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ANNALEN DES VEREINS

FÜR

NASSAÜISCHE ALTERTÜMSKUNDE

UND

GESCHICHTSFORSCHUNG.

ANNALEN 1)1« VEÜE1N8

FÜR

NA8SAU1SCHE ALTERTUMSKUNDE

UND

GESCHICHTSFORSCHUNG.

8ECHSUNDZWANZ1USTER BAND. 18 9 4.

WIESBADEN.

VERLAG VON liUD. BECUTOLÜ & COMP. 1894.

int J. PAUL GETTY CENTPP LIBRARY

Ziw Beachtunfß,

Das AJtei'fitnisimfsetfni ist vom 1. Mai his 31. Oldohrv Montags^ Dienstags, Miftivochs^ Donner stays und Freitags von 2— (> Uhr, Son)daf/s von 11 1 Uhr (fcöjpwf. lichufs Besichtigxng der Sammliutgen zu e'nier anderen Zeit .')() Pfg. Eintrdtsgcld n-ende man sich an den Museumsauf seher König (Friedrichstr. 1 oder Friedrichsfr. 9, Hof rechts).

Das Si'lk'retdfidt und die liiJdiothch' sind jeden Mittwoch und Sams- tag uaeh mittags von .'i—T) Uhr geöffnet; an den übrigen Wochentagen nerden Ih'icher nach imrheriger schriftlicher Bestellung verahfoJgt.

Di'tfcl'saf'hen und, Zuschriften heliehe man an das SeJcretariat (Friedrichstr. 1), GeJdsendumjen an Herrn Bechnungsrat Begen' (Balm- hofstr. 15) SU adressieren.

Das Prelsrer^eiclinis der noch vorhandenen früheren Annalenhände und sonstigen Veröffentlichungen des Vereins heßndet sich auf der siveifen und dritten J^msehlagsseite des vorliegenden Jahrganges. Bestellungen auf dieselben und auf dm gegenwärtigen. Band werden sowohl vom Sekretariat, wie auch von dir Firma Eud. BecJitold <£• Comp, in Wieshaden rntgegengenouwien.

Wir machen unsere Herren Mitarbeiter darauf aufmerksam, dass Uei- fi'äf/e r^n den Aniifden, u-elche regelmässig im April eines jeden Jahres erscheinen, bis .zum 15. Dezember des vorhergehenden Jahres heim Vorstand eingereicht sein müssen. Spätere Zusendungen können für den betreffenden Jahrgang nicht berücksichtigt werden. Die Manuskripte müssen leserlich und immer nur auf einer Seite geschrieben sein.

Inhalts -Verzeichnis

des sechsundzwanzigsten Bandes.

Seite

I. Die Geschichte des Hauses Nassau. Von den ältesten Zeiten bis zu den

ersten Trägern des Namens Nassau. Von Liulvv. (Jonrfidy 1

II. Der Name Wiesbaden. Von W. Streitberg l'ü

in. Gigantengruppen und St. Georg. Von O. Tietz 1 :'•■">

IV. Die Mennoniten und ihre Bedeutung für die Kultur in Nassau. Von

C. Spielmann '•''

V. Alte Topographie des Vereinsgebietes. Von A. v. (Jo hausen 14.j

VI. Der Limes im Taunus. Von 15. Florachütz 148

VII. Vereins-Nachrichten.

Bericht des Sekretärs Dr. Ritterling (für das Etatsjahr vom 1. April 1893

bis :U. März 181)4) ^'^"^

Darin Vorträge:

V. Gehäusen: Generalversammlung des Gesamtvereins S. 156. V. Cohausen: ATno's S. 156. Schierenberg: Pueblo's in Centralamerika S. löß. Flor schütz: Alamannisch -fränkische Waffen S. 157. Clouth: Ruinen von Angkor Wat S. 157 f. Schlichen: Wassermühlen im Altertum S. 158 f. v. Cohausen: Volkstrachten in Nassau S. 159 f. Seh lieben: St. Georg als Drachenkämpfers. Kil f. Spielmann: Adolf v. Nassau und die luxemburgischen Kaiser S. 162 f. Schlieben: Braungart's Ge- schichte des Hufeisens S. 16:'. f. —Florschütz: Hochäcker S. 164. - Genth: Aberglaube und Volksmedizin S. 164 f. Heuer: Kaiser Sigmund S. 165 f. Düssell: Volkstrachten im Goldenen Grund S. 167 f. Düssell: Logbäume S. 168. Bericht des Konservators Oberst von Cohausen über die Erwerbungen für

das Altertums-Museum in Wiesbaden während des Jahres 189;{ .... 168

Die Geschichte des Hauses Nassau.

Von don äUoston /eitcMi bis zu den ersten Trümern des Namens Nassnu.

Kin liistoriscli-kritischcr Vcrsucli von

Ludw» Conrady,

Dass die nassauische Hausgescliichte eine neue Bearbeitung dringend er- heische, ist für den ausser Frage, der sich mit ihrer seitherigen Darstellung vertraut gemacht hat. Wie Bedeutendes auch um nur die hervorragenderen Namen zu nennen die Gebhardi, J. M. Krem er und Wenck des vorigen, die Hennes, Vogel und Schliephake dieses Jahrhunderts im Gegensatze zu den wild phantastischen Versuchen der älteren Zeit geleistet haben, indem sie den Bau dieser Geschichte auf dem gewachsenen Boden aller Geschichtschreibung, auf der Urkunde, aufzuführen unternahmen, schon die Verschiedenheit ihrer Bauten beweist, dass die Grundlage noch nicht zu dem ihr gebührenden Rechte gekommen ist. Dies tritt begreiflicherweise am stärksten in der ältesten Ge- schichte des Hauses hervor, da hier ein oft mehr als karger und spröder Ur- kundenstoff in demselben Masse unbesonnene Vermutungen begünstigt, als er die sichere Deutung erschwert.

Wenn wir uns deshalb auf den folgenden Blättern der sauren und öden Mühe eines Neubaues der ältesten Geschichte des Hauses Nassau unterziehen, so geschieht es nur in dem wissenschaftlichen Pflichtgefühl, belehrt ebensosehr durch die erfolgreiche Arbeit*) als durch das Straucheln der Vorgänger, dem schwierigen Baustoff, soviel an uns ist, zur endlichen Verwertung helfen zu müssen. Unsere Aufgabe ist, abgesehen von unseren unzünftigen Kräften, um so weniger leicht, als es uns nur in den seltensten Fällen gelungen ist, neue urkundliche

*; Wenn ivir in den folgenden Anmerkungen nicht regelmässig die Namen unserer Vorgänger nennen, so geschieht es, um diese nicht über Gebühr auszudehnen. Sie sind dann in den von uns aufgeführten Sammelwerlen enthalten. Roth's Geschichte und histor. Topo- graphie der Stadt Wiesbaden. Wiesbaden 1SS3, wurde nur hier und da gedacht, da sie im wesentlichen urteilslos nur die Ergebnisse ihrer Vorgänger bietet. Von dem wenigen Neuen, 7vas sie bringt, konnten wir um so jnchr nur eine tms unbekannt gebliebene Angabe in An- merkung 2, S. 13 dankbar benutzen, als uns das Buch erst nach Abschluss der Arbeit dicht vor dem Drucke zugänglich wurde.

Aunalen, IM. XXVI. ^

guelleu zur llilt'e beranzieheu zu küuueu. Für uusero Uarstelluug aber liabeu wir um so mehr auf die Ueduld des Lesers zu zählen, als die notgedrungen kritische Art unserer l'ntersuchuug, weit entfernt den an sich schon reizlosen genealogischen Gegenstand zu beleben, noch dazu seine angestrengte Nach- j>rüfung beansprucht.

I. Die Hattoe.')

1. Vom Worms- /um Köiiigssiiiulragau. Hatto I.— III.

Wenn wir uns in der Gesamtüberschrift anheischig machten, die Geschichte des Hauses Nassau „von den ältesten Zeiten" an zu behandeln, so kann das nach dem bereits Gesagten nicht den Sinn haben, den unsere alten Stamm- baumkünstler damit verbanden, als sie kühn in die Zeiten Caesars hinabstiegen und dort die luftigen Geschlechtsspinnfäden ihrer gelehrten Einbildungskraft anknüpften. Auch hier setzt nur die Urkunde den Anfang, aber sie setzt ihn um etwa ein Jahrhundert früher, als man bisher annahm, und uns damit ungewollt gleich von vornherein in Widerspruch mit unseren Yorgängern, ob- schon wir nur ihnen den Aulass zu dieser Neuerung danken. Denn da wir uns mit dem von ihnen gefundenen Urahnen des nassauischen Hauses, dem Grafen Hatto des Königssuudragaues, nicht zufrieden geben dürfen, so gehen wir einfach, wie sich alsbald beweisen soll, zu dessen uns noch eben erreich- baren frühesten gleichnamigen Vorfahren zurück und lassen, um dies gleich au die Spitze zu setzen, die Wiege des Hauses Nassau im Wormsgau stehen, nachdem wir uns zuvor vergewissert haben, dass die Urkunde, die der Name dieses Urahnen selber darstellt, uns jede Auskunft über Stammesabkunft seines ersten Trägers vorenthält, da derselbe über alle deutscheu Stämme gleich- massig verteilt erscheint.^)

Die CJrafen des Namens Hatto sind im Wormsgau durch die fulder und lorscher Schenkungsverzeichnisse vom Jahre 756 838 bezeugt, doch so, dass ihre lleihe mehrfach von anderen durchbrochen erscheint oder dass gleichzeitig neben ihnen andere verzeichnet werden.

Hatto I., wie wir ihn mangels früherer Quellen nennen müssen, tritt 75G als „comis" und erster Zeuge einer Urkunde vom 25. Juni dieses Jahres auf, in der ein gewisser Eggiolt das ihm von Vater und Brüdern „in pago Vuormacinense in uilla Truhtmaresheim" hinterlassene Erbe an das Kloster Fulda übergiebt.») Am 23. Juli 756 aber wird ein Graf Leidrat als Schenker eines Weinbergs in Deinenheim ebendahin genannt, der schon im Jahre zuvor als Verkäufer eines Ackers in mainzer Markung erscheint. Und nun ist „Voto

'j Man gestatte, dass wir diese deutsclic Mohrzalil nn die Stelle der gewolinten lialb- latcinisclion Hattonen setzen: der Anstoss am minderen Wohllaut darf nicht die Spraclireinheit gefährden wollen. ^) Yergl. Förstcniahii , Altdeutsches namenbuch. Nordli. 1856. 1, 540 f., 2. 7G5 f. •') Schanuat, Corpus traditionuni l'uhlensiuni. J.ips. 1724. 2, Nr. 4 ; Dronke, Codex dipluniati(;u.s fuldcuHis. Kassel 1S50. 7, Nr. 9.

comis" erster Zeuge, also offenbar Gaugraf 0, wie er es tags zuvor oder, wenn Dronke recht liat, am 22. Juli 757, bei der Schenkung Rantulphs in Batcii- heim in doppelt ausgestellter Urkunde war. 2) Dem Namen Ilatto begegnen wir erst Jtthre später, 707, wenn wir nicht, was wahrsclieinlicli, einen ohne comes bezeichneten llatto als Zeugen einer Urkunde vom 21. Juni 75G für den Grafen halten müssen.'') Nun kommt in der ganzen Zwischenzeit ausser den bereits Genannten nur noch einmal der erstere von ihnen, Leidrat, 7G5 als Verkäufer eines Gutes „in Castro Pinginsie" und Schenker in Thrutmaresheim vor."*) Da er aber damit nur als Grundbesitzer, nicht als eigentlicher wormser Gaugraf gekennzeichnet scheint, wie Voto, so ist anzunehmen, dass letzterer, wenn er nicht ein zweiter Graf des Gaues oder Hatto's Stellvertreter war, als Gaugraf während dieses Zeitraums zu betrachten ist, Ilatto 75(j also seine letzte Amtshandlung verrichtet hatte.

Für diese Annahme glauben wir folgende Vermutung als Stütze bieten zu können. Am 5. Oktober 772 schenkt eine „Luitsuuinda" „39 jurnales" Ackerland in Heimradesheim an das Kloster Lorsch mit der Bestimmung: „pro remedio animae Hattonis, filii mei".'') Es ist das vermutlich dieselbe, welche am 6. Juni 780 eine „hubestat" in Oppenheim au dasselbe Kloster vergabt"), am 2G. September des gleichen Jahres „pro remedio animae meae" einen „mausus" und „de terra aratoria jurnales XXX in AVaristater marca" eben- dorthin stiftet^), dies am 30. September 788 mit allem ihrem Besitz dortselbst wiederholt^), hierauf mit ihrem Bruder Adelbert am 27. März 796 einen „mansus" in Sauuelnheim dem gleichen Kloster übergibt und endlich mit dem- selben Bruder „aream I" in Teinenheim dem Klostor Fulda zuwendet am 25. Mai 802.^) Nehmen wir nun an, dass der Sohn Harte, was nachher weitere Begründung erhalten soll, der 767 zum erstenmal auftretende Graf Hatte ist, den wir von da an bis zum Jahre 802 im Wormsgau genannt finden, so haben wir, wenn wir uns auf die mittelalterliche Gewohnheit der Vererbung des Namens vom Vater auf den Sohn verlassen dürfen, iu Luit- oder Liutsu- uinda die Gemahlin Hatto's I. zu erblicken und dürfen ihren Sohn Hatto H. nennen, Dass dieser nicht sofort nach dem Tode des Vaters, den wir in das Ende des Jahres 756 setzen, als Graf erscheint, mag darin seinen Grund haben, dass er zu dieser Zeit noch minderjährig war. Denn die Erblichkeit des Gau- grafentums ist schon für diese Zeit mit einiger Sicherheit anzunehmen. ^^) Die Mutter aber wird dem Sohne schon so frühe ein Seeleugedächtnis gestiftet haben, weil dieser die Gefahren des Langobarden- oder Sachseufeldzugs im

') Schannat 2, Nr. 3, 4, Nr. 7; Dronke 9, Nr. 12, vergl. 6, Nr. 8, - -) Schannat 4, Nr. 6, 6, Nr. 10; Dronke 8, Nr. IIa u. b. ^) Schannat 5, Nr. 5; Dronke kennt die Urkunde nicht. *) Schannat 12. Nr. 22; Dronke 16, Nr. 26. ^) (Lamey), Codex principis olim laureshamensis abbatiae diploinaticus. Mannh. 1768. 2, 141, Nr. 1191. ^) Cod. laur. 2, 239, Nr. 1557. - "j Cod. laur. 2, 149, Nr. 1218. ') Cod. laur. 2, 149, Nr. 1217. ") Schannat 77, Nr. 157; Dronke 99, Nr. 175. '") Waitz, Deutsche Verfassungs- geschichte. Kiel 1847 ff. 2, 335; 3, 328; Schröder, Lehrbuch d. deutschon Rochtsgeschichte. Leipzig 1889. 129; Kaufnuinn, Deutsche Geschichte bis auf Karl den Grossen. Leipzig 1880. 2, 195, 351 f.

1*

Jahre 77o zu bestehen hatte, eine AValirsclieiulichkeit, die dadurch gewinnt, dass wir ihn am 31. Juli 773 selber die Schenkung eines AVeicbergs au das "•leiche Kloster in demselben Ileimradesheim machen sehen und erst im Jahre 770 wieder als Gaugrafen bei einer Schenkung in Harasheim tliätig finden.^) Da Luitsuuinda noch im Jahre 802, wie wir sahen, am Leben ist, so muss an- genommen werden, dass sie die zweite Gemahlin Ilatto's I. und die Ehenach- folgerin einer grabfeldischen Yorgäugerin war,

Wir meinen dies aus Folgendem begründen zu dürfen. In den von Pistor 1007 zuerst herausgegebenen, von Struve^) erneut aufgelegten „Traditiones fuldenses" werden „Koggo comes, Hatto comes, Nordio frater illorum" neben .IJrunicho comes et Moricho fiater eins, Eggihart et Job frater, Emthild abba- tissa" als Scheuker der „marca Ratersdorf'^ (Rasdorf bei Hünfeld) genannt. Schannat, der dieselbe Urkunde auszugsweise wiedergibt^), bemerkt, dass sie von 815 stamme und „in litteris amicabilis compositionis initae inter Rat- gerium abbaten) Fuldensem et Wolfgangum Episcopum Ilerbipolensem" bestehe. Das in derselben enthaltene „tradiderunt" der von ihm nur aufgeführten „Roggo, llatto, Rrunicho Comites et Emehilt Comitissa" geht noch auf die Zeiten Karls des Grossen zurück, wie eine „vetus membrana" besage, und mag schon um 800 oder noch früher stattgefunden haben, da in diesem Jahre Emhild mit ihren Klosterschwestern den ihnen zugehürenden Grundbesitz in einer ganzen Anzahl Dürfer des Grabfelds samt ihrem Kloster Miliza an Fulda übergibt.*) Schon 783 aber hatte dieselbe Äbtissin ihre Güter an ihre Stiftung Miliza ge- .«chenkt und die darüber aufgenommene Urkunde hatte an erster Stelle „roggo comes" und weiterhin der dort „nordiu" genannte Bruder mit unterzeichnet.") Die Zeit steht demnach nicht im Wege, den Bruder Hatto mit unserem Hatto H. für dieselbe Person zu erklären, und das um so weniger, als er weiter nicht in grabfeldischen Urkunden erscheint, die mit ihm genannten Schenker aber sich als wormsgauische Eingesessene ausweisen. Denn Eggihart, Moric und Brunichü kommen 801 nebeneinander in einer wormsgauer Urkunde vor*'), Bruniclio aber erscheint mit anderen Zeugen jeuer Urkunde 796 und 800, ohne diese 777. 806 und 813 und zweimal 816.'') Es darf also mit Fug angenommen werden, dass Hatto I. auch im Grabfeld begütert war, wie sich dies nicht minder bei anderen Grafen mit weit entlegenem Grundbesitz zeigt, beispiels- weise bei den Grafen Manto und Megingoz, die im Jahre 788 ihre Güter in nicht weniger als sechs Gauen und 25 eigenen Dörfern an Fulda schenken.'') Was Hatto I. im Grabfeld vermutlich durch königliche Schenkungen zu eigen geworden war, mochte er durch die Heirat mit einer grabfeldischen Erbin vermehrt haben, sodass er dort ebenso Grossgrundbesitzer war, wie im Worms- gau. Weil nun nach einer Bestimmung des Königs Chlotochar H. vom Jahre '•14 Hill- Grossgrundbesitzer in einem Gaue zum Grafenamt daselbst befähigt

') Cod. laur. 2, 140, Nr. 1188; 2, 38, Nr. 917. ^) Rerum germanioarura scriptores 3, 5ß0. ») Corp. trad. fuld. 371. *) Struve 3, 363 f.; Schannat 68 f. Nr. 140; Dronke 88, Nr. I.'i7. - '•) Struve 3, 561 ff. «) Schannat 74, Nr. 150; Dronke 95, Nr. 168. 'l Schannat 00, Nr. 1.30; 08, Nr. 139; 70, Nr. 37; 94, Nr. 200; 110, Nr. 247; 120, Nr. 283; 121, Nr. 280. «) Sr-hnnnat 41 f. Nr. 83; üronko 53, Nr. 87,

wareii^), so mag Kof^f^o uls Soiiii erster Ehe dort /um (i raten eriianut worden sein, zumal wenn wir bedenken, dass bei dem mäclitig-on Einfluss von Mainz auf Fulda dem König und der Königin diese Ernennung im Grabfeld und der ganzen Buchonia sehr erleichtert war. Hatte IL aber sicherte der durch seine Mutter vermehrte Grundbesitz im Wormsgau das dortige Grafenamt des Yaters. Versichern wir uns hierbei, um in der Zoitreihe zu bleiben, seiner Amts- handlungen, soweit wir von ihnen Kunde haben, so ist entgegen der Darstellung Andr. Lamey's in seiner „Pagi wormatieusis, <|ualis sub Carolingi« maxime regibus fuit, descriptio" vom Jahre iTßG'-^) zunächst zu wiederholen, dass die- selben in die Zeit von 7(57 bis 802 und nicht bloss, wie jener will, ins Jahr 800 fallen. "Wir haben zu diesem Zwecke nur die fulder uud lorscher Schenkuners- berichte genauer zu lesen als dieser verdienstvolle Herausgeber der letzteren. Es kommt der Graf Ilatto zuerst als Zeuge einer Schenkung Kandulfs an Lorsch in Ibernesheim am 30. Mai 767 vor.^) In dem alsdann folgenden Jahre 771 begegnen wir seiner Zeugenschaft bei einer Schenkung au Fulda, welche die sechs Brüder Haguuo, LIartnand, Rathat, Gebehart, Rather und Illuduin in Zarezanheim und Momonheim am 16. Februar macheu. Nicht Graf genannt, ist er doch als erster Zeuge in dieser Eigenschaft beglaubigt, wie er bei der Grenzangabe des Weinbergs in Momonheim als Grundbesitzer namhaft gemacht wird.'*) Das Jahr 772 bringt seinen Namen zweimal: am 23. Februar schenkt Odagrus mit seiner Frau Hruodsuinda und der Tochter Lantsuvinda Güter in Vuacharenheim an Fulda, am 3. Mai Hartmunt solche in Truthmaresheim ebendahin. Beidesmal ist „comes" llatto an erster Stelle Zeuge. ^) Seine eigne Schenkung an Lorsch vom 31. Juli 773 sodann nannten wir schon vorhin. Weiter bezeugt er am 26. Juli 776 die Schenkung llarafrid's in „Ilarasheim marca" an dasselbe Kloster*^), am 19. Februar 777 beurkundet er die Schenkung Vto's „pro remedium (!) anime Geilsuvindae uxoris meae" „infra Givitate (!) Moguntia" und „in villa Brettonorum" (Brezzenheim"), am 30. Juni 779 die- jenige der Nonne Uda, die ausser im „Rinahgowe" ihre Güter in Thornheim, Elimaresbach und Erifeldon, wie im „Lobodingowe" in Strizzesheim uud Sahsen- heim, solche in „Wormatiense" in Dulaheim, Diuenheim und Op])onhcim an Lorsch giftet.^) Sechs Jahre später alsdann trägt die Schenkungsurkunde eines Priesters Vualther vom 22. März 785, der einen Garten innerhalb der maiuzcr Mauer an Fulda vergibt, das übliche „f signum" seiner schreibunkundigen Zeugenschaft, ebenso diejenige von dessen Vater Bernhar, der seinen Besitz in Battenheim ebeudorthin stiftet, wie die einer gewissen Cremhilte, die ihren Weinberg in mainzer Markung ebenfalls dem Bouifatiuskloster schenkt. **) Drei

') Pertz, Legg. 1, 13: Ut nuUus judex [comes] de aliis provinciis aut regionibus in alia loca ordinetur; ut si aliquid mali de quibuslibet conditionibus pcrpetravorit, de suis pro- priis rebus e.xindc quod male abstulcrit juxta legis ordinein debeat restituerc. Vcrgl. Waitz, Verfassungsgeschichtc 2, 334; Schröder, Lehrb. 129; Kaufmann, Deutsche Gesch. 2, 351. ^) Acta academiae Theodoro-Palatinae 1, 289. ^) Cod. laur. 2, 16 f Nr. 859. *) Schan- nat 15, Nr. 28. Diese Urkunde kennt Dronkc nicht. ^) Schannat l'J f. Nr. 36, 38; Dronkc 25 f. Nr. 39, 40. ") Cod. laur. 2, 38, Nr. 917. ') Schannat 27 f. Nr. 52; Dronke unbekannt. ") Cod. laur. 1, 302 f. Nr. 198. '■') Schannat 36 f. Nr. 72, 73, 74; Dronke 48 f. Nr. 79, 80, 81.

Jahre spätor lesen wir seinen Namen bei der Sclieukuug eines Bernachar in Vuachareulieini vom 30. Jan. 7 SS, nnd am 25. Mai des gleichen Jahres nnter- zeichuet er zwei Urkanden. in welchen die von Schannat fälschlich dafür ge- haltenen Eltern des berühmten Hrabauus, Yualuranius nnd Vualrat zuerst „aream nnam cum easa et lum omni aediticio" in Mainz und sodann ihr ganzes Besitz- tum in Truthmaresheim an Fulda zu eigen geben. ^) Zwei folgende Urkunden aus dem Jahre 790 sind dadurch merkwürdig, dass sie den Grafen Ilatto „in l'ago Navinse", dem benachbarten Nahegaue, im Dorfe Ilrocchesheim (Boxhoim) bei einer Schenkung Ratboto's und seiner Gattin Hruodlind thätig zeigen und zwar in der ersten mit den sonstigen wormsgauer Zeugen. Diese ist vom 13. Aug.. die zweite ohne Zeitangabe, aber wegen der gleichen Schenker und betretts des gleichen Orts wohl aus demselben Jahre, indes „in publico concilio, ijuod dicitur Pathrafons", ausgestellt und, ausser einem, scheint es, wormsischen, mit uns unbekannten Zeugen.-) Hatte II. befand sich damals also auf einem Reichstag zu Paderborn. Am IS. Dezember 792 sodann bezeugt er gleichzeitig mit dem ihm voranstehenden, also wohl als „missus doniinicus" wirksamen Grafen Vuolfrod eine Schenkung Yuolfbald's und seiner Gattin Ludabirg, die sich als eine solche in Mainz die Urkunde selber sagt das nämlich nicht erweist, da dieselben Geber 789 nnd 801 dort als solche erscheinen.^) Weiter am 25. Mai 796 wird von ihm die Schenkung der Nonne Hiltuvar in Sulzheim bestätigt und am 25. Mai 797 ebendort diejenige von deren Mutter Regirasuvinda.^) Am 21. Februar 798 finden -svir seine Unterschrift in einer Güter des Ato in Talaheim betreffenden Schenkungsurkunde.^) Die sich dieser unmittelbar an- schliessende einer Nonne Burgrat betreffs eines Ackergebietes in „Mogontiorum marca" vom 25. März desselben Jahres ist zwar nur mit ,t Ilattoni" an sechster Stelle*') unterschrieben, aber da die anderen Zeugen im wesentlichen dieselben .sind, so kann die Selbigkeit der Person nicht bezw^eifelt w^erden.^) Die Urkunde einer gewissen Baldsuvinda über ihren Besitz in Habarinesheira vom 28. Juli des gleichen Jahres hat gar erst an letzter Stelle, aber unter denselben Um- ständen, die genannte Unterzeichnung^), während die vom 25. Oktober eben dieses Jahres, die die Schenkung des Adalleicius in Mainz und ,in Harasheimo marcam (!)" bekundet, die volle Bezeichnung an erster Stelle trägt. Wiederum an letzter Stelle steht ein ,7 Ilattoni" in einer Urkunde vom 2. Februar 799, in welcher der schon 785 als Schenker genannte Vualther einen Weinberg in mainzer Gemarkung an Fulda gibt.^) Am 4. Mai 800 beglaubigt Hatte als

') Scliannat 4Ü, Nr. 79, 43 f. Nr. 85, 88; Dronke 55 f. Xr. 90, 91, 92, 122. Das üleiche hatte nach Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfc. Innsbr, 1877, f. 1, XIX auch Eckhart in „Comment. Franciae Orient.'" 1, 736 zu erweisen gesucht. Indes, was Will nicht einmal hervorhebt, die Lebenszeit des Ilrabanus Maurus ist einfach dagegen, wenn er dessen OeburUjain- um 776 ansetzt. ^) Seh. 46 f. Nr. 92, 93; Dr. 57 f. Nr. 95, 96.

») 8ch. 50, Nr. 101, vergl. 45, Nr. 89 u. 74 f. Nr. 151; Dr. 62, Nr. 104, wo das richtige .Jnhr ungogeben ist. *) Seh. 55 f. Nr 114, 61, Nr. 125; Dr. 67 f. Nr. 114, 81, Nr. 144.

•) Seh. 62 f. Nr. 128; Dr. 84, Nr. 149. «) In der obengenannten Urkunde vom 22. Mürz 785, Seh. ;i7, Nr. 72 kommt selbst „Ilatto Comis" an 7. Stelle vor; ähnlich anderwärts, vgl. Dr. 62, 104. ') Seh. 03, Nr. 129; Dr. 84, No. 1.50. ") Seh. 64, Nr. 131; Dr. 85, Nr. 152. - •) Seh. 66, Nr. 136; Dr. 86, Nr. 154.

comos sogar vor Laiidbort „iiuntius duiiiiiii" uiul dein schon 796 vorgckumnicnca „Vuolfrad comes" die Schenkung- der Töchter Nordpralit'.s Ilehnsuvind und Cra- pucha für des Vaters Seelcnlieil in Vuachareuheim und am 10. Juni des gleichen Jahres mit blossem „f Jlatto" diejenige llertings und Odilprant's in Vuanes- heim.') ILierauf kommt sein Name und Amt bei einer dritten Schenkung des obengenannten Vualuram vom 22. Mai 802 vor, durch die dieser eine Kirche in Hofun „in Pago superiori Rinensae" mit allem Zubehör von Gütern und Hörigen, auch dem in Oppenheim befindlichen, und „areas tres", eine in mainzcr Mark, die andere in llruodolfesheim, die dritte in Teinenheim an Fulda gibt.^) Nun begegnen wir zwar seinem Namen noch fünfmal in f'uldi.schen Schenkungen, nämlich 805, 810 und dreimal 813. Da jedoch, wie ein müh- samer Vergleich uns gelehrt hat, die Namen der Mitzeugen wesentlich andere sind und ausserdem seine Amtsbezeichnung fehlt, so wagen wir nicht, diese Ifrkunden für seine Person zu verwerten.

Wir begnügen uns deshalb hier, nur noch festzustellen, dass die in Lamcy's angeführter ,Descriptio" versuchte Zwischeuschiebung anderer Grafennamen in die von uns hergestellte Reihenfolge der Ilatto'schen eine irrtümliche ist. Denn der 771 genannte „Warnherus coraes'' wird in der betreffenden Urkunde nur als Nachbar, also Grundbesitzer aufgeführt.^) „Cuniberctus comes" vom Jahre 779 ist ebenfalls nur Grundbesitzer in „Sauvilenheim in Pago Vuormazfeld" und wird von Stalin als Graf einer der fränkischen Gaue seiner Heimat beansprucht, wohin überdies alle Ortsnamen der Urkunde mit Ausnahme Saulheims weisen, das dieser Gelehrte nicht zu bestimmen wusste, weil er „Vuormazfeld" ver- mutlich übersah.*) „Ileimerich comes" mit seinem vermutlichen Bruder Ilerman ergibt sich ebenso als schenkender Grundbesitzer in Oppenheim nach der Urkunde von 78P) und ist Graf im oberen Rheingau.*'') Hruodpraht endlich, der 790, 796, 801 und 804 in wormsfeldischen Urkunden erscheint, gibt sich ebenfalls als wormsgauer Grossgrundbesitzer zu erkennen, während er ebenso als oberrheingauischer Graf bekannt ist und 823 mit Erzbischof Haistulf missus dominicus „in Moguntina" war.'^)

Nehmen wir hiernach den oben fallen gelassenen genealogischen Faden wieder auf, so haben wir nun unser obiges Versprechen betreffs der Abkunft llatto's II. von Liutsuuinda bei seinen Söhnen einzulösen. Wir wenden zu dem Zwecke unsere Aufmerksamkeit dem Eintrag eines aller Vermutung nach lorscher Necrologiums aus dem 3. Jahrhundert zu, welches sich dem Martyrologium Beda's auf der Würzburger Dombibliothek einverleibt zeigt. Dort heisst es zum 13. Mai (841): „Obitus Adalberti comitis, fratris Banzleib et Hattonis comitis."^'') Nun ist nach dem diesen Eintrag bietenden Crollius gewiss, dass Adalbert, den Nithard zuerst Grafen von Metz, dann Herzog von Austrasien nennt und den wir als trierer Grafen oder Legaten der provincia trevirensis kennen^), die

') Schannat 71, Nr. 143, 144; Dronke 91 f., Nr. 161. -) Scli. 76 f. Nr. 156; Dr. 98, Nr. 174. ^) Cod. laur. 2, 2, Nr. 820. *) Wirteuibergischc Geschichte. Stuttgart u. Tüb. 1841, 1847, 1, 332, vergl. 312. ^) Cod. laur. 2, 235, No. 1539. ") Act. Pal. 2, 179 f. ') Act. Pal. 2, 180 f.; Hartzheim, Conc. Gcrman. 2, 32b. ^) Act. Pal. 6, 132. •') Da Crollius den Beleg hierfür schuldig bleibt, so ergänzen wir ihn aus dem Capitulare anni 823

„Aunales fuldenses" a. d. 111. id. Mali (lo. Mai) 841 aber im Gefecht gefalleu bezeugen, vou Geburt ein Franke aus der Naclibarschaft von Mainz gewesen sei. Ebenso ist nach demselben Gewährsmann und seinen Belegen sein IJrudcr IJauzIeib als comes in Ostfalia bezeugt, und endlich erzählt gemäss ihm Nithard^ duss Ilatto uacli Adalberts Fall von Kaiser Lothar mit dem Erzbischof Otgar von Mainz zum Schutze des Kheins zurückgelassen worden sei.^) Da wir nun dort einen Hatto als Gaugrafen auftreten sehen, so ist doch wohl kein Zweifel, dass dieser der Zeitfolge entsprechend mit seinen Brüdern ein Sohn liatto's 11. sein rauss. Erinnern wir uns alsdann, dass der Bruder Liutsuuinda's Adalbcrt geheisseu hat, so haben wir an der Hand dieses Namens das gleiche Recht. einen ähnlichen Schluss auf seinen metz-trierischen Mitträger zu wagen, indem wir diesen dessen Grossneffen und den Urenkel von seinem wir wagen auch dies gleichnamigen Vater sein lassen. Dieser Vater aber dürfte dann derjenige Adalbert sein, mit dessen Schenkungen die von uns so reichlich schon benutzten .,'rraditiones fuldenses" anheben. Am 25. Januar 750 übergibt dieser mit seiner Liemahlin Irminsuuinda „caso (!) fragilitatis" d. h. als Greis „pro animas nostras (!) remedium" „arealem I" innerhalb der Mauer von Mainz. ^) Am 18. Jan. 753 verkauf: er ebenso nach Fulda einen Weinberg innerhalb der Stadtmauer und schenkt dazu einen anderen ausserhalb „in uilla nominata Prittonorum."^) Aller "Wahrscheinlichkeit nach ist er, um auch das zu berühren, ein Schwager des obengenannten Grafen Leidrat. Denn dessen Schwester heisst Irminsuuinda und ist bereits oben von uns genannt worden.^)

Haben wir damit die spärlichen urkundlichen Anführungen nach Kräften verwandtschaftlich verwertet, so ist es nun unsere Aufgabe, das uns so erstandene dritte Geschlecht des Hatto'schen Hauses vom zweiten zeitlich abzugrenzen und dieses zugleich noch auf einem neuen Gebiet für uns zum erstenmal seines Amtes walten zu sehen. Wir verliessen Hatto II. im Jahre 802. Da im gleichen Jahre seine Mutter Liutsuuinda noch am Leben war, wie wir sahen, so können wir ihn unmöglich zu dieser Zeit schon aus dem Leben geschieden denken. Es verbietet uns die.s, w^as bisher übersehen wurde, die Thatsache, dass in dem Testamente Karls des Grossen vom Jahre 811 nach den Bischöfen als Zeugen seines letzten Willens verzeichnet sind die „Comites Walacho, Meginherus, Otulfus, Stephanus, Unruochus, Burchardus, Meginhardus, Hatto, Rihwiuus, Edo, Bero, Hildegerus, Koccolfus".-"^) Es verbietet uns das ausserdem eine Urkunde von 811), in der von Ludwig dem Frommen unter anderem darüber Be- scliwerde geführt wird, dass in dem durch den Tod des Königs Adolf berühmt gewordenen Gylenheim (Göllheim) dem Kloster Hornbach einiges („quasdam res") „interpollante [liJAttone rjuondam comite" vorenthalten w'orden sei. Dies sei bereits , tempore domini et geuitoris nostri Karoli bonae memoriae piissimi Augusti eo ncm iulteiito, iino pror.-3Us nescieute" geschehen, genauer: „dum in commune

woselbst OS in C. 25 (De nominibus locoruiii, in quibus Missi Dominici legatione funguntur) heisst: „In Trcviris Hatto ArcliicpiscopuR et Adalbertus comes". Ilartzheim, Conc. Germ. 2, 32b. 'J Nithard's Historia in Monum. Germ. 2, 667. Vgl. Will, Regest, 1, 60, Nr. 39. *) .S.:liannat 1, Nr. 1; Dronke 1, Nr. 2. - ') .Scli. 1, Xr. 2; Dr. 5, Nr. 6. *) gerniaim eiu8, Seil 12, Nr. 23; Dr. 17, Nr. 26. - ') Einliardi vita Karoli in Mon. Germ. 2, 463.

a Wanuu'io et Widuiic inoiiastci'iuin püssidcrctur".') Von Waniarius oder Werluiia wissen wir genau, dass er im Februar des Jahres 814 zu Aachen getütet wurde.^) Da aber das Kloster zu seiner Klage vor Ludwig jedenfalls erst den Tod llatto's abgewartet hatte, so ist dieser erst als zwischen 814 und 810 erfolgt anzusehen. Wir sind demnach in der Lage, Hatto IL als einen ungefähren Siebenziger dem öffentlichen Gerichte, „in mallo seu judicio publico", am 15. Mai 814 Vorsitzen zu sehen, in welchem der Kellner des Klosters Bleidenstat Salicho durch Zeugen darthut, dass das Kloster seit den Zeiten Karls des Grossen im IJesitze eines Bifangs „in villa seu marca Didelesberc" (Diedenbergen) sich befunden und Guntram kein Recht an diesen anzusprechen habe.^) Es wird das zu um so grösserer Gewissheit, als der oben als Bruder des Grafen Heimerich angesprochene Ilerman vom Jahre 781 die Urkunde unmittelbar hinter Hatto, dem Altersge- nossen, als comes unterzeichnet.

Indem wir dies die letzte Amtshandlung Hatto's IL sein lassen, brechen wir doppelt mit der bisherigen Überlieferung der nassauischen Geschichtschrei- bung. Denn die lässt in dem in der Anmerkung gerügten irrigen Jahre 815 ihren „Hatto L" seine erste Amtshandlung begehen und setzt ihn einzig in den „König- und Rheingau", in dem sein Geschlecht von den Merowingischen Zeiten an gewaltet habe.*) Da wir nun zu dieser Zeit keine zwei Grafen des Namens llatto kenneu, so haben wir uns durch die vorgelegte Urkunde aus dem ersten („anno primo regnante" etc.) Jahre des Kaisers Ludwig, also 814, belehren zu lassen, dass die Kuningessuntara, in welcher Didelesberc lag, mit dem Worms- gau unter einem Grafen stand, zur Zeit unserem Hatto H., der bald darnach gestorben sein muss. Bei der verhältnismässigen Kleinheit dieses altnassauischen Gaues kann dies nicht Wunder nehmen, da ähnliche Zusammenfassungen von Gauen in eine Grafschaft nichts weniger als ungewöhnlich waren. So erweist sich beispielsweise der Zeitgenosse des alsbald näher zu besprechenden Hatto HL, GrafPopo, als „comes pagorum Grabfeld, Tullifeld, Folkfeld, Gotzfeld et Werin- gau."^) Auch wären wir schon längst über dies Verhältnis aufgeklärt, hätte CS nicht das Missgeschick gewollt, dass die alten Urkunden zu gründe gingen. Ausserdem brachte es das Wesen des Königsgaues mit sich, dass zu Schenkungs- urkunden, die uns darüber Aufklärung bringen konnten, wenig Gelegenheit war. Denn der Name „Kuningessuntara" besagt bekanntlich, dass der König dort Haupt- grossgrundbesitzer war, da das ahd. Femininum „suntara" proprium, Besonder- heit bedeutet,*^) Schenkungen daselbst gingen also der Hauptsache nach von ihm allein aus. Gleichzeitig, das will auch bedacht sein, gehörte der ganze

1) Act. Pal. 6, 249. -) Act. Pal. 6, 218. ^j Will, Monumenta Blideastatensia saec. IX, X et XI. Innsbr. 1874. 17, Xr. 1; Sauer, Xass. Urkundenbuch. Wiesbaden 1886. 1, 17 f. Die falsche Jahreszahl 815 bei Vogel, Beschr, 189 u. Schlieph. 1, 106 f. kommt von Bodmann, Rheing. Altertümer 604, *) Bodm. Rheing. Altert. 45; Schlieph. 1, 105, Anm.; Roth, Gesch. d. Stadt Wiesb. 7. '•") Gonno, De duc. Franc. Orient. § 20, p. 439 u. f. nach Act. Pal. 3, 344. Andere Beispiele verzeichnet "Waitz, Vertassungsgesch. 3, 324, 7, 16, 32. An letzterer Stelle wird, allerdings erst im Ausgang des 10. Jahrhunderts, ein lotliringischer Graf mit 15 Grafscliaften genannt. '•) Haltaus, Glossarium 1697; Graff, Althochd. Sprachschatz 6, 50. Man vergleiche hierbei, was bei Waitz, Verfassungsgesch. 2, 556 über den königlichen Grundbesitz im allgemeinen gesagt wird.

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nördliche Teil des Gaues, wie dies die auf den nuiinzer Erzbischof Ricliolf (786 bis 8i:i) /uriifkzufiihreude GreuzbesehreibuDg erweist, dem Ferrutiusstift iu Bleiden- 8tat.') Oleichwold kauu Einzelgrundbesitz dortselbst nicht ausgeschlossen gewesen sein, wenn wir die auf uns gekommenen Scheukuugszeugnisse Einzelner in Be- tracht ziehen.*) Bedeutsam für uns hier ist es deshalb, zu sehen, dass auch das Ilatto'sche Haus im Künigsgau begütert war. Wir entnehmen das einer zwischen 8'i'J und 839 ausgestellten Urkunde, in welcher „Adalbertus humilis Christi scrvus", d.h. der vorhin genannte Graf dieses Namens und Bruder Hatto's IIL, der sich, wir dürfen das ja wohl hervorheben, durch diese auffällige Kennzeich- nunjr. wie seine ebenfalls namhaft zu machenden Schenkungen au drei Klöster in doppeltem Sinne als „tidelis" des frommen Kaisers erweist, „in Pago qui dicitur Kunigeshundra in villa nuucupata Waldaffa aream vnam'^ gleichzeitig mit G Königsmansen, einem Weinberg „ad sex Carradas vini", sowie 66 Man- cipien und alles sonstige Zubehör, „in oppido Cobelence nuncupato, quod Con- tluentia dicitur", an Fulda schenkt und dabei den Besitz in Walluf ausdrück- lich ,,patrimonium meum" nennt.^) Dass der Graf mit letzterer Benennung im licchte war, wird durch eine Schenkung des Kaisers Ludwig von Attigny aus am 20. November 834 bestätigt. Denn da heisst es: „concessimus eidem fideli nostro, Adelberto nomine, ad proprium quasdam res, quas idem ipso nostro munere in pago Yuormicense et in Cuniges Sunteri hacteuus iure beneficiario possedit, id est iu villa, qui dicitur Iloragaheim (Horchbeim) mansum domini- catum et alios quinque mansus ad eum pertinentes et in villa Vualdorfa dimi- dium mansum et mancipia numero tria."*) „Vualdorfa" ist dabei offenbar Irrtum des vermutlich romanischen Schreibers für „Yualdoffa", wie „Sunteri" als (Jenetiv von einem „sunterum" sich als Yerkennuug des deutschen „suntara" ausweist. Dürfen wir eine Vermutung wagen, so stammt dies „patrimonium" Adelbert's aus dem Nachlasse seines Urgrossvaters Adelbert. Denn in einer fiildischen Schenkung des 8. Jahrhunderts heisst es: „Adelbreht trad. sco. Bon. in uilla Waldaffa aream unam et X hubas cum familia."^) Nicht minder aber war Adalbert in dem Walluff benaclibarteu Dorfe Rode, dessen Gemarkung nun zu Neudorf gehört, seitdem es ausgegangen ist^), begütert. Denn „ex bi- fango ad Rode" schenkt „Adilbertus comis" zwei Mausen baubaren Landes

•) Vogel, Beschr. 190; Will, Mun. Blid. 24; Sauer, Nass. Urkundenbuch 1, 24 fl'.; Will, Regest. 1, 48, Xr. 19. Da das Kloster eine Stiftung Karls des Grossen war, so darf sein ursprüngliches Gebiet als eine Schenkung aus königlichem Besitz angesehen werden. Ein Beweis, wie umfangreich dieser war. ^) Mit Recht bemerkt deshalb Otto, Geschichte der Stadt Wiesbaden. Wiesbaden 1877, 67 f.: .,Da8 eroberte Land, soweit es herrenlos war, ging in den Besitz des fränkischen Königs über, dessen üomanium im Lande der Mattiaken aber so gross war, dass der Gau den Namen Kunigessundragau, Sondergau erhielt; daneben mochten einzelne angesehene Franken oder ältere Einwohner grössere Besitzungen erhalten oder be- halten haben; aus ihnen gingen die späteren Herren- und Adelsgeschlechter des Landes liervor.*- ^J Scliannat 179, Nr. 447; üronke 235, Nr. 529; auszugsweise Sauer 1, 21 f. Nr. 53. Die Urkunde liat nur das Datum VI. idus augusti (8. Aug.); das Jahr 840 ist von Schannat Hilgchlich hinzugesetzt, daher von Sauer in den Zeitraum 822 39 gebessert. *) 8aucr 1, 23 f., woselbst die übrigen Belege. '■'} Dronke, Traditiones et antiquitates ful- densoH. FuMa 184 I. 1 1 1, Xr. 214 ; Sauer 1, 12, Nr. 214; Schannat 298, Nr. 102. '') Vogel, Beschr. .'i77.

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samt Wald uiul 4 Hörigen an IJloiilciistat ') J)a/ai zcigto er sich gleichzeitig als wormsgauer Grundbesitzer. Denn an das oben genannte Kloster Horubach verschenkt er im Jahre S27 einen Hof in llesinloch, allen Besitz in Uittiles- heini und Thuiingheim und einen Weinberg in ]\rittenheim.^) Wir haben kaum hinzuzusetzen, wie sehr die so erwiesene Doppelbegütcrung im Worms- und Königsgau unsere Behauptung vom gleichzeitigen Grafentum llatto's in beiden erhärtet.

Um sie aber ausser allem Zweifel zu stellen, haben wir nunmehr nur fort- zufahren und Ilatto HL dieselbe vom Yater ererbte Personalunion vertreten zu sehen. Über seine Person sind wir freilich bisher auch nur sehr spärlich unterrichtet, da wir ihm ausser in einem Briefe Eginhard's an Kaiser Ludwig, in dem mit ihm die Grafen Popo und Gebehard als comites Austrasiae be- zeichnet werden^), nur sechsmal und nur in seinen letzten 17 Lebensjahren begegnen. Aber das Vorhandene genügt unserem Zwecke vollauf, und wir haben ausserdem die Genugthuung, bisher Unbekanntes zufügen zu dürfen. Gleich die erste Urkunde vom Jahre 837 ist entscheidend, wurde aber noch nicht einmal in Betracht gezogen. Denn in dieser bestätigt der bislang für Königs- und unteren Rheingau in Anspruch genommene Ilatto einen Güter- tausch zwischen dem Abgesandten des Klosters Fulda, Nordalaho einer- und Rühingo und Emhild anderseits, innerhalb der mainzer Gemarkung.'^) Das wormsgauer Grafentum ist also noch nicht bei ihm erloschen. Und doch be- stätigt er am 28. Oktober 838 als erster weltlicher Zeuge das Geschenk des Erzbischofs Otgar von Mainz „in pago Reni in uilla quae dicitur Gisinheim" an das Kloster Bleidenstat.'"') Offenbar dasselbe, das vom bleidenstater „Sum- marium et registrum" mit den Worten geschildert wird: „In Gisinheim dedit nobis Ottgarius archiepiscopus curtile I cum agris et vineis ad VI carradas et mancipia VI"^), wenn auch hier die „curtis" der Urkunde nach bleidenstater Schätzung zum verkleinerten „curtile" wird. Dass aber Hatte in dem erz- bischöflichen Schriftstück unmittelbar hinter Otgar und Fulco, dem Bischof von Worms verzeichnet steht, macht ihn unseres Erachtens nicht zum Grafen im unteren Rheingau, der in der Urkunde ausserdem gar nicht als solcher be- zeichnet ist, wie wir sahen, wenngleich Bodmann^) ihn „als den ersten fest- erweislichen Grafen unseres Rheingaues anerkennen" will. Er steht vielmehr, wie das Sitte ist, als Advocat des Klosters Bleidenstat hier an seiner Stelle, zum ersten mittelbaren Zeugnis für dies Amt, dessen unmittelbare Bezeugung wir alsbald bei seinem Nachfolger finden werden. Das nach seinem „S" stehende „S. Adilberti comitis" darf wohl seinem Bruder gelten, da der in einer Schen- kungsurkunde des Klosters S. Alban zu Mainz vom 21. Juni 847 sich „Adil-

») Will, Mon. Bl. 10, Nr. 13; Sauer 1, 35, Nr. 13. -) Act. Pal. 1, 195 f. =*) Epist. n. LVII in Act. Pal. 3, 314. *) Schannat 171, Nr. 429.; Droiike 109, Nr. 205. Letzterer entbehrt allerdings der Jahreszahl. '') Will, Mon. Bl. 29, Regest. 1, 58, Nr. 26; Sauer 1, 24 f., Nr. 58. Das Jahr 846 bei Vogel, Besohr. 181 und Schlieph. 1, 106 ist irrig. «) Will, Mon. Bl. 9, 9; Sauer 1, 35, g.; Will, Reg. 1, 58, Nr. 26. Von diesen dreien wird als Grundlage des Eintrags die Urkunde von 838 ebenso herangezogen. 0 Rheing. Alt. 603.

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bert <iuoiuluin comes" nennende, also offenbar abgesetzte Graf, wie dies wohl auch sein Zusatz in der Urkunde „gravitatem peccatorum meorum consideraus" als Scheukuugsgruud bezeugt, nicht in E^etracht kommen wird, wenn er schon wegen seiner Schenkung ^in pago Xaiigowe in Migelinbache, in Simera, in Riclieswilari" etc. benachbart erscheinen könnte.*) Eine Urkunde aus dem gleichen Jahre 838 vom 14. Juni bezeugt, dass Hatto III. vier Monate zuvor am königlichen llotlager in Neumagen („in palatio apud Niomagum oppidum coustituto") sich befand, au dem neben einer ganzen Anzahl von Grafeu und ^iuuumerabiiibus vasallis dominicis" auch die Söhne Ludwigs, Ludwig und Karl, nichr fehlten. Es wurde da vor dem König und den Grossen des Reichs ein Handel zwischen dem fuldischen Abte Hrabanus und einem gewissen Goz- bert ausgetragen, der von der Stiftung der Gebrüder Folcholt, Burgio und Ilraho an das fulder Kloster von dem Bifaug zu Elmaha im Saalgau sich unrecht- mässigerweise einen Teil angeeignet hatte.-) Hinter den 7 Erzbischöfen und Bischöfen steht unmittelbar Graf Adelbert, alsdann erst an siebenter Stelle Hatto und hinter ihm noch drei weitere Standesgenosseu. Bei der Ausfolgung des vorenthaltenen Teiles der Stiftung am darauffolgenden 16. Juli wird als ^advocatus domini Ilrabaui" Leidrat genannt, in dem wir wohl den Grafen in der vorhin besprochenen, Geisenheim betreffenden Urkunde erkennen dürfen, der als der dritte hinter Hatto und Adelbert erscheint.^) Hiernach ist die Ur- kunde vom 13. Nov. 849 zu nennen, in der Hatto III. „pro remedio anime mee et parentum meorum" Güter in „Wilene" (Dorfweil), in „Statero marca" (Ober- stetteu) und in „Sulenburc" (Seulberg) „in pago Nithagowe" an Bleidenstat ver- macht; am ersteren Orte eine „area", die zu einem der Anlieger „Luitfridus comes, nepos meus"^) hat, am zweiten einen Wald, in dem 200 Schweine zur Weide gehen, im letzten 3 Mausen mit allem Zubehör diesmal menschlich geordnet von Hörigen, Wäldern, bebauten und unbebauten Ackern, Wiesen, Weiden und Wasserläufen. Das Schriftstück ist ausgefertigt: „Costene corara missis domini nostri Ludewici regis."^)

Nehmen wir das noch zu neunende Todesjahr und die von uns erst herangezogene Urkunde von 837 aus, so ist dies alles der bisherigen nassauischen Geschichtschreibung Bekannte. Vermehren wir es deshalb nun mit dem ver- sprochenen Neuen, das sich unserem Suchen in zwei weiteren Thatsachen aus dem Leben Hatto's III. bot. Die Nachricht über die erste ist freilich viel zu kurz, um die seitherigen ebenso kurzen durch mehr als ein neues Lebenszeichen von unserem Grafen übertreffen zu können. Aber sie bestätigt wenigstens sein Leben schon im Jahre 823. Denn in diesem Jahre melden die wolfenbütteler Annalen lakonisch, dass Graf Hatto und der königliche Vasall Peretolt sich in

•) Act. Pal. 5, 174 f. «j Schniniat ITü, Xr. 434, vergl. S. 422; Dronke 226, Nr. 513. ') Er kommt 848 iiocli einmal in dieser Eigenschaft vor. Seh. 191, Nr. 471; Dr. 248, Nr. 555; Uddmunn, Khcing. Alt. 603 nennt ihn den ,,bcriihniten Grafen Loidrat". *) d.h. Wühl einen Vetter, nicht aber einen Enkel, wie Vogel, Bcsclir. 1«8 und Schlieph. 1, 106, Tergl. IJodmunn, Khcing. Alt. 601, annehmen. •') >Vill, Mon. Bl. 17, Nr. 2; Sauer 1, 27, Nr. 62.

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Gegenwart des Königs gegenseitig angeklagt liätten.') Die Unbekanntschaft mit der Person Peretolts uder Bertholds verbietet uns selbstverständlich schon ein Raten über den Gegenstand der gegenseitigen Anklage. Um so wichtiger ist die andere Thatsache, die uns zum ersten und leider einzigen Male in un- serer ganzen Untersuchung einen Blick in den Bildungsstand eines der uns beschäftigenden Grafen, hier Hatto's III,, thun lässt. Wir sind nämlich der Meinung, dass der uns glücklicherweise aufbehaltene Brief des trierer Chor- oder Landbischofs Thegano^), des Verfassers der Vita PIludowici vom Jahre 835, an den „dux" und „consul" Ilatto unserem Grafen gilt. Derselbe ist das Be- gleitschreiben zu einem Geschenke an Hatto, und das Geschenk die von Alcuin verfasste und Karl dem Grossen gewidmete Schrift über die Dreieinigkeit.^) Begründet wird die Schenkung wie mit der Dankbarkeit für das genossene unverdiente Wohlwollen des Grafen und dem Wunsch, sich seinem frommen Gedächtnis zu empfehlen, so mit der Absicht, dass der Graf daran seinen frommen Geist übe. Es darf uns nicht irren, dass Hatto dabei „dux" genannt wird. „Thegano braucht", mit AVaitz^) zu reden, „den Titel überhaupt sehr häufig." Dass er aber auch nicht mehr als ein Titel ist, zeigt nach ihm gerade unser Brief. „Consul" ist allein der wirkliche Amtsname und bekanntlich nur ein anderer Ausdruck für „comes". „Dux" mochte Thegano von Adelbert, dem Brudor Hatto's, her geläufig sein und dessen von uns oben berührte Amts- wirksamkeit im Triergau die Ursache der Bekanntschaft mit Hatto gewesen

^) Ann. Guelferbitani in Mon. Germ. 1, 46: „823, in eo anno, quando Hatto conies et vassus domini regis Peretolt inter se accusarunt coram imperatore". -) Nachträglich finde ich, belehrt durch Roth, Gesch. u. hist. Topogr. der Stadt "Wiesbaden, 8, dass im Korrespondenzbl. 1882, N. 7 des Briefes bereits Erwähnung geschieht. Übrigens hat Roth, scheint es, mit mir sein eigenes Regest z. J. 832, Fontes rer. nass. 1,1, 502, das von der gleichen Sache handelt, übersehen. Dieser aus Martene et Durand, Coli, ampliss. t. 1, p. 84, in Mon. Germ. 2, 586 wieder abgedruckte Brief lautet : „Domino venerabili et in Christo patri Hattoni nobilissimo duci ac con.suli Theganus peccator, licet antistes in domino Jesu Christi, dicit salutem. Cum mihi diu cogitanti quid ex paupertate mea vestrae serenae praesentiae praosentare potuissera, propter immensam benigni- tatem vestram, quam assidue, non meis meritis exigentibus, ostendcre dignati fuistis, et ut norainis mei memoriam vestrae pietati commendarem, nihil aliud ad raentem cucurrit, nisi ut aliquod opusculum sanctorum patrum vobis dirigerem, in quo sanctum Ingenium vestrum exer- cere potuissetis, et ideo istud volumen vobis transmisi, quod sanctus alcuiuus summus scolasti- cus ex variis libris sancti Augustini congregavit in unum, quod peritissimo ac nobilissimo imperatori Karolo tradidit, sicut prologus istius libri indicat, ubi inveniri potest, sicut maxima nccossitas est mortalium, de divina natura ac de essentia, de aeterna gignentia Dei patris, de aeterna nativitate filii Dei, de aeterna processione Spiritus sancti, de incarnatione Jesu Christi filii Dei, quoraode (!) sit unus Deus trinus, et trinus unus, sicut vera fides crederc jubet, et qui sie non credit, alienus a Christo est. [Von anderer Hand:] Inclyta gloria Christi te diu in hoc saeculo custodire et protegere dignetur, et post hacc mortalia tempora ad illam beati- tudinem pcrducat, cui finis adpropinquare non potest. Valeto. Salve magno parens, felix sis semper in aevum Dona superna Deus addat ubique tibi. Sic Theganus orat, sie semper postu- lat ipse; Auditor Dominus sit quoque celsithronus." ^) Die Schrift ist betitelt: „De fide s. et individue trinitatis libri HI ad Carolum M. cum invocatione ad s. trinitatem et symbolo fidei'" und ein Kompendium der ganzen Dogmatik mit starker Benutzung der Werke Augustins. Vgl. Gull. Cave, Scriptorum ecolesiast. historia literaria. Gencv. 1694. 2, 349; Kurtz, Hand- buch der allg. Kirohenge.=!('li. Mitnu 18.^)7. 2, 1, .")40. ■*) Verfassungsgesch. 3, 318, Anm. 3.

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seiu

Der Empfang eines solchen Briefes und Geschenkes aber beweist für diesen, ilass er nicht nur der lateinischen Sprache kundig, sondern auch im Stande war, die gelehrten Werke seines Zeitalters zu verstehen, mit anderen Worten, dass er gleich einem Karl dem Grossen und Ludwig dem Frommen auf der im wesentlichen theologischen Bildungshöhe seiner Zeit stand. Nehmen wir dazu, was der Brief mittelbar über den gesellschaftlichen Stand des Grafen bekundet: so dürfen wir zufrieden sein mit diesem so glücklich uns erhaltenen Vollbild unseres Grafen. Nebenbei erzählt uns der Brief auch etwas über das Lebensalter Hatto's IIL Da er noch in die Machtfülle des Grafen fallen muss wegen des gebrauchten Wortes „dux", so gehört er der Zeit vor 842 an. Wird Hatte nun „in Christo pater" genannt, so war er zu der Zeit ein älterer Mann. Das stimmt genau zu unserer Annahme, dass sein Yater 814 ein ungefährer Siebenziger war. Er selber war also im Jahre 854^), in dem er starb, etwa 80 Jahre alt.

Dass Hatto nicht ohne Unterbrechung seines Amtes im' Königsgau gewaltet hat, tragen wir nun nach, indem wir berichten, dass in den Jahren 842 und 844*) ein „Unalaho comes" dem Grafenamte daselbst vorstand. Im Oktober des ersteren Jahres der Tag bleibt merkwürdigerweise ungenannt in der iTkunde wird unter seinem Vorsitz ,in castello villa puplica" die Schenkung eines unbenauuten Gutes ,in pago Cunigessunderon" seitens Manegolt's und seiner Söhne Arnulf und Liutulf vollzogen^), am 24. April 844 schenkt Immeza von Lorch durch die Hand ihres „mundiburtus" d, h. Vormundes Hruothard zweien Hörigen die Freiheit mit der Bedingung, dass sie fortan an Bleideustat Zinsen. Die Urkunde darüber schliesst nach der Namhaftmachung des Königs- jahres mit dem Zusatz: „Walahone comite."*) Wir glauben, was auch seither unbeachtet blieb, mit einiger Sicherheit sagen zu können, wie diese Unterbrechung der Hatto'schen Amtsthätigkeit zu deuten ist. Es v^urde oben (S. 8) berichtet, dass Hatto mit dem Erzbischofe Otgar von Lothar zum Schutze des Rheins zurückgelassen worden war. Wir haben aber nun hinzuzusetzen, dass der dort angezogene Berichterstatter bei dieser Gelegenheit die eilige Flucht der zurück- gelassenen Schützer vor dem heranziehenden Heere Ludwigs des Deutschen, seines Sohnes Karlniaun und seines Bruders Karl des Kahlen am 17. März 842 meldet.^) Was Wunder also, dass Hatto, der Parteigänger des besiegten

') "Wenn wir uns auf die von Vogel, Beschr. 189, Anm. 5 angeführte Quelle der Chron. brev. S. Galli bei du Cliesne 3, 469 verlassen dürfen. Schlieph. 1, 106 hat sich der Todesangabe enthalten. Roth, Gesch. d. Stadt Wiesb. 8 bietet offenbar nur das abge- kürzte Citat Vogels. *) Für das erstere Jahr wird von Vogel, Beschr. 191 und Schliep- hake 1, 107 irrig 879 angegeben, für das zweite von Vogel 142: 910, von Schlieph. 1, 109: 89.5 und von Will, Mon. Bl. 31: 909 ebenso irrig, wie Sauer an den betreffenden OrtOM überzeugend nacliweist. 3) Annal. 3, 2, 106, 13, 358; Sauer 1, 25, Nr. 59. *) Will, Mon. Bl. 31; Sauer, 1, 26, Nr. 60 mit der wichtigen Anm. 1, S. 27. •') Nithardi Hist. III. A. 842 (Mon. Germ. 2, 667): „(^uod cum Otgarus Moguntiae sedis episcopus, Hatto comes, Hcrioldus ceterique viderunt, quos Lodharius ab hoc inibi reliquerat, ut illis transitum prohibuissent, timoro porterriti, litore relicto fugorunt." Es sei hierbei das für Nassau nicht lii\si<-btig<" liier liiMiicrkt, dass nach Nithard Karloniaii „])or l-ii n richi ad ConHuoiitiain", dem VtTi'inigungepunkte der Heere, zog.

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und seit dem Vertrag von Vcrduii (Aiigu«t 843) auf Mittelfrauken, d. li. das Land zwischen Scheide, Maas, Saune und KhAue im Westen, Rhein und Alpen im Osten, und auf Italien angewiesenen Lothar von Ludwig dem Deutschen, der Ostfranken, d. h. alle Teile des Reichs auf dem rechten Rheiuufer ausser Friesland, wie die Gaue von Mainz, Worms und Speier auf dem linken Ufer, im allgemeineu zwischen Rhein und Elbe, erhielt, zunächst seines Amtes ent- hoben und dann zur Strafe auf den Königsgau beschränkt wurde? Damit war die Macht des Oefährlichen, den Thegano nicht umsonst, wenn immer über- treibend, „dux" genannt hatte, gebrochen. Die Beschränkung auf Güter rechts des Rheins bei Stiftung seines Seelengedächtnisses am 13. jN'ov. 849 scheint sogar auf Einbusse seines wormsgauischen Besitzes schliessen zu lassen. Jeden- falls dürfte auf diese Weise am bündigsten die Trennung der Grafengcwalf im Worms- und Königsgau erklärt sein.

2. Im KönigssuiKlragJiii. Hatto IV.— VI.

Wir treten demnach nunmehr endgiltig auf den Boden der Kuningessuntara über und beschäftigen uns zunächst mit Hatto IV., den wir dem Namen iind der Zeit nach unbedenklich als Sohn Hatto's III. gelten lassen. Von seiner Grafenwürde im Gaue zeugt leider nur eine Urkunde vom 19. Januar 882. König Ludwig III., der Jüngere, schenkt in ihr auf Bitten des Erzbischofs Luit- pert von Mainz und der geliebten Grafen Konrad und Meingoz der Kirche des heihgen Ferrutius in Bleidenstat „ex fisco nostro Wisibad in pago Cunigeshundra in Villa que dicitur Nordinstat in comitate Hattonis comitis" drei Manseu mit Höfen, Gebäuden, Hörigen, Äckern, Wiesen, Feldern, Wäldern, Weinbergen, Wassern, Wasserläufen und allem dazu Gehörigen. Gegeben ist die Urkunde von „Franconofurt palatio regio" ^) und dadurch bemerkenswert, dass sie dem Tode des Königs einen Tag vorangeht, nachdem dieser schon seit einiger Zeit am Fieber krank gelegen hatte. 2) Den fürbittenden Grafen Konrad haben wir wohl im Lahngau zu suchen, wo er 88G Güter mit dem Kloster Lorsch tauscht''), während Meingoz der Graf des Worms-Nahegaus sein wird.^) Vom Grafen Hatto IV. aber erfahren wir nunmehr auch das andere unmittelbar, was wir bei seinem Vater erschliesssn zu müssen glaubten, dass er Vogt des Klosters Bleidenstat war. Denn als „advocatus ecclesie nostre" bezieht er aus dem vom Erzbischof Luitpert (863—889) geschenkten Weingut des Klosters in Winkele 2 Fuhren Wein und 6 solidi im Herbste und „in vicinia eiusdem ville [Rammscheid] habemus diversas curtes, quas habet Hatto comes in beneficio."^) Nach 884 aber schenkt er an Bleidenstat zwei Hüben mit Höfen „in Berostat" samt 6 Hörigen.^) Wir sagen nach 884, weil wir so allein aus den deutlich

*) "Will, Mon. Bl. 21, Nr. 1; Sauer 1, 32, Nr. 73. ^) Goerz, Mittelrhoin. Regest. Cobl. 1876 f., 1, 207, Nr. 726. ■') Cod. laur. 3, 4, Nr. 3040, vgl. Vogel, Beschr. 179. *) Act. Pal. 3, 402. •') Will, Mon. Bl. 10, Nr. 14, 16; Sauer 1, 36, Nr. 14, 16; Vogel, Beschr. 189, Auni. 2. '■) Will, Mon. Bl. 11, Nr 20; Sauer 1, 36, Nr. 20. Bierstadt, nicht Bärstadt, wie Will und Siuicr in iln-en Regcsten widlcn, ist gomciiit, d;i letzteres zum Unter-

u;

nach der Zeitfolge geordneten einzelnen Schenkungen des „Suramavium et registrunr des Klosters die unsere Schenkung betreuende Angabe zu bestimmen vermügeu. Denn der unmittelbar vorangehende „Karolus imperator", Karl der Dicke°(876— 888) ward 884 Kaiser. Leider ist das aber auch alles, was wir von llatto IV. zu sagen wissen. In Anbetracht dessen, dass sein von uns an- rreuommener Vater Ilatto III. 854 gestorben ist, müssen wir annehmen, dass er Ende des 9. oder Anfang des 10. Jahrhunderts dem Vater im Tode folgte.\)

Als sein Zeitgenosise erweist sich wir müssen dies für spätere An- knüpfungen einschieben „Üdalricus comes", der ebenfalls zwischen 863 und 889, der Lebenszeit des Erzbischofs Luitpert, mit seiner Gemahlin Gisil- hild, «mansos (!) III cum hubis suis in Widilsasseu" und in „Husun" au Bleiden- stat schenkt.2) Der erste der beiden Orte, Wildsachsen, gehört dem Künigsgau zu: wohin der zweite zu setzen ist, kann nicht ausgemacht werden, da es der Orte Hausen mehrere giebt.

Wir kommen nunmehr zu Hatto V., für dessen Lebenszeit wir einen sicheren Anhalt an der Urkunde des Königs Heinrich I. vom 29. Dezember 928 haben. Der König schenkt dem Kloster S. Alban in Mainz sein Gut zu Kost- heim „in pago Cunigeshundra, cui Hatto comes preesse conspicitur.^) Die beiden anderen Angaben, die wir noch über ihn besitzen, sind wenigstens annähernd zeitlich festzustellen, wenn wir der bereits vorhin von uns geltend gemachten Annahme, dass die einzelnen Schenkungen des bleidenstater „Summarium et registrum" der Zeitfolge nach geordnet sind, weiter folgen. Dort wird hinter einer Schenkung des genannten Königs (919—936) in Massenheim diejenige des Grafen Hatto und seiner Schwester Waltrud in Waldaffa mit einem Wein- liero- und seiner übrigren Güter in Biburch, und hinter einer des eben gestorbenen Krzbischofs Ileriger von Mainz (f 927) eine eben solche von einer Hube „in Villa Hucheheim" genannte, die derselbe Graf „cum filiis suis" gemacht hat.'') IJcide Schenkungen mögen demnach in das Ende der zwanziger oder den An- fang der dreissiger Jahre des 10. Jahrhunderts zu setzen sein. Beide beurkunden königsgauer Besitz, der in Waldaffa erinnert uns an den angeerbten des Grafen Adelbert daselbst.

rhcingau gehürt, in dem wir die königsgau'schen Grafen nicht begütert finden. Siehe unten Anm. 1, S. 22.

') Die Vermutung Vogels, Beschr. 191, Anm. 1, die Roth, Gesch. der Stadt Wies- l»adcn, 8 ohne weiteres zur Gewissheit erhebt, dass „Meginfridus comes" als Graf des Königs- gaus und Vogt von Bleidcnstadt „angesehen werden" dürfe, weil er am 1. Dezember 878 die Schenkungen eines gewissen Uoto an das Kloster Bleidenstat, bestehend aus einem Bifang >in pago "NVettoreiba in Lcistater marca", aus 3 Mansen mit Gebäuden „in villa Baltradesheim", auH ^J2 MansuH .,in Trcisa" und aus der Mitgift seiner Gattin Rutlind „in Albrateshuson", be- zeugen hilft (Kindlinger, Gesch. der deutschen Hörigkeit, Berlin 1819. 218; Will, Mon. Hl. 2, 3; Scriba, Regesten der Prov. Oberhessen. Darmst. 1849. 14, Nr. 216), ist hinfällig, da offenbar, wie sich aus dem dem comes folgenden weiteren Zeugen "Walahelm (vgl. Will a. a. C). 1, 2) ergibt, der Gaugraf des Schenkers aus der Wetterau gemeint ist; Schlieph. 1, 108 wagt keine Entscheidung. '■') Will, Mon. ßl. 10, Nr. 15; Sauer 1, 35, Nr. 15. =>) Vogel, Beschr. 173; Will, Regesten 1, 98, Nr. 2. ") Will, Mon. Bl. 11, Nr. 26 u. 35; Sauer 1, :^fi.

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Audi diesem Ilatto geht ein Zeitgenosse „Udalricus comes" zur Seite, den mau freilich seit der Durstelhmg des Freiherrn Schenk von Schweinsberg') gewohnt ist, für dieselbe Person mit dem bereits genannten zu halten, nicht zu gedenken, dass er, wie dies derselbe Gelehrte richtig erkaiiiif hat, von Yogel und Schliephake gar mit dem des 11. Jahrhunderts verselbigt worden ist. Wir sondern ihn aber von Udalricli I. als Udalricli IL, wie wir Hatto V. von Hatto IV. auf grund der Annahme chronologischer Ordnung des ältesten bleidenstater Schenkuugsregisters schieden. Denn er schenkt in demselben Zwischenraum von 5)19 und 93G seinen Ilof in Biburc mit drei Hörigen an Bleidenstat.2) Nach der letzten Schenkung Hatto's V. iu Hochheim muss er aber schon gestorben sein. Denn nach dieser ist die Schenkung Vodilhild's „pro remedio patris sui Udalrici comitis" „in villa Jossebahe" mit zwei Hüben verzeichnet, die mit Zustimmung ihrer beiden Söhne U dal rieh und Rugor geschehen war.^) Und zur gleichen Zeit wird berichtet, dass dieselbe „domina", bevor sie Schwester in Bleidenstat geworden war, mit Zustimmung ihres Sohnes „Udalrici prepositi iu Hornawe", also wohl auch schon nach dem Tode Rugers, sechs Äcker mit zwei Hörigen au Bleidenstat vergabt habe."^) Die Begüterung im Niddagaue, dem beide Ortschaften angehören, ist bedeutsam, da sie derjenigen Hatto's und der Luitfride daselbst entspricht, also eine Ver- wantschaft der drei Häuser zu bestätigen scheint, wie dies nicht minder die Schenkung an das gleiche Kloster beweisen möchte, dessen Vogtei Familien- besitz ist. Die Annahme, dass Udalrich II. ohne männliche Erben gestorben sei, weil seine Tochter für dessen Seelengedächtnis Sorge trage, kann als ziem- lich gesichert gelten und wird, wie sich später zeigen soll, durch die Folgezeit nahezu verbürgt.

Nicht minder wichtig ist es, noch eines anderen Zeitgenossen Hatto's Y. zu gedenken, Eberhard's, der, wie er, Graf im Königsgau in einer Urkunde vom 12, März 927 genannt wird. In diesem zu Worms ausgestellten Schrifr-

') Korrespondenzbl. des Gesamtver. d. deutschen Gesch.'s u. Altertumsver. 1874, Nr. 9, S. fiS f. Ihm folgt nach Roth, Gesch. d. Stadt Wicsb. 11. ^} Will, Mon. Bl. 11, Nr. 2-1. ^) Ebenda 12, Nr. 43. -— *) Ebenda Nr. 44. Will interpungiert trotz der Einrede Roth 's a. a. 0. 11, Anni. 1 richtig, wenn er hinter „Hornawe'' ein Komma setzt und im Register Udalricus zum „prepositus" in Hornau macht, während Vogel, Beschr. 233 irrig die Schenk- ung nach Hornau verlegt, entgegen seiner eigenen Angabe S. 851, wie ihm das so oft begeg- net in dem aus seiner „Topographie'' herüber genommenen topographischen Teile seiner „Be- schreibung", dass Hornau seit der Schenkung Routlind's mit 8 Mausen im Jahre 879 dem Bartholomäusstift in Frankfurt gehört und samt dem benachbarten Kelkheim eine eigene Vog- tei bildet, die zugleich den Blutbann hatte und mit der das Stift die Herren von Eppstein, die hier alle 14 Tage Gericht zu halten hatten, belehnte. Dieser Belehnung wird zwar erst in einer Urkunde vom 1. Februar 13G9 gedacht, als vom Dekane des Stifts „domino Eberharde, domino in Eppenstein'' die „advocacia" über „Kalcheim" „tamquam feodum et nomine feodi" übergeben ward. Aber es heisst ausdrücklich dabei, dass dies „ab antiquo" geschehe. Vgl. lim er, (od. dipl. moenofrancfiirt. Frankfurt 1886. 1, 723. Da es nun in Hornau kein Kloster gab, so bedeutet „prepositus'' hier dasselbe wie advocatus und wird auch anderweit 80 gebraucht, vgl. Du Cangc-Henschel 5, 405' f. Damit fällt der hergebrachte „Propst", dessen „consensus'- ausserdem i;ar nicht zu bethätigen gewesen wäre, da er als solcher si.-h seines Vermögens begeben iiubcn würde.

Annalpu, li.l. XXVI. 2

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stücke scheiikeu Alfauin uiul seine Gattin Ada dem Ursulastift in Köln für ihr Seelenheil und ewigen Lohn ihren Besitz. ,hoc est curtera I sitam in Kuniuges- sundera in coraitatu Euerhardi comitis in uilla Brigidestat dicta cum casis diuersis, cum terra salaricia, pratis. campis" etc., ausserdem 30 Mausen mit ehenso viel Hörigen beiderlei Geschlechts, von denen 8 in Brigidestat ausser dem SaHand, 4 in Clopheim, 4 in Ersiuesheira, 4 in Uuichara ausser dem Sal- land und der Kirche daselbst, von der jährlich 15 solidi Zins fallen, und 8 „in pago Achgouwe appellata in comitatu Kuonradi comitis in uilla Blitgeresuuilere" ausser dem Salland liegen.') Unmittelbar nach dem ,Sig. Uuichfridi archiepis- copi" steht dasjenige „Euerhardi comitis" und des uns unbekannten „Adalhardi comitis". Da wir Hatto T. erst 928 als Grafen in der Königssuudara trafen, so wäre ja wohl möglich, dass Eberhard bis dahin dem Gaue vorgestanden habe. Indes eine freilich unbelegte Nachricht Yogels^), die Schliephake^) ebenso weiter gibt, belehrt uns, dass Eberhard schon 921 als Graf im Niddagau vor- kommt. Es kann sich deshalb hier wohl nur um eine vorübergehende Stell- vertretung handeln, wie wir solchen noch oft begegnen werden.^) Es scheint das um so gewisser, als eine bleidenstater Schenkungsurkunde wenigstens mittel- bar das Grafentum Eberhards im Niddagau bestätigt. Kigalinde gibt zum Seelen- heile der Eltern Eberhard und Mathilde mit Zustimmung ihres Bruders, des Grafen vom Niddagau, Burkard, Güter zu Asceburne, in Suntlingero marca, in

') Lacoinblet, Urkundenbuch f. d. Gesch. d. Niederrlieins. Düsseldorf 1840. 1, 47, Nr. s7; Sauer 1, 40, Xr. 85. Die von Lacomblet bis auf Wickert irrig gedeuteten Orte .sind Bierstadt, Klop])enheim und Erbenhoini. Unbestimmbar bleibt Blitgeresuuilere im Achgau, der nicht nach Förstemann, Altd. namenbuch 2, 26 an der Weser um Corvei zu suchen, sondern für Nahgau zu lesen ist, wie Sauer richtig vermutet, denn hier, d. h. in dem noch gleich bedeutenden Wormsgau ist Graf Konrad 941 bezeugt, vgl. Lacomblet 1, 52, Nr. 94, wie schon 907, vgl. Cod. laur. 1, 108, Nr. 60. P^rzbischof Wichfrid, der unsere Urkunde mit unterzeichnet hat, war selber im Wormsgau begütert, wie Lacomblet 1, 52, Nr. 94 bezeugt, dazu Beschenker des Ursulastifts selber, vgl. ebenda Nr. 88, 91, 94. Birgidesstat oder, wie es das zwcitcmal genannt wird, Brigidesstat, ist jedenfalls ein Versehen des Schreibers, wie Krsinosiieim, da beide Formen in unseren Urkunden nicht vorkommen. Die hier genannte ,,torra salaricia" kann jedenfalls nicht die „salaricia terra ex qua sal cruitur'* bei DuCange- HenBchel 6, 36'* sein. Salaricius ist vielmehr das von salariura := donum gebildete Adjektiv. Die „terra salaricia'' deutet deshalb unverkennbar auf königliche Schenkung hin und ist das Brief- oder Salland, von dem Schröder, Lehrb. der deutschen Rechtsgesch. 205 tf. handelt. Schliesslich sei nicht vergessen, dass die falsche Zählung von 30 statt 28 Mausen ebenfalls auf Hechnung des Priesters und erzbischöflichen Kanzlers Heribert kommt. '^) Beschr. 188. »Ifenbar entnommen aus Bodmann, Rheing. Altert. 601. ^) 1, 109. *) Das hierbei ge- brauchte Wort „in comitatu'* scheint deshalb oft die Bedeutung: zur Zeit des Grafentums oder des ultlat. ablat. absol. „comite" zu haben, wie denn coniitntus nicht bloss Grafschaft, son- dern auch die Würde des Grafen bezeichnet nach Du Cange-Henschol 2, 465''. Überdies aber will beachtet sein, was Schröder, Lehrb. 131 sagt: „Durch die mannigfaltigen Pflichten des Grafen, namontlicli durch seinen Hof- und Heerdionst, wurde häufig das Bedürfnis einer Vertretung hervorgerufen. Ausser den Schultheissen, die ja für ihre Hundertschaft zu dieser Vertretung beruffn waren, Hessen sich die Grafen häufig auch durch Spezialbevollmäch- tigte vertreten. Ordentliche Substituten, die den Titel vicecomites oder vicedomini führten, kamen seit dem Anfang des 9. Jalirliuuderts hin und wieder vor. Als wirkliches Amt begeg- net um dttrt Institut der Viregrafen erst im Mittelalter. Vgl. Waitz, 3, 397 ff."

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Griegeshcim und Sulburc im Niddagau au Bleidcustat.') Da die Urkunde ausser- dem noch von ihrem Bruder „Eburhard" unterzeichnet ist, so darf unterstellt werden, dass in seinem Namen der des Vaters wiederkelirt.'-^)

Gehen wir nun weiter, so würden wir nach der gewöhnlichen Lesart der betreffenden Urkunde ohne weiteres einen llatto VI.^) zu verzeichnen liaben. Die Urschrift dieses Schriftstücks vom 25. Februar 960 bietet jedoch Ilathold. Es werden nach ihm von König Otto I. einem gewissen Thiatgaz, seinem „fidelis", Güter geschenkt, unter andern „in })ago (jui dicitur Cuninghessundra in villa Waldlioffa in comitatu Hatholdi comitis"."^) Gleichwohl wird ein Ver- sehen in dem sonst nicht vorkommenden Namen vorliegen, wenn nicht etwa anzunehmen sein sollte, dass Hatte die Koseform desselben darstellt, ähnlich wie aus Sunderold Sunzo oder auch wohl Sundo entstand.^) Denn es scheint nicht von ungefähr, dass der von Wenck") nach einer Abschrift gegebene Text der Urkunde „Hattoni comitis" setzt. Derselbe bringt nämlich auch neben anderen Abweichungen in der Schreibung der Eigennamen und des son- stigen Textes die Besserung zweier unrichtig geschriebener Ortsnamen. Der Abschreiber erweist sich demnach als sachkundiger Verbesserer. Da wir nun in der nächsten Geschlechtsfolge noch einmal dem Namen Hatte begegnen, so dürfen wir wohl nicht anstehen, den Hathold der Urkundenurschrift als Hatte VI. zu fassen. Sein Name ist leider aber auch alles, was uns von ihm über- liefert ist.

Dafür haben wir ihm gerade 10 Jahre zuvor einen Vorgänger bezw. Stell- vertreter im Grafen Gerung zu geben. Es konlmt dieser in einer zu Walech (Walbeck) aufgenommenen Urkunde König Otto's I. vom 1. Mai 950 vor, worin letzterer auf Bitten seines Sohnes Ludolf ihm, der „vasallus" Ludolfs genannt wird, „hobas regias VI in villa Wanaloha [Wallau] et Brechenheim sitas in pago Kunigessuudera vocato in comitatu prefati Gerungi comitis" und für den Fall, dass diese nicht voll dort gefunden werden, den Rest in dem benach- barten Nornestat schenkt.^) Schon die Unsicherheit in der Beschenkungsweise scheint Gerung als Fremdling im Gaue zu kennzeichnen, wie die Schenkung selber in diesem, da sie im Einvernehmen mit dem Grafen geschehen niusste,

^) Will, Mon. BI. 18; Sauer 1, 45, Nr. 93; Vogel, Besclir. 188. Woher Roth, Gesch. d. Stadt Wiesb. 9 die Zuversicht schöpft, dass „Graf Eberhard des Künigsgaues jeden- falls von dem im Niedgau 921 auftretenden Grafen Eberhard verschieden'' sei, ist unerfind- licli. -) Der von Bodmann, Rheing. Altert. 601 entworfene Stammbaum würde von Wert sein, wenn seine Quellen angegeben wären. "') Dass Bodmann 570 ebenfalls einen Hatto YI. kennt, also züldt, wie wir, hätte Vogel und Schliephake bei ihrer Zählung bedenklicli machen müssen. Freilich sind ihm die Hattoe Grafen im Rheingau, die sie nie waren. Vgl. Anm. 4, S. 9. *) Sauer 1, 44, Nr. 92. •') Förstemann 1, 1128; Will, Regest. 1, XXVII u. 84. *') Hess. Landesgesch. 2, 30 fUrkb.). Von Abweichung in der Schreibung der Eigennamen ist zu verzeichnen: Bobbonis statt Poppoiüs, Diatgaz statt Thiatgaz, Hunolt statt Hunald, Treyse statt Treise, Cunigessundra statt Cuninghessundra. Sonstige Änderungen : predictum statt prescriptum, annuli statt anuli, recognovi statt recognovit (S. R.). Ausgelassen ist: Signum Ottonis invictissimi (L. M.) regis und zu actum Wormatiae zugesetzt: in Domino feliciter, Amen. Die unrichtig geschriebenen Ortsnamen: Wodaha und Spiazcesheim heissen hier Woraiia (allerdings mir dein übergesetzten d) und Spiozo.'^hoinl. ") Sauer 1,4.3, Nr. 00. Schwerlich sind die Namen Wanaloha und Nornestat riclitig.

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dieser sich also unkuDdig iu deu Besitzverhältnissen zeigt. Es mag deshalb derselbe Gerung sein, deu wir 960 im Taubergau, ÜG5 und 968 im Speiergau, 973 wieder im Tauber- und im gleichen Jahre im Gollahgau, vielleicht gar noch 1002 im Rinagouue thätig finden.') Die Yasallität war nebenbei gesagt keine Bescliränkung seiner Grafenwürde.^)

Yen einem Nachfolger Ilatto's YI. sind uns, wenigstens nach unserer alsbald zu begründenden Annahme, zwei Urkunden erhalten. In der ersten aus Pavia vom 17. Jan. 970 schenkt Kaiser Otto I. dem Kloster S. Johann in Magdeburg Güter zu „winckara et noranstat iu pago et coniitatu Kuninges- sundra, oui Immat comes preesse videtur*. So nach der in Magdeburg auf- bewahrten Ausstellung^), während die in Berlin erhaltene riclitig „Wikkara", aber ebenso irrig „Xorinstat" für Nordinstat liest. ^) Der in beiden gleichlautende Nume .,Imniat" beseitigt für immer den wunderlichen Lesefehler „Numat", wie die an ihn geknüpften Besserungsversuche. ^) Dagegen müssen wir „Immat" seibor auf gruud der von uns angemeldeten zweiten Urkunde für einen Schreib- fehler erklären. Nach dieser, welche iu Botvelduu am 18. Sept. 974 ausgestellt ist, schenkt Kaiser Otto II. dem Kloster Hilwartshausen Güter iu Schierstein im Kiinigssundragau und in der Grafschaft des Grafen „Ymico", sowie in Braubach iu der Grafschaft Rodberts, welche Einrichi heisst, und zu Garden an der Mosel.*') Da nun Ymico (Imicho, Emicho, Emmicho^) aus dem nahen Worms-Nahegau der bekanntere ist, so darf mit Recht vermutet werden, dass der Schreiber in Pavia das ihm vorliegende Immico bei der leichten Yerwech- selungsmüglichkeit des mittelalterlichen c und t für Immeto, der Nebenform von Immat"^), ansah und dafür das ihm geläufigere Immat schrieb. Bei der l)preits bemerkten unrichtigen Schreibung der Ortsnamen wird dies um so wahr- scheinlicher.

Wer ist nun Ymiko oder Emicho? Wir haben allen Grund, denselben in doni Grafen des Nahogaus zu erblicken, der in der vorhin angezogenen Urkunde von 960 neben Ilathold (llatto) vorkommt und in dessen Grafschaft die, was wenigstens das erstere von ihnen betriff't, auch zum Wormsgau gerechneten Dörfer Si>iezesheim und Treise gelegt werden. Derselbe nahegau'sche Graf Emicho erscheint in der Urkunde vom 29. Mai 901, iu welcher König Otto den (irafen Eantbert und Megiugoz aberkannte Güter des Nahegaus „per Emicho- nem comitem" an das mainzer Martinsstift schenkt.^) Ebenso wird in der Ur- kunde vom 27. August 966 das Dorf Gogeuheim „in comitatu Emichonis comi- tis" genannt, welches mit anderen benannten Orten vom selben König an die magdoburger Kirche gegeben wiid.'°) In einer Urkunde König Otto's III. von

'j Stalin, Wirtonib. Oesch. 1, 545; Kremor, Orig. Nnss. 2,77, Act. Pal. 3, 239,258; Hnliannat, llist. cpisc-. Wormnt. Frankf. a. M. 1734, cod. prob. 34. -) Vgl. Eichhorn, Ucutsflie .Staats- u. Rochtsgcsch. Gott. 1821. 2, öOl tt". ; Waitz, Verfassungsgesch. 4, 212 ff. ») Schlieph. 1, 92, vgl. 110. *) Sauer 1, 45, Nr. 94. ^) Vgl. Wenck, Hessische Landesgesch. 2, 521; Bodniann, Rheing. Altert. 572; Vogel, Beschr. 192; Roth, Gesch. d. St. WicMl). 9. - '■•) Im Auszug bei Sauer 1, 40, Nr. 95. Für 973 spricht nur die Tndiction und «Ins Kaisorjahr. ") F.ira to mn n n 1, s] n. 77«. **) Kbenda 1,776. - ") v. Hont- hfcini, HiMt. tr.-vir. 1, 292, vgl. 3U4. "'j Krenier, ürig. Nass. 2, 77 1'.

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0f)3 wcrdeu 7 Manscn „in villa Norsteiii in pago Nachgouvc in coniitatu Enii- chonis" an das Kloster Sclz im Elsass geschenkt.') Es ist dasselbe Merstein, das zu den Zeiten Ludwigs des Kindes zum Wormsgau gehiirt hatte''); ein Zeichen, im Vorbeigang bemerkt, dass zu dieser Zeit der Landstrich zwischen ]]ingen, Mainz, dem Pfriembach und Donnersberg wieder zum Nahegau gehörte, wie cliemals.3) In dem gleichen Jahre 993 hatte derselbe König am 14. Jan. der Abtei S. Alban bei Mainz 6 Königshufeu Waldos zwischen Kelersheim und Wieselbach im Naliegau in der Grafschaft Emicho's geschenkt.^) Und wiederum am 19. Nov. 995 gibt derselbe freigebige Herrscher an seinen üetreuen, Beci- liu, das „praedium Domnisse (Densen)" „in pago Nachgovve et in comitatu Emichonis comitis".^)

Dass damit nicht eine abermalige Verbindung des Königsgau's mit dem Worms-Nahegau gesetzt ist, verbürgt die Folgezeit. Wir haben deshalb Emi- cho ebenfalls nur als Stellvertreter anzusehen, aber, wenn nicht alles trügt, nunmehr als einen in verwantschaftlichen Beziehungen zum Hatto'scheu Hause stehenden. Wir meinen zu dieser Vermutung durch folgende Thatsachen be- rechtigt zu sein, die gleichzeitig den weiteren geschichtlichen Verlauf darstellen und deshalb an dieser Stelle eingeschoben werden müssen.

II. Die Trutwine und Tutoe im Königssundragau und in Laurenburg.

L Trutwiii 1. und II. Tuto 1. und II. Embricho I. Vcrschwiigenuig

mit den Grafen von Leiningen.

Wir finden zwischen den Jahren 992 und 1009 den Köuigsgau durch einen Grafen Trutwin verwaltet. Am 29. Dec. 992 schenkt König Otto HI. an das Kloster Selz sein Praedium „Biburc et Moskebach", gelegen „in pago (Junigessunderon in comitatu Druwiui comitis".^) Am 9. Dec. 995 gibt derselbe dem Kloster Bleidenstat sein Praedium „Laresbach in pago Kunigissundero in comitatu Trutwindi comitis«.^) Und im Jahre 1009 geschieht die Übergabe des Eigentums eines ^militaris homo" Reginbod und seiner Gattin Lieba „in Winckelo" an Bleidenstat „coram Drutwino comite et scabinis"^), womit aber nicht gesagt ist, wie angenommen wird, dass Trutwin gleichzeitig im Rheingau (Jraf gewesen sei. Vielmehr ist er nur als advocatus des Klosters mit den Schöffen Zeuge der „traditio". Dieser Trutwin L aber erweist sich, da eine Erwerbung des Klosters Bleidenstat im Jahre 1017'') ,ab Hattoue, patruo predicti Drutwini", d. i. des zweiten dieses Namens, also unzweifelhaft des Sohnes Trutwin's I., gemacht wird, als Bruder dieses Hatte und damit ebenso

') Act. Pal. 1, 287; 2, 255. -) Gudcnus, Cod. dipl. 1, 367, vgl. Act. Pal. 2, 255. - ■■) Bodmanii, Diplomat. Nachricht von der fiirstl. Wild- u. RhoingrüH. Landgrafsclmft im Nahgau. Erfurt 1792. 4 f. Derselbe, Rhcing. Alt. 203; Christ. Jak. Kremer, Gesch. d. rhein. Franz. Mannh. 1778. 147 f. - ") Will, Regest. 1, 127, Nr. 84. - ^) Froher, Orig. Palat. Ueidelb. 1686. 2, 44. - '^j Krem er, Orig. Nass. 2, 91 f. - ') Will. Mon. Bl. 22, Nr. 3; Sauer 1, 48, Nr. 100; Will, Regest. 130, Nr. 112. - ») Will, Mon. Bl. 31, Nr. 7; Sauer 1, 51, Nr. 104. - ") Will, Mon. Bl. 13, Nr. 3; Sauer 1, 53, Nr. 110, 3.

O')

zweilellos als Sohii llatto's VI. (ilcich/eitig wird ihm als weiterer lirudcr der .vir nobilis Tudo [I.] comcs" beizugeben seiu, der 1005 mit seiner Gemahlin Kot rüde und seinem Sohne Tuto (II.) ^in villa Beristat pomerium unum et dimidiam hubam nee non capellam in Biburc cum hubis II, mancipiis. agris. vineis et omnibus ad eum pertinentibus" .„pro remedio animarum suarum" an Blcidenstat verschenkt.^ Es scheint sich das nämlich daraus zu ergeben, dass die Tutoe nachher in der Geschlechtsreihe Trutwins erscheinen. Dass in Bier- stadt und Biebrich, wie wir oben sahen, sich Hatto'scher Besitz findet, würde ebenfiiUs auf unmittelbare Yerwantschaft schliessen lassen, wenn wir dieselbe nicht nachher als mittelbare zu erkennen hätten. Wie aber die Schenkung für das Seelenheil das höhere Alter des Schenkers und damit auch seines vermut- lichen Bruders anzugeben scheint, so ist auch aus dem Umstände, dass bei einer Bestätigung von Besitzungen des Michaelsklosters in Bamberg durch König Heinrich II. vom 8. Mai 1015, unter anderem aus „Shertistein", dies „in pago Cunigessundra in comitatu Reginardi" liegend genannt wird-), die Echt- heit der Urkunde vorausgesetzt; zu schliessen, dass Trutwin I. zu der Zeit ge- storben sein müsse. Reginard selber aber wird nur als sein Stellvertreter gelten dürfen. Als Überlebender der Brüder erscheint allein, wie bereits an- geführt, Hatto im Jahre 1017.

Da, wie wir sahen, der in den bleideustater Urkunden von diesem Jahre an sich findende Trutwin ausdrücklich als Xeffe dieses Hatto bezeichnet wird, so ist nunmehr von Trutwin H. als Grafen des Königssunderagaues zu reden. Abt Herbert erkauft 1017 „a Drutwino comite curtem in Rode cum casa et mancipiis III pro XLIII marcis."^) In Rode befand sich nach früher Bemerktem Hatto'scher bezw. Adelbert'scher Besitz, so dass auch nach dieser Seite der Zusammenhang mit dem königsgauer Hause gesichert erscheint. Überdies muss in Rode auch der Mansus Ackerland gelegen haben, der dem ,,patruus'' Hatto gehört hatte, da er ohne weitere Ortsaugabe unmittelbar hinter dem verkauften Besitz Trutwin's daselbst aufgeführt wird. Hierauf findet sich letzterer 1018 als Zeuge mit ..Wigant vicedomiuus" beim Verkaufe von 18 Jochen Acker in Borne (bei Bleidenstat) und der Schenkung von 8 Jochen mit einer Wiese für das ewige Licht des Altars des h. Ferrutius seitens Meingot's^j und 1019 ver-

'J Will, Mon. Bl. 19, Nr. 4; Sauer 1, 49. Xr. 102. Beristat ist, wie Vogel, Beschr. 'J90 u. 537 richtig angenommen hat, Bierstadt. Denn SSI kommt bereits „in pago Cuniges- hundero in Peristatter marca" vor, "Will, Mon. Bl. 6, Nr. 12; Sauer 1, 31, Nr. 71. Wie diese beiden Gelehrten in ihrem Regest zu dieser Urkunde mit der _Bärstatter Mark in dem KGnigssundragau'- irren, so irren sie auch in dem Regest zur vorstehenden mit der Deutung -Bärstat", möglicherweise verführt von Kehr ein, Nass. Namenbuch 162, 2, der ebenso an Bärstadt denkt, .,das ganz nahe an der Grenze der Cunigeshundra lag". "Wir haben aber oben schon Anm. 6, S. 1.5 selbst Berestat für Bierstadt genommen, das noch heute im Yolks- munde ..Bt'-rschcd" heisst, wie Bärstadt _Bärsclied-. '-) Sauer 1, 52, Nr. lOS auszugsweise und ausserdem als verdächtig bezeichnet. Jedenfalls stimmen weder indictio, noch regnum. no<h imperium zur Jahreszahl. ') "Will, Mon. Bl. 13, Nr. 2; Sauer 1, 35, Nr. 110, 2. ') Will, Mon. Bl. 13, Nr. 6; Sauer 1, 3.5, Nr. 110, 6. Der ,vicedominu^- wird hier wohl nicht als viceconies, sondern als praepositus oder oeconomus des Klosters zu verstehen sein, vgl. Schröder, Lehrb. 194.

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setzt Graf Trutwin „cum conscnsu et volunlatc fratris siii Embricliuiiiö |1J euriam in ( Jiscnlicini et iiauluin in Waldaffa pro LV niarcis et dimidia."') Südaun wird 1Ü28 die „curia in iMossebach" „in placitu Drutwini" Bleideustat zuerkaimt.'^) Im Jahre 1032 beim Versatz einer „curia in Neisse pro XVIII marcis et dimidia" durch den Grafen Wigger sind Zeugen: „Arnold comes, Drutwin comes, Gisilbert vicedominus".^) Zweimal endlich noch begegnet uns der Name dieses Trutwin 1034: das erste Mal bei der Gelegenheit, wu „Eni- bricho cum consensu uxoris sue Adelindis" einen Mansus in Iluscn bei Bär- stadt für 17 Mark ,et quanto (!) fuit in captivitatc itorum VI marcis" versetzt und alsdann „mansum rogatu fratris sui Drutwini nobis dimisit""*); das andere >ral gab Abt Ezzo dem Grafen Trutwin 15 Mark, „pro quibus habemus piscaturam in Reuo."^) Dass er dann zwischen diesem und dem Jahre 1010 gestorben ist, bezeugt die Thatsache, dass in letzterem ein Graf Sigfrid in der Königssundara erscheint.^)

Und nun ist es an der Zeit, dass wir unsere vorhin ausgesprochene Ver- nuitung von einer verwantschaftlichen Beziehung zwischen dem Ilatto- Trutwin'schen nnd dem Emich'schen Hause näher begründen. Anlass dazu bietet der soeben erwähnte Bruder Trutwins, Embricho I. Die seit- herige Geschichtschreibung hat aus seinem Namen nur Schlüsse auf dessen vermutliche Nachkommen gezogen, indem sie ihn, wie Bodmann^), zum Ahn- herrn der Rheingrafen oder, wie Vogel ^) und Schliephake''), zu dem des dietzischen Hauses machte. Wir halten es für angezeigt, aus seinem Namen den vermutlichen Vorfahren, d. h. Namengeber zu erschliessen.

