge eingefunden. Wie gewohn- lich wurde die erste Sitzung mit einer Rede des Präsidenten, (diesmal des würdigen Professors der Mathematik an der CGantonsschule in Aarau, Hrn. Franz Xaver Bronner) eroffnet. So wie fruhere Vorsteher der Gesellschaft zum Inhalt ihrer Reden das in den verflossenen Jahren in ihrem Kreise Geleistete gewahlt haben, so sprach der diesmalige Redner hingegen von dem, was künftig geleistet werden konnte, wobei er sich
®) Da die bereits auf Anordnung der Gesellschaft
Beine Uebersicht ihrer Verhandlungen bei
er Versammlung in Aarau wohl nur den ın der
Schweiz wohnenden Mitgliedern der Gesellschaft
en zugekommen ist, so dürfte es wohl nichts über-
©, flüssiges seyn, den wesentlichen Inhalt dieser Ver-
—— handlungen hier zu wiederholen, um auch den
©») auswärtigen Lesern unserer Annalen, denen die
— Thätigkeits- Aeusserungen unsers Vereins nicht gleichgültig sind, davon Kunde zu geben.
7 Natw. Aml.T. 1. 1 &
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indessen blos auf eine Reihe physikalischer Ge- genstände beschränkte , deren Bearbeitung der Naturforscher in der Schweiz nicht unwürdig wäre. Wir führen von der beträchtlichen Menge der in Vorschlag gebrachten Aufgaben nur dieje- nigen an, zu deren ‚Auflosung Schweizerische Naturforscher in ihrem Vaterlande ganz besondern Anlass und Gelegenheit fanden.
„Pendelversuche und Beobachtungen, aus welchen sich, wie Laplace gezeigt hat, Folge- rungen für den innern Bau der Erde ableiten las- sen, sollten an verschiedenen Gebirgsorten z. B. von Altorf bis Locarno, oder von Sitten über den Simplon bis nach Domod’ossola, oder von Martinach über den grossen Bernhardsberg bis nach Aosta von einem Physiker mit einem guten Chronometer, und einem Pendel von bestimmter Länge, oder Biot’s Gomparateur versehen, ange- stellt werden, mit der Vorsicht, die Höhe der Standpunkte des Beobachters in Rechnung zu bringen. Vielleicht dafs sich durch solche Beöb- achtungen unterirdische Hohlen oder mächtige Erzlager kund geben würden. Denn geräumige 'Hohlen würden die Zahl der Pendelschlage ver- mindern, dichte Erzlager sie für die gleichen Zeiträume vermehren. “
„Beobachtimgen über den Erdmagneltismus ,
über Abweichung und Neigung der Magnetnadel
5 sind noch wenie in der Schweiz angestellt wor-
den. Doch wäre es nach Joh. Tob. Mayer’s und Ziot’s Anleitungen weder kostspielig noch schwer , sowohl die horizontale als die geneigte Richtung der Nadel täglich zu beobachten, und durch Vergleichung ihrer Schwingungen mit den
Schlagen eines guten Zeitmessers die magneti-
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schen Kräfte zu bestimmen: Nur Alex. v. Zum- boldt hat bei seiner Durchreise im Jahr 1806 in Zürich, Luzern, Altorf,;, im Ursernthale , im Hospiz auf dem Gotthard und in Airolo derglei- chen Versuche angestellt.“ (Memoires de la Soc. d’Arcueil T. ı.)
„Beobachtungen über den Gang der Wärme in der Erde von dem Minimum des Winters bis zum Maximum des Sommers immer’ tiefer und tiefer und wie sie allmahlig stufenweise vom Som- mer bis in den Winter schwindet, würden, wenn sie an mehrern Stellen zugleich, wenn sie in einer Meridianlinie , die uber Berge wegliefe, an meh- rern Orten der Abhänge einige Jahre nacheinander fortgesetzt wurden, gewils interessante Resultate für den Gang der Vegetation, für Agricultur u. s. w. darbieten. “
„Erforschung der. Temperatur unserer Quellen und Seen. Die Warme der Quellen steht mit der mittlern Temperatur des Erdbodens in sehr naher Verbindung. Die "Temperatur der Seen in ihren Tiefen sollte an mehrern Orten und in verschiedenen Jahrszeiten oder gar alle Monate beobachtet werden, was sicherlich Auf- schlusse uber die Beschaffenheit des Erdbodens und seine Erwarmung in betrachtlichen Tiefen unter dem Horizonte des Landes, und über den Wechsel und die Beständigkeit der Wärme unter der Eırdfläche geben würde. Auch die Beobach- tung der Temperatur nahe am Ufer und zugleich mitten in den Kesseln der: Seen konnte interes- sante Data liefern.“
„Beobachtungen über das periodische Steigen und Fallen der Seen, über den constanten mitt-
lern Wasserstand, den Zu- und Abflufs dersel-
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ben, über die Eigenschaften des Wassers, dessen Gefrieren und Aufthauen, dessen Anschwellen durch Winde; uber Pflanzen, Insecten, Ge- wurme, Fische, welche darin leben und ihre Zuge halten, über die Vogel, welche sie ge- wohnlich oder selten besuchen etc. etc.“ „Beobachtungen über die Fertheilung er Wärme in der Sohnes. Noch ist nicht be- stimmt, welche Biegungen HZumboldt’s Isother- men in der Schweiz haben. Die miftlere Tem- peratur der wenigsten Oerter ist bekannt. Dies
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erheischt jahrelang fortgesetzte genaue Beobach- tungen des T kormon ım Freien. Nur wenn die Mitglieder unserer Gesellschaft , wenigstens
eines an ı jedem Orte fleissig meteorologische Be- obachtungen anstellen , sie sorgfältig aufzeichnen und zusammentragen, konnen sich die nothigen Angaben finden, um aus ihnen die wirkliche Ver- theilung der Wärme zuverlässig zu bestimmen. — Wie wenig kennen wir eine Menge unserer Ge- birgsgegenden und ihrer Merkwürdigkeiten! Ue-
berall, wohin ein forschendes Auge sch wandie,
$aben sich bisher in Luft, Wasser und Erde, an belebten und unbelebten Wesen merkwürdige Ei- genschaften kund,, welche werth sind, des wan- dernden Physikers Aufmerksamkeit zu erregen. Noch lange darf an keine Erschöpfung gedacht werden; die. Schweiz. ist ale physikalisches. Fund- land, wo man bei jedem Schritte ansprechenden Gegenständen begegnet.“
„Beobachtungen auf jeder Stufe ersteigli- cher Hochgebirge mit Barometer , neben; Hygrometer ind Eleetrometer angestellt, bis auf die höchsten Gipfel verfolgt und wo moglich in verschiedenen Jahrszeiten wiederholt, würden
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viel Belehrung über das Gesetz der Wärme- Abnahme von Unten bis zu den hochsten Punk- ten geben. “
„Darstellung der Schweizerflora in Gestalt eines oder mehrerer nebeneinanderstehender Berge, zu bequemer und leichter Ueberschauung der ver- schiedenen Pflanzenregionen, nach den Vorbilde 3 das uns Zumboldt in der seinem Werke de dis- tributione geograph. plantar. beigefügten Abbil-
dung gegeben hat.“ „Mehrere genaue geognostische Profilzeich- nungen unserer Gebirgsstrecken ‚„ wie schon Zbel
einige geliefert hat. “
„Mehrere Mitglieder der Gesellschaft sollten Sich werhinden-die Schmeiz hypsometrisch zu nivelliren, indem sie die Hohe von so vielen Orten und Punkten dieses Landes, als nur immer moglich, auf das genaueste bestimmten. “
„Auch wäre es sehr verdienstlich , die Zöhe der Schneelinie an so vielen Stellen als moglich auf unsern Gebirgen,, mit Beobachtung der Mer schiedenheiten züf der Süud- und Nordseite und mit Angabe ortlicher Einwirkungen hypsometrisch zu bestimmen. “
„Vollständige meteorologische Beobach- tungen mittelst Barometer, 'I'hermemeter, Hy- grometer , Regenmesser y Ausdunstungs - und A hieser;; in Verbindung mit dem magnetischen Declinatorium und Inclinaterium. “
„Auflosung der Frage: /n welchem Ver- hältniss stehen Ausdünstung und Regenmenge in der Schweiz ?*
„Beobachtungen über den Thau auf meh- vern Stationen vom 'Thalgrunde an bis an die Gletscher hinauf. ‘
„Untersuchungen über die Winde, ihre Piegelmässigkeit oder ihren Wechsel , ihre Stärke, Dauer etc. in verschiedenen Gegenden. “
„Giebt es in der Schweiz sogenannte Wet- terscheiden? Welche Gebirgszüge kann man als solche bezeichnen? Welchen Weg nehmen die Gewitter in dieser oder jener Gegend? Giebt es besondere Stellen, wo sich Gewitter erzeugen?“
„Genaue Bestimmung und ‚Bezeichnung der Flussgebiete in der Schweiz auf einer eignen hinlanglich-grossen Charte. “
„ Zusammenstellung alles Bekannten über die Eigenheiten unserer Flüsse, ihre Geschwindig- keit, ihr periodisches Anschwellen, ihre Ueber- schwemmungen , Vermehrung der vorhandenen Notizen mit neuen Beobachtungen. “
„Genaue Berichte über die wahre Beschaf- fenheit und Bewandtnils der sogenannten Wunder- brunnen oder der periodisch intermittirenden Quellen und Bäche in der Schweiz.“
„Vollständige, aber kritisch gesichtete Samm= lung der Beschreibungen aller .Mineralquel- len in der Schweiz. “ |
„Beschreibung der Stellen im Jura und an- dern Gegenden der Schweiz wo Erdöhl und Erdpech vorkommen. “
„Genaue Beschreibung des Steinkohlenla- gers, das durch die Sandsteinformation der Schweiz in grosserer und geringerer Machtigkeit streicht, und dessen Verhaltens an allen denjenigen Orten, wo es zu beobachten ist. “
„Geognostische Untersuchungen und Be- obachtungen über unsere Gebirge, sind nach allem, was hierin bereits vorgearbeitet worden , noch eine unendliche Menge anzustellen. Die
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trefflichen Geognosten ‚ welehe unsere Gesell-
schaft unter ihren Mitgliedern zahlt, werden sich’s angelegen seyn lassen, die Lucken in der geogno- ah HKenninils unsers Vaterlandes immer mehr auszufullen.
„Untersuchung der Höhlen in den Gebir- sen der Schweiz, ımd ihrer Entstehung, ihrer Schichten und Felsarten, ihrer Gange und ihres Verlaufs, ihrer Temperatur u. s. w.“
5 Angaben über „die Verwitterung der Felsen.“ 2
„Beschreibungen und Bestimmungen der in unsern Gebirgen kan len Versteinerungen und der ln ihres Vorkommens , in sl sicht der Schichten in welchen sie sich finden,
der sie einschliessenden Gebirgsart TRIKE» Krk
Diese und noch viele andere Vorschläge zu Arbeiten fir die Schweizerischen N-ruitsrecher beschlofs der Redner mit den Worten :
„Ergreife die Herzen aller Mitglieder , edler Bifer, Mer ee preiswürdigen ‘Stifter dieser Gesellschaft von Anbeginn beseelt hast! Ueber- winde die Einwendungen der Bequemlichkeits- liebe , sobald sie durch Vorspiegelung von Schwie- ‚rigkeiten die Lust, etwas zu leisten, ertodten "mochte. Eihabener Muth, Schwierigkeiten zu besiegen, die Untersuchung u Um- stande standhaft durchzuführen , beseele du jedes Mitglied dieses Vereins , damit der schone Zweck, Be wir uns vorgesetzt haben , erreicht Werde, damit die Naturwissenschaften unter uns fleissigst sepflest, zu Bluthen und Früchten gedeihen und das V aterland Nutzen aus unserer "Vereinigung
ziehe!‘
Am Schlufs der Rede wurde noch mit Weh- muth der im verflossenen Jahre in die Ewiekeit hinübergegangenen Mitglieder der Gesellschaft gedacht. Staatsrath Usteri von Zurich gab einen ausführlichen Bericht über die Jugendgeschichte des zu früh entschlafenen Jans Conrad Escher von der Linth, und ein Aufsatz Wyttenbach’s theilte die Hauptzuge aus dem Leben des vere- wigten Albrecht's von Haller, des jüngsten Sohnes unsers grossen Hlaller’s, mit.
Hierauf gab der Präsident Nachricht von dem, was die vaterlich gesinnte Regierung des CGantons Aargau neuerlich zur Unterstützung und Beforderung der wissenschaftlichen und gemein- nutzigen Anstalten und in’s Besondere auch fur die Belebung des naturwissenschaftlichen Studi- ums gethan und las endlich auch ein an ihn ge- richtetes Schreiben. der hohen Gantonsregierung ab, worin dieselbe unserer Gesellschaft in sehr verbindlichen Ausdrücken ihre lebhafte Theilnahme an den wissenschaftlichen Bestrebungen dieser Ge- sellschaft ausdrückt und ihr ein Geschenk von 400 Schweizerfranken zusichert.
Zum Schlufs der ersten Sitzung gab Prof. Trechsel im Namen der im Jahr ı822 niederge- ‘setzten Commission zu Untersuchung und Ver- gleichung der Schweizerischen Maalse und Ge- wichte, Bericht, wie weit die Gommission in die- ser schwierigen und weitaussehenden Aufgabe bis jetzt gediehen sei. WVenn zwar gegenwartig noch keine vollständige und umfassende Bestim- mung, und vergleichende Uebersicht der Schwei- zerischen Maalse und Gewichte vorgelegt werden konnten, so sind doch alle nothigen Einleitungen dazu getroffen, und die Sache geht ihren zwar
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etwas langsamen, aber sichern und hoffentlich zum Ziele führenden Gang. Die Regierungen aller Cantone haben der Sache ihren hohen Bei- fall und geneigte Unterstützung zugesichert und wirklich sind schon aus mehr als der Hälfte aller Cantone die ofhiciellen Bestimmungen und Ver- gleichungen ihrer Maafse und Gewichte einge- sendet worden.
Die Vorlesungen, welche in den beiden an- dern Sitzungen gehalten wurden, sind folgende:
Prof. Pictet von Genf gab einen sehr inte- ressanten Bericht über eine in Genf neu errichtete Brücke, welche auf Eisendrahten ruht. Eine solche wurde zuerst von den Gebrüdern Seguins, 50. Fuls lang, mit sehr geringen Kosten gebaut. Nach diesem ersten Versuche ward ein Modell 38 Fufs lang verfertigt, an welchem zwei Draht- seile, jedes aus ı2 zusammiengewundenen Drahten bestehend , die ganze Last trugen. Nachdem vorzüglich Obrist Dufour sehr viele interessante Versuche über die Stärke der Drähte angestellt hatte, ward zur Ausführung geschritten. Die Erfahrung lehrte, dafs zusammengefalste Drähte weit starker sind, als Eisenstangen von der Dicke der Drahtseile. Nach vielen Versuchen , wie die Verbindung der Drahte am besten geschehen konne, fand man, am vorzüglichsten sei blosses Aneinanderlegen derselben und spiralformiges Um- binden dieser Stelle mit Drähten. Durch Ver- suche ergab sich , dals & Bündel, jeder zu 100 Fäden von 2 Millimetre Dicke, eine Last von 2,880,000 Kilogrammen trugen. Das Ausglühen der Drähte vermindert in bedeutendem Grade die Festigkeit des Zusammenhangs. Dagegen ist die
Wirkung vom Wechsel des Luftdrucks und der
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Temperatur auf dieselben sehr gering. Nach dem Modell wurden 2 Brücken über den Stadtgraben von Genf verfertigt, wovon die eine ihrer Vol- lendung nahe ist. Die zwei Haupt-Drahtseile werden durch eiserne Schienen an beiden Ufern des Stadtgrabens festgehalten; die Schienen sind in Massen von Quadersteinen eingelassen, die an dem einen Ende des Grabens ein Paar Häuschen tragen. Diese Brütke ward in Zeit von 6 Mo- naten fertig und die Kosten betrugen nicht mehr als 16000 Fr. (?)
Dr. Schinz von Zürich: über die Osteolithen und Odontolithen die im Steinkohlenlager zu Käpfnach am Züricher-See gefunden ren; Schon früher waren bei Käpfnach Knochen und
Zahne grofser,, unbekannter Landthiere an’s Ta-
seslicht gefordert worden, die Prof. Meisner uhr als dem Mastodon angustidens angehorig
erkannt hat. (S. dessen Museum der Naturge- schichte Helvetiens No. 10.) Solche ”ahne sind nun neuerdings wiedergefunden worden; alle ha- ben ein Steinkohlen-Ansehn und sind mit einer dicken schwarzen Glasur umgeben. Auch fand man 4 zusammengehörende Stücke eines grofsen Stofszahns. Alle diese Knochen und Zähne lagen 8o Fuls tief unter der Erdflache. Der Kurf;
‚welcher leider aus Unkenntnils zertruummert wurde, mals mit dem Stofszahne etwa 8 Fuls. Auch Biber-Backenzähne und Zähne kleiner Wieder-
kauer wurden gefunden. Die letztern gehorten wahrscheinlich einer Hirschart an. Also lebten einst in dieser Gegend Pachydermen,, Nager und Wiederkauer beieinander , wahrschemlich an Sum- pfen,, in welchen eine Menge Schnecken (Planor- bis, Limneus u. dgl.) lebten, die sich jetzt auch
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in den Steinkohlenschichten versteinert vorfinden. — Auch bei Elgg wurde in dem dortigen Stein- kohlenlager ein Rihinozerols-Zahn gefunden. Baup von Vevay theilt eine Verbesserung der Darcet’schen chemischen Lampe mit, welche ein Bad eingeschlossener Wasserdämpfe erhitzt. Solch ein Bad giebt sehr constante Erfolge und lafst nur noch wunschen,, man mochte die Hitze auch über den Siedepunkt des Wassers erhohen konnen. Darcet;schlielst die Dämpfe in ein viereckiges Rästchen von Tannenholz ein; allein die Erfahrung zeigt, dafs hier Stoff und Form beitragen, die Hitze zu zerstreuen und ihre Er- hohung zu hindern. Baup giebt also dem Käst- chen eine eylindrische Form und verfertigt die unischliessenden Wände aus Carton, das stark mit Leim getrankt und inwendig mit weissem Pa- pier bekleidet wird. Die Wande werden aber doppelt gemacht und stehen allenthalben 2 Deci- metre von einander ab. Liesse man den Zwi- schenraum nur mit Luft gefüllt, so würde die angehäufte Wärme sich nicht so lange halten, als wenn derselbe mit leichter Wolle, mit Federn, Baumwolle, Kohle oder irgend einem andern schlechten Wärmeleiter ausgefüllt wird. Die 'Glasrohre der Lampe geht mitten durch diesen doppelten Cylinder hindurch; wohl anpassende Glasringe halten die aussere Luft ab; ein Paar Linsengläser in den Deckeln gestatten das Able- sen der eingeschlossenen "Thermometer. Auf zarten Drahtgittern im Innern der Hohlung liegen die Stoffe, welche ausgetrocknet werden sollen. - Das Ganze ruht auf einem Dreifusse , der uber der Lampe steht. > r Ä Dr. Joh. Dan. Mayor in Genf sandte
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eine vielumfassende Abhandlung über die Fische
der Schweiz ein, eine von unserm unvergelsli-
chen Jurine unvollendet. hinterlassene Arbeit ,
deren Vollendung Dr. Mayor übernommen hat. . > « .. Oo .. h
Die beigefügten sehr schonen und genauen Ab-
bildungen hat Jurine noch unter seinen Augen
been und stechen lassen. Die bisher gesam- :melten und beschriebenen Fische stammen aus 3 Seen.‘ Demnach befinden sich : Im Zuger-See 25 Arten’von, 10 Geschlechtern. - Langen-See 17 -- - 11. - SHOME - Genfer-See 19 - - ö N) E
Der Verfasser ersucht die Mitglieder um Bei- hülfe zu seiner Unternehmung, um auch die noch fehlenden Arten bestimmen und beschreiben zu konnen.
Dr. Kottmann von Solothurn unterhält die Gesellschaft von Kaffee-Surrogaten und preiset , nachdem er die schadlichen Wirkungen des ach- ien Raffee’s, und der gewohnlichen Surrogate als der Bohnen, Erdmandeln, Cichorien angegeben hat, vor allen den Eichel-Kaffee.
Mercanton, Professor der Chemie in Lau- sanne, beschreibt und analysirt eine neue Mine- ralquelle in Bex. Diese Quelle entspringt 25 Minuten West-Nordwest von Bex am rechten Ufer der Rhone aus schwarzem Letten, dessen Schichten mit Geschiebsbanken abwechseln. Der Bergbau zu Bex hat gezeigt, dafs der Ralkstein zuweilen Klufte voll gekohlten oder geschwefel- ten Weasserstoffgases enthalt, und dafs. aus diesen Klüften Schwefelwasser hervorquellen. Die be- schriebene Schwefelquelle schemt einen ahnlıchen . Ursprung zu haben. Das spec. Gewicht ihres
S Wassers, das immer eine vollkommene Rlarheit
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behalt, ist 1,0016; seine Temperatur bleibt be-
ständig 10 bis 11° des hunderttheiligen T'hermo-
le = 8 bis g’R.); in 24 Stunden liefert die
Quelle immer 403 Kubikfuls Wasser, ein. Zei-
chen, dafs sie sich nicht mit Tagwassern mischt.
Ein gelbgrünlicher, seifenarliger Bodensatz schlägt
sich, darin nieder; ein empyreumatischer Geruch
entwickelt sich daraus. In einer Million Wasser-
theilen befinden sich nach sorgfaltig angestellter
Analyse:
Schwefelsaurer Ralk 9050. Theile.
Kohlensaurer Kalk . 1618.
Schwefelsaure Bittererde 1772.
Kohlensaure Bittererde einige Spuren.
Salzsaure Bittererde . 2,75.
Schwefelsaures Natron 1016.
Salzsaures Natron . 18.
Kohlensaures Gas . 73,40. Vol. 1879 R.Z.
Geschwef. Wasserstofig. 16,66. Vol.542,5K.Z. 3566,81. Theile.
Nach dem Abrauchen des Wassers verbrei- tete sich immer ein Geruch starker Fleischbrühe. Dieser rührt von der besondern Substanz her, die aber, weil sie nur in geringer Quantität vor- handen ist, sich sehr schwer absondern lafst. Ihre Darstellung gelang nur unvollkommen ; sie ist braun, schwerer als Wasser , weiches dadurch
elblichbraun gefarbt wird, verbreitet erhitzt einen Salrgetuch ‚ wird in höhenes Hitze schwarz, und verbrennt sehr leicht mit etwas bösisihnhenn Ge- ruche. Diese Substanz scheint ebendieselbe zu, seyn, welche zuerst Chaptal, nach ihm mehrere Chemiker, und neuerlich Longchamp in dem Mi- neralwasser von Barege fand. Das Wasser von Bex enthält eine bedeutende Menge davon.
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Die medizinischen Wirkungen dieser Heil-—- quelle haben sich in Haut-Krankheiten, rheuma- tischen Schmerzen und Verstopfungen des Un- terleibs bewahrt.
De Luc, der Neffe, von Genf, hatte 3 Aufsätze eingesendet. Der erste handelt von der untern Linie des ewigen Schnee's und der Gletscher für jeden Breitegrad. Humboldt setzte die Schneelinie unter dem Acquator auf 2460 Toisen; in den Alpen, unter dem 46° nördlicher Breite kann sie 1400 Toisen seyn; folglich senkt sie sich für jeden Breitegrad um 23 Toisen. Ge- gen Norden sinkt. sie schneller herab, und am Nordcap unter 71° beträgt sie nur 366 Teoisen, so dals für einen Breitegrad 4ı Toisen Senkung trafen und die Schneecurve im 80° die Erdfläche berühren würde. Doch grünt die Erde auf Spitz- bergen, unter 76 bis 80° Breite, im Jul. und Aug. eine kurze Zeit lang. Um die untere Glet- scherlinie zu bestimmen, mufs man solche Glet- scher wählen, die von sehr hohen, sich weit erstreckenden Gebirgen niedersieigen, wie. im Chamownithale und in Grindelwald. Hier schei- “nen die Eismassen sich bis zu 500 Toisen über das Meer herabzusenken. In Lappland, Island und in Gronland erreichen die Gletscher die von den Bergen niederhangen, das Meer unter 66 bis 68°, woraus folgt: dafs die untere Gletscherlinie von der Alpenkette an bis gegen 70° für jeden Breitengrad um 23 Teisen fallt. In hohern Brei- ‚ten über 70°, wie auf Spitzbergen und in der Baffınsbay senken sich die Gletscher nicht nur bis zur Meeresflaäche herab , sondern sogar unter dieselbe hinunter. Doch wird die Tiefe dieser Senkung durch grofse losbrechende Eismassen und
den darauf wirkenden Wellenstofs beschrankt.
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Der zweite Aufsatz desselben Verfassers han- delt vondem Unterschiede der Ursachen, welche die Alpenwälder tiefer herab bringen und eine Senkung der untern Schneelinie bewirken. Die Höhe der Schneelinie erleidet zwar ihre Oscilla- tionen , blieb jedoch seit 2—3000 Jahren im Mlit- tel ebendieselbe. Die Alpenwalder werden dage- gen zerstört durch verwüstende Lauinen, durch Winde, welche die Dammerde und den jungen An- flug wegführen, durch Platzregen, Wolkenbrü- che etc., welche die Baumwurzeln entblossen und die Erde herabschwemmen, durch Sturmwinde , welche die Baume ausreissen und niedersturzen , durch strenge- Winter, die den Bäumen todtlich werden. Alle diese Ursachen bringen keine blei- bende Wirkung auf die Schneelinie hervor; es bedarf nur ein Paar heisse Sommer, so hebt sie sich wieder empor , aber einmal zerstorte Alpen- waälder lassen sich nicht wieder herstellen. Auch darf man nicht vergessen , wie viel die Menschen, seit dem die Alpen bewohnt sind , ausgereutet haben, was die Natur nicht wieder zu erneuern vermag. Es gab einen Zustand der Athmosphäre, welcher den Baumwuchs auf den Gebirgen begün- stigte und die Hochwälder grofs zog; der jetzige Zustand der Athmosphäre, mit seinen ewigen Wechseln, scheint das Gedeihen solcher Wälder unmoglich zu machen, so dafs diejenigen, die, seit der ersten Epoche, gegenwärtiger Vegetation bestehen, nicht wieder nachwachsen, sobald sie durch irgend eine der obigen Ursachen vertilgt worden.
Der dritte Aufsatz De Luc’s enthält eine kurze Geschichte der Meinung von dem ge-
ringen Alter des jetzigen Zustandes unsers
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Erdballs, die zuerst von dem altern De Luc, ge- stützt auf getreue Naturbeobachtungen , behauptet , deren Richtigkeit nachher von Saussure, Dolo-. mieu, Guvier, Buckland , Gonybeare und Phillips anerkannt worden.
Ed. Prevost, von Genf, liest eine Abhand- lung über das Erdpech vor, welches im Thale d’Abondance gefunden wird. Bei der Untersu- chung desselben entzündete es sich schnell , brannte mit gelber Flamme und liels einen schwarzen Rück- stand. Als es in geschlossenen Gefassen erhitzt und das entwickelte Gas im pneumatischen Ap- parat aufgefangen ward, bildete sich zuerst ein weisser Dampf, dann eine ohlige Flüssigkeit und eine Gasart, welche vollkommen ohne Geruch verbrannte.e. Eine unverbrennliche Kohle blieb zurück.
Dr. Castella in Neuchatel, Arzt im Spi- tale Pourtales, sandte Vorschläge über die An= ordnung einer Abtheilung für Aerzte in der ‚allgem. Schweizerischen Gesellschaft für die ge- sammten Naturwissenschaften ein, und uber die Nittel, den ärztlichen Beistand in den Schwei- zerischen Spitälern gemeinnutzlich zu machen.
Chavannes, Prof. in Lausanne, sandte eine Note über die grofse Scharbe (Garbo Gormo- ranus) mit beigelügter Zeichnung, ein. Von dem am Hinterkopfe dieses Vogels, wie eine dreikan- tige, abgestumpfte Pyramide von vorn nach hinten zu dem ersten Halswirbel hinlaufenden , abgeson- derten Beine, dessen Zweck noch problematisch ist, glaubt Ch. es diene zum Anhalt der Muskeln, welche nöthig sind, den Schlund zu erweitern , wenn der Vogel einen grolsern Fisch verschlingt; die Wirbelsäule, die sonst gerade niedersteigt, -
Ai kann sich hier etwas rückwärts biegen und die Gestalt eines S annehmen , wodurch der Schlund eine beträchtliche Erweiterung erhält. h
' Metzger, Pfarrer zu Siblingen, im Canton Schaffhausen, handelt von einer Verbesserung der electrischen Scheibenmaschine und der Doppelflasche, und zeigt einen sehr wohleinge- richteten Apparat dieser Art vor. Er bringt un- ter Wihkeln von‘1200. drei Beibkissen-Paäre und 60° von jedem Reibkissen entfernt emen Einsau- ger an. Mit einer Scheibe von 22 Zoll im Durch- messer, die 6 Reibkissen , jedes von 6 Zoll Lange hat, erhielt er iserniche Wirkungen. _ Die Doppelflasche besteht in 2 eylindrischen Fla- schen, wovon die eine genau in die andere hin- einpafst: beide laden sich miteinander und ai) viel stärkere Schlagfunken.
Sam. Perrotet von Vully, (Botaniste eul- tivateur, voyageur du Gouvernement francais en ı819—182 ı) sandte 4 Aufsätze ce In- halts ein:
I. Ueber einen noch unbeschriebenen har- zigen Baum, aus der Familie der Terpentinarti- gen, Abrea genannt. Er wächst auf den Phi- lippinen. Das Harz gewinnen die Einwohner
S durch Einschnitte und vermittelst eines <rolsen
Feuers, das sie rings um den Baum anlegen 4 wodurch das Harz reichlich aus den Einschnitten herausrinnt und der Baum sich in wenigen Stun- den seines Saftes entledist. Diese harte Behand- lung, wiederholen die Indier 2 bis 3 Mal des Jahres, ohne dafs der Baum merklich leidet. Das Harz - wird eine Viertelstunde lang gekocht und zum Ueberzug der Wanreikisten, zum Ralfatern der Schiffe u. s. w. gebraucht änd halt sich sehr lange. Natw. Annl. I; 1: 2
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Der Baum grünt nun im Pflanzengarten zu Paris, und konnte zuerst auf den Antillen und dann in den Sandstrecken (Landes) zwischen Bordeaux und Bayonne einheimisch gemacht werden. Sein Aronıa verspricht Heilkrafte.
II, Von dem Gebrauch des Dolichos bul- bosus auf Java und den Philippinen. Dies Ge- ‚wächs, Iquamas genannt, hat eine rübenartige Wurzel, wie Brassica napus maxima; die Ma- layen und die Einwohner der Philippinen lieben sie sehr und essen sie sowohl roh als gekocht, wie Erdapfel. Man benutzt sie auch zur Mastung des Viehes , besonders der Schweine. Die Pflanze gelangt schon in 3 bis 4 Monaten zur Vollkom- ‚menheit, gedeiht in jedem Boden , vermehrt sich am leichtesten durch ihre Bohnen. Sie verspricht im südlichen Frankreich fortzukommen und ein tweffliches Nahrungsmittel zu gewähren.
„ . 4l. Beobachtung über die Pflege des Pfefferstrauchs auf Java. Sowohl auf Java, als auf Sumatra wird der schwarze Pfeffer und der Beiel in schonen Zeilen gepflanzt. Der Er- folg der Gultur. dieser Schlingpflanzen hangt grols- tentheils von der Wahl der Stutzen derselben ab. Der schwarzdornichte Erythrina-Baum. scheint von der Natur. hiezu bestimmt zu seyn... Die frischen Schosse der Schlingpflanzen wachsen mit ihren Stutzen empor, die Pfeiferranken schmie- gen sich an diese Stutzen, senden einwurzelnde Triebe in die Rinde der Erythrinen und eignen sich zum Theil den Saft dieser Gewachse zu. Man hat auf Cayenne versucht, diese Stützen durch den. Spondias Mombin oder den Calabassenbaum zu ersetzen, allein die Säfte dieser. Pflanzen sag- ten dem Pfeffer nicht zu , und die Pflanzung; mils-
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rieth. - Jetzt gebraucht man dort auch die Ery- thrinen zu Stutzen und die Pflanzung gedeiht. IV. Deber die Pflege des Vanille-Strauchs und die Erhaltung seiner Augen bei Versendungen. Chev. Bourdet (de la Nievre) reisender Geo- log, sandte eine Schrift ein: über 4 neue Arten von Schildkröten (veptiles Cheloniens) im Sand- steine der Schweiz. : In einem Stembruche bei Aarberg, am rechten Aarufer 20—3o. Fuls unter der Erdfläche fand man die Ueberreste der Schild- kröten, welche das Museum in Bern besitzt. Das erste Stuck ist die untere Schaale einer Sülswasser-Schildkrote (Emys) , sehr ähnlich der Testudo Europaea. Der zweite Rückenwirbel zeigte dieselbe Aehnlichkeit und fand sich in eben- derselben Steinmasse. Ein anderer Stein schlofs ein Stück des Panzerringes ein, der die untere Schaale mit den Rippen verbindet. Dies Stuck 'kann weder einer weichen noch einer Meer- Schildkröte angehoren, denn ihre Panzerstücke greifen nicht in die Unterschale ein. Die übrigen Stücke sind zu sehr zersplittert, man ‚erkennt jedoch, dals sie einer Emys angehoren , weil die Rippen überall gleich breit sind. .Der Verfasser hat diese Art Emys Wyttenbachiü genannt.‘ Die zweite Art ist eine Meer-Schildkröte, die B. Che- lonia Meisneri nennt. Das erste Stuck derselben ist ein Bruchstüuck des Schulterblattes , das eben» so wie das Schlusselbein zerbrochen erscheint. Ein anderes Stuck ist der obere Theil eines Schenkels, 4 Zoll lang, und neben ihm findet sich ein kaum kenntliches Stück eines Waden- beins (perone) ebenfalls 4 Zoll lang. Das letzie- Stück ist ein Ellebogen 7% Zoll lang, der eben dieser Meer-Schildkrote angehört, die wenigstens’
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4 Fuls Länge hatte. — Am Berge la Moliere ,. bei Estavayer, 350 Toisen uber das Meer, findet sich eine Brececie, die sehr viel Meerschnecken und Bruchstucke von Landithier - Knochen ein- schlielst. Diese sind alle braun gefärbt und haben zum Theil mit Eisenoxyd angefüllte Poren. So sind auch die beiden Schildkrotenreste beschaffen , die man dort fand. Von der ersten besitzt.B. den Schild, der 8 Zoll Lange und 4 Zoll Breite hat und einer Sülswasser-Schildkrote anzugehoren scheint, welche der Verfasser Emys Cordieri nennt. Sie ähnelt der E. serrata, welche ellip- tisch und niedrigen Baues ist; der Seitenpanzer, welcher beide Schilder verbindet, ist fast ganz erhalten. Die andere Schildkröte dieser Gegend nennt B. Emys de Fonte,, zu Ehren des Gano- nicus de Fontaine in Freiburg, in dessen Samm- lung ein Abdruck der innern Schaale derselben sich befindet. Dieser zeigt 3 Rippen auf jeder Seite, überall von gleicher Breite und hat eine niedrige Form. In der Unterschaale geben sich auch Kenn- zeichen einer Emys kund. Sie gleicht am besten der Testudo punctata, scheint aber, als der Ur- welt angehorig, eine besondere Art darzustellen.
Dr. Rud. Meyer liest eine Abhandlung über die /rritabilität der Pflanzen. Der Verf. hat insbesondere die Wirkungen chemisch eindringen- der Materien, namentlich der Sauren, Alkalien , Oehle, des Naphtha, des Weingeistes an der Mi- mosa: pudica beobachtet. Die grolste Wirkung äussern meistens die flüchtigen, (nicht, gerade die- jenigen, welche: die organische "Textur schnell zerstören) wie Naphtha und ätherische Oehle. Werden die beiden Endblaitchen eines gefiederten Blattes mit diesen Substauzen benetzt, so erfolgt
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erst allmahliges Zusammenziehen der Blattchen , von der Spitze des gefiederten Blattes nach des- sen Basis zu; dann Tritt ein Paar Minuten lang ‘Ruhe ein ; es gehen die vordern Blättchen wieder um 1--2 Then auseinander; darauf erfolgt ein zweites Zusammenziehen der Blattchen von vorn ‚nach hinten; die Bewegung bleibt aber bei dem erstern Paare der Blattchen nicht stehen, sondern geht zu dem zweiten, dritten und vierten über, Ei dann von hinten nach vorn; nun erfolgt Sen- ken des gemeinschaftlichen Blattstiels. Nach ı--4 Minuten Ruhe senkt sich alsdann plötzlich das zweite unter diesem befindlichen Blatt, dann das dritte, vierte u. s. f., auch die Blatter, die über ‚dem zuerst gereizten sich befinden, und ihre Blatt- chen schliessen sich schnell hintereinander von der Basis der gefiederten Blattchen bis zur Spitze.
5 Diese Bewesunsen erfolgen in Zeit von einer
Viertelstunde , öfters von ” Ruhepunkten unterbro- chen. Es ist demnach die Richtung, nach wel- cher das Zusammenlegen der Blättchen erfolgt, eine bestimmte, und der Reiz ein doppelter, der erste mechanisch, der zweite chemisch; zwischen beiden tritt Erholung ein, welche durch die be- lebende Kraft der flüchtigen Reizmittel erst noch
beschleunigt zu werden scheint. Das Wiederer-
offnen der Blattchen geschieht langsam, und in umgekehrter Ordnuns; das zweite erholt sich zu-
5° | letzt war der Reiz zu stark, so erfolgt Lahmung
und hsterhön des gereizten Theils. Die reiz- barsten Stellen sind: die Basis ‘jedes Blättchens , ‚der. untere Theil und die Basis des gemeinschaft- lichen Blattstiels; durch Berührung der letztern ‚Stellen erfolgt Senken des ganzen Blättes. Eine andere Beobachtung an denselben Pflanzen seheint
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dem Verfasser noch neu; dafs nämlich auf Er- schütterung die Pflanze ihre Blatichen zusammen- zieht, auf fortgesetzte Erschütterung aber, wäh- rend mehrerer Stunden die Blattchen sich wieder offnen. ish
Die auffallende Wirkung verschiedener Ma- terien auf die Mimosa leitete den Verfasser auf ‚die Idee, diese auch auf andere Gewächse zu versuchen; es zeigte sich, dafs sehr viele Pflan- zen auf heftige Reize Bewegung ihrer Theile aus- sern,, besonders auf Anwendung; von concentrir- ter Schwefelsäure, Aether, Ammonium. Ein Wassertropfen schon, auf die Staubgefässe meh- rerer Mesembryanthemum - Arten gebracht, ver- mag merklich die Petala zu erheben. Aether auf den Discus einer Bellis perennis stellt plotzlich die Strahlenblumchen aufrecht empor. Berührt man mit Schwefelsaure die Basis eines Filaments , so legt sich, wie bei der Berberis durch blosses Berühren , das Staubgefals auf die Narbe; die Blu- menblatter, an der Basis betupft, erheben sich schnell und biegen sich nach der Mitte der Blume zu; dann erfolgt aber Abfallen der Blumenblätter , die erste Zuckung gleich vor dem Tode! Auf verschiedene Pflanzen haben die gleichen Substan- zen auch verschiedene Wirkung. Besonders starke Reaction bringt Aether, und darauf con- centrirte Schwefelsaure hervor, eine glühende Nadel, öder heisse Schwefelsäure. — Auch auf die Blätter einiger Pflanzen hat die Schwefelsäure auffallende Wirkung. Bringt man einen Tropfen Schwefelsaure auf die obere Seite des gemein- schaftlichen Blattstiels, an den Insertionspunkt der einzelnen Blüthen der Robinia pseudoacacia, der gemeinen Bohne, des Lathyrus und auf die gefie-
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: derten Blätter vieler Pflanzen, so erheben sich die beiden , einander entgegengesetzten Blättchen sehr deutlich, zuweilen so stark, dafs sich ihre Spitzen berühren ; darauf senken sie sich und fal- len ab, so wie die Zerstorung des organischen Gewebes vor sich geht.
Oberst Fischer, von Schaffhausen , berichtet über eine Erfindung des Hrn. Schlatter daselbst, Glas in eine porzellan-ähnliche Masse zu verwan- deln und zeigt eine Pistole vor, die 5 drehbare Pulversäcke hat, sich selbst das Zimdpulver auf- schüttet und hiemit sehr schnell fünfmal abge- feuert werden kann. a | Graf Mielzynsky aus Pohlen, Ehrenmit- glied der Gesellschaft, sendet Noten über einige Beobachtungen die Physiologie der Schnecken betreffend, ein. ı. Fon den Bewegungsor= ganen dieser Thiere. Läfst man sie über Glas kriechen, so kann man die wunderbaren Bewe- gumgen ihres wallenden Fusses beobachten. Sie kriechen über sehr porose Korper, ja über die Schneide eines Rasiermessers nach der Breite und nach der Lange weg, ohne sich im Geringsten zu schneiden ; sie klettern an einem sehr femen, senkrecht befestigten Haare mit grofser Leichtig-
keit auf und nieder. Also bewegen sie sich nicht
durch Erzeugung eines leeren Raumes unter ihrem Fusse. Wenn die Umstände es gestatten, brin-
gen sie zwar einen leeren Raum hervor , aber derselbe kann doch nicht der Grund ihrer Bewe- gung seyn. Spallanzani schrieb ihre Bewegung der Undulation ihrer Fibern zu. Hieran ist viel Wahres; allein man müfs doch die Fibern des Fusses solcher Weichthiere geriauer studiren. Der
Verf. stellt sich die Fibern der Schnecken vor,
2A
als strebten sie. senkrecht 'wie ‘die Borsten einer - Bürste von Oben nach Unten, ‚ausserst nahe an- einander und hochst zart; fast in wagerechter Richtung begegnen ihnen und ‚ eben so zarte Fibern, welche sich ausdehnen und zusammen- ziehen konnen. Steht der vordere "Theil des Fusses fest und die mittlern Querfibern ziehen sich zusammen , so rückt der hintere Theil vor; steht der hintere Fulstheil fest und streckt der mittlere sich aus, so ruckt das Thier wieder voran u. s. w. Daher die Undulationen , die man am Fusse durch Glaser wahrnimmt. Die Fibern sind viel feiner als eine Scheermesser- Schneide; das Thier kann also wohl 3 Fibern auf die Schneide setzen und sich langsam quer darüber
> ”. wegrücken ; besser geht die Bewegung langs der
Schneide oder an einem Haar un Statten; ihr Schleim und die Feinheit der aufwärtsstehenden Fibern verhiie ‚„ dals sich die Schnecke ver- wundet. 2. Fon den Tentakeln dieser Weich- thiere. Es ist die Frage, ob die Schnecken mit ihren Augen an den Tentakeln wirklich sehen ? Streckt man ihnen eine Spitze entgegen, so wis- sen sie nichts davon, bis sie daran stossen, die Spitze mag, gefarbt seyn, wie sie will, elänzend oder dunkel. Laäfst man Schnecken im Finstern schleichen , und bringt vermittelst eines Spiegels schnell einen Lichtstrahl auf ihre Fühler, so zucken sie nicht im geringsten. In der Nacht von Scheinwürmchen beleuchtet , geben sie kein Zei- chen des Sehens von sich. Kriecht die Schnecke, so ‚streckt sie die Fühler stark aus; berührt sie einen Korper oder sich selbst, so zuckt der Fühl- faden in seine Scheide zurück , je nach der Stärke des empfangenen Stosses mehr oder weniger. Man
ax 2)
sollte demnach glauben ‚die Schnecken: sehen nicht. :Doch ist dieser Schluls zu voreilig. Als der Graf eine Anzahl Schnecken in ein blecher- nes Gefals einsperrie, in dessen Deckel zwei auf- rechte, ı%5 Fufs lange Foöhren eingesetzt waren, wovon die eine oben mit einem undurchsichtigen Blechdeckel, die andere aber mit einem durch- sichtigen Elnsdeskel geschlossen wurde; so drang- ‘ten sich die Schnecken, als er etwas w asser ın die Büchse: gols und ‚sie dadurch zum Aufkrie- chen nothigte, alle, ein Paar Verirrte ausgenoni- men, in die helle Rohre dem Glase zu. Sie konnten also Licht und Finsternils unterscheiden. Dieser Versuch ward oft. mit gleichem Erfolg wiederholt. Schnitt man den Schnecken die Ten- takeln ab, so krochen sie ohne Unterschied in die dunkle oder in die helle Rohre und konnten das Licht nicht mehr von der Finsternifs unter- scheiden. Also wohnt ihre Sehliraft allerdings in den Tentakeln ; aber sie reicht wohl nicht wei- ter, als den Tag von der Nacht zu unterscheiden; das Daseyn : ausserer Gegenstände wahrzunehmen , ‚dient sie nicht.
Dr. Convers von Vevay, sendet eine Denk- ‚schrift über einige Augenkrankheiten ein. Im ‚Fruhlinge dieses Jahrs warf sich haufig die cathar- ‚rhalische Schärfe auf die Augen und brachte die Krankheit hervor, welche der Verfasser Oph- ‚thalmie catharrale erysipelateuse nennt. Eine leb- -hafte Rothe mit empfindlichem Beissen entstand am Augenwinkel gegen die Nase, die Schärfe ‚des Rothlaufs griff die Augendeckel an; austre- ‚tende Feuchtigkeit klebte Nachts die Augen zu und erregte Morgens schmerzliches Jueken.. Zu-
weilen zeigten sich auf den Bedeckungen des
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"Tbränensacks Hitzblaschen, die nach 24 Stunden eine scharfe Flüssigkeit ausrinnen liessen; ja sie giengen nicht selten in wahre kleine Geschwüre
= über , aus denen nach einigen Tagen Riter flols.
Die Häute des Augapfels rotheten sich, wurden
gegen die Augenwinkel hin entzundet; die Ent-
zundung ergriff auch die Hornhaut in Form eines
Augenfells; die Kranken glaubten Sandkorner un- ter eh Augenliedern zu fühlen; scharfe 'Thranen
atzten rothe Striche auf die Wangen, es entstand
wohl gar ein Geschwürchen in der Grofse eines Stecknadelknopfs i in der Hornhaut , oder der Eiter frafs ein bis zur Iris und BERGER eine hernia
iridis, und das Ausfliessen ‘der wässerigen Feuch-
ügkeit aus der Vorkammer des Auges. — Im
Anfange der Krankheit wurde das Auge mit Hol- lunderthee gebadet, welchem man zuweilen eine schwache Auflosung weissen Vitriols beigemengt hatte. Wenn Bläschen auf dem Thranensacke und leichte Geschwurchen erschienen , verordnete der Verf. ein klemes Pflaster von der Lilienzwie- bel oder von weichem Brode im Kamillenthee ge- kocht. Wenn die Entzündung die Verbindungs- Membranen des Augapfels ergriffen hatte, liefs er das Auge waschen und öfters des Tages eine Auf- losung von der pierre divine Wegerichwasser mit einigen Tropfen der tinctura ihebaicalund Bleiessig in's "Auge traufein. Auch geschah es, dafs ein kleines “Ziehpflaster auf den Arm gelegt, und leichte Ausleerungsmittel angewandt wurden. Bluti- gel in der Gegend ums Auge ansetzen, halt der Vorl, ‚für schadlich; er sah nie gute W irkungen davon. Er erzählt mehrere Krankheitsfalle der
Art, die mit glücklicher Heilung endigten.
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Dr. Joh. G. Ärauer, von Rothenburg, im. Canton Luzern, überreicht der Gesellschaft eine Schrift: Prodromus Florae Lucernensis seu plan- tarum phaenogamicarum in agro Lucernensi et ejus confinibus sponte nascentium catalogus. —
Unter den diesmaligen Beschlüssen der Ge- sellschaft haben die beiden folgenden ohne Zwei- fe] ein wichtiges allgemeines Interesse , weshalb wir ihrer hier erwähnen.
1. Auf den Vorschlag des Prof, Pictet , die allgemeine ERRERERNT Gesellschaft mochte rin die Kantonal- Gesellschaften , als die. ein- zelnen, in verschiedenen Gegenden der Schweiz zerstreuten Mitglieder einladen, sich mit Daro= metermessungen der vorzüglichsten in ihrer Nahe liegenden Berg- und Hügelhohen , mit. Angabe der Stromungen ihrer Flüsse und zugleich mit Auffassung g geologischer und mineralogischer Ei- genheiten, cal nit Birforschung der ee Tem- peratur der Standorte und andern meteorologischen Beobachtungen zu beschäftigen ; wird sogleich eine Gommission dafür gewahlt , die über die beste Weise, wie dabei zu Weil ke zu gehen seyn dürfte, sich vorläufig berathen und ihre Gedanken der Ver- sammlung vortragen ‚ übrigens die anzustellenden Beobachtungen in den Gang bringen, das ganze Geschäft zweckmässig leiten und das Ergebnils ihrer Verhandlungen der Gesellschaft bekannt ma- chen soll. Diese Commission, welche unter Pic= tet's Vorsitz aus den Professoren De Candolle, Trechsel, Horner , Kasthofer, Ebel und Zschokke besteht, erhielt auf ihr Verlangen nicht nur die Vollmacht sich sowohl mit den Kantons- Gesellschaften als mit einzelnen Mitgliedern in
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Namen der Gesellschaft ı Correspondenz zu setzen, sondern auch , wegen der Nothwendigkeit mit verglichenen zuverlässigen meteorologischen Werkzeugen zu arbeiten, einen Credit von 800 Franken um die nöthigen. Ausgaben für solche Instrumente u. s. w. zu bestreiten.
2. De Candolle’s Vorschlag: alle Kantons- Gesellschaften einzuladen, dals jede in ihrem Kanton einen Gommissair ernenne, welcher ihr über den Zustand der Wälder des Kantons, namlich über die Grölse, die Zulanglichkeit für die Bedürfnisse, ihre Bewirthschaftung , die Ge- setze und Verordningen über Forstsachen und die Mittel , die Forsteultur zu verbessern, Bericht 'erstatte. Wenn diese Documente gesammelt sind, sollen sie einer Gentral- Commission übergeben werden, welche sie vergleichen , untersuchen und der Gesellschaft zweckmassige Mittel vorschlagen wird , wie in diesem Fache zum allgemeinen Be- sten der Schweiz gewirkt werden konne. Dieser Vorschlag wird mit Beifall angenommen und eben- falls an dis obige Commission zur zweckmässigen Vorberathung über den Gang der Ausführung gewiesen. | | 3. Zum Versammlımgsort fur 1824 wird
Schaffhausen bestimmt.
29 II.
Bruchstück aus den Beiträgen zu einer Mo- nographie der Molasse, von B. Studer.
Der Muschel-Sandstein.
‘Die Gebirgsart, die ich mit diesem Namen bezeichnen will, hat schon früher die Aufmerk- samkeit der Geognosten auf sich gezogen: Graf Razoumovski erwähnt ihrer in mehrern Abhand- lungen und in seinem Werk über den. Jorat 1), und betrachtet sie‘, in Uebereinstimmung mit den neusten Ansichten des H. von Ferusac, als eine Formation, deren Bildung in die Zeit fallt, da ‚das Meer sich in seine heutigen Grenzen zurück- zog und grolse Landseen hinterliefs , die allmalig durch die Flüsse ausgesülst und von Sufswasser- Geschöpfen belebt wurden ; H. Meyer 2) beschreibt sie als eine Kalksteinmasse, voll von Versteinerun- gen und eingemengten kleinen Geschieben; H. Escher °), in einer frühern Abhandlung , als einen zwischen dem Jurakalk und der Molasse liegen- den, beinah ganz kalksteinartigen, sehr verstei- nerungsreichen Sandstein; in einer spätern, als einen der Molasse aufliegenden Muschel-Sandstein ; H. Ebel #) unterscheidet ihn nicht von’ der übrigen
Molasse.
Da mir die schon zum Theil eingeführte und
durch H. Escher’s Autorität empfohlne Benennung
ı) Jorat II. p. 137. Mem..de Lausanne III. p. 209. 2) Alpina I. p. 254.
5) Alpina I. p. 281 und 284.
4) Bau der Erde I. 42. u. £.
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Muschel-Sandstein ganz passend scheint, so will ich keine neue vorschlagen. Sollte dieselbe je, als zu allgemein und vielleicht auch als schon an- derwarts eingeführt, Verwirrung drohen, so kann man immer durch Beifügung eines Ort- Namens nachhelfen , oder auch das Muschel-Sandstein in Nuschel-Molasse umändern.
Es zerfallt diese Gebirgsart, in ihrer ganzen Ausdehnung betrachtet, wie die Molasse , in einen Sandstein und eine Nagelfluh, deren gegenseitiges Verhaltnifs aber , wie wir bald sehn werden‘, mehr noch als in der eigentlichen Molasse, im Dun- keln liegt.
a. S andstein.
Der Muschel-Sandstein im engern Sim ist in der 'T'hat eine wahre Molasse, und besteht, wie diese, grolstentheils aus feinem Quarz-Sand, der durch ein kalk-merglichtes Gement verküttet ist. Seine Festigkeit ist gewohnlich sehr bedeu- tend ımd nähert sich derjenigen der harten Mo- lasse; die Ueberreste organischer Korper haben wahrscheinlich, wie bei diesem, die. bindende Kraft des Kutts erhoht. In Säuren zerfallen auch die festesten Arten zu einem Haufwerk von Sand.
Die grünlich-schwarzen Pünktchen , die wir in vielen Molassen gefunden , scheinen dem: Mu- schel-Sandstein vorzüglich eigen und fehlen, so viel mir bekannt, niemals. Ausserdem aber zeich- net ihn von der Molasse die Beimengung einer grünlichen Substanz aus, die vielleicht mit jenen Pünktchen nahe verwandt ist. Dieselbe kommt vor m runden, oft kuglichten, platt-spharoidischen, eylindrischen Körnern,, von der Grolse eines Hirs- korns bis zu der einer Bohne, aussen glatt, grun-
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lieh-braun,, im Bruch fein-erdig, hell-graulich- grün, theils halbhart, theils leicht zerreiblich ®); ofters auch als dis ‚ dem Stein fest ansitzende Hautchen, saftgrün , grünlich-braun , zuweilen mit schwarzem Wachsglanz. In letzterm Fall hat es fast den Anschein, als ob sie aus der Zer- storung organischer Theile entstanden wäre. Ich will indefs die Identität der Substanz in beiden Arten des Vorkommens keineswegs verbürgen. Charakteristisch für den Muschel-Sandstein ist, wie es die Benennung andeutet,, die grolse Menge der ihm beigemengten Ueberreste von
5 Schaal- '['hieren. Einige Schichtungs - Absonde- rungen sind ganz mit Steinkernen von Gardien
und, vielleicht, CGythereen bedeckt, oft liegen naeh Lagen, nur durch dünne Sindinieißchäske ten getrennt, über einander; die Masse des Steins selbst wird oft ganz von unverwitterten Schaal- Bruchstüucken durchdrungen, so dafs nicht selten diese Bruchstücke fast einzig das Gement bilden , oder wohl gar den Stein fast verdrangen, letz- teres jedoch immer nur streifen - und nesterweise. Zuweilen sind auch nach der Erhärtung einige Schseieil veriehminiden iund:ihkh debre! Stellen zuruckgelassen, die im Querbruch sich als feine, länglichte . ‚ etwas gebogene Poren zeigen, und deren! Wände nicht ganz selten mit mikroscopi- schen Ralkspath-Cristallen bekleidet und wie can- dirt sind.
«Der Halkspath ist überhaupt ein treuer Be- gleiter des Muschel-Sandsteins: er durchzieht ihn infeinen Adern, bildet kleine Nester, und scheint 5» Hr. Prof. Brunner hat gütigst die BT se dieses
Fossils übernommen.
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oft, besonders. bei den hartern Abänderungen , als eine fein-schuppige, oder splittrige, 'zusam- menhangende Masse ausschliefslich und vorherr- schend die Sandkorner zu verkütten. In grofsern Cristallen habe ich ihn niemals gefunden. Un- geacht dieses starken Verhältnisses ; in dem ofters der Kalk erscheint, geht der Stein indefs niemals in eigentlichen Ralkstein, oder auch nur in sandi- gen Nalk über, und die Sandstein-Struetur bleibt immer deutlich. _ ;
Das Korn desselben ist eben so mamnigfaltig verschieden, als das der Molasse. ‘Im Aargau fand ıch es ziemlich fein, in unserm 'Ganton eher grob. Nicht selten sind,, .bei einem mittlern Korn, kleine Grerolle beigemengt; besonders zeichnen sich darunter, im Buchekberg z. B. kleine Stein- chen von hochstens ı Gent. Durchmesser , aus, stumpfeckig, sehr glatt und glänzend ‚ schwarz, dunkelbraun , seltner ‚grünlich-schwarz , im Bruch flachmuschlig, gelblich-braun , glatt, muschligem Hornstein oder Feuerstein ähnlich, ‘nur: ist‘ die schwarze Aussenflache auffallend. | =
Auch die Farbe des Muschel-Sandstems durch- lauft alle der Molasse eigenthümlichen Nuancen. Wo die Anzahl der Schaal-'T'heile bedeutend ist, nahert sie sich dem braunlich-weissen ;: wo die grünen und braunen Pünktchen und Flecken in betrachtlicher Menge da sind, wird. der. Total- Eindruck durch diese modificirt; an vielen‘ Orten im Aargau ist der Stein eraulich-blau , in :unserm
O,. sg fe fe) Canton ofters olgrün. *
Im Allgemeinen zeigt: er Neigung. zu:ditk-
schiefriger Absonderung und wird daher zu Stein-
Platten benutzt (Jensberg, Buchekberg, ‚Gegend von Burgdorf). In den grolsen Steinbruchen des
‚Aargaus findet er sich aber- auch in dickern Sehichten , welche zum Theil schon zur Zeit der romischen Herrschaft (Magenwy I) als Bausteine gebrochen wurden; bei Wurenlos wird er vor- züglich zu Brunnkasten verarbeitet.
‚Die geognostischen Verhaltnisse des Muschel- Sandsteins sind sehr einfach.
Er bildet auf allen Flügeln, die sich am Fusse des Jura zu einer gewissen Hohe erheben, bis ungefähr in die Mitte des grolsen Thales zwi- scheniidem Jura und den Alpen, die obersten Lager, und ist meist nur durch unbedeutende u Molasse - Lager von der Dammerde ge- trennt, nicht selten auch in unmittelbarer Beruh- rung mit derselben.
” Seine grolste Mächtigkeit scheint er im Aar- gau zu sreichen. wo er, zwischen Zofingen und Regensperg , in zahlreichen und grolsen Steinbrüchen ausgebeutet: wird. Bei W ürenios ist seine Masse bei 15 Meter dick, von ungefähr gleicher Machtig] seit ist er bei Melt; ingen und Magenwyl; in unserm Ganton übersteigt. er wohl nie eine Dicke von 4--6 Metern.
Es ist mdels sehr- schwierig hierüber zu all. gemeinen Resultaten zu gelangen ‚ denn das Tasenmangellon des 'Gesteins ik "a tiefern Molasse lalst sich nur selten beobachten. Da, wo. ich diese T rennung Q gesehn (Molasse-Stein- bruch bei Aetgkofen in "Bucheckbere), ist sie scharf und ohne Uebergange; auch > die obere Absonderung ıst AL NEE: PER bestimmt; beides wohl eher wegen der Verschiedenheit Ads Zuu- sammenhalts , als wegen ursprünglicher Forma- tions - Verschiedenheit. Der Sr nahert sich überdiefs zuweilen der Nlolasse so sehr, dals
— [9) Natw. Annl. I. 1. w;
a
man ihn, wenn er nicht Peirefacien enthielte , unmoglieh davon unterscheiden konnte, ja uber mehrere Petrefacten-Lager, die ich, ee Um- gebung w ‚egen, zur Molakse gezählt habe, bin ich noch inı Zweifel, ob sie nıcht eher mit dem Nuschel-Sandstein vereinigt werden sellten, und umgekehri.
Der vestlichste Hügel, auf dem ich den Muschel-Sandstein gefunden, ist der Jensberg, zwischen Aarberg und Nidau. Die Lager errei- chen nur eine "Dicke von wenig Dehiseser., einige sind noch dımner , die Schichtung Ist abe a deutlich und regelmässig, so dafs man grolse Tafeln brechen kann. Die »sanze Maächtigkeit lafst sich nicht bestimmen , die lockere Molasse geht indels nur wenig tiefer zu Tag. Die Schich- ten fallen mit 25° gegen 4° 9). Der Steinbruch liegt auf der obern Fläche des Hügels, gegen Mittag, 37 Meter über Belp 7).
Man ei dieselbe Steinart auf der nord- westlichen Ecke des Bucheckbergs, oberhalb Balm, ı42 M. uber Belp. Die Schichten sind
mächtiger als auf dem Jensberg und bilden gegen
6) Das heifst der Wınkel mit dem Horizont beträst 35’ und die Schicht fällt gegen den vierten Grad des Horizonts,, die Grade nach 360 Theilung vom wahren Nord östlich gezählt.
7} Ueber ein ideales unteres Niveau, das ungefähr mit der Ebene von Belp zusammentrifft. Es ist 5» M. unter unserm Observatorium angenommen, und da diesem eine absolute Höhe von 552 M. zu- kömmt, so sind zu allen unsern Höhen 530 M.: zu addiren, wenn man sie auf das Niveau des Meeres zurückführen will. Die Höhen sind nach correspondirenden Barometer-Beobachtungen be- stimmt worden, gewöhnlich leider nur durch ein- fache und ohne Contr olle; wo ich Mittel-Resultate geben kann, werde ich "meine einzelnen Höhen ın der Note anführen.
3
Osten ein schroffes,, ziemlich weit nordlich lau- fendes Felsbord. Sie fallen mit 15° nach 260°,
Eine der bekanntesten Bruchstellen des Mu- schel-Sandsteins auf dem Bucheckberg ist der Bokstein, nahe bei Aetiskofen, ein Feisriff, das mehrere Meter gegen Westen aus einem Felde hervorragt und als eine steile Wand sich „süd- warts zieht. Es sind mehrere Steinbruche darın angelegt. Die Schichten liegen horizontal , aus- genonimen anı nord!ichen Ende, dem eigentlichen Babe; an dem sich eine locale BE, der
Lagerung zeigt. Die Hohe über Belp beträgt 107 Meter s). Man wurde zuverlassig auf allen hohern Punkten dieses Hügels denselben Stein wieder- finden; auf mehrern. sind Steinbrüche darin an- gelegt. % ii Bei Ützigen, östlich von Bern, und. den Alpen beträchtlich naher als jene Stellen, 175 M. über Belp, wird auf der Ebene ımter dem Schlofs ein Stein ausgebeutet, der mit dem Muschel- Sandstein ‚in Rücksicht der Petrefacten sowohl, als seines aussern Habitus, sehr grolse ya Ai keit hat; nur sind die grunen heile nicht deut-
©
lıch vorhanden ‚ wenigstens nicht als Rorner, die.
schwarzen Punktchen und grünlich- braunen P fehlen hingegen keineswegs. Die Schichten sind von geringer Mächtigkeit, liegen unmittelbar un-.
ter der enge und ruhen auf Nagelfluh. Sie, fallen mit 3° nach 82°.
Am gegenuberliegenden Dentenber& By Gümligen-Thal, findet man, im gleicher Hohe 9),
s) Als Mittel von 111,6 M. und 103,9 M. Der zweite Stand liegt in der That ungefähr >» M. tiefer.
9) Die beiden Höhen stimmen zufällig bis auf einen Decimeter überein.
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an der ebern Rante des Hügels, Bruchstücke von Muscheln in der Nagelfluh selbst. Es ist eine Nagelfluh,, die in Molasse übergeht, mit vorherr- schendem, sehr srobem und hartem Bindmittel
5 und zerstreut eingesprengten kleinen Gerollen.
5 Auch am Abhang des Danligers, zu Aeschi, 197 M. über Belp, fand ich einen harten, gro-
ben Sandstein, ganz angefüllt mit kleinen, unver-
witterten Bruchstucken von Muscheln, der viel-
leicht hieher gehort.
Aus diesen Gegenden sollen auch die Stein-
Platten herrühren, der Dentenberger - Nagelfluh ähnlich, mit denen mehrere Gebäude in Bern, z. B. das Miünster- und Schulgebäude , unterzo- gen sind. Er enthalt ebenfalls einzelne Muschel- Schaalen. |
In grolserer Nähe der Alpen habe ich keine Petrefacten-Lager gefunden, die dem Muschel- Sandstein mit überwiegenden Gründen zugespro- chen werden konnten; V ermuthungen , de nicht ohne Wahrscheinlichkeit sind, über einzelne La- ger im Längenberg verspare ich auf die besondere Beschreibung dieses Gebiets.
Sehr ausgezeichnet ist diese Gebirgsart auf den Hügeln bei Burgdorf anstehend. Auf der Gysrau-Fluh, ı57 M. über Belp, nur 2 M. unter der Dammerde, durch eine rothliche Molasse mit harten Knauern davon getrennt; über Piaumsthal,, ı70o M. über Belp, ziemlich hoch von Molasse bedeckt; auch auf der nordostlichen Fortsetzung dieser Hügel gegen Bleyenbach.
Der Müschel- Sandstein begleitet die Molasse asch in die innern Thaler I Jura. Ich fand ihn, so gut characterisirt, als man es nur wun-
schen kann, bei Bevilard im Münsterthal 212M.
37 über Belp. Er bedeckt daselbst in dicken Schich-
ten einen conischen Hügel, der sich nur wenig uber den 'Thalboden erhebt, enthalt grüne Korner und die gewohnlichen Peirriigen. Fischzäahne , Gardien , Bichitiche von Portunen UR.SE Wa Öestlich von allen bisher erwähnten Gegen- den bildet der Muschel-Sandstein. die obersten Schichten auf der Hohe über Brittnau bei Zofin= gen und auf der andern Thal-Seite, beim Wycken- Schlofs. An beiden Orten sind Seuche darin angelegt, und die Petrefacten von Wycken wer- den haulig schon in Lang und Scheuehzer eitirt. Der Berater fen nahert sich bereits sehr der Molasse, doch fehlen weder die characterisiren- den Petrefacten, noch die grünen Theile; aber beim Wycken-Schlofs erblickt man auch diese letztern nicht mehr, der Stein ist oryktognostisch durchaus nicht von der gemeinen Molasse zu un- terscheiden , welche tiefer an mehrern Orten an- steht, und nur die, zwar nicht häufigen, Stein- kerne von Muscheln , die den Muschel-Sandstein besonders auszeichnen , und die Lage der Schich- ien auf der Hiohe eines Hugels, an den östlich und westlich sich andere Hackl anschliessen , die.
5 in gleicher Hohe reselmäassis von Muschel- Sind
sin bedeckt sind, N TResen, iR Natur errathen.
Öestlich von Zofingen folgt nun, wie ich schon bemerlit habe, eine fast ununterbrochene Reihe von Steinbrüchen, zu Endfelden, Lenz=. burg, Mägenwyl, Mellingen, südlich bis nach Dremgarten und vielleicht noch weiter, ostlich bis uber die Limmat, zu Würenlos, Poppelz und in der Nähe von Regensperg. Die Höhe dieser Lager über Belp ist wahrscheinlich bedeu-
tend geringer als in unserm Canton.
In der ostlichen Schweiz verlassen mich die Spuren dieser Gebirgsart. Nach einer. Note in Andrea’s Briefen 1°) sollte man fast glauben, sie im Thurgau und bei Berlingen am Duke See wie- derzufinden, auch Hr. Rarg erwähnt mehrerer Molasse-Lager mit Meer-Petrefacten zu Bodmann , iedingen, Berlingen und Zell, die vielleicht hieher gehören mochten. |
‚Ganz unverkennbar habe ich sie aber, noch beträchtlich östlicher, auf der obersten Hohe eines Holasse-Hügels bei Burkartshofen, zwischen Stauffen on Weiler in Süd-Baiern , gefunden. Es fehlen zwar auch hier die grünen liner, aber die Lagerung der Gebirgsart, als Decke der etwas tiefer anstehenden Nolasse, ihre deut- liche Absonderung in Tafeln von wenig Decime- ter Dicke, ihre Festigkeit und die Natür ihrer Bestandiheile , ihre Peielaneen endlich, beson- ders die vielen auf den Absonderungen sitzenden Cardien, lassen keinen Zweifel übrig. Sie wird, wie auf ds Bucheckberg und Jensherg, ın TERM Steinbrüchen, mitten im Wald, unregelmässig und mit ofterer Unterbrechung ) ausgebentet. Die Schichten fallen mit 25° nach 320°, die tiefer anstehende Molasse hingegen liegt horizontal. — Die niedrigen Hügel dieser Gegend würden ge- wifs auch jeden Nicht- Geognosten an die Gegen- den des Aargaus und unsers Seelandes erinnern.
Es fragt sich nun, ob in allem dem Vorher- gehenden wohl hinreichende Gründe liegen, den Muschel. Sandstein von der Molasse zu trennen und als eine für sich bestehende Formation zu
betrachten. Ich glaube nein.
20) Andreä’s Briefe p. 58.
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Seme Bestandtheile sınd dieselben, als die der Molasse , vielleicht mit etwas starkerm Ralk- Verhältaifs und fester verbunden ; indels haben wir auch in der Molasse Lager und ganze Fol- gen von Lagern gefunden , he an Feslig! seit und Bald ementirung den Muschel- Buldenn, vielleicht noch übertreffen.
Seine Lagerung, als oberste Schichten der NMolasse, reicht nıcht hn, um ihn von seiner Unterlage abzusondern, denn auch in andern Formationen findet man oft Verschiedenheiten , und weit auflallendere, zwischen den altern und jungern Schichten. Ueberdiels wird er hier und
da auch ven Molasse bedeckt.
Eindlich geht er an mehrern Orten in ge- meme Meksen uber, indem seine unterscheiden- den Merkmale a und nach ausbleiben. Ja selbst mitten m deutlichen Schichten-Folgen des- selben, z. B. in den Aargauer - Steimbrüchen, konmen oft Lager vor, die durch Abnahme des
Ralk-Gements und Mangel der grünen Theile der
Molasse sehr nahe stehn, oder ganz damit zu- sammenfallen. Würden auch die Peirefaeten , die doch immer nur als etwas Zufalliges betrachtet werden konnen, ausbleiben, so sieht man gar nicht ein, wie es moglich ware, an vielen Stellen die beiden Gebirgsarten zu trennen.
Alle petrographischen und geognostischen Untersuchungen scheinen daher er die An- sicht zu N ‚ die den Muschel-Sandstein als eine blosse Modification der Melasse betrach- tet, entstanden durch eme spätere Beimischung von organischen [heilen und Muschel-Schaalen ; so wie auch in unsern Meeren die obersten Lager des Sand-Grundes eine wesentliche Veränderung
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[4 _
erleiden mogen. In wie fern die V ergleichung der Pahrinsten‘; diesem Resultate gunsüg. sei, mussen wir einstweilen noch dahingestellt lassen.
b. Nagelfluh.
Es ware nicht ganz richtig, wenn man die Nagelfluh des Muschel-Sandsteins, oder die Mu- se bel: Nagelfluh, nur als einen Gerolle einschlies- senden Nuschel-Sandstein betrachten wollte , ob- schon sich allerdinoes die nahe Verwandtschaft
5 beider Gebiresarten nicht verkennen lalst.
Das Bindimittel dieser Nagelfluh besteht eben- falls grofsern 'Theils aus meist zertrümmerten Mu- schel-Schaalen, die sich lagerweise oft so anhau- fen, dafs sie das übrige Bindmittel fast verdrängn. Die Schaalen liegen nicht selten der Schichtung paraliel und befördern so die Absonderung in Tafeln, doch: findet man häufiger dicke Lager , in denen sie keiner besondern Riehtung folgen. Viele sind, wie im Wuschel-Sandstein , ek Hoch in gr derer Menge und ausgezeichneter. ‚ nachdenı der Stein schon erhärtet war > verschwunden, und haben leere Raume zurückgelassen , die im Quer- bruch als schmale Poren Eh hemEN ‚ meistens sind die Wände dieser Poren mit kleinen Kalkspath- Cristallen candirt, zuweilen füllt der Ralkspath auch den ganzen Raum aus. Die Molasse, die den andern ’T'heil des Bindmittels ausmacht , ist sehr fest, theils sehr grobkornig, theils so Bein: kormig, dafs man die Korner mit blossem Auge nicht ımterscheidet.
Die grinen "Theile, die den Muschel- Sand- sehr ach Akerichcihet ‚ fehlen ganz. Die Gerolle sitzen gewohnlich sehr fest in dem Bind-
mittel. Ihre Anzahl ist sehr ungleich, aber im-
Ai
mer geringer, als in der eigentlichen Nagelfluh ,
so u sewöhirlich jedes Geroll ganz vom Bind- mittel umschlossen ıst und die ander nicht be- rührt; oft stehn die einzelnen Gerolle mehrere Decimeter weit auseinander, ja ein srofser Theil dieser Nagelfluh ist ein wahrer Sandstein mit zer- streut- -eingesprengten Grerollen.
Die Grofse der Grerolle übersteigt selten die einer grolsen Baumnuls, dagegen sinih sie frischer und weniger verwittert, als in der T Nagelfluh , die den Alpen naher liegt; was freilich wohl haupt- sachlich dem Umstande beigemessen werden muls, dafs die Muschel-Nagelfluh durch Steinbruche so tief angegriffen ist, dals die V erwitterung weni-
9
ser als an der en Nagelfluh ‚ die man nur an
der Oberflache zu untersuchen genothigt ist, ver- spurt werden kann.
Man findet unter diesen Gerollen die ausge- zeichnetsten Gebirgsarten der 'Thuner- und Em- menthaler-Nagelfluh wieder, ‘die rothen und grü-
nen Granite,, die grimen id grauen Pörpköte;
schwarze und grüne Hornsteine und Diese
fer u, s. w. Die Identität ist vollkommen. Himn-
gegen habe ich, mit ‘Ausnahme eines einzigen
dichten, rauchgrauen Kaik-Gerölls, dem Stock-
horn-Ralk ahnlich , nichts entschieden alpinisches und, was noch auffallender ist, keine Jura-Kalk- steine gefunden. Die buntfatbigen Urgebirgsarten herrschen in grolser Mannigfaltigkeit so sehr vor, als in irgend einem Lager der andern Nagelfluh.
Eine der günstigsten Stellen zur nähern Un- tersuchung der Muschel-Nageifluh und Ausmitt- lung ihrer geognostischen Verhältnisse zur Mo- lasse und zum : Muschel-Sandstein ist der grolse-
Mühlstein-Bruch bei Schnottwyl, in der Ver-
A 2
tHachung des westlichen Bucheekberss gegen die Ebene ven Wengi und Messen, 17 M. she Bein rn Die Nagelfluh- Schicht, welche Imuagehentet wird, mit häufigen Geıi oben. ist bei 3 M. mach- üg und falit mit ı5.bis 20° ästlich, also den: Berge zu. Ihre Grundlage besteht, nach Aus- sage der Arheiter,. aus en Meluie, Ueber der Nageliluh, durch ein dünnes Mergellager da- von getrennt, liegen sehr grolse,, wi auf- steigende Eilipscide ‚ theils aus der ıntern Nagel- She, „ aber mit mehr verkerrschendem Bindnitiel,, thsils aus grobem Sand bestehend, . md durch dünne, zum '[heil sehr harte, graue Mergellager von REN gesondert. Der längere ie: ser dieser Ellipsoide betragt var Neter, ıhre grofste Dicke bei ı Meiess Die Treisihendhäger laufen unter spitzen Winkeln gegen das ag Nergellager zusanımen und verlieren sich m den:- selhien; is dem Sande liegen harte Arauer, als platte Fllipsoide, oder abgerundete 'T'aieln von ı Deeim. NMachtigkeit, dem Sri der Ellipseide fulgend, oft so ai und hart, dafs man sie fin) dichten Kalk halten konnte, Die ungefähr 2 M. mächtige Lage dieser auflallenden Bildungen Cs durch eine EEE sehr dunne Schicht harter Molasse oder Nlergels quer durchschnilten; uber derselben liegt wieder eme Reihe solcher halber Ellipsoide mit abwarts gekehrter Spitze; dann folgt, unmittelbar unter les Danmerde, lockere nie; oder eher Sard, mit: dunkeln Streifen, weiche theils ven anders gekörnter.1 NMe- lasse, theils von unvollkemmnen RER Knauern
herruhren.
++) Als Mittel zwischen. 20,5 M. und. ı3,5 M:
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h Bildimgsweise dieser sonderbaren Struec- tur ist mir em Räthsel. Bei einer nochmaligen, genauern Untersuchung, die vielleicht durch das Mer Vorrücken der Brecharbeit begünstigt würde, mochten sich indels wohl einige Licht- pirnkter auffinden lassen.
Steigt man von dem Bruche am Abhang des Berges ae ‚ so findet man bei Biezwyl die gewöhnliche lockere Molasse der subjurassischen Hügel, mit horizontal-liegenden harten Knauern, a af der obersten FHiohe des Bergs, mehr siüd- lich, erreicht man das vorher Aa A Felsbord von Muschel-Sandstein, 142 M.über Belp. Steist man von demselben nach Balm hinunter, so stolst man, an der südwestlichen Kante Ey Bergs, überall nur auf Molasse mit harten Knauern, bis man, ganz in der Ebene und tiefer als der Schnottwyler-Steinbruch,, die Grimdlage des gan- zen Flügels, den bunten Mergel nad findet.
Diese Verhaltnisse scheinen entscheidend. Die Nagelfluh von Schnottwyl liegt mitten in'der Molasse als untergeordneies Lan, sie wird von
Niolasse in einer Nächtigkeit X ein als ı20o M. bedeckt und durch Kisgabhe vom Muschel-Sand- stein des Bucheckbergs getrennt. Aber. gegen diese einfache Ansicht Liakin sich, wie wir bald sehn werden, sehr bedeutende Einwürfe machen, und das Vorkommen der Muschel-Nagelfluh an andern Punkten spricht eher für ihre Formations- "Identitat mit dem Muschel-Sandstein, als für die Trennung beider Gesteine durch eine so mach- üge Lage von Nielasse.
Bis gleichzeitige Bildung der Schnottwyler-
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und der here Bucheckberg-Lager lafst sich
allerdings, wie mir scheint, unter einer der fol- i
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senden zwei Voraussetzungen als möglich denken : man kann annehmen bei des Entstehung derseiben sei die gegenwarlige 'T'hal- Bildung zum Theil schon vollendet gewesen , und dieselben Korper , die über Balnı seh auf die Hohe ablagerten, ha- ben bei Schnottwyl erst ın der "Tiefe Ur Stein bruchs Grund gefunden ; es würde die leicht denk- bare ursprüngliche Veischiedänhet des Grundes , oder die natürliche Tendenz loser Gerolle sich an den tiefsten Punkten zu sammeln, zum T'beil auch die abweichende Beschaffenheit beider Gebirgsar- ten erklären; will man aber beide Ablagerungen
% 5 in eleicher Hohe entstehn lassen, so mufs man
hen localen Einsturz voraussetzen, durch den die Schnottwyler-Nagelfluh aus dem Zusammen- hang der Bucheckberg - Lager losgerissen worden Wales
Die eine wie die andre Hypothese beruht, wie man sieht, auf der Annahme, dafs die Lager von Sehrlottwyl nicht in den Berg; selbst eindrin- gen, sondern nur an der Assennehe haften , und höchstens von leichten Molasse - Bildungen , wie der Muschel-Sandstein selbst auch , neikcht werden. Nach der Configuration des Tandes und bei der noch germgen A usaehiiieb des Stein-
"bruchs ın Sstlichkn Richtung , Yakseh sich weder für, noch wider diese Annahme entscheidende Gründe aufinden. Nicht ungimsüg ist ihr die sehr unregelmässige und zum Theil starke Nei- sung der Schichten: denn die Lagerung der tie- Fa Schichten der Molasse-Formation ist allge- mein sonst ohne Spur gewaltsamer Störimgen , f auf lange Strecken kin gleichior 'mig und weniger
= geneigt, als an der Oberfläche.
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Die Musche] Nogellah, mit weniger Gerol- len als zu Schnottweyl, eigt sich w ve an der Südseite des Dozinger- "B Ber ges, gegenuher Dies- bach, hier aber mit nordwestlichen! Fallen und, was noch wichtiger ist, von machligen Molasse- Lagern bedeckt, deren AuEagB, auf die Nagel- flıh man bei id Steilheit des Abhai nges ziche bezweifeln kann. Ich fand zuerst bon Dozin- gen, an der Strasse, ungefähr in mittlerer Hlohe des Berges, anstehende ae Nlolasse mit har- ten Ben der Mauschel- Nagelfuh aufliegend,, nit ungefähr 308 nordwesllichem Fallen; u & bis gegenüber Diesbach, an sehr vielen Steilen die nn Molasse mit Anauern, immer nord- westlich fallend; in einenı verlafsnen Steinbruch endlich, lag zu unterst bei 3 M. hoch Nagelfluh , über ihr eme 4 Decim. machtige Einl: agerung von harter Molasse , dann wieder Nagelfluh 3 M. hoch, und auf dieser lockere Molasse bis an das obere Finde des Bruchs, ind wahrscheinlich bis auf die noch bedeutend erhohte obere Flache des Hügels. Es scheint also hier wirklich die Nagelfluh zur Haupimasse des B Derges zu gehören nr noch sehr hoch von Molasse bedeckt zu werden. Würde sich auf der Hohe des Berges der Muschel-Sand- stein anstehend zeigen, so bliebe wohl über die Verschiedenheit beider «Ablagerungen kein Zwei- fel mehr übrig; aber die 4 ji al, Seiten ver- breitete Waldung lalst wenig Hoffnung , dafs die F rage hier so Bee ih Be konne..
Ganz nahe am Jura, zwischen Brügg und Mett, wenig über die Fläche des Bieler-Sees er- hoht,, ist die Muschel-Nagellluh durch einen. Stein- bruch aufgedeckt worden. Sie zeigt sich in mäch-
tigen Schichten‘, mit senkrechten Querabsonde-
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rungen; auf ihr liest ein harter , schiefriger Sand: Zn „w schöinich noch zum Bindmittel geho- rend, dann lockerer Molasse-Sand mit dımkeln Streifen, und etwa ı5 M. hoher, aber etwas südlich zurückstehend,, so dafs auch Zweifel über die Auflagerung höhe werden könnten , roiher Mergel. Auch ınter der Nageffluh tritt Molasse hervor. — Die Schichten Fühleh hier schen die Einwirkung des Jura, die ostliche und nordliche
bee)
Finsenkung ist verschwunden uud das allgemeine
Gesetz. der Schichten-Neigung m der Nähe des Jura macht sich geltend. Das Fallen ist mit 47° nach ıg0°. Der Bruch ist indels noch durch die ganze Ebene ‘von Mett vom Jura geschieden , das starke südliche Fallen kann also nicht Folge der Ablagerung auf einer schiefen Flache seyn; ist es vielleicht zufallig, nur local? oder war die Nagelfluh bereits gebildet, als die ursprünglich horizontalen Jura-Schichten ihre starke Neigung erhielten ?
Am J: ine fand ich ganz oben, wie schon erwähnt worden, den Müschel-Siudsteik. unge- fähr in mittlerer Hohe über Jens den bunten Mer- gel, zwischen beiden Molasse mit harten Knauern. Am nördlichen Fuls lagen, als ich dort war, mehrere grolse Nagelfiuh-Blocke , die mir zur Schnottivyter- Forniat ion zu gehören schienen , deren Stammiort ich aber nicht entdecken konnte. Sie deuten ebenfalls auf ein vom Muschel-Sand- stein unabhängiges, tieferes Nagelfluh-Lager.
S Hinsesen Tchkinen die Verhältnisse am an-
ses dern Ende des Bieler-Sees und weiter westlich mehr die entgegengesetzte Ansicht, welche Na- gelfluh und Sandstein als Erzeugnisse derselben
Bildungszeit betrachtet , zu begünstigen. Die Na-
pr
A
4
gelfluh bildet dort, wie der Sandstein im Aargau, be TRORR: die Disle der Hügel, die Gerölle wer- den seltner und der Stein ist eher Sandstein zu heissen. Die grünen "V'heile fehlen : indels durch- gehends.
Man findet die Nagelfluh ar erden Seiten des Julimont durch Bien briche aufgeschlossen, Am nördlichen Abhang, 23 M. üher Belp, lest sie auf lockerer Niokiike mit harten An auern, die tiefer mit buntem Mergel wechselt; sie wird auch von Melasse tedeckti doch erreicht sie beinah schon die obere Fläche des-Hügels. Die Mu- schel-Schaalen siäd, der Schichtung parallel, in besondern Lagern ale: Streifen angehäuft, - .da hingegen. ah Theile ‚des Steins, mit diesen Lagen, 'n übrigens im-innigsien Zusammenhang sie- kandı, Hase leer davon sind. Die Na ‚gelluh- Schichten fallen mit ungefähr 20° Beten die der aufliegenden Molasse sind -horizontal, oder eher südlich eingesenk i. — Am südlichen: Ab- hangist die Nasc ech ohne alle Molasse-Bedeckung a fällt mit etwa 10° nördlich. - In mehrern AM schürfungen sieht man unter ihr lockere Nolasse und harte Rnauer.
Mit dieser Nagelfıih stimmt ditjeitige der Steinbrüche zu Pr id 'elen, östlich von Ins fast volllionmmen überein: sie enthalt ebenfalls weniger Gerolle , als die Schnottwyler , aber: immer. die- selben Granite und Por phyre, ‘und wie am Julı-
‚mont, wird sie unmittelbar von der :Dammerde
bedeckt. Indefs liegen die Brüche nicht auf der
- obersten Hehe And) die Nageliluh konnte tiefer
in den Berg hinein wohl noch Moelasse - Lager iragen. -
48 | Aber auf dem Mistelach= Berg (YVully) ;
ı12 M. über Belp, ist die Nagelfluh unmittelbar unter dem Signal aufgebrochen und dieses, das
den: "höchsten ‚Punktödes Berges bezeichnet, ist wohl selbst in ihre Masse eingetrieben. Auch hier sind die Gerolle sparsam eingesprengt, mehr noch als bei Ins, aber Nagelfluh und Gerolle sind unverkennbar dieselben. Wie sonderbar — hier amı Fusse des Jura Granite und Porphyre und an der gegenüberliegenden Seite der Alpen, zu Guggisberg und im Freiburgischen, Jura-Kalk in der Nagelfluh zu finden!
Noch mehr westlich gelangen wir zu den berühmten, schon vom Graf Razoumovski be- schriebenen Stembrüchen der tour la Moliere, 60 M. über Belp 19. Der Stein enihäk fast keine Gerolle und ist kaum mehr Nagelfluh zu nennen, aber die Uebereinstimmung desselben mit dem Bindmittel der andern Muschel-Nageifluh und die Uebergange, die wir in Bezug auf Ge- rollmenge bereits in unserm Vorschreiten gegen Westen gefunden haben, lassen uber seine nahe Verwandtschaft mit der Schnoitwyler-Nagelfluh keinen Zweifel übrig.
Auf der andern Seite sind’aber auch die geognostischen Verhältnisse zu tour la Moliere, die Auflagerung des Steins auf Molasse , in dicken Schichten und mit einer Maächtigkeit:von nahe ı/4} IM. unmittelbar unter der Dammerde, so alın- lich, ich möchte sagen, so identisch mit den Verhältnissen des Muschel-Sandsteins im Aargau,
ı2) Die Höhe, die Graf Razoumovski angiebt, würde 153 M. über unserm Niveau entsprechen und ist zuverlässig zu grofs. Es liegt ihr auch nur eine einzige und, wie es scheint, nicht correspondi- rende Berom. Beobachtung zum Grund.
A9
dafs ‚man fast nicht -anstehn kann; beide in eine Classe. zu setzen und als getrennte Glieder der- selben Formation zu beirachtäh..
Oestlich von: Schnottwyl habe ich die -Mü- schel-Nagelfluh nirgends mehr. anstehend gesehn; | aber-zwischen St. Urban und Brittnau sind mir an: mehrern Orten ‚grölsere Blocke aufgefallen, die ich sehr geneigt‘ ware dafur arinlspnäicheh: In derselben ‚Gegend ist indefs der Muschel:Sand- stein, auf allen Elöhen anstehend,; ohne die ge- ringste - Annäherung zur Nagelfluh zu zeigen; | man nıochte daher beinah hier , wie am Jensberg , auf ein tieferes, fur sich bestehendes DRAGRRERNT- Lager schliessen.
Am nächsten den Alpen ist diese Gebirgsart bei Swrenhorn, ‚am nordöstlichen Abhang, des Frienisbergs ; 156 M. über Belp, anstehehd; in dicken Sobiehtene; die jedoch Neigung zu Kia, gern Absonderungen zeigen; mit ıg° ‚nach 40° fallend; am ilchen Eingang des Steinbruchs sulginoht die Schichten weniger geneigt. Unge- fahr 5 M. vom Boden Be die Nagelflüh von einem bei 3 M. mächtigen Lager feinen Molasse- Sandes bedeckt, in de lalienn wieder horizontale Trummer von Nagelfluh erscheinen. Dieser Sand mischt sich mit ‚der Dammerde. |
‚Man konnte auch die schon erwähnten Petre- facten-Lager zu Utzigen und am Dentenberg hieher zahlen len; die ebenfalls theils ih auf Nagelfluh ruhen , theils selbst Nagelfluh sind, und _ klug: grünen Thöile enthalten. Ihre übrige Be-. schaffenheit und Lage zeigt indels noch ee! Verwandtschaft mit da Müsölel: Sandstein.
"Nachdem wir nun sorgfaltig alle Punkte un- tersucht haben, wo sich Spuren der Muschel-
Natw, Annl, LT. 1. A
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Nagelfluh zeigen, befinden wir uns also in der- selben Ungewilsheit über das Verhaltnifs dieser Gebirgsart zum Muschel-Sandstem , als vorher. Für die Verschiedenheit beider sprechen die Ver- haltnisse am Dozinger-Berg und die Nagelfluh- Blocke am Jensberg und bei Brittnau, für ihre Identitat die Achnlichkeit beider Gebirgsarten und der allmahlige Uebergang der einen in die andre. Sehr ERRETEEN) ist die, gewöhnlich
zwemlich starke und gegen alle Regel sich strau-
‘bende Neigung der Nagelfluh-Schichten. Wir ‚haben hen verkit nordliche und südliche Kinsenkung gefunden, unter Winkeln von 20 bis 40°; nicht selten zeigen sich Umbiegungen im gleichen Steinbruch, wie zu Surenhorn und Schnott- wyl, oder im gleichen Hügel, wie am Julimont. Die Sache wid noch auffallender, wenn man erwagt, dafs die Grundlage und, wenn sich eine vorfindet, die Bedeckung von Molasse oft hori- zontal liegt, oder, unter weniger starken Winkeln, oft nach indem Richtungen geneigt ist. So fallen am Julimont die tiefer iiegenden Molasse- und buaten Mergel-Lager bike die obern, die Na- gelfluh Adehcideie ‚„ sind hioria ; oder auch südlich eingesenkt, die Nagelfluh selbst aber fallt ostlich and EEE Auf dem Mistelach-Berg ist die Nagelfluh mit ungefahr 10° nordostlich ein- gesenkt, die Molasse md der bunte Mergel, tie- Ton am Berg; schwach nordwestlich. Bei Suren- horn sind ähnliche Verhaltnisse. Man kann diese seltsame Erscheinung einigermafsen durch die An- nahme erklaren, dafs die schwachen Einsenkun- gen der Mergel- und Molasse-Grundlage erst nach der Erhärtung der Nagelfluh statt gefunden haben: jene weichern Gebirgsarten konnten durch sanfte
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Biegungen den auf grolse Strecken hin wärend tere Ursachen nachgeben und , bei einem geringern Fall-Winkel ,; die Niveau-V ersehäödehe heit durch grolsere Längen:Distänzen ausgleichen ; aber die ek‘, fest zusammenhangenden , kei- ner Biegung fähigen Nagelfluh-Lager mulsten bei jedem Wanken ihrer Grundlage zerbersten und als Folge dieses gewaltsamen, und daher regel- losen Zerreissens, stärkere und keinem Gesetz gehorchende Neigungen annehmen:
Dritter Asscanıtr. Die Meer-Formationen der Molasse.
Die Lager der Molasse, welche Meer-Pe- trefacten einsöhliessänl; lassen sich sowohl geo- graphisch , als nach ihrer Steinart und Lagerung in zwei grolse Gruppen REN, y die man, einer nicht leeren Analogie folgend, die Gruppen der subjurassischen und .der.: sahen schen Hügel nennen konnte. In die erstere kann man alle Petrefacten-Lager des Muschel-Sandsteins setzen, oder vielmehr die ganze, fast nur durch die ER eingeschlolsnen Muschel-Schaalen von der Molasse verschiedene Lager-Folge ‚ die die- sen Namen tragt, macht selbst die Gruppe aus; in die andere, die mit gemeiner und fester Mo- lasse und mit Nagelfluh wechselnden merglichten
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Petrefacten-Lager des Längenbergs, Belpbergs,
von Luzern, St. Gallen u. s. w. Beide Grup- pen sind, wie wir sogleich sehn werden, augen- schemlich, wenn nicht im Meer zeihnt entstan-
den, doch langern Zeit davon bedeckt und die
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Heimath einer zahllosen Menge von Meer-Ge- schöpfen gewesen; der Muschel-Sandstein insbe- sondre verdankt den Ueberresten dieser Thiere einen beträchtlichen Theil seiner Masse; und ob- gleich ‚man mitten unter diesen Ucklertskän und zwar eben in.dieser letztern Gruppe, auch Zähne und Knochen von Landthieren findet, so beweist das isolirte, seltne Vorkommen derselben doch hinreichend, dafs ‚wir ihre jetzige Lagerstätte nicht als ihr natürliches Grab zu betrachten ha- ben, und keineswegs folgt etwa daraus, dafs die Schichten, zur Zeit, da diese Knochen davon umschlossen wurden, 'trocknes Land oder Suls- wasserboden gewesen seien.
Da die Gruppe des Muschel-Sandsteins in der eben bezeichneten und auch in geographi- scher Rücksicht den Formationen des vorigen Abschnitts (den Sülswasser-Bildungen) naher steht, als die der subalpinischen Hügel, so will ich ihr den Vorrang geben, obwohl diese sie an Reich- thum verschiedenartiger Meer-Produkte bedeutend übertreffen.
1.:Petrefacten des Muschel-Sandsteins.
Die organischen fossilen Korper aus den ent- legensten T heilen der Muschel-Sandstein-Bildung sehn sich so ahnlich, und der ausgezeichnete Character der Senat lafst so wenig; eine Ver- wechslung ungleichartiger Formationen befürchten, dafs es nicht notwendig ist, wie in dem vorigen Abschnitte, die Petrefacten in topographischer Ordnung anzuführen, und ich wähle daher die in den pen ältern und neuern Schriften angenom-
mene, eine leichtere Uebersicht gewährende Ein-
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Ss
theilung. nach dem zoologischen System. Ich werde "Belbst den Unterschied zwischen NMluschel- Sandstein und Muschel-Nagelfluh hier ganz fallen lassen; in den Petrefacten lafst sich keine Alters- Verschiedenheit beider Steinarten erkennen, die Fischzahne und Muscheln von tour la Moliere, oder von Bruttelen finden wir, in allen ihren Ar- ten und auf derselben : Stufe der Erhaltung, im Sandstein des Bucheckbergs und des Aargaus wieder, so wie wir auch in der subalpinischen Gruppe sehr wenig Verschiedenheit in dieser Hin- sicht selbst zwischen solchen Lagern entdecken werden, die deutlich durch lange Zwischenraäume der Bildungszeit und mächtige Lagerfolgen von Molasse oder Nagelfluh getrennt Sid. Solkes in- defs, wider Vermuthen , aus fortgesetzten Unter- suchungen eine Absonderung der Nagelfluh vom . Sandstein nothwendig werden, so wird man das
folgende VHerssiehnile „nach den überall beigefüg- ten Fundorten , immer wieder in zwei, jeder Ge- ‚birgsart insbesondre 'gewidmete, "Theile zerlegen kögilent
Die - Anzahl der: Thierarten‘, die man bis jetzt :m dem Muschel-Sandstein aufsefunden hat, ist, wahrscheinlich nur wegen der Unachtsankeit der Arbeiter in den Steinbrüchen , nicht sehr be- trachtlich; um desto mehr mufs man uber die Man- nigfaltigkeit der Glassen erstaunen, denen die we- nigen Stücke , die wir erhalten konnten, anzuge- horen icheiiän) -- Ueberreste von warm- und kalt blutigen 'Thieren, von Land- und Wasserbewoh- nern ,„ von Pachydernen,, Wiederkauern, fleisch- fressenden 'Thieren, Amphibien , Fischen, Cru- staceen und Mollusken lassen sich bereits in un- sern hiesigen Sammlungen erkennen, : die zum
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Theil erst vor wenigen Jahren sind angefangen worden und von den reichsten Fundorten Tag- reisen ‘weit entfernt liegen. Was dürften wir nicht ‘für Entdeckungen erwarten, wenn diese Steinbruiche von den in der Nahe wohnenden kenntnilsreichen Naturforschern fleissiger besucht, und die Arbeiter durch Männer, die im Lande bekannt und geachtet sind, aufgemuntert und rege erhalten würden !
Die Muscheln haben unter den fossilen Kor- pern ein sehr grolses Uebergewicht, und unter denselben sind es auch nur wenige Arten, die den bedeutendsten Antheil der ungeheuern Menge zertrummerter Schaalen geliefert haben. Nachst ihnen sind Glossopetern, oder Fischzahne, am häufigsten, so dals man selten einen Steinbruch verlalst, ohne mehrere gefunden zu haben; ein- schaalige Conchilien und Lnochen ‘oder Zähne grolserer , besonders Landthier-Arten sind hinge- gen Seltenheiten.
- Die Substanz sowohl der Fischzähne, als der andern hat nur eine geringe, oder gar keine Veränderung erlitten, die Knochen sind gewohn- lich schwerer , als im natürlichen Zustande, weil sie theilweise von Eisen-Ocher durchdrungen sind, die Muschel-Schaalen sind ofters unverändert er- halten, zuweilen zu einer weissen Masse verwit- tert, nicht ganz selten in Kalkspath verwandelt,
aber wohl am häufigsten ganz verschwunden; den
meisten Widerstand haben der Zerstorung die Pec- tiniten und Austern geleistet.
Gewöhnlich sind die Knochen - und Muschel- Fragmente, regellos durcheinandergeworfen , zu einer eigentlichen Breccie verküttet. Niemals hat
o .. [3 [2 -. ” man nach in der Nahe eines Knochens die ubri-
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‚gen des Gerippes gefunden, nie liegen mehrere
o
getr ennte Fischzahne sleicher Art RS A
die Muscheln sind unälkehh ausgewachsne Indivi- duen und nicht in Familien\von allen Altern ver- einigt; auch wo eine Art z. B. cardıum edule, Aissehliefslich und in zahlloser Menge die Ober- fläche der Stein-Lager bedeckt, bleibt man im Zweifel, ob diefs wirklich ihr ursprünglicher Wohnort sei, denn immer fehlt die junge Brut neben den grolsern Schaalen, und von Hekah ıst stets nur die eine Halfte da ke so dals die Stein- kerne nur als halbes Relief auf der Steinfläche und nicht in vollständigen, vom Stein getrennten
Formen gefunden wären:
Säugethiere.
Im Museum diluvianum werden mehrere Kno- chen grolserer 'Thierarten aus den Steinbrüchen von Magenwyl, Würenlos und Poppelz angeführt , über a, Natur indefs Scheuchzer > wie er. in der Oryktographie bezeugt, nicht in’s Klare ge- kommen ist. Nicht so leicht dürfte wohl die Angabe eines zu Magenwyl gefundenen Geweyhs. zu.,bezweifeln seyn. Maus. Äther. Na. 8. |
In Andrea’s Briefen Tab. g ist ein Geweyh von Berlingen abgebildet.
Auch; in Rozoum. Jorat findet man mehrere Abbildungen groflserer Knochen aus den Stein- brüchen von tour la Moliere. Hr. Prof. Meisner und Hr. Bourdet haben in diesen Kupfern und in der Sammlung des Hrn. Chan. Fontaine zu Frey- burg, die besonders reich ist an imteressanten Stücken von la Moliere, Knochen-Fragmente von grolsen Pachydermen und Hyanenarten erkannt 3).
-13) H. Bourdet schreibt mir, dafs er seine Beschreibung
der Moliere-Petrefacten dem Druck übergeben werde.
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. Unsre offentliche Sammlung enthält: Mehrere Fragmente von Rippen , die. grolsern 45 Millim. breit, 32 > Kl ae mitgeringer Krüm- mung, vom Bockstein, m f 30. — Rleinere, 24 Millim. breit, 18 Millim. dick, von Mägenwyl lb 25; die Knochen-Substanz Br jur ist auısserst a und fest, und, was vorzüglich wichtig ist, der Dia der Rippe ist eine Tulln nane El- lipse, nach innen und aussen gleich gerundet; es ist diels der ausgezeichnete Charakter. der Manati- Rippen, mit denen die grolsern unsrer Sammlung auch in. den Dimensionen genau übereinstimmen 14), Einen mit der Wurzel erhaltenen Eck-Zahn, 25 Millim. lang , der vollkommen mit denen des gemeinen Fisch-Otters, lutra vulgaris, überein-
5 stimmt , vom Staufbere bei Lenzburg Ib 57.
Fin Khochen-Stück von ebendaher ‚ih 38, sieht einem Schlüsselbein ähnlich, erlaubt aber keine nahere Bestimmung.
; Herr. Prof. Meisner besitzt:
Ein Bruchstück eines grolsen Backen-Zahns mit abgenutzter ‘Krone. ‘Es’ trifft ganz mit der. aussersten obern‘ Ecke rechts des Rhinoceros- Zahns in den Ossem. foss. Il. pl. VI. f. 2 zu- sammen, so gut, dafs man kaum an der Richtig- keit dieser Vergleichung. zweifeln kann. An der: Wurzel ist der Zahn an dieser Ecke noch 28 Millim. breit , lauft dann conisch , s sogar etwas concav, von. ee ‘Seiten nach oben zusammen und erhalt da genau die Dimensionen der angeführten Figur. Die Höhe der Krone ist 22,5 Millim. , die Dicke des Emails aber 2,4 Millim. Als Fundort ist „aus einem Spalt in der Gysnau-Fluh ‚bei Burgdorf“ angege- ben, eine Etiquette, die auch schon in Gruners
14) S. Ossem. fossiles T. V. premiere partie p. 252.
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Verzeichnifs: vorkommt, und zwar bei Knochen, die in Feuerstein verwandelt seyn sollen , was aber wohl vom Email ähnlicher‘, oder gar des namlichen Zıahns verstanden werden muls. Die Etiquette lafst es allerdings sehr im Zweifel, ob diese merk- würdigen Fragmente dem Muschel: Sandstein an- gehören ; oder dem aufseschwemmten Land; in- defs wird die Gysnän-Flah in der Hohe von Mu: schel-Sandstein bedeckt. | Den Backen- Zahn eines fleischfressenden Thiers. Die Aussenseite besteht aus drei Hügeln; der erste nur niedrig, mit scharfem, um das eine Ende der innern Vertiefung herumlaufenden Rand, die beiden andern grofsere rechtwinklichte Spitzen mit scharfem Rand, der dritte nicht, wie gewohn- lich, quer abgeschnitten ‚ sondern eher etwas ho- her als der mittlere und an der: Seite die diesem zugekehrt ist, noch eine ganz kleine Spitze tra- gend; an der innern Seite des Zahns, gegenuber den zwei grolsen Spitzen, zwei stumpfe/ etwas niedrigere Regel und zwischen denselben 'ein sehr klemer Kegel. Der Zahn’ hatte zwei schief ab- stehende Wurzeln, die aber absebrochen sind. Länge ı8 Millim., grofste Breite 8 Millim. Ich finde in den Ossem. für und auch in Hrn. Prof. Meis- ners Schadel-Samnlung nichts ganz ubereinstim- mendes; am ähnlichsten ist der grofse Hunds-Zahn Oss. foss. IV. pl. 18..No. 4. — Der Fundort ist nicht angegeben, Hr. Meisner glaubt er komme aus dem Bucheckberg;; er war in einen Stein ein- geschlossen ‚, der mit dem Muschel-Sandstein des Bucheckberg „ oder von: Burgdorf vollkommen ubereinstimmt. | |
In der Sammlung von Hrn. Fr. Meyer be- findet sich :
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Ein Schulterblatt von 3o Millim. Breite, 27 Millim. Länge , in der Form ungefähr mit der Ab- bildung Ossem. foss. V. p. ı. pl. IX. £. 6 über- einstimmend, doch nicht genug um eine Identität der 'Thierarten wahrscheinlich zu machen. Von Bockstein.
Ein sonderbares Knochen-Fragment, das ich mit nichts zu vergleichen weils. Fünf elliptische, oder stumpf-kantig; vierseitige Prismen von 8 Mlil- limeter grofserem und 5 Millim. kleinerem Durch- ee aus dichter, dunkelbrauner Knochensub- stanz bestehend, sind mit ihren breiten Flächen um eine mehr poros knocherne, undeutlich damit verwachsne Axe zu einem dicken Gylinder, oder stumpf-kantig fünfseitigem Prisma von 2ı Millim. und ı8 Millim. Durchmesser vereinigt, an dessen Aussenflache die Zwischenraume der Gylinder vier tiefe, 3 Millim. breite und eine, der ungeraden
Seite gegenüberstehende ‚ ganz schmale Kant sehr. wenig tiefe, Furchen bilden. Das Stück ist an belle Enden abgebrochen und bei ı Decim. lang: gegen das eine Einde wird es etwas dunner. Aus
dem Bann bei Zofingen. Amphibien.
Andreä erwahnt eines Stücks von dem Schild der gemeinen Sulswasser - Schildkrote, aus der Gefsnerschen Sammlung, von Berlingen, und giebt eine Abbildung davon Tab. 9. f. a.
In Gruners Verzehr steht ein Schildkro- tenstuck von Wynau an der Aar, das vielleicht hieher gehoren mochte, vielleicht auch m die Gruppe - der Aarber 'ger-Petrefacten.
Ueber ein Stück aus der Sammlung des Hrn. Fontaine giebt Hr. Bourdet folgende Erklärung :
sg es ist der innere Abdruck einer Emys, der den untern "Theil beider Schaalen darstellt; der ‘obere zeigt noch Spuren von drei Rippen auf jeder Seite, das Ganze hat grolse Achnlichkeit, sowohl der Form als Grofse nach, mit den analome Theilen der testudo punctata. Von tour la Moliere. In der offentlichen und in Hrn. Meyers Samm- lung befinden sich mehrere Stücke, die wohl auch Schildkroten angehort kaben mögen, aber keine
nahere Bestimmung gestatten. Sie stammen theils
aus dem Bucheckberg, theils von Brittnau. Nicht ganz elle sind sogenannte Fisch-W ir-
bel, die aber fast noch mehr Aehnlichlai mit den
Wirbeln der Proteus zeigen, die in der altern Aus-
gabe der Ossem. foss. abgebildet sind. Das Mu- seum besitzt einen sehr wohl erhaltenen, voll- kommen runden von 2ı Millmm. Durchmesser ; die Spitzen der zwei Trichter berühren sich, und die Seitenwände derselben sind fein La u ge- reift. Die ganze Hohe beträgt ı0 Millim. Von Burgdorf. |
Fische.
Ich enthalte mich in ein näheres Verzeichnis der häufigen und mamnigfaltigen Glossopetern und Bufoniten des Muschel-Sandsteins einzutreten , da der thatige und kenntnilsvolle Naturforscher, Hr. Bourdet, seit längerer Zeit mit einer Arbeit über diesen Gegenstand beschäftigt ist, die vielleicht noch vor dee meinigen im Dich erscheinen und von vorzüglich gut ausgeführten Kupfern begleitet seyn wird,
Wir besitzen in den hiesigen Sammlımgen unter den Petrefacten des Muschel-Sandsteins die meisten der in Scilla, de corp.mar. abgebildeten
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Zähne des squalııs carcharias und eanicula ‚ ferner nach H. Bourdet Zähne des squalus cornubicus , ferox und galeus; auch Gaumen-Stüucke von Ro- chen, theiks als vierseitige, theils als sechsseitige Tafeln, über ine mit den Abbildungen i im Jorat I. f. 1--4 und Mem. de YAcad. 1721 pl. 4; die Bufonitten sind meist klein, schwärzlieh-braun , platt, elliptisch, der gröfste, in der Sammlung von H. Meyer, halt nur g Millim. im grolsern Durchmesser.
Crustaceen.
Im Mus. diluv. führt Scheuchzer zwei Glie- der des Flulskrebses aus dem Sandstein bei Pop- pelz an. Schlechte Abbildungen davon kann man
S in der Oryktographie nachsehn. In der öffentlichen Sammluns yeunya sec wir
- den einen Theil einer Scheere, nur ıı Millm. lang
und 4 Millin. breit, aber unmoglich zu ver ren.
Die fein- chagrı :inirte Schaale et ganz unverän- dert. Vo Staufberg bei Lenzburg, Ib 43.
Mollusken.
Nicht selten sieht man auf der Bruchflache des Sandsteins ovale 'Theile von spathigem Kalk mit Perlmutter- Grilanz , die vielleicht von Corallen- Arten herrühren. . Würenlos.
In die Glasse der Anneliden gehort ein, rer aus, H. Meyers Sammlung, das, uk ganz. mit Dentalium striatum ‚uber ken scheint. Die Länge betragt 27 Millim. Es ist in Kalkspath ver- wandelt... V. om Bockstein.
In derselben Sammlung befindet sich ein Stuck
das. eine Anhäufung keulenfor miger Fistulanen ein-
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schliefst,. auch in Kalkspath verwandelt und. da- mit ausgefüllt. Die Form stimmt vollkommen mit F. echinata Brocchi tav. XV. f. ı überein, da aber das Aeussere der Schaale meist von der sehr harten Steinmasse bedeckt wird, so kann man über die Richtigkeit der Vergleichung nicht ent- scheiden. Die Länge der grölsten beträgt nur ı58 Milllm. Vom an |
Die, nebst den Cardien, häufigste und für den Muschel-Sandstein charaliteristische Bivalve, von der man aber gewohnlich nur halbe Steinkerne findet, hat Aehnlichkeit mit Cyrene antiqua; doch ist en Schlofs. weniger zugespitzt und es ist wahr- scheinlich eine Meer-Musohel;, da sie öfters mit Cardien gemengt vorkommt ie ihre Form unter den RR selten, unter den Meer- Muscheln aber sehr haufig ist. Von Cytherea suineensis Eine. pl. 265. f. ı unterscheidet sie die
= 2 & FE . cerinsere Wolbuns ;. sie nahert sich auch der
germgeı 5»
Mactra solida, doch ist das Schlofs mehr seit- warts. Auf mehrern bemerkt man deutliche und ‚breite. Querringe, die nicht immer nur starke Wachsthumsringe zu seyn scheinen. Die grölsten sind 32 Millim. lang, und 36 Milli. breit. Es ist leicht moglich , dals nicht alle der namlichen Art angehoren, ich halte es aber für überflüssig alle kleinen Differenzen der Steinkerne hier aufzu- zählen. — Besonders häufig habe ich diese Mu- schel in der Muschel-Nagelfluh sefunden, zu la Moliere z. B. sind ganze Lager. nur von ihr. be- deckt; die Bruchstücke von Schaalen , welche haufig, zu Schnottwyl z. B., als Gement der Nagelfluh dienen, scheinen ebenfalls von dieser Art herzuruhren. Sie fehlt indefs auch in der mittlern und ostlichen Schweiz nicht, und kann
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daher nicht etwa dienen die Nagelfluh vom Sand: stein zu unterscheiden; oberhalb Brittnau z. B. enthalt sie der dortige Muschel: Sandstein in unge- heurer Menge, und bei Wicken, auf der jensei- tigen Höhe“ ’ re sie gemengt mit Gardien.
| Eben so haufig sind ganze Absonderungen mit halben Abdrücken von Cardien bedeckt und oft liegen mehrere solcher Reliefs, nur durch die dunne Stetitäfel, der sie aufsitzen, geschieden, über- einander. Die meisten erkennt man deutlich, ob- schon die Schaal-Substanz gewöhnlich verschwun- den ist, für Gard. rusticum und edule, oder eher edulinum Sow., einige, die langer als breit aber von der namlichen Grofse sind, dürften auch einer ‚dritten Art angehoren. — Die grofse Menge dieser "Cardien ist mir hesordis aufgefallen in der Gegend von Burgdorf und St, Urban und in dem früher erwähnen Steinbruch bei Burkartshofen in Sud- Baiern; sie sind auch sehr haufig in den Stein- brüchen des Aargaus.
Eine seltnere Art dieser Gattung trifft in Form und Grofse mit Gard. edule zusammen, statt der Rippen sieht man aber nur die halbverloschnen Spuren dichtgedrangter, sehr feiner Längenstrei- fen. Bockkten: Utzigen.
Ziemlich gewöhnlich sind einzeln Zerstreute _ Pectiniten-Schaalen , oder Bruchstücke von Schaa- len, deren Substanz keine Veränderung erlitten zu haben scheint, aber so fest am Stein ansitzt, dafs es selten gelingt etwas vollständiges RIRERN schlagen. Viele scheinen zuverlassig vom Pecten Tarbobeil herzustammen; kleinere Arten von 2-5 CGentim. Durchm. mit 7 bis ı6 Rippen und fla- chen Zwischenraumen, ziemlich stark gewolbt, wage ich nicht zu bestimmen, da es mir nie ge-
lungen ist, das Schlols ganz zu erhalten.
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Auch kleine Austern, oder Bruchstücke da- ' von, finden sich nicht selten, die Exemplare unsrer Sammlung gestatten aber auch keine na- here Bestimmung. Sie scheinen mir insgesammt verschieden von den kleinen Austern von Mont- martre. |
Die einschaaligen Conchilien, oder eigent- lichen Mollusken von Lamare, gehören im Mu- schel-Sandstein beinah zu den Seltenheiten , we- nigstens in Vergleichung mit der zahllosen Menge von Bivalven.
Razoum. vergleicht die einzigen, die er zu la Moliere gefunden, nach den Kupfern von Gual- tieri, mit Murex erinaceus und Trochus striatus Lin.
Aus unsern Sammlungen gehören folgende Stücke hieher:
Eine sehr ausgezeichnete Cassis, ganz in Kalkspath verwandelt, der G. crumena Ene. pl. 406 f. 2 ahnlich in Form und Grofse, nur ist der rechte Fand der Oeffnung dicker , scharf und eben abgeschnitten, gegen den Mund zu feiner gezähnt und bauchiger , fast wie ein Dolium. Vom Bock- stein. Meyersche Samnıl. |
Ein Bruchstuck einer 'Terebra, oder eines Gerithium’s, mit vollkommen ebenen Windunsen und kaum bemerkbaren Einschnitten, so dafs die ganze Hegelfläche in der Längenrichtung gerade ist. Es sind nur zwei vollständige Windungen , die untere von 5 Millim. Hohe und an ihrer Basis von ı0 Millim. Durchm., erhalten. Gelblichweils- caleinirt. Bockstein. Meyersche Samnl.
Zwei Bruchstücke, die wahrscheinlich den Gattungen Voluta oder Buccinum angehören. Es
5 sind nur die untern Windungen zum Theil erhal-
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ten, die der einen von 20 Millim. , die der anderr von 45 Millim. Hohe. Letztere zeigt noch dent- liche Spuren von Querringen. Beides sind Stein- kerne. Vom Staufberg. Meyersche Saınml. Ein Bruchstuck, wahrscheinlich einer Am- pullaria, mit gewolbten Windungen und hervor- stehender Spitze. Haum über 2 Gentim. hoch. Die Schaale zum Theil in Kalkspath verwandelt , zum Theil zerstort. _ Vom Bockstein. ee mf2ı. Ä Steinkern eines Gonus mit zerbrochner Spitze. und Basis. Ganz ubereimstimmend mit G. cana- liculatus Brocchi tav. V. ı2, auch mit GC. con cinnus Sow. t. 302; die feinern ‚Charaktere sind natürlich verschwunden. Die ganze Länge mag bei 23 Millim. betragen haben: Vom Staiberg- Meyersche Sammlung. Wir haben unter allen diesen. Gonchilien keine Sufswasser-Muschel und dagegen viele Ar- ien gefunden , die, im Fall auch ihre Bestimmung noch als zweifelhaft angesehn werden muls, zu- verlassig, doch Gattungen angehoren, die nur im Meere leben; unsre anfängliche Behauptung , dals- der Muschel- Bude den Meer-Formationen an- gehore, scheint demnach fest genug begründet. Indefsen bemerkt Graf Razounovski in seiner Beschreibung des Jorat, dafs die Bivalven von la ‚Moliere der gewöhnlichen Mya, oder jetzt Unio pietorum unserer Schweizer-Seen so ähnlich seien,. dafs man kaum an der Identität zweifeln könne, und scheint demnach noch eine uns unbe- kannt gebliebene Muschel in jenem Steinbruch ge- funden zu haben, deren Vorkommen ein zweideu-. üges Licht auf unsre Resultate werfen konnte;
Da aber. der Graf selbst, auch : ‚Meer-Conchilien
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‘und Glossopetern von la Moliere anführt, so kann seine erstere Angabe, insofern ihr, in Erwägung des fruhern Zustandes der fossilen Conchiologie;, ‘einiges Gewicht beizulegen ist, höchstens eine locale Vermischung von Süfswasser- und Meer- Muscheln wahrscheinlich machen, was zwar merk- würdig genug, aber, in Bezug auf die ganze For- ‚mation, nicht von allgemeiner Wichtigkeit wäre;
Ich lasse es bis auf weitere Untersuchung unentschieden, ob die Widersprüche, die Andrea in der Note p. 58 zusammengestellt hat, auch zu Berlingen eine solche Vermischung anzeigen, oder ob nicht vielmehr in derselben zwei ganz verschie- dene Formationen verwechselt worden seien. Am Ende der Note macht H. von Beroldingen ein sol- ‘ches Bild von dem Berlinger-Stein, dafs man kaum an seiner Identität mit unserm Muschel-Sandstein zweifeln kann, „es ist“, sagte er, „ein Sandstein, „der so voller Muscheln steckt, dafs er zu Kalk „gebrannt werden kann. Die meisten darin vor- „kommenden Muscheln sind Chamz striat@, zu- „weilen Pectiniten und selten Schnecken, als „Bulle, Strombi etc. etc. die fragmenta testudi- „num und die Glossopetrae sind eben nicht ausser- „ordentlich selten darin etc. etc.“ Im Anhang hingegen sagt H. Gefsner: „die Versteinerungen „sind meistens von der schwarzen dickschaligten „Flufs-Muschel und dunkeln Flufs-Muschel,, mya, „jetzt Unio, margaritifera und pietorum , deren „nuclei und teste calcinate haufig daselbst ange- „troffen werden, nebst den nucleis et testis der „helix citrina, arbustorum, lucorum , ferner ver- „schiedene Blatter von einheimischen Bäumen etc.“ Die Angaben des gelehrten Zurchers werden eini- germalsen bestätigt durch zwei Berlinger - Stein-
Natw. Anal. I. 1. )
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kerne mit Ueberresten der Schaale, die unser Museum besitzt, der eine wohl zuverlassig von einem jungen Individuum der Unio elongata Lam. (Mya mar;aritifera Lin.) herruhrend, gı Millim. breit, mit starker Einbiegung des obern Randes , der andere von einer Helix, mit platten Windun- gen, vielleicht einer unausgewachsenen H. arbu- storum. Die Steinart dieser Kerne ist eine sehr harte, glimmrige, ziemlich grobe Molasse.
Unser Verzeichnifs der fossilen Körper des Muschel-Sandsteins ist so dürftig ausgefallen und enthalt, wenn man es genauer prüft, so wenig zuverlassie bestimmte Arten, dafs man es kaum
= E zur Grundlage allgemeiner Folgerungen 'wahlen
wird; auch los die wenigen, die ich mir hier erlauben will, nicht Anspruch auf eine mehr als vorübergehende Bedeutung, und werden vielleicht bald, wenn unsre Sammlungen sich mehr vervoll- ständigen sollten, sich wesentlichen Modifikationen unterziehn mussen.
Alle die angeführten fossilen Ueberreste deu- ten auf ein sehr niedriges geognostisches Alter dieser Formation. Die Gattungen und die weni- ser bestimmbaren Arten von Gonchilien werden jetzt noch in unsern Meeren gefunden, selbst die Thierwelt des Pariser-Ralks scheint noch alter; die Fisch-Zaähne lassen sich ebenfalls nach Arten benennen, die der heutigen Schopfung angehoren ; und was sich von Knochen und Zähnen von Am- phibien und Säaugeihieren erkennen lalst, die ein- zigen noch sehr zweideutigen Proteus-Wirbel aus- genommen, führt uns in die Epoche der Diluvial- Bildungen, der Holen-Knochen, der Breccien von
Gibraltar u. s. w.
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Sehen wir uns nach analogen organischen Formationen in fremden Ländern um, so ent: spricht diesem Charakter zuvorderst in England der Crag von Suffolk, ein Gemeng von Sand- Gerollen und Muscheln, zuweilen durch Eisen agglutinirt, ofters auch von Eisen durchdrungene Knochen einschliessend. Unter den Pariser-For- mationen scheint der Sandstein, von dem Mont- marire bedeckt wird, hieher zu gehören, und unter der südfranzosischen und italianischen Alles, was Hr. Brongniart zur obern Meer-Formation zahlt, welche zu Paris aber durch den Montmartre- Sandstein und in England durch den Crag vertreten wird. Eine besonders auffallende Aehnlichkeit . glaube ich in den, auch dem Jurakalk nahe lie- senden Hügeln des mittlern Rhone-'Thals zunächst Avignon, wahrzunehmen, wenn ich die kurze Nachricht, die Hr. Br. davon in der Envir. de’ Paris p. 418 giebt, mit unserm Muschel-Sandsten zusammelhalte, Ja man sollte beinah glauben , dafs dort auch die Muschel-Nagelfluh, als ein vom Sandstein verschiedenes „ tieferes Lager, in deut- lichern Verhältnissen als irgendwo in der’ Schweiz auftrete. — Wenden wir uns nach Osten, so fin- den wir dieselbe. Uebereinstimmung mit denen Bil- dungen, die nach aller Wahrscheinlichkeit der obern Meer-Formation ansehoren. Die Petrefac-
ten-Lager der Wiener-Gegend,, deren Kenninifs wir DH. Prevost verdanken, mochten zwar eher mit unserer subalpinischen Gruppe zu vergleichen seyn, da sie unmittelbar an den Alpen-Kalk an- stossen; aber in Ungarn dürfen wir zuverlässig, mehrere der von H. Beudant beschriebenen Ter- tiar-Bildungen hieher zählen ‚ vorzüglich die sables coquillieres, Sand- und Geroll-Lager , theils lose,
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theils durch Kalk fest verküttet, die in gewohn- lich’ horizontaler Lagerung die Molasse bedecken und eine ungeheure Menge Steinkerne und zer- trummerte Schaalen von CGardien, Pecten’s, Au- stern, Venus, Murex, Cerithien u. s. w. ein- schliessen.
Die Petrefacten-Lager der subjurassischen Hügel würden demnach keineswegs, wie Graf Razoumovski zum Theil annahm, nur als eine Local-Formation zu betrachten seyn, die auf das grofse Thal der Schweiz beschränkt und der Ab- satz eines grolstentheils vertrockneten oder abge- laufenen ausgedehnten Binnen-Sees wäre. Die Natur der Petrefacten deutet für sich schon auf eine allgemeinere Verbreitung , denn bis jetzt kennt man keine locale Meer-Formation, und auch auf der heutigen Erde sind abgeschlofsne Salz-Seen selten; durch das Auftreten ähnlicher Bildungen , rings um die Schweiz herum in einem grolsen Theil von Europa, wird aber diese allgemeinere Verbreitung beinah erwiesen. | .
Ein sonderbarer, unter der Vorausfetzung gleichzeitiger Bildung aller inländischen und frem- den Muschellager , die wir so eben zusammen- gestellt haben, gleich schwer zu erklärender Um- stand, als wenn man dieselben in abgesonderten . Local-Formationen trennen wollte, ist die grofse Verschiedenheit der absoluten Hohe unserer und der ausländischen Bildungen. H. Prevost „giebt die Hohe derselben über’s Meer zu Turin gleich 230 Meter, zu Wien gleich 220 M., im süd- lichen Frankreich gleich 189 M. , zu Paris gleich ı40o M. an, H. Beudant setzt sie in Ungarn auf 100 bis 150 M.; dagegen steigen sie bei uns auf 500 bis 700 M., und überhaupt ware in der
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ganzen dielsseits der Alpen liegenden Schweiz, den Grund einiger Seen ausgenommen , gar keine Tiefe zu finden, die auf jene niedrigen Niveaus
herabsänke.
IL
Ueber die Vögel der Gegend von Genf, von L. A. Necker.
(Aus dem Französischen frei übersetzt und abgekürzt von dem Herausgeber.)
Es giebt wohl wenige Länder, die in ormi- thologischer Hinsicht so interessant wären, als das unsrige. Ausser einer grolsen Menge von
Vogelarten , die unserm Himmelsstriche eigen sind und unsere Ebenen und niedern Thäler bewohnen , wird der Genfer-See von vielen Wasservogeln , und seine Ufer von Strandvogeln sehr. verschie- dener Gattimgen und Arten. besucht. Unsere Berge endlich, die in einer Erhebung bis zu mehr als 2000 Teisen den Beobachter eine Stufenfolge von Ülimaten darstellen, wie man sie auf de Erdkugel zwischen dem 46° nördlicher Breite und dem Pole sieht, sind von Vogeln bewohnt, die weit nordlichern Gegenden angehören. In dem kleinen Raume weniger Strulen um Genf finden wir die meisten Vogelarten beisammen, welche das übrige Europa bewohnen, aber daselbst zum Theil in 'unermefslichen Entfernungen von einan- der zerstreut leben. . Unter diesen Vogeln. sind mehrere Standvo-
gel, die ihr ganzes BER hindurch in der Ge-
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gend bleiben, wo sie geboren wurden; andere verlassen im Herbst unsern Himmelsstrich, um in südlichern Ländern eine mildere "Temperatur und eine Nahrung aufzusuchen, ‘die ihnen bei uns die Strenge unserer Winter entzieht; im Früh- ling sieht man sie zurückkehren, um bei uns zu nisten, zu brüten und ihre kleine gefiederte Fa- milie zu erziehen. Ändere hingegen, die, durch den Frost der nördlichen Regionen vertrieben, im Herbst anlangen, überwintern bei uns und ver- lassen uns sobald die Frühlings-Sonne den Schnee und das Eis zerschmelzt, um sich wieder nach den Gegenden des Nordens zu begeben.
Ausser diesen verschiedenen Arten, die im eigentlichen Sinne in der Schweiz einheimisch sind, treffen wir aber zuweilen noch zufällig ein- zelne Individuen gewisser Arten an, die ganz ver- schiedene Hlimmelstriche bewohnen, und die von Ursachen in unser Land geführt werden, welche uns noch nicht recht bekannt sind. Einzeln , ab- gemagert, ausgehungert und, wie es: scheint, ganz desorientirt langen sie bei uns an. Diese Erscheinung , eine der sonderbarsten in der Na-
turgeschichte, scheint wohl allerdings mit meteo- rologischen Veränderungen in Verbindung zu ste-. hen, allein man kann doch nicht behaupten, dals die Veränderungen der Athmosphäre die einzige Ursache der Erscheinung solcher , unsern Gegen-
den ganz fremder Vogel wären. je 1. Vogel der Ebene“).
Versetzen wir uns in den Anfang ‚des Fruh- lines, wo die lange Zeit von Nebeln verschleierte Do 0 -
*) Alle in dieser Abhandlung angeführten Thatsachen sınd das Resultat der 2ojährigen, ununterbrochen
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-Sonne die Erde durch ihre Stralen aufs Neue be- - lebt und von jener Schnee- und Eisdecke ent- blolst, die sie wahrend der rauhen Jahrszeit über- zog, so konnen wir schon in den ersten Tagen des Merzmonats diesen wohlthätigen Einflufs an allen den Vogeln, welche der Winde nicht von uns entfernt hatt) wahrnehmen. | Der 4. aussperling , bisdahin still und traurig, fänot an sein Geschrei hören zu lassen: wir sehn
te) ihn langs den Mauern laufen, sich von der Hohe
der Hansicher herabstürzen und seime Gattin verfolgen, oder Strohhalme im Schnabel iragend ,
zwischen den Dachziegeln den Grund zu seinem Neste legen. Buckinkimd Gollimmer (Frin= gilla caelebs und Emberiza Citrinella) lassen ihren Gesang ertonen; Grünfink , Hanfling,, Kern- beisser, (Fringilla chloris, cannabina, Coc= cothraustes) Gimpel, (Pyr rhula vulgaris) Rothkelchen, (Sylvia rubecula) Goldhähnchen , (Sylvia regulus) Zaunkonig, (Sylvia troglody- tes) Fitis, ($. trochilus) (?2) Zaunammer, (Em-= beriza cirlus) die verschiedenen Meisen, (Pa= rus major, ater, coeruleus, palustris, cau- datus) Holzhäher, (Corvus glandarius) Amsel, (Turdus merula) die Spechte, (Picus viridis, major, medius, minor) Baumlaufer, (Certhia familiaris) Kleiber, (Sitta Europaca) alle his- dahin zerstreut, in den WViesen oder langs den Haagen eine Kindhähliche Nahrung suchend,, ver-
fortgesetzten, und in einem besondern Tagebuche verzeichneten eignen Beobachtungen des Verfas- sers, der jedoch dabei zugleich auch die ihm von glaubwürdigen Jägern und-Jagdliebhabern, welche die Natur zu beobachten verstehen, mitgetheilten Nachrichten, und die Erfahrungen anderer Orni- thologen des Cantons Genf benutzte.
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sammeln sieh in den Wäldern, paaren sich und schicken sich an zum Nestbau. Die Elster (Cor- vus pica) schlägt ihre Wohnung auf hohen Bäu- men in der Nahe der Hauser auf, die Lerche (Alauda arvensis) am Boden auf Feldern und Wiesen, so wie die Bachstelzen (Motacilla alba, boarula , flava.)
Zu diesen Standvogeln gesellen sich bald einige jener wandernden,, die uns im Winter ver- lassen, ohne jedoch sich weit von unserm Lande zu entfernen. Die Waldschnepfe (Scolopaxz ru= sticola) erscheint schon gegen das Ende des Fe- bruars, oder im Anfang des Merz in den Wäl- dern am Fufs der Gebirge. Sie kommen wahr- scheinlich aus Italien, Südfrankreich oder Spa- nien (?) wo sie einen gelinden Winter, und einen feuchten , nicht gefrornen Boden fanden. Mit ih- nen zeigt sich hie und da die mittlere Ohreule und die kurzohrige Eule (Strix otus, brachyotos). Die wilden "Tauben (Columba livia (?) palum- bus.und Oenas) ziehen durch unsere Ebenen um sich theils weiter nach Norden, theils nach den Gebirgen zu begeben. Gegen die Mitte des Monats Merz ziehen Schaaren von Staaren (Stur= nus vulgaris). Feld- und Baumlerchen (Alauda arvensis et arborea) Bachstelzen (Mot. alba, boarula, flava) kommen schaarenweise von Sü- den her und ziehen gegen Norden , ohne sich mit jenen Indivtduen gleicher Arten zu vermischen , welche den Winter über bei uns geblieben waren und die sich jetzt schon mit ihrem Nestbau be- schaftigen. Gegen den 25. Merz langen die Bauchschwalben (Zirundo rustica) an; zuerst in kleiner Anzahl, später in grofsen Schaaren , die sich uber Stadt und Land vertheilen. Viele
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‚bleiben bei’ uns, andere setzen ihre Reise weiter nach Norden fort. Die Landbewohner sehen die Ankunft dieser Vogel mit Freude, weil sie glau- ben, dals sie die schone Jahrszeit und das warme Wetter mitbringen. Allein diese Hoffnung wird fast immer ‚getäuscht. Denn nicht selten ereignet es sich, dals nach der Ankunft dieser Schwalben unerwartete Rälte eintritt, welche die fliegenden Insekten, womit sie sich nahren, todiet. Dann versammeln sich diese unglücklichen Vogel, wie man im Jahr 1812 gesehen hat, schaarenweise an den Ufern des See’s, der Arve und der. Rhone, ın der Hoffnung, daselbst noch einige Nahrung zu finden, und finden sie diese nicht, so fallen sie ins Wasser oder setzen sich ans Ufer und lassen sich mit den Händen nehmen. Andere fliegen um die Häuser herum, suchen Insekten an den Wänden und Mauern und sterben endlich vor Hunger. Dann sieht man ihre todten Korper oft in Menge auf den Gassen und Landstrassen liegen. Aber nicht nur der Mangel an Nahrung, son®rn auch die Kälte selbst lalst dann diese Schwalben viel leiden. In der Nacht vom ı5—ı6 April 1816 war bei einer, in unserm Clima so gewöhn- lichen, Ruckkehr der Kälte das ’T'hermometer auf o herabgesunken. Ein Bauer des Dorfes Genthod bemerkte. eine Schaar Schwalben, welche in die Hauser einzufliegen suchte. Er öffnete ihnen seine Küche und bei 200 Schwalben flogen hinein und blieben bis sehr spat in den Vormittag. Endlich da das Wetter etwas wärmer geworden, flogen alle miteinander davon und verbreiteten sich: aufs Neue über das Land. |
Die Hausschwalbe (Hirundo urbica) langt; erst ı4 Tage nach der Rauehschwalbe an.
1 En
Die ersten Tage des Aprils sind durch die Ankunft einer Menge der kleinen Sängerarten be- zeichnet. Der schwarzkopfige, der fahle, der graue, der schwarzkehlige und der schwarzbäu- chige Sänger (Sylvia atricapilla, cinerea, hor- tensis, phoenicurus, tithıys) lassen sich in den Gebüschen nieder ; die Steinschmätzer (Sazxicola rubetra und Oenanthe) auf Wiesen und Acker- feldern.
Gegen den ı0. erscheint der Ruckuk (Cu- culus canorus). Sein Ruf deutet den Jagern an, dals der Durchzug der Schnepfen und "Tauben bald aufhoren werde, die sich jetzt nach den Berggegenden begeben, wo der Schnee hinweg- oeschmolzen ist.
In der Mitte des Monats erschemen aus süd- lichen Ländern, wo sie überwintert haben: Wen- , dehals (Yun torguilla) der rothkopfige und roth- rückige Würger, (Zanius rufus und collurio) Wisdehopf, CUpupa epops) verschiedene Pi- per. (Anthus arboreus, pratensis rufescens und aquaticus). Die beiden letztern bleiben nicht in der Ebene sondern ziehen sogleich nach den Bergen, wo sie nisten.
Gegen den 20. hort man zum erstenmale den melodischen Gesang der Nachtigall, (Sylvia lus- cinia) aber auch die traurigen Tone der Eulen- arten (Strix aluco, otus, brachyotos, passe= rina flammea). Die vier ersten in den Wal- dern, die letzte auf den Trümmern alter Schlos- ser, auf Kirchendachern und Thurmen, selbst in der Stadt. Auch die Nachtschwalbe (Caprimul-= gus punctatus) erscheint um diese Zeit aus sud- lichen Gegenden. |
In den letzten Tagen Aprils und zu Anfang May’s beschliessen den Zug der wandernden Vo-.
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gel diejenigen, welche in Afrika überwintert' ha- ben. Die: Wachteln verbreiten sich in Wiesen und Kornfeldern, die Wachtelkonige (Gallinula crex), welche jene auf ihren Baisen begleiten , in Gestrauchen und Gehauen. Die Mauerschwal- ben (Cypselus murarius) machen ihre Nester in Mauerspalten. Diese Zuge, zu welchen auch die Fliegenfänger (Museicapa grisola und lue- tuosa) "zehören , werden von einigen Milanen (Falco milvus) begleitet. Ob der Fliegenfänger mit’ dem Halsbanden. (M. atricapilla s. "collar is) in der Gegend von Genf vorkomme, ist unge-
wils. Wenigstens ist er sehr selten.
- Der Pirol (Coracias galbula) beschtiofe den Zug der Vogel, welche im Frühling in un- sere Ebenen Kasnaem Er bleibt den Sommer bei: uns, und nistet auf hohen Bäumen selbst in der Nähe der Landhauser.
Ist der Fr ühlings-Durchzug beendigt, so sind nun.alle Vogel, die in der Ebene gehliehen), mit dem Nesibau, Brüten und der Fütterung Mirge Jungen, bevor diese das Nest verlassen, - amsig beschaftigt.
Einige Spätlinge derjenigen Arten, welche weiter gezogen sind, entweder um in den Bergen oder in nordlichern I öhdem zu nisten, bleiben bisweilen in unsern Wäldern und brüten daselbst. So findet man zuweilen Nester von Sing-Drosseln (T. musicus) von Waldschnepfen,, wilden Tau- ben, obgleich diese Vogel eigentlich nicht zu denen gezählt werden disk ; ER gewohnlich i in den Ebenen um Genf nisten. Die sehr wenigen Pärchen des seltenen Orpheus-Sängers (Sylvia or- phea), welche hie und da vorkeniintny die ihre
Nester in die Mauern alter Thürme öder einzel-
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ner Bauernhäuser machen, sind wahrscheinlich auch Spätlinge ‚ welche von dem Zuge ihrer Art abge- kommen sind. — Das Geschäft des Bruütens erfor- dert den ganzen Monat May und den Anfang des Brachmonats. Gegen die Mitte dieses Monats ha- ben alle kleine Vogel, von welcher Art sie seien, ihr Nest verlassen.
Nun versuchen diese jungen Vogel ihre Flü- gel, ohne sich weit von einander zu entfernen, wobei sie einander immer zurufen. Die Eltern, um ihre Rinder besorgt, fliegen um sie herum, treiben die Zuruckbleibenden vorwärts, holen die, welche sich zu weit entfernen, herbei und mun- tern sie durch wiederholtes Zurufen auf. Bemer- ken sie eine Gefahr, so verdoppeln sie ihr war- nendes Geschrei; dann kauern die Jungen sich etwa hinter einen Ast oder unter ein Blatt und bleiben da unbeweglich sitzen, während die Alten sich muthig hervorwagen und die Jungen beschützen zu wollen scheinen. Selbst die sonst furchtsam- sten und schenesten Arten, wie die Würger und Drosseln , umflattern unaufhorlich den Gegenstand, der sie beunruhigt, verlieren ihn nicht aus den Augen und scheinen den Gebrauch: ihrer Flügel ganz verloren zu haben, oder die Kraft dersel- ben nicht zu kennen.
Zu dieser Zeit verlieren die Sänger ihre schönen Stimmen, deren melodische Tone durch rauhe, krachzende Laute ersetzt werden. Gegen den 20. Jun. lafst zuerst die Nachtigall keine an- dere, als unangenehme Laute mehr hören , später die verschiedenen Grasmucken. Kuckuk, Pirol und Wendehals schweigen auch und die Amsel nimmt, statt ihrer melodischen Gesang-Strophen, ein rauhes Geschrei an, welches sie für den Rest
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des Jahres beibehalt. Endlich während der grofsen Sommerhitze tritt an die Stelle der harmonischen CGoncerte des Frühlings eine vollkommene Stille ein.
Bald zerstreuen sich die Bruten; die jungen Vogel, stark genug, sich ihren Unterhalt selbst zu verschaffen , verbreiten sich m den Gefilden. Mehrere entfernen sich von ihrem Geburtsorte und begeben sich mit den Alten nach den Bergen. Zu diesen gehören die Wachteln. Fast sämmt- lich verlassen sie die Ebene, um ihre Nahrung in hoherliegenden Gegenden zu suchen, wo die Eirndten noch .nicht gemacht sind. In warmen Jahren bleiben indessen bisweilen einige Wach- teln in der Ebene, um eine zweite Brut zu ma- chen. Die grauen Feldhühner (Perdix cinerea) durchstreichen das Land; von einem zahlreichen Gefolge ihrer Jungen begleitet, bilden sie dann die von den Jagern sogenannten Ketten oder Völker. Gegen den ı5. Aug. sind die jungen Feldhühner ausgefiedert; zu dieser Zeit seht im Canton Genf die Jagd auf.
Die Monate Jun. und Jul. bieten in der Ebene ‚ keine Durchzüge dar. Mit dem Anfang des Au- gusts erscheinen einige Laubsänger (Sylvia sibi- latrix und hippolais) ın der Ebene, wahrschein- lich von den Bergen (?) oder aus nordlichern Ge- senden kommend. Mitten in diesem Monat ver- lalst uns die Mauerschwalbe (C’ypselus murarius) und zieht nach Suden. Bald nachher erscheinen die Piper (Anthus arboreus und pratensis) wie- der, um nach dem Süden zu wandern. Dieser "Zug dauert ungefähr einen Monat; die Piper pfle- gen sich in den Weinreben aufzuhalten. — Am Einde des Augusts ziehen auch Pirol und Wiede- hopf nach südlichern Flımmelsstrichen.
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In den ersten Tagen des Herbstmonats vers reisen die Nachtigallen, und die schwarzrückigen Fliegenfänger (Muscicapa luctuosa) kehiren a aus nordlichen Gegenden zurück. Sie haben alsdann ein graubraunes Federkleid „ ganz, verschieden von demjenigen, welches die im Frühling durchzie- henden Vogel dieser Art tragen. Vielleicht sehen wir im Herbst nur die Jungen von diesem Jahre, oder hat dieser Vogel einen doppelten Federwech- sel und ein eignes Herbsikleid?’ *) — Dieser Zug dauert nur einige Tage. Vierzehn Tage früher zieht der graue Fliegenfäanger (M. grisola).
Am ı5. ungefähr langen die Sing- und Wein- Drosseln (7. musicus und iliacus) an, jedoch noch nicht zahlreich, bis der erste Schnee die niedern Berge der Alpen und des Jura deckt. Dann fallen die Singdrosseln , die in den Alpen- ‚wäldern genistet kaben); in grolsen Schaaren auf die Ebene und mit ihnen vereinigen sich diejeni- gen, welche aus nordlichen Gegenden kommen. Nichts ist regelmässiger als das tägliche Leben dieser Drosseln. Mit Sonnenaufgang verlassen sie die Wälder, um sich bis Mittags in den Re- ben aufzuhalten; dann ziehen sie wieder nach dem Geholz , wo sie 2 Stunden lang verweilen; worauf sie abermals in die Reben zurückkehren , die sie erst nach Sonnenuntergang wieder verlassen.
Gegen die Mitte des Sept. kommen auch die
Wachtel wieder von den Bergen in die Ebene
*) Allerdings hat dieser Vogel ein eignes Herbst- kleid; schon im Jul. geht der neue Federwechsel vor sich ; in diesem Her bstkleide verlassen uns die schwarzrückisen Fliegenfänger im Sept. Im fol- genden Mer z wird es vermausert und dann erschei- nen sie im April ın ihrem dunkeln F rühlingskleide.
MM. |
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herab, während diejenigen , die in nördliche Län- der gezogen waren, zuruckkommen um sich nach warmern Gegenden zu verfügen. Diese reisen immer während der Nacht.
Unterdessen reifen die kleinen Beeren in den Gestrauchen und Haagen und die Amseln verlas- sen die Gehölze und finden sich schaarenweise an den Zäunen und Hecken ein, wo es dann auch von Grasmücken und andern Sängern wimmelt, die sich jetzt von Brombeeren, Maulbeeren und HKornelkirschen nähren.
Einige Tage nach den Wachteln ziehen ER Staare in grolsen Schaaren nach den Gehölzen , während die Wachtelkonige. die niedrigen Ge- sträuche besuchen. Darele. die Erscheinung die- ser nordischen Ankommlinge gleichsam erinnert , schicken sich diejenigen V ogel der gleichen Ar- ten, welchen den Sommer übe bei uns geblieben sind, an, mit jenen nach Süden zu verreisen. Eben so sieht man die Rauch- und Hausschwal- ben, den schwarzkehligen Sänger (S. phoenicu=
rus), den braunkehligen Steinschmätzer (Saxi= cola rubetra) um diese Zeit ihren Rückzug be- innen, vereinigt mit den zus Norden zurückkeh- renden oa ihrer Arten. Dieser Zug
währt ungefähr den Monat. Während se Zeit sieht man Morgens und Abends die Schwal- ben sich in grofser Zahl um den Wipfel irgend eines hohen Baumes versammeln und unter Forte währendem Geschrei um seine Aeste herumfliegen, Auch bemerkt man andere beträchtliche Schaaren, die von Norden nach Süden ziehen, ohne sich‘ aufzuhalten. Die kleinen Sanger reisen des Nachts, man mochte sagen, sie schleichen sich fort von Gebusch zu Gebüsch, um ihren Feinden zu ent-
„gehen.
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In den letzten Tagen’des Sept. und den gan- zen Oct. hindurch folgen sich grolse Schaaren des weilsschwänzigen Steinschmätzers, der weis- sen Bachstelze, des Hanf- und Distelfinken und des Zeisigs, (Saxicola oenanthe, Motacilla alba, Fringilla connabina, carduelis und spi= nus) ohne Unterbrechung in der Richtung von Norden nach Süden. Oft mischen sich die Zipp- ammer und die Grauammer (Zmberiza cia et miliaria) unter diese Schaaren. Bald folgen ihnen die Feld- und Baumlerchen,, die man gegen den 2g. Sept. in solcher Menge anlangen sieht, dafs sie 6 Wochen lang rings um die Stadt einen rei- chen Fang gewähren. Eine Menge Raubvogel, als Falco nisus, subbuteo, aesalon, milvus, bisweilen auch peregrinus folgt diesen Caravanen. _
Im October endigen sich diese Züge. Gegen den ı0. sind alle Haus- und Rauchschwalben 'und die verschiedenen Sylvien fort. Gegen den ı5. haben uns die letzten Wachteln und die letzten Staare verlassen und einige Tage spater erblickt man auch keinen Wachtelkonig mehr. Dann sieht man die Sperber in Truppen von ı2 bis ı5 mit einander nach warmern Himmelsstrichen zie- hen. Auch kommen in der Mitte dieses Monats Flüge der Schlag- Holz- und Turteltauben (Co- lZumba palumbus, oenas, turtur) aus den Al- penwäldern, wo sie genistet'haben, durch den Schnee vertrieben , in die Ebene; aber nach we- nig Tagen verlassen sie dieselbe mit den Indivi- duen ihrer Arten, die gleichzeitig von Norden hergekommen sind um in südlichere Länder zu ziehen. Zu gleicher Zeit beginnt der Zug der Waldschnepfen, nach Süden , der gewohnlich bis zum 25. Nov. dauerte Die Wiesen sind dann
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Sı
‚mit weidenden Kühen bedeckt, zwischen‘ deren Füssen die gelben Bachstelzen (M . flava) furcht- los rinlaufein.
Die Sing- und Weih. Drosseln , die; nach der Meinlese sich mit Wachholder- und andern Beeren 'nahren, verlassen uns nun auch bald, und werden durch die Wachholder- und Mistel- Drossel (Turdus pilaris und viscivorus) ersetzt; diese beiden Drosselarten sind wilder als jene und bringen den Winter im Lande zu. Im Spätherbst sieht man zuweilen auch ganze Legionen von Krähen (Corvus corone und Frugilegus) von Norden nach Süden ziehen, die oft einen unun- ierbrochenen Zug von einem Punkte des Horizonts bis zu dem entgegengesetzten bilden. Ein sol- cher Zug gleicht dem einer Armee; sie scheinen dabei in besondere Gorps abgetheilt zu seyn, welche alle der allgemeinen Bewegung folgen , wobei sie die Lüfte mit ihrem wiederholen Ge- krachz erfüllen. Erhebt sich irgendwo in einer Wiese ein einzelner, hoher Baum, so nimmt der Vortrapp des Zuges seinen Sitz auf den entblät- terten ÄAesten und kundet durch sein Geschrei an, dals er einen .Ruheplatz gefunden; worauf die übrige Schaar sich ungesaumt ebendahin begiebt. Da aber der einzige Baum nicht alle diese V ogel fassen. mag, so en sich viele auf die Erde und suchen Schnecken und Würmer, womit sie sich nahren. Doch nicht lange, so wird das Zieichen zum Aufbruch gegeben; augenblicklich erhebt sich die | ganze Schaar mit lautem Geschrei und in Kurzem ist sie dem Auge entschwunden. Dohlen und Nebelkrähen befinden sich bisweilen auch unter den andern Krahenarten. — Noch sieht man in dieser Jahrszeit die Bussarde (Falco.
Natw. Annl. I. 1,
82 ,
buteo) gewöhnlich paarweise auf feuchten Wiesen nach grofsen und kleinen Feldmäusen jagen. Eindlich kommt der Winter: die Kälte nimmt zu; Schnee bedeckt das Land. Die wenigen Vo- gelarten, welche das Land nicht verlassen haben , nähern sich nım den bebauten imd bewohnten Oer- tern. Der Bergfink (Fringilla montifringilla) der die Kälte zu lieben scheint, zeigt sich in Menge nach dem ersten Schnee; einige dieser Art sind schon gegen den 25. Oct. aus Norden angelangt. In dieser strengen Jahrszeit versam- meln sich die kleinen Vogel und suchen mitein- ander die wenige Nahrung auf, die ihnen die Jahrszeit etwa noch darbietet. Grünfink, Am- mern, Finken, Sperlinge fliegen in Schaaren nach den Reben, auf die geackerten Felder und überall hin, wo wenig oder kein Schnee liegt. Einige Flüge von Feldlerchen halten sich auch auf den Feldern auf, wo sie von dem grolsen, grauen Würger (Lanius excubitor) verfolgt werden, der auf der Spitze irgend eines Baumes seinen Stand nimmt, theils um auf seine Bente zu lauern, theils um seine eignen Feinde von Weitem wahr- nehmen zu konnen. Gimpel, Graufink, und Feld- sperling (Pyrrhula communis , Fringilla petro- nia, montana) kommen von den niedern Ber- gen, wo sie den Sommer zubrachten, in die Ebene. Der Flachsfink (Fr. linaria) der fast das ganze Jahr auf den Bergen lebt, erscheint in der Ebene nicht anders, als mitten in den kal- testen Wintern. Der rothbrüstige Sanger, der Zaunkonig, Fitis (?) und Goldhahnchen, die drei kleinsten Vogel des Landes, sind die einzigen San- ser, welche die Strenge unserer. Winter nicht
scheuen. Sie nähern sich den Häusern und schlüpfen
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durch die entblätterten Hecken und Gebüsche. Die Brawunelle (Zccentor modularis) sieht man hier nur im Winter. Sie scheint auch die Kalte zu lieben, denn sie verlafst uns wieder in den ersten schonen Frühlingstagen. — Elster, Häher, die verschiedenen Spechte (P. viridis, major, me= dius, minor) Kleiber und Baumlaufer bringen auch den Winter bei uns zu. — Die Meisen, die seit dem Eintritt des Herbstes sich in den Baum- gärten und Gehauen verbreitet hatten, nahen sich, je kalter es wird, den bewohnten Oertern; daher man diese Vogel haufiger im Winter als zu andern Jahrszeiten sieht. Die geselligste aller Meisen ist die Schwanzmeise (Parus caudatus), deren man selten weniger als 10, bisweilen 20 beisammen sieht. Sie trennen sich nie von einander; sie ha- ben einen gewissen Bezirk, aus dem sie sich nicht entfernen, der oft bei einer Stunde im Umfange hat. — Die Flüge der Blaumeisen (P. coeruleus) sind bei weitem nicht so zahlreich, sie zerstreuen sich häufiger, als die vorigen. Die Kohl- und Sumpfmeisen (?. ater und palustris) leben mehr einzeln, sie machen keine Flüge unter sich aus, sesellen sich aber bisweilen zu denen der Blau- und Schwanzmeisen.
- Raben und Krähen (C. corone und frugile- gus) und mit diesen einige Dohlen und Nebelkrä- hen (C. monedula und cornix) besuchen im Winter die Wiesen, Felder und die nächsten Um- Ssebungen der Stadt selbst. Der 'Thurmfalk (7. tinnunculus) macht Jagd auf die kleinen Vogel, wahrend der Stockfalk (#. palumbarius) in die Hofe der Landhäuser fliegt und die Tauben oft vor ihrem Schlage wegnimmt.
34 \. 2. Vogel der Berge.
Ausser jenen Vogeln der Ebene, die, an- statt nach Norden zu ziehen, den Sommer in ho- hern Bergregionen zubringen, giebt es noch man- che Arten, deren Aufenthalt gleichsam an die Berge gebunden ist, die nur dann und wann zu- fallig und auf wenige Tage sich in unsern Ebenen nen lassen, wenn ungewohnliche Rälte sie für den Augenblick aus ae erhabenen Standor- ten Be rseibez
Schon auf dem nahen Saleve sehen wir einige Vogel, die im flachen Lande sich nicht Enden, In ale EEE am Fusse dieses Berges wohnt der schwarzkehlige Steinschmätzer (Saxicola ru- bicola) und an den Belen die Stein-Drossel (Tur- dus saxatilis), die Mauerklette (7 ichodroma phoenicoptera). Ein oder zwei Paare des schmu- tzigen Aasvogels (Cathartes percnopterus)nisten an den steilen Felsen des Saleve und Möle. Dieser kleine Geier , obgleich er von den Gebirgen Nor- wegens bis zum Vorgebirge der guten "Floffnun verbreitet ist, findet sich nur in den südlichen Län- dern von Farona und in Nordafrica haufig. Bei uns ist er sehr selten und sehr schwer zu halsuneh.
Ein Paar des schwarzbraunen Milans (Falco ater) nistet seit einigen Jahren auf dem Saleve, von wo er in der schonen Jahrszeit zum See kommt, um die nahe an der Oberflache schwim- menden Fische zu fangen. Sein Hin- und Her-
o
fliegen geschieht sehr regelmässig. Stets sieht
man ihn zur gleichen Stunde und uber die gleichen Landhäuser has egfliegen ‚ wenn er von dem Berge sich zum See begiebt. Hat er einen gros-
sen Fisch gefangen, SO trägt er ihn fort nach sei-
85 nem entfernten Wohnsitz , und konmt am gleichen Tage nicht zuruck semen Fang zu een:
Auch die grofsen Thhurmschwalben (Cypse= lus alpinus) nisten nliden Spalten jener Felsen. Selten zeigen sie sich in den Ebenen um Genf, und zwar nur zur Zeit des Durchzugs im Mai und Sept. ; oder bei kaltem , stürmischem und reg- nichtem Wetter. So z. B. im Sept. 1809 und im April ı8ı9, mehrmals im Mai und Jul. des unglücklichen Jahres 1816 und endlich zu verschie- denen Malen im Mai ı82ı während der Stürme und Regen, welche den damaligen Ann be- Esehmeteni
Eindlich seit Kurzem (1821) kann man zu dem Verzeichnils der Vogel, ‘welche die Felsen des Saleve bewohnen , noch zwei interessante Arten hinzufügen, namlich die blaue Drossel (Tur- dus cyanus) und die Felsenschwalbe (Zir. ru«= pestris); diese nistet an einem felsigen Hügel ani Kingange des “Ihales von Boege, jene macht ihr
5 Nest an den gegen Suden- gekehrten Felsen ober-
halb Bonnewvilie.
Alle diese Vogel gehoren den südlichen Län- dern von Europa an, und für mehrere derselben ist: der Saleve die nordliche Granze der von ıhnen bewohnten Region. Da sie in den nackten, stei- len, gegen Süd und West gekehrten Felsenwan- den dieses: Berges eine Bildung und im Sommer auch fast ein Clima finden, wie die an das mittel- landische Meer granzenden Berge haben, so kom- men sie hieher und siedeln sich während der heis- sen Jahrszeit daselbst an. Im Winter bietet der mit Schnee bedeckie Saleve einigen Vogeln, die durch die -Strenge der Halte von den hohern Al- pen, wo sie die übrige Zeit des Jahres leben,
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vertrieben werden, einen Zufluchtsort dar. Vo- el, die der arctischen Zone angehören, wie Schneehuhn (Tetrao lagopus) und Schneefink (Fringilla nivalis) kommen dann an die Stelle jener Bewohner des Südens, die davon geflohen sind; und so folgen sich alle Jahre, in einem Zwi- schenraume weniger Monate, an den steilen Felsen des Saleve, die geflügelten Repräsentanten der entgegengesetzten Fiegionen von Europa. Erheben wir uns jetzt hoher, so treffen wir in den Tannenwäldern des Voirons, Möle, Bre.- zon, Vergis etc. zwischen 4--900 Toisen absoluter Hohe, zwei Meisenarten an, die selten und nur während der Kälte in unsern Wäldern der Ebene erscheinen, dies sind die T’annen- und Hauben- meise (P. ater und cristatus). Dort findet sich auch der Citronenfink (Fr. citrinella) und der Kreuzschnabel (Loxia curvirostra), der «sich selten in der Ebene sehen lafst. Im Jul. 1816 zeigten sich einige auf den Lerchtannen bei Co- logny. Kurz zuvor waren die Berge von frisch- efallenem Schnee bedeckt worden, was sie ver- muthlich von den Hohen, die si@ bewohnen, ver- trieben hatte. So erschienen im -Jul. 1821 meh- rere in der Ebene. Der Frühling dieses Jahres war so kalt gewesen, dafs die meisten Baume auf den Bergen erfroren waren. Der Mangel ihrer Nahrung hatte also diese Vogel in die Ebene her- untergetrieben. In den Taannenwaldern dieser Berge finden sich auch der Graufink und Sperling (Fringilla petronia und montana), der Nufs- häher (Corvus caryocatactes), die Ring-Drossel (T. torguatus), der Grauspecht und der grolse Schwarzspecht (Picus canus und marlius).
87 Der chin Sanger ($. Tithys)
zeigt sich an steinigen Orten un auf den Dächern der Sennhütten. Der weilsschwänzige Stein- schmätzer (Saxicola oenanthe) bewohnt felsige Orte und den Steinschutt am Fuls der Felsen, auf welchen auch der Alpenfluevogel (4ccentor al pinus) sich aufhalt. In den Gesträuchen der Älprosen erzieht das gabelschwanzige Waldhuhn (Tetrao letrix) seine zahlreiche Familie. — Das Schneehuhn (Tetrao lagopus) verlafst die Granze des ewigen Schnee’s und den Rand der Gletscher nicht. Im Sommer trifft man es auf Hohen von ı2--ı300o Toisen an, im Winter kommt es bis auf A oder 500 Toisen und noch tiefer herab. Aber so wie der Schnee schmilzt, steigen sie wie- der hinauf und den sanzen Sommer hiärlureh sind
S sie auf keinem Berge anzutreffen, dessen Gipfel
nicht bis ın die Schneeregion reicht. In der Re- gion der Schneehühner wohnt auch der Schnee- fink (Zringilla nivalis) , den man in kleinen Schaa- ren von Felsen zu Felsen fliegen sieht. . Die Bergdoblen (Pyrrhocor ax pyrrhoco= rax) leben in grolsen Gesellschaften beiemander auf den hochsten Alpen. Unter ihnen findet sich auch die Steinkrahe, (Pyrrhocorax graculus) jedoch weniger zahlreich, als jene. In,noch be- deutendern Hohen schwebt der Steinadler (Falco fulvus) und der Seeadler (#. albicilla), die man oft nur wie kleine schwarze Punkte über dem Kopfe erblickt. Ein junger Seeadler, der wahr- scheinlich von den Bergen herabgekommen war”),
*) Schwerlieh! Wir zweifeln sehr, dafs der Seeadler auf unsern Bergen hause. Diejenigen Individuen dieser Art, di ie im Spätherbst hie und da in der Schweiz vorkommen , mösen wohl eher zu den aus Norden den erofsen Strömen nach sich bis in das Innerste der Länder von Europa verfliegenden gehören. M.
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wurde 1813 im Nov. in emem Walde unweit Genf getodtet. | Der veränderliche Strandläufer (Tringa va= riabilis) lebt im Sommer am Ufer der kleinen Al- penseen, während der Wasserschwätzer (Cinclus aquaticus) an den Bergbachen und Wasserfällen gesehen wird. | jahr
Der Jura beherberget noch einige Bergvogel, die auf den Alpen nicht vorkommen. In den Tan- nenwäldern hauset das grofse Waldhuhn (Tetrao Urogallus), das Haselhuhn (7. bonasia), das bei uns hochst selten ist. Die Steinhühner (Per= dix saxatilis ”) und die rothen Feldhühner (P. rufa) bewohnen die felsigen Stellen am Fusse des Jura, die der grolsten Hitze ausgesetzt.sind.
So haben wir nun, indem wir uns aus der Tiefe der Ebene bis zu den hochsten Bergen erho- ben , mehrere charakteristische Vogel des Nordens nach und nach vor unsern Augen einander folgen gesehen. Von dem Kreutzschnabel Deutschlands , den» Birkhuhn Schottlands und Jütlands (?) dem norwegischen Grauspecht , dem Auerhuhn Schwe- dens und Rufslands, bis zu dem Schneehuhn von Lappland! Bald werden wir auf unserm See auch mehrere Schwimmvogel des Eismeeres erblicken.
\. 3. Strandvogel.
Schon gegen den 20. Febr. beginnen der gehäubte Kiebitz (Yanellus cristatus) und der Goldregenpfeifer (Charadrius pluvialis) von Su- den zuruckzukommen. Sie verbreiten sich auf den =) Das Steinhuhn ist im Cant. Bern ein beständiger
Bewohner der Alpen, und der Jurakette hinge- gen, so viel wır wissen, ganz fremd. M.
89 Moor und feuchten , oft noch mit Schnee bedeck- ten Wiesen, und rede sie sich daselbst einige Zieit ehe haben, ziehen sie weiter nach eh lichern Ländern, wo sie nisten. In:den ersten Tagen Aprils ist keiner derselben mehr im Lande. In aan letzten Tagen ihres Zugs findet man bis- 'weilen männliche Goldregenpfeifer ; in ihrem Hoch- zeitskleide.
Zu Anfang des Merz langen die Heerschne- pfen (Scolopax gallinago) und mit ihnen die kleine Moorschnepfe (Sc. gallinula) an. Eim- zelne der letzten Art bringen wohl den Winter im Lande zu, indem sie sich in der Nähe von Quellen, die nicht gefrieren, aufhalten. — Spa- terhin, in der Mitte des Merz ‚ sieht man die grauen Reiher (#rdea cinerea) und die weissen Stärche (Ciconia alba) anlangen, die sich nie aufhalten, als nur auf einige Augenblicke am Rande der Sumpfe oder am Ufer des -See’s auszuruhen ‘und etwas Nahrung zu sich zu nehmen, und zur Fortsetzung der langen Reise gegen Norden Kräfte zu sammeln. Zu gleicher Zeit sieht man auch einige Kraniche (Gr us cinerea) durchziehen, je-
Buch nicht alle Jahre regelmässig , wenigstens lassen sie sich nicht immer auf ihrem Biirckauae nieder; denn es konnen manche Jahre vorbeige- hen, ohne dafs man sie bemerkt.
Gegen den 20. Merz langen die Kampfschne- pfen (Tri ringa pugnax) an. Selten aber erblickt man unter ihnen Männchen in ihrem schönen Fe- derkragen, ihrem Fruhlingsschmuck ‚ wir sehen diese V ogel nur noch in ihrem WVinterkleide.
In den letzten Tagen des gieichen Monats kommen die Uferschwalben (Hirundo riparia) an und nehmen ihre Wohnungen in den hohen
Ufern der Rhone und Arve ein.
Br
Unter den Strandvogeln, die zu dieser Zeit durch unsern Canton ziehen, ohne sich aufzuhal- ten, erwähne ich den Mornel-Regenpfeifer (Cha= radrius morinellus). Haufiger und regelmassiger zeigen sie sich auf ihren Ruckzuge im Herbst.
Der Monat April ist der Zeitpimkt des stärk- sten Durchzugs sowohl auf den Mooren, als auf den sandigen Ufern des See’s und der Flüsse. In den ersten Tagen erscheinen die Rohrdommel (Ar- dea stellaris) und lassen im dichten- Rohr und Schilf ihr Gebrüll horen. — Nachdem alle Kie- bitze und Goldregenpfeifer verschwunden sind , sieht man auf den Mooren oder am Seeufer einige schwarzschwänzige Sumpflaufer (Zimosa mela- nura) erscheinen , allein es sind ihrer nur wenige, auch kommen sie nicht alle Jahre. Mit ihnen erscheinen im Schilf die Rohranımern (Emberiza schoeniclus), die Männer in ihrem Hochzeitkleide mit schwarzem Kopf. Wenn sie im Lande nisten , welches noch ungewils ist, so bleiben wenigstens nur eine sehr geringe Anzahl bei uns. Der Rohr- sänger (Sylvia ar undinacea) langt um die gleiche Zeit an und macht sein Nest REED. drei Rohr- stengel so, dafs es an diesen Stengeln beweglich ist und das Wasser, wenn es steigt, das Nest in die FHlohe hebt, wodurch es gesichert ist, dafs es nicht untergehen kann.
Der schwarze Storch (Ciconia nigra) und der schreiende Feldläufer (Oedienemus erepitans) die auf ihrem Herbstzuge ziemlich haufig. sind, zeigen sich im Frühling bei uns nur zufallie.
Mitten im April fangt der regelmässige und alljährige Durchzug der trillernden und rothfussi- sen Wasserlaufer (7 otanus hypoleucos) und ca=
lidris) und der veraänderlichen Strandlaufer (Trin=
gL
ga variabilis) an. Keiner dieser Vogel zeigt sich zu dieser Zeit in seinem vollkommenen Eicheilen;; sondern sie haben zugleich noch alte Federn Tor Herbstkleides und neue des Frühlingskleides. Ei- nige Paare von diesen 2 bleiben ım - Lande, um zu brüten. Die veränderlichen Strand- laufer thun es an den Ufern der kleinen Seen auf den hohern Bergen. Zu bemerken ist, dafs die trillernden Wasserlaufer , die sich im Herbst fast ausschliefslich an den en des See's aufhalten , im Frühjahr sich nur an den Ufern der Flüsse und Bäche zeigen. Der punktirte Wasserlaufer ( 7o- tanus ochropus) lalst sich auch zu dieser Zeit bisweilen sehen.
Gegen den ı5. April langen die kleinen Re- genpfeifer (Charadrius minor) i in kleinen Flügen an den sandigen Ufern der Flüsse und des PER an. Einige Präre bleiben da und legen ihre Eier auf den blossen Sand, andere gesellen sich zu den grolsen Schaaren ihrer Art, die zu dieser Zeit nach den nordlichen Ländern von Europa ziehen. '
Fast gleichzeitig sieht man die punktirten und kleirien Rohrhühner (Gallinula porzana und pusilla) anlangen. Sie leben im dichtesten Schilf und in den Binsen. der Sunmpfe.
Die Mittelschnepfe (Scolopax major) die ungleich seltener, und geschätzter ist, als die Heerschnepfe,, erscheint, wiewohl in sehr gerin- ger Anzahl, an den gleichen Orten, welche diese besucht. Auch sieht man ziemlich eft zu dieser Zeit den Nachtreiher (Zrdea nyclicorax).
Gegen den 25. April ziehen in kleinen 'Frup- pen von 5 bis 10 miteinander, oder auch wohl einzeln , die grünfüssigen Wasserlaufer (Totanus
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glottis) längs den sandigen Stellen des Seeufers , während die Brachvogel (Numenius arquatus und Phaeopus) in erolser Anzahl erscheinen. Am Ende dieses Monats sieht man noch einige Paare des kleinen Rohrdommels (Ardea minuta) anlangen ‚ von denen einige in unsern Gegenden zu bei »uten scheinen, indem man wahrend des Som- mers bisweilen Alte und Junge antriftt.
In den ersten Taxen des Monats Mai ist der
Fruhlmgs-Durchzug der Strand- und Sumpfvögel . gänzlich beendigt, Die Purpurreiher (Frdea pur- purea) und Rallenreiher (4. ralloides), welche ziemlich regelmassig, wiewohl in kleiner Anzahl durchziehen, beschliessen den Zug.
Zu bemerken ist, dafs der Frühlings Diüseh: zug hier viel kürzer RE ‚ als der H Srhäkstsiahe dafs die bei uns verweilenden ‚Arten und Kl duen weit weniger. zahlreich sind, und dals sie sich nur bei uns verweilen, um etwas auszuruhen , oder wenn die Winde Evo auf ihrer Reise widrig sind. Auch eilen sie fort, bevor die RER hitze unsere Moser äutrnalenen Wenn. emige Wasserlaufer , einige kleine Reiher und vielleicht einige Mittelschnepfen in unsern Gegenden blei- es, um zu.bruten, so zieht hingegen die bei wei- tem grolsere Mehrheit der Strandvogel durch unser Land nach den feuchten Fegionen des nordlichen Europa’s. In der heissen Jahrszeit sind unsere fast ganz ausgetrockneten Moser vollkommen ver- EN und diejenigen ‚ welche am Fufs der Berge liegen ud hie und. da noch einige Wasserpfützen behalten, bieten nur etwa einigen „aller: Einten (Anas boschas) einen Zufluchtsort dar, die da- selbst nisten und bruten.
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- -Indessen von den ersten Tagen des Jul. an werden die Ufer des See’s aufs neue belebt durch den zahlreichen Zug einiger Strandvogel, die schon wieder nach dem Süden wandern, , wie z. B. die Brachvogel (Numenius arguatus und Ph@= opus) die auf den Sand- und Grienlagern laufen und im Fliegen ein durchdringendes Pleifän horen lassen. Zur gleichen Zeit erscheint der verän- derliche Strandlaufer (Tringa variabilis). Doch ist er erst im Sept. recht zahlreich, daher ich glaube, dafs diejenigen, welche sich schon im mer zeicen, die auf.den Alpen ausgebrüteten
oO Junsen sind. Hierauf folgen die tillecadlar Was-
‚serlufer (Totanus hı ypoleucos) deren Rückzug gewohnlich um den 7. Jul. anfangt, Inänchmal aber schon zu Einde des Jun. Vai ar Mal erst in den ersten Tagen des Aug. statt hat. Sie erschemen in grofser "Menge k und da sie ein de- licates Wildpret sind, so "werden sie von einer bedeutenden Anzahl von Jagern v erfolgt. Ihr Zug dauert gewohnlich 6 Ansohen lang.
im. Anfang des August langen die Halsbandre- senpfeifer (Charadrius hiaticula) auf den san- digen Ufern des See’s an. Der Durchzug der cn Storche hat in der Mitte dieses Alsaunı statt, allein sehr selten halten sich diese Vi osel auf. Man sieht sie in einer so grolsen Hlohe vor- beiziehen, dafs sie mit keinem Schufs zu erreichen sind. Gegen den 20. Aug. fangen die rothfüssi- gen Wasser] laufer (Totanus calidr is) und mit ihnen einige schwarzschwänzige Sumpfläufer (Zi- mMOosa melanur a) an, nach Seren zı wandern.
Der Monat Sept. ist diejenige Zeit im Jahre , zu welcher die Sumpf- und Strandvögel am hau-
figsten sind. Die Durchzüge dauern Ar und wer-
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den immer zahlreicher. Zu diesen aus Norden kommenden Vogeln gesellen sich die niedlichen "kleinen Strandlaufer (Tringa minuta), die klem- sten aller Sirandvogel , mit welchen auch die kleinen Regenpfeifer (Charadrius minor) ein- treffen, die sehr schnell auf dem Grien laufen und dabei ein feines, aber scharfes Pfeifen horen lassen. Später sieht man diese Grienlager mit srimfüssigen Wasserlaufern (Totanus Glottis) und . veränderlichen Strandläufern (Tringa varia=
bilis) bevolkert. Beide Arten sind, wie im Früh- linge, im Uebergange ihres Federkleides , nur mit dem Unterschiede, dafs, so wie im Frühling die Federn des Winters, nun die Sommerfedern vorherrschend sind. Einige dınkelbraune Was- serlaufer (Totanus fuseus) erscheinen zur glei- chen Zeit, ebenfalls im übergehenden Federkleide.
Gegen das Ende des Sept. füllen sich die Möser mit Heerschnepfen und Moorschnepfen (Scolopax gallinago und gallinula), unter welche sich späterhin einige Mittelschnepfen (Scolopaz major) mischen. Zu gleicher Zeit kommen die Wasserralle (Rallus aquaticus), die punktirten und kleinen Rohrhühner (Gallinula porzana und pusilla).
Ziemlich regelmässig führt das Ende des Sept, auch kleine Truppen schwarzer Storche (Ciconia nigra) auf die Moser und an die Ufer des See's,, auch findet man bisweilen um die gleiche Zeit den Mornel-Regenpfeifer ( Charadrius morinellus).
Der letzte Durchzug der Sumpfvogel fängt in der Mitte des Octobers an. Ihn hölden die ge-_ häubten Kiebitze (Yanellus eristafus) und die Goldregenpfeifer (Charadrius pluvialis). Doch zeigen Sch diese Vogel erst nach dem ersten
m
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Schnee haufig. Ihr Zug endet mit dem Ausgang des Novembers , zugleich mit dem des schreienden Feldläufers (Oedienemus crepitans), von welchen man einzelne Individuen ungefähr an den gleichen Orten mit den Goldregenpfeifern antrifft. Im No- vember verlassen auch die Rohrammern (Zmbe- riza schoeniclus) unsere Moser und mit dem Monat November endigen alle Durchzüge. Vom Dezember an ist auf den NMosern kein Durchzug mehr, denn diese sind dann durch die Herbstre- gen zu wahren Seen geworden, auf welchen nun die eigentlichen Wasservogel in Menge erscheinen, die nicht eher ausschlefslich den See bewohnen, als bis die Moosgewässer zugefroren sind.
Der Wasserralle (Rallus aquaticus) der uns das ganze Jahr nicht verlafst, und einige Moorschnepfen (Scolopax gallinula) sind die einzigen Strandvogel, welche unserer Rälte Trotz, bieten; doch ziehen sie sich nach einigen fliessen- den Gewassern, oder nach irgend einer Quelle hin, deren 'T’emperatur sich nicht verändert. Der Eisvogel (Alcedo ispida) ist auch das ganze Jahr da. Man sieht ihn zu allen Jahrszeiten an den Ufern des See’s; er halt sich in den Gebü- schen neben dem Wasser verborgen, und schiefst auf kleine Fische, mit denen er sich nahrt. Auch findet man ihn an den Ufern aller Bäche,-an den
Weihern und an den Stadtgräben.
\. 4. Vogel des See’s.
Am Ende des Winters sehen wir den See von einer Menge Enten verschiedener Arten, von Steilsfüssen und Sagern bewohnt, welche auf demselben die kalte Jahrszeit zugebracht haben.
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Mit der Annaherung des Frühlings eilen diese Schwimmvogel , weiche die Hitze scheuen, die Meere und Sümpfe des Nordens wieder zu errei- chen, die sie ım Herbst zu verlassen genothigt waren. Gleichzeitig aber sehen wir Vogel der gleichen oder le Arten durchziehen, die den Winter auf sudlichern 'Teichen oder Bann ; oder an den Küsten des mittellandischen Meeres zugebracht hatten.
Vom ı0. Merz an setzen sich die Spielsen- ten, Reiher- und Tafelenten (Anas acuta, fu= ligula und Jer ina) in Bewegung zur Abreise. Gegen den 25. sind die Sehellenten und die ge- meinen wilden Enten (Anas clangula und bos- chas), die einige Tage früher angefangen hatten | wegzuzichen , Fant ganzlich versch rndenn, Dann langen die beiden Arten von ‚Halbenten (Anas querquedula und ere ecca) an, so wie das ge- meine Wasserhuhn (Zulica atra) und das grun- füssige Rohrhuhn (Gallinula chloropus), welche sich an denjenigen Stellen des See’s aufhalten, wo hohes Schilf wachst; auch sieht man mehrere inden Stadigraben. Ebendaselbat findet sich auch der kleine Steifsfufs (Podiceps minor). Selten sieht man Alte dieser Art; die meisten, die sich hier befinden, haben das erste Koderkleid: Die Pfeiffenten CAnas penelope) ziehen in den letz- ten T’agen des Merz tort. |
Im Anfange des Aprils werden fast alle iohee einige Paare der Löffelenten (Anas clypeata)
‚etodtet, und zu Ende dieses Monats und Anfangs Mai’s sieht man über dem See eine Menge See- schwalben herumfliegen. Es sind besonders zwei Arten, welche unsern See besuchen. Die, welche zuerst anlangt, gegen den 25. April, ist die roth-
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füssige Meerschwalbe (Sterna@ kirundo). "Sie erscheint nie sehr zahlreich und ihr Durchzug dauert nicht lange. Die schw arzgraue Meer. 'schwalbe (Sterna nigr a); welche gegen den 6. Mai erscheint, ist dann in ihrem voll <sommenen schwarzen Frühlingskleide. Sie ist bei weitem häufiger und oft sieht man Schaaren von mehrern erten miteinander auf dem See. Einige die- ser. Meerschwalben nisten auf dem Sande an der Mündung der Drance zwischen Thonon und Fivian, auf den kleinen Insen, welche dieser Bach dort bildet. : Die andern bringen den Sommer in nörd- lichen Ländern zu.
Die Meven sind ebenfalls sehr haufig, auf un- serm See. Es sind zwei Arten, die regelmässig bei uns erscheinen, namlich die graue Meve (_La- rus canus), die Ch vorsamlich na Hlerke; und im Winter einfindet, und die Lachmeve (Larus ridibundus) , die Sohn haufig ist und sich zu allen Jahrszeiten sehen lafst, Eid Brütezeit ausgenom- men. Gegen den 10. Jul. langen gewohnlich en beträchtliche Schaaren anf dem See an, die aus Alten, beiderlei Geschlechts im Herbst- kleide, und aus Jungen vom Jahre bestehen. Wah- rend hefüger Nordost-\WV inde verlassen diese Me- a uhnein Schunk der Rihone, bei den Schanzen der Stadt. Sie.fliegen selbst in die. Stadt. Wenn sie im Winter zahlreicher bei uns sind, so ist es, weil zu dieser. Jahrszeit noch viele aus dem Norden kommen um ın unsern Gegenden zu überwintern. |
Mitten im Sommer , gegen den 25. Jul. fangt die rothfüssige Meerschwalbe an aus dem Norden oder vielleicht nur von den Sümpfen der nordli- chen Schweiz, wo sie gebrütei haben, - zuruck-
Natw. Annl.T. 1. 7
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zuziehen. Mitten im August sieht man ziemlich regelmässig einige Junge des graukehligen Steils- fuls (Podiceps, subcristatus) auf unserm See erscheinen. Es ist merkwürdig, dafs man zu die- ser Jahrszeit noch nie Alte angetroffen hat. — Einige Tage später treten die schwarzgrauen Meer- schwalben , die dann schon ihr ıgraues Herbst- kleid angelegt haben, ihren Rückzug an, der wenigstens eben so zahlreich ist, als der Früh- lingszug , und gewohnlich den ganzen Herbstmo- nat dauert.
Vornehmlich bedeckt sich bei der Annäahe- rung des Winters der See mit Schwimmvogeln mancher Arten, und wahrend das trockne Land sich nach und nach von seinen gefiederten Bewoh- nern entvolkert, wird das Wasser belebt durch eine Menge nordischer Vogel, die von der Kalte, welche im Norden alle Sümpfe, Seen und das Meer selbst mit Eis bedeckt, vertrieben, einen mildern Himmel und Gewässer aufsuchen , - die auch in den strengsten Wintern nicht gefrieren.
Zuerst sieht man in der Mitte des Sept. Schaa- ren wilder Enten (#nas boschas) anlangen, zu welchen sich die wenigen Paare gesellen, die auf unsern Sumpfen gebrütet haben. Mit ihnen er- scheinen die Tafelente (Anas ferina) und die Halbenten (4. querquedula und crecca). Zu diesen kommen in der Mitte Octobers’neue Schaa- ren von Schell- und Reiherenten (4. clangula und fuligula). So lange, als die mit Wasser bedeckten Moser noch nicht gefroren sind, pfle- gen alle diese Enten sich des Nachts dahin zu begeben, um ihre Nahrung zu suchen. Mit Tages Anhbruch kommen sie auf den See, wo sie nicht
Gefahr laufen, während ihres Schlafs, dem sie:
99 sich bei Tage überlassen, von einem ünerwarte- ten Frost überrascht zu werden. Sind,die Mo: ser einmal gefroren, so verlassen die Enten den See nicht mehr. Sie halten sich in bedeutender Menge dicht zusammengedrängt und sind ausserst vorsichtig, so dals es sehr schwer ist, sich ae: auf Bchalsane zu nahern.
Mit den Enten kommen die Sager, die FR in Schaaren leben, die jedoch viehe so zahlreich sind. Die einzige Art derselben , welche bei uns gemein ist, ist der langschnäbliche Säger (Mer= gus serralor). Diese Art lebt in Polygamie , und in einer Schaar von Weibchen und Jingen, sieht man nur Einen Mann. Diese Vogel, die in ihrem Betragen den Einten gleichen, sind lebhaf- Ver ind shünteref ale diese. Man sieht sie stets untertauchen und auf dem Wasser spielen. Ihr schlechtes Fleisch sichert sie vor den Verfolgun- gen der Jager. Der weisse Sager (Mergus al- bellus) ist sehr selten, und wird nur jung ange- troffen. Der grolse oder Ganse- Säger (M. ar ganser) ist auch einer der seltensten Vogel unsers Landes. Wenn er vorkommt, so sind es ge- wöhnlich alte Männer oder Weiber.
Die Greben langen in den letzten Tagen des. Octobers an. Es sind die Jungen des gehäubten Steilsfuls (Podiceps cristatus). Diese "sind sehr zahlreich; die Alten hingegen mit den braunen. Federohren und Backenkragen sind selten und zeigen sich nur zufallig im Fr ‚ühling und Sommer. Kalze Zweit nach ihrer Ankunft verlieren diese Vo- gel so zu sagen den Gebrauch ihrer Flügel, denn di Menge der Nahrung, die sie in unserm See finden, macht ihren Korper so fett und schwer,
dafs ihre kurzen und schwachen Flügel ihn nicht
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zu tragen vermogen. . Sie werden dann zu wah- ren Wisbsikieren; und bringen wenigstens eben so viele Zeit unter dem Wise: zu, ale auf seiner Oberflache. Die Jagd dieser V ögel ist eine wahre Parforce-Jagd. Durch unaufhorliches Verfolgen mit kleinen "Fahrzeugen , und ofteres Sebilssen , wodurch man sie zu wiederholtem T auchen zwingt, ermüdet man sie endlich so sehr, dafs man sie le- bendig mit den Händen ergreifen kann,
Einige Junge vom rothkehligen Seetaucher (Colymbus septentrionalis) erscheinen im Herbst und Winter gleichzeitig mit den Greben. Man kann sie, gleich diesen , auch parforce-jagen , allein da sie nicht bald ermuden, wie die Greben, so ist diese Jagd ungleich mühsamer und schwerer. Nicht selten ET RE solchen Vogel einen ganzen Vormittag verfolgen und bei 120 echten thun, bevor er ch ergiebt. Man hort seine 'starke und durchdringende Stimme in grolser Ent- fernung.
Ze andere grofsere Arten von Seetauchern wurden in strengen Wintern bisweilen an den für die Seeforellen ausgeworfenen Angeln gefangen, der Eistaucher und der arctische Seetaucher Co= Iymbus glacialis und arcticus). Beide Arten, welche das Eismeer im Sommer bewohnen und an-den Küsten desselben bruten, sind sehr selten bei uns.
Im Monat Nov. und zwar in heitern und kal- ien Nächten, hort man mehr, als man sie sieht, srolse Schewen wilder Ganse durchziehen. Sie halten sich nicht in unserm Lande auf, und nichts ist seltner, als eine zu todten. Doch weils man, dafs nicht nur die Saatgans (Anser segetum),
sondern auch die Graugans (dnser cinereus) im
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der Gegend von Genf getodtet worden ist; auch hat man sie bisweilen im Winter auf a See
gesehen p
5. Zufalliee Durchzüge und Erschei- 8 S
nungen einzelner Individuen.
Ausser den bisher angeführten Standvogeln des Gantons Genf und denen, welche alle Jahre zu gewisser Zeit anlangen und wieder zu eben so bestimmten Zeiten fortziehen, giebt es noch andere Arten, welche sehr entfernte Länder be- wohnen, und zufällig in das Unsrige verschlagen werden. Einige derselben erscheinen mehr ale - weniger oft .und in grofsern oder kleinern Schaa- ren; andere hingegen zeigen sich nur selten und einzeln, indem bisweilen nur ein einziger Vogel, wahrend des Zugs von den Schaaren seiner. Art getrennt, seinen Weg verloren und so. ganz zufal-
lie sich in unsere Gegenden verirrt hat.
Ich habe schon in dem vorhergehenden gele- gentlich einige jener zufälligen Durchzüge, die am oftersten NET erwahnt , wie Ak der grolsen Thurmschwalbe (Cypselus alpinus), des Kreutzschnabels (Loxia curvirostra), der: Hau- ben- und kleinen Kohlmeise (Parus eristatus und
ater), die bisweilen von den Bergen in die Ebe- nen herabkommen. Auch habe ıch die Dohlen ‚und Nebelkrahen (Corvus monedula und cornix) angeführt, die bisweilen die Schaaren der andeın Kröken begleiten; den grofsen Ganse-Säger und den weissen Sager (Mergus merganser aid al- bellus),. die Hirn mit dem langschnäblichen Sager ER dem See erscheinen, Endlich haben
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wir auch in sehr kalten Wintern die Eistaucher und arctischen Seetaucher (Colymbus glacialis und arcticus) sich auf dem See zeigen ‚gesehen. Nun sind aber noch eine Menge andere Arten an- zuführen, die sich zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen bei Genf haben sehen lassen,
Zu diesen gehort der Seidenschwanz (Dom= bycivora garrula). Seit dem Jahr ı803, in welchem ich meine Beobachtungen angefangen habe, haben zwei bedeutende Züge dieser nordi- schen Vogel Statt gehabt, namlich im Januar 1807 und im Jan. ı8ı4. In dem letzten Zeitpunkte waren diese Vogel sehr haufig und brachten den ganzen Winter in unsern Gegenden zu; im Merz, verschwanden sie alle. Im Jahr 1807 erstreckte. sich der Zug der Seidenschwänze über einen grofsen Theil des westlichen Europas. Ich be- fand mich damals in Edinburg , und diese Vogel, die sonst in Schottland eben so selten sind, als in der Schweiz , erschienen ebenfalls in der Ge- gend dieser Stadt in den ersten Tagen des Jahres *).
‘Der Berghänfling (Fringilla montium) hat sich bisweilen in den Monaten Sept. und Oct. gezeigt. | Die Spornammer (Zmberiza calcarata) wie jener ein Bewohner der nördlichen Regionen , ist
®) Damals waren die Seidenschwänze in allen Ge- genden der Schweiz sehr gemein. In Bern wurden sie fast täglich dutzendweise auf den Markt ge- bracht. Hingegen war im Winter 1814, wo sie bei . Genf so häufig gewesen, in der Gegend von Bern kein einziger zu spüren. Im Winter 1822 zeigten sich wiederum viele bei Solothurn und nach dem Emmenthale zu, aber um Bern war keiner zu sehen. M.
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im Sept. 1816 mit den Lerchen im Garne gefan- gen worden. Das Exemplar, welches ich damals erhielt, war ein Weib. |
Der rauhfüssige Bussard (Falco lagopus) ist im Januar ı812 bei Goppet erlegt worden, _ und der rothfüssige Falk (Falco ru/ipes), männ- lichen Geschlechts im Anfang des Mai’s 1816. Die grofse Ohreule (Strix bubo) ist mehrmals angetroffen worden. Ich selbst erhielt sie zwei- mal im Oct. 1818 und ı822. Die kleinste Ohr- eule (Strix scops) ist viel seltner. Ich weils nur Ein Beispiel ihrer Erscheinung bei Genf im Nov. 1808. Auch die blaue Rake (Coracias garrula) ist im Sept. 1805 und ı81ı9 bei dem Nloose von Sionnex vorgekommen. — Den Binsensänger (Syl- via salicaria) habe ich einmal im Oct. ı8ı2 in den Binsen bei dem Schlosse Bellerive erlegt. Früher hatte Hr. Gosse im Sept. 1808 einen sol- chen Vogel erhalten. Der grofse Trappe (Otis tarda), der sich in der Jürineschen Sammlung befand, war in den Reben bei CGologny getodtet worden. Seitdem sollen im Aug. (?) 1813 zwei andere in den Reben gesehen und erlegt worden seyn. Der kleine Trappe (Otis tetrax) ist im Dec. ı822 erschienen, nachdem viel Schnee ge- fallen und hierauf eine Kälte von — 4 bis 6°R. erfolgt war. Zwei Junge hat das Museum in Genf erhalten, wovon der eine bei Aire-la-ville , der andere bei Chancy erlegt worden ist.
Die Anzahl der zufallig in unsern Gegenden erscheinenden Strand- und Sumpfvogel ist noch weit betrachtlicher. Im Sept. ı8r0 erschien ein Zug, Sanderlinge (Srenaria calidris); auch im Monat April ist dieser Vogel einigemal vorgekom- men. Den rotbbauchigen Strandläufer (Tringa
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subarguata) im Vebergangs-Federkleide hat man im Mai und im August angetroffen , und einige Strandreiter (Zimantopus melanopterus) wur- den im Mai 1818 und ı822 am Ufer des See’s geiödtet. Temminks-Strandläufer (Tringa Tem= mincki) erhielt ich jung zu Anfang Sept. 1820 und zu Ende Aprils 1822 einen alten Vogel im Uebergange vom Winter- zum Sommerkleide. Der T'eichwasserläufer (Totanus stagnatilis) der in der Gegend von NMorsee zienilich oft vorkommt, ist bei Genf erst einmal gesehen worden, im April 1817. Junge Steinwälzer (Strepsilas collaris) sind im April 1818 und ım Sept. 1816 an den Ufern unserer Flüsse gesehen worden. Im Mai ı806 erhielt ich einen schwarzbäuchigen Kie- bitz (Yanellus melanogaster) männlichen Ge- schlechts, in fast vollkommenem Sommerkleide. Dieser Vogel wurde ehedem sehr wneigentlich Schweizer-Kiebitz genannt, denn die Schweiz ist eines von denjenigen Ländern, wo er am selten- sten ist ”). Ich habe ihn seitdem nur noch einmal (im Mai 1818) angetroffen. — Der Halsband- giarol (Glareola torquata) , der sich selten ein- findet, wurde im Mai ı821 gesehen. In eben- demselben Monat des gleichen Jahres erschienen noch zwei andere Arten, die Bewohner südlicher Himmelsstriche und der Meerküsten sind, nam- lich der kleine Silberreiher und der Säbelschnäb- ler (Ardea garzetta und Recurvirostra avo= cetta). Die Erscheinung dreier südlicher Arten,
die unserm Himmelsstriche gleich fremd sind , bei-
%) Nicht so sehr ! Auf dem grofsen Moose zwischen dem Neuenburger- und Murtner-See erscheint er auf dem Durchzuge im Mai alle Jahre, und ge- wöhnlich in grofser Menge. M.
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nahe in dem gleichen Zeitpunkt ist wahrschein- lich einer ühd ebenderselben Ursache zuzuschrei- ben. Irgend ein heftiger Windstofs mag diese Vogel von ihrem gewöhnlichen Wege verschlagen
HaER; Drei REN Säabelschnäbler oe Jan. 1822 erlegt. Der rothe Sumpfläufer (Zi= mosa rufa) ersehäkit bisweilen im Merz, wie wir ım Jahr 1815 gesehen haben.
Im Mai 1807 wurde der Austernfischer 7ae= matopus ostralegus) in einem der Stadtgraben , der mit dem See zusammenhangt , getödtet, ein anderer im Sept. ı820 bei dem Schlosse Belle- rive. Er hatte sich am Ufer unsers See’s an einem Orte niedergelassen, ähnlich denjenigen Stellen, welche die Austernfischer an den Meerküsten zu besuchen pflegen, namlich einem langen Strich von Riessand, umgeben mit grolsen Stemblöckeit, die halb unter Wasser liegen. Hier flog er von einem Block zum andern und ruhte bisweilen auf dem Grien am Ufer aus. . Die Tage vor der An- kunft dieses Vogels waren durch heftige Stürme, aus Nordost und Südwest wechselnd, bezeichnet. Der weilsstirnige Regenpfeifer (Charadrius can= fianus) ıst ein einzigesmal am Ufer des See’s erlegst worden. Endlich hat man auch den sichel- schnäblichen Ibis (/bis falcinellns) ein einziges- mal im Jun. 1810 am Ufer des See’s getödtet.
Die wnsern Gegenden fremden Arten von Schwimmvogeln, die zufällig auf unserm See er- scheinen, sind nicht weniger zahlreich und merk- würdig. Zwei beträchtliche Züge der dreizehi- gen Meve (ZLarus tridactylus) haben in den Tefiten Tagen des Febr. 1806 und in den ersten Tagen des Merz ı81ı8 Statt gehabt. Sie waren
noch in ihrem 'Winterkleide, und bei dem zwei-
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ten Zuge befanden sich einige junge Vogel. Bei- den Zugen waren heflige Stürme aus Südwest vorausgegangen, und jedesmal waren die Vogel so ermudet,, so verschuchtert und verirrt, dafs sie in grofser Menge bis in den Hafen der Stadt ka- men und einige sich mit Steinen und Prügeln todt werfen und schlagen liessen. Die weilsaugigen Enten (Anas leucophthalmos) haben sich eini- gemal auf dem See gezeigt. Ein ziemlich zahl- reicher Zug derselben hatte im Merz und April ı81ı8 Stait, so wie im Nov. 1813 und ı817. Es wurden zu diesen verschiedenen Zeitpunkten Mann- chen, Weibchen und Junge getodtet. Ein Zug von Sammetenien (4nas fusca) erschien im An- fang Aprils 1817. Ich erhielt damals einen Mann in seinem vollkommenen Gefieder, mehrere Wei- ber und einige Junge. Zu Ende Dec. ı822 hat wieder ein Durchzug dieser Enten Statt gehabt.
Der Gormoran (Carbo cormoranus) ist, seitdem ich die Vogel beobachte, und so viel ich weils, viermal in unsern Gegenden vorgekommen. Der erste war ein Weib und wurde am See bei Versoix zu Ende des Merz ıdıg erlegt; der zweite, ein schoner,, vollkommen gefiederter Mann wurde im gleichen Jahre zu Ende des Octobers am gleichen Orte geschossen , und die beiden an- dern am Ufer der Arve, der eine zu Ende Oct. der andere in der Mitte Novembers 1822. Beide waren Weiber. | |
Die Bergente (Anas marila) war vor mehr als 30 Jahren bei Genf gefangen worden. Seit- dem erhielt ich ein Weib dieser Art, das im Dec. 1815 auf dem See bei CGoppet getodtet worden, ein Mann wurde im Merz ı819 angetroffen, — Die Schnatterente (Anas strepera) erscheint auch
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zufallig auf dem See. Ich sahe sie im Jan. 1817 und im April 1818. | Unter den Schaaren der Meven, die im Herbst
und Winter auf unsern Gewässern so häufig sind, werden auch ziemlich oft junge Silbermeven (Las rus argentatus) angetroffen, die man leicht an ihrer weit betrachtlichern Grofßse von den andern Meven unterscheidet. Nie habe ich aber alte Vo- gel dieser Art in unsern Gegenden gesehen. Bis- weilen, wiewohl viel seltner , trifft man auch unter den Meven Junge von zwei Arten der Raubmeven (Lestris ‚parasitieus und pomarinus). Die Al- ten sind in unserm Lande nie vorgekommen.
Zwei kleine Arten von Greben sind ein bis . zweimal in ihrem vollkommenen Federkleide vor- gekommen, namlich Podiceps auritus männlichen Geschlechts im April 1818 und ı820, und 2. cornultus auch im April. Die Jungen beider Ar- ten finden sich bisweilen im Herbst mit den andern ‚Greben ein. — Die Trauerente (Anas nigra) ist ‚einmal im Mai vorgekommmen.
Von allen diesen Vogeln, die nur der Zufall in unsere Gegenden führt, sind wenise so merk-
FE ‘ o ‚würdig als die Wassertreter. Von diesen Vogel,
die u in den Polargesenden leben, sollte man kaum denken, dals sie sich in einem so ge- mässigten Lande als das Unsrige ist, sihfinden wurden; und doch habe ich mehrere in den Hän- den gehabt, die auf unserm See getodtet waren. Den plattschnäbligen Wassertreter ( Phalaropus platyrhinchus) erhielt ich im Nov. 1817 in sei- nem vollkommenen Winterkleide. Er war auf einer Mauer am Ufer des See’s hei Pregny ge- ‚schossen worden. Einige Tage vorher hatte man
ihn wie. eine Ente auf dem Wasser herumschwim-
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men gesehen. Seitdem wurde im Sept. 1819 ein anderer Vogel dieser Art auf dem See unterhalb dem Dorfe N asenai erlegt. Derselbe Jäger , der ihn geschossen hatte, todtete nachher ach einen, der über einen kleinen Sumpf schwanım,, und ver- sicherte zu verschiedenen Zeiten noch mehrere gesehen zu haben, und zwar einmal im Winter eine bedeutende Anzahl miteinander auf dem See. Es scheint also fast, dafs dieser Vogel nicht so selten bei ıms ist, wie man wohl glaubt; und ich habe gefunden, dafs er den Fischern und See- Jagern ziemlich allgemein bekannt ist, die ihn Bis d’eau nennen.
Hingegen habe ich die andere, ungleich Fa. nere Art dieser Gattung (Phalaropus hyperbo= reus) nur ein einzigesmal gesehen. Dieser Vogel war im Aug. We auf Ban See schwimmend, und Mücken und Halfte ans der Luft schnappend , angetroffen worden, und wurde mir von dem Ja- ger, der ihn geschossen haite, gebracht; der ein- zige seiner Ärt, der je bisher in der Schweiz
geschen worden, und &er sich jetzt in dem Mu- seum von Genf befindet.
Endlich ist mir nech €@in, nicht minder selt- ner Vogel ein einzigesmal vorgekommen ‚ die srofse caspische Mesr beein (Sterna Caspia). Sn wurde im April i8ı2 im Hafen von Versoix setodtet ‚ wo sie mit einer Schaar der roihfussigen Meerschwalben herunflog und erst nach einer zwei- stundigen Verfolgung € & legt werden konnte. Es war ein schöner Main, im vollkommenen Friüh- lingskleide. Nie hatlön die altesten Jäger und Fi- söhlen einen solchen Vogel gesehen. ‘Ein zweites Individuum , wahrsohfiakeh das Weib, zeigte sich
zugleich und noch einige Tage re ; konnte
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aber nicht erlegt werden. Jenes Exemplar befin-
det sich gegenwärtig im Museum zu Genf“). Ausser diesen selinen Arten von Vogeln, die ich alle selbst erhalten habe, kann ich noch einige andere namhaft machen, deren Erscheinung bei uns nicht weniger gewils ist. Llieher gehört der kurzzehige Adler (Falco brachydactylus); die Kornweihe (7. cyaneus), Mann und Weib; die Halbweihe (£. cineraceus) (Montagu) ; der Heu- schrecken-Sänger (Sylvia locustella), der im Jun. 1822 zu Lancy bei einem Bache getodtet wurde und Natterers Sänger (S. Nattereri), der im Jul. 1822 im einem Hause in Genf lebendig gefangen wurde; der rothe Flammant (Phoenicopterus ru= ber); der Bienenfresser (Merops apiaster); der Lofiler (Platalea leucorodia); der kleinste Sturm- vogel (Procellaria pelagica) und die Garten-Am- mer (Zmberiza hortulana) , welche sich in der Jurimeschen Sammlung der Vogel unsers Landes befanden. Endlich erinnere ich "mich sehr gut in meinen Rinderjahren in Genf einen Pelikan (Pe= lecanus orocrotalus) ausstopfen gesehen zu ha- ben, der bei Thonon auf dem See war geschos- sen worden und der vielleicht noch jetzt in dieser Stadt aufbewahrt wird. | ' * Hliemit endigt sich das Verzeichnifs der Vo- sel, die sich zu verschiedenen Zeiten im Canton Genf und in den unmittelbar angranzenden Ge- genden finden oder gefunden haben. Es gieht aber noch einige Arten, die bisher in etwas ent-
®) Im April 1823 wurde ein Pärchen dieser Vögel auf dem Neuenburger-See geschössen, von welchen das Museum in Bern ein Exemplar erhalten hat. Es waren, nach der Aussage des Jägers, noch meh- xere zu sehen gewesen, die aber bald hen Sa dvie
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ferntern Gegenden, welche jedoch zu der glei- chen physischen Region und zu dem gleichen Was- serbecken gehoren, angetroffen worden sind, und daher leicht auch noch im Canton ‘Genf angetrof- fen werden konnten. »Ich führe auch diese noch kürzlich an, um künftige Beobachter darauf auf- merksam zu machen.
Der grofse Rohrsänger (Sylvia turdoides) ist auf unsern Sümpfen noch nicht gesehen worden, ist aber in andern Gegenden der Schweiz sehr haufig ").
Die Kolbenente (Anas rufina) ist öfters auf dem See bei Morsee erlegt worden, wo man auch neuerlich den graurückigen Sturmvogel (Procel= laria puffinus) geschossen hat. Die junge Bi- derente (4nas mollissima) und einen jungen Tord- Alk, (Alca torda) hat man auf dem See bei Ve- vay erlegt. Bei Ouchy ist die kleine Meerschwalbe (Sterna minuta), die Eisente (Anas glacialis), jung, eine junge weisse Meve (Zarus eburneus) und eine kleine Meve (Zarus pygmeus) im Win- terkleide, geschossen worden. Der weilskopfige Geier (Yultur leucocephalus) wurde im Jun: ı820 bei Pampigny, 2 Stunden von Morsee, ge- todtet. Der wilde Schwan (Anas eygnus) ist in kalten Wintern auf den grolsen Sümpfen von Culle, unweit Seyssel gesehen worden. Die weils-
schwingige Meerschwalbe (Sterna leucoptera)
sieht man oft in der Gegend von Morsee , kurz, vor dem Durchzuse der schwarzen. Ein Weib:
= der Rosenamsel (Pastor roseus) erhielt ich, wel-
ches zu St. Claude, im Jura-Departement getodtet
*) Im Canton Tessin, ja! In der nördlichen Schweiz ist er wohl überall ziemlich selten.
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war. In der Gegend von Salanches ist im Herbst 1807 aus einem Fluge von 10—ı2 dieser Vogel ein Männchen geschossen worden. Ein era sehr schones Maännchen, in der gleichen Gegend und wahrscheinlich aus dem gleichen Fluge her- ausgeschossen, befand sich in meiner Sammlung. Der rauhfüssise Kauz (Strix dasypus), der eini- gemal in demjenigen Theile des Jura erlest wor- den ist, der zum Canton Waadt gehort, findet sıch vielleicht auch in unserer Nachbupschaft: End- lich ist auch, wie Hr. Dr. Schinz angezeigt hat “), der Rothel-Falk (Falco linnunculoides) in der Gegend von Lausanne erlegt worden *”*).
Die wahrscheinlichsten a achen, welche die Erscheinung aller dieser seltnen Vogel in unsern Himmelsstrichen veranlassen, scheinen mir fol- gende zu seyn. Augenblicklicher Mangel der Nahrung in ihrem Vaterlande kann einige dieser Vogel nothigen, andere Länder aufzusuchen. Hef- ige Wiuditusse konnen andere weit von ihren gewohnten Wohnplätzen fortgetrieben oder sie auf dem Zuge von ihrem Wese verschlagen ha-
9
ben. Einige Individuen konnen , von Raubvogeln
gejagt und verfolgt, von andern ihres Gleichen
etrennt worden seyn. Vielleicht sind einige Meer-
oder Strandvogel einem unserer beiden grolsen Strome, dem Rhein oder der Fihone nach zu uns ge-
=) Im Naturw,. Anzeiger T. 3. No. 6. -
#*) Ich habe dieses Exemplar, welches Hr. Jule de la Motte aus Abbeville in Morsee gekauft hatte ,. in den Händen gehabt, und davon eine Beschreibung genommen. "Ohne damals zu wissen, dafs Hr. Natterer in Wien diesen Vogel in seiner Gegend entdeckt hatte, erkannten wır, Hr. la Motte und ich, ihn sogleich für eine eigene Art, und ich nannte ihn wegen seiner Aehnlichkeit mit dem Thurmfalken F. tinnunculoides. M.
112
langt. Endlich auch mag wohl hier oder da ans einer Menagerie ein fremder Vogel der Gefangen- schaft entflogen und zulalliger Weise zu uns ge- kommen seyn.
Nehmen wir nım alle in dem Vorhergehenden angeführten Thatsachen kürzlich Zusammen, so gehen daraus folgende Resultate hervor:
De ler bie jetzt bekannten, in unserm Canton und auf den benachbarten Bergen vorkommenden Vogelarten , belauft sich auf 242; wovon 185 eigentlich einheinisch, 37 aber zufal- lige (Graste Sid,
Von’ den ı85 einheimischen Arten gehören
5 der Ebene an, (nämlich 32 Standvogel und 63 durchziehende); 31 Arten den Bergen; 37 den Siimpfen und den Strande, (von welchen 3 Stand-
vögel und 34 durchziehend sind). Endlich bewoh- nen 22 den See, von denen nur eine einzige Art Standvogel ist.
Von den 57 zufallig erscheinenden Arten ge- horen 20 der Ebene an, ı6 den Süumpfen und dem Strande und 2ı PR See.
Sollten jene ıg Arten, welche ausser jenen in den benachbarten Gegenden zufällig vorge- kommen sind, künftig aueh im Canton Genf ent- deckt werden, so würde die Zahl aller unserer Arten auf 261 steigen.
2. Ausser den allgemeinen Durchzügen, die, wie überall, im Frühling von Süden nach Nor- den, und im Herbst von N. nach S. Statt haben, giebt es,noch besondere Zuge, die ebenfalls alle Din regelmässig geschehen , namlich ım Fruh- ling aus der Ebene nach den Bergen, und im
Herbst von den Bergen nach der Eibene..
113
Ausser diesen regelmässigen Zügen von den Hohen nach der "Tiefe und umgekehrt, sieht man auch bisweilen im Sommer und im Winter ge- wisse Bergvögel in die Ehene herabköntnieni‘ Diese zufälligen Erscheinungen werden - durch strenge Witterung , durch plotzlich eingetretene' Kälte oder durch vielen Schnee auf PR Bergen veranlalst.
- 4* Die allgemeinen Züge von Norden nach Süden und umgekehrt, Folien uns eine gewisse Anzahl von Arten Hörbei welche unter 3 Gate:
gorieen gebracht werden konnen:
a. Vogel, die im Frühling und im Herbst in un- ser Land kommen, ohne daselbst zu bleiben.
b. Vogel, die ım Frühling aus dem Süden an-
langen, um zu nisten und zu brüten, den re bei uns bleiben, und im Herbst wieder zurückkehren.
c. Vögel, die nır im Herbst zu uns kommen,
den Winter über m unserm Lande zubringen, und mit den ersten Frühlingstagen nach Nor- den zuruckkehren.
5. Es giebt Arten, von welchen einige In-
dividuen das ganze Jahr hindurch im Lande blei-
ben, während der grofste Theil der zu diesen
Arten gehörenden Individuen fortzieht, und unter
diesen sind einige zahlreicher im Sommer, andere
zahlreicher im Winter.
6. Einige Ärten sieht man haufig auf dem Frühlingsdurchzuge , hingegen nicht bei ihrer
Fruklikehr ; im Fakes: andere sieht man nur im
Herbste und nie im Frühlinge.
7. Im Sommer verlieren die Sanger ihren
schönen Gesang, und es herrscht wahrend der
Natw. Annl. 1. 1. 8
11%
grofsen Sommerhitze eine ganzliche Stille, wie während der Kälte des: Winters.
8. Die Strandvogel ; welche sich zweimal mausern,, zeigen sich gewohnlich bei uns nicht anders, als ım Uebergange von einem Federkleide zum andern.
. Endlich giebt es mehrere Strand. und Schwimmvögel , die in ihrem jugendlichen Alter gemein. bei uns sind, sich aber in ihrem vollkom- menen Alterskleide nur sehr selten oder gar nicht
sehen lassen.
113
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Gewöhnlicher FEBRUAR. ' Frühester Spätester Zeitpunkt. \ Zeitpunkt, Zeitpunkt. Auf dem Moose:
Febr. 00) Vanellus cristatus und Charadrius pluvialis langen an.
Zufällige Züge.
E In der Ebene:
Corvus monedula und Cornix. Febr. 23. (181$.) Jduf dem See: Larus tridactylus. Febr. 25. 1806.
MERZ.
Regelmässsige Veränderungen und Züge. In der Ebene:
Turdus pilaris und viscivorus ziehen fort. Turdus merula, Sylvia rubecula, trochilus, Emberiza citrinella und cirlus fangen an zu singen.
8!Turdus musicus und iliacus, Corvus corax und co-
rone ziehen durch. . £ , ; ; ‘ ; — Apr. ı6 (1816) ı0/Scolopax rusticola, Golumba palumbus, livia, oenas
langen an. . 2 5 : i , . / . Feb. ı7 (1817) |Merz >ı(ı814) ı5|Sturnus vulgaris zieht durch.
o7|Hirundo rustica langt an. i N Bi « | Merz 18(1806) Apr. 10 (1$16)
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Gewöhnlicher | MER 2. n Frühester Spätester. Zeitpunkt. EN i i Zeitpunkt, Zeitpunkt, | Einzelne Erscheinungen.
In der Ebene:
Falco ehe ac Merz 35. 1817. Tichodroma phoenicoptera.. — 31. 1808.
duf dem Moose: Limosa rufa. 17. 1815. duf dem See:
Carbo cormoranus. 25. 1819. _\Anas marila. 14. 1819.
APRIL.
Regelmässige Veränderungen und Züge. In der Ebene:
April. 2/Saxicola rubetra, Sylvia phoenicurus langen an. . [Merz 13. 1817 |Sylvia Tithys zieht durch. 6/Sylvia atricapilla läfst ihren Gesang hören. . . |Merz ı5. 1822 Apr. 19. 1821 8|Cuculus canorus langt an. . : . . . . | Merz 29.1809 22|Scolopax rusticola, Columba palumbus, livia, oenas!| enden ihren Zus. 25 Yunx torquilla, Lanius rufus und collurio, Upupa
epops, die verschiedenen Arten von Pipern (An- thus) langen an. T
119
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Gewöhnlicher
Zeitpunkt. u
APRIL.