Zu dem Ende fassen wir zunächst den Namen an sich ins Auge und be- haupten, dass aus ihm, der ursprünglich Ambricho lautet und auch in den Formen Emricho, Embrico und Embricho vorkommt, sich die Koseform Amicho, Emicho, Emmicho, Imicho gebildet hat.*°) Wir wissen, wie sehr diese Be- hauptung der seitherigen Annahme von der Verschiedenheit beider Namen wider- spricht, und wie sehr sie sprachlich anfechtbar erscheint. Gleichwohl zwingt uns zu ihr der urkundliche Befund. So sehr nämlich auch diese Namen in denselben Urkunden nebeneinander vorkommen, so sehr erweisen sie sich eins für ihren Träger in unabhängig voneinander aufgenommenen. Wir können das freilich nur aus solchen des 12. Jahrhunderts erweisen. Da finden wir bei- spielsweise unzweifelhaft für denselben Mann: 1122 „Embricho viced(nninus", 1128 „Embrico vicedominus", 1124 „Emicho vicedominus'' und 1135 „Embricho vicedomiuus."^^) Ferner wird derselbe erfurt-mainzische „prcpositus S. Sevcri" 1128 „Emicho", 1129 „Embricho", 1130 „Emicho« zweimal, 1130 und 1131 „Eraiche" und 1132 „Emercho" genannt.^-') Sodann kommt 1146 „Emmecho

•) Will, Mon. Bl. 13, Nr. 10; Sauer 1, 35, Nr. 110, 10. -) Will, Müh. JJi. 1), Nr. 19. 3) Ebenda 14, Nr. 19. ■•) Ebenda 14, Nr. 23. '=) Ebenda 14, Nr. 24. - ®) Vogel 292; Schliepli. 1, 132 nach Spiess, Aufklärungen i. d. Gesch. u. Diploniatik 221. ') Rheiiig. Alt. 568 ff. 'J Beschr. 203 f. u. 291 f. ■') 1, 131. '") Försteiuann 1. 80, 779 u. 81, 776. ") Würdtwcin, Dioec. mog. 1, 477; Gudenus, Cod. dipl. 1, 55; ebenda 1, 63; Würdtwein a.a.O. 1, 335. '-) Gudenus 1, 79; Act. Pal. .3, 184; Sauer 1, 109; Gudenus 1, 82; Joannis, Reruni mogunt. 2, 582; Gudenus 1, 93, 99, 104. In

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comos de Nucnburc" vor, der im gleielicn Jahre an anderer Stelle „Enibrico de Novo Castro" heisst.*) Endlich bietet sich uns die folgende Reihe der Iciningi- schea Grafen dieses Namens dar: 1128 „Emercho" und „Emicho", 1140 und 1143 ^Emicho". 1144 „Emmecho", 1151 ^Embicho", 1156 „Emmericho^ 1160 ^Embricho" und „Emecho", 11153 .,Emicho", IKiT „Embrico", 1170 „Emicho", 1173 ^Embrioho^ 1197 „Embecho", 1198 „Embecho".^) Aus dem 11. Jahr- hundert tritt urs nur einmal der Name „Embricho" in der leiningischen Familie euto-eo-en und auch dieser wird uns erst in einer Urkunde von 1128 bekannt, in welcher ^Embricho Augustensis episcopus", genannt und dieser in der An- merkung von Gudenus als „antehac praep. ^logunt., comes de Leiningen" bezeichnet wird. ^) Er wurde 1064 zum Bischof von Augsburg erwählt und starb in dieser Würde 1077.'*) Ausserdem soll nicht vergessen sein, dass das nassauische Dorf Emmershausen, das sonst als Emmerichshausen und Heimershausen vor- kommt, 1710 Emekhausen genannt wird.'')

Warum wir uns mit dieser Zusammenstellung aufhalten mussten, hat sich dem Einsichtigen wohl schon sofort ergeben. Es gilt uns, den sicheren Unter- bau für die bis dahin noch nicht versuchte Annahme zu gewinnen, dass Graf Embricho seinen Namen von dem Vater seiner Mutter trage, und dass diese eine Tochter des oben besprocheneu Grafen Ymico sein müsse. Von diesem selber aber nehmen wir an, dass er einer der Ahnen des leiningischen Hauses war. Hat man nämlich schon längst mit Hecht dafür gehalten, dass der mit einer Schenkung von Wald „in Linunga marca" an das Klostei* Lorsch am 23. Juni 779 auftretende Amicho der Stammvater dieses Hauses sei''') und wird man billigerweise in einer in Egratesheim ausgestellten, eine Schenkung an Fulda in Tienenheim und Talaheim im Wnrmsgau betreffenden Urkunde

letzterer Urkunde lesen freilich Schliepli. 1, 199 und Sauer 1, 128 nach der Urschrift im königlichen Statsarchive zu Wiesbaden: .,Emecho".

>) Gudenus 1, 177 u. 182. ^) Sauer 1, 106; Gudenus 1, 79; Sauer 1, 135, 14U; Joannis, Rer. mog. 2, 586; Sauer 1, 145; Mart. Kremer, Geneal. Gesch. d. alten ardcn- nischen Geschlechts 2, 248; v. Hontheira, Hist. trev. 1, 589; Gudenus 1, 404 f., 1, 248; Krenier ebenda 2,245; Gudenus 1, 256, 259; Joannis 2, 590; Kremer 2, 213; Schan- nat, Hist. episc. Worm. 1, 13. ^) Cod. dipl. 1, 78. *) Joannis 2, 212; Brinkmeier, Geneal. Gesch. des erlauchten Hauses Leiningen. Braunschw. 1890. 1, 10 macht ihn wunder- lidierweise zum Bischof von Würzburg trotz der von ihm selber aufgeführten Bezeichnung „augustensis- und verwechselt ihn offenbar mit dem Bischof Embricho von Würzburg (1125 liis 1146). der nach den einen ein Graf von Leiningen, nach den anderen ein Herr von Espcn- feld %var, .welche letztere Meynung auch wahrscheinlicher ist", wie Chr. Ferd. Scabinus, Kolationes dipl. hi.st. de fratribus domus Kiliani oder kurzgefasste histor. Nachricht von denen Domherren des Hochstifts Würtzburg. Leipzig 1741, 20 meint. *) Vogel, Topogr. 265, Beschr. 857; Kehrein, Namenb. 1, 191. Von Herrn Professor Otto darauf aufmerksam ge- macht, trageu wir an dieser Stelle zu unserer Genugthuung nach, dass K. G. Andresen, Die aittloutschen Personennamen in ihrer Entwickelung und Erscheinung als heutige Geschlechts- namen. Mainz 1873. 60, Imico, Emicho, Immich, Emich, Emmich ebenfalls als Koseform, aber von Ermanricli, Ermrich, Emrich, Emerich, Emmerich fasst und diesen Xamen in seinem ersten Teil von Irmin ableitet. Leider hat er seine Abweichung von Eörstemann nicht begründet und lil.sst, wie dieser, neben der spracliwissenschaftliclien die geschichtliche Begründung ver- missen, die der Name desselben Mannes oder desselben Hauses in seiner Wandlung bietet. "J Cod. laur. 2, 168, Nr. 1287.

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vorn 20. April 825 den dort unter den Zeugen genannten Emiclio für einen Nachkommen desselben ansehen dürfen'), so geht man auch nicht fehl, wenn man, wie dies schon Croliius^) gethau hat, annimmt, dass jener Vasall des Grafen oder Herzogs Konrad, „nomine Emicho", der am HO. Mai 940 von dem Abte Hadamar in. Fulda tauschweise Güter zu lloregheim im Wormsgau und zu Ingclnlieim gegen andere zu Alehesheini im selben Wormsgau erhielt''), wiederum ein Nachkomme des oben genannten Emicho gewesen sei, da „Ilcn-ch- heim ohnweit Worms und Aisheim, woselbst eine dem h. Bonifacius gewidmete Kirche ist, ohnweit Guntersblum liegt." Dass dieser aber der Vorg.änger des 20 Jahre später erscheinenden, gleichnamigen Grafen war, von dem wir oben handelten, geht mit höchster Wahrscheinlichkeit aus dem Umstand hervor, dass letzterer in demselben Nahegau seit 960 Gaugrafenrechte ausübt, indem der hinterlassene Sohn des 955 gefallenen Herzogs Konrad, Otto von Worms, 956 als achtjähriger Graf urkundlich genannt wird^); derselbe, der von 978 an als Herzog von Käruthen und dabei Graf im Worms-, Speier-, Kraich- u. Elsenz- gau und ausserdem als Markgraf von Verona vorkommt.'') Wir lassen es dahin gestellt sein, ob damit eine Vasallenschaft Emicho's im Grafentum unter dem Herzog Otto ausgesprochen ist, wie dies Cr oll ins, dem wir die vorstehenden Angaben entnehmen, zu gunsteu seines „ducatus Francia Rhenensis" und nach ihm Lamey behaupten.*') Jedenfalls scheint eine nähere Beziehung zwischen beiden vom Vater Konrad her unverkennbar. Nun ist ja freilich wahr, dass die nahegauischen Grafen Emich im 11. Jahrhundert dem wildgräflichen Hause entstammen, während die gleichnamigen des Wormsgaues dem Hause Leiningen angehiU'en. Aber gerade die Gleichnamigkeit gebietet, die letzteren als Namen- geber anzusehen, da sie die ältesten sind und Nahe- und Wormsgau lange eins waren. Ausserdem nennt Bischof Fridrich I. von Worms aus dem Hause der von den Wildgrafeu abgezweigten Raugrafen in einer Urkunde von 1281 die Grafen Fridrich und Emich von Leiniugen ausdrücklich seine „consanguinei."^) Es ist demnach anzunehmen, dass ein Leiniuger eine uahegauische Erbtochter heimgeführt und der wildgräflicheu Familie den Namen Emich vererbt habe, wenn wir schon mit dieser Annahme unseres Wissens die ersten sind.

Konmien wir aber auf unsere Vermutung, dass der königssunderaische Graf Embricho ein Enkel mütterlicherseits jenes von uns dem leiniugischen Hause zugezählten Emicho vom Nahogau sein müsse, zurück, so sehen wir uns nun veranlasst, sie durch eine ungleich gewagtere zu vermehren, die uns das seitherige Unvermögen; die Herkunft des laurcnburg'schen Besitzes in der Hand der Grafen des Königsgaues zu erklären, aufzwingt. Schliepliake berichtet, leider ohne urkundliche Belege beizufügen : „Das Haus Leiningen hatte Be-

*) Schannat 153, Nr. 380; Droiike 202, Nr. 459. Bemerkenswerterweise wird in demselben Teinenlieim ein Embricho als einer der Anlieger an einem "Weinberge genannt, der um 803 mit anderen Gütern an anderen Orten an Fulda verschenkt wurde. Scliannat 39, 77 mit falsclier Jahreszalil 786; Üronke 108, Nv. 198. -) Act. Pal. 2, 252. - ^) Scliannat 235, Nr. 573; D renke 316, Nr. 683. ',) Schannat, Hist. episc. Worni. 2, 20, Nr. 23, vgl. Act. Pal. 3, 416, 5, 168. ^) Act. Pal. 3, 417 f. '') Ebenda 5, 16^. ') Schannat, Hist. episc. Worm. 47, vgl. 382.

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sitzuugeu iu der Grafsoliaft Dietz, in Yilmar, Ilatiamar, Creuch."') Wie nun, wenn wir diese uiederlalingräHiche Begütenmg mit dem nahen Laureuburg ver- mehrt und letzteres als Mitgift der Tochter Emicho's an ihren von uns ange- nommenen Gemahl Trutwiu I. übergegangen denken? In diese Zeit nämlich muss die Erwerbung Laureuburgs für das Trutwin'sche Haus erfolgt sein, dazu drängt der zuerst 1003 bezeugte Besitz, und haben wir uns in der llcrleitung des Namens Embrielio aus dorn Hause Leiningen nicht geirrt, so muss diesem der frühere Besitz zugeschrieben werden, wenn wir uns nicht entschlicssen wollen, Trutwin 1. in einer früheren Ehe mit der Tochter eines niederlahn- gau'schen Grafen vermählt gewesen anzunehmen. Das aber ist unmöglich, da die Schwester Embricho's, also die Tocliter Trutwins L, Richildis, mit dem niederlahugauischeu Grafen Wigger vermählt war, wie dies der Eintrag in das bleidenstater Schenkregister unter dem Jahre 1044 erw^eist, wo sie unter der Zeugenschaft ihres Bruders Embricho, „hobam in Neisse pro anniversario mariti sui", desselben, der ebendort als Graf Wigger eine „curia" für I8V2 Mark an dasselbe Kloster unter der Berechtigung des Rückkaufs versetzt hatte, schenkt.^) Nun hat zwar Vogel diesen Wigger mit seinem vermutlichen Bruder Arnold zum Grafen vom Einrieb machen wollen, indem er behauptete, dass die Urkunde über die Schenkung des Bischofs Azecho von Worms betreffs seines Praediums „Nassouva" an den Altar der hh. Hippolytus und Nicomedes iu Worms es vcr- seheu habe mit dem Zusatz: „situm in pago Loganehe in comitatu Wiggeri et Arnoldi comitum." Es müsse vielmehr heissen: „in pago Einrieb", da Berg- nassau „niemals zum Lahngau" gehört habe.^) Aber die dort geschenkten -XL mausi" begriffen nicht bloss Bergnassau, sondern auch das gegenüber- liegende Nassau in sich. Dies geht ausdrücklich aus dem bekannten Tausch- vertrag zwischen Worms und Trier vom Jahre 1159 hervor, wo es heisst: „iam dictum predium Nassove quod situm iu pago Logenc XL mansos continet a longo retractis temporibus libera donatione felicis memorie acechonis."'^) Wigger

'j 1, 402 Anui. -) Will, Mon. Bl 14, Nr. 19, 31. ^) Beschr. 198; Schannat, llist. episc. Worm. prob. 51; Kremer, Orig. Nass. 2, 110. *) Schliepb. 1, 200. Man künntc sagen, diese Stelle der Urkunde sei derjenigen Azecho's entnommen und daher fehler- haft, wie diese. Aber abgesehen davon, dass seinerzeit schon Azecho wohl gewusst haben muss, was er schrieb, so stimmt sie weder auf den Buchstaben, noch ist anzunehmen, dass man einen so viel umstrittenen Besitz bezüglich seiner Lage nicht ganz genau festgestellt habe. Dazu würde das „situm in pago Logene" im 10. Jahrhundert ein Fehler gewesen sein. Denn als Künig Konrad I. seine „curtem Nassowa'" am 9. Aug. 915 an Worms schenkt, bo- schrieb er ilire Lage mit den Worten: „in iitrorjuc latere fluminis Logene in duobus illis comitutibus Sconenberg et Marvels", Kremer, Orig. Xass. 2, 50. Damals also gehörte die jetzige Stadt Nassau in den Engersgau mit dem Gaumal Sconenberg. Im 11. und 12. Jahr- hundert dagegen erscheint sie im Lahngau, wie die obigen Urkunden beweisen und Schliep- iiake 1, 184 demgemilss richtig bemerkt: .,1m Anfang des II. Jahrhunderts erscheint der P^ngorfigaii mit dem Niedorlahngau unter einem tlrafen". Er widerspricht sich aber selber, wenn er bezüglich des in der Azecho'schen Urkunde gebrauchten Ausdrucks vom Lahngau behauptet: ^dass der Name Lahngau in diesem weiteren Verstände benaclibartc, am Lahnfluss belegene Landsciiaftcn einschliessend, genommen wird, kommt verschiedentlich vor, vgl. unten 8. 191.- Denn niclit nur, dass er S. 191 nur ein Beispiel beibringt, so ist dieses gerade das- jenige der Urkunde von 1159, das Einriih und Engersgau im Niederlahngnu aufgehen lässt, von deren beiden letzteren er die Einheit seit Aniung des II. Jahrhunderts meldet.

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und Arnuld waren also wirklich Grafen des Nicderlahngau'.s niil dem schon /u- gcrcchnctcn Einrich, letzterer offenbar für diesen Bergnassau enthaltenden Teil, ersterer für den übrigen Gau, in dem Nassau lag. Diese urkundliche Feststellung ergibt gleichzeitig die Hinfälligkeit der anderen Vermutung Vogels^), die Schlicp- hake''^) sich angeeignet hat, dass unser Trutwin I. -— der ihrige ist bekannt- lich der der „schönauer Rcimsage" in zweiter Ehe mit einer „Erbtochter aus dem Niederlahngau" vermählt gewesen sein solle. Dieser Ehe sei Embricho und seine Schwester Richildis entsprossen und beide hätten die „ansehnliche lahugauische Erbschaft" übernommen, während Trutwin II. aus erster Ehe an ihr unbeteiligt geblieben sei. Vogel und Schliephake suchten mit dieser Vermutung freilich nur dieselbe Brücke zwischen Laurenburg-Nassau und Dietz, die wir nachher benutzen werden. Au dieser Stelle aber ist sie unm()glicli, wenn man nicht verschiedene niederlahngauische Grafenhäuser annehmen will, indes selbst eine solche Annahme könnte beiden Forschern nicht einmal zu gute kommen, da ihre ganze Aufstellung von der irrigen Auffassung ausgeht, dass, wie alsbald klar zu stellen sein wird, Embricho mit seinem gleich- namigen Sohne dieselbe Person sei.

Dürften wir auf diese Weise unserer Vermutung über den Zusamnicnhang der Leininger mit den späteren Laureuburgern einiges Recht erstritten haben, so vermögen wir dieselbe vielleicht mit zwei anderen Thatsachen zu stützen. Die erste ist das oben gemeldete Auftreten des Grafen Imico in der Königssundara für die Jahre 970 und 975. Ist dieses nicht durch die Nachbarschaft des Nahe- gaues bedingt und als rein geschäftliche Reichshandlung aufzufassen, so liegt es doch wohl nahe, dasselbe auf einen letzten Willen des bis dahin erblich er- scheinenden letzten Besitzers der Grafschaft, Hatto VI., und diesen Willen auf eine nicht ungewöhnliche frühe Eheberedung mit Imico zurückzuführen, die zugleich die Erhaltung der Grafschaft für den minderjährigen Trutwin durch den künftigen Schwiegervater in sich schloss.

2. Azecho, Bischof von Worms, Sohn Trutwiiis 1.

Als zweite Thatsache bietet sich uns das Geschenk des Bischofs Azecho an den wormser Dom vom Jahre 1034 an. Scliannat hat, wie man weiss, diesen wormser Kirchenfürsten zu einem Nassauer gemacht, indem er im Beginn von dessen kurzer Lebensbeschreibung sagt: „Praeter eximias tum corporis tum animi dotes, quae avitae Nassoviorum stirpis, uude et ortum traxerat, quasi liereditaria erant decora, eum summopere commendabat eximiae prudentiae ac eruditionis laus."^) Es spricht für sich, dass eine solche Nachricht nicht aus gleichzeitigen Quellen stammen kann, da es noch kein uassauisches Haus zu der Zeit gab. Möglich also, dass Schannat sie bei einem Späteren gefunden hat. Am wahrscheinlichsten aber wird er ihr eigner Erfiuder zu nennen, und seine Quelle die Urkunde Azecho's sein. Denn er gibt dieser, offenbar verführt von ihrem „praedium quodcumque Nassouva", die Überschrift: „Ejusdem Aze-

') Beschr. 291 f. -') 1, 132. ') Ilist. episc. Worm. 335,

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clionis Episeopi charta, per (iiiam Praedium suum Gentilicium Nassova cou- fert ad Opus erecti a so altaris S. S. Hyppoliti et Nicomodis." Ist das so, dauu rauss seine Nachricht ftilsch genannt werden. Denn die Urkunde bezeichnet das Praedium ausdrücklich als ein „proprio labore meo libera manu acquisitum." Gleichwohl dürfte Schanuat wider sich selbst Recht haben. Man weiss, welch ein Kampf um dies Praedium im Jahre 1159 zum Austrag kam. Der Kampf hatte es zwar nur mit dem den geschenkten 40 Mausen Azecho's gegenüberliegen- den ^castrura Xassauue" zu thun, und in der Urkunde, in welcher das Domstift Worms seine Ansprüche auf Weiler und Berg Nassau an Erzbischof Ilillin von Trier gegen Güter in Partenheim abtritt, wird ausdrücklich zwischen „castrum de Nassove" und der „curia adjacens" unterschieden, die im weiteren Verlauf allein auf die „libera donatio" Azecho's zurückgeführt wird.^) Die diesen Tausch- vertrag bestätigende Urkunde des Bischofs Kunrad von Worms nennt dagegen nur das „predium eorum (der Domherren) de Nassove, tarn castrum quam eu- riam adjacentem XL mansos continentem."^) Und diese Einheit hält der hier- nach folgende Lehensvertrag zwischen Ilillin und den Laurenburgeru aus dem gleichen Jahre 1159 um so mehr fest, als letzterer nicht nur unter Mitwirkung der die Sachlage aus der Nähe kennenden Laurenburger zu stände kam, son- dern auch die Schenkungsurkunde von 1034 der gleichen Sachlage entspricht, indem sie das ganze Gut in dem oben gekennzeichneten „comitatu Wiggeri et Aruoldi comitum" liegen lässt.^) Wenn nun in dem gedachten Lehensvertrag bemerkt wird, dass die Laurenburger „in eodem Castro se aliquid proprietatis habere", so kann sich dies doch unmöglich auf die von ihnen erbaute Burg beziehen wollen, die ohnedies ihr eigen war und von den Wormsern, weil auf ihrem angeblichen Boden erbaut, eigenmächtig in Anspruch genommen wurde, sondern es muss eben den Boden der Burg bedeuten, den „mons" des Lehens- vertrags. Beanspruchen sie den aber als altes Eigentum, so scheint klar, dass es der ererbte Grundstock war, um den Azecho „mit seiner Mühe und seiner freien Iland" das Übrige hinzuerworbeu hatte. Nach dem alten Satze: „deno- minatio lit a potiori" hatte er alsdann das Ganze eigene Erwerbung genannt, weil der Ilauptteil es wirklich war. Was kann uns also hindern, Azecho einen weiteren Sohn Trutwin's I. zu nennen, zumal er auch den Jahren nach er stirbt 1044'*) als Zeitgenosse der übrigen Kinder desselben: Trutwin, Em- Ijiicho, Kichildis, gelten darf.^) Und wer kann uns hindern, seine Erhebung auf den wormser Bischofsstuhl im Jahre 1025 der Mitwirkung der Worms nahen loiningischen Verwantscluil't zuzuschreiben, nächst der Gunst des Kaisers Kon- rad IL. zu dessen und seiner Familie, wie der früheren wormser Bischöfe und

') Schlieph. 1, 200. '^) Ebenda 1, 202. ■") Ebenda 1, 104. ') Schannat, Hist. CJH8C. Worm. 336. '} Selbst der Narac könnte dies gestatten, sofern Azeclio, der auch in der Form Hazccho erscheint, als die Verkleinerungsform von Hatte in Betracht gezogen wer- den darf, l-'reilich biotot einmal eine gallo-fränkisclic Quelle aus dem Jahre 673 Chadichus, aber nicht nur, das« dieser Name sonst als Eticho sich findet, Eürsteniann, Altd. namenbuch 1, 642, und Athacho auch nur dem 8. Jahrhundert gehurt, ebenda 132, so scheint die spätere Zeit den Umlaut des t in z zu begünstigen; denn Azacho, Azecho, Azeko, Eziko, ebenda 191, ge- hören dem 10. und 11. Jahrhundert, ebenso Hezecho, Hazeco, Hezich, ebenda 650.

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seinem eigenen Seelonheile er die ganze reiche Stiftung machte? Ist doch selbst dieser Konrad der Urenkel jenes Kourad und Enkel jenes Otto, denen die Loi- ninger ihre Naliegaugrafschaft verdankten, und letzterer bei dem Vorgänger Azecho's Burkard auferzogen. \)

Kehren wir aber noch einmal zu den Ansprüchen der späteren Lauren- burger auf den Berg Nassau zurück, so glauben wir aus der Urkunde Azecho's erschliessen zu dürfen, dass die ganze Schenkung aus Abwendung von der eieenen Familie ffeschehen ist. Wir sehen andere Kirchenfürsten bei solchen und so bedeutenden Stiftungen für ein Seelengedächtnis ihre Verwanton in den Schutz der letzteren raiteinbegreifen.^) Dass Azecho das nicht tliat, setzt einen Brucli mit seiner Familie voraus. Und die Bedenkung des Kaisers, seiner (iomahlin Gisela und seines Sohnes Heinrich in erster Linie, mit denen keiner- lei Blutsverbindung vorlag, so sehr dies auch von Schannat vermutet"') wurde, scheint mit ziemlicher Sicherheit darauf hinzudeuten, dass der Bruch aus poli- tischen TJ runden erfolgt war, deutlicher zu reden, dass die laurenburg'schen Grafen Anhänger des Wahlmitbewerbers, des jüngeren Konrad, sein mochten. Wir finden deshalb auch, dass, als es sich am 30. Januar desselben Jahres 1034 darum handelte, dass die Besitzungen des Klosters Blcidenstat und dessen Zoll- freiheit auf Rhein und Main die kaiserliche Bestätigung erfahren sollten, nicht der Blutsverwante der königsgau-laurenburg'scheu Vögte des Klosters, Azecho, sondern der Erzbischof Bardo mit der kaiserlichen Gemahlin die Antragsteller waren. '^) Die späteren Laurenburger, geleitet von der Familienüberlieferung, beanspruchten also deutlich ein ihnen wider den Familienwillen entfremdetes Erbstück, und dass sie darin Recht hatten, scheint unzweideutig aus dem so geflissentlich betonten „proprio labore meo libera manu acquisitum" von 1034, wie aus der ebenfalls nicht müssigen „libera donatione felicis memorie Acechonis quoudam episcopi nostri" von 1159 hervorzugehen. Die Freiheit war eine im Gegensatz zum Familienwillen genommene und durch die grössere eigene Er- werbung beschönigte.^) Der Familienbesitz auf dem Berge Nassau aber bestätigt unsere Ajuiahme von der damaligen Begüterung der königsgauer Grafen im Niederlahugau.

3. Einbriclio T. und TT. im Niederlulnigau iiiid in Dielz. Vd'want.selinrt

mit den Kheingral'en.

Nehmen wir nunmehr den bei Embricho stille gestellten Gang unserer Untersuchung wieder auf, so geschieht es zunächst, um uns noch einer weiteren Familienverbindung seines Hauses zu versichern, die bis dahin mit unzureicliender Kraft vermutet wurde. Wir meinen die mit den Grafen von Dietz. ]\Ian hat mit Recht angenommen, dass Graf Embricho der Ahnherr dieser Grafen sei,

') Wippo, vita Conradi p. 425 und Monachns Kirsohgarteusis in cliron. Wonn. c. 2."), p. 68. '-) S. unten Anm. 6, S. 36, z. B. die Stiftung des Erzbiscliofs Sigfrid. =') Hist. opisc. Worm. H:i'). ') Will, Mon. Bl. 2^, Nr. 4. 'j Hiorniit dürfte der Einwand Scinnidt- Steiners, Annal. 3, 15, 120 u. 138 gegen die Abstaniniuiig Azecho's aus lauronburg'seliem Hause erledigt sein, da er sieh lediglich auf das „proprio lahore" etc. der Urkunde stützt.

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aber zu rnreclit hat man ihn, wie oben bemerkt, mit seinem gleiclmamigen Sohne verwechselt.

Unser Graf Embricho, Solui Trutwin's I., hat folgende Spuren seines Lebens in den uns überkommenen T'rkuuden hinterlassen. Von seiner Zustim- iining zum Versatz der .curia in Gisenheim" und des ,uaulum in ^Yaldaffa" durch Trutwin II. im J liiri" 1019, ebenso von seiner eigenen Verpfändung eines Mansus iu Ilu.sen in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin Adelindis im Jahre 1034 war bereits die Rede. Es ist aber nun am Platze, gerade die letzte einer näheren Betrachtung zu unterziehen, da sie uns, wenn wir uns nicht täuschen, wichtige EnthüUuno^eu zu machen hat. Besehen wir uns nämlich den vollen ^Vortlaut des bleidenstater Eintrags darüber genauer, so stellt sich das bereits üben vorgeführte Nacheinander von Einzelhandluugen dar, das erst im Jahre 1034 seinen Abschluss gefunden haben kann.') Die Verpfändung liegt offenbar vor dem gedachten Jahre und diente deutlich zur Bestreitung einer Rüstung für den Krieo". In diesem Kriege geriet Embricho in Gefangenschaft oder, wenn die Bodmann'öche Lesart-) „in egestate" richtig sein sollte, in Geldnot, zu deren Hebung weitere 6 Mark gereicht wurden. Als die eine oder andere aufhörte, war er erst im stände, den Bitten des Bruders nachzugeben und das verpfändete Jjierentum, vermutlich ebenso, wie es seine Scli wester 1044 mit dem Hofe in Neisse that, an Bleidenstat zu schenken. Damit war das ganze Geschäft vollendet, und nun erst geschah der Eintrag 1034. Wir sind aber auch wohl im stände, das Anfangsjahr des Geschäfts zu bestimmen. Erinnern wir uns, dass Graf Wig- ger seinen Hof in Neisse 1032 an Bleidenstat für 18^ '2 Mark, also für nur IV2 Mark mehr als sein Schwager Embricho verpfändete, so scheint es doch in die Augen zu springen, dass ihn der gleiche Zweck, wie den Schwager, hierzu be- wog, dieser also sich zur gleichen Zeit Geld verschaffte. Dass wir hierin das Richtige treffen, macht der zwischen den Wigger und Embricho betrefi'euden Angaben stehende Doppeleiutrag des bleidenstater „Registrums" klar, in dem „Hugo de Wissebad ", als er sich auf den Kriegs zug begab, 3 Mark für ein Jahresgedächtnis schenkt und für 12 Mark einen Weinberg in Wiesbaden hin- gibt.') Sehen wir uns nun in der gleichzeitigen Geschichte um, so finden wir, dass 1032 das Todesjahr des Königs Rudolf von Burgund war. Dieser hatte sein Reich Kaiser Konrad vermacht, aber wie ein im Jahre 1027 darauf hin- zielender Vertrag von Konrad's Stiefsohn, dem Herzog Ernst von Schwaben, der als ältester Sohn von Rudolfs Schwestertochter, der Kaiserin Gisela, ein näheres Recht auf Burgund zu haben glaubte, mit Waffengewalt angefochten wurde, so war es im Jahre 1032 der Sohn der Schwester Bertha desselben Königs, Graf ^)tto von Champagne, der seine Ansprüche mit gewappneter Hand

') _A. tloni. M.XXXIHI. cxposuit Embricho comes cum consensu uxoris sue Adelindis ninnKum in Ilusen jiro XVII marcis, et quanto [quando] fuit in captivitate recepit iterum VI niarcas, et manKum rogatu fratris sui Drutwini nobis dimisit.'* Diniittere ist hier in der spii- tfron Bcdeiitun? donarc /u nohmon. Vgl. Du Cangc-Henschel 2, 861'. ') Rheing. Alt. IIG, 0., 574; Vogel, Bcschr. 291, 6. ~ •) Will, Mon. Bl. 14, Nr. 21, 22: „Mortuo Ilerberdo dfdit Mobi« Hugo de Wi.ssoliad, qunndo in cxpod i tiono ni ivit niarcas 111 pro annivor.sario. Kzzü dedit eidem llugoni XII niurcas et iste dedit nobis viueani in Wissebad."

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geltend machte. Gestatteten wir uns nun schon vorliin die königsgau-lauren- burger Grafen in den Reihen der der Wahl Konrads Abgüustigen zu suchen, so ist es jetzt wohl nicht zu kühn, sie als Bundesgenossen Otto's zu vermuten. Die Besitzergreifung Burgund's durch Kaiser Konrad im Jahre 1033 und die dabei erfolgende Ih-echung der gegnerischen Burgen mochte leicht die Gefangen- schaft Enibricho's, der dann die Auslösung folgte, bringen. Irren wir nicht in dieser Vernuitung, so haben wir darin, nebenbei gesagt, eine licstätigung für unsere Annahme, dass Azecho abseits der Familie sein Soolengedäclitnis

für Kaiser Konrad 1034 stiftete.

Was wir weiter von Embricho wissen, ist zunächst seine gleichfalls I)oreits gomoldete Zeugenschaft im Jahre 1044 bei der Stiftung des Seelengedächtnisses für Wigger, dessen Tod im gleichen Jahre oder nicht lange zuvor damit bezeugt wird. Hierauf begegnet er abermals als Zeuge 1048 bei der Gelegenheit, wo eine „domina Blitrudis" ihren Hof in Lalmstein unter dem Vorbehalt des liückerwerbs innerhalb zweier Jahre für 25 Mark an Bleidenstat verpfändet.') Als Mitzeugen werden von ihm aufgeführt: „Arnold comes, Gerlach comes". Arnold kennen wir bereits, und die erste Stelle zeichnet ihn augenscheinlich als Gaugrafen für den Einrieb. Aber wer ist Gerlach? Niemand gibt Auskunft. So wagen wir die Vermutung: er ist der im Amte Wiggers nachrückende Bruder und mit diesem und Arnold ein Sohn des niederlahngau'schcn Grafen Gerlach, der, wie Wenck-) darthut, in Urkunden von 996 1008 vorkommt und ein Sohn des im Jahre 978 im Einrieb als Graf erscheinenden Hugo höchster Wahrscheinlichkeit nach sein wird, wie derselbe Gelehrte glaublich macht. ^) Dieser aber ist unverkennbar wiederum ein Sohn des 974 eben dort bezeugten Rodbertus."*) Nun kann ja Embricho in die Mitzeugenschaft der Brüder Arnold und Gerlach als Schwager Wiggers aufgenommen sein, wenn er nicht etwa vogteiliche Rechte dabei wahrnahm, was freilich, nach den sonstigen bleiden- stater Einträgen zu urteilen, nicht immer nötig gewesen zu sein scheint. Näher aber scheint es zu liegen, hier eine Familienangelegenheit gebucht zu sehen. Die in Lahnstein begüterte Blitrudis wird die verwitwete Schwester der Brüder Arnold und Gerlacli und Embricho ihrer aller Schwager sein. Das letztere Verhältnis werden wir ja alsbald näher würdigen. Deshalb hier nur unsere nackte Vermutung, dass Embricho's Gemahlin eine Schwester der domina l'li- trudis sein wird, und so die lahn- und königsgauischen Familien durch Kreuz- heirat verbunden erscheinen, da wir Richildis bereits als Embricho^s Schwester und Wiggers Witwe kennen gelernt haben.

Zum letztenmale erscheint Graf Embricho 1052. Es ist offenbar nach dem Tode aller seiner Geschwister und Schwäger. Er bezeugt an erster Stolle mit seinen nächsten jüngeren Verwanten : „Dudo et frater eins Udalrich", von denen nachher zu reden ist, die Stiftung einer „domina Hemma" für deren verstorbenen ungenannten Gemahl an das Kloster Bleidenstat. bestehend in einem Hofe zu Winkel. Ihr Bruder, Graf Ludwig, der hierzu sein Einverständ-

') NVill, iloii. IJl. 15, Nr. 39. -) llist. Abli. 1, 17 f. - 'J Ebenda 1.3. ■•) Sauer 1, 46, Nr. 95.

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nis bekundet, lugt noch einen Weinberg in Ibingen, nach seinem Ertrag auf drei Karrenhisten angeschhigen, hinzu. ^) Da Yogel-), wie bereits Schliephake^) nachgewiesen hat, unrichtig vermutet, dass Hemma die Witwe des oben ge- nannten Grafen Sigfrid sein möge, so empfiehlt es sich, mit letzterem anzu- nehmen, dass es die Witwe des Grafen Arnold gewesen sein werde, zumal wir dies durch die augeführte verwantschaftliche Beziehung Embricho's zu unter- stützen vermögen. Ludwig aber ist der Graf des Rhoingaues, der in Urkunden zwischen 1050 und 1078 erscheinf*), und den wir deshalb für einen sehr viel jüngeren Stiefbruder Ilemma's und Adelind's halten müssen.

Und nun erst sind wir im stände, unser längst gegebenes Versprechen betreffs der Yerwantschaft Embricho's mit den dietzischen Grafen ganz zu erfüllen. Denn nun gebietet uns die Zeitfolge von dem Embricho zu sprechen, den die Früheren mit dem jetzt besprochenen verwechseln, während wir iim als seinen Sohn anzusprechen haben, da zu dieser Zeit auch die üb- rigen verwanten Zeitgenossen Embricho's I. : Trutwin seit 1034, Wigger seit 1044, Gerlach seit 1048 und Arnold seit 1050 vom Schauplatz abgetreten sind und imr der soviel jüngere Rbeingraf Ludwig noch am Leben ist. Ausserdem tritt Embricho IL als lahugauischer Graf auf. Als solchen lernen wir ihn in der Urkunde König Ileinrich's IV. vom 27. Mai 1059 kennen, wo dieser „sex mansos, tres scilicet in villa Brechelebach, duas Sekaha, unam Westernaha, in pago autem Logenahe et in comitatu Imbrichonis comitis sitos ad altare S. Georgii Martiris in loco Lintpurc" schenkt.^) Desgleichen bestätigt derselbe König am 24. Februar 1062 die Schenkung seiner Mutter Agnes für das Seelen- heil seines Vaters, Kaiser Heinrich's III,, bestehend in je einem Mansus zu Iladerichesbach und Hildeshagen, an dasselbe Kloster. Die Orte liegen ebenso „in comitatu Embrichonis comitis et in pago Logeuahe"^) und wie Vogel richtig hervorhebt'), samt den bereits genannten „in den westervvälder Kirchspielen der Grafschaft Dietz". Am deutlichsten jedoch wird die von uns gewählte Be- zeichnung: „Embricho IL" durch eine Urkunde des Jahres 1073, in welcher der Kanoniker Wezzil vom S. Victorstift in Mainz „duos mansos apud villam Budenheim sitos a liberis hominibus comite Embrichoue et fratre suo de Di- desse et domino Wolfgango" kauft und an den Kreuzaltar seiner Kirche schenkt.'*) liier also hat Embricho einen Bruder, den schon die Bezeichnung „de Didcsse" von der Bruderschaft mit Embricho I. ausschliesst, wenn es nicht die so viel spätere Zeit thun sollte. Freilich, da man die Zeit schon bei Embricho nicht in Anschlag brachte, konnte es geschehen, dass VogeP) diesen ungenannten

') Will, Mon. Bl. 15, 44; Sauer 1, 55, Nr. 110, 44. - "") Boschr. 292. ") 1, 132 f. Im iihrigon irrt er, wenn er Arnold 1052 zum letztenniale vorkommen liisst. Voj^ol 199 hat ihn richtig lOöO zum let/.tenmale aus Kaiser Ileinriclis IIT. Urkinide vom I. April 1050 ver- zeielinet, in der dieser der Kirche des h. Swibert in Werda „vnam aream simul cum aedificiis et cum viia vinea in villa quae dicitur Cambo, situm et in comitatu Arnold i et in pago Enriche'' Kchenkt; Kremer, Orig. Nass. 2, 123; Lacomblet, Urkundenbuch 1, 113, Nr. 183; Sauer 1, C4, Nr. 122. ^ Bodmann, Rheing. Alt. 570 ff. •') Krem er, Orig. Nass. 2, 132 f. - *) Kbend» 2, 135 f. ") Boschr. 204. '') Oudonus. du], djpl. 1, 93R; Kr cm er, Orig. Xas». 2, 142 r. ") Hoschr. 204.

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Bruder von Dietz in dem Grafen Gotebold entdecken zu müssen meinte, der am 5. Aug. 1053 bei einer Schenkung des Kaisers Heinrich III. in Vilimar und andern diesem benachbarten Orten an die Abtei S. Mattheis in Trier als Graf des Lahngaues aufgeführt wird.^) Sein leider auch sonst allzu willfähriger Nach- folger Schliephake^) hat ihm zugestimmt. Und doch hatte lange zuvor schon Wenck geschrieben: „Ich w^ill mich zwar nicht darauf berufen, dass in dem Prozess, worin die Urkunde gebraucht worden, der Gegentheil sie für unächt erklärt, muss aber doch bei näherer Überlegung bekennen, dass mir dieser Godebold, dessen Namen den Rheinischen Gegenden so ganz und gar unbekannt, den Ilennebergern dagegen so eigenthümlich ist, als würklicher Graf des Nieder- Lohngaues verdächtig erscheint. Da man einmal, nach unserer obigen An- führung, weiss, dass zu gleicher Zeit ein Zweig des Ilennebergischen Geschlechts die Grafenwürde im Lobdengau und Ober-Rheingau im Besitz hatte, so mügte man die Vermuthung wohl weniger auffallend finden, dass etwa damals ein Herr aus dem nemlichen Geschlecht durch irgend eine unbekannte Ursache auf kurze Zeit in den Nieder-Lohngau eingekommen. War er etwa Vormund des Embricho von Dietz, der gleich 6 Jahre nach ihm als Gaugraf erscheint? In dem Speiergau kommt unterm Jahr 1114 ein Elsbertus Advocatus in vice Ege- nonis pueri Advocati vor^), führt also blos als Vormund des Egenonis pueri Advocati selbst den Titul eines Advocati: sollte nicht der nemliche Fall auch bei dem Godebold statt finden?" Da wir, ohne Wenck*) zuvor zu Rate ge- zogen zu haben, der gleichen Meinung waren, so kann die Übereinstimmung mit ihm nur unsere eigene Annahme bestärken, und wir verzichten um so lieber auf seinen in den „Histor. Abhandlungen "-'*) gemachten Zusatz: „Will man indessen diesen Godebold der Dietzischen Genealogie nicht nehmen lassen, so muss er der Zeit nach eher für einen älteren Bruder des Embricho von Dietz, als für seinen Vater gelten", als wir bereits den Tod sämtlicher in Betracht kom- menden Grafen des Niederlahngaus mit dem von gleichzeitigen Verwanten nachgewiesen haben. Godebold kann nur ein fremder Stellvertreter der 1058 noch minderjährigen dietzischen Brüder gewesen sein, einer von den vielen, die wir seither schon im Königsgaue kennen zu lernen hatten und die, wie Bodmann^) richtig bemerkt, „die Reihe der ächten Gaugrafen und ihre Genea- logien gewöhnlich verdunkeln."

Wir wollen aber nicht die den Anlass zu dieser Auseinandersetzung gebende Urkunde von 1073 verlassen, ohne den in ihr genannten Ort Baden- heim, das heutige Bodenheim, eines näheren Blickes gewürdigt zu haben. In den früheren Zeiten wurde es nach den lorscher und fulder Urkunden in den Wormsgau gerechnet'), und wenn es auch nachher zum Nahegau zählte, so gehörte es doch immer einem Gaue an, in dem die Leininger begütert waren. Sollte uns das nicht 'zur Stütze unserer Annahme von der verwantschaftlichen

1) Y. Hontheim, Ilist. trev. 1, 394; Kremer, Orig. Nass. 2, 130 f.; Beyer, Mittol- rhein. Urkundenbuch 1, 395, Nr. 346, 2, 654, Nr. 382; Browor, Aniial. trevir. 1, 531 f.; Goerz, Mittelrh. Reg. 1, 384, Nr. 1354. -) 1, 131. ^} Act. Pal. 3, 429, Note 5. ') Hess. Landesgesch. 1, 536, Anin. li. •') 1, 34 f. ") Rheing. AU. G03, a. ') Act. Pal. 1, 267.

Annale n, Bii. XXVI. 3

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Yerbiuduui,' letzterer mit deu künigsgaucr Grafen die Yermutuug gcstatteD, dass liier die Veräusserimg eiues von Leiuingen ererbteu Gutes vorläge, das um so mehr auf das väterliche Teil Enibricho's I. kommen mochte, als dieser durch seine von uns vermutete lahngauische Yermählung nur stiller Teilhaber an dem nicht veräusserungsfähigen königsgauer Ilausvermögen sein konnte, wie z. B. an Laurenburg, wenn wir der unbelegten Aussage v. Arnoldi's^) hier- über Glauben schenken dürfen?

Eine Teilung des Xiederlahngaus zwischen Embricho IL und seinem un- genannten IJruder von Dietz, bei der ersterer den westerwälder, letzterer den Teil an der Lahn erhalten hätte, anzunehmen hat zwar VogeP) versucht, wie nach ihm Schliephake.^) Wir sehen uns aber nicht genötigt, ihnen zu folgen. Denn von den hierbei geltend gemachten zwei Landgerichten der Grafschaft Dietz zu Reckenforst und Winden, ist das letztere erst aus dem 13. Jahrhundert bezeugt.'*) Ausserdem war der Graf nicht an eine Gerichtsstätte im Gaue ge- bunden.^)

Berichten wir deshalb nur noch, dass Graf Embricho IL uns zum letzten- male 107(3 als Zeuge bei der Stiftung begegnet, die Graf Trutwin für Begräb- nis und Seelengedächtnis seines Vaters Tuto durch Schenkung von 6 Mark aus den Einkünften in Kloppenheim und mit Wald und Feld bei Bleidenstat an dieses macht.^) Sein Name steht unmittelbar hinter dem des Bruders Trut- win's, Tuto, als der eines nächsten Vetters und hinter ihm der des uns bekann- ten Grafen Ludwig I. „cum filiis suis", nämlich Rieholf und Ludwig IL, wie uns Bodraann belehrt.^) Nahmen wir früher an, dass Ludwig I. ein Schwager des Grafen Arnold sei, so werden wir ihn einen angeheirateten Oheim Eni- bricho's IL nennen müssen und dürfen weiter nebenbei vermuten, dass dieser zugleich Mitschwiegervater Ludwig's IL sein müsse. Denn Ludwig IL hat einen Embricho zum Sohn und dieser Name ist von da an erblich in der Rhein - grafenfamilie. Wir verbessern damit Bodmann^), der offenbar von diesem Erbnamen ausgehend, Embricho, wie früher bemerkt, zum Stammvater der Rhein- grafen machen wollte. Die Herkunft Ludwig's I. bleibt freilich im Dunkeln.

4. Erlieiratuiig von Eppsteiii-Tdsteiii.

a. Graf Sigfrid von Nürings.

Nachdem wir so den Anschluss der dietzischen Grafen an die königs- gauischen wahrscheinlich zu machen gesucht haben, kehren wir zu diesen zurück, denen wir bereits um zwei Glieder vorangeeilt sind, aber freilich um abermals einen Anschluss zu besprechen, den der Eppstein-Idsteiner an sie, den man bis dahin vergeblich gesucht hat.

') Gesch. der Oranien-Nassauisclien Länder 1, 20. *) Besclir. 204. ') 1, 1.31. *) "Vogel, Besclir. 204, Anm. 5. ^) Waitz, Verfassungsgescli. 4, 312: „Die gewöhnlichen Oerichtf des Grafen haben auch in dieser Zeit an verscliiedenon Stätten innerhalb seines Gaues stattgefunden, wahrscheinlich da, wo von jeher die Hunderten sich versammelten." '^) Will, Mon. lil. l'> f., Nr. 53; Sauer 1, 55, Nr. HO, 53. '; Kheing. Altert. 571 f. ") Rheing. Altert. 570 f.; Vogel, Beschr. 229 f.

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Wir brachen oben bei Trutwin IL ab, von dem wir festgestellt hatten, lass er zwischen 1034 und 1040 gestorben sein müsse, da wir 1040 einen iigfrid als Grafen des Königsgaues trafen. Von diesem nun nimmt Vogel m, dass er ein Nachkomme seines „Drutwin IIL", unseres Trutwin II. und ler Vater des mainzer Erzbischofs Sigfrid I. (1059 1084) gewesen sei, den ;uerst Bruschius einen „baro de Eppenstein", Dieffenbach in einem hand- ciiriftlichen Kataloge einen „comitem de Eppenstein" nennt und den Fr. Cor- lelius in seinem „lireviarium fuldense" ebenfalls von den Eppsteinern stam- nen lässt^), wie auch, fügen wir hinzu, Brower von seiner eppsteiner Abkunft pricht.^)

So verlockend aber auch eine solche Annahme erscheint und so sehr ihr Jchliephake^) seine vorsichtige Unterstützung geliehen hat, so wenig besteht ,ie vor einer näheren Beleuchtung. Die bereits oben gestreifte Urkunde vom I. März 1040^) besagt allerdings, dass Sigfrid Graf der Königssundara war, als vaiser Heinrich III. die Schenkung Otto's III. in Scerdistein an das Hochstift n Augsburg bestätigt. Und Schliephake zieht mit Recht noch die Urkunde -om 4. April 1057 heran, in der offenbar derselbe Graf Sigfrid den Rechts- ipruch König Heinrich's IV. und der Fürsten mitbezeugen hilft, dass der ,miles" des Erzbischofs Luitpold von Mainz, Udalrich, zum dreifachen Schaden- srsatz für das angehalten worden sei, was er sich widerrechtlich von der Be- litzung des St. Michaelsklosters zu Bamberg in demselben Schierstein angeeignet latte, nachdem er 1052, damals unter Entschädigung, zur Verzichtleistung auf seine Ansprüche genötigt worden war.-^) Aber nicht nur, dass in dem zuletzt genannten Zeugnis von einem königsgauer Grafentum Sigfrids nicht mehr die Rede ist, so verbietet sich auch nach 1040 ein solches Amt dadurch, dass, wie )ben dargethan, Embricho 1052 als comes den Brüdern Tuto und Udalrich /oransteht, demnach als Gaugraf betrachtet sein muss. Dass er 1040 nicht iuch als solcher auftritt, mag sich daraus leicht erklären, dass er damals im Feldzug gegen die Böhmen die königsgauer Mannschaft führte. Denn ihn dort- n"n mitzunehmen und in der Heimat ihm einen Stellvertreter in der Person Bigfrid's zu bestellen, wird König Heinrich HI. um so angemessener erschienen sein, als Embricho dessen Vater nach unserer früheren Annahme Schwierig- keiten bereitet hatte. Freilich könnte sich die Sache auch so verhalten haben, lass Trutwin IL mit dem Bruder Embricho und ihrer beiden Vetter Tuto IL in den Krieg gezogen wären und der erste und letzte dort ihren Tod gefunden lütten.'^)

Aber auch die eppsteiner Abstammung Sigfrid's zerfällt vor der Erwägung, lass für's erste die Eppsteiner als solche . niemals Grafen gewesen sind, sondern

^) Joannis, Rer. mog. 1, 496. ^j FuUlensium antiquit. libr. IIIL Antwerpen 1G12. rS: .,Eppensteiniorum illustri sanguine." ^) 1, 132 u. 136. •*) Siehe Anni. 6, S. 23. ') Schannat, Vindem. litor. 1, 43 im Auszug; Schlieph. 1, 132, 134; Vogel, Besclir. 293; ßühmer, Regesta 85, Nr. 1793; Will, Regesten 1, 179, Nr. 17. ■*) Die Nachricht des Hermannus contractus in seiner Chronik zum Jahre 1040 würde dies glaublich machen: .,Hen- ricus rex duceni Bo<"miae hello petit, sed multis proccribus et militibus in praestructione sylvae jitra et ultra oooisis vel oaptis nil dignuni cfficere potuit.** Struvc, Rer. ijerni. !<cri])t. 1. 281.

3*

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einfache doniini, und für's zweite, was schwerer wiegt, dass der Name Sigfrid bei ihnen erst vom 13. Jahrhundert au und auch da nur in den drei Trägern: Sigfrid II., Erzbischüfe von Mainz (1201—1230), Sigfrid III., seinem Nachfolger (1230—1240) und Sigfrid, Herrn zu Eppstein (1283— 131G) vorkommt. Der hier in Rede stehende Graf Sigfrid ist vielmehr dem benachbarten Niddagaue zuzuweisen und deuthch ein Graf von Nürings, wie der Stammbaum schon bei Bodmann darthut.') Letzterer hat seine Aufstellung freilich nicht urkundlich belegt, auch scheint sie nicht von willkürlichen Annahmen frei. Gleichwohl stimmt in ihr das für Sigfrid angesetzte Jahr 1057, ausserdem können wir das Geschlecht derer von Nürings, in dem der Name Berthold vorwiegt, wenigstens 1081 im Niddagaue nachweisen. Denn in diesem Jahre beurkundet Erzbischof Sigfrid I. von ]\lainz, dass der edle Mann Ruodeger und dessen Ehefrau der Kirche des Klosters S. Alban daselbst zu ihrem Seelenheile 6 Mausen zu Erlen- bach im Niddagau in der Grafschaft Berthold's und Sigfrid's geschenkt haben.-) Als weltliche Zeugen sind dabei hinter dem Stadtpräfekten G ebene der Reihe nach angegeben die Grafen Drutwin, Sigfrid und dessen Sohn Berthold, Gerlach und Rudolf. Ausserdem ist der letztgenannte Sigfrid schon 1069, 1071, 1074 und 1079 nachzuweisen.^) Er kann also füglicli als Sohn des von uns als Stellvertreter im Königsgau angenommeneu Grafen Sigfrid gelten, wiewohl Bodmann ihn zum Sohne Ezzo's macht.

Ilaben wir aber damit in Sigfrid einen Grafen des Niddagaues und insbe- sondere von Nürings entdeckt, so dürfte sich nebenbei auch wohl die alte Frage nach der Herkunft des ihm von Vogel zum Sohne gegebenen Erzbischofs Sigfrid I. der Lösung näher führen lassen. Dass mau diesen so beharrlich*) einen Eppensteiner nennen konnte, wird in erster Linie vermutlich daher kommen, dass der zweite Träger dieses Namens auf dem mainzer Erzstuhl wirklich ein solcher war. Es kann aber ebensogut daher rühren, dass man in späterer Un- kenntnis des Sacliverhaltes für eppensteinisch ansah, was von Hause aus nüringisch war, da die nUringische Erbschaft teils auf Falkenstein, teils auf Eppstein ge- kommen war.^) Und dieser Meinung möchten wir sein, indem wir die Ver- mutung aussprechen, dass Erzbischof Sigfrid I. ebenfalls dem Geschlechte derer von Nürings zuzuzählen sein werde. Wir vermögen diese allerdings nur durch denselben Eintrag in das bleidenstater Register zu stützen, denWilK') für seine Vernmtung, dass Sigfrid eppensteinischer Abkunft gewesen sei, herangezogen hat: „A. dorn. ]\ILXXVII dominus Sifridus archiepiscopus dedit nobis pro anni- versario parentum suorum XII marcas, que cedunt de curia sua in Hoste. ''^) Aber da wir nachgewiesen haben, dass der Name Sigfrid zu dieser Zeit nicht eppensteinisch sein kann, so dürfen wir in Höchst, das niemals eppensteinisch war, nüringischeii Besitz erwarten. Denn es ist doch anzunehmen, dass der

') Rheing. Altert. 57G. -) Will, Regesten 1, 214, Nr. 149. 'j Sauer 1, G8 f., Nr. 127, 70, Nr. 28; Will, Mon. Bl. 16, Nr. 66, 20, Nr. 6. ■*) Herr Professor Otto macht mich darauf aufmerksam, dass auch Theod. Lindner, Allg. deutsche Biographie. Leipz. 1892. 24, 258 noch die oppstoinische Abkunft Sigfrid's behauptet. Er ist, wie Roth, Gesch. der Stadt Wiesl». 12, Anni. 2, in Banne seiner Vorgänger. ^) Bodmann, Rlieing. Altert. 38. ") Rogosten 1, LVI. - ') Will, Mon. Bl. 16, Nr. 56; Sauer 1, 55, Nr. HO, 56.

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Erzbischof vom Familiencrbgiit das Soeleugedüclitnis seiner Vorfahren bestellt haben werde. Ausserdem will uns die Wahl Blcidenstats für dies Gedächtnis bezeichnend erscheinen. Hierher hatte die „domina Adeliud, vidua Bertholdi comitis" im Jahre 1061 ihren Hof in Patersberg gestiftet.^) Dieser lierthold aber, der im Jahre 1042 und 1043 vorkommt^), muss der Zeit nach ein Bruder des vorhin genannten Grafen Sigfrid sein. Es ergibt sich also die Möglichkeit, dass er der Vater des Erzbischofs Sigfrid I, war. Ihm, der Mutter und früheren Vorfahren ein Gedächtnis, zu dem er in seinem viclbewegten Leben bis dahin nicht gekommen sein mochte, zu stiften, dazu konnte diesen offenbar nur der Gedanke bewegen, dass er zu dieser Zeit flüchtig von seinem Erzbischofssitze und ungewiss über seine Zukunft sein Haus im Geiste der Zeit auch nach dieser Seite hin bestellen müsse. Betrat er doch auch von da an die Heimat nicht wieder, sondern starb 7 Jahre später in Thüringen.^)

b. Tuto II. und HI. Udalrich I.

Genug. Wir "meinen mit diesem allem, ablehnend und Neues setzend, aus- reichend dargethan zu haben, dass die Verbindung des Hatto-Trutwin'schen mit dem Eppenstein-Idsteiner Hause sich nicht an den Namen Sigfrid's knüpfen lässt. Die Brücke zwischen beiden ist uns vielmehr der Name Udalrich. Dessen idstein-eppensteinische Herkunft erscheint, wie sich alsbald ergeben soll, durch die Folgezeit gesichert. Seines Vorkommens in der Königssundra, unabhängig von dem Hatto's, haben wir schon zu zweien Malen früher gedenken müssen. Wir hatten bereits aus dem Besitz der Träger dieses Namens auf eine gewisse Familienverbindung mit den Hattoen schliessen zu sollen gemeint. Nun aber begegnet uns der Name Udalrich im Hatto-Trutwin'schen Hause selber. Wir fanden 1052 ,Dudo comes et frater eins Udalrich" als Zeugen angegeben.*) VogeP) glaubt diese ohne weiteres als Nachkommen „Drutwin's IH." bezeichnen zu dürfen. Das erlaubt ihm aber weder ein ausdrückliches geschicht- liches Zeugnis, noch der Name Tuto, der in diesem Geschlechtsalter an die Stelle desjenigen Trutwin's tritt und von da bis zu seinem Erlöschen noch zweimal mit dem brüderlichen Trutwin's erscheint. Vielmehr ist gerade dieser letzteren Thatsache wegen anzunehmen, dass Trutwin II. nach dem Jahre 1035 oder 1040 ohne männliche Erben gestorben war, und die Nachfolge im Gau- grafentum, nachdem wir sie im Jahre 1052 in den Händen seines Bruders Embricho gesehen haben, auf die Nachkommen seines Geschwisterkindsvetters Tuto II. überging, der, wie wir oben erwähnten, im Jahre 1005 mit seiner Mutter Rotrude die Einwilhgung zur Stiftung seines Vaters, Tuto I., für ein Familienseelengedächtnis gab, und, wie wir nachher möglich sein Hessen, im Jahre 1040 gefallen sein mochte. Von diesem nun muss behauptet werden, dass, wie er der Vater Tuto's III. und Udalrich's ist, so auch um des Namens dieses seines zweiten Sohnes willen der Gemahl einer idstein-epponsteinischen Standesgenossin sein wird. Denn von Udalrich L, wie wir ihn als den erster.

') Will, Mon. Bl. 15, Nr. 51; Sauer 1, 55, Nr. 110, 51. -) Vogel, Beschr. 195 f. 3) Will, Regesten 1, 212, Nr. 135; 217, Nr. 163. ') S. Anm. 1, S. 32. ") Beschr. 2'J^> f-

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dieses Nameus iu der giuigräHichen Familie uenncu niiisscn, verzeichnet der bleidenstater Abt im Jahre 1057: „Udah-icho comiti veudidi equum pro XVI marcis, pro quibus comparavi agros nostris coutermiuatos in Auroffa."^) Nun ist ja wahr, dass diese Worte nicht ohne weiteres von einem Tauschgeschäft berichten müssen. Erwägen wir aber, dass Auroff der nächste Nachbar Idstein's ist, so müsste doch wohl ein ungeheuerer Zufall walten, wenn der Abt bei dieser Geleo-enheit gerade hier Güter erworben haben sollte, wo wir in nächster Nähe den 'Sohn Udalrich's als Grafen später finden werden, wo noch dazu ein idsteinischer Burgmann „Egiuolf von Eythichenstein", genannt Musiliu, mit seiner Gattin Justitia 1253 eine Schenkung von seineu Gütern zur Beleuchtung der Martinskapelle in Blcidenstat macht.^) Wir haben deshalb wohl ein Recht, auch hier, wie bei Wigger, Embricho und Hugo von Wiesbaden, das Kloster als Güterbank und den Grafen Udalrich als Verkäufer eines Besitzes in Auroff oder auch in idsteiuischer Markung zu erkennen, der uns ihn als idsteinischen Besitzer enthüllt.

Damit aber kein Zweifel darüber sei, in wessen Händen sich ehemals dieser Besitz befunden habe, ziehen wir aus demselben bleidenstater „Registrum" die Aufzeichnung zum Jahre 1024 heran. Diese besagt: „Dominus Rutgerus tradidit nobis curiam suam in Itigisten, ut agatur eins memoria."^) Der Name Ruto-er ist sprachlich derselbe mit Ruger.*) Ein Ruger aber hat sich uns schon üben samt dem Bruder „praepositus" Udalrich nach 927 als Enkel des Grafen Udalrich ergeben.^) Rutger hier gehört demnach demselben Geschlechte an.") Da nun die Bestellung des Seelengedächtnisses auf ein höheres Alter schliessen lässt, so muss Rutger Tuto L gleichalterig gewesen sein ; und das legt es nahe, in ihm den Schwiegervater Tuto's II. zu erblicken. Freilich war Rutgcr nicht in unmittelbarer Geschlechtsabfolge der Nachkomme jenes Grafen Udalrich, der mit seiner GemahUn, wie wir sahen, in Wildsachsen und Hausen Schenkungen an Blcidenstat gemacht hatte, aber er war der Nachkomme der Enkelin beider, Vodilhiklis, die offenbar mit einem Ruger oder Rutger vermählt war; und es wäre nicht unmöglich, dass dieser Inhaber idsteinischer Besitzungen gewesen ist und letztere infolge seiner Verbindung mit der Erbtochter Udalrichs mit denen bei Eppstein vereinigt hatte. Der Name unseres Rutger w^äre dann Bürge für diesen urväterlichen Besitz.

Von seinem mutmasslichen Enkel Udalrich I. dürfen wir nun aber auch wühl sagen, warum er 1057 ein Pferd in Blcidenstat erhandelte. Unmittelbar \i)v dem diesen Handel bezeugenden Eintrag steht der andere des Abtes : „Dedi Herdeno VIII marcas, (juando iu Saxoniam profectus est, de quibus habemus censuni 111 solidorum de curia sua in Gisinheim."^) Nun berichtet

') Will, Mon. Bl. 15, Xr. r)0. ^j Vogel, Beschr. 570. ^) Will, Mon. Bl. 13, Nr. 16. *) Vgl. Förstemanii 1, 727 f. ^) Siehe S. 17. •"■) Freiherr Schenk von Schweins- berg hat seinen Irrtum, Kutger zum Bruder des praepositus Udalrich gemacht zu haben (Korre- ppondonzbl. 1874. 68 und in der beigegebenon Stammtafel), stillschweigend verbessert in den ., Mitteilungen des iianauer Bezirksvereins'' 1880, Nr. 6, S. 25, wo er gleich uns Kutger einen Nachkommen Kuger's sein lässt. '') Will, Mon. Bl. 15, Nr. 49; Sauer 1, 55, Nr. 110, 49. l'roficisci ist hier deutlich das ahd. reisi'in, wovon reis« itcr und fxpeditio niilitaris, daher auch mhd. = ins Feld ziehen. Vgl. Graft' 2, 524; Lexer 2, 395.

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Lambert von Aschaffenburg in seinem Zcitbuche, dass die Sachsen auf Anstiften Otto's, des natürlichen Bruders des soeben verstorbenen Älarkgrafen Wilhchn, sich 1057 verschworen hatten, nicht bloss Otto an dessen Stelle zu setzen, sondern auch den 7jährigen König IFoinrich IV. aus dem Wege zu räumen und ihrem in Aussicht genommenen Markgrafen die deutsche Königskroac auf- zusetzen. Die Ileichsregierung, davon in Kenntnis gesetzt, lässt den jugendlichen König früher nach Sachsen aufbrechen. Dieser eilt, in Merseburg den l'eter- und Paulstag (21). Juni) zu feiern und dort die sächsischen Fürsten zu einer Beratung zu treflFen. Als man nun dorthin zieht, ein jeder nach seinem Ver- mögen umgeben von einem grossen Ileerhaufen („pro sua singuli copia magna militum manu stipati"), geschieht es, dass die Vettern des Königs Brun und Ekbert durch Zufall in den Haufen des dem Königshof zueilenden Otto geraten. Es entspinnt sich sofort ein noch von eigener gegenseitiger Erbitterung geschürter Kampf, in dem Brun und Otto sich einander durchbohren, und Ekbert, obschon verwundet, die führerlose Sachsenschar zur Flucht treibt, sodass diese, ihres Baunerträgers beraubt, nichts weiter gegen den König zu unternehmen wagen. ^) Sollte es da zu viel gewagt sein, den Pferdeskauf mit diesem starken Zuge nach Sachsen in Verbindung zu setzen?

Und wenn wir nun gar im stände wären, die Geldnot Udalrichs, die ihn zur Veräusserung von Grundbesitz veranlasste', zu erklären! Mau hat seit Weuck angenommen, dass unser Udalrich derselbe mit dem schon oben er- wähnten Udalricus, „Luitpoldi Magontiensis Episcopi miles" sei, der wegen Majestätsbeleidigung unter Heinrich III. in die Reichsacht gethan, längere Zeit in Italien zubrachte, dann zurückgekehrt im Jahre 1052, durch einen Reichs- tagsbeschluss zu Mainz am 9. Juni gegen Entschädigung auf seine Ansprüche an das „predium Scerstein", das Kaiser Heinrich II. dem Michaels-Kloster in Bamberg geschenkt hatte, verzichten musste, nach dem Tode Heinrichs III. aber sich gewaltsam in den Besitz der Güter setzte und deshalb am 4. April 1057 auf dem Reichstag zu Worms zur Erstattung des dreifachen Schaden- ersatzes verurteilt wurde. ^) Schon Wenck vertrat mit urkundlichen Belegen die Meinung, dass die Bezeichnung „Udalricus miles quidam" der Urkunde dessen gräflicher Würde keinen Eintrag thue, und wir können seinen Belegen noch die weiteren hinzufügen, dass auch Graf Adelbert von Calw unter die „milites et fideles" des Klosters Lorsch gezählt wurde und Erzbischof Sigfrid I. in einer Urkunde von 1074 vom Grafen Bertold von Ravengirsburg sagt: „Bertoldus etiam comes Miles noster effectus cst."^) Es hindert also nichts, dass unser Graf Udalrich auch Vasall von Mainz für Güter, die er von dorther zu Lehen trug, sein konnte. War das aber der Fall, so war der dreifache Schadenersatz für das Schierstein Entzogene wohl im stände, seine Kasse zeit- weilig zu erschöpfen und ihn zwischen dem 4. April und 29. Juni zur A^er- äusserung von Grundstücken in der auroffer oder idsteiuer Gemarkung zu nötigen.

^) Struve, Rer. germ. script. 1, 323. -) Wenck, Histor. Abli. 1, 66; Will, Ke- gesten 1, 177, Nr. 2. S. oben Anm. 5, S. 35. Sclieuk v. Schweinsberg, Mitteilungen des Hanauer Bezirksver. 6,26. ") Cod. laur. 1, 183; Gudcnus, Cod. dipl. 1, 379. Vgl. übrigens auch Waitz, Verfassungsgcsch. 3, 457; 4, 216 f. und 523.

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um seiuer Reichspflicht auf dem Zuge gegen die Sachsen zu genügen. Yon einem Besitze des gaugräHichen Hauses in Schiersteiu wissen zwar unsere dürftigen Quellen nichts, aber mit Recht bemerkt Schliephake: „dass Udal- rich nicht ohne Ansprüche auf das streitige Gut war, wird deutlich genug durch die ihm früherhin bewilligte Entschädigung bewiesen." Und wenn etwas die Zugehörigkeit Udalriclfs zur künigsgauer CJrafenfamilie darthuu möchte, so ist OS dieser Familienzug des hartnäckigen Bestehens auf ihrem Rechte und ihrer Überzeugung wider Kaiser und Kirche, den später der Burgbau in Nassau mit allen seinen Folgen in ein so deutliches Licht gestellt hat und den wir schon früher bei Einzelnen des Geschlechts wenigstens andeuten konnten, so vieler Züge gleicher Art in so viel späterer Zeit bis herab auf den, der dem letzten tapferen Nassauer den Thron kostete, nicht zu gedenken.

Dagegen müssen wir uns hier einmal für allemal dagegen verwahren, duss man noch länger unseren Grafen Udalrich mit dem berüchtigten Ratgeber des Kaisers Heinrich's IV., Udalrich von Gosheim oder wie ihn Lambert von Aschaffenburg nennt, von Cosheim^), für dieselbe Person halte. Unseres Wissens hat Wenck diesen Irrtum in unsere Geschichte eingeführt, wohlweis- lich aber Udalrich von Gosheim der Zeit wegen zu einem Sohne unseres Udal- rich gemacht^), während Vogel^) und Schliephake^), letzterer nach seiuer Art mit vorsichtigem Vorbehalt, ihn ohne weiteres denselben sein lassen. Lambert 's Gosheim ist ihnen, wie schon Wenck und nach ihm Bodmann^), fraglos Costheim bei Mainz „in der Herrschaft Eppstein." Dieses Costheim aber hiess zu der Zeit, wie Bodmann im Widerspruch mit sich selbst in dem- selben Atem berichtet, Kuffstein und findet sich nach ihm noch 1115 unter dem Namen „castrum Cuphese." Jener Udalrich war zudem von Gosheim oder Godesheim^) ; und noch viel mehr : unser Udalrich, wie sich alsbald ergeben wird, im Jahre 1076, als jener Udalrich von Gosheim in den päpstlichen Bann gethan ward, gar nicht mehr unter den Lebenden.

Dagegen sind wir berechtigt im Blick auf den oben uns bekannt ge- wordenen „Udalricus prepositus in Ilornauwe" den „Udalricus advocatus", der uns in zwei Urkunden des Erzbischofs Sigfrid aus den Jahren 1067 und 1071 als Zeuge begegnet, als unseren in Rede stehenden Grafen anzusprechen. In der ersteren bestätigt der Erzbischof auf Bitten des Propstes Thiemo und

') Struve, Rer. germ. script. 1, 364 f., 367, 416, 420, 428. ^) Hist. Abb. 1, 67. ') Beschr. 293. ') 1, 135. ^) Rheing. Altert. 602. •■') Den Sachverhalt hatte bereits Schmidt, Annalen 3, 2, 10 erkannt, und Floto, Gesch. Kaiser Heinrieh's IV. und seines Zeitalters I, 397 es bewiesen, dass Godesheim an der Weser oberhalb Höxter die Heimat jenes Udalrich sei, da die Sachsen ihn im Spotte ., Ritter vom Gottoshass** nannten, indem sie das Godesheim in ein Godeshus umdachten. \Yenn nun Schlieph. l, 135 Floto bemängeln /u können meint mit der Bemerkung: „Nach oberdeutscher Aussprache ist Gosheim und Gos- heim kaum zu unterscheiden, so konnte Gosheim als Gusheim verstanden und für Gottesheim gesetzt werden", so ist gerade das Gegenteil riclitig. Das scharf gesprochene westfälische G fiel in das süddeutsche Ohr Lambrecht's als K (C) und so schuf er sein irreführendes Gos- heim. Von diesem zu CoHthcim ist ausserdem nooh ein gewaltii^er Schritt, den sirh keine Mundart trotz aller Liebe zur iiuchstabenversctzung erlaubt: is wird nie st.

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des Stiftes S. Peter zu ^[ainz dessen Stiftung durch seinen Vorgänger Fridrich, insbesondere die Sclienkung der Kirclie zu Eltville und der Dörfer Walluf, Steinheim, Kiedrich, Erbach und llattenheim.^) In der letzteren gibt er seine Genehmigung zu dem Spruche des auf der Lützelau unter dem Vorsitze des Grafen Ludwig abgehaltenen Gaugerichts, durch den die von der Matrone Ililtrudis und ihrem Sohne unter Zustimmung ihres Vormundes, des Grafen Ludwig, dem Stifte S. Peter zugewendeten Schenkungen in Winkel, Eibingeu und ]jorch bestätigt werden. 2) Ausserdem wird es unser Udalricus sein, der in der Urkunde desselben Kirchenfürsten vom Jahre 1070 mit einer ganzen Reihe anderer Grafen, unter diesen auch dem hier nur nicht mit Bruder be- zeichneten „Dudo", bezeugen hilft, dass schon von Erzbischof Lupoid dem Kloster S. Jakob in Mainz die zu den Zeiten des Erzbischofes Bardo erbaute Basilica des h. Nicomedes geschenkt worden sei.'"') Weiter ist auch wohl kein anderer als der unsere jener „Vodalricus comes", den wir in der Mitte zwischen den Grafen Rudolf und Erkenbrecht 1072 als Zeugen bei der Bestätigung des Besitzes der erzbischöflicben Höfe im Erzstift seitens des S. Peterstiftes durch den Erzbischof Sigfrid antreffen.^) Endlich wird ein Udalricus in der von Kindlinger nur unvollständig überlieferten Urkunde von 1074 genannt, in der abermals Erzbischof Sigfrid bezeugt, dass Walther und dessen Bruder Rupert, Dienstleute seiner Kirche, den Klosterbrüdern zu Bleidenstat zum eigenen Seelenheil alles geschenkt haben, was sie zu Gonsenheim im Nahegaue in der Grafschaft Emicho's besassen.^) Von weltlichen Zeugen finden sich in ihr „Emicho comes", nach einer kleinen Lücke „Bertolfus comes et frater eins Sifridus"^ nach grösserer Lücke „Hermanus comes Udalricus", hierauf nach kleinerer „Eberhardus Embricho." Da Udalrich neben fast sämtlichen Zeugen früher vorkommt, so darf kein Zweifel sein, dass hinter ihm comes ausgefallen ist; wir ihn also für den unserigeu erkennen dürfen. Von nun an aber verliert sich jede weitere Spur und wir können sein Ende mit um so grösserer Zuver- sicht zwischen 1074 und 1076 ansetzen, als wir schwerlich mit der Unterstellung irren, dass er bei der Ausrichtung des Begräbnisses und Seelengedächtnisses für seinen Bruder Tuto in dem zuletzt genannten Jahre, wovon oben die Rede war, schwerlich gefehlt haben würde, wenn er noch am Leben gewesen wäre. Damit bescheinigen wir aber auch den Tod dieses seines Bruders Tuto lU. im gleichen Jahre mit dem Bedauern, dass uns ausser der vom Jahre 1052 und der vorhin entdeckten vom Jahre 1070 jede andere Spur von seinem Dasein fehlt.

') Sauer 1, 68 f. '■) Ebenda 1, 70 f. Sauer irrt aber, wenn er im Ecgcst der Urkunde Ludwig aucli zum Sohne der Hiltrudis macht. Will, Regesten 1, 195, Nr. 65 hat, wie wir, dem Texte entsprechend, ., Vormund" gesetzt. ^) Will, Regesten 1, 192, Nr. 58. Vgl. Annal. 12, 3. *) Joannis, Rcr. mog. 2, 579; Sauer 1, 71, Nr. 129. Die von orsto- rem an den Rand gesetzte Lesart: .,Indict. X vel a. MLXXVIl" erweist sich nach unserem im Texte ausgesprochenen Vermuten über die Todeszeit Udalrich's als irrig. Es ist deshalb zuviel Vorsicht Will's, Regesten 1, 195, Nr. 70, dieselbe in Klammern zu wiederliolen. ') Will. Mon. Bl. 20. Xr. 0.

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5. Tnitwiii III. und Tiito IV. von Laurenburi,'.

Da wir iu tleni Vurauötelieudeu die Anfänge der Verbindung des gau- grüHieheu Geschlechts der Künigssuntra mit dem eppstein-idsteinischen nach- gewiesen glauben, wenden wir uns jetzt wieder dem ersteren zu und handeln zunächst von den Sühnen des zuletzt genannten Tuto III. Wir erfuliren deren Namen schon bei der noch oben angeführten Bestellung der Leichenfeierlichkeit für ihren Vater. Trutwin III. als der Besteller derselben wird ohne weiteres als der ältere gelten dürfen, und sein Name ist ohne Zweifel mit Rücksicht darauf gewählt worden, dass er die Ansprüche der ursprünglich Trutwin'scheu Herr- schaft zur Geltung bringe. Tuto IV. als jüngerer setzt den väterlichen Namen fort. Von Trutwin III. kannte man seither nur das eben Berichtete. Wir haben aber wenigstens seine Zeugenschaft im Jahre 1081, die wir schon oben bei Beurkundung des Grafen Sigfrid zur Sprache bringen mussten, hinzu- zusetzen.^) Dass er dort als der erste nach dem mainzcr Stadtpräfecten Gebeno verzeichnet ist und sogar dem Grafen des Niddagaues, in dem die Schenkung geschieht, voransteht, lässt neben seiner gaugräflichen Würde seine ansehnliche Stelluns: hervortreten. Mit Tuto IV. erscheint zum erstenmale die Familie nach einer Burg genannt. Es ist im Jahre 1093, wo er genau in der Mitte von 14 erlauchten Zeugen als ,Dudo comes de Lurenburg" bei der Beurkundung der Stiftung des Klosters Laach genannt wird.^) Ihn zum andernmale in der auch sprachlich ungew^öhnlichen Form „de Lurenburc Dudo comes" als Zeugen in einer Urkunde von 1105 nachweisen zu wollen, wie Kremer^) und nach ihm Schliephake'*; versucht haben, ist leider vergeblich, da wir diese als gefälscht bezeichnen müssen.^) Dass Tuto aber 1093 ohne seinen Bruder als

'j Siehe oben Aiim. 2, S. 36. -) Vgl. Annal. 24, 128. *) Orig. Nass. 1, 300. *) 1, 153. ^) Vorab ist schon das Jahr 1105 an sich ein Fehler, wie die Einsichtnahme der von beiden Gelehrten angerufenen, leider einzigen Quelle, Trithemii Chron. sponheini., opp. bist. 2, 240, sofort ergibt. Denn wenn dort angegeben ist: „MCV. Indictionc tcrtia. XII. Ca- Icndas Septembris" Goerz, Mittelrhein. Regest. 1, 486, Nr. 1771 liest irrig 1115 , so widerspricht die Indiction der Jahreszahl. Das Jahr 1105 hatte die indict. XIII. Nimmt man aber an, dass „tertia" oder III Versehen für XIII sei, sodass 1105 gemeint gewesen wäre, so ist dem die Thatsache zuwider, dass das Kloster Sponheim, dessen vogteiliche Verhältnisse die Urkunde regeln will, erst vom Jahre 1118 ab vom Grafen Meginhard von Sponheim, dem Aussteller der Urkunde, der Vollendung seines Baues entgegengefiihrt worden ist, nachdem der Vater Stephan (j- 1118) es 1101 zu bauen begonnen hatte, Trithem. 237 f. Erst am 26. März 11 iM wird der Bau den von Erzbischof Adelbert von Mainz dazu beorderten 8 Prie- stern und 4 Conversen aus dem S. Albans- und S. Jakobskloster in Mainz, beide Bencdiktiner- ordens, vom Grafen Meginhard übergeben, Trithem. 238. Lässt man aber HO") ein eben- solches Verschon sein, v,ie das Jahr 1225 der alsbald zu nennenden kaiserlichen Urkunde, das für 1125 steht, und behält die ind. III als richtige bei, wie dies Goerz gethan hat, so würde das Jahr 1125 herauskommen. Aber auch das widerspricht den Thatsachen. Trithe- niius führt der ausdrücklichen Zeitreihe nach zuerst die Urkunde an, in welcher Graf Megin- hard «lern Krzbisi-hof Adelbert das Kloster am 7. Juli 1124 übergibt, sodann die in Frage Htf'iicnde mit der Itegelung der Vogteireohte und endlicli die Urkunde Kui.scr Heinrich's V. vom 26. März 1125, worin die Rechte des Klosters bestätigt werden, und die Übergabe der Urkunde über die Vogteireohte an den Abt ausdrücklich bescheinigt wird. Wie könnte diese also vom 21. Aug. 1125 gegeben sein-' Wir dürfen ja dem Geschichtschrciber Trithemius,

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Zeuge auftritt, scheint mit einiger Sicherheit darauf schliessen zu lassen, dass dieser damals nicht mehr am Leben war. Und schauen wir uns in der Zeit- geschichte um, so möchte der Grund hierfür in dessen Teilnahme an der Be- lagerung Rom'ö durch Kaiser Heinrich IV. iu den Jahren 1081 1084 zu suchen sein, die manches edle deutsche Leben kostete. Ist aber Trutwin eines frühen Todes gestorben, so hat er auch keine Kinder hinterlassen. Jedenfalls wird der soviel länger lebende Tuto nicht kinderlos geblieben sein. Und wir haben wohl um so eher ein Recht, ihn für den Fortführer des laurenburgischen Stammes zu halten, als er nach der genannten Urkunde von 1093 der Bekannte des Grafen Walram von Arlon war, dessen I]ukel, „Graf Walram pagauus" der Schwiegervater dos später zu neunenden Grafen Ruprecht von Laurenburg werden sollte. Indem wir aber damit unserer Annahme in der Abhandlung über „die schönaucr Überlieferung')" eine neue Stütze geben, bestätigen wir nur, dass sich bei Fortführung des laurenburgischen Hauses durch Tuto IV. wiederholt, was wir bei Tuto III. zu unterstellen hatten. Auch seine Söhne nennen sich Trutwiu und Tuto, der ersterc als vierter, der letztere als fünfter dieses Namens.

wie wir Annal. 24, 156 ff. salien und bei dca anderen zu sehen ist, die wir zu unserer nacli- triiglichen Genugtliuung bei Will, Regest. 1, 234, Nr. 55, als Verurteiler des Abts zusammen- gestellt finden, viel zutrauen in irrigen und verwirrten Angaben. Aber eine solche Übereilung wäre doch etwas zu stark. Nehmen wir also zu seiner Ehre an, dass er oder sein Heraus- geber Froher sich sowohl im Jahre als der Indiction geirrt habe, so würde, wenn wir statt ind. III. ind. II setzen, sich das erträgliche Datum: 1124 ind. II, XII Kai. sept. ergeben und die Urkunden vom 7. Juni 1124, 21. Aug. 1124 und 26. Mai 1125 sach- und zeitgenülss ein- ander folgen. Aber selbst dieser Besserungsvoi-schlag ist umsonst. Denn die Urkunde legt an sich ein Veto gegen jedes Datum aus dem 12. Jahrhundert ein. Goerz und der von ihm angerufene Lehmann, Gesch. der Grafschaft Sponheini, haben dies bereits geahnt, wenn sie die Urkunde ,,stark interpoliert" nennen. Sie wären aber schon verpflichtet gewesen, auf dreiste Unterschiebung zu erkennen. Denn wie wäre es möglich gewesen, dass Graf Mcgin- hard, der Stifter des Klosters, sich zu der Bestimmung hätte hergeben sollen, dass die ihm und seiner Familie im ältesten Glicde vorbehaltene Vogtei des Klosters ihm und dieser sollten abgenommen werden können, wenn Übergriffe des Vogtes nach dreimaliger Vermahnung des Erzbischofs von Mainz ungesühnt blieben, nachdem der Graf bei Übergabe des Klosters an den Erzbischof nicht bloss das Verbleiben der Vogtei bei dem Ältesten der Familie, sondern sogar eine etwaige Auflösung des Klosters sich ausbedungen und nur zugestanden hatte, dass der Erzbischof bei etwaigen Übergriffen den jeweiligen Vogt „corrigere ac ad emendationem cogere" dürfe. Und nun wird gar noch der Alteste des damals noch gar nicht vorhandenen kreuznacher Zweiges der Familie als Rechtsnachfolger Meginhard's genannt und diesem zu- gemutet: „Ad placitum publicum in terrainis monasterii non sedebit, nisi ab abbate fuerit in- uitatus" ! Alles Dinge, die von dem späteren Unabhängigkeitsgelüste des Klosters zurecht ge- schnitten wurden. Und nun die der Urkunde beigegebenen näclisten Zeugen nach den Pröp- sten von Dissibodenberg und Schwabenheim: .,Goswinus de Lurburk, Dudo comes, Ernostus vicedominus" etc.! Wie könnte da nach Kremer 's Vorschlag hinter Goswinus ein Komma gesetzt werden können, sodass derselbe ohne Bezeichnung bliebe. Ein „Goswinus de Lurburk" aber ist ein Unding und darum „Dudo comes" eine ebensolche Erfindung. Wie wir aber nacli allem diesem die ganze Urkunde für initL'rgesehoben erklären müssen, so möchten wir auch die ilir bei Trithemius folgende Kaiserurkunde für gefälscht halten, und nur ungern ver- sagen wir uns die Begründung dieser Behauptung, da sie ausserhalb unserer gegenwärtigen Aufgabe liegt.

') Annal. 24, 128.

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(;. Trutwiii IV. und Tuto V. Sliftniiö: der Propstei Lipporii.

Die Geschichte dieser beideu ist mit Beuutzuug der dürftigen Quellen so ausführlich in der gedachten Abhandlung dargestellt, dass wir hier auf sie verzichten dürften, hätten wir uns nicht in zwei Punkten eines starken Versehens schuldig gemacht. Wir gingen, was den ersten betrifft, leider geschlossenen Auijes wie unsere Vorgänger und durch sie mit verleitet, an der Stelle der l'rkunde Tuto's V. über die Stiftung Lipporu's vorüber, die uns das Stiftungs- jiihr annähernd zu bestimmen ermöglicht. Dort steht ausdrücklich die aus- schlaggebende Bezeichnung von Lipporn, dass es „in comitatu Luduwici" gelegen sei'); und wir könnten nur dann bei unserer früheren Annahme bleiben, wenn unter diesem Ludwig der dritte dieses Namens, der Gründer des Klosters Arn- steiu, verstanden werden könnte. Das aber wäre nur möglich, wenn er als Minder- jähriger die Gaugrafschaft innegehabt haben würde. Denn beim Tode des Erzbischofes Bruno von Trier am 24. April 1124, unter dem die Urkunde ab- gefasst ist, war Ludwig 111. erst 15 Jahre alt, da er 1109 geboren ist.*) Nun kommt es ja vor, dass bei der Erblichkeit der Gaugrafschafteu auch ein Minder- jähriger als Titulargraf erscheint. Wir lernten schon oben den achtjährigen Grafen Otto von "Worms kennen nach der Urkunde vom 8. März 956, wo es heisst: ,iu pago Nahgowe in Foresto nostro, Vuosago nomiuato, in Comitatu Ottonis, Filii Cuonradi ducis."^) Aber nicht nur, dass Otto ein Herzogssohn war, so wird er auch deutlich als Sohn und damit deutlich als Minderjähriger bezeichnet. In unserer Urkunde fehlt dagegen die Bezeichnung „filii". Wir können des- halb mit gutem kritischem Gewissen schwerlich jemand anders in den ange- führten Worten als Inhaber des Gaugrafeutums im Einrieb bezeichnet sehen, als Ludwig IL Von diesem haben wir wahrscheinlich gemacht, dass er am 28. Mai 1112 gestorben ist.'*) Die Gründung des Klosters Lipporn kann dem- nach nur vor dieser Zeit erfolgt sein und der Mord Trutwin's fulgeweise soviel früher. Durchmustern wir nun diese Zeit, so will sich uns im Jahre 1107 ein Zeitpunkt ergeben, wo bereits der Bann und wohl auch der Mord Trutwin's sich vollzogen hatten. Denn es ist in diesem Jahre, dass wir die Edelen des Erzstifts auf einer Geueralsynode um Bruno versammelt sehen. Auf ihr ward die Gründung des regulierten Augustiner Chorherrnstifts (Springiersbach) zu Ther- nmnt bestätigt und unter den Zeugen fehlen die Laurenburger, während „Ludovicus de Arinstein*^ zugegen ist.-^') Wir denken, das ist kein Zufall. Der Bann schloss von der Zeugenschaft aus. Gehen wir von da an weiter, so ist nach den vor uns liegenden Urkunden aus dem Leben des zwischen seineu Kirchen- und IteichsberufspHichten beständig geteilten Bruno nur im August 1110 ein Ruhe- puiikt, in dem die lipporuer Klostersache vor ihm verhandelt worden sein kann. B.-uno befand sich in der gedachten Zeit in Coblenz, um dem Nicolausaltare der dortigen Florinkirche die Schenkung eines Hospitals mit entsprechenden,

') .Schlieph. 1, 196. '^j Ebenda 1, 159. ^) S. oben Aimi. 4, S. 25. Die Mündig- keit trat aber erst mit dem 15. Jahre ein, vgl. öcliröder, Lohrb. 112, 253, 467. *) An- nnlon 24, 126. - '•) Beyer, Urkundcnlaicb 1, 475 ff. Nr. 415; Ooorz, Mittelrhein. Regesten I, 440, Nr. 1601.

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von ihm selber angekauften Gütern zu verbriefen.') Betrachten wir aber die Zeugen der unter den Augen Bruno's ausgefertigten Stiftungsurkunde für Lipporn : „Tuto comes de lurenburg, Ueginboldus de romersdorff, lienricus comes de dyetsche, Anslielmus de Moloberg, Anafryt de tornedorff, Fredericus de Brubach, Wcrnherus de Asinhaga, Dietfryt de nistere, Winhart et Gerlaeh de miliggin, Ello de lantroth"'^), so sind das durchweg Edele aus der nächsten Nähe von Coblenz, und es kann auch wohl kein Zweifel darüber sein, dass Tuto das nahegelegene Coblenz benutzt hat, um dahin seine Mitzeugen aufzu- bieten, da eine Reise uacli Trier zu diesem Zwecke eine zu grosse Zumutung für dieselben gewesen wäre. Überdies war Bruno's Thätigkeit für das cobleuzer Florinstift wie gemacht, um die Angelegenheit für eine Gründung zu Ehren desselben Heiligen in Lipporn vorzunehmen. Zugleich haben wir wohl den Abt Adelbert von Schaffhausen, der in der Urkunde als Bittender mit aufge- führt wird, anwesend und nicht minder als Aussteller der Urkunde zu denken. Es scheint das nämlich aus der Schreibung „dyetsche" hervorzugehen. Das ist alemannische Sprachweise, die uns nur noch einmal 133G für das sprach- gemässe „Dietse" oder „Diedisse'' begegnet.^) Auf den fremden Schreiber können aber auch „Moloberg" statt Molsberg, „Asinhaga" statt des vermutlichen Asinauga (Eschenau bei Weinähr), „miliggin" statt des in dem Texte selber richtig geschriebenen milingen, „lantroth" statt Lautroth schliessen lassen, wenn nicht Lesefehler des späteren Abschreibers angenommen werden müssen. Dort in Coblenz aber, das will nicht minder bemerkt sein, war auch der Ort, wo Bruno, unbehindert von seinem schwierigen Domkapitel, von dem der Bann über Trutwin ohne Frage erfolgt war, und bei dem er sicher noch in frischem Andenken stand, dem Zuge seines menschenfreundlichen und verwantschaftlichen Herzens folgen konnte. Es kam aber noch ein anderes hinzu, was ebensosehr Tuto die Aufbietung so vieler Standesgenossen erleichtern, als Bruno noch geneigter machen mochte, dem kirchlich anstössigen Willen seines Verwanten nicht entgegen zu sein. Wir dürfen daran erinnern, dass in eben diesem August des Jahres 1110 König Heinrich Y. ein Heer von 30000 Mann sammelte, um seine Kaiserkrönung in Rom wirksam betreiben zu können. Sollte da Coblenz nicht eine Sammelstelle für die rheinischen reisigen Edelen gewesen sein, und musste sich nicht auch Tuto unter ihnen befunden haben ? Es wird das um so gewisser, wenn wir in Tuto's Urkunde lesen, dass er die Stiftung in erster Linie für sein Seelenheil und dann erst für das seiner Yerwanten („pro anime mee et

1) Beyer 1, 479; Günther, Cod. dipl. 1, 166, Mittelrhein. Urkundcnbuch 2, 671, Nr. 463; Goerz, Mittelrhein. Regesten 1, 457, Nr. 1634. -) Wenn Vogel, Beschr. 635 bemerkt; „Ein Adeliger Ello von Laudroth kommt 1110 vor'', so kann sich das doch wohl nur auf unsere Urkunde beziehen, obgleich er diese S. 288 unbestimmt zwischen 1102 und 1124 geschrieben sein lässt. Ebenso gründet sich seine Bemerkung ebenda 618: „Ein Win- hard und Gerlach von Milingen erscheinen um 1110'" sicher nur auf unsere Stelle. Da er die- selben Nachrichten wörtlich schon in seiner „Topographie'' S. 72 und 85 aufführt, die er ge- wöhnlich in der gleichen Gestalt in seiner „Beschr.'' vorwertet hat, so hat er bei crsteror offenbar andere Quellen benutzt, deren Kenntnis uns vorenthalten ist. Es muss das um so mehr beklagt werden, als sich seine Annahmen mit den unseren docken, ohne den gleichen Quellen entnommen zu sein. ") Kehrein, Nass. Nnmcnbuch 1, 182; Förstonianii 2, 1444.

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pareutum mooriim salute") macht. Das ist eines in den Krieg Ziehenden nach der Sitte der Zeit Art. Er versichert seine Seele, wo der Leib in Gefahr ist. Und wenn er bei diesem Anlass seines Bruders gedenkt, 7.11 dessen Seelenheil er bis dahin noch nichts gethan hatte, obgleich es ihm lange schon im Sinne lag („iura diu deliberaui"). so gehört das erst recht mit zu einer solchen letzten Versicherung, zumal die Sf.hne des Gemordeten noch minderjährig, ja geradezu noch Knaben waren, l'ud es war wolilgethan im Sinne des Zeitalters. Denn, 80 müssen wir. nun besser unterrichtet, schliessen, Tuto kehrte nicht wieder von Rom.

"SVir begründen das mit der Thatsache, dass 1112 ein fremder Graf im KüniffSffau auftritt. Kin Zeugnis nebenbei gesagt, dass, wenn wir uns nicht

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der früheren ebenso massgebenden Vertretungen alle im Künigsgau erinnern wollen, man keinen minderjährigen Titulargrafen bei den Beurkundungen in gewöhnlichen Fällen zuliess. Schon Schmidt^) hat die Urkunde dieses Jahres herangezogen und VogeP), wie Schliephake^), haben sie in ihrer Weise zu verwenden gesucht, in der Erzbischof Adelbert von Mainz die Schenkung des AUüds der AVitwe Cuniza ,in villa AVilibach in pago Cuningesundera in comitatu Rudolf i comitis situm" an das Jakobskloster in Mainz bestätigt.^) Schliep- hake in seiner irrigen Annahme, dass der Königsgau zuletzt geteilt gewesen sein möge, und in dem östlichen Teile die Familie Udalrichs gewaltet habe, will diesen Grafen Rudolf zwar auch diesem , Seitenzweige" zuweisen und „zwischen die beiden Udalriche" setzen, aber derselbe ist erweislich Graf im ^'iddagau. Schon Bodmann^) führt im Stammbaum der niddagauer Grafen zwei Verschiedene dieses Namens im ausgehenden zehnten und ersten Viertel des elften Jahrhunderts auf, und von dem letzteren dürfen wir eine Schenkung zu seinem und seiner Gemahlin Seelenheile in Cruftela im Niddagau namhaft machen.*') Einen dritten Grafen Rudolf aber finden wir in den von uns oben für Udalrich und dann für Trutwin 111. angezogenen Urkunden von 1069, 1070, 1072 und 1081, sodass gar kein Zweifel sein kann, dass der Rudolf des Jahres 1112 niddagauischer Abkunft sein muss. Begegnen wir doch noch 1238 einem Rudolf unter den Grafen von Ziegenhain und Nidda.^)

Nun wäre ja freilich ein anderer Stellvertreter für den minderjährigen Sohn des gebannten und dann gemordeten Trutwin aus dem eigenen Hause zu erwarten gewesen, Graf Udalrich von Eppstein-Idstein. Indes ihn machten, wenn wir aus den damaligen politischen Verhältnissen schliessen dürfen, gerade diese zu der Zeit unmöglich. Ja, es wird uns erlaubt sein müssen, um eben dieser politischen Dinge willen eine Entzweiung in der gaugräflichen Familie anzunehmen, die Laurenburg von Idstein-Eppstein schied, "Wir sehen Lauren- burg in der Person Tuto's auf Bruno's Seite und deshalb, da dieser auf Kaiser lleiorich^s V. Seite stand, kaiserlich gesinnt, während I^dalrich schon der Lage

') Annal. 3, 3, 108. ■) Beschr. 228. ^) \, 136. *) Sauer 1, 95 f. Nr. 165; Will, Kef,'csten 1, 248, Nr. 129. '•) Rheihg. Altert. 601. «) Will, Moii. IM. 14, Nr. 29; Sfiiirr 1, .')4, Xr. 110, 29. ') Scriba, Rnpcsten zur LiuuIch- und Ortsfjesfli. des Grossli. HcsHcn. DaniiHt. lH4't. 2. .34, Nr. 4:i2.

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seiner Besitzungen nach untl vielleicht nicht weniger seiner Gemahlin wegen') zu Erzbischof Adelbert, dem erklärten Feinde des Kaisers hielt. Nun ward gerade im Dezember 1112 der schon seit einem Jahre als Feind verdächtige Adelbert auf drei Jahre in strengste Haft genommen.^) Wie hätte da sein Anhänger mit einem Rcichsamt betraut werden kfmnen, der sicher in der „maxima militum copia" Adelbert's sich befand, über welche das kaiserliche Manifest Khige führt.'') Allzulange wird diese kaiserliche Ungnade nicht ge- dauert haben, zumal wir auch den Grafen Rudolf nur das genannte eine Mal seines Stellvertreteramtes walten sehen. Will uns doch schon das Jahr 1114 ein anderes zeigen, wenn wir, wovon nachher, Udalrich als Führer des gau- gräflichen Fähnleins im kaiserlichen Heerbanne vor Köln zu erblicken meinen. Dies die eine Besserung unseres damaligen Versehens. Die andere ist von ungleich geringerem Belange, aber die Gewissenhaftigkeit gebietet, sie nicht zu unterdrücken. Wir übersahen damals, dass in Bruno's Urkunde betrefi's des „ins advocacie" der neuen Gründung ein „ut prescriptum" beigesetzt war. Dieser Beisatz hat in der Urkunde selber keinen Anhalt, muss sich also auf die Urkunde Tuto's beziehen, in der die Rechte der Yogtei des neuen Klosters genau geregelt werden. Daraus geht hervor, dass nicht bloss die Stiftung, son- dern auch die Stiftungsurkunde ihre, wenn auch verdeckte, Bestätigung erhalten hat, sodass sie wenigstens als massgebende Beilage der Bruno'schen Klosterbe- stätigung anerkannt ist. Ja, wir dürfen wohl noch weitergehen. Diese Beilage stand, wie das „ut prescriptum" deutlich zu machen scheint, auf einem Perga- ment mit Bruno's Urkunde und war, wie die sonst nicht gewöhnliche Art, die Zeitwörter nach altklassischem Gebrauch ohne et zu verbinden, in beiden zeigt, von derselben Hand, die wir als die des schaffhauser Abts vermuteten. Aus diesem Umstände mag sich auch ergeben, dass nur die Bruno'sche Urkunde mit dem Namen der Zeugen versehen ist und das „etc." unter der Tuto's, was der „Rettung" fremd ist, auf einem Zusatz des Schreibers der von Schliep- hake benutzten „alten Copie" beruht. Jedenfalls verdient der Abdruck der „Rettung" in diesem Stück mehr Glauben, da das um sein Recht gegen Nassau streitende Schünau nach Wenck's'*) richtiger Bemerkung „die Originalurkunden dem Richter vorzulegen verbunden" war. Wir werden hierin bestärkt durch den am Schlüsse des Bruno'schen Schriftstücks gebrauchten Ausdruck: „Testes autem huius pactionis hie asscripti retiueutur." „Pactio" ist Vertrag und konnte daher von Bruno's Bestätigung nicht allein gebraucht werden, sondern setzt Tuto's Urkunde als die des Mitpartners voraus, und das selbst dann, wenn „pactio" hier den Sinn eines zunächst geheimen Vertrags haben sollte, der erst im Notfalle veröffentlicht werden dürfe. Den Vertrag zwischen Bruno und Schaffhausen abgeschlossen zu denken, verbietet sich um deswillen, dass letzteres lediglich dem Vertragsgegenstand eingeordnet war.