3
Frühester Zeitpunkt,
Ausserordentliche oder zufällige Züge.
In der Ebene: Sylvia suecica. April 9. 1816.
Emberiza schoeniclus ım Frühlingskleide. 5. 1817.
Cypselus alpinus. 24. 1819. Falco milvus. _ 25. 1821.
Auf dem Moose und am Strande :
Limosa melanura. 5. 1817: Oedicnemus crepitans. 1/4. 1821. Totanus ochropus. 26. 1817. Tringa Temmincki, 30. 1821. Totanus stagnatilis. 1817. Ciconia nigra. Arenaria calidris. Auf dem See:
Anas fusca, M. W. und Junge. 7. 1819. Anas leucophthalmos. 4. und 8. 1818.
Podiceps auritus im Hochzeitskleide. 6. 1820.
Einzelne Erscheinungen.
In der Ebene:
Picus canus. 1815.
Spätester Zeitpunkt,
121
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Gewöhnlicher Zeitpunkt. MAI. z | : Ausserordentliche oder zufällige Züge,
In der Ebene: VER. re
Cypselus alpinus. 4. und ı3. 1816. ı2—1ı/. 1821. Falco milvus. 27. 1821. Auf dem Moose und am Strandes: ..
Himantopus melanopterus. 3. und 6. 1818 und 1892. Tringa subarquata. si
Einzelne Erscheinungen.
In der Ebene: FaJco rufipes. 5. 1816. ÄJuf dem Moose und am. Strande :
Vanellus melanogaster. ı5. 1806. und 1818. Glareola torquata. ı5. 1821. ° Recurvirostra Avocetta. 17. 1821, Haematopus Ostralegus. 3. 1807.
Ardea garzeita. 22. 1821.
Äduf dem See: Mergus merganser 2 1815.
Anas nigra,
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Frühester Zeitpunkt.
‚Spätester Zeitpunkt,
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Gewöhnlicher : - | Frühester ‚Spätester Z itpunkt. JUNI Ku 5 Zeitpunkt, Zeitpunkt, 7 Einzelne Erscheinungen. |
Am Strande : | % Ibis falcinellus. ı810. Aduf dem See: j , Podiceps cristatus. Alter Mann. 20. 1818. | £
JULIUS.
Regelmässige Veränderungen und Züge. In der Ebene :
Jul. ı1/Die jungen Wachteln kriechen aus. Am Strande : |Numenius arquatus und Phaeopus und Tringa varia- bilis treten ihren Rückzug an. \ re gi Aug. 16. 1816 7\Totanus hypoleucos tritt den Rückzug an. - + 1Jun.26.1821 |Aug, ı. 1817 Juf dem See: ı0/Larus ridibundus ziehen. u ET A TENE
95|Sterng hirundo ziehen zurück.
Ausserordentliche oder zufällige Züge. In der Ebene:
Loxia curvirostra. ı. 1821. 9. 1816. Cypselus alpinus. 2. 1816.
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126.
Gewöhnlicher | Ü US | T; Frühester Spätester Zeitpunkt. A “ j ö Zeitpunkt, Zeitpunkt. Regelmässige Züge.
Auf dem See:
15|Podiceps rubricollis (s. suberistatus) jung. 20/|Sterna nigra im Herbskleide.
Einzelne Erscheinungen.
In der Ebene: Ötistarda. 1813.
uf dem Moose und am Strande: Tringa subarquata. Auf dem See:
Phalaropus platyrhinchus. 28. 1816. Phalaropus hyperboreus, jung. 1806. Anas fuligula. 30. 1816.
Larus argentatus, Jung. $o. 1816.
SEPTEMBER. Veränderungen und regelmässige Züge, In der Ebene:
‚Sept. 6| Sylvia luscinia zieht fort. 6 Manoiekhe luctuosa im Herbskleide, zieht durch. . — Sept. 13. 1818
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Gewöhnlicher Zeitpunkt;
SEPTEMBER
Ausserordentliche oder zufällige Züge.
In der Ebene:
Cypselus alpinus. ı2. 1809. - Fringilla montium.
- duf dem Moose und am Strande:
Totanus ochropus. ı. 1816. Arenaria calıdrıs. 28. 1810. Charadrius morınellus.
Einzelne Erscheinungen.
In der Ebene:
Coracias garrula. 1805. 28. 1819. E,mberiza calcarata. ı816. Falco peregrinus. 1812.
Auf dem Moose und am Strande:
Tringa Temminckü. 4. 1820. Strepsilas collaris, jung. ıo. 1816. Phalaropus platyrhinchus. 15. 1817. Sylvia aquatiea. ı$. 1808. Haematopus ostralegus. 20. 1808.
Frühester Zeitpuukt.
Spätester Zeitpunkt,
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Ausserordentliche oder zufällige Züge.
In der Ebene :
Fringilla linaria. 1810...
Fringilla petronia. Fringilla montium. Einberiza ni-!|
valıs. ı810. : duf dem Moose :
Totanus fuscus. $. 1820. . ; Öedienemus crepitans. 17. 1818. Sylvia aquatica. ı0. 1812.
Einzelne Erscheinungen.
In der Ebene:
Pıicus canus. 320. 1519. Strix Bubo. 21. ı8ı18 und ı822.
uf dem See:
Lestris pomarinus. ı. 1822. Carbo cormoranus. 25. 1822, 90. 1819.
Frühester Zeitpunkt.
Spätester
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132
Gewöhnlicher Zeitpunkt.
NOVEMBER. ' Frühester
Zeitpunkt. Äduf dem See: ige Anas leucophthalmos. ı813 und ım 1817.
Einzelne Erscheinungen. In der Ebene: Strix scops. 1808. Falco pygargus. 1813. Auf dem See:
Phalaropus platyrhinchos, alt, im ie 2811. Carbo cormoranus. 15. 1822.
DECEMBER (Keine regelmässige Züge in diesem Monat.)
Einzelne Erscheinungen. y In der Ebene: Otis tetrax. 18. und 20. 1822. Juf dem See:
Podiceps auritus, jung. 6. 1803. Anas marila, Weib. 9. 1815. Anas fusca, jung. 24. 1822. Golymbus glacialis. 24. 1822.
SE nn
Spätester - Zeitpunkt,
IV.
Ueber die spröden Glastropfen, von Peter Merian, Prof.
Vorgelesen in der naturf. Gesellschaft zu Basel den 8. Jan. 1823.
Unter den Veränderungen, welche die Koha- sionskraft der Korper durch eine plotzliche Ab- küuhlung erleidet, sind hauptsachlich die Zunahme der Härte und Sprodigkeit mancher Stoffe zu be- merken. Vorzüglich ausgezeichnet in dieser Hin- sicht zeigen sich Stahl und Glas. Die Eigen- schaft des Stahls durch plötzliche Abkühlung eine srolse Harte zu erlangen, giebt demselben gros- sentheils die Wichtigkeit, die er in technischen Anwendungen findet; die Sprodigkeit, welche zu dieser Härtezunahme unvermeidlich sich gesellt, beschrankt hingegen wieder vielseitig den aus der Härte hervorgehenden Nutzen. Die ausneh- ınende Erhohung der Sprodigkeit des Glases durch schnelle Abkühlung tritt besonders hervor an den Glastropfen, welche man im flüssigen Zustande in kaltes Wasser hat fallen lassen, und an den Bologneser-Flaschen, die zwar in der Luft, aber sehr schnell abgekühlt worden. Wie beim Stahl gesellt sich aber auch beim Glas zu der "Zunahme von Sprodigkeit eine Zunahme. von Harte, denn schon: Sturm “) hatte bemerkt , dafs die sproden, Glastropfen sich ungleich schwerer abschleifen lassen, als gewohnliches, langsam ab-
gekühltes Glas.
*) Goll. exp. curios. P. II. S. 98.
1394
Die Zunahme der Sprodigkeit an diesen schnell abgekühlten Korpern lalst sich sehr befrie- digend aus eh gezwungenen Anordnımg erklaren , in welcher die Theile sich nothwendiger Weise befinden müssen. Da die Korper durch die Wärme alle ausgedehnt werden, so nimmt ein Tropfen Glas oder eine Scheibe Stahl im glühenden Zu- stande einen grolsern Raum ein, als im erkalteten. Wird durch plotzliches Abkühlen die Oberflache zum Erstarren gebracht, so ist der innere Theil des Körpers noch stark erwärmt, die Oberfläche ist also gezwungen beim Festatrei einen grolsern Faum zu umhüllen, als der Fall gewesen ware, ‘wenn die innern 'Theile des Korpers der Erkaltung hätten folgen konnen. Erkalten daher auch spä- terhin diese innern Theile, so mülfsten sie, weil die erstarrte Oberfläche sich nicht mehr zusam- menziehen kann, sich an die schon angenommene Gestalt anschmiegen , kommen also in einen gse- zwungenen Zustand ‚ der zwar ım Ziusammenhange aller Theile unter günstigen Umständen wohl be- stehen, aber durch emen leichten Impuls gänzlich zerrüttet werden kann. Diese im Allgemeinen sehr befriedigende Erklarung haben schon Sturm
und seine Zeitgenossen angenommen, neuerlich
hat sie Hr. Biot “) ausgeführt, und für den Stahl durch den Versuch He, Der Künstler Fortin hat durch genaue Messungen gefunden, dafs eine Scheibe Stahl in ihren Längendimensionen bei dem Härten um 0,00042 zugenommen hatte, dals sie also wirklich einen grofsern Raum einnimmt , als sie bei derselben 'Temperatur vor dem Härten ein-
genommen hatte.
*) Traite de physique. B. LS. 513.
135
Ich habe eine anhnliche- Prüfung auf dem schnell erkalteten Glase vorgenommen. Ks wurde mit moglichster Genauigkeit das spezifische Ge- wicht von 6 sproden Glastropfen bestimmt, und zu 2,518 gefunden. Die Glastropfen Wei hier- auf in einem mit Kohlenstaub erfüllten Tiegel bis zur anfangenden Rothglühhitze erwärmt, ih Sorge getragen Wurde, ‚ dafs die Hitze nicht zu hach steige und das Glas erweiche; denn da alle Glastropfen, die mir zu Grebote ende. in ih- rem Innern Blasen bemerken liessen , so hätte das Erweichen eine Aenderung der Gestalt dieser Bla-
sen, und also sehr leicht eine Aenderung des spe-
sihschen Gewichts des ganzen Korpers hervor- brinsen konnen. Sobald die Erwärmune hinlang-
GER wurde der Luftzug des Biete abge- schlossen. Nach dem volligen Erkalten zeigte eh abermalige Abwagung der 6 T ropfen ein 'speziih sches Gedieht von 2,53ı, also eine Zunahme von 0,019, welches einer Zunahme von 0,005 des Raums, den sie einnahmen, entspricht. Die Tropfen zeigten durch die vollige Beibehaltımg ihrer vorigen Gestalt, welche solhe an den fei- nen Stielen noch dieselke war, dals sie nicht bis zum Erweichen erwärmt worden waren; sie hatten aber ihre Eigenschaft, beim Abbrechen des Stieles in Staub zu zerfallen, vollig verloren.
Auf ähnliche Weise ergab sich das spezifi- sche Gewicht eines Stüekdn ‚einer Bologneser- Flasche zu 2,418; nach einer auf obige Weise vorgenommenen Erwärmung und Abkuhlung zu
he. also eine Zunahme des Raumes von etwa 0,0008. Es sind diese Abwagungen säninitlich bei
einem T’hermometerstande von 119 C. vorgenom-
136
men worden, mit hinlanglicher Genauigkeit m den Instrumenten und in dem Verfahren um mit Zuver-
sicht die letzte Dezimalstelle in den Angaben des
spezifischen Gewichts verbürgen zu konnen. Der Versuch bewährt also auch hier die Rich- tigkeit der oben gegebenen Erklarung, indem er
lehrt, dafs dasselbe Glas, wenn es schnell abge-
kühlt worden, ein geringeres spezifisches Gewicht
hat, dafs es folglich bei derselben 'Tremperatur
einen grolsern Raum einnimmt, als wenn die Ab-
kuhlung nur allmahlig vor sich gegangen ist. Der
Unterschied ist bei den Glastropfen weit bedeuten- der, als bei den Bologneser-Flaschen , weil die Abkühlung bei ihnen auch ungleich schneller
5 erfolst.
V. Miszellen.
Eine sehr interessante Abhandlung von H. Davy über die Anwendung der durch Druck flus- sig gemachten Gasarten findet sich in dem letzten Bansle der philosophical transaetions. (1823. 11.)
Versuche, welche man über diesen Gegen- stand anstellte, zeigten, dafs flüssige Hydrothion- säure unter einem Drache . welcher eine Atmo- sphäre auf 44 eomprimiert, durch eine Temperatur- Erhöhung von 3° F. bis auf 50° so viel an Ela- stizität zunimmt, dafs diese nun dem Drucke gleich kommt, welcher erfordert wird, um eine Atmo- sphäre auf 147 zu comprimieren. Flüssige Salz- saure hält bei 30 F. einem Drucke das Gleichge- wicht, welcher eine Atmosphäre auf %, compri-
R) 157
miert: "wird die "Temperatur um 22°.erhoht ‚so wird dadurch ihre Klastizität so viel verstärkt, 'dals sie mum derjenigen einer. auf 45 comprimierten Atmosphare gleich kommt. Bei noch fortgesetz- ier T emperatur- Erhöhung um 26° erhalt sie-die Blastizität einer auf 14, comprimierten Atmosphäre. Kohlensäure zeigte bei ı2° F. eine Blastizität gleich einer auf Pa bei 32° eine solche gleich einer auf 435 comprimierten Atmosphare, .
Diese ungeheure Zunahme: der Elastizität durch geringe T'’emperatur-Veränderunigen , welche diese zu Flüssigkeiten condensierten Gasarten er- leiden, die schon‘ durch den Unterschied von Schatten und Sonnenschein, durch das Verdunsten von Flüssigkeiten oder andere ähnliche Mittel her- vorgebracht werden kann, lalst uns hoffen, dals man diese Substanzen als sehr kraftige Bewegimgsmittel wird anwenden lernen, da wo wir jetzt eine grofse Menge Feuermaterial zu Huülfe nehmen riaaarst
ih: den namlichen Aufsatze giebt uns Davy auch von einer eben so einfachen AR mer kwürdi- zen Methode Nachricht, vermittelst deren die Gasarten in Flüssigkeiten verwandelt werden kon- nen. ‘Dieselbe besteht darin, dals man:das Gas in den über Quecksilber gestellten einen Schen- kel einer Glasrohre bringt, und Wärme auf eine kleine Menge von Aether, Alkohol oder Wasser, welche in dem andern, unten verschlos- senen Schenkel enthalten ist, wirken lalst. Durch den dadurch entstehenden Dampf wird das Gas zur Flüssigkeit verdichtet. Davy gelang es auf diese Art das schweflichtsaure u, blausaure Gas zu verdichten.
Er macht ferner darauf aufmerksam, dafs diese Flüssigkeiten als vortreflliche Mittel zu Er-
1398
regung künstlicher Kälte werden zu benutzen seyn, weil sie bei ihrem raschen Uebergang in den gas- formigen Zustand, sobald der Dose; ‚ unter wel- _ chem sie befindlich sind, : weggenommen wird, eine grolse Menge ‚Wärme: binden,
Diese Nackhfeitsiäien gen führten den berühmten englischen Chemiker dh zu einigen ‘Versuchen , desdhwch bewiesen wurde, dafs das von Dalton ınd Gay-Lussac ausgesprochene Gesetz für die Ausdehnung der beindän durch Wärme unter dem gewohnlichen Drucke auch dannzumal richtig sei, wenn sich dieselben unter einem doppelt und dreifach so starken, oder auch 2—6mal geringern Drucke befinden. |
Spätere Versuche, welche Hr. F araday über die Elastizität der zu Flüssigkeiten condensierten Gasarten bei niedrigen Temperaturen. machte, zeigten, dals Ammoniakiıbeircheltuidinskileituee tät einer auf 45 bei 50° diejenige einer auf. 1%; und dafs oxyduliertes Stickgas (nitrous oxide) bei 520 eine Elastizität einer auf 144 , bei 45° eine solche emer auf 44,3 zusatndn gepwelidich di mosphare besitze.
(Thomsons Annals of P hilesaphy, Febr. eh, Biol
1.
Einige Thatsachen über eine eigenthümliche Gebirgsbildung worauf die Stadt Basel steht, von Peter Merian, Prof.
Vorgelesen in der naturf. Gesellschaft zu Basel den 4. Hornung 1824.
Die Forschungen der Geologen in den letzten Jahrzehnden haben mit einem grofsen Grade von Zuverlässigkeit die Wahrnehmung bewährt, dals die Ueberreste organisirter Wesen, die wir im Innern der Erde antreffen, nicht bei einer einzi- gen allgemeinen Umwaälzung der Oberfläche des Eirrdbodens begraben worden sind, wie man früher nach einer oberflächlichen Ansicht der Dinge glaubte, sondern dals sie einer Folge von Scho- pfungen angehoren, die in weit von einander ent- legenen Zeiträumen die Erde bevolkert haben. Diese Schopfungen sind im Ganzen genommen um so unvollkommener und weichen um so mehr ab von den jetzigen Bewohnern der Erde, je äl- ter die Gebirgsbildungen sind, welchen sie ange- horen; so dals wir in der Regel nur in den aller- jungsten Lagern die Geschopfe wieder auffinden , deren entsprechende Arten noch jetzt lebend an- getroffen werden. Und selbst diese Ueberein- Natw. Anl. 1. 2. 10
140
stimmung ist nicht durehgreifend; denn nieht nur finden sich in solchen Gebirgslagern , oft in bunter Verwirrung, Arten vereinigt, welche wir jetzt nur in von einander sehr entfernten Erdstrichen anzutreffen pflegen, wie z. B. die Muscheln und Schnecken unserer Meere mit denjenigen der Süd- see, sondern mit den bekannten 'Thierarten kom- men eine Unzahl anderer vor, deren Originale wir bis jetzt vergeblich aufgesucht haben. Wenn aber die Arbeiten ee Wr das Daseyn einer solchen Folge allmäahlig sich ent- wickelnder Schopfungen nachgewiesen haben, so
bleiben wir noch in gr .olser Ungewifsheit uber die Art und Weise der Eintwicklung dieses grolsen Bildungsganges der Natur. Die Beobachtungen Ei cu asıhlais nach, dafs dieses oder jenes Ge- schopf nach einem audi auf der Erde gelebt haben muls, wie grofs aber der Zeitraum gewe- sen seyn mag, welcher dazwischen verflossen , konnen sie uns nur auf eine hochst unbestimmte Weise angeben. Es übersteigt alle unsere Be- sriffe, wenn wir zu bestimmen versuchen, was für eine Reihe von Jahrtausenden erforderlich ge- wesen zur volistäandigen Entwicklung nicht blofs
o
einer einzigen, sondern einer ganzen Folge von
Schopfungen. Nicht einmal darüber konnen uns
tw) die vorhandenen Beobachtimsen senücende Aus-
kunft geben, wie viele kaleher Schöpfungen nach REN. aulgetreten sind; ob die grofsen Umwal- zungen, von denen der heutige Zustand der Eirde
uns Rude giebt, die unmittelbaren Veranlassun- gen zum gänzlichen Untergang der die Erde be- volkernden Geschöpfe, und zur Entwicklung ab- weichender neuer waren, oder ob die Natur seit
der Entstehung des ersten unvollkommenen Thier-
141
und Pflanzenlebens allmahlig umgestaltend und unibildend bis zum jetzigem Zustande fortgeschrit- ten ist. Es bleibt den künftigen Jahren aufbehal- ten über solche Fragen Aufschlusse zu erlangen; nach dem Ziele hinzuarbeiten ist der Beruf des nachdenkenden Naturforschers, wenn auch das meiste für unsere unvollkommene Fassungskraft ‘in beständiges Dunkel gehullt bleiben sollte. Indels. steht es uns zu auf das bereits Ge- wonnene uns zu stutzen, mittelst desselben die bereits bekannten Erfahrunsen auszubilden, und
o°
an die V ervollkommnung des Gebaudes der Wis-
senschaft Hand anzulegen. Die "T'hatsache der Eigenthümlichkeit der Schopfungen, welche einer heslanmten Gebirgsbildung angehoren , ist nament- lich schon von erheblicher Wichtigkeit für die Un- terscheidung und Bestimmung iosen Bildungen selbst geworden. Wo der Zustand der Dinge die Erforschung der Lagerungsverhaltnisse er-
o
schwert, oder unmoglich macht; wo eine grolse
Abweichung des Gesteins uns verhindert eine Ue-
bereinstimmung mit bereits bekannten Bildungen aufzufinden , wird eine sorgfältige Vergleichung der anzutreffenden Ueberreste organisirter Wesen uns zu Aufschlussen fuhren konnen. Und wo selbst alle günstigen Umstände sich vereinigen, wo Lagerungsverhältnisse und mineralogische Baschafl fenheit uns den bestimmtesten Aufschluls gewah- ren, wird eine moglichst genaue Untersuchung des Zustandes der der Bildung angehorigen Scho- pfung nicht nur eine an sich belehrende, des Na- GrRrscherg wuürdige Aufgabe seyn, sie wird uns auch wiederum in den Stand setzen in andern Ge- genden, wo weniger günstige Verhältnisse obwal- ten, das Beobachtete an das bereits Bekannte an-
142
zuknüpfen. Die Versteinerungskunde ist deshalb nicht nur an sich em wichtiger 'Theil der Lehre von der Beschaffenheit und den Umänderungen des Zustandes der Erde geworden , sie ist in der Hand des Geologen auch eines der erheblichsten Huülfsmittel um weiter zu schreiten. Und hier tritt, wie bei jedem Schritte, den der Naturfor-
de thut, deri innige Zusammenhang aller Theile
der W estikchaft hervor. Wenn uber die Ueber- einstimmung und Verschiedenheit zu untersuchen- der Organisationen soll abgesprochen werden, so
5 ee genügt nicht eine allgemeine oberflachliche Ueber- sicht; die genaueste Untersuchung der Wesen der
jetzigen Schofung,, als derjenigen, an welche wir alles Unbekannte anreihen müssen, wird unum- gänglich nothwendig; und das um so mehr, da die Versteinerungen, die wir in den Gebirgsla- gern auffinden, nicht die vollständigen Wesen selbst, sondern nur unvollkommene Spuren und Bruchstücke derselben seyn konnen, deren Zu- sammenordnung uns erst moglich wird, wenn eine moglichst genaue Kenntnifs der lebenden Natur ns die Deutung dieser Spuren nachgewiesen hat. Der Geologe mufs hier die leitende Hana des mit gewissenhafter Genauigkeit die Arten unterschei- denden, und Eigenthümlichkeiten aufsuchenden CGonchyliologen, des Botanikers und des Anato- men ergreifen, wenn er gegen das Ziel will vor- warts schreiten; er mufs anerkennen, dafs die kleinste Erfahrung in der Wissenschaft, moge sie auch scheinbar noch so vereinzelt dastehen , das Ganze unı einen Schritt weiter fordert; und dals in dem wohlgeordneten Zusammenhange der
grolsen Grottes- Natur alle Theile, als die Glieder einer Nette, auf das innigste mit einander ver-
143
knüpft sind. Wohl dem Naturforscher , der’ die- ser Wahrheit eingedenk , seines Berufs mit Rlar- heit bewulst ist, und nieht wahnt, das Ganze auffassen zu könne ‚ ohne mit dein Theilen vertraut zu seyn.
Wenn die Gerolllager, welche den unmmit- telbaren Grund und Boden ausmachen, worauf die Stadt Basel steht, durchsunken werden, so gelangt man in grolsern oder geringern Tiefen , je nachdem man dem Aheine oder dem Birsig enifernter oder naher ist, auf eine Unterlage von Mergel und Letten. RAR AR Daseyn dieser den Gewassern undurehdringlichen Erdschicht die Stadt Basel und ihre nachste "Umgegend ihren Quellen- reichthum verdankt, ist bei einer andern Gelegen- heit dargelegt worden “), hier wird uns blofs ob- liegen, die Einordnung dieser Mergelbildung in de Reihe der uns BEN bekannten ‚Gebirgsbil- dungen vorzunehmen. Inner den Mauern von Ba- sel selbst lassen diese Lager keine genaue Unter- suchung zu, weil man nur durch Nachgrabungen sie erreichen, und also nur sehr unvollkommene Beobachtungen anstellen kann. Süudwestlich von der Stadt kommt die Bildung in dem Bette des Birsigs an den Tag. Wir treffen sie daselbst in einer Folge von deutlich, ziemlich horizontal ge- schichteten Lagern eines Mergels, welcher mehr, bald weniger kalkhaltig , "alt auch von Ralk- Deich vollig frei, folglich als reiner Thon erscheint, zuweilen in einen Dale harten Schiefermergel
übergeht, und mit srolser Beständigkeit eine Re
*) Abhandlung über die Wärme der Erde ın Basel. 1823. 4".
144 lich-graue Farbung beibehalt. Es zeigen sich
häufig Nieren von Wasserkies, zuweilen in kry- stallinischen Knauern ausgesondert. Diese Bil-
dung, welche den eben erwahnten, ziemlich ein-
formigen Charakter beibehalt, lafst sich im Bette des Birsigs bis gegen das Dorf Binningen ver-
folgen. Sie wird daselbst überdeckt, theils von Dammerde, und von den Gerollablagerungen des aufseschwemmten Landes, theils von dem tertia-
ren Lehm ‚ Sand und Sandstein-FHügeln,, welche vom Bruderholz, hinterhalb des Zolees und des Dorfes Alschweiler in das Elsafls sich hineinzie- hen “). Sie erscheint hoher im Thale des Birsigs wieder in den Lettgruben des Dorfes Bottmingen, und zeigt auch daselbst noch eine ganz ähnliche Beschaffenheit.
| Im Ganzen steht also diese Bildung sehr ver- einzelt da, und da ihre mineralogische Beschaf- fenheit so wenig Ausgezeichnetes hat, so mochte es schwer halten, sie in Folge derselben mit Be- stimmtheit der einen oder der andern Gebirgs- schicht beizuordnen, welche in der Umgegend von Basel sich beobachten lassen. Ich habe sie früher *“), obwohl nicht zweifelsfrei, der Gruppe des bunten Mergels der Juraformation beigezahlt , weil in der neuen Welt, emem der nachsten Punkte, 'wo älteres anstehendes Gestein wieder zum Vorschein kommt, die Glieder dieser Gruppe mit Auszeichnüng hervortreten, und weil ähnliche Massen von blauem Leiten und Mergel in der Regel in den obern Lagern dieser Gruppe eine
5 bedeutende V erbreitung zeigen. Eine genauere
=) S. Beschaffenheit der Gebirgsbildungen in den Um- gebungen von Basel. ı821. S. ı21. ==) aa. BE. S. 38. 43.
1 A h)
‚Untersuchung; der Verstemeringen jener Lettenla- ger, zu welcher ich kürzlich veranlalst worden bin,,: hat mich aber belehrt, dafs diese Zusammen- stellune unrichüs ist.
5 I Es zeigen sich diese V. ersteinerungen in den Leitgruben von Bottmingen und Binningen. Sie.
sind zum Theil sehr wohl erhalten, und sammt- lich in einem nicht wahrhaft versteinerten , son- dern blofs im sogenannten kalzmirten Zustande. Schon dieser Umstand stimmt nicht überein mit dem, was wir an den Versteinerungen des Jura , und namentlich auch an denjenigen der Gruppe des bunten Mergels wahrzunehmen pflegen, und fuhren uns auf die Vermuthung, es mochte uns hier eine jüngere Bildung vor Augen liegen. Eine nahere Untersuchung erhebt ‚die V ermuthung zur Gewilsheit. |
Bei weitem die grolßste Zuahl dieser Verstei- nerungen sind eine Art von Justern, die, wie alle Austern, in Gestalt und Grofse manche Ab- weichungen zeisen. Manche der srolsern Aban-
o o
derungen nähern sich sehr der gewöhnlichen ef$=
baren Auster (Ostrea edulis L.”), in der Re-
cel sind sie aber von einer geringern Grofse. Ob
die Conchyliologen und Versteinerungskundigen ‚dieser Austerart schon eine bestimmte Benennung beigelegt haben, wage ich nicht zu entscheiden ,
o
die genauen Abbildungen , EN Bruckner **)
‚und besonders d Annone ' ““) von derselben ge-
) 2 z. B. die Br Knorr Verst. abgebildete | IV.E 3, *) Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel. t. 4. ©. d. e. *#°) Knorr, Versteinerungen. P. Il. t. D. IV. £. ı. >. 3 m 6. }
ı46
geben haben, überheben mich aber einer nähern Beschreibung. Seltener findet sich unter der grofsen Menge der Exemplare dieser Austerart eine andere, rofsere, mit sehr verlangertem Schnabel, die der Ostrea lamellosa, Brocchi sich entfernt nähert, die aber wahrscheinlich nur ein sehr altes Individuum der gewohnlichen Art ist *).
Ebenfalls selten erscheint in demselben Fund- ort eine eigenthümliche, grolse, von den systema- tischen Gonchyliologen noch unbenannte, gefaltete Austerart, welche Zruckner **) abbildet.
Auf der Oberflache der kalzinirten Austern von Bottmingen sitzen, zuweilen in grolser Menge kleine Seeeicheln. Sie scheinen mir mit dem Balanus miser Lam. ubereinzukommen, welcher noch lebend in unsern NMeeren angetroffen wird, und auch in den Subappenninischen Hügeln ver- steinert sich findet. Der sel. Professor d’Annone hat über diese Seeeicheln eine besondere Abhand- lung geschrieben, und Abbildungen geliefert “*"*). Hr. Zrocchi rechnet sie zu seinem Lepas ba= lanus °*”*).
Ausserdem zeigen sich in den Lettgruben von Bottmingen noch kalzinirte Ceriten, welche mit dem Cerithium plicatum, Lam. überein-
*) S. deren Abbildung bei Änorr , a. a. O. f. 5.
*#) a.a. O.t. 4. f.a. Die Abbildung ist gut, nur etwas kleiner als das vor mir liegende Original der Zeichnung. Das letztere hat eine Länge von 5 franz. Zoll.
**:) De balanis fossilibus, in dem Actis helveticis, I. S.'a42. t. ı0. Kur VEE P.IE EC KL f. 2.3. Auch Bruckner bildet sie ab, obgleich etwas roh, und.a.a. O.t.4. f.6, und sieht sie | fälschlich für kleine Austern an. »*=#) Gonchiologia fossile subapennina. S. 598.
147
kommen. Auch von diesen hat Bruckner eine, obwohl schlecht gerathene Abbildung gegeben “).
Ueberblicken wir diese Versteinerungen ‚so zeigt sich zwar, dafs alle Meerthieren angehören r dals folglich die Gegend von Basel zur "Zeit wo diese Kabtörnfanikenn und andere Muschelarten lebten, und die Mergellager, welche sie ein- schliessen, sich absetzten, vom Meere überdeckt gewesen seyn muls; und da die Gebilde des Jura auch beinahe sehhöfieh Meerthiere enthalten, so konnte man bei einem oberflächlichen Ueber- blick unser Mergellager leicht dem Jura beizahlen. Die nahere Vergleichung der Versteinerungen zeigt aber, nicht blofs wegen der bessern Erhaltung , die wir bereits erwahnt haben, sondern wegen der gänzlichen Verschiedenheit der Geschopfe , dals die Vereinigung unthunlich ist. Wenn die unbestimmte und unabänderliche Gestalt der Au- stern schwer zu einem bestimmten Unterscheidungs- srunde veranlassen kann, so sind hingegen die ‘Arten von Balanus und Cerithium, die wir in Bott-
mingen antreffen, im Jura noch nicht aufgefunden
worden. Es ist sogar noch nicht bestimmt aus- gemacht, ob die Gattungen, welchen diese Arten
angehoren , namentlich die Gattung Balanus, in der Juraformation auftreten. Es haben folglich die Ueberreste von Seeihieren des Botiminger Mer- gellagers ungleich mehr Aehnlichkeit mit den jetzt noch lebenden Geschopfen ‚ als die, welche der Jura aufweist; ja einige Arten schemen sogar mit
nn ar . ia einigen noch lebenden vollig übereinzukonmen, die Zeit ihrer Absetzung fallt also in eine ungleich spätere Periode, als die Bildung der Bestandmasse
des Jura gebir gS.
a 5 HR PR rs ©
148
Ein vergleichender Ueberblick mit den in an- dern Gegenden beobachteten Gebilden lehrt uns , dals das ai Mergellager ungefähr zu e. Zeit entstanden seyn ve ‚ wo die uber der Kreide liegenden Meerformationen der Gegend von Paris, die Conchylienlager der Gegend von Mainz , 4 Sandstein- und Na gelluhmassen der innern Schweiz, und die ubappenninischen Hügel abgesetzt wor- den sind. Es wäre das die erste mir bekannte be- stimmte Beobachtung , von denı Daseyn dieser Formation im Gebiete der Jurakette; wahrschein- lich dürften sich indels an andern Orten ähnliche Wahrnehmungen machen lassen. Ich habe be- reits Spuren, dafs an andern. Stellen des Cantons Basel ähnliche Bildungen angetroffen werden kon- nen, und auf der offentlichen Sammlung in Basel finden sich sehr wohl erhaltene kalzinirte Exem- plare des Gerithium plicatum aus dem Bisthum Basel. Die Vermuthung wird dadurch unterstützt, dals nicht nur Süfswasserbildungen, hochst in lich spätern Ursprungs als diese Mergelformation , an manchen Stellen im Innern der Jurakette ver- einzelt vorhanden sind *), sondern dafs auch viele Hauptthaler des Jura , wie die Thaler von Lau- fen, von Delsperg, von Münster, von Court, des St. /mberthal und andere einen nein aufweisen, welcher mit der Molasse der innern - Schweiz übereinzukommen scheint. Wahrschein- lich dürfen wir bald genauern Beobachtungen uber diese Gegenstände entgegensehen.
In Fein Mergel bei Bottmingen und Binnin-
gen findet man zuweilen Stucke von bituminosem
®) S. Uebersicht der Beschaffenheit der Gebirgsbil- dungen in den Umgebungen von Basel. S. 116.
149 Holz, und zwischen den Ablosungen verkohlte Blätter, welche indels zu undeutlich sind, als dals eine Vermuthung über die Art der Pflanzen, welcher sie angehort haben mögen , gewagt wer- den dürfte. Es haben diese Anzeigen in frühern Zeiten Veranlassung gegeben Versucharbeiten auf Steinkohlen in diesen Gegenden anzufangen, welche
indels sammitlich ohne Erfolg geblieben sind. Das Verhaltnifs dieser bei Basel beobachteten Meerformation zu den übrisen beobachteten For-
5 mationen der Umgesend , lalst sich an den erwahn-
. o o . ten Stellen nicht wahrnehmen. Weder in Basel
selbst, noch bei Binningen und Bottmingen , wo
Bohrlocher bis gegen 200! Tiefe durch diese La-
ger sind getrieben worden, hat man dieselben jemals durchsunken. Die Weise, auf welche sie sich an die eigentliche Juraformation anschliessen , bleibt daher unbekannt, bis wir sie an andern, mehr entblofsten Stellen auffinden. Dafs sie uber-
deckt werden durch Ablagerungen von Lehm,
Sand und Sandstein, haben wir bereits früher erwähnt *).
*) Aus den Manuscripten des verstorbenen Hrn. Zn. Linder, welcher Versuche auf Steinkohlen in diesen Lagern an. stellen liefs, füge ich noch Folgendes bei. In einer im J. 1783 verfafsten Beschreibung heifst es: „Unter einem „Lager von Sand, Geröllen, Lehm und Sandstein befin- „det sich auf den Hügeln oberhalb Bottmingen ein blauer „Kalkletten, welcher zum })üngen sehr nützlich ist. Die- „ser blaue Letten zerfällt an der Luft in zarte Scheibchen „gleich dem Schiefer. Es giebt weißlich-blauer , welcher „etwas sandig und glimmerig ist,‘ satt ‘blauer bis aufs „Schwärzliche stechend, welcher gemeiniglich sehr schmie.- „rig und fett ist, auch zäher wie Leimen. In einer Teufe „von 1507 unter dergleichen abwechselnden Letten hat „sich auch ein Letten vorgewiesen, welcher stark aufs „Grünliche stach , und mit vielem Schwefelkies ,„ aber wie „feiner Staub angeschmaucht war. In hiesiger Gegend „ist diese Lettenbank niemals ganz durchsunken worden.
ı50
11.
*%) Beschreibung und Naturgeschichte des bärtigen Geieradlers (Gypaeltus barbatus).
— nn
Namen.
Der allgemeinste Name dieses Vogels i in der
Im BörnellOber- lande werden die Alten Goldadler , auch Stein=
Schweiz ist: Lämmergeier.
„Hart Gestein enthält solcher sehr wenig, und nur Plat- „ten-Steine von 2 bis 6 selten 1/ mächtig. „Stellen ıst in selbigem gebohrt worden , allwo man bis „in 20 und 30/ nicht das geringste Gestein angetroffen hat.“
Ein von demselben Hrn. Linder im J. 1770 angestellter Bohrversuch beim Binninger Schutz zeigte folgende ee :
41. Dammerde von verschiedener Beschaffenheit 2. Dammlett , worin viele Austerschalen
. Gelber Sand R
. Blauer Letten, worin Äbis 6 Zoll dick verkohl.
tes Holz 2 ung
. Bläulich.graues glimmeriges Gestein
. Graues Gesten . .
. Grau.blauer Sand . 9. Graues Gestein „ . 40. Grau-blauer Sand . 41. Verwitterter Lettenstein 12. Blauer Letten . . .
3 4 5 6. Grau.blauer Sand . 7 8
13. Weisser, grauer und bläulichter sandige
4A: Ksesiem ae zouıta Fa Ba ee 16: 8tem - . „ars A 0e 17. Lett, sandiger .
.
ee zäher
18. Stein WER PR a“ Ba BO THERL u; i 21. Lett, sehr zäher Aehnliche Gebirgsart
. r .
Letten 2
e ” . .
An einigen
ee TE
192. —
*) Diesen Aufsatz, dessen Verfasser als eifriger , leidenschaft. licher Freund und gründlicher Kenner der Ornithologie ß
ı5ı
adler , die Jungen aber Schwarze Adler ge- nannt. [Der eigentliche Steinadler (Aquila fulva) ‚heifst dort allgemein Gyr (Geier) auch Lammer- gyr].e Im Glarnerlande und im Canton St. Gallen heilst er: Jochgeier, auch schlechtweg: der Vogel. &
Kennzeichen der Art.
Der Oberschnabel gegen das Ende aufgetrie-
ben. - Die Wachshaut und beide Kiefer an der Wurzel mit starken Borsten besetzt. Am Unter- schnabel ein langer, schwarzer, senkrecht. her- abkangender,, borstiger Bart “). Die Hornhaut
s des Auges hervorstehend aufgetrieben. Der
Schwanz sehr lang und keilformig. Beschreibung ““). Um den bartigen Geieradler in seinem Ju- genäkleide nicht, wie es oft geschieht, mit dem
F4
als kunstgerechter Jäger und zugleich mit allen physi. schen und geistigen Erfordernissen eines guten Beobach- ters ausgerüstet, die Vögel der Schweiz seit mehr als 30 Jahren zum Gegenstande seines besondern Studiums ge- macht hat, liefern wir hier als Probe eines umfassenden Werks, in welchem der Verfasser seine sämmtlichen Beobachtungen über alle in der Schweiz lebenden und vorkommenden Vögel bekannt zu machen gedenkt, Es enthält aber dieser Aufsatz über einen so selten und schwer beim Leben in der Freiheit zu beobachtenden Vogel so manche neue und höchst interessante Beobach. tung, dafs die Leser demnach zum Voraus sich ver. sprechen dürfen, m dem verheissenen Werke über alle andern , und selbst über diejenigen Vögel, die man schon Jängst ganz und gar zu kennen glaubte, noch recht viel Neues und Interessantes zu vernehmen.
*) Dafs in den bisherigen Beschreibungen dieses Vogels der Bart als vorwärtsstehend angegeben worden, kömmt / blofs daher, dafs alle diese Beschreibungen nur nach todten Exemplaren gemacht wurden. Der lebende Vo- gel läfst seinen Bart Stets senkrecht her abhängen.
*v) Es ist kaum nöthig, eine weitläufige Beschreibung von emem Vogel zu machen, der beinahe unmöglich mit
152
Steinadler zu verwechseln, so nehmet, liebe Le- ser! wenn ihr einen dieser grolsen Paubvogel in die Hande bekommt, euer erstes Augenmerk auf
Die Füsse. Diesh sind beim Steinadler gelb, bei dem Geieradler bläulich-grau , bei jenem Be stark, bei diesem aber nach Verhaljnils des Kor- pers sehr schwach.
Das Auge des Geieradlers ist erhaben , mit einem rothen und eelben Rins umseben, und
weilsgelber Regenbogenhaut (Iris). Das Auge
des Steinadlers hingegen ist flach, wie bei jedem andern Raubvogel und braun.
Die Nasenlöcher des Geieradlers sind mit schwarzen Borsten bedeckt , beim Steinadler ste- hen sie offen in einer gelben Wachs- oder Na- senhaut.
Der Kopf des jungen Geieradlers ist beinahe ganz schwarz; bei dem Steinadler hingegen ist Kopf und ein Theil des hintern Halses mehr oder weniger rostgelb.
einem andern zu verwechseln ist, insofern man nur die geringsten Kenntnisse von der Ornithologie besitzt. Allein da ich mehr für diejenigen schreibe , welche diese Kennt“ nisse erst sammeln wollen , so habe ich mich bemühet, diesen Vogel, der in seinem Jugendkleide von Nichtken. nern oft mit dem Steinadler verwechselt wird, so kenn. bar zu machen, dafs künftig jeder meiner Leser diese beiden Arten sogleich wird von einander unterscheiden können. In diesem Augenblick, da ich diese Beschrei. bung abfasse, stehen sieben Exemplare vor mir, und ich könnte daher, wollte ich mich auf alle kleinen Abweichun. gen, die ich an denselben bemerke, einlassen „ eine sehr weitläufige Beschreibung liefern. Allein ich beschränke mich blofs auf die beiden Haupt-Farbenverschiedenheiten des dreivierteljährigen und des zweijährigen Vogels. — Dafs ich ein wenig von der in omithologischen Büchern angenommenen Form der Beschreibungen abweiche , wird man mir verzeihen, wenn man nicht vergifst , dafs ich nicht blofs für gelehrte Ornithologen schreibe.
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Das anffallendste Kennzeichen ist bei dem Geieradler der schwarze Bart am Unterschnabel , wo hingegen der Steinadler nur kurze Federchen hat.
Der Schwanz ist bei dem Geieradler lang , seine mitllern Federn sind die langsten,, von welchen an die übrigen nach äiranideri immer kur- zer werden, so dals die aussersten die kürzesten sind. Bei dem Steimadler ist der Schwanz kurz, und alle Federn desselben in der Lange fast gleich. Ein grofser Unterschied ist endlich AR in der
Gröfse. Der regen ist 4! Schuh lang und hat immer über 9’ von einer F lügelspitze Sup andern in der Breite. Der grolste Steinadler aber hat nur 3‘ Lange und niehtitehr als, 7° in der Breite.
Der Geieradler andert sein Farbenkleid fol- sendermalsen :
Als ganz jung im Flaum ist er ganz weils. For seiner ersten Herbst-Mauser ist die herr- schende Farbe dımkelbraun-srau. Nach dersel-
o
ben wird der Kopf, den Scheitel ausgenommen ,
graubraun, besonders aber die Wangen, welche am hellsten sind. Der ganze Hals bis auf die Schultern ist schwarzbraun ; die Federn des obern Rückens geschäckt, indem bald die eine, bald die andere Fahne weils oder dunkelbraun ist; alle haben nach oben weisse Kiele. Die Flügel und Schwanzfedern sind unten braungrau. gewässert, ; übrigens dunkelbraun. Die Schulter- und obern Deckfedern der Flugel sind fast wie die Rücken- federn gefärbt. Bi: Bauch und Hosen sind
erdfarbig und sranbraun gewassert, das Brawmne
mehr oder weniger in das Rostfarbige ziehend. Nach der ersten Frühlings= Mauser werden
4
154
Schwanz und Flügel heller und grauer. /n der zweiten Herbst-Mauser wird Hals und Bauch rostfarbig; an der Brust bleibt noch ein herzfor- miger, dunkelbrauner Fleck, der hauptsächlich durch die Spitzen und Saume der Federn gebildet wird. Die Flügeldeckfedern und der Rücken grau, rostfarbig überlaufen, mit dunklern Federsäumen. In der zweiten Frühlings-Mauser werden Flü- gel und Schwanz noch heller grau; die Saume der Federn bleiben dunkel. /n der dritten Herbst-Mauser endlich zieht der Vogel sein ganz vollkommenes Federkleid an. Der hintere Theil des Halses, Bauch und Hosen werden weils, ein wenig, rostfarbig überlaufen. Der braune Fleck auf der Brust ist nun verschwunden; Kehle und der untere Theil des Halses hell-rostfarbig ; die Pucken- und obern Flügeldeckfedern sind regel- massig in der Mitte grau, mit dunklern Saumen, und der weisse Riel lauft an der Spitze jeder Fe- der in ein weisses Dreieck aus. Der Scheitel ist weils; von den Nasenlochern geht über die Augen ein schwarzer Streifen der sich hinter den ‘ Augen gegen die Mitte des Kopfes zieht, und von da über den Scheitel nach vorn sich wieder verliert. Das Ohr ist mit schwarzen Federn be- deckt. — Die Flaumfedern werden von Jahr zu Jahr gelber, so dals sie bei einem dreijährigen Vogel hell-rostgelb sind. Uebrigens ist kein Jun- ser wie der andere gefiedert und auch die Alten weichen in der gelben Farbe besonders im Nacken und an der Kehle ziemlich von einander ab.
So lange der Vogel lebt, ersetzt sich die Spitze des Schnabels und an den Seiten blattert er sich immer ab.
Gewicht: Der grolste, welchen ich‘wog,
hatte 1314 15, der kleinste 6% Tb.
_ Fr w
Aufenthalt:
Dieser Vogel bewohnt die hohe Alpenkeite, vornehmlich dert Cantone St. Gallen, Graubundten, Bern und Glaris; auch in Wallis findet er sich. Am meisten habe ich ihn in der Kette des hohen Säntis und in derjenigen, welche den Wallen- statter-See nordlich begranzt, angetroffen, so wie in den Gebirgen des Berner-Oberlandes von Interlachen bis zur Grimsel. Er ist besönders auf der Mittagsseite dieser Bergketten im Sommer und im Wi inter anzutreffen , ud ist auch eigentlich. bei weitem keine so grolse Seltenheit, als man wohl denkt. Dafs aber so wenige von ren Vo- seln geschossen werden, ruhrt nur daher, dafs der Geieradler sich des Tages meist ruhig. ver- halt, der Jager aber, welcher in die Gegend sei- nes Aufenthalts kommt, mehrentheils auf Gemsen ausgeht und nur auf diese achtet, daher auch nichts anders schielst, damit er durch einen Schufs nicht etwa eine nahestehende Genis verjage. Auch ist das Heranschleichen zu diesem Vogel meistens vergebens und viel muhsamer, als zu einer Gems. Vom Flugschiessen wissen aber die Bergjager ge- wohnlich neh,
Im Sommer halt sich der Geieradler auf den felsigen hohern Alpen auf, wo noch Schaafweiden sind. Niemals wird man ihn hoher als in dieser Region , oder gar über der Schneeregion antreffen. Im Frühjahr, oder vielmehr im Februar bei vielem Schnee kommt er in die Thaler und Dörfer herab , die gegen Mittag liegen, ja bisweilen selbst in die Filäähen, und Kahn ag leicht bei einem Aas ge- fangen ie geschossen werden, indem er sich auf kleine ‚Bezirke 'einschraänkt. So findet'man ihn
Natw. Annl. I. 2. 11
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fast alle Jahre zwischen Interlachen und Brienz und zwischen Schännis und Wallenstadt. Er lebt höchstens in Gesellschaft seiner Gattin, und man trifft gewöhnlich ein Paar nicht sehr weit von einander entfernt an. Doch kann sich das Revier eines Paares immer auf emige Stunden weit er-
strecken. : Nahrun g.
Die Nahrımg des bartigen Greieradlers besteht meistens aus Aas. So lange er dieses hat, greift er kein lebendes Geschopf an. Findet er kein Aas, dann wagt er sich an alles, nicht nur an Haasen, Murmelthiere‘, Gremsen, Schaafe und Ralber,. sondern selbst an grolses Rindvieh und junge Pferde und sogar an erwachsene Menschen. Er ist mehr Dammerungs - als Tagraubvogel, vor- nehmlich zu einer Zeit, wo er hinlangliche Speise hat, besonders im Sommer wenn er ein grofses Stück Vieh oder Gewild entweder selbst gefällt, oder ein erfallenes ausgespürt hat. Dann ist er mehr Aas- als Raubvogel.
Er nimmt seinen Stand gewohnlich auf einer Stelle, wo er freien Abflug hat: ‚ und zwar mei- stens auf Felsen, die mit seinem Farbenkleide übereinstimmen, oder an steilen Flügeln auf der Erde, nie auf Bäumen. Daher sind seine Kral- len gewohnlich ziemlich stumpf, seine Schwanz- Fade hingegen wenig abgestossen, weil er sich immer so zu etc sucht! dafs der Schwanz frei herabhangt ohne irgendwo anzustossen,
Er Teöfst nicht, wie andere Raubvogel auf ihren Raub stofsen. Hierzu ist er nicht gebaut ; sein Korper ist zu klein, Flügel und Schwanz aber verhaltnilsmässig zu dem Korper zu lang und
227 schwer, um schnell auf einen Raub von einer Hohe herabstofsen zu konnen. Die Art, wie er sich emes Raubes bemachtigt, die ihm ganz eigen ist, beruht mehr auf hen gewissen Vortheil, als auf grolser Starke. Nie fliegt er in Kreis wie andere Raubvogel, über emem Raube, son- dern wenn er ein T hier erblickt, dessen er sich bemachtigen mochte, so setzt er sich in ziemli- cher Entfernung oberhalb desselben und so leise, als moglich nieder, wo er dann Stunden lang ,
=
nach Art der Eulen , auf den gunstigen Zeitpunkt lauert, bis der Gegenstand semer Begierde nahe an einem steilen Abhange steht. Dann fahrt er auf einmal dicht über der Erde hinab gegen das Thier,
welches gemeiniglich vor Sektöck ee den Ab- hang inuntärstirei und Hals und Beine bricht. Nicht selten geschieht es, dals, wenn er auf diese Weise auf Schähfe oder Ziegen stolst, er meh- rere miteinander, ja wohl ganze Hoechden über eine Felsenwand hinaussprengt, wodurch er also grolsen Schaden verursachen kann. Allein da er diese Operationen meistens in den ersten Stunden der Nacht oder vor Anbruch des Tages vornimmt, so weils der Aelpler gewohnlich nicht, wie es zugegangen ist, und schreibt das Unglück dem Bär, dem W olfe oder Luchs, auch vielleicht einem Ungewitter zu. — Auer- und Birkhühner verzehrt der Geieradler, wie ich glaube, meistens als Aas, wenn nicht ein besonderer schicklicher Zufall ihn begünstigt, sich dieser Vogel lebendig zu bemächtigen , en auf sie zu Molkans da scheint er mir zu langsam. Vom Aufheben und A OGER einer ea grolsern Beute, ist keine
ede. | |
Die‘ obenbeschriebene Methode, sich eines Thieres zu bemächtigen , gelingt dem Geieradler
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fast immer. .Ich,selbst. war einst Zeuge, wie einer ein Rind über einen Felsen hinaussprengte, und sich darauf. sogleich in die Tiefe auf das zer- schmeitterte T'hier hinabliefs. Als ich dazu kam, hatte er demselben schon ein Fufsgelenk abgeloset.
Die Knochen sind diesem V ogel'immer her, als das Fleisch, und es ist fast unbegreiflich , wel- che grolsen Ronochenstüucke er verschlingen kann. Ich fand einst, in. dem Magen: eines, Greieradlers einen 3. breiten und 5’! langen Kopf vom Öber- schenkellinochen einer Ruh, den Unterschenkel- knochen einer 'Gemse, der über; 6’! Jang war, ausserdem eine Rippe der Gemse, den Fuls eines Birkhuhns, nebst mehrern HKnochenstücken und Gemsehaaren. Von.einem andern besitze ich noch den ganzen Vorderschenkel und, den Fuls eines Ralbes vom Ellnbogengelenk an, doppelt zu- sammengelegt g’' lang; Ba vom Oberschenkel- Konehal, des) gleichen Thieres, beide in der Mitte zerbrochene Schenkelknochen eines Auerhuhns; alles aus dem Magen, nebst vielen andern Kno- ehenstücken , die sich in den Gedäarmen fanden. — Die kleinern Knochen losen sie bei den Gelenken ab, oder verbrechen dieselben, die grolsern neh- men sie, wie sie sie finden, indem jedes erfallene Thier, durch den Sturz. mehr oder minder alle Glieder -bricht und, seine Knochen zersplittert. Dals der Geieradler solche .grolse Rnochen in die Luft trage und fallen lasse, damit sie zerbrechen, habe ich nie gesehen und wird wahrscheinlich nur Idee seyn! Alle verschiungene Knochen werden durch den Magensaft sehr geschwind und stark angegriffen; die verschluckten Haare sind in die leeren Raume der Knochen wie eingehknetet, und gehen mit kleinen Kinochensplittern dureh va
-
129 Koth ab. Hornartige Theile, wie Horner und
Kiauen bleiben am langsten im Magen zurück. Gewolle habe ich nie von ıhm gesehen.
Ich werde die abentheuerlichen Geschichten die man vom Geieradler erzählt, dals er Rinder aufgehoben und dürch die Lüfte davongeiragen haben soll, hier nicht wiederholen, sondern be- onuce RR nur meine Meinuns uber dieselben o 7 oO . * P} . zu sagen. Wenn an der Wahrheit einiger dieser Geschichten nicht sezweifelt werden darf, wie
be) 9 z. B. an jener von der Anna Zurbuchen,, Läm-
mergyranni genannt “), so gehoren diese vielmehr
& auf Rechnung des Steinadlers, als des Geierad-
lers, der, so wie ich ihn kenne, ganz gewils dhschaldtr daran war. Dieser Irrthum rührt nur von der V erwechselung der Namen dieser beiden Vogel her, und die Fleireh Erzähler jener Ge- schichten, die nur Volks- und Jagersagen ein- sammelten und wiedergaben , wie sie sie empfan- gen hatten, haben nur vergessen oder nicht ge- wufst, dafs in mehrern Gegenden der Steinadler Lämmergyr genannt wird. Hingegen ist es nicht zu bezweifeln, dals der Geieradler schon" Ver- suche gemacht hat, erwachsene Personen über Felsenabhänge er ‚ wovomich selbst auf dem Austock bei Mollis im Glarnerlande ein Beispiel gesehen habe. David Schindler, seiner - Zeit en berühmter Gemsenjager, verfolgte eine Gemse. uber ein schmales Felsenband , wo, bei der Unmoglichkeit aufrecht zu gehen, ihm kein. anderes Mittel übrig blieb, sich dem Thiere, zu nahern,, als auf dem Bauche liegend und die Flinte vor sich herschiebend förtzurutschen. In dieser ,
*) $. Reise in die Alpen von F. N. König. Bern 1814. S. 73.
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an sich schon sehr gefährlichen Lage kam ein Geieradler geflogen und fuhr dicht an ibm hin, um ihn mit seinen Flügeln in den Abgrund hinabzu- stürzen. Als er dieses bereits zum drittenmale wiederholte , drückte Schindler , der nicht aufste- hen ımd sich kaum noch halten konnte, seine Flinte liegend los, worauf sich der Vogel ent- fernte ").
Nach dieser meiner eignen Erfahrung sind mir alle die Geschichten, wo der Geieradler Er- wachsene an steilen Abhangen angegriffen haben soll, viel wahrscheinlicher, als die einzige Wee-
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nahme eines Kindes durch diesen Vogel. Denn
da, wo er hauset, kommen erstens keine Rinder hin, und dann braucht er weniger Kraft eine Kuh in Schrecken zu jagen, dals sie über eine Felsen- wand hinabstürzt , oder einen Mann, der mit grols- ter Behutsamkeit , Schritt vor Schritt uber einen
*) Wäre dieser Mann damals ın den Abgrund gestürzt, er rätte kemen jammervollern Tod gehabt, als er einige Zeit.nachher wirklich. erlitt. Als er nämlich. auf den Höhen des Wiggis ım Spätjahr auf der Gemsenjagd war, und wegen schlechter Witterung sich entschliessen mufste schnell heimzukehren, that er, noch in grofser Höhe über den obersten Staffeln der Auernalp, einen unglück- lichen Fall, der ihm das eine Bein brach. Fern von aller menschlichen Hülfe lag er da; nichts blieb ıhm übrig, als durch wiederholte Schüsse den Hirten in der tief unter ihm liegenden Alp seine Noth anzudeuten. Man hörte die Schüsse, allein der tiefgefallene Schnee , welcher die Hirten nöthigte, ihr Vieh schnell nach den untern Staffeln hinabzutreiben, war Schuld , dafs sie den Wunsch, den Hülfe begehrenden aufzusuchen , aufgaben, der also dort oben, auf die erbärmlichste Weise, des schrecklichsten Hungertodes sterben mufste. Erst im folgenden Jahre fand man den Körper des Unglücklichen und errieth seine fürchterliche Todesgeschichte aus dem mit dem. Nasentuche umwundenen Knochen des Beins , aus dem zernagten Leder des Waidsacks und der Schuhe, womit er noch zuletzt den wüthenden Hunger gestillt zu haben sehien ! h
161
schmalen F elsenvorsprung. hinschleicht , wo er kaum Platz genug sieht einen Fuls in hinzu- stellen, hinabzuwerfen, als nur einen 10 1b schwe- ren Säugling N und fortzutragen. Auch fragt sich's, ob ein Gewicht von 10 15 nicht die kleinen Schenkel des Geieradlers ausstrecken würde, wodurch er die Kraft seiner Klauen ncth- wendig verlieren mülste; denn jeder Renner weils,
dals ein Paubvogel mit den Bemen nichts aufzu-
"heben und fortzutragen vermag, wenn er sie nicht
an sich ziehen kann. Daher darf man einem sol- chen Vogel, der etwas mit den Klauen ergriffen hat, nur Te Beine ausstrecken, so wird er bald loslassen. Wie viel Wahres an Geschichten der Art seyn'mag, wo erzahlt wird, dafs ein Geier- adler eine 27 Tb schwere eiserne Falle auf ein hohes Gebirge getragen habe, werden diejenigen zu beurtheilen wissen , denen es bekannt ist, dals ein Vogel keine viel schwerere Last tragt, als er selbst wiegt, d. h. in gerader Richtung damit fortfliegend,, nicht aufwärts steigend. Wohl ver- mag er von einer Anhohe in sinkendem Fluge die Halfte seines Gewichts mehr fortzuschleppen. — Ueberhaupt habe ich den Geieradler nie etwas mit den Füssen tragen gesehen. Wenn er et- was fortzutragen Hirt. so geschieht es immer im
Schnabel.
Fortpflanz ung.
\
Der Geieradler paart sich schon im Februar und nistet im Merz. Sein Nest,baut er immer in und an Felsen, und zwar sehr gern an eine Stelle, wo ‚etwa ein T’annen- oder Laubholz- Busch über der Kluft steht. Nie nistei‘er in. den
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unfruchtbaren hohen Gebirgen, denn er flieht die Regionen, wo nichts mehr lebt; vielmehr schlagt er seine Wohnung meistens in denjenigen felsigen Alpen auf, wo Weide für Schaafe und Ziegen ist. Ich hadsc sogar ein Nest an einer bene gesehen , die kaum 300 Fuls über der Hauptland- shiiikse von Chur nach Reichenau und keme 20 Minuten weit von derselben enifernt ist. Da das Nest dieses grofsten gefiederten Alpenbewohners, so viel ich weils, noch nie beschrieben worden, so wird die hier folgende Beschreibung jenes Ne- stes, das ich sehr genau untersucht habe , nicht unwillkommen seyn.
Die Lage des Ortes, wo das Nest angelegt war, ist eine steile, gegen Morgen gekehrte Fel- senwand, vor welcher eın senken aufstehendes Bolsisisibk das einmal heruntergerutscht zu seyn scheint, eine zweite Wand bildet, die Sich in der Hohe von etwa 30 Fufs uber au mit Tan- nengestrauch bewachsenen Grunde , von jener Hauptwand so weit entfernt, dafs zwischen beiden dadurch ein geräumiger Platz von ı6/ Lange ent- steht, der an der rechten Seite 7%’, an der Iin- ken aber nur 5’/ Breite hat. Der ganze Platz ist mit Erde ausgefüllt, und aus demselben steigt auf der linken Serie eine Buche, von der Dicken eines Mannsschenkels, empor. Das Feisenstück erhebt sich noch ı0°/ hoch uber diesen Platz und bildet einen Schirm gegen die Mittagssonne. Auf die- sem Platze nun, in der Kluft zwischen den bei- den Felswänden, war das Nest angelegt. Seine Grundlage war die Erde; der Kranz oder Umfang desselben bestand meist aus 'T’annenreisern, ie und wieder mit Laubreisern und Haidekraut unter-
niengt. Die Schaale oder die Vertiefung des Ne-
ı6)
stes war mit grobem Grase und Haidekraut aus- efüllt. Die Breite des ganzen Nestes, welches eine langlich-runde Gestalt hatte, betrug mit In- begriff des Rranzes 614!; die Länge nur 5/. Die Ver ertiefung hatie gerade ER umgelchrte V a nils , Sn ıhre BE nur ı/ 5’, ihre Länge hingegen ı! 10” hielt. Die Tiefe betrug nur 2lall, Der linke oder hintere "Theil des Kranzes hätte 8/, der rechte oder vordere aber A’ 6” Breite. Nach vorn oder rechts verlor sich die Hohe des Nestes ganz, so dafs sie der Erde gleich wurde, nach hinten oder links betrug dieselbe ı’ A". Zur Rechten war der Ausflug, der von dem Mit- telpunkte des Nestes an gerechnet 9/ hatte und zugleich die Tafel bildete, wo dem jungen Geier- Bi aufgetischt wurde, wahrend der linke oder hintere Th heil hingegen den s. v. Abtritt vorstellte. Auf der "Tafel lagen mancherlei Gerippe und Knochen, besonders frische Rälberknochen, dann Ziegen- und Schaafknochen. In der Mitte des Nestes duckte sich der weilsflaumige junge Vo- gel, und hinier dem Neste lagen die auswendig gelbweissen, besonders am stumpfen Ende wie mit Leitwasser besprengten , inwendig milchweis- sen Schaalen der zwei zerbrochenen Eier, an welchen man deutlich sahe, dals das eine unbe- fruchtet gewesen. Von den Alten zeigte sich keiner. Ich liels den Jungen noch drei Wüchen im Neste, und als ich a: Verlauf dieser Zeit, am grauenden Morgen mich nebst einem er ten dem Neste aber mals näherte, flog ein Alter davon. Auf das sehr leise Gepipe des Jungen, der bereits befiedert war, kamen beide Alten her- bei und flogen, ohne einen Laut von sich zu ge-: ben, um uns her, bei welcher Gelegenheit ich.
104
das Weib erlegte. Bis Abends spat liels ich den Jungen auf da Rasen unter der Felswand liegen, in der Hoffnung, der Vater werde vielleicht wie- der herbeikommen, allein er zeigte sich weder an diesem noch den beiden folgenden Tagen nir- gend, obschon ich das ganze Tevier BRITEN und so verliefs ich dann diese Gegend (den 8. Mai 1816).
Früher schon hatte ich zwei andere Geierad- ler-Nester gefunden, allen die Jungen waren schon ausgeflogen. Beide waren in Struktur und Form den obenbeschriebenen vollig gleich, einige geringe Abweichungen nach der jedesmaligen Lage
Oo oO pr * . oO * ” und in Hinsicht der Materialien abgerechnet.
Nutzen.
Für den Menschen kenne ich keinen andern Nutzen dieses Vogels, als dals seine Schwanz- und Schw unsfedern sehr gute und dauerhafte Schreibfedern geben, die bis ı2 xr. das Stück bezahlt werden, und dafs der Schutze, der einen erlegt und ilın im Lande sehen lalst, oder ihn für eine Sammlung verkauft, ein schones Stuck Geld dafür erhält. Im Canton Bern zahlt die Regie-
rung 5 Nihlr. Schulsgeld fur einen Geieradler. Schaden.
Dieser erhellt aus seiner Nahrung. Er ist ganz gew ifs der schadlichste aller Raubvogel der SchR eiz. Seine Schadlichkeit liegt besonders in der Grofse der T'hiere, die er zu seinem Frafs wahlt, da er nicht selten Rinder und Kühe über Felsen hinabstürzt. Dagegen muls der Steinad-
ler manches Lanım, manche Ziege u. s. w. tod-
. 63
ten, bis er für den Werth einer einzigen Kuh geschadet hat. Noch bedeutender aber wird die Schädlichkeit des Geieradlers, wenn er ganze Heerden von Schaafen in den Abgrund stürzt. —
Auch der Gemsen-Jagd thut er grofsen Eintrag.
Feinde sind mir keine bekannt, als der Mensch. Zuwei- len, besonders im Fluge zankt sich der Steinadler mit ihm und neckt ihn, den er aber auch fliehet. Schmarozer-Insekten habe ich noch keine auf ihm bemerkt '‘), so wenig als in ihm Eingeweide- würmer.
*) Ich habe einst eine Läuseart (Ricinus) auf dem Geierad. ler in ziemlich bedeutender Menge gefunden , die von der auf dem Adler und andern Vögeln gewöhnlich vorkom. menien Art (Pulex Corvi ARedii) verschieden und viel. leicht eine neue species ist. M,
166 11.
Ueber zwei noch nicht beschriebene Arten von-Fögeln aus der Familie der Sänger.
Bei der Versammlung der allgemeinen Schwei- zerischen Gesellschaft für die Naturwissen- 'schaften in Bern 1822, vorgelesen von dem
Herausgeber.
Das im Jahr 1804 von mir herausgegebene Verzeichnifs der Vogel, welche die Schweiz ent- weder bewohnen, üdkr theils zu bestimmten , theils zu unbestimmten Zeiten besuchen, enthalt 260 Arten. Als ich 10 Jahre spater, in Verbindung mit memem hochverehrten Freunde und Gollegen, Hrn, Dr. Schinz, unter dem Titel: Die Vögel der Schweiz systematisch geordnet und Pa ben, ein neues Verieechnde lieferte, fand sich die Anzahl der Voeelarten, die wir bis dahin als
o
Schweizerbürger kennen gelernt hatten, bis auf
277, also um ı7 Arten vermehrt und heute, nach 6 verlaufenen Jahren, konnien wir zu diesen 277,
wiederum 10—ı2 Arten hinzusetzen, die seitdem in der Schweiz aufgefunden wurden.
Diese Erfahrungen haben uns emes Theils überzeugt, dals in demselben Verhältnisse , wie seit der Erscheinıng jener Verzeichnisse unter
uns die Anzahl der Forscher im Fache der Orni- thologie, so wie die der offentlichen und Privat- sammlungen zusenommen hat, auch die Entdeckun-
Oo
gen sich BEN R haben; sie geben uns aber auch
die Hoffnung , dafs wir bei fortgeseiztem, eifri- gen ] Nachforsehen noch manchen Vogel in der
167 \
Schweiz entdecken werden, den man bisher nicht in unserm Lande vermuthete; ja ich glaube sogar verheissen zu können, dals a in unsern Wal- dern, wie auf unsern Alpen und Moosflächen noch Arten von Vogeln werden finden lassen, die den Ornithologen Er jetzt ganz unbekannt geblieben sind. Namentlich durfte dieses mit leken Arten der Fall seyn, die zu der Familie der kleinen Sanger gehoren, von welchen bei weitem die grolsere Anzahl nur im Sommer bei uns ist. Wie? hore ich hier einwerfen, sollte es ‚moglich seyn, dals ınter diesen Vogeln,, die nicht nur einen kurzen Aufenthalt von wenigen Wochen in unserm Lande machen, die nicht blofs durch- ziehend sind, sondern sich wirklich auf eine län- gere Zeit haushablich bei uns ansiedeln, die einen geraumen 'T’heil des Sommers hindurch ihren lieb- lichen Gesang ertonen lassen und hierdurch unsere Aufmerksamkeit noch besonders auf sich ziehen — sollte es moglich seyn, dals es unter diesen noch Arten ah konne, die man nicht kennte? Das
5 ist kaum slaublich — und doch zweifle ich keinen
Augenblick an der Moglichkeit , die ich mir zur hochsten Wahrscheinlichkeit zu erheben getraue, auch wenn ich keine wirklichen Thatsachen an- fuhren konnte, die sie beweisen. Denn von wem haben wir Entdeckungen und Beobachtungen im Fache der Ormnithologie zu erwarten? — Von Ja- gern, V ogelfängern und den eigentlichen Natur- forschern. Vor den gewo SP Jagern sind jene Vogel, von welchen hier die Rede ist, voll- een: ES denn die schiessen Ve nur Schnepfen, Wachteln, Pebhuhner und an- dere elsbare Vogel, selten einmal -- aus Verdrufs
oder Neid -- einen Raubvogel, der glücklicher
‘
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jagte, als sie. Auf diese kleinen Vogel achtet der Jager gar nicht, und unter den allgemeinen Namen von Crasnuchen. Hagspatzen,, Laubvo- geln, Mückenpickern u. dgl. falst er sie alle zu- sammen, ohne eine Art von der andern zu unter-
scheiden. Auch ist fast wahrend der ganzen Tueit,
da diese Vogel die Wälder beleben, die Jagd
geschlossen. Also von den Jagern dürfen wir uns keine Entdeckungen dieser Art versprechen. Auch die Vogelsteller, deren es in der Schweiz überhaupt nicht so viele giebt, bekummern sich um die wenigsten Arten dieser Sanger. Nachti- gall, Schwarzkopf, Rothkehlchen sind fast die einzigen , denen sie nachstellen; und zu der Zeit, wo der Vogelfang bei uns am stärksten betrieben wird, namlich im Herbste, haben die meisten Sänger‘ unser Land schon verlassen. Wie wenig aber von den eigentlichen Naturforschern unter uns, denen Geschäfte mancher und gewohnlich canz anderer Art es selten oder fast nie erlauben,
=)
selbst auf Entdeckungen und Beobachtungen in
der freien Natur auszugehen und die gemachten anhaltend zu verfolgen , ‚ wie wenig, sage ich,
von diesen hierin geleistet werden Klon P wird ein jeder derselben selbst am besten wissen und fuhlen.
Es ist also sehr wohl moglich und nichts weniger
als unwahrscheinlich, dafs manche dieser kleinen Vogelarten , die theils wegen ihrer NRleinheit , theils aber auch wegen ihres verborgenen Aufent-
halts im Gestrauch und wegen ihres unstäten We-
sens und Verschlüpfens zwischen Laub und Zwei- sen sehr schwer zu beobachten sind , bisher noch 3 Entdeckung entgangen seyn EA: Manche
auch, die gar nicht ist, hat man vielleicht
wohl Ungst zu kennen gemeint und, weil man nicht
109
=
die Mühe genommen hat, eine genauere Unter- suchung und Vergleichung anzustellen, so hat es sich ereignet, dals ein solcher ganz gemeiner Vogel stets mit einem andern verwechselt worden ist, "dem er zwar sehr ähnlich ist, ohne jedoch darum derselbe zu seyn.
Diefs mag dann auch wohl der Fall.mit. den beiden Vog Sy seyn, die ich die Eihre habe Ihnen, H. H. vorzuweisen, und von welchen ich glaube, dafs sie alsneue, eigene Arten in das System auf- zunehmen seyn BE RE
Die erste Art gehort zu derjenigen Unter-
abtheilung der Sängerfamilie ‚ die man Laubvögel nennt. Ihr Korper ist kleiner, als bei den ubri- gen Sangern, mehrentheils dunkler oder heller srünlich und gelblich gefärbt; mit dünnen , ver- haltnilsmässig Tangen Pisten; Ihre Nahrung be- steht in Fliegen und andern kleinen Insekten, die sie ım Fluge” erhaschen oder von den Blättern der Baume Ne,
Unser’ Vogel, der übrigens gar keine Selten- heit ıst, w Re vermuthlich ke stets mit einem ıhm sehr Aehnlichen, namlich dem sogenannten Fitis-Sänger (Sylvia trochilus, bec-fin pouillot) verwechselt und fur einerlei gehalten. Die nach- folgende vergleichende Beschreibung der aussern Bildung beider Arten, und die Bemerkungen uber ihre ehensät und ihr Betragen, werden horehrlieh über den Unterschied derselben keine Zweifel lassen und die Rechte der Art für unsern Vogel vindizivren.
Schon in den Dimensionen ist zwischen bei- den kein unbedeutender Unterschied:
170 j
Sylvia trochilus.
Die neue Art.
Länge d. ganz.V ogels 5// dur giu Breite der ausgesp.
Flügel . . 8/1 7bariı U gu Schnabel . . — 41 —_ Wu Schwanz . 21. 74.2M I 177 110 Fufßswurzel . „. . — 9%/M —_ 9 Mittlere Zehe —_ 71,0 —_ 6 Hintere Zehe „. „ — 6/7 —_ 3/41 Die zusammengeleg-
ten Flügel lassen
vom Schwanz un-
bedeckt . ..— 84 — 11/4
Beschreibung.
Der Schnabel nach vorn zusammengedrückt, 7mi£ ein- gebogenen Rändern.
Oberkiefer kaum länger , als der untere, mit herabge- bogener Spitze, an derselben schwach gekerbt.
Unterkiefer gelblich-braun. Ränder deı Kiefer gelb mit “ schwarzen Wimpern besetzt.
Nasenlöcher durchgehend, ein wenig aufwärtsgekrümmt.
"üsse gelblich-braun, mit gelben Sohlen, Vägel gelblich
braun,
Oberhalb ist der ganze Vo- .
gel grünlich-grau, oder grau- grünlich überlaufen.
Von den Nasenlöchern zieht sich über die Augen nach dem Nacken hin ein deutlicher weifslich-gelber Streif.
Zwischen dem Schnabel und den Augen ein graubrauner.
Schläfe olivenbraun.
Kehle weifslich.
Brust weils und gelblich.
Bauch weils, Steifs "blafs- gelblich.
Schusung federn braun, mit olivenfarbigem Ausseurande.
Schwach, an der Basis nie- dergedrückt , nach vorn zu- sammengedrückt , ohne einge. bogene Ränder.
Länger als der untere, an der herabgebogenen Spitze schwach gekerbt.
Beide Kicfer bräun , an den Rändern etwas heller mit schwarzen Wimpern.
Länglich , schmal.
Braun. Dunkelbraun.
Ebenso, aber dunkler als S. Trochilus.
Von den Nasenlöchern zieht sich ein schmaler , zundeutli. cher gelb-weifßslicher Streifüber das Auge, der sich nach hinten gegen den Nacken verliert.
Ein matter schwarzgrauer durch das Auge.
Ebenso.
Weifs.
Graulich-weifs, mit gelb ge- mischt.
Bauchund Stei/s blafs-gelb.- lich überlaufen.
Braun , am Aussenrande oli. venfarbig gesäumt,
171
Flügel unten am Gelenk ‘ Am Gelenk gelb , unge. gelb, bisweilen braungefleckt. fleckt.
Die 2te und 3te Schwung- Ebenso. feder sind die längsten und gleich lang.
Schwanzfedern braun-grau Braun-grau, an der schma. mit blasserm Innenrande, am len (äussern) Fahne grünge- Aussenrande schwach oliven- säumt. farbig.
Zwischen Mann und Weib ist bei beiden kein Unterschied ausserlich wahrzunehmen.
Vielleicht mochte mancher diese angegebe- nen Verschiedenheiten in der ausserlichen Bildung allein für zu unbedeutend halten , um darnach diese beiden Vogel als zwei bestimmt verschiedene Ar- ten anzusehen; allein_diese allerdings geringen Verschiedenheiten in der Bildung erhalten den- noch Gewicht, wenn die Beobachtung der leben- digen Vogel Unterschiede zeigt, die es nicht ge- By i ne für einerlei Art. zu halten.
Wahrend Sylvia Trochilus stundenlang auf dem <leichen Zweige sitzt, und dem Jacer, der
o o ke)
auf ıhn zielt, dumm und sorglos in das Rohr hin-
einblickt, ist unser neuer ‚Vogel sehr beweglich, und weils durch sein unstates und unruhiges” Rt und Einschlüupfen durch Zweige und Laub den Nachstellungen sehr listig zu entgehen, so dafs es ungleich schwerer ist ihn zu BR,
S, Trochilus halt sich im Frühling und Som- mer in den Wäldern auf, und zwar immer in der Hohe auf den Aesten al Bäume.. Im Herbst kommt er aus den Wäldern in die Wiesen und auf die Weidenbaume langs den Bächen.
Der andere hingegen ist immer in den Wäl- dern und liebt das niedrige Gebusch, wo er im- mer beweglich und lebhaft aus- und einschlupft. Nur im späten Herbst, kurz vor dem Wegziehn, zeigt er sich in den Wiesen.
Be Annl. 1. 2. 12
Einen auffallenden Unterschied bietet der -Ge- sang beider dar. Während $. trochilus einen zwar leisen, aber äusserst lieblichen,, lötenden, wehmüthigen Gesang horen lalst, vernimmt man von. dem andern nichts, als ein einföormiges zipp zapp! zipp zapp! Spaterhin lalst er ein leises, undeutliches Flüstern hören. |
S. trochilus kommt bei uns im April an und verschwindet spät im October. Der andere hin-
gegen erscheint immer spater und verschwindet
fruher. Diese angegebenen Unterschiede scheinen mir
bedeutend und wichtig genug zu seyn, um die Pechte der Art des Vogels, von welchem hier
die Rede ist, zu begründen. S. trochilus ist der
einzige Vogel, mit welchem er allenfalls hat ver-
wechselt werden konnen; von allen andern unter- scheidet er sich so auffallend, dafs keine weitere
V erwechselung Statt haben kann.
Ich schlage nun für ihn den Namen Sylvia sylvestris, Waldsänger vor, wegen seines be- standigen Aufenthalts in den Waldern; und möchte die
Diagnose so angeben:
Sylvia sylvestris supra griseo-virescens, supereilüs obsolete flavescentibus; subtus sordide
albido-flavescens. Nares oblongae; pedes fusci.
Alarum Aexura subtus fava, maculis nullis. >
In Bewicks history of british birds (Newcastle 1816) Vol.1 findet sich unsere Sylvia sylvestris unter dem Namen, Te willow wren genau beschrieben und von 5. trochilus (Ze yellow willow wren und S. rufa (Zhe least willow wren) be- stimmt unterschieden: S. p. 232 ff. |
The yellow willow wren, der gelbe Weidenkönig. (Mo. tacilla trochilus Lin. — Le powllot, ou le chantre Puff.)
Länge über 5 Zoll. Schnabel braun, inwendig und an den Rändern gelb. Augen nufsbraun. Obertheil des Gefie-
>
173
ders gelb, ins blafs Olivengrüne ziehend „ unterhalb gelb. Ueber jedem. Auge ist ein weifslicher Strich , der bei jungen Vögeln sehr deutiich ist. Flügel und Schwanz dunkelbraun , mit blassen Säumen. Füsse gelblich-braun.
Es giebt 3 bestimmt versehiedene Arten des Weidenkö. nigs, von welchen, diese die gröfste ist. Die beiden folgen. den sind in der Gröfse sowohl als in den Kennzeichen ver. schieden. Ihre Gestalt und Sitten snd indessen einander sehr ähnlich. Diese Art ist seltner hier. Man sieht sie zuweilen auf den Gipfeln der Bäume , von wo sie oft singend aufliegt. Ihr Gesang ist schwächer und sanfter, aber nicht sehr abge. ändert. Sie machen ihr Nest in Löcher an die Wurzeln der Bäume oder in trockne Hügel , von Moofs, mit Wolle und Haaren ausgefüttert. Die Eier sind schmutzig weifs, mit röth. lichen Flecken bezeichnet. Ber Eingang des Nestes ist lang und sonderbar überwölbt mit trocknen Grashalmen.
The Willow wren. — Le figuier brun et jaune. (Buff.)
lDiefs ist der nächste in der Gröfse. Das Gefieder ist an den obern T'heilen viel dunkler als das des letztern und von grünlicher Olivenfarbe ; die Flügel sind braun, blaß-gelblich gesäumt ; die untere Seite ist weißlich, ziemlich tief mit Gelb überlaufen an der Kehle, Brust und den Schenkeln ; Schnabel braun, inwendig gelblich; über jedem Auge eine hellgelbe Linie , die sich vom Schnabel bis an den Hinterkopf erstreckt ; die Füsse sind gelblich-braun. Diese Vögel variıren sehr in der' Tiefe der Schattirung ihres Grfieders.
I)er Weidenkönig besucht Hecken, Gebüsche und ähn. liche Plätze; seine Nahrung besteht in Insekten, in deren Aufsuchung er unaufhörlich auf und unter den dünnen Zwei. gen der Bäume herumschlüpft. Er macht ein kunstloses Nest von trocknem Gras, Moofs und dünnen Stengeln trockner Pflanzen ; es ist mit wenigen Federn, Haaren, und ein wenig Wolle ausgefüttert, und gewöhnlich in ein dichtes Gebüsch oder einen Haag gestellt. Das Weibchen legt gewöhnlich 5 Eier, weifs und rothgefleck. Wir vermuthen diefs sei le Figuier brun et jaune von Büffon.
N The least Willow wren — kleinster Weidenkönig. Chiff af. |
alle Vogel ist ungefähr einen Zoll kürzer als der gelbe Weidenkönig , und % Zoll kürzer , als der Letzte. '
Die obern T'heile seines Getieders sind dunkeler als das der beiden andern, ein wenig ins Mäusefarbige übergehend ; seine Brust ist schmutzig silberweifs; Füsse dunkel. Der Gesang dieses Vogels, obgleich dem des letztern ähnlich, ist immer schwächer. Bei beiden besteht er in einer einfachen, oft wiederholten Strophe; und ihr schwacher , einfacher Ge- sang, wenn er von den Zweigen der höchsten Bäume er. schallt, wird nur durch die Hülfe, die er vom Echo erhält „ verstärkt.
Diese Art besucht dieses Land unter den ersten Zugvö.- zeln des Sommers , aber wegen der geringen Anzahl dersel.
174
ben sind sie dünn gesäet, und da sie die Schatten einsamer und dichter Wälder vorziehen , so werden sie selten gesehen.
Der zweite Vogel, den ich für eine neue Art ansehe, gehort zu der Gattung der sogenann- | ten Piper, (Antkus) unter welcher gegenwärtig mehrere, ehedem zu den Lerchen gezählte Ar- ten vereinigt sind, die durch den sehr dunnen, pfriemenförmigen,, nach vorn etwas eingezogenen und oben an der Spitze seicht ausgeschnitienen Schnabel, durch die eirundlichen , in einer etwas aufgeblasenen Erhöhung liegenden, zur Hälfte be- deckten Nasenlocher, uröh die dünnen Füsse und die lange, aber mehr oder weniger gekrümmte Hinterkralle, dann aber auch vornehmlich durch ihre ganze Lebensart und durch ihr Betragen sich sehr von den Lerchen unterscheiden. Sie nahren sich blofs von Insekten, halten sich gern am Wasser auf, wie die Bachstelzen, mit denen sie auch sonst manches Aehnliche haben.
Der Vogel, von dem hier die Rede ist, dürfte währseheinlich ‚bishor.nikt. deal An iesenpiper, A, pratensis, verwechselt worden seyn. In der 'T'hat haben beide auf den ersten Blick eine grofse Aehn- lichkeit miteinander , allein bei naherer Betrachtung zeigen sich doch Verschiedenheiten , die mir in einer Gattung, wo alle dazu gehörende Arten ein- ander so sehr ahnlich sind , bedeutend genug schei- nen, um die Rechte der Art zu begründen, wie sich wiederum aus der ‘vergleichenden Beschrei- bung beider Arten ergeben wird.
Erstens finde ich einen beträchtlichen Unter- schied in der Grolse zwischen beiden, indem mein Vogel um mehr als %%#'! kürzer ist, als Anthus pratensis, und wenn er gleich in RN Verhalt-
/
\ —
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wer 179
nissen grolser erscheint, dennoch im Ganzen klei- ner und schlanker ist. ' Sein Schnabel ist 7! lang, während er bei
A. pratensis nur 6/!! beträgt, dagegen aber ist er
ungleich schwacher, als Ber diesem.
Der Oberkiefer ist langer als der untere, und braun von Farbe, der Unterkiefer ist beim Weib- chen heller, beim Mannchen aber auch braun; der ÖOberkiefer nach der Spitze hin stark zusanımen-
gedrückt und eingezogen. Bei Antkus prätensis
hingegen ist der Oberkiefer gleich lang mit dem
Urteile Er iM Kür ati Tder Spitze ‘und’ auf dem Rücken braun, übrigens fleischfarbig und wenig eingezogen.
Von dem Oberschnabel zieht bei unserm
neuen Vogel ein schwacher, weißslicher‘ Streif
über das Auge hin, vom Unterschnabel em brei-
terer über die Wangen. Hiervon ist bei A. pra- iensis keine Spur. | MI TEERTRAN
Die Schlafe sind graulich-braun,, bei A. pea- tensis olivengrunlich.
Scheitel und Nacken sind dımkel graubraun ,
mit schwarzen Längsflecken. Der Rücken um vieles dunkler, die einzelnen Federn heller grau,
das nur sehr wenig auf das Olivengrüne zieht,
gesaumt, auf dem Uropygium. verlauft sich ‘das Brawe itehr ins" Grinlicher "BerAi pratensis ist
auf dem ganzen Obertheil das Olivengrüne viel
deutlicher und bestimmter ausgesprochen.
Die Kehle ist schmutzig weils, bei A. pra-
tensis gelblich-weils; zur Säle mit schmalen bräun-
lich-schwarzen Flecken eingefafst. Jar
' Die Brust ist rothlich-weifs , mit vielen: bratm-
schwarzen langlichen Flecken besetzt. Bei A, pra-
tensis ist die Brust gelblich- weils und stark gefleckt.
176
Mitten auf der Brust fliessen bei unserer neuen Art die schwarzen Flecken und Striche alle in einen grolsen dreieckigen Schild zusammen, von ralzhean weder bei A. pratensis noch bei irgend einer andern Art dieser Gattung sich nie eine Spur zeigt.
Din. Seiten sind braungefleckt, Bauch und Steils weils und ungefleckt; bei A. pratensis gelb- lich-weils.
Die Schwungfedern sind grau-braun, am Aus- senrande ala gesaumt, die grolsen obern Deckfedern mit ah sachen ef schmalen grauli- chen Saumen, die jedoch viel zu wenig auffallen , als dafs sie über die zusammengelegten Flügel zwei weisse Streifen bilden sollten, wie bei An- thus pratensis, wo jene weilslichen Saume der Deckfedern sehr breit sind, und die dadurch sich bildenden weissen Bänder über die Flügel einen auffallenden Charakter abgeben. | '
Die ausserste Schaum lei ist, wie bei A. pratensis zur Halfte schrag von u nach In- nen weifs. Die zweite hat bei dem männlichen Vogel wie bei A. pratensis an der Spitze einen keilformigen weissen Fleck, der hingegen beim Weibchen nur als ein Punkt erscheint. Die ubri- gen Federn des Schwanzes sind schwarzbraun , die beiden mittelsten aber aschgrau. Bei A. pra- tensis, hat die Ste cha Dali noch eine weisse Spitze, die übrigen sind ‚schwarzlich.
Die Füsse sind beim Männchen braun, beim Weibchen Nleischfarbig, die Klauen schwarz ; die Hinterklaue lang, SNenie gebogen. Bei A. pra- tensis sind die ee; Zehen und Klauen fleisch-
farbig: Die Hinterklaue lang und stärker ge- krummt als bei jener.
#
man nicht anders
HN
Es wurde von unserm Vogel ein Pärchen im letzten Mai, auf dem erolsen Moose zwischen dem Neuenburger- und dem Murten-See, vom Neste auffliegend , geschossen, Das Nest stand
mitten im Wasser, anf einer nur sehr wenig uber
dasselbe hervorragenden Binsenmotte, zu welcher gelangen konnte, als bis über die Kniee durch das Wasser watend.
oebenen Unterschiede
Ich glaube, die ang
‘werden hinreichend ‘seyn, um auch für. diesen
V ogel die Rechte der Art zu begründen. We-
gen seines beständisen Aufenthalts und seiner WV.oh-
o
nung mitten im Sumpfe, schlage ich für ihn den
Namen Anthus palustris, Sumpf-Piper,, 'vor'und gebe seine Diagnose also an: |
Anthus. palustris supra kriseonfiich , ma- culata. Siriis albidis obsoletis vel' nullis’ in ala. Subtus sordide- alba, jugulo et pectore maculis oblongis nigricantibus,, medio pectore in’unam ma- culam tiangnlarein confluentibus. MReectrix extima
‘dimidiato oblique alba, secunda maeıla ewnmeiformi
alba. Restruom longiuseulum , sracıllimum, ' Un-
suis posticus longus et parum curvatus.
IV.
Veber die Physiologie der W. einbergsschnecke (Helix Pomatia), von B. Gaspard, D. M., mit Anmerkungen von TT. Bell, F.L. S.
Im Auszuge”) in dem Zoological-Journal No.t. (Merz ı824) (übersetzt vom Herausgeber).
\. 1. In unserm gemässigten Clima, gegen
5 | den Anfang des Oct. wann der erste Herbsifrost
sich einstellt, werden diese Schnecken indolent, verlieren ihre Frefslust und versammeln sich in beträchtlicher Anzahl auf Hügeln, oder unter dichtem Gesträuch, in Hecken u. s. w. Nach einem bis zwei 'T’agen horen sie auf zu fressen, entledigen sich des letzten Inhalts ihrer Eingeweide
= und verbersen sich unter Mools , Gras, dürrem
Laub u. Eu Hier macht eine jede für sich , mit dem vordern Theile ihres muskulosen Fusses eine Hohlung, die weit genug ist, um wenigstens ihr Gehause aufzunehmen; sie erweitert dieselbe noch mehr , indem sie sich nach allen Seiten herum- dreht, und erhoht sie nach den Seiten und zuletzt gegen die Decke hin, die aus Moofs oder Laub, oder aus der durch die Bewegungen des Thieres aufgewühlten Erde sich bildet. Wenn diefs so weit gediehen ist, bis die Mündung des Gehäuses sich in mehr oder weniger horizontaler Lage be- findet, so liegt sie still. Schnell zieht sie den
Fufs in das Gehäuse, deckt ihn mit dem Maniel-
*) Die ganze Abhandlung steht in Magendie's Journal de Physiologie Tom. II. p. 295.
l
179
kragen vollkommen, weleher zu dieser Zeit von ganz weisser Farbe ist, und ofinet eine zeitlang die Lungenhöhlung, um eine gewisse Menge Luft einzuathmen. Um diese zu verschliessen , bildet sie vermiitelst des Schleims eine feine durchsich- tige Haut, zwischen dem Mantel und den aussern nen ‚ welche darüber liegen und nach- iheilig werden konnten. Bald nachher sondert der Mantel eine grolse Menge einer sehr weissen Flüssigkeit auf seiner ganzen ‘Oberfläche aus, welche sogleich sich gleichlörmig verbreitet und einen festen, ungefähr % Linie dieken, Deckel bildet. Wenn dieser Deckel erhärtet ist, trennt das Thier seinen Mantel, durch einen andern Schleim , der starker ist, als der erste war, davon ab; und nach wenigen Stunden, indem es einen Theil der vorhin eingeaihmeten Luft ausstolst, zieht es sich ein wenig weiter in das Gehäuse hinein, bildet wieder ein Blatt von Schleim , zieht sich abermals zurück, indem es wieder eine Por- tion Luft ausathmet, und so bildet es nach und nach eine vierte , fünfte und wohl sechste Schei- dewand, mit dazwischenliegenden Luftzellen ").
*) Die hier von Hrn. Gaspard gegebene Beschreibung erklärt die Art und Weise, wie die "Höhlung gebildet wird, nicht vollständig. Sie wird nicht blofs durch den Druck des Fusses und durch das Herumdrehen der Schnecke zu Stande gebracht. Eine Menge eines sehr. klebrigen Schleims wird auf der untern Fläche des Fusses abgeson.- dertj, an welchem eine Lage Erde oder dürres Laub sich anhängt; diefs wird umgekehrt „ und mit frisch abgeson- dertem Schleim auf der andern Seite vermischt. Das T'hier nımmt hierauf mit der untern Fläche des Fusses eine neue Lage Erde, kehrt sie auch nach der Seite, welche die Wand seiner Wohnung werden soll, und so wiederholt‘es dieses Verfahren so lange, bis die Höhlung weit genug ist, und die Wände derselben eben, glatt und fest sind. Auf eben diese Weise wird das Dach der Höhlung gebildet , indenı der Fufs unter seiner Fläche eine
180
0. 2. Die Arbeit eines jeden Individuums dauert zwei bis drei Tage. Aber der ganze Mo- nat October verfliefst bis die Eindeckeluns dieser Art allgemein vollendet ist. Nach dem Anfang des Novembers, finden wir keine dieser Behiieeken mehr, mit Ausnahme vielleicht einiger wenigen kranken Individuen, die, unvermöogsend ihre Win- terquartiere zu bereiten, bei dem ersten Frost ı umı- kommen.
Wenn durch irgend em Hindernils die Min- dung des Söhnetkenkishe nicht in eine horizon- tale "Lage gebracht worden ist, sondern mehr oder weniger schk: ag steht, so geschieht es oft, dals die kalkige Flüssigkeit, bevor sie erhärtet, nach dem untern 'T'keile hinfliefst, wodurch ein milsge- stalteter und nicht rechne Deckel entsteht.
Endlich glaube ich bemerkt zu haben, dafs die hautigen Abtheilungen zahlreicher zu Ende des Winters sind, als zu Anfang desselben, ‘so wie auch zahlreicher bei den Schnecken , welche auf den Bergen wohnen, als bei denen die in den niedrigen Gegenden leben.
Portion Erde sammelt, die das "T'hier aufwärts bringt indem es sich umdreht , "und dort, vermittelst frisch abge- sonderten Schleims , absetzt , welches so lange wiederholt wird, bis ein vollkommenes "Dach fertig ist. Da ich die- ses merkwürdige Verfahren oft beobachtet habe, so bin ich dieser Thatsachen versichert. Indem ich’emen Theil des Dachs nach seiner Vollendung sehr vorsichtig hin- wegnahm , war ich im Stande die Bildung: des Deckels zu sehen. Ungefähr in einer Stunde ‘oder etwas weniger Zeit nachdem die Winterwohnung zugedeckt wörden , schwitzt die ganze Oberfläche des Mantelkragens in einem Augenblick die kalkartige Absonderung in beträchtlicher Menge aus. Diese:ist zuerst fiüssig wie ein dicker Ralım , aber sehr bald erlangt sie die Consistenz des Vogelleims , und wird äusserst zäh und wage nach. Verlauf einer Stunde ist sie vollkommen fest... | TB:
em
ı81
. 3. Die auf diese Weise eingeschlossene ER bringt nun 6 Monate im ER ganz- licher Erstarrung zu, erst im Fruhlinse zerbricht
sie ihr Gefangnifs . kehrt nach Ra gewohn- ten Aufenthalt zuruck. Wenn wir Ri den Deckel kurz nach seiner Bildung wegnehmen, so kommt die Schnecke wieder hervor , rohe: wie- der umher, und nimmt nach den Umständen ver- schiedene Zustände an. ı. Wenn die Teempera- tur ungefähr auf 12—ı5° R. (59—67 °F.) steht,
und + Schnecke Nahrung findet, so fängt sie wieder an zu fressen, ihr Mantel, der grau und mager geworden war, wird wieder weils, ‚ und in ungefähr acht Tagen macht sie sich eine andere
Hohlung, worin sie sich begrabt und bildet einen neuen Deckel, der eben so fest ist, als der erste war. 2. Wenn die Temperatur kälter wird, z. B.
8—ı0° R. (50 —55°F.) so frifst sie sehr wenig,
macht bald ihre Hohlung in der Erde, aber bri ingt nur einen dünnen, biegsamen , graulichen Deckel zu Stande, mit wenigen erdigen Theilen in seiner Substanz. 3. Steht die Temperatur nur wenig uber deni Gefrierpunkt, etwa3 - 6°R. (39— 43 FE.) so verschmaht sie alle Nahrung, bew egt sich kaum,
hat keine Rraft ihre Hohle zu machen, und brinet nur einen hautigen Deckel zu Wege. 4. Sinkt endlich die 'l'emiperatur unter den Gefrierpunkt herab, so ‚macht die Schnecke kemen Versuch sich ein Winterqguarüer zu bereiten und stirbt vor Raälte.
\. 4. Aus den Analysen, denen ich den Deckel unterworfen habe, ergiebt sich, dafs er ganz aus kohlensaurem Kalk besteht. Er loset sich mit lehhaftem Aufbrausen in den Mineral-Sau-
ren und im Weinessig schnell auf, und aus allen
182 gr
diesen Auflosungen, schlägt sich, mit Soda oder Potasche behandelt, ein reichliches weisses Pul- ver nieder, welches die CGaleination wieder in den Zustand des caustischen Kalks zuruckführt. Das dieser Kalksubstanz absondernde Organ ist der Kragen des Mantels; ein sehr wichtiges Organ, denn es ist der Theil, durch welchen das Schaalengehäuse selbst gebildet wird *). Es
*) Obgleich es aus einigen Umständen , wie z. B. der Wie. derherstellung der Spitze des Gehäuses, erhellt, dafs auch andere "Theile gelegentlich ım Stande sind eine Kalk. absonderung hervorzubringen , so ist doch kein Zweifel, dafs der Rand oder Kragen des Mantels das Organ ist, welches diese Funktion gewöhnlich verrichtet. ich habe zu verschiedenen Zeiten Schaalen zerbrochen , kleine Theile derselben weggenommen , Löcher an verschiede. nen Stellen ducchgebohrt, und immer habe ich gefunden, dafs wenn die Verletzung innerhalb des Bereichs des Man. telkragens war, dieser immer darübergezogen wurde, um die Wiederherstellung zu machen. Ich will einen dieser Versuche beschreiben , um zu zeigen, auf welche Weise diefs geschieht. Ich bohrte ein Loch in die Schaale der H. pomatia, und zwar in die vorletzte Windung_ dersel- ben, in der Meinung, sie werde den Rand des Mantels nicht hoch genug ausstrecken können, um die Verletzung auf gewöhnlichem Wege auszubessern; indessen durch Hervorstreckung des Fusses verschaffte sie Raum , dafs sich der Mantel innerhalb des Gehäuses hoch genug aus. dehnen konnte, und so wie dessen Rand mit dem verletz. ten Theile in Berührung kam, wurde er wiederholt über das Loch hergezogen, wobei jedesmal eine kalkartige. Schicht darüber angelegt wurde, bis dieselbe undurch- sichüg ward, und in zweı bis drei 'l’agen fand ich bei der Untersuchung den neugebildeten T’heil eben so fest als die übrige Schaale. Ein anderer sonderbarer. Umstand, der hiemit zusammenhängt , ist, dafs bei den Schnecken mit farbigen Binden, wie z.B. bei H. nemoralis, eben so viele Binden auf dem Mantel als auf der Schaale sind; sie sind braun und durchsichtig und enthalten vermuthlich in Vergleich wenig kohlensauren Kalk. Es ist daher nicht unwahrscheinlich , dafs die zur Ausscheidung dieser Sub. Stanz nothwendigen Drüsen in diesen mit Binden bezeich.- neten T'heilen des. Mantels wenigstens nicht ın gleicher Menge existiren. Diefs ist indessen eme blosse Vermu- thung ,„ die nur insofern wichtig ist , als sie mit emem Ge- genstande zusammenhängt, der noch eine genauere Un- suchung verdient. TaB
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ist gewils, dals dieser Theil in seinen Drüsen oder Gefassen den kohlensauren Kalk ungebunden ent- halt, so dafs, wenn die Oberfläche des Kragens durch einen fremden Korper berührt wird, aus jedem Berührungspimkte eine Menge dieses Stof- fes, mit einem zahen Schleim vermischt, hervor- dringt. Um noch mehr von dieser "T'hatsache überzeugt zu werden, schnitt ich den Kragen des Mantels auf, und nachdem ich ihn in eine saure
Auflosung gelegt hatte, entwickelte sich eine
Menge Gas, und die Flüssigkeit gab nach Hin- zufügung der Soda den gewöhnlichen weissen
Niederschlag. Kein anderer , auf ahnliche Weise
behandelter, Bau bietet die gleichen Resultate dar.
Es ist daher nicht zu verwundern, dafs der Kragen dieser Schnecke im Herbst vor der Be- ziehung des Winterquartiers so dick und weils, und, wenn sie im April wieder zum Vorschein kommt, oder wenn in der Zwischenzeit der Deckel weggenommen wird, so dünn und grau ist. Das Thier zieht seine kalkige Flüssigkeit nicht blofs aus seiner gewohnlichen vegetabilischen Nahrung, sondern vornehmlich aus der Erde, die sie in grolsem Ueberfluls verzehrt, vermittelst welcher die nothige Menge von Kalkstoff erhalten, und der Abgang desselben leicht ersetzt wird. Aus diesem Grunde sehen wir diese Schnecken , wenn sie der Nahrung beraubt sind , unfahig etwas mehr als bloße Häute an die Stelle der kalkartigen Deckel, die man ihnen genommen hat, hervor- zubringen ").
*) Diese Umstände mögen für diejenigen H. pomatia gelten, welche in Kalkgegenden sich besser befinden und in grös. serer Menge angetroffen werden. Dafs aber nicht noth.- wendig, zur vollkommenen Bildung des Deckels, Kalk.
104
%
Die Versuche des Hrn. Gaspard über diese und andere Arten beweisen, dais die herannahende Kälte, wenn gleich sie für die vornehmste Ursache ihres Winterschlafes angesehen werden mufs , den- noch nicht die einzige ist, da er sonst diese Wir- kung hatte hervorbringen müssen, wenn er sie einer künstlichen Kälte bis zum Gefrierpunkt aus- gesetzt hatte, und er fand, dafs sie zu der be- stimmten Periode bei sehr verschiedenen Graden der 'T'emperatur , Ne nach der von ihm gegebenen Tafel von 2—20° R. (37—77° F.) variiren, die WV interquartiere beziehen.
Die Resultate von den zahlreichen und ge- nauen Versuchen des Verfassers um den Zustand der Lebensverrichtungen, wahrend der Periode des Winterschlafes, zu prüfen, sind folgende. Es versteht sich von selbst ohne Beweis, dafs Generation, Sensation, Hirn- und Nervenfunk- tionen und Ortsbew egung gänzlich unterbrochen sind. Das einzige Zeichen von Reizbarkeit , wel- ches wahrend Besen: Periode sich Heindlläh lalst , ist ein schwaches Zusammenziehen des Mantel- kragens , wenn er bei Wegnahme des Deckels babe wird. Die Versuche beziehen sich dem- nach auf Digestion, Cireulation, Pespiration , auf thierische Wärme, Nutrition, Secretionen und Absorption.
V. 8. Da diese Thiere wahrend der Periode des Ueberwinterns nicht fressen, so ist die Dige-
stion naturlich unterbrochen. Die Zergliederung
erde gefressen werden mufs, kann ich durch mehrere Stücke beweisen , welche diese Substanz gebildet haben, obgleich sie den. ganzen Sommer hindurch keine Gele- genheit hatten Kalkstoff zu bereiten. Doch zweifle ich nicht , dafs dieser sehr viel dazu beiträgt, den Deckel fest und solid zu machen. b
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vieler {Individuen wahrend dieses Zustandes zeigte den Magen ganz leer, die Gedarme mit einer braunen, dicken Flüssigkeit angefullt, doch ohne einige Spur von
\. 9. Wenn im Novenber , bevor die strenge Rälte eintritt, ein Theil der Ele deckelten Schnecke geoffnet wird, sahe man das Herz sich regelmässig zusammenziehen , jedoch schwach und sehr langsam pulsirend. Während des Winters aber, wenn die Temperatur bis un- ter den De ernkt herabgesunken war, hatte es gänzlich aufgehört zu schlagen. Wurde das T hier einem geringen Waärmegr Bat ausgesetzt, so erneuerten Rai de Bewegungen de en hörten aber wieder auf, sobald es der Wärme Sr zogen ward. Diels wurde ofters mit dem glei- chen Erfolge wiederholt. Es erhellt also hieraus, dals,, wahre nd des vollkommenen Winterschlafes der Schnecke, der Kreislauf & gänzlich still steht.