') In der später zu bespreclienclen Urkunde von 1128 wird Udalrioli nicht bloss ..cocfnn- tus" von Erzbiscliof Adelbert genannt, sondern von seiner Genialilin nicht minder ausdrücklich gesagt: ,,et uxoris sue Matthildis etiam cognate raee.** Gudenus, Cod. dipl. 1, 7G1; Sauer 1, 104, Nr. 176. ■) Will, Regesten 1, 246, Nr. 27. ■'] Ebenda. *) Histor. Abhandl. 1, 50, Anm.

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Aber wenn dann auch Tuto's Antrag die erzbiscliöfliclie Willfalirung ge- funden hat, so wird die ganze Abmachung, wie wir ehemals hervorhüben, als eine kanonisch unregelmässige bezeichnet werden müssen. Und das selbst in dem Falle, dass wir Lipporn nach den Regeln des Benediktinerordens als blosses Filiale, weil blosses Priorat, von SchafFhauseu anzusehen haben^), in ihm also eine blosse Erweiterung des schaft'hauser Mutterklosters erblicken müssen. Denn nicht nur dass die gewöhnliche Bestätigungsform umgangen ist, so ist gerade in der Heranziehung eines fremden Klosters der Beweis einer Ausnahme ge- liefert. Oder hätte es nicht nahe gelegen, dass das demselben Orden ange- hörende Bleidenstat das B'iliale übernommen hätte, zumal es zur Yogtei Lauren - burg's gehr»rte'? Bleidenstat, das zudem die Beerdigungsstätte seiner Yögte war? Dass es unbeteiligt bleibt, kann kaum anders denn als Ablehnung einer an es gestellten Aufforderung gedeutet werden. Es muss also einen Haken in der Sache gefunden haben, und dieser kann nicht der gewesen sein, dass Lipporn ausserhalb seiner kirchlichen Heimat, dem mainzer Sprengel, lag, denn auch Schaffhausen gehörte nicht in den trierischen Machtbereich. Ausser der kirch- lich bedenklichen Sache werden die wenig einträchtigen Beziehungen zwischen den beiden Erzbischöfen Bruno und Adelbert mitgespielt haben. Der letztere hatte mit Verleumdungen und sonstiger Tücke nicht aufgehört, bis er den wegen der Jugend Heinrich's Y. von den Fürsten zum Obsorger des Reichs und Stell- vertreter des königlichen Hofes (,procurator regni ac vicedominus regiae curiae) bestellten Bruno von diesem Amte gebracht und sich selbst in dessen Besitz gesetzt hatte.^) Bleidenstat aber musste es mit seinem nahen kirchhchen Ober- herrn halten, wie Tuto es mit Bruno zu halten beflissen war. Lipporn war demnach mit seinem Bestand lediglich auf die persönliche Gunst Bruno's ge- wiesen. Mcht einmal, dass es, soweit wir wissen können, wie andere die könig- liche Bestätigung erfahren hat. Gleichwohl stand es, wie wir nun mit ziem- licher Sicherheit rechnen dürfen, unbehelligt seine vollen 16 Jahre, bis es 1126 in die Abtei Schönau überging. Es will das etwas bedeuten, wenn wir bedenken, dass ihm der Schutz seines weltlichen Gründers fehlte, derjenige von dessen minderjährigen Nachfolgern aber kaum in Betracht kommen konnte.

Soviel von dem, was wir zur Berichtigung unserer Darstellung in der „schönauer Überlieferung" nachzutragen uns verbunden hielten. Wir können damit aber noch nicht den Zeitraum verlassen, in den die geschilderten Begeb- nisse fielen. Denn es ist aus dieser Zeit noch die Geschichte des anderen Zweiges des königsgauer Hauses zu berichten, in die wir vorhin schon uns einen Yorgriff erlauben mussten, da es den Ausgang des idstein-eppensteiner Hauses darzustellen gilt.

7. rdalrich II. niul Koiirart von Idstein. Fdalrich III.

von Idstein-Eppstein.

Yum Tode T'dalrich's L an bis zum Jahre 1162 fehlt uns hier alle Nach- richt. Eine T'rkunde dieses Jahres aber, auf die sc.Jion Kremer^) und 65 Jahre

') Vgl. Wetzor u. Wolto, Kiichonlcxikon 8, 771. *) Rrowor, Annal. trev. 2, u. 7*. - ^) Orig. NasB. 1, 315, Aiini. 5.

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später Schmidt-Steiner^) aufmerksam gemacht hatten, die jedoch VogeP), wie Schliephake unbeachtet Hessen, sodass Freiherr Schenk von Schweins- berg^) sie aufs neue in das verdiente Licht rücken musste, bietet an erster Stelle nach dem mainzer Stadtpräfecten Gerhard „Vdalricus et Cunradus, frater eins de Etichenstein". Der Dispensator des mainzer S. Jakobsklostera, Härtung, verbrieft "in ihr die Verpfändung des Dorfes Roth und eines Mansus in Schwanheim seitens des im erstgenannten Orte geborenen Besitzers, der auch Vdalricus heisst, für 100 Talente an sein Kloster samt allen daran ge- knüpften Abmachungen."*) Die Zeugenschafe der genannten ]3eiden hierbei rührt augenscheinlich daher, dass Schwanheim, wie Schenk beibringt^), ein Vogtei- lehen des Klosters an die Herren von Eppenstein war. Dass aber nach ihnen nur Mitglieder des niederen Adels: „Cuno de Manendale" und „Franco et Hubertus de Birgestat" aufgeführt werden, bot dem des Sachverhaltes unkundigen Herausgeber der Urkunde, Joannis, Anlass, die beiden idsteiner Brüder, wie Schenk richtig bemerkt, im Register ebenfalls dem niederen Adel beizuzählen. Name und Ortsangabe aber bezeichnen sie uns unverkennbar als Söhne Udal- richs I. wie als Grafen. Wir nennen deshalb den ersten und also wohl äl- teren von ihnen Udalrich H., sehen uns aber genötigt, der seitherigen Annahme entgegen, beide Brüder als Zeitgenossen Trutwin's HI. und Tuto's IV. aufzu- fassen und darum nur dieses eine Mal Zeugnis von ihrem Vorhandensein ab- legen zu lassen. Denn unsern Udalrich II. mit dem bisher so genannten als eine Person zu nehmen, würde soviel sein, als den letzteren zum Uberleber zweier laurenburg'schen Geschlechter zu machen und ihn von einem Vater Udalrich I. abstammen zu lassen, der bei seinem ersten Auftreten im Jahre 1052 schon ein gereifter Mann sein musste.

Wir gestatten uns deshalb, den bisherigen „Udalrich H." als Sohn unseres Udalrich IL vom Jahre 1102 anzusehen und ihn Udalrich IH. zu nennen. Dieser Name ist mit einem Berichte aus dem Jahre 1114 verknüpft, den wir der Zeit entsprechend zunächst einer erneuten Prüfung zu unterwerfen haben, so bekannt er auch aus Vogel's*') undSchliephake's'') Darstellung, um Früherer nicht zu gedenken, ist. Brower^) erzählt nach einem ihm zu Gesichte ge-

') Annalen 3, 3, 117. ^) Und doch kannte er die Urkunde nach Beschr. 871. •') Mitteil, des hanauer Bezirksver. 6, 24. ■•) Joannis, Her. mog. 2, 805. '*) Vermutlioli gestützt auf Vogel, Beschr. 871. '^) Beschr. 294. '') 1, 139. **) Annal. trev. 2, 12«. Der bequemeren Nachprüfung unserer Darstellung wegen setzen wir den vollen Wortlaut des Briefes hierher: „Udalricus, comitis Udalrici cliens militaris, provinciam, quam vocamus Haanani, conjuratis plerisque assumptis, invasit hostiliter, et incolas alios membris foede truncavit, alios morte affecit. At illi, ut sunt efferi et immanes, cum dato signo concurrunt undique ad suorum necem injuriasquc vindicandas, usque ad fluviuni nostrura Loganam fugientem hostem insecuti sunt. Quare diruptis et cursu fessis jumentia, cum oniittere fugam cogitur Udalricus, plerique abjectis armis pedites, silva cos tcgente, periculum fuga dedinarunt ; caeteri in Ecclesiam hnno, velut ad asylum confugientes, dum altaria certatim amplectuntur, gens illa effrenis in ipsum nionasterium, patefactis vi claustris, irrumpens, nonnullos in Ecclesiae sinn captos, correptos- i|uc ad poenam, nefarie stravit et occidit. Quamobrem hanc illatam Basilicae, et S. Georgio Domino suo vim atque injuriam, ut cordi habere, et quanam poena plecti violentos conveniat, diapicere Bruno velit, communitor rogant et obtestantur."

Annalen, liü. XXVI. 4

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kommeuen Schreiben der Kanoniker des S. Georgsstiftes in Limburg an den Erzbischof Bruno in Trier vom Jahre 1114, dass ein Kriegsvasall des Grafen l'dalrich, selber des Namens Udalrich, mit einem Haufen von Dienstgenossen in das Gebiet von Ilalin eingebrochen sei und Einwohner desselben teils gräss- lich verstümmelt, teils getütet habe. Die übrigen hätten sich hierauf, roh und grausam, wie sie seien, auf ein gegebenes Zeichen zusammengerottet, um den Murd und die Unthat an den Ihrigen zu rächen, und den fliehenden Feind bis nach Limburg verfolgt, wo der Rest von ihm im Georgskloster Schutz gesucht hätte, nachdem die andern unter Zurücklassuug der zersprengten und ermüdeten Zugtiere zu Fusse im Walde Zuflucht gefunden hatten. Hier hätten die Ver- folger die Thüren erbrochen und in der Kirche ein Blutbad angerichtet. Die Schreiber dos Briefes bäten deshalb darum, dass Bruno die der Kirche und ihrem Herrn, dem h. Georg, zugefügte Gewaltthat zu Herzen nehmen und ausfindig machen wolle, wie die Gewaltthätigen zu strafen seien.

Dass die hierbei genannte „provincia Haana" nicht der Einrieb sein könne, wie Brower und mit ihm Gebhardi annahmen, indem sie Einrieb zu Hainrich oder llänrich umdeuteten, hat schon Krem er nachgewiesen.^) Doch irrt auch er, wenn er, verführt von dem Ausdruck „provincia", auf die „Saynischen Lande" rät, weil „in dieser Gegend noch jetzt mehrere Orte in ihren Namen das An- denken dieser Provinz behalten: Hayn oder Hahn, Langenhahn, Rotzenhahn, Hellenhahn, Zinnhahn. " Vogel, dem sich Schliephake nach Gewohnheit an- schliesst, hat diese Deutung benutzt, aber, obwohl richtiger „provincia" in seiner seit Tertullian^) gangbaren Bedeutung von Gegend fassend, ebenso willkürlich auf die Gegend von Hoen, das ehemals Hana geheissen habe, beschränkt.'') Wäh- rend er alsdann textgemäss den Zug des Dienstmannes Udalrich deutete, Hess er sich später verleiten, einen Kriegszug zur Geltendmachung von Erbansprüchen seines Grafen an das dietzischc Gebiet zu vermuten. Nicht nur aber, dass der Bericht hiervon keine Silbe meldet, so lässt dieser schon seinem Wortlaut nach gar keinen andern als einen barbarischen Mordzug zu, da nur von Ver- stümmeln und Tüten der Überfallenen die Rede ist. Wir denken, die Sache liegt so. Brower berichtet vor Erzählung dieses Frevels, dass Kaiser Heinrich V., nach seiner Vermählung mit ISlathilde, der Tochter des Königs Heinrich von England, um E])iphanias 1114 in Mainz, sich zur Belagerung des aufständischen KTilii aufgemacht habe. Da die Hoffnung auf Einnahme trog, so wandte sich der Kriegszorn, mit Brower zu reden, auf Verwüstung, oder vielmehr, wie die „Annales C'olonienses"'*) besser wissen, die Kölner verheeren die kaiserlichen Besitzungen am Rhein, namentlich Andernach und Sinzig, im August und Sep- tember. Und als es darnach im Oktober zur Schlacht zwischen den Kaiserlichen und Kölnern bei Andernach kommt, werden die aus Sachsen, Franken, Alemannen, Baicrii und Burgundern bestehenden Ersteren aufs Haupt geschlagen. Wie nun, wenn an diesem Zuge auch der Heerhaufe des Grafen Udalrich, den wir bei

'j Orig. Nass. 1, 215. *) de anima c. 42, bei Du Cange-Henschel .5, 493''. '-) Aniial. 1, 1, 100 f., Bcsclir. 294. 'j Mon. Germ. 17, 749 f.; vgl. Ooerz, Mittelrliein. itegeat. 1, 405, Nr. 1671.

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[lieser Gelegenheit als Gaugrafen xai denken hätten, beteiligt gewesen wäre und eine unter Führung des gleichnamigen Leheusnianues^) stehende Abteilung auf dem Rückwege das an der alten Strasse zwischen Köln-Limburg-Frankfurt hegende Dorf Hahn im Amte "Walmerod, mit seiner Umgebung das hahnische Gebiet, die „proviucia Ilaana" ^) von den Briefschreibern geheissen, zur Ahndung wegen etwa auf dem Plinzug verübter Gewaltthaten oder aus altem Nachbarhasse, wie wir gleich begründen werden, oder aus einem noch viel triftigeren Grunde, den wir später nennen wollen, überfallen habe? Es entspräche das dem, dass der Bericht nur von Verstümmeln und Morden, nicht von Rauben erzählt und gleichwohl, wie das die bei der Flucht erwähnten Zugtiere klar machen, Fuhr- werke dabei sein lässt, die demnach nur das Heergeräte zu führen bestimmt waren. ^) Überdies ist der im Anfange des Berichtes gebrauchte Ausdruck „con- juratis plerisque assumptis" nicht von Mitverschworenen zu verstehen, die Udal- rich für seinen Mordzweck hinzugenommen hätte, denn „conjurare" im mittel- lateinischen Sinne bedeutet: zur Yasallen- oder Hörigenpflicht rufen.^) Die „conjurati" hier sind also in Pflicht genommene Dienstmannen des Grafen Udal- ricli. Besehen wir uns dabei den Vasallen Udalrich genauer, so haben wir wohl in ihm denselben Mann zu entdecken, bei dessen Güterverkauf an das Kloster S. Jakob „Vdalricus et Cunradus frater eins de Etichenstein" erste Zeu- gen nach dem Stadtpräfecten waren, und die nach ihnen verzeichneten „Cuno de Manendale" und „Franco et Hubertus de Birgestat" ihre idsteinischen Burg- männer sein werden. Nun wird der Vasall „Vdalricus", der damals (1102) noch ein junger Mann gewesen sein muss, da er nach der Urkunde gegebenen Falles eine Hörige des Klosters heiraten soll, als ein „de vico, qui Roth nuncupatus, oriundus" genannt. Da sich in der Nähe Schwanheims, in dem Udalricus 4 Mansen verkauft, kein Dorf dieses Namens befindet, der Verkauf in ersterem vielmehr als ein besonderes Geschäft bezeichnet wird, bei dem neben dem Stadt- präfecten Gerhard nur der Vetter Udalrich's, Almar, zugegen war, so dürfte au Roth in der Nähe Hahn's zu denken sein, und dann wäre wohl der Nach- barhass, von dem wir vorhin als einer möglichen Ursache zum Überfall Hahns redeten, in genügendes Licht gesetzt, ebenso wie die Grausamkeit auch dieses

1) Der Ausdruck „Cliens militaris" begegnet nur hier. Sonst bedeutet cliens allein schon armiger, dann aber auch vasallus, Du Cange-Henschel 2, 397\ Beides wird also den Kriegsvasallen oder Lehensmann bezeichnen, und es wird hier in Betracht kommen, was Waitz, Verfassungsgesch. 3, 232 bemerkt: „Es ist nicht zu zweifeln, dass die Vornehmen des Reichs sich gerne, wie mit unfreien Dienern, die bewaffnet waren, so auch mit Vasallen um- gaben, welche ihnen Schutz und Hilfe bei verschiedenen Vorkommnissen gewährten." -) Ist das Wort richtig gelesen von Brower, so ist seine ungewöhnliche Fi)rm bemerkenswert. Das 12. Jahrhundert kennt noch keine Dehnung durch aa; aa ist ihm Zusammenziehung ans aha, wie haal, Kessolhaken aus hahal, Graff 4, 772. Hier dagegen müsste eine Zusammen- ziehung aus aga, da der Name vom ahd. hagan kommt, stattfinden. ') Dass unter den „jumentis'* zunächst Zugtiere zu verstehen sind, beweist der erste Beisatz „diruptis". Auf der wilden Flucht sind die Gespanne zersprengt worden; „fessis" bezieht sich dann vorzugsweise auf die unter den „jumentis'* mitbegriff'enen Rosse der Reisigen, die dadurch gezwungen wor- den, nach Abwerfung ihrer schweren Waffen als „pedites" im Walde ihre Zuflucht zu suchon, während die übrigen leicht bewaffneten Fussgänger sich nacli Limburg flüchten. ■•,) Du

Cange-Henschel 2, 540".

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Westerwälders ; .efteri et immaücs" nennt sie ja der Bericht. Und doch ist diese Grausamkeit auch dann noch so ungeheuerlich, dass wir die Vermutung nicht zu unterdrücken vermögen, hier habe vielmehr die Rache für Trutwin's Mord ihr spätes blutiges Gericht gehalten. Oder liegt es so fern ab, anzunehmen, dass der Mörder entflohen war, in dem entfernten Hahn einen langjährigen Versteck gefunden hatte, dann endlich ausgekundschaftet worden war, und der wilde Rückzug nach der verlorenen Schlacht, der die Mordbegier nur gesteigert hatte, die heissbegehrte Gelegenheit bot, ihn auf fremdem Boden niederzustossen oder vielmeiir ihm den Rücken zu brechen^) und seine Helfershelfer mitbüssen zu lassen? Den limburger Beschwerdeführern konnte das ja nicht bekannt sein. Al)er dem Grafen Udalrich war es ohne Zweifel nicht verborgen und geschah auf seinen geheimen Befehl, als des einzig noch übrigen mündigen Bluträchers, der nun durch einen Knecht eine Knechtesthat ahnden lassen konnte, wo ihm selber Blutrichter zu sein versagt war.

Dass der Graf darnach als wirkliches Haupt des königsgauer Hauses auftritt, glauben wir aus seinem Namen unter den mehr als dreissig Zeugen der Geistlichkeit, des hohen Adels und der mainzer Dienstmannen auf dem Freiheitsbrief vom Jahre 1118 schliessen zu müssen, den Erzbischof Adelbert zum Dank für seine Befreiung ausstellte.^) Er ist dort als ,Vdalricus de Edichenstein" verzeichnet. An seiner Stelle aber sind bei der Bestätigung dieses Briefes 1135 seine Vettern „Arnoldus comes et frater eins Rutbertus de Luren- burc."^) Nur noch einmal sodann bekundet er uns sein Dasein als Zeuge und nun unter dem Namen „Udalricus de Eppenstein" bei der Gelegenheit, wo Erzbischof Adelbert der Abtei S. Jakob 1122 den Besitz der Parochialkirche in Gensim (Ginsheim) bestätigt.^) In dieselbe Zeit aber müsste die angebliche Schenk- ung Udalrichs an Adelbert oder das Martinsstift in Mainz fallen, die unter den dem Erzbischüfe während seiner Regierungszeit gemachten anderweiten Zuwendungen an letzter Stelle mit den Worten angeführt zu werden pflegt: „Castrum Dingen- burc, munitionem Obcroldeshusen cum prediis suis: Castra duo, Ethechenstein et Eppenstein, que comes Vdalricus dedit cum universis prediis suis et minis- terialibus suis, sicut probatur per quoddam Privilegium Ecclesie Sti Jacobi, (juod habet super (juibusdam bonis in Rudensheim."^)

Diese Aufzeichnung hat ihren seitherigen Auslegern viel Mühe gemacht, doch nur in Bezug auf die zwei ersten in ihr namhaft gemachten Orte. Ein „Dingenburc" kennt niemand. Vogel hat daher zu Gunsten seiner Annahme von der Bedeutung des oben geschilderten Einfalls in das hahnische Gebiet es in den Resten einer Burg „innerhalb der Grenzen des alteu Gerichtes Hoen,

') Das war wenigstens im Norden und im friesischen Rechte des Mittelalters die ge- richtliche Strafe für den Mord, vgl. Schröder, Lehrb. 72. Daher das „alios menibris foede truncavit" des Berichtes, weil es sich vielleicht niclit bloss um einen Meuchelmörder liandolte?

=j Oud.Mius, Cod. dijd. 1, IIG fl. ; Will, Regest. 1, 251, Nr. 36. •') Gudenus 1, 120.

*} Wür.ltwein, Diocc. mog. 1, 477. ■') Gudenus 1, 397 f.; Will, Regest. 1, 303, Nr. 301; Roth, Fontes rer. nass. 1, .'302. Dass Roth, Gesch. d. Stadt Wiesb. 12 auf Grund dieser Stelle davon reden kann, dass Udalrich die Burgen Eppstein und Idstein vom mainzer ErzMtift« zu Lehen getragen habe, ist seltsam.

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zwischen Seck und Hellcnhain" suchen zu sollen gemeint und findig die Ding- stätte des nahen Stiihllindengerichts bei Winden als Namensursache der Burg deuten wollen. Die „munitio Oberoldeshusen" dagegen suchte er als „befestigten Burgsitz" in der Nähe von Niedernhausen, weil sich dort eine „alte Burgschalc" finde, die in der Sage der Umgegend als „erste und eigentliche Stammburg der Herren von Eppstein" gelte und später Oberhausen geheissen habe.^) Schliephake hat diese Vermutungen warm, aber nach seiner Art vorsichtig unterstützt'"'), ohne zu bemerken, dass, wenn schon die JLerleitung von „Dingen- burc" aus ding eine sprachliche Unmöglichkeit ist, die höchstens durch Zuhilfe- nahme des Zeitworts dingen = Recht sprechen einigermassen gehalten werden könnte, dies in erhöhtem Masse für die angenommene Gleichung Oberhausen : Oberoldeshusen gilt. S chenk von Schweiusberg sucht deshalb den sehr an- sprechenden Ausweg, dass „Dingenburc" Verschreibung für Clingenberg a. M. sei; da sich cl leicht verwechseln lasse mit d, wie dies nachweislich in einer würtemberger Urkunde von 1230 bei demselben Worte geschehen ist. Auch sei Klingenberg ein maiuzisches Lehen gewesen.^) Desgleichen hatte er schon früher die , munitio Oberoldeshusen" in Obertshausen im sog. Rodgau entdecken wollen, da dort nicht bloss die geräumige „Trümmerstätte einer Burg" gefunden worden, sondern auch bei Oberoldeshusen eppsteinischer Besitz seit 1278 ur- kundlich nachgewiesen sei.*) Indes, so bestechend das auch für den ersten Augenblick klingt, „Oberoldeshusen" kann sprachlich nie zu Obertshausen werden. Das letztere ist nur das von ihm als Ahbrachtshusen, Obratshusiu und Abrachtishusen 1329, 1348 und 1371 nachgewiesene Dorf, das mit dem Personennamen Audoberath, Odebrecht, Audebert, Otbert, Othbraht, Otperaht, Obert, Opert, nhd. Obert, Odebrecht, Oppert gebildet wurde^), während Ober- oldeshusen von dem „einzig mit der Praeposition ubar zusammengesetzten Per- sonennamen" Oberolt stammt.^) Schenk's Gewährsmänner Scriba und Wörner haben beide Namen schon in ungerechtfertigter Weise zusammengeworfen, in- dem sie zu Oppershofen sogar Oppoldeshusen stellen, während das mit dem letz- teren gleichnamige Oppoldeshusen in der Herrschaft Itter, das deutlich ein zu- sammengezogenes Oberoldeshusen ist, allein steht. ^)

Sehen wir aber nun genauer zu, welchem Zweck zu Liebe dieser Aufwand von Scharfsinn und Gelehrsamkeit getrieben worden ist, so kommen Avir zu der wehmütig nüchternen Erkenntnis, dass derselbe ein von Grund aus verfehlter genannt werden rauss und nur der verkehrten Druckweise Guden's oder der verkehrten Zusammenschreibung seiner Vorlage ein unseliges Dasein verdankt. Die Worte „Castrum Dingenburc, munitionem Oberoldeshusen cum prediis suis", die Guden dem Udalrich betreffenden Absatz des Schriftstücks zugewiesen hat, gehören in Wahrheit dem vorangegangenen an, dessen Wortlaut mithin dieser war : „Miuisteriales omnes, quos Comes Adelbertus in montanis circa Nuenkirchen habuit, Filia et Vir suus Marchio Conradus Sto Martino et Archie- piscopo cum cetera familia dederunt. Castrum Dingenbure, numitiouem Obcr-

') Bcschr. 233,295. ^) 1, 142 H'. ■') Mitteil, des liauauer Bczirksvcr. 5, 12; Koih, Gesch. (1. Stadt Wiesb. 13. *) Korrespoiideuzbl. des Gesamtver. der deutsch. Gesch. 's u. Altcrturasver. 1874, Nr. 9, S. 69. ^) Pörstemann 1, Ititi t'. «) Ebenda 1, 969 u. 1267. ') Kegosten der Provinz Ötarkeuburg. Diirmst. 1847. 273.

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üldeshusen cum prcdiis suis." Sie bilden dort denselben unvermittelten Nachtrag, wie in dem Absatz vorher die ebenso durch einen vorangesetzten Punkt allein o-estellten Worte „Munitiouem Altenheim cum prediis suis", die gleichwohl von einem dicht vor dem Punkte stehendeu „dedit" abhängen. Es entspricht dies auch ganz genau dem Sinne der Stelle. Der in ihr genannte Graf Adelbert ist unstreitig ein Graf dieses Namens von Calw, dessen Vater schon unter Heinrich IV. sich des Klosters Lorsch als Schützer gegen den Erzbischof Adelbert von Bremen annahm, und der selber als Vogt des Klostors bezeichnet werden muss, da es sein Sohn Gottfrid sicher war.^) Markgraf Konrad dagegen dürfte nach Guden ein Zähringer sein, der 1145 als Vater Otto's genannt wird.*) Das in der Stelle aber genannte Nuenkircheu, das heutige Nounkirchen, beinahe auf dem Gipfel der 2364' hohen neunkircher llühe''), liegt nur 2\!i Stunden vom Kloster Lorsch, also unfehlbar in dessen Bannkreis, wenn es auch nicht namentlich darin aufgeführt wird bei Dahl. Die rätselhafte „Dingenburc* entpuppt sich also einfach als das heutige Zwiugenberg, 2V2 Stunden von Neunkirchen an der Bergstrasse gelegen und ebenfalls Lorsch ehedem zugehörig. Die ursprüng- liche Form des Namens ist Twingenburg*); und wie das mhd. twingen mit dwingen wechselweise erscheint^), so konnte ebensogut Dwingenburc geschrieben werden. Der Schreiber unserer Stelle hat also ein \; oder u vergessen oder übersehen. Hierdurch wird dann auch die Vermutung Wenck's hinfällig, dass die Burg Zwingenberg unter dem Grafen Diether HL von Katzenelnbogen im 13. Jahrhundert angelegt sein möchte.*^) Aber freilich wird die Burg erst 1312 maiuzisches Lehen'), während sie es nach unserer Urkunde schon vor 1127 sein sollte. Doch kann uns das nicht stören, da ein Besitzwechsel im Laufe des Jahrhunderts nicht ausgeschlossen, oder aber auch hier geschehen ist, was wir alsbald von Idstein und Eppstein zu berichten haben. Was endlich die „munitio Oberoldeshusen" betrifft, so muss bedauert werden, dass man seither .munitio" nie anders als in der Bedeutung Feste gefasst hat, während doch seine Stellung neben „castrum" darauf führen musste, das Wort in seiner mittel- alterlichen Bedeutung zu verstehen, in der es redditus, fractus heisst, also nur die Einkünfte von Oberoldeshuseu bezeichnet.^) Ob aber Oberoldeshusen das von Schenk in der Nähe von Seligenstadt festgestellte ist, kann mit unseren dermaligen urkundlichen Mitteln nicht bewährt werden.

Kommen wir dcnmacii zu dem uns allein angehenden Reste des uns bis dahin beschäftigenden Urkundenabschnittes. Er bestätigt als wirklichen Besitz

') Coil. laur. 2, 18.'}, Xr. 189; Dahl, Hist. topogr. stat. Gesch. des Fürstentums Lorsch. Üurmst. 1812. 08, 142 f., 145;'^Stälin, Wirtemb. Gesch. 2, 370. ") Cod. dipl. 1, 171. Wenn Stalin 2, 20:^ sagt: .,In beiden sehr entfernten Gegenden der genannten Gaue UfYgau und Maingau trelFcn wir im Anfang des 12. Jahrhunderts die Markgrafen von Baden begütert, und dieses scliwcrlich ziifiiiligc Zusammentreffen erklärt sich am leichtesten, wenn wir hier in den Markgrafen von Baden die Rechtsnachfolger der Grafen von Calw annehmen'', so dürfte hier jn ilcm Markgrafen Konrad, den Stillin nicht kennt, der Punkt des Zusammenschlusses ge- geben sein. ') Wagner, Stat. topogr. Beschr. des Grossh. Hessen. Darmst. 1829. 1, 167.

♦) Scriba, Kegesten 1,248. ') Siehe Lexer 2, 1602. ^) Hess. Landesgesch. 1, 365.

'j GudcnuH, Cod. dipl. .1, 72. ") Du Cange-Henschel 4, 579"=.

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Udalrich's Idstein und Eppenstcin, aber, wenn wir auch hier genauer prüfen, nur diesen. Denn Idstein ist niemals, soweit wir das urkundlich verfolgen können, in mainzische Hände übergegangen. Eppstein aber konnte gar nicht vom Grafen Udalrich verschenkt werden, da es Reichslohen war. Nach einer Urkunde vom 30. Mai 1124 schenkt erst Kaiser Heinrich V. auf Bitten seiner Gemahlin Mathilde und des Erzbischofs Adelbert die Hälfte der Burg an Mainz.*) Die andere Hälfte aber blieb Reichslehen, selbst als sie au Hessen veräussert worden war.*) Und wenn es auch im eppsteinischen Lehensbuch des 13. Jahrhunderts heisst: „Item vom bysthum zcu Mencze die borg zcu Eppenstein"^), so kann sich das nur auf die raainzische Hälfte bezichen. Hat man doch auch bisher übersehen, dass dem Schreiber von dieser Schenkung kein Schenkungsbrief vorlag, sondern dass er seine Nachricht nur einem „Privilegium" des Jakobs- klosters über dessen Güter in Rüdesheim entnahm. In diesem Schriftstück kann aber eine solche Schenkung selbstverständlich nicht an sich enthalten gewesen sein, sondern höchstens in einer Neben- oder Randbemerkung vorkommen, die vermutlich nähere Erläuterung über den Schenker der rüdesheimer Güter gab. Wenn wir nun lesen, dass unter dem Abte Burchard (1108 1119) das Kloster gewisse Weinberge („vineas quasdam") in Rüdesheim erhalten^ habe*), und wenn wir uns dabei erinnern, dass oben bei der Schenkung der Kirche in Ginsheim an dasselbe Jakobskloster in Mainz Graf Udalrich Zeuge war, so mag wohl sein, dass dieser der Schenker jener Weinberge war und ein Späterer ihn bei dieser Gelegenheit am Rande auch als Schenker von Idstein und Epp- stein bezeichnete, wie man gerüchtsweise annahm. Es mochte dieses Gerücht seiner Zeit eine wirkliche Unterlage gehabt haben, wie bei der sogleich zu besprechenden Schenkung von Bierstadt. Wir bleiben also dabei, dass das Ver- zeichnis der Schenkungen an Mainz uns nur Gewissheit über den Besitz Id- steins und Eppsteins in der Hand des Grafen Udalrich gibt.

Wir kommen nun zum letzten Schriftzeugnis, in dem der Name dieses Grafen noch einmal zum Vorschein kommt. Erzbischof Adelbert hatte sicli 1128 imRückblick auf seine stolze Vergangenheit auch Schliephake^) spricht vom „starken Selbstgefühle" Adelberts veranlasst gefunden, eine Dankheka- tombe zu opfern. Er that dies in Gestalt einer umfänglichen Zuwendung an seine „fi'atres S. Martini de Domo." Das erste, was er diesen zu eigen verbrieft, ist, um mit seinen Worten zu reden: „curia in Birgestadt, qui fuit Comitis Vdalrici cognati mei et uxoris sue Mattildis etiam cognate mee, et quam ipsemet prius voto tradidit S. Martine ; ipsa autem post mortem eiusdem mariti sui, sicut uxor fidissima et devotissima, quod ipse minus fecit, nostro rogatu et per- suasu, coram multis astantibus et idoneis testibus soUemniter adimplevit."^) Hier- aus geht doch wohl vor allem als Bestätigung unserer vorangegangenen Be- hauptung zur Genüge hervor, dass Graf Udalrich nicht der grosse Schenker von Idstein und Eppstein gewesen sein konnte, da er hier ein so kleines Lob als einer empfängt, der noch nicht einmal seinem Gelübde in Betreff Bicrstadts

') Sauer 1, 101, Nr. 172. '^) Letlderhosc, Kl. Schrr. 3, 73 ff. in Mitteil. d. hau. Bezirksver. 5, 13. ^) Sauer 1, 182, Anm. 2. *) Joannis, Rer. mog. 2, 84. '") 1, 139, «) Gudenus, Cod. dipl. 1, 76; Sauer 1, 104, Xr. 176.

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nachgekommen sei. Und auch hier bedurfte es erst der Bitte und Überredung des Erzbischofs bei der "Witwe, Es steht deshalb zu vermuten, dass Udalrich Grösseres gelobt hatte, und dass darum Adelbert das M'irklich Empfangene, so viel Kleinere mit schlecht verhehltem Tadel bescheinigte.

Ist aber sodann etwas geeignet, den Zusammenhang Udalrich's mit dem königsgauer Hause zu verbürgen, so ist es eben dies Bierstadt. Wir haben früher gesehen, dass nach unserer Richtigstellung Hatte IV. dort zwei Hüben mit Hörigen an Bleidenstat schenkt*), und dass dies Tuto I. so viel später mit einem Obstgarten und einer halben llubo wiederholt.-) Aus diesem Grunde sehen wir ohne Zweifel auch unter der ganzen Urkunde Adelbert's „Arnoldus et frater eins Hubertus de Lurenburgh", von denen alsbald zu reden sein wird, nach „Emicho Comes de Smideburgh et frater eius Gerlachus" und „Emicho Comes de Liningen", von dem noch besonders später zu sprechen ist, als Zeugen aufgeführt. Und in diesem Zusammenhang gewinnt es erst an Bedeutung, dass Adelbert hier Udalrich seinen „cognatus" nennt. Er ist dies, wie wir seiner Zeit nachgewiesen haben durch den eben genannten Grafen Ruprecht von Lauren- burg^), demnach als ein von Haus aus Blutsverwauter der laurenburg'schen Brüder. Diese Blutsverwantschaft wird überdies durch einen anmerkungsweise unserer Urkunde beigegebenen Eintrag aus dem „über animarum" des Martins- stiftes, in dem es zum 2. April heisst: „Obiit Vlricus Comes de Nassawe qui contulit nobis villam Birgestadt", bestätigt.*) Natürlich kann das erst nach dem Jahre 1159, wo die Laurenburger sich nach Nassau zu nennen begannen, zugeschrieben sein , aber es stellt ohne Frage das sichere Gedächtnis des Stiftes von der Abkunft Udalrichs dar. Dass aber die Brüder von Laurenburg allein von den Verwanten wir werden hierzu später einen Nachtrag zu machen haben Zeugen sind, berechtigt zu dem Schlüsse, dass Udalrich, dessen offenbar zu der Zeit auch bereits verstorbene Witwe allein genannt wird, ohne männliche Erben gestorben war. Setzen wir hinzu, dass Idstein von nun an überhaupt nicht mehr im Zusammenhange mit Eppstein vorkommt, so haben wir es schon jetzt unmittelbar nach dem Tode Udalrich's in den Händen der Laurenburger zu suchen, zum abermaligen Zeugnis dafür, dass es verwante Hände sind, und dass Eppstein Reichslehen war, das mit dem Tode

«) S. Anm. 6, S. 15. ^) S. Anm. 1, S. 22. ^) Annal. 24, 149. *) Sauer a. a. 0. ijibt als Margiiialnotiz der Urkunde selber die Worte: .,Item Ulricus comes dedit villam Birg- stad ecclesie Maguntine et obiit III. non. Aprilis. Vide in libro presenciarum III. non. Aprilis". Es geht daraus hervor, dass das Martinsstift neben dem Seelenbuch noch ein solches für Ge- schenke (praesentiae) besass. Das letztere unterscheidet sich im Wortlaute vom ersteren und zugleich im Tage. Das Seelenbuch hat .,1V Xon. Aprilis'', was als der genaueren Quelle ent- stammend, das Richtige sein wird, wenn es auch wegen „de Nassawe" ein späterer Eintrag ist, d. h. aus einem umgeschriebenen Seelenbuch stammt. Aus beiden Eintrügen aber scheint hervorzugehen, was wir zur nachträglichen Bestätigung unserer im Text zuvor gemachten Be- hauptung wegen der Schenkung von Idstein und Eppstein hinzusetzen wollen, dass diese nie- mals geschenkt wurden, da ihrer hier nicht gedacht wird, während es doch in jenem grossen .Schenkregister des Erzbischofs heisst: „Ilec sunt Alludia, (juc Dominus Adelbertus Venerabilis .Moguntinus Archiepiscopus Deo et Sto Martino in Maguntia contulit." Wie hätten so bedeutende Schenkungen vergessen werden können .,in libro presenciarum", das mit seinem Eintrag augenscheinlich alles angibt, was Udalrich jemals dem Martinsstift geschenkt hat!

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des ohne männlichen Ncachkommcn gebliebenen IJdalrich in andere Iländo übergingt), zur Hälfte, wie wir bereits sahen, an Mainz, zur andern Hälfte, wie die spätere Geschichte zeigt, an die Herren von Hanau, um von da ab der Sitz eines den Laurenburgern fremden, blossen Herrengeschlechtes zu sein, an dessen Geschichte wir deshalb vorüber zu gehen haben.''*)

Man hat seither, um auch das nicht ungesagt zu lassen, die Todeszeit Udalrich's nicht bestimmen zu können gemeint, und doch stehen zwei sichere Anhaltspunkte einer solchen Bestimmung zu Gebote. Der erste ist der im Seelenbuch des Martinsstiftes genannte Todestag, der 3. April, der andere das Datum der Belohnung des Domstiftes mit Eppstein am 30. Mai 1124. Sobald Udalrich tot war, galt es für den schlau berechnenden Adelbert der erste auf dem Platze zu sein, um allen zuvor die mächtige Burg des Verstorbenen zu gewinnen. Udalrich ist also am 3. April 1124 gestorben, und die Verzögerung der Belehnung bis zum 30. Mai trotz des nahen Datumsortes Worms möglicher- weise durch die Belagerung dieser Stadt seitens des Kaisers Heinrich V.'^) veranlasst worden. Denn am Schlüsse der Urkunde heisst es nicht nach Guden's irrigem Abdruck: „data ante Wormatiam", sondern wie die Urschrift besagt: „data autem Wormatiae."*) Dass die Schenkung Bierstadt's in das gleiche Jahr, vielleicht in dieselbe Zeit gefallen sein muss, und nicht, wie mau bisher annahm, in's Jahr 1128, ergibt sich von selber daraus, dass sie zum Seelen- gedächtnis des Verstorbenen geschah. Mit der Gewinnung der reichen Gabe hatte Adelbert wohl um so leichteres Spiel, als er in der Urkunde von 1128 Mathildis „etiam cognata mea" nannte, nur dass diese Verwautschaft leider nicht nachzuweisen ist, wie die mit Udalrich.

lil. Ruprecht I. und Arnold I. von Laurenburg.

1. Als Urkundeiizeiigen. Kloster Schöiiau und seine Übergabe an Mainz.

Wenden wir uns nun zur Geschichte des Hauses Laurenburg zurück, so haben wir uns zunächst mit den beiden schon genannten Grafen Ruprecht und Arnold zu beschäftigen, die wir aus der „schönauer Überlieferung" als Söhne des gemordeten Trutwin IV. kennen.^) Als erster von Beiden begegnet

*) Es galt hier der Rechtsgrundsatz, den Schröder, Lehrb. 397 f. mit den Worten ausspricht: ,,Die Succession beschränkte sich, wie in Italien, auf die Descendcnten aus dem Mannesstaninie, unifasstc aber nicht wie dort die gesamte lehnsfähige Nachkommenschaft des ersten Erwerbers, sondern nur diejenige des letzten Besitzers, sie war demnacli ausscliliesslich Descendentensuccession und liess die Ascendenten und die Seitenverwandten, selbst die Brüder unberücksichtigt.'' ^) Der Versuch Schenk's an den a. Orten, die Anfänge des Herrcn- geschlechtes auf Eppstein in klareres Licht zu setzen, ist Jedenfalls der verheissungsvollstc von allen bisher angestellten. Unsere Beanstandung einzelner seiner Behauiitungcn berührt den Kern seiner Darstellung nicht. So kann es diesem auch nicht schaden, dass wir seine Verbindung des neuen eppsteinischen Hauses mit dem alten gräfliciien in Abrede stellen, in- dem wir Konrad von Idstein kinderlos sterben lassen. •') Schannat, Hist. episc. Wormat. 351. *) Schenk v. Schwcinsb., Mitteil, d, hau. Bczirksver. 6, 24. '-} Annal. 24, 126.

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uns im Jahre 1123 ^Arnoldus de Lurinlnirg." Neben den uns bereits bekannten .Emicho comes et fratcr suus Gerlach" von Sehmidtburg, und „Meinhardus comes de Sponheim", die ihm voraustehen, und „Sifridus comes de Nuringen", .Albero de Hachiufels^ und „Eberhardus de Hostaten", die ihm folgen, ist er Zeuge bei der Beurkundung des Erzbischofs Adelbert, dass Meingott, Sobn des verstorbenen Kämmerers Embricho, bei Antritt einer Wallfahrt nach Jeru- salem dem Kloster Altmünster mit Zustimmung seines Bruders Tuto, da er selbst ohne Leibeserben sei, seine Güter zu üstrich und Reichartshausen mit dem Beding vermacht habe, dass ihm für den Fall seiner Rückkehr der Unter- halt auf Lebenszeit von diesem gewährt werde.^) Dass damit Arnold, wenn er auch im Verlauf der nachfolgenden urkundlichen Bezeugungen hin und wieder seinem Bruder voransteht, nicht als der ältere der Brüder gelten kann, besagt die spätere Geschichte. Seinen Namen hat er unverkennbar von dem Gross- vater seiner Mutter Beatrix, den wir im Jahre 1050 als Gaugrafen im Einrieb kennen^, wie denn auch Ruprecht seinen Namen von dem Ahnherrn der Mutter Rodbertus haben wird, der eben dort in gleicher Eigenschaft 074 erscheint.^) Auf alle Fülle ist wichtig, schon hier festzustellen, was auch durch das Folgende bestätigt wird, dass ein Vertreter Laurenburgs mit dem erzbischöflichen Hofe in Mainz in Beziehung tritt. Damit ist eine Wendung in der seitherigen Haus- politik vollzogen, die wir auf Rechnung des mit Mainz verbündet gewesenen Grafen Udalrich HL zu setzen berechtigt sind. Der in der Fülle seiner Macht stehende Verwante in Mainz bot höhere politische Vorteile für das Haus, als der seinem Ende entgegengehende machtlose Bruno in Trier, obschon auch dieser, wie wir ehedem festgestellt haben, ein Verwanter des Hauses war.*)

Wir sehen deshalb gleich im folgenden Jahre, am 1. April 1124, die beiden Brüder und diesmal geht „Ruobertus comes" dem „Arnoldus frater eins" voran als Zeugen in einer Urkunde Adelberts, in der dem St. Georgs- stift in Limburg die Schenkung der Pfalzgräfin Adelheid für das Seelenheil ihres Gatten, des Pfalzgrafeu Heremann, in Eisen und Meud bestätigt wird.^) Sie sind die ersten unter den weltlichen Mitzeugen, aus denen nur ihr Ver- wanter, ,Anshelmus de Mollesberg" noch hervorgehoben sei. An erster Stelle der geistlichen Zeugen befindet sich ihr nachmaliger Feind, „Buche Worma- tiensis episcopus", der von Adelbert in Bann, vom Kaiser in die Reichsacht gethan, in diesem Jahre von den wormser Bürgern auf eigene Hand auf seinen Bischofssitz zurückgeführt worden war.'') Dies wiederholt sich in der Urkunde vom 7. Juni 1124. durch welche Adelbert die Stiftung des Klosters Sponheim und die L'ijergabe desselben au das mainzer Martinsstift durch die Brüder Meginhard und Rudolf, Grafen von Sponheim, bestätigt.^) Buggo ist als erster Zeuge genannt und die freien weltlichen sind: „Arnoldus vrbis praefectus, comes

') Sauer 1, 99 f., Nr. 170; Will, Regesten 1, 173, Xr. 142. ^) Kremer, Orig. Nm8. 2, 12:5. ■") Sauer 1, 4ß, Nr. 95. - ') Annal. 24, 141. ^J Sauer 1, 100, Nr. 171; Act. l'al. -.i, 81; Will, Kcgcsten 1, 273, Nr. 148. '') Schannat, Ilist. episc. Worm. 351. ^jTrithcmius, Chron. 8i)onh. 2, 239 ; Will, Regesten 1, 274, Nr. 151. Die Urkunde ist von HenncB 1, 10, nicht gekannt, ebensowenig von dem ilm benutzenden Schliephake 1, 165, darum auch von uns Annal. 24, 147 unbeachtet geblieben.

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Goswinus et filius eius Gcrardus et frafer eins Emicho, Arnoldus et fratcr eins Kupcrtus de Lurcoburgk, comes Fridericus Bertolfus et trater eius Sigcfridus, Ilenricus de Catzenelnbogen, Rorichus et frater eius Gerlachus [von Merxheini]'), Vdalricus, Fulcoldus." Wir schliessen daraus, dass zu dieser Zeit friedliche Beziehungen zwischen Laureuburg und Worms bezüglich der Burg Nassau be- standen haben müssen. Ob dieselben einem zeitweiligen Verzicht auf letztere seitens Laurenburgs oder einem klugen Gehenlassen der Dinge seitens Buggo's zuzuschreiben sind, oder ob ein gütlicher Ausgleich versucht worden war, lässt sich nicht bestimmen. Wir möchten aber glauben, dass ein Ausgleichsversuch am meisten für sich habe. Denn zwischen 1124 und 1126 fällt die Übersiede- lung des Klosters Lipporn nach Schön au. Und diese bedeutet ohne Frage ein Nachgeben der Laurenburger. Lipporn war als Sühnestätte für den Er- bauer Nassaus, Trutwin, ein unverkennbares Vorwerk dieser Burg. Gab man es dran, so schien die Burg zu halten zu sein. Vorerst dürfte jedoch bei dieser Gelegenheit die Aufhebung Lipporn's nur ein Gegenstand gütlicher Besprechung gewesen sein. Denn bis zum 25. April 1124 lebte Bruno, der Beschützer des- selben, und Godefridus folgte ihm im Anfang des August. Alsdann erst erhielt Buggo, wie wir seiner Zeit mutmassten^), Macht, der Besprechung seinerseits Nachdruck zu verleihen.

Vier Jahre später finden wir die laurenburger Brüder, diesmal auch wieder in der Ordnung „Arnoldus et frater eius Ruobertus de Lurenburch", in der oben besprochenen Urkunde Adelberts vom Jahre 1128 wieder. Ihre Mit- zeugen, „Emicho comes de Smideburg et frater eius Gerlaus, Emercho comes de Liningen, Dammo de Bvochen et Siegeboto [von Hanau], Bertoldus et frater eius [Sigfridus] de Nvoringeu", gehören sämtlich der rheinischen Ritterschaft au, ein Zeugnis nebenbei, dass sie selber dieser immer trotz ihres Besitzes an der Lahn angehört haben. Im Jahre 1129 sodann ist es „Rubertus comes de Lureuburc" allein, der ausser den geistlichen Zeugen mit Arnold, Grafen von Lon und mainzer Stadtpräfecten, wie Advocaten des Stifts, Gerlach von Veldcnz und Heinrich von Katzenelnbogen bezeugen hilft, dass Adelbert auf die wieder- holten Klagen des limburger Georgsstiftes über die Widersetzlichkeit seiner Hörigen zu Brechen, Bergen, Netzbach und Zeuzheim den Widersetzlichen ihre Pflichten gegen das Stift einschärft.^) Wir dürfen schon hier darauf auf- merksam machen, dass der genannte Mitzeuge Heinrich H. von Katzenelnbogen, der Ruprecht gleichalterig war, mit diesem das sog. Vierherreugericht auf dem Einrieb im Jahre 1158 erwarb.'^) Aus dem Jahre 1130 liegen uns nicht weniger als vier Urkunden Adelberts vor, in denen die Grafen von Laurenburg mit- einander als Zeugen genannt siiul. Während der ähnlichen Zeugen wegen zwei von ihnen vor den 12. Dezember zu legeu sein werden, ist die dritte am 12. gegeben und die vierte um die gleiche Zeit verfasst. In der ersten zu St. Alban bei Mainz aufgestellten entscheidet der Erzbischof einen Streit zwischen dem Stiftskapitel zu S. Victor in Mainz und den Mönchen des h. Disibodus

') Goerz, Mittelrh. Regest. 1, 492 f., Nr. 1801. -) Aunal. 24, 145. ') Sauer 1, 107, Nr. 178; Act. Pal. 3, 82; Will, Regesten 1, 288, Nr. 212. ■*) Wenck, Hess. Landes- gcsch. 1, 239, 243 ff.

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über den Zehnten von salischem Boden in Sobcrnhcim derart, dass die Mönche den Zehnten fortan allein geniessen, dafür aber dem Victorstift den Gottschalks- hof am Ötoekburgthor, dessen Grundzins für die Zukunft vom Erzstift erlassen wird, und einen Mansus in Algesheim abtreten. Die freien weltlichen Zeugen sind der Reihe nach: „Hubertus comes et frater eins Arnoldus de Lurenburch, Gerlaus de Limburg, lleiuricus de Katzenelnbogen, Sigebodo de Buchou, Ber- tulfus [sein Bruder] comes de Lindenueles, Sigfridus comes de Nuringeu jeben- falls Bruder], Cunradus de Wallrestein, Cunradus de Bickenbach. Anshelmus de Gumeldiagen."') In der zweiten erzählt Adelbert die Stiftung des Klosters Bischofsberg (später Johannisberg) durch Erzbischof Ruthard, seinen Vorgänger, und erklärt es selbständig, nachdem der Abt von S. Alban auf seine darüber gehabten Rechte verzichtet hatte. Auch verleiht er dem Kloster Pfarrrechte und vermehrt seine Besitzungen. Die Zeugen sind dieselben, nur dass zwischen Sigfrid von Nüriugs und Konrad von Wallrestein noch „Gerardus de Scoweu- burch** eingeschoben und statt des letzten „Cuonradus Spore" und „Cunradus de Ilagene" (Hanau) zugesetzt sind.-) Die dritte Urkunde vom 12. Dezember stellt die erste in kürzerer Passung dar und hat als weltliche Zeugen nur: „Arnoldus et frater eins Rupertus de Lurenburch, Heinricus de Katzenelnbogen, Bertolfus de Lindeufels, Adelbero et frater eins de Hachenfels."^) Die vierte endlich stellt eine Erweiterung der zweiten dar, wie Sauer mit Recht gegen seine Vorgänger, die sie mit dieser im wesentlichen übereinstimmen und am gleichen Tage ausgestellt sein lassen, hervorhebt, da sie von anderer Hand ge- schrieben ist, und die freien weltlichen Zeugen nur sind : „Gerlahus de Pelden- zun, Ruobertus et Arnoldus de Lurenburg, Heinricus de Katzenelnbogen, Berh- toldus comes et frater eins Sigfridus."^)

Das Jahr 1132 bringt uns die wichtige L^rkunde von der Übergabe des Klosters Schönau an Mainz. Zu unserer ehemaligen Besprechung derselben^) haben wir noch das Polgende nachzutragen. Zunächst übersahen wir in Betreff ihres Datums gleich unseren Vorgängern, dass dies mit einer unrichtigen In- diction versehen ist, und dass diese unrichtige „Indictio VIH*" (statt X") nicht bloss an ungewöhnlicher Stelle, d. h. statt, wie gebräuchlich, nach der Jahres- zahl, sogar vor dem dieser vorangehenden „Actum" steht, sondern auch, wie es eine leere Zeile vor sich hat, eine solche nach sich folgen sieht. Desgleichen hat eine erneute Untersuchung der Urschrift*"') ergeben, dass der ganze hierauf folgende Schluss, der die genaue Jahresangabe enthält, von anderer Hand, nämlich von der des Martinsstiftspropstes Heinrich, der sich am Ende als solcher zu erkennen gibt, herrührt. Nehmen wir die andere, bereits von Saucr^) ver- zeichnete Unregelmässigkeit hinzu, dass vor Aufführung der Zeugen sich noch

') Joannis, Rer. Mog. 2, 581; Will, Regesten 1, 291, Nr. 229; ^Indictionc Villi" Vc-ifclilun;,' für VIII. ^J Sauer 1, 108, Nr. 179; Will, Regesten 1, 291, Nr. 231. Die falsche Indict. VII bei Gudenus 1, 83 fällt, wie Sauer bemerkt, nur diesem zur Last. ■') Joannis, Rer. Mog. 2, 582; Will, Regesten 1, 291, Nr. 230. •*) Sauer 1, 111, Nr. 180, vgl. 110; Will, Regesten 1, 291, Nr. 231. ") Annal. 24, 10, 123, 149. ^) Herr Archiv- rat Dr. Sauer hatte die grosse Güte, sicli derselben auf unsere Bitte zu unterziehen. 'j 1, 128.

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eine 10 cm lange leere Zeile befindet, so scheint Stoff genug vorhanden zu sein, um die Urkunde verdächtig zu finden. Und doch löst sich die Sache sehr ein- fach. Der Schreiber der eigentlichen Urkunde war augenscheinlich ein Neuling. Er schrieb das bis zum Datum abgeschlossene Konzept') ins Heine, liess vor den Zeugen einen Zwischenraum, der sich dort zufällig finden mochte, und nach demselben zur Aufnahme der umständlichen Jahresangabe einen soviel grösseren. Dann setzte er seine eigenmächtige und verkehrte „ludictio VIII"". Dompropst Heinrich, der den Fehler nicht bessern durfte, da er sonst die Urkunde reclits- ungiltig gemacht haben würde, musste um seinetwillen auch den freigelassenen Kaum unbenutzt lassen und schrieb nun ohne Indiction die Jahresangabe, fügte aber, damit die andere JFand keinen Zweifel an der Echtheit der Urkunde auf- kommen lasse, sein „Data per manum Heinrici prepositi in Maguntia" hinzu. Denn „Data" bedeutet hier nichts anderes als : Das Datum ist von der Hand des mainzer Propstes Heinrich.''^) Die Sache war so wenig anstössig, dass spätere Abschriften die verkehrten Zwischenräume samt der ebenso verkehrten Indiction einfach wegliessen. Gudenus'^) hat deshalb beides in seiner Vorlage nicht gesehen, und ebenso fehlt es in der „copia authentica Archivi Idsteinen- sis", die Kremer^) abgedruckt hat.

Bedeutsamer ist, dass die Urkunde unter den Zeugen nicht, wie zu er- warten gewesen wäre, den Grafen Arnold nennt, und dass sie überhaupt nur fünf freie Edle als Zeugen aufführt. Aber auch dafür dürfte die Erklärung nicht allzuschwer sein. Die Geschichte berichtet uns, dass König Lothar im September 1132 mit einem, wenn auch schwachen, Heere zu seiner Kaiser- krönung nach Rom zog. Nun ist unsere Urkunde allerdings, wie die Angabe „anno regni sui VII" in ihr lehrt, da das 7. Jahr erst am 13. September, dem Jahrestage seines Regierungsantritts, voll war, vor diesem 13. September aus- gestellt. Aber bedenken wir, dass die Zurüstung zu der Heerfahrt alle dabei beteiligten Hände in Anspruch nehmen musste, so leuchtet wohl ebensosehr

') Die Annahme von Konzepten für Urkunden ist nach Fiele er, Beiträge zur ITrkunden- lohre. Innsbruck 1877 f. 23, § 202 zweifellos. Über nachträgliche Datierung in der Rein- schrift s. S. 252 ff. daselbst. ^) Du Cange-Henschel 2, 744'': „Data seu Datum, Anni, raensis dieique et loci Diploniati seu Chartae adscripta notatio." Vgl. Ficker, Beiträge zur Urkundenlelire 2, 207, § 307. Von besonderem Nachdruck würde diese Datierung durch den Domprop.st Heinrich, den späteren Erzbischof von Mainz, sein, wenn sich die Angabe des mainzer Domnecrologiuras als richtig erwiese, die ihn „Henricus de Nassave'' nennt, Guden., Cod. dipl. 2, 818 und 5, 1103. Indes die Untersuchung Schenk's, Archiv f. hess. Gesch. 13, 3, 497 ff. und Korrespondenzbl. d. Gesamtver. 1874, Nr. 9, S. 69 stellt wohl ausser Zweifel, dass Erzbischof Heinrich thüringischer Abkunft war. Vgl. Will, Regesten 1, LXXI. =*) Cod. dipl. 1, 104. *) Orig. Nass. 2, 160 ff. Nur die von Trithemius, Chron. sponh. 2, 243 abgedruckte Urkunde liest: „Actum dominicae incarnationis anno MCXXX Indictionc octava regnante Lotario Imperatore. Data per manum Henrici Notarii et Praepositi in Mo- guntia." Das ist aber allzudeutlich eine der falschen Indiction der Urschrift zu Liebe gemachte Änderung indict. VIII gibt nämlich das Jahr 1130. Ihre Verkehrtheit thut sie dabei da- mit kund, dass sie Lothar 1130 Kaiser sein lässt, während er es erst am 4. Juni 1133 ward. Abermals ein Beweis, wie wenig Verlass selbst auf die von Trithemius mitgeteilten Urkunden ist. Und doch ist dieser besondere Fehler bisher noch nicht einmal gerügt worden. Will, Regesten 1, 295, der ausdrücklich Trithemius anführt, hätte dazu Anlass gehabt.

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ein, dass Graf Arnold sich unter den Rüstenden befunden haben wird, als dass zu der Zeit in Mainz nur ein kleiner Kreis unbeteiligter Edeler vorhanden sein konnte. Von den mit Kuprecht aber genannten Zeugen sind zwei an Mainz gebunden: der Stadtprüfect Arnold und Gerlach von Yeldenz als „des geist- lichen primatischen Erzstifts Erziruchsess und Küchenmeister", wie Crollius ihn uenntM, während des letzteren Bruder Graf Emicho von Schmidburg ver- nuitlich den König ebenso nach Italien begleitete, wie die Brüder der beiden anderen mitgenaunten Zeugen Rudolf von Sponheim und Dammo von Nidda.

Auch das sei nicht übersehen, dass der vermutliche Veranlasser oder doch Anlassgeber zu dem in der Urkunde namhaft gemachten Schritte des Grafen Ruprecht mit unter der Zahl ihrer Zeugen ist und unmittelbar dem Stadtprä- fecten folgt. Es ist Graf Meginliard von Sponheim. Derselbe hatte, wie wir oben sahen, am 7. Juni 1124 das von seinem Vater Stephan begonnene, von ihm fertig gebaute Kloster Sponheim mit seinem Bruder Rudolf dem Domstift in Mainz übergeben, und auch dort befanden sich, wie damals bemerkt wurde, unter den Zeugen der Übergabe die beiden laurenburger Grafen. Das Gleiche geschah 1130 mit dem ihm zugehörigen Kloster Schwabenheim^) und wenn dabei unter den 6 edelen Zeugen die Laurenburger fehlten, so rührte das offenbar daher, dass sie sich bei dem Heere Lothar's befanden, das dessen Rechte gegeu seine Nebenbuhler Fridrich und Konrad verfocht. Jedenfalls war mit beiden Schenk- ungen Ruprecht ein nachahmenswert erscheinendes Beispiel gegeben. Be- sprechungen mit dem Schenker werden hierbei mit um so grösserer Gewissheit anzunehmen sein, als dieser zum Mitzeugen bei der Ausstellung der Urkunde erwählt war.

Nur das eine unterschied beide Schenker, dass, während Graf Meginhard die Vogtei über die beiden verschenkten Klöster als Eigentum zurückbehielt, Graf Ruprecht auch diese in die Hände des Erzbischofs legte und sie von ihm als Lehen zurückerhielt. Warum er das that, oder warum das ausbedungen wurde? Sicher nicht aus dem von Schliephake angegebenen Grunde: „Man sieht aus diesem Artikel, dass die Geistlichen besorgten, durch Entfremdung von der Person des laurenburger Erbherrn in Nachteil und Bedrängnis zu ge- raten."'') Denn das Vogtcilehen an sich war von minderer Kraft als das Vogtei- eigentum, es überstieg aber das letztere an Kraft in der mächtigeren maiuzer Hand, und darum wurde es in diese gelegt, genau so, wie sich später die Laurenburger dazu verstanden, die Burg Nassau als Lehen von Trier zu nehmen, nur dass es hier galt, Schönau vor diesem sicher zu stellen bei dem damals auf dem Gipfel seiner Macht stehenden mainzer Erzbischofe. Graf Meginhard hatte solche Sicherstellung bei seinen unangefochtenen Stiftungen nicht nötig. Darum behielt er die A^ogtei in eigener Hand. Aber er musste sich gefallen lassen, dass in die päpstliche BestätiguugsbuUe für Sponheim vom 23. März 1127 die Klausel aufgenommen wurde: „Sepulturam (juoque istius loci liberam esse omnino censemus, ut eorum, qui illic sepeliri desiderauerint (nisi forte excommuni- cati fuerint) donationi et voluntati nemo obsistat."'*) Wenn wir erwägen, dass

•) Act. Pal. 2, 2G3. ') Oudeiius, Cod. dipl. 1, 97 f. - ■'■) 1, 169. - ") Tritlie- Diius, ChroD. sponh. 2, 241.

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/ur Erlangung dieser Bulle ein Mönch des Klosters eigens nach Rom abgesandt worden war, so können wir kaum zweifeln, dass dessen Wissen von dem Vor- gange in Lipporn dabei massgebend gewesen sein wird, zumal sich nach dem Berichte darüber derselbe lauge genug in ]lom aufgehalten hat,^)

Schliesslich soll nicht vergessen sein, dass unsere Schenkungsurkunde auch noch die niclit unwichtige Nachricht von dem Erstgeburtsrecht Ruprecht's enthält. Denn nicht nur, dass dieser in der Urkunde als Scheiiker des auf seinem Grund und Boden erbauten Klosters auftritt und mit diesem, wie vor ihm Tuto, für sein und seiner Verwanten Seelenheil ein Denkmal stiftet, so wird er allein auch dessen Vogt und dabei mittelbar der „dominus in Castro Lurenburch hereditarius et legitimus" genannt, sofern sein Erbfolger in der Vogtei ein solcher sein soll. Da letztere in erster Linie aber an den Besitz des „prodium de Millene" geknüpft wird, so muss dieses, was durch „eins" als sein Eigentum bezeichnet ist, ein besonderes Eigentum des Erstgeborenen oder vielmc^iir ein wesentliches Stück der Herrschaft Laurenburg gewesen sein.

2, Kloster Gronau keine Laurenburg'sclie Stiftung.

Gehen wir nun weiter, so tritt uns eine neue Klostergründung entgegen, die man gewohnt ist, in die gleiche Zeit zu verlegen und an die Namen der beiden Grafen Ruprecht und Arnold zu knüpfen. Es ist die Gründung des Schönau benachbarten Klosters Gronau.^) Die leider einzige Quelle dafür bietet Trithemius, und unglücklicherweise hat man bisher noch dazu nur eine Stelle seiner Werke dazu herangezogen, die seiner hirsauer Chronik^), wo unter dem Jahre 1130 gesagt wird: „In diesen Zeiten errichteten auch die Grafen von Lurenburg ein Kloster unseres [Benedictiner] Ordens au dem Orte, welcher Gronawe genannt wird, im Gebiet des trierer Sprengeis, eine Meile von dem oben genannten Coenobium Schönau und zwei vom Rheine entfernt, in das sie unter Leitung eines Abtes die ihr geistliches Leben führenden Mönche setzten, denen sie gemäss der Regel unseres h. Vaters das zum Leben Nötige für den Dienst des Herrn vorsahen. In diesem Kloster wird das Haupt des h. Märtyrers Sebastian gezeigt, welches die Gründer durch Geschenk des Papstes llonorius II. von Rom hergebracht haben sollen."^) Wenck, der diese Stelle zuerst benutzt hat nach ihrem Wortlaut bei Kremer^), und dem Hennes,

') „Hoc ipso anno [1126] Bernhelraus abbas Anslielnium monaclium (qui post Bertliol- (lura prior factus est) Romam misit ad scdcm apostolicam ad impetranduni a papa Ifonorio priuilcgium apostolicae dcfensionis huius monasterii sponheimenais, qui reversus priuilcgium ab ipso papa [23. März 1127] obtinuit." Trithemius, Cliron. sponh. 2, 245. ^) Hennes, Gesch. d. Grafen von Nassau. Köln 1843. 15; Vogel, Topographie 70 f., Beschr. 298, 617; Schlieph. 1, 176. ^) 1, 397. "*) ,,His etiam temporibus Comites de Lurburg Monnste- rium Ordinis nostri construxcrunt in loco, qui dicitur Gronawe, in finibus Trevirensis Dioccesis uno a Schünaugiensi supradicto Coenobio et duobus a Rhcno distans niilliaribus, in quo Mo- nachos sub imperio conversantes Abbatis posuerunt, quibus vitae necessaria nd serviendum Domino secundura D. Patris nostri Regulam providorunt. In hoc Monasterio Caput S. Sebas- tiani Martyris ostenditur, quod fundatores dono Papae Honorii TI Roma transtulisso pcrhiben- tur.'- '■>) Orig. Nass. 1, 348 f.

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Vogel uud Soliliephake folgen, war der Meinung, dass „Buceliuus und andere Neuere** sie ,auch ohne Zweifel zu ihrer einzigen Quelle gehabt" hätten.^) Er irrt aber. Bucelinus-) wenigstens konnte sie gar nicht kennen, da sein Werk vor 1002 gedruckt ist, die „Chronica hirsaugiensis" aber, erst 1090 im Drucke erschien, und die von ihr veranstaltete erste Ausgabe Freher's von 1601 die Stelle gar nicht enthält, da diese nur den Abdruck des ersten Ent- wurfes darstellt, den Trithemius im Jahre 1503 vollendet hatte, während die Tmarbeitung und Vollendung des Ganzen in das Jahr 1500 fällt.') Die Quelle des Bucelinus ist vielmelir das „Chronicon sponheiraense", das ebenfalls 1001 durch Fr eh er zum Abdruck gelangte. Dort heisst es aber unter dem Jahre 1132: „Ungefiihr zu diesen Zeiten ist auch ein Kloster unseres Ordens, welches Groinavv genannt wird, im Gebiete des trierer Sprengeis, nicht weit von Schonavv, über das wir schon früher sprachen, durch einen Grafen von Lauren- burg gegründet worden, in welchem das Haupt des h. Märtyrers Sebastian gezeigt wird, das durch den Grafen lierbeigeschafFt worden sein soll."^)

Es bedarf keines Beweises, dass diese Quelle des Bucelinus auch die- jenige des Trithemius bei der zweiten Ausgabe der hirsauer Chronik war, und dass letzterer in der uns von Schönau her bekannten Weise seinen alten Stofl' ummodelte. Aus dem „Comes de Lurenburg" wurden die „Comites de Lurburg", die Entfernuugsangaben für Gronau mussten seine Lage deutlicher machen, Mönche und Abt angedeutet w'erden und das Haupt Sebastians vom Papste Honorius 11. geschenkt sein. Weil dieser aber am 7. Februar 1130 starb, so war statt des Jahres 1132 das ungefähre Jahr 1130 zu wählen. Gleichwohl muss der wirrsälige Chronist eine Urquelle benutzt haben, und das kann nach allen Auzeichen nur die dürftige mündliche oder schriftliche Überlieferung sein, die er von seinen beiden schönauer Freunden, den Äbten Melchior und Johannes''), oder deren Nachkommen in Gronau erholt haben wird. Die aber schöpften, wie die nur ungefiihre Zeitangabe uud das „perhibetur" und „perhibentur" be- weisen, nicht aus Urkunden, sondern aus mündlicher Überlieferung ; ein Zeichen, dass schon damals das gronauer Klosterarchiv seiner alten Urkunden verlustig gegangen war, wie denn noch heute keine über das 10. Jahrhundert hinaus- gehenden sich gefunden haben.'') Und doch, eine Urkunde stand den alten Katern vermutlich zu Gebote. Das war der dem Haupte des h. Sebastian beigegebene Zettel mit der Nachricht von dessen Herkunft. Dergleichen pflegte sonst wenig- stens beigelegt zu werden. Dagegen wird man den oder die Grafen von Laurenburg mit einiger Sicherheit auf die alleinige Rechnung des Trithemius setzen dürfen, wenn sie nicht etwa Scheuker jenes Hauptes gewesen sein sollten. Denn Gronau war, soweit unsere Kunde reicht, niemals laurenburg'sches Eigen-

') Hess. Lamlesgescli. 1, 120, Ajim. k. '^) Germania topo-chrono-stemmatograpliica, p. 41. •'') Anniil. 24, 15G f. Die S. 157 angegebene Jalireszahl „1109" ist ein Druckfeliler. *) Opera tust. 2, 247: «Circa ista f]uoquo tempora monasterium nostri ordinis, quod Groi- navv voratiir, in ronfinibus Trouironsis diocoesis, non procul a Schonavv (de quo jam diximiis antea) per Comitom de Luronburg fundatuni ost, in quo caput S. Sebastiani martyris oston- «litur, quod allatuni per Coniiteni pprliii)otur.'' ') Anna). 24, 158. ") Scliliephake 1, 17G, .\nni.

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tum. Dagegen wissen wir aus dem Jahre 1326, dass es Katzenelnbogen geliürte.^) Vor den Grafen von Kat/enelnbogen können es nur die Grafen von Arnstein besessen, und weder der gronauor, noch die schönauer Äbte körmeu von lauren- burg'scher Gründung gesproclien haben, da ihnen die Rcsit/Acrliältnisse bekannt waren. Sehr wohl aber konnte Trithemius, durch die Nähe der beiden Kh)ster verführt, Gronau für ein ursprünghch laurenburg'schcs Eigentum halten, zumal er Schönau in einen „comitatus lurburgcnsis" verlegt. 2) Wie leicht war es da, in Ermangelung genauer oder von ihm vergessener Nachricht die Klostergründung demselben Grafeuhaus zuzuschreiben, dem er die Gründung von Schönau mit Recht zugeschrieben hatte! Wenck war also durchaus berechtigt, die Glaub- würdigkeit des Trithemius'schen Berichtes in Zweifel zu ziehen, und es hat viel für sich, wenn er Gronau eine Gründung Katzenelnbogens zu nennen vor- schlägt, insbesondere den Grafen Heinrich II. dieses Hauses als Stifter mut- masst, denselben, den wir 1129 und 1130 mehrfach mit unseren Grafen in Zougengemeinschaft fanden und später noch finden werden. Von selber mochte der Verkehr, die Richtigkeit der ungefähren Gründungszeit Gronau's voraus- gesetzt, die gleichen Gedanken wecken und den einen zum Nachahmer des anderen macheu, ganz abgesehen davon, dass Klostergründungen zum guten Tone der Zeit gehörten. Selbst die Wahl der Namen : Schonauwe und Grunowe, d. h. die schöne und die grüne Aue, verrät gleichen Geschmack. Beide lehnen sich vermuthch an Ps. 23, 2 als Übersetzung des dortigen „locus pascuae" der Vulgata an.3) Die Gründung Gronau's durch laurenburger Grafen wird dem- nach ein für allemal aus der uassauischen Geschichte zu streichen sein, auch wenn man gar nicht in Betracht zieht, worauf Wenck mit Recht aufmerksam macht, dass die Gründung zweier Klöster zu gleicher Zeit das Vermögen der Laurenburger überstieg.

3. Weitere Urkuiuleiizeugenscliaft. Verurteilung wegen der

Burg Nassau.

Fahren wir darum nach dieser unvermeidlichen Ausscheidung eines fremden Stoffes in der wirklichen Geschichte unserer Grafen fort, und berichten wir, dass in einer Urkunde des Erzbischofes Adelbert vom Jahre 1133, in w^elchor bezeugt wird, dass Emmecho, ein ehemaliger Kanoniker von S. Victor, nachdem er wegen seiner Verdienste in Besitz von zwei Propsteien gelangt war, dem Victorstift ein aus eignen Mitteln erkauftes Haus „iuxta ecclesiam Beate Marie ad gradus" geschenkt habe, „Rupertus et Arnoldus de Lurenburch" unmittelbar hinter dem ersten weltlichen Zeugen, dem „praefectus civitatis Arnolfus", stehen, und hinter ihnen „Hermannus Bawarus" und „Anseimus de Gumeldinge" verzeich- net sind.'^) Im selben Jahre, vor dem 13. September, ist „comes Arnoldus de

1) Wenck, Hess. Landesgesch. 1, 121. ") Chron. hirsaug. 1, .S84, vgl. Annal. 24, 157. _ 3) ^Yie beliebt die Bezeiclinung „ouwe" selbst in siiäterer Zeit noch war, bezeugt dio Stelle im „Leben der h. Elisabeth", herausgegeben von Kicgcr. Stuttg. iscs. 220IS: Jn der megde ouwe zu Aldenburg'* als Bezeichnung des Klosters dieses Namens an der Lahn. Vgl. Le^er 2, 19;^. *) Joannis, Her. mog. 2, 583. Die in dei Urkunde angegebene indiet. X

Annalen, Bd. XXVI. ö

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Lurenburch" ohne seinen Bruder mit „Theodoricus de Geilenbuseu, Gerhardus eomes et frater eins Heinricus de Berbach, Dammo et Sigebodo de Buccbo, Conradus de Bickenbach, Gerhardus de Ilagenhusen, Gerhardus de Kelberowe, Berewicus et frater eins Moginiaus" Zeuge bei der Beurkundung Adelberts über die Schenkung der von dem Freien Hugo erkauften Güter in Zozenheim im Nahegau, in der Grafschaft des Grafen Emicho von Smedeburch an das Martins- stift in Mainz.*) Ebenfalls in diesem Jahre, aber nach dem 18. September, stehen beide Brüder unter den „laici" als Zeugen in der Urkunde des gleichen Erzbischofes, in der dieser den Chorbrüdern des h. Martin das 20 Mausen be- tragende und iährlich 23 Schweine und zwei Pfund entrichtende Gut zu Bure- bach schenkt, das er für 120 Mark von dem neugegründeten Kloster Ilbenstadt erkauft hatte.'-) Die Zeugen sind der Reihe nach: „Arnoldus urbis praefectus, comes Gerhardus de Berbach et frater eins Heinricus, Jlupertus et frater eins Arnoldus, comes de Lurenburc, Heinricus de Cazenelnbogen, Dammo de Bucho, Sigebodo." Im darauffolgenden Jahre 1134, zwischen dem 4. Juni und 13. Sep- tember, sehen wir beide, wie schon oben berührt wurde, an Stelle ihres Yetters Udalrich auf dem erneuerten Freiheitserlasse des Erzbischofes für die Mainzer.^) Es folgen sich hierbei die Namen der beteiligten weltlichen Edelen in der für die Brüder ehrenvollen Weise so : „Willeheimus comes de Luzelenburc, dux Frithericus, item praefectus civitatis Arnoldus, Arnoldus comes et frater eins liutbertus de Lurenburc, comes Hermannus de Salmis et frater eius Otto de Bineche, Emmecho comes et frater eius Gerlaus, comes Gerhardus et frater eius Heinricus de Berbach, Heinricus de Cazenelenboge, Dammo et Sigebodo de Bucho." Ebenfalls im Jahre 1134 und vor dem 18. September helfen „Dux Frithericus, Arnoldus et frater eius Rupertus de Lurenburc, comes Sigfridus de Nuringes, Gerart de Hagenuhese, Adelbertus de Jude" bezeugen, dass Adelbert dem Stiftskapitel von S. Victor einen Ort zur Anlegung einer Mühle zwischen der steinernen Brücke und Rudolfeshusin verleiht."*) Zwischen 4. Juni und

stimmt nicht, wie bereits Joannis am Rande bemerkt, und "Will, Regesten 1, 297, Nr. 2G1 angedeutet hat, mit dem mitangegebenen s. Regierungsjahre Lothar's, da sie das Jahr 11S2, dieses aber li:{;'> vor dem i:j. Sept. anzeigt. Sie ist also in XI zu verbessern.

') Gudenus, Cod. dipl. 1, 110; Will, Regesten 1, 297, Nr. 2(j(). -) Gudenus, Cod. dipl. ], li;{. In dem Datum: U:^'). ind. XI, a. regni IX, imper. I, ist, wie Will, Reg. I, 297, Nr. 262 richtig bemerkt hat, das Jahr verfehlt. Indiction und Regicrungsjahr Lothar's weisen auf das Jahr li:{.'{ nach dem 1.5. Sept. Schlieph. 1, 1G7 hilft sich mit einem „um diese Zeit**. Genauer würde zu datieren sein : li:{:5 zwischen 4. Juni (Beginn des ersten Kaiser- jahres) und IS. Sept. (des Köiiigsjahres). ^) Gudenus, Cod. dipl. 1, 120. Auch hier ist das Datum fehlerhaft: li:«.') ind. XII a. regni VIII, imp. II. Indiction wie Königsjahr passen nur zum Jahre 11:54, nur das Kaiserjahr könnte auch 1135 vor dem 4, Juni gestatten. Da es aber mit dem 4. Juni 11:54 beginnt, so kann es ebenso gut dieses bezeichnen. Stimmen die drei Angaben zusammen, so haben wir -wohl ein Recht zu unserer Zeitbestimmung im Texte und dürfen es Will, Regcstcn 1, :5()0, Nr. 27H überlassen, auch noch das Jahr 1135 bis zum 4. Juni zur Wahl zu stellen. Hennes 1, is setzt, wie wir, 1134, Schliepli. 1, 107 das Jahr 1135. *) Joannis, Rer. mog. 2, 583 f. Auch hier stimmen die Datumangaben im Jahre li:55: Ind. XI, regn. Villi, imp. 11. nicht. Ind. XI ist 1133, Königsjahr Villi, l:'.. Sept. 11:53 bis dahin 1134, Kaiserjahr II. 1. Juni li:S4 bis dahin li:5.">. Will, Regesten 1, 300, Nr. 28U setzt deshalb mit Fragezeichen „1135 vor 4. Juni" an. Wir dürfen aber die

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13. Sopt. 1135 befinden sicli „Comes Arnulffiis^) et frater eius Rypertus de Lureuburg" an letzter Stelle nach den freien Kdelen „Cornea civitatis Adel- liui'duö, comes Eniicho de Liningen, comes Emmecho de Kyreburc et frater eius üerlacus" zum lotztenmale in einer Urkunde Adelberts, der in dieser die Schenkungen an die Propstei (rhilipps-)Zell im Nahegau durch die Äbte von Hornbach, insbesondere den Besitz der Kirchen zu Harewesschem und Busenes- heim und des Ortes Hornbach mit der Kirche bestätigt.^)

Es ist dies bemerkenswerterweise zugleich das Jahr, in dem die Grafen auf dem Reichstage zu Worms zur Herausgabe der Burg Nassau verurteilt wurden''), und der Bischof Buggo die ihm zuerkannte Besitzung siegesstolz in Augenschein nahm.'*) Da nun Erzbiscliof Adelbert noch bis zum 28. Juni 1137 lebte, so sind wir entgegen unserer früheren Annahme"^) der Meinung, dass die von ihrem Gönner nicht abgewendete Verurteilung die Grafen diesem bis zu seinem Ende entfremdet habe. Denn wir finden sie alsbald zwischen dem

4. Juni und 13. September 1136 am Hofe des trierischen Erzbischofes Adalbero. Es gilt die Entscheidung dieses Kircheufürsten in einem Streit zwischen dem

5. Simeonsstifte in Trier und dem von S. Georg in Bamberg über den Zehnten zu Hoingin am Rhein zu beurkunden. Die freien Edelen dabei sind: „Wille- niinus comes palatinus, Emmecho comes et frater eius Gerlacus de Veldenz, Godefridus comes de Sponheira, Gerlacus de Isenburch, advocatus in Hoingin, comes Rupertus et frater eius Arnoldus de Lurenburch."^) Ebenso erscheinen die Grafen im Jahre 1138 als Zeugen in einer Urkunde, in welcher derselbe Erzbischof dem S. Simeonsstift ein Gut zu Kyle bestätigt, das diesem geschenkt, aber durch Ritter Hezelo entzogen worden war. Auch hier nehmen sie die letzte Stelle hinter „Wilhelmus comes palatinus, Fridericus comes de Viannu, Gerlacus de Isenburg, Reimboldus de Isenburg" ein."'') Es könnte nun zwar angenommen werden, dass diese Anwesenheit in Trier eine rein zufällige ge- wesen sei, und sie wäre es in der That, wenn Hennes'*) mit seiner Behauptung

von uns angesetzte Zeit mit um so besserem Rechte behaupten, als Herzog Fridrieli gegon- wiirtig war, wie wohl in der ungefähr gleichen Zeit bei der Urkunde zuvor.

') Die Verwechselung von d und f begegnet öfter in Urkunden, dagegen wird Rj'pertua Lese- oder Druckfehler sein, da es ein unmöglicher Name ist für Rupertus. -) Würdt- wein, Dioec. mog. 1, 334; Will, Regesten 1, SOO, Nr. 2S1. •'') Wenck, Ilist. Abh. 1, SB; Hennes 1, 4(j ; Schlieph. 1, 185. - *) Schannat, Hist. episc. Worm. 352: „His aliisque curis detinebatur Burchardus, quando Rupertus et Arnoldus, Lurenburgii Comites, quoruni avita sedes inter Dietziura et Nassoviam erat, hanc postremam arcem Wormatiensis ecclesiae dominio avellere ubique usurpare conati sunt; hinc tumultuariae litis exorta niateria, sed quam implorata mox Caesaris justitia sustulit; restitutus itaque in pristinum jus suum Praesul, dum novani loci possessionem ipsemet adit" etc. Schannat beruft sich dabei am Rande ausser auf die Urkunde von 115!) auf ,, Anonymi Chron. Worm. MS.** *) Annalen '24, 150. ''') V. Ilonthcim, Ilist. trev. 1, 532 f. Die Datumangaben der Urkunde: J. 113(;, ind. XIII, conc. I, a. pontif. nostri IV, regni X, imp. III, stimmen bis auf Indiction und Concurrente iiber- ein; daher unsere Datierung im Texte, bei der Kaiser- und Künigsjahr bestimmend sein niusste, aufrecht zu erhalten ist gegenüber Goerz, Mittelrh. Regest. 1, 511, Nr. 1881, der mit der Bemerkung: ,,Da alle Zeitbestimmungen im Datum ausser 113G auf 1135 weisen, in dieses gesetzt", dem Thatbestande widerspricht. 'J v. Hontheini 1, 540; Beyer, Urkb. 557, Nr. 503; Goerz, Mittelrh. Regest. 1, 5*23, Nr. 1925. **) 1, 21.

G8

Recht hätte, dass jene letzten maiuzischen Urkunden auch die letzten Adelberts seien. Aber ein Blick in WilTs Kegesten belehrt uns, dass der erhaltenen Urkuntlen bis zum Tode des Erzbischofes noch ein Dutzend ist, und dass in ihnen frühere Mitzeugen unserer Grafen wiederholt vorkommen, allerdings nicht mehr in der gewohnten Anzahl. Dazu kommt das andere, dass das Gefühl der Niederlage bei den Grafen um so mehr verschärft wurde, als Buggo seinen Sieg mit der Rachsucht eines ehemals Besiegten auszunützen sich angelegen sein Hess. Nicht nur, dass er, wie berichtet, die Burg Nassau mit eignen Händen in Besitz nahm, so unterliegt es auch keinem Zweifel, dass er dem mühsam errungeneu uud nicht allzu reichlich ausgestatteten Kloster Schönau einen es weit au Glauz des Baues und der Einkünfte überragenden Nebenbuhler schuf, dem er ebenfalls den Namen Schönau beilegte.') Er begann gerade zu dieser Zeit jenes „elegans ac sumptuosum haud procul Heidelberga coenobium, cui ob peramoeuum situm grataraque solitudinem Schonaugie nomen indidit", wie Schannat arglos von dem Bau seines besonderen Lieblings berichten zu müssen meint. Wenn er aber dann hinsetzt; „cumque vasto operi fortiter insudaret, mox de Lotharii Caesaris morte nuncius superveniens illud abrupit ac ipsi velut e manibus extorsit"^), so ist es uns ein Kleines, zu erkennen, was Bau und Namen dieser stolzen, in der strahlenden kaiserlichen Gunst unternommenen Stiftung bedeutet. Kein Zweifel also: das starke Gefühl ihrer Niederlage trieb die Grafen von Mainz weg nach Trier. Und nicht umsonst beeilte sich der seines kaiserlichen Gönners beraubte Buggo, die auf Betrieb des Erzbischofes Adalbero zur Wahl des neuen Königs Konrad statt nach Mainz nach Coblenz berufene Reichsversammluug zu besuchen und dem Gewählten nicht mehr von der Seite zu weichen.^)

4. Alberata, Gemaliliii Einicho's von Leiiuiigeii, eine Tochter

Udalrich\s III.

Da die gleiche Zeit es mit sich bringt, so sind wir genötigt, an dieser Stelle die Untersuchung über ein weibliches Mitglied des königsgauischen Grafen- hauses einzuschieben, das als solches bisher auch noch der vollen Anerkennung gewartet hat. Schannat berichtet, dass im Jahre 1135 „Emicho", des Grafen Richard von Leiningeu von der Gräfin Adelheid Sohn, von himmlischem Ver- langen glühend, seiner Gemahlin Alberata, die von nassauischen Grafen ihren Ursprung herleitete, Anlass war, dass sie mit ihm zur Gründung eines geweihten Klosters, in dem ihre Leiber nach dem Ilintritt geborgen werden sollten, über- einkam, Sie stifteten zu dem Zwecke in der Nähe von Altleiniugcn das Augustiner- kloster Haina (Iläningen, Höningen), das im Jahre 1141 von Bischof Buggo geweiht wurde, und in dessen Kirche sie ihr Andenken mit den Hexametern :

M Es gibt nur noch ein drittes Kloster Scliünau in Deutscliland, das um 1190 im heu- tigen Landf,'ericlitc Gemünden in Unteriranken gegründete. Vgl. Stumpf, Baiern 2, 282 und Wetzer und "Weite, Kirchenlexikon H, 530 f. Die Benennung war also weder eine herkömm- liche noch zufällige. '■*) Hist. episc. Worm. ;{.J2. ^) Ebenda 353: „nee a latere eins re- | cessisse videtur." '

GO

Trinitas una dciKs, ublatuni suscipe ü[)Us,

Emichü quod donat conscnsu conjugis Albrat. verewigten. Auf ihrem Grabmal aber stehen die Verse:

Ilic jacet in tumba comcs Emicho, consociata

Conjuge dicta Albrat, qui templum condidit istud."') Schannat liat die Abkunft Alberata's aus dem allerdings vtirfrüht so ^'o- uannten nassauischeu Hause offenbar ebensu für ausgemacht gehaltoii, wie die „alten leiningischen Geschlechtstafeln", die Schliephake zur Begründung seiner Mutmassung über den späteren Anteil Leiningen's an den- JWiig Wies- baden heranzieht.'"*) Natürlich ist dies kein entscheidender Grund, die Annahme beider für zweifellos zu halten, zumal Schannat sein Wissen wühl aus letzteren geschöpft hatte.^ Das erkennt auch Scliliephako, und würden wir seiner in solchen Dingen sich immer zwischen Ja und Nein bewegenden Beweisführung folgen, so müssten wir sogar die alte Nachricht geradezu für irrig erklären,') Denn ist, wie Schliephake will, die Gemahlin Ivuprecht's des Streitbaren, des Sohnes des uns bis dahin beschäftigenden Grafen Arnold, von dem später zu reden sein wird, die Tochter des Grafen Emicho III. von Leiningen, und dieser ein Sohn Emicho's IL, dessen Gemahlin eben jene Alberata war, so würde der kanonisch unzulässige Fall eingetreten sein, dass Ruprecht der Streit- bare die Enkelin einer Tochter seines eigenen Hauses geheiratet habe. Die Blutsverwantschaft war aber genau noch um einen Grad näher. Denn wird das in der später zu besprechenden Urkunde des dafür angenommenen Jahres 1159 oder 1169 vom Grafen Emicho HL für Ruprecht gebrauchte Wort „gener meus" im spätklassischen und daher im Mittelalter üblichen Sinne genommen, wie es hier ohnedies die Lebenszeit Ruprecht's verlangt, so bedeutet es nicht Schwiegersohn, sondern Schwager.'') Und dann ist, wie dies später genauer nachgewiesen werden soll, seine Gemahlin eine Tochter Alberata's. Eine Ehe bei solcher Blutsnähe war selbst mit Dispens nicht zu ermöglichen. Zum Über- flüsse setzen wir noch hinzu, dass der Lebensbeschreiber des Grafen Ludwig 111. von Arnstein nur von einer laurenburg'schen Tochter dieser Zeit, von Denuidis, weiss. Soll also Alberata wirklich eine „nassauischc" Grafentochter gewesen

*) Hist. episc. Worm. 150. ^) 1, 401. Vermutlich hat Schliephake nur die Be- merkung Kremer's, Orig. Nass. 1, IJ.")? vorgelegen, und sein unsicheres Auftreten in der Sache seinen Grund in der Bestreitung der Richtigkeit der leininger Nachrichten durch Krem er. *) Wie auch Kremer a.a.O. urteilt. ') Brinckmeier, Genealogische Gesch. des Hauses Leiningen 1, KJ begnügt sich mit der farblosen Bemerkung: „Seine [Emicho's II. J Gcmalilin hiess, wie beider Leichenstein besagt, Albrat, Aiverat oder Albcrat und scheint dem Hause Nassau angehört zu haben." Zur Bestätigung führt er .,Menzel u. Sauer, Cod. dipl. Nass. p. IJiS" an und setzt dazu: „Das Original in München.** Aber das angeführte Werk iiat weder an genannter Stelle, noch sonst irgendwo diesen Namen. Es ist deshalb uncrlindlich, was es mit „Original in München" auf sich liat. Vermutlich hat sich dasselbe aus einer an- deren Anmerkung des Verfassers hierher verirrt. I*]r pflegt aber auch sonst wohl leider wie Voltaire zu eitleren. ^) Du Cange-Henschcl .!, :)Ü4'': „Gener, agnatus, aflinis, maxime sororis maritus." Auch Lcxer 2, 1:332 f. irrt deshalb, wenn er aus Diefenbach's Glossa- rium lat.-germ. Frankf. 1857. 259«: „Gener, swuger" letzteren in der Bedeutung von Schwieger- sohn fassen will.

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sein, so sind wir genötigt, sie in dorn idstein-eppsteinisclien Zweige des Hauses zu suchen und müssen annehmen, dass sie eine Tochter des Grafen Udal- rich III. war. Für diese Annahme, so gewagt sie auch mangels jeder anderen geschichtlichen Überlieferung erscheint, spricht unseres Erachtens wenigstens ein Zeugnis. Es ist die von uns bereits behandelte Urkunde von 1128, in der Erzbischof Adelbert dem Domstifte in Mainz die Höfe Bierstadt und Spurchen- heim nebst vielen anderen schenkt, und in der als ^laici" die zum Teil bereits genannten Zeugen: „Emicho comes de Smideburch et frater eins Gerlaus, Emercho comes de Liningen, Arnoldus et frater eins Ruobertus de Lureuburch, Danmio de Bvochen et Sigeboto, Bertoldus comes et frater eins de Nvoringen et alii liberi'^ stehen. Nehmen wir nun an, dass wegen des überwiegend grösseren Teils der Schenkungen aus dem Nahegau, wohin vor allem der Hof Sporkenheim in der (Jemarkuug Niederingelheim gehcirt. die Vertreter dieses Gaues die Ge- brüder Emicho und Gerlach von Schniidburg, voranstellen, so ist nichts natür- licher, als im Grafen Emercho oder Emicho von Leiningeu den Schwiegersohn des ehemaligen Herren von Bierstadt und in den ihm folgenden Brüdern vou Laureuburg die nächsten Yerwauten desselben zu sehen, denen sich die ihnen nachfolgenden Zeugen als Nachbarn anschliessen. Nun war freilich die Gemahlin Einercho's oder Emiclio's eine Erbtochter. Aber ihre Erbbereclitigung konnte trotzdem nur eine beschränkte sein, da sie von der des Gesamtliauses abhiug, dem der Landbesitz des Erblassers nach altem, auch zu dieser Zeit noch geltenden salischen Rechte in seinen männlichen Vertretern zufiel.') Der Mit- besitz Wiesbadens seitens Leiniugens, dem wir im Anfange des 13, Jahrhunderts begegnen, und der sich möglicherweise noch auf andere Teile des Nachlasses Udalrichs erstreckte, würde demnach als eine Art Pfandschaft anzusehen sein, die Laurenburg Leiniugen zur Sicherung des anderweitigen Erbes Alberata's zukommen lassen musste. Und er ist es aucli ohne Zweifel, da er die Heirat Ruprechts des Streitbaren mit einer Tochter Alberata's veranlasst hat. Diese galt der Beseitigung der lästigen Fessel des Hauses, die deshalb vor Ende des U5. Jahrhunderts gelöst erscheint.

Warum sich aber ein solches verwantschaftliches Verhältnis zwischen Luurenburg und Leiniugen bis zu dem Grade verschleiern konnte, dass nur noch eine dunkele Überlieferung Kunde von ihr gab, ist unschwer zu enträtseln. Emicho als Graf des Wormsgaues und Lehensträger des Bischofes von Worms durfte mit dessen Feinden keine Gemeinschaft haben. Wir begegnen deshalb fast zwei Jahrzehnte lang seinem Namen in keiner Urkunde, in der die Lauren- burger als Zeugen sich tinden. Diese Stellung musste sich aber um so deut- licher ausbilden, je schärfer sich die Dinge zwischen Laurenburg und Buggo zuspitzten. Hieran durfte selbst die gemeinsame Verwantschaft mit Udalrich,

') Lex Salica tit. (52: „De terra vero salica in iiiulierem nulla jiortio liereditntis traiisit, s<!d hör virilis bcxus acrjuirit." Vgl. Eiclihürii, Deutsclic Staats- u. Rcohtsgeschichte. Göt- tingon Is'JI. 1, l'.i'.t u. 2, OO'.i. Ebenso besagt das tliüiingisclie Reclit : „Usquc ad quintam gcncrationem paterna gencratio succedat. Post quintam auteni filia ex toto, sive de patris sive inatris parte, in liercditatem 8uccedat_, et tunc dcmuni liereditas ad fusum a lancea trans- cat," V-I. Schröder, Lchrb. .jl'j.

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die in Alberata ilircn Ausdruck gefunden hatte, nichts ändern. Erst als der Streit zwischen Worms und Laurenburg einem Waffenstillstand gewichen war, konnten sich friedlichere Beziehungen auch zwischen Lauren bürg und Leiningen entwickeln. Und das geschah vom Ende des Jahres 1146 ab, wie wir zeigen werden. Es ist also klar: die gespannten Verhältnisse zwischen beiden Häusern mussten die alte Verbindung Leiningeus mit den nahen Verwanten des lauren- burg'schen Hauses in ein Dunkel rücken, das die spätere Zeit nur noch durch unsichere Überlieferung aufzuhellen im stände war. Hatten sie doch auch, um davon noch ein Wort zu reden, die soviel ältere der Vergessenheit anheimgegeben, die wir bei Trutwin I. erschliessen zu müssen glaubten, und die wir nun die Mutter der mit Alberata besiegelten zu nennen uns erlauben. Denn da nicht Neigung, sondern Hausbedürfnis die Ehen unserer hohen Geschlechter schafft, so hat auch dies allzeit wachsame und mit starkem Gedächtnisse bewaffnete Bedürfnis durch Alberata's Heimholung nach Leiningen nur das wieder heimzu- holen gesucht, was es damals au Laurenburg verloren hatte. Eine Verbindung Emicho's mit Demudis Hess das Zerwürfnis ihres Hauses mit Worms nicht zu und konnte das reichere Erbe einer Erbtochter nicht ersetzen. So musste Alberata die Erwählte werden, die ausserhalb der Parteien stand. Wir denken, einen solchen Schluss zu ziehen, ist angesichts der so sehr deutlichen Verbindung des streitbaren Ruprecht mit einer Tochter Alberata's, von der wir vorhin sprachen, nicht unerlaubt.