\. 10. Auch die Respiratiion hort wahrend dieser Periode auf, wie die Versuche des Verfas- sers gezeigt haben. Wenn die Schnecken wah- rend dieser ganzen Zeit unter Wasser getaucht blieben, starben sie nicht, und es ist bewiesen , dafs sie die Luft, welche sich in dem Raume zwi- schen dem Deckel und dem 'Thiere befindet, nicht einalhmen, denn man fand, wenn diese Luft ın der letzten Zeit der Ueberwinterungsperiode auf- gefangen und untersucht ward, das gewöhnliche Verhältnils von Sauerstoff in derselben.
\y ı1w ı2. Die tbierische Wärme, die selbst im wenn Respiration und Hreis- lauf am Iehhiftesten sind, die Warme der umge- benden Athmosphäre nicht um einen Grad uber-
trifft, ist wahrend der Erstarrungs-Monate nicht
ge-
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bemerkbar. Das Thier erfriert, wenn sein Ge- häuse nicht mit dem Deckel verschlossen ist, ge- nau bei ebendemselben Raltegrad , wie cher an- dere gelatinose Korper; während hingegen dieje- nigen ‚- welche vollkommen zugedeckelt und mit Erde leicht bedeckt sind, die Strenge des Win- ters ohne Schaden aushalten. Diels Vermögen der Ralte zu widerstehen hat indessen seine Granzen,, und es hat sich gezeigt, dals wenn sie einer Temperatur von ı6° F. ausgesetzt werden, sie gelrieren; und wenn sie aufthauen, geben sie zwar wieder Lebenszeichen, kriechen sogar , zie- hen sich aber schnell in ihre Schaalen zurück und sterben bald nachher. Bei einem niedrigen, sich dem o F. nahernden Grade, sterben sie augenblicklich.
\. 13. Ihr Vermogen einen hohen Grad von Hitze auszuhalten , ist nicht. weniger ausser- ordentlich. In einer Hitze von 100° F. zeigten sie einen hohen Grad von Reizbarkeit, en sie abwechselnd aus ihren Gehäusen hervorkamen und sich wieder hinein zurückzogen. Ward die Tem- peratur bis auf 120° erhoht, so schienen sie todt, lebten aber bei allmahliger Verminderung der Wärme wieder auf. Ja wenn sie einen noch etwas hohern Grad von Hitze ertragen hatten , lebten sie zwar wieder ein wenig aut; starben aber nahher; bei emer Hitze von ı27° war ihr Leben unwiderbringlich dahin. Aehnliche Ver- suche, im warmen WVasser angestellt, gaben die gleichen Resultate.
\. 14. Was die übrigen Funktionen dieser Thiere, Nutrition , Secretion und Absorption be- trifft, so gaben die Beobachtungen des Verfassers darüber folgende Resultate. Bei der Untersuchung
des Mantelsaumes beim Wiederaufleben des T hierek
187 im Frühjahr, fand sich derselbe standhaft” eben
so mager und von eben so grauer Farbe, als un- mittelbar nach der Bildung des Deckels, zum Be- weise, dals die Secretion während des Ueberwin- terns stillgestanden. Bei einem dieser Thiere , dem man ım Nonat Jun. die lansern. Fühler ab-
o
genommen hatte, die bis zum Eintritt der Ueber- winterungsperiode zum Theil reproducirt waren, fand sieh im nächsten Frühling, dafs die Repro-
duction wahrend dieser Periode nicht im Gering- sten vorgerückt war. In Hinsicht auf die Nutri- tion und Absorption gelangte der Verfasser zu ähnlichen Schluüssen.
%. 15. Eis ist demnach erwiesen , dafs wäh- rend des Winters, d.h. 5, 6, 7, 8 ber g Mo- nate lang, je nach Klima id Witterung , diese Thiere ohne Bewegung , ohne thierische Wäcide: ohne Nutrition, PRespiration, Cireulation, mit Ei- nem Worte: aller thierischen , organischen und reproductiven Funktionen beraubt, existipän. Diese trubselige Existenz kann in der That nicht eigent- lıch Leben genannt werden , sondern ist vielmehr nur eine blofse Fähigkeit zum Leben bis zur Rückkehr der erfreulichen Frühlingswärme. |
\. 16. In unserm Clima Verlassen die Schne- cken ihren Zustand von Erstarrung mit dem An- fang des Aprils, bald nach dem der Kuckuk sich horen Jalst und die Schwalben erscheinen , jedoch mit geringer Abweichung je nach der Witterung. Die Art und Weise wie sie aus ihrem Gefangnisse hervorgehen , ist einfach und leicht zu begreifen. Die in den verschiedenen Zellen enthaltene Luft, welche das Thier, indem es sich nach der Bil-
dung des Deckels immer tiefer in das Innere des
Gehauses zurückzog, ausgeathmet hatte, wird e x Natw. Ann. 1. 2. 1)
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nun wieder eingeathmet, und jede besondere hau- tige Scheidewand wird durch den Druck des hin- tern 'T'heils des durch den Mantel hervorgestreck- ten Fusses durchbrochen. Wenn dieser an den Kalkdeckel kommt, macht das 'Thier seine letzte Anstrengung , sprengt und löset ihn am stumpfsten Winkel ab. Indem es hierauf nach und nach den Rand des Fusses zwischen Schaale und Deckel hineinschiebt, hebt es diesen auf und bricht ihn weg. Nun kommt das Thier heraus, kriecht und beginnt sogleich zu fressen, mit einem Appetit, der ohne Zweifel durch ein ‚sechs- oder sieben- monatliches Fasten erregt worden ist ”).
4.17. Aus den Versuchen des Hrn. G. erhellt, dafs die Ruckkehr der Wärme nicht allein hinreichend ist, diese 'Thiere wieder zu beleben. ‚Denn wenn sie während des Winters einer trock-
nen Wärme von 60—1ı00° mehrere Tage, ja
Wochen lang ausgesetzt wurden, so.kam doch nicht Eine zum Vorschein; wahrend hingegen
diejenigen, welche in ein tiefes, Gefals gelegt waren, dessen gewöhnliche "Temperatur 50° be- trug, im April oder zu Anfang Mai’s hervorka- men, ohne dafs die Temperatur erhoht war. Andere aber, welche in. Wasser gesetzt waren bei einer Temperatur von 77° zerbrachen in zwei oder drei Tagen ihre Deckel und kamen hervor. Dieser Versuch hatte gleichen Erfolg, wenn er
im Januar oder im April angestellt wurde, und
*) Ich kann nicht annehmen, dafs das lange Fasten irgend
« etwas zu Erregung des Appetits bei diesem 'T’hiere bei. tragen mag, wenn ich bedenke, dafs es während seiner ganzen Ueberwinterung im Zustande eines vorübergehen. den Todes sich befindet, und weder Secretion , Wärme- erzeugung noch irgend eine andere zehrende : Function Statt hat. B.
| es wenn die Temperatur 60° oder 70° war; und es ist ausgemacht, dafs die Feuchtigkeit zu ‚ihrer Wiederbelebung so nothwendig ist, dafs wenn zwei dieser 'I'hiere nahe beieinander das eine in Regenwasser , das andere unter ein Glas gesetzt werden, dieses ohne irgend einen Versuch zu machen um ‘sein Gefangnifs zu verlassen, liegen bleibt, noch lange nachher, nachdem das andere
seinen Deckel gebrochen und seine Funktionen wieder angetreten hat. Es erhellt also aus diesen Thatsachen, dals die Ruckkehr des Frühlings mit Wärme und Feuchtigkeit in Verbindung ihre Wie- derbelebung bewirkt.
\. 18. Der Verfasser sucht hierauf die Um- stande zu bestimmen, durch welche die Wieder- belebung verspätet werden kann; und er findet, dafs diels zuverlassig zu bewirken ist, wenn man sie bestandig einer trocknen Wärme aussetzt, wo- durch er einige sogar bis zum October abbhielt, ihre Deckel zu durchbrechen. Wenn sie dann in "Wasser gelegt wurden ‚ lebten sie sicher auf, allein ‘sie waren sehr schwach und starben endlich. Ob- gleich der Verfasser sie fast ı2 Monate lang in
diesem Zustande erhielt, so glaubt er doch iiehe, ‚dafs der Zustand wirklicher Erstarrung über die ‚gewöhnliche Periode des Ueberwinterns hinaus fortdaure, sondern er meint, dafs das Herz und andere Organe bis auf einen gewissen Grad ihre Funktionen wieder anfangen , welches er daraus
beweiset, dafs sie nachher immer'so abgeschwacht gefunden werden. |
\. 19. Diese Umstände führen zu der Be- trachtung der 'Thatsache,, dafs die Schnecken wäh- rend der grolsen Sommerhitze sich in ihre Ge-
hause zuruckziehen: und die Mündung mit emer
190
Haut verschliessen. In diesem Zustande bleiben sie Tag und Nacht, so lange die trockne Hitze anhält, aber. so wie ein Regenschauer fallt, bre- chen sie ihren Deckel und kriechen unıher; und diels geschieht so lange, als der Boden gewas- sert ıst. |
(Wird fortgesetzt.)
V. Veber das alte Rubinglas ,
von C. Brunner , Prof.
u
Die Meinung, dals die Kunst der Glasma-
lerei verloren gegangen sei, ist ziemlich allgemein, Dieselbe ist aber wohl unrichtig. Diese Kunst wird seltener ausgeubt, weil ihre Produkte nicht mehr so gesucht sind als vormals und nieht ‚mehr so theuer bezahlt werden. Ganz gewils würde man aber heut zu Tage bei der, in allen Stücken so grolsen Vervollkommnung der auf Chemie sich sründenden Künste, mit wenig: Mühe alles was die Maler des ı5ten und ı6ten Jahrhunderts lei- steten, eben so gut und noch weit besser zu Stande bringen, wenn die Arbeit hinlanglich be- lohnend ware. |
‚ Diejenige Farbe, welche immer am schwie- rigsten war, rein und schon hervorzubringen,, ist die rubinrothe, welche auf den meisten semalten Fensterscheiben jener Zeit in so ausgezeichneter Schönheit angetroffen wird. Aunkel soll im Be-
sitze des Greheimnisses gewesen seyn, dieselbe
ıg1
‚in ganz vorzuglicher Vollkommenheit darzustellen , verschwieg EEE in senem Werke üher die Glas- malerei sein ‘Verfahren.
Es ist allgemein angenommen, Gold sei das Haupt-Ingrediens zu dieser Farbe. Ich will’nicht entscheiden , in wie fern diese Meinung bisweilen
richtig sei, allein’ einige Versuche, Welche ich vor kurzem über einige Bruchstücke solcher’ ru- binrother Scheiben aus der besten Zeit angestellt habe , machten mich darüber sehr zu zweifeln. — Man weils ferner, dals man durch Eisenoxyd und durch Kupferoxydul dem’ Glase eine rothe Farbe mittheilen kann, welche indessen jener Färbung des alten Glases an Schonheit weit nachsteht. Cooper “) giebt an, dals das alte Rubinglas Ku- pfer- Eisen- und Sübersxcrd: nebst etwas Ralk enthalte. ‘Das Eisen, meint er, sei blofs ein zu- falliger Bestandtheil. Mangan konnte er nicht Amin entdecken. |
Ich theile einige Versuche mit, welche ich vor kurzem hierüber angestellt :habe.
Das untersuchte Glas war, wie dieses bei den meisten alten rothen Scheiben zu seyn pflegt , nur auf der einen Seite mit einer sehr ulgen rothen Lage bekleidet (sogenanntes Ueberfang- glas). Beim-Erhitzen. vor: dem Löthrohre ‚ker- schwand diese Farbe und konnte nachher weder ‘in der 'oxydierenden noch in der reduzierenden Flamme wieder hervorgebracht werden.
„Em Stuck einer solchen Scheibe wurde zu he Pulver zerrieben und im Silbertiegel mit atzendem Kali eingedickt und geschmolzen. Die
5 seschmolzene Masse 'haite eme gesättigte, grun-
nn;
*) Amnals of Philosophy , Febr. 1824.
192
lich-blaue Farbe. Sie wurde mit Wasser auf- geweicht und hierauf mit Salzsaure übersättigt. Dabei verlor sich die blaue Farbe sehr Se und: gieng durch verschiedene Nüancen von Ro- senroth endlich n Gelb über. Als ich sie zur ‚Troekne abdampfte und in, salzsaurehaltigen Was- ser wieder aufnahm, blieb vollkommen weisse Kieselerde zurück , welche dem Lichte ausgesetzt sich durehaus nicht farbte , also -kein Silber enthielt.
Die erhaltene salat Auflosung, reagierte folgendermalsen :
5 Aetzendes Kali, weisser Niodendehllie kunoff- löslich im Tcheracheik In Zeit von 24 Stun- den wurde er von oben an bräunlich gefarbt.
2) Aetzendes Ammoniak, ebenso.
3) Kohlensaures Kali, ubreaen |
4) Salzsaures Zinnoxydul ‚ keine Verände- rung.
5) Schwefelsaures Eisenoxydul, geringer weis- ser Niederschlag.
6) Galläpfeltinktur gab in der mit Ammoniak
neutralisierten Aufkäiing eine violeite 'Tru-
bung. 5 7) Blausaures Eisenoxydulkali, ‚einen hell- blauen Niederschlag. x
8) Hydrothionsäure, eine schmutzige. a: liehe Trubung. 9) Hydrothionsaures Ammoniak ebenso, nur starker. 10) Sauerkleesaures Ammoniak, weisser pul- veriger Niederschlag. 11) Salzsaures Goldoxyd, keine Veränderung. Als ich aus der Auflosung das Eisen vorsich- tie durch kohlensaures Natron gefällt hatte, erhielt
o ich durch fernere Anwendung dieses Fallungsmit-
2 19)
tels einen weissen, Niederschlag , welcher beim Trocknen braun wurde und sieh ganz wie Man- ganoxyd verhielt. j
Aus diesen Reaktionen so wie aus dem Ver- halten beim Schmelzen, geht die Gegenwart von vorherrschendem Manganoxyd hervor, zugleich ist etwas Eisen (nach 6. 7.) nebst etwas Kalk (9. 10) zugegen. Diese beiden letztern Bestand- theile scheinen ihrer geringen Menge ‚wegen blofs zufallig. Es ist allgemein bekannt, dafs das Mangan-
oxyd dem Glas gewohnlich eine violette aber kei-
= neswegs eine rothe Farbe ertheilt. Ich suchte daher nun zu erfahren, durch welche Behandlung
wohl letztere vermittelst dieses Metalloxydes ver- halten werden “könnte und behandelte zu diesem Einde verschiedene Manganoxyde vor dem Loöth- rohr mit Borax. Ich fand, dafs sowohl reines , d. 1. aus remem schwefelsaurem Mangan mittelst
Natron gefälltes Oxyd als auch der Braunstein in einem gewissen Verhältnisse dem. Boraxelase zu-
Ro) . © i geseizt, dasselbe dünkel-rubinroth farbt. Diese Farbe ist aber so dunkel , dafs sie nur bei kleinen Proben (etwa von der @&röfe eines Senfkorns) wahrgenommen werden kann. Will man sie durch f- s ) .. Zusatz von mehr Borax heller machen, so erhalt man die gewöhnliche violette Färbung. Ebendie- selbe erscheint, wenn man das dunkel gefärbte orax glas m der reduzierenden Flamme behandelt. B gl 16 d den F} behandelt. Durch eine’ kleine Menge von Pulver der unter: suchten Feusterscheibe , wurde das Borax glas schmutzig violett gefarbt. Jene dunkelrothe Fir
bung konnte’ ich nicht hervörbringen , 'weil bei
einem! gröfsern Zusatz des Glaspulvers die Probe zu strengflüssig werde. | 1, an Belt
1 94
Aus allem diesem wird es mir sehr wahr- scheinlich , dafs die farbende Substanz des unter- suchten rubinroihen Fensterglases blofs von Man- ganoxyd herrühre, und dals es bei der Dar-
©
stellung nur et ankomme , dieses Metalloxyd
in einem schicklieben Verhältnisse mit einem Fiuls- mittel gemischt auf das Glas aufzutragen und nun in einem lebhaften oxydierenden Feuer; welches
durch eine besondere Gonstruktion des Ofens, z>B. Anbringen von Luftzügen , welche über die erhitzte
Glasflache wegstreichen , leicht zu erhalten seyn
wird, zu behandeln.
v1.
Memoire sur 1’Indigestion ,
(lu a la Societe Cantonale des Sciences Naturelles de Lausanne, dans sa seance trımestrale du 4. Fev. 1824)
par Mr. Zink, Chirurgien , membre de la Societe Helvetique des Sciences Naturelles,
L’Indigestion est un travail partieulier qui s’o- pere dans l'estomac; c'est aumoins toujours la qu’il commence. Il se termine quelques foıs dans le tube intestinal. G’est une depravation de la di- gestion, (prava coctio). Peut-on l’appeler une maladie ou doit-on ne la regarder que comme une indisposition ? Les auteurs ne paraissent pas en avoir fait une maladie, ils s’en sont peu occüpes.
u
19)
Monsieur % Docteur Merat, dans son excellent article /ndigestion du Dietionnaire des Sciences medicales, article qui est ce que nous avons de plus complet sur ce cas, disait en 1518 (t. XXIV. p- 347.):
„Je n’ai trouve nulle part reunis en corps „de onteiie les. differentes recherches , que ce „sujet eomporte, et jai pense qu'il y aurait peut- „etre quelque utilite ale faire.“ Plus loin, (p. 348) il fait observer que SAUVAGES qui a classe 2/4400 maladies, ne place en aucun endroit l’Indigestion.
Si Y’Indigestion n'est pas une maladie elle est An ine. yinlenfe indisposition? La considerer de cette maniere c'est ne lu pas donner une attention assez, serieuse, car quelques fois elle conduit a une mort prompte. Je pense qu’elle doit-etre con- sideree comme une maladie aigue.
Il me semble que nos comnaissances actuel- les nous permeitent d’ajouter a ce qui a ete dit jusqu‘ "apresent sur ceite maladie, de fixer la theo- rie de lindigestion, dont l’auteur que je viens de eiter parle en ces termes: „Pour bien se rendre „eompte de Yindigestion ıl faudrait que les pheno- „menes qui ont ken lors de la digestion, nous fus- „sent bien connus, et nous sommes loin d’en &tre sla.;“ (,G’est en: ” considerant sous un point de vue different que ce savant auteur, que l'on peut (pour ainsi dire) la suivre au doigt et Al'oeil; c'est ce que j’entreprends aujourd’ we Mosel. ‚avec l'intention de vous faire hommage de mon travail.
On a range sous plusieurs series les causes qui empechent la digestion; celles qui pourraient _ etres les suites des Inaladich dont seraient atteints les autres ‚organes que ceux de la digestion: celles
66
qui viennent des vices ou des maladies des organes de la digestion eux-memes: celles qui seraient produites par les aliments: celles enfın qui sont produites par quelques circonstances exterieures arrivees apres le repas. “q
Je ne m’occuperai point de ces divisions, ni d’aueımes complications,, je laisse ce travail a d’au- ires personnes, ou peut-eire A moi-meme dans un autre ouvrage; je ne veux ici qu’etablir ma theorie sur les phenomenes de Yindigestion, je vais traiter de la maladie essentielle dans son -principe, dans sa smupliente ‚ de celle dont le Docteur Merat dit: (p. 357) „Sur un nombre donne d’indigestions plus des al tiers sont des indigestions simpleä!“ Je vais done premierement vous la deecrire telle que je la vois, ensuite je la discuterai.
Mais avant et pour expliquer plus facilement mon sujet, je suppose un individu bien portant de que] sexe et de quel äge que ce soit, et je dis que cet individu vient de faire un bon repas, ample sans exageration; il aura mange ce que l’on voudra pourvu que ce soient des substänces propres’äa la nutriion du corps, ıl aura bu raisonnablement; voyons presentement ce qui va se passer dans une indisestion. |
ll sera bien, et meme tres bien pendant quel- ques heures. Si quelques-ıns de ceux qui vont avoir une indigestion sont en societe, ıls se Iivrent selon T’occasion & la plus grande joie, ils font et disent des folies, paraissent etres dans le meilleur etat de sante; ils se livrent au repos si le moment du sommeil est arrive: c'est un beau jour d’ete qui attend um oräge. re
Apres un laps de temps plus ou moins long mais qui est communement de trois A eing Hiaßes
197
apres le repas, lindividu est reveille d’un som- meil paisible,, ou surpris dans son oecupation,, par une agitation subite, des baillemens penibles, des pandieulations , ‚(simptömes eonnus Pour annoncer une inertie) sön pouls devient accelere, il a de l’oppression , un poid extremement penible sur V’estomac, avec l’epigastre douloureux quelques fois sensible au toucher; il a une cephalalgie sus- orbitaire,, une sueur idee de frissons, une an- goisse un malaise si general, quil ne trouve pas une bonne place et qu il change a chaque instant de position, il est inquiet, souffrant et mal par- tout, il a des eructations penibles, des nausees ui ne viennent pas aussi vite Je debarasser qu'il le desire; a mesure que l'indigestion se prolonge toute cette tourmente devient Hlus forte et il fini- rait par succomber si elle ne trouvait pas une issue par le haut ou par le bas.
Soit naturellement, soit apres quelques se- cours, les evacuations commencent, heureusement elles ont lieu le plus souvent par je: haut, Yindivi- du, nous pouvons apresent dire le malade, eprouve une angoisse plus forte, ıl palit, il est pres d’eva- nouir , Be etat extreme est celui qui precede d’un instant le vomissement d’une päte broyee par la mastication, mais a laquelle les organes de la di- gestion n’ont fait subir aueun ou pr esqu' aucum ‚changement qui tienne a cette fonction ; cette päte laisse un gout fort desagreable dans j" bouche,, ‚les dents sont aussitöt attaquees par elle comme si un acide violent les avait travailldes, elle repand une odeur toute partieuliere que ceuXx, qui ont Ecrits sur cette partie, nomment aigre, et que ceux, qui n’ont aucune notion en medecine, appellent aigre aussi. Cette odeur est si forte et si Dersistante
198
quelle domine sur les cadavres des personnes mortes dindigestion meme avant leur autopsie, et bien plus quand on a penelre dans la cavite abdo- minale et que les gaz qui la distendent peuveni s 'echapper; ; ceiie pulpe fermentee est devemuie ab- solument impropre a la digestion ‚et ici je citerai re? ıne fois Mr. le Dostehr Merat qui dit: (p. 367) „U y a une observation& faire sur P’in- fr digestion. C'est que les aliments une fois trou- „bles dans leur marche digestive, deviennent in= „capables de former le chyle, ils ont besoin „d’etres rendus promptement par haut on par bas.“ J’ajouterai a ceite citation que de toutes les aflec- tions de l’estomae il n’en est aucune autre qui soit accompagnee de cette meme fermentation, (qui n’a jamais lieu dans une .bonne digestion.
Apres cette evacuation le malade est tout de suite soulage, quelques fois il est si bien, ‘que le besoin d’aliments se fait bientöt sentir, et qu'il n’eprouve plus aucun accident; d’autres fois apres la premiere evacuation il en vient une seconde qui est bilieuse, quelques- fois aussi il faut quelques heires et menie quelques jours ‚pour le remetire eniierement. |
Quand Vindigestion se dissipe par le has, Yon sent des borborigmes, ils sont pour le bas\ce que les Eructations sont-pour le haut, ils se termineni par la sorlie de vents extrömement desagreables , c'est de l’hydrogene sulfure; quand les borborig- ‚mes commencent, le medecin a la eertitude, que le pylore a laisse le passage libre a la pulpe non di- geree , ilne faut plus alors que favoriser sa Promapie expulsion par‘ quelques laxatils doux.
Voila Messieurs . Y'hisioire de. Fincheeiänie;
je vais presentement tacher d’expliquer la cause
199
des phenomenes- que je n’aı fait que vous indi- quer, - | |
La premiere cause de l'indigestion est l'inertie de l’estomac. Ü’est un etat partieulier de cet or- gane, dont on n’a pas encore parle en traitant ‘de Yinertie generale du corps, et en parlant de :celle amenee par la viellesse. Mr. le Professeur -Virey a bien dit: (Dict. des science. med.t. XXIV. p- 391) „Les visceres digestifs sont debilites ; V'as- ‘similation s’opere languissamment; ıl se ieh ano cacochymie ou de mauvaises et laborieuses coctions -d’aliments ete.;“. on a ensuite parle de l'inertie de la matrice et de ses effets, avant, pendant et ‚apres la grossesse, mais on n’a pas dit que l’es- tomae pouvait avoir une inertie independante de Tinertie generale qui est produite par la viellesse -ou par un etat de maladie, onn'a pas traite en par- tieulier de l’inertie de l’estomace comme on Ta fait ‚de celle de !’uterus, on n’a pas dit que l’estomae ‘pouvait avoir une inertie momentanee comme celle de l’uterus dans certaims moments de T'ac- -couchement. Sans traiter ici des causes de l’iner- tie, je suis le premier qui dise que l’inertie de T’estomac est /a cause de l'indigestion ‚ eten cela -je traite un sujet neuf que je vais avoir ’'honneur -de vous developper.
Hevenons actuellement a Lindivide que jaı choisi pour voir ce qui se passe dans une indiges- tion. Iln’eprouve aucune meommodite pendant quel- 'ques heures,, il est en apparence dans son etät -naturel,, parceque son estomac est entre dans cet -etat ithdstie qui .doit amener lindigestion, c’est un etat de repos complet dans le moment oü ce viscere devrait travailler a la plus importante forte- tion;-on peut comparer cet Etat aA l'mertie de l’u-
200
terus lors de l’expulsion du produit de la gestion. Ce sont dans Yun et l'autre cas des visceres sans action, et dans cet etat (pour etablir ma compa- raison par deux cas qui peuvent devenir mortels), un produit Fhemorragie et Z’aufre Yindigestion , le bol alimentaire n’est point broye et l’estomae reste comme insensible pour le moment; l’absence de toute douleur de tout majaise, avant la fermen- talion, montre qu'il n’y a ni crampes ni spasmes.
. L’aliment contenu alors dans ce viscere ne subit pas du tout les changemens qu'il y eprouve- rait dans une digestion reguliere, il &st Ja comme dans un tout autre vase situe dans un lieu chaud et humide qui favorise la fermentation,, qui est peut-eire acceleree parce que ce bol alimentaire simpregne des ‚sucs gastries qui abondent dans lrestomac ; aussi il entre en fermentation, il aug- mente beaucoup de volume sans &tre broye; ıl seen degage les gaz qui prodıisent les Eructations , et alors commence la souffrance:. l’estomac se distend outre mesure, les vents degages provo- quent et amenent les tiraillemens douloureux , ren- dent la face boufie, meme violette, le malade eprouve de son vivant les memes phenomenes que la fermentation des substances contenues dans l’es- tomac fait eprouver apres la.mort, avec la diffe- rence que cette fermentation agit ici sur des vis- ceres sur lesquels elle est impuissante quand la ‚vie acesse. Par exemple l’ouverture des cadavres morts d’indigestion, montre le foie noirätre et gorge de sang, tout comme les vaisseaux du cer- veau engorges, distendus, par l’effet sur la eireu- lation de la plus ou moins prodigieuse distention de l'estomac. C'est cette fermentation qui s’etablit plus ou moins vite, et sur laquelle je me suis
201
arrete en vous parlant de la marche de l'indiges- tion, pour vous la faire bien connaitre, qui pro- duit touts les simptömes facheux. La digestion arreiee par linertie n'est agravde que par 1a fer- mentation seule, et si le bol alimentaire ne !’ Eepron- vait pas, il y aurait des digestions retarddes mais non pas tous les accidents de liindigestion::. cet - etat de souffrance continue jusqu’a ce que les con- traciions deviennent possibles a l’estomac, alors il se debarrasse par le haut ou par le bas, souvent des deux manieres et la masse fermentee une fois emportee tout rentre dans l'ordre.
Je definis done l'indigestion, une inertie de l'estomae qui se prolonge assez de tems pour que la substance qui y est introduite, aulieu d’etre pre- paree pour la digestion,, entre dans une fermenta- tion aigre, qui rend ceite pulpe impropre a former le chyle‘, produit tous les aceidens qui accom- pagnent, cetie maladie , la mort meme, et qui ne cede que quand son Eevacuation peut arrıver a tems.
Je presume une partie des questions qui me seront faites. On me demandera sı lindigestion vient par saturation , si le bol alimentaire n'est pas la cause de l'inertie, siil agıt sur l’estomae par la fatigue qu'il Jui procure, ou par la qualite des Su nee qu’il met en contact avec lui; si les substances nutritives ont seules la faculte de pro- duire Vindigestion?... Pour repondre A ces ques- tions Messieurs , j'employerai des faits aulieu de raisonnements, parce qu'ils me paraissent la ma- niere la plus simple et la plus claire de traiter une question. Je ne les prendrai pas dans le nombre de ceux que jaai eru voir, mais de ceux qui ont eles vus ou ciles, par des hommes du pre- mier merite.,
2082
Je dirai d’abord que le bol alimentaire , qui est introduit dans l’estomac, ne fait pas la direstion: il n’est que la partie qui doit &tre digeree; ce sont des substances vegetales ou Yakiilde) mais privees de la vie et qui ne fournissent plus qu'une decomposition d’oü la digestion tire le chyle qui sert & la nutrition du‘ corps: ‘c'est done le tissu vivant de l’estomac, qui opere la digestion des substances passives et privees de la vie qui sont introduites dans sa capacite. Ges substances ne peuvent agir sur lui que de deux manieres, par leur qualite, ou par leur quanlite; voyons si Vexperience nous dira que l’une de ces deux cau- ses produit l’inertie de l’estomac, sans laquelle la fermentation indigeste n’existe jamais.
Commencons par la qualite, et la pratique nous montre souvent que des malades ont manges sans en etre incommodes les choses qui passent pour les plus indigestes. Qui n’a pas vu de ces fievreux, dont la maladie durait depuis long-tems et qui ont ete assez incivils, pour se guerir sans Vavis du medecin par un baquet de mauvaise sa- lade qui n’a point ete indigeste pour eux, dont Vestomae devait etre bien mal prepare A recevoir un pareil aliment; qui ne connait les appetits de- praves des femmes grosses, des filles chlorotiques que Mr. le Professeur Gardien eroit idiopatigque de l'estomac ; (traite d’acc. Paris 1807 t. ı p. 40) et la meme chose en d’auires termes, (Diet. des sciene. med. t. XXIV. p. 394 et 395) qui ne sait que dans les cas de Pica, de Malacia, on voit des individus manger des cendres, du mortier, des matieres calcaires, de la viande crue, des araignees, du cuir, du charbon, et meme des exerements; ne voyons nous pas les polyphages
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avaler le sang tire’ aux malades, ou des animaux vivants tels que des anguilles, des souris ete., et que les femmes, les hokmmäs; et me&me les enfans, qui se livrent a ces degoutans repas, n’en sont pas incommodes; tandis que Ja meme pratique nous pre- sente assez souvent des personnes bien portantes , qui, apres avoir mange raisonnablement d’un ali- ment bien prepare et deibönne qualite, ont cepen- dant de penibles indigestions. Voieci une reflexion de Mr. le Docteur Mouton , dans son artiele: ap- petit, (Diet. des science. med, 0a p. 259g.) „Un „individu extenue , phthisique , moribond , digere „une substance reconnue generalement pour indi- » ‚geste, parce qu’elie fut un gout de l’enfance, et
“son estomac se refuse A Yassimilation de telle „autre universellement regardee comme d’une di- Bi gestion ires facile.“ Enfin je remarquerai , que les poisons meme ne produisent pas erdinairement l’indigestion; on les retrouve dans quelques cas, au Ark de Vestomae; ils tuent, mais ils sont digeres ‚ ils ne donnent pas la mort avec les phe- nomenes de Vindigestion.
Des faits semblables paraissent nous autoriser de considerer pour quelque chose la disposition de l’estomac , qui pourra une fois se debarrasser sans peine de la chose, qui parait la plus difheile a digerer et qui une autre fois aura une indiges+ tion avec le meilleur äalıment. Ne pouvons nous pas dire que l’inertie de l’estomac, qui amene }’in- digestion, ne tient pas essentiellement a la qualite des substances introduites, mais que ‚cet -organe mal dispose par fois, se trouve fatigue du poid dont ‘on le charge quelque leger qu’il soit‘; et quil veut se 'reposer, reprentlre des forces avant d’accomplir son oeuvre, quand la fermenta-
Natw. Annl. I. 2. 14
2014 e
tion vient lui etre un obstacle, ce.qui montre (fer- ınentation & part). une grande analogie entre liner- tie de l’estomae et celle de l’uterus. | Venons ä la quantite, qui en fatiguant par son poid provoquera peut-etre l’inertie dans certaines circonstances. CGependant nous: voyons l’estomac recevoir des masses enormes et les bien digerer: je pourrais deja vous presenter le. meme. raison- nenıent, que je viens de tenir pour la qualite, je vais ajouter les cas de Boulimie, comparee au broye- ment continuel du boeuf, la faım canine, soit ceux dont l’appetit ressemble a la voracite des chiens, les polyphages qui mangent de tout pour assouvir leur ‚voracite, les homophages qui mangent, la viande crue, les cas d’ingurgitation ‚ou gula, vo- rago, crapula des latins; et,enfin. tous ces gloutons qui remplissent leur estomac de la maniere la plus inconsideree, et qui n’ont pas toujours, des indi- gestions , pour vous montrer que la quantite. n'est pas non plus une cause necessaire de l’inertie de l’estomac. | Entre un tres grand, nombre de cas, quiil serait trop long et peut-etre fatiguant de vous ci- ter, j’en choisirai cependant quatre, dont. je vous parlerai d’une mani£ere tres.abregee; ei d’abord d’un homme de Wirtemberg dont l’histoire nous est conservee dans les commentaires de Leipsick,, . dans une ihese soutenue a Wittemberg , sous.la presidence de George Rodolphe Boehmer en 1797; et ensuite dans le Dictionnaire des sciences me- dicales, (t. IV. p. ı98 et ı99) par Monsieur le Docteur Fournier. Get.homme devant le senat engloutit un mouton entier et-un cochon de lait, soixante livres de prunes avec leursnoyaux. 'Toute son histoire est une suite de repas aussi copieux
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et plus 'ridieules, puisque'sur la fin il ’avala une ecritoire de fer, recouverte d’etain avec plumes,, canif et sable; nous ne le voyons pas atteint d’in- digestion: son estomae &tait il trop vigoureux pour ' eraindre l’inertie? Je ne sais, mais a läge de 79 ans il devient sobre et ensuite il mourut maigre dit-on , remarque faite de maniere a prouver’qu’il avait ete gras. Je prendrai l’autre dans le nombre des cas d’ingurgitation indiques par Messieurs les Doctours Percy et Laurent (Journal complement. t. 1 p. 31) et je les laisserai parler eux-memes : „Nous avons „essaye une fois (disent ils) combien un de ces „Lazzaroni pouvait manger, de macaroni. C’etait „a une foire, et devant beaucoup de monde attire „par ce spectacle; il vida un chaudron plein de „cette päte, a laquelle on avait ajoute du fromage „et un peu de sauce. Nous en payames vingt „livres.“ | Je vous citerai encore ce Tarrare, dont Y’his- toire est rapportee (Diet. des sciene. med.t. XX. p- 348), par Monsieur le Professeur Percy , qui a eu tant d’occasions de l’observer. „Il defait le „publie de le rassasier, et en quelques minutes il „mangeait un panier de pommes, quand quelqu’un „avait consenti a en faire les frais, * il’se Iivrait a Tappetit le plus desordonne et il mangeait les choses les plus repoussantes. Un jour a Sultzen pres de Weissembourg,, 'en presence du Docteur Lorenz, ‘medecin en chef de l’armee,. qui se trouvait Ja par hasard, ‘Tarrare tenant un chat vivant par le cou et’ les pattes, lui dechira le ventre avec’]es dents, suca le sang, et bientöt ne laissa plus que le squelette; une demi heure apres il rejetta le poil dla maniere des carnıvo-
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res et. des oiseaux de proie. (ouvr. cite p. 354g.) On se fait une idee de ce que cet estomac pou- vait engloutir quand on dit, qu’a l’äge de 17 ans Tarrare ne pesait que cent livres et il pouvait „manger en 2/} heures un quartier de boeuf de ce poid.“. Dans les guerres de la revolution, le General de Beauharnais voulant l’employer ä la correspondance secrete, Tarrare apres un essai qui avait.reussi, „devora devant plusieurs ofheiers „generaux pres de trente livres de foie et’ de pou- „mons cruds,“ et un etui contenant ‘une lettre pour. un officier francais prisonnier pres de Lan- dau. (ouvr. cite p. 350.) Nous ne le voyons pas en Etre incommode,. il fut pris et il regut. deux fois la bastonnade; l’etuit 'etant sorti il l’avala de nouveau, pour .ne pas etre pendu au premier arbre s’il avait, ete decouvert, et il rentra au .camp frangais tres degoute de la correspondance secrete; s’il avait eu une indigestion, il aurait ete perdu; il ‚est: venu ensuite mourir a l’hospice de Versail- les; l’ouverture de son corps montra. une grande desorganisation , des foyers purulents,. de la pu- trefaction , mais sa longue histoire n’indique aucune indigestion malgre les masses enormes qu'il a en- glouties. m; ' Si ä cöte de cela on reflechit, qu’une tasse de soupe au lait ou au bouillon peut produire l’In- digestion, on est oblige de convenir, que la quan- tite ne provoque pas plus l’inertie de lT'estomac que:la qualite; et si la qualite des choses ingerees ou leur quantite ne sont pas des causes con= stantes de cette inertie,. qui produit J’Indigestion, e’est done une disposition propre a ce viscere qui le rend inerte ? tm 1;
Les süubstances nutritives ont elles seules..la
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faeulte de produire cette maladie? Je dis oui’! I’Indigestion ne peut avoir lieu sans cette fermen- kation aigre, qui produit tons les accidents qui ne paraissent, que quand elle s’etablit; le dernier fait que je vais vous citer vient & Yappui de cette proposition, c’est un polyphage qui me le fournit.
C’etait un forgat, qui mourwt a l’hopital de la marine de Brest, le 10 Oct. 1774. L’ouverture de son cadavre se fit devant tous les officiers de sante de l’höpital, et beaucoup de medecins et ehirurgiens ‘de la ville, il y avait un changement enorme dans la place, que devait occuper l’esto- mac et dans sa capacite ; l’on trouve dans la rela- tion de ce fait (Diet. des science. med. t. IV. P- 198 et 199) une liste des pieces trouvees dans ee viscere, il y en a /6 dont la plus longue a 19 pouces, elles sont en bois, fer, etain, corne, verre, pipes etc.; elles foumissent ‘ensembles. le poid inte livre et six onces.
La plus legere reflexion nous indique, que si linertie a pu exister dans cet organe, ce ne devait &tre pour le forcat gu un etat-de bien Etre, mais que tous ces objets n’etant pas susceptibles de fermentation ils ne pouvaient pas produire tous ces accidents d’Indigestion, qui sont la suite du volume augmente de la masse qui fermente, de la qualite Partieuliöre que prend cette fermentation , et enfin du degagement des gaz.
Le traiiement de I’Indigestion se eeduit le plus souvent au repos, ala diete, et aux delayants; mais quand elle devient serieuse elle demande une plus grande attention. or
Dans le premier moment on donne souvent du the, dans le but de favoriser- la digestion; ıl reussit assez bien quand la fermentation n'est pas
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etablie; quelques personnes. pretendent 'qulil est plus nuisible qu’utile; elles preferent l’eau tiede; jai vu en pareille circonstance de bien bons effets d’une legere infusion de sauge, (Salvia offcinalis Linne) et meme d’une tasse de cafe a l’eau: j’ai employe un autre moyen, duquel je parlerai un peu plus loin, pour ne pas etre oblige de me repeter. | On employe aussi. les lavements calmants emollients, on peut en donner ‘des purgatifs; je ferai observer, que dans leur nombre on en a con- seille avec de l’opium.
Lorsque ces premiers moyens. ne reussissent pas, les praticiens en ont propose deux autres, sur lesquels les opinions ont varie, ce sont les eva- cuans et la saignee, qui tous les deux ont eu des succes.
On evacue avec le tartre stibie , (tartrate de potasse antimonie) ou avec des sels neutres; le premier se donne tout de suite, c’est-A-dire dans le moment oiüı YIndigestion est quelque fois dans toute sa force , et l’on peut demander, si c’est bien le moment de donner l’emetique ?. Ajoutons , lors- que l’estomac est prodigieusement. distendu par la mauyaise fermentation des substances ingerees, et par le degagement des gaz quelle produit: quand l’epigastre est tendu douloureux meme au toucher, que l’etat force ‚de l’estomac change la circulation, que d’une 'part le sang est refoule pour ainsi dire dans le foie dont on trouve la substance noirätre et gorgee de sang chez ceux qui succombent, et que d’un autre.cöte le sang est port avec force a la tete, que la face devient plus ou moins bouflie et violette, que les vaisseaux
“ du .cerveau sont distendus et engorges, doit on ex-
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eiter Je vomissement par le tartre stibie ou T'ipe- cacuanha ? Jene suis pas etonne, si ces: considera- tions ont fait reculer plus d’un praticien, surtout sı le malade est une de ces personnes, chez les- quelles tout a une apparence apoplectique meme en sante. Je sais que le danger ne cessera, que quand l’estomac sera evacue, mais ne pourrait on pas procurer cette evacuation, sans employer un medicament qui augmente par son excitation l’ef- fet d'un vomissement ordinaire, qui devient redou- table quelque fois dans des occasions bien moins dangereuses ?
Les sels neutres ne se donnent, que quand le danger est passe, que l’estomac s’est debarrasse soit en partie par le vomissement, soit en tout ou en partie par le bas; leur emploi est toujours utile alors, pour faire promptement sortir cette masse impropre au chyle: on facilite leur action par le bouillon de veau, le petit lait, le bouillon aux herbes , ou toute autre boisson delayante.
Le second moyen est la saignee. Ses partisans ont trouves une grande opposition, je pense, qu’elle venait de ce qu’on considerait cette maladie comme une affection purement bilieuse, ou que l’on craig-
5 nait en saienant de diminuer les forces digestives
de l'estomae.,..Fai.obserw& beaucoup d’Indiges- tions, jen ai reconnus sous des apparences bien trompeuses , et je n’ai Jamais employe la saig- nee dans ce cas, mais je sais qu’elle a ete em- ploye_avec avantage. Je crois que dans l’etat force et sanguin olı le malade se trouve, il est possible, qu’en rendant la circulation plus libre , plus faeile, par'la sortie de quelques onces de sang, cette liberte dans la circulation permettra
a l’estomac de sortir de son inertie, et des qu/il
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sera rendu ä& son etat naturel,-ıl se delivrera tout de suite set avec moins d’efforts, de violence, que si dans le moment de la tourmente on l’ex- eitait par un’ vomitif. 1
Mais ne serait-il pas un moyen, par lequel on pourrait faire cesser l'inertie, sans recourir au vo- mitif, qui peut n’etre pas sans danger; ou ä la saignee, qui souvent.et malheureusement a contr’elle l’opinion & laquelle le medecin est oblige de eeder meme malgre lui; ou enfin dans des cas oü les circonstances lui feraient desirer de n’employer nı Yun ni l’autre de ces deux moyens?
Je ne .pretends pas donner un speecifique contre YIndigestion, car je pense que nous n’en avons pour aucun cas; je dirai simplement que l’opium m’a reussi, qu’'une dixaine de goutes de Laudanum donne dans une tasse de boisson, ou une portion opiacee, ont eu des heureux effets; il me semblait que peu de moments apres l’avoir administre , l’estomac reprenait ses fonctions, un vomissement sans grands efforts soulageait le pa- tient, bientöt les borborigmes annongaient la liberte du pylore: si peu de tems apres aveir pris l’o- pium sous une forme quelconque, ıl reste sans effet, on peut recourir a un autre moyen; je me suis souvent felicite de l’avoir employe, je lin- dique. sans pretention, sans meme chercher ä prouver , qu’en conseillant de l’employer, je ne eontredis pas ma theorie de Indigestion.
: Voila Messieurs, un bien faible essai sur une eruelle maladie; je n'ai fait qu’une esquisse, je voudrais qu’elle fut moins imparfaite et, plus digne de vous £Eire presentee; j’ai reuni dans quelques pages et d'une maniere rapide ce qui pourrait faire un volume; .je desire‘ que: vous accueillez mon
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travail avee.indulgence, et si, quand nous rendrons compte & la Societe Gentrale de nos travaux de l’annee , mon petit memoire. peut fournir quelques lignes interessantes, j’en serai extremement flatte.
vn.
Naturforschende Gesellschaft in Solothurn.
Die im letzten Herbst in Solothurn gebildete naturhistorische Kantonal - Gesellschaft hat vor Kurzem ihre erste Jahres-Versammlung unter dem Vorsitz des Hrn. AJugi, gehälten. In der ge- druckten Eröffnungs-Rede giebt der Vorsteher vorerst das Ziel an, nach welchem die Gesell- schaft strebt — Beforderung des Studiums der Naturkunde im Allgemeinen , insbesondere Erwei- terung der physischen und naturhistorischen Kennt- nıls ee Kantons Solothurn und Anwendung der- selben auf Industrie, Landwirthschaft u. s. w. — und weiset hin auf eine grolse Menge einzelner Gegenstände, über welche die Mitglieder der Ge- sellschaft ihre Aufmerksamkeit und Thatigkeit nach und nach erstrecken sollen. Hierauf wird eine Uebersicht und summarische Inhaltsanzeige der in den wochentlichen Versammlungen von den Mit- | gliedern gehaltenen V orlesungen” ertheilt, aus wel- a auf eine erfreuliche Weise der Eifer und die Thatigkeit hervorleuchtet, womit diese neugestif- tete Gesellschaft aufgetreten ist.
Hr. Zugi hat die Gesellschaft über folgende Gegenstände unterhalten : ı) Ueber die kosmo= logischen Mythen in den Religionsansichten ° der alten Völker. 2) Ueber die Scheidungs- linie der Jahrszeiten. 53) Ueber das Jura-= gebilde, in einer Reisebeschreibung. 4) Ueber den neuentdeckten Cölestin im Jura; sein geog- nostisches Vorkommen und seine orycetognosti- schen Verhältnisse. Hr. H. stellt etwa 2o Ab- anderungen der Gestalt desselben auf, von wel- chen er die Tafel als Grundform betrachtet, die einerseits in die Saulenform , andrerseits in die octaedrische übergeht. 5) Ueber die im Kanz= ton eingeleiteten meteorologischen Beobach= tungsstationen. An ı6 der wichtigsten Punkten in den Thälern und Hohen sind bleibende Beob- achtungsstationen, die mit gleichen Instrumenten von wissenschaftlichen Mitgliedern des Vereins besorgt werden. Von der flachen Schweiz an über alle Keiten und 'T'haler des Jura bis Dornach und eben so in der Ausdehnung, von Rienberg, bis Bärschwyl hat die Gesellschaft ihre angestellten Beobachter. 6) Ueber die Einrichtung einer Maschine als Feuer= und Gegenständezeiger. 7) Ueber den Zustand und den Gang des physischen Wissens in Solothurn. 8) Ueber die Entwickelung des Limneus stagnalis im Ei. 9) Ueber die Fortpflanzung der Schilt- läuse (Coceus). ı0) Ueber die Erdflöhe. ı1) Ueber einen sehr grobkörnigen Roogen= stein, der bei Morspel bricht. Die Korner ha- ben Y, bis 2 Zolle Durchmesser und immer einen fremdarligen Korper als Gentrum, um den sich die Masse oft in dreissig concentrischen Hüllen anlegt. Bei vielen fanden sich sehr schon erhal-
m) 21)
iene 'Strombiten als Kern. ı2) Ueber die Pe- trefacten im Jura. Hr. H. stellt 62 Familien davon auf, von denen er die Exemplare vorwiels. Besonders merkwürdig und wichtig für die Geo- logie sind die vielen Osteolithen von Wirbelthie- ren: ganze Riefer von Paja -aquila und mehrern andern Rochen,, Sparus, Änarrhichas, Haifische , Krokodile, Ichthyosauros , Protosauros, und Me- galosauros von ungeheurer Grolse.‘ Von diesem letztern fand man bisher nur m England und bei FHonfleur einige Spuren. Viele Schildkroten von verschiedenen Arten Testudo, Emys, Chelonia ues. w. Einige Knochen von Cetaceen, Palao therien, Anoplotherien, von Elephanten und noch viele Unbestinimte und Unbekannte. Es scheint in dieser Hinsicht die Gegend von Solothurn ein so klassischer Boden für die Geologie zu seyn, als die Gegend von Paris. NMochte sie doch bald ihren Guvier und Brogniard finden! 13) Yersuche mit Blausäure an den untern Thierfamilien. ı4) Ueber das Erdbeben im Jura von 1356.
Hr. Pfluger, Apotheker, hat vorgetragen: ı) Die Resultate der Untersuchung einer Quelle bei Wartenfels. 2) Ueber das Bepickt- werden der Hühner in einem fremden Hüh= nerstalle. 3) Ueber die Kraft des Saftlaufs im Weinstocke, der in einer Glasröhre sich über 20 Fuls über den abgeschnittenen Stock hob. 4) Erklärung über Perkins neue Dampfma= schinen. 5) Ueber die Osteocolla. 6) Ueber die Entdeckungen von Faraday, Davy u. a« 7) Ueber die Blitzröhren. 8) Ueber die Fer= besserung des Erdbohrers. 9) Versuche über die Contraction zweier Flüssigkeiten bei ihrer Vermischung. ıo) Notizen über Göthe’s na-
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turhistorisches Studium, und mehrere Ansich- ten desselben. ı1) Ueber Winterl’s Theorie der Chemie. ı2) Ueber das Zickzackschla= gen des Blitzes und das Rollen des Donners.
Hr. Lüthi, (Veterinärarzt). ı) Ueber die Naturgeschichte der Hausthiere. : 2) Ueber den Milzbrand beim Hornvieh. 3) Ueber Stammältern und Rassen der gezähmten Wiederkauer, über die Rassen des Schweizer- viehs, dessen Eigenheiten und Naturtriebe auf Hoch- und Mittelalpen,, in flachen Gegenden und im Sumpflande. 4) Ueber fremdartige Massen in den. Organen thierischer Körper, als Haar- ballen, Darm- und Nierensteine. 5) Ueber die Bedeutung der Schädelknochen.
Hr. Roth, (Lehrer). ı) Ueber die Ten= denz der Botanik. 2) Beobachtungen über die Rosenarten im Jura. 5) Ueber die Sym= bolik und Bedeutung der Blumen. 4) Ueber die Leguminosen des Jura, ihre Verbreitung im Allgemeinen , vorzüglich in der Schweiz und ım Jura. Die Gattungen werden aufgezählt, ihr klimatisches Verhaltnifs entwickelt, und rücksicht- lich der Goronilla minima bei den Schriftstellern eingeschlichene und nachgeschriebene Irrthümer werden berichtiget. 5) Äritische Beleuchtung von Krauers Prodromus florae lucernensis. 6) Ueber die Requisiten zu einer Flora des Jura. 7) Vorschläge zu Einrichtung eines Kantonalherbariums für die Gesellschaft. 8) Ueber eine einzurichtende Maschine, wel che alle Gegenstände des Horizonts nach= weisen und vornehmlich bei nächtlichen Feuers- brünsien dienen würde.
© Hr. Ziegler, (Dr. Med. inUrsern). .ı) Ueber
»
21.
das Ferhältni/fs des Arztes zum Studium der Naturwissenschaft. 2) Ueber die Anstalt für unheilbare Kranke in der Klus. 3) Ueber die Ernährung des Menschen. 4) Ueber das Zerfallen des menschlichen Körpers im Selbst- bewuj/sseyn, mit Beispielen aus der. Geschichte erläutert. 5) Darstellung des Digestionspro= zesses. |
Hr. Walker, (Ingenieur). ı) Bericht einer Reise über den Gotthard nach Graubündten. 2) Ueber geographische Länge=- Breite= und Höhen - Bestimmung. 3) Ueber den wissen- schaftlichen Geist in der Mathematik und die Art sie wissenschaftlich zu lehren. 4) Ueber die topographische Jusmessung eines Landes, vorzüglich in Bezug auf Solothurn. |
‚Hr. Jäggi, (Arzt). ı) Ueber die Men» schenrassen und über das allgemeine Verhaltnils der korperlichen und geistigen Eigenschaften des Menschen. 2) Ueber die Behandlung der Sterbenden und Todten, Begrabnilsplätze u. s. w. 3) Ueber den thierischen Magnetismus.
Hr. Meyer , (Veterinararzt). ı) Ueber Ausartung und Verbreitung der Hausthiere. 2) Ueber das Verhältnifs der Thierheilkunde zur Wissenschaft. 3) Ueber das Verhält- nifs des Veterinararztes zur Wissenschaft überhaupt und die Erfordernisse eines solchen , wenn er: Gehoriges leisten und dem Wunsche des Staats entsprechen soll. 4) Ueber die Ab- stammung der Hunde mit Auseinandersetzung ihres Stammbaums.
- Hr. Xottmann, (Dr. Med.) ı) Ueber die Luftprefsmaschine. 2) Ueber Sauerkleesäure
und Salze. Geschichte der Eintdeekung. ihrer
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giftigen Eigenschaften, Resultate der Leichenöff- nungen dadurch vergifteter Menschen, Versuche damit an 'Thieren. Als Resultat ergab sich: dafs eine kleine genommene Menge schnell tödte; da bei grofserer Menge oft noch Rettung möglich ist. 5) Ueber die Stubenluft, besonders in Schul- stuben. 4) Ueber die Wiedererzeugung der Regenwürmer, nach Dr. G. Sangiovanni in Neapel. Ä Hr. Girad, (Arzt). Notizen über die Bil- dung einer kalkartigen Masse im Speichel- gange eines Mannes, der schon lange an hefti- gem Rheumatismus litt, durch das Erscheinen dieser Kalkmasse aber, wie mit einem Zauber- schlage davon befreit wurde. |
Hr. Kottmann, (Sohn). Untersuchung des im Jura neuentdeckten schwefelsauren Strontians. Er fand nachst Schwefelsäure und Strontian in den reinsten Kristallen nur sehr wenig kohlensauren Kalk, Kieselerde, 'Thonerde und
Eisenoxyd.
vi.
Bücheranzeigen.
Die Heilquelle zu Pfäfers, ein historisch- topographischer und heilkundiger Versuch von J. A. Kaiser, der Med. und Chir. Doctor , Stift- und Badarzt zu Pfäferss. Chur, 7822. 8. IV. 182. | nn
Das Werkchen besteht aus 5 Abtheilungen. Die erste handelt ı) Von der Lage und Ge-
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schichte des. Bades. 2) Von der Badeanstalt. 3) Von der. Umgebung und Unterhaltung. Diesem Abschnitt ist die geognostische Be- schreibung der Gegend aus Ebel, eine kleine Flora und Insecten-Fauına ‚ (beide freilich nur allzu mager und durch Druckfehler entstellt) beigefügt. Die zweite Abtheilung enthalt: ı) Ansich- ten über ‘die Heilquelle. 2) Eigenschaften und Bestandtheile. Das Wasser ist rein, kristallkell, leichter als jedes andere, steht nicht leicht oder gar nicht ab; in Bouteillen eingeschlossen machte es nach 30 und mehrern Jahren nicht den minde- sten Niederschlag, es ist farbenlos,, ohne Geruch und Geschmack. Die Analyse, welche Hr. Apo- theker Capeller in Chur im Sommer ı819 vor- nahm, gab in einem Ik Wasser zu ı6 Unzen folgende fixe Bestandtheile: | + Salzsaure. Talkerde eh Extractivstoff gl un: Salzsaures Natrtum .° 0,21 — Harzsoff . . .7..0,06 — Schwefelsaures Natrum 0,62 — Schwefelsaure RKalkerde 0, 37° — Kohlensaure Ralkerde 0,92 — Kohlensaure Talkerde 0,97 — 3) Wirkungen. Besonders wirksam erweiset sich das Pfaferser Wasser bei Magenbeschwerden , Leiden der Leber und des Pfortadersystems, in Nervenleiden, bei Gicht, Rıheumatalgie und chro- nischen Hautausschlägen ; Schleim und passiven “ Blutflüssen und: mehrern Krankheiten des Lymph- systems, ‘bei Krankheiten des Harnsystems, in Lähmungen, Contracturen ‘und Schwäche nach vorkergegangenon Verwundungen. 4) Anwen- dungsarten. 5) Verhalten vor, während und nach der Gur.
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Der dritte Abschnitt liefert einige Beobach- tungen des Verfassers in manchen einzelnen Krank- heitsfallen.
Angehaängt ist eine Auswahl älterer und neuer Gedichte auf die Heilquelle zu Pfäfers. Drei bei- gefügte Kupfer nebst der Titelvignette in Tusch- manier geben Ansichten von der Lage des Bodens, von dem Badhause,, von dem Kloster Pfäfers und vom Eingange zur Quelle.
| Lichenes helvetici exsiccati, Fasc. I-IV. et Lichenum helveticorum spicilegium, ect, I. Lich. exsie. Fasc. 1—4 illustrans; Autore Lud. Em. Schaerer. : Bernae, apud autorem et C. A. Jenni, bibliopolam.
Der Nutzen getrockneter Sammlungen für das Studium der eryptogam. Pflanzen ist allgemein an- erkannt; die Familie der Lichenen bedarf: dieses Hülfsmittels vor allen andern, denn .die mannig- faltigen Formen und Farben dieser. Gewachse sind sehr schwer zu beschreiben, und bis jetzt sind nur wenig Arten derselben: gut abgebildet. ey
Das Werk des Hrn. S. kann also zur Be- stimmung der Arten dieser Familie von grolsem Nutzen seyn, zumal da die Schweiz an Lichenen sehr reich ist. | ar
Die vier bis jetzt erschienenen Fascikel die- ses Werks enthalten 100 Exemplare von 5ı Ar- ten, indem der Verfasser viele Abänderungen von Cladonia pyxidata , digitata , filiformis , gracilis u. a. gegeben hat. Ausser dem enthalt die Sammlung 8 Arten von Calycium, mehrere Arten von Pel- tigera, Cladonia, Cetraria und eine ziemliche Anzahl von ‚Opegrapha. : | |
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Die Exemplare sind im 'Ganzen sorgfältig ausgewählt und zubereitet und genatı bestimmt: In dem Spieilegium sind die in den 4 Fascikeln‘ enthaltenen Arten nebst ihren Abänderungen sehr deutlich und gedrängt beschrieben, und die sehr verworrene Synonymie ist glücklich auseinanderge:" setzt worden. - | | KE
Keine der in den Fascikeln enthaltenen Ar- ten ist neu und Hr. S. verdient Dank, dafs er die ‘Menge der von Acharius, Florke u. a. aufge» stellten Arten nicht vermehrt hat.. Er hat viel- mehr viele der von den genannten Autoren als eigene Arten betrachtete Abänderungen unter Eine Art vereint, welches besonders bei den Gattun: gen Cladonia und Opegrapha oft geschehen ist.
Preis der getrockneten Exemplare (die auf sutes Papier aufgeklebt in einem Pappkasten ver- sendet werden,) Fasc. I—-IV. ı6 Schweizerfran- ken; Lich. spieilegium Sect. ı. besonders Frk; 2°
‘Nova theoria de Parallelarum rectarum proprietatibus, auctore Daniele Hubero, Ba-- siliense, in acad. patria mathem. Prof. et Biblio- thecario. Bas. 1823, sumptib. librar. Schweig- hauser. ERREE
In dieser kleinen Schrift werden aus der An- nahme, dafs eine senkrechte Linie auf eine von zwei Parallelen die andere schneide, alle Eigen- schaften der Parallellinien vollständig abgeleitet.
. Anfangsgründe der Dampfmaschinen=. lehre für Techniker und Freunde der Mee chanik, von Dr. Christoph. .Bernoulli, ord. Prof. an der Univ. zu Basel und Mitgl. mehrerer gel. Gesellschaften. Basel 1824, bei J. G. Neu- kirch, mit g Steindrucktafeln.
Natw. Annl, I, 2. ı5
Eine möglichst vollständige‘ Darstellung der Einrichtung der verschiedenen Arten von Dampf- maschinen und der Grundsätze worauf sie beruhen.
Beiträge zur Stöchiometrie und. chemi- schen Statik, von J. L. Falkener, Dr. der Phil. und Med. und Mitgl. der Schweiz. Gesells. von Naturforschern. Basel 1824, ber J. &@. Neukirch.
Es schliefst sich dieses Werk an die ı8ı9 erschienene Schrift von demselben Verfasser ‚über die Verhältnisse und die Gesetze, wonach die Elemente der Korper gemischt sind. Der Ver- fasser bestimmt die chemischen Verhaltnifszahlen der Körper durch Discussion einer Auswahl der genausten Analysen, indem für den Sauerstoff die Zahl 60 gesetzt wird. Er zeigt dann, ‘dafs, mit Ausnahme des Woasserstoffs, eme jede auf diese: Weise bestimmte. Verhaltnifszahl in die Form 20 +x” + y” gebracht werden kann, wo x und y ganze Zahlen sind. Es ergeben sich auf diese Weise Rlassen von Körpern wo x denselben Werth hat, und durch diese Klassen. scheinen Korper zusammengeordnet zu werden, welche, auch durch ihre chemischen Eigenschaften einan- der.nahe stehen. N
Empfehlungswerthe neue Bücher:
Lehrbuch der gesammten Mineralogie , von E. Fr. Germar. Halle bei Hemmerde und Sehwetschke, 1827. (8.)
‘System der urweltlichen Konchylien, von H. G. Bronn, mit 7 Steindrucktafeln. Hei- delbers (Mohr) ı824. Fol.
Ky [)
IX. Ankündigungen.
Schon oft wurde der Herausg. dieser Annalen zur Fortsetzung des in den ersten Jahrgängen des naturwissenschaftl. Anzeigers angefangenen Ver- zeichnisses der schweizerischen Schmetterlinge aufgefordert. Sehr leicht hätte er diesem Verlan- gen entsprechen konnen, wenn nicht die Zer- stückelung der Arbeit durch so viele einzelne Hefte einer Zeitschrift , die allerdings ihrer Brauch- barkeit sehr hinderlich ist , dieselbe ihm selbst ver- leidet gehabt hatte. Auch fühlte er vom ersten Anfange dieser Arbeit an, dafs sie nur dann erst recht brauchbar seyn werde, wenn sie nicht mehr ein blosses dürres Verzeichnils bliebe, sondern ein wirkliches Zandbuch der schweizerischen Lepidopterologie würde. Ein solches zu bear- beiten, ist er nun seit geraumer Zeit beschäftiget , und er hofft durch dasselbe nicht nur jener an ihn ergangenen Aufforderung ein Genüge zu leisten , sondern auch einem, von allen Freunden dieses interessanten T'hheils der schweizerischen Naturge- schichte und besonders angehenden Sammlern lebhaft gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen. Um das Buch nicht voluminos und kostbar zu machen, sind die Beschreibungen mit moglichster Kürze abgefalst, wobei jedoch Genauigkeit und Rlar- heit nicht gelitten haben, damit auch der Anfan-
er im Stande sei, aus der blossen Beschreibung, ohne Abbildunsen zu Hülfe nehmen zu müssen,
= eine jede Art zu erkennen.
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Das Ganze wird 2 mässige Bande bilden , die in der Steinerischen Buchhandlung i in Winter- thur in einem bequemen "Taschenformat erscheinen werden.
Alle Freunde der vaterläandischen Lepidopte- rologie bittet der Herausgeber hiemit angelegent- lich, ihn bei dieser ‚Arbeit gefälligst unterstützen zu ’wollen, welches zunachst durch Mittheilung der Verzeichnisse ihrer Sammlungen nach Hübner mit kurzen Bemerkungen über’ das Vorkommen der verschiedenen Arten in der Schweiz , in so fern ihnen dieses mit Zuverlassigkeit bekannt ist, | geschehen wür :de.’ Besonders efwrinelet und EN kommen "aber würden ‘ihm Nachrichten‘ von den frühern Ständen mancher. Schmetterlinge und Be- schreibungen noch nirgend' beschriebener Raupen und Puppen seyn, wodurch das Buch einen vor- züglichen Werth erhalten’ wurde.
Zur Probe mögen folgende Beschreibungen
5 hier stehen :
Hipparchia.
58. Pharte (Hübn. T. 97. £ 491. 492. 2. f. 493.494. 2. Ochs. 4, p. 259.) Große=7"). ‚Die ‚ungezähnten,, in die Lange gezogenen
5 Flügel: auf der Oberseite dunkelbraun; eine un- terbrochene selbrothe oder rostfarbige. Flecken-
S binde vor dem Aussenrande der V ordeiflügel; auf
den. Hinterflügeln ‚stehen 3—4 gelbrothe Flecken vor. dem: Aenrangeh Die Umfereiiie gezeichnet wie die obere, aber die Grundfarbe. sowohl als die Binden und Flecken: sind stets heller, als
*) Die Gröfse wird nach ‚den auf einigen wenigen Blättern ‘ in blofsen Federumrissen dargestellten Figuren der Schmet- terlinge angegeben, die.mit Zahlen bezeichnet sind.
. >”
oben,“ zumal’ bei dem Weibe. Binde und Flecken haben weder oben noch: unten nie eine Spur
von Punkten oder ‘ Augen... Bei dem: Manne zeigt sich ‘ofters kaum eine schwache Andeutung der Binden und Flecken. ::
Dieser: Falter, von dessen frühern Stellen noch nichts‘ bekannt ist, fliegt auf den niedern Alpen, z.B. am Fulse ig obern Gurnigels. Ueber der Region ıdes‘ Holzwuchses zeigt er sich BR:
59. Melampus (Ochs. 1, p. 260. Janthe
Hübn. T.'122..£.624.1625.:8..'fleyone Borkh. 1, P- '96. vereint :mit dem folgenden.) Große = 8.
Etwas ‚kleiner. als der Vorige , Grundfarbe ebenso. Die Vorderflügel haben .eine rostrothe , durch die Ädern getheilte Binde, mit 2—4 feinen schwarzen Punkten,. die bei dem Weibe‘ etwas stärker sind.» Auf den Hinterflügeln standhaft ‚vier rostrothe, etwas’ langliche Flecken, in welchen, den: ersten-gegen den Vorderrand ausgenommen , schwarze Punkte stehen... Die Unterseite gleicht der obern, nur ist,sie ,.besonders bei dem Weibe, immer heller. . Die. Fühler sind oben ‘ schwarz- braun, unten weilslich. =, Raupe und Puppe unbekannt.
Sehr gemein auf den meisten Alpen und ge- wohnlich die erste Art dieser eigentlichen Alpen- bewohner, die den Alpenboden ankundigt. Auf. dem Jura ydapaıt er nieht vor. un
60. .Cassiope (Ochs. 1, p..261. Hübn. T. 123: f.,. 626: :627.-Be f. 628. 629.:2.)., Grolse. = 8:
Grolse und Grundfarbe wie die des vorigen. Eine oft kaum zu bemerliende rothgelbe , durch die Adern getrennte Binde vor dem Aussenrande der Vorder lügel, ; in welcher 2—/ kleine schwarze
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Punkte stehen, die aber oft kaum sichtbar sind, nicht selten auch ganz fehlen. Die Hinterflügel haben gewohnlich , oft aber auch nicht, drei his ; vier rothgelbe Flecken, mit oder ohne nee Punkte. Unterseite im Ganzen heller; die roth- gelbe Binde, die sich nach der Wurzel zu oft ganz in die Grundfarbe verliert, enthalt gewöhn- lich 2—3 schwarze, oft kaum bemerkbare Punkte, Hinterflügel einfarbig dunkler oder heller braun, bei dem We ıbe braunlich-grau . gewohnlieh ohne alle Punkte. Das Weib ist etwas grolser, hat eine hellere Grundfarbe und gewöhnlich stärkere Punkte, als der Mann; auf Hübners Figuren sind Flecken und Punkte viel zu stark, wenigstens viel stärker, als sie sich bei der Gassiope unserer Alpen gewohnlich zeigen.
Der Falter fliegt auf den hohern Alpen, ist aber nicht so allgemein verbreitet, als Melampus. Seine frühern Stände sind unbekamnt.
61. Mnestra (Hübn. T. 106. f 540. 541, &. 542. 543. 2. Ochs. 1, p. 264.) Grolßse = 7.
Grofser als die beiden Vorigen, die Flügel etwas breiter, die Fühler oben schwärzlich , unten weils. Grundfarbe schwarzbraun, lebhafter als bei den Vorigen, der Saum heller. Auf den
Vorderflügeln verbreitet sich die Rostfarbe von dem Aussenrande an, wo sie scharf begränzt ist zusammenhangend nach Innen und verläuft sich nach der Wurzel hin allmahlig in die Grundfarbe. Vor der Spitze dieser Flügel stehen gewöhnlich zwei schwarze, w eilsgekernte Augen nahe über einander, ofters fehlen sie aber ganz. Ueber die Mitte der Hinterflügel zieht ie: abgekürzte rost- farbene Binde, gewohnlich ohne “alle Punkte,
selten mit einem schwarzen Punkte oder Auge i in
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der Mitte. Unterseite der Vorderflügel rothbraun,, mit schwarzbraunem Vorder- oder Aussenrande,, mit oder ohne rothgelbe Binde, die sich nach Innen in die Grundfarbe verliert und in welcher sich die beiden Augen, bald mit, bald ohne Pu- pille zeigen. Unterflügel dunkel rothbraun , bei dem Weibe braungrau , bisweilen mit emer kaum sichtbaren , etwas hellern Binde, übrigens ohne alle Punkte und Augen.
Raupe und Puppe unbekannt.
Dieser Falter ist bei weitem seltner, als die vorigen Ärten und wird nur in einzelnen Gegen- den unserer Alpenkeiten angetroffen ‚ z. B. auf der Grimsel beim Aargletscher, auf der Maien- wand, vorzüglich auf den Alpen von Ghamouni
Us Sa Ws.
Notes sur les Plantae selectae siccae col- latae in herbario De Candolli et descriptae in Prodromo systematis naturalis regni vege= tabilis, par N. C. Seringe. |
L’incertitude , otı l’on se trouve souvent pour reconnaitre d’apres les descriptions les espeoes des auteurs rend les herbiers d’un si grand in- teret, que j’ai eru qu’il importerait aux botanistes exacts de connaitre avec certitude au moins une partie des especes qui se trouvent decrites dans le Prodromus de Mr. De Gandolle. Etant l’un des collaborateurs et charge de l’arrangement de Uherbier de ce naturaliste profond, je me trouve a portee de comnaitre les plantes decrites dans son ouvrage. Toutes celles qui paraitront dans ces eeninries auront ete confrontees sur V’herbier De Candolle, sur le mien, ou sur celui de l’auteur , qui aura travaille telle ou telle famille ou genre,
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si jjai eu occasion de le faire, et le point d’excla- mation place apres la citation confirmera la confron- tation. Les citations de mes propres ouvrages n’en seront point accompagnees, car je dois con- naltre mes especes ou varietes. ° Lorsque je n’au- rai point ajoute de notes a la eitation. du Prodro= mus, ce sera un signe que je suis de l’avis de Lahleur; dans le cas contraire, ou lorsque jaurai ay ajouter quelques remarques, je le ferai.
e m’empresserai dans les notes des centu- ries suivantes, de corriger les fautes qui auraient pu se glisser, ou bien jindiquerai l’opinion de tel ou tel botaniste, qui aurait fait une eritique , qui cependant n’aurait pu me decider a changer d’avis.
Ces centuries renfermeront non-seulement des plantes europeennes, mais encore des. especes exotiques, cullivees ou spontandes memes, si je puis m’en procurer. Je ne mettrai dans cette col- lection des plantes communes , que lorsqu’elles pourront servir a montrer des differences specili- ques. Je ferai tous mes efforts pour les donner en fleur et en fruit, et si dans le moment de la publication, je ne puis donner la plante dans tous les etats olı elle pourrait offrie de linteret, j’y pourvoirai dans la suite par supplement dans Yune des centuries ulterieures. Ghaque espece est ac- ceompagnee de tout l’article contenu dans ces no- tes , et s’jl convient aux botanistes de les ranger dans l’ordre naturel du Prodromus, ce que je leur conseille , ils n’auront qu’a ajouter au bas de l’etiquette Ser. plant. sel. n..... (1824.) ou tout autre annee de publication. Cette date indi- quera les changemens successifs qui. auraient pu s’operer. Les exemplaires supplementaires seront envoyes gratuitement aux acquereurs.
229
J’emploirai tous les moyens pour rendre cette collection instructive par un bon cheix d’exem- plaires en differents etats, et quelquefois par des analyses de fleurs, comme je l’aı fait dans cette centurie pour plusieurs especes du genre Aconitum. J’y joindrai meme par fois des gravures. Je n’en- verrai point d’exemplaires s&pares.
Le texte est termime par un tableau meiho- dique des especes contenues dans la centurie, et par une table alphabetique des especes ou varietes adoptees et de leurs synonymes.
Le prix de chaque centurie est de 2/ francs
‚de France , mais les souscripteurs ne la payeront que 20 francs. „Ils voudront bien envoyer, franc de port ‚le montant de deux centuries A la fois, en recevant les centuries impaires. Pour cette somme l'acquereur recevra dans du papier blane 100 especes ou varietes, accompagnees du texte coupe par fragments et ce meme texte broche. Les personnes qui prefereraient faire en partie des echanges de plantes seches ou de livres sont priees d’adresser leurs propositions a Mr. Seringe, a Geneve, rue du Puits St.-Pierre, No. SE |
N. C. Serınge, PLANTE SELECTE SICCE
cum adnotationibus,, collat@ in Herbario De Candollü et descripta in Prodromo syste-= matis regni vegetabilis.
CENTURIAPRIMA
Ord. I. Ranunculace. Clematis parviflora DC. Alpina Mill. Thalietrum Alpinum Linn. simplex « nigricans Ser.
> orıId
228
5 Thalietrum simplex £& galioides Ser:
> © (9 00-7 9 ıın ya
flavum Linn.
Anemone Baldensıs Linn.
nemorosa y multiplex Ser. narcissiflora Linn.
Myosurus minimus Linn. Ranunculus aquatilis y ezpitosus DC.
Thora « vulgaris Ser. glacialis « eriosepalus Ser. alpestris « vulgaris Ser. alpestris ® diversifolius Ser. Pyrenzus « vulgaris Ser. Pyrenzus y plantagineus DC. angustifolius DC. parnassifolius Linn. gramineus Linn.
sceleratus & vulgaris Ser. nemorosus 8 parviflorus DC. lanuginosus y nanus. philonotis « vulgaris Ser. philonotis # intermedius DC. phinolotis % parvulus DC.
Nigella arvensis Linn.
Aquilegia Alpina Linn.
Delphmium Consolida « glabriusculum Ser. Aconitum Anthora & vulgaris Ser.
Anthora s inelinatum Ser. Anthora & eulophum Ser. Anthora ® multicueullatum Ser. Lycoctonum & vulgare Ser. Lycoctonum Y grandiflorum Ser. Lycoctonum ? penninum Ser. Lycoctonum ® puberulum Ser. ochroleucum « vulgare Ser. hbarbatum & boreale Ser. variegatum # pallidiflorum Ser. rostratum « judenbergense Ser: hebesymun DC.
paniculatum « penninum Ser. panieulatum ® flexicaula Ser. japonicum « carneum Ser.
46 Aconitum tortuosum £ illinitum ‘Ser.
47 intermedium « glabrum Ser. 48 intermedium & versicolor Ser. 49 Napellus 8 spicatum Ser.
50 Napellus % bracteosum Ser. 54 Napellus ® pygmz&um Ser. 52 Napellus & ramosum Ser. 53 Napellus » virgatum Ser. 54 Napellus 0 grossum Ser. 55 Napellus Y bicolor Ser.
56 Napellus $ albiflorum Ser. 57 Napellus « laciniosum Ser.
Ord. IX. Papaveracee. 58 Papaver dubium % minus Ser. 59 Alpinum Lim. Ord. XI. Crucifer@.
60 Cheiranthus Cheiri « sylvestris DC. 61 Arabis Alpina « dentata Ser.
62 albida Stev.
63- auriculata # simplex Ser.
64 turrita Linn.
65 pumila Wulf.
66 coerulea Wulf.
67 Draba aizoides & leiocarpa Ser.
68 aizoides # lasiocarpa Ser.
69 tomentosa & hebegyna Ser. * 70 muralis Linn.
74 Cochlearia saxatilis « spathulata Ser. 72 saxatilis 3 auriculata Ser. 73 Hutchimsia rotundifolia « violacea Ser. aan rotundifolia # albıflora Ser. 75 petrea = ramosissima Ser. 76 | petrea £ purpurea Ser. 77 petrea Y simpliciusceula Ser.
78 Sisymbrium supinum ? parvulum Ser. 79 Neslia paniculata « normalıs Ser.
80 paniculata £ monostachia Ser. 81 Senebiera pinnatifida « integriloba Ser. 82 coronopus Poir.
833 Brassica Richeri Vill.
7 2.I0
Ord. XV. Cistince. 84 Cistus albidus Linn,
85 salvifolius Linn.
86 Monspeliensis Linn.
87 Helianthemum alpestre x Wahlenbergianum Ser. 88 alpestre £ glabratum Dunal.
Ord. XVI. Violariee. 89 Viola canina £ minor DC.
90 pumila £ ericetorum „Ging. 91 montana Y lactea Ging.
3 calcarata &# Hallerı Ging. 93 - calcarata % albiflora Ging. 94 Rothomagensis Desf.
95 tricolor = hortensis DC. 96 iricolor # degener DC. 97 tricolor Y alpestris DC. 98 tricolor * arvensis DC.
99 tricolor & gracilescens DC. 100 ° tricolor ® bellidioides DC.
.
Das Studium der Versteinerungskunde wird durch gute Abbildungen sehr erleichtert. Aus diesem Grunde hat der Herr Herausgeber des NMeinecke’schen Lehrbuchs der Mineralogie es übernommen, eine Reihe Kupfertafeln zu liefern , die zur Erläuterung desjenigen Abschnittes dienen, der die Versteinerungen behandelt. Es sollen von jeder Gattung nur so viel Arten abgebildet wer- den, als zur Laren der vorherrschenden Uni- risse und übrigen Kennzeichen unumgänglich noth- wendig sind. Diese Abbildungen werden theils aus den Rupferwerken von Cuvier, Brongniart, Sowerby, Schlotheim, Sternberg u. a. entlehnt, theils nach Original -Exemplaren entworfen , und mit einer kurzen Besc hreibung versehen, so dals man das Ganze auch als ein besonderes Werk
231
betrachten kann. Wir wählen dazu die Quart- form , und kündigen dieses Werk unter dem Titel: „Die organischen Formen der Forwelt, bild- lich dargestellt von £. £. Germar,“ hiedurch auf Subscription an. Der Preis laflst sich noch nicht genau bestimmen , doch soll er den Subseribenten
5 | auf das billigste berechnet werden, und mit 30—40
Küpfertafeln hofft der Herr Herausgeber auszu- reichen. Die Subscription bleibt bis zum ı. Nov. ı32/ offen, wir bitten aber alle, die sich für das Gelingen dieses Unternehmens interessiren, ihren Beitritt als Subseribenten uns bald möglichst, ent- weder durch die ihnen zunachst liegende Buch- handlung oder direkt, anzuzeigen, um desto frü- her zur Ausführung dieses Werks schreiten zu konnen. Zur Erleichterung dieses Ankaufs wür- den wir diese Abbildungen heftweise liefern, jedes Heft von 6 Kupfertafeln, doch sollen die Hefte moglichst schnell aufeinander folgen, und von mehreren guten Künstlern zu gleicher Zeit aus-
sefuhrt werden.
Hemmerde und Schwetschke in Halle.
IC) ed W
Miszellen.
Dr. Blume, gegenwärtig Direktor des bota- nischen Gartens in Batavia, wollte im letzten Jahre eine grofse naturhistorische Reise durch die Insel Java unternehmen. Ausser zwei geschick- ten Zeichnern und einem Gärtner, die-ihn beglei- ten sollten, wollte er noch 30 Menschen zum Sammeln und Einlegen der Pflanzen, zum Jagen und Ausstopfen der 'Thiere, nebst 50 andern zum Tragen des Gepacks und der‘ Sammlungen mitneh- ınen, und dieser Zug sollte unter Anführung meh- rerer inlandischer Häupter stehen. — Ob diese Reise zu Stande gekommen und welche Resultate sie gehabt, darüber kann natürlich noch zur Zeit nichts bekannt seyn.
Von den in Egypten reisenden preussischen Naturforschern Dr. £hrenberg undDr. Hemprich ist schon im letzten Jahre eine ungemein reiche Sendung, welche die Ausbeute ihrer Nubischen . Reise in 50 grofsen Kisten enthielt, und die inte- ressantesten Äufschlusse über die Natur jener bis dahin so wenig bekannten Gegenden liefert, in Berlin angelangt. Eine spater nach Triest einge- schiffte Sammlung wird seitdem ebenfalls einge- troffen seyn. Ihrem Plane nach wollten diese unermüdet eifrigen Männer die Küsten des rothen Meeres bereisen, sich nach Mokkha einschiffen und von dort aus Streifzüge an die Abyssinische Küste und auf die Inseln bei Babel Mandeb ma-
machen. Dann wollten sie nach Suakim, und von da wieder nach Nubien und Senaar durchzu-
2) 23)
dringen versuchen, um die fruchtbaren eetiden die sie dort auf ihrer ersten Reise kennen "löfnten und zum Theil nur an den Granzen berührten , naher kennen zu lernen. Den Rückweg gedach- ten sie über Hosseyr und Gizeh nach Cairo zu nehmen. — A. Bonpland, Humbolds bekannter Reisefährte ‚; ist fortwährend in, Paraguay und widmet sich mit bekannter Thatigkeit der Unter- suchung naturhistorischer Gegenstände ‚ nsbeson- dere des Pflanzenreichs.
Hr. Can. Fontaine in Freiburg, hat seine, mit vielem Fleils und Aufwand gesammelte Natu- ralien- Sammlung, seiner Vaterstadt geschenkt, un- ter der Bedingung; dafs sie zum offentlichen Un- terricht benutzt werde. Zu dem Ende wird wirk- lich in der Schule (au College) neben dem physi-, kalischen Cabinet , ein Saal zur Aufstellung dieser Sammlung eingerichtet und der Professor der Phy- sik wird u unter seiner Aufsicht haben und bei. seinem Unterrichte benutzen.
Ohne Zweifel wird hiemit auch in dieser Stadt fur die Naturwissenschaften ene neue Mor-
genrothe aufgehen!
In Missouri, Distrikt Washington, hat man einen grolsen Eisenberg entdeckt, der fast ganz aus gediegenem Eisen besteht. Das Metall ist von guter Qualität, und in solcher Menge vor- ‚handen, dafs man auf viele Jahre die ganze Welt damit versorgen konnte. PBisdahin war das ge- diegene Eisen auf der Erde bekanntlich nur in einzelnen Massen meteorischer Abkunft vorge- kommen.
Erdstofs in Basel. Den 7. Dez: 1823 Morgens um halb 3 Uhr
wollen mehrere Personen in Basel einen Erdstofs verspürt haben. An einem Orte wurde zwar das Erdbeben nicht bemerkt, allein eine Pendeluhr stand des Morgens still, der Perpendikel war beruntergefallen, und der Zeiger stand auf 25 Min. nach 2.
Es verdient bemerkt zu werden, dafs meh- rere Tage vorher ein anhaltender Westwind für die Jahreszeit überaus warme Witterung und end- Iıch Regen herbeigeführt hatte. Die Benennung Erdbebenwetter, welche man in der Gegend sol-
cher ungewohnlich warmer Witterung zu seben
pflegt, wäre also im vorliegenden Falle nicht un- passend gewesen. Doch war vielleicht das Zu- sammentreffen blofs zufällig ?
; oO R Es sind mir noch keine Nachrichten zuge-
kommen, dals dieser Erdstofs auch in andern Ge-= genden wahrgenommen worden ist. ‚M.
Annalen
der ‚allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die
gesammten Naturwissenschaften.
Herausgegeben von PR. :MBISNER, Professor der Naturgeschichte in Bern.
nun mn un
ZWEITErR/BıaAnD
man aa nen m
bei C. A. Jennt, Buchhändler, 1824
Lrirzıe, in Commission bei GC. H. F. Harrmann.
) E u A Gr be u NEE ;
Y-
1.
Skizze eines natürlichen Systems der ange- bornen Monstrositäten der Thiere, vonDr. Schläpfer, Arzt in Trogen.
Binleitung.
\e 1. Die Entstehung und erste Bildung des Thieres in der befruchteten Gebärmutter oder im Ei ist in ein so tiefes Dunkel gehuüllt, dafs die Be- obachtung und Erfahrung dasselbe nicht ganzlich zu erhellen vermag, ud der Einbildungskraft, von einer vorsichtigen Analogie begleitet, nothig hat, um einiges Licht über ARE Gegenstand zu veikoeiten,
je 2. Gesetzt nun, dafs diejenige Kraft des Organismus , die man den Bildungstrieb nennt, bei der Entstehung eines 'Thieres auf eine kböliche Art wirke, wie im Unorganischen die Attraktions- kraft Krystalle bildet; dals namlich in der Flüssig- keit des Eies die organischen Elementarbestand- theile nach Polaritäten angezogen und abgestossen werden, dafs die ahnlichen 'Theilchen sıch nach bestimmten Richtungen vereinen und Formen bil- den, welche aber, weil die Elementarbestand- theile sphärische Form haben, sich nicht in eckig- ten — wie bei den Krystallen — sondern in ab- gerundeten Formen vereinen; — so ergeben sich hieraus nachstehende Folgerungen , die uns unserm Zwecke nahern :
Natw. Annl. II.1. 2
u RE | Fe *
18
$. 3. Es sind im thierischen Organismus nach verschiedenen Fichtungen sich durchkreu- zende Polaritäten vorhanden, wovon man die einen positive, die andern negative nennt, nach Analogie mit den in der ganzen Natur verbreite- ten Kräften der Elektrizität und des Masnetismus.
— Auf diese organischen Polaritaten ist Da ke in neuern Zeiten durch Rielmeyer, Oken und Eschenmayer aufmerksam gemacht worden.
$. 4. Eine solche Polarität findet Statt zwi- schen den beiden Enden des Rumpfes, namlich dem Kopf und dem Becken, oder dem geistigen und physischen Grenerationsorgan, oder dem Anfang und Ende der Digestionsorgane, was man den obern po- sitiven und den untern negativen Pol nennen kann. Eine zweite Polarität ist die vordere und Aintere, zwischen Brustbein und Wirbelsäule; eine dritte
die seitliche; die Aehnlichkeit der Organe der
seitlichen Pole ist unter allen die groste. — Dies sind die grofsen oder Hauptpolaritäten , viele klei-
nere finden noch zwischen einzelnen Organen , aber in den gleichen drei Hauptrichtungen Statt. Die weitere Ausführung dieser Polaritaten ist in den Schriften obiger Naturforscher enthalten.
$. 5. Wird angenommen, dafs der thieri- sche Organismus in seinem ersten Entstehen nach diesen Polaritäten gebildet werde , oder dafs diese wenigstens bei seiner Formung eine Hauptrolle spielen, so scheint mir, nach eben diesen Polari- taten die Entstehung der Mifsgeburten erklarbar. Wird namlich, durch mamnigfaltige, schwer er- gründliche Ursachen, z. B. etwa mangelhafte Er- nahrung, wnrichtige Lage, heftige Gemüthsein- drücke — das ruhige Spiel dieser Polaritäten ge- stort, so dals die organische Attraktion] der Ele-
3
mentarkügeichen nach andern Richtungen ge- schieht , so entsteht ein von der organischen Bil- duınsz mehr oder weniger abweichender Organis-
at. den man Monstreifi nennt.
\. 6. Diese Storungen haben nun verschie- denartige Folgen, und nach der Verschiedenheit derselben ind die Monstrositaten in vier grolse Hauptklassen theilbar, namlich in Monstra durch Coalition, durch Deprivation, durch Transloca- tion und durch Mutation.
\. 7. Die Monstrosität durch Coalition oder Zusammenfugung kann entstehen, wenn zwei oder mehrere organische Keime in einem Uterus oder Ei vereinigt sind. Bilden sie sich normal aus, so entstehen Zwillinge , Drillinge. Findet aber eine Storung im Spiel der Polaritäten Statt, so entwickeln sich der eine oder beide Keime mehr oder weniger unvollständig, es entstehen Verwachsungen zwischen beiden oder Uebergänge dörselben ineinander. "Diese Hauptklasse bildet eine grolse Reihe von Monstrositäten von denen an, wo zwei ausgebildete 'Thiere nur mit einem Theil des Bauches miteinander verwachsen sind und sonst vollstandig ausgebildet wurden, bis zu denen, wo sich die Coalition nur durch sechs oder mehrere Finger oder Zehen an einer Extremiität aussert, der übrige Korper aber einfach und voll- Karben gebildet ist. Man nennt diese Milsbil- dung auch Monstrositas per excessum.
\e 8. Die Monstrosität durch Depriva- tion, grostentheils Blumenbachs monstrositas per defectum , kann entstehen , wenn, durch eine Sto- rung im Spiel der Polaritäten ER Theile des Keims unentwickelt , oder gleichsam auf einer frü-
hern Stufe der Ausbildung zurückbleiben. Haufig
4
.
sind dann andere Organe desto grofser und aus- gebildeter ‚ oder es findet sich wenigstens noch
ein Rudiment des mangelnden Organes vor. Diese
Mifsbildung zeigt ebenfalls eine grofse Reihe von der Monstrosität an, wo beinahe nur ein Kopf statt eines ganzen Thieres im Uterus gebildet wurde ,
bis zu der, wo nur einzelne Finger oder Zehen
verstummelt oder nicht ganz getrennt sind. Diese beiden ersten Haupiklassen von Mifsgeburten sind viel häufiger und mannigfaltiger als die folgenden. \. 9. Die Monstrosität durch Translo= calion, oder Versetzung einzelner Organe nach andern Stellen , Blumenbachs situs mutatus, kommt selten vor und mag entstehen, wenn durch eine Störung im Spiel der Polaritäten einzelne Pole sich plotzlich umkehren, so dafs der positive zum negativen wird. Diese Translocation kommt gro- stentheils an solchen Stellen vor, die obenge- nannte Naturforscher und Naturphilosophen,, die Mifsgeburten nicht berücksichtigend , als Polarita- ten angezeigt haben. Diese Trranslocation ge- schieht jedoch weniger nach den Hauptpolaritaten, als nach den Polaritäten einzelner Organe. Diese Hauptklasse bildet ebenfalls eine Reihe, von der Mifsbildung an, wo alle Eingeweide im Korper seitlich verkehrt liegen, bis zu der, wo Zuhne, anstatt am Alveolarrand, an der vordern Flache des Oberkiefers, oder im Gaumen vorkommen. \. 10. Die Monstrosität durch Muta- tion, oder Umänderung der Organe in Form oder Farbe, zum Theil Blumenbachs fabrica alıena , ist in Hinsicht ihrer Entstehung am schwersten erklärbar ; sie lafst sich weniger in einer Reihen- folge, die sich nach bestimmten Gesetzen richtet,
darweisen, kommt aber auch selten in betracht-
5
lichem Grade vor. Haufig mag sie ihren Grund darin haben, dafs bei der Storung des Spiels der Polaritäten einzelne Organe auf Kosten der andern viele und verschiedenartige Attraktionen ausüben, Den Anfang dieser Reihe oder die erste Spur die- ser Klasse bilden die Muttermäler. Häufig ent-
steht diese Klasse nach der Geburt, wenn der
Bildungstrieb durch eine aussere Ursache, z. B. Verletzung, eine abweichende Richtung nimmt.
2. B. bei der Bildung der Hirschgeweihe. Hier aber werden nur angeborne Mifsbildungen betrach- tet. Diese Klasse geht beinahe unmerklich in die eigentlichen Krankheiten über.
\. 11. Eine Störung im Organismus zieht sewohnlich auch andere nach sich, und daher sind zuweilen mehrere dieser Klassen von Monstrosi- taten bei einem Individuum vereinigt; besonders ist haufig, wenn ein Organ zu reichlich bedacht ist, ein anderes desto mangelhafter. Daher ist auch erklarbar, warum Mifsgeburten selten beim Leben bleiben.
\. ı2. Diese vier Rlassen von Monstrosi- taten zerfallen nun, nach den oben angezeigten drei Hauptpolaritäten des ihierischen Körpers , in Ordnungen, und zwar nach den drei positiven und drei negativen Polen derselben. Die obere und untere , oder Kopf- und Beckenpolarität bildet z. B. eine Goalitio oder Deprivatio superior und inferior; die vordere und hintere, oder Brust- und Ruückenpolarität eine Coalitio oder Deprivatio ante- rior oder posterior; die seitliche eine CGoalitio oder Deprivatio lateralis, die entweder dexira oder sinistra seyn kann. Die zwei letzten Haupiklassen jedoch richten sich häufiger nach den klemern Po-
Jaritaten einzelner Organe untereinander.
{. 13. Diese Ordnungen zerfallen wieder in Gattungen und Arten, jenachdem z. B. die Coalition oder Deprivation ganz oder theilweise, vollständiger oder unvollständiger Statt findet. — Ich werde nun die Hauptformen von Monsirosita- ten nach diesem System durchgehen, mit Beispie- len belegen, und den regelmalsigen stufenweisen Gang, den die Natur dabei einschlagt, im Um- risse darzustellen versuchen,
Erste Kuasse.
Mifsgeburten durch Zusammenfügung (Coalitio).
Erste Ordnung.
Mifsgeburten durch Zusammenfügung von vorn (Coalitio anterior). *
ı) Coalitio anterior umbilicalis. Die erste Spur dieser Mifsbildung ist diejenige, wo zwei vollkommen gebildete Foetus mit einem gemein- schaftlichen Mutterkuchen , oder mit einer gemein- schaftlichen Nabelschnur versehen sind, nah wo dann meist beide Foetus durch ein gefalsreiches , dickes, hantiges Band in der Nabelgegend zusam- mengewachsen sind. Zwei solcher menschlicher Zwillinge wurde 1689 durch Dr. Fatio in Basel durch den Schnitt getrennt und beim Leben er- halten.
2) Coalitio anterior abdominalis. Dann folgen solche, die von vorn mit dem ganzen Bauch zusammengewachsen sind.
3) Coalitio anterior pectoralis. Dann solche, die mit der Brust von vorne zusamnıen- gewachsen sind. Z. B. zwei Kälber, mit Brust
7
und Kopf vorn miteinander verwachsen , sind ah- gebildet und beschrieben in Planque Biblioth. de medec. t. 2. p. 340. Und zwei so erwachsene Kinder in Osiander epigramm. 29088
4) Coalitio anterior truncalis. Solche Foetus, die mit Brust und Bauch zusammenge- wachsen sind. Beispiele solcher sind häufig. Ich selbst besitze zwei so zusammengewachsene aus- getragene Kinder. Sigwart Beschtich einen sol-
het Fall in historia gemellor. coalitor. Tub. 1769.
Noch ein Schritt Wveiär bildet den Fall, wo Brust und Bauch von vorn verwachsen, A Glie- der vorhanden sind, aber nur ein Hals und Kopf. Z. B. ein 1677 in Ruprechtsau ausgebrütetes Hühn- chen ; vide Schmucker fascicul. admirandor, naturae accretio. Strasb. 1679. c. fig. |
5) Coalitio anterior capitalis. Solche, die mit der Stirn, oder mit dem ganzen Gesicht zusammengewachsen sind. Z. B. ein Hase mit zwei Rümpfen, zusammengewahsenem Hals und Kopf, 2 Augen und 4 Ohren wurde 1763 in Wolfstein gefunden; vide Riedingers Thierzeich- nungen.
6) Coalitio anterior pedalis. Zwei Foe- tus, die von vorn mittelst der Extremitäten zu-
sammengewachsen sind«
Zweite Ordnung.
Mifsgeburten durch Zusarneiifihrhng von : hinten (Coalitio posterior).
ı) Coalitio posterior sacralis. Die erste Stufe ist hier, wenn zwei ausgebildete 'Thiere nur mit der Lenden- oder Sacral- Gegend zusam- mengewachsen sind. Z. B. die ungarischen Wun-
dermäadchen.
2) Coalitio posterior dorsalis. Dann'fol- gen solche , die mit dem ganzen Rücken zusam- mengewachsen sind.
3) Coalitio posterior capitalis. Solche , die mit dem Hinterkopf zusammengewachsen sind.
I) Coalitio posterior totalis. Endlich Thiere, die mit dem Hinterkopf, Nacken und Pücken zugleich verwachsen sind. Z. B. die Wundermädchen von Ostende. Zwei Hasen die ı621 bei Ulm gefangen wurden uud wovon der eine abwechselnd laufend den andern auf dem
Pücken trug; vide Schmucker,
Dritte Ordnung.
Mifsgeburten durch Zusammenfügung von oben (Coalitio superior).
Zwei 'Thiere, die in gerader Richtung am Scheitel zusammengewachsen sind. Z. B. im Naturalienkabinet zu Stutgard sah ich zwei Rin- der, die nur einen Scheitel haben, so dals ein Kind umgekehrt auf dem Kopf des andern steht. Sie wurden von Klein beschrieben. Dieser Fall ist sehr selten, und Abstufungen oder Arten des- selben sind mir keine bekannt.
Vierte Ordnung.
Mifsgeburten durch Zusammenfügung von unten (Coalitio inferior).
ı) Coalitio inferior abdominalis. Falle, wo Bäuche in gerader Richtung von unten inein- andergeschoben oder gewachsen sind, kommen höchst selten vor. Ein Beispiel nebst Abbildung, findet sich in Planque Bibliotheque de medeecine t. 2. p. 144. Die untern Extremitäten waren voll- standig vorhanden,
9
2) Coalitio inferior pedalis. Kommt nicht selten bei Vogeln vor, wo namlich überzählige Füsse in das Becken von unten oder hinten einge- schoben sind. Es giebt solche mit einem einzel- _ nen dritten Fufs an dieser Stelle; oder dieser dritte Fuls hat anstatt vier, 6 Zehen und. bildet _ gleichsam zwei zusammengewachsene Füße, z. B. einen solchen Sperling bildet Schmucker ab; dann solche mit zwei Füfsen ohne Schenkel z. B. nicht selten bei Hühnchen; endlich solche mit 2 vollstandigen Extremitaten mit Schenkeln (ausser den normalen) z. B. ein Hühnchen in den actis naturae curiosor. mit Abbildung. Zuweilen findet sich auch noch ein fünfter kleinerer Fufs an dieser Stelle vor, wahrend die zwei normalen an den ge- wohnlichen sich befinden, z. B. ein solches Hühn- chen wurde im Juni 1820 der St. Gallischen na- turforschenden Gesellschaft vorgezeigt. Hier sind dann noch Spuren eines dritten Keimes eines Em- bryo vorhanden, man kann dies Goalitio inferior pedalis duplex nennen. Häufig hat dann das Be-
cken auch doppelte Theile, z. B. einen doppelten After. |
Fünfte Ordnunse.
Mi/sgeburten durch Zusammenfügung von der Seite (Coalitio lateralis).
Kommen von beiden Seiten vor, doch ist die Zusammenfügung von der linken Seite weit häufi- ser. Diese Ordnung von Mifsgeburten ist über- haupt sehr zahlreich.
ı) Coalitio lateralis truncalis. Zwei Thiere, die mit dem Rumpf seitlich zusammen-
ewachsen sind. Z. B. zwei Kälber, die mit
Hals und Brust seitlich verwachsen sind und auch
10 zugleich mit einem Theil zweier Vorderfüfse wur- den 1796 im Ganton Zürich geworfen.
Es giebt auch eine Coalitio lateralis truncalis partiakie.; wo nur einzelne kleine Organe des Pumpfs mehrfach vorkommen. Z. B. zwei Pa- pillen auf einer Zitze, was Korrkring bei einem Weihe, und ich bei emem Knaben beobachtete; drei Ventrikel des Herzens statt zweien, eben- falls nach obigem Schriftsteller, doppelte Muskeln auf einer Seite, ı3 Rippen u. s. w. Kommen hingegen Augen, Mund, Limgen etc. mehr als in: der N vor, so sind gewohnlich auch noch andere "Theile in Ueberzahl vorhanden, was in die folgenden Abtheilungen gehört. — Hieher aber gehort noch die selten vorkommende lacerta agilis mit doppeltem Schwanze, wovon Jonston in seiner histor. animalium zwei Abbildungen giebt.
2) Coalitio lateralis capitalis. Zwei Thbiäne; die mit dem Ropf seitlich zusammengewachsen sind. Hier smd entweder zwei getrennte Rumpfe mit einem einfachen normalen Kopf. Zu. B. 2 Katzen mit einem Kopf wurden ı679 in Rom geworfen. Oder zwei getrennte Pümpfe mit einem Kopf mit mehr als 2 Augen oder Ohren.
Oder ‚abap es icl erer Iin Rumpf vorhanden mit 2 Ropfen. Dann aber hat dieser Rumpf ent- weder mehr Theile als gewöhnlich, z. B. drei Arme, zwei Brustfllächen — oder der Rumpf ist normal gebildet, und es sind zwei Kopfe vorhan- den. Hier bildet sich eme ‘Reihe, wovon den Anfang macht eine Schnauze mit Zahnen an der Basis eines Ohres, z. B. ein solches Ohr von einem Kalbe besitze ich in meiner Sammlung; — oder eine doppelte Unterkinnlade und doppelte
Zunge bei einfachem Kopf und Korper, zB:
ı1
‘vide Osiander epigramm. p. 167. Man kann dies ‚Coalitio,lateralis capitalis incipiens nennen. Dann folgen solche mit gemeinschafilicher Schädelhohle, wo nur das Gesicht getrennt ist, die Coalitio la- teralis capitalis incompleta. Hier ist das Gesicht entweder unvollstandig getrennt, so dafs etwa nur 3 Augen vorkommen, z. B. eine solche mensch- liche Mifsgeburt mit dem Sten Aug mit zwei Pu- pillen in der Mitte wurde 1680 von Rilian in Eis- felden beobachtet; in Frankfurt wurde 1676 ein
solcher Pfau ausgebrütet, vide Schmucker ; — oder das Gesicht ist vollstandig getrennt und doppelt,
ein haufig vorkommender Fall, z. B. 1817 wurde ein solches Ralb im Canton Schwyz geworfen ; — oder das Gesicht ist bis zum Hinterhaupt e cetrennt, z. B. eine Katze mit einem Hals und zwei Kopfen wurde 1672 in Strafsburg geworfen. — Endlich
oo
folgen solche, wo nicht nur der Ropf, sondern
auch die Haälse doppelt sind, Coalitio lateralis capitalis completa , was ebenfalls haufig vorkonmt. 7ı. B. eine Ente mit 2 Ropfen und 2 Halsen ist in, meiner Sammlung; ein solcher Rehembryo wurde 1603 bei Rauenzell in einem Geschosse- nen gefunden.
Zuweilen kommt auch ein Rumpf vor mit drei Kopfen,, Coalitio lateralis capitalis duplex , wenn drei Keime inemanderschmelzen. Z. B. Bartholin beschreibt ein solches Kind.
3) Coalitio lateralis pedalis. Hier ist ent- weder ein doppelter Rumpf mit zwei Fülsen, und dieser Rumpf wieder entweder getrennt, z. B. ein Fall in Hallers opuscul. anatom. p. 158, oder ver- wachsen , z. B. Scultet in seinem chir urg. heug- haus beschreibt eime menschliche Mifsgeburt mit
2 Kopfen, 4 Händen, einem doppelten nicht ge-
12
irennten Rumpf und 2 Fülsen; — oder ein Rumpf mit 2 Köpfen, 2 Fülsen und 3 Armen, wovon der dritte zwischen beiden Kopfen ist. Dieser Arm hat entweder nur eine Hand, oder zwei Hände, z. B. ein solches Kind wurde zu Rufach ı618 geboren.
Öder aber ein einfacher Rumpf mit drei un- tern Extremitäten. Z. B. Sigwarts tripes haiter- bacensis hat einen dritten er Oder ein einfacher Rumpf und Kopf mit 3 vordern Extre- mitäten. Oder aber die Coalitio lateralis pedalis duplex, wo 4 Vorderfülse oder Arme vorkom- men. Z. B. ich besitze ein Schaafskelet , aus dessen Iinkem Schulterblatt drei Füfse entsprin- gen, das also 6 Fülse hat; diese überzähligen sind dann entweder ganz g setrennt, oder zum Theil verwachsen.
Endlich zeigt sich die Coalition nur an den Händen oder Bilsöni so dafs nämlich aus einem Vorderarm oder Untörkekierikei zwei oder drei }Hände oder Füfse entspringen. So z. B. wurde 1731 im Algau ein Wildschwein geschossen, das am rechten Vorderfuls zwei kleine Nebenfüfse mit Klauen, am linken und rechten Hinterfuls emen kleinen Nebenfufs hatte, vide Riedingers Thier- zeichnungen. Oder die Goalition zeigt sich nur an den Fingern oder Zehen, Goalitio Iateralis pe- dalis digitalis. Z. B. bei Menschen kommen nicht selten Fälle vor von solchen, die 6 oder 7 Finger oder Zehen an einer Hand oder Fufs haben; wo- von der sechste oder siebente entweder vollkom- men, oder rudimentartig ist. Auch Hühner ha- ben zuweilen fünf Zehen statt vieren, oder Hahne zwei Spornen an einem Fuls.