5. Stellung zu Maiuz und zum Kaiser. Ruprecht I. Kreuzfahrer.

Wie aber hier das Hausbedürfnis das allein massgebende ist, so zeigt es sich auch dort aufs Neue, wo wir es schon vorhin beobachtet hatten. Denn nun haben wir bei der weiteren Verfolgung der Geschichte Laurenburgs zu berichten, dass der notgedrungenen Entfremdung von Mainz die Wiederan- näherung an es folgt. Zeugnis dafür ist nämlich die zwischen 1. Januar und 13. März 1139 fallende Urkunde, in der der Neffe Adelberts L, der Erzbischof Adelbert IL, auf Bitte des Propstes Heinrich von S. Victor diesem Kloster in ehrendem Andenken an seineu Vorgänger und Oheim die ihm zukommenden Einkünfte von Weinbergen in Dulcesneheim schenkt. Denn hier wird von den freien weltlichen Zeugen nach „Comes Symon de Sarebruch, Advocatus eiusdem ecclesie, comes Willehelmus de Glizberc, comes de Lengenburc, Egbertus, Gerlacus de Iseuburch" zuletzt „Arnoldus de Lurenburc" genannt.^) Aber wenn wir nun gewahren, dass dies die einzige Zeugnisleistuug Laurenburg's bis zu dem am 17. Juli 1141 erfolgenden Tode Adelberts H. ist, und dass es von da ab nur bei Beurkundungen des Königs Konrad und des späteren Erz- bischofes Heinrich von Mainz als Zeuge mitwirkt, so erkennen wir, dass die Wiederannäherung an Mainz nicht sowohl diesem als dem Könige galt, der im Gegensatz zu dem Schwiegersohne des Laurenburg feindlichen Lothar, Heinrich dem Stolzen, gewählt worden war, und dem Adelbert 11. seinen Erz-

') Joanni$, Ker, mog. 2, 584; Will, Regesten 1, 309, Nr. Vi,

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stuhl zu vertlaukcn hatfo. Aber als der letztere schon im Juli 1139'), genau wie sein Ohm, sich auf die Seite Heinrichs schlug, war trotz der Verwantschaft das Band zwischen ihm und den Grafen von Laurenburg zerschnitten. Sie trieben von nun an auf eigene Faust die ihnen förderlich scheinende hohcn- staufische Politik, die sie mit dem Anschluss an Trier eingeleitet hatten. Es ist am Platze, dies hier auszusprechen, da es bisher übersehen worden ist. Wir finden deshalb am 1. August 1143 „Robertus de Lurenburch" am königlichen lloflager auf Schloss Cochem an der Mosel, woselbst er als der Zweitletzte mit .,Herimaunus Palatinus comes, Adelbertus marchio de Saxonia, Gerehardus comes de Sulcebach, (Jodefridus comes de Sponhcim, comes Otto de Rineka oiusque consanguinei Otto et Othalricus de Ära, comes Ilerimannus de Uernc- burch und Reimboldus de Isenburgh" Zeuge in der Urkunde ist, durch welche König Konrad die Besitzungen und Rechte des Klosters Sprenkirsbach bestätigt.^) Im Jahre danach, am 20. April 1144, sehen wir „Arnoldus de Lureburc" beim nachnächsteu Xachfolger Adelberts II., dem Erzbischofe Heinrich I., zu Hofe. Mit ..Dammo de Hagenowe, Henricus de Cazenelenbogen", die ihm voranstehen, und „Wulfram de Wertheim et frater eius Diether, Eggebertus de Degeneburc, Godefridus de Hoste", die ihnen folgen, bezeugt er, dass der Erzbischof Ade- longa, die Gattin Adelberts, mit ihren G Kindern von der Familie der mainzer Kirche und der Hörigkeit ihres Advocaten, des Stadtpräfecten Ludwig, losge- sprochen und dem Peterstifte in Aschaffenburg als Miuisteriale übergeben habe.'') Die Zeugeuschafl so vieler Edelen und die besonders kunstvolle Ausstattung der Urkunde*) bei einem verhältnismässig geringfügigen Aulasse wollen wir bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, als kulturgeschichtliche Besonderheit ausdrücklich hervorzuheben, die Massigkeit des Adels und die Prunkliebe der Geistlichkeit erhält damit eine beachtenswerte Beleuchtung. Auffälligerweisc treffen wir den Grafen Arnold niemals anders an als iu Mainz, wie sich nachher noch einmal zeigen wird. Seinem Bruder Ruprecht begegnen wir dafür in der Folge, wie im Jahre 1143, zuerst 1145 viermal am königlichen HoHager. Das erste Mal ist es, unbestimmt iu welchem der letzten Monate dieses Jahres, dass er unter den Zeugen einer nijmeger Urkunde König Konrads HL steht, in der dieser der Abtei AVerden ihre Gerechtsame, insbesondere das von Kaiser Konrad H. ihr erteilte Recht auf BeschifFung der Ruhr, nachdem er durch den hierzu bestellten Grafen Hermann alle Hindernisse hatte wogräumen lassen, bestätigt. Die Zeugenreihe dabei ist diese: „Aruoldus col. archiepiscopus, Wernerus monasteriensis episcopus, Ileinricus comes de gelre, Heinricus comes

') Will, Rege.sten 1, sio, Nr. 17. ") Act. Pal. :;, I TJ ü". ; Bevor, Urkundenbuch 1, ."j90, Nr. .j.J'i. Die Urkunde ist datiert: J. 1144, Ind. VI, Königsjahr VI, Kai. Aut^. Da aber die Ind. das Jahr 114:! erfribt, so hat Goerz, Mittolrh. Regest. 1, .")4!i, Nr. 20{)2 nach Stumpf, 298, Nr. :i4ti(i, das Jahr 114:! als das richtige gesetzt, weil der 1. August nur in das vom i:{. März beginnende ('>. Königsjahr passt. Schon in den Regesten zum Mittelrh. Urkunden- buch 'J, (lOH, Nr. 'i\il hatte übrigens Goerz, der Verfasser derselben, gesagt: „Ind. (> und rcgn. a. f! weisen auf 114:! Aug. 1." ^) Gudonus, Cod. dipl. I, :!!ts IT.; Will, Rcgestcn 1, :i24, Nr. 22 hat übersehen, dass ind. VI falsch ist und VII heissen muss. ') Gudenus be- merkt ausdrücklich : „Superbit diploma hoc caractcrum ornatu peculiari usque adeo, ut intuen- tis cuiuslibct plane rapiat ad mirationem."

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de Limbvrcli [Ruprccht's Schwagci'], Adolfiis aduocatus ccclesic et Evcrardiis Hlius cius, Ruotbertus comos de lurenburch, Godcfridus et licriinannus de cuiehe."') Das zweite Mal, genau am 18. Oktober 1145, befiudct sich Kuprecht iu Utreclit unter den 49 Zeugen, die König Konrad den Besitz der Grafschaften Oster- und Westergau seitens des Bistunis Utrecht bestätigen helfen.^) Um Weihnachten ist er in Aachen bei der Verbriefung des Königs für Propst Gerard in Bonn über den Verkauf einer Liegenschaft zum Baufouds seiner Kirclie.'') Und eben dort bezeugt er am 30. Dezember mit dem Erzbischofe von Köln, den Bischöfen von Lüttich, Münster, Basel, Verduu und Havelberg, dem Pfalzgrafen Hermann, Heinrich von Limburg und dessen Bruder AValram, Grafen von Arlon nebst 12 weiteren Grafen die königliche Bestätigung der Besitzungen und Freiheiten des llochstiftes Cambrai.^)

Es mag hiernach autfallen, dass Graf Kuprecht dem königlichen Hoflagcr in verhältnismässig weite Ferne gefolgt ist, während er sich von ihm augen- scheinlich ferne hielt, als es während der ersten Hälfte des Jahres in seiner Nähe zu Worms, Speier und Andernach sich befand nach Ausweis des könig- lichen Itinerars.'') Sollte sich das etwa daraus erklären lassen, dass er Kunde von der Absicht seines Vetters, des Grafen Ludwig III. von Arnstein, hatte, sein Kloster zu dieser Zeit vom Könige bestätigen zu lassen, und dass er diesem und dessen Gönnern nicht begegnen wollte, da es scheinen will, dass das Gegen- teil von verwantschaftlichem Einvernehmen zwischen ihnen stattgefunden habe? Denn nirgends begegnen wir beiden zusammen in Urkunden, auch nicht vor dem Jahre 1139, wo Ludwig Mönch wurde. Ebenso wird die Grafschaft im Einrieb, was so nahe gelegen hätte, von letzterem nicht an Laurenburg, sondern an Isenburg abgegeben, als er ins Kloster ging. Jedenfalls steht soviel fest, dass die Bestätigung Arnsteins in seinem Besitze und seinem Rechte durch den König zwischen dem 13. März und 24. September 1145 zu Speier ohne

') Lacorablet, Urkb. 1, 245, Nr. 358. Das Datum ist: 1147, ind. X, a. regni X. XVI. Kai. novembris (17. Okt.). Dies hat Hennes 1, 38 Anm. ruhig, aber klüglich mit der blossen Jahresangabe hingenommen, Schliephake 1, 170 ist ihm unvorsichtig gefolgt mit dem Monatsdatum dazu und deshalb mit dem starken geschichtlichen Schnitzer als Zusatz: .,In den nächsten Jahren unternahm Kaiser Konrad den Kreuzzug", während er hätte wissen müssen, dass Konrad diesen anfangs Mai 1147 schon angetreten hatte. Das Datum ist also ohne Zweifel unrichtig. Raumer, Gesch. der Hohenstaufen 2, 457 setzt deshalb im Itinerar Konrads bei Anführung der Urkunde ein einfaches .,falsch". Stumpf Xr. 3552 erkannte auf Fälschung der Urkunde, musste jedoch später deren Echtheit wieder anerkennen, Die Würz- burger Imraunitäts-Urkunden des X. u. XI. Jahrhunderts. Innsbr. 1874. 1, 12. Erst Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre 2, 142, § 270 setzte die Handlung in die letzten Monate des Jahres 1145 mit dem Bemerken, dass auch im ersten Viertel des Jahres 1147 ein Teil der Zeugen beim Könige in Aachen sich befand, und kommt zu dem Schlüsse, dass die Datierung ,,zweifel- los" als ,,nachträgliche Vollziehung eines von Konrad bereits genehmigten Textes'" anzusehen sei. Wir sind den Herren Prof. Otto und Archivrat Dr. Sauer zu besonderem Danke ver- pflichtet, dass sie uns auf ehien Teil der im Vorstehenden benutzten Litteratur aufmerksam gemacht haben. -) Bondam, Charterboek der hertogen van Gelderland 192. Vgl. Hennes 1,27 f.; Böhmer, Regest. 118, Xr. 2249; Schliephake I, I7i». ^) Hennes 1, 28; Böh- mer 118, Nr. 2052; Schliephake 1, 179. ') Hennes u. Schliephake a. a. 0.; Böli- mer Nr. 2051; Goerz, Mittelrh. Regesten 1, 555, Nr. 2023. ^) Böhmer, Regesten 117, Jahr 1145.

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die Mitzeiigenschaft Kuprechts und seines IJrudcrs vor sieh ging. AHtzeuge war dagegen der Laurenburg feindliche Bischof von Worms, Buggo, und von den anderen Yerwanten ausser dem „consanguineus" Ludwigs, dem Herzoge Friedrich von Schwaben. Heinrich von Katzenehibogeu und Gerlach von Iscn- burg.')

Das Jahr darnach aber treffen wir auch Ruprecht beim Erzbischofe Hein- rich von Mainz. Das bezeugt die Urkunde vom 20. März 114(i, in der letzterer die Kirche in Geisenheim dem Stiftskapitel in Mainz einverleibt und für be- sondere Besoldung des Domscholasters und Thürstehers sorgt, insbesondere auch den Herren und Brüdern des Domstiftes die 6 Fässer Wein von Lahu- steiu bestätigt und sich dem Gebete am Tage seiner Ordination und nach dem Tode am Tage seines Jahresgedächtnisses empfiehlt.^) Hier ist „Comes Rupertus de Lurenburc" der erste der freien weltlichen Zeugen, es folgen ilim: „Gerhardus comes de iS'uringes, Bertholdus comes de Nitha, Arnoldus de Hagenowe, Em- brico de Novo castro, Theodoricus de Birberc, Henricus de Thidesse". Das Ende des Jahres bringt die denkwürdigen Tage der Entscheidung für den ver- hängnisvollen zweiten Kreuzzug in Speier. Auch Ruprecht ist anwesend, und die gewaltige Predigt Bernhards von Clairvaux am 29. Dezember 1146 wird es wohl fertig gebracht haben, dass der alte Groll zwischen Ruprecht und Buggo in der Begeisterung für die Kreuzfahrt begraben ward. Denn als am 5. Januar 1147 König Konrad mit Hilfe der versammelten Reichsfürsten den siebenjährigen blutigen Streit zwischen dem Erzbischofe Adalbero von Trier und dem Grafen Heinrich von Namur wiegen der Abtei S. Maximin bei Trier beilegt, finden wir unter den 42 Zeugen der Urkunde nicht bloss Buggo, sondern auch dicht neben dem Grafen Emicho von Leiningen „Rotbertus comes de Lucem- burg", d. h. Lurenburg.^) Hiernach belehrt uns eine Urkunde ohne Datum,

') V. liontlicim 1, T).')!'; Kremer, Orig. Nass. 2, 1(17; Gudenus, Cod. dipl. 2, lU; Fischer, Geschlechtsrcg. des Hauses Isenburg. Urkb. 2U; Mittelrh. Urkb. 1, 599, 2, 698; Gocrz, Mittelrh. Reg. 1, 554, Nr. 2016; Herquet, Urkb. d. Prämonstrat.-Klosters Arnstcin 3, Nr. 2, vgl. Act. Palat. 3, 24; Böhmer, Regest. 118, Nr. 2264; Stumpf, Reichskanzler 2, :J01, Nr. 8590. Das Datum ist: Spire 1146, ind. VII, regn. Conr. II. Rom. rege a. regni VII. Falsch ist hiernach ind. IX bei Hontheim, und bei Herquet „quadragesimo" vergessen. Ebenso irrig ist aber auch 1146 der Urkunde selber, da es nicht mit den anderen Angaben stimmt. Ind. VII ist 1144 vom 24. Sept. an, a. VII regni 1145 vom 13. März ab. Also kann die richtige Zeit nur die von uns oben angegebene sein. Dass wir mit dieser Bestimmung allen den genannten Autoritäten gegenüber allein stehen, kann uns nicht hindern, an ihre Richtigkeit zu glauben. Denn Böhmer's und des Mittelrh. Urkb. 's .,1146 dec." lässt sich, abgesehen von den genannten Widersprüchen, wegen des nach Mooyer am 29. Sept. 1146 schon gestorbenen Mitzeugen Bischof Sigfrid von Speier, wenn Dodechin denselben auch erst 1147 gestorben sein lässt, nicht halten, vgl. Würdtwein, Nov. subs. 1, 116. Goerz' (Reg. im Mittelrh. Urkb. 2, 69Sy ,1144 jul.** lässt den a. regni ausser Acht. Herquet's .,v. Oct. 1144 bis 13. März 1145" setzt erst den Anfangstermin des letzteren. Stumpfs „1145 c. März** kommt am näch- sten, ist aber wohl unrichtig, da König Konrad noch am 25. März in Würzburg bezeugt ist. Die genauesten Zeitgrenzen würden dieser 25. März und der 2. Juni sein, wo der König sich zu Andornach befand, um von da aus rheinabwiirts zu ziehen. ^) Gudenus, Cod. dipl. 1, 179; Will, Regest. 1, 331 f. Nr. 64. '') Toliier, Hist. pal. 2, 46; v. Hontheim 1, 554; Beyer, Urkb. 1, 6ÜU, Nr. .543; Goerz, Mittelrli. Regest. 1, 559, Nr. 2039. Das Datum ist

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die aber der Zeugen wegen walirsclicinlicli in dos Königs Aufonthcalt zu Frank- furt im März 1147 fällt, dass Graf Ruprecht abermals in des letzteren Umgebung sich befindet. Der König bestätigt auflJitfe des Abtes llichard von Sprenchirs- bach und durch Vermittclung des Abtes Wibald von Stablo einen Gütertausch, welchen der erstgenannte Abt mit dem Erzbischufe Arnold von Köln durch die Hand des Erzbischofes Adelbero von Trier gemacht hatte. ^) Zeugen sind: „Albero Treuirensis archiepiscopus, Arnoldus coloniensis archiepiscopus, Ileinricus Leo- dieusis episcopus, llcrimaimus palatinus comes de ]leno et frater suus Ilein- ricus de Cacenelnboge, Robertus comes de Lurenburch, Heinricus comes de Limburch et frater suus comes Walleramus, Otto comes de Rinecha, Reinaldus comes de Bar, Heinricus comes de Saines, Reimbaldus de isenburch et frater suus Gerlachus et ceteri quamplures." Dass Graf Ruprecht sich im Mai des gleichen Jahres dem zu Augsburg versammelten Kreuzheere angeschlossen habe, darf wohl als gewiss gelten, da er Zeuge des begeisterten Tages in Spcier ge- wesen war und sein Land den Händen Arnolds überlassen konnte. Das Schweigen des arnsteiner Mönches hierüber ist kein Gegengrund. Denn wenn dieser bloss der Teilnahme des Neffen, Ruprechts des Streitbaren, im nächsten Kreuzzug gedenkt, so geschieht das nicht bloss, wie Schliephake, das Für und Wider in seiner Weise unschlüssig erwägend, annimmt, weil dieser seiner Zeit soviel näher stand, sondern weil er der in des Mönches Augen höchsten Ehre, des Sterbens auf diesem Zuge, teilhaftig geworden war. Graf Arnold blieb jeden- falls zurück. Das bezeugt eine Urkunde von 1148, in der Erzbischof Heinrich von Mainz dem Kloster Öchtricheshusen (Ichtershausen) die Schenkung der Kirche in Egenstaete durch seine nahe Verwante, die „nobilis ac religiosa ma- trona nomine Frideruna", und deren Sohn „MarquardusdeGruombach" bestätigt.^) Das Datum der Urkunde hat den ausdrücklichen Beisatz: „gloriosi regis Cun- radi secundi secundo peregrinationis anno." Hat Will, wie es scheint, recht, so ist die Urkunde im Februar zur Zeit des Aufenthaltes des Erzbischofes in Erfurt ausgestellt. Dorthin würde also der mituuterzeichnete Graf Arnold samt dem ihm voranstehenden späteren Mitschwieger, dem Grafen Emicho von Lei- ningen, seinem Gönner gefolgt sein, zum Beweis, wie weit sich der erzbischöf- liche Hofdienst auch für Freie ausdehnte, und wieviel die erzbischöfiiche Gunst wert schien. Wie aber Graf Arnold beharrlich am mainzer Hofe, so finden wir seinen Bruder auch dann am Königshofe, als dem Könige Konrad der Neffe Fridrich L gefolgt war. In der am 20. April 1152 in Köln ausgestellten Urkunde setzt dieser das Kloster Laach wieder in Besitz des ihm von seinem Stifter, dem Pfalzgrafen Heinrich, geschenkten Hofes Bedendorf, den Heinrich

allein bei Beyer und Goerz richtig, die Verschrcibung „Lucemburg" für Lurenburg scliun von Tolncr erlvannt. Luxemburg kann es um so weniger lieissen, als es keinen Robert dieses Namens gab, und ausserdem in der gleichen Urkunde vier Edele „de Lucclcnburg" vorkümmen. ^) Act. Pal. H, 11(5; Günther 1, '_>!».-); Beyer l, .J8!); Goerz, Mittelrh. Regest. 1, 5U2, Nr. 20-46. Von letzterem allein in das richtige Jahr gestellt. Von hier aus auch Schliej)- hake 1, 17s mit der irrigen Angabe ,,zwisclien 1 144 und 1 14.")" zu berichtigen. -) Stumpf, Acta mog. sec. XII. Innsbr. IS«;}. 4:5, Nr. !i:!; Will, Regesten I, :s:57, Nr. ;»(); Schliep- hake 1, 176,

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von Müllesperg sich unrcohtniässigcrweisc als Leiicu zugeeignet, uuu aber gegen 60 Mark au den König wieder abgetreten hatte.*) Unter den nicht weniger als 33 bei Schliephake aufgozählteu, den höchsten Reichsständen angehören- den Zeugen uimmt „Rotbertus comes de Lurenburch" die 22. Stelle ein.

0. Trotz päpstlich en Bannes endlicher Erwerb Nassaus.

Zu dieser Zeit aber muss es gewesen sein, dass die Grafen im Vertrauen auf die königliche Gunst sich gewaltthiitig des Zankapfels zwischen ihnen und Worms, der von ihrem Yater erbauten Burg Nassau, bemächtigten. Denn vom 4. Mai 1154 datiert der bekannte päpstliche Drohbrief.^) Derselbe ist, wie wir seiner Zeit hervorzuheben unterliesseu, ebenso sehr ein Zeichen für die in- zwischen gewonnene Machtstellung Laureuburgs, als er die Ohnmacht von Worms kennzeichnet, das die letzte Karte ausspielt, nachdem der erste trierische Bann und Lothars Spruch sich als wirkungslos erwiesen hatten. Worms sah Laureuburg iu königlicher Gunst, darum war nur noch der Papst seine Zuflucht. Laureuburg aber war offenbar um so sicherer in seinem Vorgelien, als es sich ausser auf die Gunst des Königs auf sein gutes Recht stützen konnte.') Was wollte es dagegen heissen, dass von 1154 an der Name seiner Grafen in keiner Urkunde erscheinen konnte, ein Umstand, der thörichterweise bis dahin an den Tod Ruprechts und Arnolds zu dieser Zeit glauben Hess, obgleich sie so deutlich der päpstliche Brief meint, wie ihren Namen nicht minder deutlich, was auch bisher übersehen wurde, die zwei wormser Urkunden vom 9. März 1159 nennen samt der alsbald zu nennenden Hillin's vom gleichen Tage! Der Besitz von Nassau war ihnen mehr wert. Sie trotzten einfach 5 Jahre lang und ertrotzten damit den berühmten Vergleich vom Jahre 1159. Dieser Erfolg ist um so bemerkenswerter, w^enu wir bedenken, welch eine strenge Strafe Kaiser Fridrich noch an Weihnachten 1156 auf dem Iloftage zu Worms über den Pfalzgrafen Hermann und den Erzbischof Arnold von Mainz wegen Landfriedensbruches durch das bekannte Hundetrageu verhängt hatte.'*) Der Kaiser muss demnach den laurenburg'schen Fall mit anderen Augen ange- sehen haben als das wormser Domstift und das um so mehr, als Bischof Kon- rad von Worms, der Nachfolger Burkard's oder Buggo's, selber in des Kaisers Gunst stand. Nicht unmöglich also, dass von letzterem ein Druck auf Konrad ausgeübt worden sein mag, den ärgerlichen Streit aus der Welt zu schaffen, und kein Wunder, dass Schannat den Austrag desselben mit den bitteren Worten berichtet: , Immer war unser Konrad dem Kaiser als Begleiter zur Seite, und während er sich zur Übernahme der kriegerischen Mühen rüstete, ging er. zufällig nach Trier verschlagen, den schäudlichen und unseligen Vertrag

•j Günther 1, :}:ü ; Beyer 1, (Jls, Nr. .ö61; Goerz, Mittelrh. Kogesten 2, 2, Nr. 4; Schliephake 1, 180. -) Annal. 24, 150. ^) Dürfen wir doch zu der schon früher aus Ilillin's Urkunde von 115;) angeführten Stelle: .,diccntcs in eodem Castro se aliquid pro- prietatis habere", die bis dahin von uns und unseren Vorgängern übersehene andere wichtige Stelle derselben: .,et persone nostrae et ecciesiae (juidquid in eodem castro iure allodij habebant, resignarent" (Schliephake 1, 204) in Betracht ziehen. ') Vgl. Will, Regesten 1, U58, Nr. 2ü.

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dort mit dem Erzbischofe Ilillin ein. Er trat diesem die Burg Nassau und das ihr angreuzeude horrliciie Landgut von 40 Mausen ab, während er umgekehrt den nur 19 Mausen umfassenden und dazu jeder Gerichtsbarkeit entkleideten Hof Partenheim von ihm in Tausch nahm. Es geschah das, wie in den Urkunden glänzend berichtet ist, unter der nachherigeu liilligung des (Jegenpapstes Victor im Jahre 1160. Es wird deshalb von einigen Schriftstellern der wormser Ge- schichte Ilillin dabei wie ein gewaltthätigen Raubes Schuldiger angeklagt, während er im Gegenteil von seinen eignen Leuten und von Einheimischen be- schuldigt wird, als habe er jene Sache weniger schlau behandelt und zu Ende gebracht. Dass deshalb von Neuem ein Schaden über die wormser Kirche gekommen sei, darüber gibt gewiss der Besitz der beiden Landgüter einen Wink, der, wer weiss aus welchem Grunde oder Geschicke, bei der trierer Kirche blieb, da sie die Grafen von Nassau von da an Kraft des Lehens als ihr Ver- pflichtete und ihr Gut in Parteuhcim bis zum Jahre 1065 gegen den Churfürsten von der Pfalz wegen des behaupteten Wildfanges in Anspruch zu nehmen ver- sucht hat."^)

Was das Ausserliche der Beurkundung wegen Nassaus angeht, so ist hier nachzutragen, dass wir uns seiner Zeit vom Ansehen unserer Gewährs- männer Hennes und Schliephake verleiten Hessen, nur vier Urkunden über diesen Fall anzunehmen : die der Kanoniker des wormser Dorastiftes, die des Bischofes Konrad, beide vom 9. März 1159, die Hillin's vom 1. April 1159, die Schliephake nach den Urschriften mit den beiden ersten abgedruckt hat,

^) Hisfc. episc. Wormat. 356 f.: „Adhaeserat caesari comes ubique Conradus noster, deni- que simul ad subeundos militiae labores sese accingeret, forte Trevirem delatus, turpem ac infaustum illic cum Hillino Archipraesule Traotatum iniit: huic si quidem Nassowa arcem eique annexum XL mansorum nobile praedium cessit, dum, vice versa, non nisi Curtem Par- tenheim, mansos dumtaxat XIX complectentem, nee non omni insuper jurisdictione destitu- tum, utut in Tabulas speciose [spatiose?] relatura, probante postmodum anno MCLX Victore Antipapa. Hinc a nonouUis Wormatiensium rerum scriptoribus [am Rande: Golscher, Gesta Trevir. apud Eccard. Script. Tom. II] Hillinus in hoc, velut violenti spolii reus inciisatur, dum e contrario, a propriis ac domesticis culpatur, quasi minus caute rem illam tractarit ac peregerit. Gerte damnum inde ex integre in Wormatiensem redundasse Ecclesiam, satis innuit praedii utriusque simul possessio, quae nescio qua ratione aut fortuna, penes Trevirensem per- mansit, cum haec Nassoviae Comites feudi lege exinde obnoxios sibi habeat, et Partenheimium suum adhuc Anno MDCLXV. adversus Palatinum Electorem a praetenso jure Wildfangiatus vindicare conata fuerit." Das „forte Trevirem delatus" ist übrigens ein Irrtum Schannat's. Bischof Konrad sagt deutlich in seiner Urkunde vom 9. März 115t» (Schliephake 1, 'JOD:

„qualiter interfuerim cuidam concambio in uilla Partenheim, quod vorsabatur intor

dominum Hyllinum uenerabilem treuirensis ecclesie archiepiscopum apostolic. sedis legatum et inter confratres nostrao canonicos Sancti Petri maioris domus, et illam commutationem pro- mouerim et confirmauerim." Dem Vermerke an ihrem Schlüsse gemäss scheint nur die Aus- fertigung der Urkunden in Trier erfolgt zu sein. Aber auch darin wird Schannat in seiner Entrüstung zu weit gegangen sein, dass Partenheim nicht in wormser Besitz übergegangen sein solle. Denn da Hillin in seinem Tauschvertrag ausdrücklich betreffs dieses Gutes sagt: „excepta solummodo decima et advocatia, quae ante tempora mea a praedecessoribus meis erant inbeneficiata" [i. e. in beneficium data, vgl. Du Cange-Henschel H, TSU"], so gehörte auch der Wildfang zu den von Trier vorbehaltenen Rechten, sei es nun, dass dieses als "NVild- bann oder, was waiirscheinlicher ist, als das Recht, Fremde als eigene, d. Ii. Vogteileute, ein- zufangen, zu verstehen ist.

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und endlich die des Papstes Victor lY. vom 25. Juli 1160. Es gab aber noch eine fünfte, die uns Schanuat') aufbehalten, und auf die schon Kremer-) ver- wiesen hat. Diese, ebenfalls vom 9. März 1159, ist das Gegenstück zu der l'rkunde Konrads und gibt, ausgestellt von Ililliu, den Sachverhalt des in Parten- heim abgeschlusseneu Tauschvertrages zwischen Trier und Worms von ersterer Seite an. Sie bietet im wesentlichen nichts Xeues, sondern stellt nur das von den beiden wormser Urkunden Vorgebrachte, mehrfach wörtlich, aber in eigener Ordnung, zusammen. Gerade das jedoch macht sie merkwürdig. Denn indem sie genau den wormser Ixechtsstandpunkt bezüglich Nassaus wiedergibt, setzt sie sich in Widerspruch mit der Urkunde vom 1. April, in der nach Gebühr das laurenburg'sche Recht gewahrt, und der Sachverhalt der Wirklichkeit ent- sprechend dargestellt ist, so wie er wenigstens von selten Laurenburgs auge- sehen worden zu sein scheint. Überdies widersprechen sich beide Urkunden in Bezug auf den Zweck des Tausches. Nach der vom 9. März geschieht der Tausch in der Absicht, dass Worms, weil ihm der Besitz Nassaus lästig ge- worden sei, und dies ihm zu entfernt liege, in dem näheren Partenheim (bei Würstat in Rheinhessen) einen Ersatz finde, und Trier dafür einen Besitz inner- halb seines Sprengeis erhalte. Die Urkunde vom 1. April versichert dagegen, der Tausch sei aus dem Wunsche hervorgegangen, die Streitursache zwischen Nassau und Worms aus dem Mittel zu thuu und zugleich der trierer Kirche einen Vorteil und Nutzen zu verschaffen. Als ob der Streit damit ein Ende habe, dass Nassau in die Hände eines anderen Besitzers gekommen sei ! Dann erst kommt die Hauptsache. Nachdem Trier friedlich und ruhig in Besitz Nassaus gelangt gewesen, seien die Laurenburger mit der Bitte hervorgetreten, dass, weil sie keinen Streit mit Trier wünschten, vielmehr diesem immer ergeben gewesen seien, auch manchen Dienst ihm geleistet hätten und weitere versprächen, Nassau ihnen zu Lehen gegeben werde. Zum Ersatz („pro restauratione"-"') für das ohnehin ein wenig zurückgegangene Partenheim hätten sie 150 Mark für den Ankauf eines anderen Landgutes gegeben und zugleich auf ihr Allodialrecht an Nassau verzichtet. Aus diesen widerspruchsvollen Darstellungen der Urkunden wird erst recht klar, dass die Triebfeder zum Tausche weder in Worms noch in Trier, sondern in Laurenburg und am kaiserlichen Hofe lag. Man ummantelte nur die harte Notwendigkeit, um die kirchliche Würde zu wahren. Die zwischen Worms und Trier gewählte Form der Darstellung erschien den Führern der Unterhandlung, vor allem Hillin, notwendig, um dem wormser Domkapitel Sand in die Augen zu streuen. Bei der mit Laurenburg geführten Sprache, von der Worms nichts hören durfte, galt es Hillin, das eigene Domkapitel glauben zu machen, dass er lediglich im Interesse Triers gehandelt habe. Denn auch dieses bedurfte einer solchen Täuschung, da es 5 Jahre zuvor an der Ausführung des päpstlichen Bannes kirchenordnungsgemäss beteiligt war. Deshalb auch in <lor 1 rkunde vom 1. April kein Wort von der Zurücknahme des Bannes. Erst die Vorteile von einer Verbindung Laurenburgs mit Trier, dann verstand

') Hist. episc. Worm. Prob, ^u ff., Nr. S."). «) OnV. Nass. 2, ISO. ») Restnurntio liat liic-r (lio niitfelnltorliclio IJodoutung von comiiciisatio. Vyl. Du raii;,^ü-ll oii sc liel :>, T.i.'j''.

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sich die Aufhebung des Bannes von selber, die wir deshalb in einer hierauf folgenden eigenen, leider verloren gegangenen Urkunde erwarten dürfen.^)

Aber auch das findet nocli seine Erklärung, dass Laurenburg bei dieser Angelegenheit eine so autfallend geringe Beteiligung seiner nächsten Nachbarn fand. Nur 10 freie Edcle nennt die Urkunde vom 1. April 1159 als „testes" und „obsides" : „lieinboldus c. de ysenburg et Gerlacus nepos eins, Ileinricus conies de seinti, Ruobertus comes de Berebach, Fridericus de Brubach, Euerardus de Burgenshoini, Egonolfus de Wrutlie, Vdo de hegere, Sifridus de ruukel, Sifridus de biegen." Yon diesen sind zunächst zwei angeheiratete Verwante. Reinbold von Isenburg ist der vierte dieses Namens und Sohn Keinbolds Hl., der eine der 6 arnsteinischen Töchter geheiratet hatte, zugleich, wie die Urkunde bezeugt, Inhaber der Grafenwürde im Einrieb. 2) Sein Neffe Gerlach \., als Sohn Gerlachs IV., kommt, wie sein Vater, auch als Herr von Kovern vor.^) Der diesen folgende Graf Heinrich von Sain ist derselbe, der mit seinem Bruder Eberhard die Burg Sain Erzbischof Ilillin 1152 freiwillig aufgetragen und als Lehen von diesem empfangen hatte. Eine solche Ergebenheit gegen Trier trug ihnen 100 Pfund Heller als Jahresgehalt mit der Bestimmung ein, dass ihre erblichen Nachfolger die Burg und diesen Jahrgehalt ohne „Heregewede" und „Ileresture" haben sollten.^) Und doch war das Ganze nur ein Werk der Not, da im Sommer des gleichen Jahres die Burg durch den Erzbischof Arnold von Köln von Grund aus zerstört worden war.'') Was Wunder, dass Lauren- burg sich hieran ein Beispiel nahm, und dass einer der Beispielgeber mit unter den Zeugen und Geiseln war. Der weitere Zeuge Graf Ruprecht von Berebach scheint in keiner näheren Beziehung zu Laureuburg als der einer Bekanntschaft vom erzbischöflich mainzischen Hofe gestanden zu haben, da er

^) Zu dieser Erwartung berechtigt uns ausser den Vorschriften des kanonischen Rechtes ein ähnlicher Vorgang aus ungeföhr derselben Zeit. Graf Simon I. von Sarbrücken, Bruder des Erzbischofes Adelbert I. von Mainz, hatte lange Zeit dem Kloster Schwarzach im Elsass die „curtis in Suuinderathesheim" gewaltsam vorenthalten. Kaiser Fridrich I. erkannte \\'i2 zu Recht, dass der Hof dem Kloster gehöre, Gudenus, Sylloge 458 ff. Graf Simon, der des- halb vom Bischöfe von Strassburg nach päpstlichem Spruche in Bann gethan war, nuisste sich hiernach zur Herausgabe des Hofes verstehen, that dies aber in der Weise, dass er sich vom Abte Konrad in Schwarzach 110 „ex rebus ecclesiae magna difficultate conquisitas raarcas'' geben liess, „aliquod tarnen inter haec lucrum volens", wie es in der Urkunde lieisst, trotzdem er sein Unrecht eingesehen hatte und den Hof an den Bischof Günther von Speier abtrat, der ihn dem Kloster wieder zustellte. „Sique demum'', heisst es alsdann in der darüber aufge- nommenen Urkunde Günther's von 1152, „concessione Dni Argentinensis, ad quem potestas hunc solvendi spectabat, nostra auctoritate ab excommunicatione solutus est". Sylloge 462. '-) Der Satz: „qui tunc temporis eundem comitatum tenebat", in dem wir bereits „tunc tem- poris'' in der Bedeutung: „zu der Zeit" sichergestellt haben, Annal. 2.'., t;4, besagt bei näherer Betrachtung, dass zu dieser Zeit bereits Verhandlungen betreffs des Verkaufes der Grafschaft an Laurenburg und Katzenelenbogen im Gange sein musstcn, da sonst wohl ein „tenet" stehen würde. Möglich bleibt freilich ein Versehen des Urkundeverfassers. Sein eigenes ^tiinc temporis'' konnte ihn dies machen lassen, indem ihm das im Sinne gehabte „zu dieser Zeif" unwillkürlich zu einem „damals'' wurde und eine Zeitform der Vergangenheit zu fordern schien. ^) Reck, Gesch. d. Häuser Isenburg, Runkel, Wied. Weimar 1825. 3,3, 49. '•) Beyer I, (!2H, Nr. 571; Goerz, Mittolrhein. Regesten 2, 7, Nr. 20. '') Die Quellen hierüber siehe l)ei Goerz a. a. O. 2, 5, Nr. 17.

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sonst in mainzischen Urkunden vorkommt.') Seine Grafschaft Hegt im thüring- ischen Monregau.-) Fridrich von Braubach gehört den Adeligen von dort an, die schon 1158 genannt werden.'^) Eberhard von Burgeusheim, jetzt Bürres- hoim bei Mayen im Regierungsbezirk Coblenz, darf wegen der nicht allzu fernen Luge seiner Burg zu dem Bekannteukreise der Laureuburger gezählt werden.^) In Egeuolf von Wrutlie haben wir wohl den ersten Adeligen von Frucht zu erkennen.'') Udo von Ilaiger, Sigfrid von Runkel und Sigfrid von Bicken treten auch hier zum ersteumale als altnassauische Adelige auf.'') Unter den 18 Mi- nisterialen ist es nur Roricus de Milena, der sich uns als nassauischer Eigeumann zu erkennen gibt, und der als Ahnherr derer von Miehlen zu betrachten ist.') Das sind nun alles, trotz ihrer Zaiil von 2G, keine bedeutenden Namen. Aber mit den 42 auf der Gegenseite verhält es sich geradeso. Die 17 geistlichen Zeugen davon ffehören alle Trier oder seiner nächsten Nähe an. Von den nur 0 freien Edelen vertreten 6 zugleich Laurenburg, und von den IG Minis- terialen thut dies sogar noch der Marschalk Wilhelm. Gleichwohl wäre ein Schluss hieraus auf das geringe Ansehen Laurenburgs das Gegenteil von der AVuhrheit. Es konnten nicht mehr Zeugen, und dieselben konnten keine anderen als diese zum Teil bejahrten sein, da alle kriegstüchtigen Männer sich zu der Zeit in dem Heere Fridrichs I. befanden, der die lombardischen Städte zu züchtigen hatte.

<. Ruineclit III., der Streitbare, zum ersteumale Urkuiideiizeiige.

Wir mussten dies alles, da es zusammen gehört, in einem Zuge zu Ende führen. Eine mainzer Urkunde aber nötigt uns nun, ehe wir weiter gehen, um ein Jahr zurückzugreifen. Dieselbe ist 1158 ausgestellt und berichtet die vom Erzbischofe Arnold, wie es am Ende heisst: „in camenata nostra Moguntie", vollzogene Schlichtung des Streites zwischen dem Kloster Winkel und den Vormündern des Rheingrafen Embricho IV. über die von letzteren erhobenen Erbansprüche auf das Allod Rendewineshuba, das der Ministeriale des Martins- stiftes Wulfricus von Winkel dem Kloster geschenkt hatte. Als freie Laien- zeugen werden dabei genannt: „comes Gerhardus de Nurinkes" und „comes Rupertus de Lurenburch."'^) Schliephake hat ohne weiteres in letzterem den

•) Gudenus, Cod. dipl. 1, 231; Wenck, Hessische Landesgesch. 1, Urkb. 104. *J Joannis, Rer. mog. 2, 465, 489 f.; Will, Regesten 1, Uli, Nr. 18. ^) Vogel, Topogr. <)1, Roschr. (;4»;. •*] Mittelrh. Urkb. 2, LXXIII. ^) v. Honthcim 1, r)SS schreibt irrig .,Wruciieim". Die Vertauschung von v und w kommt ütter vor. So Wolkoldus für Volkoldus bei Honthcim 1,442. Wiescart für Viescart oder Fischart, Jahresber. d. Geschichtswissensch. P.erlin 1893. 2, KU. Ob „Wezil de Vruchte et frater eius Arnoldus'' in der Urkunde vom Jahre 1190 seine Sühne sind? Vgl. Joannis, Spicilcg. 21, Mittelrh. Regest. 2, 141. Und ob nicht, was wichtiger sein möchte, er der Ahnherr derer von Stein ist, die in Frucht be- gütert waren und einen Egenolfus im arnstcincr Necrologium verzeichnet haben? Vgl. Vogel, Topogr. 9.-,, Beschr. 051; Becker, Annal. It;, 14. ") Vogel, Beschr. 712, 252, 725. ') Arnoldi, Miscellaneen 141, Annal. !(!, 15. **) Bodmann, Rheing. Altert. 170; Sauer 1, 172, Nr. 2:{s. Da die Urkunde nur das Jahr 115S und Iml. 0 angibt, so hat die ungefähre Bestimmung des Munats Schwierigkeiten verursacht. Will, Kegcsteu 1, 305, Nr. Ol setzt sie

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von uns seither besprochenen Ruprecht sehen zu müssen gemeint und in dieser Urkunde die letzte Bezeugung- für ihn vor seinem Tode gefunden,^) Sehr mit Unrecht. Der Altgraf Kupreclit befand sich zu dieser Zeit noch im Banne, war also zeugnisunfähig. Zudem hätte ihm Gerhard von Nürings nicht vor- anstehen können, da er diesem gegenüber der Altere war. Denn Gerhard begegnet uns in Urkunden erst vom Jahre 1143 au.*) Es muss also ein jüngerer Ruprecht sein, und wenn wir bedenken, dass vor dem Banne Arnold sich auf- fällig oft am mainzischen Hofe zeigte, so liegt es wohl am nächsten anzunehmen, dass es dessen Sohn Ruprecht der Streitbare ist, und dass die Veranlassung, die den Vater so oft dorthin führte, dessen Eigenschaft als mainzischer Lchens- träger war, wie ehemals die Udalrichs. Es will sich uns das nämlich daraus ergeben, dass die Zeugenschaft diesmal dicht vor dem Kriegszuge nach Italien statt hat. Was kann da natürlicher sein, als dass der Sohn des gebannten, vielleicht auch schon gestorbenen Vaters an dessen Stelle sich bei dem Erzbischofc als „miles" und „fidehs" einfindet, um ihn nach Itahen zu begleiten! Als Sohn des laurenburg'schen Hauses und als Sohn des nicht regierenden laurenburg'schen Vaters aber stand Ruprecht natürlich dem regierenden Grafen Gerhard von Nürings nach.

„vor Juni", offenbar geleitet von dem Gedanken, dass Erzbischof Arnold bereits im Anfang des Juni mit einem glänzenden imd wohlbewaffneten Heere auszieht und zu dieser Zeit mit Kaiser Fridrich in Augsburg zusammentrifft, ebenda :567, Nr. 69. Sauer setzt die Zeit vom 14. Aug. bis 24. Sept. und lässt sich dabei von den beiden Anhaltspunkten der zuerst von ihm genau nach dem Original wiedergegebenen Urkunde bestimmen, dass der als Zeuge angegebene Abt Harpert von S. Alban dies erst nach dem 25. Mai, dem Todestag seines Vorgängers Baldemar, sein konnte, und dass der für den Namen des Abtes von Eberbach freigelassene Kaum den am 14. Aug. 1158 (1152 ist Druckfehler bei Sauer, der sich auf Baer, Gesch. der Abtei Eberbach, 1, 231, wo das richtige Jahr steht, beruft) erfolgten Tod des Abtes Ruthard vor- aussetze. Da aber von der Hand desselben Schreibers noch eine Urkunde vom Jahre 1159 mit der Ind. VII vorliege, die ebenfalls den Raum für den Namen des eberbacher Abtes frei- lasse, so sei ersichtlich, dass dieser nach der am 24. Sept. beginnenden sog. kaiserlichen In- diction rechne, mithin als Ausstellungszeit die Zeit zwischen 14. Aug. und 24. Sept. anzunehmen sei. Beide Gelehrte haben mit ihren Festsetzungen recht; Will, unwissend, da er in dem ihm vorliegenden B o dm an n' sehen Texte nur den Namen des dort von diesem hier einge- fälschten Abtes Ruthard kannte, für das Konzept der Urkunde, Sauer für ihre Ausfertigung. Wie aber die Urkunde in diesem Stücke für die Diplomatik lehrreich ist, so ist sie es auch in Bezug auf die Zeugen. Bei dem Konzepte der Urkunde, in der Kemenate des Erzbischofes, waren offenbar noch die Äbte Baldemar von S. Alban und Ruthard von Eberbach zugegen. Bei der Ausfertigung waren sie tot. Tote Zeugen sind keine. Also wurde der dem Schreiber bekannte Nachfolger Baldemar's Harpert ohne weiteres an dessen Stelle gesetzt, und da der Nachfolger Ruthard's, Eberhard, der zuvor von Clairvaux kommen sollte und deshalb erst vom 20. Nov. bezeugt ist, vgl. Baer 1, 2;U Anm., zu der Zeit seinem Namen nach noch un- bekannt war, so blieb die Stelle für diesen frei zum späteren Eintrag, der nie erfolgte. Aucii liier ist ersichtlich, dass die Urkunde nur dadurch Wert hatte, dass ihre Zeugen nötigenfalls zum Eide gefordert werden konnten, vgl. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre 1, 85 ff. Man war deshalb auf Ersatz der inzwischen Verstorbeneu bedacht. Die Ersatzmänner können dann als testes facti, d. h. zu Zeugen Gemachte, gelten, vgl. Ficker 1, 86. ») 1, 1S9. ^) Vogol, Bcsehr. 197.

Annaleu, Bd. XXVI. 6

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IV. Die Grafen von Nassau.

1. Der arnsteiiier Bericht und seine Ergänzung.

"Was uun zunächst folgt in der Geschichte des von da an, wie bekannt, sich Nassau neunenden Hauses, hat den bisherigen Darstellern dieser aus Anlass ihrer irrigen Annahme über die beim Vertrage mit Trier beteiligten Glieder des Hauses so viele vergebliche Mühe gemacht, dass uns so gut wie alles zu entwirren übrig geblieben ist. Wählen wir deshalb unseru Weg sorg- fältig. Die Grundlage, von der auszugehen ist, bleibt, wie wir seinerzeit schon darthaten, auch jetzt der Bericht des arnsteiner Mönches.') Nach diesem war der uns als Trutwin lY. bekannt gewordene Laurenburger, der ihm be- reits Nassauer ist, der Gemahl der vierten Arnsteiucrin, die wir abseits von ihm, wie den Gatten, unter dem Namen Beatrix kennen. Aus dieser Ehe entsprossen: Ruprecht, Arnold und Demudis, die letztere vermählte sich mit Embricho und war die Mutter des Grafen Heinrich von Dietz, wie dieser der Yater des Grafen Gerhard von dort. Von Ruprecht kennt der Mönch nur den einen Sohn Walram. War ihm doch auch der Name der GemahUn Ruprechts unbekannt geblieben. Wir aber sind im stände, mit Urkunden seiner Unkuude zu Hilfe zu kommen. Wir wissen seit Gebhardi, dass die Gemahlin dieses ersten Ruprecht Beatrix hiess und eine Tochter des Herzogs Walram von Limburg, mit dem Beinamen Paganus, und dessen Gemahlin Jutta oder Judith war, sowie dass ihr erster Sohn von Ruprecht den Namen Arnold trug. Dies macht alles die eine Urkunde des Bischofes Heinricli von Lüttich von 1151 klar, in der dieser bestätigt, dass die in's Augustiuerkloster getretene Witwe Walrams, Jutta, diesem imter Zustimmung ihrer Söhne Heinrich und Gerhard die Kirche in Lomundcsheim mit allem Zubehör geschenkt habe, und dass bei ihrer Beerdigung in gedachtem Kloster die anwesenden Söhne mit dem gleichnamigen Söhuchen des ersteren von ihnen, wie mit „Arnoldus quoque tilius Ruberti, comitis de Luuneburg, natus ex domina Beatrice, filia praedictae dumiuae, et Theodoricus, filius Ekeberti comitis de Titkeinburg, natus ex alia tilia", die genannte Kirche förmlich übergeben hätten.^) Der Name „Luuneburg", der in den T^rkunden von 1158 und 1212. des gleichen Betreffs mit Lunenburg und Lunenborch wechselt, ist nur ein Schreibfehler für Lurenburg, wie bereits Kremer gesehen und festgestellt hat.^) Dass wir diesem erstgeborenen Sohne Ruprechts L nicht weiter begegnen, ist ein Zeichen, dass er früh gestorben sein wird, möglicherweise auf dem ersten italienischen Feldzuge Kaisers Frid- richs I. zwischen 1154 und 1155, der noch vor Verkündigung der päpstlichen Bannandrohung an Laurenburg begann, sodass sein Tod des Kaisers Gunst gegen letzteres vermehren helfen konnte. Dem arnsteiner Mönche aber blieb das ebenso verborgen, wie das Vorhandensein noch eines anderen Sohnes Ruprechts L, von dem erst weiter unten geredet werden kann. Ebenso verrät er ein halbes

') Krem er, Orig. Nass. 2, 3ß:{; Wldmniiii, Annalpii IS, 247. ^) Kremer, Orig, Nass. 2, 171 f., vgl. IH-l f. u. 219 fl'. - ^; Orig. Nass. 1, :iü2 Anin., vgl. Schliepli. 1, 181 1".

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Wissen, wenn er weiter berichtet: „Arnoldus comes pater extitit Ruberti comitis viri bellicosi, qui iu cxpoditione imperatoris Frcderici peregriuus obiit in partibus transmarinis"; und sein Übersetzer weiss nicht mehr, wenn er das überträgt mit: „Arnold, eyn stam, dar vss sproiss Ruprycht eyn jiinck reyss, eyn streythaftich man, der da gedynet was dem Römischen Keyser, Keysor Frederich, vnd von godes wyllen starp vff dem mere."^) Fünf alte Nachrichten belehren uns nämlich über einen Grafen Heinrich zu dieser Zeit, der niemand anders als ein Sohn Arnolds gewesen sein kann, wie dies bereits Krem er dargethan hat^), ohne Nachfolger finden zu können. Sein Name „Heinricus comes de Nassowe" wird zuerst iu einer Urkunde von 1160 genannt, in der Erzbischof Hillin dem Bischöfe Albert von Verdun die Burg Mussy an der Mosel zu Lehen verspricht, falls derselbe sie von dem Paganus von Mussy erobern werde.^) Graf Heinrich, der als der Erste seines Geschlechtes den Namen Nassau hier führt, tritt dabei als erster und einziger freier weltlicher Zeuge auf. Die nach ihm verzeichneten 13 Ministerialen sind der Mehrzahl nach dieselben, wie die in der Urkunde vom 1. April 1159. Er hat demnach den ersten Teil des zweiten italienischen Ileereszuges Kaiser Fridrichs nicht mit- gemacht. Erst der Nachschub neuer Ililfsmannschaft beteiligt ihn daran. Das gibt die zweite Urkunde vom 1. September 1161 zu erkennen, die ausgestellt „in territorio Medyolanensi apud Landrianvm", die kaiserliche Schlichtung des Streites zwischen Hillin und dem kaiserlichen Bruder, Rheinpfalzgrafen Konrad, enthält. Als Zeugen werden dabei ausser den geistlichen Würdenträgern auf- geführt: „Lodwicus prouinciahs comes, Euerardus comes de Seyne, Henricus comes de Dithesse, Robertus et Henricus comites de Nassowe, Sifridus comes de Wedeh, Hermannus comes de Saffenberch" und weitere 6 vom niederen Adel.*) Da Graf Heinrich von Dietz voransteht, so kann „Robertus" nicht Ruprecht I. sein. Dagegen schliesst die Nichtbezeichnung als Bruder, wie in so vielen anderen Urkunden, nicht aus, dass die Genannten von Nassau die beiden Söhne Arnolds, Ruprecht der Streitbare und Heinrich sein können. Wir sagen aber nur „sein können", da die Möglichkeit zu bedenken ist, dass Ruprecht als Lehensmann des Erzbischofes Arnold von Mainz mit diesem im Jahre 1160 nach Deutschland zurückgekehrt sein könnte und Zeuge von dessen schmach- vollem Tode durch die empörerischen Mainzer am 24. Juni dieses Jahres ge- wesen wäre.^) In diesem Falle hätten wir in „Robertus" den oben angedeuteten Sohn Ruprechts I. zu sehen, von dem später zu handeln ist. Die dritte Urkunde über Heinrich vom Jahre 1163, die Schliephake noch nicht kannte, stellt

') "Widmann, Anualen 18, 247. Charakteristisch für die Roth' sehe Geschichtsdar- stelluug ist, dass er S. 16 seiner Gesch. d. Stadt Wiesb. zu schreiben wagt: „Arnold I. hatte als Söhne Heinrich I., Hermann, Ruprecht IV. und Ruprecht III. den Streitbaren, mit dem diese Linie ausstarb". Als Schreibfehler nur sei ihm angerechnet, dass er S. 17 Ruprecht III. zum Sohne Walrams I. macht, da er diesen auf derselben Seite vorher als Ruprecht IV. ver- zeichnet hatte. -) Orig. Nass. 1, 384, vgl. Schliephake 1, 269 ff. ^) v. Hontheim 1, r)90; Beyer 1, 680; Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 50, Nr. 169. *) v. Hontheim 1, 595; Beyer 1, 087, Nr. 627; Goerz, Mittch-h. Regest. 1, 55, Nr. 196. ^) Siehe die Quellen bei Will, Regesten 1, 373 76.

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diesen ebenso neben einen Ruprecht seines Hauses. Erzbischof Konrad I, von Mainz legt mit ihr den Streit zwischen dem Kloster S. Jakob daselbst und Konrad von Rüdesheim bei. Die hierbei genannten ,laici" sind der Reihe nach : ^Rupertus et Heiuricus de Nassowe, Emicho irsutus comes, Gerhardus coraes de Nuringis, Weruherus de Walebach, Embricho comes Reni, Wern- herus de Bolanden, Hartradus de Merenberc, Cunradus de Leitgastere, Embricho de Wiukelo. Wernherus dapifer, Arnoldus rufus."*) Hier nun scheint nichts entgegenzusteheu. die an erster Stelle diesmal genannten Nassauer als Brüder anzusehen. Die vierte Urkunde zeigt uns den Grafen Heinrich abermals in Italien. Es ist eine solche des gleichen Erzbischofes, vom März („in mense martio") 1167 „in episcopatu Faveutino apud S. Proculum" ausgestellt, die den Kanonikern des mainzer Domstiftes die Kirche und den Zehnten „de inferiore Ylmene villa" [Niederolm] überlässt. Ausser 20 geistlichen Zeugen werden dabei genannt die Namen: „Comitis Embriconis de Liningen, Gerlaci comitis de Yeldenza, Erwini comitis de Thuringia, Heinrici comitis de Nassowe, Embriconis de Winkelo, Burchardi et Cunradi de Aschaffenburg, Dudonis, Marquardi de Bergestat, Cunradi hlii Wignandi, Tirrici de Selhova, Ludewici Walpodi Moguntini, Ram- bodonis de Pinguia, Dudonis et Hertwici de Lorecho. "^) Die fünfte Urkunde endlich aus der gleichen Zeit und vom gleichen Orte enthält die kaiserliche Bestätigung der vorangegangenen. Ausser 2 Bischöfen und einem Abte werden hier aber nur als Zeugen genannt : „Frater noster Cunradus comes Palatinus de Reno, Fridericus dux de Rodenburc, Erwinus comes de Thuringia, Heinricus comes de Nassowe."^) Befand sich aber hiernach Graf Heinrich im kaiserUchen Feldlager, so besteht kein Zweifel, dass er auch der „H. comes de Nassove" ist, den der Cardinal Nicolaus von Aragonien in seiner „Vita nonnullorum pontificum rom." unmittelbar nach „Fredericus Bavariae dux" und mit „Bur- chardus comes de Altremont, H. comes de Lippia, R. cancellarius ecclesiae Colon, iiitrusus et L. frater ejus comes, episco^jus Verdensis pertinax schismaticus" als einen der „pauci famosissimi" der damals innerhalb 7 Tagen vor Rom der Pest Erlegenen des deutschen Heeres nennt, welche den Kaiser, wie derselbe bemerkt, „octavo idus Aug. [6. August 1167] non sine mauifesta confusione" zwang, von Rom zu entweichen, um im Frühjahr 1168 nach Deutschland zu- rückzukehren.^)

') Roth, Geschichtsquellen aus Nassau. Wiesbaden 1880. 2, 7 f . ; Sauer l, 183; Will, Regesten 2, 4, Nr. 24. ■') Gudcnus, Cod. dipl. 1, 254 ff.; Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 74, Nr. 2.'^.^. Ficker, Beitrüge zur Urkundenlehre 2, 495 macht darauf aufmerksam, dass in dieser Urkunde ein „Zusammenwerfen von Zeugen der Handlung und Beurkundung'* statt- gefunden habe, erstere sei nach Mainz, letztere nach Italien zu verlegen. Will hat die Ur- kunde niclit verzeichnet. ») Gudenus, Cod. dipl. 1, 25G f.; Will, Regesten 2, 21, Nr. ?,l. Ficker 5(Mt nennt die Urkunde „ein sehr auffallendes Beispiel der Abhängigkeit des Proto- kolls sogar von der bestätigten Privaturkunde", d. h. der zuvor genannten und bemerkt weiter: „Aber es stimmt auch [in beiden] die unrichtige Ind. 14 statt IG, weiter das richtige Regni 15 statt des kanzleigemässen 14, vor allem aber die in dieser Zeit ganz ungewöhnliche unvoll- ständige Tagesangabe.'* *) Muratori, Script, rer. Ital. tom. III, p. I, p. 459 bei Krem er, Orig. Nass. 1, :^S0 Anm.. vgl. Schliephake 1, 274 f. Weiteres bei Stalin, Wirterab. Ge- schichte 2, IUI.

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Alle diese fünf Zeugnisse vom Leben und Tode des Grafen Heinrich waren für den Mönch in der arnsteincr Zelle nicht vorhanden. Er, der zwischen 1198 und 1230 schrieb'), kennt nur die Namen der mitlebenden nassauischen Grafen und deren nächste Ahnen. Graf Heinrich lag vor seiner Zeit. Ja nicht einmal seinen Zeitgenossen, den Sohn des von ihm genannten Ruprecht des Streitbaren, Hermann, scheint er gekannt zu haben, da dieser als Kanoniker des St. Peter- stiftes in Mainz seinem Blick entrückt sein mochte.^) Nennt er doch auch nicht den zweiten Sohn des Grafen Heinrich von Dietz, den jüngeren Heinrich, der noch bis 1234 lebte, während der von ihm genannte Bruder desselben Gerliard nach 1223 nicht mehr vorkommt^), zu geschweigen, dass er von den ebenfalls Mitlebenden des dietzischen Hauses, die uns auch nur dem Namen nach be- kannt sind, von Berthold, Diether und Philipp*) nichts weiss. Und ist denn nicht sein ganzer genealogischer Bericlit ein sehr summarischer zu nennen? Während er von den 6 arnsteinischen Töchtern vier ganz flüchtig mit der Be- merkung abthut, dass die erste und zweite an ungarische Barone verheiratet wurden, die dritte dem Pfalzgrafen von Tübingen in St. Goar mit grosser Pracht zugeführt ward, die sechste das isenburg'sche Geschlecht gebar, verweilt er bei der vierten und fünften nur deshalb länger, weil die Nachkommen dieser, die Grafen von Nassau und Katzenelnbogen, ganz in seiner Nähe, die ersteren sogar die Vögte des Klosters sind.^) Aber selbst bei diesen arnsteiner Vögten, deren laurenburg'sche Abkunft er nicht einmal kennt, da er der vierten Arn- steinerin gleich einen Nassauer zum Gemahl gibt, verfährt er deutlich mit der Absicht, nur den jetzt regierenden Grafen die nächsten Stammväter zuzuweisen und darum die Nebenlinien bloss anzudeuten.

Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, dass die soeben von uns vollzogene Ergänzung seines Berichtes, die uns Arnold als den vermutlich ältesten Sohn Ruprechts I. und Heinrich als den zweiten Sohn Arnolds I. kennen lehrte, uns nun noch zu einer weiteren zwingt, wo es gilt, einmal für alle Male dem seitherigen Gewirre des Namens Ruprecht in der nassauischen Genealogie ein Ende zu machen und dabei mit wesentlichen Annahmen unserer Vorgänger in dieser verwickelten Sache zu brechen. Denn, um es gleich zum voraus zu sagen, es ergibt sich uns die Notwendigkeit, den beiden Grafen Ruprecht des arnsteiner Mönches noch zwei weitere zu gesellen, von denen der eine bis jetzt nur schüchtern Anerkennung gefunden hat, der andere aber, obwohl längst ent- deckt, zum Beweis für die Richtigkeit dieser Entdeckung von uns auf eigenem Wege als solcher erkannt wurde. Schliephake ist uns dabei ein vorzüglicher Wegweiser und zwar ebensosehr durch den von ihm eingeschlagenen Weg als durch seinen Zweifel, ob derselbe zum Ziele führe. Sein Weg, die Ruprechtc durch ihre Gemahlinnen zu bestimmen''), erprobt sich durchaus.

*) "Widmann, Nass. Chronisten des Mittelalters. Wiesbaden 1882. 12. ^) Es dürfte das ein Zeugnis dafür sein, dass seine Vita näher an 1230 als an 1198 geschrieben sein wird, da Hermann 1212 noch nicht in den geistlichen Stand getreten war, und der Kanoniker erst 1240 uns bezeugt ist. Vgl. Vogel, Beschr. 307 f.; ßodmann, Rheing. Altert. 874. ^) Vogel, Beschr. 208. *) Wenck\ Hess. Landesgescb. 1, 539. ^) v. Arnoldi, Gesch. der Oran. Nass. Lande 3, 1, 211. *^) 1, 259.

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2. Die Kuprechte und ihre Geiiiiililiuueu.

a. Kuprecht I, und Beatrix.

Bei Ruprecht I. bedarf dies keines Beweises mehr. Auch ist er für uns nicht erst durch seine Gemahlin Beatrix, die denselben Namen mit seiner Mutter führt, und die wir Yogel und Schliephake entgegen als seine einzige aner- kennen, sondern ebensosehr durch die seither über ihn vorgelegten Urkunden festgestellt. Und wenn wir hier noch einmal auf ihn zu reden kommen, so geschieht es nur, um festzustellen, dass mit Sicherheit nur die Verhandlungen zwischen Worms, Trier und Laurenburg seinen und seines Bruders Arnold Namen zum letztenmale bieten. Wie der letztere von da an überhaupt nicht mehr vorkommt, so sind auch die Träger des Namens Ruprecht seit den 60er Jahren des 12. Jahrhunderts augenscheinlich andere als Ruprecht I. Es darf das nicht Wunder nehmen, denn war es auch beider Vetter, Ludwig IIL von Arnstein, vergönnt, als 75 jähriger im Jahre 1185 erst zu sterben, so scheinen der Kriegsdienst und, wie wir bei Ruprecht l. annehmen dürfen, die Folgen der Teilnahme an dem verhängnisvollen Kreuzzuge unter Konrad IIL ihr Leben gekürzt zu haben. Ausserdem mochten sie um 10 und mehr Jahre älter als Ludwig sein, da wir sie schon 1123 als Zeugen auftreten sahen, wo Ludwig erst 13 Jahre alt war. Gleichwohl dürfte, um das an dieser Stelle noch einzuschieben, der „Comes de Nassogen" vom Jahre 1166, auf den bis jetzt nur Hennes^) und WilP) aufmerksam gemacht haben, noch als Ruprecht L anzuerkennen sein. Es wird nämlich in der weitläufigen „Descriptio bonorum Rhingravicorum" aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts unter anderem berichtet, dass Rheingraf Embrico zu der Zeit, als der Erzbischof Christian von Mainz auf Befehl des Kaisers Fridrich den Kriegszug gegen die Lombarden mitmachen wollte, die Verordnung traf, dass für den Fall seines, des als Vasall Mitziehenden, Todes der Sohn seiner Schwester Lukardis, Wolfram (von Stein), die von ihm selber bisher inne- gehabten Lehen erhalten solle. Unter diese Lehen gehörte von Seiten des „Comes de Nassogen" „ain wiltban" zwischen der WaldafFa und Wisper, das Dorf Ringravinhusen, die zum bleidenstater Hofe gehörigen Eigenleute zwischen Waldaffa und Wisper, Weinberge in den Gemarkungsteilen Ovenbach, Mammen- luken und Rinhelden, die der Wildförster Werner in (After-) Lehen besass, Weinberge in Buttendal, ebensolche und Zins in Lorechusen, die Folknand in (After-)Leheu innehatte, Weinberge endlich auf dem Berge Altauilla, die Em- brico von Vilmar besitze.^) Da Erzbischof Christian, der damals nur erst Er- wählter (electus) war, im Herbste des Jahres 1166 nach Italien zog, der Bericht

') 1, 142. ■■') Regesten 2, 20, Nr. 2.5. Derselbe vergisst aber, B od mann, Rheing. Altert. 569 zu nennen, der zuerst darauf hingewiesen hatte. ^j Krem er, Orig. Nasa. 2, 222 f. Aus etwas späterer Zeit scheint das Verzeichnis der Güter zu stammen, die der Rhein- graf vom Grafen von Nassau zu Lehen trug, welches dieselbe .,Descriptio" S. 220 f. enthält, da es umfassender ist. Vgl. Ilennes 1, 141 f. "Wie letzterer darauf kommen konnte, den Erzbischof eine Verabredung treffen zu lassen mit dem Grafen von Nassau wegen dieser Lehen, und wie Will a. a. 0. ihm das nachzuschreiben vermochte, ist unerfindlich, der Text bietet keinen Anhalt dazu, obschon sich beide nur auf diesen berufen.

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aber nur von einem oder dem Grafen von Nassau, also offenbar dem regierenden spricht, so ist die Zeit nicht entgegen, dass wir den Altherrn des Hauses, Grafen Ruprecht L, der damals ein hoher Sechziger sein mochte, in diesem Grafen von Nassau erblicken, 7Aimal die in der Zeit genannten anderen Glieder des Hauses nur als Zeugen erscheinen. Die Urkunde ist aber auch nach einer anderen Seite hin noch wichtig. Sie zeigt vorab Nassau im Besitze des Wild- bannes innerhalb des Rheingaues. Diesen konnte es nur von Mainz zu Lehen tragen, da Mainz Besitzer des Rheingaues war. lieisst es doch auch deshalb soviel später in der Urkunde des Erzbischofes Gerlach vom Jahre UJ47 : „Auch bekennen Wir in [den Grafen Adolf und Johannes von Nassau], dass si vnser Oberste Vorster sin von der Waltaffen vber vnsern Walt, daz die Hohe heisset, bitz zu Lorche in den Rin,"') Hier werden wir also das Lehen haben, um deswillen wir oben den Grafen Heinrich und vor ihm seinen Vater Arnold als mainzischo Lehensleute bezeichneten. Sie sind, so scheint sich hiermit zu er- geben, als Vertreter des Gesamthauses in dieser Eigenschaft aufgetreten. So- dann zeigt die rheingräfliche Urkunde den Grafen von Nassau noch im Besitze der Vogtei Bleidenstadt, da sie die „homines" des Stiftes innerhalb des Rhein- gaues als seine Vogteileute kennzeichnet. Und endlich berichtet sie uns von seiner Begüteruug im Rheingau. Soviel von Ruprecht I. und seinem vermutlich letzten Auftreten.

b. Ruprecht HI. und Elisabeth, Tochter des Grafen Emicho H.

von Leiningen.

Schwierig wird die Sache erst bei dem von uns bereits genannten Sohne Arnolds L, Ruprecht dem Streitbaren. Seine Gemahlin soll Elisabeth hcissen, denn das besage, so behauptet man einhellig, der Eintrag in dem arn- steiner Totenregister: „Rupertus comes de Nassowe et uxor eins Elysa et filius eorum Hermannus".^) Aber welche Elysa soll das nun gewesen sein? Man war bisher der einstimmigen Meinung, dass es nur diejenige sein könne, die in einer Urkunde des Jahres 1235 als „Elysa quondam comitissa de Nasso- uuia" vorkommt^), und die als Tochter des Grafen Emicho von Leiningen, wie wir nachher darthun werden, erwiesen ist. Grundlage dazu bot die von uns schon S. 69 oben gestreifte Urkunde, die nach Senckenberg und Kremer dem Jahre 1159, nach Knoch 1169 angehören soll^), selber aber ohne Jabres- angabe ist. Graf Emicho von Leiningen erklärt in ihr, dass er mit Zustimmung seiner Gemahlin Elisa und seiner Söhne Hermann, Eberhard und Fridrich die ihm als Vogt des Klosters Höningen zustehenden 30 solidi wormser Münze und 10 Scheffel Hafer diesem zur Unterhaltung eines Nachtlichtes für sein und seiner Verwanten Seelenheil schenke und ausserdem die zwischen ihm und dem Kloster bisher streitige Abteiwahl letzterem endgültig überlasse. Als Zeugen werden dabei aufgeführt: „Cunradus Wormatiensis episcopus, Ego Emicho,

') Kremer, Orig. Nass. 2, 319; Bodmann, Rheing. Altert. 28."); Heimes 1, 142 f. ^) Becker, Das Necrologium der Abtei Arnstein. Annal. !(?, 1,'5. ^) Kremer, Orig. Nass. 2, 274; Schliephake 1, 2ü;i Anm, ') Vgl. Schliephake 1, 2(51 Aum,

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llerinumius, Eborliardus, Fridei'ioiis filii iiiei, Iviibertus comcs de Nassowon geuer mens." Die auderen 10 siud Alinisterialeu Emicho's. Wird uuu, wie seither angenommen, dass die für den Grafen Euprechf gebrauchte Bezeichnung „gener" Schwiegersohn bedeute, so würde sich ergeben, dass wenn die Ver- bindung Ruprechts mit Elisa eben erst im Jahre 1159 oder 1169 geschlossen worden wäre und zwar bei einem Alter der letzteren von etwa 17 Jahren, diese im Jahre 1235 entweder 93 oder 83 Jahre alt gewesen sein müsse. Ein so hohes Alter ist auch Schliephakc „ungewöhnlich", wie er nicht minder die 45jährige Witwenschaft, die vom Tode Ruprechts 1191 1236 zu rechneu ist, bemerkenswert findet. Nun würde letztere ja an sich nichts ganz Ausser- gewöhnliches sein. Die Mutter Ruprechts I. muss sogar über 50 Jahre Witwe gewesen sein und die Gemahlin Ludwigs II. von Arnstein, Udilhildis, mindestens 42.') Aber beider Gemahle starben auch schon im ersten Ehejahrzehnte. Rup- recht der Streitbare dagegen muss bei seinem Tode mindestens als Sechziger angenommen werden, da, wie wir sahen, sein Vater Arnold bereits 1123 als Zeuge auftritt. Hätte er sich um 1159 oder 69 vermählt, so würde er schon ein 29 oder 39 jähriger gewesen sein, was für eine Fürstenheirat ungewöhnlich zu nennen wäre. Hat er sich aber der Sitte gemäss im Anfang der zwanziger Jahre vermählt, dann war die anzunehmende 17jährige Gemahlin etwa 1139 geboren, mithin 1235 nicht weniger als 102 Jahre alt. Das scheint denn doch des Guten zu viel, zumal der angebliche Vater, Emicho HL, erst in den fünf- ziger Jahren des 12. Jahrhunderts als Zeuge genannt wird. Kann demnach schon von hier aus unbedenklich auf die Unmöglichkeit einer Verbindung Rup- rechts des Streitbaren mit dieser Elisabeth von Leiniugen erkannt werden, so ist es uns eine nicht kleine Geuugthuung, dies auch auf anderem Wege in gleicher Weise zu erhärten.

Wie wir schon vorhin bemerkten, kommt Elisabeth 1235 in der Urkunde vor, in welcher „Luckardis comitissa de Sarebrugen" bekennt, dass sie „vna cum sororibus nostris Aluerada, quondam comitissa de Cleberc et Elysa, quondam ctiam comitissa de Nassouuia communicato consilio" einen Mansus in Croiche, einem eingegangenen Dorfe bei Limburg^), für eine Lampe im Katharinenchore der limburger Kirche spendet. Von dieser Lukardis nun wissen wir aus der „defecten Copie" einer vor den 17. Juli 1196 fallenden Urkunde „in dem ab- teihchen Chartulare" des Klosters Wadgassen, dass Graf Simon von Saarbrücken mit ihr, als seiner Gemahlin, und aus ihrem väterlichen Erbe dem Marienkloster in „Wadegocinge" das Patronatsrecht über die Kirche S. Michael in „Bucken- heim" (Bockenheim) unter der Bestimmung schenkt: „ut u'delicet singuhs annis anniuersarius dies noster et patris mei et matris mee et anniuersarius dies coraitis Emmechonis de Lininga et eins uxoris, tiliorum filiarumque suarum sollempuiter in eadem ecclesia celebretur.""') Dass die Urkunde wirklich vor die bezeichnete Zeit fällt, bezeugt eine andere dieses Datums, in der Luppold von Worms als Bischof und derzeitiger Archidiacon dem Abte Gotfried von Wadegozingen und

'') Aiinal. 24. 127, l.-)2 Aum. ^) Vogel, Besclir. 782. »j xMittelrli. Urkundenbuch 2, 19ö; Schliepli. J, 2til Aiiin.; Goerz, Mittclrh. liegest. 2, 210, Nr. 76«.

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dessen Nachfolgern die Rechte eines IMebans (Pfarrers) ül)er die vom Grafen Simon von Saarbrücken und dessen Gemahlin Lukardis demselben geschenkte Kirche S. Micliael in Bockenheim verleiht.') Eine andere nur aus dem genea- logischen Manuskripte Andreae's erhaltene Urkunde des gleichen Jahres besagt: Vlricus in Wormatia major prepositus" thut kund, dass Graf Simon und seine Gemahlin Lutgardis die Kirche S. Michaelis in Bockenheim, die ihnen nach dem Erbrechte zukam, dem Marienkloster in Wadegozingen „pro remedio ani- marum suarum nee uou etiam parcntum suorum" übergeben haben; ausserdem habe „comitissa Alberadis de Cleberc, soror praenominatae comitissae, marito et iiberis orbata. zelo pietatis" das Patronatsrecht der „ecclesia S. Martini cum omni iure in eodem villa Bockenheim supra dicto coenobio" übertragen. 2) Aus dieser letzten urkundlichen Nachricht erhellt, dass, was die erste nur andeutete, Graf Emicho von Leiningen der Vater der Lukardis ist, also alle drei Schwestern leiningischer Abkunft sind, und Elisabeth zwar nicht als die jüngste, doch als die der Schwester Alberata nachfolgende jüngere kenntlich wird.

Rechnen wir nun. Waren im Jahre 1159 oder 1169 die drei vorhin ge- nannten leiningischen Brüder Hermann, Eberhard und Fridrich, zu denen wir hier drei Schwestern gefunden haben, die aber ausserdem noch zwei jüngere Brüder, Adolph und Emicho, hatten^), mündig, wie ihre Zeugenschaft zu beweisen scheint, so darf doch wohl unter der Voraussetzung, dass sie die älteren waren, angenommen werden, dass die Schwestern sich höchstens 10—12 Jahre im Alter von ihnen unterschieden. Setzen wir also für Lukardis, bei der uns genaue Jahre gegeben sind, aufs Geradewohl 1149 oder 1159 als Geburtsjahr und bedenken wir sodann, dass ihr Gemahl, Graf Simon von Saarbrücken, nach dem Jahre 1214 starb^), so müsste sie in letzterem Jahre entweder eine 65 oder 55jährige Witwe sein. Von dieser Witwe aber wissen wir, dass sie sich in der Folge wieder verheiratete mit dem Grafen Lothar von Wied, wie dies, von allen weiteren geschichtlichen Angaben abgesehen, im Jahre 1235 das Siegel an ihrer Urkunde bezeugt, das eine in der rechten Hand eine Blume haltende Frauengestalt mit der allein noch lesbaren Inschrift: „Comitissa de Wide" zeigt. '^) Eine mehr als 55 oder 65 jährige fürstliche Witwe, die durch den Tod ihrer fünf Brüder, die Kinderlosigkeit ihrer einen Schwester und den geistlichen einzigen Sohn der anderen die Anwartschaft hatte, mit ihrem allein übrig ge- bliebenen Sohne Fridrich H. von Saarbrücken Erbin der umfangreichen Graf- schaft Leiningen zu sein eine solche Witwe soll nun einen zweiten uneigen- nützigen fürstlichen Gatten gefunden haben! Das glaube wer mag, und selbst wenn die .Geschichte bezeugt, dass diese Ehe kinderlos war.

Die Sache wird aber noch toller, wenn wir dem Berichte Kremers und seines blinden Nachtreters Brinckmeier Glauben schenken sollen. Lukardis hatte von ihrem ersten Gemahl fünf Kinder: Simon HL, Heinrich, Fridrich,

«) Mittelrh. Urkb. 2, 196; Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 210, Nr. 769. - -) Kremer^ Genealog. Gesch. des alten cardonnischen Geschlechts. ;506. •') Brinckmeier, Genealog. Gesch. des Hauses Leiningen 1, 22 f. *) Brinckmeier 1, lässt im Texte zwar den Grafen Simon „vor oder in dem Jahre 1211" sterben, in der Anmerkung aber wird sein Leben noch bis 1214 urkundlich bezeugt! '") Kremer, Orig. Nass. 1, 391, Anm. 5.

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Stephau und Gisela. Von Heinrich uud Fiidrieh nun wird behauptet, dass sie mit ihrem Vater Simon II. in der wedersweiler Stifcungsurkunde von 1180 als Zeugen genannt seien.^) Sie waren demnach müudig, ihre Geburt würde also etwa in das Jahr 1160 zu legen sein, die des Vaters vor 1140, die der Mutter ungefähr in die gleiche Zeit. Dann kommt heraus, dass Gräfin Lukardis 1214 eine etwa 74jährige Witwe war und als solche in eine zweite Ehe trat! Aber- mals eine Unmöglichkeit, der freilich der so viel besonnenere Crollius dadurch entgangen ist, dass er die genannten Zeugen um ein ganzes Geschlechtsalter rückwärts weist.-)

Wir kommen demnach zu dem Schlüsse, dass, w^ie in letzterem Falle andere Personen für die vorhandenen Namen zu suchen waren, ein so viel späteres Jahr für die auf 1159 oder 1169 eingestellte Urkunde anzunehmen ist. Das Recht dazu gibt uns ohnedies ihre bereits bemerkte Nichtdatierung. Wir sind aber auch in der Lage, es urkundlich ausüben zu können, Brinckmeier leistete uns hierbei wider Wissen und Willen den erspriesslichsten Dienst. xSeben seinem vielen urteilslos zusammengehäuften Stoffe des bisher Gedruckten hat er ausnahmsweise eine ungedruckte Urkunde, wenn auch ohne Kenntnis von ihrem Werte nur auszugsweise, mitgeteilt, die uns mit einem Male aus allen den bisherigen unsinnigen Verlegenheiten rettet. Er bietet aus einem Pergamente des germanischen Museums in Nürnberg vom Jahre 1179^) die massgebenden Worte: „ego Emicho Dei gracia comes de Lyningen et consors mea Elisa et pueri mei Eberhardus et Fridericus canonicis Cellensis ecclesie pro salute nostra et in remedium animarum parentum nostrorum in beneficium dona- vimus et perhenniter confirmavirnus"."^) Also sind die genannten Söhne Emicho's 1179 noch „pueri" gewesen, d. h., da sie nach Brinckmeier's Versicherung auch Kanoniker, das will offenbar besagen Domicellaren, des Stiftes in Celle waren, noch nicht mündige Jünglinge. Setzen wir demnach hoch gegriffen ihr Geburtsjahr um 1165, so bleibt uns für dasjenige der offenbar jüngeren Schwestern der Spielraum zwischen diesem Jahre und 1175, Alberata mochte dann 1196 eine etwa 25jährige Witwe, Lukardis 1214 eine hohe Dreissigerin und EHsabeth 1235 eine angehende Sechzigerin sein,^)

Diese Altersverhältnisse stimmen gleicherweise, was nicht wenig zu ihrer Bestätigung dient, aufs Beste mit uns überlieferten anderweiten Angaben, Wir finden am 14, April 1189 den etwa 25 jährigen Grafen Fridrich von Leiningen, Sohn Emicho's HI., am kaiserlichen Hoflager in Hagenau, wo er als Erster unter der Bezeichnung: „F. comes de Liniugen" den Verzicht des Kaisers Fridrich I. auf die seither vom Bischöfe von Strassburg zu Lehen getrageneu Güter zu „Spehtes-

') Kremer, Genealog. Gesch. d. ardennischen Hauses. 139; Brinckmeier 1, 26. 2) Orig. Bipont. 1, 209. ^) „Ind. XL" und danach: „sub summo pontifice Alexandro II." müssen freilicli mit Ind. XII und Alexandro III. ersetzt werden, wenn nicht ein Versehen Brinckmeier's vorliegt. ") Brinckmeier 1, 20 Anni. '") Bei dieser Feststellung kann uns die von Brinckmeier 1, 22 angeführte, aber nicht nachgewiesene Urkunde niclit beirren, in der „Emicho comes de Liningen et filius eius Eberhardus" als Zeugen bei einem vom Bischof von Worms gemachten Vertrage erscheinen. Denn niclit nur, dass hier ausnahmsweise der minderjährige Sohn genannt sein könnte, so haben wir auch bei Brinckmeier nicht unbe- dingt auf die Richtigkeit der von ilim gegebenen Jahreszahl zu rechnen.

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bach" und „Tegercnbacli" zu Gunsten des Bischofos mit noch anderen für uns unwesentlichen Bestimmungen mitbezeugt*), wälu-end sein Vater am 7. Mai des gleichen Jahres sich „apud Basileam" im Gefolge des zurückbleibenden Königs Heinrich VI. befand^), also noch ein sehr wegfertiger Mann gewesen sein muss. Was uns aber mittclbarerweise noch mehr von seiner Jugend- lichkeit überzeugt, ist 7 Jahre später seine Teilnahme an der Heerfahrt Hein- richs VI. nach Apulien. Das Andenken an sie ist durch sein eigenes Minnelied

1) Würdtwein, Nova subsid. 12, 118 f. Der selbst in seinen Anfülirungen durcliaus iinzuverlässi£?e und dabei mit vielen Druckfeblern belastete Brinckmcicr citiert hier: ^XV. IJ, C." ! Besonders auffällig könnte es scheinen, dass Graf Fridrich am folgenden Tage, 15. April, nicht mit dem von hier aus den Kreuzzug antretenden Kaiser zog, Annal. Marb. 164 bei Riezler, „Der Kreuzzug Kaiser Friedrich's I." in „Forschungen z. deutschen Gesch." Göttingen 1870. 10, 24, sondern erst am 29. Juni 1189 im Gefolge des mit dem kaiserlichen Oheime veruneinigten Landgrafen Ludwig von Thüringen sich in Brindisi oinschiff't, Riezler 2(), 70. Denn dass er in dessen Gefolge sich befand, besagen die Verse in dem bekannten, in seiner gegenwärtigen Gestalt allerdings ein Jahrhundert späteren Gedichte über diese Fahrt

Z. 1707 f.

„Der edele von Liningen Ein menlich herre gar was er,

Grave Friderich, so hiez ouch der, Vest gemvt vf strites werk." und Z. 8134 wird ebenso „Graue Friderich von Lyningen" genannt, Fried. Heinr. v. d. Hagen, „Des Landgrafen Ludwig des Frommen Kreuzfahrt." Leipzig 1854. 58, 104, vgl. des- selben „Die Minnesänger". Leipzig 1830. 4, 60, letztere auch von Brinckmeier 1, 36 an- geführt, aber mit Auslassung der zweiten Stelle. Es fällt dagegen auf, dass der sorgfältige Riezler in seinem „Verzeichnis der in den Quellen genannten Teilnehmer", Beilage 3 den Grafen auslässt, während er doch das genannte Gedicht S. 140 ausdrücklich zu seinen Quellen zählt. Um so genauer hat dies Röhricht, Beiträge zur Gesch. d. Kreuzzüge. Berlin 1878. 2, 337 nachgeholt, aber mit v. d. Hagen zu Unrecht Z. 4461 dazu angeführt. Die Sache wird sich aber so verhalten haben. Die Urkunde berichtet: „Huic contractui interfuit pre- dilectus filius noster Heinricus illustris Rom. Rex Augustus". Graf Fridrich hat sich demnach im Gefolge dieses Königs befunden, der von seinem Vater in Hagenau Abschied nahm, und gehörte offenbar zum Kreise der diesen begleitenden Minnesänger, vgl. Toeche, Kaiser Hein- rich VL Leipzig 1867. 504. Er hat sich auch selber dort wohl von dem Bruder seines Schwagers Simon, dem Grafen Heinrich von Saarbrücken, verabschiedet, der am kaiserlichen Kreuzzuge teilnahm, vgl. Wilken 4, 95; Riezler 25, 147, noch vielmehr von seinem Oheime, Grafen Ruprecht dem Streitbaren. Denn dass dieser ebenfalls sich in Hagenau befand, be- zeugen die Annales Marbacenses, Monumenta Germ. 17, 164: „A. D. 1189 in octavo paras- ceues id est 17. Kai. Mai, nostrates felicissimum iter arripuerunt et Imperator de Hagenowc se movit. Cum quo hü, quos solos novimus principes, filius suus videlicet dux Sueviao, no- mine Fridericus, et dux Meranie Bertholdus, episcopus Herbipolensis, episcopus Leodiensis, episcopus Basileensis, episcopus TuUensis, episcopus Ratisponensis, episcopus Monasteriensis, episcopus Pataviensis et frater suus Missinensis, Frisingensis episcopus, marcgrauius de Baden, marchio de Vrobruc, coraes de Dorenbusch, comes Bertholdus de Nuowenburch, comes de Hol- landen, comes Robertus de Nassowe et episcopi et principes multi et nobiles iverunt." Graf Fridrich ist dann wohl am 7. Mai mit seinem Vater zu Hofe beim Könige gewesen und mag sich von da aus vom Vater und Könige verabschiedet und alsdann nach Italien /.u seinem Gefolgherrn, dem Grafen Ludwig von Thüringen, begeben haben. Beziehungen zu diesem waren ja vorbereitet durch diejenigen seines Vaters Simon, der als Zeuge neben dem Grafen Ruprecht II. von Nassau bei der Zuteilung des Herzogtums Westfalen an Erzbischof Philipp von Köln in Gelnhausen am 13. April 1180 gegenwärtig war, also auch zu dessen Getreuen zählte, vgl. Lacomblet, Urkundenbuth 1, 332. '^) Böhmer, Regesten 147, Nr. 2736.

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au seine Gemahlin Gertrud verewigt und vou dieser ebenso erwidert worden.') Wie dasselbe die eigene Jugendlichkeit des Sängers darthut, denn nur die Jugend kann so singen so besingt er auch die der Gcniahliu und damit wieder die eigene. Denn von ihr heisst es darin:

„got hat si so gebildet, de min herze nit eukau noh al min sin erdenken, wie si schöner kvnde sin du minnekliche frowe min, du mir wil froide krenken."

Zum gleichen Laude zog damals sein gleichalteriger Schw^ager, Graf Simon 11. von Saarbrücken. Das beweisen wir, wie mit dem Liede die Fahrt Fridrichs, mit der Stiftung des Seelengedächtnisses im Kloster Wadgassen von 1196, von der wir oben redeten. Und wir müssen dies um so mehr thun, als es bisher nicht bloss unerkannt war, sondern uns hier auch dazu dient, das jugendliche Alter des Stifters sicher zu stellen. Denn sehen wir sonst das Alter solche Stiftungen machen, so ist es angezeigt, die jugendliche Stiftung des Grafen Simon mit der Fahrt nach Apulien zu begründen. Er kauft sich in die mittelalterliche geistliche Lebensversicherung ein. Und dass dabei auch seines Schwiegervaters gedacht ist, hat uns für ein Zeichen von dessen kurz zuvor erfolgtem Tode zu gelten; ist also ebenfalls ein Beitrag zur Feststellung der Altersverhältnisse. Einen noch wichtigeren Beitrag hierzu liefert das Andere, dass Graf Simon zwar sein und seiner Gemahlin, wie seines Vaters und seiner Mutter Seelengedächtnis gestiftet, aber seiner Kinder mit keinem Worte gedacht hat, während er bei seinem Schwiegervater die Söhne und Töchter nicht vergessen hatte. Entweder hatte er damals also keine oder sie waren noch in den jüngsten Jahren.

Diesem letzteren scheint nun freilich entgegenzustehen, dass im Jahre 1196 sogar schon erwachsene Kinder des Grafen Simon und seiner Gemahlin Lukardis vorhanden gewesen sein sollen. Krem er und nach ihm Brinckmeier nennen als solche die uns bereits bekannten : Simon IIL, Heinrich, Fridrich, Stephau und Gisela. Von diesen trete Simon bereits 1212 als Erbe von Saarbrücken auf und sei 1243 gestorben. Heinrich erscheine 1217 als Bischof von Worms und habe bis 1239 gelebt. Fridrich als Gründer des zweiten leiuingischen Hauses, d. h. Erbe seiner Mutter, sei 1237 gestorben. Stephan komme als

') Brinckmeier 1, 37 f., der das Lied nach der vom Grafen Karl Emich von Lei- ningeu im .,Deutsclien Herold" U (1883), Nr. 10 gemachten Mitteilung aus der Manessischen Handschrift abdruckt, meint dieses irrigerweise auf den Kreuzzug beziehen zu dürfen, da der Dichter in ihm von „pulle" (Apulien) spreche, von wo man in der Hohenstaufenzeit den Zug nach Palästina angetreten habe. Es ist aber nicht ein Gedanke an das h. Land darin, sondern es heisflt deutlich vom Ziele der Fahrt:

„Muos ich nv scheiden sus von ir,

da ich ir hulde gar enbir,

O we der leiden verte,

die danne gegen pulle tvt min üb."

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Propst von Ncuhauscn von 1216 1263^) vor, und Gisela, mit dem zwischen 1212 und 12G3 auftretenden Wildgrafen Konrad I. von Kyburg vermählt, sei 1246 aus dem Leben geschieden,^) Wir haben aber schon oben bemerkt, welch ein genealogischer Unfug durch Verwechselung gleicher Namen im saarbrückischen Hause getrieben worden ist, und brauchen hier nur zu sagen, dass bei Simon III. offenbar eine Verwechselung mit seinem Vater Simon ü. vorliegt, Heinrich aber der Bruder des letzteren sein muss. Denn da er bereits 1212 Propst zu Neuhausen war'^), so musste er, wenn er diese Würde, was unmöglich erscheint, schon in dem für einen Priester notwendigen kanonischen 24. Lebensjahre erhalten hätte, im Jahre 1178 mindestens geboren sein. Seine angebliche Mutter würde dann als hohe Sechzigerin zur zweiten Ehe geschritten sein. Wir haben demnach nur Simon III., Fridrich IL, Stephan und (Jisela als Kinder der letzteren zu betrachten. Die Angaben über das Leben dieser stimmen aber mit dem von uns angenommenen Festpunkte 1196.

Sind damit einigermassen die Altersverhältnisse der für uns in Betracht kommenden Personen klargestellt, so sind die folgenden Schlüsse erlaubt. Vor- ab ist die aus uns unbekannten Gründen auf die Jahre 1159 oder 1169 verlegte Urkunde erheblich nach dem Jahre 1179 zu setzen, in dem die Brüder Ehsa- beth's noch „pueri" genannt werden. Sodann kann fürder nicht mehr von einer Verbindung Ruprechts des Streitbaren mit dieser Elisabeth geredet werden. Denn hätte er selbst mit ihr in zweite Ehe treten wollen, womit man sich seither immer geholfen hat, so war Elisabeth bei seinem Tode doch kaum mehr als 15 oder 16 Jahre alt. Damit fällt die dritte seitherige Annahme, dass Hermann dieser Mutter Sohn gewesen sein könne. Schliephake hat demnach recht, wenn er bemerkt: „Ist nun aber aller Zweifel darüber gehoben, dass EHsen's von Nassau Gatte jener in dem leiningischen Schenkungsbrief genannte Graf Ruprecht gewesen ist, so müssen wir doch daran erinnern, dass wir eines ausdrücklichen Nachweises, ob dieser eben Ruprecht der Streitbare war, ent- behren."*) Letzterer ist in der That nicht der Gemahl der „Elisa comitissa de Nassouuia."

Gleichwohl hat der Eintrag im arnsteiner Totenbuch recht. Ruprecht der Streitbare war wirklich einer Elisa von Leiningen Gatte, aber diese Elisa war nicht Tochter, sondern Schwester Emicho's III. und gleichnamig mit dessen Gemahlin, ihrer Schwägerin. Wir hatten demnach guten Grund, schon oben den „gener" der angeblich 1159 oder 1169 ausgestellten Urkunde mit Schwager zu übersetzen. Auch ist Hermann dieser Beiden Sohn. Das bewährt die zwar undatierte, aber unzweifelhaft vor den 8. November 1195 fallende Urkunde, in der Erzbischof Johann von Trier dem Kloster Ilimmerod die Vogtfreiheit seiner Güter im Bezirke Coblenz bestätigt, nachdem Graf Hermann von Nassau infolge der früheren Bestimmung seines Vaters „guten Andenkens", des Grafen Robert, in Gemeinschaft mit seinem Vetter („cognatus") Walram die Vogtei- gerechtigkeit vor dem zu Coblenz anwesenden Erzbischofe in die Hände dos

') Brinckmeier 1, 26 nennt das Jahr 1236, es ist aber offenbar einer der vielen Schreib- oder Druckfehler seines Buches, bei denen die Zahlen versetzt erscheinen, so hier 'iü statt 63. -) Kremer, Oeneal. Gesch. 153 f.; Brinckmeier 1, 25 f. ^) Kremer 155. *) 1, 265.

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Rheinpfalzgrafen Konrad, von dem sie dieselbe zu Lehen trugen, zurückgegeben, und dieser sie dem Erzbiscliofe für die Abrei übertragen hatte. ^) Dort in Cobleuz ist uümlieh Kuprecht der Streitbare Vogt gewesen. Denn in der der Beilegung des Streites zwischen den Kanonikern des trierischen S. Simoustiftes und der Bürger von Coblenz wegen des leidigen Zolles gewidmeten Urkunde von 1182 heisst es ausdrücklich: „Ipse quoque Robertus comes de Nassowe Confluentiuorum advocatus sub poena banni sui districti inhibuir, ne uuquam aliquis in posterum super praedicto fratrum telonio aliquam moveret querimoniam."^) Dieser Ruprecht aber kann trotz VogeT') kein anderer als der Streitbare sein, wie dies mit Recht auch Schliephake*) behauptet, und die vorangegangene Urkunde ausser- dem deutlich lehrt. Vom Grafen Hermann aber liegt nur noch die oben bereits o-emeldete Nachricht vom Jahre 1240, dass er Kanoniker des S. Peterstiftes in Mainz war, vor. Ob „Hermanuus de Nassoua" in einer Urkunde des Peter- stiftes vom 7. April 12.55 und in einer ebensolchen des gleichen Jahres vom 25. Mai der dort offenbar nur verschriebene „Hartmannus de Nassove"^) mit ihm eine Person ist, können wir nicht entscheiden, ebenso wenig, ob dies mit dem 1252 und 83 vorkommenden „scholasticus Hermannus" des Peterstiftes der Fall ist."*')

c. Ruprecht IV. und Elisabeth, Tochter des Grafen Emicho III.

von Leiningen.

Aber welcher Ruprecht war nun der Gemahl jener Elisa des Jahres 1235? Wenck') hilft uns auf die sichere Spur, und es ist zu bedauern, dass sie von

1) Günther, Cod. dipl. Rhcno-Mosell. 1, 500: Mittelrh. Urkb. 2, lß3; Goerz, Mittol- rhein. Regesten 2, 182, Nr. 653; Hennes 1, 1.33 f.; Schliephake 1, 344. Die von beiden letzteren gemachte Bemerkung, dass die Söhne Walrams, Heinrich und Ruprecht, hier zum erstenmale als Unterzeichner einer Urkunde vorkämen, beruht auf der irrigen Annahme, dass die von Günther an drittletzter Stelle aufgeführten Zeugen : „Henricus .... et Robertus de Nassowe" diese Söhne sein müssten. Beweisen aber schon die von Günther gesetzten Punkte die Lücke seiner Vorlage, so bezeugt die Ausfüllung derselben aus dem himmeroder Char- tulare III in der Stadtbibliothek zu Trier mit „Roricus", die wir dem Mittelrh. Urkb. verdanken, dass diese drei Namen drei Ministerialen der Burg Nassau angehören. Roricus wird ein Sohn jenes Ministerialen Rorich von Milen sein, der einen Burgsitz und ein Haus in Nassau hatte, vgl. Arnoldi, Miscell. 341. Waren doch auch dazumal die Söhne Walrams noch minder- jährig. — 2j v. Hontheim 1, 613; Kremer, Orig. Nass. 2, 204; Mittelrh. Urkb. 2, 93; Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 136, Nr. 483. ') Beschr. 303. ') 1, 342. ^) Joannis, Ror. raog. 2, 470 f. •■) Ebenda 2, .ö02. Dass Ruprecht der Streitbare auch eine Tochter Richarda gehabt habe, die an einen geldrischen Grafen man nennt Otto III. verheiratet gewesen sei, wie Kremer, Orig. Nass. 1, 390 ff. zufolge die geldrischen Geschichtschreiber behaupten, und Arnoldi, Gesch. der Oran. Nass. Lande 1, 27, 3, 106 ff., wie Schliephake 1, 341 f., darthun möchten, muss beim Mangel jeder zuverlässigen Unterlage als leere Ver- mutung abgewiesen werden. Geschichtlich unanstössig ist nur die von den Genannten bei- gebrachte Grabschrift des Cisterzienserklosters Ruremonde : „Obiit anno Domini MCCXIX ipso die beati Severi Episcopi Gerardus comes Geldriae et Zutphaniae, qui cum Margaretha uxore 8ua ad instantiam matris suae Richardae de Nassovia, primae huius loci Abbatissae, monastc- rium istud fundavit anno MCCXVIII." Richarda ist also wohl eine Nassauerin. Wessen Tochter sie aber war, kann zur Zeit nicht gesagt werden. Bemerkt mag nur noch werden, dass, wie bei Alberata, auch ihre Mitgift durch die Vermählung des Sohnes Wnlrams, Heinrichs IL, mit der Gräfin Mechtildis von Geldern wieder heimgeholt wurde. ') Hist. Abhandl. 1, 103.

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seinen Nachfolgern unbenutzt blieb. Denn sie hätte dieselben vor einem starken Irrtume bewahrt. Der hochverdiente Forscher ist nämlich der unzweifelhaft richtigen Meinung, dass jener „Rupertus, filius llenrici de Nassouwa", der in einer bisher immer in das Jahr 1235 gesetzten, an sich durchaus undatierten Urkunde des Erzbischofes Theoderieh von Trier genannt wird, ein Sohn jenes Heinrich I. sein müsse, den wir oben als Sohn Arnolds I. beurkundeten, und behauptet ebenso mit gutem Rechte, dass die genannte Urkunde dem Jahre 1217 angehöre, da Brower^) die in ihr berichtete Angelegenheit in dieses Jahr verlege. Das Jahr 1235 ist ihr nur willkürlich angedichtet worden, v. Ilont- heim''^), dem wir ihre Kenntnis verdanken, hatte ohnedies an den Rand der- selben nur ein vorsichtiges „circa 1235" gesetzt und gibt ausserdem in einer Anmerkung den Aufschluss, dass die ihr unmittelbar folgende Urkunde vom Jahre 1235 ihrer Vorgängerin so nur „immediata subjecta in antiquo chartario saec. XIV" sei. Brower hatte also von anderwärts her geschöpfte bessere Kenntnis, als er das Jahr 1217 für ihren Inhalt wählte, wenn er sich gleich des Irrtumes schuldig gemacht hat, an Stelle des „Rupertus filius Henrici" einen Henricus zu setzen. Wäre das rechtzeitig erkannt worden, so würde man nicht auf den verzweifelten Gedanken gekommen sein, dass jener Heinrich ein Sohn Walrams gewesen sei, der 1217 ein angehender Dreissiger war, da er 1192 noch unter Vormundschaft stand^), und dass sein vom arnsteiner Totenbuch'*) verzeichneter Sohn Ruprecht als Knabe nach der genannten Urkunde vom Erz- bischofe Theoderich 60 kölnische Mark für das Allod, was er in „Ditse" und „in superiori Lainstein" besass, empfangen habe, um es als Burglehen zurück zu empfangen und dafür „in Castro Monthabur" seinen Sitz habe, samt den weiter- hin namhaft gemachten Burgmännern : „Gerhardus de Derinbach, Hermannus de Bedendorf, Anseimus de Hoilbach, Conradus de Widergis, Dythardus de Paffen- dorf, Hermannus et Sifridus de Hademar, Ludewicus de Vrencede, Heinricus Herren, Wilderichus, Wilhelmus de Helfenstein, Fridericus Carpennus, Henricus de Lainstein, Conradus Elicham de Everhain, Kuno, Reinardus, Guntramus, Dido, Johannes de Schuppach, Sifridus et Gerlacus, Sybodo, Gerlacus, Hugo et Henricus de Stocheim, Enolfus, filius Henrici."^) „Rupertus fihus Henrici" ist darum deutlich Heinrichs I. Sohn. Entsinnen wir uns nun der schon oben

1) Annal. Trev. 2, 118. ^) 1, 710 f. Der von Kremer, Orig. Nass. 2, 275 gegebene Abdruck ist in Bezug auf seinen letzten Absatz geradezu irreführend, da derjenige aus v. Hont- heim, der das Jalir 1235 trägt und ihm vorangeht, ohne weiteres ausgelassen ist. Freilicli hat dieser letzte Absatz gar keinen ersichtlichen Zusammenhang mit dem vorangegangenen und möchte damit deutlich beweisen, dass auch der uns angehende Teil der ganzen urkundlichen Mitteilung von dem Zusammensteller des Chartariums blindlings vor das vom Jahre 1235 Ge- brachte gestellt Avorden ist. Auch das zeugt für die blinde Zusammenwürfelung von der Zeit nach unzusammengehöriger Teile, dass der genannte letzte Absatz, der Bestimmungen über die Brüder Heinrich und Ruprecht enthält, gar nicht nach oder vor 1235 fallen kann, da Ruprecht bereits 1281 als deutscher Ordensritter auftritt, vgl. Vogel, Beschr. 311. AuÜ'älliger- weise wird das Ganze ohne jeglichen Absatz, als wäre es eine zusammenhängende Urkunde, vom Mittelrh. Urkb. 3, 421 abgedruckt, und Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 573, N"r. 2194 hat das Ganze ebenso. =») Schliephake 1, 4G9 f. *) Annal. K!, 13. - '') Vogel, Beschr. 310, 315; Schliephake 1, 3S7 f.; Becker, Annal. 10, 17.

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tiDgeführten Bemerkung Schliepliake's') vom Besitze Leiniugens in der Graf- schaft Dietz, so gewinnt das soeben genannte Allod Kuprecht's in ,Ditse" eine ganz besondere Bedeutung für uns. War doch „Elysa quondam comitissa de Nassouuia" im Jahre 1235 Schenkerin jenes Mansus in dem nur eine Stunde von da entfernten „Croiehe" bei Limburg. Wird es demnach zuviel gewagt sein, wenn wir das Allod in Dietz als ein Stück ihrer Mitgift fassen und in ihr die Gemahlin dieses Ruprecht, Sohnes Heinrichs I., sehen? Das Lebens- alrer beider würde aufs Vollkommenste damit stimmen, denn starb Heinrich 1167 als mittlerer Dreissiger, so darf die Geburt seines Sohnes etwa um 1160 gesetzt werden. Die Elisabeths füllt nach unserer Berechnung etwa 10 Jahre später. Hindernis aber ist es wahrlich nicht, dass Oheim und Neife nacheinander sich aus demselben Hause Leiningen Frauen holen. Im Gegenteil, die Ver- mählung des Oheims war die Vorbereitung zu derjenigen des Neffen. Die durch den Ersteren einander nähergerückten beiden Häuser brachten die zweite Verbindung, die nähere Kenntnis der Personen die nähere Kenntnis des ver- lockenden Heiratsgutes. Und über das Alles : kann sonst auf keine Weise Eli- sabeth zu dieser Zeit mit einem anderen nassauischen Grafen verbunden gedacht werden, so hat unsere Annahme das für sich, dass sie auf ihre Art am ein- fachsten und ungezwungensten aus aller Verlegenheit hilft. Ein seltsames Zu- sammentreffen wird es dabei zu nennen sein, dass beide Teile des von uns zusammengefundenen Pares nur ein einziges Mal und unabhängig voneinander urkundlich deutlich auftreten. Und ein ebenso seltsames Zusammentreffen wird es genannt werden müssen: dass Elisabeth mit ihrer verwitweten Schwester Alberata von Kleberg das Loss teilte, kinderlos zu sein, sei es nun, dass sie, wie diese, ihre Kinder alle verloren hatte, oder ohne Kinder geblieben war. Es ergibt sich das nämlich daraus, dass ihre Schwester Lukardis das Glück allein hatte, die mächtige Grafschaft Leiningen an ihre mit dem Grafen Simon von Saarbrücken gewonnenen Kinder zu vererben.

d. Ruprecht H. und Elisabeth von Schaumburg.

Ist aber damit der von uns verheissene vierte Ruprecht gefunden, so er- übrio-t es, nun den schon länger gefundenen dritten dieses Namens zu vermählen. Denn darüber, wessen Sohn dieser sein müsse, ist wohl kaum mehr ein Wort zu verlieren, nachdem schon längst unseren Vorgängern klar geworden war, dass Ruprecht I. nicht mehr derselbe mit dem sein könne, dessen Name urkundlich bis gegen Ende des 12. Jahrhunderts erscheint. Er muss notwendig Ruprechts 1. Sohn gewesen sein, den der arnsteiner Mönch ebenso übergangen hat, wie Ar- nold H. Ihn aber, wie Vogel wilF), einer ersten Ehe dieses Ruprecht I. ent- stammen zu lassen, dazu nötigt uns nichts. Denn dass er im arnsteiner Toten- buch nicht neben Beatrix als deren Sohn wie Walram genannt ist, dies Loss teilt er mit dem unzweifelhaften Sohne desselben Arnold IL, und Becker hat offenbar volles Recht, wenn er dies dem Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts angehörende Bruchstück eines Totenbuches „einen Auszug aus

») S. oben Anni. 1, S. -26. *) Beschr. 299.

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einem ersten Necrologium der Abtei" nennt. Wie leicht konnten die Namen Arnold und Ruprecht von dem Auszieher übersehen worden sein. Und war das nicht der Fall, so waren eben beide Brüder lange vor jenem alten Eintrage gestorben, der überdies nicht von der Gräfin Beatrix als noch lebender ausge- gangen sein konnte, da sie steinalt geworden sein niüsste, um auch noch die in ihm mitgenannten Urenkel Ptuprecht und Heinrich, die Söhne ihres Enkels Heinrichs 11. zu sehen.

Für diesen Ruprecht IL, Sohn Ruprechts L, bleibt von den uns ur- kundlich bekannten gräflich nassauischen Gemahlinnen dieser Zeit nur die „Elysa comitissa dicta de Schowenburg" übrig, die wir aus der Schenkung einer Wiese bei Hadamar im Jahre 1197 kennen lernen.^) Mit dieser Wiese aber hatte es folgende Bewantnis. „Comes Rupertus de Nassouwa" hatte sie nach dem eberbacher Berichte seiner Zeit von zwei Brüdern in Mulenbach bei Hadamar für 20 Mark gekauft und sie nachher Heinrich, Freiem von Dorn, für 8V4 Mark versetzt. Nach dem Tode des Gemahles schenkte nun Gräfin Elisabeth die Wiese dem Kloster Eberbach, das zur Lösung der Pfandschaft Heinrich von Dern die geliehenen 8 Mark und einen Ferto bezahlte und eine 9. Mark, die es ihm dabei versprochen hatte, „pro deo" erlassen bekam. Der Gräfin Elisabeth aber waren dabei 2 Mark zurückgegeben worden. Jedoch ihre Tochter Luotgard zeigte sich samt ihrem Gemahle, Grafen Hermann von Yirneburg, mit dieser Schenkung unzufrieden. Sie brachten es deshalb 1217 nach dem Tode der Mutter fertig, dass ihnen für dieses, „in remedium anime Domini et mariti mei comitis Ruperti" gemachte Geschenk der Mutter noch 7 Mark zurück- bezahlt wurden, sodass die angebliche Schenkung, wie Baer bitter bemerkt, das Kloster „ohne Spesen I8V4 Mark" kostete, also I74 Mark weniger als den ehe- maligen Kaufpreis. Die Bestätigung der Schenkung war von Gräfin Elisabeth, wie es in der Urkunde heisst, „apud castrum Schouwenburg" erfolgt. Da Schaumburg damals sich in den Händen der Isenburger befand, so ist hier- nach eine Verbindung des nassauischen mit dem isenburgischen Hause bezeugt, wie denn auch unter der Urkunde ein „Henricus de Isenburg" als Zeuge steht. Aber das ist auch alles. Urkundennachrichten stillen nun einmal keinen Wissens- durst, machen aber dankbar auch für ihre Tropfen: die Ehe Ruprechts, seine Tochter, sein Lebensende (1194 oder 1197), wie dasjenige seiner Gemahlin (vor 1217).^) Weiteres will, wie folgt, erschlossen sein.

1) Baer, Diplomat. Gesch. d. Abtei Eberbacli 1, 404, 4i)4 ff.; Wenck, Hess. Landesgesch. 2, Urkb. 124. Die von Koth, Geschichtsquellen aus Nassau, 3, 318 ff. abgedruckten „Tra- ditiones Eberbacenses" bieten über diese Schenkung einen doppelten J3ericht, vgl. S. 300 und 8.")7. Nur der letztere spätere ist von Wenck mitgeteilt worden. Der kürzere frühere, vor dem Jahre 1211, wie S. 35(i lehrt, abgefasste lautet: „Comes Ruoperthus emerat a duobus fratribus Meinhardo et Ditherico pratum in Mulenbach pro XX marcis, quod postea expositum fuit Hein- rico Frien pro VIII marcis et fertone. Idem pratum et eius proprietatem comitissa Elj'se contulit ecclesie nostre pro dono et nos dedimus pro redemptione illius Heinrici Frien VIII marcas et fertonem." Die Datierung Wencks „vor und nach 1194" erweist sich bezüglich der ersteren Angabe gegenüber dem von Baer mitgeteilten: „Actum anno incarnationis domini- cae MCXCVII apud portam Eberbacensem'' als irrig. ^) Es ist nicht unwichtig, aus einer Urkunde von 1222, die seither in der nassauischen Geschichte noch nicht benutzt wurde, etwas von Annalen, Bd. XXVI. "^

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3. Kupreeht II. in rrkuiuleii und der Geschichte. (Walrani von Laurenburg. Ruprecht 111.)

Sind aber so die Vier des Namens Kupreeht mit ihren Gemahlinnen ur- kundlich nachgewiesen, so kommt es nur noch darauf an, die anderweiten Ur- kunden, in denen ihr Name begegnet, unter die zwei zu verteilen, die noch in Betracht kommen, nachdem wir bereits mit Ruprecht I, abgeschlossen und von Ruprecht lY. bemerkt haben, dass er überhaupt nur einmal namentlich vor- kommt. Dass dabei zwischendurch Walram niclit unbeachtet bleibt, bringt schon die Erörterung der ihn mitbetreffendeu Urkunden zuwege. Von Rup- recht IV. ist noch einmal abgesondert zu reden. Zur Unterscheidung der Träger des Namens Ruprecht aber wählen wir für den Sohn Ruprechts I. die bereits gebrauchte Bezeichnung Ruprecht IL, für den Sohn Arnolds I., den wir als den Streitbaren schon kennen, die weitere: Ruprecht III., den Sohn Heinrichs I. haben wir soeben schon Ruprecht IV. genannt. Zum Überflusse sei darauf aufmerksam gemacht, dass die Bezeichnungen nicht mit den soviel anders gemeinten Vogel's verwechselt werden dürfen, da wir mit diesem blosse Zahlen-, nicht Personengemeinschaft teilen. Das unterscheidende Merkmal nun, wem von den Vettern Ruprecht IL und HL das Recht gebührt, in den er- haltenen Urkunden als gemeint zu gelten, kann allein das Vorrecht desjenigen abgeben, der als der Herr des Hauses zu betrachten ist. Vogel hat das bereits richtig gefühlt, und Schliephake würde sich nicht in Gegensatz zu ihm ge- bracht haben, hätte ihn die Urkunde über die Schenkung des Klosters Schönau an Mainz von 1132 belehrt, wer das führende Haupt der gräflichen Familie war. Vogel scheint sich zwar auch nicht von dort die massgebende Belehrung geholt zu haben, aber er nimmt wenigstens richtig an, dass Ruprecht I. als das Haupt zu betrachten war, die Befugnisse eines solchen also auf seinen Sohn überzugehen hatten. Wir unsererseits brauchen uns nur auf das früher in dieser Beziehung Gesagte zu berufen, um Ruprecht I. als den urkundlich so genannten „dominus in Castro Lurenburch hereditarius et legitimus" anerkannt zu wissen und damit die Zweifel und irrigen Behauptungen Schliephake's^) kurzer Hand abzuweisen. War Ruprecht I. aber der Herr des Hauses, so ist Ruprecht IL als sein Sohn der Nachfolger seines Rechtes, und Ruprecht IH., wie der IV. können nur da in Betracht kommen, wo Ruprechts H. Berechtigung nicht vor- liegt oder zweifelhaft erscheint.

Kann man demgemäss auch vielleicht noch zweifeln, ob Ruprecht IL oder HL in den bereits behandelten Urkunden vor 1170 genannt ist, so besteht

den Folgen der Verbindung der Tochter des Grafen Ruprecht II. mit dem Grafen Hermann von Virneburg hier anzufügen. Iti dem von Erzbischof Engelbert von Köln zwischen dem Grafen Hermann von Virneburg und Burchard, Burggrafen von Querfurt, gestifteten Erbver- gleiche heisst C8 unter anderem: „Comes Hormannus de Virnburgh habebit castrum illud Schowcburgh et quartam partem de Castro Liningen, B. burggravius dictam partem de Luren- burgh et octavam partem de castro Westerburgh libere et sine contradictione possidebit." Mittelrh. Urkb. :'., 163, Nr. 1 !»•_>. ') 1, 278.

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kein Zweifel, dass vor allem die Urkunde von 1170 dtni ersteren meiut. In ihr bekunden „Conradus de Bopardia" und seine Gattin Hildegardis, dass sie „in villa, quae dicitur Lietprun" ein Gut samt Hörigen für GO Mal'k von „Albo de Carpania" und seinem Bruder Theodericli erworben und dieses mit einem Teile der Hörigen der Kirche S. Florins „in Schonaugia" „pro salute domini sui imperatoris Friderici et pro salute animarum suarum suorumque filiorum et filiarum" mit der Bestimmung übergeben haben, dass nach ihrem Ableben eine beständige tägliche „memoria in missis" stattfinde. Von den drei und mehr Pfunden der Einnahme soll eines den Schwestern, „quae juxta eundem locum manent", mit der Auflage zufallen, dass beider Gedächtnis nach dem Tode an einem Tage daselbst gefeiert werde, und dass den Brüdern von einem Pfunde und den Schwestern von 10 solidi Handreichung geschehe. Dieser Ur- kunde hat Kaiser Fridrich sein Siegel anhängen lassen, und die ganze Handlung kam zu stände: „sub Arnolde Trevirensium arcliiepiscopo atque sub Ecberto abbate et Ruperte comite de Nassau, advocato eiusdem loci."^) Die Annahme Schliephake's^), dass der Kaiser „vielleicht" in Schönau dabei gewesen sein könne, ist zulässig, da die Anwesenheit desselben in diesen Gegenden für Frankfurt am 2. Januar und 25. Juli dieses Jahres urkundlich gesichert ist.^) Als regierender Graf ist Euprecht H. auch sicher der „comes Nas- soviensis", von dem Brower zum Jahre 1172 die kurze Meldung thut, dass er mit gewaflfneter Hand die emser Silberbergwerke sich anzueignen trachtete, aber von Erzbischof Arnold, seinem Lehensherrn, ebenso abgewiesen ward.^) Was ihn zu diesem Schritte bewogen hatte, wird leider nicht berichtet. Ein Rechtsanspruch konnte es schwerlich sein, da eine Urkunde des Kaisers Fridrich vom 26. April 1158 das könighche Bergrecht bei Ems nach dem Urteil der Fürsten ausspricht und Fridrich deshalb gestattet, den Erzbischof Hillin und seine Amtsnachfolger mit ihm zu belehnen. -'') Wenn Nassau gleich- wohl später im Besitze der Silbergruben erscheint^), so konnte das sicher nur von kaiserlicher Belehnung oder einem trierischen Afterleheu her-

') Rettung derer Freyheiten des Closters Schönau. Beil. S, S. ß; Krem er, Orig. Nass. 2, 200 f., vgl. Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 84, Nr. 287. ^) 1, 279. ^) Böhmer, Regest. 18"), Nr. 2535 u. 2543. *) Annal. trev. 2, 7G: ,,Comitem quoque Nassoviensem occupare argentifodinani ad thermas Emptzianas, regionis Loganae, parata vi molientem pari virtute Arnoldus repressit." Vgl. Golscher, Gesta Trev. in v. Hontheim, Prodrom, liist. trev. 2, 758, der den Streit in die Zeit Hillin's verlegt, aber indem er von diesem sagt: „Viriliter repressit Comitem de Nassauen iura ecclesiae Trev. sibi usurpantem in argentaria fossa Hemecen'', be- weist, dass er Browers Werk über Arnold vor sich hatte und diesen mit jenem verwech- selte, weil Hillin mit den Silbergruben belehnt worden war. Es sind deshalb die irrigen An- nahmen bei Wenck, Histor. Abh. 1, 100 u. Hess. Landesgesch. 1, 15G, wie Schliephake

I, 280, liiernach zu berichtigen. ^) v. Hontheim 1, 588; Beyer, Urkb. 1, (173. Schröder, Lehrb. d. deutsch. Rechtsgesch. Leipzig 1889. 522 sieht in dieser Urkunde den deutlichen Beleg dafür, dass entgegen der noch heute herrschenden Meinung, die Könige hätten erst im

II. und 12. Jahrhundert das Bergregal ertrotzt oder erschlichen, dieses von jeher zu Recht bestand. Graf Ruprecht konnte also das Bergrecht nicht ertrotzen wollen, sondern höchstens die Belehnung damit. Daher auch nur der Streit mit Trier, nicht mit dem Kaiser. Möglich, dass bei dem Lehenauftrag Nassau's an Trier von letzterem Versprechungen betreffs Ems' ge- macht worden waren, die es nicht gehalten hatte. '^j Schliephake 1, 2so.

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rühreu. Ein Yogteirecht des Grafen von Nassau über das dem Castorstifte in Coblenz gehörige Dorf Ems zu dieser Zeit anzunehmen, wie Vogel*) auf Grund dieses Streites thut, und Schliephake^) weitläufig mit Vermutungen nachzu- weisen sucht, ist jedenfalls unberechtigt, da jeglicher urkundliche Anhalt da- für fehlt.

Weiter wird es Graf Ruprecht 11. sein müssen, der als der vierte welt- liche Zeuge nach dem llheiupfalzgrafen Konrad und den Grafen Hugo von Dao-sburg und Emicho von Leiningeu in der Kaiserurkunde vom 2. Juli 1173 erscheint, die der mainzer Geistlichkeit das wichtige Recht der selbständigen Verfügung über ihr bewegliches Vermögen zugesteht.^) Das llofiager befand sich damals dem Datum der Urkunde nach zu Speier. Die Anwesenheit der benachbarten Reichsfürsten verstand sich also ganz von selber. Ebenso bezeichnet in einer Urkunde des gleichen Jahres, in der Erzbischof Christian von Mainz den Verkauf einer Rheininsel bei Ilattenheim an das Nonnenkloster Tiefenthal zu Bingen verbrieft, der erste Laienzeuge „Rupertus comes de Nassowe" unseren Grafen, dem sich der Reihe nach der Truchsess des Erzstiftes, Graf Gerlach von Veldenz, Gottfrid von Eppenstein, Rheingraf Embricho mit seinen Brüdern Sigfrid von Stein und Wolfram, der Kämmerer Dudo, Embricho von Walbach, Franco von Lorch und Weruher von Geisenheim anschliessen.'*) Abermals am kaiserlichen Hoflager, diesmal zu „Sinceche" am 9. Mai 1174, treffen wir ihn als fünften weltlichen Zeugen bei der kaiserlichen Bestätigung der Besitzungen des Klosters Siegburg, zunächst nach den Grafen Eberhard von Sayna und Heinrich von Ditse.^)

Dass er dem Kaiser im Spätjahre nicht nach Italien folgte zur leider erfolglosen Züchtigung der lombardischen Städte, beweisen zwei kölnische I'rkunden. Der Graf sucht also Fühlung mit dem kölner Erzbischofe, nach- dem die Beziehungen zu Trier durch den emser Handstreich eine Trübung erfahren hatten. In der ersten hilft er dem Erzbischofe Philipp die Überlassung der Vogtei Wile an das S. Cassiusstift zu Bonn und deren Propst Lothar, nach- dem diese bisher ein erzbischöfliches Lehen der Grafen von Katzenelenbogen gewesen war, bezeugen.^) Aus der anderen vom Jahre 117G erfahren wir, dass Ruprecht zu Gunsten der S. Marien- und Clemenskirchc zu Rindorph (Schwarz-

') Topogr. 113, Beschr. 6G2. ^) 1, 282 f. ^) Würdtwein, Subsid. 1,367; Joan- nis, Rer. mog. 2, 588 ff. Vgl. Schliephake 1, 283. ") Bodmann, Rheing. Altert. 235 f.; Will, Regesten 2, 37, Xr. lU;. Letzterer datiert vom .,nov. ?" Der von ihm angeführte Kicker, Beitr. z. Urkundenlehre 1, ^rüi aber macht darauf aufmerksam, dass die Urkunde „während Christians Abwesenheit in Deutschland auf seinen Namen'' nur ausgestellt sein könne, oder letzterer „habe in Italien trotz der Einleitung mit Datum, Ort und Zeugen nach der in Deutschland (.,apud Pinguiam" ) geschehenen Handlung" geurkundet. '■') Kremer, Beiträge 3, 47; Lacomblet 1, 315; Schliephake 1, 284. •"') Günther 1, 421 flf. Das Datum: 1175, ind. VIII, a. imp. XXIII, a. regn. XXV stimmt allerdings nicht, da nur die Indict. für 1175 richtig ist, das Kaiserjahr aber 1178 und das Königsjalir 1177 bietet. Ausserdem niuss ange- nommen werden, dass Erzbischof Philipp schon 1175 wieder aus Italien zurückgekehrt sei. Denn dass er am Kriegszuge dorthin teilgenommen hat, bezeugt die Urkunde von 1174, in der er „ad Italice expeditionis prepnrationem" von der Stadt Köln KHK) und von „Gerardus ante curiam" coo Mark leiht, Laconiblot 1, :ils, Nr. 452. Schliephake 1, 2.S5 kennt diese Anstünde bei der Datierung nicht.

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rheiüdorf bei Bonn) auf seine Vogtci Ethcdorp (Eitorf a. d. linken Seite der Sieg), die er an Ludwig von Gendersdorf zu Lehen gegeben hatte, nach <lem Rate des Er/bischofes gegen eine Entschädigung von 25 Mark und eine Zug- last Wein verzichtete.*) Woher diese abgelegene Vogtei stammte, ist nicht zu ermitteln. Unmöglich aber wäre nicht, dass sie etwa zur liniburgischen Mitgift der Mutter des Grafen gehört hätte.

Wie sehr sich Ruprecht II. die guten Beziehungen zum erzbischöflichen llofe angelegen sein Hess, bezeugt auch die Thatsachc, dass sein jüngerer Bruder Walram am 25. April des gleichen Jahres mit den Grafen Heinrich von Seina, dessen Bruder Everard, Gotfrid von Heimesburg und Gerlach von Iseuburg unter den Zeugen der Urkunde steht, in der Erzbischof Philipp der Abtei Mere den Besitz von Gütern, welche die Gräfin Hildegund an verschiedenen Orten von ihren Ministerialen teils eingelöst, teils angekauft hatte, bestätigt und diese mit den übrigen Beziehungen des Klosters unter seinen Schutz nimmt.'"^) Dass Walram bei dieser Gelegenheit mit dem Zusatz „de lunenburgh" erscheint, wird demselben niederrheinischen Sprach- oder Gehörfehler zuge- schrieben werden müssen, dem wir schon einmal begegnet sind. Wichtig aber ist die Bezeichnung, da sie die Weiterbewohnung der Stammburg des Hauses durcli ihr jüngstes Mitglied beweist. Schliephake hebt deshalb mit Recht hervor, dass, während Walram in einer Urkunde von 1195 als Graf von Nassau erscheint, seine Witwe sich noch 1198 des Siegels mit der Umschrift: „Sigillum comitis Walrami de lurenburgh" bedient.^)

Wenn wir weiter die bekannte Urkunde von 1179, in der Bischof Sigfrid von Brandenburg die von ihm in Vertretung des noch in Italien abwesenden Erzbischofes Christian von Mainz am 5. Juni dieses Jahres vollzogene Einweihung der Kirche zu Alteuburg bei Heftrich samt der Geschichte von ihrer Ent- stehung erzählt und bezeugt^), mit dem Grafen Ruprecht IL in Verbindung setzen, so geschieht es im Widerspruche mit der gewohnten Annahme, dass in ihr nur von Ruprecht III. oder Streitbaren die Rede sei. Für diese scheint allerdings der Wortlaut der bezüglichen Stelle von der Begiftung der Kirche zu sprechen : „Iluius vero dotis auctores sunt dominus Ruobertus de Nasova et suus cognatus Walraven, qui quinque mansos tam cultos quam incultos

*) Lacomblet 1, 322; Schliephake 1, 285 ff. Dass der Graf bei der Beurkundung nicht zugegen war, bezeugt das Fehlen seiner Unterschrift, an seiner Stelle aber stehen often- bar „Lodevvicus de genderstorp. Lodevvicus de nestere". Ob der letztere ein Sohn des „Diet- fryt de nestere" ist in Bruno's Urkunde über Lipporn, Schliephake 1, 198? Er würde dann als nassauischer Burgmann zu betrachten sein und den Adeligen von Nister zugchörcn, die selber eine Burg dieses Namens bei Marienstat besassen, vgl. Vogel, Topogr. 135, Beschr. 693. ■'') Lacomblet 1, 319, Nr. 454; Schliephake 1, 288; Fischer 81 f. Die Urkunde trägt bei letzterem zwar das Jahr 1175, ist aber nicht bloss, wie Schliephake will, wegen der Ind. IX, sondern eben so sehr wegen des a. praesulatus VIT in das Jahr 1176 zu setzen, vgl. Kolb, Seriös episcop., archiepiscop. et electorum. Kottwilae 1725. 169 f. Der Abdruck ' ,,aus dem Cartular der Abtei" bei Lacomblet hat deshalb die i'ichtige Zeitangabc. ^) Schliep- hake 1, 288. Die Abbildung des Siegels sielic bei Kremer, Orig. Nass. 1, Tafel 5. *) Gudenus, Cod. dipl. 1, 267; Kremer, Orig. Nass. 2, 2U1 ; Sauer 1, 19ii f.; Will, Reg. 2, 53, Nr. 175; Schliephake 1, 289 ft".

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super altare et reliquias beatonini inartiruin Kyliaui et sücioruni eius obtulerunt in dotem eeclesie pro remedio et saliite suariim parentumque suorum auimaruni." "Wir geben indessen vor allem zu bedenken, dass die Urkunde nicht von einem einheimisclien, mit den verwautschaftlichen Verhältnissen des Hauses Nassau Vertrauten, sondern von dem fremden brandenburg'schen Sigfrid oder seinem Geheimschreiber aufgenommen ist. Nun war dieser zwar im allgemeinen durch den Beirat der maiuzischen höheren Geistlichen, die er ausdrücklich nennt, über die Sachlage unterrichtet. Aber nicht nur, dass unter den Laienzeugen „comes de Nassova Ruobbertus" allein erscheint, Walram also bei Aufnahme der Urkunde nicht zugegen war, so mochte auch der Umstand, dass dem Bischöfe letzterer als Graf von Laurenburg genannt worden sein wird, diesem das Bruderverhültnis nicht deutlich gemacht und ihn darum veranlasst haben, bloss der Blutsverwantschaft mit „cognatus" Ausdruck zu geben. Sodann fällt be- deutsam ins Gewicht, dass die Verschenkuug von Allodialbesitz doch nur dem Haupte des Hauses "zustand, und wenn es seine Richtigkeit mit der mehrfach am Pfahlgrabengebiete gemachten Wahrnehmung haben sollte,^dass dieses späteres Herrenlaud sei, so war dies bei der Altenburg erst recht der Fall, da diese am Pfahlgraben liegt. Ferner müsste es doch ein eigentümliches Zusammen- treffen sein, wenn Walram mit seinem Vetter Ruprecht HL gemeinsamen Einzelbesitz dort gehabt hätte. Überdies aber darf mit einiger Sicherheit ange- nommen werden, dass Ruprecht HL im Juni 1178 sich noch ebenso bei dem kaiserlichen Heere in Italien befand, wie Erzbischof Christian, den der Bischof von Brandenburg hier vertrat. Die Brüder Ruprecht H. und Walram waren demnach augenscheinlich die Begifter der Kirche als die Herren des regierenden Hauses, und „cognatus" für Walram ein irriger Ausdruck des fremden Ur- kundeausstellers.

Unzweifelhaft sodann ist Ruprecht IL gemeint, wenn es in|den zu Weisscn- burg vom Kaiser am ersten Sonntage in der Fasten (18. Februar) 1179 auf Bitten der Fürsten und Edlen Rheiufraukens für zwei Jahre erneuerten Land- friedens bei Angabe des denselben umfangenden Bezirkes an der bezüglichen Stelle heisst: dass dieser durch die ganze Wetterau über die Höhe nach der Grafschaft des Grafen Heinrich von Dietz durch die Landschaft des Grafen Ruprecht von Nassau bis dahin, wo die Erzbistümer Köln und Trier zu- sammenstossen, sodann durch den ganzen Einrieb und den Rheingau ziehe. ^) Üamit ist zugleich das Gebiet des Grafen zwischen Wetterau und Einrieb mit Rheingau, und zwischen Lahn und Rhein andererseits deutlich bezeichnet, und

^) Böhmer, Acta imperii selecta. Imisbr. ],sTl. 1, l.'JO, Mr. 4274: „indo usque F^ichcn- buhel ubi incipit episcopatus Wircenburgensis, inde usque ad pontem Fuldenscm ubi finitur comitia comitis Berdoldi de Nvoringes et per totam terram Wethereiba, inde per Altitudine (!) in comitatum oomitis Heinrici de Dietze et per provinciam comitis Ruoberti de Nassawe usque ulji finitur archidiaconatus Coloniensis et Trevirensis et ])er totam terram Eiiiricha et per to- tam Ringoviam." .,Provincia" ist hier lediglich ein anderer Ausdruck für den unmittelbar zuvor gebrauchten .,comitatus'', der wiederum mit der vorangegangenen „comitia" wechselt. Bei Hennes 1, 7*;, der die Urkunde norb ungedruckt nennt, und seinem Benutzer Schliep- hake 1, 294 ist als Datum irrig der 18. März angegeben, während es ausdrücklich ,,12. kal. Mart." heisst.

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mau begreift nicht, was Schlicphake bewegen konnte, einer solchen genauen, keine andere Ilerrscliaft sonst zukasseuden Umschreibung gegenüber zu behaupten, dass dem Laude des Grafen, ,wie es scheint, auf einer Seite, gegen die Laurenburg hin, die Besitzungen des Grafen Walram zunächst in der Esterau benachbart waren, während auf der anderen Seite, gegen die Cölnische Grenze hin, die Besitzungen seines Namensvetters Ruprechts IIL zu liegen kommen."')

Dieselbe Verkennung des Landesherrn, der damit von selber zum Reichs- rate gehört, legt Schliephake eben dort an den Tag, wenn er Ruprecht IIL auf dem berühmten Fürstentage zu Gelnhausen am 13. April 1180, bei dem über die Reichslehen des in die Reichsacht erklärten Herzoges Heinrich des Löwen vom Kaiser auderweite Verfügung getroffen wurde, an der Unterzeichnung der die Verhandlungen berichtenden Urkunde beteiligt, wie dies vor ihm auch Hennes^) gethan hatte. Es versteht sich von selber, dass der hier unter den 33 Zeugen an 20. Stelle stehende „Rubertus comes de Nassowe" nur Graf Ruprecht IL als Reichsgraf sein kann und das um so mehr, als er schon an dritter Stelle nach den Herzögen, Land- und Markgrafen folgt und selbst dem Grafen Emicho von Leiningen vorangeht.^) Das „besonders nahe und niemals gestörte Verhältnis der Dieusttreue und des Vertrauens", in dem nach Schliep- hake Ruprecht der Streitbare zu Kaiser Fridrich I. stand, kommt hierbei gar nicht in Betracht, da amtliche und persönliche Beziehungen bei einer solchen Gelegenheit zwei verschiedene Dinge sind.

Da Erzbischof Philipp von Köln in der soeben genannten kaiserlichen Urkunde von dem Reichslehen Heinrichs des Löwen aus dem in zwei Teile geschiedenen Herzogtume Westfalen und Angarien den beträchtlichen Teil, der an das Erzbistum Köln und das Bistum Paderborn grenzte, für seine Verdienste um den Kaiser empfangen hatte, so war eine solche Machtvermehrung erst recht dazu angethan, seine Gunst erstrebenswert zu machen. Wir treffen des- halb am 27. Juli desselben Jahres 1180 unseren Grafen Ruprecht in Köln bei der Beurkundung seines erzbischöflichen Gönners über den Vergleich zwischen ihm und der kölnischen Bürgerschaft wegen des gegen dessen Verbot angelegten Befestigungsgrabens und wegen der auf dem Leinpfade und am Markte errich- teten Häuser.*) Nach nicht weniger als 39 geistlichen Zeugen unter 67 solcher überhaupt nimmt „Robertus comes de Nassowen " nach dem Pfalzgrafen bei Rhein Konrad, dem Herzoge Godefrid von Löwen und dessen Vetter, „Dominus Ileinricus de Limburg," die erste Stelle ein, ein bemerkenswertes Zeichen seiner gräflichen Bedeutung. In der kaiserlichen Bestätigungsurkunde aus Ilalberstadt vom 18. August des gleichen Jahres befindet er sich abermals unter den 21 Zeugen. Diesmal freilich als der 17. und als der 13. unter den Grafen.^) Schliep-

^) 1, 295. 2) 1, 62. 3) Lacomblet 1, :}32 f. Die sonst riclitig dauerte Urkunde verfehlt es nur in dem a. „imperii vero XXVI". Es muss XXV heissen. *} Ebenda 1, Hol? f. Irrig sind der Kaiserjahre bei der Zeitangabe XXVII, und der a. presulat. nostri undeeimus ist um 2 Jahre verfehlt, sodass nur Incarnations- und Königsjahr stimmen. ^) Ebenda 1, 333 f. Vermutlich veranlasst durch die in sie wörtlich aufgenommene Urkunde des Erzbischofes leidet auch diese an dem Datierungsfehler der XXVII Kaiserjahre, während Incarnationsjalirc, In- diction und Königsjahre zutreffen und damit aucli das Jahr 1180 der erzbiscliöflichen Urkunde bestätigen.

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hake macht hierbei die zutreffende Bemerkuug : „Vielleicht war er mit Wahr- nehmung der erzbischüflichen Angelegenheit besonders betraut, da von den an- gesehensten Herren aus dem Laieostande nur er allein sowohl zu Köln als auch zu Halberstadt bei diesem Geschäfte zugegen gewesen ist."^) Alsdann sehen wir ihn im selben Jahre noch einmal in Köln. Erzbischof Philipp ver- pfiiudete seinem „carissimus frater et amicus", dem Erzbischofe Arnold von Trier, für 232 Mark kölnischer Denare Darlehen seine Höfe ßense, Sigenheim, Rah- tecke und, Celtanc.^) Ruprecht H. aber diente ihm hierbei nächst elf höheren Geistlichen des Erzstiftes als erster Bürge („obses") von vier Edelen („Robertus comes de nassowe, Heiuricus comes de seina et frater eins Euerhardus, pro quibus frater eorum Bruno prepositus spospondit, Renerus de froisbret") und 10 benannten Ministerialen, Wie dies Zeugnis für die innig gewordene Ver- bindung der beiden hohen Herren ablegt, so scheint es auch neben der Ange- sehenheit des Grafen dessen ansehnlichen Vermögensstaud zu bekunden, eine Sache, die nicht minder durch die vier ohne Zweifel mit entsprechendem Ge- folge unternommenen, darum ausgabereichen Reisen dieses Jahres belegt sein dürfte, die uns gleichzeitig darthun mögen, zu welchen Opfern sich seine Haus- politik verstand. Denn fürstliche Vergnügungsreisen möchten damals schwerlich Sitte gewesen sein, da sie ungleich kostspieliger noch als die heutigen gewesen sein würden, neben dem, dass sie erheblich mühsamer gewesen wären. ^)

Im Jahre 1182 aber ist es, dass wir zum Unterschiede von Ruprecht H. dessen streitbaren Vetter Ruprecht HI. in der schon oben geschilderten Vogtei- sache zu Coblenz thätig finden. Es mag diese seine Eigenschaft als „advocatus Confluentinorum"^) auf den ersten Augenblick befremden, da sie einen Ein- griff in die Rechte Ruprechts II. darzustellen scheint, der als Vertreter des Hauses auf diese von Arnstein geerbte Vogtei die nächsten Ansprüche gehabt hätte. Das Befremden verschwindet jedoch sofort, wenn wir erkennen müssen, dass in der Abtretung dieser Vogtei an Ruprecht HI. ein deutliches Leibgedinge für ein nicht regierendes Glied des Hauses vorliegt. Die Vogtbede, die seit dem 12. und 13. Jahrhundert in rechtlich bestimmten Beiträgen der Vogtleute von den geistlichen Grundherren anerkannt war^), mochte eben einen unver- äclitlichen Beitrag zu dem bieten, was das Haus sonst noch für seine Glieder aufzubieten hatte, oder was diese erheiratet haben mochten. Gleichwohl mag Ruprecht III. nicht der alleinige Nutzniesser dieses Leibgedinges gewesen sein, wenn er schon alleiniger Vogt sein musste. Denn aus der oben an der gleichen Stelle mitgeteilten Urkunde von 1195 ersehen wir, dass der Sohn Ruprechts HL, Hermann, mit seinem „cognatus" Walram auf Vogteirechte in derselben „ad- vocatia et jurisdictio conflucntiua" zu Gunsten des Klosters II immenrode*^) ver- zichtet. Dieselbe Gemeinsamkeit des Besitzes in diesem Amtsbezirke, diesmal

'j 1, :m). Er meint das^freilicli irrig von Ruprecht III. '^) Günther 1, 439 ff.; Mittelrh. Urkb. 2, Üö f., vgl. Hennes 1, 64, Schlicphake 1, MOO. ^) Zur Vergleichung (liirfen wir hierbei an die Klagen der Fürsten wegen der bedeutenden Kosten für die Hof- t'ahrten erinnern. Sielie Toe che, 5 Kaiser Ileinrieli VI. !(!, .is«». 442, Anm. 2. *) S. An- merk. 2, S. 94. *) Schröder, Lehrb. ö25. ^) Auch Hemmenrode, heute Himmerode,

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in dem eine Stunde von Coblenz entfernten Mctricha (Mettcrnicli'), erweist auch eine Urkunde von 1206. In ihr bezeugt Erzbischof Johann von Trier die von Seiten sämtHcher Besitzer erfolgte Schenkung des bisher unbebauten Landes zwischen Metternich und Rore an die Abtei Tlinimonrode.^) Als „domini uille de Metricha" werden genannt: „Henricus comes de Seina et frater eins Euer- hardus, Robertus^) comes de Nassowe et nepos suus Walerammus, Anseiemus de Moluesborg, Salomena nobills et deuota matrona cum filia sua Mathildi et genero suo lludolfo palatino comite de Tuingen, Hermannus etiam miles eiusdem loci iudigena, rusticorum quoque tota communio, qui hereditate possidebant usu- aria." Dass die genannten Herren, wie seither angenommen wurde, in ver- wantschaftlichem Zusammenhange gestanden hätten, ist geschichtlich nicht zu erweisen. Ein zufälliger gemeinsamer Besitz hat ebenso viel Berechtigung. Wir enthalten uns deshalb des Eingehens auf alle daran gereihten, zum teil mehr als kühnen Vermutungen unserer Vorgänger. Fest steht bloss die eine uns hier angehende Verwantschaft, die die Urkunde mit „Robertus comes de Nassowe et nepos suus Walerammus" bezeugt. Die Frage ist nur, was „nepos" an dieser Stelle bedeutet. „Enkel" hat Schliephake^) schon mit Recht ab- gewiesen, so sehr auch diese Übersetzung beliebt worden war. Sein „Neffe" aber führt ebensowenig zum Ziele und hat ihn selber unbefriedigt gelassen. Es hilft nur die dritte, dem Mittelalter bekannte Bedeutung des Wortes. Nepos ist auch patruelis und consobrinus, d. h. von des Vaters Bruder abstammend, Geschwisterkind und wird dann vorzüglich gebraucht, wenn der so Genannte der an Alter oder Würde Geringere ist.^) Walram ergibt sich demnach einfach als Geschwisterkind mit Ruprecht dem Streitbaren. Die von beiden in Ver- bindung mit den genannten Anderen gemachte Schenkung fällt aber nicht in das Jahr 1206 der Urkunde, sondern, da Ruprecht III. bereits bei Beginn des Jahres 1189 mit Walram, den Vettern Heinrich von Dietz und Bischof Her- mann von Münster, einem Grafen von Katzenelnbogen, wie mit dem kaiserlichen Kämmerer Markwart von Neuenburg die Gesantschaft nach Konstantinopel zur Förderung des dritten Kreuzzuges angetreten hatte und 1190 auf dem Zuge starb, jedenfalls vor das Jahr 1189 und war möglicherweise veranlasst durch die Kreuzfahrt. Die Urkunde selber stellt nur die Bestätigung der Schenkung der Nachkommen der bis auf den Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen verstorbenen ehemaligen Besitzer des genannten Gebietes dar und ist ausser von Geistlichen nur von den Ministerialen der beteiligten Nachkommen bezeugt.

^) Schliephake 1, 347 setzt Metternich irrig in das Maienfeld, in dem allerdings auch ein Dorf dieses Namens lag, das Ortsregister des Miltelrh. Urkb.'s aber, das soviel bessere Ortskenntnis ausweist, ist für die von uns genannte Lage bei Coblenz. ^) v. Hont heim

1, 64ß; Kremer, Orig. Nass. 2, 213 f.; Mittelrh. Urkb. 1, 2()2 f.; Goerz, Mittelrh. Regest.

2, 279, Nr. 1013; Wenck, Hist. Abh. 1, 91 if., Hess. Landesgesch. 3, 236 f.; Hennes 1, 243 f.; Vogel, Beschr. 299; Schliephake 1, 344 ff. Die ind. VIU ist mit IX zu ersetzen. ^) So liest das auf der Stadtbibliothek in Trier befindliche Original, das im Mittelrh. Ur- kundenbuch wiedergegeben ist, v. Hontheim hat dafür irrig „Henricus". Es werden damit alle au diesen letzteren Namen geknüpften Bemerkungen der Benutzer v. Hontheims hinfällig. Wir müssen uns deshalb nicht mit ihrer Widerlegung im einzelnen aufhalten. \) 1 , 270. *j Du Cange-Henschel 4, 620'': Nepos, patruelis vel consobrinus. Tum vero maxime pa- truelcs vcl consobrinos nepotes dictos volunt, cum aetate inferiores erant aut dignitate.

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Zu Ruprecht II. führt uns uacli diesen des Zusammenhanges wegen zum teil vorausgenommenen urkundHchen Angaben das Jahr 1184 wieder zurück. Es ist am Sonntage der PHngsten dieses Jahres auf dem berühmten Reichsfeste auf der Marau bei Main/.'), das der grosse Kaiser Fridrich I. mit seinen Fürsten, Prahlten und Rittern in strahlender Pracht abhielt, dass er bei dem in der Feldkirche durch den Abt Konrad von Fulda erregten bekannten Raugstreite mit dem Erzbischofe Pliilijip von Köln diesem seinem gekränkten Lehensherren mit des Kaisers Bruder, Pfalzgrafen Konrad bei Rhein, und anderen Lehensträgern aus der Kirche folgen wollte, indes Landgraf Ludwig von Thüringen, des Abtes Lehensmann und des Kaisers Schwestersohn, ihm spottend zurief: „Heute, Graf, habt Ihr euer Lehen verdient!" worauf er mannlich erwiderte: „Wohl habe ich es verdient und werde, so es heute not thun mag, es noch mehr verdienen."^) Dieser Vorgang scheint unzweideutig, wie die mannhafte Art unseres Grafen, so seine nicht unbeneidete namhafte Stellung unter den Reichsfürsten darzuthun, neben dem, dass sie die Stärke der Beziehung zu Erzbischof Philipp erweist. Geffen die kaiserliche Ungnade bot ia freilich der Vorantritt des kaiserlichen Bruders Deckung, aber dass er sich sofort nach diesem mit den Worten erhob: „Auch ich werde meinem Herrn, dem Erzbischofe, folgen", verrät, dass er sich der Tragweite seiner Macht bewusst war, und dass der von da ab dem Kaiser ffrollende mächtige Kirchenfürst sich auf ihn vorlassen durfte, wenn es zur offenen Entzweiung mit dem Kaiser kam, die erst der berühmte Tag in Mainz vom Jahre 1188 mit seiner flammenden, alle Zwiste niederschlagenden Begeiste- rung für einen neuen Kreuzzug auf immer aus der Welt schaffte.

Am Ende dieses selben Jahres 1188, am 22. Dezember damit schieben wir ein neues bis dahin unentdeckt gebliebenes Glied in die Kette unserer nassauischen Grafengeschichte ein war Graf Ruprecht II. am Hoflager des Königs Heinrich VI. in Worms anwesend, da er als Zeuge bei einer Beurkundung thätig ist, deren Wortlaut zwar nicht mehr erhalten scheint, die aber offenbar

') Annal. 10, 1^79; Roth, Gesch. d. Stadt Wiesbaden, 17. ^) Die Geschichte wird in Arnoldi, Abbatis lubecensis, chronica Slavorum 3, 9 (Leibnitz, Script. Brunsvic. 2, 661 f. nicht „Monum.", wie Schliephake 1, 300 fälschlich steht) erzählt. Dort heisst es nach dorn Bericht über die Worte des Rheinpfalzgrafen : „Deindc surgens comes de Assowe fin der Anmerkung verbessert: Nassowe] dixit : Et ego in gratiam vestram sequar Dominum meum Archiepiscopum^. Dann heisst es wenig weiter: „Respondens autem Ludovicus, comes pro- vincialis, qui fuit horao abbatis, dixit comiti deAssowe: Bene hodie beneficium vestrum raeru- istis. Cui ille: et merui et merebor, si hodie necessitas exegerit.'' Vgl. Hennes 1, 65 ff.; V. Raum er, Gesch. d. Hohenstaufen, 2, 4s. Welches dieses vom Landgrafen gemeinte bene- ficium, d. h. Lehen auf Lebenszeit oder auch erblich (vgl. Du Cange-Henschel 1, 650 ff.), gewesen, ist uns leider verborgen. Dass es nicht unbedeutend gewesen sein muss, verrät der durch den Hohn klingende Neid des Landgrafen, und geht ebenso sehr aus der Thatsache hervor, dass Ruprecht IL sich als ersten külnischen Lehenstriiger nach dem Rheinpfalzgrafen weiss, da er sich unmittelbar nach diesem erhebt, und dann erst der Graf von Flandern und die übrigen folgen. Dass den Landgrafen der Hohn alsbald reute, beweist der Umstand, dass er nach Beendigung des Festes dem Erzbischofe nachreist und nicht eher Köln verlässt, als bis er dessen Unwillen besänftigt hatte, ja sich in der Folge mit diesem wider den Kaiser verband, vgl. Toeche, Kaiser Heinrich VI. :iO f., woselbst auch die übrigen Quellen über das Fest angeführt und anderweite Litteraturangaben gemacht sind.

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[lern Erzähler ilircs Tuliultcs, dem Verfasser des „Clironicon Hanoniense", [Irislebcrt oder Gisilbert, vorgelegen haben muss. Ihm zufolge hatte der König uach mannigfachen Verhandlungen mit dem Grafen Balduin von Hennegau 3ie dem Reiche von diesem aufgetragenen Allodien und Lehen der Grafschaften Namur und Plennegau zu einer Mark vereinigt und letztere dem Grafen über- leben, wie dies bereits sein Vater Fridrich 1184 festgesetzt hatte. Als Zeugen führt Gisilbert dabei den Erzbischof Konrad 1. von Mainz, den Rheinpfalzgrafen Konrad, die Bischöfe von Worms und Speier, die Grafen Robert von Nassau, Emicho) von Leiningen, Robert von Dorne, den Kanzler Johann, von Ministerialen Werner von Bolanden, Cuno von Minseberch, F(ridrich) von Husen und Hunfrid ^on Falkenstein auf.^) Da die Sache vorerst geheim gehalten werden sollte, }0 haben wir in den Zeugen Vertrauenspersonen des Königs zu erblicken, ieugt das auf der einen Seite für die politische Bedeutung unseres Grafen in Jen Augen des Königs, so tritt die statsmännische nicht minder hervor. Denn )s sind Statsmänner ersten Ranges, unter denen sich Ruprecht IL hier befindet. i\.llen voran nicht bloss au Amtswürde steht Erzbischof Konrad von Mainz. ^) Fohann bezeichnet schon seine Kanzlereigenschaft als solchen, wie es nicht ninder seine bald danach erfolgende Erhebung auf den Erzstuhl in Trier thut.^) Desgleichen war der Bischof von Worms als geschickter Vermittler bekannt.^) Die reichsministerialen Ritter, Werner von Bolanden und Kuno von Minzenberg, jbenso reich begütert, als statsmännisch gebildet, zählten zu den vertrauten ^äteu des Kaisers Fridrich, wie seines Sohnes Heinrich^), ebenso der Minne- länger Fridrich von Hausen. '') Es ist aber noch ein Anderes, was die

') Mon. Germ. 21, 564: „Dominus autem rex adunatis tarn allodiis quam feodis et fami- iis et ecclesiis in istis comitatibus sitis, ad imperium pertinentibus, ex iis principatum, qui aarchia dicitur, fecit et eandem marchiam comiti Hanoniensi in feodo ligio concessit; unde iomes Hanoniensis ligium ei hominium [homagium] fecit, sub testimonio principum, scilicet Con- ardi Manguntinensis arcliiepiscopi et Conrardi comitis palatini Reni et episcopi Wormatiensis t episcopi Spirensis et aliorum multorum, Roberti comitis de Nassoa, . . . comitis de Linenghis :t Roberti de Dorna et Johannis cancellarii et ministerialium, scilicet Werneri de BoUanden, yononis de Minsebei'ch, F. de Husa, Hunfridi de Falconis Petra et aliorum multorum tarn lobilium quam ministerialium. Sicque comes Hanoniensis et princeps imperii et marchio Na- aurcensis factus est." Auffälliger weise hat "Will diese Urkunde nicht in seinen Regesten ver- leichnet, und Toeche sie als solche nicht erkannt. Ebenso ist des letzteren Datum: .,Weih- lachten 1189" S. 101 in 11S8 zu verbessern, das seine Regesten S. 643 richtig angeben. ) Toeche llö; Will, Regest. 2, IV. ^) Toeche 116. *) Ebenda 38, 115. ^} Ebenda 23. - ^) Riezler (s. S. 110, A. 6 unten) 11.5 f.; Toeche 59, Anm. 2, 83, 504 f., wo sein Tod bei ler Verfolgung der Seldschucken vor Philomelium, 6. Mai 1190, durch einen Druckfehler in 19(3 gesetzt ist. Es mag an diesem Orte nicht unerwünscht scheinen, hinzuzufügen, was ich ler Güte des Herrn Professor Otto verdanke, dass Fridricli von Hausen sich so nach der ehr ansprechenden Vermutung Sclienk's („Zur Frage nach dem Wohnsitze Friedrichs von lausen" in der Zeitschr. f. deutsch. Altertum 1887. 32, 43) von unserem St. Goarshausen gc- lannt hat, das ehemals nur Husen hiess, vgl. Vogel, Topogr. 86, Besclir. 633. Er gehörte ilso zur rheinischen Ritterschaft und war Nachbar unserer Grafen. Möglich, dass der 1159 tls Zeuge in dem worms-trier-laurenburg'schen Handel vorkommende .,Waltcrus de husen" Schliephake 1, 203) der Vater Fridrich s war. Schenk vermutet, dass .,Fridcricus de Jrubac" in dem Vertrag zwischen Hillin und Laurenburg aus dem gleichen Jahre (Schliep- lake 1, 205 Schenk's Citat ist irrig) ein Verwanter Friedrichs von Hausen gewesen sein

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Zeugenschaft unseres Grafen bei diesem Anlasse bemerkenswert macht. Die endo-iltige Verleihung der Markgrafschaft au Bakluiu hatte auch eine Spitze gegen den Lehensherrn Ruprechts II., den Erzbischof von Köln, die dieser bereits auf dem vorhin besprochenen Reichsfeste gefühlt, und die seine Ver- stimmung über die kaiserliche Bevorzugung des Abtes Konrad von Fulda nicht wenig gesteigert hatte. Damals war nämlich dem Grafen Balduin, der das Reichsschwert bei dem Feste vorangetragen hatte, von Kaiser Fridrich bereits die Zusicherung geworden, dass er die von seinem alternden Oheime zu er- wartende Grafschaft von Luxemburg und Namur mit Henuegau vereinigt als Mark- ffrafschaft erhalten sollte.') Dieser Zuwachs an Macht erschuf ihm aber be- denkliche Xebenbuhler an seinen französischen Nachbaren, dem Grafen von Flandern und dem Herzoge von Brabant und an dem diesen beiden verwanten und benachbarten Erzbischofe Philipp von Köln, und verwickelte ihn in be- ständige und gefährliche Fehde mit diesen, ein Grund, der die endgiltige, von den Gegnern durch höhere Angebote immer hintan gehaltene Belehnuug vorerst noch zu einer Geheimsache machte, bis es endlich im Oktober 1189 gelang, den Erzbischof voll zu versöhnen und sogar zum Friedeusmittler zwischen den Streitenden zu machen.^) Das Hineinziehen in das königliche Vertrauen bedeutet also für Ruprecht II. ein Abziehen vom kölnischen Erzbischofe, war aber zugleich von der königlichen Statskunst wohl berechnet, um den Grafen zum Mitwirker am endUchen Frieden mit dem Erzbischofe zu machen. Wir hatten deshalb wohl ein Recht, von der politischen wie statsmännischen Bedeutung Ruprechts II. zu reden.

Wie hier aber die Machtstellung und das statsmännische Gewicht des Grafen, so ist es abermals der unverkennbar gute Vermögensstand desselben, den uns in dieser Zeit eine Urkunde des Erzbischofes Konrad von Mainz offen- bart. Stumpf teilt dies bemerkenswerte Schriftstück aus dem Originalconcepte im Archive zu Würzburg (München) mit und setzt es es ist undatiert zwischen die Jahre 1187 und 1190.^) In ihm schildert, um mit den Regest- worten Stumpfs zu reden, „Erzbischof Konrad I. von Mainz und Cardinalbischof von Sabina, in welchem Zustand der Verwüstung, Unterdrückung und Demütig- ung er die mainzer Kirche bei seiner Rückkehr (1183) getroffen habe, zählt ferner genau die Verluste auf, die dieselbe durch die verschiedenartigsten Veräusserungen, Belohnungen, Verpfändungen erlitten und verzeichnet dann ausführlich, welche Güter, Schlösser u. s. w. und um welche Summen er für die Kirche zurückerworben und gekauft habe." Hier heisst es nun von unserem Grafen: „Pignori obligate diximus comiti Ruberto de Nassowe curtim Loginstein pro GL marcis examinati argenti; eidem comiti Ruberto Ramsei cum aliis adiacentibus possessionibus LVII marcis" und danach: „Deinde a comite Ruberto curtim de Loginstein et Ramsei et Drissungen et Espelscheit pro CG marcis

möge. Alles in Anlehnung an Sauers Mitteilung „Zur älteren Gesch. der Herreu v. Eppen- stein und v. Homburg'', Annal. H», 56.

') Die Urkunde wurde veröffentlicht von Prutz, Heinrich der Löwe 483 und bei Toeche Ooo f. Hier sind schon "SVcrner von Bolanden und Kuno von Minzenberg Zeugen, ausserdem aber auch Graf Heinrich von Dietz. -J Toeche 4!J ff., !»ii IW, 117. ^) Act. Magunt. 114 ff.; Sauer 1, 2uy f. Nr. 287; Will, Regest. 2, 100, Nr. 91.

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recollegimus." Der Graf verzichtet also, wenn richtig gebucht iat^), auf 7 Mark, durch den Verzicht, wie das Darlehen beweisend, dass es ihm nicht an klingen- dem Gute gebrach, noch an dessen kluger Verwertung. Was die ihm ver- pfändeten Orte betrifft, so ist der Hof von Lahnstein bekannter mainzischer Besitz, Ramsei mit dem etwa eine Stunde entfernten Espelschied rheingauisches Eigentum des Erzstuhles, und Drissuugen offenbar ein ausgegangenes Dorf In deren Nähe, wie die erste urkundliche Bezeichnung: „Ramsei adiacentibus possessionibus" schliessen lässt, wenngleich die Endung -ungen ins Hessische Dder Thüringische weist, wo sich allerdings kein Ort dieses Namens findet. Die Zeit, in der Versatz und Auslösung vor sich ging, wird von Schliephake imter dem falschen Gesichtspunkte, dass Ruprecht HI. der „comes Hubertus" 3er Urkunde sei, einseitig und noch dazu unter Nichtbeachtung der in ihr k^orliegenden anderweiten, von seinem Gewährsmanne Stumpft) genau hervor- gehobenen Zeitbestimmungen zwischen 1187 und 1189 gesetzt, während Scholz aachzuweisen sucht, dass die Urkunde aus drei Teilen bestehe, von denen der 3rste zwischen die Jahre 1186 und 1190 gehöre, der zweite aber erst in die Zeit nach 1195 gesetzt werden müsse.^) Da die Angaben über das unsere jrrafen betreffende Geschäft dem ersten Teile zuzuweisen sind, so dürfen wir lie Scholz 'sehe Feststellung gelten lassen, von der diejenige Stumpfs sich lur durch das Anfangsjahr 1187 unterscheidet. Der freigebige Erlass mag lann immerhin der Kreuzzugsbegeisterung des Jahres 1189 zugeschrieben wer- leu, die das nassauische Haus um so tiefer erfasst zeigt, als zwei seiner Glieder n so hervorragender Weise an dem Kreuzzuge beteiligt waren.

4. Walrams YOrzeitige Rückkehr vom Kreuzzuge und Ruprecht II.

Aber freilich sehen wir diese Begeisterung bei einem derselben, dem jrrafen Walram, schon gleich im Anfange verraucht. Wir müssen das aus iiner Urkunde des Jahres 1190 schliessen, in der er mit seinem älteren Bruder Ruprecht H. als Zeuge in Köln erscheint. Dass wir uns damit in Widerspruch iiit unseren Vorgängern setzen, ist ein um so grösserer Anreiz, unseren Schluss lesto unanfechtbarer zu begründen. In der Urkunde bezeugt Erzbischof Philipp, 3ass „comes Theodoricus de Widhe" seine Burg Holebriche (Olbrück), soweit hr Graben reicht, mit ihrem Boden und Zugange der Kirche S. Petri in Köln !u Lehen aufgetragen habe. Unter den 26 Zeugen mit dem Erzbischofe selber m der Spitze stehen „Rubertus comes de Nassawe et Walramus" an 6. und L Stelle. Als Datum ist ausnahmsweise nur das Jahr 1190 angegeben mit lern Zusätze am Schlüsse der ganzen Urkunde: „regnante Friderico Romanorum mperatore augusto." Der erste Abdruck des Schriftstückes in Joannis' Spici- egium'*) stimmt wörtlich mit dem Fischer's^j ,ex Chartulario Coloniensi", wie mit dem bei Lünig^) überein und weicht nur sehr unwesentlich von dem 3es Mittelrh. Urkundenbuches^) „aus Kindliuger's Sammlung" ab. Man begreift

^) Die Summen stimmen nämlich in der ganzen Aufzeichnung nicht überein, wie Stumpf 117, Anm. darthut. -) S. XXX. •') De Conradi I. princip. territor. 37 f. bei Will, Regesten 2, Gl, Nr. Gl. *) S. 19 f. ■') Geschlechtsreg. der Häuser Isenburg, Wied und Runkel. 2, 4U. **) Corp. jur. feudalis. 1, 145G. ') 2, 140 f. u. 746, Nr. 833,

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deshalb nicht, wie sich Hennes^), der allerdings nur den Abdruck des Joanuis und Fischer's kannte, zu der Behauptung verirren konnte, nachdem er das Jahr 1190 der Urkunde beanstandet und willkürlich in 1185 verwandelt hatte: Die Urkunde „ist auch sonst so korrumpirt, dass sie, wie es scheint, deshalb nicht in Lacomblets Urkundenbuch aufgenommen worden ist." Eltester, der Herausgeber dieses Teiles des Mittelrh. Urkundenbuches, hat mit Recht keinen Anstoss an der Urkunde genommen, und sein liegistrator Goerz bemerkt deshalb mit eben so gutem Rechte zu ihr: „Da Kaiser Fridrich I. 1190, Juni 19. im Flusse Saleph ertrank, in die erste Hälfte des Jahres 1190 fallend."^) Erst in seinen Mittelrh. Regesten liess letzterer sich in der Datierung irre machen und bemerkt zu dem ins Jahr 1185 gesetzten Auszuge der Urkunde: „Da die Grafen von Nassau im Jahre 1190 noch bei dem Kreuzheere im Orient waren, so nimmt Hennes einen Schreibfehler in der Datierung der corrumpirten Abschrift an und verbessert 1190 wohl mit Recht in 1185."^) Schliephake^) war ihm liierin vorangegangen. Keiner bedachte, dass das Datum einer Ur- kunde so lange unantastbar ist, bis die schwerwiegendsten anderweiten geschicht- lichen Umstände gegen es sprechen. Vom leichtesten Gewicht aber ist der Grund, dass die beiden Grafen Ruprecht und Walram sich damals noch bei dem Kreuzheere befunden haben sollen. Nur vom ersteren ist dieses sicher anzunehmen, und das ist nicht der Zeuge unserer Urkunde, da dieser selbst nach Schliephake nur Ruprecht H. sein kann, der am Kreuzzuge so wenig teilgenommen hatte, als sein Lehensherr, Erzbischof Philipp. Des Grafen Walram aber wird seit seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft in Konstantinopel am 28. Oktober 1189 nicht mehr bei dem Kreuzheere gedacht. Hennes ist es selber^), der uns den Quellen gemäss berichtet, dass Kaiser Fridrich sowohl im Briefe aus Philippopel an seinen Sohn Heinrich VI. vom 18. November*'), als in einem solchen an Herzog Leopold von Ostreich aus][^ Adrianopel vom Winter 1189 1190^) nur den Bischof Hermann von Münster, den Grafen Robert und den Kämmerer Markwart als Gesante nennt. Er hätte aber hin- zusetzen können, dass der Verfasser der „Chronica Slavorum", Abt Arnold von Lübeck, überhaupt nur diese drei Gesanten kennt.^) Wie aber ^konnte es

') 1, 111, Anm. 2. ^) Gregorius IV., Catholicus der Armenier, meldet erst im Juli oder August 1190 mit den seitherigen Thaten des Kaisers Fridrich in Griechenland^und Asien dem Sultan Saladin dessen Tod. Vgl. Rüliricht, Regesta regni liierosolymitani. Innsbr. 1893. 18.J, Nr. t/.M. ^) 2, 154 f. Anm. Die für Hennes angegebene Seitenzahl ,,lUü, Note :^'' ist nach unserer obigen Angabe bei ihm zu verbessern. *) 1, 307. ^) 1, 97, 99 Anm.

") Nach Riezler, Der Kreuzzug des Kaisers Friedrich in „Forsch, z. deutsch. JGesch.** X, 48 u. 112 f. ist es der 16. Nov. ^ Riezler 113 setzt den Brief „c. 1189, Ende November".

**) 3, 30: „His verbis nimis credulus et perterritus Constantinopolitanus nuncios imperatoris, Episcopum videlicet Monastericnsem et Robertum de Assowe et Marquardum cammerariura cum quingentis militibus comprehendi praccepit." Leibnitz, Script. Brunsv. 2, |678 ; Mon. Germ. 21, 172. Nicht ersichtlich ist, aus welcher Quelle Brower, Annal. trevir. 2, 85 ge- schupft hat, wenn er von den am Kreuzzuge Beteiligten der trierischen Diücese]unter; anderem sagt: „Trans Rhenum adscripti, manu famaque strenui, Robcrtus, Comes~Nassovius, et huic a Logana vicini, utcrque Henricus junior seniorque Cumites Dietzii. Nassovius juniorque Dietz- ius ob industriae virtutigque spectatae famam, Noribergensi conventu, lecti de pace oratores ad Isaacum Angelum Üiientis Imperatorem; niissique cum Monasteriensi Episcopo Constantino-

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gescheheu, dass Graf Walrain, der doch von Ansbert ausdrücklich als Mitge- santer genannt wird, seit der Rückkehr von Koustantinopel nicht mehr erwähnt wird? Wir dürfen kaum annehmen, dass die bei der schnöden monatelangen Gefangenschaft erlitteneu Drangsale ihn zur sofortigen Rückkehr in die Heimat veranlasst haben könnten. Wohl aber scheint es der kaiserliche Empfang in Philippopel gewesen zu sein, der iiiu gekränkt in die Heimat trieb. Denn der Augenzeuge, Bischof Dietbold, berichtet vom Kaiser, dass er beim Empfang seiner mit so viel Feierlichkeit von ihren Landsleuten eingeholten Gesanten nur in die Umarmung des Bischofes von Münster und des Grafen Ruprecht geeilt sei und diese mit Thränen empfangen habe.^) Wie leicht konnte diese Auszeichnung den nicht mitausgezeichneten und nach seinen gleichen Erlebnissen doch gleicher Ehren gewärtigen Grafen Walram verstimmen. Wir haben die Ehr- begriffe der hohen Herren dieser Zeit noch in frischer Erinnerung vom Erzbischofe Philipp her.") Jedenfalls muss etwas der Art vorgelegen haben, was den Grafen bestimmte, sich eigenmächtig seines Kreuzzugsgelübdes zu entbinden und in die Heimat zu eilen. Denn nur in diesem der gläubigen mittelalterlichen Zeit peinlichen Lichte gewinnen die bis heute noch unerklärten Worte der Gemahlin Kuueguudis in der Urkunde von 1198 Bedeutung, in der sie „ob anime mariti sui Comitis Walrami memoriam et remedium non solum manu voluntateque libera, verum etiam vniversorum ministerialium assensu consilioque inducta

polira." Auch hier ist Walram ausgelassen. Die „Continuat. Zwetlensis altera", Mon. Germ. 11, 544 kennt gar nur zwei Abgesante: „Episcopum autem Monasteriensem et comitem de Nassowe, viros prudentes et magni consilii principes, promiserat ad regem Grecorura Ysachiura ad praeparandam viam et mercetum." Wie schwankend überhaupt die damaligen Zeitbücher über die Zahl der Gesanten sind, beweist auch der von Hennes 1, 83 bereits angeführte Gottfried, dessen Bericht in den nun längst von Karl Pertz mustergiltig herausgegebenen „Annales Colonienses Maximi", Mon. Germ. 17, 779, Zeile 24 ff. vorliegt, und der nur die Grafen Ruprecht und Walram nennt und beide noch dazu irrig von Nicaea (Nissa) an den Ort ihrer Bestimmung abgehen lässt. Der sog. Ansbert „sog.", weil erst eine Hand aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Handschrift aus dem Ende des 12. Jahrhunderts: „Ystoria de expeditione Friderici imperatoris edita a quodam Austriensi clerico, qui eidem interfuit" die Worte zugesetzt hat: „nomine Ansberti", vgl. Riezler 89 ist es allein, der als Gesante „episcopum Monasteriensem et comitem Rudpertum de Nassowe et cognatura eius Walrab comitem et Henricum iuniorem comitem de Diez et March cammerarium suum" nennt. Canisius, Lectiones antiqu. 3, 504 f. Fontes rer. austriacarum 5, 14, 1(5. Befremd- licherweise lässt Wilken, Gesch. der Kreuzzüge 4, 54, obwohl er die Quellen in ihren alten Ausgaben kennt, nach Anm. (J nur den Bischof von Münster, die Grafen Robert von Nassau und Heinricli von Diech und den Kämmerer Marqwart gesendet sein und weiss bloss das falsche „Diech" S. 16 nach der Quelle in „Dietz" zu verbessern, obwohl er S. 95 alle Namen aus Ansbert wiedergibt.

') „Dominus vero Imperator de domo suo exiens in amplexus Episcopi et Comitis irruit, cum multis lacrymis eos suscepit, dicens: Gratias ago Deo, quia filii mei mortui erant et re- uixerunt, perierant et inuenti sunt." Tageno, Descriptio expeditionis asiat. bei Fr ehe r- Struve, Script. Germ. 1, 409; Mon. Germ. 17, 510. Oder sollten gar die vom Kaiser ge- brauchten Worte aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohne, Luc. 15, 24, verstimmend gewirkt haben? ^) Arnold ist in seiner Chron. Slav. freilich der Meinung, dass der Abt von Fulda der Ehrgeizige gewesen sei, und lässt deshalb der Erzählung des Sachverlialtes ein ganzes Kapitel (X.) „de superbia detestabili monachorum" folgen. Mon. Germ. 21, 113, vgl. Riez- ler 12.

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omnem decimarum provcntum de novalibus in Estenforsf, qui ad eius proprie- tärem spectabat, Ecclesie S. Nicolai in Arnesteiu fratribusque Deo ibidem servientibus mente devota douavit, ut, si quo predictus Comes adhuc in corpore vivens ex operum illicitorum commisso impenitens morte decesserat, eorum precum aminiculo apud misericordiarum Patrem misericorditer expiaretur."^) Der gläubigen Witwe lag ein Fluch des Gatten auf der Seele, und welcher könnte dies mit grösserer Gewissheit gewesen sein, als der des gebrochenen Kreuzzugsgelübdes? Sehen wir doch auch, dass der Zeitgenosse des Grafen, der arnsteiner Mönch, schweigend an Walram vorübergeht, während er nicht unterlassen hat, des streitbaren Vetters als eines „peregrinus" zu gedenken. Und dass alle anderen ebenso Berufenen schweigen, redet auch. Mau scheute peinliche Berichte bei der heiligen Sache des Kreuz- zuges-), man scheute wohl auch den mächtigen Grafen und den noch mächtigeren Kaiser.

Was darf uns unter solchen Umständen hindern, Walram mit seinem Bruder Ruprecht bei der gedachten Urkunde von 1190 als Zeugen thätig zu sehen? Sicherlich nicht die seither gangbar gewesene Annahme, dass Walram samt seinem Vetter Ruprecht III. am 5. März 1190 die Urkunde zur Gründung des deutschen Ordens mit unterzeichnet habe.^) Denn die neuesten Forschungen auf diesem Gebiete haben ergeben, dass die Gründung erst am 5. März 1198 stattgefunden hat^), die Namen der beiden Grafen also einen späteren Eintrag in die Liste der damals Anwesenden darstellen würden, der daher rühren könnte, dass man schon frühe den vierten Kreuzzug mit dem dritten verwechselte und darum die Namen der letzteren in jenen übertrug. Liess sich doch selber Kaiser Fridrich 11. verleiten, seinen Grossvater Fridrich I. Gründer des Ordens zu nennen.^) Von grösserem Belange dagegen könnte es scheinen, dass Graf Theoderich von Wied, der Lehensaufträger der Burg Olbrück an Köln, in der oben genannten Urkunde sich auch beim Kreuzheere befand. Denn unter den „priores et celebriores" der Lagergenossen bei Philippopel wird von Ansbert ausdrücklich „Dietricus comes de Widen" genannt.^) Ebenso wird berichtet, dass die Mannen des Bischofes von Würzburg und die Grafen von Salm, Wied und Sponheim drei von Wallachen bewohnte Städte besetzt, die beiden ersten ohne Widerstand, die dritte mit Schwertes Schärfe genommen hatten,

*j Kremer, Orig. Nass. 2, 214 f.; Gudenus, Cod. dipl. 2, 27 f.; Schliephake 1, 168 f.; Herquet, Urkb. d. Prämonstratenser-Klosters Arnstein. Wiesb. 1883. 15, Nr. 9. ^) Mit Recht hebt Rie zier 96 hervor: „Unverkennbar ist Ansberts schönfärbendes Bestreben, die Bewegung noch geistlicher und heiliger hinzustellen, als sie war." Die hierzu beigebrach- ten Belege sind selir lehrreich. ^) Hennes 1, UU; Schliephake 1, ;J.}S. *} Das Regest darüber siehe Ruh rieht, Regesta regni hierosolym. 197, Nr. 740, woselbst die übrige Litte- ratur, der wir nur noch Riezler 85 und Will, Regesten 2, 110, Nr. 3S0 zufügen. Im übrigen hätten Hennes und Schliephake schon durch die bei ihrem Gewährsraanne Voigt, Gesch. Preussens, 2, 04S sich findende Angabe irre werden können, dass ., viele, ja die meisten der in der Ordenschronik genannten Fürsten an der Kreuzfalirt im Jahre 1190 gar nicht teil- nahmen." Aber freilich Voigt selber war geblendet durch die Angabe vieler Chronisten vom Jahre 1190. •') Riezler 8(5. Wir haben jedoch später eine andere Erklärung hierüber vorzusdilagen. '') Wilken 4, 95.

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sodass mau 5000 Tote des Feindes zählte.') Aber hier kommt in Betracht, dass unsere Urkunde den Grafen nicht als gegenwärtig bezeichnet, und sein Name auch nicht unterschrieben ist. Dagegen stehen an erster Stelle nach dem Erzbischofe Philipp „Ulricus comes de Nurberch, Gerardus filius suus comes de Are." Diese aber sind zweifellos allernächste Verwante des Grafen Theo- derich, wenn man einer Angabe des Gelen ius trauen darf, nach der Erzbischof Arnold von Köln, der Vorgänger Philipps, aus wiedischem Geschlechte, einen „Lambertus de Nuerberch" zum Neffen hatte. 2) Man wird deshalb annehmen dürfen, dass sie als Vertreter des Abwesenden dessen Willen vollzogen haben.

5. Tod Ruprechts III.

Haben wir aber mit dieser Auseinandersetzung der Urkunde, die sie ver- anlasste, das Recht ihres Datums 1190 und ihrer beiden für uns in Betracht kommenden Zeugen, des Grafen Ruprecht II. und seines vorzeitig vom Kreuz- zug heimgekehrten Bruders Walram erstritten, so ist es nun an der Zeit, das- selbe Jahr als Todesjahr des Vetters beider, Ruprechts IIL, in ähnlicher Weise zu erstreiten und dies mit derselben alten Quelle, die unseren Vorgängern zum teil Raum für andere Zeitbestimmung zu gewähren schien. Diese Quelle aber ist einzig des arnsteiner Mönches schon berichtete Bemerkung bei Ruprecht dem Streitbaren: „qui in expeditione imperatoris Frederici peregrinus obiit in partibus transmarinis."=^) Die deutsche Übersetzung hat das mit den ebenfalls früher gemeldeten Worten wiedergegeben: „der da gedynet was dem Romschen Keyser, Keyser Frederich, vnd von godes wyllen starp vff dem mere." Auf den ersten Blick scheinen damit freilich zwei Quellen vorzuliegen, da nach dem lateinischen Texte Ruprecht auf dem Lande, nach dem deutschen auf dem Meere stirbt. Es ist deshalb nicht zu verwundern, dass Schliephake^) den letzteren als Stütze seiner Vermutung vom Ende Ruprechts ansehen zu dürfen glaubte. Wir sind aus diesem Grunde genötigt, von der vermeintlich zweiten Quelle zuerst zu reden und sofort dem letzten verdienten Forscher über das Verhältnis beider Texte, Widmann^), zu bestätigen, dass, wenn etwas den deutschen Text als eine hochgradig „schlechte Übersetzung" des lateinischen nachzuweisen vermag, dies unsere von Widmann nur zum kleineren Teil be- nutzte Stelle in schlagendster Weise thut, denn der von diesem Gelehrten allein angemerkte grobe Fehler „starb uff dem meere" wird erst recht zu einem solchen durch die bei weitem gröbere Verfehlung des Sinnes der vorangehenden latei- nischen Worte. „Der da gedynet was dem Romschen Keyser, dem Keyser Frederich", soll Übersetzung des lateinischen: „qui in expeditione imperatoris

') Riezler 44 f. -J De magnitudine Colon. 95 bei Fischer, Gesclilechtsreg. 69. Ehester im Vorwort zum 2. Bande des Mittelrh. Urkundenbuches thut dieser Verwantschnft zwar weder bei den Grafen von Are-Nurberg, noch bei denen von Wied LV u. LXIX f. Er- wähnung, aber schon die bei ihm angeführten Namen Udalrich und Theoderich lassen auf eine Verbindung schliessen und bestätigen so mittelbar die Annahme Fis'chers von einer Linie Wied-Neuerburg. -^ •') Kremer, Or. Nass. 2, 813; Widniann, Annal. IS, 247. ^) 1, 340. '') Nass. Chroniken im Mittelalter IG ff., Annal. IS, 244.

Annalen, Bd. XXVI. 8

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Frederici" sein. Der Übersetzer kenut also die Bedeutung von „expeditio" nicht, das seinem Schreiber, wie es fast scheint, selber aus Kenntnis der „Ys- toria de expeditione Frederici imperatoris" des sog. Ansbert geläufig war als Kriegszug, sondern nimmt das Wort in dem späteren mittelalterlichen Sinne von der Verpflichtung zum Kriegszug im Dienste eines Herren, hier also des Kaisers.^) Wenn er aber dann fortführt zu übersetzen: „vnd von godes willen starp vff dem mere", so will uns bedünken, dass ihn das Nichtverstehen der lateinischen Vorlage zu einem Meisterstücke gröblichster Gewaltthat an dieser verführt hat. Dürfen wir nämlich sein „von godes wyllen" nicht als den freilich ungewöhnlichen und sonst unbezeugteu Ersatz des herkömmlichen „vrabe gottes willen" verstehen, sodass eine Umschreibung von „peregrinus" als des Mannes, der um Gotteswillen die h. Stätten besucht, vorliege, während peregrinus in Wahrheit an dieser Stelle nur den Kreuzfahrer-) bedeutet, so hat der Über- setzer dieses Wort im späteren mittelalterlichen Sinne gefasst, wonach die pere- grinatio eine von der Kirche aufgelegte Strafleistung für begangene Verbrechen war.^) „Von gottes wyllen" ist dann von Gottes oder deutlicher von Rechts wegen und der Tod auf dem Meere der Ausdruck göttlichen Strafurteils, und in der That, diese Auffassung entspricht dem, dass er zuvor „viri bellicosi" mit „eyn streythaftig man" übersetzt hatte, denn das an der Stelle von strit- bare gesetzte mhd. strithaftik heisst ausser bellicosus auch conteutiosus, factiosus. Er verrät also, dass bellicosus ihm die ebenfalls mittelalterliche Bedeutung von rixosus, jurgiosus hatte.*) Dass er dann „in partibus transmarinis" mit dem geraden Gegenteile „vff dem mere" überträgt, finden wir bei einem Manne begreiflich, der ebenso sinnlos an späterer Stelle den Vater dos Kaisers Frid- rich I., den Herzog Fridrich von Schwaben, trotz der deutlichen Vorlage ohne weiteres zu diesem Kaiser selber macht.'^) Ein Miklerungsgrund könnte höchstens für ihn sein, dass er an der herkömmlichen Abkürzung träs für traus die etwa zu lang ausgefallene Überstreichung für eine Durchstreichung genommen, also bloss „marinis" gelesen hätte.

Ist damit die alte deutsche Übersetzung mindestens an dieser Stelle für immer als Quelle gerichtet, so scheint sich als solche der Urtext um so taug- licher zu erweisen. Der Ausdruck „in expeditione imperatoris Frederici", beim Worte genommen, lässt keinen Zweifel darüber, dass der Tod Ruprechts III. auf dem vom Kaiser selber noch geführten Zuge, also vor dem 10. Juli 1190, wo der Kaiser im Kalykadnos ertrank, erfolgt ist. Da nun Ruprecht am 28. Oktober 1189 mit seinen Genossen von Konstantinopel beim kaiserlichen Heere in Philippopel eintraf, so sind damit Anfangs- und Endpunkt seiner Todeszeit gegeben. Dass er nicht im Kampfe fiel, scheint das „obiit" besagen zu sollen, wie dies auch das Stillschweigen der gleichzeitigen Berichte bestätigen möchte.

') Du Cange-Henschel H, 159'=: Expeditio. Glossar, lat. gr.: Expedio, 3;o8o; ixSv]- |j.-rjTt7.-!^ oxf-ax'.üjTwv. Sed sequioribus saeculis haec vox usurpatur pro obligatione cundi in exercitum doraini. Daher der Ausdruck „expeditionaliter venire", Waitz, Deutsche Ver- fassungsgesch. 4, 4(;:{, Anm. 1. ^) Du Cange-Honschel ö, 201": Peregrinus, cruce sig- natuH. '■') Ebenda '), 2U(r: Poregrinatio indicta in poenam. *) Lex er 2, 124a, vgl. Du Cange-Henschel 1, 641^'. ^) Widmann, Annal. 18,258.

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Denn wäre der der Ehre der kaiserliclien Freundschaft und dazu der des Banner- trägers im vierten vom Kaiser selber geführten Zuge gewürdigte^) Graf Rup- recht im Kampfe gefallen, so würde uns wohl das Echo der Klage über seinen Tod ebenso aufbehalten sein, wie das über den Heldentod Fridrichs von Hausen, von dem die kölner Annalen berichten, es sei über diesen eine solche Trauer entstanden, dass Alle den Kampf aufgegeben und das Kriegsgeschrei in lautes Weinen verwandelt hätten.^) Er wird also wohl, wie so zahllose Andere, der Entkrüftung oder Seuche zum Opfer gefallen sein, sodass nicht einmal sein Todesort bekannt geworden ist. Die allgemeine Umschreibung „in partibus transmarinis" ist der Beweis dafür. Freilich würden dann diese , partes trans- marinae" im weiteren Sinne zu fassen sein, da der zu dieser Zeit gangbare der von „partes hiersolymitanae" oder gelobtem Lande war. Aber dass man auch zu dieser Zeit nicht allzu genau bei der Wahl der Worte verfuhr, sondern das Ziel der Fahrt mit dieser gleichbedeutend setzte, geht aus einem Verzeichnis der in dem ganzen Kreuzzuge gefallenen hervorragenden Helden hervor, das der zu diesem Zwecke abermals als bisher unbekannte Quelle von uns benutzte und nach Toeche's Urteil^) überhaupt „noch immer nicht völlig gewürdigte" hennegauische Chronist Gislebert bietet", und das zugleich das erste und einzige aussernassauische Zeugnis vom Tode Ruprechts darstellt. Dieser Mann, der zwischen 1155 und 1223 lebte^), sagt: „Da aber im jerusalemischen Gebiete sehr viele höheren und niederen Standes aus dem Leben geschieden sind, so muss von den mächtigeren Fürsten und anderen Edelen und strengen Rittern, die hier aus der Welt gegangen sind, und deren Namen uns bekannt sind, ge- nannt werden : Fridrich, der römische Kaiser, sein Sohn Fridrich, Herzog von Schwaben, des Kaisers Neffe, der Landgraf von Thüringen, Graf Robert von Nassau, Graf Heinrich von Dietz und Fridrich von Hausen, des Kaisers Freunde und Vertraute."'^) Von diesen 6 Deutschen, denen weiterhin die Franzosen angereiht werden, sind, wie wir wissen und Gislebert nicht unbekannt sein konnte, Kaiser Fridrich und der Ritter Fridrich von Hausen noch in Kleinasien gestorben, während Herzog Fridrich von Schwaben der Seuche vor 'Akkä am 20. Januar 1191 erlag, und der kranke Landgraf Ludwig von Thüringen am IG. Oktober 1190 auf der Heimkehr vom Tode vor Cypern ereilt worden war.

*) Anonym. Can. 507: Signifer electus est Rupertus comes de Nassowa, in bellicis rebus exercitatus et manu promptus. Vgl. Hennes 1, 88 f.; Röhricht, Beitr. z. Gesch. d. Kreuz- züge. 2, 142. *) Riezler 58, Anm. ^) Forschungen zur deutschen Gesch. 10, 704. *) Arndt in Mon. Germ. 21, 485, 488. ^) Mon. Germ. 21, 579: „Cum autem quamplures in partibus Iherosolymitanis tam maiores quam minores decesserint, de potentioribus principi- bus et aliis nobilibus et militibus strenuis dicendum est, qui ibi a sacculo migraverunt, quorum nobis nomina nota sunt: Fredericus Romanorum imperator, Fredericus filius cius, dux Suevo- runi, landgravius Duringhie, ipsius imperatoris nepos, Robertus comes de Nassoa et Henricus comes de Diecea et Fredericus de Husa, ipsius imperatoris familiäres et secretarii.'- Secrc- tarius ist hier nach Du Cange-Henschel G, 150": consiliorum arcanorum pardceps. Da Graf Heinrich der Jüngere von Dietz noch bis zum Jahre 1207 bezeugt ist, vgl. Vogel, Beschr. 207, so haben wir bei dieser Gelegenheit auch erwünschte Kunde von dem Ausgange des älteren Grafen Heinrich, von dem wir bis dahin als letztes nur wussten, dass er als Ge- santer vom Kaiser an Saludin am 2(!. Mai 1189 abgeschickt worden war, vgl. Riezler 20,

143 ; Schliephake 1, 313.

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Gleichwohl lüsst er sie Alle „in partibus Iherosolimitanis" umkommen, ein Zeichen, dass auch ihm diese „partes" einen weiteren Begriff hatten.

Nach dieser Darlegung sollten wir der Besprechung der seither gangbaren Meinungen über das Ende Ruprechts III. enthoben sein. Wenn wir gleich- wohl in eine solche eintreten, so geschieht es nur, um, was an uns ist, deren geschichtsverwirrendes Fortwuchern zu verhindern, da sie sich selbst in ausser- nassauische Oeschichtsdarstellungen neuester Zeit bedenklich weitergepflanzt haben. Es betrifft zunächst die schon von Hennes^) angezweifelte, aber von Schliephake^j wieder aufgenommene Yernmtung Kremers^), die sich auch V. Aruoldi^) augeeignet hat, dass Euprecht III. unter dem „comes Rupertus" gemeint sei, der in dem damals sogenannten „Chronicon urspergense"^) mit anderen auf der Seite des Königes Philipp von Frankreich bei der Belagerung von 'Akka gestanden habe. Diese Nachricht ist, wie die neuesten Herausgeber des nun sich „Burchardi et Cuonradi urspergensium chronicon" nennenden Werkes, Otto Abel und Ludw. Weiland, darthun^), der „Brevis historia occupationis et omissionis Terrae sanctae" entnommen '') und leidet an sich schon an der Unrichtigkeit, dass unter den Bundesgenossen des fi-anzösischen Kimigs auch der Landgraf Ludwig von Thüringen genannt wird. Dieser aber war bereits, wie wir oben sahen, am 16. Oktober 1190 gestorben, während der König erst am 13. April 1191 vor 'Akku eintraf.^) Ausserdem melden die „Annales Einsidlenses"^), dass die nach dem Tode ihres Führers, des Herzoges Fridrich von Schwaben, zurückbleibenden wenigen Deutschen sich unter dem Be- fehle des mächtigen Kourad von Montferrat, der auch an jener Stelle wie „marchio", so ,fautor" des Königs von Frankreich heisst, befanden, indes die kölner Annalen^") berichten, dass dieselben die ersten 4 Wochen unter einem gewissen

') 1, 111 f. -j 1, 339. 3) Orig. Nass. 1, 3fi9. - *) 1, '2fi. ^) S. 229. ") Mon. Germ. 23, 3.ö9. ') Die von Kremer nicht ganz mitgeteilte Stelle lautet nach Mon. Germ. 23, 360: „Cum rege Franciae isti fautores erant: dux Burgundiae, comes Clarimontis, marchio Cuonradus, cuius potentia magna erat in exercitu, Templarii, Januenses, lantgravius de Turin- gia, comes Rupertus et ßelvacensis episcopus. In parte regis Angliae fuerunt isti: comes Flandrianus, comes Campaniae, rex Wido, Ilospitalarii, Pisani et plures alii'". Wir wollen weniger Wert darauf legen, dass diese Gruppierung auch deswegen unrichtig erscheint, weil die Genuesen vor den Pisanern sich unter die Fahnen Richards gestellt hatten, s. Röhricht in Forsch, zur deutschen Gesch. 1(J, r)13. Gerügt aber darf es werden, dass die ganze ins Jahr 1191 gehörende Angelegenheit von Krem er wohl nur durch einen Schreib- oder Druck- fehler ins Jahr 1194 gesetzt wird, und v. Arnoldi dies achtlos nachschreibt. Im übrigen sind die von uns gerügten Verstösse der „Brevis historia" an der geschichtlichen Wahrheit von Riezler bei Beschreibung dieser Geschichtsquelle S. 107 übersehen worden. Er weiss nur von einem Versehen ihres Verfassers, dass er den Herzog tVidricli von Schwaben wenige Tage nach seiner Ankunft vor 'Akka sterben lässt. Ebenso ist von den Herausgebern des ursperger Zoitbuches übersehen worden, dass die inEccardi, Corpus historicura medii aevi 2, 1049 f. zuerst abgedruckte „Brevis historia" die Namen des Grafen Robert und des Bischofes von Beauvais nicht enthält. Ein Zweifel an der Echtheit der Namen ist damit allerdings nicht zu begründen, obgleich Eccard in der Vorrede sich darauf beruft, die „Brevis historia'' aus einem mainzer Hamlschriftenbande des angehenden 13. Jahrhunderts abgedruckt zu haben. Dem ursperger Ciironisten muss eben eine andere, wie ihre Herausgeber meinen, italienische Handschrift vorgelegen haben. ^) Röhricht in Forscii. z. deutschen Gesch. Iß, 511. '') Mon. Germ. 3, 149. >») Ann. col. max., Mon. Germ. 17,201; vgl. Riezler 86, Anm. 3.

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lloiarich und darauf (5 Wochen unter einem gewissen Gerhard gestanden hätten. Von einem so hervorragenden Führer wie Ruprecht dagegen verlautet nichts. Nun steht ausserdem der „comes Rupcrtus" zwischen (hjm Landgrafen von Thüringen und dem französischen Bischöfe von Beauvais, sodass mit einiger WahrscheinHchkcit angenommen werden darf, dass er nicht einmal ein Deutscher, sondern ein Franzose ist oder, worauf die Abwesenheit jeder näheren Bestimmung führen möchte, Italien angehöre, wie der Berichterstatter. Für unseren Grafen Ruprecht bleibt demnach keine Stelle in dem italienischen Verzeichnisse der „fautorcs" des französischen Königs.

6. Ruprecht II. und Walrjim. Ruprechts II. Tod.

Nun hatte ja bereits, wie bemerkt, Ilennes die Richtigkeit der soeben abgewiesenen Vermutung Kremers augezweifelt, aber mit einem Grunde, der uns die andere irrige Annahme über Ruprecht kennen lehrt. Ihre Berichtigung lässt uns gleichzeitig einen weiteren Schritt in der Geschichte seines Vetters Rup- recht II. thun. Ilennes ist nämlich der Ansicht, dass Ruprecht III. mit seinem Vetter Walram noch als Zeuge in der Urkunde vom 25. Juni 1191 erscheine, in der Erzbischof Konrad von Mainz auf Grund eines Rechtsspruches der Abtei S. Maxirain bei Trier das Patronatsrecht der Kirchen zu Weinheim, Albec und Gozolvesheim gegen die Brüder Gotfrid und Embricho von Kreuznach und Gotfrid und Heinrich Schelhevena bestätigt.^) Das ist denn auf Toeche übergegangen, wenn er mit Berufung auf Henne s' Quelle, Gudenus, bemerkt: „Am 25. JuH 1191 zeugen die Grafen Robert und Walram von Nassau, von der Kreuzfahrt heimgekehrt, zu Mainz beim Erzbischof Konrad." ^) Und Röhricht schreibt ihm mit dem gleichen falschen Monate nach: „Am 25. Juli 1191 zeugen beide R. und W. schon wieder in Mainz, "^j Bei der seither herrschenden Unsicherheit über das Ende Ruprechts III. und das Leben Walrams in unserer nassauischen Geschichtschreibung sind solche Irrtümer ja begreiflich, aber schmerzlich bleibt immerhin, dass unsere Unsicherheit diesen Wiederhall in der deutschen Geschichtschreibung finden musste, und dass unsere Stimme hier möglicherweise nicht laut genug sein wird, um diesen für immer zu übertönen. Und doch darf uns das nicht hindern, sie zu erheben und zu erklären: es ist nicht Ruprecht der Streitbare, sondern der regierende Graf Ruprecht IL, den wir mit seinem Bruder Walram hier zeugen sehen. Sah doch schon Schliep- hake die Richtigkeit dieser Thatsachc ein."^) Freilich ward ihm das nur da- durch möglich, dass er Walrams Schicksal von dem seines Vetters trennt und ersteren nach dem Tode des Herzogs Fridrich von Schwaben heimkehren Hess, während letzterer ihm nach dem Falle 'Akkä's starb. ^) Dass aber beide gräfliche Brüder zu dieser Zeit in Mainz als Zeugen auftreten, verdient um deswillen besonders bemerkt zu werden, weil es einen Blick in ihr politisches Verhalten

') Gudenus, Cod. dipl. 3, 1072 ff.; Mittclrh. Urkb. 2, 155 f.; Will, Regesten 2, 85, Nr. 24Ü. Ind. X steht irrig für IX. -) Kaiser Heinrich VI. KU, Anm. ;i. ») Beitr. zur Gesch. der Kreuzziige 2, :U(). ') 1, BGS. Auch Will a. a. O. nimmt keine Notiz von ihm, sondern nur von Hennes und Toeche, ^) 1, 338, 340.

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werfeu lässt, wie uns dünkt. Nur einer ihresgleichen ausser den Geistlichen und Ministerialen ist noch mit ihnen Zeuge und steht ihnen voran, der uns unbe- kannte „Fridericus comes de Witeliugersbach." Das ist nicht von ungefähr. Die meisten deutschen Fürsten waren den Fahnen Heinrichs VI. gefolgt. Aber es waren auch etliche zurückgeblieben. Ausser den Dreien linden wir noch den Grafen Fridrich von Leiningen daheim. Das bezeugen uns zwei Urkunden von 1191, die seineu Xameu in Angelegenheit der Anstellung eines Viceplebaues an der Kapelle zu Wenigen-Yilmar bieten.^) Seine Anhänglichkeit an den verstorbenen Landgrafen von Thüringen, mit dem er im Gegensatze zu Kaiser Fridrich I. den Kreuzzug unternommen, und dessen Erbe Heinrich VL sich anzueignen vergeblich versucht hatte, mochten ihn diesem Kaiser abgeneigt o-emacht habcu. Für die Nichtanteilualimc der nassauischen Grafen am ita- lienischen Feldzug fehlen uns alle Gründe ausser dem einen, der Walram damals vom Kreuzzug zurücktreten liess. Auch lässt die Anwesenheit am erzbischötiichen Hofe in Mainz nicht auf dessen Mitabneiguug gegen den neuen Kaiser schliessen. Denn Erzbischof Konrad war zu dieser Zeit, scheint es, noch ein getreuer Anhänger dieses Kaisers.-) Wenn wir gleichwohl an der Fürstenempörung gegen Heinrich VI. im Jahre 1192 auch die rheinischen Fürsten beteiligt sehen, so werden unsere Grafen nicht unbeteiligt zu denken sein, und schon das Jahr 1191 wird sie für weifische Einflüsterungen nicht unzugänglich gefunden haben, um so mehr als die allmähliche Entstehung der Verschwörung bis jetzt noch nicht aufgehellt ist.

In dieser Auffassung der Dinge bestärkt uns, abermals im Widerspruche mit unseren Vorgängern, ein Ereignis des Jahres 1192. Erzbischof Johann von Trier, der ehemalige Hofkanzler, hatte bei dem Kaiser und seiner Umgebung durch grosse Geschenke („magnis expensis"), wie die betreffende Quelle meldet^), fertig gebracht, dass ihm die ansehnliche Reichsabtei Echternach übergeben und an deren Stelle dem Kaiser das bisherige trierische Lehen, die Burg Nassau, ausgefolgt wurde. Nassau war damit ein Reichslehen geworden. Wenn Schliephake^) aber nun meint, dass dieser Wandel für Walram, den er zu dieser Zeit schon als allein regierenden Grafen annimmt, „willkommener" gewesen sein möge, als das seitherige Lehensverhältnis, so widerlegt ihn die Thatsache, dass gerade der vom echternacher Vogte, dem Grafen Heinrich von Luxemburg, aufgerufene Freund der nassauischen Grafen, Erzbischof Konrad von Mainz, es ist, der mit Hilfe der Geschenke des Grafen, wie mit derjenigen des Protouotars Sigillo und des ebenfalls den nassauischen Grafen von der konstantinopeler Gesaut- schaft her befreundeten Reichstruchsess Markwart den schmählichen Handel rückgängig macht, der dem habgierigen Trierer eine reiche Abtei und dem machter weiterungssüchtigen Kaiser die Grafen von Nassau als willkommene Beute überliefern sollte.^) Wahrlich, wäre der Schacher im Sinne Ruprechts

'j Mittelrli. Urkb. '_', l.j« f. -) Toeclic 2:i'.h ■'') Libellus de propugnata aduersus areliiepiscopum Treuircnscm libcrtate Eptcniacensis monasterii in Harten e et Durand, Collect, ampliss. 4, 4.j.^ 467, abgedruckt bei Kremer, Orig. Nass. 2, .'382 404, vgl. Browcr, Annal. trev. 2, 89 ff. ■*) 1, :349. '-') Die Regesten über die betreffenden Kaiserurkunden mit deren Quellen vom 17. Mai, nacli 9. Juni, vor 7. und vom 24. Aug. siehe bei Toechc,

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und Walrams gewesen, sie hätten Mittel und Wege genug gefunden, ihren Gönner in Mainz für den Tausch in Bewegung zu setzen, dessen Rückgängig- machung ihm keinerlei Gewinn abwarf. Er handelte also, indem er letztere botrieb, nur in ihrem Sinne, zumal er schon zu dieser Zeit im Bunde der aufrührerischen Fürsten sich befand, wie seine vom kaiserlichen Kaplane Gardulf aufgefangenen Briefschaften bewiesen.') Auch würden wir nicht in der kaiser- lichen Urkunde vom 24. August 1192 aus Weisenau bei Mainz, die das alte Rechtsverhältnis endgiltig wiederherstellt, die den Nassauern verwanten und befreundeten Männer, die Grafen von Dietz und Katzenelenbogen und den Bischof Hermann von Münster, als Zeugen iinden.") Überdies aber beweist die auffällige Abwesenheit Ruprechts IL und Walrams vom kaiserlichen Ilof- lager in dieser ganzen Zeit und bis zum Jahre 1195, dass sie mit dem ganzen Handel nichts zu thun hatten. Der unbefragte Gegenstand eines Tauschge- schäftes zu sein, das war wenig geeignet, die seitherige Unzufriedenheit mit dem kaiserlichen Rogimente abzuschwächen.

In dieser Zeit nun muss es auch gewesen sein, dass Ruprecht 11. aus dem Leben schied, da wir von 1195 an Walram als alleinregierenden finden. Wir dürfen demnach das Jahr 1197, in dem seine Gemahlin EHsabeth die schon oben besprochene Schenkung für sein Seelenheil macht, nicht für seine un- mittelbar vorangegangene Todeszeit bestimmend halten. Denn da die Schenkung von der Tochter angefochten wurde, so ergibt sie sich, zumal sie nach dem der Familie fremden Eberbach geschieht, als eine zufällige spätere, die ausser der in Arnstein zu vermutenden, offenbar von Eberbach selber zur Vergrösserung seiner „grangia" in Hadamar angeregt wurde. Erscheint es doch für mittelalter- liche Anschauung rein unmöglich, dass ein wirkliches Seelengedächtnis, gar noch von der Tochter, aufgehoben würde. Wir haben uns aus diesem Grunde fortan zunächst nur noch mit Walram zu beschäftigen.

7. Walrams AHeiiiregierung und Ende.

Von ihm berichtet zuvörderst die für die nassauische Geschichte wichtige Kaiserurkunde aus Worms vom 6. November 1195, dass er auf Befehl und mit Willen Kaiser Heinrichs VI. mit dem Bischöfe Heinrich von Worms die entstandene Irrung „de oppido Wileburg" gütlich beglichen habe. Walram er- kennt die grundherrlichen Rechte des Bischofes in Bezug auf „huberecht, buwe- teil, beste wahtmal"^) und die Bete („peticio") im oberen und unteren Amte

Kaiser Heinrich VI. 656 659. Bei seiner Darstellung der Sache S. 236 berührt er übrigens Nassau gar nicht. Ebenso begnügt sich Otto Rosbach, Die Reichspolitik der Trierischen Erzbischöfe vom Ausgang der Regierung Friedrichs I. bis zum p]nde des Interregnums. 2. Teil, im Programm des königl. Gymnasiums zu Trier 1889, 10 ii'., auf die uns Herr Professor Otto aufmerksam zu machen die Güte hatte, mit der blossen Nennung der .,lJurg Nassau".