Hlieher gehören auch die monstrosen Krebs-
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scheeren von Ästacus fluuviatilis, wovon ich eine mit drei, seine andere mit 6 Spitzen oder Digita- tionen besitze. h Hlieher mag auch eine Seesternmilsgeburt ge- horen, die in meiner Sammlung liegt. Min schi nes Box sorge von Ästerias a natiatei hat namlich A normale Radien und einen ten, der sich an der Spitze in 2 unter einem stumpfen Winkel ausge- hende, 13 Zoll lange Radien theilt, welche voll- standie auseebildet sind. Endlich ist hieher zu
te) o°
zahlen eine sehr seltene Mifsgeburt in meiner
Sammlung , namlich ein Murex tribulus , dessen Schaale mit 3 ausgebildeten Spindeln, statt mit einer, versehen ist, wovon zwei unter einem spitzen Winkel von der Basis des 3ten ausgehen,
und etwas kürzer sind.
Sechste Ordnung.
Mifsgeburten vermittelst Zusammenfügung durch Einschiebung (Coalitio involuta).
‚ Diese Ordnung von Monstrosität durch Coa- lition entsteht dadurch, dals der Keim eines Em- bryos in dem eines andern ganz oder zum Theil enthalten ist, so dafs sich ein Embryo ganz oder zum Theil im andern ausbildet. |
1) Coalitio involuta totalis. Wo ein Em- bryo im Unterleibe eines andern sefunden wurde, z. B. im ıgten Band von Ehufefids Journal ist ein Beispiel angeführt, wo ein Foetus im Unterleibe eines ı/jahrigen Knaben gefunden wurde. Auch findet man zuweilen ein Vogelei sammt kalkartiger Schaale in einem andern anhäilldh: das innere hat dann entweder eine normale ori eine cylin- drische Form. Von letzterer Art befindet sich
eines in meiner Sammlung.
2) Coalitio involuta partialis. Wenn ein- zelne T'heile eines zweiten 'T'hieres unfer einem‘ rechten Winkel in den Korper eines andern einge- scheben sind. Dies seschieht entweder als Coa-
litio involuta partialis anterihs wenn die Einschie- bung von vorn geschah. Z. B. Buxtorf beschreibt in den actis helveticis einen Mann von Gremona, von dessen oberer Bauchgegend ein Gesals sammt Geschlechtstheilen und herunterhängenden untern Extremitäten ausgieng.
Oder Coalitio involıta partialis posterior, wenn einzelne Theile von hinten eingeschoben sind. Z. B. in Bayern wurde 1821 em lebendes Kalb zur Schau herumgeführt ‚ welches einen Fuls auf dem Rücken hatte, an dessen Basis ein Euter be- findlich war. |
Oder Coalitio involuta superior, wo einzelne Theile von oben eingeschoben sind. Z. B. 1821 sah ich in Chalons sur Marne einen lebenden männ- lichen Zebu, welcher zwischen den Hornern einen beweglichen Fuls hatte, der jedoch kleiner war, als ie übrigen vier. An der Basis dieses Fulses konnte man eine Art von Becken unterscheiden , und deutliche weibliche Geschlechtstheile , welche geöffnet waren und Schleim absonderten. Auf diese Art war also dies 'I'hier ein gemeiner Hermaphrodit. Waren die normalen 4 Fülse defekt gewesen, und ware diese Einschiebung in gerader Linie, nicht unter einem rechten Winkel geschehen, so würde dieser Fall zur T'ranslocation gehoren. Von einer Coalitio involuta partialis inferior und
lateralis konnte ich bis jetzt keine Beispiele auf-
finden.
ZWEITE Krassre.
Mifsgeburten durch unentwickelte Ausbildung (Deprivatio).
Erste Ordnung.
Mi/sgeburten durch Mangel der Theile von oben (Deprivaltio superior).
ı) Deprivaltio superior incipiens. Die erste Spur dieser Mifsbildung zeigt sich dadurch , dafs die Fontanellen des Kopfes lange unverkno- chert bleiben, oder eine besondere ER haben. Dann folgen die Falle, wo der Schädel oben eine Oeffnung hat, die nur mit einer Membran ge- Kr ist, und aus der oft schwammige Aus- wuchse oder Theile des Gehirns sackförmig her- ausdringen, was man hernia cerebri nennt. Bei Hüuhnern findet sich eine ähnliche Milshilduns : so
’ besitze ich z. B. einen Hühnerschädel mit ee Wulst auf dem Scheitel mit mehrern kleinen Oeff- nungen; einen andern mit einem erhabenen Rand und einer trichterformigen weiten Mündung in die Schadelhohle gleich einem Nürnberger - a richter , ın dem ein Theil des Gehirns gelagert war. — Dann folgt:
2) Depr ivatio superior cranü. Die sehr haufig vorkommenden Fälle, wo der obere "Theil des Suhädels oder die Hirnschale fehlt, haufıg zugleich auch ein Theil des Gehirns, 'öder es Gugdet sıch nur als Rudiment vor, oder durch schwammige Auswüchse ersetzt, oder es fehlt ganz. EN ist auch zuwveilen ER obere Theil des Ruckgrats gespalten. Haufig sind dann am enigegengesetzten Pole die physischen Genera-
lionsorgane grofser, der Körper überhaupt toro-
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ser; wenigstens ist dies bei drei solehen mensch- lichen Acephalis, die ich in meiner Sammlung besitze, der Fall. Zuweilen ist auch zugleich der Hals verkürzt oder ganz fehlend.
3) Deprivatio superior capitalis. Mifsge- burten, wo der ganze Kopf fehlt. Z. B. Büttner beschrieb einen solchen Fall in seinen anatomi- schen Wahrnehmungen.
h) Deprivatio superior pectoralis. End- lich giebt es auch Fälle, wo Kopf, Hals und Brust fehlt. Sue beschrieb ein solches Monstrum, wo zugleich auch die obern Extremitäten und die
Nabelschnur fehlten.
Zweite Ordnung.
Mifsgeburten durch Mangel der Theile von unten (Deprivaltio inferior).
ı) Deprivatio inferior digitalis. Mangel- hafte Zehen und Finger kommen häufiger bei Menschen vor als bei 'T'hieren, letztere weit hau- figer als erstere. Die erste Spur zeigt sich bei der Deprivatio inferior digitalis connexa, wenn Finger oder Zehen ganz oder theilweise durch eine Zwi- schenhaut zusammengewachsen sind ‚. oder bei der Eintwicklung des Embryos nicht getrennt wurden. Z. B. ein solches Rind, dem der Ste und /te Finger ganz zusammengewachsen war, operirte ich 1816 in Gräffes CGlinieum in Berlin.
Dann folgen Falle, wo einzelne Fingerglie- der mangeln, oder auch ganze Finger; haufig sind sie dann durch fleischige Rügelchen ersetzt. Deprivatio inferior digitalis partialis, z. B. eine solche Mifsbildung an beiden Händen beschrieb Acoluth im 5ten Band der acta naturae curiosor.
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Ich imtersuchte einen 6monatlichen Embryo mit. solchen rudimentartigen Fingern, wo aber zugleich als Eirsatz ein schrie Band von einer Hana zur
S andern eeht. Hierauf solche, wo alle Finger
oder Zehen an einer Hand oder einem Fulse, oder an beiden fehlen , Deprivatio inferior digitalis totalis , z. B. ein Kind mit einer solchen rechten Hand sah ich 1ı81ı8.in Teufen, Daumen und Zeigelin- ger waren durch kleine Kügelchen ersetzt.
2) Deprivatio inferior pedalis. Hierauf fol- gen solche Fälle, wo die ganze Hand oder der ganze Fuls fehlt; dann diejenigen, wo der Unterschen- kel oder Vorderarm fehlt, Deprivatio inferior pe- dalis ruralis. Z.B. in Tübingen sah ich ı8ı5 einen Knaben, welcher anstatt "ls linken Unter- schenkels nur einen circa 3 Zoll langen, fleischi- gen, hakenformigen Fortsatz, vom 1: Kosie ausge- hend, hatte. Deprivatio inferior femoralis findet Statt, wenn entweder die eine untere Extremität, oder beide fehlen. Zwischen beiden stehen sölchei wo nur ein Rudiment eines einziren Fulses von
der Mitte des Beckens ausgeht ; Mr: B. Buxtorf be- schreibt in den actis helveticis einen Fall, wo ein bis zum Becken wohlgebildetes neuebornes Kind statt der untern Rriremiitei einen kegelformigen, zugespitzten, in der Mitte mit einem Gelenk ver- sehenen Fortsatz hatte, und einen zweiten klei- nern, fleischigen, runzlichen, vom Kreuzbein ausgehend ; was man Deprivatio inferior pedalis rudimentosa nennen kann. — Von gänzlichem Mangel beider untern Extreme erzählt ein Beispiel Dekkers in seinen exercitat. medicopract. Er sah einen Jüngling , ‚ der auf dem Gesalfs stund und auf den Handen gieng, weil er ohne Schenkel geboren war.
Natw. Annl. II. 1. 2
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Es kann auch ein Arm oder Vorderfuls ganz fehlen; z. B. 1825 wurde in Appenzell eine le- bende Ziege geworfen und gezeigt, welche keine Spur des linken Vorderfufses, ausser einem klei- nen Rudiment des Schulterblattes hatte. Dann folgen endlich Milsgeburten, die durchaus ohne untere und obere Extremitaten geboren sind, De-
privatio inferior pedalis totalis. Einen, salehen Fall beschreibt Beer im ten Theil der acta na- turae Ccuriosor. ; 3) Deprivatio inferior truncalis. Hier zeigt sich die erste Spur bei Neugebornen mit verschlossenem After und mit verschlossener Harn- rohre, dann folgen solche, wo der After oder so- gar ein Theil des Mastdarms, der Harnwerkzeuge oder der Genitalien ganz fehlt. So z. B. unter- suchte ich 1825 einen 8monatlichen Foetus mit Klumpfüfsen und Klumphänden, welcher nicht die geringste Spur eines Äfters, ja sogar keine Spalte zwischen den nates, und statt der Genitalien ein undurchbortes membrum zeigte. Bei der Sektion zeigte sich, ausser einem Divertikel am dünnen Darm, dafs der obere Theil des Mastdarms sich schlofs und nach unten ın einen kloakahnlichen, mit gallertartigem Schleim gefüllten Beutel über-
gieng, an welchem sich folgende Anhänge befan- den: Auf einer Seite ein hornformiger Fortsatz , wie beim Uterus eines Schaafes, an welchem die fallopische 'Trompete mit Fransen , nebst Eierstock und ala vespertilionum befindlich war, auf der an- dern Seite giengen eben diese 'Theile unmittelbar vom Beutel aus. Hinten offnete sich in ihn ein blasenähnlich erweiterter Urether, der von einer einzigen, sehr kleinen, mit der glandula supra- renaliıs versehenen Niere herkam; vorw und unten
19 gieng jener Beutel durch einen kurzen dicken Hals in die vor ihm liegende Harnblase über. Diese verlängerte sich nach oben in den geoffne- ten Urachus, nach unten gieng sie in eine ge- schlossene ‚ligamentose Harnrohre über, die sich
in jenem penis- oder clitorisartigen Ko endigte.
Dann folgen Falle, wo Mıfsgeburten ohne
Bauch geboren werden. Z. B. ji PR be- schreibt im 6ten Theil der act. nat. curiosor. ein neugebornes Kind mit einem einzigen , seitlichen, aufwärtsgekrümmten Fuls , ohne Becken und Bauchwandungen, dessen Eingeweide in einem vom peritonaeum gebildeten Sack herabhiengen. In Tübingen wurde 1598 ein Hühnchen ausgebrü- tet, mit Fülsen, dessen Eingeweide aber hinten in einem Sack heraushiengen, an dem ein fleischi- ger, handformiger Auswuchs befindlich war. Dann folgen Falle, wo der Bauch ganz fehlt; ferner solche, wo Extremitäten sammt Bauch und Brust fehlen, z. B. in Hufelands Journal ist ein Fall erzahlt, wo nur ein Kopf mit einem kleinen
Anhängsel im Uterus war und geboren wurde.
Dritte Ordnung.
Mifsgeburten durch Mangel der Theile von vorn (Deprivatio anterior).
Diese Ordnung von Mifsbildungen ist meistens, in einer Trennung der vertikalen Mittellinie des Körpers begründet, oder von ihr ausgehend. Die erste Spur dieser Mifsbildung zeigt sich-in der:
ı) Deprivatio anterior funiculi. Die Na- belschnur fehlt zuweilen bei Embryonen ganz, am
häufigsten bei Milsgeburten. Falle des Mangels derselben bei zeiti gen und gesunden Rindern ersahlt
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Dr. Fatio in seiner helvet. Wehmutter. Chatton beschreibt einen Fall, wo ein Rudiment der Na- belschnur vorhanden war, das oben mit dem Kinde nicht in Verbindung stand. In Prof. Frorieps Sammlung ist ein menschlicher Embryo ohne Na- belschnur und Nabel.
2) Deprivatio anterior umbilicalis -- seu hernia umbilicalis congenita, bildet die zweite Stufe; wenn namlich die Unterleibswandungen am Nabel weit geoffnet sind, so dafs sie einen Theil der Baucheingeweide herausdringen lassen, oder viel- mehr, wenn die Eingeweide aus dem Nabelblas- chen sich nicht ganz zurückgezogen haben, Falle, die haufig vorkommen. Die Eingeweide sind dann entweder mit den allgemeinen Bedeckungen be- deckt, oder nur vom Bauchfell. |
3) Deprivatio anterior abdominalis. Dann folgen Fälle, wo ein "Theil der Bauchwandungen gespalten ist, oder in hoherm Grade die ganze
Bauchwandung fehlt und die Eingeweide im sack-
formigen Bauchfell enthalten sind. Von ersterer Art besitze ich einen Embryo in meiner Samm- lung.
Ah) Deprivatio anterior pectoralis. Man fand zuweilen den schwertformigen Knorpel des Brustbeins gabelformig gespalten, z. B. Sandifort; oder das ganze Brustbein gespalten, z. B. Fiber in seinen Beiträ ‚agen zur Ar une ywissensßhltl Dann folgt der gänzliche Mangel des Brustbeins, wovon Wiedemann ein Beispiel erzahlt; hierauf folgt der Mangel des Brustbeins und er Rippenknorpel , woron ein Beispiel in den Memoires de l’acad. des sciences de Paris 1760 steht. Endlich fan- den sich auch Fälle, wo die vordern Brust- und Bauchwandungen ganz fehlten, und die Einge-
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weide, z. B. Herz, Magen, Leber und Därme, in einem Sack eingeschlossen, zu Brust und Bauch heraushiengen, z. B. Sandifort beschrieb ein sol- ches Kind im ten Band der acta helvet.
5) Deprivatio anterior genitalium. Die Spaltung der Mittellinie des Korpers von vorn offenbart sich besonders deutlich an den beiden entgegengesetzten Enden des Rumpfs, namlich an den Genitalien und dem Gesicht. Bei weiblichen - Thieren ist die abnorme Spaltung der Genitalien seltener als bei männlichen , namlich weil sie Norm ist; doch beobachtete man bei 'T'hieren mit ein- fachem Uterus auch schon abnorm einen gespalte- nen, bicornis, z. B. Steglehner. Bei männlichen hingegen bildet diese Spaltung eine ganze Reihe von Abnormitäten. Die erste Spur zeigt sich bei den hypospadiaeis, wo die Harnrohre sich nicht vorn an der Eichel, sondern weiter hinten offnet, und die Harnrohre nach vorn meistens verschlos- sen ist; dann folgt die vollige Spaltung der Harn- rohre, wovon z. B. Oberteufer im Museum der Heilkunde einen Fall erzählt, wo die Ruthe oben und die Harnrohre ganz gespalten und offen war. Hierauf folgen die Falle, wo auch das scrotum ‚gespalten, und solche, wo zugleich noch. die
Schambeinvereinigung getrennt ist; eine nicht sehr selten vorkommende Zwitterbildung,, wobei ge- wohnlich auch die Harnblase umgestülpt und vor- gefallen ist; die Testikel sind dann entweder im scrotum,, oder noch im Unterleibe. Einen solchen Fall sah ich 1814 in Autenrieths Clinieum in Tu- bingen.
6) Deprivatio anterior capitalis. Die Spal- tung der Mlittellinie am Kopf kommt am häufigsten
= an den Kinnladen vor; doch sah ich auch ein neu-
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gebornes lebendes Kind in Trogen, welches vom innern rechten Augenwinkel aus ene 4 Zoll tiefe und % Zoll breite Furche vertikal über die Stirn hin hatte. Die theilweise oder gänzliche Spaltung der Oberlippe bildet die Hasenscharte , die einfach, in der Mitte, oder seltener seitlich, oder aber doppelt seyn kann; im letztern Falle liegt gewöhnlich ein knochigter Auswuchs, ana- log dem os intermaxillare zwischen beiden. Bis- ‚weilen setzt sich die Spaltung auch auf den Al- veolarrand und in den Gaumen fort, palatum fis- sum; auch der weiche Gaumen sogar ist zuweilen gespalten. Von diesen Fallen besitze ich Bei- spiele in meiner Sammlung. Auch auf die Nase kann sich diese Spaltung erstrecken. Z. B. de la Faye beschreibt in den Memoir. de Tacadem. de chirurg. t. ı. ein von ihm operirtes Kind mit doppelter Hasenscharte, wo sich die Spaltung in beide Nasenlöcher fortsetzte. In Appenzell wurde ı81ı7 ein Kind geboren ohne Oberlippe, ohne knochernen Gaumen, also ohne Scheidewand zwi- schen Nase und Mund, ja sogar ohne knorplige Nasenscheidewand. Es kann auch die Nase ganz fehlen, womit aber meistens andere Mifsbildungen verknüpft sind. Ein Beispiel beschreibt Winslow. Zuweilen ist auch, wiewohl selten die Unterlippe gespalten, oder die Unterkinnlade fehlt ganz. — Das Huhn mit menschenähnlichem Profil, beschrie- ben in der Bibliotheque universelle 1819, scheint ebenfalls nur einer Spaltung und Verkürzung der Maxillarknochen seine Milsbildung verdankt zu haben.
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Vierte Ordnung.
Mifsgeburten durch Mangel der T heile von | hinten (Deprivaltio posterior).
Diese Ordnung aussert sich, so wie die vo- rige, ebenfalls durch Spaltung der Mittellinie des Korpers, aber von hinten an. Den ersten Grad bildet die
ı) Deprivatio posterior lumbalis, wo ein oder mehrere Lendenwirbel hinten gespalten sind , wobei zuweilen die Scheide des Rückenmarks sackformig herausdringt, und Wasser enthält. — In seltenen Fällen fand man auch das Kreuzbein gespalten.
2) Deprivatio posterior dorsalis. Ein- zelne oder mehrere Ruckenwirbel, oder der ganze Rückgrat ist gespalten; spina bifida. Selten sind dann die Dornfortsatze getrennt , meistens fehlen sie ganz. Zuweilen fehlen auch die übrigen Fort- satze. Salzmann sah sogar in einem Falle nicht nur den Bogen der Wirbelbeine, sondern auch die Korper derselben gespalten, so dafs man in die Bauchhohle sah; vide Voigtels patholog. Ana- tomie ır Bd. p. 320.
Fünfte Ordnung.
Mi/sgeburten durch Mangel der Theile von der Seite (Deprivatio lateralis).
| Hievon ist mir ein merkwürdiges Beispiel bekannt, welches ich selbst untersuckte und im schweizerischen naturwissenschaftlichen Anzeiger beschrieb; und welches in einer Spaltung der seit- lichen Vertikallinie des Korpers bestund. Ein neu- gebornes Kalb namlich hatte das Maul und die
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Wange der linken Seite bis ins äussere Ohr ge- spalten, der linke Ast der Unterkinnlade war sehr verkürzt, nicht artikulirend , die Spaltung erstrekte sich bis in den knochernen Gehorgang , welcher offen da lag. Auch der Gaumen war auf der linken Seite gespalten. Dann war die linke Seite
der Brust =. des Bauches so gespalten , dafs die Eingeweide auf derselben Seite nur von der pleura und dem peritonaeum bedeckt waren; die Rippen waren vom Brustbein getrennt, verkürzt und nach der Wirbelsäule zurückgebogen; der linke Vor- derfuls fehlte, drei zusammengewachsene Rippen bildeten einen schulterblattahnlichen Knochen. Uebrigens waren auch die Wirbelsäule und die Knochen der Hinterfüfse widernatürlich auf rhachi- tische Art gekrummt und verbogen.
Ösiander erwahnt in seinen Epigrammen eines Kalbes, dessen Mund bis an die Ohren gespalten war. — Auch unter den Würmern zeigt sich die Lateraldeprivation. Ich besitze z. B. eine Asterias aurantiaca mit vier Radien, statt fünf, die aber regelmäfsig ins Kreuz gestellt sind, so dals sie den Sten nicht wahrend dem Leben verloren ha- ben kann.
Der Mangel einzelner Eingeweide, z. B. des Herzens, des Magens und Darmkanals, der Le- ber, findet gewohnlich nur bei Milsgeburten Statt,
die unter obige Ordnungen gehoren.
Dritte Kuasse:
Mifsgeburten durch Versetzung der Theile (Translocatio). |
Beispiele von Translocationen sind nicht hau-
fig ‚ doch auch hier kann noch eine Eintheilung
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nach den bereits bekannten sechs Hauptpolen in Beispielen dargestellt werden, jedoch ist die Rei- henfolge aus Mangel an hinreichenden Beispielen
nicht so ununterbrochen, wie bei den vorigen Rlassen.
Erste Ordnung.
Mi/sgeburten durch Versetzung der Theile von der Seite (Translocatio lateralis).
ı) Man hat Beispiele, dafs die Spitze des Herzens auf der rechten Seite lag; ferner, dafs das ganze Herz auf der rechten Seite lag, ohne
5 abnorme Lase der übrigen Eingeweide.
Auch solche wo die Leber auf der linken, die Milz auf der rechten Seite lag, z. B. Gemma beschreibt eine solche Abnormität.
2) Endlich sind die Beispiele nicht sehr sel- ten, wo alle Eingeweide der Brust und des Un- ierleibes seitlich verkehrt lagen. Ein solcher Fall kam ı81ı6 ın "Tübingen ig der Anatomie vor. In Dr. Stegers Vissertktien de inversa corpor. humanı structura, praeside Enmmert, Tub. 1816 sind die bekannten Beispiele von theilweisen und
eanzlichen Lateraltranslocationen aufeezahlt, die
S - ‚stufenweise Entwicklung , oder das gradweise Vor-
9 konmen derselben EAN RR Organen bis zur sammtlichen Umkehrung speziell dargewiesen, und einige Gesetze daraus gefolgert.
Hieher gehoren auch die abnorm linksgewun- denen Schnecken, von denen die \Veinbergs- schnecke , helix pomatia perversa nicht sehr sel- ten vorkommt. Hr. Professor Studer beobach- tete auch helix arbustorum , hortensis und aspersa linksgewunden. Siehe dessen Verzeichnils der
Schweizer-Gonchylien. Bern 1820.
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3) Eme andere Gattung besteht darin, dafs seitlich gelegene Theile in die Mittellinie ee Kor- pers gerückt werden. Am häufigsten ist dies bei den Augen der Fall; dafs nämlich statt zweier Augen ein einziges über der Nasenwurzel, an der Stirne vorkommt. Dies hat dann entweder zwei Pupillen, oder nur eine. Ein Beispiel von einem solchen Gyclopenlamm beschrieb Albrecht im 2ten Band der act. nat. curios. Zuweilen fehlt dann
auch zugleich die Nase.
Zweite Ordnung.
Miysbildung durch Versetzung der Theile nach oben (Translocatio superior).
ı) Hier zeigt sich die erste Spur dadurch, dafs die Testikel auch nach der Geburt, Ren lebenslanglich ı im Unterleibe zurückbleiben.
2) Dähu folgt die Versetzung der männlichen Futhe, oder eines Analogons derselben nach der Stirn, ein neuer Beweis der Polarität zwischen dem geistigen und physischen Generationsorgan. In mehrern Fällen fand man’ namlich einen penis- artigen Korper über der Nasenwurzel, der zuwei- len undurchbohrt, zuweilen durchbohrt war; die Geschlechtstheile waren dann meistens unvollstan- dig ausgebildet. Zuweilen fehlte dann zugleich auch die Nase, oder es war nur ein einziges Aug an der Basis der Nasenwurzel vorhanden. Falle dieser Art beschreiben z. B. Eller, Ploucquet , Ösiander. |
3) Zähne, die anstatt im Alveolarrand an der vordern Flache des Oberkieferknochens, z. B. neben der Nase vorkommen , gehoren auch in diese Ordnung. Ich selbst sah zwei dergleichen Fälle. |
Dritte Ordnung.
Mifsbildung durch Versetzung der Theile nach unten (Translocatio inferior).
ı) In seltenen Fällen befanden sich die Oh- ren am Halse, entweder unter dem Winkel der Unterkinnlade oder neben dem Luftrohrenkopf. Einen solchen Fall beobachtete Sebenicius. Col- lomb beschrieb ein neugebornes Kind ohne Unter- kinnlade, mit Ohren seitlich am Halse. Eben einen solchen Fall untersuchte Dr. Rüsch im Spei- cher. Die Ohren waren gehorig gebildet, aber ‚seitlich am Halse, mit emem Gehorgang verse- hen, der sich in die Beinhaut der Halswirbel ver- lor. Mund und Unterkinnlade fehlte, statt letz- terer war ein kleiner ‚hufeisenformiger Knorpel vorhanden, der in der Mitte eine vertikale Ritze hatte als Analogon der Mundoffnung. Im Gau- men stunden hintereinander zwei Paar Zähne, statt der Zunge zeigten sich zwei kleine Knotgen. Hier ist also zugleich die Spaltung der Mittellinie unverkennbar. An der Stelle, wo sonst die Oh- ren liegen, war keine Oeffnung.
. 2) Man fand auch schon die Augen am Halse oder unter dem Kinn, zuweilen mit, zuweilen ohne die Ohren. 'T'hemel beschreibt in dem fascicul. . dissertat. anatom. Amstel. 1754 ein Lamm ohne Unterkinnlade, Mund, Zunge und Nase, der Kopf bildet vorn einen geschlossenen Sack , dann einen zweiten mit zwei grolsen nahestehenden Augen unten am Halse , hinter diesen an der Stelle des Luftrohrenkopfs liegen die Ohren, miteinander verbunden und querliegend, mit geschlossenem
Gehorgang.
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3) Schenk und Spielenberger erzählen Bei- spiele, wo die Augen fehlten, a statt deren au- genähnliche Organe auf den Achseln oder Schul- tern vorkamen.
Vierte Ordnuns.
Mifsgeburten durch Versetzung der Theile nach vorn (Translocatio anterior).
ı) Von Translocation der Ohren auf die Wan- gen erzählt Fieliz im zten Bd. von Starks Archiv ein Beispiel bei einem neugebornen Rinde.
2) Littre untersuchte eine menschliche Mifs-
eburt, bei der der After, statt an der gewohn- lichen Stelle, über der Schambemvereinigung be- findlich war. Diese Falle sind jedoch meistens comphcirte Monstrositaten.
3) Scheuchzer giebt in seiner physica sacra die Abbildung eines Schaafes von Sondrio , des- sen Rümpf seitlich so verborgen ist, dals das
Becken neben den Kopf zu liegen kommt.
Fünfte Ordnung.
Mifsgeburten durch Versetzung der Theile nach hinten (Translocatio. posterior).
ı) Dafs einzelne oder mehrere Zähne im knochernen Gaumen vorkommen, davon sind hie Beispiele nicht selten.
2) Bariholin beschreibt eine Milsgeburt , wo die Augen fehlten, und hingegen ein augenahn-
liches Organ am Hinterkopf befindlich war.
B
Vırrte Kuasse.
Mi/sgeburten durch Umänderung der Theile (Mutatio).
Erste Ordnung.
Mifsbildungen durch fremdartige Auswüchse (Mutatio excrescens).
ı) Hieher gehören die schwammigten, braun oder roth gefärbten Hautauswüchse, die man mit dem Namen der Muttermahler , naevi materni, be- zeichnet und die von sehr verschiedener Form und Grolse und an verschiedenen Theilen der allge- meinen Bedeckungen vorkommen. Hier bildet sich eine Reihe von den kleinen warzenähnlichen Auswuüchsen bis zu solchen, die grolse Theile des Korpers bedecken. Ein ausgezeichnetes Beispiel wurde von Rlein beschrieben. Die linke Hälfte der Stirn, des Schadels, des Augenliedes, der
Schlafe war bei einem neugebornen Kinde mit
einem dicken, schlammigen, blutrothen, platten Auswuchs besetzt; eben so der untere T'heil der
Nase und die einen grolsen Wulst bildende Un-
ierlippe. 2) Dann gehoren hieher die angebornen,, har-
ten, schuppenartigen Hautauswüchse; z. B. der borstige Englander oder Stachelschweinmensch , der beinahe am ganzen Korper mit harten, unem- pfindlichen, zuweilen abfallenden Schuppen be- setzt war. Auch wurden schon Rinder mit gros- sen hornartigen Auswüchsen geboren, z.B. Ama-
ts Lusitanus erwahnt eines solchen,
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Zweite Ordnung.
Miysbildung durch F ergo PS oder Fer= kleinerung der Theile (Mutatio magnitudinis).
ı) Ällgemeine Vergrolserung der Theile ist die, wenn ausgezeichnet grofse und schwere Rin- der geboren werden, die nachher eine riesenmas- sige Cube erreichen. Sie stehen den Zwergen entgegen , welche ungeachtet ihrer Reife sich durch
eine dan Kieiupant auszeichnen. Diese letz- tern haben entweder einen unverhaltnifsmalsig brei- ten Rumpf, oder sie stehen in Hinsicht ihrer Länge und Dicke und im Verhaltnils zu den Fxtremitäten in regelmälsiger Proportion. Die Beispiele von Tas sind ausgezeichneter und seltener als er- stere. Auch Hühner eier werden zuweilen gelun- den, die kaum die Hälfte ihrer normalen Grolse haben.
2) Vergröfserung des Körpers durch Ueber- flufs eines Bestandiheils desselben kommt auch an- geboren vor. Z. B. eine ausgezeichnete Menge von Fett, entweder in einzelnen T'heilen, oder im ganzen Korper verbreitet. Hievon et ein Beispiel Eschenmayer im ersten Band der Tu- binger Blatter. Anna "Steinhieber wurde 1804 im. Juli im Würtembergischen geboren, mit einer solchen Anlage zum Faite erden, dafs sie im Mai 1806. 70 ik, im Mai 1814. 2ı9 Tb wog.
Vergröfserung des Körpers kann auch durch angeborne Wasseransammlung Statt finden, die eniweder allgemein seyn kann; z. B. 1817 ent- band ich ein mit ungeheurer anasarca und einer Hasenscharte behaftetes todtes Rind im Speicher ; oder partiell, wovon das ausgezeichneteste Beispiel
der angeborne Wasserkopf, hydrocephalus. inter-
; 3ı nus, liefert, wodurch oft der Schädel ungeheuer ausgedehnt zieh, - Dieiorbespre hc ten Bd. 2 act. helvet. ein neugebornes Rind, dem das Kreuzbein mangelte, und wo die Häute Ei Rucken- marks daselbst sich in einen so grolsen mit Was- ser gefüllten Sack ‚ausdehnten , eb: er an Grolse den Baupr übertraf.
3) Angeborne Ver 'grolserung einzelner T'heile des he Ich sah z. B. einen NMlittelfinger, der von Geburt an doppelt so dick und etwas lan- ger war, als der der andern Hand, ohne krank- haften Zustand. Im Clinicum in Tubinsen sah
= ich 1815 ein Kind mit einem angebornen Kropf,
der bis zum Nabel reichte. Klauen machte ein Epigramm auf ein neugebornes Schwein in seiner Sammlung mit einem sehr verlangerten Rüssel, der dem eines Elephanten ahnelt. Ein ahnliches bil- det Schmucker ab, vide fascicul. admir. natur. accretio. In meiner Sammlung ist der Kopf eines Haushahns mit einem so monstros grolsen Kamm , dals er die Grolse des Kopfs wohl dreimal über- trifft, womit ein knochenartiger Auswuchs oben am Schädel verbunden ist.
Dritte Ordnung. Miy/sbildungen durch veränderte Form der Theile (Mutatio formalis).
ı) Es giebt zuweilen Mifsgeburten, die beinahe
in allen Or 'sanen abnorm gebildet sind, und die zu- weilen kaum ek menschöhshehehe Form haben. Solche Fälle beschreiben Roerkring und Dinmore.
2) Einzelne Theile konnen auch durch ange- borne Rihachitis monstros geformt, verdreht und
verkrummt seyn.
3) Ein Beispiel von monstroser Form bei Schnecken giebt die helix pomatia scalaris mit py- ramidalem oder langgestrecktem Gewinde, von
denen es Vceie Abstufungen giebt. Pro- fessor Studer besitzt auch eine helix hortensis scalaris. — Auch Hühnereier sind zuweilen in der Form sehr vom Normalen abweichend, z. B. mit
Warzen besetzt, cylindrisch, hornformig gebogen.
Vierte Ordnung.
Mifsbildungen durch veränderte Farbe (Mutatio coloris).
ı) Hier bilden die erste Stufe die gefleckten Mohren, die auf schwarzem Grunde weisse Flecken haben, z. B. einer von Martinique ; oder umgekehrt.
2) Dann folgen solche mit blondem oder schwarzem Haar, die einen oder mehrere Flecken mit angebornen weissen Haaren zeigen, z. B. einen solchen Knaben sah ich in "Teufen.
3) Endlich mit rother Pupille, weisser Haut und weissen Haaren. Ein solcher Albino, Ge- org Gamber, zeigte sich 1817 auch in St. Gal-
o
len. Bei Saugthieren sind Kakerlacken am haufig-
sten bei Kaninchen, auch bei Mausen. Die weisse Varietät von mus musculus pflanzt sich leicht fort, und erzeugt immer wieder die gleiche Varietat; ein Versuch, durch Vermischung mit der gewohnlichen Hausmaus Bastarde zu erzeugen , schlug fehl, weil letztere den schwäachern Rakerlacken auffrals. Bei Ratten, Fledermäusen und Maulwurfen giebt es auch zuweilen Kakerlacken. Unter den Vogeln bei Kra- hen, die auch zuweilen gefleckt vorkommen, Am-
seln, Sperlingen u. vielen andern Arten.
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F
33 IL
Chemische Zerlegung des Wassers von Weissenburg.
Von C. Brunner, , Prof. der Chemie in Bern.
Die Gebirgskette des Stockhorns, auf deren südlichem Abhange die warme Quelle von Weis- senburg entspringt, besteht gröstentheils aus einem dichten Ralkstein, bald von hellgrauer,, bald von dunklerer Farbe, welche von Kohle herzurühren scheint. An einigen Stellen finden sich in dem Ralk Nester von Steinkohlen. Hin und wieder ist das Gestein mit dünnen Ralkspatgängen durch- zogen. An einigen Stellen kommt auch Gyps zum sein: Ay Fulse des Gebirges ist ein eigen-
5 = thumlicher Sandstein angelasert, der an einigen
Stellen Schichten von allen Ti honschiefer he
Die Quelle von Weissenburg befindet sich in einer tiefen Schlucht, durch Ben der Buntschi- bach aus dem Bei des Gebirges hervordringt in einer Hohe, die nach meiner haneiancheu Messung 2758,31 Pariser-Fufse über das Meer beträgt. Seit wenigstens 200 Jahren wird dieses Massa als Heilmittel gebraucht, obschon es schon seit längerer Zeit neben natürlichen Wärme wegen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu bee scheint. Ueber die Anwendung und den Nutzen desselben als Heilmittel will ich hier nicht dasje- nige wiederholen, was schon früher sgelehrte Aerzis uns zu verschiedenen Zeiten dar mit- getheilt haben. Mein Zweck war blols es in phy-
Natw. Anl. II 1. 3
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sikalisch-chemischer Hinsicht einer neuen Prüfung zu unterwerfen, weil mir eine solche theils wegen den von andern fruher darın aufgefundenen Be-
standtheilen, aus deren sehr geringen Menge sich die durch tausendfache Erfahrung erprobte Wir- kung dieser Heilquelle kaum erklaren lalst, theils wegen der demselben eigenthumlichen natürlichen Wärme, welche bei andern ahnlichen Quellen die Physiker schon so vielfach beschaftigte, win- schenswerih schien. Besonders war mein Augen- merk auf die flüchtigen Bestandtheile gerichtet, die ich in diesem Wasser anzutreffen glaubte. In dieser letztern Rücksicht schien mir vorzüglich die von meinem verewigten Lehrer , Hrn. Apotheker Morell im J. 1788 bekannt gemachte Analyse nicht vollkommen zu genügen. Da in neuern Zei- ten in so vielen zum Theil auch warmen Quellen , wie z. B. denjenigen von Aachen, von Venezuela und in unserm Leukerbade die Entwicklung von Stickstoffgas beobachtet worden, dagegen in allen altern Analysen von Mineralwassern die erhaltene Luft insofern sie nicht Kohlensaure noch Schwe- felwasserstoffgas war, gewohnlich als atmosphari-
sche Luft angenommen wurde, so war es mir vor-
züglich darum zu thun, auch hier die Gegenwart oder Abwesenheit von Stickstoffgas zu untersuchen. Um dem Einwurfe zu entgehen, die flüchtigen Bestandtheile seien während der Versendung des Wassers entwichen, verfügte ich mich mit dem noihigen Apparate versehen den 29. Sept. vori- gen Jahres selbst nach Weissenburg, um die Untersuchung an Ort und Stelle vorzunehmen. Die Witterung war seit mehrern Tagen voll- kommen schon gewesen und die Einwohner ver-
sicherten das Wasser sei so kraftig als je im’ Sommer.
f 4
l 335
Die Einfassung der Quelle, welche aus jenem Kalkstein hervorzukommen scheint, ist ein Aecki- ger gemauerter und durch ein Gewolbe verdeck- ter Kasten von 6—7 Fufs Lange auf 2% Fuls Breite und ungefähr 1ı2—ı5 Fuls Tiefe. Dieser Kasten ist bis auf ungefähr 2 Fuls Hohe mit Was- ser angefüllt, welches auf.dem Grunde desselben beständig, ohne sichtbare Bewegung noch Gas- entwicklung hervorquillt. Das Gewölbe dieses Kastens ist inwendig mit einem tropfsteinartigen
o ir 2 ) Sinter überzogen. Durch holzerne Rohren wird das Wasser von hier ungefähr ı0o Minuten weit
nach dem Bade geleitet, wo es sich im einem 2 Zoll dicken Strome in einen grofsen holzernen Kasten ergielst. Sowohl die Leitung als der hol- zerne Kasten erfullen sich mit eimem rothlich- braunen Schlamme, welcher aus letzterm während der Kurzeit beinahe taglich herausgeschafft wer- den muls. Uebrigens soll sich derselbe zu allen Jahreszeiten ungefähr in gleicher Menge einfinden. Wenn, was nicht selten geschieht, die Leitung durch heruntergestürzte Steine oder andere Ur- sachen schadhaft geworden ist, so dafs neue Roh- ren eingelegt werden müssen , so erscheint jedes- mal einige Stunden lang das Wasser trübe und nothigt die Kurgäste das Trinken einzustellen. Ich liels einige Leitungsrohren herausnehmen und sammelte den darin enthaltenen Schlamm, indem ich in geneigter Stellung Wasser in dieselben sols und die am andern Ende herausfliessende braune Brühe in einem Toopfe auffalste, in wel- chem sich der Schlamm nach einiger Zeit zu Bo- den setzte.
Das Wasser selbst besitzt folgende physische Bigenschaften :
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ı) Es ist vollkommen klar und durchsichtig. Betrachtet man eine groöfsere Menge dessel- ben aufmerksam , so sieht man einige kleine bräunliche Klumpchen darin schwimmen , ‘welche aus dem oben beschriebenen Schlamnı bestehen , den das Wasser mechanisch mit- führt.
2) Es besitzt durchaus kemen Geruch.
3) Sein Geschmack ist sehr schwach. Mir schien er mit demjenigen einer sehr verdimn- ten Fleischbrühe einige Aehnlichkeit zu haben.
4) Beim Ausgiessen in ein anderes Gefäls schäumit es sehr wenig.
5) Das spezifische Gewicht desselben ist bei 11%, 'R. = 1,00326.
6) Ueber die Temperatur der Quelle machte ich folgende Beobachtungen :
Den 29. Sept. Abends 5 Uhr zeigte das Was- ser, da wo es aus der Privkeökee fliefst , ee BEL. R.) die äussere Luft zeigie 101, ®
Den an Tag Abends 8 Uhr ebendaselbst
23,75°C. Die Luft 10°C.
Den 30. Sept. Morgens 67 „Uhr 23,6% C.
(Die Luft 9,5°.)
x EROR 20® Nachmittags 2 Uhr 24,6 C. (Die Luft 13,5°.) ö 2 - Abends 84 Uhr 24°C.
(Die Luft 10°.) An der „Quelle selbst fand ich die T’emperatur den 30. Sept. Morgens 1175 Uhr ungefähr 1% ah unter der "Oberfläche des Wassers 27,5° G. Diejenige der Dunstatmosphare über dem W MEER. 18, 51C. während die aussere Luft ı3,5° zeigte.
2 I 7
Um die auch hier wie bei allen warmen Quel- len herrschende Meinımg: „das Wasser bleibe länger warm als künstlich gewärmtes“ zu prüfen , nahm ich 2 moglichst gleiche und ziemlieh grofse irdene T'opfe , füllie,, nachdem ich sie beide durch Eintauchen in den holzernen Wasserkasten auf die namliche T’emperatur gebracht hatte, den einen mit natürlich warmem Wasser von 23,5, den andern mit künstlich auf den namlichen Grad er- warmtem gewohnlichem Quellwasser und beobach- tete bei beiden die Zeit des Haltwerdens. Ich war aber nicht im Stande den geringsten Unter- schied wahrzunehmen.
‚Die so sehr verbreitete Meinung des langsa- mern Raltwerdens des naturlich warmen Wassers, welche nicht nur bei den Bewohnern und Bade- gasten warmer Quellen herrscht, sondern nicht selten auch in physikalischen und chemischen Werken angetroffen wird “), liegt ohne Zweifel in dem Umstande, dafs man an den Quellen im- mer mit sehr grofsen Mengen zu thıun hat und nicht bedenkt, dals eine Wassermasse von mehr als tausend Gubikfulsen,, wie z. B. in einem der grolsen Badekasten von Leuk natürlicherweise eine viel langere Zeit zum HRaltwerden bedarf, als ein gewohnliches Bad von vielleicht 25—30 Eubikfufs Inhalt. Es ware zu wunschen, dafs man dieses
bei allen warmen Quellen untersuchte *").” Ich
*) Z.B. Patissier, Manuel des Eaux minerales delaFrance, p. 67. Dictionnaire de Medecme VII. 260. . Diction- naire des Sciences medicales, suppl. VI. 103,
**) Die nämliche Beobachtung ist übrigens ganz kürzlich auch bei andern Quellen gemacht. worden., ‚S: ‚Longchamp , Annales de Chimie et de Physique XXIV. 247. — Fici- nus, in Schweigg. Journal. Auch Hrn. Pagenstechers Versuche über das Wasser zu Leuk gaben die nämlichen Resultate.
38
bin weit entfernt die Thatsache, welche ich be- obachtete, auf alle ausdehnen zu wollen, aber ehe man bestimmte Erfahrungen hierüber hat, ist es auch, glaube ich, voreilig, auf die bisher wenig sichern Angaben 'Theorieen zu bauen und daraus Erklärungen der Wirkungen dieser sogenannten
Thermalwärme herzuleiten.
Prüfung des Wassers mit Reagentien.
3 ‘
ı) Geröthetes Lakmuspapier wurde nach eini-
en Stunden blau.
2) AJetzendes Kali. Flockig-weisser Nieder- schlag im Ueberschufs unaufloslich.
3) Barytwasser. Sogleich ein starker weisser Niederschlag unaufloslich in Salpetersäure.
h) Kalkwasser. Nach einiger Zeit ein flocki- ger weisser Niederschlag (in einem verschlos- senen Glase.)
5) detzendes Ammoniak. Anfangs nichts, nach einiger Zeit ein weisser flockiger Niederschlag unaufloslich im Ueberschuls.
6) Kohlensaures Natron. Sogleich starke weisse Trubung, nach einiger Zeit leichter weisser flockiger Niederschlag, welcher bald pulverformig wurde.
7) Kohlensaures Ammoniak. Sogleich starke weisse Trubung, nach einigen Stunden pul- veriger weisser Niederschlag.
8) Essigsaures Blei. Sogleich starker weisser Niederschlag, der sich, ehe er niedergefal- lenwar, durch Zusatz von Salpetersäure unter Ausgeben einiger Gasblaschen aufloste. Hatte er sich aber zu Boden gesetzt, so war er nach-
ber in Salpetersäure unaufloslich.
39
9) Sauerkleesaures Ammoniak. Sogleich starke weisse Trubung, nach einiger Zeit pulveriger Niederschlag. |
ı0) Salzsaurer Baryt. Starker weisser pulver- formiger Niederschlag unaufloslich in Salz- säure.
ıı) Salpetersaures Silber. Nach einigen Stun-
den ein kaum merkliches Opalisieren.
ı2) Schwefelsäure.
13) Salzsäure.
14) Schwefelsaures Natron.
ı5) Salzsaures Natron. keine Ver-
ı6) Salzsaures Platin. anderung,.
ı7) Chromsaures Kali.
ı8) Salzsaures Gold.
19) Blausaures Eisenoxydul-Kali.
20) Salpetersaures Quecksilberoxyydul. Beim ersten Zusetzen eine weilsliche 'T'rübung , setzte man aber noch ı oder 2 '[ropfen mebr hinzu, so wurde die Flüssigkeit wieder hell. Nach 24 Stunden bildeten sich auf dem Bo- den des Glases kleine weisse , spiessige , buschelformig-gruppierte Krystalle.
2ı) Salpetersaures Quecksilberoxyd. Schon zitrongelber pulveriger Niederschlag. (Einen ganz gleichen giebt dieses Salz im Kalkwasser.)
22) Schwefelsaures Kupfer. Nach einiger Zeit ein blaulicher Niederschlag. |
23) Hydrothionsäure. keine Ver-
24) Hydrothionsaures Ammoniak.‘ änderung.
25) Alkohol von 97 p. c. zu gleichen Theilen mit dem Wasser gemischt, gab einen flocki- gen weissen Niederschlag.
26) Galläpfeltinktur. Anfangs keine Verände- rung, nach 24 Stunden eine unbestimmte weils- liche Trubung.
ho Untersuchung der Gasarten.
A.
951 Grammen des Wassers wurden aus der Trinkrohre in einen glasernen Kolben, der ganz damit angefullt wurde und mit einer ebenfalls mit Wasser gefüllten Gasrohre versehen war, gefalst, in diesem Apparate mittelst zweien starken Wein- geistlampen eine Viertelstunde lang gekocht, und das sich entwickelnde Gas über Wasser aufgefan-
o
gen. Seine Menge betrug, nachdem durch mehr-
stündiges Stehen uber ätzendem Ralı die Kohlen-
saure daraus weggeschafft worden war, bei 19,5°C.
und einem Barometerstand von 680 Millim. 20 Mil- lilitres (oder bei o° und 760 Millim, 17,804 Mil- lılitres). Dieses Gas wurde mit einer heilsberei-
teten Auflosung von Schwefelkali, welche einige
Zeitlang der Luft ausgesetzt worden war, in Be- rührung gebracht und ofter damit umgeschüttelt. Nach 24 Stunden betrug der Ruckstand des Gases auf eine Tremperatur von o° und einen Druck von 760 Millim. berechnet ı1,9 Millilitres *).
Diesemnach enthält das untersuchte Gas naeh Hinwegnehmen der Kohlensäure 17,804—ı1,9= 5,904 Sauerstoffgas, oder .ı00 Theile des von Kohlensäure befreiten Gases enthalten 33, 16 Sauer- stoffgas, oder auch 84,6 atmospharische Luft und ı9,4 Sauerstoffgas.
*) Ich mufs hier bemerken, dafs ich Hrn. Pfaffs (analyt. Chemie II. 566) Angabe , die Absorption des atmosphä- rischen Sauerstoffes durch das Schwefelkali-Eudiometer erfordere blofs ein Schütteln von 5 Minuten, unmöglich beistimmen kann. Ich habe stets gefunden , dafs selbst nach mehreren Stunden, wenn auch das Instrument fleis- sig Fin) wurde „ noch eine Raumverminderung, Statt and,
„Ai | ”
Die nämliche Menge Wassers wurde in dem gleichen Apparate gekocht. Das erhaltene Gas Ba: ug nach Hinwegnahme der Kohlensäure bei 11,7°G. und 680 Millim. ı9,9 Milliliires oder bei o° und 760 Millim. 17,053.
Dieses Gas wurde mit einer Stange Phosphor in Berührung gebracht und betrug nach 24 Stun- den bei 11,25° GC. und 676,5 Millim. Barometer- stand 14,3 oder bei 0°C. und 670 Millim. 12,212 Millilitres, also nach der nothigen Gorrektur für die Ausdehnung des Gases durch den Phosphor
(nach Berthollet um X40) 11,907.
: Nach diesem Versuche enthalt also das in dem Wasser enthaltene Gas nach Entfernung der
Hohlensaure 17,093 — 11,907 = 9 5,146 oder in ı00 Theilen 30,17 Sauerstoflsas.
©. ı) Die namliche Menge Wassers gab durch
die gleiche Behandlımg nach Hinwegnahme der che 1757 Milli. bei 3 en und 681 Millim. oder ı5,28 Millil. bei 0° und 76 Millim.
Davon wurden 8 Volumtheile mit 8,3 Was- serstoffgas) im Volta’schen Eudiometer verbramt. Der Ruckstand betrug 8,5. Es waren also bei dem Verbrennen 7,8 Volunitheile Gas verschwun-
7,8 den, welches 7 = 2,6 Sauerstoffigas anzeigt.
Es enthielten mithin 100 Theile des in dem Was- ser enthaltenen Gases nach W egschaffen der Koh- lensaure 32,5 Sauerstoifgas, oder 85,44 atmospha-
rische Luft und 14,56 Sauerstofigas.
”) Aus Wasser durch Zink und Schwefelsäure bereitet,
42
2) Der namliche Versuch mit einer neuen Menge Wassers wiederholt gab 15,58 Gas ohne Kohlensäure, welches (bei 0° und 760 Millim.) in 100 'T'heilen aus 85,973 atmosphärische Luft und
14,025 Sauerstoffgas , oder aus 32,075 Sauerstoffgas und 67,025 atmosphärischer Luft bestand.
3) Wasser, welches in einer gut verschlos- senen Flasche nach Bern gebracht, und daselbst auf die namliche Art behandelt worden, nur mit dem Unterschiede, dafs das Gas über Quecksilber aufgefalst wurde, gab aus der namlichen Menge 16,9 Millil. Gas, (die Kohlensaure ungerechnet und auf o° und 760 Millim. reduzirt) welches bei der Untersuchung mit dem Volta’schen Eudiometer in 100 Theilen 31,58 Sauerstoffgas zeigte.
Fassen wir die hier aufgeführten Resultate zusammen, so haben wir im Mittel aus 5 Beob- achtungen in 951 Grammen des Weissenburg- wassers nach Hinwegnahme der Kohlensäure 17,804 17,053 15,28 16,525 Millil. Gas bei 0° u. 760 Millim. 15,58
16,9
Von diesem Gase enthalten 100 Theile 33,16 30,17 32,5 oder im Mittel 31,39 Sauerstoffgas , 32,07 31,58
oder auch 86,2 atmosphärische Luft und 13,8 Sauerstoffgas.
100,000
43
Zur Vergleichung untersuchte ich auch das Wasser , so wie es in Bern verkauft wird. Ich er- hielt aus gr. 951 desselben durch das namliche Verfahren nach Abscheidung der Kohlensäure 19,1 Millil. Gas, in welchem das Volta’sche Eu- diometer 27,12 bis 27,21 also im Mittel 27,165 Procent Sauerstoffgas anzeigte.
Bestimmung der Kohlensäure.
791 5 Grammes frisch gefalstes Wasser wurde in einem Kolben, der Ba einer in Baryt- wasser tauchenden Rohre in Verbindung stand , eine Viertelstunde lan sekocht. Es entstand ein
55 Niederschlag , welcher ausgewaschen und getrock-
net 0,211 gr. wog. Dieses zeigt nach Berzelius 0,0471 gr. Kohlensäure , ke nach Biot und Arago 23,8 Millilitres kohlensaures Gas an. Der namliche Versuch mit einer neuen , eben so grolsen Menge Wassers wiederholt, gab ganz
Ai) sa 5 genau das namliche Resultate Es enthielt also
ı Bernmals (=56 Unzen) dieses Wassers 3,435 Cubikzoll freie Kohlensäure “).
Aus 650 Grammen in Bern gekauften Was- sers erhielt ich nach obiger Behandlung einen
= Barytniederschlag , welcher getrocknet 0,128 be-
trug. Dieses Wasser enthalt demnach in einem
Bernmals 2,5367 Cubikzoll Kohlensäure.
”) Die hier angewandte Methode, die Kohlensäure zu bestim- ‚men, halte ich, wenn die nöthige Vorsicht angewandt wird , für vollkommen genügend. Es darf kaum erinnert werden , dafs der Zutritt der atmosphärischen Luft, so. wohl bei der Operation selbst als vorzüglich bei dem Fil- trieren des Barytwassers, sorgfältig vermieden werden mufs. — Bekanntlich hat Vogel vor kurzem die Unvoll- kommenheit der zu diesem Zwecke von 'T'henard angege- benen Methode dargethan. (S. Journal de Pharmacie IX.)
44 Bestimmung der fixen Bestandtheile
ı) 3450 Grammes Wasser wurden aufge- kocht. Es entstand ein graulich-weisser pulveriger Niederschlag , welcher getrocknet 0,08 wog. Er bestand aus kohlensaurem Nalk. Das Wasser wurde bei gelinder Warme und unter Verhüten des Hineinfallens von Staub in einer Platinschaale zur Trockne abgedanpfti. Der Salzrückstand be- trug 4,56. Er war vollkommen weils und eine Probe desselben farbte sich nicht bei gelindem Gluhen. Auch hatte das Wasser während des Abdampfens durchaus keine Farbung angenommen. Dadurch ist also die sänzliche Abwesenheit von
organischen 'T'heilen NEL: ai
2) Diese Salzmasse wurde mit absolutem Al- kohol digeriert, die alkoholische Flüssigkeit mit Wasser versetzt und der Alkohol durch Abdamı- pfen entfernt. Sie verhielt sich nun als eine Auf- losung von salzsaurer 'Talkerde. Durch salpeter- saures Silber entstand darin ein Niederschlag , welcher getrocknet 0,027 wog. Dieses zeigt nach Berzelius 0,009 salzsaure Talkerde an.
3) Die mit Alkohol ausgezogene Salzmasse (2) wurde mit ein wenig destilliertem Wasser übergos- sen und einige Tage lang unter ofterm Umschuüt- teln ruhig hingestellt. Die auf diese Art erhaltene
Aufiosung wurde zur Trockne abgedampft und der
Ruckstand wieder mit wenig kaltem Wasser dige- riert. Es blieb 0,148 Gyps zurück. |
4) Die in (3) erhaltene wässerige Auflosung wurde mit essigsaurem Baryt gefallt. Der Nie- derschlag verhielt sich ganz als schwefelsaurer Baryt und betrug trocken 2,053, geglüht 1,955.
5) Die mit Baryt gefällte Flüssigkeit (4) wurde zur Trockne abgedampft und der Rückstand ver-
ir
45
brannt, hierauf mit Wasser ausgekocht. Es ent- stand dadurch eine alkalisch-reagierende Flüssig- keit, welche mit Salpetersäure gesattigt beim Ab- dampfen rhomboidale Krystalle lieferte und weder mit Platinauflosung noch mit Weinsteinsäure rea-
ierte, also salpetersaures Natron enthielt. Um die Menge des Natrons zu bestimmen, wurde das erhaltene salpetersaure Salz in ein wenig Wasser aufselost, mit Schwefelsaure versetzt, zur Trockne
absedampft und gelinde gegluht. Es gab 0,647
SE efeleilres Natron.
6) Der mit Wasser ausgekochte verbrannte Pückstand (5) wurde mit verdünnter Schwefelsäure erwärmt. Es loste sich viel unter Aufbrausen auf. Die Auflosung gab beim Abdampfen Krystalle von RER Talkerde. Dieselbe wog schwach geglüht 0,49
(In ek ab efelsauren Natron von (5) ist 0,3634 und in der schwefelsauren Talkerde (6) 0,2885 Schwefelsaure enthalten, also
0,6517 in dem ganzen wässerigen Auszuge (3).
Der Bar ytniederschlag von (4) zeigt 0,6719 Hehw e- felsaure an.
7) Die mit Wasser in (3) ausgezogene Salz- masse wurde nun mit vielem Wasser gekocht und die Auflosung, welche auf salleiere Silber nicht reagierte, mit salpetersaurem gefallt. Der Niederschlag wog getrocknet 6,278, geglüht 6,15. Dieses zeigt nach Berzelius 3, 616 ET felsauren Kalk an. Als der Barytniederschlag mit vertünnter Salpetersaure digeriert wurde, nahm diese nichts davon auf. Es ist also keine Phos- phorsaure zugegen.
8) Die mit Baryt gefallte Flüssigkeit (7)
wurde durch eklssure genau von dem uber-
46
schüssig zugesetzten Baryt befreit und in 2 gleiche
Theile getheilt:
A. Die eine Halfte wurde mit sauerkleesaurem Ralı gefallt. Der Niederschlag gab, nach- dem er getrocknet worden, bei starkem Glü- hen 0,7495 atzendem Kalk. Dieses zeigt m der ganzen Flüssigkeit von (7): 3,6094 schwe- felsauren Ralk an.
Als nachher die Flüssigkeit mit kohlen- saurem Natron gekocht wurde, entstand keine Trubung.
B. Die andere Halfte wurde mit kohlensaurem Ammoniak kochend gefällt, alsdann die fil- trierte Flüssigkeit zur 'Trockne abgeraucht und das Ammoniaksalz durch Hitze verflüch- tigt. Es hinterblieb eine sehr geringe Menge eines salzigen Ruückstandes, welcher mir schwefelsaures Natron zu seyn schien. Ich war aber nicht im Stande weder seine Menge genau zu bestimmen noch dasselbe einer wei- tern Prüfung zu unterwerfen.
g) Der beim Kochen der Salzmasse in (7) hinterbliebene Ruckstand erschien als ein srau-
liches Pulver. Er wurde im Platintiegel mit Salz- saure ubergossen und mit einem Uhrglase leicht bedeckt, erwarmt. Es entstand eine fast farben- lose Flüssigkeit unter Zurückbleiben eines gerin- gen flockigen, grauen Rückstandes, welcher 0,0706
wog. Dabei a das Uhrglas nicht im minde- sten angegriffen, wodurch die Abwesenheit von Flulsspathsaure erhellet.
10) Die in (g) erhaltene salzsaure Auflosung wurde mit einigen Tropfen Salpetersäure gekocht um das Eisen zu oxydieren und dieses hierdurch
5 durch ätzendes Ralı im Ueberschufs gefällt. Der
47
entstandene Niederschlag verhielt sich als Risen- oxyd, war aber zu gering um sich quantitativ be- stimmen zu lassen.
Die kalische Flüssigkeit gab mit Salmiak ge- kocht keine 'Trubung. ge enthielt also keine Alaunerde.
ı1) Der bei der Behandlung ie Salzsaure in (10) gebliebene Rückstand wurde mit ätzendem Ralı geschmolzen. Es entstand eine "schmutzig- grüne Masse, die beim Auflosen in salzsaurehal- tigem Wasser, Abdampfen, der Auflosung und Tscähfnehmen des Rückstandes in Wasser, Rieselerde zurückliels , deren Menge geglüht 0,066 betrug.
ı2) Die salzsaure Flüssigkeit (11) wurde durch Salpetersäure oxydiert und kalt mit koh- lensaurem Natron gefallt. Es entstand ein gerin- ger Eisen-Niederschlag, dessen Menge ich nicht bestimmen konnte. Als ich die Flüssigkeit kochte,, erschien ein weilslicher Niederschlag, welcher nach einiger Zeit braun wurde. Seine Menge war ae: ausserst gering, so dafs ich ihn kalt einmal qualitativ genauer untersuchen konnte. Er schien mir von Mangan herzurühren.
Bei der vorstehenden Analyse waren also in den untersuchten 3450 Grammen des Wassers von Weissenburg folgende Bestandtheile gefunden
worden:
1. Flüchtige Bestandtheile.
59,941 Millil. namlich 51,6727 atmosph. Luft 8,2682 Sauerstoffgas
99:9409 103,73 Millil. Kohlensäure.
48 Fixe Bestandtheile,
Kohlensaurer Ralk (1) . 2. 2. 0,080 Salzsaure Talkerde (2) . .». 2... 0,009 Schwefelsaures Natron 5) » . ... 0,647 Schwefelsaure Talkerde (6) - «2 . 0,437 Schwefelsaurer Kalk (3) - - „2 2.0143 RR e Fo Bei PR (8) 3,6094 Mittel 3,61 ; Düselerde (13) ».....% sata. 4 Ze | 5,000
Fisenoxyd |} Manganoxyd j
Spuren.
Gesammt-Menge der in dem Wasser enthal-
tenen Salztheile (1). . 4,86 + 0,08= 4,94. Also Ueberschufs bei der Analyse 0,06.
Berechnet man dieses auf 10000 Theile Was- 'sers, oder auf ı Bernmals zu 3 56, so hat man
Fliichtige Bestandtheile:
in ı Bernmals. .Atmospharische Luft . . » . 1,71090. 2. Sauerstffigas .» - « * . . 0,2737C. 2. Koblensaure 7, er ar Tr
5,4196
Sueksiollgsas .: ». „eo 2 2m Sauerstofflgas . « «0... 0,6530 Koöklemase 9777, Sn
3,4196
49
Fixe Bestandtheile :
(alles in wasserfreiem Zustande berechnet.) ın 1 Bernmafs. in 10000 Thin.
Rohlensaurer Ralk . . gr. 0,623 0,2318 Salzsaure Talkerde . - 0,070 0,0260 Schwefelsaures Natron 25,0 1,8753 Schwefelsaure Talkerde - 3,404 1,2666 Schwefelsaurer Ralk . - 29,300 10,9005 2, 2 KB ET EEER | 0,1915 Eisenoxydul *) | Spuren. 38,992 14,4919
Manganoxyd? Nach Hrn. Morells Bestimmung **) enthal- ten 2 Pfund Weissenburgerwassers Rohlensaures (mas . :. u... Sn. Atmospharische Luft „.. ... 01% Salzsaure Talkerde . . . . . 2% gran.
— Sul ug 200%, Ki ISRRRE A, W- Tonlemsauren al, ci... 4%. ur u — Talkerde ...... 0... 00 ar
— son, Aut ae Ve - Schwefelsauren Ralkk . . . .. 9% 2 Extraktivstoff — Spuren.
Untersuchung des Schlammes aus den Leitungsrohren.
Getrocknet stellte derselbe ein bräunlich-gel- bes Pulver dar, welches weder Geruch noch Geschmack befals. Man konnte hin und wieder kleine Holzfasern darin entdecken, ohne Zweifel aus den Rohren.
ı) Es wurden 2,828 Grammen dieses Pul- vers mit absolutem Alkohol einige Tage lang dige-
*) Ohne Zweifel als kohlensaures zu betrachten. **) Gesundbrunnen und Bäder der Schweiz, p. 256,
Natw. Annl. IL.
=
J0 ;
riert. Der Alkohol wurde dadurch kaum merklich
efarbt und gab beim Abdampfen em geringes gelbliches Extrakt, welches mit Wasser ausgezo- gen eine farbenlose Flüssigkeit gab, in welcher salpetersaures Silber die Gegenwart von einer Spur eines salzsauren Salzes, alle übrigen Rea- enzien nichts anzeigten. Die vom Alkohol aufgeloste Menge harzartigen Extraktivstoffes betrug 0,103.
2) Das bei der Behandlımg mit Alkohol zu- ruckgehliebene Pulver wurde mit vielem Wasser ausgekocht. Die vom Wasser aufgenommene Menge betrug 0,138. Beim Abdampfen der Auf-
Ku =, 2 oO, Bd z losuns blieb ein braunliches Extrakt ohne Bilduns
von Krystallen. Die Auflosung des Extraktes reagierte schwach auf Schwefelsaure. Sie enthielt wahrscheinlich eine Spur Gyps, deren Menge aber nicht bestimmt werden konnte.
3) Das von der Behandlımg mit Wasser übriggebliebene Pulver (2) wurde mit Salzsäure erhitzi. Es entstand unter Aufbrausen eine selbe
3 a, " 2 Be =, Auflosung mit Zurucklassen eines schwärzlichen Ruückstandes, welcher getrocknet 1,05 wog.
A) Die salzsaure Auflösung (3) wurde mit einigen Tropfen Salpetersaure versetzt und zur Trockne abgedampft, hierauf wieder in Wasser aufgelost, wobei 0,016 Rieselerde zurückblieb, und durch atzendes Ammoniak das Eisen gefällt. Der erhaltene Niederschlag wog geglüht 0,337. Dieses zeigt nach Berzelius 0,621 kohlensaures Eisenoxyd an.
5) Die mit Ammoniak gefallte Flüssigkeit (4) wurde zur Trockne abgedampft und durch Erhitzen das Ammoniaksalz entfernt, hierauf wieder in
Wasser aufgenommen und mit sauerkleesaurem
& J1 \
Ralı gefällt. Der Niederschlag. gab beim Trock- nen und heftigen Glühen o ‚569 atzenden Kalk. Dieses zeigt ich Berzelius 1,010 kohlensauren Ralk an.
6) Der in 3) 5 cebliebene schwärzliche Rück- stand wurde eine Zeitlang im Platintiegel stark
geglüht. Seine Mense Ferne) nach Rei Gluhen
0,731. Er hatte dahe; ne braunrothe Farbe angenommen.
7) Dieser Rückstand (6) wurde nun mit Sal- petersalzsaure gekocht. Die erhaltene gelbliche Auflosung gab jo atzendem Ammoniak einen EKi- sen-Niederschlag, welcher geglüht 0,065 betrug. — Als die mit Arınaalak gefallte Flüssigkeit mit kohlensaurem Natron gekocht wurde, sand keine Trubung.
Der vom Kochen mit Salpetersalzsäure ge- bliebene Rückstand betrug 0,457. Er verhielt sich wie Rieselerde mut einem geringen Rückhalt von Eisenoxyd.
Die angewandte Menge des Schlammes wurde
also zerlegt in durch Alkohol ausziehbarer K;x- in 100 Thin. trakteesioH (Ih.v 6 0720 3,613
durch Wasser ausziehbarer Bx-
traktivstoE (2) a, EIERN 4,8853 Rieselerde ()) - : . . 0,016 6.258 a ir ae ae et hllen HKohlensaurer Ralk (5) . . 1,010 35,714 Kohlensaures Eisenoxyd (4. 7)
0,621 -F 0,116 =". .7% 0,997 26,088
durch Feuer zerstorbare Pflan-
zenfäser (6) 5. ae H@31g 11,289 2,780. 98,345 Verlust 0,048 1,655
.2,828 100,000
ir W
’
Ob die in diesem Schlamme vorhandenen , durch Wasser und Alkohol ausziehbaren, so wie die organischen, im Feuer zerstörbaren Theile als chemische Bestandiheile des Wassers anzuse- hen seien, mochte ich bezweifeln. Dieselben scheinen mir wohl eher aus den Rohren, durch welche das Wasser eine bedeutende Strecke weit fliefst, herzurüuhren. In dem Wasser, da wo es aus der Trinkrohre Nielst, fand ich, wie meine Analyse zeigt, keine Spur von Exiraktivstoff und es ist nıcht wahrscheinlich, dals wenn er an der Quelle selbst darin enthalten wäre, er sich unter- weges absetzen sollte. Das Eisen dagegen scheint wohl im Wasser enthalten zu seyn, allein auf je- den Fall in sehr geringer Menge. Bei der Analyse habe ich nur Spuren davon aufgefunden, weil es sich schon bei der T'rrinkrohre nicht mehr in che- mischer ÄAuflosung in dem Wasser befindet, sondern in Gestalt kleiner Klumpchen, deren Menge sehr geringe ist, mechanisch darin schwimmt, und bei der Analyse diese Klumpchen nicht mitgenommen
wurden *).
Den Tuff, welcher die Wände und das Ge- wolbe des gemauerten Quellen-Rastens bekleidet , fand ich grostentheils aus kohlensaurem Kalk mit
einer geringen Menge Kieselerde bestehend.
Die meisten, welche ein natürlich warmes Wasser chemisch und physikalisch untersucht und
*) Einen ähnlichen Schlamm hat Davy in den warmen Bädern von Lucca beobachtet. Er glaubt das Eisenoxyd wäre in diesen Wassern ursprünglich vermittelst der Kieselerde (im Zustande einer salzartigen Verbindung) aufgelöst und werde durch den Zutritt der Atmosphäre mit der Kiesel- erde zugleich herausgefällt. Er giebt das Verhältnifs der Kieselerde zum Eisenoxyd ungefähr auf3 zu4an. 9. An- nales de Chimie et de Physique KIX. 194.- ,
ei 55 D beschrieben haben , glaubten sich verpflichtet am Ende ihres Berichtes eine Meinıng über die Ur- sache dieser natürlichen Wärme angeben zu müs- sen. Allein betrachtet man die von den verschie- denen Schriftstellern hierüber geäusserten Ansich- ten, so wird man nur zu bald imme, wie unzu- reichend alle diese, oft sinnreich genug ausgedach- ten Hypothesen sind, um die merkwürdige Erschei- nung zu erklaren.
oO ; BEN ä . Die älteste hierüber aufgestellte Meinung, die
aus der Schule des Eimpedocles herruhrt , besteht ın der Annahme eines im Innern der Erde bren- nenden Centralfeuers, welches als die Ursache der Vulkane und der warmen Quellen angesehen wurde. Ohne Zweifel ruhrt diese Ansicht aus einer Zeit her, da man keine andern warmen (uellen kannte, als solche, die mit Vulkanen in offenbarer Ver- bindung standen.
In neuern Zeiten sind viele Naturforscher auf andern Wegen wiederum auf diese Ansicht ge- leitet worden. Durch genaueres Studium der Ge- ognosie hat man namlich in vielen Gegenden, in denen warme Quellen angetroffen worden, das Vor- handenseyn vulkanischer Gebilde oder Ueberreste ehemaliger Vulkane aufgefunden und die Wärme jener Quellen aus der Berührung ihres Wassers mit jenem im Innern der Erde noch nicht kaltge- wordenen vulkanischen Gestein herleitet. So z. B. erklart Berzelius *“) die Wärme der Quellen von "Topliz und Carlsbad. 5
Unsre Weissenburg- Quelle scheint indessen nicht zu dieser Klasse zu gehoren. Zwar nimmt .
Frn. von Buch ““) an, die Ralkalpen verdanken
2 Jahresbericht III. 214. **) Annales de Chimie et de Physique XXIII. 28%;
4
ihre Erhebung den unterliegenden Pyroxenforma- tionen, es sei also bei ihrer Entstehung vulkanı- sches Feuer thatig gewesen. Allein es bleibt im- mer sehr schwer zu erklären, warum alsdann auf der ganzen langen Strecke dieser Gebirgskette gerade nur diese einzige warme Quelle sich vor- findet.
Ändere halten das zum Wärmen der Quellen dienende Feuer für brennende Steinkohlenlager. Allein die geognostische Beschaffenheit der Gegen- den, m welchen die warmen Quellen sich vorfin- den, sprechen oft deutlich gegen diese Meinung. Die warmen Quellen in Portugal, diejenigen von Mariara, Turmero und las 'Trincheras in Vene- zuela, entspringen aus Granit und Gmneils ”), so wie auch die neuerlich von Berthier untersuchten (Juellen von St. Nectaire “”) in Frankreich.
Andere Naturforscher glaubten in chemischen Zersetzungen,, welche sie im Innern der Erde vor sich gehen liessen, die Ursache der Warme zu finden. Vorzüglich sollten hiebei die verschiede- nen Abänderungen der Schwefelkiese ihr Spiel treiben, allein der so eben angeführte Umstand, dafs so viele warme Quellen in Gegenden ange- troffen werden, deren Boden ganz aus Granit und Gneils besteht , worin grofse Lager von Schwe- felkies wahrscheinlich nicht vorhanden sind , scheint dieses zu widerlegen. Uebrigens mulsten , ‚wenn dieses die Ursache wäre, die warmen Quellen , besonders in den, an Schwefelkiesen so reichen Formationen des 'Thonschiefers häufiger seyn, als
dieses wirklich der Fall ist.
z
*) Humboldt, Voyage il. 84. — Boussingault und Mariano de Rivero in den Annales de Chim, et de Phys, XXIII. 272 **) Annales de Chimie et de Phys. XIX. 129.
-
5
Chemische Prozesse von noch anderer Art, hat man als Ursache der Thermalwärme angeführt. So glaubte Salaignac, dafs dieselbe von der Ver- bindung einer Saure mit einer Salzbasis, welche beide in.abgesonderten Quellen aufgelöst enthalten
und zufällig zusammengerathen ‚ herrühren mochte. — Merkwürdig genug, dafs die Säure und Ba- sis fast immer im Verhältnisse der Sättigung in diesen Wassern angetroffen werden.
Die Elektrizität , dieses so räthselhafte Agens, welchem so oft dasjenige, was nicht anders erklart werden kann, beigemessen wird , muls nach einigen Schriftstellern auch hier das wirk- same Prinzip seyn. \Mehrere haben im Innern der Erde abwechselnde Schichten verschiedenartiger Substanzen einer grofsen galvanischen Säule ahn- lich, als Erreger der Wärme aufgestellt.
Die Entdeckung der alkalischen und erdigen Metalle, welche mit Wasser in Berührung sich unier starker Erhitzung oxydieren, wurde von Davy auf die Erklärung der Vulkane und bald darauf von einigen andern auch auf diejenige der T'hermalquellen angewandt. Sie gehört ohne Zweifel zu den wahrschemlichsten, obschon sie auf der Hypothese der im Innern der Erde vor- handenen Erdmetalle beruht und überhaupt noch mehrere Einwurfe zulafst. .
Die neueste Ansicht über die Wärme der Quellen ist diejenige von Laplace *). Nach dieser sollen die warmen Quellen aus emem sehr tief im Innern der Erde liegenden grofsen Wasserbecken
S kommen, in welchem das Wasser durch die in-
*) Mecanique celeste, V. 49.
56 -
nere Warme der Erde, welche aus der, in neuern "Zeiten beobachteten hohern Temperatur der tiefen Schachte wahrscheinlich gemacht wird, erwärmt worden.
Obschon nım wirklich die Zunahme der Tem- peratur durch die in neuern Zeiten von Lampa- dius, d’Aubuisson, Fox u, a. m. angestellten Be- obachtungen erwiesen zu seyn scheint, so ist die Ursache derselben noch einigem Zweifel unterwor- fen. Die meisten Naturforscher schreiben sie einem im Innern der Erde noch nicht erkalteten, viel- leicht sogar noch slühenden Rerne zu. Prechtl “) suchte sie von comprimierter und dadurch ihrer Warme-Capacität zum "Theil beraubter Luft her- zuleiten.
Ist bei unserer Quelle der innere Kern der Erde die Ursache der Wärme, so mufs man die- selbe als ursprünglich sehr tief liegend annehmen , da die Quelle in emer Hohe von 2758 Fuls uber dem Meere erst zu Tage kommt.
Gesetzt nun es gabe im Innern der Erde solche Becken voll heissen Wassers, so bleibt immer noch die Schwierigkeit übrig, anzugeben, auf welche Art dasselbe so viele tausend Fuls hoch zu Tage herauf gepumpt wird.
Gegen die meisten der angeführten Meinun- gen RU noch ein Umstand zu sprechen, welcher bei allen warmen Quellen wahrgenommen wird,
namlich die überaus grofse Gleichformigkeit Er Temperatur. Dieselbe scheint blofs bei denjeni- gen zu varliren,, welche dem Vermischen von Tagwasser oder kalter Quellen ausgesetzt sind. Die warmen Bader von Aachen, von Äix en
*) S. Jahrbücher des polytechnischen Institutes zu Wien. IIT.T.
97
Provence und fix in Savoyen kannten schon die Pomer als solche, ebenso scheint ihnen auch Nie=
derbaden bekannt gewesen zu seyn "). Pfef=
fers wird seit ı240 "”), HWeissenburg seit ı604 ““) als warme Quelle benutzt.
Nachdem ich nun hier meine Zweifel gegen die
bis jetzt gegebenen allgemeinen Erklärungen der
warmen Quellen ausgesprochen habe, wird man vielleicht von mir erwarten, dafs ich eine genu- gendere an ihre Stelle zu setzen suchen werde. Allein ich gestehe aufrichtig, dafs ich diese Er- wartung nicht zu erfullen vermag. Es giebt ja im Gebiete der Naturwissenschaften so viele Er- scheinungen, die wir wohl beobachten konnen, von denen wir aber die Ursache nicht anzugeben vermogen. Besser ist es in solchen Fällen seine Unwissenheit zu gestehen, als sich in T'heorieen und Spekulationen, die auf Hypothesen beruhen ,
zu verlieren. £ =
*) Aqux helvetic®. m. s. Haller, Helvetien unter den Römern. II. 470. "N Scheuchzer „ Naturgeschichte des Schweizerlandes. ”**) Rebmann, Gespräch des Niesens und Stockhorns.
IM.
Einige Bemerkungen über das Grundeis der Flüsse, von Peter Merian, Prof.
Vorgelesen in der naturf. Gesells. zu Basel den 8. Nov. 1823. \
Wir haben leider in den Naturwissenschaften noch häufig Gelegenheit die Bemerkung zu machen,
S dafs der gemeine Mann uber viele Naturerschei- nungen richtigere Begriffe hegt, als die, welche
unter den wissenschaftlichen Forschern allgemein verbreitet sind. Besonders ist das der Fall bei manchen meteorologischen _ Gegenständen ‚und überhaupt bei Eirscheinungen in der grolsen Natur ,
weil sie der Erforschung ea RN sıch ent- ziehen, und wir daher ah gunstigen Augenblicke abwarten müssen, welche sich, ohne unser Zu- ihun, zu ihrer Beobachtung darbieten. Die,Lage des Gewerbmannes ist aber für solche Beobach- iungen weit günstiger, als das Studirzimmer des Geichiten, Oft schon hat daher der Gelehrte , durch unzureichende theoretische Ansichten irre geleitet, mit Ungrund Er [ahrungen v ernachlässigt ,
zu w ken allgemein verbreitete Meinungen von Leuten, w a nicht zu seiner Zunft gehören ,- ihn hätten führen konnen. Die wenigen Bemer- kungen über die Bildung des de in flies- Ha Wassern, die ich hier mitzutheilen habe,
mogen diese Behauptungen bekraftigen.
-
59
Man nennt Grundeis, die losen, unzusam- menhängenden Eismassen , worche bei döhaltender Rälte auf der Oberfläche der fliessenden Gewasser fortgeführt werden. Dasselbe ist sehr verschieden von Ben festen Eisrinden, mit welchen das Was- ser langs den Ufern, vornehmlich an den ruhigern Stellen sich zu überziehen pflegt. Es bildet sich auch niemals in Seen, 'Teichen, oder andern ste- henden Gewässern, sondern Bewegung scheint zu seiner Entstehung ein nothwendiges Erfordernils. ‚Auf den ersten Anblick hat es ungleich mehr Aehn- lichkeit mit durchnätzten Schneeklumpen , die im Wasser fortschwimmen, als mit gewohnlichem Eis; eine nahere Untersuchmg zeigt aber eine
ganz eigentliumliche Beschaffenheit. Es besteht
namlich aus einer Zusammenhaufung einer Unzahl verhaltnifsmafsig dünner, rundlicher Eisfcheibehen, von einigen Linien Durchmesser, die für sich durch- sichtig sind, und erst durch ihr Aneinanderordnen eine halbdurchsichtige, aus einiger Entfernung dem nassen Schnee ähnliche Masse bilden. Bekannt- lich ist eine anhaltende, mehrere Grade unter 0 stehende Lufttemperatur erforderlich, damit Flüsse oder Strome das Grundeis zu treiben anfangen, und ıman bemerkt allgemein, dafs ein kalter, dem Laufe des Stromes entgegengesetzter Wind die Bildung ungemein nelarden. "Nicht selten zeigen daher Strome derselben Gegend, die aber nicht nach derselben Richtung fortfliessen, nicht zu gleicher Zeit das Grundeis: sondern je nachdem ddr herr- schende Winterwind diesem oder jenem mehr ent- gegengesetzt ist, erscheint dasselbe vorzugsweise auf diesem oder jenem fliessenden Wasser.
Auf den ersten Blick sollte man glauben das
Grundeis müsse, wie die Eismassen auf ruhigen
6e
Gewässern, an der Oberfläche sich bilden , weil die Abkühlung durch die Atmosphäre vornehmlich an der Oberfläche wirksam ist, und das Wasser, wenn es einmal unter 3° G, oder unter die Tem- peratur seines grosten Dichtigkeitszustandes gefal- len, bei fernerer Erkaltung leichter wird. Man sollte also glauben, das Wasser, welches dem ‚Gefrieren nahe ist, habe, wie das in stllen Ge- waässern der Fall ist, ein Bestreben oben zu blei- ben, und das Eis müsse sich folglich an der Ober- fläche zu bilden anfangen. Es ist diefs auch die Ansicht, welcher die meisten physikalischen Schrift- steller, die diesen Gegenstand berühren, zuge- ihan sind. Dennoch lalst sich das, was bei ruhi- gen Wassern eintritt, nicht auf die sich bewegen- den ausdehnen, und das Grundeis bildet sıch be- stimmt am Boden der Gewässer. Schon die deutsche Benennımg- Grundeis zeigt diels an, oder zeigt wenigstens , dafs die allgemeine Meinung der Bil- dung am Grunde zugethan ist. Man wird auch kaum einen Müller, Fischer oder Schiffmann an- ireffen,. der an dieser T’hatsache zweifelt. Alle wissen häufige Beispiele zu erzählen, dafs sie Au- genzeugen gewesen sind, wie grolse Grundeis- massen von dem Boden'selbst tiefer Stirome her- aufgestiegen, und anfanglich gewaltsam über die Oberfläche des Wassers sich emporgehoben haben. In jedem strengen Winter kann auch jedermann an jedem grundeistreibenden Flusse, der nicht so tief ist, dafs der Grund sich nicht deutlich unter- scheiden liesse, durch den Augenschein von der Wahrheit dieser Behauptung sich überzeugen. Im Winter 1823 bin ich wenigstens, auf die Erinne- rung eines Freundes, über meinen Skepticismus
in dieser Sache eines Bessern belehrt worden.
Pi
61
Der St. Alban- Teich, ein durch Basel geleiteter- Kanal des Birsflusses, trieb häufiges Grundeis. Zur Zeit der Beobachtung, im Monat Januar 1823, führte der Rihein hingegen keines. Einige Zeit vorher hatte das Umgekehrte statt gefunden. Das Wasser war ausserst klar, so dals auch an Stel- len, wo die Tiefe des Kanals 3 und mehr Fuls betrug , die Gegenstände am Grunde sich deutlich unterscheiden liessen. Der Boden wird hier durch gerollte Steine gebildet. An jeder Stelle nun, wo irgend eine Hervorragung am Grunde zu be- merken war, an den tiefern Stellen des Wassers , wie an den weniger tiefen, hatte ein Büschel losen Eises sich angesetzt, der von Weitem einem Baum- wollenflocken zu vergleichen war. An mehrern Stellen war beinahe der ganze Boden mit solchen Flocken überzogen. Zuweilen losten sich diesel- ben ab, und stiegen im strengfliessenden Wasser allmahlig an die Oberfläche empor. Fischte man dieselben heraus, so zeigten sie ganz dieselbe Be- schaffenheit zusammengehaufter rundlicher Eisblatt- chen, wie das Grundeis,, was haufig an der Ober- flache schwamm, es bleibt also kaum zu bezwei- feln, dafs nicht auch das letztere auf ähnliche Weise gebildet worden, und erst durch Ablosung vom Ernie an hohern Stellen des Flusses auf die Oberfläche gekommen sei. Die eigenthümliche, gleichformige Änordnung des Eises am Grunde, lafst der Vermuthung keieh Raum, dals dasselbe erst von der Öberlliche auf den Boden gesun- ken sei.
Die natürlichste Erklarımg der Sache ist wohl folgende. Die fliessenden Wasser kühlen sich im Winter zwar vorzugsweise an der Oberfläche ab, ihre beständige Bewegung, zumal wenn noch ein
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widriger Wind zu Hülfe kommt, mengt aber die Wasser der Oberflache und die des Grundes be- ständig durcheinander , des geringen Unterschiedes des spezifischen Gewichtes ungeachtet. Die Tem- peratur des Grundes und der Oberflache, selbst bei ziemlich tiefen Stromen, kann daher keine erheblichen Verschiedenheiten zeigen. Die her- vorragenden festen Korper am Boden bieten aber, für das sich bildende Eis, einen vortheilhaftern Ansetzungspunkt dar, als die beständig sich be- wegende Oberfläche, und man weils, wie yiel es bei Krystallisationen auf solche Ansetzungspunkte ankommt. Das genugsam erkaltete Wasser fangt daher amı Grunde an Eis abzusetzen, vorzugs- weise an denjenigen Stellen, wo eine vorliegende Erhabenheit vor der Gewalt des Siromes schützt. Die immerwährende Bewegung im Innern hindert aber, wie in bewegten anschiessenden Salzauflo- sungen, die Ausbildung grofserer fester Massen, und es entstehen daher blofs Anhäufungen kleiner, unvollständig ausgebildeter Eisblättchen. Sind diese Anhäufungen endlich zu grolsern Massen ange- wachsen, so reissen sie sich, in Folge ihrer gros- sern spezifischen Leichtigkeit, oder im Folge der Gewalt des Stromes vom Boden los, und erheben sich än die Oberfläche, oft noch. 'T'heile des Bo- dens in sich schliessend, denn bekanntlich trıfft man nicht selten Sand, kleine gerollte Steine , Schlamm und andere Gegenstände am Grundeise haftend an.
Ich habe in den Schriftstellern nachgesucht , um Erfahrungen zur Bestatigung,, oder zur Wi-
derlegung der hier niedergelegien Ansichten zu
finden, aber nur Wenises, und das beinahe aus- schlielslich in ältern Werken gefunden; in neuern
63
wird, der Gegenstand kaum berührt, oder schon als gänzlich abgethan betrachtet. Plot erzählt, in seiner Naturgeschichte von Oxfordshire *): „dafs alle Wasserleute , die er jemals gesprochen habe, sammtlich darin aimiicht dals die Flüsse der Gegend beständig am Boden zu ge- frieren anfangen, was“ fahrt er fort „so überra- sheet indie dan Dieser seyn mag, weder unbe- greiflich noch lacherlich ist. Es ist T'hatsache , welche sie alle zugeben, dals man haufig Eisklum- pen (lIce-meers, wie sie dieselben dort nennen) antrifft, die sich unter den Augen des Beobachters vom. Boden in die Hohe heben, und dafs man oft an. der untern Seite derselben Steine und Kies findet, welche von unten mit herauf gebracht wor- den sind.“ Zales “"") bestätigt Plots’ Behauptun- gen, und findet sie br stiameud mit den Ausfa- gen Er Fischer und Wasserleute an der Thense, und zwar in den Gegenden, wo Ebbe und Fluth merkbar sind, und da, wo sie es nicht mehr sind. „Dieselben fühlen namlich das Eis mit ih- ren Stangen mehrere Tage vorher, ehe die Ober- flache der T'hemse uberfriert, und sehen es auch mit einer solchen Gewalt vom Boden emporstei- gen, dals es auf der schmalen Kante stehend 14 bis ı Fufs über die. Oberfläche hervorschiefst , einige Zeit in dieser Stellung bleibt, und sich dann mit der flachen Seite ai die Oberfl Nache des Wassers legt. Dieses Eis wird in srolsen. Men- gen vom Strome fortgeführt, und Ice-meers (Grundeis) genannt. Wenn die Kälte anhält, so erhartet es zu einer zusammenhängenden festen Kruste, und der Flufs ist zugefroren.“
ee. A history of Oxfordshire. 2d, ed. Oxf. 1705. fol. 25 ‚ "© Statical essays. Append.
04 Den 30, Jan. 1730 des Morgens um 7 Uhr,
bei einer Lufttemperatur von ungefähr — g° 7
gieng Hales an die Themse „und fand in einem Busen bei Zeddington, wo das Wasser sehr wenig Lauf hatte, dessen Oberflache 75 Zoll dick zugefroren. Unter diesem Eise sah er am Boden eine andere Bisrinde. Durch eine Oeffnung im obern Eise wurde ein Stuck vom untern herauf- gefischt, welches etwa 1% Zoll dick war, aber a schwammiger und blasiger als das obere Eis. Das untere hieng mit dem obern Eis am Ufer zu- sammen, entfernte sich aber von demselben im- mer mehr , so wie das Wasser tiefer wurde, in- dem es dicht am Boden festgefroren war, von dem es oft Sand und Steine mit in die Hohe bringt, wenn es, seiner spezifischen Leichtigkeit wegen, sich emporhebt.. Wenn das Eis sehr dick wird,
so nimmt es selbst zuweilen die von Weiden ge- flochtenen Körbe mit herauf, die mit Steinen En schwert zum Behufe des Fischfangs auf den Boden gelegt worden sind.“
Den 28. Dez. 173ı um 5 Uhr des Moniiew; ungefähr bei der oben erwahnten Temperatur der Luft, fand Hales „denselben Busen des Flusses auf Ahnliche Weise überfroren, sowohl an der Oberfläche als am Grunde, nur die schnellflies- senden Stellen des Stromes waren ausgenommen, welche wegen der Bewegung, weder an der Ober- flache , ch am Boden gefroren waren. In Ue- bereinstimmung mit dieser - Erfahrung bemerken die Wasserleute na Fischer , dals es am Boden da zuerst gefriert, wo der Strom am sanftesten ist, so wie ein T'eich an der Oberflache schneller zu- gefriert, wenn ein sanfter Nord-Ost über ihn weg- blast, als wenn er einem heftigen Winde ausge- setzt ist.”
65
„Obgleich bei kaltem Wetter der Schnee das Gefrieren des Wassers beschleunigt, so bemerkt man doch, dafs die Themse am Boden zuerst ge- friert, auch wenn lange vorher kein Schnee gefal- len ist, so dals man die Erscheinung nicht dem Niedersinken des Schnees zuschreiben kann.“ Das war auch der Fall gewesen bei der von mir am St. Alban-'Teich angestellten Beobachtung, die ich oben erwahnt habe. Längere Zeit vor der Erscheinung des Grundeises war kein Schnee ge- fallen. Uebrigens ist schon bemerkt worden, dals bei einer nahern Besichtigung das Grundeis von einer vom gefrornen Schnee ganz verschiedenen
\ . “ [7 Beschaffenheit sich zeigt.
„Da also“ fahrt Hales fort, „dieses Gefrie- ren am Grunde niemals in Teeichen oder stehenden Wassern bemerkt wird, so muls es nothwendig der Bewegung des Stromes zugeschrieben werden; denn in stehenden Wassern, wie in der Erde, ist es gewils bei frostigem Wetter an der Oberfläche kalter , als m emiger Tiefe; da hingegen in einem fortfliessenden Strome das obere und untere Was- ser beständig durcheinandergeworfen, und dadurch ungefähr auf dieselbe Temperatur gebracht wird; und da das Wasser an der Oberfläche in grolserer Bewegung ist, als am Grunde, so kann es nicht so leicht gefrieren. In dem erwähnten Busen , wo die Bewegung des Wassers unbedeutend war, fand sich zwar die Oberfläche zugefroren , so gut als der Boden, aber doch nicht mit einer so dicken Eisdecke, da hingegen in der Mitte des Stromes, wo die Bewegung stärker war , die Oberfläche nicht überfroren, aber doch mit Grundeis überdeckt
war, welches sich beständig vom Boden erhob.“ Natw. Annl. II.1. N 5 |
66 " Mit Recht fügt AR die SERTEENENENn TR ,
dafs der Boden eines Flusses im Winter eich un- gleich mehr abkühlen müsse, als der eines Tei- chi oder Sees, ware das Wasser, welches den Boden berührt, auch von derselben "Temperatur, weil im iidsabriden Wasser die bestandige Er- neuerung des den Boden erkaltenden Weoitoge eine grofsere Erniedrigung der Temperatur hervorbrin- gen muls.
- . Es lehren uns die angeführten Erfahrungen , dafs die Begriffe, welche schon die deutsche Be- nennung Grundeis ausdrückt, auch in England, unter den Leuten vom Fache, die allgemem ver- breiteten sind. Sie geben uns ferner eine umstand- liche. Beschreibung der Thatsachen durch emen sehr. zuverlafsigen Beobachter an die Hand, aus welchen : wir schliessen dürfen, dafs nieht nur flockenartiges Grundeis, sondern unter günstigen Umständen. auch eine festere Eisdecke am Boden der, Flüsse sich zu bilden vermag. Solchen 'That- sachen zu widersprechen, scheint mifslich;. den- noch geschah es, mit unverdientem Erfolg , Anseh Nollet *).
Nollet fangt derart an sıch zu KR er dafs er sich die: Mühe giebt, eine ernsthafte Wi- derlegung eines der gesunden Vernunft so wider- streitenden Volksvorurtheils, wie das über das Grundeis, zu unternehmen; nur die ihm haufig von bewährten Personen gemachten Gegenbemer- kungen, die von Plot und Hales offentlich ausge- sprochenen Meinungen hatten ıhn hiezu bewegen konnen. Er liels zu dem Ende, im Winter des
Jahrs 1743, als bei einer Lufttemperatur von
*) Memoires de l’Academ. des Sciences pour 1743, 8.31.
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— 12°C. die Seine in Paris uberfroren war, „das Eis 3 oder A Fuls vom Ufer durchstechen , und ein Stück Eis von ungefähr einem Quadratfuls Oberflache ablosen , welches sich 8 Zoll dick fand. Die untere Seite war nicht eben, wie das an dem Eise, welches sich auf stehenden Woassern bildet, zu seyn pflegt, sie war auch nicht fest, wie der übrige Theil, sondern ungleich und schwam-
= mig, und hatte ganz das Ansehen von in feine
’ Theile zerstossenem Eise, welches unter einem festern Eise sich angelegt hatte. An allen Stellen des Flusses, wo das Eis durchstochen wurde, zeigte sich dieselbe Erscheinung. Man bemerkte ferner, dafs die gebildeten Eislocher kein klares Wasser zeigten, wie die Locher auf dem Eise der Teiche , sondern sie waren mit Stücken schwammigen, wenig festen Eises erfüllt, demje- nigen ahnlich, welches an der Unterseite der Eis- stucke bemerkt worden. Vergeblich suchte man die Oberfläche des Wassers von diesem losen Eise zu befreien, es erneuerte sich beständig, und die Arbeiter behaupteten, dieses lose Eis, welches sie bouzin nennen, bilde sich während der Nacht am Boden des Flusses, und werde den Tag über durch die Sonne an die Oberfläche gezogen. Des- wegen seien die meisten herausgehobenen Stücke
5 schmutzie,, voll Erde, und enthielten zuweilen
’
Giashalme;®
Die Unreinigkeiten des losen Eises zeigten sich nicht nur am Ufer des Flusses, wie Nollet zuerst glaubte, sondern selbst an Stellen wo des- sen Tiefe g bis 10 Fufs betrug. Dennoch konnte er sich nicht „allen Prinzipien zuwider * überzeu- Sen, dafs das Eis der Flüsse am Boden sich aus-
bildet, um so mehr, da er mehrere Male, und
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in verschiedenen Jahren, die Temperatur des Was- sers der Seine in verschiedenen Tiefen untersucht hatte, als das Eis der Oberflache eine Dicke von 2, 3, 6 bis 8 Zoll zeigte, und er niemals das Wasser bis zu dem zum Gefrieren erforderlichen Grade von Halte abgekühlt fand. Es kam ofi in der T'hat diesem Grade sehr nahe, aber blofs nach mehrern Tagen eines strengen Frostes, und nicht wenn das Eis der Oberfläche nurnoch 3% Zoll Dicke hatte.
Diese 'T’emperatur - Beobachtungen sind aller- dings merkwürdig, nur konnen sie keine That- sachen widerlegen. Sie sind übrigens an Punkten
5 angestelli, wo der Strom langsam genug flielst,
EIN, an der Oberflache zu überfrieren, und schon dadurch beweist, dafs er an der Oberflache kal- ter geworden ist, als im Innern. Sie verdienen aber an Stellen wiederholt zu werden, wo man Grundeis am Boden sich bilden sieht, wo keine schon gebildete Eiskruste das Wasser vom erkäl- tenden Einflufs der Luft schützt, und wo zugleich das Wasser tief genug ist, dals Ditetwehiede der Temperatur im verschiedenen Tiefen moglich werden. - Um das flockige, schwimmende Eis wegzu- schaffen, liels Nollet an einer Stelle des durch- bohrten Eises ein Fals ohne Boden einsetzen. Aus demselben konnten nım mit Leichtigkeit alle Eisflocken ausgeschopft werden. Wenn er aber daraus den Schlufls zieht, dals, weil er an dieser Stelle kein Eis von unten herauf in das Fals em- 'porsteigen sah, es am Boden sich nicht bilden PER so ist er offenbar im Irrthum.' An einer eng; begrenzten: Stelle, wie im Umfang des Fasses ,
9 kann natürlicher Weise in einer gegebenen Zeit
69
wenis, oder kein Bis vom Boden sich ablosen , und an die Oberflache kommen; das A iste wird in hoher gelegenen Stellen des Flusses sich gebildet haben. Fıben so wenig kann die Bemer- kung , welche nach Noltet Allein hinreichen soll die Gegner vollstandig zu widerlegen, aus der sleichen Ursache auch nur vom geringsten Ge- wichte seyn. „Wenn es wahr ist, dafs das Grundeis vom Boden kommt“ sagt Nollet, „ soll- ien die Unreinigkeiten, die es mit sich führt, nicht dem Boden angehoren, an welchem es gebildet seyn soll, und über dem es schwebt, wenn man es herausfischt? Ich habe indefs ganz das Gegen- theil bemerkt. Die herausgelfischten Eisflocken waren oft gelb und voll Sandes,, während der Boden an dieser Stelle .auf betrachtliche Einifer- nungen nur Schlamm zeigte. Dieses Bis ist also hoher herabgekommen, und denn findet man keine Schwierigkeit das Dose der Unreimigkeiten zu erklären. Man braucht nur einen „was ıman leicht zugeben wird, dafs es an den seichten Stellen langs dem Grunde gegleitet sei, und dals die einzelnen Bruchstücke , aus welchen es be- steht, vor der Vereinigung verunremigt gewesen sind.‘ R Ich lasse dahingestellt , ob Eis s welches nach dieser Voraussetzung langs emem warmern Grunde hinstreicht,, vellends an unkeikh Siellen, wo der Strom reissender , und der Grund aus eben dieser Ursache mehr kiesig als schlammig zu seyn pflegt, viele Unreiniekeiten mit sich fortzureissen und (EL zuhalten vermag; wem ist aber je in den Sinn gekom- men zu behaupten, dafs das Grundeis, welches man den Flufs herabschwimmen sieht, sei es nım
auf der Oberfläche, ode, wie im hier erwähn-
79
ten Falle, unter einer schon gebildeten Eisrinde , dafs dieses Grundeis alles von den unmittelbar untenliegenden Stellen des Stromes heraufgekom- men sei. Wie schon erwahnt, ist es schon se-
nug, wenn man, wie am St. Alban- Teich, an
einer gegebenen Stelle nur’ zu Zeiten einen Eis-
klumpen emporsteigen sieht; geschieht dasselbe
im ganzen Betie des Flusses, so müssen an der Oberflache beständig Eisklumpen fortschwimmen , die aber freilich alle von hoher gelegenen Stellen herkommen.
Aus diesem Allem geht hervor, dafs Nollet mehr trachtete seine vorgefalste Meinung auszu-
sprechen, als durch sorgfaltige Untersuchung die
Gegenmeinung zu prüfen , die, obgleich sie seinen
Prinzipien zu widersprechen schien, dennoch der Beachtung werth war; und trotz dieser, ich mochte
wohl sagen emporenden Oberflachlichkeit , schei-
nen doch die auf keinen T'hatsachen beruhenden Behauptungen bei den Physikern , ohne erheblichen Widerspruch , allgemein Eingang gefunden zu ha- ben. So leicht wird-oft ein Irrthum angenommen , wenn er einen angesehenen Naturforscher zum Urheber hat,
Von neuern Beobachtungen, die hieher ge- horen,, finde ich die des Hrn. Strenke “), welcher berichtet , dafs im Februar 1806 zu Pillau 6 Fuls lange eiserne Ketten, die lange Zeit am Grunde des Wassers verloren gelegen hatten, ein 30 Rlafter langes Tau, und 3 bis 6 Pfund schwere Steine, von einer dicken Eiskruste umgeben, an die Oberflache emporstie
gen, und dafs der Anker eines Schiffs , nachdem er eine Stunde im Wasser gewesen , mit
*) Gilberts Annalen der Physik. B. 22, S. 332.
„1 einer Rinde von Eis. überdeckt heraufgezogen wurde *). |
Wenn ich übrigens durch das Gesagte mich bemüht habe, die Bildung des Grundeises am Bo- den der Flüsse darzuthun, so sell damit keines- wegs behauptet werden, dafs das einmal ın die Hohe gekommene Eis, sich nicht an der Ober- fläche vergrossern konne. . Es scheint im Gegen- theil wahrscheinlich, weil durch die vorhandenen Eisklumpen num auch an der Oberflache , die doch wenigstens so kalt seyn muls, als der Grund, An- satzpunkte zur Krystallisirung gegeben sind. Vol- lends mufs die Gefrierung an der Oberfläche über- handnehmen, wenn durch irgend einen Umstand das Grundeis an einer Stelle sich anstaunt, und eine mehr oder weniger zusammenhängende Masse
bildet. Dafs unter "gewissen Bedingnissen auch an der Oberfläche eines sich wirklich bewe- genden Wassers Eisbildung eintreten könne , will ich nicht bestreiten ; so viel scheint mir aber erwie- sen, dals am Boden der Strome und Flüsse Eis erzeugt wird, und dals die übereinstimmende Be- schaffenheit dieses Eises mit allem Grundeis , was an der Oberfläche schwimmt, eine gemeinschaft-
liche Bildungsweise mehr als wahrschemlich macht.
*) Seit der Abfassung dieses Aufsatzes habe ich erfahren , dafs bereits Lichtenberg die Bildung des Grundeises am Boden der fliessenden Gewässer vertheidigt hat. Die Ori. ginalabhandlung konnte ich aber noch nicht zu Gesichte bekommen.
i
I (Ip)
IV.
VERZEICHNISS
der von mir bis jetzt auf einem Theile der
Stockhornkette, und ihrer Nachbarschaft
gefundenen Alpenpflanzen. Nebst einigen Bemerkungen über dieselben.
Von K. Trachsel, Arzt zu Rüggisberg, ver- schiedener Gesellschaften Mitglied.
1824.
Vorwort. e7
Das durch den gegenwärtigen Stand der Bo- tanik gesicherte Interesse an genauen botanischen Ortsbeschreibungen, wenn auch nicht grolser Be- zirke, und der Wunsch einige Bemerkungen an- zubringen, die, wenn auch nur als eine Stimme mehr für ein langst ausgesprochenes , aber nicht allgemein angenommenes Urtheil, immer einiges Interesse haben konnen, mogen die Erscheinmg dieses kleinen Verzeichnisses im Publikum ent- schuldigen. -
Dieses Verzeichnifs bezieht sich auf den Theil der Stockhornkette vom Stockhorn bis zum Och- sen; ein Kalkgebirge, dessen hochste Punkte das Stockhorn 6767 franz. Fuls über’s Meer, der Ochsen 6760 (nach Lüthart) und der Ganterisch 6756 erhaben sind, nebst den auf beiden Seiten sich anlehnenden Alpen. Auch habe ich einige seltene Pflanzen aus der Gegend von Ruüuggisberg
73 aufgenommen. Ueberhaupt nehme ich es mit dem ohnediels sehr relativen Namen Alpenpflanzen nicht eben genau.
Ich habe keine andern Pflanzen angeführt , als solche, die ich selbst da gesammelt Br Auf Vollständigkeit ist also nicht zu rechnen; denn obschon diels Gebirge zu den Durchsuchte- sten in der Schweiz gehort, so finde ich doch noch alle Jahre solche Pflanzen, die vorher nie- mand da gefunden, oft auch niemand da vermuthet hatte, und werde vielleicht noch mehr solche fin- den, "da ich noch lange nicht alle merkwürdigen Stellen , zu den verschiedenen Jahrszeiten Eh: sucht hibe, und bestimmt weils, dafs mehrere Pflanzen hier gefunden wurden, die mir nie zu Gesichte kamen, der cryptogamischen Gewaächse nicht zu gedenken, von denen vielleicht ein an- dermal die Rede seyn kann.
In Betreff der eingestreuten Bemerkungen füge ich nur noch bei, dafs ich mich zu denjeni- gen Botanikern zahle, welche annehmen, dafs jede Species vom Schopfer gegeben sei, dals in freier Natur so wenig eine Phänze in eine andere, als Pferde in Esel sich verwandeln, und dals es eben so wenig rathsam sei, die verschiedenen Formen einer Pflanze zu Arten zu erheben, als es den Zoologen eingefallen ist, die Hunde m mehrere Species zu vertheilen. Gerne mochte ich noch beifügen, dals sich jede gute Art so de- finiren lassen müsse, dals ein der 'Terminologie kundiger Botaniker sie richtig zu bestimmen im Stande sei , ohne die verwandten Arten zu kennen, und dafs mithin alle Arten verwerflich seien , die sich nur durch Relation ergeben. Ohne weiters
verwerllich sind mir alle diejenigen Species , die
74
sich durch Uebergänge verschmelzen s wo auch der beste Botaniker in Verlegenheit kommen konnte, anzugeben , wo die Grenzlinie zu ziehen sei. Dels- wegen will ich andere Ansichten niemand streitig machen, und protestiere feierlichst gegen allen Verdacht von Unehrerbietigkeit gegen Namen, die
ich zu schätzen weils.
Veronica tenella. Wett. Flor.
Auf Neunenen und Gurnigel nicht selten. Blofs eine auf etwas feuchtem, fettem Alpenboden erzeugte Form von V. serpillifolia.
Veronica sazxatılis. Linn. Auf schattigen Stellen am Fuße des Gan- 'terisch.
Veronica fruticulosa. Wulf.
Auf der Morgenseite auf Leitern. Fast blofs durch die Farbe der Blumen, aber dieses auch standhaft, von obiger verschieden.
Yeronica alpina. L.
Auf Newnenen und Gurnigel überall. Eine Abart mit weissen Blumen verdient vielleicht be- merkt zu werden.
Veronica aphylla. Linn.
Wie vorige, fast noch gemeiner. Sonderbar genug, dals es noch niemand eingefallen ist, die vollig unrichtige Diagnose, auf die sich der bes so unrichtige I; rivi ae gründet, zu verbessern. Die Pflanze hat einen meistens liegenden, beblat- ierten Stengel, und achselstandige , blattlose Blu- menstiele. Na auf rec Boden verkum- merte Exemplare konnten Anlals zu jenem Irr-
ihum geben.
„> Feronica montana. L. In den Wäldern um das Gurnigelbad, haufig
auch ın allen Waldern um Püggisberg.
Veronica urticaefolia. Jacq. V ollig wie vorige. Auf den Alpen sind die Blumen etwas lebhafter sefarbt.
Pinguicula alpina. L. Am Obergurnigel , aber auch haufig, und sehr schon auf schattigen , feuchten Sandfelsen am
Schwarzwasser, kaum 2000 franz. Fuls über’s
Meer.
Circaea alpina. L. Im Gurnigelwald, und in Wäldern um Rüg-
sisberg gemein.
Circaea intermedia. Ehrh. Eben so, übrigens sehe man Mertens und
Koch Deutschlands Flora, Tom. ı. pag. 358 und 359. Ban
Valeriana tripteris. L.
Am Obergurnigel. Weit zahlreicher noch am Schwarzwasser auf Sandfelsen , wo ich sie bis ge- gen Niederscherli hinunter sah. Auf Felsen zu- nachst dem Ochsen fand ich einst Exemplare mit unzertheilten Blättern; durch zweihausige Blüthen, und durch die Physiognomie , indessen doch als zu dieser gehorend, bezeichnet, vielleicht ein Ueber-
sang zu V. saxatılıs Jacgq.
Yaleriana montana. L. Am Fulse des Ganterisch , gegen den Ressel , ziemlich sparsam.
Crocus vernus. L.
Am Thalberg,, ich fand ihn aber stets ver-
blüht. Ungemein häufig auf Wiesen um Rüggis-
„6
berg. Die Farbe ändert vom Violeiten bis zum anz Weissen, so dafs weils, mit violetter Rohre und solchen Streifen auf dent Blumenzipfeln. die Normalfarbe bildet. Die beiden Extreme scheinen kränkliche Individuen zu seyn, die vorzüglich da vorkommen, wo der Schnee langer liegen bleibt. Bei den vielen Exemplaren die ich untersuchte , fand ich stets die Staubgefässe um die halbe Länge der Antheren länger als das Pistill. Diels gilt aber nur bei der so eben aufgebluhten Blume. Später ändert sich diefs Verhältnis. Eben so sind die Blüthenzipfel bei verschiedenen Exem- plaren bald breiter, bald schmäler , bald mehr oder weniger ausgerandet oder auch völlig glattrandig;; ch die Knollen sind mit einem Faserngewebe bald mehr bald weniger dicht bekleidet; eben so sind gewohnlich die Zipfel der Narbe an Länge euere etc. etc. wie diels alles bei einer Pside
o°
sehr begreiflich ist, die mit der unstäten. Witte-
rung des ersten Fruhlings zu kampfen hat. VWVie
wenig es rathsam sei, dergleichen Verschieden-
heiten zur Gründung eigener Arten zu benutzen ,
ergiebt sich ohne mein Bemerken.
Scirpus caespitosus.- L.
Häufig am Gurnigel und Neunenen an sum- pfigen Stellen.
Eriophorum capitatum. Host.
An sumpfigen Stellen, am obersten Thal- berg (Kessel).
Sie ist viel kleiner als E. vaginatum, und der Halm hat meist nur eine Scheide, sonst wulste ich nicht worin sie verschieden waren.
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Elyna spicata. Schrad. Auf Bürglen und Ganterisch, und auf dem Grat zwischen beiden, haufig.
Nardus striea. L.
Nicht blofs auf Neunenen und Gurnigel, son- dern auch um Ruüggisberg und Zimmerwald, an hoher gelegenen feuchten Stellen , RN auf T'honerde.
Agrostis canina ?
Im Seelinenwald. Von A. alpına blofs durch flache Halmblätter verschieden.
Agrostis alpina. Scop. Ueberall auf trockenen Hügeln auf Neunenen.
Agrostis rupestris. All. ‘ ÄAufhoher gelegenen Felsen der ganzen Rette. An den dunkler gefärbten , mehr als die Hälfte
srolsern Arten ® ‚ so wie an den starren Blättern von letztern leicht zu unterscheiden.
Phleum alpinum. L.
Am Gurnigel und Neunenen gemein.
Phleum Micheli. Al.
Gemein auf allen Alpen jenseit des Grats.
Briza media. L.
In Ritzen am 'Thalberg. — Oft mehr um die Halfte grolser als auf Wiesen der Ebene; die breiten | Blatter geben ihr einen ganz eige- nen Habitus.
Poa nemoralis, spongiosa. Gaud.
Unter der Tschingelfluh fand ich sie im Som- mer 1829.
Poa alpina. L.
Mit und ohne sprossende Blättchen , haufig auf Neunenen etc.
78 Poa distichophylla. Gaud.
Im Ambachgraben , am untern Neunenen etc. Nach Mertens und Koch mülste man diese Pflanze vielmehr für Poa flexuosa Wahlenb. halten, die indessen schwerlich so tief hinunter kommen dürfte.
Festuca Halleri. Gaudin.
Am obern 'Thalberg. Von Hall. fil. selbst für diese erklart; scheint mir aber besonders der kurzen Grannen wegen, naher bei F. ovina zu stehen, als einem Exemplar von F. Halleri, das ich vom St. Bernhard vor mir habe.
Festuca laevigata. Gaudin.
Am obersten Thalberg in Ritzen hie und da. Sie sieht freilich der F. duriuscula sehr ahnlich , scheint sich aber doch durch die viel breitern, rin- nenformigen Blätter , und durch die grolsere Rispe , ohne dals sie eben mehr Aerchen hätte, zu unter- scheiden.
Festuca nigrescens. Lamark. Am gleichen Orte. — Verhalt sich zuF. ru- bra wie jenes zu F. duriuscula.
Festuca varia. Host.
An steinigen Orten auf Neunenen. Am Thal- berg fand ich ist ein Exemplar, mit ganz gelb- a Blüthen ; auch auf dem Ochsen kommt se Spielart vor.
Elymus europaeus. L.
Häufig in Wäldern um Ruüggisberg.
Sesleria coerulea. Scop.
Auf Felsen, sowohl der Stockhornkette als auch um Rüggisberg.
Globularia cordifolia. L.
Häufig am Thalberg.
Globularia nudicaulis. L. Ebenso.
Plantago alpina. L.
Auf der ganzen Kette gemein.
Plantago atrata. Hopp. Am Thalberg. . Scheint mir von P. lanceo- lata hinlänglich verschieden.
Galium sylvestre. Pollich.
Auf allen Klippen, sowohl als auch auf den Sandfelsen um Ruggisberg , in mannigfaltigen Formen. \
Alchemilla vulgaris. L.
Gemein auf guten Triften; eine Abart mit haarigem Ueberzug und kleinerer Statur soll viel- leicht A. montana Wallroth seyn.
Alchemilla fissa. Schummel.
Am Geanterisch nicht selten. Vollig mit der Beschreibung in Deutschlands Flora von Mertens und Roch übereinstimmend. Vielleicht finde ich des- sen ungeachtet noch die Uebergänge zuA. vulgaris.
Cuscuta Epithymum. L.
Auf der Sonnseite am Wege über Leitern, auf mehrern Pflanzen schmarotzend.
Cerinthe glabra. D. Cand.
An schattigen Stellen, z. B. im Walde zwi- schen dem re Thalberge und dem Schafläger.
Myosotis alpestris? Hopp.
Auf Neunenen. Vielmehr eine kleine nied- liche Form von M. scorpioides L.
Soldanella alpina. L. Auf Neunenen und T halberg etc. häufig.
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Primula farinosa. L. Auf den Alpen, aber auch überall auf nassen Wiesen und Triften bis nach Bern.
Primula auricula. L. Auf Neunenen und 'T’'halberg; auf allen Felsen.
Androsace lactea. L. Bis auf circa 5500 Fufs herunter sehr ge- mein.
Aretia helvetica. Willd.
Am Neunenen, Ganterisch, Stockhorn, Och- sen etc. in Felsspalten, bis eirca 6000 Fuls herunter. b)
Phyteuma orbiculare. L. Bis auf den Obergurnigel herunter häufig.
Campanula linifolia. Hanke. Am obern Neunenen häufis. Ist wohl kaum mehr als eine der vielen Formen von GC. rotun-
difolia L.
Campanula “pusilla. _Jacg.
Auf schattigen Felsen um Ruggisberg. Eher konnte diese ir eigene Art gelten. Ich beob- achte sie seit mehrern Jahren, ohne je Ueber- gänge zu bemerken.
Campanula glomerata. L. Sowohl auf den Alpen als auch auf Wiesen ’
um Ruüg gisberg.
Campanula barbata. L. Am Öbergurnigel und auf Neunenen.
Campanula thyrsoidea. L. Aufhohergelegenen Klippen. Ziemlich selten.
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Campanula rhomboidea. Sauter.
Unter der Tschingelfluh; am Fulse des Stock- horn etc.
Lonicera alpigena. L. | |
Am Neunenen und Thalberg. Auch in der
Nähe des Gurnigelbads ,‚ am Seeligraben.
Rhamnus alpinus. L.
An der Tschingelfluh.
Fiola biflora. L.
Häufig an schattigen feuchten Stellen, oft bis in’s Thal Heute.
Viola palustris. L. | Am Untergurnigel; auf der Maritmatten.
Viola grandiflora. D. C. (Sudetica. Prodrom.) FR
Auf Neunenen sehr gemein, bald mit gel- ben, bald mit violetten, bald mit wasserblauen Blumen, die Blattansätze bald hand- bald fieder- formig gespalten; eben so auch die Blatterform sehr verschieden. Daraus verschiedene Species zu formiren, wird man auf dem Standort dieser
Pflanze nicht versucht. Viola pumila. Will. (CV. ericetorum , Schrad.)
In ericetis am Schwarzwasser bei Silene. gallica.
Ribes alpinum. L.
Um Rüggisberg selten. Auf den Alpen ist
mir diese ne nie vorgekommen.
Ribes rubrum. L. Auf der T'schingelfluh , wo ich sie anfangs für R. petrsum hielt. Natw. Annl. IL 1. 6
\
Thesium alpınum. L.
Am Thalberg. Zu unterst im Thal gegen Weissenburg kam sie mir mit astiger Rispe vor; eben so an der Aar bei Belp. Sollte ersteres vielleicht T. linophyllum seyn? ich halte beide nicht für verschieden, konnte aber fur T. Ilino- phyllum nie eine andere Pflanze erhalten. Deut- lich verschieden ist hingegen T'. montanum Schrad. die ich aus der Gegend von Mannheim vor mir habe.
Swertia perennis. Willd.
Auf mehrern sumpfigen Triften am Obergur- nigel und Neunenen.
Gentiana lutea. L.
Am Thalberg; nicht aber am Neunenen. Durch den Fleifls der Wurzelgräber,, die einen hochgehaltenen , freilich herzlich ubelschmecken- den Branntwein aus den Wurzeln dieser Pflanze bereiten, wird diese Konigin der Alpenpflanzen fast ausgerottet.
Gentiena purpurea. Frohlich.
Am Obergurnigel und Neunenen. Wird haufig als Vieharznei gegraben, und verdient vielleicht den ihr vom Landmann gegebenen Vorzug vor
G. lutea.
Gentiana verna. L.
Haufig auf Neunenen. Noch häufiger auf ma- sern thonichten Wiesen um Ruggisberg. Eine Form mit viel hoherm Stengel, breiten Kelchflü- geln, spatheliormigen obern, und kleineren, fast runden Wurzelblättern, grolsen Blumen etc. die ich einst im September bluhend auf Neunenen fand, hielt ich für G. utriculosa , weil ich diese damals
noch nicht kamnte.
83
“ Was ich für G. bavarica hier sammelte, und von andern Orten erhielt, war ich vergebens be- müht, durch irgend ein standhaftes Kennzeichen von dor äusserst veranderlichen G. verna zu un-
ierscheiden. Vielleicht dals ich die wahre G. ba-
varica nie zu Gesichte bekam.
Gentiana germanica. Willd. Auf trocknen Hügeln um Ruüggisberg haufig.
Gentiana compestris. Frohl. Auf dem Laals, unterhalb dem Gumigel- bad etc.
Gentiana asclepiadea. Frohl. Zunächst oberhalb dem Gurnigelbad häufig.
Gentiana nivalis. Frohl.
Auf dem Grat zwischen Neunenen und Gan- terisch nicht selten. Die ersten dieser Pflanzen sind nicht immer einbluthig.
Gentiana acaulis. L. Auf beiden Seiten des Grats sehr haufig.
Astrantia major. L. Am Thalberg. Häufig auch auf Wiesen um
Blumenstein.
Imperatoria ostruthium. L.
Auf schattigen Felsen. Beide letztern Pflan- zen werden haufig von den Landleuten als T'hier- arznei benutzt, und werden dadurch selten.
Laserpitium latifolium. L.
Auf Felsen am Thalberg selten. Die Pflanze ist kleiner als die, welche N Alpenthälern , z. B. im Gasternholz fand, die untere Seite der Blatter ist etwas rauh ; also verhlieh L. cervaria
Rohlins.
Laserpitium sler. L. Bei L. latifolium. Noch sparsamer.
Laserpitium simplex. L. Haufig auf Ganterisch und Bürglen.
Phellandrium Mutellina. L. Auf hohergelegenen Stellen haufıg.
Pimpinella magna, wumbella rubente : Hegeischw.
An mehrern Orten, z. B. am Neunenen unter der Tschingelfluh.
Pimpinella saxifraga. L.
Häufig auf trockenen Hügeln um Ruüggisberg.
Bupleurum ranunculoides. L. Häufig auf der Sonnseite des Grats.
Athamanta Libanotis. L. Auf beiden Seiten des Grats. Nicht gemein.
Athamanta cretensis. L.
Auf Felsen; z. B. auf der Tschingelfluh. Auch diese beiden Pflanzen werden haufig zu T'hierarznei ausgegraben.
Linum.montanum. Schleicher.
Links neben dem Fuflsweg auf der Sonnseite auf Leiteren. Sowohl von L. narbonense als L. austriacum L. verschieden. Trefllich charakteri- sirt in De CGand. Prodrom. p. 427.
Allium schoenoprasum. L.
Am innern Kessel, und anderswo haufig. Stimmt aber mehr mit A. alpinum Lam. überein. Vermuthlich sind beide nicht verschieden.
Convallaria verticillata. L. Im Gurnigelwald, wo ich sie aber nie blühen
. A sah. Sie findet sich aber, wiewohl etwas selten in Hecken um Rüggisberg.
Convallaria polygonatum. L. Auf sonnigen Felsen am Thalberg , sehr selten.
Anthericum serotinum. L. Auf Neunenen, am Fulse des Ganterisch.
Anthericum liliago. L. Am Thalberg unterhalb Wannels, selten.
Uvularia amplexifolia. L. Im Seelinenwald. Sehr selten blühend.
Lilium martagon. L. | Am untersten 'Thalberg (Rudli) auf sonnigen Felsen.
Juncus filiformis. L. Zwischen Gurnigel und Neunenen auf. sum- pfigen Waldblofsen, bis fast zum Bade herunter.
Juncus triglumis. L. Am Obergurnigel, zahlreich auf feuchten
Stellen.
Juncus flavescens. Host. In Waldern am Gumigel, gemein.
Feratrum album. L. Am Gurnigel und Neunenen. Selten bluhend.
Rumex scutatus. L. Am Fufse des Granterisch.
Rumex alpinus L.
Bei allen Sennhütten. Die Hirten bedienen sıch der Wurzel zum Abführen. Diese Pflanze verdiente vielleicht Aufmerksamkeit in medizini- scher Hinsicht.
86
Rumex montanus. Hegetschw.
Am Fulse der Tschingelfluhl. Scheint mir allerdings mehr als eine, da fette Alpenerde erzeugte üppige Form vom R. acetosus. Rumex arißline L: er welches mir die Pflanze schon zu- gesendet wurde, ist es sicher nicht.
Vaccinium vitis-idea. L. In Waldern am Gurnigel, auch in mehrern Wäldern um Rüggisberg.
Faccinium uliginosum. L. Häufig auf einem Torfmoor bei Zimmerwald.
Epilobium alpinum. L.
Im Seelinenwald.
Epilobium obscurum. Schreb. In Waldern um Rüggisberg sparsam.
Epilobium trigonum. Schrank. Im Seelinenwald.
Moehringia muscosa. L. Am untersten Thhalberg,, um Blumenstein etc.
Polygonum viviparum. L. Auf Alptriften überall.
Pyrola virens. Seringe.
In trocknen Fichtenwildgim um Rüggisberg. Dafs diese Pflanze bestimmt eine eigene Art sei, wird niemand bezweifeln, der diese so oft auf ih- rem Standort zu sehen Gelegenheit gehabt hat,
wie ich.
Pyrola minor. L. In Wäldern um Ruüggisberg. Aber auch auf dem obern Neunenen , A an Tetztera Orte auf-
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fallend kleiner, mit rosenrother Blüthe. Sollte letztere vielleicht Pyrola rosea der neuern Bota- niker, und erstere Pyrola intermedia Schleicher seyn? Wenigstens palst der Name minor auf diese Pflanze delswegen nicht, weil man oft Exemplare
findet, die grolser sind, als bei P. rotundifolia.
Rhododendron ferrugineum. L.
Haufig am Gurnigel und Neunenen,. Auch unweit Rüggisberg am Schwarzwasser steht diese Pflanze kaum 2500 Fuls über’s Meer.
Rhododendron hirsutum. L.
Gleicher Standort, gewöhnlich etwas hoher. Findet sich dessen ungeachtet ebenfalls am Schwarz- wasser. |
Arbutus alpina. L. Auf Neunenen, nicht selten,
Arbutus uva=ursi. L. | Am Thalberg. Auch auf Sandfelsen, am Schwarzwasser nicht mehr als 2800 Fuls über’s
Nleer.
Saxifraga Aizoon. Geaudin. Häufig’ am obern Neunenen und Thalberg.
Saxifraga mutata. Willd. Am Schwarzwasser sehr zahlreich. Auf den Alpen fand ich sie nie.
Saxifraga rotundifolia. L. In Wäldern am Gurnigel, sehr gemein.
Saxifraga autumnalis. L. Am Gurnigel und Neunenen. Folgt oft dem
Lauf der Flüsse bis in die Thaler hinunter. Auf den
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Alpen findet man oft Exemplare mit ganz glatt- randıgen Blattern und orangelfarbigen Blumen. "Soll vielleicht S. Aizoides Storub: seyn ?
Saxifraga muscoides. Sternb.
Auf Neunenen etc. Ich habe bis jetzt noch nicht ausmitteln konnen, ob nicht etwa S. mos- chata Wulf. unter den verschiedenen Formen die- ser Pflanze steckt,
Saxifraga androsacea. L, Auf Neunenen, eine der gemeinsten dieser Gattung.
Saxifraga oppositifolia. Wulf. Neunenen, Auf Klippen und Steinen sehr gemein.
Sazxifraga cesia. Jacgq. Am Fufse des Neunenen und Ganterisch, doch selten.
Saxifraga stellaris. L, Eben da, viel häufiger.
Gypsophila repens. L. Am Thalberg. Auch haufig an der Aar un- weit Belp.
Dianthus superbus. L. Am Fulse des Ganterisch. Auch um Rüg-
gisber o,
Dianthus sylvestris. Willd. Auf Leiteren bei Linum montanum.
Silene acaulis. L. Am obern Neunenen. Auf Ganterisch etc.
\
% | Sg Silene quadridentata. TPersoon. Auf der T'schingelfluh. Ich fand die Pflanze
beständig dreiweibig.
Arenaria ciliata. Jacq. | Auf Neunenen und Thal, haufig.
Arenaria multicaulis. Jacgq.
Am Fufse des Ganterisch; an der Tschin- gelfluh etc. In allen Dimensionen um die Halfte srolser als vorige , sonst freilich etwas schwer von derselben zu ae, vr Im frischen Zustande zeichnen sie vorzitglich die dicken, saftigen Blat- ter und ihr lebhaftes Grün von jener, stets etwas bläulichen, Pflanze aus. Diese blüht erst im Au- sust, während jene schon einen Monat früher blü-
5 hend gefunden wird.
Arenaria verna. L.
In Menge auf Neunenen etc. Die A. c»s- pitosa Ehrh. die ich von verschiedenen Gegenden erhielt, konnte ich kaum als Varietat von dieser unterscheiden.
Cherleria sedoides.. L. Am obern Neunenen und auf Ganterisch oft srolse Rasen bildend. °
Sedum atratum. L.
Am obern Neunenen nicht selten. Die eben aufgeblühte Pflanze sieht gelblich aus, erst nach dem Verblühen wird sie dunkelroth. Ich hielt sie sonst für zwei Arten, und nannte erstere S. pal- lescens.
Sedum dasyphyllum. L.
Am mittlern 'Thalberg auf sonnigen Felsen.
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Spergula saginoides. L.
Am Seelibühl, auch am Wege vom felberg nach dem Ochsen. Ich hatte diesen Som- mer Gelegenheit aufgeblühte Exemplare zu unter- suchen , ie mich zu überzeugen , dafs die Pflanze wirklich eine Spergula sei.
Cerastium alpinum. L. Am obern Neunenen. Wie alle dieser Gat- tung, in mannigfaltigen Formen.
Cerastium strietum. L. $® commune D.C. Am obersten 'Thalberg.
Sempervivum tectorum. L.
Am mittleren Thalberg bei Laserpitium siler. Kommt auch auf Suuäsisne zwischen Rüggisberg und Zimmerwald vor.
Mespilus cotoneaster. L.
An mehrern Orten am Thalberg. Auch am Schwarzwasser auf Sandfelsen. Vielleicht ist letz- teres M. tomentosa Willd. der auch um Thun vorkommt. Ich sah ihn nie bluhend.
Mespilus Amelanchier. L. Am untersten 'Thalberg auf Felsen, auch auf den Sandiklsed.am SAW
Mespilus Chamae=mespilus. L. Am obern Neunenen „ selten; in der Schlucht unterhalb dem Stockhorn.
Crataegus Aria. L. Ueberall auf den Hügeln unserer Gegend.
Rosa alpina. Jacgq.
Am obern Neunenen, Thalberg etc. Auch am Schwarzwasser. Eben so in Waldern zwi- schen Zimmerwald und Belp.
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Rosa pyrenaica. Gouan.
Am 'Thalberg. Wenigstens hier blofs eine Form von voriger mit steifborstigem Fruchtboden , was ich vielleicht noch auf ein und demselben Stamme bestätigt finde.
Rosa cinnamomea. L.
Am Fulse des Immi auf einem Hügel, die Form von R. foecundissima Schranck. In Ge- büschen und Hecken um Belp, die Form von R. fluvialis Retz.
Rubus tomentosus. Willd.
Am Rande des Gibeleggwaldes auf trockenen Stellen. Es giebt Uebergänge von R. fruticosus zu dieser Pflanze, die es schwer machen dürften, die Grenze zu bestimmen. Das Gleiche gilt auch von R. corylifolius, Sprengel, den ich bei Zim- merwald gefunden zu haben glaube.
Dryas octopetala. L. Zahlreich am obern Neunenen etc.
Potentilla alpestris. Hall. fil.
Am Neunenen. Von Horn. Haller sel. selbst dafür erklart. Eine Pflanze, die ich auf Felsen am Schwarzwasser fand, und Hr. Haller für P. salisburgensis nahm, die mit P. dubia Sauter einer- lei seyn dürfte, mochte ich für eine Form von P. verna halten.
Potentilla aurea. L. Zahlreich, bis fast auf den Laafs, unterhalb dem Gurnigelbad herunter.
Geum montanum. L. Am obern Neunenen ; nicht selten.
Cistus alpestris. Weahlb.
Haufig am obern Neunenen ete. In wie fern diese Pflanze von C. oelandicus verschieden sei , kann ich nicht angeben, weil ich letztere Pflanze
nicht kenne.
Aconitum Napellus. L.
Am Gurnigel und Neunenen; sehr gemein.
Aconitum Iycoctonum. L. | Am Newnenen , z. B. unter der Tschingelfluh. Auch am Gurnigel.
Thalictrum minus. L.
Bei Laserpitium siler und Sempervivum tec- torum auf einem Felsen am 'Thalberg, äusserst sparsam.
Anemone narcissiflora. Jacgq. Am obern Neunenen und Thalberg sehr ge- mein.
Anemone vernalis. L. Am Grat zwisehen Ganterisch und Bürglen ,
und auf letzterem selbst, sehr gemein,
Anemone alpina. L. Am gleichen Orte mit A. narcissiflora , steigt jedoch etwas tiefer hinunter.
Ranunculus alpestris. L.
Etwas schatüge, thonichte Orte, ungemein haufig.
Ranunculus aconitifolius. Willd.
An Bächen um Rüggisberg und von da bis auf Neunenen und Thalberg.
Ranunculus montanus. Willd. Nicht selten in dieser Gegend.
|
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Ranunculus polyanthemus. L. An Brunnen bei den Sennhutten , sonst aber nirgends in dieser Gegend.
Ranunculus lanuginosus. L.
Haufig um Rüggisberg an etwas schattigen Stellen, und von da in mamigfaltigen Banken bis auf Neunenen; hier oft nicht mehr als fingerhoch;
dort oft 2 Fufßs.
Ranunculus nemorosus. D.C.
In Wäldern zunachst ob dem Gurnigelbad; nicht eben selten. So auffallend sich diese Pflanze von der vorhergehenden , besonders durch die keil-
formigen Blattstucke und Blumenblätter , auszeich- net, so liessen sich dennoch vielleicht mit einigem
Nachsuchen die Uebergange finden.
Stachys alpina. L.
Am untern Thalberge nicht selten.
Melissa grandiflora. Willd. An der Zugegg, in ausgehauenem Walde, etwas oberhalb dem Fulswege, der nach der grolsen
Wahlalp führt, sparsam.
/
Thymus serpyllum, var. hirsuta. Sollte diefs vielleicht Th. lanuginosus Willd. seyn? sie ist haufig am Neunenen und ’T'hal.
Thymus alpinus. L.
Am Thalberg, sehr gemein.
Erinus alpinus. L. Auf einigen Felsen am Thal; am Fulswege uber STE am Ochsen etc.
Euphrasia oficinalis. L. } Sollten die sehr kleinen Exemplare dieser —
Pflanze, mit bald gelben, bald blauen Blumen ,
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die auf dem Obergurnigel und auf Neunenen zahl- reich anzutreffen und: vielleicht E. minima Fl. Franc. seyn? An Uebergängen fehlt es nicht, ‚aber sonderbar genug finden man sie oft mit dee gewohnlichen Form auf der gleichen Stelle.
Melampyrum sylvaticum. L. In lichten Waldungen auf Wahlalp; am Grat
zwischen Neunenen Bet Ganterisch.
Bartsia alpina. L. Sehr gemein am Gurnigel.
Tozzia alpina. L. Am Neunenen unter der Tschingelfluh , in der Schlucht unterhalb dem Stockhorn u. a ©. mehr.
Pedicularis foliosa. L. Auf den Seiten des Grats zwischen Neune nen und 'Thalberg. |
Pedicularis versicolor. Wahlb. Am gleichen Orte, schon. etwas tiefer.
Pedicularis verticillata. L. Eben da, kommt aber noch tiefer RER
Antirrhinum alpinum. L.
In feuchten Rieseten, an den Abhangen .# Grats zwischen Neunenen und "Thalberg und zwi- - schen Neunenen und Ganterischberg , sehr gemein.
Draba aizoides. L.
Am obern Neunenen, sehr gemein. An mei- nen vorliegenden, sehr guten Exemplaren, die übrigens nach allen Beschr ‚eibungen, die ich verglei- Eh konnte, vollkommen mit D. aizoides über- einstimmen, sind die Griffel meist um die Halfte
kürzer als die Schötchen breit. Sollte es dels-
r 9) wegen D. aizoon Wahlb. seyn? ich glaube nicht; und halte diels Verhaltnifs, wegen Fe grolsen
eranderlichkeit , die besonders von der Ausserst wneleichen En der Schötchen abhängt, zur
5 Diagnose für unbrauchbar.
Draba tomentosa. Wahlb. - Am Stockhorn, am Fufse des Ganterisch etc. wo ich sie zuerst für D. stellata Jacq. hielt. So gut sich beide Pflanzen in ihren Extremen unter- scheiden lassen, so sahe ich doch Uebergänge die es sehr schwierig gemacht haben wurden, die Grenze anzugeben; ; vielleicht liesse sich die Reihe bis zu D. nivalis Willd. hinuberziehen, die ich aus den Alpen des Bagnethals vor mir habe. Eben jetzt habe ich emige gute Exemplare von der Gemmi mit astigem Stengel, der mit mehrern Blättern versehen ist, vor mir, ohne dafs ich diese
Form für D. confusa, Ehrh. halten konnte.
Draba pyrenaica. L.
Am Stockhorn. Hr. Greiser, gew. Ober- gärtner in Elfenau,. will diese Pflanze auch am Granterisch gefunden haben.
Myagrum saxatile. L.
Auf Felsen am Neunenen und Thal. Auch fand ich diese Pflanze an der Äar bei Belp. Die Form mit eingeschnittenen Wurzelblattern ist am Thalberg ebenfalls nicht selten.
Lepidium alpinum. L. Häufig am obern Newnenen und an andern hochgelegenen, schattigen Stellen.
Biscutella levigata. L. Gemein am obern Neunenenberg.
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_Turritis hirsuta. Jaeg.
Auf schattigen Stellen am obern Neunenen. Die Pflanze ändert sehr. Sollte eine Form mit verkehrt eirunden WVurzelblattern, und ganz ein- fachem Stengel, die am untern Thalberg nicht eben selten vorkommt, vielleicht Arabis ciliaris Willd.
seyn, wofür ich diese Pflanze schon auch erhielt ?
Dentaria pentaphyllos. Secop. | In Waldern um das Gurigelbad, und am untersten Thalberg. Eben so in Waldgräben, die
sich an die Rüggisbergegg anlehnen. lit A sie oft durch Erdschlipfe bis zu den Wobaungen |
herunter gepflanzt.
Arabis alpina. L.
Haufig am Neunenen und Gurnigel ete. Auch diese Pflanze folgt gern dem Lauf der Bache bis ins T’'hal hinunter, um das Blumensteinbad trifft.
man sie defsw egen nicht selten an.
Arabis nutans. Moench.
An der T'schingelfluh, sehr sparsam. Die Idee, diese Pflanze mit A. bellidifolia, und beide mit A. carulea zu verbinden, stammt wohl nicht von Beobachtung dieser Pflanzen in freier Natur.
Arabis auriculata. - D.C. Auf Sandfelsen am Schwarzwasser. Seit
einigen Jahren nicht wieder da gefunden.
Geranium sylvaticum. L.
In Gräben und Wäldern die tiefer liegen , gemein.
Corydalis fabacea. Willd.
Im mittlern Thalberg , unweit der Sennhuütte gegen Morgen bei Steinhaufen. So wie man
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zu Ende Mai’s oder Anfangs Jul. dahin kommt x findet man die Pflanze meist schon verbluht.
Fumaria parviflora. Lam.
| Unter dem Getreide um Rüggisberg, und zwar weit häufiger als F. officinalis L. unter- scheidet sich aber, wie mich dunkt, standhaft durch die kurzen, stark verdickten pedicelli die bei der blühenden Pflanze kaum langer als das Deckelblatt sind. Diese Pflanze wickelt sich oft, nach Art der T. capreolata um andere Pflanzen,
Genista sagittalis. L. Auf Hügeln um Rüggisberg, gemein.
Vicia sylvatica. L. Am untersten Thalberg. Häufig auch in Ge- sellschaft von V. dumetorum in Hecken zwischen
Zimmerwald und Belp.
Phaca australis. Willd. Am Fusse des Ganterisch, auf Klippen ge- gen Bürglen etc.
Phaca frigida. Jacq. Am Fufse des Ganterisch und Neunenen, an etwas schattigen Stellen.
Phaca astragalina. D.C.
Am Grat zwischen Neunenen und Thal etc. gemein. Auf rauhen Standorten oft ohne Stengel; vermuthlich ist diels Astragalus alpınus L. Einen andern fand ich wenigstens nie.
Astragalus uralensis. L.
Häufig auf den Klippen des Thalbergs dem Grat nach , auch auf Geanterisch , Burglen , Ochsen etc.
Natw. Annl. IL 2. A
Trifolium cespitosum. Teynier. ‘Gemein auf diesen Alpen.
Trifolium badium. Schreb.
Am Gurnigel, Neunenen etc.
Onobrychis montana. D.C. Am Thalberg, und über den ganzen Grat.
Hedysarum obscurum. Willd. Gemein am Grat zwischen Neunenen und Ganterisch etc.
Hippocrepis comosa. Am TYhalberg, bekanntlich auch auf Hügeln
anderswo.
Hypericum dubium. Smith,
Oberhalb dem Gurnigelbad, im Walde zwi- schen Neunenen und Gantehkeh etc. Der Sten- sel von H. quadrangulare, die Blume von H. perforatum.
Hyoseris foetida. L.
Haufig am untern Neunenen.
Hieracium amplexicaule. Willd.
Am Thalberg, auf sonnigen Felsen; auch, obgleich sparsam, auf Sandfelsen am Schwarz- wasser. Die Pflanzen von letzterem Standorte sind weit weniger ästig, und die Blatter kaum etwas gezahnt, nit langen Zotten zwischen den W bern. Solite diefs vielleicht H. cerin- thoides Schrank. seyn?
Hieracium Jacquini. Villars. Am Fulfse des Ganterisch , auch bei vorigem am T'halberg , aber ausserst selten.
A te
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Hieracium aureum. Villars. | Sehr gemein am Gurnigel und Neunenen.
Bieracium aurantiacum. Willd. Am Obergurnigel fand ich einst mehrere
Exemplare, scheint aber ausgegangen zu seyn.
Hieracium paludosum. Willd. In Wäldern am Gurnigel, auch in Wäldern
um Ruüggisberg, gemein.
Hieracium cymosum. L.
Auf trockenen Hügeln um Rüggisberg , z. B. auf der Butschelesg. Was ich von verschiedenen Orten als H. piloselloides Vill., und als H. flo- rentinum Hoppe erhielt, weils ich von dieser Pflanze nicht zu unterscheiden.
Hieracium villosum. Willd.
Gemein auf den Seiten des Grats. Ein kaum behaaries Exeniplar mit stark gezähnten Blättern hielt ich einst fur H. Halleri, weil ich diefs noch
nicht kannte.
Hieracium valde-pllosum. Villars.
In der Schlucht unterhalb dem Stockhorn. So leicht es scheint, diese Pflanze von der vori- oen zu unterscheiden, so schwer ist es schnei- dende Merkmale für beide anzugeben, um so mehr, da beide nach Art der Hlieracea sehr abändern,
Sonchus alpinus. L. In Wäldern am Gurnigel, im Seelinenwaldete.
Crepis austriaca. Hall. fil.
Am Thalberg und Neunenen , nicht selten. Auch diese Pflanze, die ich Hrn. Haller einst vor- zeigte, andert sehr.
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Leontodon erectum. Hoffm.
Auf sumpfigen Stellen auf den Alpen sowohl als um Rüggisberg ete. Die Blätter dieser Pflanze sind bald schrotsägenformig , bald buchtig gezähnt. Die Pflanze unterscheidet sich aber immer deutlich an den äussern Kelchschuppen etc. von Leontod. Taraxacum.
Apargia alpina. Willd.
Ueberall auf den Alpwiesen in mannigfaltigen Formen.
Apargia hispida. Willd.
Am Gurnigel und um Rüggisberg überall , andert ebenfalls sehr.
Apargia hastilis. Willd,
Um Rüggisberg, eine der gemeinsten Wie- senpflanzen.
Carlina acaulis. Willd.
Auf dem Gurnigel, auch auf der Ruggis- bergegg etc. |
Carduus defloratus. L.
Auf Neunenen, Thalberg ete., auch am Schwarzwasser,, sogar bei Belp an der Aar.,
Carduus personatus. Willd. Am Fulse der Tschingelfluh; am Neunenen.
Cnicus spinosissimus. L. Häufig am Neunenen.
Cnicus acaulis. Willd. Auf dem Gurnigel , auch auf Hügeln um Ruüg- gisberg, Zimmerwald ete. 7
Cnieus eriophorus. L. Am grolsen Wahlalp und zu unierst am Thal- berg, sonst nirgends hier von mir gefunden.
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Cacalia alpina. Willd. Am Fulse der T'schingelfluh bei Garduus
personatus.
Cacalia albifrons. Willd. In den Wäldern am Gurnigel, auch fand ich die Pflanze einst im 'Thanwald bei Rüggisberg.
Gnaphalium dioicum. L. Auf dem Gurnigel, Neunenen etc. Auch auf Hügeln um Ruüggisberg.
Gnaphalium alpinum. L. Haufig auf dem Grat zwischen Geanterisch und Bürglen; auf dem Kulm des letztern selbst.
Gnaphalium leontopodium. Willd. Auf dem Stockhorn, und auf Bürglen.
Gnaphalium pusillum. Willd.
Haufig am obern Neunenen. Nach dem Ver- blühen ist die Pflanze fingerlang, zur Zeit der Blüthe aber kaum zolllang. Sollte letzteres viel-
leicht G. supinum Willd. seyn? Die Pflanze än- dert sehr.
Gnaphalium norwegicum. Betz.
Im Seelinenwald, zwischen Gurnigel und Neunenen. So gut sich diese Pflanze, besonders durch ihre grofsen Blätter von Gmaph. rectum Willd. unterscheiden lalst; so kommen doch beide sich durch Uebergänge so weit entgegen, dafs man in Verlegenheit geräth, wenn man bestim- men soll, wo die Grenze sei.
Chrysanthemum inodorum. Willd. Gemein am Immi, zwischen Zämmerwald und Ruggisberg.
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Erigeron alpinum. L. - Am obern Neunenen etc. nicht selten. Fer- nere Untersuchungen der mamnigfaltigen Formen dieser Pflanze werden mich hoffentlich belehren ,
ob noch gute Arten darunter stecken.
Erigeron uniflorum. L.
Da wo obige. Lälst sich noch ziemlich gut von einblumigen Exemplaren derselben unter- scheiden.
Erigeron atticum. \Viıllars. Am Thalherg auf erhabenen felsigen Stellen ziemlich selten. Sicher eine gute Art.
Cineraria spatulefolia. Gmelin.
Auf beiden Seiten des Gratis gemein. Die Blätter mehr oder weniger wollig, aber nicht scharf. Die Form derselben ist wegen ihrer srolsen Veränderlichkeit kaum zur Diagnose zu gebrauchen; der Stengel oft —Ö5blüthig, aber eben so oft nur einblüthig. Sollte letztere Form vielleicht Senecio Doronicum L. seyn, wofur man sie oft mag gehalten haben? Wenigstens fand ich nie eine andere, und auf der Stockhornkette dürfte schwerlich eine andere zu finden seyn.
Cinerarea auranliaca. D.C.
Auf der Sonnseite des Grats; ziemlich ge- mein, aber immer höher als die Vorige. Auch diese Art ändert bedeutend ab , ist aber bestimmt von der vorigen verschieden, welche erst zu blu- hen anfängt, wenn diese schon verbluht hat.
Cineraria cordifolia. Willd. Am grolsen Wahlalp. Auf den übrigen Al-
pen fand ich sie nie.
102
Cineraria alpina. Willd. Am gleichen Orte mit voriger. von der diese offenbar nur eime Form ist. '
Senecio saracenicus. Willd. Am untersten 'Thalberg, ziemlich selten.
Senecio viscosus. L. Auf Felsen im Rüdli zu unterst im Thal. Für unsre Gegend eine Seltenheit.
Tussilago alba. L.
In Wäldern am Gurnigel und um Ruggisberg.
Tussilago Petasites. L. Am Rande der Bäche um Ruüggisberg.
Tussilago hybrida. L. Eben da. Die weibliche Pflanze der vorigen,
o welche blofs abortirende Zwitterbluthen brine
t SU daher auch der Blumenschaft nach dem Verblühen gleich verwelkt. Diese hingegen, die nur 1—5 Bellen, übrigens lauter weibliche Blüthen tragt,
fand ich stets "saamenzeugend.
Tussilago alpina. Willd. In Waldern am Gurnigel, auch um Rüg-
gisberg. | Arnica Bellidiastrum. Willd.
Ueberall auf schattigen feuchten Stellen, auf den Alpen und sonst.
Arnica montana. L. Am Biren-Ganterisch unierhalb Burglen.
Arnica scorpioides. L.
An feuchten schatügen Stellen am oben Neu- nenen gemein.
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Aster alpinus. L. Auf der Sonnseite des ganzen Grats gemein.
Achillea atrata. L. Bei Arnica scorpioides, am Schatten der Felsen. ı
Centaurea montana. L. Auf dem Grat bei Aster alpinus, auch am Schwarzwasser,
Orchis globosa. L. Am obern Thalberg, gemein.
Orchis albida. Swarz.
Fast auf allen Alpwiesen bis zum Gurnigel herunter.
Orchis viridis. Swarz. _
Wie Vorige, auch nicht selten auf Wiesen und Triften um Rüggisberg.
Orchis nigra. Swarz. Auf allen sonnigen Alptriften der Kette gemein.
Orchis pallens. L.
Im untern Thalberg (Rüdli) selten. Die fri- sche Pflanze hat einen atarkem Holundergeruch , übrigens die Kennzeichen von O. pallens , was vielleicht den Vorschlag , diese mit O, sambuccinea zu verbinden , begünstigt.
Ophrys alpina. L.
Auf dem Kulm des Bürglen, auch hie und» da auf Felsblocken am obern Namen. mit wel- chen die Pflanze einst die Reise vom Canteibch herunter gemacht haben mag.
Ophrys Monorchis. L. Um Rüggisberg auf Flügeln, gemein.
Ophrys arachnites. Willd.
Wie vorige.
Ophrys apifera. Willd. Auf der Bütschelegg.
Ophrys anthropophora. Willd. Auf dem Riedhubel, am Fulse des Inmi, sparsam.
Neottia repens. Swarz. Gemein in trocknen Fichtenwäldern um Rug- gisberg.
Limodorum epipogium. Swarz. Sparsam in Wäldern am Fufse der Stock- hornkette, auch unweit Ruggisberg.
Epipactis cordata. Willd.
In den Wäldern des Gurnigel,, gemein.
Cypripedium calceolus. L. In einem Walde zwischen Rüggisberg und Gurnigel.
Carex davalliana. Smith. Am Gurnigel und um Puggisberg sehr ge- mein. Ist stets zweihausig.
Carex pauciflora. Lightf. Im Walde zwischen Gurnigel und Neunenen, bei Juncus filiformis. CGarex pulicaris fand ich
nie in dieser Gegend. x
Carex curta. Good. Eben da.
Carex stellulata. Good. Am gleichen Orte, gemein.
x
106
Carex atrata. Wilid. Auf Neunenen nicht selten.
Carex pillulifera. Willd.
Gemein in Wäldern um Ruggisberg.
Carex alba. Willd.
Auf Felsen am Schwarzwasser, gemein.
Carex clandestina. Smith.
Bei vorigem, seltener.
Carexz varia. Host. Häufig am obern Neunenen.
Carex firma. Host. Am Granterisch in Felsfpalten. Ganz zuver- lafsıg blofs eine Form von vorigem, und mit dem-
selben durch Uebergänge genau verbunden.
Carex capillaris. L.
Am Fufse des Ganterisch auf Felsblocken bei Ophrys alpina, vermuihlich mit diesem einst von oben herunterspazirt.
Carex Mielichhoferi. Schk.
Gemein auf Neunenen.
Carez pendula. WHuds.
In Waldern am Gurnigel und um Pug- gisberg.
Alnus viridis. D.C.
Am Gurnigel und auf unbebauten Hugeln um Ruüggisberg. Ein lastiger Strauch für den Land- ann. a Salix hastata. L.
An Neunenen etc., z. B. am Fufse der Tsehingelfluh bei Arbutus alpina.
Salix reticulata. Willd.
Gemein am obern Neunenen. Salix retusa. Willd.
Juniperus sabina. L.
An der Neunenenfluh gegen Thal, an der brochnen Fluh, gegen die gleiche Seite. Immer sah ich die beträchtlichen Straucher blols in einiger Entfernung, an unzuganglichen Stellen, wo er blos noch vor dem Fleils der Wurzelgräber
sicher ist.
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Besteigung des Pilatus am 22. Juli 1824, von Dr. S. Brunner.
(Der Gesellschaft naturf. Freunde in Bern vorgelesen.) j
Zwei starke Stunden von Luzern, westlich vom südlichen Zweige des seltsam gestalteten Vier- waldstädter-Sees, erhebt sich von allen übrigen Gebirgen anscheinend isolirt, drohend steil und finster der Pilatus. Seine Richtung geht von
Nordost nach Sudwest, in einer Länge wi etwa 21% Stunden, doch ostwarts sendet er jenen, jahe in den See einspringenden Gebirgsrücken hervor, welcher unter dem Namen Rengg in den Annalen der Revolutionssturme einige Bedeutsamkeit be- hauptet. Alte aberglaubische Sagen, welche in der sehr charakteristischen lateinischen Benennung: Mons pileatus, der mit Wolken bedeckte Hut- träger, entsprangen und den armen judaischen Landpfleger im dortigen kleinen Bergsee begraben wissen wollen , reiheten sich in den Ropfen des uuwissenden Pobels der Umgegend, bei der dem Menschen so eigenen Liebe zum Wunderbaren , an das Spucken von Unholden, Geistern und He- xen, welche den von Nebel umhullten Wanderer. in den Abgrund zu stürzen sich ein Spiel machten. Einige vor Zeiten sich hier zugetragene Unglücks- falle mochten diese Scheu verstärken und selbst bei gebildeten Leuten die Meinung einer wirklich
sefahrvollen Besteigung des Gebirgs begründen.
109
Hiezu kam noch die Nahe des classischen Rigi, dessen bequemer Zugang, treffliche Wirthehän: ser, malsige Hohe und herrliche, ringsum freie Lage sich vereinten, ihn zu einem allgemeinen europäischen Wallfahrtsorte zu erheben , und je- dem Freunde erhabener und lieblicher Naturscenen gleichsam die Pflicht aufzuerlegen, im Leben ein= mal wenigstens nach diesem Mekka zu wandern. Wie konnte es nun fehlen, dafs der früherhin öfters besuchte Pilatus mit seinen durchaus schlech- ien Herbergeanstalten, seinem weit beschwerli- chern rang und seinem schlimmen Rufe sehr
bald in Vergessenheit serieth ?
Die Nähe in der ich mich auf meiner letzten Rückreise von Luzern nach dem Berneroberlande über Alpnach am Fufse des Pilatusberges befand , die über alle Beschreibung herrliche Witterung des Tages, die Berühmtheit des Gebürges m na- turhistorischer Hinsicht , vorzüglich durch die neuern Forschungen des berühmten Wahlenberg , welcher dasselbe in drei verschiedenen Jahreszei- ten besuchte, bewogen. mich dieses Gegenstuck des weltbekannten , lol nicht eben sch pflan- zenreichen Rigi gleichfalls zu besuchen und zu sehen, ob eh Fcht auch hierzulande Ralkgebirg die arme Nagelfluh an Manmnigfaltigkeit der Vege- tation a
In Begleitung eines alten erfahrenen Gems- jagers aus Alpnach, Niklaus Nuefer , mit Zuna- men der Schwab, eines verständigen und grund- ehrlichen Mannes‘, den ich allen künftigen Reisen- den bestens empfehlen darf, welcher, wie sich’s ‚aus einzelnen Notizen sehr bald zeigte, auch Wah- lenbergs Führer gewesen , trat ich noch den nam-
lichen Abend gegen 4 Uhr den 3 Stunden langen
110
Weg nach den obersten Hütten an. Von welcher Seite man auch den wilden Pilatus anzugreifen un- ternimmt, so geschieht es doch gewils von keiner bequemer und sicherer als von Alpnach her. Steil ist der Pfad zwar immer, gleich demjenigen unsers Stockhorns, aber gefährlich darum noch lange nicht, wie es wohl auf einigen andern Seiten der Fall seyn dürfte.
Durch einen ununterbrochenen Buchen- und Nadelholzwald, worin man mit Bewunderung Stamme von Weils- und Rothtannen erblickt, die alles bisher Gesehene dieser Art weit zurucklas- sen, gelangten wir, meist geschut zt gegen die Strahlen der hellen Abendsonne , in der gewohn- lichen Zeit nach der unreinlichen Hütte von /rek= ment, (Verderbnils von Fractus mons , welche Benennung des ganzen Gebirgs diesem Alpen-
o
grund in spatern Zeiten vorzugsweise beigelegt
scheint) welche gleich oberhalb der Waldregion
in einem Hessel grüner Alpenwiesen und sarlich
von den eigentlichen Spitzen des Berges liegt. Dafs die Member mir bekannten hohern Berg-
sipfel von hinten bestiegen werden mussen , et
sehr naturlich, denn darin gerade, dafs sie durch
ihre schroffe , imposante Gestält die Neugierde des
Besteigers anlocken, liegt die Ursache ihrer dor- tigen Unzugänglichkeit.
In den Umgebungen der Hütte, wo ich spat ankam, fand ich nicht vieles zu schaffen. Eine nahe daran vorbeistromende Quelle, welche als mälsiger Waldstrom sich gegen Alpnach hinunter- stürzt , liefert trefflliches Trmkwasser , dieses grofse Labsal für Menschen und Vieh in hohern und niedrigern Gegenden; Cineraria cordifolia,
welche ich auf dem sogenannten Seeboden des Rigi
ı1ı
in voller Blüthe traf, und hier Stafel-Böni benen- nen horte, war wegen betrachtlicherer Hohe (und vielleicht auch schattigerer Lage’) noch sehr zurück.
Am folgenden Morgen trat ich den Marsch gegen die obersten 3 Sitzen des Gebirges an, Bad machte den Anfang mit der shiehsien dem sogenannten Esel. Ob diese Benennung auf des Landpflegers Leibreuterei anspiele, oder nicht, lasse ıch dahingestellt, genug, der unpoetische Name schreckte mich nicht ab. Einen bequemen Pfad durch den Grund des nordwarts sanft sich hinanziehenden 'T'hales liefs ich rechts, um längs des felsichten Fufses der 2ten mittlern und bald zu. beschreibenden Spitze einen ungleich beschwer- lichern einzuschlagen; denn mein Führer bezeich- nete mir ihn als denjenigen, welchen Wahlenberg jederzeit zu betreten pflegte. Es dauerte nicht lange, so sah ich ein, dafs er nicht unrecht ge- habt, denn auf den Felsen holte ich mir in ER Zeit eine Menge von Gewachsen, welche, ob- schon dem Ralkgebirge eisenthüumlich, mir bis
jetzt noch nie Wi bequem ad schon zu Theil seworden, worunter ich besonders des niedlichen Erinus alpin. erwahne, welcher hier alle Ritzen im eigentlichsten Sinne auskleidet. Vieles war wegen des späten Jahres noch zurück und nur sehr weniges verblüht. Das Verzeichnils am Schlufse.
Auf dem beschwerlichen Kalksteingerolle, welches wir num quer durchschreiten malen. traf ich Lepidium rotundifol., Linaria alpina, Cox ronilla minima und zu meiner so grolsen als ange- nehmen Ueberraschung den schonen und ziemlich seltenen Alpenmohn (Pi apaver alpinum) in grolsen
zahlreichen Büschen und voller Bliüthe,
Weiterhin, als wir die Steingerolle verlas- sen, traf ich auf der stets ansteigenden Wiese die gew ’öhnlichen höhern Alpengewächse wie auf dem Siochilkrn‘ und genols nım schon eines Ausblickes nach dem obern Ende des Vierwaldstadter - Sees, welcher ein mächtiger Ansporn zum rastlosen Vor- schreiten war. Längs der westlichen Felswand des rechter Hand liegenden , drohend steilen Esels, welcher den Hintergrund des 'Thales schlols, ge- langten wir endlich nach dem Sattel, zwischen Ne und der sien Spitze. Schnee Be hier noch
stellenweise umher, doch nirgends so date erden Zugang hätte verwehren oder gefährlich machen konnen. In 5 Minuten war der Fels erstiegen, indem wir, nicht ganz ohne Gefahr , aber festen Fufses und sichern Kopfes über den schmalen , zwischen 2 steilen Abgründen sich hinandrangen- den Felspfad erklimmten. An der Spitze des Esels fand ich mich zu meinem Erstaunen, plotzlich auf einem ziemlich geräumigen , mit dichtem Rasen bewachsenen, flachen Platze.
Bewunderung ergriff mich, als mein Auge herumschweifte in der Landschaft, welche jetzt zu meinen Fülsen ausgebreitet lag. Im Nebeltanze sah ich tief unter mir Berge und Thaler verschwin- den und andere hervortreten, Seen sich im blauen Aether spiegeln ınd sodann durch das Wolken- gewand milchweils durchschimmern ‚ sah Stadte, Flecken und Dörfer aus grünen Fluren lacheln und im Nu hinter neidisches Gewolk ireten, kurz ich ‘sah ein Gemälde, das nicht beschrieben werden kann.
Zu Fülsen lag zunächst Luzern, so deut- lich, dafs man mit blofsem Auge Hauser, Thür-
me und Brücken wahrnehmen konnte. Von hier
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erstreckte sich der malerische See gen Brunnen nebst allen seinen classischen Ufern, bis er nach jähem Umschwunge , diefsseits Altdorf endigte. Süll und bescheiden stund der gefeierte Rigi in der Mitte seiner ringsumfliessenden Spiegel, gleich als fühlte er die Ueberlegenheit an Grofse des finstern Nachbarn , auf dessen Gipfel ich mich nun- mehr befand, ohne darum an Werth und Schön- heit zu verlieren. Hinter seinen östlichen Aus- läufern blickte das freundliche Schwytz, hinter die- sem Haken und Mythen und in ihrem Gefolge die zahllosen Gebirge der östlichen Älpenwelt. Jenseits des nahen Alpnachersees und des ihn enge begren- zenden Rotzbergs , am Fulse des gleichbenannten Horns lag Stanz , weiterhin Buochs, noch mehr rechts die lachenden Ebenen von Sarnen , mit dem lieblichen See geschmückt und von der klaren Aa durchzogen , und zwischen beiden Thälern endlich die Gebirgsketten , welche Engelberg und Melch- thal trennen. Wie Riesen ragten am Horizont Glärnisch , Scherhorn, Todiberg und Titlis em- por, nebst den Sustenhornern,, welche den Ueber- gang zum Bernischen Hochgebirge vermittelten, Doch ihnen zum Heil hielt sich dieses grostentheils hinter Wolken verborgen, sonst würden die un- endlichen Massen der Jungfrau und beider Eiger. sie sehr bald zu Boden gedrückt haben.
Es reichte dieses unvergleichliche Gemälde hin, den Verlust einer Aussicht nach den flachen Gegenden! jenseits der 3 kleinern Seen des Ran- tons Luzern, des Sempacher , Baldegger und Hall- wyler, welche einige Duüsterheit des Horizontes dem Auge entzog, und ins prosaische Gelände des Enntlebuchs , welches das nahe aufstrebende T'omlis- horn verdeckte, vergessen zu lassen. Ich blieb stau-
Natw. Amnl. II: 1.
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nend, bewundernd und forschend, eine volle Stunde oben und nur den wiederholten Mahnungen meines sorgsamen Führers, dals es Zeit sei, den im Thale stets sich haufenden , und allmahlig auf- steigenden Wolken zuvorzukommen , nachgebend , entschlols ich mich zum Rückweg, welcher frei- lich bis an den Fuls des steilen Felsens langsamer als hinaufwärts vor sich gieng.
Die 2te Spitze, (welche den Esel blofs um 4o Fufs an Hohe übertreffen soll) Tommlishorn , oder Oberhaupt genannt, griff ich nach meiner Pückkehr in die Sennhuütte, um ı Uhr Nachmit- tags frisch an. Von dort aus läfst sich wohl die untere Felswand, an deren Fuls ich Morgens herborisirt hatte, nicht aber die Spitze selbst entdecken. Das. Hinaufsteigen dauerte ı% Stunde, zuerst über sanft ansteigende Triften bis zum kleinen, jetzt ganz von Schnee bedeckten Seelein, worein sich Pilatus gestürzt haben soll, alsdann über eine steile, jedoch sehr fruchtbare Alpenwiese, welche sich “ rechtshin .um die nackten Felsen des Gipfels her- umschlägt, und nur erst auf der obersten Spitze endigt. Zu beiden Seiten starren jahe Abgründe, welche aber dem, der sich hübsch in der Mitte des Grates halt, durchaus keine Gefahr bringen. |
Die Witterung war jetzt schon viel neblich- ter als Morgens auf dem Esel, die Aussicht daher verworren und unterbrochen , so dals ich es bei zu- nehmenden Wolken für unnutz hielt, länger zu. verweilen. Die Aussicht soll übrigens mit jener ziemlich übereinstimmen , blofs mit dem ÜUnter- schiede, dafs sie mehr den westlichen als den ost- lichen Horizont befalst.
Das Widderfeld, oder Xlimsenhorn, den.
niedrigsten der 3 Bergspitzen, zu besuchen, ge-
115 brach es mir an Zeit, was mich um destoweniger gereute, da ich von meinem Führer die Aeusse- rung hörte, Hr. Wahlenberg hätte dort ein meh- reres nicht gefunden, als was ihm schon der Esel geliefert, eine an sich freilich zweifelhafte Auto- ritat, welche aber durch die Betrachtung ' einer ähnlichen Lage, eines homogenen Gesteins und ubereinstimmender Hohe und durch die bevorste- hende nothwendige Besorgung der gemachten Beute Gewicht genug bekam , mich zum Abmarsche nach Alpnach zu vermogen. Auch die Mondmilchhohle , welche, wie mich der Führer versicherte, ohne mitgebrachte Fackel weder zugänglich noch be- lehrend gewesen ware und mich bei 2 Stunden Weges abgeführt hätte, liels ich auf sich beruhen und traf Abends 6 Uhr wohlbehalten wieder in Alpnach ein.
Zum Schlufs nur noch einige Betrachtungen über dieses merkwürdige Gebirg in Vergleichung zu unserer benachbarten Stockhornkette, womit es manche auffallende Aehnlichkeit hat, und ein Verzeichnils der Pflanzen, welche mir der einma- lige, freilich kurz abgefertigte Besuch zu sammeln Veranlassung gab. Wie bekannt ist der Pilatus ein reines graues Ralkgebirg, welches, obgleich scheinbar fur sich bestehend , als letzte Fortsetzung des langen, vom Brienzergrat zwischen den Kan- tonen Luzern und Unterwalden sich hinziehenden Bergrückens anzusehen ist. Nach Art der mehre- sten Kalkgebirge der Alpen sind seine Kanten sehr scharf und die Abhänge jahe, der Zugang somit beschwerlicher und gefährlicher als bei Nagelfluh und Gmneisgebirgen. Dafür aber lohnt die einmal errungene Flohe mit weit unbegränzterm Ueber-
blick des nähern Vorgrundes, als z. B. auf dem
116
meist horizontal-geschichteten Jura, wo jener nicht selten alle Fernsicht verdeckt.
Ein ähnliches Bild stellt uns die Stockhorn- kette dar, ohne doch mit dem Pilatus weder un- mittelbar noch mittelbar zusammenzuhangen. Aehn- lich wie dieser steht er gen Norden, schroff und an den mehrsten Stellen unzuginglich, wird aber von Süden her fast durchgehends erklommen. Wie am Pilatus vereinigen sich grünende Weiden südwarts in ein Bergthal und wie dort birgt hier der Abhang der Hauptspitze einen Älpensee (oder vielmehr 2 statt eines einzelnen). Der mit Rasen bekleidete steile Berggrat des 'Tomlishorn .erin- nert an die Spitze des Stockhorns, während die steilen Felsen des Esels an der Neunenenfluh ihr Gesenstuck finden durften.
Doch auffallender noch ist die Uebereinstim- mung beider Gebirge in Rücksicht auf ihre Vege- tation, woraus ich indessen kein weiteres Argu- ment zu ziehen versucht bin, als dafs die Natur des Gebirgs selbst es so mit sich zu bringen scheine. Ich schliesse denmach diesen kurzen Reisebericht mit Aufzählung der von mir theils eingesammelten,, theils blofs getroffenen und an- gemerkten Pflanzen :
1) Waldregion — am Fulse derselben pteris aquilina in Menge. Abies excelsa et picea. \ Fagus sylvatica.. Cacalia alpina. Carex sylvatica.
(Die am Pilatus angegebene Pedicularis sylva- tica muls auf einer andern Seite wachsen, finden konnte ich sie nicht).
"4
2\
3)
A)
)
117 In den Wiesen über der Waldregion..
Cineraria cordifolia, in Menge.
Aconitum napellus.
Veratrum album etc. etc.
Am Fufse des Tommlishorn gegen den: Esel hin längs der Felsen:
»Athamanta cretensis.
Aspidium fontanum Swartz.
Carex sempervirens.
- - - brachystachys.
- - - strieta var alp:
Erinus alpinus.
Arabis alpina.
Biscutella levigata.
Draba aizoides (Frucht und Blume). Daphne mezereum (Blüthe und Blätter zugleich). Globularia cordifolıa.
Hieracium villosum (noch sehr zurück). Laserpitium latifolium.
‚Myagrum saxatile. Pedicularis verticillata.
Senecio Doronicum, Sılene acanlıs. - Bartsia alpina.
Im Steingerölle am Fufse des Tomlis- horn.
Lepidium rotundifolium (s. Iberis rotundif.) Linaria alpina.
Coronilla minima.
Papaver alpinum.
Am Fu/se des Esels.
Anemone vernalis. - - - alpina. Geum montanum. Soldanella alpina. Sılene acanlıs. Pedicularıs flammea. Cistus oelandicus et alpestrıs.
118 6) In den Felsritzen des Horns.
Primula auricnla. Lepidium alpın. Aretia helvetica.
7) Am Gipfel des Esels.
Silene acanulıs. ‘Carex firma. Hedysarım obscurum.
8) Am Tommlishorn. a. Auf der Wiese bis zum See.
Die gewöhnlichen Alpenpflanzen, als: Gent. acau- his, verna, Veronica saxatilis, Polygala chamaebuxus, Alchemilla alp. und vulgarıs, Plantago alp., Tussilago alp., Phellandr. mutellina, Potent. crocea und aurea, Aconit. napellus, Satyrium nigrum und albidum, Viola grandiflora, Centaurea mont., u. S. w.
b. Oberhalb auf der Wiese bis zum Gipfel.
Fortsetzung derselben Pflanzen, zu oberst ein dichter Rasen von Poa alpina und alchemilla vulgaris , nebst mehrern recht kräftigen Aconitumstauden.
Ich bin weit entfernt zu behaupten , dafs dieses Verzeichnifs alles enthalte, was sich dort vorfin- det, ich führte blofs das mir Auffallendste an, und wünsche recht sehr, dafs es von andern ver- vollständigt werden mochte. Soviel ergiebt sich indessen aus obigem, dals ausser Aspidium fonta- num, Grlobularia cordifol. , Lepidium rotundifol. , Coronilla minima und Papaver alpinum alle übrigen Pflanzen auch auf der Stockhornkette vorkommen und das Vorhandenseyn der dort fehlenden wohl mehr den nach Süden liegenden Steingerollen des Pilatus als einer andern Ursache zuzuschreiben seyn dürfte. |
119 w
Entdeckter Baumverderber, zur Nachricht für Forstbeamte, von dem Herausgeber.
Bei der diefsjahrigen Versammlung der allg. schweiz. Gesellschaft für die gesammten Natur- wissenschaften in Schaffhausen, wurde durch Herrn Zyli, von St. Gallen, Aufschlufs begehrt über folgende in Zaurop’s Jahrbüchern der gesamm- ten Forst= und Jagdwissenschaft (1823, Ates Heft) mitgetheilte und bis jetzt unerklart geblie- bene Thatsache:
„Im Julius des Jahres ı82ı, „heilst es da- selbst,“ wurde in der Gegend von Dornfeld, im Konigl. Preussischen Bezirke Münster, an meh- rern, zum Theil 5 bis 6 Stunden von einander entfernten, Orten zu gleicher Zeit eine Erschei- nung wahrgenommen , die man früher nicht kannte, und auch spater nicht wieder bemerkt hat. Man fand nämlich 8 bis ı0 zollige und geringere Baume , oft nur stellenweise, oft auch bis auf ı5, 20 bis ‘30 Fuls Hohe am Stamme hinauf, fast gänzlich abgeschalt, so, dafs auf den abgeschälten Stellen ‚auch nicht eine Faser der Rinde geblieben war; an einigen geringern Stämmen hatte diefs Loos auch die Zweige bis zur schwachen Spitze , 2 troffen. Wo Hornbaäume (Hagenbuchen, oder Weifsbuchen) sich befanden, waren vorzüglich diese, sonst aber auch Buchen, Zitterpappeln, Weiden , mitunter auch junge Eichen, angegriffen. Die Rinde fand man meistens n 1—ı% Zoll
breiten Absplissen , deren mehrere bis 8 Zoll lang
120
waren, unbenagt unter,den Bäumen liegen. Bei Weiden und Zitterpappeln hiengen oft Riemen von sedachter Breite , welche bis zu 2 Fufs lang wa- on noch am Baume. Sie waren ee ene von oben nach unten, zuweilen aber auch unigekehrt, abgesplissen, und durch einen horizontalen Bils eloset, der nicht viel breiter war, als ein star- ker Strohhalm. Nicht ohne einige .Kraftanstren- gung konnten Riemen dieser Art, besonders. von unten nach oben, abgesplissen werden. Die ab- geschälten Stellen waren stets in vertikaler Rich- tung , jedoch kaum merkbar , benagt. In einigen kleinen Geholzen, beilaufig ı5 a 20 Morgen, waren fast an 200 Stanıme beschädigt. | In der letzten Hälfte des Julius carkreitinke we der Unfug mitunter bis auf die Waldhecken, zwi- schen den Kampen , horte aber mit dem Ende dieses Monates vollig auf. Hr. Forstmeister W. A, Borch- meyer gab sich alle Mühe diesem Waldverderber naher auf die Spur zu konımen, und liefs fruh und spat darauf Acht haben, aber vergebens. ‚Unter mehrern geschalten Baumen fand er ziemlich ge- raumige Locher ; diesen liels er auf ganze Strecken nachgraben , bemerkte aber am Ende nichts weiter , als dafs sie mit mehreren Maulwurfsgängen in Ver- bingung traten, und vielleicht auch hierzu gehörten, Ueberhaupt schien das 'Thier eher in hohlen Baäu- men, als in der Erde zu wohnen; sonst hätte es sich wahrscheinlich irgendwo. durch seine Fährte verrathen, worauf sehr sorgsam Bedacht genom- men —_.n Der Argwohn fiel zuerst auf die Feld - oder Waldmaus, weil diese bekanntlich die jungen Stäm- me, en vom Hornbaume, am Grunde sehr
gern benagen. Diese wurden idee freigespro-
121
chen, weil man ihnen nicht die Kraft zutrauen konnte, ‚Riemen, wie sie beschrieben worden, abzuspleis- sen, auch besonders weil die Oeffnung der Schnei- ve zu grols, und die Zahne selbst zu breit waren. Dann kam es an das Eichhorn, das nicht ‚lange im Verdacht blieb, weil die abgeschalten dünnen Zweigspitzen nicht stark genug schienen, um dasselbe tragen zu konnen; auch weil man bisher noch keine ähnliche Excesse von ihm in Erfahrung gebracht hatte. Doch wollte ein Bauer
5 ein Eichhorn beim Abschälen seschossen haben.
Es schien nicht wohl ER TEN dals ein ein- heimisches Thier der Thäter sei, weil sich diels auch wohl fruher zu ähnlichem Benehmen hatte verleiten lassen; doch erzählte Hr. Borchmeyer, Konigl. Preuss. Forstmeister zu Neuhaus, Bruder ‚des ersterwähnten , dafs er mehrmals Eichhorner beim Abschalen a Lerchbäume wirklich getrof- fen habe.
Die Reihe des Verdachts kam nun an die Haselmaus und den Siebenschläfer; während dem man sein Ausenmerk auf diese wandte, liefs die
Regierung ion Amtsblatte bekannt machen, dals ein vierfulsiges Thier, von der Grolse eines Eich- hornes , welches oben dunkelgrau, und unten weils efarbt sei, bei dem Abschalen erblickt worden seyn solle. Diese Bezeichnung schien auf beide zu passen, und man hoffte, wo nicht in demsel- ben, doch in dem folgenden Sommer Gewifsheit zu erlangen. Allein es hat sich seit dem nicht die ‚geri ingste Spür wieder gezeigt. Der de, verstorbene Hr. Forstrath Bechstein, welcher zur Zeit der Erscheinune daruber berich-
>
tet worden, konnte keine Aufklarung $ oeeben. Er-
wähnter Hı. Forstmeister W..A. Borchmey er
122
schrieb daher noch den ı2. Oktober 1823, dafs ihm die 'Thierart, welche das Abschälen in der dortigen Gegend, bei Mannsgedenken nur einmal verubt habe, und zwar an verschiedenen Orten, durchaus unbekannt sei.“
Zur Auflosung dieses Problems theilen wir hier mit, was auf eine ganz ähnliche Erscheinung in den Gemeinnützigen Schweizerischen Nach= richten vom Jahr 1813. No. 66. S. 264. von Thun aus bekannt gemacht wurde.
„Vor einiger Zeit ward unsere Äufmerksam- keit aufs hochste gespannt, und auf ein unbekann- tes Eitwas gerichtet, das mit furchtbarer Schnel- ligkeit unsere Stadtwaldıngen am Grüsisberg zu verheeren drohte. Es zeigten namlich unsere Bann- warte, welchen die Aufsicht jener Wälder an- vertraut ist, ihren Obern an: dals sie seit Kurzem an verschiedenen Stellen des gedachten Waldes, und gerade an den schonsten , im üppigsten Wachs- ihum beeriffenen Tannen, bedeutende und hochst
fe)
nachtheilige Abschälungen bemerkt hätten, welche
nothwendig das Abstehen der angegriffenen Stämme zur Folge haben mülsten. Bald war der ganze Stamm ringsum in der Breite von einem oder meh- reren Fulsen, bald nur ein grofser Fleck an dem- selben, und fast immer weit über Mannshohe , von Rinde entblofst. Man bemerkte an den schad- haften Stellen gar keine Spur des Gebrauches von Instrumenten, und das entbloste Holz war durch- aus glatt, ohne fremde Eindrücke; auch ergah sich aus der sorgsamen Wachsamkeit der Wald- aufseher,, dafs unmöglich Menschenhand jene Be- schädigungen hervorgebracht haben konme. Nun war aber die erolse Frage, woher jenes Verder-
r 5 5 | ben rühre, das; ungeachtet verdoppelter Auf-.
12)
merksamkeit doch mit verheerender Schnelligkeit überhand nahm, so dafs die Magistratur, welche ungesäumt die Sache untersuchen liefs, den Scha- den bereits auf: etwa 1000 Stamme der schonsten jungen Tannen schätzte. Selbst während des Au- genscheines wiesen die Bannwarte auf viele Stam- me, welche sie Tags vorher noch unangetastet gesehn zu haben versicherten. Die Sache war ‚zu wichtig, um halbe Mafsregeln zuzulassen, und
o°
der. Magistrat ergriff auch sogleich die klügsten
und wirksamsten Mittel zu Entdeckung des unbe- kannten Feindes, indem er eine ansehnliche Be- lohnung demjenigen versprach, der sichere Aus- ‚kunft darüber geben konnte; Diels bewirkte ver- doppelte Wachsamkeit der Waldaufseher, die nun Tag und Nacht auf der Lauer standen, allein wiederum ohne Erfolg, bis sich endlich einer ent- schlols, ohne alles Geräusch eine ganze Nacht auf einer 'Tanne zuzubringen, worauf er denn auch wirklich den unbekannten Feind gegen Morgen in seiner Nahe nagen horte. Noch erblickte er den- ‚selben nicht , allein seine Aufmerksamkeit war aufs ‚hochste gespannt; endlich gewahrte er den kleinen Missethäter und fand nun zu seinen Erstaunen dals es das gemeine Wald-Eichhörnchen sei. Er beobachtete dasselbe wie es sich mit seinen Nagzahnen oben in die Rinde hakte, dann mit den Vorderfussen sich ansperrend, ein bedeutendes ‚Stuck abrifs, und so nach Belieben seine Arbeit fortsetzte, bei jedem Geräusche schüchtern auf- fahrend. Hierauf nagte und verzehrte es von der Hinda;.den.innein. Bast (Splint) und liefs den Rest zu Boden fallen. Ein Schuls des Waldaufsehers streckte dasselbe zu Boden und die nachherise
gi = ‚Untersuchung seines Magens bewies, dafs es den
124 - -Bast wirklich als Nahrungsmittel zu sich genom-
‚men habe. Eine hierauf allgemein veranstaltete Jagd bestätigte vielfach diese Entdeckung. Er- fahrene Forstmanner versichern uns, dafs diese
Art zu schaden etwas durchaus ungewohntes von
dem Eichhörnchen sei, das sich gewöhnlich da- mit begnügt, im Frühjahre die jungen Tannen-
sprolslinge abzunagen, und welches ‘also durch
jenes bewirkte Unheil einen kostspieligen Beweis
von seiner Eirfindsamkeit in Gewinnung neuer Nah-
rungsmittel ablegt. Vermuthlich hat die nasse
Jahrszeit eine der gewöhnlichen Sommerspeisen
jener 'I'hiere ungenielsbar gemacht, und sie daher
genothigt etwas ander ‘es aufenimöhene und da der
anhaltende Pegen die Rinde und a Bast der
Tannen ungew öhnlich saftig zart gemacht hat, so
wurden die Eichhörnchen in den Fall gesetzt, mit
ihren geringen Rräften das neue Nahrungsmittel gewinnen zu konnen, welches ihnen in einem trockenen Jahrgange vielleicht nicht gelingen dürfte. ‚Wir machen dieses absichtlich bekannt, damit im Fall sich ahnliches an andern Orten. zutragt, so- gleich und ohne Saumen das Zweckmälsige ver- anstaltet werden kann, ehe es dem kleinen Feinde selingt, so grolse Verwüstimgen anzustellen, wie abe in den Waldungen unserer Stadt gesche- hen ist.‘
. fügen wir nım noch bei, was im Laufe dieses Sommers, im den letzten Tagen des Brachmonats sich hier in der Stadt Bern selbst zugelragen hat. Man bemerkte namlich emes Morgens, dals in einer der Rofskastanien-Alleen, welche die Platteforme neben der Miünsterkirche zieren, viele der obersten jungen Schofse vom
Jahre anstatt gerade in die sche zu stehen , matt
125
.und’ wie eingeknickt zur Seite herabhiengen. Bei näherer Untersuchung zeigten sich alle diese jun- gen Scholse unten durch einen Querbils einge-. kniekt, die weiche grüne Schaale aber war von- de Art nach: der Spitze zu aufgeschlitzt und hieng' ın schmalen Sireifen herab. Der Gartner, dem die Besorgung dieser Baume obliegt, liels die’ verletzten Scholse wegschneiden, allein am fol- senden Morgen hiengen wieder eben so viele zer- knickt herab. Natürlich fiel der Verdacht dieses’ Frevels sogleich auf Thiere und der CGonservator unsers -zoologischen Museums, C. Aohrdorf,
als ein weiches Schutz , wurde beauftragt die Verderber zu entdecken und zu erlegen. iss begab sich also früh morgens vor Tagesanbruch auf die Gallerie des Rirchendachs, wo er die Wipfel der nahestehenden Baume sehr gut übersehen und seinem scharfen Jagerauge nahe? entgehen komnte,
was sıch etwa in dauksiben zeigen na Raum fieng der Tag an zu grauen, so vernahm er schon
ein naok indes Gerausch, womit der Verderber seine Operationen begann und bald verriethen die schwankenden und niedersinkenden Scholse den Feind, und siehe da! es war kein anderer, als das gemeine Eichhorn. - Eine Weile sahe R. der Arbeit des 'T'hieres zu, um eine Idee zu haben , wie es zu Werke gieng und wie viel es allein wohl in einer gewissen Zeit verderben könne. Nun bemerkte er, wie das T'hier, auf dem Ast sitzend,
zuerst nahe he: dem Auge, aus welchem das j junge Reis aufgeschossen war, einbils, dann aber ver- mittelst der beiden spitzen Schesidossline des Un- terkiefers die grüne Schaale des Scholses von dem gemachten Bils an so weit aufschlitzte, als es nur vermoge. einer. gänzlichen Ausstreckung seines
ı26
Körpers zu reichen vermogte, ‘worauf es den Splint des Scholses verzehrte. Da nun aber hiebei jedesmal nur wenig herauskam und überdiels noch hei der Bewegung des Scholses ein guter Theil des Splints hinunterfiel, so sah sich deswegen das Thier genothiget, um sich zu sattigen, die Ope- ration an vielen Scholsen zu wiederholen, welches aber mit grolser Schnelligkeit von Statten gieng. So überzeugte sich Ri. dafs dieses einzige hier, den ganzen Shixher bemerkten Schaden ganz allein habe anrichten konnen, und wirklich Tat auch, nachdem sein Schuls das Thier erlegt hatte, diese Baumbeschädigung gänzlich aufgehört. —
Nach diesen beiden hier und in Thun gemach-
ten Entdeckungen ist es wohl nicht mehr zu be-
zweifeln, dafs auch jene in Laurop’s Journal erzählte
Thatsache dem Eichhorn zugeschrieben werden
müsse, um so mehr da, laut jenem Bericht ein.
Bauer wirklich ein solches Thier beim Abschalen eines Baumes geschossen zu haben versichert hat, welche Versicherung also durch die hiesigen Ent- deckungen volle Glaubwürdigkeit erhalt.
v2.
Beitrag zur Naturgeschichte des Dachses , von Dr. S.
Letzihin besafs ich einen lebenden Dachs , den ich anatomisch untersuchte. Obschon er zahm
war, sich streicheln und hin und her tragen liels, so war er doch nicht harmlos, sondern sehr blut- -
dürstig. Bei Tage schlief er meistens, als ıch
Oo,
aber 3 9 junge Grünspechte zu ihm ins Zimmer
127
that, .sprang .er. plotzlich auf dieselben lofs, bifs allen zuerst die Kopfe ein, lekte ihr Blut, brach dann ihre Flügel, und dann erst frals er sie bis auf wenige Schwungfedern vollstandig auf, die Beute mit den 'Tatzen haltend, ganz barenartig. Einen jungen lebhaften wilden Fuchs, den ich im glei- chen Zimmer unangebunden hatte, frafs er uber Nacht bis auf wenige Schwanzhaare auf, nachdem er ihn an der Gurgel gepackt und erbissen hatte. Er war beinahe unersättlich, und frafs ausgezeich- net gern Fleisch, obschon er vorher über ein Jahr langinur mit Milch und Pflanzenspeisen erhalten worden war. Einen an der Wand hängenden Rock zerbifs er über Nacht in mehr als 40 kleine Stücke. Er scharrte sich, wie die Katze, in die Erde eine Grube mit den Vorderfüssen , worein er seine Excremente legte, und die er mit den Hinterfülsen wieder zudeckte. — Die Brustmuskeln haben viele Aehnlichkeit mit denen des Maulwurfs und somit mit denen der Vogel, der Darmkanal ist beinahe überall gleichformig weit und ohne Blinddarm , wie beim Marder.
VII, Nachricht für Geognosten.
In dem seiner merkwürdigen Petrefacten we- gen von Alters her berühmten T'hale von Court und Malleray, Bisth. Basel, empfehle ich den Be- such einer ziemlich hohen Felswand am nördlichen Abhang , gleich hinter Sorvilier. j
Die Grundlage des Hügels, dessen Profil die Felswand aufdeckt, ist lockere Molasse oder ganz loser Sand, dann folgt ein ungefähr ı"" mächt.
128 h Lager von ausgezeichnetem Muschelsandstein , in Em sich Hayfischzähne finden , auf demselben ein 0,7" mächt. Lager von Sülswasserkalk, mit Ab- drucken kleiner Planorben; dieser Kalk wird be- deckt durch ein bei 2" macht. Lager von Muschel- sandstein, dem ımtern vollkommen ähnlich; dann folgt lockere Molasse, die Nagelfluhgeschiebe auf-- nimmt und zuletzt in wahre Nagelfluh übergeht, unter deren Gerollen man alle ausgezeichnetern Gra- nite, Porphyre u. s. w. der Thuner- oder Emmen- thaler-Nagelfluh, aber auch nicht ein einziges von Jurakalk findet. Diese Nagelfluh ist bei 5” mächt. Wenn,nach einer zienlich verbreiteten Annahme, der weisse Jurakalk, aus dem beide Thalwände und wohl auch der Grund des Court-Thales bestehn, Kreide ist, und die Molasse der plastische Thon von Paris, so hatten wir hier also die ganze For- mationsfolge von Kreide, plastischem 7 hon, cal- caire grossier, Sulswasserkalk , gres marin supe- rieur und terrain de transport; nur setzt sich dieser Vergleichung die vollkommene Identität des obern und untern Muschelsandsteins und die Natur der Ge- birgsarten entgegen, aus.denen die Nagelfluh besteht. Auf dem Gipfel eines, näher bei Court, mitten im Thale liegenden Molasse-Hügels, fand ich ein Geschiebe von brawnlichem Jurakalk sanz voll von Pholadenlochern,, welche grofstentheils noch die Schaalen der Pholaden,, ausserordentlich gut erhal- ten, einschlossen. Es wäre von hoher Wichtig-
keit dieses Gestein anstehend zu finden.
B. Studer.
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Ueber das Gebläse mit verdichtetem Änallgas, von Prof. G. Brunner, in Bern. (Mit einer Abbildung.)
Zur V ervollständigung des, unsrer Akademie zu- gehörigen chemischen Apparates, fand ich mich veranlalst, auch ein Knallgasgebläse verfertigen zu lassen. Ich las zu diesem Finde alle von diesem merkwürdigen Instrumente vorhandenen Beschrei- bungen nach, und suchte daraus Belehrung zu seiner zweckmalsigsten Einrichtung zu schöpfen.
Obgleich Hr. Pfaff *) uns vor einigen Jah- ren eine kurze Zusammenstellung der verschiede- nen Abanderungen, welche man nach und nach bei dem Knallgasgeblase getroffen , in einem Auf- satze mitgetheilt hat, um einige von ihm selbst über diesen Gegenstand unternommenen Versuche daran zu reihen, so glaube ıch, wird es doch nicht ' ganz überflüssig seyn, hier eine ähnliche Ueber- sicht zu geben , und zwar um so weniger, da seit Hr. Pfaffs Mittheiling noch einige wesentliche Vorschläge zur Verbesserung, unsers Instrumentes gethan worden sind, _
Die Erfindung des Geblases mit verdichtetem Knallgas wird gewohnlich dem durch viele seithe-
*) In Schweiggers Journal XXII. Natw. Annl. II. 2. 9
n 1J0
rige Arbeiten berühmten Prof. Robert Hare zu Philadelphia zugeschrieben, obschon Glarke *) ausdrücklich sagt, sie ruhre „von einem unbekann- ten Deutschen“ (an unknown native of Germany) her. Die ersten Versuche von denen wir Nach- richt haben, sind von Robert Hare und stehen in Bruce’s american mineralogical journal I. 97. (1802), im Auszuge in den Ännales de Chimie XLV. ı13. und in Gehlens Journal I. 288.
Von dieser Zeit an blieb die Sache liegen bis ım Jahr ı8ı6 Newmann und Clarke zwei Abhandlungen darüber bekannt machten, welche uns in mehrern Zeitschriften ““) mitgetheilt wurden.
Der von diesen beiden letztern beschriebene Apparat bestand in einem viereckigten Kästchen von Hupferbiech, in welches vermittelst einer Compressionspumpe Rnallgas hineingeprelst wurde. Durch ein mit einem Hahn versehenes glasernes Rohrchen von sehr engem Durchmesser liels man das Gas ausstromen und setzte den zu erhitzenden Korper dem angezündeten Gasstrom aus. Ver- mittelst dieses Apparates erhielten die angeführten Chemiker höchst merkwürdige Resultate, welche in den angezeigten Schriften weitlaulig beschrie- ben sind. :
Allein es zeigte sich sehr bald ein Umstand, welcher für die Anwendung dieser Schmelzungs- maschine hochst nachtheilig zu werden drohte. Man fand namlich theils durch Zufall **"), -theils durch eigens in dieser Absicht angestellte Versuche, dafs , wenn die Oeffnung der Ausstromungsrohre
*) Gilberts Annalen LY. 5. *"): Gilb. Annalen LV. 1. — Annales de Chimie et de Phy- sique III. 39. — Schweiggers Journal XVILI. 225. 223. ”*) Gilb. Annalen LXII. 251.
131
eine betrachtliche Grofse hat, die Flamme leicht in das Innere des Gefässes hineindringen, das in demselben enthaltene Gasgemenge NE en und das Gefäls zu nicht geringer Gefahr der Um- stehenden zerschlagen werden konne.
Um diesem Nachtheile vorzubeugen , schlug man nun verschiedene Einrichtungen a
So empfahl z. B. Buchner “) das Gas durch mehrere Haar-Roöhrchen stromen zu lassen, und dieselben auf einen Punkt zusammenzuführen.
Ein ähnliches Sicherungsmittel, welches das Zurücktreten der Flamme verhindern sollte, gab auch Wollaston *“) an. Auf dem namlichen Grundsatze, namlich der Erkaltung der Flammen bei ihrem Durchgange durch Metall, beruht auch die Sicherung mittelst feiner Drathgew ebe, die man im Innern der Ausstromungsrohre Anbra chi ‚so wie Davy dieses bei seinen Sicherungslampen an- zubringen gelehrt hatte. Alle diese Mittel bewie- sen sich als zweckmalsig, machten aber natürlicher Weise den Apparat zusammengesetzter ohne voll- ständige Sicherung zu gewähren.
Da man durch einige ungeachtet dieser. Ver- besserungen erfolgte tn sehr yorsichhig gemacht wurde, So. brachte Newman 9 a na Kasten des Gebläses einen zum Theil mit Wasser oder Oel angefüllten kleinen Behälter , durch wel- chen das Gas vor dem Eintritte in Sp Ausstro- mungsrohre hindurchgehen mufste. Trat nun auch die, Flamme in. diesen, Theil, des Apparates , so seschah daselbst die Detonation der geringen Menge
S S wegen ohne Schaden und das Feuer wurde durch
Bes. Schweigg. Journ. XVIII. 252. Gilb. Annal. LXII. 274. *#*) Schweigg. Journ. XVILI. 337.
192
i
die Flüssigkeit verhindert sich dem ganzen Gas- vorrathe mitzutheilen.
Allein ungeachtet dieses Behälters und zweier Drathgitter wurde doch einmal bei Clarke ein sol- cher Apparat zertrümmert “). Defswegen schlofs er nın denselben in einen aus starken Brettern zu- sammengesetzien Schrank ein, welcher so gestellt wurde, dafs die eine wandlose Seite desselben dem Fenster zugekehrt war, so dafs bei einer stattfindenden Explosion die Stücke hinausgewor- fen würden “*). Zugleich wurde die dem Fenster zugekehrte Seite des Blechkastens ein wenig schwa- cher als die übrigen gemacht, damit nur diese und ohne bedeutenden Schaden für die übrigen Theile des Apparates losgerissen werden mochte.
Man sieht leicht ein, dafs diese Einrichtung allerdings Sicherung gewährt, dafs aber zugleich das Instrument zusammengesetzter und daher die Ausführung schon etwas schwieriger ist. Dieses
= mag auch die Ursache seyn, warum man es so
Eee in chemischen Laboratorien antrift. Wenn übrigens gleich auf diese Art der Experimentator gesichert ist, so ist es doch der Apparat selbst nicht, indem beim jedesmaligen Zurucktreten der Flamme derselbe zertrummert wurde.
Man war daher immer noch darauf bedacht, den Apparat zu verbessern und zwar befolgte man zwei einander ganz entgegengesetzte Wege.
Booth brachte das Gemenge in eine unter einem gelinden Drucke befindliche Blase und liefs es durch einen Bündel feiner Haar-Rohrchen aus-
stromen """).
*) Gilb. Annal. LXIi, 25 **+) Ebendas. 265. ji N) Gilb. Annal. LXIL 279.
133
Ungefähr die namliche Vorrichtung beschrieb auch Gurney ”). Vor dem Ausstromen des Ga- ses leitete er dasselbe durch eine kleine Kammer worin es durch Wasser und nicht weniger als achtzig (!!) Draihgitter hindurchgehen muls.
Obschon nun freilich durch solche Blasen- Apparate alle Gefahr vermindert wird, so müssen dieselben doch in der Anwendung sehr unbequem seyn. Denn wenn der Druck nicht vollkommen gleichformig fortwirkt, welches sehr schwer zu erhalten seyn mag, so muls bei jedesmaligem Auf- hören oder Nachlassen desselben nothwendiger- weise durch die Elastizität der Blase die Flamme einwärtsgesogen werden und die Explosion ver- anlassen.
Einen ganz andern Weg schlug Beale*“) ein. Er verfertigte ein Gefafs aus halbzolldickem Guls- eisen mit einer Bodenplatte von Blei, welche beı allfalliger Explosion als der schwächste Theil durch den mit einem kreisrunden Ausschnitt versehenen Tisch herausgeschlagen werden sollte.
Osbrey *""") verfertigte ein ungemein starkes Gefals aus gegossenem % Zoll dickem Kupfer, welches noch mit einer spiralformig gewundenen und zu einem Gylinder zusammengeschweilsten ı% Zoll dicken eisernen Stange verstärkt wurde. Dieses gewaltige Instrument füllte er mit ı öfacher Ladung von Rnallgas, entzündete die Ladung durch einen hineingeleiteten elektrischen Funken und die Detonation geschah ohne Schaden.
*) London journal of arts and sciences Novb. 23. (Dingl. polytechn. Journal XIII. 445. XIV. 231.)
**) Gilb. Annal. LXII. 273. ”*+) Gilb. Annal. LXII.
134
Ein solches Instrument hat nur die beiden Fehler, dafs es ı) zu kostspielig und 2) zu schwer- fällig ist. Es lalst sich leicht berechnen, dafs es wohl gegen hundert Pfund wiegen muls.
Noch mufs ich eines andern Vorschlages er- wahnen, welcher von einigen gethan wurde und der die Sicherung des Apparates bezwecken soll.
Man suchte namlich die Gefahr dadurch zu ver- meiden, dafs man die Gasarten aus abgesonder- ten Behältern zusamımenstromen liels. So war auch der zuerst von Hare beschriebene Apparat beschaf- fen. Versuche dieser Art mit Steinkohlengas und mit Wasserstoffgas beschrieb Zampadius ").
Ridolfi und Brugnatelli brachten die Gas- arten in abgesonderte Blasen, welche unter einem.
geringen Drucke befindlich waren und deren Oeff-
nungen einander genähert wurden ““).
Auch Edwards **”) und Schmidt f) beschrie- ben solche zweitheilige Apparate. Murray em- pfahl sogar einen in drei gleiche Theile getheilten anzuwenden, aus zwei Abtheilungen Wasserstoff- und aus der dritten Sauerstoffgas ausstromen zu lassen ff).
Mehrern Nachrichten zufolge soll aber ein solches aus verschiedenen Kammern bestehendes Instrument nicht die Wirkung eines Knallgasge- bläses nach Newmann’scher Artthun. Der Grund davon scheint in der weniger innigen Mengung der Gasarten zu liegen.
Einige Naturforscher suchten den Apparat durch die zweckmälsigste Auswahl der anzuwen- denden Gasgemenge zu vervollkommnen.
*) Schweigg. Journ. XIX. 319. +") Schweigg. Journ. XX. 218. ***#) Gilb. LXII. 270.
) Gilb. LXVI. 84. +T) Gilb. LXII, 271.
195
Nach Clarke soll ein Gemenge aus 2 Vo- lumtheilen Woasserstoff- und ı Volumiheil Sauer- stoffgas die stärkste Hitze geben“), nach Davy * ) soll ein geringer Vcberichuß an Wasserstoffgas bei diesem Gemenge sehr vortheilhaft seyn. Biden solchen etwas gröfsern Ueberschufs an Wasserstoff, namlich 3 Volumtheile auf ı Volumtheil Sauerstoff- gas will Clarke bei Reduktionen vorzüglich wirk- sam sefunden haben. Die beiden Kohlenwasser-
stoffgasarten dagegen gaben ihm keine befriedigen- den Resultate.
Die Untersuchungen von Pfaff ””*) endlich haben über mehrere Punkte bei Einrichtung des Kinallgasgebläses Licht verbreitet. Dieser Physi- ker untersuchte die Umstände unter denen das Zu- rucktreten der Flamme eines brennenden Gasstro- mes in das Behaltnifs aus welchem es ausstromt , statt findet. Nach ihm richtet sich dieses theils nach der Einge des Ausstromungsrohres, theils nach der Länge desselben , theils nach dem Drucke unter welchem das Bean geschieht. Die in dieser Absicht mit Gasgemengen, die in Blasen, welche durch bestimmte Gewichte belastet waren, und durch kupferne Rohren von bestimmter Länge und Weite ausstromten, angestellten Masche zeigten, wie dieses auch zu ERBE war, dals durch Vermehrung des Druckes , Verkleinerung der Weite der Klee und Verlängerung der K. tern das Zurücktreten erschwert und endlich auch gänzlich verhindert werde. Die Gasarten , mit denen Hr. Pfaff seine Untersuchungen anstellte,
waren Gemenge von reinen W asserstollgas, von
*) Schweigg. Journ. XXT. 384. **) Gilb. Annal. LXVI. 149. **9) Schweigg. Journ. XXII. 402,
136
olerzeugendem Gas (durch Einwirkung von con- centrierter Schwefelsäure auf Alkohol dargestellt) und von Steinkohlengas mit Sauerstoffgas. In Pucksicht der Entzundlichkeit dieser Gasgemenge und der daher zu treffenden Sicherungsanstalten , stehen nach seinen Versuchen diese Gasarten un- ter sich in der eben angeführten Ordnung.
Auch uber die Wirksamkeit verschiedener Gasgemenge stellte Hr. Pfaff Versuche an. Er fand, dafs ein solches aus 214 Volumtheilen Sauer- stoff- und ı WVolumtheile olbildendem Gas die stärkste Wirkung gebe. Etwas weniger leistete ein Gemenge aus ı 'T'heil Steinkohlengas und 2 Theilen Sauerstoff. Dasselbe gab aber immer noch eine stärkere Hitze als ein Genienge aus 2 Vo- lumtheilen Wasserstoff- und ı Volumtheile Sauer- stoflgas.
Diese Resultate scheinen mit jenen Angaben von Clarke und Davy nicht ganz übereinzustimmen.
So viel war mir zur Zeit über das Knallgas- geblase bekannt, als ich mich mit der CGonstruk- tion eines solchen Instrumentes befaflste. Unter den verschiedenen hier angezeigten Einrichtungen schienen mir die meisten zu künstlich und zu sehr kleinen Zufallen ausgesetzt, denn man sieht leicht ein, dals bei den vielen Ventilen, Sicherheitsgit- tern, Sperrungen mit Wasser oder Oel u. s. w. gar zu leicht etwas in Unordnung gerathen oder ausser Acht gelassen werden kann und alsdann nothwendigerweise ähnliche Zufalle, wie diejenigen, die sich bei Clarke zutrugen, erfolgen müssen. Ueberdiefs setzen die meisten dieser Einrichtungen schon geschickte Mechaniker voraus, und, ob- gleich es mir an solchen keineswegs fehlte, so
Y 197
suchte ich doch dem Instrumente eine einfachere Kinrichtung zu geben und es dadurch auch für andere brauchbarer zu machen.
Unter allen oben anceführten Vorschlasen
5 5 schien mir blofs derjenige von Osbrey vollkom- mene Sicherung mit der vollen Wirkung des In-
strumentes zu verbinden. Ich schenkte daher dem- selben vorzüglich meine Aufmerksamkeit. Herr Osbrey schien mir indessen seine Vorsicht zu weit getrieben und seinem Apparate zugleich mit der
Starke eine unnatürliche und im hochsten Grade
unbequeme Schwerfalligkeit verliehen zu haben. Es war daher vorerst zu untersuchen, wie grols wohl die Kraft seyn müsse, welche der Ausdeh- nung und dem gleich darauf erfolgenden Verschwin- den des verbrennenden Gasgemenges entgegenge- setzt werden musse. Dafs diese eine so unge- heure nicht sei, schien mir aus mehrern Betrach- tungen hervorzugehen. So kennt z. B. jeder den Versuch , durch welchen man bei chemischen Vor- lesungen gewohnlich die Bildung des Wassers zeigt, indem man namlich Knallgas in einer star- ken gläsernen Kugel mittelst des elektrischen Fun- kens entzundet. Es ist ferner bekannt, dafs wenn man bei der elektrischen Pistole den Stopsel so befestigt, dals er durch die Verbrennung nicht herausgeworfen werden kann, diese bei einem In- ann von gewohnlicher Senke ohne den ge- ringsten Schaden vor sich geht. Ferner ist doch endlich die Ausdehnung, welche man bei der Ver- pufflung eines Gasgemenges im Eudiometer wahr- nimmt, auch keine so ungeheure.
Ein nun ungefahr ein annaherndes Mafs für die nothige Starke des Gefasses zu erhalten, machte ich mehrere Proben mit Glasern von verschiede-
E
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ner Stärke, die ich mittelst einer Gondensations- pumpe mit Knallgas anfüllte, welches ich durch eine eigene Vorrichtung , mittelst eines isolierten, in das Intiere-des'Gekässes geführten Metalldrahtes entzündete. Ich fand, dals ein Glas von /4 Un- zen Inhalt und ungefähr % Linie Dicke zum Ver- brennen einer nicht comprimierten Atmosphäre von Koallgas (aus 2 Volumtheilen Wasserstoff- und ı Volumtheil Sauerstoffgas) hinreichend stark sei. Durch eine erst nahe an mal comprimierte At- mosphäre wurde ein solches, allerdings mit grolser Heftigkeit, zerschmettert. Hieräuf versuchte ich das Alice mit blechernen Gefassen von der gleichen Gestalt. Dieselben erforderten schon Bere Ladungen. Ein eylindrisches Gefals von starkem Kupferblech konnte ich auch durch eine 8fache Ladung nicht mehr zersprengen “).
Ich lhiefs nun ein Gefals aus Kanonenmetall gielsen, welches nach einigen Abanderungen die auf der beigefügten Zeichnung dargestellte Ein- richtung erhielt.
Ein cylinderformiges Gefals 4 Fig. ı. von 8 541 Hohe, 3’ 10’ Weite im Lichten (also 97,11 Gub. Zau haltend) dessen Wand 4’ dick ist, wird mit Boden und Deckel versehen, welche 10’ dick sind, und, nachdem ein Ring aus ge- walztem Blei dazwischen gelegt worden, in den Cylinder eingeschraubt werden; mittelst eines star- ken angegossenen Zapfens N steht das Gefals in
einem Yiereckigten Boden aus hartem Holz M
*) Es ist mir überhaupt unbegreifich, wärum man fast im. mer viereckigte Kasten anwandte, da man doch weifs, dafs dergleichen Gefässe einem Drucke sowohl von innen als von aussen weit weniger Widerstand leisten als cylın. drische.
5) 1 Jg
Ungefähr Zu über dem Boden des Gefasses geht seitwärts eine gerade Rohre 3 aus, deren innerer Durchmesser 173’ beträgt. Dieselbe verlängert sich in horizontaler Richtung 8° weit von dem Gefasse und kann der Bequemlichkeit wegen, in ihrer Mitte durch eine Schraube C auseinander genommen werden. Ungefähr ı vor ihrem Ende ist sie mit einem Hahn / versehen, durch dessen Oeffnen und Schliefsen der Gasstrom regliert wird.
In der Mitte des Deckels ist das Ventil D, welches demjenigen einer Windbüchse ähnlich ist, befestigt, so dals es ungefähr 24’ weit in den innern Raum des Gefäasses hinabreicht. Ueber diesem Ventil ‘wird die Gondensationspumpe aufgeschraubt.
In F hat der Deckel eine kleme Oeffnung, welche mit einer Schraube vollkommen uftdicht verschlossen wird ”).
Das Füllen des Instruments geschieht auf fol- gende Art. Zuerst muls die in demselben enthal- tene atmospharische Luft herausgeschafft werden. Dieses wird dadurch bewerkstellist, dals man es durch die Oeffnung 7 mit Wasser anfank, Hierauf wird, nachdem diese Oeffnung wieder verschlos- sen, eine das Gasgemenge enthaltende Blase G an die Schraube H der Condensationspumpe an- gesetzt und das Gas aus derselben bei geoffnetem Hahn / hineingepumpt, bis, bei eiWae geneigter Stellung des Tostrnnientäh. kein Wasser mehr aus- fliefst. ® Alsdann wird dei Hahn sogleich zuge- dreht und die beliebige Menge von Gas durch die
Pumpe hineingebracht.
”) Die Ausführung meines Instrumentes geschah durch un.
‘ sern geschickten Mechaniker Sceherzk , dem ältern. Gerne gestehe ich, demselben mehreres an seiner Einrichtung zu verdanken.
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Bei dem Gebrauche des Instrumentes werden an das Ende der Ausstromungsröhre Ansätze von beliebiger Gestalt A, ZL mit femen Oeffnungen angeschraubt.
Obgleich meine oben angegebenen Versuche mich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf hinlang- liche Starke meines Apparates bei einer etwaigen Entzündung des Gasgemenges schliessen liessen , so ware es doch unklug gewesen, nicht noch be- sondere Versuche hierüber anzustellen.
Zu diesem Ende füllte ich das Instrument mit seinem /fachen Volumen Knallgas aus 2 Volumen Wasserstoff- und ı Volumen Sauerstofigas *) und entzundete es mittelst des elektrischen Funkens , den ich durch einen in / hineingekitteten, durch eine Glasrohre isolierten messingenen Draht hin- einleitete. Das Gas verbrannte dabei ohne Scha- den für das Gefals mit einem schwachen klingen- den Tone, ungefähr als wenn man mit einem harten Korper einen schwachen Schlag an den Cylinder gethan hätte. Das Gefals fand sich bei der Un- tersuchung bis auf einen geringen Ruckstand, der aus Stickgas und Wasserstofigas bestand , leer. Das nämliche Resultat erhielt ich, als ich zu ver- schiedenen Malen den Versuch mit 6—-8facher Ladung wiederholte. x 5
Im Anfange hatte ich die Ausstromungsrohre zum Theil aus Glas verfertigen lassen. Dieser Theil wurde bei jenen Versuchen mehrmals zer-
trummert. Auch milslangen einige dadurch , dafs
*) Das Sauerstoffgas war zu diesen wie zu allen folgendeu Versuchen durch Erhitzen von Braunstein und Waschen des erhaltenen Gases mit ätzendem Kalı, und das Wasser. stoffgas durch Auflösen von Zink in verdünnter Schwe. felsaure bereitet worden,
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‚die den Draht in 7 enthaltende Glasrohre heraus- geworfen wurde. Allein als ich die Ausstromungs- rohre mit einer metallenen vertauschte und der Pohre in 7 eine, nach innen sich etwas erwei- ternde konische Gestalt gab, siengen die Ver- suche vollkommen ruhig und ohneSchaden vor sich.