^) Toeche 239, 555 f. ^) Bertholet, Histoire de Luxembourg IV, preuve 37, vgl. Hennes 1, 117; Schliephake 1, 351; Will, Regesten 2, 88, Nr. 268, der Schliephake nicht nennt, nur Hcnncs. ^) Huberecht („heuberecht" bei Schliephake 1, 467 ist Schreib- oder Lesefehler) oder huobe-reht bezeichnete die Abgabe von der Hube, Grimm, Weisthüm. 1, 685, 716; 2, 32; 5, 424 bei Lex er (1, 139U); buweteil oder büteil, .,ein Teil des von einem

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(„in iiifcriuri et in superiuri ort'icio") ;in. Die Straten („lucra iiidicioruin"') im ganzen Bezirke („in toto pagu illo, qui spectat ad Wileburg"), rühren sie nun von Geldbussen („de conipositionibus, quod wlgo wette vocatur"^) oder von Gerichtsstrafo her („de Judicio (juod gedingeze dicitur"^), werden zwischen Bischöfe und Grafen gleichlieitlich verteilt. Wird die Stadt über den Berg liinaus gebaut, so soll alle Einnahme aus Zoll oder Münze oder Strafe („luero") ebenso geteilt werden, docli sull des Grafen Hälfte bischöfliches Lehen sein. Der Graf darf wohl ein Haus, aber kein Burghnus daselbst errichten. Die vom Grafen als Vogtleute beansprucliteu Bewohner sollen, wenn der Bischof sie als seine Ministerialen ausweisen kann, vom Vogtrecht befreit sein. Dem Bischöfe verbleibt das Recht der „cupelweide" (Koppelweide). Der Graf gibt dem Bischöfe Entschädigung für alles ihm zugefügte Unreclit. Auf dem Berge tindet weder vom Bischöfe noch Grafen gewaltthätige Einlagerung statt. Ein- mal im Jahre nur haben die Einwohner die Verpflichtung, den Bischof zu herbergen und seine Auslagen nach Möglichkeit dabei zu erstatten. Zur Siche- rung des Vertrages wird der Graf zehn die Urkunde führt aber 11 auf von seinen Leuten („homines") und Ministerialen, die mit Namen genannt werden, bestimmen, die dem Bischöfe eidlich versprechen, dass sie. wenn der Graf seinen Vertrag brechen sollte, nach 14 Tagen auf Aufforderung des Bischofes sich nach Worms begeben und die Stadt ohne bischöfliche Erlaubnis nicht wieder ver- lassen. Dasselbe thut der Bischof mit 10 ebenso namhaft gemachten seiner Leute, die sich dann nach Nassau begeben und dies ohne gräfliche Erlaubnis nicht wieder verlassen.*)

Aus dieser Urkunde geht vor allem hervor, dass die Ansprüche Walrams auf Weilburg lediglich vogteiliche waren, wie diejenige des Bischofes von Worms grundherrliche. Wie Worms zu dieser ansehnlichen Gruudherrlichkeit gelangt ist, wissen wir genau. Königliche Schenkungen vom Jahre 993 bis 1062 haben

Erblelienmanne hinterlassenen fahrenden Gutes, welchen sich der Herr nehmen durfte", Lexer 1, 401; beste watmal, da watmal grobes Wollenzeug bedeutet, das beste Gewand davon, Lexer 3, 705; Schröder, Lehrb. 4iJ9. Hennes 1, il9 ist hiernach zu berichtigen.

^) Du Cange-Henschel 4, 155^': Lucrum, mulcta judiciaria ; ;5, 918'^^: Judicium, di- strictus judicis. ^) Hennes' 1, 121 und Schliephaice's 1, 3.58 Übersetzung: „Vergleiche" ist falsch. Denn: .,Compositio mulcta sonti imposita ad luendum crimen damnumve resarcien- dum", Du Cange-Henschel 2, r)ü2", was einer der Bedeutungen von „wette" entspricht, vgl. Lexer 3, 808, die in diesem Falle auch „gewettc" heisst, vgl. Schröder, Lehrb. 54, Anm. 30, 85, Anm. 33. Die Höhe dieser Busse siehe ebenda S. 342, Anm. ()8. Eine Urkunde von 1268 nennt „aliquas emendas ratione forefacti, que dicuntur "Wette". Gudenus, Sjiloge 255. ^) Auch hier verfehlt mit Hennes Schliephake's .,aus der Abhaltung der Gerichte" den Sinn. .,Judiciuni, poena per Judicium statuta"; Du Cange-Henschel 3, yiO*^. „Gedingeze" oder „gedingede'- findet bei Lexer 1, 771 ff. die wonig genügende Erklärung: ,, Versprechen einer Zahlung, die Schuld oder Zahlung selbst." Deutliclicr ist: Piaculuin, bedinge, Diefen- bach, Glossar, latino-german. Frankf. 1857. 432*= in Grimm, D. Wbch. 3, 2029 aus dem l.">. Jahrhundert, wo „beding" für „geding" geschrieben zu werden beginnt. Eine Urkunde von 1327 nennt „aliquas exactiones, quao vulgariter dicuntur gedinge." Würdtwein, Nov. sub«. 3, 183. *) Schannat, Hist. episc. AVorm. Urkb. S8; Kremer, Orig. Nass. 2, 207 ff. ; Schliephake 1, 4(17 ff.; Hcinr. Boos, Urkb. der Stadt Worms. Berlin 1886. 1, 79, Nr. 96, der Schliephake aufzuführen vergessen hat.

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bekanntlich den grossen Besitz nach nnd nach in seine Hände geliefert.') Em anderes ist es mit der nassauischen Vogtei Weilbnrg. Nachdem die alte llerleitung der nassauischen Grafen aus salisch-fränkischem Stamme sich als hinfällig erwiesen hat, hielt sich Vogel^) berechtigt, durch die Gemahlin Walrams, Kuniguudis, so wenig auch ihre Abkunft bekannt ist, eine Erbverbindiing mit dem Grafen Werner, der zu Anfang des 11. Jahrhunders im Besitze Wcilburg's vorkommt, zu mutmassen, die Schliephake^) bei allem Vorbehalte so wenig zur Aufklärung der Sache ungeeignet erschien, dass er sie in ihrem vollen Umfange vorführt. Indes, wie sehr man bei diesem Anlasse die genealogische Findigkeit Vogel 's schätzen lernt, auch hier ist die Kühnheit seiner Vermutungs- o-abe ffrösser als deren Glück. Wir haben eben einfach kein Recht, Kunigundis zu einer Tochter des Grafen Poppo von Holinden zu machen und sie einer Seiten- linie des kinderlos verstorbenen Werner'schen Geschlechtes zuzuteilen, da uns über beides jede geschichtliche Nachricht fehlt. Es bleibt uns deshalb nur die Auskunft, dass die Vogtei Weilburg auf dieselbe Weise an Nassau gekommen sein muss, wie das mit Coblenz geschehen ist. Die dem nassauischen Hause zustehende Vogtei über dieses Gebiet war, wie wir oben sahen, ein pfalzgräf- liches Lehen. Wie nun Pfalzgraf Konrad als trierischer Obervogt der Vergeber dieses Lehens war, so wird es keinem Zweifel unterliegen, dass er in der Eigen- schaft auch als Obervogt der wormser Kirche der Verleiher der weilburger Vogtei gewesen sein muss. Als solchen lernen wir ihn nämlich zufällig in einer Urkunde des Bischofes Konrad von Worms vom Jahre 1174 kennen, nachdem wir noch 1159 beim Vertrag über Nassau den Grafen Simon von Saarbrücken in dieser Würde haben walten sehen.^) Graf Simon aber war von der Mutter des Pfalzgrafen, seiner Schwester, her dessen Oheim, die worm- sische Vogtei demnach saarbrückisches Erbe, freilich, wie es scheint, erst mit Gewalt dem Grafen Simon entrissen, als Kaiser Fridrich L 1168 seinem Halb- bruder, dem Pfalzgrafen, zuliebe die Burg Saarbrücken mit drei anderen saar- brückischen Burgen brechen liess.^) Daraus geht dann hervor, dass die Be- lehnung Nassau's mit der Vogtei Weilburg erst nach dem Jahre 1168 statt- gefunden haben kann, was auch unserer Urkunde entspricht, da diese, wie bereits Vogel und Schliephake richtig hervorgehoben haben, die Zustände unter den früheren wormser Bischöfen dem gegenwärtigen entgegenstellt und damit das alte Recht gegenüber den versuchten Kechtseingrili'en der jüngeren Zeit begründet.

Ob diese Rechtseiugriffe, die uns die Urkunde vermuten lässt, von nassau- ischer Seite im Vertrauen auf den pfalzgräfiichen Lehensherrn versucht worden waren und etwas von der weifischen Neigung des Grafen verraten, die durch die im Jahre zuvor vollzogene Heirat der einzigen Tochter des Pfalzgrafen mit dem jungen Weifen Heinrich begünstigt schienen ? Jedenfalls lässt die Urkunde, die gerade zwei Tage vor dem Tode des Pfalzgrafeu in Heidelberg oder auf

1) Schliephake 1, B55 ff. -) Bcschr. ;K)3 f. ') 1, ;3t)l. *) Kremer, Gcneal. Gesch. d. alten ardenn. Hauses i:?S; Tolner, Ilistor. Palat. MI, IHM). ") üodcchin zum Jahre 1168 bei Krem er a. a. 0.

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Stallleck') vollzogen wordeu war, nicht bloss durch ihren Inhalt sondern auch durch die Bezeichnung des Bischofes mit „dilectus noster Hoinricus worma- tiensis episcopus", während ,Comes Waleramus de Nassauwe" uubefreundet nachfolgt, eine Spitze gegen den letzteren erkennen. Bischof „Heinricus" stand eben in besonderer Gunst des Kaisers. Nicht nur, dass er von letzterem zum kaiserlichen protonotarius erlesen worden war, so verdankte er dem Kaiser auch seinen Bischofsstuhl seit dem 23. Februar 11 92-), war dessen Vertrauter, ward als Gesauter in Italien verwendet und zum „vicarius imperialis curiae" ernannt.') Kein Wunder, dass in dem Vertrage die Rechte des Bischofes aufs Peinlichste gewahrt erscheinen und Walram sogar verpflichtet wird, in einem Stücke wenigstens zum Lehensmanne des Bischofes zu werden. Dennoch ist das Ganze mit so kluger Mässigung abgefasst, dass man das Bestreben des Kaisers herausfühlt, es trotz alledem mit Walram nicht zu verderben. Hatte der Kaiser doch auch diesen nötig für die Durchführung des gewaltigen Planes, mit dem er sich zu der Zeit trug, das deutsche Wahlreich in ein Erbreich zu verwandeln und sein normannisches Erbe mit diesem zu vereinigen.

Nicht vergessen sei endlich, dass unsere Urkunde, wie sie Walram als regierenden Grafen behandelt, also mittelbar den Tod seines älteren Bruders Ruprecht IL bescheinigt, dies auch mit der Bestimmung thut, dass Nassau, und nicht sein früherer Wohnsitz Laureuburg, der Ort der etwaigen Einlagerung der wormser Geiseln sein soll. Dorthin weist uns aber auch einer der von dem Grafen zu stellenden Geiseln: Egenolfus Longus.^) Denn diesen lernen wir in den „Traditiones Eberbacenses" als Gutsbesitzer in Hadamar unter der Bezeichnung „Dominus Egenolfus de Nassouwe" im Jahre 1225 kennen.^) Doch könnte er auch jener Egenolfus sein, der neben Egenolfus Longus als Bruder des ,Heinricus" und Sohn der „Sophia" in der schon oben angeführten Urkunde der Gräfin Kuniguudis von 1198 vorkommt und, wie das arnsteiner Necrologium ergibt, ein Herr von Stein war.^ Dann \väre wenigstens der auch unter den Geiseln genannte Heinricus als Burgmann von Nassau bestimmt. Eben dorthin würd auch der weiter genannte „Heinricus filius Rifridi" zu rechnen sein^), da Rifridus unter den Ministerialen erscheint, die als Zeugen in dem berühmten Vertrage über Nassau von 1159 aufgeführt werden. Nicht weniger mag „Roricus" ein Sohn des Zeugen „Roricus de Milene" der letztereu Urkunde sein, sodass schon hierdurch allein Walram als regierender Graf nach der früher erwähnten Bestimmung bezeichnet wäre.^) Sehen wir aber genauer zu, so erweisen sich alle zehn als Burgmänner von Nassau. Denn bei den Geiseln des Bischofes vermögen wir urkundlich festzustellen, dass bis auf zwei Unbc- stinmibare, die anderen in Worms ansässig waren. ^) Auch weisen „Rupertus

'J Tolner 329. ^) Riezler 21S; Will, Regesten 2, 87, Nr. 258. ') Riezler 23h, 320, 431. *) Ebenso genannt im arnsteiner Xecrologiuni, Annal. IH, 14. '') Roth, Geschichtsquellen aus Nassau. 3, 353. ") Annal. 16, 14. '') Das arnsteiner Necrologium, Annal. If,, 14, Ijestätigt das mit dem Eintrage : „Rifridus et uxor eins et [!J Osterlindis et filius eorum Ilcnricus." *") Auch das erfährt seine Bestätigung durch dieselbe Quelle S. 15. ") Boos, Urkb. der Stadt "Worms, thut uns dabei die wesentlichsten Dienste: Syfridus ist nach seiner Witwe zu schliessen ,,burgensis'" von AVorms 1, SO, 3U. Erlewinus steht mitten

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marcschalcus" und „Syfridus pincerna"') auf die nächste Umgobung dos Grafen Walram, und JJythcricus de Stapliolo" wird drei Jahre danach „dapifcr" der Gräfin Kunigundis und Solin des Ansolmus genannt^), sodass wir gleichzeitig auch einen Blick in den gräflichen Hofhalt gewinnen^), wie nicht minder Glieder des niederen nassauischen Adels von damals kennen lernen."^)

Eine zweite Kaiscrurkundc, kaum mehr als drei Wochen später als die soeben besprochene, ausgestellt zu Kaiserslautern am 28. November llOS"^), zeigt, dass die Entscheidung der letzteren den Wünschen Walrams entsprochen haben muss. Denn wir sehen in ihr „Walrabanus") comes de Nassauweu" nach des Kaisers Bruder, dem Herzoge Konrad von Schwaben, und dem Herzoge Heinrich von Brabant (dux Louanensis) mit dem nach ihm erst folgenden Truchsesse Markwart, dem ehemaligen Genossen in Konstantinopel, und anderen Hofbediensteten die kaiserliche Bestätigung aller Besitzungen und Rechte des Klosters Otterberg in der Pfalz bezeugen. Graf Walram befindet sich demnach am kaiserlichen Hoflager und hat dasselbe vielleicht seit Worms nicht verlassen. Es ist deshalb begreiflich, dass er auch auf dem Reichstage in Worms nicht fehlt, den der Kaiser zur endgiltigen Beschlussfassung über einen neuen Kreuzzug dort abhielt. Er wird, was bisher noch unbekannt war^}, ausdrückUch unter den daselbst versammelten Reichsfürsten genannt^), während seiner nicht gedacht ist bei dem zum gleichen Zwecke veranstaltet gewesenen Reichstage in Gelur hausen Ende Oktober. Von der Teilnahme au dem neuen Kreuzzuge, zunächst von der zu ihm verpflichtenden Anheftung des Kreuzes, hielt ihn vermutlich sein Alter ab. Das letzte Zusammensein mit dem Kaiser findet ein halbes Jahr später in demselben Worms am 10. Juni 1196 statt. Es handelt sich hier um die Bestätigung einer Urkunde vom 4. April 1190^), worin dem Bischöfe Konrad von Worms die Yogtei über Dirmstein überlassen war, und dieser dem Colle-

unter den Zeugen „de Wormatia", 82, 31. Gernodus ist „tarn de consilio, quam de univer- sitate civitatis" (Wormatiae) 102, 3H, Conradus Rufus 80, 38, Otto 9:5, 4, Godefridus de Stocheim 102, 21, Bertliolfus de Dirmstein 76, 23, Adellierus de Wormatia erweist sich von selber als Worraser. So ist kein Zweifel, dass auch Welfridus, der in unserer Urkunde allein vorkommt, und Cunradus, der sehr oft erscheint, aber nirgends mit Deutlichkeit als Wormser auftritt, Wormser gewesen sein müssen.

') Wird mit Unrecht von Hennes 1, Ul und Schliephake 1, 372 zu einem Herrn von Stein gemacht. Das Necrologium von Arnstein behandelt ihn unabhängig von dieser Familie, Annal. 16, 14. ^l Urk. v. 119S bei Schliephake J, 469; Arnst. Nccrol. Anna!. 16, 14. 3) Vgl. Hennes 1, 140. ■*) Crafto de Bilstein wird von Arnoldi, Misccll. 208 und Vogel, Beschr. 727 nicht aufgeführt, obgleich beide unsere Urkunde kennen, wäh- rend beide Dagemar von Merenberg und Dythericus de Staphele von hier aus nennen. Irrig macht Arnoldi 429 letzteren zum „dapifer Comitiss. Cunegundis de Dietse" trotz der dabei angeführten Urkunden von 1195 und 1198. Es soll auch nicht vergessen sein, dass 9 von den Genannten als Wohlthäter des arnsteiner Klosters unmittelbar hinter den Mitgliedern des gräflichen Hauses verzeichnet sind, also auch hierdurch ihre Zugehörigkeit zu Nassau be- weisen, vgl. Annal. 16, 14 f. *) Frey u. Remling, Urkb. d. Klosters Otterberg. Urk. 4; Hennes 1, 223 f.; Boos, Urkb. der Stadt Worms 79, Xr. 96; Toeche 678. Die Ind. XHH nmss in XHI verbessert werden. Zur Urkunde vgl. Schlieph. 1, 363 f. '') Über diese Namensform s. Anm. 7, S. 125. ') Vgl. Hennes 1, 125; Schlieph. 1, 364, wo seine An- wesenheit nur vermutet wird. '') Annal. Heinhardsbronn. 238"' bei Ton che :!90. ^) Statt Ind. IUI muss es XIV heisson.

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gialstifte S. Martin in "Worms eine jährliche Präbeudc von K? Pfund dafür ent- richten sollte, dass letzteres den Zoll in Boppard wieder überlassen hatte. Dabei wird der Zwist zwischen dem Stifte nnd den Rittern Konrad und Dietrich von Waldeck geschlichtet.^) Unter den Zeugen der l^rkundc befindet sich, wieder an bevorzugter Stelle nach den Geistlichen und den beiden Brüdern des Kaisers, Walram von Nassau.

Dass es diesem mit seiner Annäherung an den Kaiser ernst war, geht auch aus seiner nahen Verbindung mit dem Erzbischofe Konrad von Mainz in diesem Jahre hervor, die durch nicht weniger als 4 Urkunden belegt ist. Denn wie der Erzbischof vier Jahre zuvor die Seele der Fürstenempörung gewesen war, so lag ihm nun daran, zu dem Kaiser zu halten, damit der Kreuzzug zu stände käme, den er anführen sollte. Man hat dies freilich auf Grund eines Berichtes des „Chrouicon halberstadense" bestreiten wollen, der die zweite, aus Anlass des kaiserlichen Bestrebens, das deutsche Wahlreich in ein Erbreich zu verwandeln, entstandene Schilderhebung der Fürsten mit dem mainzer Erzbischofe in Ver- bindung bringt. Toeche aber hat unseres Erachtens die Verworrenheit und darum Unechtheit dieses Berichtes so schlagend nachgewiesen, dass ein aber- maliges Zurückgreifen auf denselben seitens Will's unbegreiflich erscheint, zumal eine Widerlegung Toeche' s von ihm nicht einmal versucht worden ist.^) Die Thatsache kann für uns um so ausgemachter gelten, als die erste Urkunde des Erzbischofes, in der Graf Walram nach einer Reihe von Geistlichen neben dem Grafen Poppo von Wertheim und anderen Edelen die Gestattung der freien Propstwahl für das Nonnenkloster S. Petri zu Kreuznach bezeugen hilft, am 18. November 1196, also zu der Zeit ausgestellt ist, in deren nächster Nähe die frankfurter Fürstenversammlung stattfand, in welcher „mediantibus Cun- rado Maguntino archiepiscopo et duce Suevie Philippe'' der dreijährige Sohn Heinrichs VI. zum deutschen König gewählt wurde. ^) Die drei übrigen Ur- kunden aber folgen dieser, wenigstens nach der Anordnung Will's, der wir uns anschliessen. In der zweiten verleiht der Erzbischof dem von ihm besonders geliebten Kloster Elvenstat (Ilbenstat) die Pfarrkirche in Sothle (Södel)*); und hier ist nach den Priestern „Walrarmus comes de Nassowc" der erste

') Schannat, Hist. episc. Worm. Urkb. i)(), Nr. 37; Toeche 681; Boos, Urkb. 1, H'6, Nr. 99; Hennes 1, 126 f.; Schliephake 1, 364. Die Bemerkung des letzteren, dass ,,die Verhandlungen über die Sache mehrere Jahre früher unter Bischof Konrad stattgefunden ]iaben, vielleirht auf dem im Anfange des Jahres 1H)2 zu "Worms gehaltenen Reiclistage", er- ledigt sich durch den im Texte genannten 4. April 1190. Die Urlvunde dieses Datums sielie Monum. boic. XXXI, I, 439 bei Toeche 645, Nr. 74. -) Toeche 415, Anm. 1, 555 f.; Will, Regesten 2, 1U3, Nr. 352. =*) Mittelrh. Urkb.. 2, 2UÜ ; Würdtwein, Monast. palat. 5, 312: Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 213, Nr. 778; Hennes 1, 131; Schliephake 1, 370; Will, Regesten 2, 10.3, Nr. 350, 353; Toeclie 441, Anm., 444. "Will hat bei dieser Urkunde vom 18. November 1196 nur das Jahr XXXIII des Exils des Erzbiscliol'cs beanstandet, das in der That das Jahr XXXI sein musste, aber er hat die falsche Ind. XV übersehen; während diese nun in den drei folgenden Urkunden richtig als XIV sich darstellt, wiederliolt sich bei den zwei nächsten die Angabe des falschen Exilsjahres, das erst in der letzten richtig ge- setzt wird. ') Gudenus, Cod. dipl. 1, 331; Würdtwein, Notitia liist. dipl. de abbatia llbcnstadr. Mog. IIW. 61 f.; Will, llegcstcn 2, 104, Nr. 357.

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weltliche Zeuge, dem uoch fünf weitere folgen. Dasselbe ist der Fall in der dritten Urkunde, in der der Erzbischof bezeugt, dass der Freie Arnold den Brüdern der h. Maria zu Otterberg 12 Mausen in Gudinbach und Jleinwilre zu deren Unterhalte geschenkt habe^); wie bei der vierten, in der eben derselbe die Abtrennung der Kirche in Gosbach (Josbach) von der seit den Zeiten Kaiser Ottos des Jüngeren dem Stephansstifte in Mainz gehörigen Kirche in Burno (Schlossborn) und deren Selbständigkeit als Pfarrkirche bekundet. 2) Da der Erzbischof gegen Ende des Jahres oder doch im Anfange des nächsten sich auf den Kreuzzug begab^), so darf der Aufenthalt des Grafen Walram am erzbischöflichen Hofe als Abschiedsbesuch aufgefasst werden, um so mehr, als der Erzbischof schon bejahrt und dazu körperlich geschwächt war.^)

Denselben Zweck scheint die um dieselbe Zeit bezeugte Anwesenheit Walrams am pfalzgräfliclien Hofe in Heidelberg (?) gehabt zu haben, da Pfalz- graf Heinrich noch am 27. Mai 1197 sich in der Heimat befunden hat. Denn dass derselbe den Kreuzzug mitgemacht habe, ist ausser Zweifel.^) Dieser bestätigt nämlich im Beisein der Grafen Walram von Nassau, Simon von Saar- brücken, Heinrich von Zweibrücken, Poppe von Laufen und anderen dem Cisterzienserkloster Schönau bei Heidelberg den Besitz des Landgutes Opphove nebst den dabei gelegenen Rheininseln. ^) Da der Pfalzgraf von seinem Schwieger- vater Konrad her, wie wir wissen, Lehensherr Walrams war, so erscheint ein Abschiedsbesuch auch bei ihm natürlich. Dass dabei auch ein Gedankenaus- tausch über deutsche Reichsangelegenheiten mit dem mächtigen Weifen statt- gefunden haben werde, wird bei der früheren Parteinahme Walrams für die Weifen nicht ausgeschlossen erachtet werden dürfen. Was konnte dem mittel- alterlichen Fürsten über die Interessen seines Hauses gehen? Jedenfalls war es die letzte Begegnung, wie Walram damals auch den Erzbischof Konrad zum letztenmal gesehen hat.

Denn nur noch einmal begegnet uns fortan der Graf. Am 20. Januar 1197 bezeugt er zu Coblenz nach den Priestern als „Walrabo'^) comes de Nassowen" mit Graf Embecho von Leiningen, den Grafen Heinrich und Eberhard von Seine, Reinbold und Bruno von Lsenburg, Werner von Bolanden und anderen die Be- stätigung der Güter der Abtei Arnstein durch den Erzbischof Johann von Trier.*')

') Abschrift bei Kindlinger 137, 56 in ßöhmer's Ms. 5; Will, Regest. 2, 105, Nr. 3G0; Icnnes 1, 131; Schlieph. 1, 370. -) Joannis, Rer. mog. 2, 525 f.; Würdtwein, )ioec. mog. 2, 84; Hennes 1, 130; Schliepli. 1, 3G5 fF. ; Will, Regesten 2, 105, Nr. 361. kVarum Will bei diesen beiden letzten Urkunden das Jahr 1196 mit einem Fragczeiclien ver- ieht, ist nicht klar, da die Datumsangabe in beiden keinen Zweifel gestattet. ^1 Röhricht, Jeitr. zur Gesch. d. Kreuzzüge 2, 355; Will, Regesten 2, 107, Nr. 367. *) Abt Gerbert on Gembloux erinnert in dieser Zeit den Erzbischof brieflich an seine „etas et imbecillitas orporis'', vgl. Will, Regesten 2, 106, Nr. 363. ^) Röhricht, Beitr. 2, 358. ^) Schan- lat, Hist. episc. Worm. Urkb. 155; Hennes 1, 132; Schlieph. 1, 370. ^) Zum Über- lusse sei daran erinnert, dass die ursprüngliche Form des Namens Walahraban ist. AVie aber iraban (Rabe) auch als hrani und rara vorkommt, so ebenfalls als rabo und rabe, vgl. Graff , 1146 f. Daher die Formen Walram und Walrabo, Walrab, Walrav, die Fürstemann , 1233 nicht kennt. '*) Herquet, Urkb. d. Priimonstrat. Klosters Arnstein 12, N. ?^. ; ilittelrh. Urkb. 2, 205 (hat Walrauo) ; Gudenus, Cod. dipl. 2, 24; Krem er, Orig. Nass. 2.

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Die erste Stelle hierbei macht es zweifellos, dass er als Vogt des Klosters Zeuge ist. Damit wird aber zum erstenmal die arnsteinische Vogtei als nassauisch beglaubigt, in welcher Eigenschaft sie bis zum Jahre 1542 verblieb. Offenbar hatte das Kloster erkannt, dass die freie Yogtwahl, die ihm 1142 von Papst Innocenz n. und 1145 von König Konrad HI. zugestanden war, am besten von ihm geübt sei, wenn es den mächtigen Nachbaren in Nassau zu seinem Schirm- herrn erkiese.^) Aus diesem Grunde sehen wir wohl schon beim Begräbnisse des Grafen Ludwig von Arnstein im Oktober 1185 die Grafen von Nassau an der Spitze der Leidtragenden und Leichenträger. 2) Demselben Umstände ver- dankt man sicher, wie schon früher angedeutet wurde, ein paar Jahrzehnte später die bevorzugte Berücksichtigung des Hauses Nassau vor den übrigen arnsteiner Yerwanten in der Lebensbeschreibung des Grafen Ludwig, wenngleich dieselbe meiir von der Pflicht, als von der Neigung für das Yogthaus eingegeben scheint, denn Arnstein hat zu dieser Zeit Klage beim Papste geführt gegen seine Dränger, und Gregor IX. die Erzbischöfe von Mainz und Trier zum Schutze gegen diese in der Bulle vom 13. Mai 1229 aufgerufen.^)

Wann aber ist Graf Walrara gestorben? Die schon oben von uns voraus- genommene Urkunde vom Jahre 1198 bezeugt die Bestellung seines Seelenge- dächtnisses in Arnstein durch seine Witwe Kunigundis.^) Da nun das arnsteiner Totenbuch dies Gedächtnis auf den 1. Februar zu setzen scheint^), so wäre ja wohl seine Todeszeit, wie dies gewöhnlich geschieht^), auf den 1, Februar 1198 festzustellen. Bedenken wir jedoch, dass nach dem Yerzeichnisse der Haupt- wohlthäter des arnsteiner Kirchenbuches Walram schon selber für sein Seelen- gedächtnis Yorsorge getragen haben muss^), so erscheint die Stiftung Kunigunde's als eine bloss nachhelfende spätere, die darum das Todesjahr Walrams nicht bestimmen kann. Suchen wir aber im Totenbuch nach einer solchen Spende des letzteren, so bietet sich die bisher nur künstlich gedeutete des 5. Juli dar : „Heinrici comitis de Nassauwe et Walrami comitis fratris eiusdera, qui contulit nobis totam decimam de foreste apud Esten sitam."^) Nach Beck er 's Deutung, die sich derjenigen von Hennes^) und Schliephake^") anschliesst, sollen Heinrich und Walram die Söhne Heinrichs des Reichen, also Enkel unseres Walram L sein. Aber das Gedächtnis dieses Heinrich Becker's ist bereits auf den 28. Mai des Totenbuches gesetzt und mit den bezeichnenden Worten : „Henrici Sco- laris, fiUi Henrici comitis de Nassauwe".^') Wie sollte hier der dort bloss als „Scolaris" aufgeführte als „comes" und noch dazu dem regierenden, also älteren

210; Goerz, Mittelrh. Regest. 2, 21«, Nr. 790; Heimes 1, 134 f.; Schliephake 1, 370; Toeche 442, Anm.

') V. Arnoldi, Gesch. d. Oran.-Nass. Lande :!, 1, 212 ff.; Vogel, Beschr. üG7. Die Ur- kunden mit weiterer Litteraturangabe siehe bei Herquct, Urkb. 1 5. Vgl. oben Anm. 1, H. 74. 2) Vita Ludovici, Widmann, Annal. 18, 205. ") Herquet, Urkb. 19, Nr. 16. *) S. oben Anm. 1, S. 112. ^) Becker, Annal. Ifi, IG, 57. •"') Hennes 1, IHb; Vogel, Beschr. 3üG; Schliephake 1, :570 f. 0 Die Überschrift, Annal. IG, i:{, sagt deutlich: .,IIii sunt, qui nobis pro remedio animarum suaruni suas largiti sunt eleomosinaa " «) Annal. IG, 134. ») 1, 13G f. - '") 1, 4S0. ") Annal. 16, 116.

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Bruder voranstellen können, der ausserdem die Schenkung allein gemacht hätte („qui . . . contulit"). Es bleibt demnach keine andere Wahl, als ein Versehen des Abschreibers^) des Eintrages anzunehmen und an die Stelle von „fratris" patris zu setzen. ])ann fällt der Todestag von Vater und Sohn auf denselben 5. Juli, und der Sohn steht nur voran, weil der Eintrag erst nach dessen Tode gemacht, und der des Vaters nach einer älteren Aufzeichnung hinzugefügt wurde. Es begreift sich dann aber auch erst ganz die Schenkung Kunigunde's „de novalibus in Estenvorst". Graf Walram hatte bei seinen Lebzeiten den Zehnten dieses Waldes dem Kloster vermacht. Es waren aber, ebenfalls offenbar zu seinen Lebzeiten, Rodungen in demselben vorgenommen worden, die, da der Zehnte bloss vom Forste lautete, die Gabe an das Kloster minderten. War nun die Schenkung wohl im Hinblick auf die in ihrer Vollendung unterbrochene Kreuzfahrt so reich ausgefallen, so war eine solche ßeschneidung derselben ein doppeltes Vergehen. Kunigundis musste demnach mittelalterlich ängstlich be- strebt sein, diese „opera illicita" ihres Gatten zu sühnen und schenkte so auch den Zehnten der Neurode im Forste, vermutHch nicht wenig dazu angetrieben durch die Klagen des Abtes Herebord, der als erster Zeuge in ihrer Urkunde steht. Dürfen wir aber auf diese ungezwungene Weise den bisher als Todes- tag Walrams angenommenen 1. Februar fallen lassen und diesen Walram IL hinweisen, um dafür den 5. Juli an seine Stelle zu setzen, so sind wir nun auch verpflichtet, sein Todesjahr als das Jahr 1197 festzustellen. Ist nämlich die Stiftung Kunigunde's nur durch das Jahr 1198 bestimmt, so trägt die Urkunde, in der ihre Söhne Heinrich und Ruprecht „pro remedio anime patris nostri Walrarmi nee non et nostrarum" mit ihr selber auf die Vogteieinkünfte aus den bei Wise (Moselweiss) gelegenen Gütern der Kirche von Romersdorph für 18 Mark Silber Entschädigung verzichten, das Datum des 20. März 1198.^) Graf Walram ist demnach am 5. Juli 1197 gestorben. Nicht unerwähnt bleibe, dass bei seinem Tode Idstein ausdrücklich, wenn auch nur mittelbar, seinem Herrschaftsgebiete einverleibt erscheint. In der Urkunde der Gräfin Kunigundis wird nämlich als letzter der Ministerialen, mit deren Zustimmung und Rat sie die Schenkung des ganzen Zehnten vom Rodland im Estenforste gemacht habe, „Fridericus Prun^) de Etichenstein" genannt. Die Schenkung von 5 Mausen in dem benachbarten Altenburg bei Ileftrich vom Jahre 1178 wird dadurch als eine vom Hausgute geschehene bestätigt.

•) Als Abschreiber erweist er sich, da nach Becker, Annal. 16, 88 „die erste Anlage des Mortuariums nicht lange vor dem Jahre 1282, aber auch nicht lange nach den Jahren 1282 und 1254 erfolgt sein wird." ^J Günther 1, 498; Mittelrh. Urkb. 2, 215 u. 759, Nr. 902; Goerz, Mittelrh. Regesten 2, 225, Nr. 822; Schlieph. 1, 371, 469 f. •'') Prini bei Schliephake 1, 464 ist entweder Schreib- oder Lese- oder Druckfehler, da es keinen Sinn gibt, Prun oder Brun, der Braune, aber auch später bezeugt ist, vgl. Vogel, Bcschr. 825. Dass aber Fridrich Prun nicht etwa, wie Crafto de Bilstein und Dagemarus de Mcrenberg, zur Burgmannschaft in Nassau gehörte, erscheint dadurch ausgesolilossen, dass die Brun, wie die Poto, Muselin und Synekin von Idstein zur Burgmannscliaft daselbst gehörten, Vogel, ebenda.

128

8. Riipreelit IV. als Kreuzfahrer und Ruprecht V. als Deutschordensritter.

Damit dürften wir unsere Absicht, die Geschichte des nassauischeu Grafen- liauses bis zu den ersten wirkHchen Trägern dieses Namens zu verfolgen, erreicht halten. Indes noch ein Versprechen ist uueingelöst, dessen Erfüllung sich an das dem Todesjahre "Walrams folgende Jahr 1198 kuüpft und Ruprecht IV. betrifft, den wir bisher nur aus dem Jahre 1217 kanuteu, wo er Burgmaun des Erz- bischofes Theoderich von Trier zu Montabaur wird. Wir hatten gesehen, dass die Gründung des deutschen Ordens nicht, wie bisher angenommen wurde, auf den 5. März 1190, sondern 1198 fiel, die Namen der Grafen Ruprecht und Walram also, die man seither in der Liste der Gründer des Ordens glaubte, nur nachträglich dort eingesetzt sein konnten, liier müssen wir nun zunächst sagen, dass diese letztere Annahme sich bei näherer Betrachtung noch dazu als Irrtum erweist. Sie gründet sich nämlich auf die Angabe Voigt 's aus S. 8 der Ordenschronik, die ihm als Manuskript vorlag, dass dortselbst nach den übrigen Teilnehmern „die Grafen von Nassau, Henneberg und Sponheim" genannt seien. ^) Nicht nur aber, dass hier keine Vornamen genannt werden, so erlaubt auch der Ausdruck „die Grafen" nicht einmal, auf zwei nassauische Grafen zu schliessen, da die Mehrzahl gleichzeitig für Nassau, Ilenneberg und Sponheim gilt. Kann nun im Jahre 1198 keine Rede mehr sein von Ruprecht III. und Walram, so bleibt für Nassau als einzig Mündiger in diesem Jahre nur Ruprecht IV., der Sohn Heinrichs L, übrig. Und liegt es denn so ferne, anzunehmen, dass diese müssige jugendliche Kraft von der im nahen Maiuz so ungleich höher als vor dem vorangegangenen Kreuzzuge lohenden Begeisterung für den heiligen Krieg ergriffen worden sei, und dass es Walram nicht sehr angelegen haben solle, zur Sühne für sich einen Ersatz ins h. Land mit/Aisenden? Ja, wir haben sogar den Mut, ihn wirkhch genannt zu finden als Kreuzfahrer, wenn auch ohne seinen Vornamen, und an verkehrter Stelle. Das Gedicht „Wilhelm von Österreich"^) nennt mit noch vielen anderen Edelen einen Grafen von Nassau in der Genossenschaft des Herzogs Heinrich von Brabant. Nun ist aber dieser Herzog nicht, wie das Gedicht will, am dritten Kreuzzuge beteiligt gewesen, sondern nachweislich 1197 ins h. Land gezogen. Da sich der Dichter solcher Verstösse gegen die geschichtliche Wahrheit mehrere hat zu Schulden kommen lassen, so sind wir berechtigt, einen solchen auch bei seinem Grafen von Nassau zu unterstellen, und diesen unseren Ruprecht IV. zu nennen. Wir haben allen Grund, eine Bestätigung dieser Annahme in der Thatsache zu sehen, dass der deutsche Orden seit dem Jahre 1217, wo ihm das Patronat der Kirche in Wiesbaden überwiesen wurde, als besonderer Pfleg- ling des nassauischen Hauses erscheint.^) Freilich tritt weder hier noch in

') Gesch. Proussens 2, G48. -) Von Röhricht abgedruckt in Zacher's Zeitschrift 7, 108 ff. Vers 1091(5, 17810. Vergl. desselben Beitr. /.. Gesch. d. Kreuzz. 2, :J3() und Voigt, Gesch. Preussens 2, 047. ^) Gudonus, Cod. dipl. :{, 107s, 1080, 1, 47r>; Kreiner, Orig. Nass. 2, 2.')4, 2r)7 f.; vgl. Will, Regosten 2, ir,!), Nr. 202, woselbst ilii; iilirigo Littoratur mit Ausnahme von Schlieph. 1, :ii)7 11.

129

leu zahlreichen späteren Zuwendungen an den Orden der Name Ruprechts lY. auf, 'iehnehr sind nur die Söhne Wah-ams, Heinrich der Reiche und Ruprecht V.'), lie Sclienker, und letzterer vom Jahre 1231 etwa gar Ordensbruder. Aber )eide sind eben die Vertreter des Hauses und als solche die Besitzer des Ilaus- 'erinögens. Auch das steht unserer Annahme nicht entgegen, dass die erste lassauische Schenkung an den Orden verhältnismässig so spät nach Gründung lessclben fällt. Denn sind gleich die Bailei Coblenz, zu der diese Schenkung len ersten Grund legte, die Balleieu Thüringen, Oesterreich, Hessen, Franken [ud Utrecht zum Teil um 10 Jahre vorangegaugeu^), so beginnt doch die igentliche Besitzentwickelung des Ordens mit seinem ersten nachhaltigen F<>r- ierer Kaiser Fridrich II. In dessen erstes Regierungsjahr aber fällt die Schenkung es Patronates der Kirche in Wiesbaden. Auch war die Schenkung erst mög- ich seit dem 5. September 1214^), wo Fridrich II, vor Jülich dem Deutsch- rden die Erwerbung reichslehenbarer Besitzungen, dergleichen das Patronat 11 Wiesbaden eine war, urkundlich und unter der Mitzeugenschaft des Grafen leinrich II. von Nassau zugesteht.*) Bemerkenswert darf es ausserdem vielleicht rscheinen, dass die Schenkung in Wiesbaden geschieht, wo der Bruder der Jemahlin Ruprechts lY., Graf Fridrich von Leiningen, Mitbesitzer war und Isbald nach der Schenkung seinerseits sich mitthätig erwies in der Befreiung les vom Orden hinzu erworbenen Mansus von allen Lasten.^) Nicht minder indet die im Jahre 1230 erfolgende weitere Schenkung an den Orden, aber- nals in Gestalt eines Kirchenpatronates, diesmal in Oberlahnstein, statt, wo vuprecht lY. sein Allod 1217 an den Erzbischof von Trier als Lehen für [ontabaur aufgetragen hatte. ^) Endlich aber wird man kaum umhin können, ie verhältnismässig starke Beteiligung des niederen nassauischen Adels am )rden derselben persönlichen Anregung zuzuschreiben, die jene Schenkungen eranlasst hatte. Seither wusste man bloss, dass Graf Ruprecht Y. ums Jahr

^) Wenck, Hist. Abh. 1, Kt:') f. schliesst aus dem Umstände, dass die Genannten sich ie Brüder in den Urkunden nennen, dass Ruprecht der in Rede stehende Ruprecht IV. sein liisso. Aber zu Unrecht. Das zeigt deutlich z. B. die Urkunde von 1221 betreffs Sonnen- ergs, wo beide Grafen ebenso nebeneinander stehen, aber die gleichzeitig mitgenannten Ge- lahlinnen Mechtildis und Gertrudis sie als Brüder kennen lehren, Gudenus, Cod. dipl. 1, 77; Kremer, Orig. Nass. 2, 262. ') Vgl. Voigt, Gesch. d. deutschen Ritterordens. l!cr- n 1S,")7, 1, 1 G4, 87 f. Leider hat er S. (U das falsche Jahr 1191 für die Schenkung in Viesbaden nach Gudenus ;i, 1070. ^) Von diesem Datum aus (vgl. Böhmer, Regesten G7, Nr. 8097) sind wir berechtigt, die widersprechenden betreffs der Schenkung der wics- ader Kirche richtig zu stellen, wie dies bereits Hennes 1, 158 Anm. angebahnt hatte, cliliephake 1, 397 aber nicht durchzuführen vermochte. Das Datum der Schenkungsurkunde or Grafen Heinrich und Ruprecht weist dabei den Weg. Die irrige Angabo des Jahres ICCXI bei Gudenus 3, 107s und Krem er 2, 25-t ist durcli das Ausfallen einer V zu er- lären, welche allein in der von Vogel, Beschr. 533, Anm. 7 gemeldeten Originalurkunde ichtig gesetzt ist. Die Schenkung ist also am 20. Nov. 1214 erfolgt. Die kaiserliche Bestüti- ungsurkunde, die das Datum 21. Jan. 1214 trägt, ist, wie dies bereits Böhmer, Regest. HG, Ir. 3383 vorgeschlagen hatte, wegen ihrer „ind. tertia" ins Jahr 1215 zu setzen. ■*) Böli- ler-Ficker, Reg. imp. V, Nr. 747; Hennes 1, 154; Will, Regesten 2, 159, Nr. 230. ) Hennes 1, 225; Schliephake 1, 400. '^) Hennes, Urkb. d. deutsch. Ordens 1, 85; lesselben, Gesch. d. Grafen von Nassau 1, 172; Schliepiiako 1, 422 f.

Annalen, Ed. XXVI. 9

130

1231 in deu deutschen Orden trat, und dass 1237 sieh mit ihm Heinrich von Ybach (Eibach) und Konrad Rübsamen von Merenberg im Orden befanden.') Wir dürfen aber nunmehr einen Deutschordensbruder aus Nassau sogar im h. Lande nennen und schon vom Jalire 1229: „Counradus de Nassowe", der als solcher am 20. April eine Tauschurkunde des Ordens mitunterzeichnet,'*) Derselbe wird in den Urkunden vom 7. Juli und 11. September 1244 als „praeceptor magnus'- oder „praeceptor Theutouicorum" aufgeführt^) und ist am 17. Oktober 1244 gefallen."*) Da ein nassauischer Graf dieses Namens unbe- kannt ist, so muss angenommen werden, dass Konrad dem Geschlechte der Burgmänner von Nassau angehört. Seine Anwesenheit im h. Lande 1229 bürgt aber wohl dafür, dass er dort schon länger ansässig war, wie denn auch seine Erhebung zum Praeceptor oder Commenthur auf längere Zugehörigkeit zum Orden deutet, Ist doch von dem 1225 neben ihm genannten „Andreas de Ilonlo" (Ilohenloli) bekannt, dass er mit seinen Brüdern Heinrich und Fridrich 1219 bereits in den Orden getreten war und als solcher vermutlich den Feldzug vor Damiette mitgemacht hatte.'')

Soviel von den letzten mühsam nur aufgedeckten Spuren des Letzten aus der Nachkommenschaft der ersten Träger des Namens Nassau. Schliessen wir mit der Thatsache, dass es von nun an nicht bloss Grafen dieses Namens gibt, sondern dass nach allen Wandelungen der Gaugrafschaft Worms-Kuuingessuntara in eine Erbgrafschaft diese letztere auch von nun an den Namen Nassau führt. Die um 1230 1231 anzusetzende Urkunde des Grafen Heinrich H., die die Abfindung mit seinem in den deutschen Orden getretenen Bruder Ruprecht Y. verbrieft, indem sie die Dörfer Frickhofen, Mühlbach, Thalheim, Hambach, Finsternthal, Ober- und Niederauroff, Dotzheim, Breitscheid, Erdbach, Wörs- dorf, Fischbach, Walsdorf und die Mühle Arde aus dem Bereiche der ganzen Grafschaft („tocius nostre comicie") ihm verschreibt, trägt auf der Rückseite „von wenig späterer Hand" die Inschrift: ,De libertate quarundarum villarum et curiarum in comicia Nassauge."^)

>) Würdtwein, Dioec. Mog. 2, 128; Wenck, Hist. Abb. 1, 104; Hennes 1, 178; Scbliophake 1, 421. -) Streb Ike, Tabul. ord. Tbcutonici. Berlin 18r.9. .-)I f. Nr. {>?,.-, Rübriclit, Regest, regii. Hierosolymit. 2r.3, Nr. l(i()2. In desselben Beitr. ■/.. Gcscbiobte der Kreuzzüge 2, HHH ist irrig 20. April 1228 gesetzt. ^) Streblke 7:> ff. Nr. 98; Röhriclit, Regest. 298, Nr. 1120, 299, Nr. 1123; Beiträge 2, 38.5. ■*) Röhricbt, Regest. 298, Nr. 1120, Anm. 2. *) Stillin, Wirtemb. Gesch. 2, r)41, .")53. Sie werden in den daselbst angeführten Urkunden von 1219 und 1220 „nobiles pueri", d. b. Edclknappen genannt. Vgl. Röhricht, Beitrüge 2, 3G8. «) Wyss, Hess. Urkb. Leipz. 1879 (Publioationen aus den preuss. Stats- arcbiven. .3. Bd.) 1, 18.

Sclilussberaerkung. Trotz sorgfältigster Korrektur wurde leider übersehen, dass S. 48, Z. 4 V. u. 1102 statt 1102 zu stehen hat, und dass der arnsteinischen Töchter S. 79, Z. 11 V. o. und S. 8.'), Z. 14 v. o. nicht C>, sondern 7 sind, wie bereits Annnl. 24, 127 von uns selber berichtet war. Die Nachprüfung der Richtigkeit der Citatc konnte zunioiHt nur nach unseren Aufzeichnungen geschehen, da die Beschleunigung des Druckes das Nachschlagen in den zum grossen Teile entliehen gewesenen Werken ausschloss.

Stammtafel

des

Hauses Nassau.

Yon den ältesten Zeiten bis zu den ersten Trägern des Namens Nassau.

Stammtafel d

von den ältesten Zeiten bis zu d

]

Grnf im y Erste Gcnmliliii mis dein Grubt'eUl. 'i Zweite Geraaliliu I

y Ivoggo y ISordiü

Gruf im Grabfeld.

I

Gnit' im "Worms- u. Könij^ssundi

7S8. T'.K». 7!t'_*. 796. 797. 798.

y Adelbert •'' i

Herzog von Austrasien, Graf in Metz u. Trier. Graf im Worms- u. Königssu

822^-839). 834. 837. f 841. ""'' "'''

823. 83'

Graf im Königssundra ? Waltrude

t nach 936.

H a 1 1 u 1017.

? Gema

y A z C (• li u Bischof von Worms. 1U34. f 1U44.

R i c h i 1 d i s

Gemahlin des Grafen Wigger.

1U44.

Embricho I. Gemahlin Adclind, Schwester Wigger's. 1U34. 1044.

104S. 1002.

y Embricho II.

Graf im Niederlahngan. 1059. 1062.

1073. 107(;.

I

? N., Gemahlin Ludwige IL,

des Rheingrafen.

? N. de Di

1073.

? Embricliü

Rheingraf.

Ruprecht I.

Gemahlin Beatrix, Tochter Walrams von Limburg.

1124. 112.J. 1129. 1130. 1132. 1133. 1134. 113."). 113(;. 113S. 1143.

114.-). 114(). 1147. 1152. 1154. 11.59. 1IH6. f ?

Arnold il.

1151.

f zwischen 1154 u. 1155.

Ruprecht IL Genialilin Elisabeth von Schaum- burg (1197). ? 1160. 1170. 1172. 1173.1174. ?1176. 1179. 1180. 1184. 1186. 1188. 1190. 1191. 1192. f vor 1195.

I Luotgard Gemahlin Hermanns von Viruc- burg. 1217.

Walram I.

Gemahlin Kunigundis. 1176 Graf

von Laurenburg. 1179. 11 SO. 1190.

1195 Graf von Nassau. 1196.

t 5. Juli 1197.

Heinrich IL Ruprecht V.

1217. 1230. ücutschordens-

ritter 1231.

I

Genial

Emich

1158.

vor

3 Nassau

ig

ern dos Namens Nassau.

er y Adelbcrts iiiul Inniiisuinda'a im Wormsgau.

772. 77;{. 77(;. 777. 77!». 78.5. 4. j zwisclicii 814 u. 8l!t.

y Bau /l eil)

Klosters Bleidenstadt.

Graf in Üstfalen.

)4.

)n S(i;5 u. 8«y.

) V.

986. 928.

Udiilricli I.

Oraf (WiUlsnchspn und Hausen)

zwischen 863 u. 881».

Udalrich II. Graf (Hieljruh) Ol'J u. 'J3G.

thold) VI.

Vodilhild Y (jemalil Rugcr

(Josbach) nach 927.

Udalricli III.

n I. nico'

1009.

Imico's von Leiningen.

? Tuto I.

Gemahlin Rotrude.

1005.

prepositus in Hornau nach 927,

K u g e r nach 927.

R u t g e r

Herr von Idstein. 1024.

l II.

!8. 10.32. 1034. •40.

Tuto IL N., Gemahlin 100,5. t ? 1040. V. Idstein-Eppstein.

Tuto III.

1052. 1070. t K'"^-

Udalrich 1.

1052. 1057. ll)H7. 1070. 1071. 1072. 1074. f vor I07ü.

In. Tuto IV.

jtr 1093. Graf von Laurenburg. 1076. 1093.

? Udalrich IL

von Idstein 1102.

? Kunrad von Idstein 1102.

Trutwiu IV. Tuto V. Udalrich m.

Jemahlin Beatrix von Arnstein. ? 1110. f vor 1112. Gemahlin Mathildis ^ - - [1128]. 1114.

1118 von Idstein.

1122 vonEppstein.

t 3. April 1124.

? 1101. t 1107.

5ld L

11,30. 1132. 1134. ,1144. 1148. 1154. t ?

Heinrich L

1160. 1161. 1163. ter t 1167.

9n.

Ruprecht IV,

Gemahlin Elisabeth,

Tochter Emicho's in.

von Leiningen (123.5).

1198 Kreuzfahrer.

1217.

Demudis

Gemahlin Embricho's

von Dietz.

Heinrich

der Jüngere, Graf von Dietz.

? Albcrata

Gemahlin Emicho's II.

von Leiningen.

Sithe, folgende Seite I

Da die vorstehende Stammtafel im eigentlichsten Sinne die Inhaltsangabe der ihr vorausgehenden Abhandlung darstellt, so ist letztere selbstredend deren ausreichende Erklärung. Es bedarf deshalb für den Unkundigen nur bezüglich ihrer äusseren Einrichtung der Auskunft, dass die in ihr der Kürze wegen gesetzten Fragezeichen die von uns nur vermutete oder erschlossene Abkunft, bezw. eheliche Verbindung bezeichnen sollen, während die den betreffenden Namen beigesetzten Jahreszahlen deren urkundliches Vorkommen belegen und ein Fragezeichen vor diesen die nicht völlige Sicherheit derselben bedeutet.

üor Naino Wiesbaden.

Von

Prof. W. Streitbsrg (Frolburg- i. (]. Schwoiz).

Einliard sohroibf, in der Translatio SS. Mareellini et Petri : „Cum rae quaedam necessitas, secundum consuetudinem, coniitatum regia adire compelie- ret mense Doeembrio, in ipsis (si bene recolo) Kalondis de locu martyrum pro- movens sequenti die ad castrum, quod moderno tempore TJuisibada voeatur, ibi mansionem habiturus adveni." Vgl. Acta SS, .Tun. 1, 196.

Die Reise, auf der Einhard Wiesbaden berührt hat, fällt ins Jahr S27, die Abfassung des Reiseberichts ins Jahr 830. Aus dieser Zeit stammt also die erste Überlieferung des Namens Wiesbaden. Die späteren Schreibungen des Wortes findet man bei Förstemann, Altdeutsches Namenbuch II. s. v. und bei Kehr ein, Nassauisches Namenbuch S. 287. Sie lehren uns nichts neues, brauchen daher an dieser Stelle nicht angeführt zu werden.

An der Etymologie des Stadtnamens hat man sich oft und gern versucht. Meist freilich mit mehr als zweifelhaftem Erfolg. Ich will gar nicht einmal von jener alten naiven Deutung sprechen, wonach Wiesbaden seinen Namen erhalten habe, weil man sich in den Quellen , weiss" wasche. Aber auch manche der neueren Ableitungen, wie z, B. die von Prof. Boltz (Annalen XII, 314), der Wii^Hnt und baän in Wiesbaden sucht und dadurch zur Bedeutung „Büffel- tummelplatz" gelangt, darf man getrost mit Prof. Otto als einen lusus ingenii bezeichnen. Kaum besser ist die Erklärung l^rof. Grimm' s, wenn sie auch mehrfach Zustimmung gefunden hat. Danach soll das erste Kompositionsglied irisi- dem altindischen vishds., griech. 16q und lat. virus entsprechen. Nun ist aber die indogermanische Bedeutung des Wortes keine andere als „Gift". Wenn man also auch ganz von den schweren lautlichen Bedenken absehen wollte, die allein schon die Gleichung verbieten, so ergäbe sich doch nur als Resultat die mehr als seltsame Bezeichnung „Giftbad". Wenn Prof. Grimm statt dessen mit kühnem Gedankensprung zu „Salzbad" gelangt, so entspricht das allerdings eher den Forderungen, die man an eine Benennung der alten Aquae Mattiacae stellen darf, desto weniger aber den Prinzipien der Semasiologie.

Dass sich auch die Keltomanie ein so dankbares Versuchsobjekt wie den Namen Wiesbaden nicht hat entgehen lassen, kann nicht wunder nehmen. Wie sollte es sie auch abschrecken, dass der Name offenbar erst in nachkeltischor Zeit entstanden ist? Was Freiherr von Medem in seiner kleinen Schrift über Wiesbaden, den Namen, seine Herkunft und Bedeutung (Homburg 1880) noch 23 Jahre nach Glück's klassischem Büchlein über keltische Namen vorzubringen wagt, trägt so sehr den Stempel wildester Phautastik, dass eine nähere Be-

9*

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leuchtung seiner Hypothese peinlich wirken müsste. Man wird sie mir deshalb erlassen. Und was gelegentlich Vorgänger und Nachfolger in gleichem Sinne e:eäussert haben darum ist es nicht besser bestellt.

So bliebe denn von allen bisher versuchten Deutungen nur noch die Yul- gaterklärung übrig, die Wisibada als „Wiesenbad" fasst. Man vergleiche da- rüber besonders Friedemanu, Archiv für liessische Geschichte und Altertums- kunde VI. (1851), S. 357 ff.

Zweifellos darf Friedemann's Aufsatz als das Beste bezeichnet werden, was je über den Namen geschrieben ist. Es thut seinem Wert keinen Eintrag, wenn auch das Ergebnis unhaltbar geworden ist. Denn Friedemanu bleibt das Verdienst, zuerst auf die lautlichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht zu haben, die bei der Erklärung von Wisibafla als „Wiesenbad" bestehen. Es ist nicht seine Schuld, wenn das Mittel, das er angewendet hat, die Be- denken zu heben, durch spätere Forschung als unzulänglich erwiesen worden ist.

Die Ilauptschwierigkeit bildet nämlich der Vokal der Kompositionsfuge. Kr ist /. Man kann daher die Frage nicht umgehen: W^elchen Nomiualstamm hat man in irisi- zu suchen';'

Jedenfalls weder einen ;?-, noch einen o-Stamm. Ahd. icisa „Wiese" ist aber entweder >/- oder o-Stamm. Jenes ist jedenfalls das ursprünglichere, wo- rauf auch altnordisch veisa „palus putrida" hinweist. Ein J oder ?• ist im Stamm nie gewesen. Es erscheint auch nicht, wo u-isa unzweifelhaft als erstes Glied eines Kompositums auftritt: Wisuusteten (8. Jh.) u. dgl. sind w-Stämme. Es lässt sich daher, wenn man von wisa ausgeht, die Form irhi- in Wisibada nicht erklären. Das hat Friedemann scharfen Blickes erkannt. Wenn er aber der Schwierigkeit dadurch abhelfen wolUe, dass er als Nebenform einen 70-Stamm anzusetzen versuchte, so fehlt die ausreichende Begründung durch die Thatsachen.

Wenn nun alle älteren etymologischen Versuche gescheitert sind, und zwar in erster Linie an den Klippen der Lautlehre, so darf man wohl die Frage aufworfen, ob nicht gerade die Lautlehre, indem sie die Ungangbarkeit der bisher betretenen Wege darthut, auch zugleich einen Fingerzeig gibt, der uns zu einem in sachlicher wie formeller Beziehung befriedigenden Ziele weist. Ich glaube, ja. Re-n vom Standpunkt der Lautgeschichte betrachtet, lässt der Stamm irisi- drei Erklärungsmüglichkeiten zu. Er kann 1. /-, 2. ja- oder jo-, 3. «-Stamm sein.

In den beiden ersten Fällen mangelt, soviel ich sehe, ein befriedigendes Etymon durchaus. Anders im dritten Fall. liier eröffnet sich unmittelbar der Ausblick auf eine passende Anknüj)fang, seitdem R. Kögel UMi whii- als erstes Glied germanischer Eigennamen aufmerksam gemacht hat. Vgl. Literaturblatt für german. und roman. Philologie 1887, Sp. 108: „germau. irisu- in Eigen- namen {Wisucart, Wimrich u.a.) = altgall. ve.s?^- (Vesuariis, Vesumns, Bdlo- vems) = altind. rasii- „gut" (Vasiwianas u. s. w., vgl. Fick, Personennamen CCXl), illyr. VfseJeves-is (Tomaschek in Bezzenbergers Beiträgen IX, 94). Das Adjektiv nefnt- ist also schon im Indogermanischen zur Namenbildung ver- wendet worden." Weitere Verwanten linden sich in griech. s'j? aus Fsau; und

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mit anderer Ablauttbrm in got. /^(s „gut", iiitiha „besser", lifsila „Besse- rung", vgl. Piek, Wörterbuch der indugerman. Sprachen, 4. AuH. S. 133.

Lautliche Bedenken bestehen bei dieser Etymologie in keiner Weise. Denn der Übergang von unbetontem u zu / in der Konipositionsfuge ist der gewöhn- liche. Man vergleiche die zahlreichen Beispiele, die uisu- selber gewährt: Neben dem bereits zitierten Wisu-cart erscheint melirfach im S. Jahrhundert ]Visi(/ard, im 9. Jahrhundort Visichart, statt Wisu-rkh tritt in derselben Periode WisirUh, Wislrih auf.

Auch im Gotischen sind wisu- und irisi- belegt. Neben sprachgeschicht- iich älterem Visu-mar erscheint bei Jordancs Vis'mdr. Über Visibadus vgl. Wredc, Sprache der Ostgoten, S. 132. Vor allen Dingen kommt aber der Name der sogenannten Westgoten in Betracht: Wlsujotliue. Mit „Westen" kann sein Wim- aus sachlichen und grammatischen Gründen nichts zu schaffen haben, wie ich in längerer Erörterung bewiesen zu haben glaube. Sie wird demnächst im vierten Bande der von Brugmann und mir herausgegebenen „Indogermanischen Forschungen" erscheinen. Auch die 0'x<;ßo')f>T'.o'. des Ptolo- maios haben wesu- als erstes Kompositionsglied. Der Name bezeichnet den Stamm als die „gute Burgen besitzenden". Vgl. R. Much, Paul-Braunes Beiträge zur Gesch. der deutschen Sprache, XVII, 132 f.

Als Parallele kann man sich die Entwicklung eines anderen yt-Stammes, z. B. fridn-, in gleicher Stellung vergegenwärtigen. Es stehen nebeneinander Frlduhold und Fridihold, Frithuburg und Fridihury, Fritlmger und Fridiger, Fridugcrt und Fridigart, Fridugis und Fridigis u. dgl. m. Sprachgeschichtlich sind natürlich die w-Formen die älteren, die i-Formen die jüngeren.

Man sieht also, von Seiten der Lautgeschichte steht der vorgeschlagenen Deutung kein Hindernis im Wege.

Dass irisu-, wisi- auch sonst in Orts-, nicht bloss in Personen- und Volks- namen auftritt, beweist das ungemein durchsichtige Kompositum Wlsn-mera^ d. i. Weisemar an der Lahn, nördlich von Giessen. Mit Wislbada in der Be- deutung aufs nächste verwandt ist Wislbrminen, d. i. Wieseubronu bei Rüden- hausen, nordöstlich von Iphofen in Unterfranken.

Nach Allem kann meines Bedünkens kein Zweifel mehr bestehen, dass wir Wisibada in ivisii- „gut" und bad „Bad" zu zerlegen haben, dass also die Bedeutung keine andere als „gutes, d. h. heilkräftiges Bad" gewesen sein kann. Dass diese Bedeutung des Namens zum Charakter des durch seine Quellen schon früh berühmten Ortes aufs beste stimmt, braucht nicht erst be- sonders hervorgehoben zu werden.

Noch ein Punkt bleibt zu erledigen. Schon früh hat man den Namen Wisibada mit den Usipctcx^ Usipii IJsipl zusammengestellt, vgl. Jac. Grimm, Geschichte der deutschen Sprache 1. AuH., S. 535. An unmittelbare Verbindung ist freilich nicht zu denken. Immerhin enthält jedoch die Vermutung eine Ahnung des Richtigen. NachR. Much's glänzender Etymologie (Paul-Braune's Bei- träge, XVII, 138 f.) ist der Eigenname in Us-ipetes zu zerlegen und als „die guten Reiter" zu deuten. Altgall. -ipvtcs entspricht lautgesetzlich dem lat. equitcs, gall. -ipil dem griechischen '(nziou us- ist nach gallischem Lautgesetz

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aus vesiu)- hervorgegangen. Vgl. das Ussxhium des Ifin. Ant., das dem Vesu- hio der Tab. Peut. gegenübersteht. Vom rein etymologischen Standpunkt aus betrachtet, steht also Wlsibada mit den Ihipetcs allerdings in einem gewissen Zusammenhang: beide haben das erste Kompositionsglicd (indogerm. ircsu- ,gut") gemeinsam. Ein historischer Zusammenhang darf deshalb z^Yischeu dem kel- tischen Yolksnameu und dem deutschen Ortsnamen natürlich nicht kon- struiert werden.

Zum Schluss noch ein Wort über die alte Benennung des Ortes, der moderno tempore Wisihada rocatur. Sie lautet ager Mattiacus (Tac. Ann. XI, 20), Maftiaciim (Plin. llist. nat. 31, 2, 27), Matriaxöv (Ptol. II. 11,29), Aqiuw Mai- tiacac (Amm. Marc. XXIX, 4.) u. s, w. So wenig daran gezweifelt werden darf, dass Wmhada ein gut deutsches Wort ist, so wenig kann geleugnet werden, dass Mattiacus nur keltischer Herkunft ist. Mit dem deutschen Worte 21attc^ dessen Stamm matica- ist, kann es schon aus diesem Grunde nichts zu schaffen haben. Übrigens ist die Etymologie durchsichtig genug.

Das Suffix gall. -acu-^ -dco- bildet nichtpatronymische Personennamen, sowie Völker- und Ortsnamen in grosser Anzahl, bezeichnet jedoch niemals die Abstammung. Vgl. Holder, Altceltischer Sprachschatz, Sp. 20 ff. Diesem Suffix geht ein /-Stamm voraus : Matti-. Lassen wir vorläufig die Gemination des t bei Seite, so ergibt sich eine Etymologie unmittelbar in dem Adjektiv- stamm viatl-. „gut", der im Altirischen als tnaifh erhalten ist. Der Stamm tritt in Eigennamen öfters auf, vgl. Matidonnus, Maficius. Neben dem i-Stamm existiert auch ein «-Stamm niatn- von gleicher Bedeutung; er erscheint in Matugemis, Matuccius. Zu dieser Wortsippe gehört u. a. auch ostgot. mathc- in Mathesuenthtty dem Namen einer Tochter Theoderichs.

Was nun das doppelte t in Mattiacus gegenüber dem einfachen von tnati-, inatu- anlangt, so verdankt es seine Entstehung den Kurznamen, worin nach altindogerraanischem Bildungsprinzip Gemination eintreten muss. Mau vergleiche die altgallischen Kurzformen Matto = kyrar. Math (Glück, Keltische Namen, S. 57, Fussnote 3), Mattonms, Mattitis.

Auch im Germanischen tritt der Name 3Iatto auf. Es kann jedoch kaum zweifelhaft sein, dass die germanischen Namen mit mathn- nicht als altes Erb- gut, sondern als Entlehnung aus dem Keltischen zu betrachten sind. Denn hier ist matii-, mati- Mitglied einer grossen lebendigen Sippe, dort steht inathn- ziemlich isoliert da. Eine solche Entlehnung darf nicht befremden. Wir können an zahlreichen germanischen Eigennamen deutliche Spuren keltischen Einflusses nachweisen. Ich betone die Eremdartigkeit des niathu- deshalb ausdrücklich, dass niemand versucht sei, in dem keltischen Namen Mattiaci eiu echt germa- nisches Wort zu sehen.

Aus den bisherigen Erörterungen ergibt sich als Resultat: das xVdjektiv mattiacus ist von einem Kurznamen Mattius abgeleitet. Es bezeichnet das, was ihm zugehört. Die Mattiaci sind also nichts anderes, als das Volk, der Clan eines Häuptlings Mattius.

Gig-antongnippen und Öt. Georg.

Von

Dr. 0. Tietz*

Wenn man in Erwägung zieht, dass alle bekannten Fundorte der Giganten- säulen innerhalb eines eng begrenzten Gebietes der römischen Provinzen, und zwar in Gallien und Germanien, liegen, sowie dass die Säulen aus einer hervor- ragend kriegerischen Periode des III. Jahrhunderts n. Chr. stammen, so darf man wohl der Annahme Raum geben, dass diese eigenartigen Monumente ganz bestimmten Veranlassungen ihre Entstehung verdanken und zur Geschichte des Bodens, auf welchem sie standen, in enge Beziehung zu bringen sind.

Über die allgemeine Deutung dieser Giganteusäulen sind die verschiedenen Forscher übereinstimmender Ansicht insoweit, dass sie, wenn nicht die voll- ständige Gleichheit, doch die nahe Verwantschaft der Darstellungen auf allen uns erhaltenen Säulen anerkennen. Anders liegt es jedoch mit der Deutung des Reiters und mit der damit eng verknüpften Frage, ob die verschiedenen Gruppen bestimmte historische Episoden zu verherrlichen berufen waren, oder ob dieselben einen rein mythologischen Begriff verkörpern sollten. Ohne hier auf die Kontroverse, welche Person mit dem Reiter gemeint sei, näher ein- zugehen, so scheint doch soviel sicher, dass die gesamte Darstellung den Kampf zweier feindlichen Elemente (ob den des Römerreiches mit den in ihrer Gefährlichkeit, nach Vorbild der Gigantomachie, selbst als Giganten wiedergegebenen Barbaren?), und den Sieg des einen von ihnen auszudrücken bestinniit war.

In dieser Auffassung begegnen wir einer merkwürdigen Parallele mit der bekannten Darstellung des Ritters Georg, welcher ebenfalls der Gedanke des Kampfes zweier Elemente zu Grunde liegt: des siegreichen, repräsentiert durch den Ritter, des unterliegenden, repräsentiert durch einen Drachen oder Lind- wurm. Es ist nicht nachzukommen, wann der Ritter Georg zuerst bildlich dar- gestellt wurde; indessen war berei.'s im III. Jahrhundert n. Chr., also etwa zur Zeit der Errichtung der Gigantensäuleu, im Orient ein Ritter Georg be- kannt und wurde wegen seines Sieges über die Dämonen feindliche Elemente in jeder Beziehung als Heiliger verehrt.

Angesichts nun der auffälligen Verwantschaft der Gigautengruppen und der St. Georgsgruppen in ihrer Ausführung, sowie des Auftretens dieser

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beiden typischen Figuren zu ein und derselben Zeit dürfte wohl die Annahme nicht zu gewagt erschcineji, dass beide Typen aus einer gemeinsamen Wurzel hervorgegangen sind und beide ursprünglich die gleiche symbolische Bedeutung hatten.^) Dieser Annahme könnte vielleicht als weitere Stütze dienen der Umstand, dass damals die engsten Beziehungen zwischen den verschiedenen Bewohnern des römischen Reiches stattfanden; ist es doch eine Thatsache, dass gerade in der ersten Hälfte des III. Jahrhunderts eine Reihe von orientalischen Truppen- körpern : Parther. ( )srhoener und andere, infolge der Germancnkriegc des Cara- calla, Alexander Severus und Maximinus Thrax an den Rhein gekommen sind. Hatte doch auch schon auf demselben Wege und auf demselben Terrain der persische Mithraskultus Eingang und weite Verbreitung gefunden.

Im Verfolg dieser Auffassung dürfen wir nach dem Vorbilde des so nahe verwanten heiligen Georg wohl auch von unseren Gigantensäulcu annehmen, dass sie nicht nur als Symbole der siegreich überwundenen Elemente aufgestellt wurden, sondern auch die Bedeutung eines gen'ms loci, des Schutzheiligen für das betreffende Besitztum, erhielten^) und als solche religiöse Verehrung ge- nossen. Dann wäre auch für die eigentümlichen Umstände, unter welchen unsere Schiersteiner Säule gefunden wurde, eine ausreichende Erklärung vorhanden : religiöser Fanatismus zerstörte die Monumente, warf die Schutzheiligen der- selben in die Brunnen oder Senkgruben oder suchte sie gar durch die äusser- sten Hilfsmittel ursprünglicher Technik, wie in Schierstein, für ewige Zeiten unsichtbar und damit unschädlich zu machen.

Treffen diese Ausführungen das Richtige, so gewinnt auch die Zerstörung der Gigantensäulen engere geschichtliche Beziehung zu dem Boden, auf wel- chem wir sie finden ; sie sind in ihren meist dürftigen Überresten der Ausdruck einer gründlichen Zerschlagung der römischen Weltherrschaft auf unserem heimischen Boden durch germanische Hände.

') [Erweist sich einer eingehenden Forschung gegenüber eine solche Verwantschaft als wirklich bestehend, so kann sieh die Ansicht, welche in den Darstellungen der sog. Gigaiiten- säulen die Wiedergabe einer lokalen, keltischen oder germanischen, niythologisch.en Anschau- ung erblickt (so z. B. Hettner: Westd. Zeitschr. IV. :!S() f.), auf specielle Analogicen be- rufen: in Ägypten und in dem unter ägyptischem Einflüsse stehenden benachbarten Syrien liat die Verehrung und bildliche Darstellung des ein Untier bekämpfenden Ritters Georg an den entsprechenden altnationalen Mythus von Horus angeknüpft (vgl. Clcrmont-Ganncau: Ilev. archeol. 1!S77. Nouv. Ser. Tome XXXII, S. 11J6 fl'. und danach Harten: Westermann's lllustr. Monatsh. 1894, Febr. S. 628 ff.) (E. R.)]

^j [In diesem Zusammenhange darf vielleicht darauf hingewiesen werden, dass diese Denkmäler durch die in den dazu gehörigen Inschriften verhältnismässig häufig begegnende, mehr oder weniger ausgeschriebene Formel ,,in suo posuit" sich ausdrücklich als Frivatheilig- tümer, gegenüber den in ütt'entlichen Tempeln errichteten Altären und Götterbildern, zu er- kennen geben. Zu einer Aufstellung in oder bei dem Hause des Dedikantcn stimmt weiter, dass die drei Xamen des Dedikaiitcn öfter nicht ausgeschrieben, sondern nur mit den drei Anfangsbuchstaben bezeichnet sind. (E. R.)]

Die Moiinoiiitcii und ihre Uodcutuiig- für diu

Kultur in Nassau.

Vuii

C, SpielmaniL

Etwa zwei Jahre, nacluleni das ] [erzügtum Nassau durch die Uhciubunds- akte als Staat der Confckleration germanique konstituiert war, hielten die beiden Staatsmiuister, Freiherren von Marsehall und von Oageru, ihren Souveränen, dem Herzoge und dem Fürsten zu Nassau zum erstenmale Vortrag über deu ge- samten Zustand des Landes. In dem dazu ausgefertigten Schriftstücke kommt bezüglich der Landwirtschaft die folgende Stelle vor: „Der Ackerbau bleibt die Hauptquelle des deutschen Wohlstandes. Wäre er nicht von so guter Be- schaffenheit, wie hätte unsere Nation so viele Leiden" (gemeint ist das durch die Kontinentalsperre hervorgerufene Elend, das im vorhergehenden Abschnitte geschildert war) „ertragen können! Die grossen Theorien anderer Länder finden wir zwar bei uns nicht; wenige unter uns sind vielleicht selbst unterrichtet genug, um sie ganz zu würdigen. Aber in dem praktischen Teil ist dennoch Leben und Betriebsamkeit. Vorzüglich unsere Wiedertäufer gingen mit Bei- spiel voran, Nachbarn der vormaligen Unterpfalz, und mit ihnen rivalisierend schreitet man überall vorwärts. Der Kleebau hat uns geholfen. Die Brache ist eingeschränkt. Die Viehzucht prosperiert. Allein wir bekennen gern, dass wir noch ein weites Feld vor uns haben."

Diese sogenannten Wiedertäufer, die hier als Pioniere einer neuen prak- tischen Bodenkultur dargestellt werden, sind ]Mennoniten. Wenn sie nach dem Zeugnis der beiden Staatsmänner sich um die Landwirtschaft also verdient gemacht haben, so verdienen sie selbst wohl wiederum, dass ihre Herkunft, ihr Verbleib und ihre Arbeit in unseren heimischen Gauen eine kurze historische Beleuchtung erfährt.

Es ist bekannt, dass zur Zeit der Reformation das ganze Niedordcutsch- land von einer weitverzweigten religi»)s-kommunistisclieu Bewegung ergriffen wurde, deren Tragweite ebenso gefährlich war wie die der Empörung der Reichsritter und der Bauern in Mittel- und Oberdeutschland kurze Zeit vorher. Träger dieser Bewegung waren die Wiedertäufer, oder wie sie sich selbst

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luiiiuteu, die Taufgcsinnten. Und auch ein grosses politisches Moment wirkte mit, demokratische Tendenzen, die an die hansischen Revohitioncn der Vergangen- heit erinnerten und an der damaligen lübischeu lieweguug Stütze fanden. Allein die Excesse im münsterischeu Königreiche Xeu-Zion, der Hochburg der Wieder- täufer, forderten die niederdeutsche Fürstenmacht zum Kampfe gegen die Um- stürzler auf. Die folgenden Ereignisse sind bekannt. Münster wurde belagert und tiel ; mit blutiger Strenge unterdrückte das Richtschwert die Taufgesinnten. Als politische Macht waren sie vernichtet; die grosse Bewegung war unter- drückt. Die Reste der Glaubensgenossen, verfolgt, zerstreuten sich in alle Lande.

Man würde indessen fehl gehen, w^enn man glauben wollte, die grosse Mehrzahl der Taufgesinnten hätte den religiös-mystischen, blutig-fleischlichen Mischmasch-Lehren zugestimmt und das Treiben in Münster gebilligt. Das war nicht der Fall ; die Folgezeit lehrte es, als der Prediger der Taufgesinnten zu Altona, Menno Simonis, die zerstreuten Gläubigen sammelte. Es ist sein Verdienst, den Genossen, nach ihm Menuoniten genannt, eine feste geistige Organisation gegeben zu haben; eine äussere, soziale oder poHtische aller- dings nicht, weil dies den Grundsätzen seiner Lehre widersprach, wie wir noch sehen werden. Trotzdem war die religiöse Überzeugung und das Festhalten am Worte bei den zerstreuten Taufgesinnten-Gemeinden so stark, dass sie mehrere Jahrhundertc untereinander in der innigsten Verbindung standen, ohne ein geistliches Oberhaupt, sei es in einer Person oder in einer mehrgliedrigen Behörde, zu besitzen.

Den niederdeutschen Meunonitengemeinden schloss sich eine Anzahl ober- deutscher an, die sich auf gleicher Grundlage wie jene konsolidiert hatten. Es waren Reste der Waldenser, die sich trotz aller Verfolgungen in der Schweiz, in Tirol, im Elsass, in Bayern und Schwaben, ja in Ungarn erhalten hatten, fleissige, friedliche, fromme Leute, die niemals daran dachten, eine politische Rolle zu spielen, sondern als treue Unterthanen dem Lande dienten, dessen Herren sie unterstanden.

Dennoch Hess ihnen religiöse Feindschaft keine Ruhe. Wie die spanische Inquisition und das Würgeschwert Alba's die niederländischen Menuoniten zum Teil nach Niedersachsen und dem llerzogtume Preussen vertrieb, so begannen auch die Calvinistcn in der Schweiz und die Katholiken im Elsass die Verfolgungen. Man sah hier in den Menuoniten die gefürchteten Wiedertäufer, Staats- und sozial-, rcligions- und sittengefährliche Menschen. Aber ohne Zweifel spielten auch Hab- sucht und Raubgier bei den Nachstellungen eine grosse Rolle. Diese letzteren be- gannen gegen Ende des 16. Jahrhunderts und nahmen besonders in der Folge- zeit, namentlich in einigen Kantonen der Schweiz in grossem Massstabe zu. Nach dem grossen Kriege erreichten die Verfolgungen den Höhepunkt. Trotz verschiedener Anschreiben der Generalstaaten an die Schweizer-Republiken hörten die Peinigungen nicht auf. Viele der braven Leute wurden der fal- schesten Anklage nach gemartert, getötet oder des Landes verwiesen, nachdem man ihre Güter konfisziert hatte. Eine der schlimmsten Verfolgungen war die im Kanton Bern, 1671—72. Dutzende von oberdeutschen Mennoniten verliesseu deshalb, um den Anfeindungen zu entgehen, das ungastliche schweizer Gebiet

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uiul zogen rliciiiabwäi-ts in das kurptiilz-isclic, \vu sie doi- Landoslicrr Karl Lud- wig (1632— 80) fi-eundlich aufnahm. IJald darauf wurden sie durch (Jhiubens- ..•enoasen aus dem Elsass verstärkt, die, ebenso ttüciitig wie sie, sich den Nach- Stellungen des „grossen" Koi-solcil, Ijudwigs XIV. entzogen.

Arm kamen die Einwanderer zumeist nach ihrem neuen Vaterlande ; aber ihr rastloser Fleiss überwand alle Mühen und Entbehrungen. Wenn sie nur Grund und Boden vorfänden, hiess es bei ihnen, urbar machen und bebauen wollten sie ihn schon. Und gab es nicht noch damals vom grossen Kriege her Hunderte von Morgen Ödlandes mitten in den Kulturgebicten ! Aber kaum war das neue Heim einigermassen gegründet, die Erde mit saurem Schweisse betaut, die Hand am PHuge und an der Karre rauh geworden, da nahte wieder das Ver- derben. Als die Sendlinge des „allcrchristlichsten Königs" die fruchtbaren Gegenden am Rheine in eine Wüste vorwandelten, als die Städte, Dörfer und Weiler der schönen Pfalz zu Hunderten in Flammen aufgingen und die Brand- wolken auf Meilen hinaus die Sonne verfinsterten wie der Herauch, da standen auch die Mennoniteu an dem „Grabe ihrer Habe".

Und wiederum legten sie Hand ans Werk, und wiederum erstand aus den Trümmern ein neues Heim. Trotz der mannigfachen aufeinander folgenden Kriegsläufte wuchsen die mennonitischen Siedelungen au und blühten. Aber so sehr man in Kurpfalz notgedrungen dem Fleiss und der Geschicklichkeit der fremden Bewohner Beifall zollen musste, man betrachtete sie dennoch immer mit argwöhnischen Blicken, man traute ihnen als vermeintlichen Ab- kömmlingen oder Religionsverwandten der Wiedertäufer nicht. Man glaubte, dass sie in ihren kirchlichen Zusammenkünften sozialgefährliche separatistische Ideen pflegten. Deshalb fing auch Kurfürst Karl Theodor schliesslich an, wieder einen starken Druck auf die Eingewanderten auszuüben.

Ein Teil dieser wollte sich das nicht bieten lassen. Sie vernahmen von einem toleranten Fürsten, der nördlich über dem Maine wohnte untl fremde fleissige Ackerbauer gern aufnahm. Dieser Fürst war Karl Wilhelm von Nassau-Usingen (1775—1803). So machte sich denn zu Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre eine Anzahl mennouitischer Familien aus der Gegend von Heidelberg und Mannheim auf und wanderte ins Nassauer Land. Wie die Patriarchen und alttestamentlicheu Stammesältesten, mit Weib und Kind, ihre bewegliche Habe auf Wagen und ihr Vieh mit sich führend, kamen sie. Hocherfreut nahm sie der treffliche Regierungspräsident von Kruse, selbst ein tüchtiger Musterlandwirt, auf. Am 21. Februar 1783 bezog Valentin Dahlem, der spätere Kirchensenior der südnassauischen Mennoniten, schon da- mals wegen seiner Frömmigkeit und Intelligenz hochangesehen unter seineu Glaubensbrüdern, als Pächter das freiherrlich von Krusische Gut zu Mosbach. Und jetzt begann die Thätigkcit der sesshaft Gewordenen. Die Regierung gab ihnen teils grössere, teils kleinere Güter in Pacht, meist in den Herr- schaften Wiesbaden und Idstein und an Stelleu, w^o in der Nähe viel Brach- und Ödland lag. Systematisch war Freiherr von Kruse darauf bedacht, beson- ders die Umgebung von Wiesbaden, wo sich noch Hunderte von Morgen wüster Strecken befanden, in fruchtbare Gefilde zu verwandeln. Theoretisch wie prak-

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tisch war er tliätig. Im Jahre 1780 gab er anonym eine Schrift heraus: , Kurzer Lehrbegriff der Landwirtschaft und Ilaushaltungskunst zum Gebrauche der deutschen Schulen und des Landmanns in den nassau-usingischcn Ijandcn." Das leichtfassHch geschriebene Büchlein wurde in den Schulen eingeführt und n-elanirte auch in Dutzenden von Exemplaren in die Hände der Bauern, Es wurde für Südnassau der Katechismus einer rationellen Nationalökonomie. Aber auch den praktischen Feldbau betrieb v, Kruse persönlich. Seit 1783 begann unter seiner Leitung die Urbarmachung des Geisbergs, der bis dahin noch eine herrenlose, steinige, mit Gestrüpp bewachsene Öde dargestellt hatte. Bald ver- wandelte er sich in eine mit herrlichen Saaten, fruchtbaren Ackern, fetten Wiesen und sogar streckenweise mit Weingärten bedeckte Anhöhe, und als ihn 17 üb der Fürst ankaufte, bildete der Hof samt seinen zugehörigen Lände- reien einen ganz bedeutenden Komplex.

Bei all diesen Bemühungen leisteten die Mennoniten der Regierung that- kräftigc Unterstützung. Ihre von Geschlecht zu Geschlecht überkommenen und stets vervollkommneten Weisen der Bodenbearbeitung und Bodenmelioration wurden von Kruse aufgenommen und verwertet. Besonders war es die Kultur der Kartoffel, jenes erst in damaliger Zeit im Grossen angebauten Nahrungs- mittels, welche die Mennoniten eifrig betrieben. Man kann sich denken, wie wichtig dies in dem Jahrzehnte nach der furchtbaren Teuerung von 1770 bis

1772 war.

Die unermüdliche Thätigkeit der Eingewanderten hielt auch unter den Drangsalen der Revolutionskriege an, welch letztere unser Gebiet von 1795 bis 1800, also sechs Jahre lang schwer trafen. Die Zähigkeit, mit der die Mennoniten an ihrer Scholle festhielten und die Liebe zur Landarbeit Hess sie alle Mühen und Gefahren standhaft überdauern.

Es geschah gerade in jener sturmbewegten Zeit, dass Albrecht Thaer in seinen Annalen der niedersächsischen Landwirtschaft (1798 1804) zuerst die Grundsätze der rationellen Ökonomie darlegte, während er 1804 zu MögUn die erste deutsche Lehranstalt für Landwirte eröffnete. Einige Jahre zuvor hatte (1801) der Freiherr von Fellenberg zu Hofwyl in der Schweiz seine Muster- wirtschaft gegründet. Bekanntlich war Adam Ilassloch, der Bebauer (seit 1804) des nach ihm benannten „Adamsthaies", ein Schüler Fellenbergs. Aber im allgemeinen hatten die Minister recht, wenn sie sagten: „Die grossen Theo- rieen anderer Länder finden wir bei uns nicht; wenige von uns sind vielleichl selbst unterrichtet genug, um sie ganz zu würdigen." Die Mennoniten betrieben, (jjme von Thaer und Fellenberg etwas zu wissen, und ohne viel Aufhebens von ihren Errungenschaften zu machen, die Landwirtschaft so rationell als mög- lich. Die sorgfältigen Aufzeichnungen Valentin Dahlems bezeugen dies. Die Erfaiirung war nach seiner Ansicht die beste Lehrmeisterin und sein Wahl- spruch : Probieren ist besser als studieren. Gewissenhaft notierte er von Jahr zu Jahr diese Erfahrungen und zog daraus stets das Facit für die kommende Zeit. Und darum war auch das Wort der ^linister, das dem oben augeführten folgte, von um so grösserer Bedeutung: „Aber in dem praktischen Teil ist dennoch* Leben und Betriebsamkeit."

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Nacli der Vergriisserung des nassauisclien Gebietes durch den Keichs- deputatioiishauptschluss und die Rheinbundsakte, 1803 und 180(), galt es auch der Landwirtschaft in den erworbenen Ländern aufzuhelfen. Nun wurden die Meunoniten geradezu als Lehrer der Bauern verwandt. Wir tinden ihre An- siedelungen beim Kloster Eberbach, wo sie die kulturelle 'riiätigkcit der Mönche fortsetzen, bei Braubach, im Trierischen auf dem Unterwesterwalde und im Runkelischen an der Lahn. Auch in dem damals noch nicht nassauischen Gebiete der Niedergrafschaft Katzenelnbogen und des ehemaligen Fürstentums Dillenburg treffen wir sie. Sie waren allenthalben wohlgolitten wegen ihres bescheidenen Auftretens, ihres makellosen Lebenswandels und ihrer uneigen- nützigen Hilfsbereitschaft. Mit Rat und That gingen sie ihren andersgläubigen Nachbarn zur Hand, vermieden peinlich Zank und Streit und achteten genau auf die Heiligkeit des Eigentums. So charakterisiert sich das bürgerliche Leben der Mennoniten.

Zu Anfang des Jahrhunderts begannen sich die mennonitischen Gemein- den in den nassauischen und pfälzischen Gebieten auch in kirchlicher Beziehung zu konsolidieren. Es war dies eine Notwendigkeit, die sich aus den gleich- zeitigen politischen Territorialveränderungen ergab. Zu Ibersheim am Rhein, auf damaligem französischem Boden, trat am 5. Juni 1803 ein Konzil der Prediger von sechsundzwanzig mennonitischen Gemeinden zusammen, und nach geschehener Beratung wurde von der Versammlung Valentin Dahlem zu Wies- baden beauftragt, eine Liturgie für die Anfänger im Predigtamte zu entwerfen. Dahlem unterzog sich der Arbeit, und in einer zweiten Zusammenkunft au dem- selben Orte, am 9. Juni 1805, bestätigte die Kirchenversammlung das vor- gelegte Formularbuch, das nun von allen rheinischen Gemeinden angenommen wurde. ^) Es verbreitete sich über folgende Punkte: 1) die hl. Taufe, 2) das hl. Abendmahl, 3) die Kopulation, 4) die Wahl und Installation der Prediger, 5) die Wahl und Installation eines bestätigten Predigers, 6) die Wahl und An- weisung eines Ältesten, 7) die Absetzung eines Predigers und Altesten, 8) die Kirchenzucht und gab an, wie in diesen Stücken zu verfahren sei.

Wir können auf die einzelnen Punkte nicht näher eingehen ; es würde uns das zu weit führen. Vielmehr begnügen wir uns damit, hervorzuheben, worin die Mennoniten sich von den übrigen Protestanten unterscheiden. 1) Sie taufen nicht die Kinder, sondern erst die Erwachsenen nach der Konfirmation, unter Berufung auf den strengen Wortlaut von Matth. 28, 19. 2) Sie ver- weigern den Eid und gehen nicht über „Ja" und „Nein" hinaus, nach Matth. 5, 34 37. 3) Sie erlauben Ehescheidung nur bei vorliegendem Ehebruch, nach Matth. 5, 31 32. 4) Sie dienen nicht dem Kriegshandwerke nach Matth. 5, 38—39, 43 44, und 22, 39, ferner 2G, 52. 5) Sie halten das Verwalten obrigkeitlicher Ämter für bedenklich, nach Luk. 12, 14. 6) Sie erlauben nur

') Sein vollständiger Titel lautete: „Allgemeines und vollständiges Formularbuch für die Gottosdienstliohe Handlungen in denen Taufgesinnton Evangclisolion Mennonitcn-Gemeinden, lienebst Oolietoni zum Oehraucli auf alle vorkommende Fälle heim öffentlichen Gottesdienst, wie auch die Formen und Gebetern unserer Uriider am Neckar. Neuwied. Gedruckt bei J. T. Haupt, 18Ü7."

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die Heirat mit Glaubensgenossen, nacli 1. Kor. 14, 40 und schliessen Zuwider- handelnde aus.

Wie nun fast in jeder Religionsgemeinschaft eine strengere und eine ge- lindere Richtung existiert, so war dies auch bei den Mennoniten der Fall. Die Anhänger der ersteren nannte mau Friesen (Aminger, Ammoniteii), die der letzteren Flamminger. Die Aminger unterschieden sich von den Flammingern durch den Gebrauch der Fusswaschung vor dem Abeudmahle, durch die Be- obachtung einer strengeren Kirchenzucht, durch den Bart, den die Flamminger nicht trugen und durch einfachere Kleidung mit Krampen und Ösen statt der Knöpfe. Sie nahmen auch die Dahlem'sche Liturgie nicht an.

Die Flamminger bestehen heute nicht mehr auf den obenerwähnten sechs I nterscheidungspunkten, sondern haiton hauptsächlich an den beiden ersten und dem fünften fest (Verweigerung der Kindertaufe, des Eides und der Be- kleidung eines obrigkeitlichen Amtes).

Die Prediger wurden durchs Los von allen erwachsenen männlichen und weiblichen Gemeindegliedern gewählt. Es waren sittlich reine, begabte Leute. Nach alter Vorschrift durften sie nicht wissenschaftlich von andern gebildet,; dagegen konnten sie Autodidakten sein. Was ein solcher Autodidakt leistete, davon zeugen V. Dalilems theologische, litterarische, naturwissenschaftliche und landwirtschaftliche Abliandlungen. Er verstand griechisch und lateinisch und sprach das Hebräische Hiessend ein wirklicher Bauernphilosoph. Das zweite und dritte Erfordernis war, dass der Prediger sich verheiratet hatte und sein Amt unentgeltlich verwaltete. Bestätigt wurde der Prediger erst durch eine zweite Wahl, nachdem er drei Jahre provisorisch amtiert hatte. Erst datin durfte er auch die Sakramente administrieren. Später jedoch wurde für die Prediger eine theologische Schule zu Amsterdam gegründet.

Um das Jahr 1790 vereinigten sich die in Süd-Nassau angesiedelten Men- noniten, die zu den Flammingern gehörten, zu einer Gemeinde. V. Dahlem wurde zum Prediger gewählt und verwaltete sein Amt bis an seinen Tod im Jahre 1840, also ein halbes Jahrhundert lang. Der Prediger wohnte, wie er- wähnt, zuerst in Mosbach, dann als herrschaftlicher Gutspächter auf dem Kop- pensteiner Hof (Dern'sches Haus) in Wiesbaden, seit 1820 abwechselnd auf dem Schafhofe bei Bleidenstadt und dem Rosenköppel bei Frauenstein. Diese beiden Höfe hatte er für zwei seiner Kinder gekauft, zwei anderen Söhnen den Hof bei Hornau und die Steiners Mühle am Dendelbache (a. d, Emserstrasse) be"i Wiesbaden. Alle vierzehn Tage Sonntags hielt er auf der letzteren Gottes- dienst, zu welchem die umwohnenden Glaubensgenossen zusammenkamen. Die liohen Feiertage predigte er zu Massenheim und reichte dabei das Abendmahl ; ebendort war zu Ostern Konfirmation und Taufe. Die Gemeinde führte den Namen Wiesbaden und besass ein Kirchensiegel. Dieses zeigt die Halle am Teiche Bethesda; vier Personen stehen unter deren Bogen, drei tauchen in das Wasser, oben darüber schwebt der Engel. Die Unterschrift lautet: Job. 5, V. 8, die Umschrift: Siegel der evang. Menon. Gemeinde in u. bei Wisbaden.')

*) Das Siegel, sowie das Forinukrbucli und die Schril'ton V. Dahlems sind im Besitze des Verfassers.

143

Es sei bemerkt, dass V. Dalilem eiue Zeit lang zugleich die Flamminger Ge- meinde zu Neuwied am Rhein administrierte.

Um 1830 etwa stellte sieh die Anzahl der Glieder der monnonitischen Gemeinde Wiesbaden folgondermassen :

Ämter.

Ortschaften.

Anzahl

der <ler

Familien. I Seelen.

Nam on

iler

Familien.

1) Hoohlieim

2) Ilüohst

3) Wehen

4) Wiesbaden

Maspenheim

Eschborn \ Ilornau )

Schafhof (Bleidcnstadt) .

Wiesbaden

Roscnköppel

Sohierstein

Kloppenheini

Mosbach

Summa

oo

u;

is(y)

14

85(?)

Müller

/ Dalilom f Hiostand l Christoidi

Krehbiel (Staufer)

/ Dahlem I Tlüthwohl l Steiner

Dahlem

Weber

Gossmann , Borkholder I Kappes l Kaltwasser

Die im übrigen Gebiete dos damaligen Herzogtums Nassau zerstreut wohnenden Mennonitengemeinden gehiu'teu der strengeren Richtung der Aminger an. Der Prediger dieser war jahrelang der achtbare J. Unzicker auf dem Hofe Henriettenthal bei Wörsdorf, der alle kirchlichen Funktionen wie sein Kollege V. Dahlem versah. Der Gottesdienst wurde an verschiedenen Orten gehalten.

Um 1830 verteilte sich diese Gemeinde wie folgt:

A n z a ii 1

Ämter.

Ortschaften,

der Familien

der Seelen

1) Braubach

Weissmiihlo

1

8

2) Dillenbin-ff

Feldbacherhof

1

8

li) Eltville

Kloster Eherbach

1

8

Neuhof . . .

1

8

4) Idstein

Henriettenthal

1

8

Scliwiokershauson

1

8

Walrabensteiu

1

8

5) Montabaur

V

3

24

6) Rennerod

?

2

14

7) Runkel

Gladbacherhof ....

1

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Hörderbof

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8) St. üoarshausen

ITeppenhof

2

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Attentbalcrbof

. . . 1

1

8

1 1^

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Die Xaiiien der einzelnen Familien sind mir niclit bekannt «geworden, ebenso ist die Schätzung der Seelenzalil nur ungefähr.

Im ganzen würden also um 183Ü in Nassau an 21ü 220 Mennoniten gewohnt haben.

Diese Zahl ist bedeutend geschwunden. In Süd-Nassau hat sich die Flammingergemeinde bald nach dem Tode V. Dahlems aufgelöst. liire Glieder verzogen oder heirateten in andere evangelische Gemeinden, und die Kinder hielten sich zu deren Glaubensbekenntnisse. Gegenwärtig beträgt der liest der damaligen Gemeinde zwei Personen. Im übrigen Nassau mögen noch stärkere Überbleibsel sein.')

So ging eine Gemeinschaft ein, die einst von hoher Bedeutung für die Landwirtschaft in unserer engeren Heimat war. Sie hatte ihre Bestimmung erfüllt.

^) Nicht zu verwechseln sind mit den Mcnnoniton die Baptisten. Jene taufen nur ein- mal bei der Konfirmation, diose zweimal, nach dor Cieburt und bei der Konfirmation der Kinder und zwar jedesmal durch Untertauchen des Täutling's, während die Mennoniten nur eine Handvoll Wasser auf dessen Haupt brinsfen. Baptisten-Taufen finden zu Wiesbaden im Sohwarzbaehe im Nerothale statt.

Alte To])ogTnpliie des Yereiiisgebietes.

Von

A* Y, Cohausen*

Schifferstationen längs dem Main. Wenn man dem rechten Main- ufer von Gross-Krotzenbnrg bis Castel und weiter bis Schierstein folgt, so kann man bemerken, wie die Ortschaften alle auf einem hohen Ufer liegen, welches durch Niederungen von den Ausläufern des Gebirges getrennt ist, und man wird bei näherer Untersuchung finden, dass diese Ansiedelungen vorrömische Altertümer aufweisen und Fischer- oder Schifferstationen waren, welche nicht nur den Fluss benutzt, sondern auch durch die Gewässer der Niederung einen gewissen Schutz genossen gegen die in Wald und Gebirge hausenden wilden und raublustigen Volksstämme.