Gerne hätte ich einen solchen Detonations- versuch mit vollkommen reinen Greasarten ange- stellt, welche bei ihrem Verbrennen gänzlich ver- schwunden waren, weilman glauben konnte, dals bei nicht ganz reinen Gemengen das übrigbleibende Gas durch seine Elastizitat vielleicht auch durch Abkühlung des glühenden Wasserdampfes die Wir- kung mildern konnte. Es wollte mir indessen nicht selingen, aus Braunstein selbst, bei noch so sorg- faligem Waschen des sa mit Aetzkali ein volewlen reines Sauerstoffgas darzustellen. Da übrigens dieser Fall in der Praxis nie vorkommen wird, so hielt ich fernere Versuche über diesen Punkt nieht für wesentlich.
Da Hr. Pfaffs Versuche gezeigt hatten, dafs ein Gremenge aus Kohlenwasserstoffgas und Sa stoffgas in der Anwendung einigen Vorzug vor dem gewöhnlichen Knallgas verdiene, so wollte ich meinen Apparat auch mit einem solchen erpro- ben. Ich glaubte es mülste hier noch eher Ex- plosion statt finden, weil die entstehende Kohlen- säure nicht wie der Wasserdampf durch die erkaäl- tende Metallmasse des Gefässes eine V erdichtung erleiden konne. Ich bereitete zu diesem Einde ein solches Gas durch Zersetzen von Oel in einem gluhenden eisernen Gylinder. Das auf diese Art erhaltene Gas, welches durch atzendes Ralı ge- waschen worden, erforderte zu seinem sänzlichen
Verbrennen sein 2,37faches Volumen Sauerstoff-
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gas. Es wurde nun eine A,24fache Ladung eines
genau in diesem Verhaltnifs zusammengesetzten
Gemenges in dem Instrumente auf die angezeigte Weise entzündet, allein auch hier geschah die Verbrennung or den geringsten Schaden. Als Ruckstand erbielt ich ein Gas, welches aus einer entsprechenden Nenge von Kohlensäure und etwas Stickgas bestand.
Es blieb noch ein Versuch mit reinem olbil- dendem Gas zu machen übrig, welches bekannt- lich mit Sauerstoffgas semengt unter allen Gasge-
S = mengen die stärkste explodierende Kraft besitzt.
Ein re Gas wurde nach Daltons Vorschrift durch Destillation von ı Theil Alkohol mit /4 Thei- len Vitriolol bereitet. Um dasselbe vorlaulig zu untersuchen, entzündete ich ein Gemenge aus ı Volumtheile mit 3 Volumtheilen Sauerstoffgas in einem starken Volta’schen Eudiometer über Was- ser, allein das Instrument wurde mit grolser Hef- tigkeit zertrümmert.
Dieses ominosen V orspieles ungeachtet, lud ich ein Afaches Volumen eines solchen Gemenges in meinen Cylinder und entzundete es. Die Ver- brennung gieng aher vollkommen ruhig vor sich
und gab Eu Gas, welches fast ganz aus Kohlen- saure bestand.
Nun hielt ich die Starke meines Instrumentes für hinlanglich seprahk und zwar um so mehr, da ich die angegebenen Versuche sehr oft Eder, holt hatte. Ih fieng defshalb nun an, eine Reihe von Versuchen anzustellen, um die Wirkung die- ser Feuer-\Maschine kennen zu lernen.
Ueber die bei dem Gebrauche nothigen Hand- srife habe ich nur weniges zu bemerken. Ich
fand, dals eme zu starke Pressung des Gases
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nicht vortiheilhaft sei, weil sonst durch die starke Bewegung des ausstromienden Gases die Proben, wenigstens die pulverformigen und die geschmol- zenen leicht weggeblasen hd Ein gleichfor- mig anhaltendes mälsiges Ausstromen Eral Gases, welches durch Drehen des Hahns leicht erhalten werden kann, fand ich immer am wirksamsten. Delswegen ist es nicht rathsam den Apparat klei- ner als der vorliegende ist, zu construieren, weil man sonst für manche Versuche nicht einen hin- langlich gleichformigen Gasstrom erhält. Die mei- sten der gewohnlichen Apparate scheinen mir zu klein.
Es ist ferner nicht rathsam , einen Versuch so lange fortzusetzen bis die Stromung des Gases schwach zu werden anfangt, weil sonst sehr leicht die Flamme von der Probe zurückgetrieben, in die Rohre hineingelangt und die Entzündung des Gases im Innern des Gefässes veranlafst, welche zwar vollkommen gefahrlos ist, aber immer den Verlust des explodierenden Gases zur Folge hat. Ich pflege um dieses zu vermeiden, mit der linken Hand beständig den Hahn zu reglieren , sobald ich ein Abnehmen des Gasstroms fühle, welches bei einiger Uebung lehr leicht ist, den Versuch zu unterbrechen , und einen neuen Antheil Gas hinein- zubringen.
Zu den meisten Versuchen fand ich den ge- bogenen Ansatz Z am begiessten, ia LIE nung mag ungefähr 4 — 3" betragen. Zu gros- sern Verbrennungsversuchen wende ich a elen den geraden Ansatz K an, dessen Oeffnung un- gefahr %7' Durchmesser hat.
Die groste Schwierigkeit fand ich bei der Auswahl einer passenden Unterlage, auf welcher
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man die Proben dem Gasstrome aussetzen könnte. Alle Korper, die Kohle ausgenommen, schmelzen sogleich. Die Kohle hat den Nachiheil, dafs sich viele Substanzen in ihre Poren einsaugen, und dafs sie immer reduzierend wirkt. Kreide würde nach der Kohle noch am langsten dem Schmelzen wi- derstehen, ware sie nur nicht ebenfalls poros und ubte sie nicht oft durch ihren Ralk eine nachthei- ige Wirkung auf die Probe aus. Diesen Mangel an einer schicklichen Unterlage halte ich für den schlimmsten Umstand bei dem Gebrauche des Kınallgasgeblases. Feste Korper, die nicht zer- fallen oder weggeblasen werden, kann man am besten in einer kleinen Platin-Zange dem brennen- den Strome vorhalten, wobei man aber darauf zu sehen hat, dafs die Zange nicht von der Flamme getroffen werde.
Da ich bei meinen Versuchen einige Resultate erhielt, welche Glarke nicht beschrieb, in einigen auch solche, die von den seinigen verschieden waren, so theile ich hier mehrere derselben mit, in der Hoffnung einige hieher gehorigen Erschei- nungen dadurch naher zu beleuchten.
I. Schmelzungs- und Verbrennungs- Versuche.
Zu denselben diente ein Gemenge aus 2 Vo- lumtheilen WW asserstoffgas und ı Volumtheile Sauer- stoffgas. A
a. Metalle.
ı) Kupfer schmolz sehr schnell in Tropfen, die Flamme färbte sich grün.
2) Silber schmolz ebenfalls sehr leicht. Bei der vollen Hitze, die das Instrument geben konnte ,
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kochte es. Ein Antheil verflüchtigte sich in Gestalt eines weissen Rauches, der sich an einem Kupfer- bleche theils als ein graulicher Ueberzug, theils in sehr kleinen metallischen Punktchen,, (vielleicht mechanisch hinaufgespritztes Silber) ansetzte.
3) Platindraht % — ?4"' diek schmolz schnell am Ende zu eimer Kugel. Zugleich sprüh- ten nach allen Richtungen sehr kleine glänzende Funken aus. ;
Platinblech von einem Tiegel verhielt sich ebenso.
Platinschwamm (durch Ausglühen von Pla- tinsalmiak bereitet) entzündete den Gasstrom so- gleich, schmolz aber schnell zu einer Kugel *).
4) Nickel schmolz schnell zu einer Kugel und sprühte nachher kleine Funkchen aus, indem es verbrannte.
5) Eisen brannte mit lebhaftem Funkensprü- hen. Dicke Eisendrähte schmolzen vorn zu T'ro- pfen, welche herunterflossen. Zugleich sprühten glanzende Büschel ‚von glühenden Theilchen von der erhitzten Sielle aus, Es entstand dabei schwar- zes Oxydul. \
6) Stahlfedern verbrannten sehr leicht und mit lebhaftem Funkenwerfen. Die ausgeworfenen elühenden Theile spruhten noch in der Luft nach
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allen Richtungen glanzende Sterne aus. Eine %’
dicke Feile brannte mit sehr schoner Lichtentwick- lung , selbst ein mehr als %,” dicker Meissel wurde
*) Es gelang mir einige Male Risse in einem Platintiegel zu- zuschmelzen, indem ıch etwas mit Wasser zu Brei an. gerührten Platinsalmiak auf die schadhafte Stelle brachte: und dann das Gebläse darauf wirken liefs. — Einen klei. nen Platinlöffel stellte ich dar, indem ich an einem starken Platindrahte eine 1%, dicke Kugel schmelzen liefs und dieser durch Hämmern die schickliche Form gab.
Natw. Annl; II. 2. 10
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da wo er dem brennenden Gasstrome ausgesetzt war, unter lebhaftem Funkensprühen verzehrt,
Silicium, nach Berzelius dargestellt, wurde vor dem Gebläse nicht geschmolzen , noch erlitt dasselbe überhaupt eine Veränderung.
Die Wirkungen des Greblases auf die leich- ter schmelzbaren und oxydierbaren Metalle, wie Zinn, Zink, Blei u. s. w., wurde nicht unter- sucht, da das Verhalten derselben im Feuer be- kannt genug ist.
b. Steine. Erden. Erze.
Die meisten Angaben Glarkes hierüber habe ich durch Versuche bestätigt gefunden. Ich fuge nur noch einige bei.
Dolomit schmolz zu klarem Glas.
Eisenglanz von Elba schmolz schnell zu einem schwarzen magnetischen Korne.
Rotheisenstein
Brauneisenstein
Bohnerz
Dichtes Magneteisen
Erdiges Magneteisen ebenso.
Krystallisiertes Chromeisen aus Baltimore
Dichtes Chromeisen aus Frank- reich
Rutil in dünnen Krystallen schmolz schnell zu einem schwarzen Hugelchen.
Korner von gediegenem Platin schmolzen sehr schnell zu Kugeln.
Kieselerde (chemisch ausgeschiedene) schmolz zu klarem Gilase.
Talkerde zu weissem halbdurchtigem Email.
Alaunerde ebenso.
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Gemeine Kreide verhielt sıch als eine der strengflüssigsten Substanzen. Sie zeigte nur an den Ecken und Kanten einige Schmelzung. Da- bei war die Lichtentwicklung so heftig, dals die Probe nur mit Mühe wahrgenommen werden konnte ”). |
Kalkspath vom Harz verhielt sich ebenso.
Hupererde von Lengnau “") schmolz leicht zu einem gelblich-weissen Email.
Stückchen eines hessischen Tiegels schmol- zen schnell zu halbdurchsichtigen,, glasartigen Kornern.
Graphit sprühte Funken, rundete sich ab
Graphit beigemengten Erden herrühren.
1. Reductionsversuche mit kunstlich- bereiteten Oxyden und Salzen.
Hiezu wurden Gasgemenge mit etwas über- schussigem Wasserstoffgas angewendet. W olframsäure schmolz und sog sich in die
*) Diese äusserst starke Lichtentwicklung verursacht, ehe man sie gewohnt ist, bei dem Gebrauche des Knallgas- gebläses, einige Schwierigkeit. Das Auge wird dadurch anfangs so geblendet, dafs man die Probe kaum sehen kann, hat es sich aber einmal an das intensive Licht ge. wöhnt, so wird der Gegenstand mitten in dem Sonnen. ähnlichen Glanze wieder sichtbar , gerade so, als wenn
- man bei einem Hohofen neben dem Gebläse in das ge. schmolzene Eisen sieht, wo man anfangs nichts, nach einiger Zeit aber das in Tropfen herunterfliessende Me. tall deutlich wahrnimmt.
**) Ein fast reiner Kiessand , der zu sehr feuerfesten Töpfer.
/ .... Compositionen gebraucht wird.
”*) Sillimans Diamanten?
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Kohle ein. Als ich sie mit kohlensäuerlichem Natron gemengt dem’ Greebläse aussetzte, entstand ein dunkelgraues geflossenes Korn, welches beim Abkühlen auf der Oberfläche eine kryställinische Textur annahm. Beim Anfeilen desselben kam aber blols eine geschmolzene Salzmasse zum Vor- schein. Als dieses Korn noch weiter erhitzt wurde, verzehrte es sich unter Ausspruhen kleiner Funken. Auf der Rohle blieb ein kupferrother Fleck zurück, welcher, mit einer Lupe besehen, als aus einer Menge metallisch-glänzender geflossener Korner bestehend erschien, deren Farbe zwischen Ku- pferroth und Goldgelb fiel. Ob diese Korner das Wolfram-Metall oder ein verglastes Oxyd dessel- ben, der Bleiglatte ähnlich, waren, wage ich nicht zu entscheiden. Ihr Ansehen schien mir mehr für die erstere Meinung zu sprechen “). Ich glaube nicht, dals dieselben einem fremden Kor- per zuzuschreiben seien, denn die angewandte Wolframsäure war durch Glühen von vollkommen reinem wolframsaurem Ammoniak bereitet worden.
Ungefähr die namlichen Resultate erhielt ich, als ich wolframsaures Ämmoniak sowohl für sich als mit kohlensäuerlichem Natron auf Kohle dem Gebläse aussetzte. Mit wolframsaurem Ralı wollte mir der Versuch nicht gelingen. Dieses Salz schmilzt namlich und saugt sich augenblicklich ın
die Kohle ein.
*) Als dunkelbraun beschreiben die Gebrüder d Elhuyart , als stahl- oder eisengrau , Jauquelinund Hecht, Bucholz , Allen und Aiken dieses Metall. C/arke nennt es. kupfer. farben, meint aber die Kohle möchte an der Farbe eini. gen Antheil haben. Berzeäus (Anwendung des Löthrohres) spricht ebenfalls von einem goldgelben Metall, welches man vor dem Löthrohre durch Erhitzen der Wolframsätıre mit Baer A Kohle erhalte. Er scheint es für wirkliches Metall zu hälten.
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Grünes Chromoxydul ohne Zusatz wird immer fortgeblasen. Mit kohlensaurem Natron vermengt, reduziert es sich auf Kohle zu Metall. Der Versuch gelang mir aber nicht immer. Leichter geschieht die Reduktion dieses Metalles aus dem chromsauren Ralı, wenn dieses Salz für sich auf Kohle vor dem Gebläse behandelt wird. Es schmilzt anfangs und bald nachher erscheint eme blafsviolette (Kalium-) Flamme von einem weissen alkalischen Rauche begleitet. Unterbricht man die Operation zu rechter Zeit, so erhält man ein
deutlich gellossenes Metalikorn von stahlgrauer Farbe, gewohnlich hin und wieder mit kleinen
anhängenden Stäubchen von grünem Oxydul be- setzt. Wird die Hitze zu lange fortgesetzt, so verzehrt es sich und wird (wahrscheinlich im Au- genblicke der Oxydierung) alsein Rauch fortgeführt. Ich habe diesen Keduktiohey ersuch oft und stets mit dem namlichen Erfolge wiederholt. Da das angewandte Salz krystallisiert und vollkommen rein war, so war auch ohne Zweifel das erhaltene Metall rein. Es war immer sehr spröde, zeigte: beim Zerschlagen vollkommenen Metallglanz und wurde vom Magnet nicht gezogen. Sauerkleesaures Nickel (als ein apfelgrünes Pulver aus salpetersaurem Nickel-Ammoniak durch ‚sauerkleesaures Nalı gefällt) mit etwas kohlensau- rem Natron vermengt, gab sehr bald ein deutlich. geflossenes Metallkorn von hell-eisengrauer Farbe. Dieses Korn war kalt sehr dehnbar, und wurde vom Magnet stark, doch in etwas geringerem Grade als ein sleich schweres Stückchen Eisen ,
Oo
gezogen. — Erhitzt man das metallische Korn
noch langer, so verbrennt es unter Auswerfen
kleiner Funken.
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Ich komme endlich zu den Versuchen über. die so viel besprochene und bestrittene Darstellung der Metalle des Baryts und Strontians. Nach Glarke’s Beschreibing sollte man diese Reduktion für ganz leicht halten, in den Laboratorien zu London hat sie nie gelingen wollen. Auch ich gestehe gerne, nicht so glücklich als Clarke ge- wesen zu seyn. Obgleich ich mit allem Fleisse und mit dem besten Willen etwas metallisches zu sehen arbeitete und den Baryt bald auf die von Clarke angegebene Art als atzenden Baryt für sich oder mit Oel angerieben, oder auch als salpeter- saures Salz dem Gasstrome aussetzte, welcher einen sehr dicken Platindraht zu schmelzen ver- mochte, so brachte ich es doch nie weiter, als bis zum ätzenden Baryt. Das nämliche geschah . bei Anwendung von sauerkleesaurem und wein- steinsaurem Salze. Es entstand bei allen diesen Versuchen eine grünliche Flamme. Es möchte schwer zu entscheiden seyn, ob dieselbe von reduziertem und wieder verbrennendem Metall- dunste herrühre oder blofs glüuhender Barytdampf sei.
Ganz die namlichen Erschemungen zeigten sich bei Behandlung des Strontians, nur mit dem Unterschiede, dals die Flamme purpurroth war. Das von dem Baryt und Strontian reflektierte Licht war ausserordentlich blendend. | Es ware allerdings voreilig nach diesen mils- glückten Versuchen die Glarkeschen Angaben für unrichtig ausgeben zu wollen. Das Milslingen mag vielleicht an einem Umstande liegen , der mir nicht bekannt ist. Nur sei es mir erlaubt zu be- merken, dafs einige seiner Beschreibungen mir nieht deutlich sind. So z. B. ist nicht leicht ein- zusehen, was Glarke unter seinem salpetersauren
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Baryt versteht, welchen er als ein zerflie/sliches Salz beschreibt.
Kaum mag es noch nothig seyn, über die Anwendung des Knallgasgebläses etwas hier bei- zufügen. Der Nutzen eines solchen Instrumentes ist bereits bekannt genug. Es ware sehr zu wün- schen, dafs es auch im Grofsen ausgeführt wer- den mochte. Gewils würde man dadurch manche nützliche Wirkung erhalten konnen. Die Gefahr der Explosion, welche wohl bisher das groste Hindernifs bei einer solchen Anwendung war, scheint mir sehr leicht beseitigt werden zu konnen. Man dürfte nur dafür sorgen, dals wahrend der Arbeit beständig ein hinlänglicher Druck da wäre, und dals das Gasgemenge in einem hinlanglich starken Gefasse, welches auch eine allfällige De- tonation aushielte, zusammengeprelst würde. Eine ı2pfünder-KRanone mochte z. B. hiezu leicht ein- gerichtet werden konnen. Wie schatzbar mülste ein solcher Apparat z. B. für einen Platinarbeiter seyn! Ein grolseres Hindernifs für die Ausfüh- rung des Knallgasgebläses im Grofsen mochte die Darstellung grofser Mengen von Sauerstoffgas seyn. Doch dieses käme auf eine Berechnung an.
Als Brennmaterial konnte man nach Hr. Pfaffs Vorschlag Steinkohlengas anwenden. Dieses hat aber den Nachtheil, dafs es viel mehr Sauerstoff- gas als das gewohnliche Wasserstoffgas erfordert und wie mir aus einigen Proben zu erhellen schien, nicht viel mehr leistet; doch gestehe ich, keine genauen Versuche hierüber angestellt zu haben.
I:
Neue Einrichtung des V olta’schen Eudiomelers. Von ebendemselben.
Eines der unentbehrlichsten Instrumente für die Analyse der brennbaren Gasarten ist das Vol- tasche Kudiometer,, daher denn auch die Chemi- ker haufig darauf bedacht gewesen sind, die Ein- richtung desselben zu verbessern. Eine Haupt- schwierigkeit bei den Versuchen mit diesem In- strumente , ist die heftige Detonation gewisser Gasgemenge, welche oft die stärksten Rohren mit nicht geringer Gefahr für den Experimentator zertrummert. Besonders gefährlich sind die De- tonationen von Gemengen aus Sauerstoffgas mit olbildendem Gas. Saussure“) und Berzeliüs® Pr geben an, dafs die stärksten Eudiometer dadurch zerschlagen werden. Auch Berthollet hemerkt”*”) er habe die Analyse des olbildenden Gases mittelst dem Volta’schen Eudiometer nicht zu Stande ge- bracht, indem ihm zwei starke nie dieser Art zertrummert worden seien.
Obgleich nun Saussure diesem Val dadurch abgeholfen hat, dals er mehr Sauerstoff- gas Ankäihäte als zur Verbrennung erforderlich ist, wodurch die Heftigkeit der Explosion wegen der Blastizität des bei der Detonation_unthatig bleiben-
den Antheils von Sauerstofigas, vielleicht auch
*”) Annales de Chimie LXXVIII. 59. — Gilberts Annalen XLII. 351. **) Lehrbuch der Chemie. — Jahresbericht I. 30. ”+) Memoires de dien societe d’Arcueit II. Gilberts Annalen AXXIV,. 412
wegen der durch dasselbe bewirkten Abkühlung des brennenden Gemenges gemildert wird, und man auch zur Analyse brennbarer Gasarten ‘Ap- parate erfunden hat, worin die Verbrennung lang- sam vor sich geht‘ ), sowan dach in vialin Biilie ein Budiämeter ‚ welches die Detonation aushielte , sehr zu wunschen.
Da ich bei meinen Versuchen-üuber das Rnall- gasgebläse die Erfahrung gemacht hatte, dafs selbst ein comprimiertes Gemenge aus TER Gas und Sauerstoffgas in einem metallenen Gefasse von hinlanglicher Stinke ohne Schaden abgebrannt wer- den Kan , so suchte ich diese Erfahrung auch auf die Construktion eines solchen Eudiometers anzu- wenden. Ich gab demselben folgende Einrichtung.
AB Fig. 2. ist ein hohler Cylinder aus ge- schmiedetem Tisön; (z. B. der unterste Theil eines starken Flintenlaufes) von 6—7 Zoll Länge und etwa 0,7 Zoll innerem Durchmesser. In4 ist derselbe mit einer Schraube verschlossen, durch welche ein mittelst einer Glasrohre isolierter und in eine kleine Kugel sich endigender Draht einge- fuhrt wird. Das untere Ende des Rohres ZB hat eine etwas verengte und mit einem sorgfaltig eingeschliffenen Hahn Z versehene Oeffnung,, BR ter welcher es sich wieder etwas trichterformig erweitert. Der Gebrauch dieses Instrumentes ergiebt sich von selbst.
Da dergleichen Versuche, wenn sie genaue Be llste liefern. sollen ‚ über Queksilber angestellt werden mussen, so habe ıch mein Instrument aus Eisen verfertigen lassen. Wollte man es zu Ver- suchen über Wasser anwenden , so ware ein ku-
pfernes zweckmaälsiger.
*) Wie z, B. derjenige von Henry, in Gilb. Annal, XL.
154
Ich habe in diesem Eudiometer die am hef- tigsten explodierenden Gasgemenge, wie z. D. ı Volumtheil olbildendes Gas mit 3 Sauerstoffgas , ı Volumiheil Cyangas mit 2 Volumtheilen Sauer- stoffgas bei verschlossenem Hahn ohne den ge- ringsten Nachtheil verbrannt, und zweifle daher nicht daran, dafs es bei allen detonierenden Ge- mengen anwendbar seyn werde, Indessen em- pfiehlt auch hier die Klugheit immer Vorsicht, und es ist bei Gasgemengen, deren Wirkung man noch nicht kennt, immer anzuraihen, das Instru- ment so zu stellen, dafs der Experimentator ge- sichert sei, und die Entzündungen durch Draht- leitungen zu bewerkstelligen. Bei dem Verbren- nen von olbildendem Gas mit Sauerstoffgas ent- stand jedesmal ein zarter grauer Anflug im Innern des Instrumentes, welcher, da er auch den iso- lierenden Theil der Glasrohre c bedeckte, einen zweiten Verbrennungsversuch verhinderte. An- fangs glaubte ich, es mochte derselbe aus einer, bei der Verbrennung entstandenen olartigen Zu- sammensetzung bestehen, allein bei genauerer Un- tersuchung zeigte er sich als fein zertheiltes me- tallisches Quecksilber, welches wahrscheimlich durch den entstandenen Wasserdampf in diese Form gebracht worden , ungefähr so wie Fogel “‘) die Einwirkung des tropfbarflüssigen Wassers auf Quecksilber, welches anhaltend damit geschüttelt
wird, beschrieben hat.
*) Schweiggers Journal IV. 397.
ven [day | [2,18
III. |
Ueber die Pfäferser Heilquelle. Von Dr. J. R. Kochlin in Zürich.
Bibendum aut Moriendum.
Wenn der Arzt bei seinen Bemühungen, die Gebrechen und Krankheiten der Menschen zu heben , oder wenigstens zu lindern, von der Heil- kraft der Natur zum Theil oder ganz verlassen wird; so ist sein Geschaft sehr schwierig und er erreicht seinen Heilendzweck nur nach und nach mit Zeit und Weile, oder nur zum Theil, oder auch gar nicht; die kraftigsten Mittel bleiben dann oft unwirksam, mogen sie auch mit noch so viel Sachkenntnifs und Umsicht angewendet werden, oder, wenn sie einigermalsen Hülfe leisten , so bestehet diese in oft schnell vorübergehender Lin- derung der Krankheit.
Es sind namentlich die chronischen Krank- heiten, bei denen die Heilkraft der Natur in mehr und minderm Grade mangelt, gegen welche daher
der Arzt vorzüglich seine Runst in Anwendung
bringen mufs, und durch deren Heilung derselbe zeigen kann, wie grolse Fortschritte er als Heil- künstler gemacht habe. /n Heilung der chro= nischen Krankheiten, bei denen den damit behafteten Organismen die Heilkraft der Na- tur fast ganz oder doch gro/sen Theils ab-= geht, zeigt sich der Meister in der Kunst ! Bei den acuten Krankheiten wirkt jene heilende
Kraft das Meiste ; sie ist es eben, die gleichsam
156
den Sturm erregt, um die bosen Dünste zu ver- treiben; der Arzt hat nichts zu thun, als sie no- thiren Falls zu leiten und zu unterstützen.
5 Besonders schwierig ist die Heilung der chro-
nischen RKranliheiten, wenn die Anlage zu den-
selben anererbt, angeboren ist, oder doch sehr
tief in der Organisation Wurzel gefalst hat, und
wenn die Lase , Umstände, die Verhältnisse und 9
Umgebungen der daran Leidenden die erregenden
und Gelegenheitsursachen derselnen herbeiführen
und begründen. Da wird das Uebel, ungeachtet der angestrengtesten Bemühungen des Arztes,
oO. Pi aa ; immer grölser ; die körperlichen Werkzeuge ver-
sagen ihre Dienste immer mehr; das Lehen ermat-
tet, und endlich wird auch oft die Psyche derge- stalt in Mitleidenschaft sezosen, dals der Kranke
gezos den Muth verliert, zu den ihm obliegenden Be-
rufsgeschäften nicht mehr tauglich ist, von Angst und Bangigkeit gequalt zuletzt erliegt, und in
Blodsinn oder Geisteszerrüttung, verfallt. Diefs gilt vorzuglich von einer der allerlangwierigsten und hartnackigsten Krankheiten: der Hypochon- drie, und den damit in Gausal-Verbindungen ste- henden Krankheitserscheinungen.
Unter solchen Umständen und bei solchen Uebeln , bleibt dem Arzte nicht viel weiter übrig, als die Verordnung einer sogenannten Cur für den Kranken, ausserhalb der Heimath desselben : mit Mineral-Wassern, Milch, Molken, und auch mit dem Safte von frischen Krautern.
Gestatten die Lage und Verhältnisse des Kran- ken ıhm den Gebrauch einer solchen, so ist es für ihn, in Hinsicht des Erfolges, von Wichtig- keit, dafs sie ihm der Arzt zu guter Zeit verordne. Denn hat die Krankheit schon Jahre gedauert,
=
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und werden noch Jahre mit der Anwendung der
officinellen Heilmittel hingebracht , so dürfen der Arzt und der Kranke-davon kaum mehr als Lin- derung derselben erwarten. Und diese ist vollends noch das elücklichste Resultat, wenn die Umsfände
dem Kosnkeh nur erlauben, die benannten Gur- mittel zu Hause zu gebrauchen , insofern dieselben auch da erhältlich sind, oder dahin transportiert werden konnen; denn da bleibt derselbe den erre- genden und Gelegenheitsursachen seiner Krankheit gemeiniglich fortdaurend ausgesetzt.
Unter den zahlreichen Gurmitteln der Schweiz nimmt die Pfäferser Heilquelle mit allem Rechte eine der ersten Stellen en. Viel Gutes wurde von den Heilkräften des Pfäferser Wassers schon vor Alters geruhmt; doch erst heut zu T age werden sie von Äerzten und Nichtärzten gehorig gewürdiget, und werden immer mehr gewurdigt werden, wenn Aerzte selbst dieses Wasser an Ort und. Stelle zur Wiederherstellung ihrer Ge- sundheit gebrauchen, und seine heilsamen Wir- kungen an sich und Andern beobachten, wie sie der Laie in der Arzneikunst nicht beobachten kann, und wenn solche Aerzte von ihren Beob- achtungen und Erfahrungen für das kranke Publi- kum durch Wort und Schrift den besten Gebrauch zu machen sich bestreben, wie diefs der wurdige Arzt des Bades, Hr. Dr. Kaiser zu Chur durch seine Schrift: „Die Heilquelle zu Pfäfers &c.“ Chur 1822, gethan hat.
Eine CGur, d. h. der Gebrauch eines der be- nannten allgemeinern Heilmittel an dem Orte, wo sie aus der Erde hervorquellen, oder wo sie von vorzüuglicher Güte erzeugt und bereitet werden ,
ist, auch abgesehen von dem Hleilmittel selbst,
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wo moglich ein Verlangerungsmittel des Lebens, und solche Guren gehören daher auch in der Hy- giene und Malirobiotik zu den vorzüglichsten und
kräftigsten Waffen gegen Krankheit und Tod. Dureh die Entfernung aus dem hauslichen Kreise , durch Ruhe von Geschäften, durch die veränderte Luft, Nahrımg und Lebensweise überhaupt, durch die Zerstreuung in der Gesellschaft und bei an- genehmen und anziehenden Spielen und Belausti- gungen werden so viele Gelegenheitsursachen von dem Kranken abgehalten , dus er sich schon darum nothwendig erleichtert fühlen muls, wenn nicht seine Hrankheit so tief sewurzelt hat, dafs ıhr
Fortbestand von dem Daseyn ausserer erregender Momente nicht mehr abhangt, oder wenigstens die Entfernung dieser ursachlichen Momente nichts weiter als eine geringe und vorübergehende Er- leichterung für ihn zur Folge hat. Jene wohltha- tige W irkung hat eine Car; zu Pfäfers mit andern Erben gemein, abgesehen von den Gebrauche des Wassersund dem.daraus entspringenden Nutzen fur die Gesundheit.
Was nun aber das Pfäferser Wasser selbst betrifft, so ist dasselbe allerdings und wie schon bemerkt ein vortreffliches Heilmittel. Es ist ein für den Geschmack und Geruch ganz reines , leichtes , krystallhelles und mit einer Miss von
ungefähr 30 Graden nach dem Peaumürschen e. ersietär versehenes Wasser, das in unver- schlossenen Flaschen aufbewahrt nicht so leicht absteht, wie das gemeine Wasser, und in ver- schlossenen Flaschen eine lange Reihe von Jahren sich ganz klar und ohne alles Sediment erhalt. Bei der Quelle verspüren zarte Geruchsorgane zuwei- len Schwefeltheile, und die chemische Analyse
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“
des Wassers hat gezeigt, dals dasselbe salzsaure, schwefelsaure und kohlensaure Neutral- und Mit- telsaze, aber in ausserst geringem, und daher eben nicht sinnlich wahrnehmbarem Quantum ent- halte. Zum Trinken ist es sehr angenehm , und erregt nur dannzumal Eckel, wann die Menge desselben dem Magen ha Besonders an- genehm ist das Bad wegen seiner immer gleichen, für die meisten Naturen malssigen und u er- quickenden Warme. Das an erneuert sich in den Badern iheilweise ununterbrochen, indem der beständige Abfluls desselben durch einen glei- chen ulluls, augenblicklich ersetzt wird.
So manche der heilsamen Wirkungen der Pfäferser Heilquelle lassen sich schon erklären, wenn auch nur im Allgemeinen die Nothwendig- keit des Gebrauches des Wassers für die ER liche Organisation und der Nutzen, welcher aus dem Trinken eines reinen, leichten Quellwassers für dieselbe entspringt, in’s Auge gefalst werden. Kein Mensch kann ohne Wasser lab und wenn es Menschen gibt, die davon, als solekamas nur selten , vielleicht nie Gebrauch zu machen gezwun- gen sind, und daher in der Regel auch kein Was- ser Sala, ‚ so bildet doch dasselbe das nothwen- dige Menstruum und Vehikel der festern sowohl als der flüssigen Nahrung.
Die Gründe der Wirksamkeit des Wassers im lebenden Korper wurden bisher nur oberfläch- lich erwogen und unvollständig erforscht. Die
ee das genossene Wasser im Organis- mus Wasser bleibe, als solches die Canäle und Gefässe passiere, sich mit den Saften vermische , und zum Theil durch die Se- und Excretionsor-
gane wieder ausgeführt werde, ist eine ziemlich
ıh0 oberflächliche und rohe physiologische Ansicht.
Konnte nicht auch angenommen eh; dals das getrunkene Wasser im Organismus in seine Ble- Here zertrennt, und die Se- und Eixcretions- stoffe durch einen synthetischen Prozels in den Ab- und Aussonderungswerkzeugen gebildet werden ? Und solche analytische und synthetische vital-che- mische Prozesse geschehen sie nicht wirklich mit der zersetzbaren und assimilierbaren Nahrung? Welche Veränderungen erleiden die Nahrungs- mittel im Speisekanale; welche Verschiedenheit ist zwischen Speisen und den Exerementen? — Aller- dings geschehen die serosen Se- und Excretionen ach dem Genusse von vielem Wasser häufiger, und die Se- und Excreta erhalten eine wässerige , weniger consistente Beschaffenheit. Allein be- sitzen Picht dessen ungeachtet der Urin und Schweils beständig ihre eigenthümliche thierische Beschaffen- heit, mag der Mensch auch noch so viel Wasser ET wässeriges Getranke genossen haben? Ist es wahr «Neintieh ‚ dals das Wasser als solches gleich- sam so neben der Lymphe und dem Blute herfliesse? Und wenn diels geschahe, wie konnte es seyn, dafs es sich nur nach den Nieren oder nach den allgememen Bedeckungen begabe ; mulste es nicht auch andere Theile und | Eingew eide belasten? Oder bat etwa die neuere Erklarungsart der schnellen und häufigen Ab- und Aussonderung des Urins nach dem nisse vielen Wassers oder wässerigen Ge- trankes , nach welcher die Venen das WVasser we-
nigstens zum Theil im Darmkanal einsaugen , und einen kürzern Wee nach den Nieren führen, nur
o°
im geringsten mehr Wahrscheinlichkeit fur sich ?
Diese Menge Wasser mulfste doch unzweifelhaft
das Herz, die Lingen und die grolsen Blutge-
ı6ı
fasse passieren, und welche Unordnungen und Storungen würde sie da veranlassen? Und end- lich wenn man eine Mischung des genossenen Wassers mit der Lymphe und dem Blute anneh- men wollte: wie konnte denn die Trennung in den Nieren.so schnell geschehen, da das nach den Nieren gehende Blut ja nur ein geringer Theil der ganzen Masse der Säfte ist? Gewils wirkt das Wasser überhaupt und na- mentlich auch das Pfäferser Wasser verdün- ‘nend auf die Säftemasse, sey es nun, dals sich dasselbe den Säften blols beymische , oder dals es durch die Kräfte des Organismus in seine Ble- mente zertrennt, und durch organische Synthese in wirkliche thierische Materie, oder aber in Se- und Excretionsstoff umgewandelt werde. Durch seine das Blut und die Safte überhaupt verdün- nende Eigenschaft ist das Pfäferser Wasser ein schatzbares Heilmittel, indem es die verschiede- nen Arten von krankhafter Dichtigkeit derselben mindert und hebt, und sie so zum Kreislaufe und zur Eirnahrung der festen Theile geschickter macht. Besonders leistet dasselbe bei Krankheiten, welche mit der sogenannten schwarzgalligen Beschaffen- heit des Blutes in ursachlicher Verbindung stehen , namentlich gegen die zum ’Theil daher entsprin- gende FHypochondrie, gute Dienste, indem es durch seine eindringende und verdünnende Eigen- schaft Stockungen und Verstopfungen in dem Pfort- adersysteme kräftig lost, die gehemmte und un- gleichmalsige Cirkulation wieder herstellt und zur Norm zurückführt.
Das reine Wasser überhaupt und besonders auch das Pfäferser Wasser wirkt auf die Säfte versussend, d. h. Schärfe und Reiz mildernd.
Natw. Annl. IL.2, 11
162
Es wirkt versussend Zinmal dadurch , dafs es als eine milde Flüssigkeit die Safte verdünnt; Zwvei- tens dadurch, dafs es die Ab- und Aussonderun- gen befordert,, durch welche überflüssige, un- brauchbare und nachtheilige Stoffe aus dem Orga- nismus entfernt werden, und Drittens dadurch, dafs es die gesunde Eirnahrung befördert und wie- derherstellt , und folglich hinwieder die Rräfte und Verrichtungen derjenigen Organe, weiche der Verdauung, Chymification , Chylification und San- guification vorstehen, so modifiziert und regelt, dafs keine andere als in Qualität, Quantität und Consistenz gesunde Safte, namentlich gesun- des mildes Blut, erzeugt werden. Daher hat das Pfäferser Wasser auf die Gallen-Secretion und die Beschaffenheit der Galle und ohne Zwei- fel auf die Qualität aller übrigen Ab- und Aus.
sonderungssafte und Stoffe einen so grofsen und bleibenden Einflußs. Die Galle erhalt eine mil- dere Beschaffenheit, und Personen , die an einem Reizungszustande, oder an krankhaft erhohter Thatigkeit der Leber und daher fehlerhafter Be- schaftenheit: allzugrofser Menge und Schärfe der Galle litten, und auf welche die Sommerwärme deshalb besonders nachtheilig wirkte, haben dauern- den Nutzen von dem Gebrauche dieses Wassers gespürt , und bezeugt, dafs seit demselben auch die warme Witterung und Jahreszeit weit besser
von ihnen vertragen werde, als fruher. Ferner ist das Pfäferser Wasser, vermoge seiner ver- sussenden Eigenschaft, auch heilsam bei Krank- heiten von sogenannter specifischer Schärfe: bei katarrhalisch-rheumatischen Affektionen, bei Skro- feln, bei syphilitischen Krankheiten und chroni-
sehen Exanthemen.
ı63
Eine der Beobachtung hochst werthe Eigen- schaft des Pfäferser Wassers ist die natürliche, innig an dasselbe gebundene Warme, welche der Blutwarme des Menschen beinahe gleich kommt. Durch diese Wärme wirkt es um so eindringen- der mit seinen schon berührten Eigenschaften als reines, leichtes Quellwasser auf die Beschaffenheit der Säfte in Qualität und Quantität; durch sie wer- den sowohl die erschlafften als die erstarrten Ge- fasse in erneuerte 'T'hatigkeit versetzt; durch sie erhalten die Säfte mehr Antrieb von dem Centrum nach der Peripherie und nach den Se- und Excre- tionsorganen. Die Ab- und Aussonderungen wer- den fast sammtlich durch den Gebrauch dieses Wassers vermehrt, besonders auffallend die Haut- ausdünstung und die Ab- und Aussonderung des Urins. In seltenern Fallen bewirkt dasselbe Durchfall, weit ofterer hingegen Leibesversto- pfung. Die Steigerung des Gefalslebens, der Gefalsthätigkeit, welche das Pfäferser Wasser bewirkt, erklärt sowohl diese letztere Erscheinung als die Verschlinnmerung bei hektischen und phthi- sischen Zustanden, welche sein Gebrauch gemei- nielich zur Folge’hat, und es scheint nicht noth-
o wendig, demselben eine eieentlich erhitzende Ei-
Kracht beizumessen , deren Annahme sich doch mit den Begriffen von der Wirksamkeit eines lau- warmen Wassers nicht wohl verträgt. Bei Per- sonen, bei denen die Säfte einen starken Trieb von Innen nach der Oberfläche haben, und die daher sowohl zu Schweilsen als zu Unterdrückung der Hautausdünstung, sowohl zu vermehrtem als zu vermindertem Harnabgange geneigt sind, wird das Pfäferser Wasser diese Ab- und Ausson-
derungen vorzüglich befordern, und dann leicht
164
durch Ableitung und Gegenreiz, die Thätigkeit . des Darmecanals und die Secretionen in denselben vermindern, und somit die Stuhlausleerung hem- men und unterdruicken. Auch max hierbei die
Wirkung des Wassers auf das Pl stem ; das Pfortaderblut, die Absonderung der Galle und besonders die dadurch verminderte Schärfe und Reizkraft dieser Flüssigkeit in. Anschlag zu bringen seyn. Bei Personen hingegen, die weni ausdunsten, eine trockne Haut haben und kalter Complexion sind, mag das Wasser den Antrieb der Säfte leicht nach dem Speisecanale leiten, die Darmsecretionen befordern, und so fruher oder ‘spater Durchfall bewirken.
Zuletzt ist auch noch der Mineral-Gehalt des Pfäferser Wassers, so geringe derselbe an Menge auch ist, nicht aulser Acht zu lassen. Es ist gewils ein Irrthum der Aerzte, wenn sie glauben, dafs in so geringem Quantum vorhandene heilkraftige Stoffe nichts wirken. Im Gegentheile leisten sie oft in geringen Gaben mehr als in grolsen, weil der Organismus oft nicht im Stande ist, solche grolse Gaben zu verdauen und zu assimilieren , und sie daher wieder ausscheidet. — Die salzigen Bestandtheile des Pfüferser Wassers unterstützen wenigstens durch ihre reizende, auflosende, er- offnende und reinigende Eigenschaft die übrigen Hieilkrafte desselben. z
Die Wirkung dieses Wassers auf die Grund- verrichtungen des Organismus ist da, wo dasselbe angezeigt ist, in der Regel offenbar heilsam, auf die Sensibilität und Reproduktion schon wahrend der Cur, auf die Irritabilitat mehr in der Nach- wirkung. Hiypochondrisches Angstgefühl und Be-
klemmung weichen der beruhigenden Wirkung
ı63
desselben auf die Nervenfaser oft schon in den ersten Tagen seines Gebrauches, auch wenn die erregenden Ursachen, namentlich krankhafte Luft- erzeugung und Aufblahung des Unterleibes noch - nicht gehoben sind. Auch die erstorbene Sensi- bilität mn den Werkzeugen der Bewegung und der aussern Sinnlichkeit weckt dasselbe oftmals auf; und es gehort zu den schonsten Beobachtungen an der Heilquelle, wenn ihrer Wirkung die Läh- mung der Empfindung in den Gliedmassen allmählig weicht, die zuruckgekehrte Sinnlichkeit sich durch Schmerzempfindung aussert, und dann auch nach und nach die aufgehobene Beweglichkeit wieder hergestellt wird; oder wenn sich die Schwächung der Sinne, des Gefuhles und des Gehores schnel- ler oder langsamer verliert. Doch werden diese letztern Wirkungen wohl nur dann erfolgen , wenn die Schwächung oder Lähmımg der Sinnenthätig- keit von Schwächung oder Lalmung der Gefals- thatigkeit in den der sinnlichen Empfindung vor- stehenden Nerven herrührte. Ist hingegen diese letztere mehr’ direckt und primar geschwächt und verletzt durch erschopfende geistige und sinnliche Anstrengung, oder durch gewaltsame äussere Ein- Nüsse auf die Werkzeuge der Sensibilität: so lalst sich in dieser Beziehung wenig oder nichts von der Wirkung des ’Wassers erwarten.
Die vorzüglichste Wirksamkeit der Pfäfer- ser Heilquelle auf die Werkzeuge der Reproduk- tion lalst sich aus ihrer, die 'Thatigkeit des Ge- falssystems überhaupt aufregenden, die Qualität und Quantität der Safte verbessernden, die zwei- ten Wege und besonders das Pfortadersystem eroff- - nenden, und die Ab- und Aussonderungen befor-
dernden,, Heilkraft entnehmen. Bald nach dem
166 Beginne des Gebrauches derselben wird der Ap-
petit stärker, und selbst solche Speisen, welche zu Hause den Verdanungskr ‚aften Widerstand lei- steten , werden leichter vertragen; das blasse, kadleh tische Aussehen verchw nach und nach, und die erloschene Hothe kehrt auf die Wangen zurück.
In Hinsicht auf die contraktile Faser wirkt das Pfäferser Wasser sowohl erregend, die Le- bensthätigkeit befordernd , als aber auch erschlaf- fend und schwachend. Die Reizkraft, welche dasselbe auf das Gefafssystem ausübt, ist schon gewürdigt worden, und auf der dadurch gestei- gerten und neu belebten T'hatigkeit des Blut- und Lymphsystems beruhet ganz vorzüglich und fast einzig seine heilsame Wirksamkeit. Auch die Er- resung und Wiederherstellung der Zeugungskraäfte, weißhe als Wirkungen seines s Gebr 'auches gerühmt werden, sind blofs davon herzuleiten. Auf das Muskular-System hingegen wirkt dasselbe in be- deutendem Grade erschlaffend; die Gurgaste kla-
en daher insgemein über Mattigkeit ini Müdig- keit der Glieder, und sonst rüstigen Fulsgängern geschieht es nicht selten, dafs ihnen die Knien un- willkuhrlich emnsmken. Doch verschwindet diese Müdigkeit gewöhnlich, wenn das Gehen wnver- drossen fortgesetzt wird, und beim Tanzen findet sie gar nicht Statt, das erste vermuthlich darum , weil durch die fortgesetzte Bewegung auch die Restauration der Spannkraft hervorgerufen wird, beides durch Vermittlung der Nervenkraft , aid weil der Wille vieles über den Korper vermag. Und überdiefs wird eben durch diese erschlaffende Eigenschaft das Pfäferser Wasser zum wohltha-
tigen Heilmittel bei Contrakturen, Verkrümmun-
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gen und Gelenksteifigkeiten, und wirkt das Leben verlangernd auf betagte Personen, indem jene Ei- genschaft die Rigidität aufhebt, die Schnürungen lost, und die erstarrende Faser des Alters schmeidigt,
Die günstige Nachwirkung des Pfäferser Wassers, auf welche so mancher Curgast ver- trostet wird und vertrostet werden muls , besteht in der Harmonie der organischen Kräfte , die dann- zumal wiederkehrt. Während der Gur fühlt der Kranke oft nur Erleichterung der einen oder andern Beschwerde, und die übrigen korperlichen Leiden werden dadurch vielleicht noch hoher gesteigert, erreichen zuweilen erst nach der Gur den hoch- sten Grad. Allein der Kranke lasse sich dadurch nicht verleiten, an dem günstigen Erfolge zu zwei- feln. Erst dann tritt derselbe manchmal ein, wenn die eine oder andere Beschwerde, z. B. ein fixer Schmerz oder ein Krampf, den hochsten Grad von Heftigkeit erreicht haben; der Schmerz ver- mindert sich nach und nach, verliert sich vielleicht ganz; der Ton der Faser kehrt zurück, und das wiederhergestellte Gleichgewicht der Kräfte und Thatigkeiten verursacht dem Wiedergenesenen das erquickende Gefühl der Gesundheit, das er schon Jahrelang entbehrt hatte. Oder es kann die Gur, und auch diefs ist eine günstige Wirkung dersel- ben, einen fieberhaften Zustand zur Folge haben, welcher die vorhandene chronische Krankheit kri- tisch entscheidet und hebt. Ist der Erfolg nicht dermafsen günstig, der Kranke jedoch eines Theils seiner Beschwerden ledig. geworden; so fasse der- selbe den Vorsatz , die Gur im nachsten Jahre zu wiederholen; ja er wiederhole sie so oft, bis er seinen Endzweck ganz. erreicht, wenn es nur im- mer seine Lage und Verhältnisse gestatten!
ı68
Aus dem bisher Gesagten ergeben sich die Namen der Krankheiten, gegen welche das Pfä: ‚ferser Wasser angezeigt ist, und heilkraftig wirkt. Es sind Schwäche und Lähmung der Sinnlichkeit und Bewegung, Hiypochondrie, Hysterie und Krampfe, Mangel an Zeugungskraft und Unfrucht- barkeit, sogenannte passive, d. h. von Abspan- nung und Erschlaffung, Tragheit und Unthatigkeit der Blutgefässe herruhrende Blutflüsse, Verdau- ungsbeschwerden, Stockung und Verstopfung in den Eingeweiden, Vollpfropfung (Infraetus) und selbst noch nicht allzuweit fortgeschrittene Dege- neration und Verhärtung derselben , Gelbsucht und Harnbeschwerden, katarrhalisehe und rheu- matische Affektionen, Schleimflüsse, Gicht u. s. w. Dagegen wirkt das Pfäfersser Wasser in der Riegel bei allen Krankheiten nachtheilig, welche durch ein gesteigertes Grefälsleben, oder durch krankhaft erhohete 'T'hatigkeit des Blutgefälssystems überhaupt sowohl als der einzelnen Organe be- gründet worden und damit verbunden sind: bei akuten Fiebern (mit Ausnahme des intermittieren- den Fiebers), bei wahrer Vollblütigkeit, Entzün- dung und aktiven Blutflüssen, bei Blutceongestion im Kopfe und im der Brust, bei Disposition zum Schlagflusse und zur Lungenschwindsucht , bei Vereiterungen edler Eingeweide und der Knochen (Caries),, bei Verhärtung drüsiger Theile, die in Entzündung, Vereiterung und Gancer überzuge- hen drohen, auch bei der Wassersucht und wah- rend der Schwangerschaft. Der Gebrauch des Wassers gegen solche Umstände und Krankheiten muls nothwendig schaden , und die todtlichen Aus- und Uebergänge der letztern beschleunigen und
herbeiführen. Und mag auch ohne das Vorhan-
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denseyn solcher Gegenanzeigen die Cur biswei- len einen todtlichen Erfolg haben: ist nicht oft die Heilkraft auch der besten und passendesten Arznei minder machtig als der im Innern des Or- canismus liesende und sich entwickelnde Keim des
o Oo. . . .. Todes, als die feindseligen und zerstorenden Ge-
walten von Seite der Adssenwelt; und mufs nicht früher oder später ein Mikrokosmus dem Makro- kosmus unterliegen ; müssen nicht wir alle der Na- tur den schuldigen Tribut bezahlen, indem wie derselben beim Tode unsere korperlichen Stoffe gleichsam zurückerstatten ? —
‘Im Anfange der Cur sind 4 Gläser voll Was- ser zum Trinken des Morgens und 2 Gläser des Abends das Mafs, welches der Gurgast nicht über- schreiten sollte. Ein solches Glas halt ungefähr einen halben Schoppen, oder 6 bis 7 Unzen am Gewicht. Wenn das Wasser passiert und sonst vertragen wird, , so kann man schneller oder lang- samer auf ı2 Gläser und hoher steigen. Das - Quantum ist nicht gleichgültig und kann nicht gleich- gültig seyn, wenn wirklich das Wasser die Hei- lung bewirken soll; und so wenig dem unmalsigen Trinken des Inhaltes von 20, 30o und mehr Gla- sern das Wort zu reden ist: so muls doch der Kranke in der Regel mit demselben nicht aus- setzen, auch wenn das Wasser seinen Magen und Unterleib mehr und weniger belästigen, ihm wi- derstehen und Eckel verursachen sollte. Diels dauert gemeiniglich nicht lange, besonders wenn man sich beim Trinken und nachher leichte Be- _ wegung macht, in Transfpiration geräth und eine
copiose Harnausleerung erfolgt. Es ist zweck-
malsig, von einem Glase zum andern eine Vier-
telstunde zu pausiren, und wenigstens 2 Stunden
179
nachher nichts zu geniessen. Spürt man keinen Hunger, so kann das Frühstueken unterlassen werden; der Appetit beim Mittagsmahle ist dann um so starker. Wer daran gewohnt ist, und an schwacher , träger V erdauung leidet, trinke nach dem Mittagessen eine Tasse unvermischten Kaffee, und Abends, 5 Stunden vor dem Nachtessen, kehre man auf die Trinklaube zurück , um wenig- stens die Halfte der Portion zu trinken, die man des Morgens getrunken hat. Nur in dem einzigen Falle ist das Trinken des Abends nicht anzurathen , wenn die Verdauung so schwach und träge ge- schieht, dafs die Speisen den Magen und Unter- leib nach Verfluls von 2 bis 3 Stunden nach dem Mittagessen noch belastigen. Uebrigens geschicht dasselbe, jedoch in verringertem Malse, so zweck- malsıg und mit demselben guten Erfolge, als am Morgen. Man bediene sich im Allgemeinen war- mer und trockner Kleidung, und passe dieselbe übrigens der Witterung wohl an. Die Füsse be- sonders müssen warm und trocken gehalten, und Verkaltung sorgfältig vermieden werden. Arz- neien gebrauche man ohne wirkliche Noth keine, sondern überlasse das Heilgeschaft ganz dem Was- ser und der dadurch aufgeregten und neu belebten Heilkraft der Natur. Mufs der Leibesverstopfung nothwendig gesteuert werden, so versuche man Rlystiere von dem Wasser selbst, je nach Be- dürfnifs wiederholt. Sehr wunschenswerth ist hier- für eine Einrichtung wie im Stadthofe zu Baden. Vor der Gur ist nur in dem Falle ein Brech- oder Laxiermittel erforderlich, wenn gastrische Unrei- nigkeiten nach oben oder unten turgescieren.
- Der Gebrauch des Bades ist sehr wohlthatig,, aber auch gefährlich für Personen, welche zu
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einem Ausschlage sehr geneigt sind, und um so
efahrlicher , da bei solchen derselbe gemeiniglich nicht über den ganzen Korper erscheint, sondern an dem einen Theile erst ausbricht, wenn er an dem andern bereits abgeheilt ist. Der Ausdruck
„gefährlich “ will hier aber nur so vielsagen, dafs
der Curgast durch den Gebrauch des "Bades in Gefahr ‚gerathe, mit dem Badeausschlag behaftet und dadurch gezwungen zu werden, so lange in Pfäfers zu verharren, bis der Ausschlag überall auf der Oberflache erschienen und wieder abge- heilt ist, was Monate erfordern kann, woruber doch gewohnlich der Kranke nicht zu disponieren hat. Ueberdiels ist die Gur ausserst strenge, wenn
ein Ausschlag gebadet werden soll; dis Kranke darf sein Zimmer nur verlassen, um sich in das Bade zu begeben, und muls seine ganze Zeit bei- ‘ nahe zwischen dem Aufenthalte in diesem und dem Aufenthalte im Bette theilen, also der Gesellschaft, die an einem solchen Orte von so grolser Bedeu- tung ist, gänzlich entbehren. Kann und will er sich‘ dieser Ausbadecur zu Pfäfers nicht unter- werfen, so wird derselbe doch durch das Erschei- nen des Ausschlages genothigt, sich entweder in ein anderes Bad zu begeben, und daselbst bis zur Abheilung des Ausschlages zu verweilen, oder zu Hause zu demselben Endzwecke zu baden, oder endlich, wo Anstalten dazu vorhanden sind, die schwefelsauren Räucherungen, das weitaus kraftigste Mittel unter diesen Umständen, zu ge- brauchen, um die Nachtheile, welche das Ver- bleiben des Ausschlages auf der Oberfläche so- wohl, als das Zurucktreten desselben zur Folge haben, auszuweichen. Allerdings kann das Aus-
baden zu Pfäfers gegen sehr hartnäckige Unter-
f
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leibsbeschwerden, katarrhalische und rheumatische Affektionen,, Krankheiten von specifischer Schärfe , chronische Exantheme,, Gontrakturen und Gelenk- steiigkeiten sehr wohlthätig ja einzig heilsam wir- ken; und Personen, denen es nicht schwer fallt, auf das gesellschaftliche zu verzichten, (die über ihre Zeit verfügen konnen, und genugsame pecu-
niare Mittel besitzen, haben den Badeausschlag ın Pfafers nicht zu scheuen, wenn er übrigens ihren Umständen angemessen ist. In entgegen- gesetzten Fallen Rn mufs man zur Vermeidung desselben entweder gar nicht, oder nur selten ba: den, oder wenigstens jeden ron dritten Tag mit dem Bade aussetzen, je nach Mafsgabe der dazu vorhandenen Neigung. Ist der Ausschlag der Absicht des Arztes und des Kranken entge- gen, bereits an einzelnen Theilen ausgebrochen ; so lasse man die befallenen 'T’'heile wiederholt blu- üg schropfen. Wird derselbe dadurch nicht ge- habin ‚ so ist der Kranke sehr zu bedauern , ai ıhm seine Umstände nicht gestatten, BEE an Ort und Stelle, oder anderswo, oder zu Hause auszubaden, oder die schwefelsauren Raucherun- gen zu gebrauchen, bis der Ausschlag allgemein Er und dann wieder überall abgeheilt ist,
was viele Wochen Zeit erfordern rg und da:
her gemeiniglich nicht wenig heise ist.
Die Lage und Lokalitat des Gurortes Pfä- fers sind w :ohl anziehend für den Reisenden, nicht aber für den Gurgast, und am allerwenig- sten bei trüber, regnichter und feuchtkalter Wit- terung , welche Bewegung im Freien und kleine Excursionen nach da und dort in der Umgegend nicht gestattet. Eine wild-romantische , HE ein-
gerissene Felsschlucht, von der schaumenden 7a-
[4
17)
mind’ durehtobt , deren Getose, besonders nach Regengüssen , das Ohr betäubt; auf der rechten Seite des Flusses eine senkrechte Felswand von mehr als 600 Fufs Hohe, auf der linken Seite, wo sich die Heilanstalt befindet, ein eben so ho- her, steiler, übrigens angenehm mit Grün uber- wachsener Abhang;; klosterarlig eingerichtete Ge- bäude mit meistentheils finstern Zimmern, in wel- chen man kaum den Himmel erblickt: alles dieses sind Umstände, welche die Neugier des Reisenden aufregen, und ihn zu einem Besuche des Bades antreiben konnen, keineswegs aber anlockende Reizmittel zu einem Aufenthalte von 3 bis 4 Wo- chen an einem solchen Orte. Eintsteigt man der Felsschlucht, so gelangt man in ein angenehmes, ziemlich bebautes, mit den Dorfern /alens, Ya= fön, und mit mehrern Hofen und Hütten besetz- tes, von den hohen, zum Theil mit ewigem Schnee bedeckten Bergen: Monteluna, graue Hörner, Calanda und Madonna umschlossenes Thal, das in südlicher Richtung in das enge Äalfeuser- {hal übergeht, von wo die Tamina fast unterir- disch herstromt. Lockend für Reisende und Gur-
..
gäste ist besonders der Weg zu der Quelle, der etwa 5 Minuten beträgt, und den Anblick eines furchtbar-schonen Naturschauspieles gewährt. Al- lein dieser Weg ist für jeden, der ıhn geht, mit Lebensgefahr verbunden. Der Schwachliche, der Schwankende und Schwindelnde werden ihn nicht unternehmen, oder doch nicht vollenden. Aber auch den, der festen und sichern Fusses und schwindelfrei ist, kann ein unvorhergesehener, nicht voraus zu berechnender Unfall: der leich- teste Milstritt, ein augenblicklicher Verlust des
Gleichgewichtes ‚ ın den Tod stürzen; und es ist
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daher sehr zu wünschen, dafs das Gefahrvolle dieses Weges durch Mittel aufgehoben werde , die gar che schwierig in Anwendung gebracht werden konnen. Man geht auf einem zuweilen sehr schmalen, nicht mit Lehnen versehenen, an einzelnen Stellen feuchten , mit verwittertem her- abgefallenem T'honschiefer bedeckten und unebe- nen Breiterstiege,, 3o bis 40 Fuls über der wu- thenden , die Tiefe der Schlucht ganz ausfullenden Jamina stromaufwärts; rechts und links steigen die Felswände senkrecht empor; oder sie über- ragen den Wanderer, entziehen ihm den Anblick des Himmels, werfen düstere Schatten auf seinen Wes und die nahen Gegenstände; und da wo der Weg von /alens und aus dem Bade nach dem Dorfe Pfäfers über die Schlucht führt, schliessen sie sich von beiden Seiten zu dem schauerlichsten Gewolbe, das man sich nur denken kann.
In Hinsicht auf die Einrichtung der Zimmer, die Kost und Bedienung ist in der Guranstalt Pfä- Jers von dem L. Gotteshause ‚ dessen Eigenthum jene ist, besonders durch den gegenwärtigen Hrn. Abt, se vieles rühmlich verbessert , und den Winschen der Curgäste in vielen Sticken bereits entsprochen worden. Und es lafst sich mit aller Zuversicht von der anerkannten Gemeinnützigkeit des Stiftes hoffen und erwarten, dals dasselbe den noch vorhandenen wesentlichen Bedürfnissen nach und nach so viel als moglich abhelfen, und den billigen Wünschen der Curgäste um so eher Rech- nung tragen werde, da diels die sichersten Mittel sınd, um Jen Credit dieser so sehr wohlthätigen Hödankäke beim ärztlichen und kranken Publikum immer mehr zu befestigen,, und dem Gotteshause immer reichlichere Zinse von den daran verwen-
deten Capitalien zu verschaffen.
179 IV.
Einige Worte über die Seekrankheit aus Selbsterfahrung.
Der medizinisch-chirurgischen Gesellschaft des Cant. Bern vorgelesen den 24. April 1822.
durch Dr. Brunner.
» 0 . Quzxque ipse miserrima vidi Et quorum pars magna fü . » « Pirg.
Den Grundsatz dafs, um eine Krankheit recht zu kennen , der Arzt sie selbst durchgemacht haben müsse, wird man zwar, zum Heil unseres eige- nen Sanitatspersonals aller Länder und Orte, wohl nur im Scherz aufzustellen versucht seyn, aber nichts destoweniger bleibt es wahr, dafs es Ge- fühle und Zustände giebt, deren eigentliche Na- tur und Heftigkeit nur allen durch eigene Per- ception gehorig gewürdiget werden konnen. Die Seekrankheit, als ursprünglicher Nervenaffekt , gehort unstreitig in diese Classe. Verfasser die- ser Blatter hat sie selbst in aller möglichen Form durchgemacht , philosophisch-pathologisch durch- gefochten und glaubt, da er, durch sein eigenes Gefühl geleitet, der Quelle des Uebels während seines Daseyns nachsann , solche wirklich aufgefun- den zu haben.
Er wird daher in dieser kurzen Abhandlung :
ı) den ganzen Verlauf seiner eigenen Seeaffec- tion während der Ueberfahrt von Calais nach Dover historisch und blofs dem wesentlichen nach darstellen;
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2) seine Anfälle dieses peinlichen Gefühls auf der Rückkehr vom Brighton nach Dieppe vergleichungsweise aufzahlen ;
3) seine Ansichten über die Ursache und das Wesen dieser eben so kunstlichen als durch- aus gefahrlosen Arankheit der Gesunden aus dem Gesagten zu entwickeln trachten.
Da es überdiels schwer ist, sich solche Gefuhle der unangenehmsten Art a priori zu denken, sp lebt Verf. in der getrosten Hoffnung, es werde seine Erzählung als Axiom gelten bei allen denje- nigen, welche nicht etwa, um das Gegentheil be- weisen zu konnen, seine Erfahrungen zu wieder- holen sich geneigt finden dürften. Dals die nach- folgende Erklarungsweise individuell sei, versteht sich wohl von selbst. i
Es war (so tritt Verf. redend auf) den ı. Oct. ı821ı um % 3 Uhr Nachmittags, als, nach 2% tagigem bangem Erwarten bessern Windes das französische Paketboot Iris (Capitän Souville) mit beiläufig 60 Passagieren beiderlei Geschlechts und aus verschiedenen Nationen (meistens Engländer, Franzosen und Schweizer) vom Hafen zu Galais nach Britanniens weissem Gestade absegelte. Der vorher sehr heftige Gegenwind hatte sich, seit Mittag, von Südwest in Nordwest umgewendet, wodurch die Ueberfahrt zwar ungefährlich, aber
> - doch lange nicht gut geworden war. Anfang- lich gieng alles erwünscht, die Gesellschaft war guter Dinge, lachte, scherzte und hielt sich, da die Witterung hell war, sammtlich auf dem Verdeck auf. Lange blieb die franzosische Küste im Angesichte, denn der immer noch etwas widrige Wind machte das Lavieren no-
thige Nach Verlauf von % Stunde ward es all-
pr
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"mählig stiller, allgemach zerflofs die Gesellschaft,
‚uiid es füllte sich in gleichem Mafse die geraumige und reinliche Cajüte. Dals die Frauenzimmer das Drama eroffneten, wird niemanden wundern. Das beim Lavieren stattlindende Wenden des Schiffes vermehrte jedesmal die Zahl der Kranken.
So lange ich mitten auf denı Verdeck auf dem Deckel der ins innere führenden Wendel- treppe sals, die Augen dem Schnabel des Schiffes zugewandt, sieng alles gut; ein neben mir sitzen- der älterer Engländer wollte mir schon das Gom- pliment eines guten Seenmanns abstatten, als mich der unglückliche Einfall (oder vielmehr die begin- nende Nothwendigkeit) ergriff, meinen Sitz zu verlassen und UT SATIRE TR ‚Kailive stolsenden Abtritt hinunterzuschwanken. Diese Verände- rung gab den Ausschlag, denn kaum war ich die
=) enge, diene %E reppe unter stetem Schwan-
kesi Aus ganzen Gebäudes heraufgestiegen , so entsturzte mir ohne Rückhalt der grofste "Theil des kürzlich genossenen Mittagmahles. An den Pand des Verdecks kriechen, dem einmal gefal- lenen Loose mich gelassen ergeben, und den Be- fehlen des allgewaltigen Meeresgottes gehorchen, war alles was zu thım übrig blieb. So oft das Schiff auf diejenige Seite wandte, auf welcher ich mich selbst blanc fühlte ich eine entsetzliche Zunahme von Mifsbehagen ‚ was sich dagegen be- deutend minderte sah mein Sitz ın den Hohe stieg. Der stets conträre Wind stemmte die Wel- len dem Schiffe entgegen, wodurch sein Sinken desto fuhlbarer , rascher und ungleichformiger wurde. Deutlich wahrnehmbar zeigte sich eine mit diesem Fallen zunehmende Ueblichkeit, und ein gewisses unnennbares Gefühl des Dahinschwindens
Natw. Annl. II. 2. 12
178 von der widerlichsten Natur, das momentane Steisen S des Fahrzeugs mit bemerkbarem Widerstand von vorne her erleichterte dagegen augenblicklich. Nach Sonnenuntergang wurde die Seeluft un- gemein kühl, ich begab mich in die Gajüte. Da war das Elend allgemein. Die Verschiedenheit der Tone, Geberden und Stellungen mag. dem unpariheyischen Zuschauer ein recht unterhalten- des Schauspiel dargeboten haben, da sogar ich , der ich tapfer mitspielte, mich hin und wieder, irotz alles Miisbehagens , eines unwillkuhrlichen Lachens kaum erwehren konnte. Die meisten Passagiere lagen in den Wandbeiten, viele am ulsbuiden gerade ausgestreckt, die Unerfahrnen salsen (zu er gehörte ich) in buntem Gemische auf Coffern , Mantelsgelien wie's denn kam, und hülsten schwer für diese Stelling. Um einen Be- griff von der Energie dieser anti-peristaltischen Be- wegung durch di, Seekrankheit zu geben, diene der einzige Umstand , dafs ich, nach mehreren frumchtlosen und daher ner ba Versuchen, sogar das Morgens fruh 8 Uhr genossene NRaffee- EEE nach ı0 vollen Stunden wieder brechen mufste! Wahrlich mit Neptuns gewaltigem Drey- zack lalst sich kein H.llchouienu ver gleichen | Zwar konnte ich unmöglich sagen, ob ich mich in der Gajüte oder auf "lem Verdeck besser oder schlimmer befunden, wohl aber fuhlte ıch eine merkliche Versebiedenheit beim WVechsel von dem einen zum andern, daher die anfangenden Uebligkeiten beim Eintritt in die Gajüte so bedeu- tend, beim Hliinaufsteigen aufs Verdeck aber so nnhezwiogbar BR ARE nahmen, und ich, nach meinem arweiliehs Hinabsteigen (eigentlich E.0 un-
ternommen den Maniel zu holen); eines wıederhol-
179
ten Versuchs hinaufzuklimmen durchaus unfähig war, Es scheint mir, nebst allen unten zu betrachten- den Unistäanden , vielmehr die mit spontaner Be-
wegungsanstrengung verbundene 7: emper altur=
Veränderung, vielleicht auch die passive Dia-
sonalbewegung bei aufgerichtetem Korper Schuld
zu seyn, als die schwüke Cajütenathmosphäre , an welche man sich sogleich gewohnt. Wer kennt nicht die Erfahrung, dafs Betrunkene vom Hinaustritt ins Freie ein erleichterndes Erbrechen bekommen, und dech fallt es niemanden bei zu sagen: kühle Luft bewirke Brechen,!
Endlich un ıı Uhr Nachts war es überstan- den. Die Boote von Dover naheten heran, die
Seekranken stiegen bei hellem Sternenglanz. in die.
auf den Wogen umherschaukelnden Fahrzeuge,
und liessen sich an’s hellerleuchtete Gestade riss
gen. Mit Betreten der Brittischen Erde war jede
Spur von Ueblichkeit wie durch Zauber ver- schwunden, es hatte sich sogar bei mir Appetit und etwas Durst eingestellt.
Nicht vollig so %brhiekt es sich, als ich am 10, Oktober Abends-unı 7 Uhr, bei hellem Voll- mondsschein und wolkenlosem Himmel dem freund-
lichen, heitern und lieblich gelegenen Brighton
und mit ıhm dem hochherzigen Brittenland ein Le- bewehl sagte , um auf dem schonen und grolsen.
englischen Paketboot von 84 Tonnen, ihe Lord
Wellington, unter Leitung des braven Gayitän
Cheesman mich den unsteten Wosen. und dies- b)
mal auf langere Zeit anzuvertrauen. Weil Brighton
keinen Hafen, sondern eme hlofse Rhede hat , so
mufste die Reisegesellschaft sammt ihrer Bagage
in Booten bis zu dem in Ranonenschuflsweite vom.
Ufer vor Anker liegenden Paketboot geschafft
‘
ı80
werden. Da die See ziemlich hoch gieng, kam ich schen halbseekrank aufs Schiff, und konnte des majestatischen Schauspiels einer Mondschein- Nacht auf offener See nur sehr unvollkommen geniessen. Abermals behauptete meine noch nicht seemännisch gewordene Natur ihre Rechte, doch mit ein Paar Mahnungen war’s für diesmal abge- than. Ich entdeckte namlich, wie durch Zufall, nach vielerlei vergeblich versuchten Stellungen , die Behaglichkeit der ausgestreckten Rucken- oder Seitenlage, nahm sie sowohl auf dem Ver- deck als späterhin im Bette (insofern eine Art von Weandschubladen mit Vorhängen einer wollenen Decke und ı Hauptikissen diesen Namen verdient) an, und brach nun kein einziges Mal mehr. Auch diesmal hatten wir Widerwind und kamen, statt in 20—22 Stunden nun erst nach 30 Stunden in Dieppe an, daher gieng der ganze ııte Oktober in Faullenzen und Traumen in der Gajute verloren. Die Bewegungen des Schiffes waren bei fort- dauerndem Gegenwind ziemlich unsanft,, allein die liegende Stellung , mein ruhiges Verhalten, wahr- scheinlich auch eine schen vor sich gegangene An- gewohnung des Schaukelns erregien endlich statt Eckel einigen Appetit, wobei mir ein Stück schmack- haftes englisches Brod und ein Glas Irisches Was- ser trefflich zu Statten kamen. Abends um 12 ıı Uhr rief der Capitän aufs Verdeck. Das Meer gierg nıafsig hoch, die niedrige aber dennoch steile unzugangliche Küste von Frankreich lag ganz nahe vor ıns. Doch kaum in das herbeieilende Boot hinabgestiegen , empfand ich, wegen der lebhaftern Schaukelbewegungen die alten Uebel- keiten, wiewohl in geringerm Grade, und mulste mir beim Eintritt ins Schlafzimmer zu Dieppe zum
f 181 letzten Male Luft machen.
. Aus dieser getreuen Erzählung des Hergan- ges scheint sieh nun zwmachst folgendes zu er- eben:
ı) Dals ich die Seekrankheit wohl in aller Form, gehabt.
2) Dafs das Uebel sich beide Male bei Wider- wind einstellte.
5) Dafs die liegende Stellung bei weiten die behaglichste war. Ä
A) Dafs auch nach evacuierten Speisen die Än- strengungen zum Brechen dennoch fortdauer- ten, und statt zu schweigen, nur um desto qualender wurden.
5) Dafs längere Ueberfahrten verhaltnifsmalsig wenigere Beschwerden mit sich bringen als kurzere.
6) Dafs überhaupt das Sinken des Schiffes das unangenehme Gefühl vermehre, das Steigen es vermindere.
7) Dafs man sich an diesen so gut als an jeden andern anfänelich blofs unanzenehmen Ein-
druck gewöhnen konne. y
Es ist über die enifernte wie uber die nachste Ursache der Seekrankheit vieles gesagt, geschrie- ben und gemuthmalst worden, und die allerson- derbarsten cosmodynamischen Theorien sellten die Erregung dieser heftigen anti-peristaltischen Bewegung erklären. Doch wie’s so oft in der Pathologie geht, geschah es auch hier: das zu- nachst liegende wurde von vielen (vorzüglich de- nen die hinter ihrem Schreibtische nicht wohl selbst seekrank werden konnten) übersehen. Ich will da- her versuchen, ob es mir besser gelingen werde:
Sehon das vorausgehende Gefühl von Vollheit,
182
das wiederholte unwillkuhrliche ,. keineswegs er- leichternde Gähnen, die allmahlig zunehmende Empfindlichkeit gegen die Bewegungen des Schiffs, R 2 F 2 En das allgemeine Milsbehagen und viele kleinere, kaum zu beschreibende Gefühle, besonders in der Herzgrube, zeigen eine gastrische Affeetion und allgemeinen Nervenreiz an. Es fragt sich nun hiemit:: ı) welches Uebel ist das ursprüngliche, die sastrische Aflection oder die Nervenempfin-
n dung? .2) wie stehen beide Krankheitsausserungen unter
sich in Zusammenhang ? 3) wodurch wird wohl die ganze Reihe von Zu-
fallen erzeugt »
1. Sympathische Natur der Seckrankheit.
In Hinsicht des ersten Punkts scheint es mir ziemlich einleuchtend, dafs das Nervensystem die FHauptquelle sei. Denn ohne zu erwägen, wel- chen Einfluls der Zustand des Gerebral-Nerven- systems auf die Verdauungsorgane ausübe, wie durch Flemiranie, durch Verletzungen und Erschüt- terung des Gehirns u. s. w. Brechen erregt werde,
ergiebt sich, die sympathische Natur des Uebels deutlich genug aus dem Umstande, dafs, bei jeder Epoche der Verdauung, die Krankheit ihr Recht behauptet, mit dem Unterschied jedoch, dafs bei leerem Magen das unnütze und blo/s krampfhafte Würgen eine consensuelle Aflection des Magen-
mundes beurkundet.
II. Zusammenhang der Erscheinungen.
Dieses angenommen liesse sich der Zusam- menhang beider Uebel als Ursache und Wirkung
18)
folgeidermalsen erklaren: durch die Sinne werden die Eindrücke von aussen vermittelt, die ihnen zu- gehörigen Nerven fühlen bestimmt, deutlich und mit Bewulstseyn. Durch sie geht Wollust und Schmerz
hervor , insofern sie sieh kler aussprechen. Allein jedes Gefühl von allgemeinen: Milsbehagen , wel- ches sich durch Worbesnicht ansehe lafst,
mufs in einer andern Quelle gesucht werde;
Die Pracordialangst z. BD. sitzt offenbar in einer Affection des Solar-Nervengeschlechts. Letzteres aber steht dem allgemeinen dunkeln CGonsensus
unter den Organen der Reproduction vor, und, obschon in etwas von dem Gerebralsystem iso- liert, durch Hulfe der herumschweifenden Nerven und anderer Nervenstamme und Geflechte mit letz.- term in Verbindung. Eindrücke aber, welche vom ganzen Korper mittelst der Sinne aufgenon:- men werden, müssen dem Gemeingefühl un so verworrener zukommen, als sie hi a auf unge- regelten, unbestimmt en Bewegnngen Kane
Folgender Umstand beweist diese synıpathi- sche Uebertragung des Gefühls am allerdeutlich- sten: die Bewegung des Schiffes verursacht eine stete V eränderung a Lage aller umgebenden Dinge in Beziehung auf uns, ahnlich derj jenigen , welche auf der Schaukel oder bei schnell ah hender Bewegung des Körpers entsteht ; hiedurch: wird in den Augennerven ein Gefühl von Schwin- del erweckt, welches zwar bei weitem weniger heftiger ist, areide man die Augen schliefst, oder gerade gegen den Himmel Sue kei: aber ET wegs ganz aufhort. Nun aber steht das Gehirn bekamntlich mit dem sympathischen Nerven und
durch den herumschweilenden Nerven 'mit dem
184
Magen in Verbindung, es ist demnach begreiflich , dafs das dunkle Gefühl des Schwindels diese Rich- tung nach den Unterleibsgeflechten nimmt und da- durch vielleicht das Cerebralsystem vor Ohnmach- ten schützt, welche bei der Seekrankheit in der Regel so wenig vorkommen, dals gerade die volle Geistesbesinnung einen ihrer peinlichsten Begleiter ausmacht.
Ohne die mindeste Ueberladungz der Verdau- ungswerkzeuge bricht daher der Kranke ‚„ ohne dessen zu bedürfen, und folglich ohne dauernde . Erleichterung wie bei materieller Ursache primär
gastrischer Affectionen.
II. Ursachen.
Wodurch wird die Seekrankheit veranlafst ? Gäbe es wohl eine Constitution, ein Tempera- ment, welches dazu disponierte, eines das dagegen schützte? Oder giebt es äussere Momente, welche sie, unter gewissen Bedingungen, begünstigen, andere die sie hintertreiben, auch, wofern sie
“ 4 ” bereits vorhanden ist, entfernen?
A. Pradisponierende Ursachen.
Es thut mir leid sagen zu müssen, dals, ın Hinsicht der ersten Frage, die Erfahrung auch hier jede "Theorie im Stiche lalst.
So viele Personen ich über diesen Gegen- stand befragte, selbst erfahrene Seeleute, eben- soviele erklärten mir geradezu, dafs sie hierüber nichts entscheiden wollten, weil sich schlechter- dings nichts bestimmtes sagen liesse. Starke und Schwache, Reizbare und Pflegmatische, Junge
und Alte, \länner und Weiber, Choelerische und
185
Sanguinische stehen unter Neptuns eisernem: Scep-
ter, sobald sie sich seinem launischen W asserge-
biete anvertrauen, einige mehr, andere weniger,
ja selbst alte ergraute Seclehtesind vorüberge- henden Anwandlungen des Uebels ausgesetzt. Der Seeheld Nelson soll fast jedesmal, wenn er
nach langerem Aufenthalt am Lande sich ein-
schiffte, die Seekrankheit verspürt haben. Jemand bleibt heute verschont , welcher mor-
gen vielleicht heftig seekrank wird, und um gekehrt.
Auf langen Geekihrten brechen einige Tat: bestan-
dig, ändere in den ersten "Tagen, Stunden, an- dere nur erst im Verlauf der: Heise (kauptsäehlich bei Widerwind), manche gar nie. So erzählt Alex. von Humboldt von sich selbst, dafs er auf seiner Ueberfahrt von Teneriffa nach Südame-
yika nicht ein einziges Mal Uebligkeiten ver-
spürt und daher , wahrend fast sammtliche Passa-
giere seekrank. darniederlagen , seine wichtigen
physikalischen Versuche über die Meerestempera- tur in’ verschiedenen Tiefen ungestort verrichtet
hätte. Meist indessen stellt sich das Uebel am ersten Tag em, mindert sich stufenweise bis es ganz,
verschwindet und macht sodann gemeiniglich einem
starken Appetit Platz. Ich bin überzeugt, hätte
meine zweite Ueberfahrt langer g cedauert, Er Jte
und folgende Tage waren mir Ko Anfechtung
und ruhig re /
Wahrscheinlich ist daher die Angewöhnung
an die Bewegungen des Schiffes das sicherste
Heilmittel, aber eine Gewohnheit, welche an- fanglich sich fast immer nur auf die gegenwärtige Seereise erstreckt, und bei einer 2ten und ten
wiederholt werden mufs, bis sich das Nervensy-
186
stem gleichsam spezifisch gegen die Bewegung abgestumpft hat.
Indessen will man im Aligeebiiie bemerkt haben , dafs blonde weniger als braune oder schwarzhaarichte Personen von der Seekrankheit leiden, was sich vielleicht aus der durch die Farbe des Haarwuchses und einen gewissen Grad der Reizbarkeit im Abdominalsystem sich aussprechen- den Gonstitutions- und Tlemperaments - Verschie- denheit und wohl auch daraus erklaren liesse,, dafs dunkel gefärbte Augen ‘(die gewöhnlichen Be- gleiter Auulder u) nach der Beobachtung linie Augenarzte, für sensorielle kranke Eindrücke empfänglicher, reizbarer und zu Sto- rungen des Sehverniogens disponierter ‚scheinen als die mehr zu Entzündungen und Organisations-
fehlern geneigten hellern.
B. Gelegenheitsursachen.
Man hat, sowohl Aerzte, Physiologen als auch Layen, verschiedene aussere Momente der Erregung der Seekrankheit beschuldigt, haupt-
sachlich sind es folgende:
a. Der Theer- und Salzgeruch der Schiffe. Allein 1) in einem Seehafen wo durch Beisam- menseyn vieler Schiffe der Geruch ungleich star- ker und unangenehmer ist, wird wohl niemand auf festem Lande die Seekrankheit bekonmmen, ich wenigstens.habe von keinem solchen Beispiele ge- hört, und 2) inden Gajüten der Paketboote,, wel- che den reinlichsten Schlafzimmern des Gontinents gleichzustellen , und von jedem Geruche frei sind , beine man die Seekrankheit so gut als auf Pe Verdeck, ja nach mancher Behauptung noch eher
und heftiger.
187
ob, Die Veränderung des athmosphäri- schen Druckes durch’s plötzliche Steigen und Fallen. Ich kann mich den Augenblick nicht entsinnen, wer diese 'Iheorie aufstelite, doch zu fragen dürfte erlaubt seyn, ob-denn eine dia- metrale Bewegung von 10—ı2 Fuls einen so srofsen Einfluls auf belebte Korper auszuüben, gerade diese und keine andere Wirkung hervor- zubringen im Stande wäre? wie man sich denn daran zu gewöhnen vermochte? Woher die Ver- minderung der Uebelkeit durch’s Schliessen der Augen oder Aufwärtsblicken? und eine Menge anderer , ebenso. schwer zu beantwortender Dinge. | c. Das Hin- und Herschwanken der Ge= genstände vor den Jugen. Dals dieses aller- dings viel beitrage, ergiebt sich aus dem obigen. Aber einzige Veranlassung kann es darum nicht wohl seyn, weil die Krankheit fortdauert, wenn man gleich die Augen schlielst. Nach meiner volligen Ueberzeugung sitzt die Quelle des Uebels einerseits in einer (besonders beim Widerwind fühlbaren) Unregelmässigkeit der Bewegung , woran das Sensorium nach den allgemein organi- schen Gesetzen sich zu gewohnen Mühe hat, an- dererseits in dem durchs Sinken des Schiffes, ent- stehenden *),. mit keimer Furcht (vielmehr mit totaler Gleichgültigkeit gegen Gefahr ımd sogar mit Lebensüberdrufs) verbundenen Gefühl van Mangel an Widerstand und Dahinsinken in’s: Bodenlose. Wer hieran zweifeln sollte, den bitte ich zu berücksichtigen : *) Alle die, welche ich über Seekrankheit zu sprechen Gele. genheit hatte, kamen, auch unaufgefordert und von freiem
Antrieb darin überein, das Sinken sei ungleich widerlicher als das Steigen,
188
ı) Das ganz analoge Gefühl desjenigen, welcher im Wagen rückwärts sitzend, die Gegen- stäande rasch zurückweichen, gleichsam ı von sich fliehen sieht.
2) Die Empfindung der Schaukel (des sogenann- ten Reitseils) wo das Sinken ungleich mehr Schwindel als das Wiederaufsteigen errest.
3) Die Empfindung der herannahenden Ohnmacht, welche in einem Schwinden (Zerfliessen) der Gegenstände (Schwindel) besteht. Nun aber ist es sehr denkbar, dafs eine Erschei- nung hier Ursache seyn konne, wenn sie . Wirkung war, oder mit andern Wor-
: das Gefühl von Schwinden in den lee- ren Baden welches der Uebelkeit oder der Ohnmacht als Symptom vorangeht, kann hin- wiederum primär seyn und letztere erzeugen. Diefs nun wäre die berüchtigte Seekrankheit.
4) Hiezu kommt endlich noch die bekannte Er- fahrung von Beangstigung, Schwindel und Ohnmacht, welche alle Besteiger hoher Berg- spitzen und Äeronauten in emer gewissen Höhe empfanden , sie weist offenbar auf eine durch verminderten Luftdruck hervorgebrachte Sto- rung des Gleichgewichts und ein Bedürfnils nach) Jusserem Viiderstmdl imaile Wohlseyn des menschlichen Korpers hin.
CG. Diatetisches Verhalten.
ı. Ob man sich nüchtern, oder nach gehal- tener Mahlzeit aufs Schiff begebe, ist ungefahr einerlei, blofs mit dem Unterschied, dals, so lange Stoffe ausgebrochen werden konnen , due Anstren-
sungen weniger beangstigend und peinlich sind.
189 Rinige rathen leichte, andere schwere Speisen, die einen den Genuls spirituoser Getranke, z. B. eines starken Weins, sobald Uebelkeit eintreten will, andere vegetabilische Säuren , noch andere laues Wasser, 'T'hee, das Bien zu befordern. Allein bei Annahme des obigen Satzes, dafs das Magenleiden secundär sei, Kllän alle diese Rath- schläge als eigentliches Praservativ oder Heilungs- mittel weg, a konnen, bei stets fortdaurender Bewegung, höchstens für Palliative gelten.
2. Wichtiger ist die Stellung, welche man auf dem Schiffe beobachtet. Je mehr der Korper aufgerichtet ist, desto bedeutender ist das Hin- und Herschwanken des Kopfes, desto stärker die Diagonalbewegung beim Sinken; in der Rücken- lage hat der Korper die meisten Berührungspunkte mit der sich bewegenden Masse des Fahrzeugs, daher auch das verhaltnilsmalsig geringste Ge: fühl von Widerstandsmangel, folglich ist diese Stellung allen denen, welche von der Seekrankheit einigermalsen verschont bleiben wollen, vor jeder andern anzurathen.
3. Da die Bewegungen des Schiffs an seinen beiden Enden am stärksten sind, so ist es ratlısam sich bei anfangendem Uebelbefinden dem Mittel-
maste zu nähern.
4» Würde ich jedermann rathen, eher ent- fernte, sich scheinbar stets gleich und ruhig blei- bende Gesenstaände (z.B. den Himmel, den Ho-
rizont) als aber die zunachst umgebenden anzu- schauen. Es ist mir sehr wahrscheinlich, dals, wenn der Aufenthalt in der CGajüte wirklich schnel- ler als der auf dem Verdeck indisponieren sollte ,
die Ursache davon eher in den nahe umgebenden
1390
und stets heftig schwankenden Gegenständen, als in irgend eiwas anderm zu suchen sei. |
Was aber alle diese Gautelen nicht zu bewerk- stelligen vermogen, ihut bei langern Seefahrten die Gewohnheit ganz allein. Sie ist es übrigens , welche den Matrosen gegen die stundlich und un- ter den fürchterlichsten Gestalten ıhn bedrohenden Lebensgefahren mit einem Heldenmuth, einer To- desverachtung und einer Seelengrofse ausrüstet , die den gemächlichen Landesbewohner zum Bet nen, ja ich mochte sagen zur Bewunderung, hin- reifst. Durch Gewohnheit lernt das kleine, aber bewundernswürdige Geschopf, das wir Mensch nennen, der Wuth der Naturkrafte trotzen und Weltgegenden unter sich verbinden, welche nur da- rum getrennt scheinen, damit des verwegenen Ge- schlechte angestammte Vortrefllichkeit sich zu ent- falten Gelegenheit finde.
Fi es richten gegen die Seekrankheit we- nie aus, denn sie können die veranlassende Ursache derselben nicht heben. Indessen mogen bei schwächlichen, zu Krampfen geneigten Personen, spigituose antispasmodica , weiche. den Leib, nicht anhalten, allerdings von Nutzen seyn, und die Fleftigkeit des Brochen mildern. Die Englander gebrauchen gerne ein Gemisch von Wässer und Bratiwein ‚ ich kann jedoch die Wirksamkeit dieser Arznei durch keme Erfahrungen belegen.
So widerlich, peinlich und angreifend indes- sen die Seekrankheit ist, so gefahrlos ist sie dage- gen. WVie mit einem Zauberschlag sind die damit Belnilicten beim Auftreten an’s feile Land geheilt. Der Beispiele von Menschen, welche dagürs ge- storben seyn sollen, sind ausserst wenige und
ihrer Authenticitat mochten wohl emige Arseilel
191
unterliegen. Grolse Gefahr in Sturmen macht sie
oft augenblicklich verschwinden, ebenso der An-
blick des Landes und die süsse Hoffnuns es bald
zu erreichen. Sie hat schon manchen ac tro- pischen Gegenden segelnden, des dortigen Glimas ungewohnten Europaer gegen Geallenfieber und andere tödliche Seuchen bewahrt *) und also im Ganzen mehr genützt als geschadet.
So viel was ich über diese vielfach bespro- chene Krankheit der Gesunden aus Selbsterfahrung und Selbstbeobachtung zu bemerken dienlich glaubte. Es ware wohl überflüssig, bei einer seefahrenden Nation über einen so allgemein kun- digen Gegenstand sich auszudehnen, allein in un- serer binnenländischen Schweiz stofst es nicht jedem Arzte zu, dieses Uebel selbst zu beobachten und ich schliesse daher mit dem Wunsche, es moch- ten alle Andersdenkenden ebenso aus Erfahrung
sprechen lernen, als ich es getlhan.
*) Conf. Golberry voyage & la cöte de l’Afrique occidentale, Paris 1779. Vol. II.
192 V.
Ueber das Vorkommen des Dattelbaumes in Italien.
Von ebendemselben.
Bekanntlich sind es blofs vier Arten aus der ganzen zahlreichen Palmenfamilie, welche sich über die nördliche Gränze der Wendezirkel hinaus erstrecken, die mittelläandische Zwerg- oder Kuü- stenpalme (chameerops humilisL.) , die 2 Palmetto’s Nordamerika’s (chameerops palmetto und ch. serru- lata) und endlich der bekannte nützliche sowohl als dichterische Dattelbaum (Phenix dactylifera L.)
Dieser letztere ist es, welcher uns hier aus- schlielslich beschäftigen soll, denn an ihn knüpfen sich so hehre Erinnerungen aus der Vorzeit wie an keine andere Palme und ist er gleich langst be- schrieben und bekannt , so dürfte es denn doch, so scheint es mir , nicht ganz überflüssig seyn , gewisse Eigenheiten des Baues und der Natur dieses scho- nen Gewächses durch Zusammenstellung naher zu beleuchten, um manchen Zweifel zu heben und Irrthümer zu berichtigen, welche nicht selten über die anscheinend bekanntesten Gegenstände herrschen, zumal bei denjenigen, welche sie blols aus beiläufigen , abgerissenen , leider nieht immer natur-getreuen Beschreibungen kennen zu lernen Gelegenheit fanden.
Der Dattelbaum , ursprünglich wahrschemlich in Ostindien und Arabien zu Hause, findet sich heutzutage durch den ganzen Orient und Norda- frika verbreitet, von wo er bald nach dem süd-
193
lichen Portugal, den Inseln des Mittelmeeres , Griechenland und Unteritalien wanderte. Aus dem Innern des Gebietes von Tripoli (Biled-ul- derid, wortlich Dattelland),, von Tunis, Aegypten und Sy rien kommen die meisten und heiäten Dat- teln in den Handel. ‚Den europäischen Baumen aber fehlt es an der erforderlichen Sonnengluth um die Früchte zur Reife zu bringen, daher man sie blos der Zierde wegen hin und wieder einzeln anpflanzt, ohne auf Ertrag zu rechnen.
Der erste Baum dieser Art, der mir auf meı- ner letzten Reise durch Italien ım März ı823 zu Gesichte kam, steht in der Vorstadt Capo di Mergellina zu Neapel. Den Eindruck, den die acht-sudliche Pflanzenform auf das Gemüth des Nordlanders macht, lalst sich kaum beschreiben ; mir fielen bei seinem Anblick die Schuppen von den Augen und ich rief unwillkührlich aus: das ist es, was ich langst geahndet , aber nie gewulst! Herrlich prangte die Krone in eöthlich-gelber Spie- lung des Hatten Blättergruns, und w iegte sich wohllüstig und gracios in den lauen Lüften dieses Strandes. Von welcher Seite man sie auch be- trachtet, nimmt man lauter edle Formen wahr, und begreift es dann wie dieser Baum durch den von einer Menge nakter Stämme hervorgebrachten Totaleindruck dem Menschen jene ersien Begriffe von Saulenordnungen beibringen konnte, deren stets mehr und mehr sich sshldender Geschmack wir am griechischen Alterthume bewundern.
Don Gaetano Desplann, ein Priester und Ei- ‚genthüumer des Garten worin die schone Palme ‚steht, welche ıch von nun an recht oft besuchte , 'Jud mich freundlich zu sich, und schien W ohlge-
fallen an meiner botanischen Begeisterung zu len. | Natw. Annl. II. 2 1)
194
Er gewährte mir einen anfangs blofs leise ge- Beten Wunsch, und liels ch seinen Gärtner einen ganzen ee sammt seinem Sten- gel Gr einen Blatt-W edel herunterholen, da aber Er Stamm am Ansatz der Blatter und El selbst nit harten, langen und spitzigen Dornen bewaff- net sind, so war es bei beiden unmoglich sie un- versehrt vom Stamme zu losen.
Die Zahl der Büschel weiblichen Geschlechts war 10—ı2, die Länge des flachen, 2 Zoll brei-
o
ten Steckens bis zum Anfang der Agstehen ‚ betrug
31, Pariser-Fuls; diese Selbe waren 2 Fuls lang,
quirlformig vom Hauptzweig ausgehend , geschlän- gelt und den Vertiefungen nach A WE ansitzen- den Früchten reichlich besetzt. Die Daiteln selbst
waren wachsern-gelb, cylindrisch-oval, kaum ei-
nen Zoll lang , im Durchschnitt zeigten sie ein noch
5 rohes, festes, krautig-herbes und zusammenziehend- schmeckendes Fleisch. Statt des eingekerbten, an der Pulpe anliegenden, damit jedoch nicht ver- wachsenen steinharten Kernes, welchen man bei den im Handel vorkommenden Datteln trifft, war eine ovale Hlohlung, in deren untern Spitze der
eingeschrumpfte Embryo sals, bemerkbar, zum
deutlichen Beweise, dafs das Befruchtungsgeschaft
nicht vor sich gegangen, und die ganze Bildung ungültig seie Der kaum bemerkbar 3lappige , ahpr mit 3 deutlichen Rippen versehene, gestreifte, tas- senformige und häutige Kelch, verband die Frucht mit dem Zweige, blieb aber an diesem sitzen, wenn sich jene ablöste.
Der ganze Baum sammt der Krone mag etwa die FlöRe von 35—40 Fuls betragen,
Der Umfang des Stammes, 5 Fufs uber der Erde
195
‚war, sorgfältiger Messung zufolge, 7 Paris. Fufs also der Durchmesser . » . . 2F.2%2. die Gestalt ungefähr eylindrisch.
“ Ich sage absichtlich fünf Fufs über der Erde, denn auch hierin weicht dieses merkwür- dige Gewachs von unsern Baumen ab, dafs der bis auf jene Hohe kegelformig 'sich zuspitzende Strunk von einer zahllosen Menge kleiner Wur- zelansatze bedeckt ist, welche, mit aufgehäufter Erde umgeben, sogleich zu ordentlichen Wurzeln auslaufen würden , und so die ausserordentliche Leichtigkeit erklaren , womit, Palmen überhaupt sich durch Wurzelschofse fortpflanzen , während von dort aufwarts kein Baumgeschlecht weniger Tendenz zu Aestebildıng verräth , als sie, folg- lich mit einer sehr bestimmten Gräanze nur erst hier der Stamm begimt.
Das Alter dieses Individimims konnte ich nicht naher ausmitteln. Der gefallige und redselige Pa- drone wulste blols anzugeben , der frühere Besitzer
hatte ihn, ebenfalls ohne Seit Alter zu wissen, uber- nonımen, der Baum sei sich seit Menschengedenken schon damals so ziemlich gleich geblieben, und da sie heide zusammengenommen schon lange im Be- sitze des Eigenthums wären, so könnte man sein Al- ter dreist auf 200 Jahre schätzen. Unter dem fruhern Besitzer soll an der entgegengeseizten Grartenmauer ein männlicher Stamm von derselben Stärke gestan- d@n haben, bis ihn ein Sturmwind sammt der Wur-" zel ausrils ").
Nutzen hat, wie gesagt, der in Europa gezogene Daitelbaum, ausser seinem zierlichen Ansehen, wei-
*) Schon in St. Non’s Voyage Pittoresque a Naples et en Sicile steht mein Baum , obgleich schlecht genug, Vol. I, Kupfertafel 3 , abgebildet, N
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ter keinen als etwa die Zweige, welche, bis zu der Lange von 1ı8—20 Fuls anwachsend, aus einer dreikantigen Mittelrippe und zahlreichen , gewohnlich paarweis daraus entspringenden, etwa ı%5—2 Fufs langen, schwerdformigen, 2schnei- dig-zugespitzten steifen Blattchen bestehen. Aus- ser der Processionen des Palmsonntags, wo ganz Rom sich aus dem eigens gepflanzten Palmen- wald bei Bordighera , unweit Nizza “) mit Zweigen versieht, verfertigt man in jener Stadt Stocke: aus den mittlern Stücken der Rippe, welche sich durch ihre Dauerhaftigkeit und ihr sonderbar exotisches Ansehen empfehlen. Ihr Besitz gilt gleichsam als Wahrzeichen, dals je- mand in Fom gewesen sei. Sie müssen im Sep- tember geschnitten werden, wann sie am wenig- sten Saft besitzen, sonst taugen sie nichts.
Bei meiner spätern Durchreise traf ich zu Terracina in einem Privatgarten 2 Dattelpalmen beiderlei Geschlechts nebeneinander , gerade in der Periode, als sich die Blumen-Scheiden offnen wollten. Auffallend verschieden gestalten sich beide; die Spatha des weiblichen Individuums ist 4 Fuls lang, etwa handbreit , 2schneidig und sa- belformig gekrümmt. Durch den Druck des schwellenden Blumenbuüschels berstet sie an ihrer innern concaven Gante , ohngefaähr 3 Zoll unterhalb der Spitze, von oben nach unten und lalst die ihr an Lange gleichkommende, nach einer Seite hin hangende,, aus grün-gelben , zahlreichen Aestchen bestehende Blüthentraube , gleich einem unbeweg- lichen Wasserstrahl bogenformig hervorquellen.
*) Decandolle rapports et voyages, und Desfontaines arbres et arbustes de la France, vol, I, pag. 488,
Ba
Der Biüthen sitzen an jedem Äesichen oft bis 50, jederzeit in der Vertiefung des flexuosen "), beinahe Aeckigten, durchaus gleichdicken Zwei- ges, haben eine kleine, Stheilige Blumenkrone , ınd den oben angeführten 3lappigen Kelch zur einzigen karglichen Bedeckung, auf dem Frucht- knoten sitzt ein einzelnes Pistill "").
Ganz anders verhält es sich mit der mamnli- chen Blume. Kaum 2% Fuls lang, und nur 4 Zoll breit, aber von unverkennbar stärkerem, gedrang- terem Bau aller T'heile , offnet sich hier die Scheide nicht auf ihrer CGante, sondern langs der Mitte beider flach gewolbten Seitenwände bis auf die Hälfte ihrer Lange; gleich wie dort, nicht durch Klaffen einer Nath, sondern durch Zerreissung ddes faserigten Gewebes selbst. Der von Fülle strotzende, durch eine Unzahl in Spiralrichtung umsitzender,, gelbgrüner Blumen gebildete, keu- lenformig -zweischneidige Blüthekolben gewahrt eimen ganz eigenthümlichen Anblick. Der Geruch welchen er, jugendlich und frisch, verbreitet, ist ausserordentlich stark, aber lieblich, veilchen- oder noch richtiger nymphaenartig, und theilt sich dem Zimmer, ja sogar dem bereits dürren ‚Holzgewebe der Scheide und des Stengels dauer- haft mit ***”). Die Blumen selbst haben einen Slappigen Relch, eine Stheilige, langlichtzuge- spitzte Krone und 6 Staubfaden, welche kürzer als die Krone sind. |
*) Man verzeihe mir diesen undeutschen Ausdruck , ich kann in unserer Sprache kein Wort finden, das dem Begriffe so ganz entspräche.
**) Ueber das vermuthliche Abortieren der beiden übrigen prä- formierten Keime inder Dattelpalme vide Turpin memoires du musee d’hist. naturelle , vol. III. pag. 411—417.
#), Noch immer riecht der Schrank in welchem ich die Scheis den seit einiger Zeit aufbewahre , sehr angenehm.
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Die Consistenz beider Scheiden im frischen Zustand ist zahe, jedoch fasericht, ihre Ober- fläche der Länge nach gestreift, die Farbe hell- grün, mit einem rostlarbenen, wolligten Ueber- zug vorzüglich gegen beide CGanten hm. Sie spalten sich , so wie die Blüthezeit vorruckt, im- mer weiter, bis zuletzt die weibliche als bedeu- tungsloser Bast in sich selbst gerollt, aus Mangel an Zusammenhang in einem, die männliche dage- gen von beiden Seiten in 2 Stücken sich ablost und am Fulse des Baumes zum Behuf seiner künftigen Nahrung verfault.
In Rom stehen 5 Palmbaume , darunter der vorzüglichste ein, wenn ich nicht irre, weiblicher , beträchtlich hoher und schon beblätterter Stamm im Garten des Klosters San Giovamnı e Paolo, unweit des Coliseums steht. Schade jedoch, dafs der an die Nordseite des Stammes anschlagende Regen, da er nicht gehorig abtrocknet, diesen be- reits sehr beträchtlich angegriffen hat. Schon vielen Malern hat er zum Modell gedient, und eignet sich auch durch seine Grolse und freie Lage hiezu ganz vortrefflich.
Noch gedeiht die Dattelpalme unter Pisa’s mil- dem Himmel. Im nachbarlichen Florenz halt kaum noch die Zwergpalme im Freien aus “), sogar Genua, wo doch Agrumen überall in Gaär-
ten wachsen, hat es noch nicht glucken wollen,
diese Konigin der Pflanzen grols zu ziehen. Sie
mag also immerdar um eine Stufe zartlicher als selbst die Citrus seyn.
‘
*) Ein hübscher junger Dattelbaum steht in geschützter Lage gegen Mittag im Garten der Georgophilen zu Flo- renz in freier Erde, mufs aber zur Winterszeit stets bedeckt werden.
>98 Vı,
Ueber die ursprünglichen Stammracen der Hausthiere aus der Classe der Mammalien.
Von Professor Meisner.
4
(Vorgelesen in der Versammlung naturforschender Freunde in Bern den 15. Maı 1824).
Die Untersuchung über die ursprüngliche
Abstammung unserer Hausthiere hat von "jeher
die Zoologen beschaftiget. Während es bei einigen dieser nützlichen 'Thiere ein leichtes war, die noch in ihren ersten, durch den Einflufs des Menschen unveränderten Verhaltnissen, lebenden Original-
oder Stammrassen derselben mit unwidersprech- licher Gewilsheit nachzuweisen, mulste es hinge- sen bei mehrern andern unentschieden bleiben , ob ihre Original-Stammrassen noch irgendwo auf der Erde im ursprünglichen freien und wilden Zuustande leben oder nicht.
Es ist keinem Zweifel unterworfen, dafs unter unsern Hlausthieren mehrere , namentlich das Kaninchen , die Hauskatze, das Hausschwein , deren mamnigfaltige Abanderungen in ausserlichen, ‘oberflächlichen , zufalligen Charakteren , als blofse Folgen der durch die Domesticitat bewirkten Aus- artung anzusehen sind, mit den bekannten wilden T'hieren dieser Arten vollkommen identisch sind. Dies beweiset nicht nur die ganzliche Ueberein- stimmung in allen wesentlichen Charakteren des
Organismus, sondern auch der Umstand, dafs
200
Aiese Hausihiere, so mannigfaltig sie auch im Aeusserlichen, als in es) TR Hautbe- deckung u. dgl. von der Urform abgewichen seyn mogen , veon sie wieder in den Stand ihrer ur- sprünglichen Freiheit versetzt werden, allmahlıg verwildern und nach einigen Generationen VE wieder zu ihrer ursprünglichen Bildung zuruck- kehren konnen, und dann von denjenigen Indivi- duen ihrer Arten, welche den freien Urstand nie verlassen hatten, sich durch nichts mehr unter- scheiden.
Ueber die Abstammung des zahmen Esels herrscht ebenfalls kein Zweifel.e. Als seme ur- sprungliche Stammrasse , wird der in den weit- laufigen Steppen der grofsen 'Tartarei in grolsen on herumschwärmende wilde KL. der Onager der Alten, von den Tartaren Kal ge- na“ allgemein ud mit Recht angenommen. Die- ser KUSEH Esel hat zwar etwas schlankere, hohere Beine, als der zahme, tragt auch seinen. Kopf hoher und seine gespitzten Ohren beständig, auch im kränklichen Zustande, aufrecht ; ist überhaupt in seinem ganzen Korperbau schlanker , schoner als der zahme Esel, übrigens aber ist zwischen diesem und jenem kein Unterschied, zumal in Asien wo der zahme Esel den unsrigen an Schon- heit, Muth und Schnelligkeit unendlich weit uber- trifft ©).
Nicht ganz so gewils scheint es zu seyn, ob es auch ursprünglich wilde Pferde giebt. Die Meinungen sind hierüber getheilt. Einige Natur-
forscher verneinen es theils geradezu, theils ziehen
*) = Zimmermann Tapchenhiueh der Reisen 1810. ir Th. . 22, fl.
201
sie es in Zweifel. Zlumenbach behauptet in der achten Auflage seines naturhist. Handbuchs (vom Jahr 1807) seradezu: „ursprünglich-wilde Pferde giebt es See mehr.“ In der neuesten Auflage ( 1821) hingegen macht er es nur zweifelhaft, in- dem er sagt: „ursprünglich-wilde Pferde giebt es schwerlich mehr.“ Andere, z. B. Pennant, Pallas, Gmelin versichern, dals im mittlern Asien bis fast zum 58° N. B. besonders in den unge- heuern mongolischen Steppen und Wüsten noch ursprünglich-wilde Pferde existiren, und ich sehe keinen Grund , warum ich der Versicherung dieser Maänner keinen Glauben beimessen sollte. Nach ihrer Beschreibung sind diese wilden Pferde klein, standhaft von mausefahler Farbe, dickbehaart, haben eimen verhaltnifsmaßsig grofsern Kopf, als die zahmen, und eine merklich gebogene Stirn. Sie leben in Heerden oder Rudeln unter Anfuh- rung eines starken Hengstes, sind sehr wachsam,, flüchtig und laufen zum Erstaunen. schnell. — Verwilderte , d. h. ursprünglich . von zahmen ab- stammende Pferde, die sich in der Freiheit fort- gepflanzt und in menschenleeren Ländern unge- mein vermehrt haben, finden sich in mehrern Ge- genden der Erde. So trifft man auf beiden Seiten des Donflusses, vorzüglich gegen das Asowsche Meer hin, Heerden von Died in vollkommen wildem , menschenscheuem Stande, welche sammt- lich von einer Anzahl russischer Pferde abstam- men, die bei der Belagerung von Asow 1697 ge- braucht worden, und endlich, weil es an F utter fehlte, in Freiheit gelassen worden mufsten. In Südamerika, wohin die Pferde bekanntlich erst durch die Spanier aus Europa versetzt worden
sind, übersteigt die Anzahl der verwilderten Pferde
202
alle Begriffe. „Die ganze, weite Ebene vom Platastrome ,“ sagt der Missionair Dobrizhofer in seiner Gesichichte der Abiponer,, „ist auf 200 Meilen weit ganz mit wilden, umherirrenden Pfer- den bedeckt. NBHievon kann jeder so viel nehmen, als er will. In wenigen Tagen bringen etliche Reiter viele 1000 Pferde nach Hause. Sie wer- den theils einzeln mit Schlingen, theils in grolser Anzahl gefangen, indem man sie in umzaunte Felder, oder auch in Wasserteiche hineintreibt.
Ein solches erst eingefangenes, noch unberittenes
Pferd ist unglaublich wohlfell. Vormals (1697) kaufte man fi ı Rihlr. Werth 20, fur ein Huf- eisen 6, für eme Pfeife 3 Pferde, und für 2 Naäh- nadeln ein schönes Pferd. Selbst in unsern Zei- ten kostet dort ein schon zugerittenes Pferd hoch- stens 2 Thlr. “). Diese verwilderten Pferde, die in jenen grofsen Steppen ihr schlechtes Futter kümmerlich suchen müssen , dabei der Nasse, Hitze und näachtlicher Kälte ausgese!zt sind, ha- ben mit jenen ursprünglich-wilden in Leibesgrofse und Gestalt grofse Aehnlichkeit. Sie sind ganz in den Stand der Natur zurückgetreten, haben ihr veredeltes Aussehen Verloren und sind so scheu und furchtsam geworden, dafs man sie hierin von den ur sprünglich-w ilden nicht unterscheiden kann. Allein nachdem sie eingefangen worden, legen sie ın kurzer Zeit ihre Wildheit ab, und lassen sich leicht zu allen Diensten gewöhnen. Bei
Ss besserm Futter und gehoriger Pflege erlangen sie auch bald ein veredelteres Arisschiih
Von einigen andern Hausthieren, als denn
orientalischen Büffel, dem nordischen Remnthiere , ;
*") Zimmermanns Taschenbuch der Reisen, 1807. S. 218 ft.
> 209
dem Lama der Cordilleren ist es bekannt, dafs ihre/Originalrassen noch im Stande der Freiheit existiren. Nach allem aber, was man von diesen erzahlt, scheinen sie von den zahmen ’T'hieren ihrer Arten, weder in der Bildung, noch in der Gemuthsart sich bedeutend zu unterscheiden , welches auch bei den beiden CGameelarten der Fall zu seyn scheint, von denen einige behaup- ten , dafs sie noch im ‚Stande der ursprünglichen Freiheit angetroffen werden, was hingegen von andern gelaugnet wird. | 3 - Vollig hypothetisch ist nun aber alles, was man von der Abstammung unserer Ziegen und Schafe, unseres Rindviehs und unserer Huude anfuhrt.
Die Hausziege lassen einige Naturforscher vom Steinbock, andere vom Paseng (Capra Ae- gagrus) abstammen. Büffon meint sogar, sie konne ein Bastard des männlichen Steinbocks und der weiblichen Gense seyn. Diese letzte Mei- nung ist ganz aus der Luft ergriffen, indem es be- kannt ist, dafs Steinbock und Gemse durchaus keine Gemeinschaft haben, dals sie vielmehr ein- ander meiden und fliehen. Und selbst wenn die- ses nicht ware,’ wenn beide wirklich miteinander Bastarde erzeugen konnten, so wäre dadurch noch nicht erwiesen, dafs die Hausziege dieser Bastard sei. Eben so bleibt es immer eine blolse Vermuthung, für welche alle Beweise fehlen, dals die Hausziege eine durch die Domestication' be- wirkte Ausartung des Steinbocks oder des Pasengs seir. Wenn man für die Abstammung der Haus- ziege vom Steinbock als entscheidenden Beweis die Thatsache anfüuhrt, dafs der Steinbock sich
mit der Hausziege fruchtbar begatte, so folgt
204
deswegen dennoch nicht, beide für Eine Art an- sehen zu müssen, so wenig als man Pferd und Esel „ oder Hinfling, Distler, Zeisig uud CGana- vienv ogel zu Einer Art zahlen wird, weil sie mit BR e Bastarde erzeugen. Ueberdies wenn auch die Begatiung des Steinbocks mit der Hausziege in der Gefangenschaft keinem Zweifel unterworfen seyn kann, so ist es hingegen noch gar nicht erwiesen, dafs sie auch im freien Naturzustande bisweilen Statt habe. Zwar wird erzahlt, dafs einst zwei Hausziegen, die im Herbst auf den Alpen zur: iickgeblieben und ganz verloren gegeben waren, im folgenden Frühjahr zu grolser Ver- wunderung dr Kigenthümer trächtig in’s Thal von Üogne zurückgekommen waren und beide Benkorksbästnade geworfen hätten; allein ich bin sehr geneigt, diese Erzahlung nur fir eine Erfin-
dung zu halten, wodurch die: Besitzer der in der Gefangenschaft erzeugten Bastarde dieselben mte- ressanter zu machen suchten , um sie desto theurer verkaufen zu konnen.
Mit dem Paseng oder der wilden Ziege, (C. aegagrus) die auf dem Gaucasus und den Gebir- gen Persiens und Indiens lebt, hat, nach den, freilich sehr unvollkommenen , Beschreibungen , die man von diesem 'T'hiere findet, die Hausziege in einicen ätısserlichen Charakteren, wie z. B. in der Bildung der Horner, in Ansehung des Bartes u. s. w. allerdings etwas mehr Aehnlich- keit, als mit dem Steinbocke, welches auch wohl der einzige Grund seyn mag, warum man ziem- lich allgeniein den Paseng für die wilde Stamm- rasse der Hausziege angesehen hat, wofür‘ ubri- sens ebenfalls alle Böwene föhlen: und wenn
S dieses T'hier, wie Hajus, Buffon , Pallas und’ an-
JR nr Se Se en nu Sl en
ei
205
dere geihan haben, unter die Antilopen zu setzen wäre, so würde die Sache dadurch noch unwahr- scheinlicher “). Ich mufs bekennen, dafs ich so
*) Cuvier hat in dem Werk: La me&nagerie du Museum national d’hist. naturelle (& Paris an. X (1801) fol.) alles gesammelt, was bei verschiedenen Schriftstellern von die. sem T'hiere gemeldet wird, und unter dem Namen: Ze Paseng ou bouc sauvage , (Capra aegagrus Linn. Gm.) ein männliches und weibliches 'Thier , nebst enem Jungen abbilden lassen, welche unter dem Namen von Bougue- Zins oder Steimböcken aus der Gegend des Montblanc nach Paris in die Menagerie gekommen waren. Dafs es keine ächten Steinböcke seien , zeigte sich: auf den. ersten Blick; das männliche 'T'hier wenigstens konnte wegen der ganz verschiedenen Bildung seiner Hörner, wegen seines Bartes u. s. w, unmöglich für emen Steinbock gelten. Auf die Vermuthung, die früher schon Pallas geäussert hatte, dafs der Paseng auf den europäischen Alpen exi- stiren und daselbst immer mit dem Steinbock könne ver- wechselt worden seyn, hielt Cuvier es für möglich , dafs diese räthselhaften 'T’'hiere vom Montblanc von dieser Art wären , mit der sie in den von Pallas angegebenen Haupt- charakteren nicht übel übereinzukommen schienen ; jedoch äussert er dabei zugleich einigen Argwohn , dafs die Leute, welche diese 'Thiere in die Menagerie verkauften , betrü- gerischer Weise ein Paar Geschöpfe für wilde T'hiere aus- gegeben haben möchten, die sie vielleicht durch die Be. gattung eines wahren Steinbocks mit ihren Hausziegen erzielt hatten. Dieser Argwohn scheint sich mir nun voll. kommen zu rechtfertigen und ich gestehe , dafs ich das männliche T'hier jener Abbildung für nichts anderes halten kann, als für einen männlichen Steinbocksbastard , voll- kommen übereinstimmend mit demjenigen, der hier in Bern im Frühling 1821 von einem 20 Monate alten Stein. bock mit einer, in den Alpen nicht seltenen kurzbehaarten Abänderung der Hausziege erzeugt wurde, und den wir jetzt, vollkommen ausgewachsen, noch vor Augen haben. Das weibliche T’hier der Abbildung , welches Cuvier als ziemlich wild beschreibt, scheint mir eine ächte Steinziege zu seyn. Unser Bastard hat seit zwei Jahren sowohl die Steinziege , die seit dem Herbst 1513 sich in Bern sehr wohl befindet, als auch immer mehrere Hausziegen be_ legt. Die aus diesen Begattungen gefallenen Jungen glei. chen vollkommen dem des vermeinten Paseng auf der Abbildung. Alle waren indessen schwächlichrr Art; meh. rere wurden todt geboren , andere giengen, früher oder später, Schwachheits halber zu Grunde, gleich wie der Junge vermeinte Paseng in Paris, der nur eine kurze Zeit gelebt hat.
206
„m
wenig an die Abstammung unserer Hausziege vom Paseng ‚ als an die vom Stembock glauben kann. Nach allem ‚ was man von. Paseng weils, scheint
er in seinen Silten wenig vom Steinbock ver- schieden. Beide führen ein ausserst_ flüchtiges , menschenscheues Leben auf wilden, unzugang- licben Gebirgen, und nur mit gro olser Behut- samkeit und Bekämpfung unsaglicher Schwierig- keiten und Gefahren , welche der Aufenthalt die- ser Thiere ihren Verfolgern entgegensetzt, ge- lingt es dem beherzten , unerschrockenen Jager bisweilen, sich ihnen zu nähern.
Dagegen kennt jedermann das menschenfreund- liche, furchtlose Gemüth der Hausziege, die den Menschen als ihren Beschutzer und Freund erkennt und zutraulich sich an ihn anschmiegt und andrangt, sobald ein Hund oder ein anderes 'T'hier sie in Furcht setzt. WVer erinnert sich wohl nicht von ‘seinen Älpenreisen mit Vergnügen an die Beweise von Zutraulichkeit, welche diese 'Thiere ihm ee-
o
geben haben? Hie und da an den steilen Berg-
halden zerstreut, zwischen Felsblocken ‚ihre Nah- rung suchend , erblicken sie den voruberziehenden Wanderer kaum von Weitem , so kommen sie in flüchtigen Sätzen frohlich herbeigesprungen , be- grüssen ihn freundlich meckernd,, laufen ihm Stun- den weit nach und scheinen endlich gleichsam mit Mühe sich wieder von ihm zu trennen,
Dies, wird man sagen, ist nun eben die Folge der Domesiicität. Durch diese hat sich nicht blofs die äussere Gestalt der T'hiere, sondern auch ihr Gemüth, ihr ursprünglich wilder , scheuer ‚Cha- rakter verändert. — Also werden sie, antworte ich hierauf, wenn sie in den Stand der ursprung-
lichen Freiheit und Wildheit zurucktreten, gleich
207 wie ihre äussere, durch die Domesticität veran- derte Bildung nach einigen Generationen wieder in die ihrer ursprünglichen Stammeltern zurück- kehrt, auch nach und nach den ursprünglichen wilden, menschenscheuen Charakter annehmen, wie wir es z. B. von den verwilderten Katzen und Pferden wirklich wissen. Dies ist- aber bei den verwilderten Ziegen ganz und gar nicht der Fall, denn man weils, dals diese 'Thiere, nach- dem sie in menschenleeren, unbewohnten Landern . ganz sich selbst, überlassen worden und langst in den Stand der Wildheit zurückgetreten waren, dennoch ihren menschenfreundlichen, zutraulichen Charakter beibehalten hatten. Büffon führt ein Beispiel dieser Art an. Als im Jahr 1698 ein Engl. Schiff an der capverdischen Insel Boa- vista landete, kamen zwei Neger an Bord, welche den Eingländern so viel Bocke und Ziegen gratis anboten, als sie nur mitnehmen wollten. Da der Capitain des Schiffes über dieses Anerbieten seine Verwunderung bezeigte, antworteten die Neger:
o
Es wohnten auf der ganzen Insel überhaupt nur
ı2 Menschen; die Bocke und Ziegen aber hatten
sich in der Freiheit so sehr vermehrt, dals sie ihnen durch ihre Zudringlichkeit zur grolsten Last gereichten, indem sie den Menschen, wie Haus- thiere überall nachliefen und man ihrer nicht los
werden konne. — Es bleibt mie demnach die
Abstammung der Hausziege von einer vermeinten
- ursprunglich-wilden Stammracen hochst unwahr-
- scheinlich; und gleiche Bewandnils durfte es auch
wohl mit dem Schaf haben. i
Von allen Hausthieren scheint das Schaf, so wie es jetzt ist, am allerwenigsten ohne die Pflege und den Schutz des Menschen bestehen zu
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können. Man behauptet, es sei so sehr Haus- thier geworden, dals es gar nicht einmal mehr verwildern könne, ‘wie das Pferd, die Ziege , der Hund und die Katze, sondern, sobald es, der menschlichen Pflege beraubt, sich ganz selbst überlassen bliebe, in kurzer Zeit zu Grunde ge- hen müsse. Obgleich ich diese Behauptung für übertrieben halten muls,, und ich mir die Existenz dieser 'T'hiere nicht so ganz und gar und einzig auf der menschlichen Pflege beruhend denken kann, indem es ausser dem Schafe noch manche andere Thhiere giebt, die wenigstens eben so sehr, wo nicht noch mehr hülf- und wehrlos scheinen, als das Schaf, und dennoch ohne alle menschliche Pflege leben und sich wohlbefinden; so will ich doch wohl zugeben, dafs allerdings durch die Do- mestieität der hülfsbedurftige Zustand des Schafs sich einigermalsen verschlimmert haben mag; allein dafs er ganz und einzig das Werk der durch die Domesticitat bewirkten Ausartung seyn, und dafs das Schaf von einem wilden, starken, kraft- und muthvollen Stammthiere absammen soll, das in allen zu einer selbstständigen Existenz erforder- lichen Eigenschaften gerade das Gegentheil von diesem zahmen,, muth- und wehrlosen Hausthiere wäre, hievon kann ich mich nicht. überzeugen. Dies aber wird angenommen, indem man den Ar= gali vom CGaucasus (Ovis ammon) für den ur-
sprünglichen Stamm des Schafs ausgiebt. Dieses flüchtise, wilde und menschenscheue Thier be-
5 wohnt alle Gebirgsketten des mittlern Asiens.
Gmelin sahe selbst einen dreijährigen Argali , der so stark, wild und unbändig war, dals 10 Män- ner es nicht wagten ihn anzugreifen und ihn zu bändigen. Seine Stärke, Schnelligkeit und Ge-
209
‚wandtheit im Besteigen der hochsten , gefahrlich- sten Felsen ist ausserordentlich , die Jagd dessel- ben erfordert die groflste Vorsicht und ist immer mit augenscheinlicher Lebensgefahr verbunden.
Wenn wir nun annehmen müssen, dafs das Schaf wohl zuerst von allen andern zum Haus- thier gemacht worden, da es selbst in der alte- sten Urkunde der Geschichte des Menschenge- - schlechts heilst: Abel war ein Schäfer ; lalst es sich dann wohl denken, dafs die Domestication dieses Thieres moglich gewesen ware, wenn es nicht schon damals ein schwaches Geschopf war, das den ersten Menschen, statt vor ih- nen zu fliehen oder sich gegen sie zur Wehr zu setzen, vielmehr freiwillig entgegen kam und - sich an sie anschlofs? Oder wie sollten diese ersten, selbst noch so hulf- und wehrlosen Men- schen im Stande gewesen seyn, ein so wildes, ‘ flüchtiges, unbändiges Thier, wie der Argali ist, zu fangen und zu unterjochen, da es ihnen hiezu noch an allen nothwendigen Kenntnissen und Hülfsmitteln fehlte,?
Von unserm zahmen Rindvieh wurde lange von allen Zoologen, die hier, wie es leider oft geschieht, ohne weitere Untersuchung nur einer dem andern nachschrieben,, der Zuerochs (Bos urus,, ferus Gmel.) als die primitive Rage ange- sehen. Unser hochverehrte College, Hr. Pfr. Steinmüller, schrieb noch im Jahr 1806 im ersten Bande der Alpina (p. 110) folgendes: „Der Auer- „ochse oder Urochse ist unläugbar der Stamm- „vater unsers zahmen Ochsen. Er hat zwar ein „weit grofseres, wilderes und grimmigeres An- „sehn, ganz mit Hlaaren bezottete und bemähnte „Schultern, Genick und Brust, und seine Farbe
Natw. Annl. II. 2. 14
3210
„ist standhaft, namlich allezeit schwarz-gräulich „mit einen mäusefahlen Ruckenstrich; allein wenn „wir bedenken, was für Ausartungen Mangel der „Freiheit, oder Zahmung, Verschiedenheit des „Clima und der Nahrung unter den Thieren zu- „wege bringen konnen, so werden wir uns über „die jetzige Abweichung unsers Rindviehs von „dem ehemaligen Auerochsen so sehr nicht wun- „dern. — Ueberdies vergleichen wir mit der ge- „gebenen Beschreibung einen grolsen, gutgehal- „tenen Freiburger- oder Emmenthaler-Zuchtstier , „seine starken Gliedmassen und sein wildes, un- „biegsames, trotziges, oft wüthendes und grau- „sames Benehmen, so werden wir eine auffallende „Aehnlichkeit zwischen beiden erblicken. End- „lich — setzt der Hr. Pfarrer noch hinzu — wird „diese Behauptung durch die Etymologie selbst „bestätiget: Ur bedeutet den Anfang, das Erste; „Urochs also ein alter Stammochs, Vater der „LHleerden.“
Ohne mir das Ansehn geben zu wollen, als sei ich ein befsrer Etymolog wie Hr. St., will ich nur bemerken, dafs das Wortchen Ur oder Zuer bei den alten Deutschen auch einen Wald, eine Wildnifs bedeutete, folglich Ur- oder Auerochs wohl eher so viel als Wald- oder wilder Ochs heissen mochte, so wie Ur- oder Auerhuhn so viel als Waldhuhn heifst.e. Denn es dürfte den alten Deutschen, als sie dieses T’hier zuerst Ur- ochs benannten, wohl kaum in den Sinn gekom- men seyn, damit den Stammvater ihres zahmen Rindviehs bezeichnen zu wollen; vielmehr scheint es viel natürlicher anzunehmen, dafs sie dabei 2 an den Aufenthalt dieses Thieres gedacht
De
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Mit der auffallenden Aehnlichkeit eines gros- sen , gutgehaltenen Freiburger- oder Emmenthaler- Zuchtstieres hat es übrigens aber auch nicht viel zu bedeuten. Nach den Abbildungen, die man vom AÄuerochsen hat, und nach der Vorstellung, die mir von einem lebenden T'hiere dieser Art, das ich in meinen jüngern Jahren gesehen habe, noch ziemlich lebhaft und deutlich geblieben ist, mufs ich bekennen, dafs mir jene geruhmte Aehn- lichkeit ziemlich entfernt vorkommt. Aber gesetzt auch, sie wäre wirklich so auffallend, wie Hr. St. meint, so würde sie dennoch nicht als Beweis für die Identität des Auerochsen und unsers zah- men Rindviehes gelten konnen; denn über diese kann nicht die Aehnlichkeit in oberflächlichen Cha- rakteren allein entscheiden, sondern die damit ver- bundene Uebereinstimmung in den wesentlichen Kenntzeichen , welche erst die Anatomie enthüllt. Nun hat aber diese bei der Vergleichung des Skeletts vom Auerochsen und den verschiedenen Racen des zahmen Rindviehs so bedeutende Ver- schiedenheiten in der Schadelbildung , in der Lage der Hörner, in der Anzahl der Rippen nachge- wiesen “), dafs es durchaus keinem Zweifel mehr unterliegen kann, unsere Ochsen und Kühe und alle ausländische Varietäten , als die kleinen Schottischen Ochsen, die Ochsen mit grolsen Hoörnern aus Romanien , den ungehornten Ochsen , den grofsen und kleinen Zebu mit und ohne Hor- ner, selbst die Ochsenmumien von Oberegypten, die alle ohne Ausnahme standhaft miteinander übereinstimmen, für identisch zu halten; den Au-
*) S. Menagerie du Mus, national d’hist, nat. A Paris 1801. fol. Artikel: Zebu p. 4.
212
_ erochsen aber, als eine von jenen ganz bestimmt verschiedene Art anzusehen, und so kann folg- lich der Auerochs auch nicht langer für die ur- sprüngliche Stammrage aller genannten Varietäten des zahmen Hornviehs gelten. Cuvier hat dage- gen die Vermuthung aufgestellt “), dafs gewisse Schädel, die nicht selten in den Torfmooren des Sommethals, so wie bei Stuttgard und andern Gegenden im fossilen Zustande gefunden worden sind, die, ihre weit beträchtlichere Grofse und die verschiedene Richtung der Horner abgerech- net, übrigens vollkommen mit den Schadeln un- sers zahmen Findviehs ubereinkommen , vielleicht der gänzlich erloschenen wilden primitiven Race angehören dürften. — Allerdings mogen die Och- sen , denen diese fossilen Schädel angehört haben, vollig identisch mit unserm zahmen Hornvieh ge- wesen seyn, allein immer bleibt es unerweislich , dafs sie die Stammrage gewesen, die in einem Stande der Wildheit gelebt habe, dem sie der Mensch -erst entziehen mulste, um sie zu bändigen und zu zahmen. |
Auch der Zund endlich, das Sinnbild der Anhänglichkeit, Ergebenheit und Treue für den Mensehen, soll von einer ursprünglich-wilden, dem Menschen feindseligen Rage abstammen,, und so wären jene Tugenden, die ihn dem Menschen so werth machen, erst nach und nach durch die Domestication in ihm erweckt und entwickelt worden. Dies würde nothwendig angenommen werden müssen, wenn der Wolf der Stammvater des Hundes wäre, wie einige haben behaupten wollen, oder wenn, nach andern, der Hund ein
®) Ossem. fossiles T. IV. Ruminans foss. p. 54.
213 Bastard vom Wolf und Schakal wäre. Da in-
dessen diese Behauptungen ganz willkührlich sind, und sich auf keine nur einigermafsen scheinbare Gründe stützen, so ist es nicht nothig dabei einen Augenblick langer zu verweilen. Die Frage: welche von den unendlich vielen, verschiedenen Hunderagen, die mit dem Menschen sich über den ganzen bewohnten Erdboden verbreitet haben, ist der Urstamm , von welchem alle jene verschie- denen Ragen herstammen? Diese Frage lafst sich auf keine Weise mehr mit Gewilsheit beantworten, auch ist die Beantwortung für das, was ich mir in dieser Abhandlung zu beweisen vorgesetzt habe, ganz gleichgültig, so dals ich mich dabei auch nicht aufhalten will.
Alle Hunde, so sehr sie im der Bildung nach den verschiedenen Ragen voneinander abweichen, kommen in der ihnen von Natur eigenen Neigung und Anhänglichkeit zu dem Menschen überein. Wenn hierin ein Unterschied Statt het, so ist dieser wahrscheinlich mehr der menschlichen Er- ziehungs- und Behandlungsweise, als der ange- bornen Anlage des Thieres zuzuschreiben. Wenn z. B. Jagdhunde,, welche ausser der Jagdperiode in Zwinger oder Ställe eingesperrt , ihren Herrn kaum zu sehen bekommen, weniger Änhänglich- keit gegen ihn fühlen und äussern, sich gerne, wenn sie konnen, in Freiheit setzen und davon- laufen , während hingegen ein Pudel, der immer um seinen Herrn ist, ihn nie verlafst, und wenn er von ihm getrennt ist, keine Ruhe hat, als bis er ihn wiedergefunden, so ist dieser Unterschied gewils grolstentheils eine Folge der ganz verschie- denen Behandlung, welche solchen Thieren zu Theil worden ist. Im Ganzen aber ist die natür-
214 liche Anhänglichkeit und Zuneigung des Eidos
zum Menschen ein ihm eigner Charakterzug, den selbst die verwilderten Hunde nicht verlaugnen. In Südamerika giebt es solche verwilderte Hunde, die vielleicht schon seit mehr als 200 Jahren im Stande einer vollkommenen Wildheit leben. Sie stammen ab von europäischen Hunden, die zu- fallıg in die dortigen Einoden gerathen sind und sich so vermehrt haben, dafs sie schaarenweise umherschwärmen. Wie andere Raubthiere fallen sie in die bewohnten Gegenden ein und greifen Vieh und Menschen an. Man macht daher Jagd auf sie, wie auf andere Raubthiere, denen sie ganz gleichen, so lange sie den Menschen nicht kennen. Allein so wie man sich ihnen mit Sanftmuth und Freundlichkeit nahert, wenn man sie liebkosend anlockt, so werden sie bald zutraulich, verges- sen ihre Wildheit und schliessen sich mit eben der Anhänglichkeit, Treue, Folgsamkeit und Dank- barkeit an den Menschen an, wie andere Hunde. ‚ Wird es demnach nicht hochst wahrscheinlich , dafs eben der zutrauliche, menschenfreundliche Charakter , den die ersten Menschen an dem Hunde bemerkten, sie bewogen haben werde, dieses Thier bald zu ihrem Gefährten und Hausgenossen . zu machen ‚: dessen Dienste ihnen in der Folge theils zur Unterjochung anderer nützlichen, theils zu Abhaltung, Verfolgung und Vertreibung an- derer schädlichen Thiere so wichtig und wesent- lich wurden?
Nehmen wir nun das Gesagte noch einmal kürzlich zusammen, so ergeben sich daraus fol- gende Resultate:
sı3
ı. Alle unsere Hausthiere, aus der Classe der Säugethiere konnen in Hinsicht ihrer Abstam- mung unter zwei Categorieen gebracht werden , namlich:
a. Diejenige, von welchen sich die primitive Stammrage im ursprünglich-wilden Stande noch mit Gewilsheit nachweisen lalst.
b. Diejenigen, von welchen keine im ursprüng- lich-wilden Stande lebende Stammrace erwie- sen werden kann. |
2. Zu der ersten Categorie gehören: das
Kaninchen, die Katze, das Schwein, der Esel,
das Pferd. Auch der Büffel, das Rennthier, das
Lama und die beiden Cameelarten gehoren zwar
unter diese Categorie, allein es ist mit grolser Wahr-
scheinlichkeit anzunehmen , dafs der wilde Zustand dieser T'hiere sich sehr wenig von dem unter- scheide, in welchem sich die Hausthiere der glei- chen Arten befinden, so dafs z. B. der zahme
Büffel nur wenig zähmer ist als der wilde, und
das wilde Gameel nur wenig wilder als das zahme.
3. Zu der zweiten Categorie gehoren: die Hausziege, das Schaf, das zahme Rindvieh und der Hund.
4. Es sind aber diese Hausthiere, von wel- chen keine im ursprünglich-wilden Stande lebende Stammrace erweislich ist, gerade diejenigen, welche für die Bedürfnisse des Menschen bei Weitem die nothwendigsten und wichtigsten sind.
5. Es ist daher, wo nicht ganz gewils, doch hochst wahrscheinlich, dafs eben diese Thiere sich nie in einem ursprünglich-wilden, den Menschen fliehenden und hassenden Stande befunden haben , sondern dafs sie vielmehr gleich mit so sanften Gemüthern aus den Händen des Schöpfers ber-
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vorgegangen sind, dals sie, weit: entfernt den Menschen zu fürchten , zu fliehen oder gar feind- selig sich gegen ihn zu stellen, vielmehr von selbst sich ihm naheten, sich an ıhn anschlossen und es ihm auf diese Weise erleichterten, sie zu seinen Hausgenossen, Gefährten und Gehülfen zumachen.
6. Die unter der ersten Gategorie begriffenen Thiere aber, mit Ausnahme der Gameele , deren Charakter in ihrem natürlichen Stande sich wenig von dem zu unterscheiden scheint, den wir an ihnen als Hausthiere kennen, die daher auch sehr frühzeitig Hausthiere geworden seyn mogen “), sind unstreitig wohl erst weit spater zu Hausthie- ren gemacht worden, als jene; namlich erst nach- dem der Mensch die Mittel erforscht und kennen gelernt hatte, ihre Wildheit zu besiegen und zu bezahmen.
Diese Ansichten scheinen mir so ungezwun- gen und naturgemals, dals ich kaum glaube, es werde sich viel erhebliches dagegen einwenden lassen. Was wir aus den Schilderungen des Zu- standes von Amerika in Beziehung auf diesen Ge- genstand zu bemerken haben, scheint obigen Be- hauptungen auch nicht entgegen zu seyn. Das einzige Hausthier, welches die Europäer bei der Eroberung dieses Welttheils bei den Eingebornen antrafen, war das Lama oder Schafkameel. Man findet dieses Thier m dem hohen Gebirge der CGordilleren noch im natürlichen Zustande, der sich
da, wo es als Bastthier benutzt wird, wenig ver-
*) Vom Anfange der historischen Zeit her ist das Drome. dar als Hausthier, Saumthier und wegen seiner Anwen. dung im Kriege bekannt , v. Desmoulins sur la patrie du Chameau a une bosse etc, Memoires du Mus. d’hist. nat. V. annee. 9me cah.
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ändert hat. Es ıst schon von Natur mild, furcht- los und zutraulich und gewohnt sich sehr leicht an den Menschen. — Dafs das Hirtenleben, dem die Nomadenstämme von Mlittelasien so allgemein zugethan sind, den Ureinwohnern von Amerika“) ganz unbekannt geblieben ist, hat keinen andern Grund, als den gänzlichen Mangel jener friedli- chen, den Menschen nicht scheuenden Wieder- kauer, die den Wohlstand der Volker der alten Welt begründen. Der Bison und Bisamochs in Amerika sind nie gezähmt worden, gewils aus keinem andern Grunde , als weil sie, gleich dem Auerochsen der alten Welt, ihres wilden, unbän- digen Naturells wegen, sich nicht zu Hausthieren eignen.
*) Nach Humboldt.
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vMi.
Bericht über die am 15. Mai 1824 in der Versammlung naturforschender Freunde von Hrn. Prof. Meisner gehaltene Vor- lesung von den ursprünglichen Stamm= ragen der Hausthiere aus der Classe der Mammalien, durch Hrn. Dr. Ith, Professor der Physiologie ").
In der Absicht, Belehrung für mein anthro- pologisches Fach zu schöpfen, habe ich das An- erbieten des gel. Hrn. Verfassers, mir seinen Aufsatz zur Untersuchung und Berichterstattung zu übergeben, angenommen, und mich zu sehr ungleichem Wettkampf mit einem verehrten Lehrer auf unbekanntem Boden verstanden. i
Viele Kenntnisse existiren vereinzelt, die neben einandergestellt, in Wechselwirkung ge- bracht überraschende Lichtstrahle auf die Natur werfen würden. Ich rede nicht nur von der Analo- gie , die gewils als princıpium instrumentale und
nale der Naturforschung in den letzten Zeiten ge- milsbraucht worden, aber darum nicht verwerflich ist, sondern auch von der unmiitelbaren Aufklarung,
*) In den Sitzungen jener Gesellschaft nämlich ist seit kurzem die Sitte eingeführt, dafs, zu vollständigerer Beleuchtung des vorgetragenen Gegenstandes ein oder mehrere Mitglieder beauftragt werden, über die vorge. lesene Arbeit einen Rapport abzustatten, worinn, mit steter Schonung der Persönlichkeit , die darinn entwickel. ten Ansichten nochmals durchgegangen , gewürdigt und nöthigenfalls berichtigt oder theilweise bestritten werden. So entstand auch die gegenwärtige Arbeit,
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die in der Natur jeder Gegenstand durch den andern erhalten muls. So weit und unerschwing- lich daher auch das gewählte Feld der Wissen- schaft seyn mag, so dürfen wir es uns nicht ge- reuen lassen, hier und da einen Streifzug in’s frem- dere Land zu machen; konnen aber dann auch hoffen, als Fremdlinge Nachsicht zu finden.
Ich werde kürzlich dem Verfasser folgen, meine Bemerkungen beifügen, und mich einige Augenblicke länger verweilen, wo ich nicht blos Hang, sondern Beruf zum commentiren und cri- ticiren fühle.
Das Kaninchen, die Hauskatze, das Haus= schwein werden als identisch mit den wild-leben- den Thieren derselben Art anerkannt. Merkwür- dig war mir bei dieser Gelegenheit die Aeusse- rung Blumenbachs *): „Aethiopis cranium non magis ab Europzo abhorret, quam suis domestic® ab aprı capite osseo; aut equi Neapolitani caput, quod a similitudine arielinum vocaut, ab eo equi Hungariciı, quod singulari brevitate et maxillse inferioris amplitudine conspicuum esse norunt.“ Es herrscht also in zwei ganz ähnlichen Fällen, namlich bei Bestimmung der Abkunft des Men- -schen und des zahmen Schweins eine hochst un- gleiche Strenge, ja Verschiedenheit des Raison- nement, indem so viele Anthropologen neuerlich die Identität der Menschenspecies laugnen. So- dann mufs ich noch eine unwissende Frage bei- fügen: Wohl ist bekannt, dals die Schweine leicht verwildern, aber werden sie wieder zu
wilden Schweinen im zoologischen Sinn?
’
”) De generis humanı varietate nativa p. 80;
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Die Abkunft des Zsels vom Onager oder Kulan, ist nach dem gel. Verfasser keinem Zwei- fel unterworfen; gegen Norden hin artet er aus, und weiter hin kommt er gar nicht fort. Schon unser Guggisbergische Esel ist sichtbar schlechter als der Waadtlandische und vollends als der Ita- lienische.
In Rücksicht der Pferde schliefst sich der Verfasser an Pennant, Pallas, Gmelin, welche den wilden Stamm in den Mongolischen Steppen nachweisen. Cuvier “) scheint blofs noch Ab- kommlinge zahmer Pferde im freien Zustand an- zunehmen. Merkwürdig ist die ausserordentliche Veränderung der Pferde durch Clima, Boden und Domestication in Rucksicht der Form sowohl, als der Grofse. Cuvier ““) sagt, dals sie fast die doppelte Grofse erreichen konnen. Wenn wie von den wild-lebenden und verwilderten Pferden schliessen, so scheint die Domestication diese Thiere fast durchgehends vergrolsert zu haben. Sollte denn die Cultur den Menschen schlechter- dings verkürzen?
Der Verfasser lafst nun den orientalischen Büffel, das Rennthier, das Lama folgen, de- ren ÖOriginalragen noch im Stande der Freiheit existiren. Die freie Stammrace der Kameele und Dromedare schätzt Cuvier ***) für verloren.
Bei Gelegenheit des Zaus-Rindviehs führt Hr. Meisner die Stelle aus Cuvier f) an, die eine ganz übereinstimmende Rage im fossilen Zustand
*) Le ii animal distribue d’apr&s son organisation. T. I. p. 244. ”) Ossemens fossiles. T. II. p. 112. ”**) Oss. foss. T. IV. p. 150. 7) Oss. foss. t. IV. p. 109. u. fi
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nachweist, und rügt wie dieser die Verwechs- lung mit dem Auerochsen in zoologischer, aber auch in etymologischer Beziehung. Ich füge noch die Bemerkung bei, dals die guten alten Germanen, die den Namen Juer- oder Urochs erfunden, wohl schwerlich Nachforschungen über Alter und Herkunft ihres Viehs oder Gewildes angestellt haben, was man doch voraussetzt, wenn man unter der Silbe Jur oder Ur, den Begriff ursprünglich versteht. Uebrigens scheinen sie mit Aurochs und urus ganz verschiedene Spe- cien gemeint zu haben. Die fossilen Schädel des Ochsengeschlechts, die man besitzt, sind nicht aus den Knochenlagern der Elephanten und Rhi- noceros, wohl aber andre Knochen die demsel- ben genus zugehoren ”). Die Schädel fossiler Art, welche mit unsrem Haus-Rindvieh eine Spe- cies auszumachen scheinen, sind blols in ober- flächlicher Torferde gefunden, und konnten daher von neuerem Ursprung, als die Schwester-Specien seyn. Die Originalrage unsers Zugviehs muls erst noch seit Herberstein ausgestorben seyn, der nach einigen Individuen, die hier und da in Parks gehalten wurden, eine leidliche Abbildung entwarf, welche mit unsrem Rindvieh und nament- lich mit dem schwarzen, sogenannten Schwyzer- Vieh die meiste Aehnlichkeit hat. Wegen der constanteren Farbe und Bildung ist man auch in der Schweiz ziemlich allgemein geneigt, die er- wähnte Varietat für directere Sprolslinge der ursprünglichen Rage zu halten, als die gefleckte Spielart. Eine noch zuverlassigere Abstammung
von dem Thur urus der Alten, bubalus der Un-
*) Cuvier oss. foss. T. IV. p. 146.
TR
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wissenden, weist Cuvier in dem sogenannten weissen Bison nach, den Pennant zu Drumlanrig beim Herzog von Queensbury und zu Chilling- ham-Castle beim Grafen von Tancarville gesehn hat *). Dieser zeigt auch fast in allem Aehn- lichkeit mit unserm. Ochsen. |
Eine mir auffallende Erscheinung ist es, dals die fossilen Ueberreste dieser und ähnlicher Thiere nirgends für sich angehäuft vorkommen , wie man von heerdeweis lebenden Thieren erwarten konnte, während Knochen von verwandten, wenn nicht von denselben Arten, mit den Resten andrer , so verschiedener Thiere, wie Elephant, Rhinoze- ros, Tiger, Lowe, Pferd, Hirsch in bunter Verwirrung übereinander modern. Uebrigens müs- sen wir Guviers Bemerkung beherzigen, der im all- gemeinen mehr und mehr zur Ueberzeugung gelangt, dafs die fossilen Specien bei grofser Aehnlichkeit dennoch andere seien, als die Lebenden, was er namentlich auf Pferde und Ochsen angewendet wissen will.
Es scheinen mir die beiden Umstände, dafs namlich das Haus-Rindvieh nun gezähmt ist, und dafs keine übereinstimmende Art im Zustand der Wildheit gefunden wird, nicht stark genug für die Behauptung zu sprechen, diese Species sei ursprünglich dem Menschen zugewiesen. Die ungebändigte Schwester-Species des Auerochsen, die ebenfalls dem Aussterben nahe ist, die grolse Wahrscheinlichkeit, dafs die Originalrage noch vor kurzem im wilden Zustand existirt habe, der bösartige, trotzige Charakter des männlichen Ge-
schlechts, die Neigung zur Verwilderung , end-
ME:
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lich auch , aus spater anzuführenden Gründen, das heerdeweise Vorkommen , sind mir im Gegentheil starke Gründe gegen jene Annahme.
| Die Meinungen über Abstammung der YJaus= ziegen und Schafe sind nach uns. gel. Verfasser vollends ganz hypothetisch.
Die Abkunft der Schafe von dem unbändigen Argali des Caucasus (ov. Ammon. L.) wird aus der verschiedenen Gemüthsart, und aus der frü- hen Domesticitat der Schafe zu einer Zeit, als die Menschen keine Mittel zur Unterjochung wil- derer 'Thiere hatten, unwahrscheinlich gemacht. Der Verfasser beruft sich auf die grofse Abhan- gigkeit der Schafe von menschlicher Pflege, ohne doch diels Bedürfnils für absolut ursprünglich aus- zugeben.
In der That empfangen die Schafe, die auf den Schottischen Gebirgen weiden, weniger vom. Menschen, als sie ihm geben; und wo der Win- ter nur wenig rauher und dabei kürzer ist, als der nordische Sommer, wie z.B. in Spanien, dürften sie dieser Pflege wohl ganz entbehren konnen.
Ueberdiels muls ich hier einige Bemerkungen einschieben, die mir in mehr als einer Beziehung Zweifel über dıe Richtigkeit der Ansichten des Ver- fassers einflofsen; Zweifel die ich um so lieber gehoben sähe, da mein Gefühl gar sehr für diese vermeinte freundliche Ordnung in der Natur neigt. Bei heerdeweise lebenden T'hieren scheint mir die Gewährleistung ihrer Sicherheit nicht unbedingt in der Selbstvertheidigung der Individuen , daher. nicht in ihrem Privatcharakter, oder in Theilen ihrer Organisation , sondern in ihrem Verein, in der Constitution der Heerde, und hochstens in der Persönlichkeit des Vorfechters gesucht werden
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zu müssen. Ihr Instinkt, soweit er die Siche- rung gegen Feinde betrifft, hat offenbar Bezug auf das Zısammenleben. Die Kuh, die verein- zelt den Feind flieht, schliefst sich dagegen, wenn sie in Gesellschaft angegriffen wird, an die übrigen, und begegnet dem Ueberfall unter dem Commando eines starken Stiers , ungefähr wie der Infanterist, dem durch viele Uebung seine Pflicht zum Instinkt geworden, für sich einzeln alle Hoff- nung zur Behauptung gegen den Gavalleristen auf- giebt, während ihnı in Reihe und Grlied mit den an- dern Vertrauen, selbst Verachtung des Feindes er- wächst. Im Vorkämpfer nur ist der Muth einer gan- zen Heerde vereinigt. Bei den schwächeren Thie- ren, die heerdeweise leben, beschränken sich die Si- cherheitsmafsregeln auf strenge Wachsamkeit,, und doch findet bei ihnen, so wie bei den grolsern Wiederkauern ein auffallender Unterschied zwi- schen weiblichen und männlichen, ja zwischen den jüngern und ältern männlichen Thieren in Hinsicht der physischen Stärke, der Bewaffnung, der Wildheit und des Muthes statt. Der Brunft- Hirsch ist zuweilen ein wahrhaft furchtbares Thier. Manche Widder und Bocke sind in ihrer ganzen Gegend gefürchtet, und im Zorn durch einzelne Männer nicht zu bandigen. '
Der Widder ist also seinem Charakter nac in keinem so starken Contrast mit dem Argalı, als es scheinen mochte, wenn man diesem ein vereinzeltes weibliches Schaf gegenüberstellt, zu- mal ehe man genauere Eırkundigung eingezogen hat, ob auch der weibliche Argali, und ob er über- haupt und durchgängig der imposanten Beschrei- bung entspreche.
»- 223
Aus allem dem schliesse ıch , dafs es nicht so leicht sei, den Gemüthscharakter einer Thierart aus vereinzelten Individuen zu erkennen; dafs das Geschlecht, das Alter, das heerdeweise oder ein- same Leben wichtige Beiträge zu dieser Bestim- mung liefern müssen.
Jene Zeit endlich, auf welche unser gel. Verfasser anspielt, da der Mensch noch keine Instrumente zur Bandigung der Thiere besaß, ist wohl bei unsrem historischen Gedachtnifs nie ge- wesen. Vernunft ist das Unterjochungsinstrument des Menschen, das er, im ganzen genommen, ge- wils früher in Anwendung gebracht hat, als wir nachweisen konnen; durch Domestication aber werden nicht allein die eingefangenen Individuen , sondern auch die ganze Zucht derselben weit tractabler. Auch glaube ich, dafs die Angewoh- nung an den Menschen immer hauptsächlich durch die sanfteren weiblichen Thiere geschieht, die sich an den Ernahrer ihrer Jungen gezogen fühlen , und dann wieder auf sehr natürliche Art das frei- sinnigere mannliche 'Thier nach sich ziehn.
Die Identität sei es zwischen Schaf und Ar- gali oder zwischen Schaf und Mouflon mufs also auf sicherern Basen gegründet, oder mit mehreren und zuverlassigern Einwürfen bekampft werden, ehe wir zu dieser oder jener Annahme uns ent- schliessen konnen; namentlich dürfte ohne die Materialien der vergleichenden Anatomie bei übri- sens so ähnlichen T'hieren schwerlich etwas glaub- würdiges herauskommen.
Die Abstammung der Zausziege vom Stein-
fe) bock sowohl als vom Paseng (C. aegagrus Gm.) wird vom Verfasser verworfen. Vom Steinbock
wird die Ziege bald durch Bastard- Erzeugung Natw. Annl. IL. 2. ı9
mit der Gemse, bald durch Entartung und Do- mestication abgeleitet; beide Arten der Abstam- mung bezweifelt der Verfasser. Er sagt, die Bastard-Erzeugung zwischen Steinbock und Ziege sei kein Beweis der Identität, zumal nicht in Ge- fangenschaft. Die in der Wildheit erzeugt seyn sollenden Bastarde seien sammtlich historisch zwei- felhaft. Von dem etwas unsicheren Paseng, den Cuvier in der Menag. du musee, in-8°. ll. 177. abbilden lassen, habe der Mann die auffallendste Aehnlichkeit mit einem hier befindlichen mann- lichen Individuum , welches aus der Verbindung einer Gebirgsziege mit einem Steinbock entstan- den, während das Weibchen einer wahren Stein- ziege am nächsten kommt. Der Gemuthscharak- ter des Steinbocks sowohl, als des Paseng seie endlich gleich weit von dem der Ziege entfernt , welche letztere durch Verwilderung nie ihren menschenfreundlichen Charakter verliert, der sich auffallend genug schon in den jungen Kitzchen zeigt. Der Steinbock mengt sich nach Buffon nie unter die Heerde der Ziegen, wie diels zu- weilen sogar die Gemse thut. Soweit der Aufsatz.
Zu diesen Beweisen mochte ich noch hinzu- fügen, dals der Steinbock sehr vereinzelt, so viel ich weils paarweise, wenigstens nicht in die-
ser Polygamie lebt, wie der Ziegenbock , der an hundert Weibchen genügt ”). | Es scheint mir das Verhaltnifs des männlichen zum weiblichen Geschlecht in Hinsicht der Zahl müfste überhaupt als Charakter der Species grolse Aufmerksamkeit verdienen. Es giebt vielleicht
wenige so merkwürdige Wahrnehmungen , als die
*) Guvier. r, 4. T. I. p. 266.
| 227 von Süfsmilch für alle Theile der bewohnten Erde
nachgewiesene, oder doch wahrscheinlich gemachte Ueber 'einstimmung des Verhaltnisses heiten Ge- schlechter des Menschen. Verfolgung kann die Vereinzelung des Steinbocks nicht verschulden , da die Gemse selbst in niedrigern Alpenregionen, wo sie vom Jager leichter erreicht wird, als der ohnehin kühnere Steinbock, dennoch rudelweise lebt. Der Steinbock, für ne hochsten Regionen, wo das Futter sparsam, bestimmt, scheint mir vielmehr von Haus aus eine kleine Shewius auszu- machen, in der die Geschlechter ebendaher auch an Zahl wenig verschieden seyn dürften. Diesen Grund hat die Herleitung vom Paseng nicht ge-
gen sich, da dieser höeränwiätse ok Nun auch einige Einwendungen. Bastard- Erzeugung wird so viel ich weils von niemand als Beweis für Identität der Species angesehn, wohl aber würde Erzeugung von Bastärlen‘, die in der Regel fruchtbar sind, in diesem, wie in jedem andern Fall bedeusöndes Gewicht haben, denn die vom Hr. Verfasser erwähnten Bastarde zwischen verschiedenen Specien, namlich Maul- Esel und Maulthier, sind bei wohlgebauten Ge- schlechtstheilen nur selten fruchtbar. Uebrigens ist man über diese Sache noch nicht ganz einver- standen. MRajus wnterscheidet die Arten nach der Eirzielung fruchtbarer Bastarde. Frisch setzt als Beding den wilden Zustand hinzu; Büffon ausserdem noch Rückkehr zur Originalrage durch fruchtbare Begattung der Bastarde mit Individuen der ursprünglichen Race. Blumenbach *) lalst
uns über seine Meinung im Zweifel, indem er
")deg.h.v.n. ed. 3. pas. 67.
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nur die practische Unmöglichkeit, diefs eriterium überall anzuwenden, zeigt; wie aber ware es dann zu halten, wenn die Schwierigkeit für einzelne oder viele Fälle gehoben ware? Ich zweifle sehr ob der Zustand der Wildheit eine wesentliche Bedingung genannt werden konne. Zufällige Zu- stände des T'hiers konnen wohl nur zufällige Ver- änderungen hervorbringen und nicht die Grund- züge der Natur verwischen. Anomalien des Ge- schlechtstriebes zeigt uns die Natur, aber ent- sprechende Anomalien der Zeugungskraft, die über allen Zweifel erhoben wären, sind mir we- nigstens nicht bekannt, es sei denn dafs ich die. monstra des Zuchelli u. dgl. glauben wolle. Nach Cuvier r. a. ı. 266 begatten sich beide. Arten des Steinbocks C. ibex und caucasica mit der Ziege, und wenn eine Vermuthung irgend Gewicht hat,
so ist diese gewils nicht die ungegründetste, dals bei dem öftern Verlaufen der Ziege, bei dem ver- einzelten Leben des Steinbocks, bei der heftigen Brunst dieser Thiere, und bei ihrer immerhin srolsen Gleichartigkeit auch im wilden Zustand hier und da eine Vermählung statt finden moge, die übrigens, wie gesagt, wohl nicht viel zu be- deuten hat, sobald wir fruchtbare Bastarde zwi- schen Steinbock und Ziege aufzuweisen haben. Diese sind ausser Zweifel. Es blieben demnach blofs die Fragen zu beantworten übrig, ob der- gleichen Bastarde in der Regel fruchtbar seyen ? und ob die beiden Thiere anatomisch hinreichend übereinstimmen ? Ueber ersteres bleibt wohl kein Zweifel übrig; im Hinsicht des letziern erwarten wir noch eine genauere Vergleichung. Vorlaufig sind uns keine sehr wesentliche Verschiedenheiten
bekannt. Einen Zweifel konnen wir indels aus
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dem sparsamen vereinzelten Vorkommen des Stein- bocks, und aus der anscheinend geringen Poly- gamie desselben, schopfen; gewils sind wir aber auf keinen Fall noch so weit, eine Veredlung der Ziegen durch V ermählung mit dem Steinbock vor- schlagen zu dürfen.
Für die Abstammung von Bastarden zwischen Steinbock und Gemse: lalst sich wohl nicht: viel: einleuchtendes sagen; wir benutzen hier blofs die Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf. einen Punkt zu richten.
Durch Verbindung von Pferd’ und Esel ent- stehen bekanntlich T'hiere, die einen von beiden: Wltern verschiedenen, bosartigeren Gemüthscha- rakter haben. Konnte nicht etwas ähnliches. bei: Kreutzung der Varietäten statt finden? konnte: nicht eine Verbesserung ebensowohl, als eine Ver- wilderung des Charakters statt finden?‘ Wenig-. stens RN dieser Umstand Berücksichtigung; bei Festsetzung der allgemeinen Gemüthseigen-- schaften einer Zucht von Thieren.
Ohne darauf weiter zu reflectiren, kann ich. mich nicht enthalten, Büffons “) Bemerkungen über den Gegenstand hier einzuschalten. Gene Vermuthung ist, Steinbock, Gemse und Ziege machen nur eine Species aus. Die. weiblichen Thiere derselben seien. einander sehr ähnlich und constant, wahrend die mannlichen Thiere stärkern Veränderungen und Abweichungen unterwor- fen seien, als man gemeiniglich glauben wolle , (puisque ion peut prouver par Vexperience ‚ quil y a des especes dans la nature, oü la femelle peut
*) Oeuvres completes, Paris 1775.. Tom. V. Hist, des anim. 286, 287.
2530
egalement servir ä des mäles d’especes differentes et produire de tous deux. La brebis produit avec le boue aussi bien, qu’avec le belier, et produit toujours des agneaux, des individus de son es- pece (?) Le belier au contraire ne produit point avec la chevre, on peut regarder la brebis comme une femelle commune A deux: males differens, et parconsequent elle constitue l’espece independem- ment du mäle). So, glaubt er, stelle blofs der weibliche Steinbock die ursprüngliche Species dar, weil er von constanter Natur sei, und die Haus- ziege würde wahrscheinlich nicht nur mit ihrem Bock, sondern auch mit Gems- und Steinbock Junge erzeugen. So konnen zuweilen zwei, eine männliche und eine weibliche Varietat in der glei- chen Species stait finden, welche beide fortbeste- hen, sich verewigend mit ihren distinctiven Cha- rakteren zwei verschiedene Specien auszumachen schemen, und jene Falle herbeiführen, wo es unmoelich wird zu bestimmen, ob man verschie-
no A; 2 dene Arten oder Varietaten vor sich habe *).
”) Die Geschichte der letzten Spröfslinge unsrer hiesigen Stein- böcke ist nicht ohne Interesse und Aufschlufs. JDiese Familie besteht aus einem nun 4%, Jahr alten Steinbock Y, Race, der aus der Verbindung eines ächten Steinbocks und einer Bastardziege entsprungen ist, welche beide 1820 aus dem Aosta-I'hal hergebracht wurden. Dieser Bastard kömmt an Gröfse,, Stärke, in der Bildung und Vollendung der Hör- ne» dem ausgewachsenen Steinbock sehr nahe, und über. trifft namentlich seinen ım vierten Jahr gefallenen Vater, der auf unserm Museum zu sehn ist, in allen diesen Be. ziehungen auffallend, Das andere Glied der erwähnten Familie ist eine ächte Steinziege, die vom damaligen K. Sardinischen Gesandten 1820 geschenkt worden ,„ und nun vor wenigen Mlonaten gestorben ist; endlich gehört dazu eine Bastardziege , die von dem genannten Bock und einer Hausziege erzeugt worden.
Die Eltern dieser Individuen, so wie mehrere andere angekaufte,, männliche sowohl als weibliche Steinböcke ,
23%
Die Hausziegen (c.. hircus) zeigen übrigens. auch unter sich in Rucksicht der Gestalt, Farbe,
f
sind auf verschiedene Weise verunglückt. Einige Ske- . lette befinden sich auf unserm anatomischen , einige aus- gestopfte T'hiere auf dem zoologischen Museum. Wiewohl jene 'Thiere als frei und wild angesehn wer. den können , so zeigen sie keine Spur, weder von Men. schenfurcht, noch von Menschenliebe. Auf den Stadtwäl- len, die ihnen zum 'Tummelplatz angewiesen waren, machte sich der wilde Bastardbock durch widerholte Angriffe auf die Schildwachen gehässig. Mehr als einmal unterbrach er die im Freien zunächst an der Sternwarte vorgenom.- menen astronomischen Beobachtungen ; stieg auf einen benachbarten Spaziergang hinab und jagte die Lustwand.- ler ın die Flucht, gefiel sich auf den anstossenden Dä-. chern die Ziegelsteine zu zerhacken u. s.w. Vonallen Seiten liefen Klagen ein. Die Steinbock-Familie wurde nun auf den Abendberg bei Interlacken verpflanzt. Die Stein- ziege und Bastardziege strebten nach den Höhen, allein der Steinbock gefiel sich besser in den bewohnteren Re. gionen. T’äglich kam er mehreremale zur Alphütte, und war zuletzt mit keiner Gewalt mehr von da hinwegzu.. bringen; stiefs den Aelpler zu Boden, wenn er sich wider. setzte, und dieser wäre bei einer solchen Gelegen. heit wahrscheinlich umgekommen , wäre nicht seine Frau herbeigestürzt, die aus richtigem und glücklichem Instinct den Feind beim Barte ergriff, der, wie dıe Ferse am Achill, fast die einzige schwache Stelle an dem furchtba. ren Bastard ist. Wegen der Verheerungen in den Plan. zungen, und wegen der Gewaltthätigkeiten die der Bock alle Augenblicke verübte, wurde nun die Steinhocks-Fa- milie weiter hinauf an die:Höhen des Saxeten-Thhales ge- bracht. Der Bock mufste durch 4 Männer an einem starken Seil fortgeschleppt werden , und warf mehr denn einmal seine ganze kräfuge Escorte über’'n Haufen. Ein herceulischer Gemsjäger, Obmann Roth, übernahm nun mit eigentlicher Vorliebe die Aufsicht über die neuen Gäste, die aber wenig Dankbarkeit bewiesen, An einem senk- rechten Felsabsturz , einen Schritt vom Abgrund, mufste einmal der beherzte Jäger über eine Stunde lang mit dem Bastarden ringen, der ihn hinabstofsen wollte. Auch hier ward letzterer das Schrecken der Aelpler,, indem er beständig zu den Hütten herabkam und die Widerstehen. den geradezu überrumpelte. Seit Ende September hatte er seine Ziegen ganz verlassen, und sich im 'Thhalgrunde von Saxeten aufgehalten. Dem Roth gelang es, ıhn auf seine Höhen zurückzuführen , aber schneller als sein Mei- ster, war der Steinbock. wieder ım “Thal, stiefs alle
5) 292
Grofse , der Form und selbst Menge der Horner , der Länge und Feinheit der Haare vielfältige und bedeutende Abweichungen, deren Extreme leicht für verschiedene Specien gehalten werden dürften.
Endlich ist nicht zu vergessen, dafs Thiere, welche ihrem natürlichen Boden und Glima ent- , rissen werden, natürlich auch der menschlichen Pflege schon um defswillen mehr bedurfen, ohne dafs wir darum annehmen konnten, dals dieses Verhaltnifs ursprünglich sei.
Es ist hier beiläufig merkenswerth, dafs man bisher mit Bestimmitheit weder Schaf- noch Zie-
Thüren em, wo er Ziegen vermuthete , besprang diesel. ben und verfolgte selbst Weibsleute in Küchen und Keller. Man hoffte, dafs nach Ablauf seiner Brunstzeit , der Wildfang sich wieder zu den Seinigen halten würde, welche indefs ruhig die höhern Alpgegenden beweidet hatten. Allein wenige Tage nachdem er der Haft entlas. sen und auf seine Höhen zurückgebracht worden, erschien er plötzlich zu Wilderswyl in der Fläche, hinter einer Heerde von Ziegen daherrennend,, die in voller Eile ins Dorf gelaufen kam.
Die einzige noch übrige reine Steinziege , die vom Ba. stardbock und von der bösartigen Bastardziege viele Mifs. handlungen erlitten hatte, starb im Winter 1825, wie es scheint an Lungengeschwüren. Der wackere Obmann brachte die Nachricht ihres Todes mit T'hränen in den Augen. Den Winter über mufsten die Thiere gefüttert werden ,„ schon im Späthherbst waren sie aus Mangel an Futter in ihren hohen Revieren ganz abgemagert.
Der %,-Steinbock ist unstreitig bösartiger und geiler als die reinen Steinböcke , die wir besessen haben. Es existiren eine Menge seiner Spröfslinge. Merkenswerth ist bei diesen 'I’hieren der Trieb, die höchsten Stellen ihres Reviers zu erklettern, von wo sie oft nicht mehr hinunter zu steigen wagen. Eine unsrer Ziegen blieb einmal aus Scheu drei T’age auf einem Thurm, und mufste heruntergeholt werden, da sie selbst sich nicht mehr zu- rückwagte.
Uebrigens erwarten wir von unserm gelehrten Hr. An- ker eine ausführliche Geschichte dieser T'hiere , und na. mentlich eine. anatomische Vergleichung derselben mit Gemsen und Ziegen, welcher wir mit keinem Worte vor. greifen wollen.
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senknochen fossiler Art gefunden hat, so dafs dass Thiere nebst dem Meitschen spateren Ur- sprungs zu seyn scheinen.
Der Hr. Verfasser schlielst seine Arbeit mit dem Z/und, und zeigt, dals sein Stammvater un- bekannt, aber wahrscheinlich kein erklarter‘ Feind .des Menschen gewesen , dals man auch ganz im Zweifel sei, ob alle Varietäten einen gemeinsa- men Stamm hätten; dals auch die in Amerika verwilderten Hunde sich leicht an den Menschen gewohnten. Hr. Meisner nimmt nun vorzüglich von diesem T'hier die Gelegenheit, die so neue als schone Idee in der Naturgeschichte aufzu- stellen und zu begründen, dafs man die Stamm- race gewisser T'hiere vergebens und durch Vorur- theile irregeführt durchaus im wilden Zustand auf- suche, da sie hingegen ganz eigentlich von der Na= tur zu Gesellschaftern des Menschen bestimmt, eine ursprüngliche Instinctneigung zu ihm hätten, sich ihm von freien Stücken näherten und an ihn anschlö/sen.
Und warum sollte es nicht dergleichen rela- live Instinete,, die sich als freundschaftliche Zu- neigung zu andern Arten von 'I'hieren äussern , eben so wohl, als zwischen verschiedenen Ge- schlechtern, warum nicht anziehende Verhältnisse eben so gut, als feindliche geben? Hat doch jedes Geschopf seine natürlichen Feinde, warum nicht auch natürliche Freunde ? Relative Instinete anderer Art, die zwischen ganz verschiedenen Specien obwalten, zeigen uns das Nachahmen der Affen, das Nachschwatzen der Papagaien. Aber sehn wir denn nicht geradezu einzelne Ziegen und Schafe sich an die Heerden des Rindviehs
anschliessen? Sind nicht Schwalben , Singvögel
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und Storche wahre Hausfreunde des Menschen? Beim Hund nun vollends ist es auffallend, dafs er — fast das einzige uneigennützige Wesen in der Schöpfung — aufs vortrefllichste zum allereigen- nütziesten dem Menschen palst.
Die Frage ist aber nicht eigentlich, ob diese: gegenseitige Verhöltsisse wiederlegt werden, son- dern ob sie hinreichend erwiesen werden konnen, ob nicht näherliegende Ursachen, denn einge- pflanzte Triebe, zur Erklärung der 'T'hatsachen
an gegeben werden mo gen! 2
Wozu brauchen wir Rindvieh, Ziege, Schaf, Pferd, Hund? Ihr Loos im Dienste aa Men- schen ist Sklaverei, und im allgemeinen harte Sklaverei! Wir nehmen ilmen ihre Milch auf Kosten eines grofsen 'Theils ihrer Jungen, die wir zum 'V'heil schlachten. Wir rauben ihnen ihre Wolle, Haare und machen sie dadurch freilich zur Freiheit wntauglicher. Wir masten sie zum platzen, um sie zu schlachten. Ihre Häute, ihr Fett, fast alle ihre T'heile verwenden wir zu ver- schiedenen eigennützigen Zwecken. Pferde und Hunde entgehn diesen Mifshandlungen, nur um desto langer von ihrem sogenannten Freunde, dem Menschen, zu leiden. Ihr Alter zumal ist hart und iraurig. Wilde Pferde, Esel, Büffel, Auerochs, Hunde u. s. f. befinden sich trefflich in der Freiheit. Sollte nun die Natur diesen Thieren wirklich eine betrugerische Himneigung zum Menschen, zum kaltblutigsten , plaghaftesten ihrer Feinde eimgepflanzt abe ich wulste ın der übrigen Nase keine andere so verrätherische Zuneigung eines '['hieres zu den ihm feindlichen Greschopfen.. Hochstens das Schrecken führt hier
und da das schwächere Wesen dem stärkern in
23)
den Rachen. Danebst sind viele unserer Haus- thiere Zeerdenthiere, die gleichsam nomadischen T'hierstaaten zugehören , welche in diesem Ver- haltnils alles vereinigen, um wnabhangig zu leben. Die Heerde hat ihr instinctmalsiges V erprovianti- rungs-, ihr Wachsamkeits- und Vertheidigungs- system. Die verwilderten, nach Gargilasso bei Blumenbach schon vor den Spaniern in Südame- rika existirenden Hunde, jagen von freien Stücken schaarenweise. Der wilde Esel zieht jahrlich im Herbst m unzahliger Menge aus seiner Steppe südlich nach Persien und Indien, wo er üuberwin- tert. Die Hirschrudel stellen ihre Wachen aus; das Rindvieh bildet gegen den Feind einen Fveias der Wolf, der dem Hund verwandt ist, scheint nach manchen, vielleicht zur Hälfte Foheihaficn Erzählungen , Mitglied eines organisirten Vereins zu seyn. Was würden wir nicht im Sinne des Verfassers für Beweise vom Elephanten herholen,, der doch immer das intelligenteste aller Thiere , und wie zum Gefährten des Menschen geschaffen ist? und doch muls der letztere diels Yontnehlu lie Geschopf jedesmal in der Freiheit holen, in der seine Specien sich noch immer behauptet haben , obwohl die Domestication ihnen immer so‘ slan- zende Vortheile als andern 'Thhieren BERN,
Das Schwein dagegen, das eines der unent- behrlichsten Hausthiere ist, und nachst dem Hund am weitesten mit senem Herrn herumkommt, ist weder beneidenswerth, noch durch irgend eine Art von Zuneigung zum Menschen ausgezeichnet,
Der End, scheint mir allein in seinem Cha- rakter wahre Anhanglichkeit zu haben. Aber sehn wir ihn nicht mit gleicher Treue bei Gelegenheit
an einem en; an einem Pferd, ja selbst an
einer Katze hangen, wenn der Mensch die Initia- tive zur Freundschaft zwischen denselben veran- lafst? Und sogar ohne dals der letztere den Core- lationspunkt ausmachte, ist vielmehr frühe Ange- wohnung das sicherste Mittel zu dergleichen selt- samen platonischen 'T'hier-Verhaltnissen.. Ich meine nur, es liege im Hund die anhängliche Anlage, aber ohne ursprünglich bestimmtes Object; dieses wird durch die schmeichlerische Behandlung des Menschen bestimmt, und ist für den Hund zu- fallıg.
Der Niensch ist den T'hieren Feind und Freund abwechselnd und eigener Art. Er nährt sie, schmei- chelt manchen ihrer Instincte und Leidenschaften. Will er sie zerstoren,, so geschieht es nicht mit dem Grimm, der sich der Einbildungskraft des. Thiers als Schreckbild einpragt; er zerreilst das Schaf nicht mitten in der Heerde, hinterläfst nicht die Grausen erweckenden Spuren des Mordes — fur viele 'Thiere ist der Tod die erste und letzte “Mifshandlung durch Menschenhand. Durch eine Freundschaft dieser Art, werden auch wohl Men- schen von Menschen gekodert. Weder der An- blick noch die Stimme des Menschen haben etwas sehr furchtbares, zuruckschreckendes.
So kann ieh mich denn weder aus naturhi- storischen, noch aus Vernunftgründen von der Rich- tigkeit des Satzes überzeugen, dals es ursprung- liche Hausthiere gebe.
Ich finde hier beim’ gel. Verfasser einen Feh- ler des Raisonnemens, der leichter zu bekritteln , als zu vermeiden ist, wenn eine schone Idee uns erfüllt. \Venn namlich über die Stammrace, und daher über die ursprüngliche W ildheit unsrer Haus-
thiere Zweifel existiren, so konnen diese eben so
337. wenig für, als gegen die aufgestellte Ansicht spre- ‘chen. Auch Sakeıc mir zu unbedingt der Gegen- satz von Freundschaft oder Feindschaft gegen den Menschen den Verfasser geleitet zu haben. Es ist ein Drittes moglich: Gleichgültigkeit, wenig- stens nach Ueberwindung des ersten ungewohnten Anblicks, der bei 'Thieren und selbst bei ungehil- deten Menschen immer schreckhaft wirkt. ? Der Wolf, und so viele andere reissende 'T’'hiere gehn bald gleichgültig am Menschen vorüber , bald Hi sie ihn, bald auch wenn sie vom an Instinct des Hungers oder Zorns getrieben sind, greifen sie ıhn an und zerreissen ihn. Ich sehe hier kein bestimmtes, eingepflanztes Verhältnifs. Man muls nie vergessen, dals wir in unsrer 'Teleologie im- mer von einem Standpunkte ausgehn, der die stärkste Prasumption der ‚Einseitigkeit mit sich siebt, indem wir uns selbst für den Mittelpunkt der Schopfung ansehen. Der Naturforscher, der sein Heil mehr und mehr in der historischen und philosophischen Pracision zu suchen hat, muülste diese Rlippe so viel wie moglich meiden. Erhaltungsinstinet, Zwang, das Gefühl der ' Unterwürfigkeit unter die Gewalt des Menschen, (denn geistige und physische Kraft haben für das Thier dieselben Resultate) Angewohnung der Sinne, Anhanglichkeit an die Jungen und Weibchen schei- nen mir die Grunde der Domestication auf Seite der 'Thiere; ja ich wurde anstehn, das Fortwir- ken dieser Gewohnheit in den Jungen durchaus abzulaugnen, und den Zustand der V erwilderung dem. der ursprünglichen Wildheit ganz gleichzu- setzen. Vernunft mit ihren erolsen Wirkungen
o
ist aber Beding der Domestication auf Seite u
Menschen. Mir erscheinen auch diese Principien
238
als hinreichend um die thatsachlichen Verhältnisse zu erklären, und daher auch so, um die Annahme einer eingepflanzten Neigung der Thiere zum Men- schen unnothig zu machen, die ohnehin schwer darzuthun seyn durfte.
Folgendes sind die Resultate, die mir aus
dieser Untersuchung hervorzugehen scheinen.
Bei Bestimmung des ursprunglichen Zuustan-
des der Hausthiere mussen folgende Rucksichten genommen werden:
ı) Auf ihren eigenthümlichen Wohnort, ihr Cli- ma etc.
2) Auf ihre Lebensart. Heerdenweise lebende Thiere vereinigen in sich die Bedingungen der Unabhängigkeit. Nur vereinzelte Thiere sol- cher Art, mögen bei andern Thieren oder beim Menschen Nahrung oder Schutz suchen.
3) Auf Bestimmung der Species ähnlicher freile- bender Thiere.
a. Hiezu ist der Gemüthscharakter unzureichend und sodann erfodert die Bestimmung des letz- tern Vorsicht.
«. Kreuzung der Specien mag nämlich densel- ben verändern, daher auch vielleicht Kreu- zung der Varietäten.
%. Es muls sorgfältig und namentlich bei den Fflanzenfressern das männliche und weib- liche Geschlecht unterschieden werden. Von einem und demselben Paare möchte der Mann zu den unbändigen, das Weib zu den furchtsamen und sanften Thieren zu stehn kommen.
y. Selbst die Verschiedenheit des Alters OR den Charakter gar sehr modifiziren.
d9. Auch hier ist dar heerdeweise Vorkommen wichtig, weil die isolirte oder gesellschaft- liche Stellung der Individuen den Charakter verschieden erscheinen läfst, der namentlich
259 beim weiblichen Geschlecht blofs eine rela- tive Energie hat. Ä
db. Bastarderzeugung hat nur insofern Beweis- kraft für Identität der Species, als die erzielte Nachkommenschaft zz der Regel fruchtbar ist, und durch Verbindung mit der Original- race sich wiederum derselben nähert. Bei Er- füllung dieser Bedingungen scheint der Zu- stand der F?eiheit keine nöthige oder wesent- liche Forderung.
c. Wo nun das Criterium der Erzeugung frucht- barer Bastarde wegen Entfernung nicht an- wendbar ist, da kann blofs absolute Ver- schiedenheit des Skelets und zwar haupt- sächlich des Schädels, die nicht blofs in der Gröfse, oderin der Form sehr veränderlicher Theile, ‘wie etwa der Horngebilde, liegt, die Bestimmung leisten. Ueberhaupt sind die anatomischen Kennzeichen die bedeutendsten.
d. Die Vergleichung der Verhältnifszahl beider
Geschlechter verspricht Aufschlufs.
Veränderung des Charakters durch Verwilde-
rung kann zur Bestimmung der ursprüngli-
chen Species wenigstens bei den reissenden
Thieren, die einen selbstständigen Charakter
haben, beitragen.
4) Zur Bestimmung des ursprünglichen Zustandes der Haus-Säugethiere mufs das Princip der Domesticierung genauer festgesetzt werden, Es fällt ein Theil desselben auf die Thiere, ein anderer auf den Menschen. |
a. Auf Seite der T'hiere ist es wohl verschieden, je nachdem sie furchtsamere Pflauzenfresser, oder reissendere Fleischfresser sind. Bei den ersteren dürften Anziehung durch angebo- tene Nahrung, Auffangen der Jungen, Er- nähren derselben, Nachfolgen des dankba- rern, zutraulichern weiblichen, und der hie- durch erfolgte Beitritt des freiheitsliebenden, trotzigern männlichen Thiers, bei den letz- tern dagegen Hunger, Umgebung der mensch-
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lichen Wohnung mit den früher eingefange- nen, furchtsamern Thieren, Geburt in der Sklaverei, Gewohnheit an menschlichen An- blick, an menschliche Stimme, Jagd, und bei allen vorzüglich die Abvreserdseit der Ver- nunft die Ursachen der Domestication B- sen seyn.
b. Auf Seite des Menschen ist die Baar rde Bedingung der Unterjochung und Herrschaft über die Thiere, nämlich dessen Veruunft, die auf diese begründete Herrschbegierde, wohlgewählte Behandlungsart, Erfindung von tausend Mitteln zum Anlocken, Einfangen der Thiere zum Schmeicheln der thierischen Instincte, ja selbst die Abwesenheit natürli- ‚cher Waffen und eines furchtbaren Anblicks dürften hier dem Menschen zu statten kommen. |
5) Was endlich das Bedürfnifs der Domestication, welches als Grund gegen die ursprüngliche Freiheit der Hausthiere angeführt wird, be- trifft, so scheint mir diefs lediglich auf Seite des Menschen, nicht aber auf Seite der Thiere Statt zu finden, da wir ja Schwester-Specien selbst Schwester-Varietäten der Hausthiere im freien oder verwilderten Zustand, freilich aber unter angemessenen äussern Bedingungen, fortkommen und gedeihen sehen. Das Be- dürfnifs, das die Thiere allenfalls erwerben, unter menschlichem Einflufs zu stehn , ist zu- fälligen secundären Ursprungs und von Ver- pflanzung unter fremdes Clima, von Berau- bung natürlicher Bekleidungen u. dgl. abzu- leiten.
vo. Herr Carl Friedrich Zugust Meisner,
geboren zu Ihlefeld , Königreich Hannover , den 6. Januar 1765, gestorben zu Bern den 12. Februar 1825 *),
Eine ehrenwerthe Sitte bleibt es immerdar, das Andenken der Verstorbenen zu erhalten tnd auf die Nachwelt überzutragen, geschehe diels nun durch prächtige Mausoleen, durch prunkvolle Grabsteine, oder auch blofs mittelst eines war- men freundlichen Wortes vom Herzen gesprochen und vom Herzen aufgenommen, dafs es durch Ueberlieferung fortlebe im Geiste derer, die auf der rühmlich gebrochenen Bahn fortstreben in Er- forschung der Wahrheit. Auch gegen unsern ent- schlummerten Freund und Collesen werde diese Pflicht erfüllt, und wo konnte das wohl passen- der geschehen, als am Schlusse gegenwartiger Blätter, welche der Verewigte, durchdrungen von Eifer für die Wissenschait, eröffnete, ohne zu ahnden, dafs noch vor Abschlufs des 2ten Bändchens ihn das unerbittliche Schicksal in ein anderes Leben abrufen werde. Ob gegenwärtige Zeitschrift sich einer Fortsetzung zu erfreuen habe, oder mit diesen Zeilen schliessen werde, steht da-
*) Das unerwärtete Absterben dieses würdigen Gelehrten mitten aus der Redaction dieser Annalen „ veranlafste den Verfasser dieses Aufsatzes zu Beendigung des Ganzen und zu Befriedigung der respektiven Herren Pränumeranten, die Redaction der letzten 6 Bogen zu übernehmen, wo. bei er die gefällige Mithülfe seiner Herren Collegen dank. bar anerkennt,
Natw. Annl, IL.2. | 16
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hin: alleın auf jeden Fall bleibt ein theures An- gedenken der Nachwelt zugesichert.
Keine vollständige Biographie unseres verhli- chenen Freundes erwarte man hier, denn diels wäre eben so schwierig als nutzlos! Schwierig, theils wegen des beschrankten Raumes dieser Bo-
en und der Kürze der Zeit, theils wegen man- gelnder Angaben aus seinem frühern Leben; nutzlos hauptsachlich darum, weil er, was er uns und der Wissenschaft war, nur erst von dem Zeitpunkt an recht eigentlich wurde, da ihn sein Schicksal an die Schweiz fesselte, an der er auch bald eine zweite Heimath fand. En
Herr Carl Friedrich August Meisner stammte von unbemittelten Eltern, sein Vater war Vorste- her des Padagogiums zu Ihlefeld, wo der Sohn auch seinen ersten Unterricht erhielt. Nachher studierte er in Göttingen vorzüglich Humaniora, und hielt sich dann 7 Jahre in Bremen, theils als Haus- lehrer, theils als Dr. Müllers Gehülfe an einer Erziehungsanstalt auf. Im Jahr 1796 erhielt er den Ruf als Hauslehrer nach Bern, wohin ihn überdiefs noch seine entschiedene Liebe für eine schone Natur anlockte. Nicht lange nachher ver- ehelichte er sich mit einem Frauenzimmer aus einer hiesigen patrizischen Familie, welche ihm zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter schenkte, hatte aber das Unglück seine Gattin in Folge ihrer Sten Niederkunft zu verlieren.
Die damaligen Revolutionsstürme hatten alle frühere Verhaltnisse in ihrem Innersten erschut- tert, ganz vorzüglich aber hatten die offentlichen Unterrichtsanstalten unter den Ereignissen einer rohen Zeit gelitten. Doch aus ihren "Trümmern traten sie bald hervor, glänzender als je. Mit be-
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sonderer Vorliebe für den Unterricht der Jugend stellte sich Hr. M. im Jahr 1799 an die Spitze eines solchen Privatinstituts, von dessen Zweck und Plan er in einer besondern Schrift offentliche Rechnung gab. Damals schon liefs er sich die Mühe nicht gereuen, auf Spaziergangen und wäh- rend der Erholungsstunden seine jungen Zoglinge auf alles Wissenswürdige der umgebenden Natur aufmerksam zu machen, und sie zu Anlegung kleiner naturhistorischen Sammlungen aufzumun- tern. Denn auch in ıhm hatte sich bald eine 'ent- schiedene Neigung zur Naturgeschichte entwickelt, welche durch die freundschaftlichen Mittheilungen der Herren Prof. Studer und Pfarrer Wyttenbach 'angeleitet, ihn vorerst auf Schmetterlinge, bald aber auf die übrige Entomologie, von da auf die. Conchyliologie und so unvermerkt auf die übrigen Fächer der weitumfassenden Zoologie , ja zuletzt mittelst der Petrefactenkunden sogar auf Minera- logie führte. Diesem wissenschaftlichen Entwick- lungsgange kam der Umstand zu Hiülfe, dafs im Dezember des Jahres 1801 die bekannte Sprüng- lische Vogelsammlung durch einen Verein gemein- nutziger Burger angekauft und zur offentlichen
Belehrung in ihrem jetzigen Locale aufgestellt wurde; ja es ist sogar wahrscheinlich, dafs dieses Ereignifs bei Hr. M. den Ausschlag gab und ihn bewog, von nun an seine besondere Aufmerk- samkeit der damals noch ziemlich vernachlässigten schweizerischen ÖOrnithologie zu schenken, ein Unternehmen, woran er späterhin an dem selehr- ten Dr. Schinz in Zurich einen thatigen Mitar- beiter fand.
Mit ’rastlosem Eifer ordnete nun Hr. M., als
Mitglied der damaligen Gesellschaft naturforschen-
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der Freunde , die seiner speziellen Aufsicht anver- traute Sammlung aufs trefllichste , unterstützt durch den zu frühe verstorbenen Naturalienhändler Dan. Rätzer. Ein Verzeichnifs des fruhern Besitzers jenes Gabinets wurde, von ıhm nun aufs beharr- lichste durchstudiert, der neuen Anordnung zum Grund gelegt, und zahlreiche Geschenke langten bald von allen Seiten ein, die wahrhaft vaterlan- dische Sammlung schweizerischer Säugethiere und Vogel zu ergänzen. Mit acht-eritischem Blick begann nun Hr. M. die Gegenstände genauer zu untersuchen, und mulste sich sehr bald überzeugen, wie vieles zu einer richtigen Bestimmung der an- scheinend längst bekannten Schweizervogel zu thun übrig sei, zumal der Raubvogel, welche je nach ihrem verschiedenen Alter unter 3 bis A ver- schiedenen Namen vorkommen. Eben diese Sorg- falt verwendete er auf die genauere Erorterung der Amphibien der Schweiz und die Bestimmun- gen der fossilen Knochen aus den verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes. Eine Synopsis der helvetischen Schmetterlinge, an welcher er gleichfalls arbeitete, blieb dagegen unvollendet. Ihm vorzüglich gebührt das Verdienst der heutigen streng-wissenschaftlichen Anordnung des Cabinets, und des auf gründliche, vielfältige Beobachtung gestützten, im Jahr 1804 im Druck erschie- ‚nenen Verzeichnisses, welches seither als gülti- ger Wegweiser jedem fremden Naturforscher zu Gebote steht.
Man muls selbst Zeuge gewesen seyn von der Unverdrossenheit und Beharrlichkeit, so wie der sich immer gleichen Gemüthsruhe dieses Mannes, um sie begreifen zu können jene prunklose 'T'ha- tigkeit, welche,keine der von dergleichen Leistun-
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gen fast unzertrennlichen Hindernisse einen Au. genblick storen konnten, weil sie ihren hochsten . Stolz darein setzte, dafs unser naturhistorisches Museum den Rang, welcher ihm unter den An- stalten dieser Ärt zu Theil geworden, auch fer- nerhin ruhmlich behaupte.
Mit dem Jahr ı805 begann für Hrn. M. gleichsam eine neue Faäbensieriüde, Im Januar namlıeh schritt er zur zweiten Ehe mit seiner noch jetzt lebenden Gemahlin. Im Spatjahr aber loste sich, bei Gründung der neuen Schule und Aka- demie, sein Privatinstitut auf, und aus Vorliebe für die Naturgeschichte wählte er sich den- Lehr- stuhl derselben an der neuen Anstalt, welchem an sich schon weitlaufigen Pensum man auch noch die Geographie und den naturhistorischen Unter- richt für das Gymnasium einverleibte. Ob es wohl gethan war, auf bald nachher erfolgte Re. signation des ausserordentlichen Lehrers 3% Bo- tanık dem Professor der Geographie und Na= turgeschichte auch noch diese Wissenschaft auf- zutragen, lassen wir dahin gestellt; gewils aber ist es, dafs unser verewigte Freund laut eigenem Gestandnils die Pflänzeukunde immer nur mit einer- gewissen Selbstüuberwindung vortrug, während er
5 sich dagegen fur la und Mineralogie bei-
nahe süfopferte, und unaufgefordert aus eigenem Antrieb sich unter Anleitung des verdienten Prof. Enmert, des altern, im Secieren übte, um die Vergleichende Anatomie mit der Zoologie zu ver- bißden!
Im Jahr 1806 schrieb Hr. M. seine Hand- bücher der Zoologie und Geographie zum Ge- brauche der bernischen Lehranstalten. Auch hatte sich inzwischen unter stetem Sammeln seine eigene
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Privatsammlung sehr ansehnlich bereichert, so dals sie in Betreff mineralogischer. und zoologi- scher Seltenheiten unter die ansehnlichern und belehrendsten Privatcabinette der Schweiz gezahlt zu werden verdient. Als Schriftsteller fand er auch bald Gelegenheit auswärtige gelehrte Ver- bindungen anzuknupfen.
Er wurde nämlich erwahlt:
1) Zum ordentlichen Mitglied: Der Societät
fur die gesammte Mineralogie zu Jena. 1813.
Der Herzogl. Sachsen-Gothaischen und Meiningischen opel der Forst- und Jagd- kunde zu Dreissigacker. 1819.
Der’ Gesellschaft zur Beforderung der ge- sammten Naturwissenschaften zu Marburg. 1817.
Der Kaiserl. naturforschenden Societät zu Moskau. 1818.
2) Zum cor respondirenden Mitglied: Der
Societe des Naturalistes a Geneve. 1804.
Der WVetterauischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde. 1808.
Der Senkenbergischen naturforschenden Gesellschaft zu Frankfurt a. M. ı822.
In mehr oder weniger lebhaftem litterarischem Verkehr stand er mit Blumenbach, Lichtenstein , Hausmann, Albers in Bremen, von Schreibers und Bremser in Wien, Prinz Max. von Neuwied , Sommering, Guvier, Brognart, Merrem in Mar- burg, Echholz in Dorpat, bei welchen er, was die "Zoologie und Petrefactenkunde der Schweiz anbelangt, als Autorität galt. Auch nach England und 5 Nordamerika erstreckten sich ik wissenschaftlichen Verbindungen und sein Brief. wechsel.
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Nachdem sich die allgemeine naturforschende Gesellschaft im Jahr 1815 zu Genf constituierte , brachte er die weitlauftig projectierte Organisation in eine Form, und benutzte hiezu die von ee denen Seiten her ausgesprochenen Gedanken; auch übernahm er, als im nachstfolgenden Spatjahr die Versamnilung der Gesellschaft in Bern Statt fand, die.mühsame Secretarstelle mit eben so vieler Ge- falligkeit als Aufopferung.
"Auch als Nlitarbeiter unserer Cantonalgesell- schaft, welche er im namlichen Jahr stiften half, und spaterhin wahrend ein Paar Jahren prasidierte, hat sich Hr. M. bleibendes Verdienst erworben. Er war es auch, der die erste wissenschaftliche Vorlesung derselben hielt. Was er überdiefs ge- leistet, davon liefern die Protokolle den einleuch- tendsten Beweis. Was er ergriff, das ergriff er mit Energie, suchte sich alsobald darinn zu orien- tieren und :liefs nicht ab, bis er den philosophi- schen Zusammenhang BR aufgefafst hatte. Mlit unbelangenem, nüchternem Urtheil forschte er dabei stets nach 'TT'hatsachen vielmehr als nach glänzenden Theorien, und liefs sich auf diese blofs dann ein, wenn sie ihm durch Erfahrungssätze hinreichend erwiesen schienen. Er gehörte übri- gens keineswegs zu den Pedanten, welche sich and ihre Ansichten. für untrüglich halten und ihre einmal ausgesprochene Meinung nie zurücknehmen zu durfen glauben, sondern gestand, als wahrer Gelehrter, seine Irrthümer mit der grofsten Un- hefangenheit ein, sobald er eine richtigere An- sicht und Vorschläge eroffnen horte.
Aufgemuntert duch mehrere angesehene Nlit- glieder der allgemeinen Gesellschaft, entschlofs sich Hr, M. ber der Zusammenkunft in Zürich
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im Herbst 1817 zu Herausgabe einer Zeitschrift unter dem Titel: Naturwissenschaftlicher Anzei- ger der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft, wovon vom ersten Beginn an jeden Monat ein Bo- gen /to erscheinen sollte. Ihre nächste Bestim- mung war, die Verhandlungen der Gesellschaft so wie auch kürzere Aufsätze, Notitzen und An- fragen ihrer Mitglieder aufzunehmen, und so eini- germalsen das offizielle Blatt der Gesellschaft aus- zumachen. Leider hat sich die niederschlagende Erfahrung der meisten schweizerischen Zeitschrif- ten auch hier bestatigt, indem trotz der unter günstigen Auspizien begonnenen Unternehmung, der betrachtlichen Abonnentenzahl und der vielen Beiträge von allen Seiten bei einer unermüdeten Thatigkeit des FIrn. Pedactors der Vertrieb nach Aussen allzu gering war, dals sie auf die Dauer hatte bestehen konnen.
Alljahrlich pflegte sonst Hr. M. einen natur- historischen (vorzüglich entomologischen) Ausflug in’s nahe, an Naturprodukten so reiche, Wallis zu machen. Seit ein Paar Jahren jedoch be- schrankte er sich auf die nahere Umgegend oder auf Besuche bei seiner in Vevay verheiratheten altern Tochter, ausgenommen dann, wann das
machtige Bedürfnils ch gegenseitiger Mitthei- lung ihn zu den alljahrlichen Versamnilungen der helvet. Gesellschaft mit unwiderstehlicher Gewalt hinzog. Denn selten, und blofs nothgedrungen durch anderweitige Berufsgeschafte, versagte er sich diese geistige Erholung, welche er als eine stillschweigende Pflicht ansah.
In diesem Verband befestigten sich seine freundschafilichen Verhältnisse zu Hr. Dr. Schinz
in Zurich, mit weichen: er bereits im Jahr 1815
a
das für die schweizerische Ornithologie sehr wich- tige Werk: Die. Fögel der Schweiz, herausgab.
Seit 1807 war sein, mit Abbildungen verse- henes, an neuen Angaben reiches, Museum der Naturgeschichte in zwanglosen Heften erschienen, wozu er fur den botanischen Theil seit 1518 an dem fleissigen Hrn. Seringe einen tuchtigen Mit- arbeiter fand. Vom zoologischen Theil dieser Werke ist bisher ı Band Ein mit ı2 Nummern und 98 Seiten, vom botanischen aber sind nur 6 Nummern herausgekommen.
Sein letztes wissenschaftliches Unternehmen war die Redaction gegenwärtiger Annalen, welche er im Jahr 1813 übernahm, und wovon 2 Hefte einen Band ausmachen sollten. Plan und Zweck blieben ungefähr die namlichen, wie beim natur- wissenschaftlichen Anzeiger, und dals bloflse Liebe zur Wissenschaft ihn hiezu vermocht, beweiset die Uneigennützigkeit, womit er sich dabei gegen den Verleger benahm.
Als Jugend - Schriftsteller gebührt unserm Freunde ein ähnliches Lob. Bei Herausgabe . seiner Reisen in verschiedene Gegenden der Schweiz, welche seit ı801 zu verschiedenen Epochen in 4 Bändchen mit Kupfern geschmückt, erschienen, wulste er sich zum Fassıngsvermo- gen der Kinder herabzulassen, ohne jedoch trivial zu werden, und uberall leuchtete das reine Be- streben hervor, nützlich und angenehm zu be= lehren. | Endlich lieferte er als Mitarbeiter an dem vielgelesenen Alpenrosen - Almanach manchen in- teressanten Reisebericht über einzelne Gegenden des schweizerischen Hochgebirgs.
Was Hr. M. als Verehrer der Tonkunst ge-
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wesen, gehort wohl nicht hieher. Begnügen wir uns daher mit dem Zeugnils , dafs auch hierin sein reiner Sinn für Kunst und achten Geschmack ihn über das Gemeine empor hob, ihm eine Liebe zur Sache, eine Ausdauer, eine Aufopferung mog- lich machte, welche die hochste Achtung und alle Nachahmung verdiente. Er war es, der den schlummernden Sinn für den gediegenen deutschen Chorgesang unter zweien Malen bei uns wiederum anfachte, und in der verhangnilsvellen Grise der edlen Tonkunst, als ein Zusammenflufs widerwar- tiger Umstande gegen ihr Aufliommen in unserer Vaterstadt verschworen schien , nebst einigen we- nigen gleich verdienten Musikfreunden dc Muth dicht verlor, und stets mit einer bessern Zukunft irostete, welche er denn auch erlebte und m vol- len Zugen genols.
Hr. M. arbeitete viel und mit ungemeiner Leichtigkeit. Seine Handschrift, ohne gerade schon zu seyn, war dennoch sehr angenehm und ungemein leserlich, trotz dem, dals er seine Ge- danken mit une Schnelligkeit zu Papier brachte.
Als Mensch war M. hochst achtungswerth. Sein harmloses Gemuüth theilte sich ahne Bück- halt mit gegen jeden, der an dasselbe sprach. Aller Welt gewogen, war er auch von Jedermann geliebt. Seine 'T'hure stand immer offen für Ge- lehrte und Künstler, ihnen theilte er mit, was er hatte, ohne Rucksicht auf Gegendienste; und Knaben, welche Geschmack an der. Naturge- schiehte zeigten, schenkte er mit freigebiger Hland was er aus seiner eigenen Sammlung a Mit stiller anspruchloser Bescheidenheit über eige- nes Verdienst, ertheilte er Lobsprüche denen ,
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die solche zu verdienen schienen , ohne sich we- der durch personliche Ruücksichten, noch durch Nationalvorurtheile blenden zu lassen. Nichts aber schien ihm alberner, ja unbegreiflicher , als die verjahrten Vorurtheile des Standes und der Geburt, und wurde er je satyrisch, so war es gewils über sie und über die Charlatanerie, der er gleichfalls von Herzen abgeneigt war. Seine vor- züglichste Lebenstendenz war Kunst und Wissen- schaft. Er war ein warmer, eifriger Verehrer der Natur. Was manche andere Erdensohne zum Zauptzweck ihres Daseyns erheben, war bei ihm untergeordnete Nebensache. Dals er in dieser Denkungsart vielleicht zu weit gieng, und, hin- gerissen von seiner unbegränzten Liebe zur wah- ren Geistesbildung, der Prosa des Lebens viel- leicht allzuwenig Rechnung trug, dafs er Nieman- den etwas ausschlagen konnte, und über seiner Dienstfertigkeit, seiner Neigung zum frohen, unschuldigen Lebensgenuls im Cirkel vertrauter
5 Freunde seine eigenen Vortheile vergals, das sind
leider Sehwänhent;: die so siehe: Galebain mit ihm theilen, und edle Seelen um so häufiger als sie gerade für solche Gefühle die empfanglichsten sind. Sein Frohsinn in Gesellschaft und auf Reisen, dem wahren Probierstein guter Laune, war wirk- lich unubertrefllich.
Rachsucht war ihm ein unbekanntes Gefühl. Wie oft sah man ihn nicht offenbare persönliche Beleidigungen, die im menschlichen Leben nun einmal unvermeidlich sind, mit stoischem Gleich- muth erwiedern, und hintendrein dem Dinge, welches sich mancher faustdick hinter’s Ohr ge- schrieben hätte, die comische Seite abgewinnen ,
ja zuletzt von ganzem Herzen darüber lachen.
Dafs Hr. M. seinen Vorlesungen nicht das- jenige Interesse zu geben wulste, welches der Gegenstand selbst wohl mit sich gebracht hätte, ist ein Vorwurf, den ihm Mancher machte. Wer indessen die schmale Gränze zwischen trockner Gelehrsamkeit und Anekdotenkramerei kennt, und weils wie schwer es halt, sich stets auf der Mit- telstrafse zu behaupten, ohne weder nach der einen, noch der andern Seite zu verirren, wer denkt, wie vielen grolsen Gelehrten, bei ungleich wenicer Humanitat, die naturliche Gabe der Mlit-
theilung in weit hoherm Grade fehlt, der wird gewils unserem verstorbenen Freunde, dessen oko- nomische Lage nichts weniger als unabhängig und sorgenfrei, dessen Brust uberdiels schwach gebaut und das halbe Jahr hindurch mit Verschleimung und Catharrh behaftet war, rücksichtlich des aka- demischen Vortrags Manches zu Gute halten, was jeden andern nicht entschuldigt hatte. Wenn man aber behauptet, Hr. M. hätte es verdient, Mit- glied irgend einer gelehrten fürstlichen Akademie zu werden, vielmehr denn Lehrer einer republi- kanischen Erziehungsanstalt zu bleiben, so stim- men wohl alle, die ihn gekannt, aus voller Ue- berzeugung bei.
Seit einigen Jahren nahmen indessen jene habituellen Brustcatharrhe einen drohendern Cha- rakter an, und jedesmal trat er abgemagert und ermattet daraus hervor. Häusliche Verhältnisse , vorzüglich die langwierige und gefährliche Krank- heit seiner Gatiin, warfen ihn im Januar dieses Jahres auf's Krankenlager , eine Leberafieetion mit iyphosem Fieber gesellten sich zu der wahrschein- lich schon früher vorhandenen, verborgenen und
nunmehr ausbrechenden knotigen Lungenschwind-
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sucht, und am ı3. Februar ı825 entschlummerte er sanft und schmerzlos in den Armen der Seinigen.
Leider ward dem zärtlichen Vater der Trost nicht, seinen sehnlichst erwarteten Sohn, dessen Bild ihn in den letzten "Tagen seines Daseyns un- aufhorlich beschäftigte, zu umarmen. Moge es diesem dafür gelingen, seinem, von Allen ver- milsten und bedauerten Vater, würdig nachzu- folgen, der trauernden Wittwe und Tochtern eine Stütze zu werden, und zu ersetzen, was seine Freunde und Bekannten, was die Wissenschaft an jenem verloren! Noch glauben wir den Vol- lendeten in unserer Nahe zu erblicken , theilneh- mend, liebreich und freundlich wie er immer war. Seine Seele ist entflohen, doch sein Andenken lebt fort.
Dr. Brunner.
IX. Ankündigungen.
I. Naturgeschichte der Vögel, welche sich zum Theil in der Schweiz aufhalten, zum Theil aber nur durchziehen oder sie besuchen.
Es ist dasjenige Werk, aus welchem der sel. verstorbene Hr. Professor Meisner in die Annalen ıster Band 2tes Heft pag. ı5o die Beschreibung des bärtigen Geieradlers als Probe eingerückt hat, und enthalt alles, was der Verfasser seit mehr als 30 Jahren aus eigenen Erfahrungen und Beobach- tungen aufzubringen im Stande war. Seine Auf- merksamkeit beschrankte sich nicht allein auf den Sommeraufenthalt der Zugvogel in der Schweiz, sondern er fand Gelegenheit die meisten derselben in denjenigen Gegenden des südlichen Europas zu beobachten, wo sie den Winter zubringen. Es darf sich demnach jeder Leser manches Neue und Belehrende von diesem Werk versprechen , um so mehr, da sich der Verfasser bemuhte , nicht nur für gelehrte Ornithologen, sondern für Anfänger verständlich zu werden, aus welchem Grunde dasselbe auch für die Jugend und blolse Dilettanten ebenfalls empfehlenswerth seyn dürfte. Fir Liebhaber von Kupfern konnen um emen sehr billigen Preis die Buffonischen Tafeln dem Texte beigefügt werden.
Das Werk zerfällt in 3 Bande 8vo, ungebun- den um 6 Schweizerfranken auf Subscription.
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il. Naturyeschichte der schweizerischen Säus gethiere.
Auch dieses Werk liefert manches Neue und Interessante für jede Glasse von Lesern, und geht
vom namlichen Gesichtspunkt aus als das vorige.
ı Bd. 8vo A 2 Schweizerfranken 3 Batzen auf Subscription.
III. Jagd und Fang aller Säugethiere und Vögel der Schweiz.
| Oder: Der Schweizer - Jäger.
Den Zweck des Verfassers lehrt der Titel hin- reichend , jedem Liebhaber wird dieses Werk ganz gewils willkommen und erwünscht seyn , in- dem er darinn alles finden wird, was er bei der Dressur seiner Hunde und bei Behandlung ihrer sewohnlichen Krankheiten zu beobachten, so wie auch die Art und Weise, mit der er sich bei der Jagd und dem Fange aller unserer Saugethiere und Vogel zu benehmen hat.
ı Bd. 8vo in zwei Abtheilungen,, per Subserip- tion 2 Schweizerfranken 5 Batzen, sammt 3 Ku- pfern über die Fahrten, 3 Franken.
Nach der Subscriptionszeit, die bis 30. Juny 1825 dauert, wird der Preis jedes dieser Werke erhohet werden.
Subseriptionen darauf werden in allen Buch- ‚handlungen angenommen.
Eindsunterzeichneter zeigt überdiefs den ieien Ornithologen hiemit an, dr er stets mit einer Col-
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lection von Schweizer-Vogeln und Säaugethieren versehen ist, welche bisher immer durch Vermitt- lung Hrn. Prof. Meisners an die respectiven Herren Liebhaber versendet wurden. Seit jenes Abster- ben empfiehlt er sich hiemit ferner und bittet, sich künftig an ihn selbst zu wenden.
Rohrdorf, Praparator des Museums , wohnhaft Brunngasse Nro. 28
ın Bern.
Inhalt des zweiten -Bandes. Erstes Heft.
I. Skizze eines natürlichen Systems der angebor- nen Monstrositäten der 'Thiere, von Dr. Schläpfer , Arzt in Trogen. . Ri
II. Chemische Zerlegung des Wassers von Weis- senburg , von C. Brunner , Prof. der Chemie in Bern. i :
III. Einige Biindkingen über das Ende der Flüsse, von P. Merian, Prof. in Basel.
IV. Verzeichnifs der von mir bis jetzt auf einem Theile der Stockhornkette, und ihrer Nach. barschaft gefundenen Alpenpflanzen. Nebst einigen Bemerkungen über dieselben, von K. Trachsel, Arzt zu Rüggisberg. . .
V. Besteigung des Pilatus am 22. Jul. 1824, von
Dr. $S. Brunner. . : x VI. Entdeckter Baumverderber , zur N achricht für Forstbeamte , vor dem Herausgeber, VII. Beitrag zur Br des Dachses,, von Dr. $., ? VIII. Nachricht für REN ,„ von B. Siuder.
Zweites Heft.
I. Ueber das Gebläse mit verdichtetem Knall. gas, von Prof. C. Brunner, n Bm. .
II. Neue Einrichtung des Volta’schen Eudiome. ters. Von ebendemselben. E
III. Ueber die Pfäferser Heilquelle.. Von Dr. J. R. Köchlin in Zürich.
IV. Einige Worte über die Seckrankheit aus Selbst. erfahrung. Der medizinisch - chirurgischen Gesellschaft des Gant. Bern vorgelesen den 24. April 1822, durch Dr, Brunner, .
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‚ Ueber das Vorkommen des Dattelbaumes in
Italien. Von ebendemselben. . . . 192-198 Ueber die ursprünglichen Stammragen der Hausthiere aus der Classe der Mammalıen. Von Professor Meisner. (Vorgelesen in der Versammlung naturforschender Freunde in Bern den 45. Mai 41824.) . 2... 2. 2499-217 Bericht über die am 15. Mai 1824 in der Ver. | sammlung naturf. Freunde von Hrn, Professor Meisner gehaltene Vorlesung von den ur. sprünglichen Stammragen der Hausthiere aus der Classe der Mammalien, durch Hrn, Dr. Ith , Prof. der Physiologie. line RBB Herr Carl Friedr. Aug. Meisner, geboren zu Ih. lefeld, Königreich Hannover , den 6. Jan, 1765, gestorben zu Bern den 12, Febr. 1825, . 241253 Ankündigungen: 1. Naturgeschichte der Vögel, welche sich zum Theil in der Schweiz aufhalten, zum Theil aber nur durchziehen oder sie be. suchen, \.. ‚= =>, 2.8.2... er 2. Naturgeschichte der schweizerischen Säu- gethiere. . . R e a . „ 255 3. Jagd und Fang aller Säugethiere und Vögel der Schweiz, Oder: Der Schweizer-Jäger, 255-256
New York Botanical Garden Libra
LU
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Saar