Gross-Krotzenburg und Gross-Auheim schützt der Torfstich, der, von der Kahlbach beginnend, durch die von den Überschwemmungen der Einzig über- fluteten sumpfigen Wälder der Rinntannen, des Langen Wassers, der Rottlache, des Doppelbier sich durch den Lamboy-Wald im Ober- und Unterbruch bis zu der einst irrtümlich als Römerkastell angesprochenen Sumpfburg am Kinzig- heimer Hof zieht und Hanau umkreist, ebenso wie diese Sümpfe umkreist und vermieden werden durch die alte Landstrasse von Hochstadt, Wachenbuchen, Mittelbuchen, Bruchköbel bis Langendiebach und weiter. Ferner setzt sich die Niederung fort von Hanau durch die Lache und den Weiher, welche dem Römerkastell Kesselstadt Schutz gibt, um durch die Fluren und Seen Langen- siel, Zimmersee, Tiefesee, Waldsee, Bodensee (zum Schutz Fechenheims), die Torfstiche unter Bergen, den Kolb-, Sau- und Lange-See bei Seckbach charak- terisiert zu werden, bis sie mittels der Erlenbach und des Königsgrabeus durch die Bornheimer Höhe zum Recheneigraben und zum Älain abgelenkt wird. Trotzdem aber liegt Frankfurt in seinen höchsten Punkten, wo man die römi- schen Baureste fand, gleichfalls nicht schutzlos gegen die nordischen Wald- harbaren, da die alte Stadt durch Mainarme und durch jenen Abfluss des Recheneigrabens inselartig umschlossen war. Dieser Schutz war zwar durch die Verbreiterung der Stadt 868 aufgegeben, aber durch die Erweiterung im Jahre 1343 wieder erlangt worden, indem die Stadtmauer bis zu einer wasser- reichen Niederung ausgedehnt wurde. Abwärts der Stadt sind es schon die Wasser der Nied, sowie selbständige Wasserreste, welche das rechte Maiuufer

Anaalen, Bd. XXVI. 10

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in Abstand begleiten, während Höchst mit Recht seinen Namen trägt und der dort einmündende Liederbach das Lachenfeld und verschiedene Ableitungs- gräben die Uferhöhen schützen. Dann ist es der Goldbach, der vom Gebirge kommend, den Lachrein im See nördlich von Eddersheim aufnimmt, und andere sichtbare Parallelthäler, welche den Weilbach und andere Wässer in Empfang nehmen und versiecheu lassen. Der Falkenberg zwischen Flörsheim und Hochheim schiebt, indem er bis an den Main vortritt, seinen Felsriegel vor, welcher auch den Wickerer Bach direkt zum Main lenkt. (Hier, wo der I'ferweg den Fels- kopf übersteigen muss, hat sich eine römische Ansiedelung mit interessanten gestempelten Ziegeln der 22. Legion gefunden.) Erst jenseits, am Fusse der Weinberge von Hochheim, setzt sich das hohe Ufer und die es begleitende Niederung fort, umkreist den Hochheimer Bahnhof, sowie Castel in nassen Wiesen und Feldern und verbindet sich jenseits der hohen Amöueburg mit dem austretenden Wasser der von Wiesbaden kommenden Salzbach und dem niederen Gelände von Mosbach, das von dem Dotzheimer Bach gespeist wird und sich jenseits Schierstein dem Rhein anschliesst. Wir verfolgen Ufer und Niederung nicht weiter.

Überall von Gross-Krotzeuburg an hat man die Spuren alter Ansiede- lungen gefunden, Steinbeile, Kelte und Bronzeschmuck, bei Frankfurt auf der Ptingstweide und unterhalb der Stadt an den Bahnhöfen und au den Bahn- brücken Bronzeschmucke und Kollektivfunde, bei Höchst zu Kähnen ausgehöhlte Einbäume; überall Altertümer, die, wenn auch nicht allein hier, sondern auch am Gebirge zu finden sind, doch auf alte Schiffer- und Fischerstationen schlies- sen lassen. So fand sich ein vollständiges Skelettgrab, das sich im Ufer bei Flörsheim erhalten hatte und bei uns nicht eben häufig vorkommt, aber doch auch bei dem 8 km entfernten Breckenheim in den Gebirgsausläufen entdeckt worden ist. Am merkwürdigsten sind aber doch die Funde, welche durch Steinbeile, Mahlsteine und Netzbeschwerer auf der Schifferstation bei Schier- stein vorkamen und woselbst auch Mardellen entdeckt wurden, die durch ihre Funde Formen darstellen, welche sonst in unserem Gebiete nicht vorkamen, nämlich schwarze glockenförmige Gefässe mit weiter Mündung und engem Fuss (Inv. 14 510—14 518). Solche sind bisher nur aus den Pfahlbauten des Boden- sees und von dem Michelsberg bei Bruchsal bekannt und im Karlsruher Museum aufgestellt. Dazu kam noch ein bei uns fremdländisches ovales Gefäss mit zwei Henkeln. Wollte man weiter theoretisieren, so wäre im Bodensee, dem Bruchsaler Berg und in Schiersteiu den Schiffern der Weg angezeigt, den sie mit ihren Produkten genommen hätten. Wir verdanken diese kostbaren Funde dem Herrn Dr. Peters in Schierstein, der sie aus seinen Ziegelgruben er- hoben hat.

Diedenbergen. Der Heidenkippel, 1100 Schritt nördlich des Ortes, auch kleiner Galgenkippcl, modern Kanzel genannt, tritt mit einigen Bäumen be.setzt aus der „Gericht" genannten Feldfläche vor den Wald vor; neben ihm sind von einem Manöver her Schützengräben eingeschnitten. Er durfte als ein bekannter Aussichtspunkt nicht untersucht werden. An ihm vorüber führt die Heiden- ehaussee nordwärts durch den Wald nach Langenhain und Eppstein. Auf ihr,

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vom Iloidenkippel 390 Schritt weiter gehend, liegt 60 Schritt links der Strasse der „grosse (ialgenkippcl", den wir, einen ähnlichen rechts liegen lassend, untersucht iiaben. Derselbe, auf südwestlich abhängendem Gelände gelegen, hat bei 16 m Radius 2,50 m Höhe. Er wurde in konzentrischen Kinggräben bearbeitet. Hierbei fanden sich in 10 m Abstand von der Mitte und 1 m unter der Ilügeloberfläche die Spuren einer (nicht verbrannten) Leiche, nämlich zwei seitlich abgeschliffene Fussringe, der eine noch mit dem entsprechenden Schien- bein, zwei Armringe, die Reste eines mit Brouzedraht gestickten Ledergürtels nebst Gürtelschlossteilen und ein Halsring mit Gussza})fen, Eine zweite Gruppe fand sich in gleicher Entfernung und Tiefe nordwestlich vom Mittelpunkt, be- stehend aus dem Bruchstück eines Fussringes mit einigen Knochen und Holz- stücken nebst einer Art von Steinpackung von 50 k 50 cm Abmessung. Im übrigen fanden sich noch Spuren eines 50 a 30 cm breiten Kohlenlagers und ein Feuersteinspan, aber keine Töpferei. In der Kiesheide, westlich des Heiden- kippels, lagen noch etwa 10, grosseuteils verschleifte oder zerstörte niedrige Hügelgräber. In einem, 23 Schritt vom Weg, fand sich eine Urne mit Asche und ein Napf, in einem anderen, 175 Schritt vom Weg, mit versenkter Mitte lagen in 1 m Tiefe zahlreiche Topfscherben in Hügelgrabcharakter. Wir hatten daselbst Ende April 1893 mit 11 Mann 6 Tage gearbeitet und dabei von Herrn Bürgermeister Kleber freundliche Unterstützung empfangen.

Aus Erben heim empfingen wir durch die Aufmerksamkeit des Herrn Bürgermeister Born mehrere fränkische Altertümer, welche sich in den süd- lichen Erweiterungsbauten des Dorfes gefunden hatten.

Ebenso erhielten wir durch die Gefälligkeit des Herrn Bergrat Ulrich Kenntnis von Frankengräbern 100 Schritt ober der Station Friedrichssegen an der Lahn: zwei Schalen standen auf Briss in Bimsteinsaud 1 m unter der Erdoberfläche. Die Gräber enthielten keine Erz- oder Eisengeräte.

In Wiesbaden fand sich in den Häuserfundamenten auf der Nordwest- ecke des Kranzplatzes eine ly^ m dicke, von NO. nach SW. ziehende Mauer aus 40 ä 40 cm grossen, 4 cm dicken Ziegelplatten mit den verschiedenen Stempeln der 22. Legion (luv. 14 529). Beim Abbruch des Hauses an der Lang- und Goldgassenecke fanden sich mehrere, wie es scheint, in der Nähe fabrizierte Stein/eugtöpfe ältester Art.

lü^

Der Limes im Taunus.

Von

B. Florschütz.

Nachdem auf Anregung Mommsens und mit finanzieller Unterstützung von Seiten des Staates eine systematische Untersuchung des römischen Grenz- walles ins Werk gesetzt worden ist, sind die Augen der ganzen gebildeten Welt wieder auf jene gewaltige Abgrenzung der römischen Herrschaft auf unserem Boden gerichtet, welche in einer Länge von nicht weniger als 550 km von der Donau bis zum Rheine hinzieht und bereits vor 10 Jahren durch Oberst von Cohausen in seinem grundlegenden Werke : „Der römische Grenzwall" in ein- gehender Weise beschrieben und in ihrer Bedeutung festgesetzt worden ist. Allerorts längs der ganzen Linie regten sich die tleissigen Hände der Strecken- kommissare und so manche Grundmauern der antiken Türme und oft über Erwarten grosse Kastelle traten mit mancherlei kleineren Funden, sowie auch sehr bedeutsamen Inschriftsteinen seit mehr als anderthalbtausend Jahren zum erstenmale wieder an das Tageslicht. Während diese sehr dankenswerten Resul- tate im grossen Ganzen überall als gleichwertig zu betrachten sind, lieferten die Untersuchungen im benachbarten Homburger Gebiete neben dem hübschen Feldbergkastell, dem „alten Jagdhause", dem „Heidenstock" und anderen Be- festigungen ein unerwartetes, ganz eigenartiges Ergebnis, welches auf einmal ein helles Licht in die viel umstrittene und unklare Frage der Grenzlegung des römischen Reiches bringen sollte, und das wir mit vollem Rechte als die grösste Errungenschaft der neuen Limesforschung bezeichnen müssen.

Schon von Cohausen hatte in seinem Werke auf einen kleinen Graben aufmerksam gemacht, welcher in Bayern vor der sogenannten Teufelsmauer, wie der Grenzwall dort genannt wird, an verschiedenen Stellen aufgefunden worden ist. Das gleiche ,Gräbchen" ist im vorigen Jahre vom Geheimen Ober- schulrat Soldan auch in der Nähe der Saalburg verschiedentlich nachgewiesen worden. Herr Baumeister Jacob i nun als Streckenkommissar war der erste, welcher dieses bisher unbeachtete „Gräbchen" einer sorgfältigen Erforschung unterwarf und er gelangte hierbei und im Laufe seiner weiteren eifrigen Unter- suchuDgen zu folgenden Resultaten, die wir selbstverständlich an dieser Stelle nur in gedrängter Kürze nach dem im Limesblatte Nr. 7 und 8 niedergelegten Berichte Jacijbis vorführen können.

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Das von Soldan entdeckte , Grübchen", das meistens in einer gleich- massigen Entfernung vom Ivande des Grabens und Grenzwalles hinläuft, konnte wohl daran denken lassen, in ihm die nach römischer Sitte gezogene Grenz- furche zu erblicken. Der Umstand jedoch, dass es jetzt noch seinen Erdaus- wurf auf der äusseren Seite zeigt, sowie ganz besonders die Beobachtung, dass es bisweilen seine dem Wall parallele Richtung aufgibt und bis zu dem Wall- graben läuft, zwischen dem Kastell Maisei und dem Cröftelthale (Gemarkung Schlossborn) läuft das Gräbchen sogar auf der Wallkrone ergeben die un- bestreitbare Thatsache, dass wir in dem „Gräbchen" nur einen der im Mittel- alter beliebten Grenzgraben zu sehen haben und dass dasselbe wahrscheinlich den mittelalterlichen Grenzgängen (Grenzregulierungen) der Märker seine Ent- stehung zu verdanken hat.

Die Stellen aber, an welchen das „Gräbchen" gleichmässig neben dem Pfahlgraben herläuft, führten zur Entdeckung des darunterliegenden wirklichen alten römischen Grenzgrabens mit seiner schon von den römischen Feldmessern betonten „versteckten Aussteinung"; man hatte eben im Mittelalter an diesen Partien nach alter Tradition und gewissen sichtbaren Merkmalen die neue Grenzbestimmung auf die alte gelegt. Dieser alte römische Grenzgraben ist auf dem Homburger Gebiet überall nachgewiesen vom Grauen Berge bis zum Kastell Zugmantel in einer Länge von 30 km; seine Breite beträgt etwa 80 cm, seine Tiefe 60 80 cm und seine Bodenfläche 20—30 cm. Derselbe ist auch da aufgefunden, wo von einem Grenzwalle resp. Pfahlgraben keine Spur vor- handen ist. Er ist im Gegensatze zu dem Sold an 'sehen Gräbchen, das, wie erwähnt oft streckenweise über oder mit ihm hinläuft, vollständig eingeebnet und birgt die römische Grenzversteinung mit ihren Marksteinen und den da- zwischen befindlichen Läufern und wollen wir deswegen, um Verwechselungen mit dem Soldan' sehen Gräbchen zu vermeiden, diese erste Grenzanlage einfach als , Aussteinung " bezeichnen.

In dieser Aussteinung markieren sich zunächst grössere Quarzitplatten, welche in gewissen Abständen, mit der glatten Stirnseite nach unten, die Grenz- steine darstellen, durch Steinsetzung ausserordentlich fest verpackt sind und an ihrer Basis manchmal eigentümliche Zeichen tragen. Zu diesen Marksteinen dürfte nach den Untersuchungen Jacobis wohl auch der interessante, im Wiesbadener Museum befindliche, mit einer Kursivinschrift versehene Stein (Bramb. 1548) gehören. Unter ihnen liegen, wie noch heute unter unseren Grenzsteinen und genau nach den Angaben der römischen Feldmesser, die Grenzzeichen. Die- selben bestehen aus den verschiedensten Materialien und zwar aus mancherlei Gefässscherben, aus Bruchstücken von Ziegeln oder Mahlsteinen aus Nieder- mcndiger Lava, aus abgerollten Kieselsteinen und überhaupt fremden Gesteins- arten, z. B. Rötel und Schiefer, die an Ort und Stelle nicht vorkommen, eisernen Nägeln, Holzkohle, angekohltem Holz und endlich Asche. Zwischen diesen Grenzsteinen nun treffen wir die sogenannten Läufer, vorwiegend aus langen und schmalen Quarzitplatten bestehend, die, oft paarig, fest in die Grabensohle eingelassen sind. Wo die Aussteinung an einer Berglehne hin- läuft, bilden diese Läufer sogar häufig eine ausgeprägte Rinne, um Abfiutungeu

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der Grenzfurche durch AYasser zu vcrliiuderu. Unter gewöhnlichen Verhält- nissen können die Läufer bis zu 10 Meter von einander entfernt liegen, an anderen Stellen aber sind sie ersetzt durch eine vollständige Pflasterung aus kleineren Steinen oder aber, wo das Steinmaterial selbst selten ist, durch Bruch- stücke von Gefassen, vereinzelte kleine Xägel, Asche oder Kohlen, die wir auch, wie zumal Scherben in der Xähe der Saalburg, zwischen den einzelnen Läufern antrcfteu. Stets aber ist die Aussteinung vollständig mit Erde überdeckt und eingeebnet worden, sodass ihr versteckter Lauf nur für den Eingeweihten durch gewisse aufgepflanzte Holzarten oder anstehende Logbäurae erkennbar war.

Die Aussteinung läuft stets in schnurgerader Linie von einem Grenzpunkte zum anderen, wie diese eben in friedlicher Verhandlung mit den Germanen festgelegt worden waren. Diese Punkte waren ursj)rüuglicli durch Grenzhügel markiert, runde, einem flachen Hügelgrabe ähnliche Bodenerhöhungen, unter welchen sich wieder eine feste Steinpackung mit einer centralen, etwa einen Kubikmeter grossen, mit Erde und Asche gefülUen Üff'uung zeigte, v. Cohausen fand in einer solchen das Bruchstück eines Schleifsteines und einen Nagel. Sie bildeten die Spitzen der aus der Grenzabmessung resultierenden aus- und ein- springenden Winkel; sie sind die ersten und ältesten Grenzbestimmungen und so angelegt, dass von einem zum anderen visiert, und die Aussteinung zwischen ihnen regelrecht ausgeführt werden konnte. Die Aussteinuug läuft dabei bogen- förmig an der Aussenseite dieser Grenzhügel vorbei, während der später ange- legte Pfahlgraben direkt über sie hinwegführen und dann noch, wie z. B. auf dem Kieshübel, hinter ihnen die Fundamente eines gleichzeitig mit ihm erbauten, gemauerten Turmes aufweisen kann. Die Grcnzhügel wurden ihrer Lage wegen früher als Fundamente von Ilolztürmcn mit Fanalen aufgefasst.

Zwei römische Ruten, gleich 20 römische Fuss, von der Aussteinung an gerechnet, haben sich mehrfach kleinere, vereinzelte Steinpackungen. 10 römische Fuss voneinander entfernt, aufgefunden, welche in ihrer mittleren Öffnung nur zur Aufstellung eines Pfahles gedient haben können. Diese Verpfählung bildete allem Anscheine nach die innere Grenze des nach aussen durch die Aussteinung abgeschlossenen Quer- oder Grenzweges, oder wie wir sagen würden, Gewann- weges — des Limes' Mommsens, der oft genug nur durch entsprechende Ausholzung mag dargestellt worden sein.

Dieser Grenzweg erfuhr später, wie wir wohl annehmen dürfen, unter Trajan, eine bedeutende Verschmälerung. Die versteckte Aussteinung mag nicht genugsam mehr die Grenze markiert haben und so wurde hinter derselben auf dem Grenzwege ein breiter und tiefer Grenzgraben ausgehoben und sein Material an seinem inneren Rande zum Wall aufgeschichtet. Die Entfernung vom Fussc des Walles bis zur Aussteinung beträgt im Durchschnitte die erwähnten 20 römischen Fuss und wurde der Limes damit auf einen neben der Aussteinung herlaufenden Grenzweg von nur 5 bis 6 Fuss Breite reduziert. Der Graben und der aus seinem Material gewonnene Wall bilden zusammen das, was wir als römischen Grenzwall oder Pfahlgraben bezeichnen.

Das Riesenwerk des Grenzwalles konnte erst dann zur Ausführung ge- langen, als eine dem Schutze der Grenze entsprechende Anzahl von grösseren

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und kleiueren Kastellen erriclitet und mit den uütigeu Mannacluiffen versehen war. Bei diesen Befestigungsanlagen, die wohl nicht so ganz unwahrscheinlich als das lang gesuchte munimeiituni Trajani aufgefasst werden dürfen, spielt aber, wie dies schon vor Jahren v. Cohausen immer und immer wieder betont liat und wie dies durch die Forschungen Jacobis jetzt glänzend bestätigt worden ist, Wall und Graben keine fortifikatorische Rolle; dazu waren sie nicht ange- than und auch von Ursprung an nicht bestimmt. Sie bildeten nichts mehr und nichts weniger als die deutlich ins Auge springende römische Territorial- und damit Zollgrenze und sind uns heute noch der interessante Beleg für die Aus- dehnung des alten Weltreiches auf unserem heimatlichen Boden.

Dieses sind die Ilauptresultate, welche Jacobi bis jetzt an der von ihm durchforschten Limesstrecke von 30 km Länge gewonnen hat, und welche ich teils bei der Alteburg, teils in der Nähe der Saalburg selbst einsehen konnte. Mögen sie auch nach mancher Richtung hin noch sehr lückenhaft sein uiul zu ihrer vollständigen Ergänzung noch sehr viel Geld und noch mehr Zeit erfordern das Eine steht doch fest, dass sie für die weitere Limesforschung von denk- bar grösstem Werte sind und auf noch vielfache dunkle Punkte, die uns gerade auf diesem Gebiete bisher unverständlich geblieben sind, ihr klärendes Licht werfen werden.

Ich will schliesslich noch betonen, dass inzwischen auch auf der Rhein- Limes-Strecke Sayn-Oberbieber die von Jacobi für den Taunus nachgewiesene römische Aussteinung in ganz derselben Ilerstellungs weise durch Löse hke auf- gefunden worden ist.

Vc r e i 11 s - N a c li r i c li t e 11.

Jahresbericht des Sekretärs.

(Vom 1. April 1893 bis .iL März 1S94.)

Allgemeines. Das Vereinsleben war im verflosseuen Etatsjalire erfreu- licherweise ein sehr reges. Vorstaudssitzuugen wurden drei abgehalten, am 5. August und 6. November 1893 und am 20. Januar 1894. Es wurde be- schlossen, das Sitzungslokal vom „Grünen Wald" in das „Rothe Haus", Kirch- gasse 46, zu verlegen, und fanden daselbst im Winter sieben Vortragssitzungen statt, welche sich sämtlich eines zahlreichen Besuches erfreuten; der Bericht über die Vorträge folgt weiter unten. Die ordentliche Generalversammlung wurde am 16. Dezember im grossen Museumssaale abgehalten.

Der Vorstand ist bestrebt gewesen, auch in der üblichen Sommerpause das Interesse an den Zielen des Vereines wach zu halten und den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, im persönlichen Verkehr die gemeinsamen Bestrebungen zu fördern. Dementsprechend wurden Ausflüge nach der Saalburg im Juh, nach Mainz zur Besichtigung des Domes und des römisch-germanischen Cen- tralmuseums im Oktober gemacht, beidemal iu Verbindung mit dem hiesigen naturhistorischen Vereine. Auch für diesen Sommer sind wieder mehrere Aus- flüge in Aussicht genommen.

Zur Generalversammlung des Gesamtvereins der Deutschen Geschichts- und Altertums vereine, welche vom 21. bis 25. September 1898 in Stuttgart stattfand, war seitens des Vereins der Köuigl. Konservator Herr Oberst z. D. von Cohausen delegiert worden; ihm schlössen sich an Se. Excellenz Franz Pascha aus Kairo, der Direktor des Vereins Herr Dr. Florschütz, Herr Dr. med. Ahrens, Herr E. Schier enbcrg. Sämtliche Herren waren vou dem Verlaufe des Kongresses höchst befriedigt, und steht zu erwarten, dass von jetzt ab überhaupt eine regere Teilnahme vou Mitgliedern unseres Vereins au diesen regelmässigen Zusammenkünften stattfindet.

Der diesjährige XXVI. Annalenband konnte in gewohnter Weise bis Ende April fertiggestellt werden. Wir danken dies in erster Linie der Munificenz Sr. Königl. Hoheit des Grossherzogs von Luxemburg, welcher durch eine gross- mütigc Spende den diesesmal sehr beschränkten Mitteln des Vereins zu Hilfe

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kam und hierdurch die vullstäudige Drucklegung iler Arbeit de« Herrn Pfarrer Conrad}' über die älteste Geschichte des Hauses Nassau ermöglichte. Dem Hohen Herrn sei auch an dieser Stelle der herzlichste Dank ausgesprochen.

MitgHeder und Vorstand. In der Vorstandssitzung vom 5. August 1893 wurde Herr Historienmaler Dr. Julius Naue in München zum korrespon- dierenden Mitgliede ernannt. Der Verein hat auch in diesem Jahre den durch Tod verursachten Verlust zweier Ehrenmitglieder zu beklagen: der Herren Geh. Regierungs-Rat Carl Schellenberg in Wiesbaden (f 23. 6. 03) und Geh. Bau- u. Regierungs-Rat a. D. Eduard Cuno in Stuttgart (f 5. 12. 93), von denen der letztere erst wenige Monate vorher bei Gelegenheit seiner Über- siedelung nach Stuttgart zum Ehrenmitgliede ernannt worden war.

Von den ordentlichen Mitgliedern schieden aus:

a) durch den Tod:

Herr Ebhardt, Landgerichtsrat a. D., Limburg a. d. Lahn (f «• 02), (erst nachträglich gemeldet). Dr. phil. Kaufmann, A., Archiviat, Wertheim a. M. (f 1. ö. 93); Se. Durchlaucht Georg Victor Fürst zu Waldeck und Pyrmont,

in Arolsen (f 12. 5. 93); Herr Schramm, Philipp, Rentner, W. (f 15. 5. 93);

Magewirth, J., Oberpfarrer, Homburg v. d, H. (f 29. 5. 93);

Roth, Adolf, Rentner, W. (f 12. 6. 93);

Bindewald, Landrat, Weilburg (f 19. 6. 93);

Spie SS, Aug., Prof., Gymnasialdirektor a. D., W. (f 26. G. 93);

von Eck, Victor, Geh. Justizrat, Rechtsanwalt, W. (f 23. 8. 93);

Gräser, Robert, Oberst z. D., W. (f 30. 11. 93);

, Dr. Medicus, Friedrich Carl, Professor, W. (f 18. 12. 93).

bj durch Austritt:

Herr Dr. jur. Böninger, Eugen, Rechtsanwalt, W. ;

Risch, Julius, Geh. Regierungs- und Schulrat, W. ;

Momberger, Jacob August, Weinhäudler, W. ;

Bornemann, Wirkl. Geh. Kriegsrat, W. ;

Dr. phil. Lehmann, Julius, Mainz;

, Cuno, Eduard, Geh. Baurat und Regierungsrat a. 1). (wurde 5. 8. 93 zum Ehrenmitgliede ernannt);

Dr. phil. Steubing, A., Harrach'sches Institut, St. Goarshausen ;

Pauli, Gutsverwalter, Schloss Bodeusiein ;

Graf von Hachenburg, Hachenburg;

Hoff mann, Wilh., Premierlieutenant a. D., Gummersbach;

Deissmann, Dekan a. D., Pfarrer, Cubach;

Krücke, Wilhelm, Pfarrer, Limburg a. d. L. ; Frau Gräfin von der Goltz. W.; Herr lletzcl, Professor, Gymnasial-Oberlchrer, Dillenburg;

Dr. Berg. Direktor des Knabenpensionats, Oberlahnstein;

Meister, Philipp, Ijandgerichtsrat a. D., W.

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Dicrfcu 27 ausgoschic Jonen onlcntliclicn Mitgliedern stehen fol- gende 28 ueu aufgenoiumene gegenüber:

Herr Mondorf, Georg, Hotelbesitzer. W. ;

Balzer, Pfarrer, Broniskirchen, Kreis Biedenkopf;

Frau von Boch, Ziegelberg bei Mettlach a. d. Saar;

Herr Dr. pliil. Ritterling, Emil, W. ;

Beckel, Jacob, Bauunternehmer, W. ;

., Dr. phil. u. med. Preyer, Wilhelm, Hofrat, Professor, W. ; Se. Durchlaucht Georg Friedrich Fürst zu Solms-Braunfels, Braun- fels;

Herr Zorn, Richard, Obstbaumschulbesitzer, Hofheim a. T. ;

Dr. med. Lossen, Hermann, Arzt, W. ;

y, Gramer, Landgerichtspräsident, W. ;

, Weidenbusch, Hans, W. ;

Caesar, Clemens, Reg. -Rat, W. ;

Schwedersky, W., Lieutenant a. D., W.; Fräulein Mawsou, Anna Maria, Privatlehrerin, W. ;

Herr von Brandt, Excellenz, W. ;

Frau Todd, W.;

Herr Dr. phil. Bodewig, Oberlehrer, Oberlahnstein;

Kurtz, Leonhard, Hofphotograph, W.;

Wilhelm], Otto, Laudgerichtsrat, W. ;

, V. Wunster, Wilhelm, Oberst a. D., W. ;

Lucas, Friedrich, Schulamtskandidat, W. ;

Go SS mann, C. G., Kloppenheim;

Reifenrath, H., Niederlahnsteiu ;

Flindt, Wilhelm, Kgl. Kanzleirat a. D., W.;

Nicol, August, Buchhändler, W. ;

Quiel, Gustav, Buchhändler, W.;

Bojanowski, Julius, Rechtsanwalt, W. ;

Busse, Louis, Rentner, W.

Der Verein zählt also z. Z. 5 Ehrenmitglieder, 6 korrespondierende und 379 ordentliche Mitglieder. Auf den Abdruck eines vollständigen Mitglieder- Verzeichnisses wurde in diesem Jahre verzichtet.

Von den Vorstandsmitgliedern schieden durch Tod aus die um den Verein hochverdienten Herren Geheimer Justizrat v. Eck und Geheimer Baurat Cuno. An ihre Stelle traten die Herren Königl. Archivar Dr. Hagemann und Regie- rungs- und Baurat Eggert. Die plötzlich erfolgte Berufung des bisherigen Sekretärs Herrn Dr. Focke an die Königl. Universitätsbibliothek Göttiugen im Februar d. J. machte auch die Neubesetzung des Sekretariats nötig; dasselbe übernahm nach Wahl des Vorstandes der Unterzeichnete. Die bisher aus drei Mitgliedern gebildete Rcchnungsprüfungs-Kommissiou wurde in Anbetracht der bestehenden staatlichen Kontrolle aufgehoben.

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Die derzeitige Ziisainineiisetzung des Vorsisindes ist ulst. folgende: IJirektor: Herr Sauitätsrat Dr. Florschütz; Sekretär: Herr Dr. pliil. Rittcr- liug; Konservator: Herr Oberst z. D. von Cohausen Ferner die Herren: Rentner Gaab, Landgerichtsrat Keutner, Oberlehrer Dr. Wedewer, Schul- direktor Weldert, Dr. med. Ahrens, Oberlehrer Dr. Loiir, Landgerichtsrat Dussel, Major a. D. SchHebeu. Ersatzmänner sind die Herren: Oberst- lieiitenant z. D. Sartorius, Kgl. Archivar Dr. Hagemann, Regierungs- und Baurat Eggert.

BibHothek. Bei der grossen Zahl der Vereine und Institute, mit welchen unser Verein im Austauschverhältnis steht, war der Zuwachs der Bibliothek im letzten Jahre wieder ein bedeutender und wurde deswegen auch nach Beschluss der Vorstandssitzung vom 5. August 1893 die Summe, mit welcher die Bibliothek gegen Feuersgefahr versichert ist, um 1000 Mark erhöht. Neu in das Austauschverhältnis sind eingetreten:

Der Historische Verein zu Lemberg (Galizien) [„Kwartaluik historiczny"];

die Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttiugen, Philologisch- historische Klasse;

der Copernicus-Verein zu Thorn.

Dagegen sind aus dem Tausch Verhältnis ausgescbieden:

Der Historische Verein für den Regierungsbezirk Marien werdcr; die Comenius-Gesellschaft zu Münster.

Durch das Wohlwollen mehrerer Gönner des Vereins ist auch in diesem Jahre die Bibliothek mit wertvollen Geschenken bedacht worden. Wir sprechen dafür den freundlichen Gebern an dieser Stelle den verbindlichsten Dank aus: der Königlichen Regierung hierselbst, der Landesdirektion hierselbst, sowie der. Herren Oberst z. D. von Cohausen, Sanitätsrat Dr. Florschütz hierselbst, Preroierlieuteuant Hoff mann in Gummersbach, Rechtsanwalt E. Leisler (W.), F. A. Klingholz (W.), J. de Rey-Paithade in Toulouse, Landesdirektor Sar- torius (W.), Frl. Marie Schaffhausen in Bonn, Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner in Leipzig, Herrn Stadtbibliothekar Dr. W. Velke in Mainz. Auch der kürzlich verstorbene Herr Wirkl. Staatsrat von Becker hatte sein freund- liches Interesse für den Verein durch Zuweisung einer Anzahl auf badische Geschichte bezügUcher Bücher an die Bibliothek bethätigt.

Vorträge.

1) Sitzung im „Rothen Haus" am 8. November 1893.

Der Vereinsdirektor Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz begrüsst die zahlreich erschienenen Mitglieder und Gäste und widmet den um unseren Verein hochverdienten, seit der letzten Sitzung verstorbenen Herren, Herrn Professor Dr. Spiess, dem früheren Vereinsdirektor, und Herrn Geh. Justizrat von Eck, dem langjährigen juristischen Berater des Vereins einen Nachruf.

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Der Königliche Konservator Herr Oberst z. D. von Cohausen berichtet über die diesjährige Generalversammlung des Gesamt Vereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Stuttgart, zu wel- cher er als Delegierter entsandt worden war.

Nach einer längeren Austulirung über Wesen und Bedeutung dieser Gcneral- vcrsaunnlungen verbreitet er sich eingehend über die zu Stuttgart gehaltenen öffent- lichen Vorträge der Herren Dr. Fraas, Dr. von Stalin, Generalmajor von Pfister, Dr. Kraus und Dekan Klemm, für \Yelche auf den inzwischen im Druck erschienenen oftiziellen Bericht über die Generalversammlung verwiesen werden kann. In der prä- historischen Sektion, dereu Vorsitzender der Redner war, stand noch die von der letzten Generalversammlung übernommene Frage über das Wesen und die typischen Kennzeichen der vorgeschichtlichen Kultusstätten zur Besprechung. Auch diescsmal gelangte die Frage nicht zur Lösung; es wurde vielmehr eine Kommission ernannt behufs Aufstellung eines erschöpfenden Fragebogens, der an geeignete Persönlichkeiten versandt werden soll. Die Mardellen-Frage konnte auch diescsmal nur gestreift werden. Allgemeines Interesse erweckten die Mitteilungen des Herrn Baumeisters Jacobi in Homburg v. d. H. über seine epochemachenden Entdeckungen am römischen Limes im Taunus (siehe oben S. 148 ff.).

Sodann spricht Herr Oberst von Cohausen über die Urbevölke- rung Nord-Japans, die Ainos, von denen zahlreiche Handarbeiten in Geräten, Waffen und interessanten Textilstüeken, welche einem Ge- schenke der Frau Polizeihauptmann Höhn für die ethnologische Ab- teilung unseres Museums angehören, ausgestellt sind.

Endlich macht Herr E. Schierenberg einige Mitteilungen aus den neuesten Veröffentlichungen des Smithsonian Institution zu Washing- ton, besonders über die viel besprochenen Klippenwohnungen in den Gebirgsschluchten von Arizona, New-Mexico und Utah.

Während manche enthusiastische Reisende, welche die Gabe zu haben scheinen, immer weit mehr zu sehen, als wirklich vorhanden ist, in ihnen die Überreste einer uralten untergegangenen Kultur erblicken wollten, hat Major Powell, der Vorsteher der geologischen Vermessung der Vereinigten Staaten, überzeugend nachgewiesen, dass sie Indianerstämmen angehörten, w-elche nocli jetzt in der Nachbarschaft wohnen, und dass sie teilweise noch bis in die neueste Zeit benutzt worden sind. In gewöhn- lichen Zeiten lebten jene Stämme in den sog. Pueblo's, runden oder elliptischen steinernen Gebäuden, welche bis zu sieben Stockwerk hoch waren und einen Hof einschlössen. Sie enthielten Hunderte von Räumen, welche teils als Wohnungen, teils als Vorratskammcni dienten. Von aussen waren sie bloss mit Leitern zugänglich. Solcher Pueblo's sind noch einige Dutzend bewohnt. Hunderte liegen in Ruinen. Wenn die Bewohner von kriegerischen Feinden bedrängt wurden, verliessen sie die Pueblo's und nahmen ihre Zuflucht in den schwerer zugänglichen Klii)penwolinungen au den senkrechten Wänden der tief eingeschnittenen Schluchten jener Gegenden. Dies ist nachweisbar noch vor nicht langer Zeit geschehen.

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2) Sitzung im „Rotlioii Jlaus" am 29. November 1893.

Die Liebenswürdigkeit des Konservators des Römisch-germanisclien Museums zu Mainz Herrn Ti. Lindenschniit liatte es ermöglicbt, eine ganz vorzügliche Aus- stellung alamannisclier und fränkischer Schutz- und Trutzwarten den Mitgliedern vor- zuführen. Dieselben bestanden aus frisch angefertigten, in Metall und Holz herge- stellten Nachbildungen der besten Originale, und Hessen mit ihren Lanzen und Speeren, Dogen und Pfbilen, gewaltigen Schwertern, einem i)rachtvollen Scramasax, den verschiedenen Arten der Franciska, dem schimmernden Helm und den gebuckelten, bunt bemalten Schilden die altgermanische Bewaffnung, die wir sonst um- in mein- oder weniger defektem Zustande den Gräbern entnehmen, in neuem Glänze vor unse- rem Auge erstehen. Herr Dr. Florschütz schilderte die einzelnen Stücke in ein- gehender Weise, nachdem er in der Einleitung seines Vortrages auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht hatte, in den der alamannisch-fränkischen Epoche vorausgehenden Funden typisch germanische Formen festzustellen. Interessenten verweisen wir auf die klassische Arbeit Lindenschmit's in seinem Handbuch der deutschen Altertums- kunde, Band L

Für nächsten Winter ist eine ähnliche Ausstellung römiseher Be- waffnung in Aussicht genommen.

8) Generalversammlung im Museumssaale am IG. Dezember 1893.

Der von Herrn Dr. Focke über „Charlotte Corday" gehaltene Vortrag war einer grösseren Arbeit entnommen, welche demnächst als Monographie erscheinen wird.

4) Sitzung im „Rothen Haus" am 10. Januar 1894.

Der Vorsitzende Herr Dr. Flor schütz widmet dem kürzlich in Stuttgart verstorbenen Ehrenmitgliede des Vereins, Herrn Geh. Reg.- und Baurat Cuno einen Nachruf.

Sodann legt Herr Dr. Clouth eine Reihe von Photograpliieen vor, welche die grossartigen Ruinen von Angkor Wat in Slam darstellen, und begleitet dieselben mit einigen orientierenden Bemerkungen, welche sich an einen von Mr George N. Lurzon am 24. April 1893 in der Sitzung der Royal Geographical Society zu London gehalteneu Vortrag anleimen.

Die Ruinen befinden sich auf dem 13. Grad nördl. Breite und dem 104. Grad östl. Länge 20 km landeinwärts von dem Binnensee Talay Sap, südwestlich vom Mekong. Das Gebiet, auf welchem sie liegen, gehört zu Siam ; um sie zu erreichen, bedarf es der Schift'ahrt auf dem Siem Rep, dann eines Rittes zu Pferde nach der Hauptstadt <lor gleichnamigen Provinz und von da eines 1 V^ stündigen Marsches auf sehr gut gehaltener Strasse bis zur äusseren Terrasse von Angkor Wat. Die Ruinen bedecken eine Fläche von 32 qkm. Nach Lurzon's Ansicht sind die Tempel nicht der Drachenvcrchrung (wie Fergusson), auch nicht dem Buddha geweiht gewesen (wie Garnier, Legre e und Andere meinten), sondern sie sind rein brahmanisch und erst später die Statuen des Buddha in die Nischen und Schreine der Hindugottheiteu eingesetzt worden. Für

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die Erbauer der Tempel und der übrigen Bauten hält er die Klimer. einen wabr- sdieiulicb von Indien über Land gekümmeuen Volksstamni. Die Zeit der Bauten dürfte nach den Forschungen französischer Gelehrter in das 11. bis 7. Jahrhundert vor Chr. fallen. Das :\Iaterial der alten Bauten zeigt durchgehends nur zwei Stein- arten : 1. einen harten feinkörnigen Sandstein, der besonders für die Skulpturen verwendet wurde, und 2. einen rauhen porösen, rötlichen Stein für den Unterbau ; die viel späterer Zeit angehörigen Bauten bestehen aus gut gebrannten Ziegelsteinen. Das Steinniaterial stammt aus Brüchen, welche mehr als 50 km weit entfernt waren ; die Möglichkeit des Transitortes solcher Massen bei den schlechten Wegen wird nur verständlich durch den noch jetzt in China zu beobachtenden Gebrauch, Steinblöcke, Glocken etc. auf den Schultern von Hunderten von Trägern, durch Gerüste verteilt, im Marschtempo fortzubewegen.

Die verschiedenen Gebäudekomplexe lassen sich in 7 Gruppen teilen : 1 . die Ruinen auf der Höhe von Puom Krome und zu Athvethvea auf dem rechten Ufer des Flusses; 2. der eigentliche grosse Tempel von Angkor "Wat, 5 km vom Flusse entfernt; 3. der Hügel von Bakhong ; 4. die Ruinen der Königsstadt von Angkor Tom; 5. 8 km weiter östlich der grosse See und der Sommerpalast von Barie Mobam ; G. auf dem östlichen Ufer des Flusses die Gruppe von Prasat Kao: 7. Ziegelbauten von Bathoum, I\Iahon und Prearup.

Hierauf hält Herr Major Schlieben einen Vortrag über „Die Erfindimg und erste Einrichtung der Wassermühlen".

Die erste Erwähnung einer Wassermühle als Sehenswürdigkeit der Stadt Kabira in Pontus findet sich bei Strabo, und Servius berichtet, dass solche Mühlen kurz vor Augustus in Rom aufkamen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Mithridates, wie eine unverbürgte Nachricht sagt, wirklich der Erfinder war und die erste Anlage ins erste Drittel des I. Jahrhunderts vor Chr. fällt. Durch ein Epigramm des Anti- jtater wird das Vorhandensein von AVassermühlen in Rom zur Zeit Ciceros, durch eine Verordnung Caligulas und spätere Angaben aus dem HI. Jahrhundert das Fort- bestehen von Ross- und Eselmühlen erwiesen. Die von Sklaven und Verbrechern getriebenen schweren Handmühlen hörten unter Theodosius auf, kleinere blieben bis in die neueste Zeit bestehen.

Die Getreidebereitung zerfiel in die Anfertigung von Mehl und von Graupen, beides durch Stossen oder Mahlen. Die Anfertigung der Graupen beschreibt Plinius, Hist. nat. XVHI, 10 (23), dessen Text zunächst richtig zu stellen ist. Falsch ist die Lesart ut concidantur grana ferrumque frangatur, da nicht das Zerbrechen des schweren Eisens, sondern das Zerquetschen der Körner zu befürchten ist, was bei Graupen nicht vorkommen soll ; es muss gelesen werden ferroqne franyantur. Die wichtigste Stelle ist die folgende: rotis etiarn (utitur), quas aqua rcrset ohiter, et niolis, nicht nioUt oder molat. Darunter ist zu verstehen nicht ein oberschläch- tiges Wasserrad, wie viele wollen, sondern ein senkrechtes Rad, welches obenhin, d. h. von oben leicht über das zu enthülsende Getreide hinwcggleitet und dasselbe gegen die scharfen Kanten der umgebenden Trommel wirft; denn die Wirkung eines ober- oder unterschlächtigen Wasserrades ist für die Bereitung der Graupen genau dieselbe, also ganz gleichgiltig. MoHs wird gelesen, weil man sich auch der Mühlen

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mit liorizontalcni Stein, wie lange Zeit bei den Ulnier (iiaupen gescliali, bedienen konnte. Es wird nun eine solche Mühle mit Hülfe der Angaben Vitnivs in selir ein- facher Art konstruiert, bei der die Umdrehungsgeschwindigkeit des senkrediten Rades ein dem Zweck entsprechendos Mass innehält. Das Ganze wird durch dir in Deutsdi- land bis ins XVII. Jahrhundert übliche Graupenbereitung, welche im Trinzip mich heute besteht, erläutert und durch eine Zeichnung anschaulicli gemacht.

Die Einrichtung der Mehlmühlen beschreibt Vitruv X, 5 (10) sehr ungeschickt und undeutlicli ; der Text ist gleichfalls verdorben. Unter tympanum inchimm ist ein Rad im Innern der Mülile zu verstehen, während das Wasserrad sich draussen befindet. Es ist zu lesen : quod (axis) liahcat tympanum dentatum et indusim, nicht est. Sodann muss hinter tympanum maius ein Komma stehen, weil die Be- wegung beschleunigt werden soll, wälirend, wenn maius zum Folgenden gezogen wird, die Wirkung eine entgegengesetzte, zweckwidrige sein würde; das zweite Rad, das plamm, d. h. horizontale, muss das kleinere sein. Mola ist hier der obere, sich drehende Mühlstein, der Läufer. Die weitere Beschreibung des infundihidum und das Fördern des Mchles kann nur der verstehen, der die Einrichtung bereits kennt, welche genau der an unseren primitiven Landmühlen entspricht. Auch liier wird die ganze Einrichtung durch eine Zeichnung deutlich gemacht.

Vitruv kannte nur diese erste Einrichtung der Mühlen, sie blieb im allgemeinen Jahrhunderte lang dieselbe. Im Jahre 53G, als die Goten Rom belagerten und die Wasserleitungen zerstört hatten, erfand Belisar die Schiffsmühlen. Allmählich trennte sich das Mi\llergewerbe von dem der Bäcker, während früher der pistor beide aus- übte. Windmühlen scheinen, nach Citaten bei Du Gange, erst im XII. Jahrhundert aufgekommen zu sein. Erst 1784 wurde nach verschiedenen nicht gelungenen Ver- suchen in England die erste mit Erfolg arbeitende Dampfmühle erbaut, seitdem sind die Mühlen und mit ihnen die Mehlbereitung ganz ausserordentlich vervollkommnet worden.

5) Sitzung im „Rothen Haus" am 24. Jamiar 1894.

Der Königliche Konservator Herr Oberst z. D. von Cohau-sen hält einen Vortrag über „Die Yolkstrachten in Nassau".

Der Obstbaumzüchter Herr R. Zorn in Hof heim hat den Antrag gestellt, der Altertumsverein wolle die jetzt noch in Nassau vorhandenen Landestrachten der ländlichen Bevölkerung und besonders die im Verschwinden begriffene Tracht des <Blauen Ländchens» (Diedenbergen, Breckenheim, W^allau, Wildsachsen etc.) durch Beschreibung, photographische Aufnahme oder Modelle in den Annalen und im Museum der Nachwelt erhalten. In der Garderobe des hiesigen königlichen Theaters sind die Trachten von Bäuerinnen vorhanden, welche bei Gelegenheit des ersten Besuches des Kaisers Wilhelm I. in Wiesbaden für ein Ballet als völlig getreue Nachbildungen der wirklich getragenen Kleidung angefertigt worden sind. In dem sogenannten Buch- finkenlande, aus welchem uns ein Kostümbild eines Mädchens vorliegt, welches wir nächst dem Herrn Landrate Seyberth der Gefälligkeit der Frau Präsident Winter in Elmshausen und der Frau Pfarrer Schneider in Buchenau danken, wechseln die Trachten, zumal die Mützen, wenn nicht mit jedem Dorfe, so doch mit jedem Amte. Während die Mädchen im Breidenbacher Grunde rote «Kübelchen>-, d. h. cylindrische,

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steif abgesteppte Mützen mit schwarzen Bändern tragen, sind dieselben in Battenberg schwarz und anliegend und haben in Dautphe fast die Form eines bayerischen Gen- darnienhelmes aus schwarzer Wolle. Ein besonderer Staat sind dort die sichtbaren breiten «Hosenbändel ^. d. li. Strumpfbänder mit roten Quasten. Sehr kleidsam, jtraktisch und gediegen ist die Tracht der Frauen und Mädchen in Brandoberndorf im Kreise Usingen (vergl. Annalen XVII. 27), die jetzt freilich nur mehr von den Reicheren und Vornehmeren getragen wird. Aber auch hier sind es fast ausschliesslich die Frauen, welche die Sitte bewahren, die Kleidung der Männer erinnert kaum mehr an eine Landestracht. Zwei vorgelegte, von einer Dame gezeichnete Bildchen zeigen die Einzelheiten der Tracht der Frauen : sie tragen schwarze Strümpfe, einen kurzen schwarzen Rock mit dunkelblauer Schürze, eine dunkelfarbene geblümte Jacke mit hellem, über die Schultern gehendem, hinten geknüpftem Ilalstuche, einen gesteppten runden Hut, von dem ringsum Spitzen herabhängen, welche die Augen nicht sehen lassen. Die Mädchen haben hellblaue Strümpfe, einen kurzen schwarzen Rock mit hellblauer Schürze, ein braunes Mieder, das die Ilemdärmel freilässt. ein eng an- liegendes gesticktes Mützchen mit schwarzen Bindel)ändern.

Auch Herr Haus er in Mainz sammelt ländliche Trachten, namentlich Hauben und Bänder von Frauen und Mädchen aus dem «Blauen Ländchen >^ (eigentlich die 180.') an Nassau gekommene Herrschaft Eppstein, begrenzt etwa von Hochheim, Hofheim, Eppstein, Bierstadt). Aber auch hier fehlen die Trachten der Burschen fast völlig; dieselben haben nach ihrer Militärzeit die Freude an ihrer Landestraclit verloren, t'ber das Alter der ländlichen Trachten darf man sich keiner Täusclmng hingeben; die wenigsten werden über das 16. Jahrhundert hinaufgehen; es sind Nacliahmungen städtischer Moden, die beim Landvolke etwas länger sich erhalten haben. Ein Beispiel aus der neueren Zeit bieten die in den 30 er Jahren aufge- kommenen Chignonärmel, welche jetzt noch in Dachau bei Münclien getragen werden. Hoft'entlich wird die jetzige, der weiblichen Gestalt so sehr widersprechende Damen- tracht nicht ebenfalls als eine '<Yolkstrac]it>' aufgegriffen. In dem vortrefflichen Werke von Kretschmer: Deutsche Volkstrachten. Leipzig 1870, betreffen auch .S Blätter unser Vereinsgebiet, 2 Blätter Biedenkopf, 1 Blatt Wetzlar.

Was nun die praktische Seite der von Herrn Zorn angeregten Frage, das Sammeln bezw. Erhalten dieser Trachten seitens des Vereins angeht, so ist an eine Sammlung von Originalkleidungsstücken schon aus dem Grunde nicht zu denken, weil uns im Museum vollständig der Platz hierzu fehlt. Wohl aber wäre eine Sammlung von ausgemalten Photographieen der Trachten in Kabinetsformat möglich. Hierzu die Mittel zu gewähren und in ihren Kreisen die Sache in die Hand zu nehmen, würden die Kreisstände, die ohnehin Mitglieder unseres Vereins sind, am geeignetsten sein und müssten seitens des Vereins darum gebeten werden.

In der längeren an den Vortrag anknüpfenden Debatte erbietet sich Herr Justizrat Thönges, Zeichnungen von Trachten aus dem Amte Dillenburg, der Gegend von Montabaur, Wallmerod, Ilachenburg und Limburg zu beschaffen, Herr Direktor Fischbach empfiehlt dringend die Beschaffung von Originalkostümen.

Hierauf hält Herr .Maj(jr Seh lieben einen Vortrag über „St. (ileorg als Drachoukänipfer" .

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Man denkt sich St. Georg als stattlichen Ritter, welcher /u Pferde gegen einen Drachen kämpft und ihm den Speer in den Rachen stösst. Das Vorbild da:iu lieferte Jacobus de Voraginc in seiner Lcgenda aurea. Er verlegt den Kampf eines Ritters gegen einen Drachen, um eine Jungfrau zu befreien, nach Libyen, andere Bearbeit- ungen nach Kappadocicn, Syrien, Palästina, eine derselben nennt als die befreite Jungfrau die hl. Margarethe, welche mit dem Drachen abgebildet zu werden pflegt. Der ('odex des Jacobus de Voragine stammt aus dem XII. Jahrhundert, stützt sich aber auf einen älteren aus dem VIII. Jahrhundert. Älter als diese Erzählung ist die von dem Megalomartyr Georg, welche die Acta Sanctorum enthalten. Dieser wurde unter Diocletian als Verteidiger der Christen gefoltert und am 23, April 303 umgebracht. Er ist der kirchliche Heilige, jedoch ist bei ihm von einem Drachen- kampfe keine Rede ; die Kirche fasste später diesen Kami)f, welcher demselben Georg als Jugendthat zugeschrieben wurde, nur symbolisch als Überwindung von Unglauben und Ketzerei, als Überwindung des Teufels und als Sieg des Christentums auf.

Eine Erzählung bei Vertot, Ilistoire de Malthe, welcher einen Maltheser Ritter auf Rhodos im XIV. Jahrhundert gegen den Befehl seines Grossmeisters einen ähn- lichen Drachenkampf bestehen lässt, hat Schiller den Stoff zu seiner Ballade «Der Kampf mit dem Drachen» geliefert. Aus dem XIII. Jahrhundert gibt es noch ähn- liche deutsche und englische Dichtungen.

Drachensagen gibt es bei allen Völkern; als Drachen bezeichnete Ungeheuer sind jedoch nur Phantasiegebilde, zu denen die Apokalypse und die Heldensagen die Vorbilder geliefert haben. Sie wurden als Standarten und in Wappen geführt, und stehen heute noch in China in Verehrung. Drachenkämpfer waren Rama, Rustem, Apollo, Herakles, Jason, Kadmos, Bellerophon, Perseus, Beowulf, Ortnit, Wolfdietrich, Tristan und Sigurd oder Siegfried. Diese Kämpfe beziehen sich in der nordischen Mythologie auf den Kampf des Sommers gegen den Winter, d. h. Odins oder seiner Stellvertreter gegen die Reifriesen oder Thursen zur Befreiung der Sonnenjungfrau, der schon in den ältesten Zeiten in Deutschland dramatisch dargestellt wurde. An Odins Stelle traten die Sonnenhelden und schliesslich St. Georg, da nach Einführung des Christentums die Eigenschaften und Verrichtungen Wuotans und anderer Götter zum Teil auf christliche Heilige, wie Georg, Martin, Oswald, Michael, übergingen. Der hl. Georg genoss schon unter Konstantin grosse Verehrung, sein Bild wurde mit dem des Mithras verschmolzen; in den fortwährenden Überarbeitungen der alten Legende wurde er zum glänzenden Jüngling, zum Lichtgott, nach dem die alten Iberer am Kaukasus sich Georgier nannten, zum Drachenkämpfer und durch die Kreuzfahrer, welche ihn in dieser Autfassung kennen lernten, namentlich durch Richard Löwen- herz, zum Ritter, der für die Kreuzfahrer gegen die Ungläubigen kämpfte. So kam er als Ritter vom Mprgenlande ins Abendland und wurde volkstümlich, da man in ihm den Stellvertreter Wuotans mit dessen Schimmel und Speer sah.

Der hl. Georg wurde Patron der Krieger, der Reiter und ihrer Pferde. Die Bauernritte um die Linde am Georgitage (23. April) und die Wettrennen bezeugen dies. Die Sage wurde vielfach lokalisiert, so in Leipzig und Mansfeld. In letzterem Orte wurde der hl. Georg als Schutzpatron auf die Münzen geprägt; berühmt sind die Georgsthaler des Grafen David von Mansfeld, weil an ihnen, besonders an den Jahrgängen 1609 und IG 11 der auf einem wunderbaren Vorfall aus dem 30jährigen

Annalen, liJ. XXVI. 11

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Kriege beruliendc Aberglaube haftet, dass sie unverwundbar machen. Der hl. Georg schützte aber auch gegen Krankheiten und Tod und deshalb standen die Aussatz- uud Pesthäuser unter seinem Patronate. Allerlei Aberglaube gründete sich auf diese Vorstellungen, wovou beim Kugelsegon und beim Schäfflertanz noch Spuren zu linden sind. Die verschiedenen Ueorgsordeu gehören heute noch zu den höchsten Auszeich- nungen, namentlich in England und Ivussland.

Zum Schluss zeigt der Vorsitzende Herr Sanitiitsrat Dr. Flor- schütz einen ihm zum Geschenke gemachten „Panzerbrecher " vor, eine dolchartige Waffe, mit sehr spitzer und schmaler Klinge und da- durcli befähigt, im Nahkampf zwischen die Schuppen und Ringe der ]\inzer, gegen die Schwert und Lanze nichts auszuricliten vermocliten, einzudringen. Er überweist den wegen seiner grossen Seltenheit sehr wertvollen Gegenstand dem Museum.

6) Sitzung im „Rothen Haus" am 14. Februar 1894.

Herr Schriftsteller Spielmann hält einen Vortrag über , Adolf von Nassau, Kurfürst von Mainz, und die luxemburgischen Kaiser".

In unseren Tagen ist die Dynastie Nassau in den Besitz des Grossherzogtums Luxemburg gelangt. Aber bereits vor etwa 500 Jahren traten die Glieder beider fürst- lichen Häuser öfter zu einander in Beziehung, zuerst zur Zeit Kaiser Karls IV., Königs von Böhmen, aus dem luxemburgischen Geschlechtc. Karl war bestrebt, mit allen Mitteln seine llausmacht zu vermehren, meist durch staatskluge und gewantc Akte, weshalb man ihn auch als den ersten Diplomaten auf dem römisch-deutschen Kaiser- throne bezeichnet hat. Seine Politik lässt sich charakterisieren als vorsichtig im Versprechen, treulos im Halten, zurückhaltend im Gewähren, unerl)ittlich im Fordern, schlau im Erkennen des rechten Zeitpunktes, nachdrücklich im Verfolg des einmal Begonnenen. Persönlich zeichnete ihn einnehmendes Wesen, Höflichkeit und Gelehr- samkeit aus; die Eigenschaften dreier Nationen vereinigten sich in ihm: deutscher Ordnungssinn, welsche Bildung und slavische Verschlagenheit. Ihm kam es vor Allem darauf an, seinem Hause ein dauerndes Übergewicht in Deutschland zu verschafien; deshalb fügte er zu Böhmen Schlesien und die Lausitz unmittelbar hinzu, verleibte die den Wittclsbachern entrissene Mark Brandenburg seinem Königreiche ein und machte die slavischen Herzöge von Mecklenburg und Pommern von sich abhängig. Sein gesamtes Reich, zu welchem er noch die Oberpfalz hinzu erwarb, erhielt eine feste Organisation und als erste dauernde Residenz Prag. Der Landfriedc wurde gewahrt, die Bodenkultur bef()rdert, Handel und Wandel gehoben und der Grund zu einem stehenden Heere gelegt. Erst nachdem er sich so eine feste Grundlage zur Durchführung seiner weiteren Pläne geschaffen hatte, wandte er seine Aufmerksam- keit dem Reiche zu. Allein hier trat ihm eine Persönlichkeit gegenüber, die seine Pläne zum Scheitern brachte. Dies war Adolf von Nassau, der jugendliche Urenkel des deutschen Königs gleichen Namens. Ursprünglich, wie sein Oheim, der verstorbene Erzbischof Gerlach von Mainz, ein Anhänger des Kaisers, wurde er, durch die Politik Karls zweimal von dem Throne des ersten geistlichen Fürstentums ausgeschlossen, zum erbitterten Feinde des luxemburgischen Hauses gemacht. Der Kaiser nämlich

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hatte bei seinen Organisation,sbcstrebuii},'cii hauptsüclilich wiederum die JJeiestigun^' seiner eigenen Macht in Westdcutscliland im Auge und zielte auch auf P^rbiichmachung der Krone in seinem Geschlechte. Sein Bruder besass bereits Luxemburg, IJrabant, Limburg, nun suchte Karl durch Bündnisse und Heiraten sein Ansehen im Westen weiter zu befestigen. Adolf aber, dem es inzwischen doch gelungen war, die Mainzer Kurwürde zu erhalten, l)ehaui)tete sich in seinem Besitze und verfocht seine Interessen in blutigen Fehden gegen des Kaisers Bundesgenossen, weshalb er den Beinamen *dcr beissende Wolf>^ von seinen Zeitgenossen erhielt. Als dann Karl starb, olnic sein Ziel erreicht zu haben, und sein Sohn Wenzel König wurde, suchte dieser Adolf dadurch zu gewinnen, dass er ihn in seiner Stellung als Kurfürst anerkannte. Aber dessen Streben ging jetzt noch böher : er selbst wollte an der Spitze seiner Bundes- genossen an Stelle des Königs Ordner des Reiches und dessen Lenker werden. Zur Erreichung dieses Zieles wusste er den Streit zwischen Königtum, Ritterscliaft und Städten geschickt zu benutzen, sodass er stets als Schiedsrichter der Parteien anerkannt wurde. So kam es, dass Adolf endlich dem Könige alle Macht aus der Hand ge- wunden und die luxemburgische Hauspolitik durch seine eigene verdrängt hatte. Wenzel zog sich nach Böhmen zurück und kümmerte sich nicht mehr um das Reich. Doch noch clie Adolf sein Ziel völlig erreicht hatte, starb er in noch jugendlichem Alter. Sein Bruder, der spätere Kurfürst Johann von Mainz, der dem Reiche nach- einander 3 Könige gab, setzte Adolfs Politik mit Erfolg fort. Die grosse nationale Bedeutung Adolfs liegt darin, dass er in erster Linie es war, welcher verhinderte, dass die deutsche Einheit von Böhmen, d. h. durch slavische Interessen bestimmt, und dass dieses Land das Hauptland Deutschlands wurde.

Hierauf bespricht Herr Major Schlieben eine grössere Arbeit des Professors Dr. Braun gart, welche im 3. Hefte des XXH. Bandes der Landwirtschaftlichen Jahrbücher, Berhn 1893 abgedruckt ist, über „Die Hufeiseufunde in Deutschland und die Geschichte des Hufeisens".

Der Redner, welcher im XX. Bande der Annalen des nassauischen Altertums- vercins, Wiesbaden 1888, selbst einen längeren Aufsatz über die Ilufeisenfrage ver- öffentlicht hat, der dem Verfasser unbekannt geblieben ist, ist anderer Ansicht, als dieser und glaubt viele von dem Verfasser wieder vorgebrachte Ansichten und Bei- spiele schon widerlegt zu haben. Er wendet sich zunächst gegen einen Fundamental- satz des Verfassers und seiner Autoritäten, dass die gallischen Hufeisen kleiner gewesen seien, als die germanischen und führt dafür eine Anzahl Beweisstellen aus Cäsar, Tacitus, Florus, Appian, Plutarch an, bezweifelt die Beweiskraft der Funde von Alesia und die Richtigkeit der Folgerungen auf die Funde in Deutschland, und kann namentlich dem Verfahren, wie die alamannische und suevisch-baiuwarische Reihe von alten Eisen nach dem blossen Augenschein durch Aussuchen aus einem Haufen von 300 Stück, deren Ursprung ganz unbekannt ist und die er selbst früher gesehen hat, um so weniger zustimmen, als der Verfasser selbst gesteht, kein Entwickelungsprinzip darin entdeckt zu haben und dass die Eisen, sowohl aus den Schanzen bei Alesia, als aus den baye- rischen Hochäckern zum Teil wie solche aus dem XII. Jahrhundert aussähen (S. 390). Auch in den beigegebenen Abbildungen sind die Unterschiede in den Eisen nicht so bedeutend, um so einschneidende Klassitizierungen zu rechtfertigen, was schon der Aus-

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druck "Stark germanisiertes keltisches Eisen» bei Funden von der Saalburg beweist, welche von allen Funden die am besten beglaubigten und datierten sind und doch alle Formen zeigen (S. 432, 20). Der Kedner macht schliesslich seinerseits noch auf Be- merkungen über den Huf vom Pferde Cäsars aufmerksam, welche sich bei Sueton, Cäsar 61 und bei Solinus 45 linden und stellt anheim, darin eine auf den Aberglauben seiner Landsleute spekulierende Täuschung Cäsars zu sehen, welcher die Weltherr- schaft erstrebte. Wie näher erörtert wurde, könnte darin der Anfang des den Römern damals noch unbekannten Nagelbeschlages zu suchen sein und würde er dann seine frühere Ansicht, dass der Nagelbeschlag erst in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung aufkam, aus diesem und anderen neueren Gründen etwas ändern.

Die Besprechung von auf Ilochäckern gefundenen Hufeisen ver- anlasst den Vorsitzenden Herru Dr. Flors chütz darauf aufmerksam zu machen, dass diese merkw^ürdigen Überreste des keltischen Acker- baues auch in der nächsten Nähe Wiesbadens beim Chausseehause zu beobachten sind.^)

Endlieh weist Herr Dr. Tietz auf die Ähnlichkeit hin, welche zwischen den Gigantengruppen und den Darstellungen des Ritters Georg besteht (siehe oben S. 135/136).

7) Sitzung im „Rothen Haus" am 28. Februar 1894,

Herr Dr. med. Genth aus Schwalbach hält einen Vortrag über „Aberglaube und Volksmedizin in der Gegenwart".

Aberglaube ist der Rest einer alten religiösen Vorstellung, der sich nach Ein- dringen eines neuen Glaubens erhalten hat ; welche grosse Lebensfähigkeit diese Über- reste besitzen, beweist der Umstand, dass noch im XVII. Jahrhundert in Ostpreussen heidnische Opfer dargebracht worden sind. Wesentlich davon verschieden ist die vom Oriente ausgehende, namentlich durch die Araber nach dem Westen verbreitete ge- heime Wissenschaft der Magie, die man im Gegensatze zum Volksaberglauben als «Kunstaberglauben» bezeichnen kann. Der Volksaberglaube, der allein für uns hier in Betracht kommt, zeigt am meisten Verbreitung in der Volksmedizin. Die Krank- heit Avird hier nicht als eine organische, als Störung physiologischer Vorgänge, son-

') Eine Begehung der Strecke, welche am 31. März von den Herren Dr. Florschütz, Prof. V. Thudichum aus Tübingen und dem Unterzeichneten ausgeführt wurde (an einer zweiten am 1.'5. April vorgenommenen beteiligten sich auch die Herren Oberst v. Cohausen und Dr. Tietz), ergab, dass der südliche bezw. südwestliche Abhang in einer Breite von etwa .")0ü Schritt mit durchschnittlich 10 Schritt breiten, mehr oder weniger regelmässig parallelen Beeten bedeckt ist; dieselben beginnen im Walde unmittelbar westlich von der Station Chausseehaus und lassen sich in mehr oder weniger scharfen Profilen bis in die Nähe der Oberförsterei Chausseehaus, wo sie von der Schwalbacher Chaussee durchschnitten werden, verfolgen. Ober- halb der letzteren sind deutliche Spuren nicht beobachtet worden. Nach Analogie anderer derartiger Anlagen wird man mit diesen Äckern einerseits die früher aufgedeckten, von der Schwalbacher Bahn zum Teil durchschnittenen Hügelgräber (siehe Annalen XXI, Seite 8 f.), andererseits den Ringwall, dessen Reste sich auf dem nahen Schläferskopfe finden, in Zusam- menhang setzen dürfen. Eine genaue Untersuchun<; und Aufnahme der ganzen Anlage wird demnächst vorgenommen werden.

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(lern als die Wirkung eines ■Dämons botraclitct, ilurcii dcssoii Vertreibung bczw. Un- schädlichmachung allein die Heilung bewirkt werden kann. Die Kntsühnung ist daher die älteste Form; dieselbe wird zunächst vollzogen durch blutige Menschen- oder Tieropfer, wie sie im Märchen noch erscheinen im Ritter Blaubart und in dem Opfer- tode der Jungfrau im Armen Heinrich-. Als Reste davon sind anzusehen die Ent- mannung bezw. Reschneidung, die heilende Wirkung, welche man dem Blute Hin- gerichteter zuschrieb, sowie der kulturelle Aderlass. Weiter fand eine Entsühnung durch Feuer oder Wasser statt, welche schon bei Persern und Juden üblich war und auch in den Sonnenwendfeuern ihren Ausdruck fand. Sehr grosse Bedeutung aber legte man bei Heilung von Krankheiten der Sitte des '<Besprechens» bei und hierin zeigt sich, dass die Jahrtausende alten Formeln zum Teil noch heute im Gebrauch sind, natürlich olmc in ihrer ursprüngliclien Bedeutung erkannt zu werden (so wird der Schluss eines der bekannten Merseburger Zaubersprüche in Hessen und Böhmen noch jetzt gegen bestimmte Leiden angewendet). Mit dem Besprechen sind häufig noch Manipulationen verbunden, wie das Umgreifen, Abringein und das Anblasen, welches letztere sich z. B. in dem Anhauchen bei der Taufe erhalten hat. Wichtig ist, dass diese Handlungen schweigend ausgeführt werden, meist von einer Person des anderen Geschlechts ; geschieht dies nackt, so ist auf ein besonders hohes Alter des Gebrauchs zu schliessen. Der Gedanke, dass die Krankheit auf andere Gegenstände oder lebende oder tote Wesen übertragen werden könne, liegt den sympathetischen Kuren zu Grunde, welche schon Plinius kennt. Auf dem Neuhof bei Marburg wird die Krank- heit von den in einen Birkenwald geführten Kranken durcli Zauberspruch auf einzelne Bäume übertragen. Unter den Tieren eignen sich zur Übertragung besonders Kreuz- schnabel, Meerschwein und Schnecke. In der Wetterau werden Zahnschmerzen auf einen Esel übertragen, indem man denselben auf das Maul küsst. Die Volksmedizin kennt aber auch vorbeugende Mittel zur Verhütung der Krankheit und auf diesem Gebiete besitzt der Aberglaube die weiteste Verbreitung in allen Schichten unserer Gesellschaft. Hierher gehört der Schutz gegen den Einfluss der Toten, welche die Überlebenden nach sich ziehen wollen. Darum müssen dem Toten die Augen zu- gedrückt, die Fenster des Sterbezimmers geöffnet, die Thüre geschlossen werden u. a. m. Der Glaube an das Verschreien und Beschreien, hervorgegangen aus der Meinung von dem Neide der Götter, ist besonders in der Wochenstubc sehr allgemein. Gegen die schädliche Einwirkung solcher Einflüsse, sowie der Hexen, Alben, Trübten etc. gibt es Amulette, welche auch schuss- und hiebfest machen. Endlich ist auch die Wahl des Tages, sowie der ab- und zunehmende Mond für bestimmte vorzunehmende Handlungen nicht gleichgiltig.

Es wäre sehr zu wünschen, dass von den Überresten des Volksaberglaubens, speziell in Nassau, eine Zusammenstellung veranstaltet würde.

Daraufmacht Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz Mittoihingcn über die neuesten Ergebnisse der Limesforschuug im Taunus (vcrgl. oben S. 148 ff.).

8) Sitzung im „Rothcn Haus" am 14. März 1894.

Herr Dr. 0. Heuer aus Frankfurt a. M. hält einen Vortrag über „Kaiser Sigmund".

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Im allgemeinen beschränkt sich die Kenntnis von Kaiser Sigmunds Thatcn auf die durch ihn erfolgte Verurteilung des Huss, die Einsetzung des ersten Hohenzollern in Brandenburg und die unter ihm wütenden Hussitenkriege. Es liegt dies zum Teil au der bisherigen Auftassung. welche sein Bild nur schief und falsch zeichnete, ihn seinem Charakter nach als einen Lump, seiner politischen Thätigkeit nach als eine Null darzustellen gewohnt war. Hauptsächlich dem Parteihass ist diese geschichtliche Fälschung zuzuschreiben : die Protestanten sahen in ihm stets den Mörder des kirch- lichen Reformators Huss, ohne dabei dem fanatischen Üeutschenhass des Czechen Pvcchnung zu tragen ; von den Katholiken wiederum hatte er nichts Gutes zu erwarten, weil sein Bestreben, die Macht des Papsttums zu beschränken, ihn in dauernden Kampf mit Rom setzte. Endlich hat auch die preussische Geschichtschrcibung, welche ihre Fürsten nur zu oft einseitig schildert, Sigmund wegen seines Bruches mit Fried- rich I. von Hohenzollern in wenig günstiges Licht gesetzt. Doch eine unparteiische Forschung, welche namentlich in den allmählich erschlossenen Reichstagsakten seiner Regierung ein reiches Material findet, gewinnt ein wesentlich günstigeres Bild von diesem Kaiser.

Als Sohn Kaiser Karls IV. 1368 geboren, erlangte er durch die Hand seiner Gemahlin Maria den ungarischen Königsthron. Im Jahre 1410 erfolgte seine Wahl zum deutschen König. Bei derselben war für die Kurfürsten bestimmend gewesen, dass Sigmund, der keinen Fuss breit deutschen Bodens besass, eine Hausmacht zu gründen nicht leicht versucht werden konnte, da ihm männliche Nachkommen versagt geblieben waren. In dieser Berechnung hat man sich auch nicht getäuscht; Sigmund stand während seiner ganzen Regierung über den Parteien; ihm lag das Interesse des Reiches und der Krone aufrichtig am Herzen. Sein klares und festes Programm, mit welchem er im Jahre 1414 nach Deutschland kam, lautete: Wiederaufrichtung der tief gesunkenen königlichen Macht, Besserung der wirtschaftlichen Zustände im Reiche, Reform des Handels und Münzwesens, sowie Herstellung der kirchlichen Ein- licit. Zur Durchführung seiner Pläne musste er sich Bundesgenossen suclien, da die bedeutenden Kräfte des weiten Ungarreiches für Deutschland nicht verfügbar waren. Mit Erfolg stützte er sich dabei vorzugsweise auf die Reichsstädte und die Reichs- ritterschaft, welche in ihm ihren natürlichen Halt gegen die überhandnehmende IMacht der Fürsten erblickten. Seine Bestrebungen waren zu Anfang auch von Erfolg ge- krönt, wozu nicht wenig seine persönlichen Eigenschaften beitrugen. Er besass eine bestrickende Liebenswürdigkeit, hinreissende Beredsamkeit in fünf Sprachen, über- raschende, ja oft verblüftende Schwungkraft des Geistes, eine rastlose Arbeitskraft und eine Energie, die oft in Heftigkeit und Jähzorn ausartete. In der Verlogenheit und Verschlagenheit seiner Politik stand er unter dem Einflüsse seiner ganzen Zeit. Sein grösster politischer Fehler war, dass er zu hohe und weitgesteckte Ziele zu erreichen trachtete und dabei das Nächstliegende übersah oder in seiner Bedeutung unterschätzte. Dazu kam noch seine grosse Genussfälligkeit, die sich in Neigung zum Trünke und zum schönen Geschlecht dokumentierte ; aber Einfluss auf seine politische Stellung haben Weiber niemals unter ihm gehabt. Seine rastlose persöidichc Thätig- keit lässt sich noch erkennen aus der flbereinstimmung der aus seiner Kanzlei her- vorgegangenen Schriftstücke mit dem Inhalte von Äusserungen und Unterredungen, die uns anderweitig von ilmi bekannt geworden sind.

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Auf dem Konzile zu Konstanz, dessen Zustandekommen in erster Linie sein Werk war, erfreute er sicL zu Anfang grosser Beliebtheit und gelang es ihm auch, die drei zur Zeit fungierenden Päpste zur Abdankung zu veranlassen, wodurch er Raum für seine Ileform zu gewinnen hoffte. Aber bei seinem Streben, zunächst die Reform durchzufüliren, dann erst zur neuen Papstwahl zu schreiten, war er allein auf die Unterstützung der deutschen Kirchenfürsten angewiesen, die anderen Nationen, Italiener, Franzosen, endlich auch die Engländer setzten ihm hierbei den hartnäckig- sten Widerstand entgegen und brachten seine Pläne zum Scheitern. Dieser Miss- erfolg wirkte auch auf seine Stellung in Deutschland zurück, was sich bei seinen Versuchen, die Reichsstädte in einem Runde zu vereinigen, die Wasserzülle aufzu- heben, sowie eine einheitliclie Münze zu schaffen, zeigte; denn Niemand war geneigt, von seinen Rechten zum Besten des Ganzen auch nur einen Bruchteil aufzugeben. Vielleicht hätte Sigmund doch endlich noch Erfolge erzielt, wenn nicht nach dem Tode seines Bruders Wenzel die czechische Revolution ausgebrochen wäre. Seine Politik bestrebte sich zunächst, diese gefährliche Bewegung durch diplomatische Schach- züge hinzuhalten, bis auf dem Breslauer Reichstag 1420 der Kreuzzug gegen die Hussiten beschlossen wurde. Aber die dauernden Misserfolge, welche die deutschen und ungarischen Heere gegen die an Zahl meist geringeren fanatisierten Scharen in- folge der neuen Taktik derselben (Wagenburg, und nach abgeschlagenem Angriffe auf dieselbe entscheidender Ausfall) erlitten, haben seine Stellung in Deutschland untergraben. Dazu kam, dass er auch in seiner polnischen Politik, welche ihm in erster Linie durch die Interessen seines ungarischen Reiches diktiert wurde, Unglück hatte, wenn es ihm auch gelang, den polnischen König von einer wirklichen Ver- bindung mit den Czechen abzuhalten. Friedrich von Brandenburg, der in Ungarn Sigmunds Politik kennen gelernt hatte und bisher dessen festeste Stütze im Kur- fürstenkollegium gewesen war, setzte sich durch die Verlobung seines Sohnes mit der Erbtochter des polnischen Reiches in offenen Gegensatz zu Sigmund. Dieser Zwist, der zu vielen diplomatischen Kämpfen führte, endete erst, als die Tochter des Polen- künigs starb und diesem bald darauf ein männlicher Thronerbe geboren wurde. Von Erfolg gekrönt war Sigmunds Römerzug, auf dem er durch geschicktes Unterhandeln den Papst dazu brachte, ihn zum Kaiser zu krönen. Durch sein persöiüiches Eingreifen verhinderte Sigmund auf dem Konzil zu Basel ein neues Schisma. Vor seinem Tode noch gelang es ihm, die böhmischen Wirreu beizulegen und als anerkannter König in Prag einzuziehen.

Mit einem Hinweis auf den Unterschied zwischen der damaligen Zerrissenheit und Ohnmacht des Reiches und dem heutigen festgefügten stolzen Bau, an dem frei- lich einzelne Glieder der Nation bereits beginnen, in partikularistischen Gelüsten zu rütteln, schloss der Redner den mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrag.

Hierauf legt Herr Landgerichtsrat Düssell einige von ihm er- worbene Stücke der Volkstracht aus dem „Gokleueu Grunde" (Amt Camberg) vor.

Die charakteristischen Teile der Frauentracht sind die Haube («Komodchen* ge- nannt, ein gestickter und mit Seide tiberzogener Deckel mit einfachem Band, welcher nur das Hinterhaupt bedeckt), das Schultertuch, sowie die Jacke («Mutzen od. Motzen^-).

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Einige kolorierte Bilder, welche diese Tracht darstellen, erläutern die Art. wie jene Kleidungsstücke getragen werden.

Endlich macht Herr Landgerichtsrat Düssell noch einige Mit- toiluno-en über den Gebrauch und die Bedeutung der Logbüume. Das Wort Logbaum (mit langem ü) hat mit Loch nichts zu thun ; es hängt vielmehr mit dem germanischen Verbum lachan, welches einhauen bedeutet, zusammen und bezeichnet den betreft'enden Baum also als den mit einem eingehauenen Zeiclien versehenen, ebenso wie z. B. auch ein «lachender Stein:'> genannt wird, von dem gleichen Verbum abgeleitet. Die Bezeichnung findet sich schon im Jahre 1012 «arbor lögbore>^ ; in den Weistümern. z. B. der Hohen Mark, erscheinen häufig «gelogte Bäume*. Im Nassauischen ist der Ausdruck jetzt nicht mehr üblich, er findet sich nur mehr in Eigennamen. In Privatwaldungen stehen fast nirgends Grenzsteine, die Gren- zen werden vielmehr durch Bäume bezeichnet. Vorzugsweise werden dazu Eichen, bisweilen auch Buchen, selten Hasel benutzt. Hie Bezeichnung geschah dadurch, dass auf der Seite des Baumes, welche dem Grundstücke, dessen Grenze er bezeichnen sollte zugekehrt war, ein Stück aus der Kinde herausgeschält wurde, eine Prozedur, die im Laufe der Jahre natürlich öfter wiederholt werden niuss. Bei der Hasel wird ein stärkerer und daneben ein schwächerer Trieb stehen gelassen und letzterer um ersteren gewunden (Kringel). Wird ein solcher Baum abgehauen, so bleibt der Stumjjf mit dem Zeichen stehen. Hie Form des Zeichens gab bei den Heiden häufig die Hausmarke, bei den Christen war es das Kreuz.

Dr. Ritterling.

Bericht des Konservators über die Erwerbungen für das Altertums- Museum in Wiesbaden während des Jahres 1893.

Für die Räume des Museums, welche kaum mehr eine lehrreiche Auf- stellung, sondern nur noch eine Magazinierung erlauben, waren die Erwerbungen nicht unbedeutend. Wenn wir die bisherige Einteilung beibehalten, so sind aus der ältesten, etwa der terra mare-Zeit, uns durch die Güte des Herrn Dr. Peters in Schierstein eine Anzahl von Mardellen-Funden zugegangen, die in hohem Grade dankens- und beachtenswert sind, weil sie uns Formen geben, welche in hiesiger Gegend nicht, sondern nur etwa in den Pfahlbauten des Bodensees und auf dem Michelsberg bei Bruchsal zum Vorschein gekommen sind. Es sind zwei glockenförmige und ein ovales Gefäss, sowie einige Werk- zeuge von Hirschhorn, Knochen und Zahn. Hieran schliessen sich, etwa der Hallstädter Periode angehörig, einige Erzringe für den Hals, Arm und Fuss, die wir teils aus Weidenbach bei Nastätten erworben, teils im Walddistrikte Kippel bei Diedenbergen selbst ausgegraben haben. Die Funde sind nicht eben bezeichnend, weil sich trotz eines Feuersteinmessers auch noch eine Münze von Konstantin, sowie ein eiserner Nagel dabei gefunden hat. Aus jener Gegend

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stammt auch ein eigentümlicher Teil eines Mammutzahnes, den wir dem Herrn Gärtner Zorn aus Hofheim verdanken. Unbekannter Zeit, aber wohl der Umgegend von Frankfurt a. M. gehört ein schönes Bronze-IIammerbeil und ein Kelt mit Tülle an. Ein wahres Prachtexemplar einer vorrömischen Urne danken wir der Güte des llerrn Dr. A. Remy zu Weissenthurm, in dessen Fabriketablissement sie gefunden wurde; vermittelt wurde das Geschenk durch Herrn Landgerichtsrat Düsseil hier.

Interessanter noch waren mehrere römische Funde. Jm Rheine-au wird nur wenig gefunden, trotz seiner alten und reichen Bevölkerung, ohne Zweifel, weil in dem Abfall zum Rhein schon früher die Wälder ausgerodet und zu Feld kultiviert waren und die in alter Zeit entdeckten Altertümer schon damals zerstreut wurden. Desto angenehmer war uns ein Fund, der 1000 m westlich von Hallgarten in einem römischen Brandgrab gemacht worden war. Er bestand aus zwei, 29 und 24 cm hohen schwarzen Urnen mit Knochenasche, 1 1 gewöhnlichen Wasserkrüglein, 2 Sigillataschalen, einem kugelförmigen Glas- fläschchen mit Henkel, einer erzenen Gewandnadel und drei Münzen von Nerva, Konstantin und Tetricus, alle aus den untereinander ferngelegensten Zeiten.

Von grossem Interesse auch waren die Gegenstände aus einer in der Gaugasse in Mainz gefundenen Werkstätte eines Gold- und Schmelz- Arbeiters; wenn auch nicht der ganze Fund, so ist doch eine Anzahl von charakteristischen Stücken in unser Museum gekommen, die wir bereits im XXY. Annalenband pag. 30 beschrieben und auf Tafel IV abgebildet haben, nachdem wir schon im Jahre 1873 in unserem XII. Annalenband eine Be- schreibung des Schmelzverfahrens gegeben hatten. Wir erwähnen daher hier nur noch die drei emaillierten Zierscheiben von 3,5 cm Durchmesser in der Form unserer heutigen Manschettenknöpfe und die Kapellen, die, je nachdem sie zum Abtreiben von Blei aus den edlen Metallen schon benutzt worden sind, schwarz oder grau, wenn noch unbenutzt, weiss geblieben sind. Man wird immer mehr erkennen, dass zum Studium des Altertums auch die Kenntnis der neuen Zeit in Kunst und Werkweise erforderlich ist. Nahe verwant, wenn nicht derselben Technik angehörig, sind verschiedene Kratzen und Schüppchen von Erz und eine Schmiedezange, die wir aus Heddernheim erhalten haben. Nicht ganz sicher ist mir aber die Herkunft zweier schöner Bronzevasen, welche jedoch wahrscheinlich aus der Rheinpfalz stammen, die eine mit zwei kunstgerechten Seitengriffen ist 36 cm, die andere mit einem Überhenkel ist 24 cm hoch.

Für die römische Topographie unseres Landes ist die Auffindung eines römischen Bauwerkes, da wo die Felsen rechts des Wickerer Bachs dem Main am nächsten kommen, wichtig; es wird durch einen skulpierten Sandstein und einige Ziegel der LXXII C. V. bestimmt, welche wir der Aufmerksamkeit des Uhrenfabrikanten Herrn Hockel in Flörsheim verdanken. Aus einigen schon vor mehreren Jahren bei Dotzheim zerwühlten römischen Brandgräbeni em- pfingen wir 3 Scheren, 3 Messer, sowie einen Fingerring von Eisen mit Schmolz- kamee, eine Bronzefibula und eine Münze der Faustina junior. Wir verzeichnen noch einen schönen römischen Bronzehelm, eine desgleichen Schüssel und l^fanne

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eine Anzahl von Bronzeschniuckstücken, Fibnlas mit Schmelz, teils von Köln, teils von Ileddernh eim. Von erstgenanntem Orte aber heben wir hervor: einen sehr schönen goldenen Ohrring mit Filigran und. mit einer Berlock, welche unten eine kleine Kamee trägt, sowie zwei kleinere goldene Ohrringe, dazu noch einen schwarzen Becher mit aufgespritzter Jagd.

Aus dem Zug des Pfahlgrabens bei seinem Übergang über die Aar bei Adolfseck erhielten wir von der einstigen dortigen Brücke zwei unbeschlagene rfähle. Einen gut erhaltenen Lituus (Heereshorn). der bei Flörsheim durch den Baggermeister Schroeder aus dem Main gebaggert worden und mir be- stimmungsmässig durch den Herrn Regierungs-Baumeister Rössler übergeben worden war, habe ich gleichfalls bestimmungsmässig, weil er in Königlicher Arbelt und Arbeitsstelle zu Tag gekommen war, an das Königliche Museum in Berlin gesandt, nicht ohne einen sehr guten Gipsabguss durch die Gefälligkeit des Direktors des römisch-germanischen Museums Herrn Linden schrait für unser Museum empfangen zu haben.

Was wir von fränkischen Funden zu verzeichnen haben, ist ein schwarzes 8V2 cm hohes Töpfchen mit einem Schwert und einer Pfeilspitze, welches am südlichen Ausgange von Erbenheim bei Fundameutarbeiten gefunden wurde, und eine Bronzeschüssel aus Köln. Aus dem mehr oder minder späten Mittel- alter und der Renaissance wurden dem Museum einverleibt ein Vexierbecher von Steinzeug als Geschenk des verstorbenen Steuerrats von Wink 1er. Aus derselben Masse ein Tintenfass, einen Löwen vorstellend. Von dem Herrn Grafen zu Eltz ein eigentümliches flaschenförmiges Thongefäss ohne Auslauf, aber mit vier Seitenlöchern, als ob zum Einstecken von Blumen; sie finden sich öfters in den Weinbergen in Syrmien. Eine Anzahl von bemalten Glas- scheiben aus dem 16. und 17. Jahrhundert vom Niederrhein. Ein Krug von Steinzeug, sog. Bartmann, und zwei Butterständer vom selben Stoff, einst in Wiesbaden in Benutzung.

Es ist ein schöner Gebrauch, dass einige Glashütten, wie die von Villeroy und Boch in Wadgasseu und die von Herrn Ränder in Ehrenfeld, wie einst früher die von Tachi, uns ihre Nachahmungen antiker Gläser schenken. So erhielten wir eine Art Diatreta und zwei zierliche Kannen von ersterer Firma und dann von letztgenannter Firma die Nachbildung eines in Ostpreussen in einem Grabe bei Ossewen gefundenen Glashumpens. Wir sagen beiden unseren besten Dank. Eine Spaltaxt und das Zimmermanns-Zunftzeichen erhielten wir noch von dem leider hingeschiedenen Zimmermeister Herrn Jakob hier.

Durch die Aufmerksamkeit der Königlichen Wasserbaubeamten, insonderheit auch des Herrn Baurat Hensch und des Regierungsbaumeisters Herrn Rössler, empfing das Museum aus den Baggerarbeiten im Main, namentlich bei Höchst, eine Anzahl sehr verrosteter Waffen, welche aus der siegreichen Schlacht daselbst im Juni 1622, die der Feldmarschall Tilly gegen den Herzog Christian von Braunschweig schlug, dort verloren worden sind. Es sind Palasche, Säbel, Dolchmesser, Flinten mit Radschlössern, Sporen, Pferdegeschirr und einige nicht von dieser Niederlage herrührende Stücke.

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Von Herrn J. Iscnbcck liier, den wir als unseren Münzwardein ansehen dürfen, empfingen wir eine Münze von Marokko und eine von Kongo; von Herrn Niemer eine von Kongo und von Finland; von Herrn Direktor Spangen- berg in Merzig einen Gcrmanicus, und endlich von Herrn üaab hier, der unser Münzkabinett schon mit so vielen wertvollen Medaillen beehrt hat, eine solche von Gustav Adolf, Maria Theresia, Grossherzog Friedrich von Baden, Gutenberg und einen Silberthaler, welcher 1796 in Frankfurt aus kirchlichen und bürgerlichen Gcfässen zur Zahlung der französischen Kontribution geschlagen werden musste. Von Herrn Maurice Prou vom Medaillen-Kabinett der National-Bibliothek in Paris erhielten wir den Zinnfolien-Abdruck einer Münze von Theoderich, die wir auch besitzen, aber für eine Matasunda gehalten hatten.

Unsere ethnographische Sammlung nimmt eigentlich nur durch Ge- schenke, darunter aber sehr schätzenswerte, zu. Wir erwähnen vorläufig zwei Jericho-Kosen (die eine erst eben im Aufblühen begriffen von Herrn Tendelau), dann aber eine schöne Sammlung von der Goldküste, die wir der Frau Mann- heimer verdanken: es sind schön gearbeitete schwarze Thonschalen und eine Lampenschale mit Kreuzgriff, ein Schwert mit arabischen Zeichen auf der Klinge mit Gehänge, Zaumzeug, Dinge, welche die Haussa-Händler aus dem Innern von Afrika bringen, eine Kalebasse, Bogen, Pfeil und Köcher, Wurfspiess, Matten aus Lagunengras. Beigelegt sind einige Photographieen aus jenem Lande. Von Frau Polizei-Hauptmann Höhn und deren Fräulein Tochter empfingen wir ausser einer Anzahl wertvoller indischer und japanischer Münzen eine An- zahl von Gegenständen der Ai'uo, welche die nördlich von Japan gelegenen Inseln bewohnen, es sind namentlich fünf Überröcke mit Stickerei, Schürzen, Gürtel, Stirnbinden und Leibbinden, Schneeschuhe und Schuhe aus Fischhaut, Perlschnüre, Löffel, Messer, Webegeräte, Schilfmatten, Bogen und Pfeile, ein Fetisch, der Kopf eines Albatross.

Allen gütigen Gebern und Geberinnen wird hiermit nochmals der Dank unseres Museums ausgesprochen.

Das Museum war 1892 von 3867, im Jahre 1893 von 4668 Personen besucht.

Oberst von Cohausen.

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NASSAUISCIIE ALTERTUMSKUNDE

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GESCHICHTSFOPiSCHüNfi.

ANNALEN DES VEREINS

FÜR

[AS8AÜI8CIIE ALTERTUMSKUNDE

UND

GESCHICHTSFORSCHUNG.

SIEBENUNDZWANZIGSTER BAND. 18 9 5,

Mit dem BildiNisse des Konseuvators A. v. Cohausen, drei lithographierten

Tafeln und 25 Textabbildungen.

WIESBADEN.

VERLAG VON RUD. BECHTOLD & COMP. 1895.

Inhalts-Verzeichnis

des siebenundzwanzigsten Bandes.

Seite

I. Karl August von Cohausen, Oberst z. D. und Königliclier Konservator, f am

2. Dezember 1894. Von B. Florseh ütz 1

II. Drei Münzfunde aus Nassau. Von J. Isenbeck 9

III. Töpfer- und Ziegelstempel der flavischen und vorflavischen Zeit aus

dem unteren Maingebiete. Von Prof. Dr. Georg Wolff 39

IV. Goethe in Nassau. Von Friedrieh Otto. Mit zwei Tafeln (I u. II) . . . 5cJ V. Zur Abwehr. Von A. Seh lieben 189

VI. Erfindung und erste Einrichtung der Wassermühlen. Von A. Sehlieben.

:»iit einer Tafel (III) 19U

VII. Einige Bemerkungen zu dem Aufsatze von Conrady: „Die Geschichte

des Hauses Nassau", in Annalen XXVI. Von Dr. W. Sauer . . . . 195

YlII. Christian Daniel Vogel. Von Dr. W. Sauer 197

IX. Zu den Ruprechten von Nassau und ihren Gemahlinnen. Von Professor

Joseph Hillebrand 209

X. Berichtigungen zu Bd. XXVI der Annalen. Von Landgeriehtsrafc Düssell 214 XI. Römische Geschütze, Von 0. Dahm, Oberstlieutenant a. D. Mit 2.") Ab- bildungen 215

XII. Erwiderung auf „Einige Bemerkungen zu dem Aufsätze von Conrady: .,Die

Gescliichte des Hauses Nassau", in Annalen XXVI ''. Von Ludw. Conrady 22'6

Xin. Vereins-Nachrichten,

Bericht des Sekretärs Dr. Adalbert Schroeter (f. d. Etatsjabr vom 1. April

1894 bis 31. März 1895) 227

Darin Vorträge:

Florschütz: Slavisehe Bauernburgen, S. 232, Schlieben: Die Martinsgans, S. 232. Sartorius: Das Postwesen der Römer, S. 234. Heuer: Wesen und Ziele der historischen Forschung, S. 235. Florseliütz: Die Mardellen, S. 235. Wedewer, Die Geissler- fahrten und andere Bussprozessionen des 31ittelalters, S. 236. Caesar: Das Leben der höfisch-ritterlichen Gesellschaft zur Zeit der Hohcnstaufen, S. 237. ]\Ieinardus: Das politische Testament des Grafen Johannes von Idstein- Wiesbaden (1603 1(577), S. 239. Stinnes: Die Entwickelung des Bergbaues in den ältesten Zeiten, S. 241.

VI

Seite

A'orträge der , historischen Sektion":

Grimm: Marken und Markgenossenschaften, S. 242. Grimm: Zeit und Veranlassung des Baues der Casteler Landwehr und ihrer "Warten, S. 243. Otto: Mühlen im Gebiete der Stadt Wiesbaden zu Ende des l.ö. Jahrhunderts, S. 244. Sauer: Wappen der rheingau- ischen Städte und Dörfer, S. 244.

Bericht des Konservators über die Erwerbungen für das Altertums-Museum

in Wiesbaden während des Jahres 1894 245

XIV. Verzeichnis der Mitglieder -^8

XV. Verzeichnis der Akademien, Gesellschaften, Institute und Vereine, deren

Druckschriften der Verein in regelmässigem Schriftenaustausch erhält 259 XVI. Inhalts -Angabe der Bände I XXVI der Annalen des Vereins für

Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 265

Berichtigung:.

Durcli ein Versehen ist auf S. 235, Z. 18 v. u. Herr Baurat Winter als Konservator

angegeben. Dieser Satz ist zu streichen.

Sendungen, die für dm Verein bestimmt sind, beliebe man an den Verein, nicht an ein einzelnes MiUßied des Vorstandes zu adressieren.

hRVCK VON RÜD. BECHTOFiD & COMP., WIESBADEX.

BUClIllRDCKF.KKt 4 MTHOGK. ANSTATT.

Karl August von Cobausen,

Oberst /. D. iiiul Küiiigl. Kouservator, f ain 2. Dezember 1894.

Der Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung und mit ilim die gesamte archäologische Wissenschaft hat in diesem neuen Bande seiner Annalen einen schweren Verlust zu verzeichnen. In der Nacht vom 1. zum 2. Dezember vorigen Jahres verschied plötzlich und unerwartet der weit über die Grenzen des Vaterlandes bekannte und hochgeschätzte Königl. Konservator, Herr Oberst z. D. Karl August von Cohausen. Trotz fast vollendeter 83 Lebensjahre war der Verblichene, abgesehen von einer vor etwa 4 Jahren überstandeneu längeren Influenza-Erkrankung, bis zu seinem letzten Tage von rüstiger Körperkraft und Gesundheit, und alle Wiesbadener werden sich gerne der ritterlichen Erscheinung erinnern, wie sie mit den klugen, wohl- wollenden Augen, dem ehrwürdigen weissen Barte und dem mächtigen schwarzen Schlapphute sich durch die Strassen der Stadt bewegte, oder ihm, den zusammen- gelegten Poncho auf der Schulter und den Hakenstock am Arme hängend draussen in Wald und Feld begegnete. Am beneidenswertesten aber war die seltene geistige Frische, welche der hochbetagte Mann sich bewahrt hatte, und die seit seiner letzten Erkrankung unter dem Einflüsse einer gross angelegten wissenschaftlichen Arbeit, welcher er sich mit eisernem Fleisse unterzogen hatte, in neuer Zunahme begriflen schien. Noch am letzten Abend war er der heiterste in seinem traulichen Familienkreise und nahm sich noch verschiedene Briefe mit ins Schlafzimmer, die er an demselben Abend vor dem Einschlafen im Bett lesen wollte; früh fand man ihn, seit Stunden bereits ruhig entschlafen, ohne irgend welche Spur eines Todeskampfes. Ein Schlagfluss hatte seinem an Arbeit und an Ehren reichen Leben ein glückliches schmerzloses Ende bereitet.

Karl August von Cohausen wurde am 17. April 1812 zu Rom, in dem damaligen kaiserlich-französischen Postgebäude, dem Pulazzo Firenze, geboren. Sein Vater, Salentin von Cohausen, fungierte unter der napoleonischen Herr- schaft als diredeur des estafettes; seine Mutter war eine geborene Freiin von Leoprechting. Seine Kinder- und Jugendjahre verlebte Karl August von Cohausen in Heidelberg, Koblenz, Mannheim bei seiner Mutter Schwester Frau von Steube und Saarburg, woselbst sein Vater Laudrat war, dann wieder bei Verwandten in Heidelberg und absolvierte seine Gymnasialzeit 1831 in Trier. Im August desselben Jahres begann er seine militärische Laufbahn durch den

Eintritt bei der 8. Pionierabteilung in Koblenz; seine niatlieniatisch und technisch hochentwickelte Veranlagung hatte ihn sich für diese interessante und anregende Disziplin entscheiden lassen. 1833 avancierte er zum Offizier, um alsdann die Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin zu besuchen, wo er gleichzeitig den anreo-endsten Verkehr im Meuseb ach 'sehen Hause bei Bettina v. Arnim, Goethes Freundin, fand. Nachdem er noch in Luxemburg und Erfurt gestanden, nahm er 1840 seinen Abschied, um in der berühmten Steingutfabrik von Villeroy u. Boch zu Mettlach die Stelle eines zweiten Direktors zu bekleiden und daselbst am 24. April 1841 den Ehebund mit seiner Cousine Frl. Klothilde von Cohausen, vs- eiche ihn jetzt als Witwe betrauert, zu schliessen. In dieser Stelluno- verblieb er bis zu dem Jahre 1848 und eignete sich dabei solch prak- tische Erfahrungen auf dem Gebiete der gesamten Keramik an, dass er wohl mit Recht als einer der berufensten Kenner derselben, von ihren ältesten Perioden bis zur Neuzeit, bezeichnet werden durfte, wie er denn auch in dieser Eigenschaft im Jahre 1873 nach Wien zur Jury für die keramische Abteilung der Weltausstellung berufen wurde. Während dieser Zeit erbaute er auch in Mettlach 1842 die dortige katholische Kirche, sowie die in dem nahe gelegenen Orte Saar-Holzbach.

Die Ereignisse des Jahres 1848 liessen dem jungen thatkräftigen Manne in dem Stilleben Mettlachs keine Ruhe. Er meldete sich von neuem zur Armee und trat als Premier-Leutnant wieder in Saarlouis ein, ist aber stets in dem treuesten Freundschaftsverhältnis mit der Familie Villeroy & Boch geblieben. Dann stand er im Hunsrück und zu Köln. Auf dem Hunsrück fand er Gelegen- heit, sich zum erstenmale eingehend mit den dort befindlichen zahlreichen Be- festigungen der Vorzeit zu beschäftigen, ein Studium, welchem er von da ab bis zum höchsten Alter oblag, und welches durch die eingehendsten Forschungen der burglichen Bauten des Mittelalters bis zur modernen Befestigungsweise erweitert, ihn zu dem gediegensten Kenner dieses ebenso schwierigen wie interessanten Gebietes werden liess. Die mustergiltige Aufnahme zahlloser Be- festigungen aus der älteren und mittleren Zeit, welche seine geschickte Hand entworfen, haben bei Gelegenheit dieser Untersuchungen im Hunsrück ihren Anfang genommen. Von dort aus wurde der hochtalentierte Ingenieur- Offizier nach Mainz kommandiert, wo noch heute mancher Teil der Befestigungen, speziell in den ebenso praktischen wie gefälligen eisernen Sperrthoren, an seine Thätigkeit erinnert. Dann wurde er als Hauptmann nach Ehrenbreitstein ver- setzt, woselbst er eine rege Thätigkeit im Baufach entwickelte. Er errichtete u. a. die dortigen Thalbefestigungen vom Pfaffendorferthore nach dem Aster- stein, — der schöne Luisenturm dort ist ebenfalls sein Werk.— und von da nach dem Blindthal und Clausenberg, woselbst er die Burg Buschmann aus- führte, und dann weiterhin nach dem Sauerwasserthor mit den beiden schönen Türmen bis hinauf zu Oberehrenbreitstein. Ebenso ist er der Erbauer des von der Kaiserin Augusta so viel und gern besuchten dortigen Klosters der barm- herzigen Schwestern. Im Jahre 1857 trat er sodann eine grössere Reise durch das Deutschordensland in Preussen und nach Italien an, um die dortigen mittel- alterlichen Befestigungsbauten zu studieren. Im Jahre 1858 wurde er der

Bundosmilitürkomniission in Frankfurt a. M. beigogoben, hatte sich aber bereits ein solches Ansehen als praktischer Archäologe im In- und Auslande erworben, dass er im Jahre 1802 von Napoleon III. berufen wurde, um an dessen, seiner- zeit epochemachendem Werke: „Julius Ceasar" mit Hat und That teilzu- nehmen; er verweilte 10 Tage in Compiegne als Gast des Kaisers. Ebenso bekam er von der preussischen Regierung den höchst ehrenvollen Auftrag, die Fundstätte des Ilildcslieimcr Silberschatzes einer exakten Durchforschung zu unterziehen und den Wert des grossartigen Schatzes, sowie alle mit dessen Auffindung verbundenen finanziellen Fragen festzustellen und zu erledigen. Im übrigen blieb er in Frankfurt a. M. bis 1860, um hierauf zur preussischen Ge- sandtschaft nach Paris als Militär-Attache kommandiert zu werden. Im Jahre 1870 fungierte er als Platzingenieur zunächst in Minden und späterhin in Koblenz, woselbst er sich durch die technisch vollendete und äusserst geschickte Ausführung zweier grosser Barackenlager für die 25000 daselbst internierten Franzosen auszeichnete und die Gefahr einer drohenden Revolte derselben in der Neujahrsnacht 1870/71 durch Energie und Kaltblütigkeit abzuweisen ver- stand. Diese Barackenlager, von denen das erste auf der Veste Alexander, im Volksmunde Karthause, das zweite späterhin hinter der Yeste Franz auf der linken Moselseite von ihm angelegt wurden, waren die mustergiltigsten in ganz Deutschland und so eingerichtet, dass sie unter dem Feuer von Kanonen standen, deren Batterien elektrisch untereinander verbunden waren. Durch diese Einrichtung würden bei dem ersten Anzeichen einer Revolte beide Lager sofort von einem Hagel von Kartätschen überschüttet worden sein, während die Wach- mannschaften durch unterirdisch angebrachte Gänge ihre rechtzeitige Deckung finden konnten.

Im Jahre 1871 wurde von Cohausen als Königl. Konservator für die Provinz Nassau-Homburg angestellt, welche Stellung er bis zu seinem Tode inne hatte; gleichzeitig war er von 1874 ab Mitglied des römisch-germanischen Central-Museums in Mainz, sowie seit 1885 des germanischen Museums in Nürnberg; auch diese Kreise werden dem Verblichenen ein ehrendes und dank- bares Andenken bewahren.

In dieser Stellung als Konservator in Wiesbaden war es von Cohausen ermöglicht, seine ganze Arbeitskraft der praktischen Erforschung der Alter- tümer unseres hiermit so reich gesegneten Landes zuzuwenden, und die in den Annalen und anderen Schriften von seiner Hand niedergelegten Mitteilungen, sowie die zahlreichen Altertümer, mit denen er unser Museum bereichert hat, sind die besten Zeugen für die rastlose Thätigkeit des bis zu seinem Tode unermüdlichen Forschers. Mit dem scharfen Blick des Pioniers und Ingenieur- Offiziers entdeckte er jede künstliche Erhebung des Bodens, mochte dieselbe ein Hügelgrab oder ein altes Schanzwerk bedeuten; mit allen nötigen Mess- instrumenten war er von Jugend auf vertraut ; der Spaten förderte ihm sicher das zu Tage, was der Boden an Altertümern barg, und als Mann der realen Praxis war er nur von dem überzeugt, was er selbst mit eigenen Händen daraus hervorgeholt hatte. Er war eben ein durchaus nüchterner Forscher, der durch sein praktisches Vorg^ehen der Altertumswissejischaft die wichtigsten

I*

Dienste geleistet hat, allen Freunden gründlicher Forschung ein lehrreiches, anspornendes Beispiel, Andern freilich, die nur auf schriftliche Überlieferungen oder auf den freien Spielraum ihrer Phantasie sich verliessen, nicht immer ganz beiiuem. Neben seinen nicht hoch genug zu veranschlagenden tech- nischen Kenntnissen und der durch ein langes Leben herausgcbildeteu archäo- loo-ischen Erfahrungen stand ihm ein reiches Wissen auf den meisten natur- wissenschaftlichen Disziplinen zu Gebote, welche mit dem Studium der Alter- tumskunde verknüpft sind. Er war ein guter Geologe und Botaniker; die Paläontologie war ihm eine liebe Freundin ; als selbstthätigem Baumeister wurde ihm Wesen und Eigenart der ältesten und ursprünglichsten Bauwerke durch das Mittelalter hindurch bis in die neueste Zeit so bekannt und vertraut, wie kaum je einem Anderen. Und so gehörte eine Wanderung mit dem rüstigen Manne zu den schönsten Genüssen. Jede Pflanze am Wege war ihm bekannt wie die Tierwelt, die sich um sie bewegte, jedes irgend fremdartige Gestein erregte sein Interesse ; auf jede Verwerfung im Gebirge machte er aufmerksam, keine mittelalterliche Befestigung um eine alte Stadt oder einen alten Friedhof mit Kirche entging seinem Auge ; sorgfaltig ward die Anlage der Dörfer, sowie die Bauweise und das Material ihrer Häuser studiert; dabei wurde kein interessanter Baum vergessen und noch weniger die Eigenart der Menschen- kinder, denen man unterwegs begegnete. Und wie so ganz besonders inte- ressant und belehrend war die Untersuchung der alten Befestigungswerke, vom einfachen uralten Abschuittswall bis zum trutzigen Bergfried der mittel- alterlichen Burgen und darüber hinaus zu den modernsten Befestigungswerken ! Aus dem Schatze seiner Leistungen auf nassauischem Boden soll nur einiges hervorgehoben werden. Es sei hier zunächst nur an seine bahn- brechenden Arbeiten über die Ringwälle des Taunus erinnert, in welchen er als Erster die ursprüngliche Einlagerung von Hölzern zwischen den Stein- setzungen betonte und auf dem Altkönig selbst direkt nachweisen konnte ; seine allerorts angestellten Untersuchungen über die fast bei jeder solcher Be- festigungen nachweisbaren , örtlich auftretenden Yerschlackungen des an- gewandten Steinmaterials haben den Begriff der sogenannten Glasburgen in Deutschland beseitigt. Epochemachend für die Kunde der Urzeit waren seine Ausgrabungen in den Höhlen von Steeden an der Lahn; ihre Resultate stellen sich denen der berühmtesten diluvialen Fundorte vollständig ebenbürtig zur Seite schade nur, dass ihre Kenntnisnahme wenig über das Gebiet der Annalen des Nass. Altertumsvereines hinausgedrungen ist. Die zahlreichen Burgen unseres Landes und noch weit über dessen Grenzen hinaus haben in von Cohausen, welchem auf diesem Gebiete nur v. Essenwein nahe kam, ihren besten und gründlichsten Darsteller gefunden. Yon höchster Bedeutung waren seine Erforschungen des riunischen Grenzwalles, welche er in einem umfangreichen Werke mit zahlreichen Tafeln niederlegte; dieses Werk bildet heute noch, wenn auch an manchen Punkten durch die neuesten Explorationen erweitert und vervollständigt, die Basis für die durch Mommsen ins Leben gerufene Limesforschung, zu deren Kommission er selbst einberufen wurde. Es würde allein genügen, dem Yerstorbonen ein dauerndes Andenken zu sichern,

Auf techniscliom Gebiete beschäftigte er sich neben vielem Anderen mit dem Studium des römischen Schmelzschmuckes ; seine Arbeiten über römische und überhaupt alte Schlösser und Schlüssel sind bis jetzt nicht übertroffen. Sein LiebHngskind aber war die schöne Saalburg bei Homburg v. d. Höhe, das best erhaltene Römerkastell auf deutschem Boden, für welciies er auch das höchste Interesse eines Mannes wie Moltke zu erwecken wusste. Dort hat er raehrtausendjähriges Mauerwerk konservieren gelehrt, wie vor ihm noch kein Anderer; seine Methode, den Mauerresten eine flache Cementmulde mit eingepflanztem Grasboden aufzusetzen, ist wohl jetzt von allen Konser- vatoren angenommen. Im übrigen sind die BegriflFe Saalburg und von Cohausen überhaupt unzertrennlich, und was er da oben auf der alten Passhöhe des Taunus zusammen mit seinem ebenso eifrigen wie genialen Freunde und Mit- arbeiter, dem Baumeister Jacobi zu Homburg, geschaffen hat, kann nur der verstehen, der die Saalburg und das Saalburg-Museum eingehend studiert hat.

Es ist wohl selbstverständlich, dass der Verewigte bei solcher Befähigung und allseitiger Bethätigung derselben, die er in grösseren und kleineren Arbeiten veröffentlichte, einen weit ausgedehnten Kreis von Freunden und geistigen Mitarbeitern finden musste. Aber auch die Anerkennung von höchster Seite hat ihm nicht gefehlt. Wir erwähnten oben seine ehrenvolle Berufung zur Untersuchung des Ilildesheimer Silberfundes, sowie zu den wissenschaft- lichen Arbeiten Napoleons III. ; aber auch unser Kaiserhaus ist zu ihm in nahe und herzlich warme Beziehung getreten. Wie hatte unser hochseliger Kaiser Friedrich unter seiner Führung die alten römischen Reste da oben lieb ge- wonnen und wie oft hat er, selbst ein feiner Kenner römischer Altertümer, dort zu seiner Erholung geweilt! Das Gleiche gilt von Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, welche so oft an der Seite des altehrwürdigen Mannes mit seinem grossen schwarzen Schlapphute den klassischen Boden betreten hat und heute noch mit grösstem Interesse den dortigen Ausgrabungen folgt. Das Gleiche ebenso endlich von unserem hochverehrten Kaiser Wilhelm IL, der auf der Saalburg seine ersten mit bestem Erfolge gekrönten Ausgrabungen gemacht und dort, wie im Museum zu Wiesbaden, unter von Cohausens Augen, welcher Allerhöchstihm auch die Heidenmauer demonstrierte, sich die ersten archäo- logischen Sporen verdiente.

Karl August von Cohausen war ein energischer, in sich fest ab- geschlossener und zielbewusster Charakter; er war nicht nachtragend und wusste jedem Gegner die beste Seite abzugewinnen und zu achten. Von tief religiöser Veranlagung, besass er ein reiches, für alles Gute und Schöne empfängliches Gemüt und war ein begeisterter Verehrer der Kunst und Wissenschaft. Seinen Freunden aber war er immer der treueste und un- eigennützigste Berater.

Jetzt ruht er auf der vorspringenden Ecke des hohen Friedhofes von Pfaffeudorf am Rhein, in welchem Orte die Familie einen kleinen Besitz hat. Seine Familien-Grabstätte hat er noch ein Jahr vor seinem Tode dort selbst angelegt und Alles selbst bestimmt. Er hat sich eine herrliche Stelle gewählt; rechts liegt das stolze Ehrenbreitstein, an dessen Befestigung er so fleissig und

6

geschickt mifgeaibeitet hat. von drüben grüsst das ihm so Heb gewordene Koblenz und zu seinen Füssen weit unten im Thale ziehen die grünen Wogen des schönsten deutschen Stromes, zu dessen geschichthcher und vor- geschichtlicher Ergründung er so viel beigetragen,

Friede seiner Asche, und Ehre seinem Andenken !

Aus den zahlreichen litterarischen Arbeiten heben wir nach dem Jahre ihres Erscheinens folgende hervor :

1842 Hohlziegelbrücke in Mettlach (Philanthrop in Trier).

1848 Eulcnspiegel, vom Bauen (Merziger Bauernfreund No. 40, 41).

1852 Verschanzungen auf dem Hunsrücken (Bonner Jahrbücher XVIII). Der Palast zu Ingelheim (Mainzer Altertümer).

1853 Restauration von Ingelheim (Bonner Jahrbücher).

1854 Verschanzungen bei Koblenz (Bonner Jahrbücher XXVI).

1857 Reli(iuienschrein in Mettlach (Zeitschrift f. christl. Archäologie).

1859 Die Kirche St. Nicola da Mira in Giornica (Zeitschrift f. Bauwesen).

1860 Bergfriede (Bonner Jahrbücher XXVIII).

1861 Rezension von Lindenschmids ,,Hohenzollersche Altertümer" (Korrespondenz-

blatt des Gesamtvereines).

1862 Ringwälle (Westermanns Monatshefte).

1863 Verschanzte Dörfer auf dem Gau (Westermanns Monatshefte).

1864 Besprechung von Prevast forts vitrißcds (Bonner Jahrbücher). Aufstellung von Hinterladern (Archiv f. Artill.- u. Ing.-Offiziere). Feuchte Kasematten (daselbst).

1865 Der hohe Turm in Neckar-Bischofsheim (Anz. für Kunde d. deutsch. Vorzeit).

1866 Einleitung (Zeitschrift f. preussische Landeskunde).

Terrain de filementsplane (Archiv f. Artill.- u. Ing.-Offiziere, 59. Band).

Selbstwirkende Thorverschlüsse (daselbst).

Bockenheimerwarte (Didaskalia).

Fahrthor (daselbst).

Eschenheimer Turm (daselbst).

Römische Wasserleitungen in Trier, Mainz und Köln und ein ähnliches Projekt

für Frankfurt (Frankfurter Reform). Kultur der Bronzezeit (Anthropologische Zeitschrift). Römische Steinbrüche am Felsberg.

1867 Vermutliche Schlackenwälle bei Koblenz (Bonner Jahrbücher XLII). Schallgcfässe, Altbaumburg a. d. Nahe (Bonner Jahrbücher). Caesar am Rhein (Bonner Jahrbücher XLIII).

Caesars Rheinbrücken (Leipzig b. Teubner).

1868 Eschenheimer Thor (Zeitschrift f. Bauwesen).

Brückenbogen unter der Fahrgasse (Mitteilungen au die Mitglieder des Frankfurter Yereins).

1869 Caesar am Rhein (Bonner Jahrbücher XLVII u. XLVHI).

Beiträge zur Gesch. d. Befestigung Frankfurts (Archiv f. Frankfurter Gesch. u. Kunstj.

Fundstelle des Silbcrscliatzes (Ilildcslieimer Sonntagsblatt). Von der Burg (Bazar).

1870 Kasernen-Abtritte. Geschiebte d. Abtritts (Archiv f. Ing.- u. Artill.-OH.) Kuppelgewölbe (daselbst).

Sehniass I und II (Bazar).

Silberfundstelle bei Ilildeshcini (Anz. f. Kunde d. deutschen Vorzeit).

1871 Boppard (Bonner Jahrbücher).

Der alte Turm in Mcttlach (Zeitschr. f. Bauwesen). Gefangenenlager bei Koblenz (ebenda).

1873 Index. Feuchtigkeit d. Pulvermagazine (Archiv f. Ing.- u. Artill.-Off.). Brücken von Hohlziegeln (Zeitschr. f. Bauwesen).

Der römische Schmelzschmuck (Annalen XII).

Gräber im Kammerforst (Annalen XII).

Portal zu Lorch (Annalen XII).

Miscellen (Annalen XII).

Von Stiefeln und einigem Anderen (Bazar).

Der See (Bazar).

Der Schmuck der ältesten Bewohner Deutschlands (Bazar).

Wärme- und Kühlkugeln (Bazar).

1874 Schlüssel und Schlösser bei den Römern (Annalen XIII). Das Rheingauer Gebück (Annalen XIII).

Miscellen, Gläser, Renaissance-Architektur (Annalen XIV). Industrie der Stein-, Thon- und Glaswaren (in dem amtl. Bericht über die Wiener Ausstellung). 187G Römische Steinbrüche am Felsberg an der Bergstrasse, von Cohausen und Wörner (Darmstadt, Brill).

1877 Aulofen in Saulberg und Wölbtöpfe (Annalen XIV). Ursprung des Dorfes Glashütten (Annalen XIV). Hügelgräber im goldenen Grund (Annalen XIV). Hügelgräber im Schiersteiner Wald-Pfuhl (Annalen XIV). Hügelgräber zwischen Nahe und Hunsrücken (daselbst). Miscellen, Ileidenmauer, deutsch. Gläser (daselbst).

1878 Rümerkastell Saalburg, von Cohausen und Jacobi (Homburg b. Fraunholz).

1879 Spinnen und Weben bei den Alten (Annalen XV). Zur Geschichte der ^Eisenindustrie (Annalen XV). Guttus, Mamilla, Veniculum (Annalen XV). Höhlen und Wallburg bei Steeden (Annalen XV).

Die Wallburgen, Landwehren, Schanzen im Reg.-Bez. Wiesbaden (ebenda).

Miscellen. Frankengräber (Annalen XV).

Merkwürdige Bäume. Würfel (Annalen XV).

Die Thon- und Glaswaren auf der Pariser Ausstellung (Gewerbebl. Wiesbaden).

Ländliche Waschanstalten (Gewerbebl. Wiesbaden).

Dekoration der Fussböden (Zeitschrift f. Baukunde).

Wehrbauten zwischen Rhein, Main und Lahn (daselbst).

1880 Die Altertümer im Fürstentum Birkcnfeld (Picks Monatsheft). Über den Bau und die Einrichtung der Provinzial-Museen (ebenda).

1881 Erinnerungen aus IlohenzoUern (Korresp.-Blatt des Ges.-Ver.).

1882 Höhlen von Steeden. Hügelgräber bei Höhr. Hügelgräber bei Brandobern- dorf. - Hügelgräber im Wald Pfarrhofen bei Nastätten. Reihengräber.

8

\Vallburgeii. Höhlen. Röinisclie Bauwerke. Ilypokausten. Mittelalter- liche Bauwerke, Zur Toiiograiihie des alten Wiesbaden. Inschriften (Aunalen XYII).

1884 Der römische Grenzwall in Deutschland (Wiesbaden),

1 Band Text, 1 Band Tafeln (Nachtrag dafür 1886 ebenda).

Prähistorische Funde von Niederwalluf und Homburg (Annalen XVIII).

Die Hügelgräber im Schwanheimer Wald und die Schwedenschanze bei Kelster- bach am IMain (Annalen XVIII).

Wallburgen, Altkönig (daselbst).

Römische Bauwerke in der Nähe von Homburg, Frankfurt u. Bergen (daselbst).

Römische Altertümer (daselbst).

Zur Geschichte der Feuerwaüen (daselbst).

Zur Topographie des alten Wiesbaden (daselbst).

Rekonstruktion von Waffen v, d, Kaiser (daselbst).

Der Schlackenwall Monreal (anthrop, Korrespondenzblatt).

Erhaltung der Baudenkmäler (Centralblatt d, Bauvcrwaltung),

Peter Weismüller, Nekrolog (Töpfer-Zeitung),

1885 Die Saalburg (Westermanns Monatshefte), ^lainaltertümer (Wochenblatt f, Baukunde).

1886 Kleine Notizen (Annalen XIX).

Kastell an der Saar (Westermanns Monatshefte), Adler-Turm (Zeitschrift f, Bauwesen). Wehrbauten in Rüdesheim (Centralblatt).

1887 Mauerverbände an alten Bauwerken des Rheinlaudes (Zeitschrift f. Bauwesen). Ein Craniograph (Archiv f, Anthropologie),

1888 Der cymbelnschlagende Satyr, Die Hünerburg. Arbeiten auf der Saalburg.

Alte Wälle und Gräben. Die Burgen in Rüdesheim, Zur Topographie des alten Wiesbaden. Die Steinkammer bei Erdbach. Die Ruderskapelle.

Römische Mainbrücken. Nekrolog auf Max Ileckmann (Annalen XX).

1889 Kleine Mitteilungen (Annalen XXI).

1890 Burgen von Nassau (Annalen XXII).

Führer durch das Altertums-Museum (Wiesbaden).

1891 Die Altertümer im Rheinlande (Bechtold. Wiesbaden).

Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, sein Werk, für das er seit seiner Jugend gesammelt hat, zu vollenden, „Befestiguugsweiscn der Vorzeit und des Mittelalters.'' Seine letzte Arbeit war ein kleiner Aufsatz „Zur Geschichte der Bastion", welche kurz nach seinem Tode in der Zeitschrift: „Archiv für Artillerie- und Ingenieur-Schule" erschien.

J>. Florschütz.

Drei Münzfunde aus Nassau.

Von

J. IsenbscL

1471-

-1486

1

Stück

1449-

-1476

5

»

1434-

-1459

1

»

1461-

-1475

3

»

1388-

-1418

1

»

1439-

-1456

2

n

1456-

-1503

2

n

1414-

-1462

1

«

I.

Im November 1880 wurden zu Bremthal nach dem Brande einer Scheune bei der darauffolgenden Neugrabung eines Kellers durch den Flurschütz Ernst 16 Goldgulden und 54 Groschen resp. Albus' in einem irdenen Töpfchen ge- funden. Die Goldgulden waren von :

Brandenburg-Franken : Albrecht Achilles Pfalz : Friedrich, in Bacharach geprägt Mainz : Dietrich von Erbach, in Mainz geprägt

do. Adolf II. von Nassau,

Trier: Werner, in Oberwesel

Jakob, Koblenz

Johann,

Köln : Dietrich von Mors, Riele

Die Groschen erwarb ich und verzeichne sie nachstehend. Der Fund muss nach 1471 vergraben worden sein, da in diesem Jahre Albrecht Achilles erst zur Regierung kam.

1. Pfalz: Pfalzgraf Ludwig IV., 1439—1449. Weissgroschen, in Bacharach geprägt, von 1445.

Hs. * ir'(n)IiO D(omi)ttr ~ ^IMiXLV

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und

Schlüssel; darunter ein hochgeteilter Wsch., rechts der Löwe 1. von

Pfalz, links die Wecken von Bayern. Rs. MORG'(ta) ~ ROYir * BiraR(arach)

In einem spitzen Dreipass der gevierete Wsch,, 1. u. 4. Feld der Löwe 1.

von Pfalz, 2, u. 3, Feld die Wecken von Bayern. In den Spitzen des Dreipasses befinden sich kleine Wsch., zur Rechten

das Rad von Mainz, zur Linken das Kreuz von Trier, unten das Kreuz

von Köln. Grösse 25 Mm. Gewicht 2,00 Gr.

10

2. Pfalz: Pfalzgraf Ludwig lY., 1439—1449.

Weissgroschen von Bacharach von 144S.

Hs. . IT . DR OCX in XLYin Wie No. 1. Rs. . MORÖ' ttOVIT BITair Wie No. 1.

Grösse 25 Mm. Gewicht 1,70 Gr.

3. Pfalz: Pfalzgraf Ludwig IV., 1439—1449.

Woissgroschen von Bacharach ohne Jahr.

Hs. LYDWr a'(omes) > P^al-tmus) R'(heni) * DYX B'(avariae)

Wie No. 1. Rs. . MORÖ' * U0\^ * BTidlV Wie No. 1.

Grösse 25 Mm. Gewicht 2,20 Gr.

4. Pfalz: Pfalzgraf Ludwig HL, 1410—1436.

Weissgroschen von Bacharacli ohne Jahr.

Hs. .LYDWia'.a'.P'.R'.DYX.BTT

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und

Schlüssel. Rs. f MOR90 u ° ROYIT ^- * Biraßl

In einem spitzen Dreipass der gevierete Wsch., 1. u. 4. Feld der Löwe 1.

von Pfalz, 2. u. 3. Feld die Wecken von Bayern. In den Spitzen des Dreipasses befinden sich kleine Wsch,, darin zur Rechten

das Rad von Mainz, zur Linken das Kreuz von Trier, unten der Löwe 1.

von Jülich. Grösse 24 Mm, Gewicht 2,00 Gr.

5. Pfalz: Pfalzgraf Friedrich, 1449—1476.

2 Stück Weissgroschen, zu Bacharach geprägt.

Hs. FRID' a' P' R' DYX * BIT'

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St, Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel über dem hochgeteilten Pfalz-Bayerischen Wsch., rechts der Löwe 1. von Pfalz, links die Wecken von Bayern.

Rs. * MORÖ' * R0Y1T * * Biraii'

In einem spitzen Dreipass der gevierete Wsch., 1. u. 4. Feld der Löwe I.

von Pfalz, 2. u. 3. Feld die Wecken von Bayern. In den Spitzen des Dreipasses kleinere Wsch., darin in dem Wsch, oben

rechts das Rad von Mainz, links das Kreuz von Trier, unten das Kreuz

von Köln. Grösse 24 Mm. Gewicht 2,20 Gr.

6. Pfalz: Pfalzgraf Friedrich, 1449—1476.

Weissgrosclien, zu Bacharach geprägt.

Ganz wie die vorstehenden, aber mit der Kontremarke von Hildesheim,

dem gekrönten ^ bezeichnet. Grösse 25 Mm. Gewicht 2,10 Gr.

11

7. Pfalz: Pfalzgraf Friedrich, 1449—1476. Weissgrosehen, zu Heidelberg geprägt. Hs. Wie No. 5.

Rs. * MORÖ'— * ROYTr * liälDttKberg) Die Wappen wie auf No. 5. Grösse 24 Mm. Gewicht 2,10 Gr.

8. Mainz: Erzbischof Theodor Graf von Erbach, 1434—1459.

Weissgroschen, ia Bingen geprägt.

Hs. * TnaODlM^ TrRaPr.M(oguntiae)

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel, darunter der Wsch. von Erbach mit den 3 Sternen: 2 u. 1.

Rs. Oben: * IKiö'^— * ÄOVIT *— * Bme'(ensis)

Geviereter Wsch. im spitzen Dreipass, 1, u. 4. Feld das Rad von Mainz,

2. u. 3. Feld die 3 Sterne, 2 u. 1, von Erbach. In den Spitzen des Dreipasses je ein Wsch., in dem oberen zur Rechten

das Kreuz von Trier, zur Linken das Kreuz von Köln, in dem unteren

die Wecken von Bayern. Grösse 24 Mm. Gewicht 2,10 Gr. Cappe, Mainzer Münzen, S. 135, No. 608 var.

9. Mainz: Erzbischof Theodor Graf von Erbach, 1434 1459.

Weissgroschen, in Bingen geprägt.

Hs. * IT'RO * WM ^WCLHI * Wie No. 8. Rs. Wie No. 8.

Grösse 24 Mm. Gewicht 1,80 Gr. Gelocht.

10. Mainz: Erzbischof Theodor Graf von Erbach, 1434—1459.

Weissgroschen, in Bingen geprägt.

Hs. ^ ^'UO X Dlftr T * aXXX * XLV Wie No. 8.

Rs. Wie No. S.

Grösse 24 Mm. Gewicht 2,00 Gr.

11. Mainz: Erzbischof Adolf Graf von Nassau, 1462—1475.

Weissgroschen.

Hs. * ITDOLF' OLG' ÖT QORFCirmatus) MTTCguntiae)

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel; darunter Wsch. mit dem nassauischen Löwen 1.

Rs. 5& MORÖ' -^ ROYIT * * MareVtt(tiae)

Im spitzen Dreipass ein hochgeteilter Wsch., darum 3 kleinere Wsch., im

Felde zur Rechten das Rad von Mainz, zur Linken der Löwe gekrönt,

1. mit Schindeln im Felde: Nassau. Im Wsch. oben zur Rechten das Kreuz von Trier, zur Linken das Kreuz

von Köln, unten die Wecken von Bayern. Grösse 24 Mm. Gewicht 2,00 Gr.

12

12. Mainz: Erzbischof Adolf Graf von Nassau, 1462—1475.

Weissgroschen.

Hs. * aDM^.ITR meüPr mit* wie No. 11. Rs. AVie No. 11.

Grösse 24 Mm. Gewicht 2,30 Gr.

13. Mainz: Erzbischof Adolf Graf von Nassau, 1462—1475.

Weissgroschen.

Hs. ° TTDOLF' TTR aiilöPP Mir Wie No. 11. Rs. Wie No. 11.

Grösse 24 Mm. Gewicht 2,10 Gr.

14. Mainz: Erzbischof Adolf Graf von Nassau, 1462 1475.

2 Stück Weissgroschen.

Hs. * aDOLF' ITR aiiöPr MW Wie No. 11.

Rs. * MOUä^— MiOVir * * MireVR * wie No. 11.

15. Mainz: Erzbischof Adolf Graf von Nassau, 1462 1475.

Weissgroschen.

Hs. ITDOLF' ';n:R aidöP' mit wie No. 11.

Rs. * MOfta' * ROYir *— MaeVH wie No. 11.

Grösse 24 Mm. Gewicht 2,10 Gr.

16. Mainz: Erzbischof Diether H. Graf von Isenburg, 1475 1482.

Weissgroschen.

Hs. * DIÖ' * ÖLÖG' GT . QOI^IR

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und

Schlüssel; unter ihm ein Wsch. mit den 2 Balken von Isenburg. Rs. Oben * MOßG' ^«m^MÄ * M^röY'

In spitzem Dreipass der gevierete Wsch., umgeben von 3 kleineren Wsch.,

im 1. u. 4. Felde des Hauptscbildes das Rad von Mainz, im 2. u. 3.

Felde die 2 Balken von Isenburg. Im Wsch. oben rechts das Kreuz von Trier, links das Kreuz von Köln,

unten die Wecken von Bayern. Grösse 25 Mm. Gewicht 2,40 Gr. Cappc, Mainzer Münzen, S. 145, No. 675.

17. Trier: Erzbischof Werner von Falkenstein, 1388—1418.

Weissgroschen, zu Oberwesel geprägt.

Hs. * WGRIiöR'*:«^^* TRÖ'(virensis) *

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel. Rs. ^MOIiöT * IT R0Y1T WÖSITL'Ciensis)

In einem spitzen Dreipass der hochgeteilte Hauptschild, von 3 kleineren Wsch. in den Passecken umgeben, im Hauptschilde rechts das Kreuz von Trier, links quergeteilt das Familien wappen: Falkenstein.

13

Im kleineren Wsch. oben rechts das Rad von Mainz, links die Wecken von Bayern, unten der Löwe 1. von Jülich, das dem Vertrage am Ende des Jahres 1417 beigetreten war.

Grösse 25 Mm. Gewicht 2,00 Gr.

Bohl, S. 78, Nu. Hl.

18. Trier: Erzbischof Otto von Ziegenhain, 1418—1430.

Weissgroschen, in Trier geprägt.

Hs. OTTOmS' •>:• ir Zwei gekreuzte Schlüssel * RÜP * TRÖ'

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel.

Rs. * MOtt' - * ROV * TRÖ * YÖR'

In einem Vierpass ein hochgeteilter Hauptscliild mit 4 kleineren Wsch. in den Winkeln des Vierpasses, im Hauptschilde rechts das Kreuz von Trier, links quergeteilt, oben ein Stern, unten Gold: Ziegenhain.

Im kleineren Wsch. oben das Rad von Mainz, rechts das Kreuz von Köln, links die Wecken von Bayern, unten der Löwe 1. von Jülich, s. vorstehend

Grösse 25 Mm. Gewicht 2,30 Gr.

Bohl, S. 93, No. 12.

19, Trier: Erzbischof Jakob L von Sirk, 1439—1456. 3 Stück Weissgroschen, in Koblenz geprägt, von 1444.

Hs. * IT'* DR' * 5ft * a cca * XLIin

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und

Schlüssel. Unten ein Wsch. mit einem Schrägrechtsbalken, worauf

3 Vögel liegen, das Pamilienwappen von Sirk. Rs. X. MOßa' * ROVIT * * aOVa'(lensis)

In einem spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, darum 3 kleinere Wsch.,

im Hauptschilde im 1. u. 4. Felde das Kreuz von Trier, im 2. u. 3.

Felde Schrägrechtsbalken mit 3 Vögeln belegt: von Sirk. Im kleinen Wsch. oben rechts das Rad von Mainz, links das Kreuz von

Trier, unten die Wecken von Bayern. Grösse 25 Mm. Gewicht 2,20, 2,10 u. 2,00 Gr.

20. Trier: Erzbischof Jakob von Sirk, 1439—1456. 2 Stück Weissgroschen, in Koblenz geprägt.

Hs. * liiaOBVS * * TTRaPI * TR'

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel. Darunter ein Wsch., dessen Schrägrechtsbalken mit drei Vögeln belegt, das Familienwappen des Erzbischofs. Rs. Oben * MORÖ' * ROVIT' aOVÖ'

Im spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, umgeben von 3 kleine- ren Wsch., im 1. u. 4. Felde des Hauptschildes das Kreuz von Trier, im 2. u. 3. Felde der Schrägrechtsbalken mit 3 Vögeln belegt.

14

Im oberen "Wsch. rechts das Rad von Mainz, links das Kreuz von Trier,

im unteren die Wecken von Bayern. Grösse 25 Mm. Gewicht 1,90 u. 1,50 Gr. Bohl, S. 106, No. 7.

21. Trier: Erzbischof Jakob von Sirk, 1439—1456. 2 Stück Weissgroschen, in Koblenz geprägt.

Hs. * nraoB' * u Ropr tr wie No. 20.

Rs. Oben I^ORQ' * ROYIT * * QOVÖ'

Wie No. 20, statt des kleineren unteren Wsch. aber eine Rose in der Dreipassspitze unten; die beiden oberen Wsch. haben jedes ein Kreuz. Grösse 25 Mm. Gewicht 1,80 u. 1,70 Gr. Bohl, S. 107, No. 10.

22. Trier: Erzbischof Johann II. Markgraf von Baden, 1456 1503.

2 Stück Weissgroscheu, in Koblenz geprägt.

Hs. * lOIi' * ÖLöaCtus) ST >^ aO]ftP'(irmatus) * T'(revirensis)

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel. Darunter ein Wsch. mit dem Schrägrechtsbalken in gol- denem Felde von Baden. Rs. Oben * MOßa' * ROVIT * -^ aOYÖ'

Im spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, umgeben von 3 kleine- ren Wsch., im 1. u. 4. Felde des Hauptschildes das Kreuz von Trier, im 2. u. 3. Felde der Schrägrechtsbalken in Gold von Baden.

Im oberen Wsch rechts das Rad von Mainz, Unks das Kreuz von Trier im unteren die Wecken von Bayern.

Grösse 25 Mm. Gewicht 2,00 Gr.

Bohl, S. 111, No. 10.

23. Köln: Erzbischof Theoderich IL Graf von Mors, 1414—1463.

"Weissgroschen, in Bonn geprägt.

Hs. fRÖODflRiaV S OTROm aOL(oniensis)

Unter einem gotischen Bogen das Brustbild St. Petrus' mit Kreuzstab und Schlüssel; auf der Bru;3t ein Wsch. mit dem Kreuz von Köln. Oben über dem Bogen 2 Wsch. mit dem Saarwerden'schen doppelköpfigen Adler; unter dem Heiligen ein Wappenschildchen mit dem Balken von Mors. Rs. ° SROXIQ.TM ° ttOVIT I : B ORRÖIi *

Im spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, im 1. u. 4. Felde das Kreuz von Köln, im 2, u. 3. Felde der Balken von Mors.

Im oberen Dreipasswinkel rechts 2 gekreuzte Schlüssel, links das Kreuz von Trier in einem Wsch., im unteren eine sechsblätterige Rose.

Grösse 25 Mm. Gewicht 1,80 Gr.

Cappe, Kölnische Münzen No. 1086 var.

15

24. Köln: Erzbischof Theoderich Graf von Müra, 1414—1463.

Weiasgroschen, in Riele geprägt.

Hs. * Tiiaom irRQPr a'

St. Petrus uuter einem gotischen Bogen hält einen Kreuzstab und einen Schlüssel; unter ihm ein Wach, mit dem Balken von Mors. Rs. * MORS' * R0V1T * $RlLa'(n8is)

In einem spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, umgeben von drei kleineren Wsch., im 1. u. 4. Felde des Hauptschildes das Kreuz von Köln, im 2. u. 3. Felde der Balken auf goldenem Grunde von Mors.

Im oberen kleinereu Wsch. rechts der Balken auf goldenem Grunde von Mors, links das Kreuz von Köln, im unteren 2 Delphine.

Grösse 25 Mm. Gewicht 1,70 Gr.

Cappe, Kölnische Münzen No. 1077; v. Merle, S. 194, No. 6.

25. Köln: Erzbischof Theoderich Graf von Mors, 1414—1463.

Weissgroschen, in Riele geprägt.

Hs. * TftöODI' TTRÖPI' * QO'

St. Petrus unter einem gotischen Bogen hält einen Kreuzstab und einen Schlüssel ; unter ihm ein Wsch. mit dem Balken von Mors.

Rs. Oben * M0R9' * ROVW * RILÖ'

In einem spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, umgeben von drei kleineren Wsch., im 1. u. 4. Felde des Hauptschildes das Kreuz von Köln, im 2. u. 3. Felde der Balken auf goldenem Grunde von Mors.

Im oberen kleineren Wsch. rechts das Rad von Mainz, links das Kreuz von Trier, im unteren die Wecken von Bayern.

Grösse 24 Mm. Gewicht 1,70 Gr.

Groschen-Kabinet, X. Fach, Taf. IX, No. 82; v. Merle, S. 194, No. 5; Cappe, Köl- nische Münzen No. 1080.

26. Köln: Erzbischof Theoderich Graf von Mors, 1414—1463.

Weissgroschen, in Riele geprägt.

Ha. * TRQODia' * irRGPI' * QOLO'

St. Petrus unter einem gotischen Bogen hält einen Kreuzstab und einen Schlüssel.

Rs. * MOR' * ROV * RIL * * ÖRS *

In einem Yierpass ein geviereter Wsch., umgeben von 4 kleineren Wsch.

Im 1. u. 4. Felde des Hauptschildes das Kreuz von Köln, im 2. u. 3.

Felde der Balken auf goldenem Grunde von Mors. Im. oberen kleineren Wsch. das Rad von Mainz, rechts das Kreuz von

Trier, links die Wecken von Bayern, im unteren der Löwe 1. von Jülich. Grösse 26 Mm. Gewicht 1,80 Gr. Cappe, Kölnische Münzen No. 1095,

16

27. Köln: Erzbischof Theoderich Graf von Mors, 1414—1463.

Weissgroschen von 1444.

Hs. Oben * TRÖOD' * TTRÖPF QOLOR'

In einem spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, umgeben von drei kleineren Wsch., im 1. u. 4, Felde des Hauptschildes das Kreuz von Köln, im 2. u, 3. Feld der Balken auf goldenem Grunde von Mors. Im oberen kleineren Wsch. zur Rechten das Rad von Mainz, zur Linken das Kreuz von Trier, im unteren die Wecken von Bayern.

Rs. ^'RO . D * 5ii * ü coa^ XLIin *.

St. Petrus unter einem gotischen Bogen hält einen Kreuzstab und einen Schlüssel; unter ihm ein Wsch. mit dem Balken auf goldenem Grunde von Mors.

Grösse 24 Mm. Gewicht 1,80 Gr.

V. Merle, S. 205, No. 37; Cappe, Kölnische Münzen No. 1106.

28. Köln: Erzbischof Theoderich Graf von Mors, 1414—1463.

Weissgroschen, in Riele geprägt, hat Doppelschlag.

Hs.'^^ DI "iTRapr * ao

St. Petrus unter einem gotischen Bogen hält einen Kreuzstab (und einen Schlüssel). Darunter ein Wsch. mit dem Balken auf goldenem Grunde von Mors.

Rs. Oben * MORÖ^— 'mmmm. * RIEB

In einem spitzen Dreipass ein geviereter Hauptschild, von 8 kleineren Wsch. umgeben. Durch den Doppelschlag ist der linke Teil der Rs. verwischt, 1. u. 4, Feld des Hauptsehildes das Kreuz von Köln, 2. u. 3. Feld der Balken auf goldenem Felde von Mors.

Im oberen Wsch. rechts der Balken auf goldenem Felde von Mors, der

obere Wsch. links und der untere Wsch. sind nicht sichtbar. Grösse 25 Mm. Gewicht 1,70 Gr.

29. Jülich: Herzog Reinhald, 1402—1423. 2 Stück Weissgroschen, in Bergheim geprägt.

Hs. * Rom' * DVX * IVL GGL GO'

St. Petrus unter einem gotischen Bogen hält einen Kreuzstab und einen Schlüssel. Rs. * MOIi' * liOV * BÖR * * aftG'(mensis)

Vierpass inmitten Wsch. mit dem Löwen 1. von Jülich, umher 4 kreuz- weise gestellte Wsch.

Im Wsch. oben das Rad von Mainz, rechts das Kreuz von Trier, links das Kreuz von Köln, unten die Wecken von Bayern.

Grösse 26 Mm. Gewicht 2,00 Gr.; 2,00 Gr.

Grote, Münzstudien B. YII, S. 469, Nr. 86, 1.

17

80. Berg: Herzog Ad(3lf, 1408—1423. Raderalbus mit dem Vierpass, in Mülheim geprägt.

Hs. TTDOLPUVS * DVX * Dff * MOTÖ

Der Herzog in halber Gestalt mit platter Mütze, ein Schwert mit beiden Händen schräg rechts haltend, unter einem gotischen Bogen. Rs. * MOÄ*-tROV'— *MOÖ* * LIia'Cmensis)

In einem Vierpass der gevierete Hauptschild, von vier kleineren Wsch. um- geben. Im Hauptschild das 1. u. 4. Feld mit dem Löwen 1. von Jülich, das 2. u. 3. Feld mit dem doppelt geschwänzten Löwen 1. von Berg.

Im Wsch. oben der zweischwänzige Löwe 1. von Berg, rechts der Adler, links der Löwe 1. von Jülich, unten die 3 Sparren von Ravensberg.

Grösse *J5 Mm. Gewicht 1,80 Gr.

31. Berg: Herzog Adolf, 1408—1423. 2 Stück Raderalbus mit dem Vierpass, in Mülheim geprägt.

Hs. Wie No. 30, aber mit ••:• statt der Sternchen.

^^- n n *^0, •'■• j, n

Grösse 26 Mm. Gewicht 2,30 u. 1,90 Gr.

32. Jülich u. Berg: Herzog Gerhard, 1437—1475.

Raderalbus, in Düren geprägt.

Hs. eSRD' * DVX * IVL(iacensis) * Z MOT' * (et montensis)

Unter einem gotischen Bogen der Herzog in halber Gestalt, mit platter Mütze, hält mit beiden Händen ein Schwert schräg rechts.

Rs. * MOtt' * WO V * DVR ößSCis)

In einem Vierpass der gevierete Hauptschild, von 4 kleineren Wsch. um- geben. Im Hauptschild das 1. u. 4. Feld mit dem Löwen 1. von Jülich, das 2. u. 3. Feld mit dem doppelt geschwänzten Löwen 1. von Berg.

Im Wsch. oben der Löwe 1. von Jülich, rechts der Adler, links der zwei- schwänzige Löwe 1. von Berg, unten die 3 Sparren von Ravensberg.

Grösse 2.5 Mm. Gewicht 1,80 Gr. Wellenheim No. 8064 hat MOÖ statt MOE

33. Jülich u. Berg: Herzog Gerhard, 1437—1475

Raderalbus, in Düren geprägt.

Hs. ÖHRD' * DVX IVL' Z MOT Wie vorstehend.

Rs. * MOtt' « * ßOV * * DVR GRS' *

Grösse 25 Mm. Gewicht 1,90 Gr.

18

IL

Am 18. Juli 1881 wurden beim Bau einer Holzremise in der Hofraite des Franz Faber in Schlossborn, Haus No. IG, 3 Häuser von der Kirche, nur wenige Zoll unter der Erde, in einem braunen Steinkrügelchen 41 Goldgulden gefunden. Sie wogen zusammen 135 Gr. und sind nicht ganz ISkarätig.

1. Baden: Markgraf Christoph, 1475—1527.

Goldgulden.

Hs. (IRISTOF o MaR ~ OlilO o BITDaUS

Brustbild St. Petrus' mit Heiligenschein, Schlüssel und Buch über geviere- tem Wsch., 1. u. 4. Feld der Schrägrechtsbalken von Baden, 2. u. 3. Feld 1 6 mal geschacht in 4 Reihen wegen der hinteren Grafschaft Sponheim. Rs. MORff o UO o 1TVRCT « B7TD6USIS ° 1507°

4 Wsch. in den Winkeln eines Lilienkreuzes, 1. Wsch. der Schrägrechts- balken von Baden, 2. Feld 16mal geschacht in 4 Reihen wegen der hinteren Grafschaft Sponheim, 3. Feld hochgeteilt, Löwe 1. von Mahl- berg und der Balken von Lahr, 4. Feld querliegender Flug von Usenberg.

Grösse 23 Mm. Gewicht 3,32 Gr.

2. üsördlingen: Friedrich HI. König 1440 1452, Kaiser bis 1493.

Goldgulden.

Hs. FRIDRiaVS = R05ßirri' o LSßPeRTTTOR »t

In einem mit Punkten verzierten Dreipasse, dessen äussere Ecken mit Blättern verziert sind, der Reichsapfel.

Rs. SVOMT o ROY:: o E ORDLIRÖ^o

Der stehende St. Johannes mit Heiligenschein, das Lamm mit Schein auf seinem linken Arme ; unten zu seinen Füssen Wsch. mit den 3 Schild- chen von Weinsberg. Grösse 22 Mm. Gewicht 3,27 Gr.

3. Nördlingen: Friedrich HL König 1440—1452, Kaiser bis 1493.

Goldgulden.

Hs. FRIDRiaVS ° ROMuR o IMP' -^ In einem Dreipasse der Reichsapfel.

Rs. MORf T * RO RORDLIR

Der stehende St. Johannes mit dem Lamme auf dem linken Arme; zwischen seinen Füssen ein Wsch. mit den 3 Schildchen von Weinsberg. Grösse 22 Mm. Gewicht 3,.S2 Gr. 1878 Hess, Kat. 3148, M. 10.— ; 1883 Fund von Lenzhahn.

19

4. Frankfurt: Kaiser Sigismund. Goldgulden.

Hs. SieiSMY'D'* RO'* VORWA^ R6X*

Der Reichsapfel in einem Sechspass, der mit Kleeblättern verziert ist.

Rs. M0H6T * UO FRiraFORD

St. Johannes erhebt die rechte Hand u. hält in der linken einen Kreuzstab.

Grösse 23 Mm.

Cappe, Kaisermünzen Bd. T, No. 813; Blätter für Münzkunde, Bd. 1, No. 259.

5. Frankfurt a. M. : Friedrich m. König 1440—1452, Kaiser bis 1493.

2 Stück Goldgulden.

Hs. FRIDRiaVS o RO'IiORV ° RBX *

Der Reichsapfel in einem runden Dreipass.

Rs'. MOßöl^^.ttO FRITUaFOR'

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arme getragene Lamm. Zwischen seinen Füssen Q. Also wahrscheinlich von Conrad von Weinsberg, der 143! zu Frank- furt das Münzrecht erhielt und 18. Jan. 1448 starb.

Grösse 22 Mm.

Cappe, Kaisermünzen, Bd. III, No. 739.

6. Frankfurt a. M.: Friedrich HI. König 1440—1452, Kaiser bis 1493.

2 Stück Goldgulden.

Hs. FRIDRiaVS o ROMOTR' ° IMP'(erator) ^^ Der Reichsapfel in einem runden Dreipass.

Rs. MOIiöT ° ßO FRirROFD'

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm

auf dem linken Arme getragene Lamm. Zwischen seinen Füssen ein

Wsch. mit den 3 Schildcheu von Weinsberg. Grösse 23 Mm. Cappe, Kaisermünzen, Bd. III, No. 776; Voigt, S. 75, No. 12.

7. Frankfurt a. M. : Friedrich HI. König 1440—1452, Kaiser bis 1493.

Goldgulden.

Hs. FRIDRiaVS o ROROR' ° IMPITT' . ^

Der Reichsapfel in einem runden Dreipass.

Rs. MOßSTir o no FRITRaFOR'

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arme getragene Lamm. Zwischen seinen Füssen d.

Grösse 23 Mm.

Cappe, Kaisermünzen, Bd, III, No. 769 var.

20

8. Frankfurt a. M.: Friedrich Hl. König 1440—1452, Kaiser bis 1493.

Goldgulden,

Hs. FRIDRiaVS^ ROMTTRO)^ 1 1 1 Pir (iraperator) ►{• Der Reichsapfel in einem runden Dreipass,

Rs. MORÖT^r-A UO FRuUaF'D'

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arme getragene Lamm. Zwischen seinen Füssen 0«. Grösse 23 Mm.

9. Frankfurt a. M. : Maximilian I., 1498—1519. 2 Stück Goldgulden,

Hs. 5RaXIWILIattVS o R05Ja7r o RÖX^i^

Der Reichsapfel in einem runden Dreipass. Rs. SRO o RO o FR TXRÖF o l^q 5.

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arme getragene Lamm. Unter ihm Wsch. mit den 3 Schildchen von Weinsberg. Grösse 23 Mm. Cappe, Kaisermiinzen, Bd. III, No. 855 var.

10. Frankfurt a, M.: Maximilian 1., 1493-1519.

Goldguldeu.

Hs. 5ßirXLSRILi:TRVS c ROSim o RÖXf

Der Reichsapfel in einem runden Dreipass,

Rs. ^ SRO o RO ° FR ^maF . 1 5^96

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arme getragene Lamm. Unter ihm Wsch. mit den

3 Schildchen von W^einsberg. Grösse 23 Mm.

Cappe, Kaisermünzen, Bd. III, 857 var.

11. Markgrafschaft Brandenburg in Franken: Albrecht Achilles,

1471—1486. 2 Stück Schwabacher Goldgulden.

Hs. irLBT' : SfCr^Rail BR1TRD S ÖLTO'

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arme getragene Lamm. Zwischen seinen Füssen der Brackenkopf r. Rs. 5RORaT7r t R^ir Z TTMÜ^BWOBuaii'i"

Auf einem Blumenkreuze der Churschild mit dem Scepter; in den Winkeln

4 Wsch., im oberen der Adler von Brandenburg, zur Rechten von Weiss und Schwarz gevieret: Zollern, zur Linken der Greif 1. von Pommern, unten: Löwe 1. in Weiss- und Rot-Einfassung: Nürnberg.

Grösse 23 Mm.

1868 Schulthess-Rechberg, Kat. No. 3482.

21

12. Markgrafschuft Brandenburg in Franken: Albrecht Achilles,

1471— 148G. Sohwabacher Goldgulden.

Hs. ITLBT' . 5ÄirR(I U : BRirD ; BLT'

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arme getragene Lamm. Zwischen seinen Füssen der Brackenkopf r.

Rs. SllOliaTi^ o liOVir : 7rVR : SWOBTTÖii' *

Auf einem Blumenkreuze der Churschild mit dem Scepter; in den Winkeln 4 Wsch., im oberen der Adler von Brandenburg, zur Rechten von Weiss und Schwarz gevieret: Zollern, zur Linken der Greif 1. von Pommern, unten: Löwe 1. in weiss und roter Einfassung: Nürnberg.

Grösse 23 Mm.

13. Markgrafschaft Brandenburg in Franken: Friedrich u, Sigismund,

1486—1495. 3 Stück Goldgulden.

Hs. FRID' °o 7 °o Sie^M(und) Sm^RGlt % BROTiD

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das von ihm auf dem linken Arm getragene Lamm. Zwischen seinen Füssen der Brackenkopf r. Rs. 5ÄOR9T7r S ROVu l ITVR % SWOBTTaft*

Blumenkreuz mit 4 Wsch. in den Winkeln, oben der Adler von Branden- burg, zur Rechten : Weiss und Schwarz gevieret : Zollern, zur Linken : Greif 1. von Pommern, unten: Löwe 1. in Rot- und Weiss-Einfassung.

Grösse 23 Mm.

1868 Sehulthess-Rechberg, Kat. No. 3483.

14. Bacharach, Prägestätte von Pfalzgraf Ludwig IH., 1410 1436.

Goldgulden.

Hs. * LYDWIÖ' * a'(omes) * P(alatinu8) R'(heni) * DYX ^ B'ir(variae)

Der stehende Pfalzgraf hält in der Rechten ein Schwert geschultert und hat die Linke erhoben ; auf seinem Haupte ein barettartiger Hut, über der rechten Schulter ein Stern. Unten zwischen seinen Füssen eine Rose. Rs. MORÖTIT * ßOVIT OTYRaiT * BIT'^f

In einem runden Dreipass ein geviereter Wsch., 1. u. 4. Feld der Löwe 1.

von Pfalz, 2. u. 3. Feld die Wecken von Bavern. Grösse 22 Mm. 1868 Sehulthess-Rechberg, Kat. No. 4260; Joseph, Desibodenberger Fund No. 28, c.

15. Pfalz: Pfalzgraf Philipp, 1476—1508. Rheinischer Goldgulden von 1493.

Hs. . PlilLI P'. G'. P'. R DVX . BIT

In einem spitzen Dreipass ein grosser geviereter Wsch. mit Mittelschild, 1. u. 4. Feld der Löwe 1. von Pfalz, 2. u. 3. Feld die Wecken von

22

Bayern. Mittelschild nur ein Punkt. Daneben in den Winkeln des Dreipasses 3 kleine "Wsch., oben rechts mit dem Rad von Mainz, links mit dem Kreuz von Trier, unten mit dem Kreuz von Köln.

Rs. . * Mona . ROY u V . Rö(ni) .1^93

Christus auf gotischem Throne, unten ein gespaltener Wsch. mit dem Löwen

1. von Pfalz und den Wecken von Bayern. Grösse 23 Mm.

16. Höchst, Prägestätte des Erzbischofs von Mainz: Johann ü. Graf

von Nassau, 1397—1419. Goldgulden, von 1-409 1417 geschlagen.

Hb. IOMS' * Mi ö —m. M1T6 VttT'

St. Johannes mit Heiligenschein, in zottigem Mantel mit dem Kreuzstab in der Linken, das Schloss am Mantel wie ein Ringel °. Zwischen seinen Füssen unter dem ff ein Kreuzchen + . Rg. HO UÖTa . I . liOa^^^VP MO i'

Grosser hochgeteilter Wsch. mit dem Rad von Mainz und dem nassauischen Löwen. Oben daneben rechts ein Schildchen mit dem Kreuze von Köln, links ein quergeteiltes Schildchen, dessen untere Hälfte schraffiert ist, von Minzenberg, dem Familienwappen Kuno's von Falkenstein, Erz- bischofs von Trier.

Grösse 22 Mm.

Joseph, Desibodenberger Fund, No. 8, c.

17. Oberwesel, Prägestätte des Erzbischofs von Trier: Werner von

Falkenstein, 1388—1418. Goldgulden, von 1409 1417 geprägt.

Hs. WGRRffR TTRaP' * TRÖ'

St. Johannes mit Heiligenschein in zottigem Mantel, hält in der Linken den Kreuzstab; zwischen seinen Füssen ein Halbmond mit ? darin.

Rs. ^ MOftöT * * -ir ROYIT * * WÖS1XL'

In einem spitzen Dreipass der grosse hochgeteilte Wsch,, rechts : das Kreuz von Trier, links : quergeteilt, unten Gold, das Familienwappen (Minzen- berg). Oben daran rechts das Minzenberger Wappen, links das Rad von Mainz, unten delphinartige Schnörkel.

Grösse 22 Mm. Gewicht 3,80 Gr.

1868 Schulthess-Rechberg, Kat. 2261 ; Joseph, Desibodenberger Fund, No. 20,d var.

18. Koblenz, Prägestätte des Erzbischofs von Trier: Raban von

Helmstädt, 1436—1439. Goldguldeu von 1438.

Hs. RTTßlT ITRaP' TRGV 110' * aO'(velensis)

Auf einem grossen, die Umschrift teilenden Kreuze der gevierete Wsch., das Familien Wappen des Erzbischofs, 1. u. 4. Feld das Kreuz des Erz- stiftes Trier, 2. u. 3. Feld ein Rabe.

23

Rs, IT'RO * DM' * so:* 0000 * XXXVIII * «i»

Drei Wsch. in Kleeblattform zusammengestellt, dazwischen eine Rose, der Wsch. oben rechts hat das Rad von Mainz, der Wsch. links auf gol- denem Grunde das Kreuz von Köln, belegt mit einem Mittelschilde, worin der Balken von Mors, das Familienwappen des Erzbischofs von Köln, Dietrich 11. Grafen von Mors, der Wsch. unten ist hochgeteilt, rechts der Löwe 1. von Pfalz, links die Wecken von Bayern.

Grösse 22 Mm. Gewicht 3,50 Gr.

1868 gchulthess-Rechberg, Kat. No. 2264.

19. Bonn, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Dietrich LI. Graf

von Mors, 1414—1463. Goldgulden, 1414—1417 geprägt.

IIs. TliÖODI - - (I irROPI aOLORI

Spitzer Dreipass, darin ein grosser geviereter Schild, 1. u. 4. Feld das Kreuz

von Köln, 2. u. 3. Feld der Balken von Mors. An dem grossen

Schilde befinden sich oben rechts 2 gekreuzte Schlüssel, an Stelle des

trierischen Wappenschildes, oben links ein kleiner Schild mit dem Kreuze

von Köln, unten eine Rose. Rs. MORÖTIT BVmSIS (Bonn) Doppeladler.

St. Johannes mit Heiligenschein in zottigem Mantel, auf der Brust ein

kleines Schildchen mit einem Kreuze, schultert ein Lilienscepter. Grösse 24 Mm. Gewicht 3,50 Gr. 1868 Schulthess-Rechberg, Kat. No. 1854; vergl. Zeitschrift N. F. S. 96, No. 136;

1882 Joseph, Desibodenberger Fund No. 37. Cappe, Kölnische Münzen No. 1026, T. XIV, 230 var.; Wuerst, Münzen u. Medaillen

Bonns, No. 46 c.

20. Riele, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Dietrich JT. Graf

von Mors, 1414—1463. Goldgulden, von 1425—1437.

Hs. TßöODIG' ITRÖPr* GOL'

Der Bischof mit segnend erhobener Rechten, in der Linken einen Bischofsstab haltend. Zu seinen Füssen der Balkenschild von Mors ohne Schraffierung. Rs. MORÖTIT * ßOYlT * ITYRÖTT * RI' ^

Grosser geviereter Wsch., 1. u. 4. Feld das Kreuz von Köln, 2. u. 3. Feld

der Balken von Mors. Grösse 22 Mm. Joseph, Desibodenberger Fund No. 44.

21. Riele, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Dietrich IL von

Mors, 1414—1463. 2 Stück Goldgulden, von 1437—1461 geprägt.

Hs. TOGO' ITROP - OOLO RIÖR'

Langes befusstes Kreuz, das die Umschrift teilt, darauf liegt ein grosser geviereter Wsch., 1. u. 4. Feld das Kreuz von Köln, 2. u. 3. Feld der Balken von Mors als Familienwappen.

24

Rs. MORÖTIT * ßOYIX * TTYRÖTT * RI +

Drei Wsch. in Kleeblattforra zusararaengestellt, dazwischen ein Halbmond. Wseh, oben rechts Kreuz, darauf ein Schildcheu mit einer Schräg- rechtsbinde, worauf 3 Muscheln liegen, das sirkische Familienwappen; Wsch. links Rad von Mainz; Wsch. unten hochgeteilt, rechts der Löwe 1. von Pfalz, links die Wecken von Bayern.

Grösse 23 Mm.

Cappe, Kölnische Münzen No. 1052.

«

22. Königsdorf, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Dietrich II

Graf von Mors, 1414—1463. Goldgulden.

Hs. * TliöODia' * IT ROPP * aOLO'

Der stehende St. Petrus mit Heiligenschein schultert mit der Rechten einen Schlüssel und hält in der Linken ein Buch. Zu seinen Füssen ein Wsch. mit dem Balken auf goldenem Felde: Mors. Rs. * MOIi' * ROY' * KOR * * IX' D' (Königsdorf b. Köln)

Vierpass, darin ein grosser Wsch. von 4 kleinen umgeben. Im grossen Wsch. auf goldenem Grunde das kölnische Kreuz mit einem Mittel- schilde belegt, worin das Familienwappen des Erzbischofs, der Balken von Mors, ist. Im Schildchen oben das Rad von Mainz, rechts das Kreuz von Trier, links die Wecken von Bayern, unten der Löwe 1. von Pfalz.

Grösse 23 Mm. Gewicht 3,43 Gr.

Cappe, Kölnische Münzen No. 1063, T. XIV, No. 231.

23. Riele, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Ruprecht, Pfalzgraf,

1463—1477 t 1480. 3 Stück Goldgulden.

Hs. wROPGRT Q-i: LOG' SGL' ÖO'

Der stehende St. Petrus mit Heiligenschein hält in der Rechten einen Schlüssel, in der Linken ein Buch. Unter ihm ein Wsch. mit dem Löwen 1. von Pfalz.

Rs. * MOR « * ROVOT ITVRG IT RIL

Langes befusstes Kreuz, das die Umschrift teilt, darauf liegt ein grosser geviereter Wsch., 1. u. 4. Feld das Kreuz von Köln, 2. Feld der Löwe 1. von Pfalz, 3. Feld die Wecken von Bayern.

Grösse 23 Mm. Gewicht 3,40, 3,40, 3,38 Gr.

Köhler, Dukaten-Kabinett No. 921; v. Merle, S. 208, No. 1; Cappe, Kölnische Münzen No. 1122.

24. Riele, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Ruprecht, Pfalzgraf,

1463—1477 t 1480. Goldgulden.

Hs. * ROPGRTVS ^mmm^O' (TYS im ROPGRTVS ist Doppelpräge und steht tiefer).

25

Der auf gotischem Stuhle sitzende Heiland segnet mit der Rechten und

hält in der Linken ein Buch. Zu seinen Füssen ein huchireteilter

Wsch., rechts das Kreuz von Köln, links der Löwe 1. von Tfulz.

Ils. MOTirt' ilOYmmm^^ HAMW ►I^ (durch Doppelschlag aus RIL«R entstanden),

Blumenkreuz, in dessen Winkeln 4 Wsch. : oben hocligeteilt rechts das Kreuz von Köln, links der Löwe 1. von Pfalz; rechts in goldenem Felde das Kreuz von Trier mit Mittelschild, worin der badische Schräg- rechtsbalken, das Familienwappen des Erzbischofs von Trier, Johann von Baden ; links hochgeteilt, rechts der Löwe 1. von Pfalz, links die Wecken von Bayern; unten das Rad von Mainz.

Grösse 22 Mm. Gewicht 3,18 Gr.

V. Merle, S. 212, No 9; Cappe, Kölnische Münzen No. 1135.

25. Bonn, Prägestätte des Erzbischofs von Köln : Ruprecht, Pfalzgraf,

1463—1477 t 1480. Goldgulden.

Hs. * ROPBRTVS TTRaPP 00'

Der auf gotischem Stuhle sitzende Heiland segnet mit der Rechten und hält in der Linken ein Buch. Zu seineu Füssen ein hochget. Wsch., rechts das Kreuz von Köln, links der Löwe 1. von Pfalz. Rs. * MOUe' aOVn * TTVRfl'IT ^^ BVmiö * «i« (Doppelschlag)

Blumeukreuz, in dessen Winkeln 4 Wsch., der Wsch. oben ist hochgeteilt, rechts das Kreuz von Köln, links der Löwe 1, von Pfalz; der Wsch. rechts hat in goldenem Felde das Kreuz von Trier mit dem badischen Schrägrechtsbalken im Mittelschilde, als Familienwappeu des Erzbischofs von Trier, Johann von Baden ; der Wsch. links ist hochgeteilt, rechts der Löwe 1. von Pfalz, links die Wecken von Bayern; der Wsch. unten hat das Rad von Mainz.

Grösse 24 Mm. Gewicht 3,40 Gr.

V. Merle, S. 212, No. 11: Reiohel IV, Abteilung 2, No 2679; Cappe, Kölnische Münzen No. 1133; Wuerst, Münzen und Medaillen Bonns, No. 54 c.

26. Bonn, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Hermann von

Hessen, 1480—1508. Goldgulden.

Hs. M>;Mirr aLoti aaciLS' üOLOir

St. Petrus mit Heiligenschein, schultert den Schlüssel und hält ein Buch. Unten ein hochgeteilter W^sch., rechts quergeteilt oben ein Stern, unten Gold von Ziegenhaiu ; links der Löwe 1. von Hessen.

Rs. Moua ßoviT irvRö' Boujia

Grosses Kreuz, befusst, das auch die Umschrift teilt, darauf geviereter Wsch. 1, u. 4. Feld das Kreuz von Köln, 2. Feld der Löwe 1. von Hessen, 3. Feld quergeteilt, oben 2 Sterne, unten Gold von ISidda.

Grösse 22 Mm. Gewicht 3,31 Gr.

V. Merle, S. 221, No. 9; Cappe, Kölnische Münzen UÖi ; Wuerst, Münzen und Medaillen Bonns, No. 59 d.

3

26

27. Dortmund, Prägestätte von Kaiser Friedrich HL, U40 König

bis 1452, Kaiser bis 1493. Goldgulden. Hs. FRIDaRKT RO $ IMP

Der stehende Kaiser im Krönungsornate; zwischen seineu Füssen ein Stern.

Rs. MOR t ROVn J TRffMOmaR

Rose. In einem runden Dreipass der Reichsapfel.

Grösse 2a Mm. Gewicht 3,34 Gr.

Cappe, Kaisermünzen TU, No. 767, etwas abweichend. 1878 Hess, Katalog No. 2880.

28. Lüneburg, Prägestätte von Kaiser Sigismund, 1411—1438.

Goldgulden, nach 1434—1437 geprägt.

Hs. SieiSMV'D' o RO'RORV - IMPaTOR * In einem runden Dreipass der Reichsapfel.

Rs. MOßÖT' ° RO LYßöB'eff'

St. Johannes mit Kopfschein, weist mit der Rechten auf das Lamm, welches er auf dem linken Arme trägt. Zwischen seinen Füssen ein geneigter Wsch. mit dem Löwen 1. von Lüneburg.

Grösse 22 Mm. Gewicht 3,38 Gr.

Vergl. Berliner Münz-Blätter 1884, S. 471; 1871 Kat. Haase (Leipzig) No. 3034; v. Knyp- hausen No. 5037.

29. Lüneburg, Prägestätte von Kaiser Friedrich IlL, 1440-1452-1493.

Goldgulden.

Hs. FRiDrtRiayS - RO'ROR' * RttX «^

Runder Dreipass aus 2 Zwillingsfäden, darin der Reichsapfel.

Rs. MORHT' R.0' . LVRBB'ÖH'

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das Lamm, welches er auf dem linken Arme trägt. Zwischen seinen Füssen ein geneigter Wsch. mit dem Löwen 1. von Lüneburg.

Grösse 23 Mm. Gewicht 3,41 Gr.

Berliner Münzblätter 1884, S. 471; Cappe, Kuisermünzen III, No. 750; K. k. Münz- kabinett in Wien.

30. Hamburg, Prägestätte von Kaiser Sigismund, 1411 1438.

Goldgulden.

Hs. SK^ISMVD' - RO'ftüRY' o IMPTTTOR i^

Runder Dreipass aus 2 Zwilliugsfäden, darin der Reichsapfel.

lis. NOIWT' ° UO' Ii7T.AIßVR(i«'

St. Petrus mit Heiligenschein hält den Schlüssel geschultert und das Buch. Grösse 23 Mm. Gewicht 3,26 Gr. CappP; Kaisermünzen IIJ, No. 724.

27

31. Ijei}«2ig, Präg-estätte von Herzog Albrecht dem Belierzton von

Sachsen, allein bis 1519. GoldgulJen.

lls. IXLBBRTVS t D'^ ii #DA^X SaXOl/.l -f^

Dreipass aus 2 Zwilliughfi'iden, darin der Keichsapfel. Rs. MO' * aVRHir LJPOHrtSl

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechton auf das liamm welches er auf dem linken Arm trägt. Zwischen seinen Füsaeu der sächsische Rautenkranz. Grösse 2-3 Mm. Gewicht 3,22 Gr. 1875 Dresdener Doiibletten-Auktion No. 347.

TII.

Fund von Lenzhahu im Jahre 1883.

I. Kärnthen unter dem mischen Kaiser Ferdinand 1. (1521), 1558-1564.

Dukaten.

Hs. FERDI . D : G . EL(ectus) RO(mauorum) 1 M(perator) . S(emper) . AV(gustus) GE(rmaniae) HV(ngariae) : Der stehende geharnischte Kaiser hält das Scepter.

Rs. BO(hemiae) . Z . REX IN ni(spaDia) . ARCH(idux) AY( Striae) .

E(t) . CA(rinthiae) . Zf 1564. Gekrönter hochgeteilter Wsch., 1. Feld 3 übereinanderschreitende Löwen,

2. Feld Querbalken. Grösse 21 Mm.

2. Nördlingen: Kaiser Friedrich ÜL 1440- 1452. Kaiser bis 1493.

Goldgulden.

üs. FRIDRiaVS - ROMAN(orum) o IMP(erator) Hh

Runder Dreipass aus 2 Zwillingslinien, darin der Reichsapfel. Rs. MORHT.ftO - liORDLlU(gensisi

Der stehende St. Johannes mit Heiligenschein weist mit der Rechten auf das Lamm, welches er auf seinem linken Arm trägt. Zu seinen Füssen ein Wsch. mit den 8 Schildchen von Weinsberg,

Grosso 2r> Mm.

1S78 Hess, No. ;-5l4S, M. 1.0.— ; 18S1 Fund von Schlnspborn.

3, Nürnberg, Stadtmünzo; Zeit von Kaiser Maximilian 1.. 1493—1519.

Goldguldeu von 1507.

Us. SUOmTa «^ 9YMS 2 D l JiVR>ßßaR6 c 15Ü7<S-P

.Der rechtshiu blickende Reichsadler mit N auf der Brust.

3*

28

Rs. SaßaTVS^ Lu— VRGQZaiVS

Der über Flammen stehende Heilige hält einen Rost und ein Buch. Zwischeu

dem Felde und der Umschrift niedliche Kreis-Verzierung, Grösse 23 Mm.

4. Nürnberg, Stadtmünze: Zeit von Kaiser Maximilian!.

Goldgulden von 1511.

Hs. SRORffT . TTVR ° RÖI ° PV » UVRaRB oI5 II i^

Der rechtshin blickende Reichsadler mit N auf der Brust.

Rs. SuimTvs ° LIT Yuamm-s o

Der über Flammen stehende Heilige hält einen Rost und ein Buch. Zwischen

dem Felde und der Umschrift niedliche Kreis-Verzierung. Grösse 23 Mm.

5. Nürnberg: Freie Reichsstadt.

Laurentiusgoldgulden von 1614.

Hs. U. b. MONE.REIPVB-J- NVRENBERG 1614

Ovaler, hochgeteilter, verzierter Wscb., rechts der halbe Adler, links sechs- mal schräg rechts gestreift. Rs. U. b. ^ SANCTVS * LAVRENTIVS

Der Heilige stehend r., hält ein Buch und einen grossen Rost. Grösse 23 Mm.

6. Nürnberg: Freie Reichsstadt.

Laurentiusgoldgulden von 1617.

Hs. U. b. MONE^* REIPVB * W NVRENBERG Unten *1617*

Ovaler, hochgeteilter, verzierter Wsch., rechts der halbe Adler, links sechs- mal schräg rechts gestreift. Rs. U. b. SANCTVS LAVRENTIVS

Der Heilige stehend 1., hält vor sich einen grossen Rost und in der linken

Hand eine Palme. Grösse 23 Mm.

7. Markgrafschaft Brandenburg in Franken: Friedrich in Ansbach und Bayreuth (1486) allein, 1495—1515 f 1536. Goldgulden von 1500, in Schwabach geprägt. Hs. FRIDRiai S D o e 5I?.7rRaii(io) o BR7m(denburg)

St. Johannes mit Heiligenschein, weist mit der Rechten auf das auf seinem linken Arme liegende Lamm ; zwischen seinen Füssen der Brackenkopf r. Zwischen dem Felde und der Umschrift niedliche Kreis-Verzierung. Rs. 5ROU«#ftOVir °o -uVR o SWOBITaii S 1500 +

Bluraenkreuz mit 4 Wscli. in den Winkeln. Oben der Adler von Branden- burg, zur Rechten gevieret von Schwarz und Weiss : Zollern, zur Linken der Greif 1. von Pommern; unten der Lowe 1. in weiss-roter Einfassung: Nürnberg. Auf der Mitte des Blumenkreuzes 4 Vertiefungen. Grösse 22 Mm.

29

8. Baden: Markgraf Christoph, li75— 1527.

Goldgulden,

Hs. o ORISTOF o MIT RQmO ° Itt ° BiT(densi8)

Brustbihl St. Petrus' mit Heiligenschein, Schlüssel nnd Buch über einem geviereten Wsch., 1. u. 4. Feld der Schrägrechtsbalken von Baden, 2. u. 3. Feld 16 mal geschacht in 4 Reihen wegen der liinteien Graf- schaft Sponheim. Rs. MORffTIT llOYir o irVRÖ'iT o BTTDÖft IS o

4 Wsch. in den Winkeln eines Blumenkreuzes, 1. Wsch. oben Schräg- rechtsbalken von Baden, 2. Wsch. zur Rechten 16 mal geschacht in 4 Reihen wegen der hinteren Grafschaft Sponheim, 'S. Wsch. zur Linken hochgeteilt, Löwe 1. von Mahlberg und Balken von Lahr, 4. Wbch. unten, querliegender Flug von Usenberg.

Grösse 24 Mm. Gewicht 3,30 Gr.

1883 Hess, Katalog No. 3418 var.

?. Mainz: Erzbischof Albert, Markgraf von Brandenburg, 1514 1545,

Goldgulden.

Hs. 0 o aL(bertus) o 7T(rchi) ° e[P(iscopu8) o 5ß(oguntiae) a - SÜHY - «TD Der auf einem gotischen Stuhle sitzende Heiland hat die Rechte zum Seg- nen erhoben und in der Linken ein Buch ; zu seinen Füssen in einem Wsch. das Rad von Mainz.

Rs. Oben * snoua-^ ^^rVRG-:- 'IRöm:«

In spitzem Dreipass ein grosser geviereter Wsch., umgeben von 3 kleinen Wsch., 1. Feld das Rad von Mainz, 2. Feld quergeteilt, oben Rot, unten Weiss: Magdeburg, 3 Feld hochgeteilt, rechts Rot, links Weiss: Halberstadt, 4. Feld der Adler von Brandenburg,

Im Wsch, rechts das Kreuz von Trier, links das Kreuz von Köln, unten die Wecken von Bayern,

Grösse 23 Mm.

Cappe, Mainzer Münzen No. 749, T. IV, No, 69; 1868 Schulthess-Rechberg , Kat. No. 1997.

10. Riele, Prägestätte des Erzbischofs von Köln: Dietrich Graf

von Mors, 1414—1463, Goldgulden.

Hs, TTiöOüia * 1TR GPI * GOLOU'

Der stehende heilige Petrus schultert mit der Rechten einen Schlüssel und hält in der Linken ein Buch; zu seinen Füssen der mörsische Wsch., der Balken auf goldenem Felde. Rs. * MOU; * ttOV * RIL * * GUS'

In einem spitzen Vierpass der Hauptschild von 4 Wsch. umgeben. Im Hauptschilde das Kreuz von Köln auf goldenem Felde, belegt mit dem Balkenschilde von Mürs, Im Wsch. oben das Rad von Mainz, zur

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Rechten das Kreuz von Trier, zur Linken die Wecken von Bayern, unten der Lowe von Jülich. Grösse 23 Mm.

11. Bonn; Erzbischof Ruprecht von der Pfalz, Köln 1463 1480.

Golilgulden.

Hs. ^ ROPaRTVS "--"^rRaPriarchiepiscopus) nO'Oonieusis)

Der auf einem gotischen Stuhle sitzende Heiland hat die Rechte zum Seg- nen erhoben und in der Linken ein Buch; zu seinen Füssen in einem Wsch. das Rad von Mainz.

Rs. V M()«.a' Rovii: * i:vRH[:iT ^ BYwurt *

in den Winkeln eines Biumenkreuzes 4 Wsch. Der Wsch. oben ist hoch- geteilt, rechts das Kreuz von Köln, links der Löwe 1. von Pfalz; der Wsch. rechts hat in goldenem Felde das Kreuz von Trier mit dem Familienwappen des Erzbischofs von Trier : Johann von Baden, dem Schrägrechtsbalken als Mittelschild ; der Wsch. links ist hochgeteilt, rechts der Löwe I. von Pfalz, links die Wecken von Bayern; unten das Rad von Mainz.

Grösse 26 Mm.

"Wuerst, Münzen und Medaillen Bonn.s No. 54 c, var. ; ebenso Fund von Schlossborn.

12. Bonn. Prägestätte des Erzbischots von Köln; Hermann von

Hessen, 1480—1508.

Goldgulden.

Hs. I^Mul' (Hermaunus)H[LaTI(electus) BOaLHYsie) (10L0I?.'(iensis)

St. Petrus mit Heiligenschein, schultert den Schlüssel und hält ein Buch. Unten ein hochgeteilter Wsch., rechts quergeteilt, oben ein Stern, unten Gold von Ziegeuhain ; links der Löwe 1. von Hessen. Rs. MOfta - ttOYTT TrVRB' BORilQ

Grosses bofusstes Kreuz, das auch die Umschrift teilt, darauf geviereter Wsch,, 1. u. 4. Feld das Kreuz von Köln, 2. Feld Löwe 1. von Hessen, 3. Feld quergeteilt, oben 2 Sterne, unten Gold von Nidda.

Grösse 28 Mm.

V. Merle, S. 221, No. i); Cappe, Kölni.sche Münzen No. 1181; Wuerst, Münzen und Medaillen Bonns No. r)9d; 18SI Fund von Schlossborn.

13. Köln: Erzbischof Hermann von Hessen, .1480 1508.

Goldgulden von 1.508,

Hs. I/.'W.nP aR (IPI' QOLO'

Christus, auf gotischem Stuhle sitzend, hält in der Linken ein Buch; zu seinen Füssen ein hochgeteilter Wsch,, rechts der Löwe 1. von Hessen, links hochgetcilt oben ein Stern, unten Gold von Ziogenhain. Rs. * 5ßO' 7TV * * RGRff « S' 1 5C 8 ''

In einem spitzen Dreipass ein grosser geviereter Wsch. ; darum 3 kleine Wsch.: 1. u. 4. Feld das Kreuz von Köln, 2. Feld der Löwe 1. vod Hessen, 3. Feld quergeteilt, oben 2 Sterne, unten Gold von Nidda.

31

Im kleinen Wscli. oben rechts das Rad von Mainz, links das Kreuz von

Trier, unten der Löwe 1. von Pfalz.

Grösse 24 Mm.

V. Sootho, No. 543; Cappo, Kölnische Münzen No. 1200.

14. Köln: Erzbischof Hermann Y. Graf von Wied, 1515—1546.

Goldgulden.

Hs. u'5i^ar «LffT I wadL«' ao'

Christus, auf einem gotischen Stuhle sitzend, hält in der Linken ein Buch; darunter befindet sich ein Wsch. mit dem Kreuze von Köln.

Rs. Oben ° 5R0' 7TVR RQm S' o 15 17 *

In einem spitzen Dreipass ein grosser Wsch., umgeben von drei kleineren. Im grösseren Wsch. das Kreuz von Köln, auf demselben liegt als Mittelschild das Familienwappen von Wied: vier rote, schräg rechts laufende Balken, auf denen sich ein Pfau befindet. Im kleineren Wsch. rechts das Rad von Mainz, links das Kreuz von Trier, unten der Löwe 1. von Pfalz.

Grösse 23 Mm.

V. Merle, S. 236, No. 6 var.; Numismatische Zeitung 1865, S. 84, No. 12 var. ; Köhler, Dukaten- Kabinett No. 931 var.

15. Köln: Erzbischof Johann Gebhard Graf v. Mausfeld, 1558—1562.

Rheinischer Goldgulden von 1558.

Hs. •• lOHA . GB . (Gebhard) EL . EC . CO . -•

Der Heiland, auf einem gotischen Stuhle sitzend, erhebt die Rechte zum Segnen und hält in der Linken ein Buch. Unten ein Wsch. mit dem Kreuze von Köln.

Rs. Oben MO AV RHNE I- 55 8 v

In einem spitzen Dreipass ein grosser geviereter Wsch., umgeben von 3 kleineren Wsch. Das 1. u. 4. Feld des grösseren Wsch. 's ist wieder gevieret, 1. u. 4. die 3 Balken von Querfurt, 2. u. 3. je 6 Rauten in 2 Reihen von Mansfeld ; im 2. Felde ein Adler von der Herrschaft Arnsteiu, im 3. Felde Löwe 1., über welchem ein aus 2 silberneu und roten Schachreihen bestehender rechter Schrägbalken gelegt ist wegen der Herrschaft Heldrungen.

Im kleineren Wsch, oben rechts das Rad von Mainz, links das Kreuz von Trier, unten der Löwe 1. von Pfalz.

Grösse 24 Mm.

V. Merle, S. 253, No. 2 var.; Numismatische Zeitung 1865, S. 117, No. 82 var.

16. Köln: Erzbischof Johann Gebhard Graf v. Mansfeld, 1558—1562.

Rheinischer Goldgulden von 1558.

Hs. . . lOHA * GB . . EL'EC . COL . Wie vorstehend.

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Rs. Oben MON AY RENEN 155^/*

"Wie vorstehend, doch sind im grösseren Wsch. die Felder des 1. u. 4.

Feldes anders gestellt, nämlich 1. ii. 4. je 6 Rauten in 2 Reihen von

Mansfeld, 2. u. 3. die 3 Balken von Querfurt. Grösse 24 Mm. V. Merle, S. 253, No. 3; Numismatische Zeitung 1865, S. 117, No. 83?

17. Köln, Stadt. Rheinischer Goldgulden von 1513.

Hs. o (HVIT ? aO LORff' ° 15 13

Christus, auf gotischem Stuhle sitzend, erhebt die Rechte zum Segneu und hält in der Linken die Weltkugel ; unter seineu Füssen ein quergeteilter Wsch. oben mit den 3 Kronen, unten als Gold gepunktet, das Stadt- wappen hat unten Silber.

Rs. -i^SllOW - -niOY' - •v>irVR'(enenses) - -.vftaß'

In einem spitzen Vierpass ein quergeteilter Wsch. von 4 Wsch. umgeben, im Ilauptwappen oben die 3 Kronen, unten Gold, als Stadtwappen (s. vorstehend). Im Wsch. oben das Rad von Mainz, zur Rechten das Kreuz des Erzstifts Köln, zur Linken das Kreuz von Trier, unten die Wecken von Bayern.

Grösse 23 Mm.

Cappe, Kölnische Münzen No. 1286, T. V, No. 82.

18. ZwoUe, Freie Reichsstadt zur Zeit von Kaiser Rudolph IL

1576—1612.

IIs. MO . AV . IMP CIVI . ZWOL

Wsch. mit dem Kreuze von Zwolle, darüber ein gekrönter verzierter Helm, der von einem Engel gehalten wird.

Rs. RVDOL - II . D G . ELEC . RO . IM - SEM . A

Der gekrönte doppelköpfige Reichsadler mit dem Reichsapfel auf der Brust. Grösse 23 Mm.

19. Brabant: Philipp U. König von Spanien, 1555 1576—1598.

Hs. U. b. . DO.MINVS MIHI ADIVTOR .

Brustbild des Königs von der rechten Seite. Darunter die Hand von Antwerpen. Rs. PH(ilippu)S . D(ei) : G(ratia) HlSP(aniarum) Z REX DVX BRA(bantiae)

Gekrönter geviereter Wsch. 1. Quartier ist geviert: 1. u. 4. Feld der Turm von Castilien, 2. u. 3. Feld der Löwe 1. von Leon. 2. Quartier ist hochgetcilt : rechts 3 Pfähle von Arragonien, links schräggeviert, oben und unten 4 Pfähle, auf den Seiten je ein Adler, Königreich Sicilien. Die Spitze zwischen diesen beiden Hauptquartieren hat einen Granatapfel von Granada. 3. Quartier ist quergeteilt, oben die Binde

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von Österreich, unteu sechsfach schrägrechts gestreift: ITerzogtuni Biirg-und, 4. Quartier ist quergeteilt, oben mit Lilien bestreut, unten ein Löwe 1. : Herzogtum Brabant. Der Mittelschild zwischen den beiden unteren Quartieren ist hochgeteilt, rechts Lüwe 1. wegen der Herrschaft Flandern, links Adler wegen der Grafschaft Tirol. Grösse 24 Mm.

20. Stadt Gent 1583. 1584.

Noble.

IIs. MO : AVREA RESTAA^E METROPOL GAN3 Oben FLAND .

Eine gekrönte stehende Person in einem Schiffe ; sie hält in der Rechten ein Schwert, in der Linken einen Wsch., worauf ein Löwe 1. Zu ihrer Rechten eine Fahne mit einem Löwen 1.; in der Höhe des Kopfes N - - T. Das Schiff ist auf seinen Planken mit schreitenden Löwen 1. und Kreuzchen vorziert und trägt unter der Fahne einen viereckigen, an der anderen Seite einen sechseckigen Behälter. Rs. Oben Kleiner Löwe l NISI DNS CVSTOD . CIVITAT FRYSTRA YIGH.ANT. 83-

Im Felde ein verziertes Zwillingsfadenkrouz, vor dessen Balken Lilien stehen ; in der Mitte einer Einfassung eine Rose. In den Kreuzwinkeln je ein Löwe 1. unter einer Krone. Das Ganze ist von einer achtbogigen Einfassung umgeben, deren äussere Ecken mit Kleeblättern verziert sind.

Grösse 32 Mm.

De Bast, IL Suppl. pl. II, No, 2; C. P. Serrure, Cabinet du Prinee de Ligne 1847, No. 182, S. 276.

21. Belgische Föderation.

Von 1596.

Hs. Auf einer verzierten Tafel in 5 Zeilen: MO ORDl j PROYIN | FOEÜER 1

BELG AD I LEG IMP i Rs. CONCORDIA RES P AR = CRES . TRAÖ

Der geharnischte Mann r. mit geschultertem Schwerte, und dem Pfeilbüudel

in der Linken. Zu beiden Seiten 15" ^6 Grösse 23 Mm.

22. Belgische Föderation.

Von 1598.

Hs. Auf einer verzierten Tafel in 5 Zeilen: MO ORDI | PROYIN \ FOEDER |

BELG . AD I LEG . IMP l Rs. CONCORDIA -lüS - P AR CRES TRAi^^

Der geharnischte Mann r. mit geschultertem Schwerte, den Pfeilbündel in

der Linken. Zu beiden Seiten 15 "9 8 Grösse 23 Mm.

23. England: König Heinrich YIIL, 1509—1547.

Angel.

X

Hs. ^^ jianma ? ? y . i . i p > di V öRir x u&x. i itgl' x z >. f' -

Der Erzengel Michael r. tötet mit einem Kreuzstabe den Lindwurm.

34

Rs. i PÖR X aRYaff- X TYTT' x SaLVIT x WOS x XPB' x RAD

Ein Schiff mit einem geviereten Wscli. 1. u. 4. Feld je 3 Lilien von Frankreich, 2. u. 3. Feld je 3 Leoparden übereinanderschreitend 1. von England. Oben neben dem Kreuzmast li © Grösse 28 Mm. Gewicht 5,20 Gr. 1868 Schultliess-Rechberg, Kat. No. 444 ähnlich.

24. Frankreich: König Franz L, 1514 1547.

ficu d'or, in Bayonne geprägt.

Hs. D ^VS FRANCISCVS : D : G . FRANCORVM : RX *

Gekrönter Wsch. mit den 3 französischen Lilien.

Rs. D^^^9 XPS : YINCIT : XPS : REGNAT : XPS : IMPR '^^

Lilienkreuz mit 2 F und 2 Lilien in den ^yinkelu. Grösse 27 Mm.

25. Frankreich: König Franz L, 1514 1547.

Ecu d'or, in Toulouse geprägt.

Hs. FRANCISCVS : DEI : ÄACIA : FRANCO . REX Kleeblatt.

o

Gekrönter Wsch. mit den 3 französischen Lihen, zwischen den beiden oberen ein Punkt. Über der Krone '^. Rs. XPS : VINCIT : XPS : REGNAT : XPS : DIPERAT Kleeblatt.

o

Lilieukreuz mit einem Punkte in der Mitte ; in den Winkeln zwei F und zwei Lilien. Der Ringel unter dem 5. Buchstaben zeigt die Präge- stätte Toulouse an.

Grösse 26 Mm.

26. Frankreich: König Franz L, 1514—1547.

Ecu d'or, in Poitiers geprägt.

Hs. FRANCISCVS : DEI : GRA : FRANCORV : REX : R

Gekrönter Wsch. mit den 3 französischen Lilien und einem Punkte zwischen den beiden oberen. Unter dem Wsch. G.

Rs. XPS : VINCIT : XPS : REGNAT : XPS : iMPER . R -i"

Kreuz mit einem Punkte in der Mitte; darum eine Einfassung von zwölf Bogen, deren zusammenstossende Spitzen mit Kleeblättern besteckt sind. Der Punkt unter dem 8. Buchstaben zeigt die Prägestätte Poitiers an.

Grösse 26 Mm.

27. Frankreich: König Louis XIL, 1497—1514.

Ecu d'or,

Hs. LVD0VTCV8 S DEI ? ÖRirCITT SFRTrNCORV ;^ REX-.Krone üb. einer Lilie.

Gekrönter Wsch. mit den 3 französischen Lilien, zwischen den beiden oberen ein Punkt; über der Krone :^ Rs. XPS o VINCIT o XPS 2 REGNITT S XPS o IMPERTTT .-.

Krone über einer Lilie. Lilienkreuz.

Grösse 26 Mm.

35

28. Frankreich: König Franz L, 1514—1547.

Ecu d'or, in Bayonne geprägt.

II s. D "^-^ FRANCISCVS : D : ü FRANCORYM : RX -^

Gekrönter Wsoh. mit den 3 französischen Lihnn. Rs. D "^^ XPS : V INCIT : XPS : REU N AT : XPS : LMPR f^

Lilienkreuz, in dessen Winkeln 2 F und 2 Lilien.

Grösse -'7 Mm.

29. Priuikreich: König Franz L, 1514—1547.

Ecu d'or, in Poitiers geprägt.

lls. FRANCISCVS : DEI : GRA : FRAXCORV : REX : R +

Gekrönter Wsch. mit den 3 französischen Lilien. Rs. XPS : VINCIT : XPS : REGNAT : XPS :iMPER R +

Kreuz mit 'einem Punkte in der Mitte; darum eine Einfassung von 12 Bogen, deren zutiammeustossende Spitzen mit Kleeblättern besteckt sind. Grösse 26 Mm.

30. Frankreich: König Franz L, 1514—1547.

Ecu d'of, in Toulouse geprägt.

Hs. FRANCISCVS : DEI : GRACIA : FRANCO . REX Kleeblatt.

Gekrönter Wsch. mit den 3 französischen Lilien, über der Krone -^ ; zwischen den beiden oberen Lilien ein Punkt. Rs. XPS: VINCIT: XPS: REGNAT: XPS :IMPERAT Kleeblatt.

Lilienkreuz mit einem Punkte in der Mitte, in den Winkeln 2 F und 2 Lilien.

Grösse 26 Mm.

31. Frankreich: König Louis XIL, 1497—1514.

Ecu d'or.

Hs. LVDOVICVS oDm % GRACIA % FRANCORV 5 REXA

Krone über einer Lilie. Gekrönter Wsch. mit den 3 französischen Lilien ; über der Krone >^ ; zwischen den beiden oberen Lilien ein Punkt.

Rs. XPS Z VINCIT :i XPS o REGNAT l XPS % IMPERAT /. Krone über einer Lilie. Lilienkreuz. Grösse 26 Mm.

32. Brabant: König Philipp IT. von Spanien, 1556—1598. Thaler von 1574, in Antwerpen geprägt.

IIs. U. b. PHS . D : G HISP 5 REX DVX BRA

Unten 15 die Hand von Antwerpen 74, Brustbild des Königs \.

Rs. . DOMINVS . MIHI ADIVTOR

Gekrönter, vierfeldiger Wsch. wie No. 19 auf den beiden gekreuzten Ästen. Zu den Seiten zwei Fcuerstähle mit Verzierung daran; unten das Juwel vom Orden des goldenen Vliesses.

Grösse 43 Mm.

36

33. Geldern: linierte Niederländische Provinzen.

Thaler von 1618.

Hs. MO(neta) ARG(entea) . PRO C ONFOE BEL GEL

Stehender Eitter hiilt iu der Rechten den Kommandostab, in der linken

hält er ein flatterndes Band zusnmmen ; vor ihm ein Wsch. mit dem

Löwen 1. von Geldern. Rs. CONFIDENS DXO NOX . MO VETVR 1 6

Das Zeichen der Münzstätte ist nicht auf den Schrötliug gekommen

Löwe 1. Grösse 43 Mm,

34. Mirandola: Herr Ludwig Picus IL, LjTI 1574.

Scudo d'oro.

Hs. L VD(ovicus) . PICVS H - W^ (andulae) CON . Q . DXS *

Geviereter verzierter Wsch, mit Mittelschild; 1. u. 4. Feld der Adler, 2. u. 3. Feld auf 3 Querlinien der Löwe 1., Mittelschild geschacht.

Rs. IN . TE . DOMINE CONFIDO -k Kreuz mit Lilien verziert. Grösse 24 25 Mm,

35. Mantua: Friedrich H. 1519, Herzog 1530—1540.

Zecchino.

Hs. FED(ericus) DVX . MAN(tuae) MAR(chio) . MONTIS . FE(rrati) *

Geviereter Wsch. mit Mittelschild, darüber der Berg Olymp unter einer Krone, die 4 Felder des Wsch. enthalten jedes einen Adler, der Mittel- schild ist auch gevieret, das 1. u. 4. Feld zeigt den lombardischen Löwen, das 2. u. 3. Feld die Querstreifen des Hauses Gonzaga. Rs. SI . LABORATIS . EGO . REFICIAM . *f

Christus, in Halbfigur von vorn, auf einer Estrade predigend, hinter ihm das Kreuz mit 2 Geissein.

Grösse 26 Mm. Gewicht 3,80 Gr.

1875 Hamburger, Kat. Löhr, Stecki und Regnault, No. 5037.

36. Lucca.

Zecchino.

Hs. . SANCTVS ^ YVL Sehildchen TVS DE LVCA . t

Gekröntes Brustbild Christi. Rs. CAROLVS . IMPERATOR . ^

Verzierter Schild, darin auf einem Bande JIIBERTAS

Grösse 25 Mm.

37. Lucca.

Zecchino von 1552 ?

Hs. . 8 . YVLTYS . o . . _ . DE LVCA +

Gekröntes Brustbild Christi. Rs. CAROLVS . IMPERATOR Oben 15%^1

Verzierter Schild, darin auf einem Bande LIBERTAS.

Grösse 24 Mm.

37

38. Montalcino, Notmünze von König Heinrich IT. von Frankreicli,

1555—1559. Kcu d'or von 1557.

Hs. . R . B . SEN . IN MONTE . ILICINO . ^

Die stehende Wölfin 1. säugt Roraulus uad Remus. Im Absch. I5(A) 51

Rs. HENRICO «11. AYSPICE

Kreuz zwischen 2 Rosetten. In einem verzierten Schilde auf einem schräg-

rechts liegenden Bande LIBERTAS . Grösse 25 Mm.

39. Sicilien: Johanna und Karl V., 1516 1555.

IIs. lOANA o ET % CAROLVÖ

Geviereter gekrönter Wsch. Das 1. u. 4. Quartier ist gevieret, das 2. u. 3. hochgeteilt. 1 u. 4. Quartier im 1. u. 4. Feld die Türme mit den 3 Zinnen: Castilien, 2. u. 3. Feld Löwe 1. von Castilien; 2. Quar- tier rechts das Kreuz wegen Jerusalem, links das Kettenviereck mit gewöhnlichem und Andieaskreuze von Navarra; 3. Quartier rechts die 3 Pfähle von Arragonien, links schräggevieret, oben und unten 4 Pfähle, auf den Seiten je ein Adler: Königreich Sicilien. Die Spitze zwischen den beiden unteren Quartieren zeigt den Granatapfel von Grauada.

Rs. HISPANIARVM ° REGES l SICILIAE Turm.

In einem Vierpass, dessen innere Spitzen mit Kleeblättern verziert sind,

ein befusstes Kreuz. Grösse 28 Mm.

40. Sicilien: Johanna und Karl V., 1516—1555.

Hs. 10 ANA o ET ° KAROLYS

Geviereter gekrönter Wsch, wie vorstehend, zu dessen Seiten S ^r

Rs. Wie vorstehend. Grösse 22 Mm.

41. Spanien: König Philipp IL, 1556 1596 und Marie von England,

seine Gemahlin, 1554 1558. 2 Dukaten.

Hs. PHLS . D : G § HISP § A § S S § REX SCOSSES

Die beiden "gekrönten sich anschauenden Brustbilder des Königs und der Königin; oben [-f;, zwischen den Brustbildern 'S* Rs. . SVB % YMBRA % ALARYM . T

Adler, dessen Kopf und Flügel sichtbar sind ; auf ihm liegt ein gekrönter

Wsch. wie Nu. 39 beschrieben. Grösse 29 Mm.

38

42. Portugal: König Johaun III., 1521 1557.

Breiter Dukaten o. J. oder halbe Crusade.

Hs. lOANES . N TU N R V PORTYGALIE . a A ^•

Wsch. mit 5 kleinen Wsch. kreuzweise belegt, deren jedes 5 Pfennige i)i Gestalt eines Andreaskreuzes zeigt. Der Wsch, ist mit einem Bande eingofasst, welches 8 Türme mit Thiiren und Fenstern enthält. Das Ganze ist gekrönt.

Rs. IN'. Y. HOC. Y.SIGNO --VYINCES-Y. Kreuz, darüber 3 Punkte. Grösse 27 Mm. Gewicht 3,80 Gr.

43. Portugal: König Johann lU., 1521 1557.

a) Hs. 10 AXES \ 1 1 1 : a . R : a . PORTVGALI . a

Gekrönter Wsch. wie vorstehend, zu dessen Seiten L R

Rs. LN' 'A- HOC -Y- SIGNO r. YIXCES'Y- Kreuz, darüber 3 Punkte. Grösse 23 Mm.

Dasselbe mit PORTYG und % R.

Grösse 23 Mm.

b) Hs. Dasselbe mit POR und R I.

Rs. IN k HOC -V SIGNO % YIN 'A* Kreuz, darüber 3 Punkte. Grösse 23 Mm. e) Hs. Dasselbe mit PORT und R T

Rs. IN A HOC Y SIGNO Y YTNCES Kreuz, darüber 3 Punkte. Grösse 23 Mm. d) Hs. lOANES A' 111 ^- R ■?< PORTYGALl Ohne Buchstaben an den Seiten. Rs. Wie vorstehend, Grösse 24 Mm.

44.

a) Hs. 10 A.- m-.- POR*/ ET". AL'. R . D : G+ Der gekrönte Wsch.

Rs. Ds : HOC : SI NO : ANOS + Kreuz auf einem Steinhaufen.

Grösse 23 Mm.

b) Hs. lOA . m : POR : ET : AL : R : D : ( )+ Der gekrönte Wsch.

Rs. IN : HOCZ: IG -- NO : YINCE ^ •:• Kreuz auf einem Steinhaufen. Grösse 24 Mm.

c) Hs. lOA : in : POR : ET : AL : R «^ Der gekrönte Wsch.

Rs. TN HOC . Sl NO - YINCES : ^ Kreuz auf einem Steluhaufen.

Grösse 23 Mm.

d) Hs. lOA : m : POR : ET : AL : 'b Der geknmte Wsch.

Rs. IN HOC . SI NO . YINCS : ^ Kreuz auf einem Steinhaufen.

Grösse 23 Mm,

45. Portugal: ICönig Sebastian, 1557 1578

Hs. SEBASTJANYS . I : REX : PORTY + Der gekrönte Wsch. Rs. IN HOC : SIGNO . YINCES ^ Befusstes Kreuz.

Grösse 25— 2G Mm.

Töpfer- und Zieg*elstempel der flavisclien und vor- flavisclien Zeit aus dem unteren Maingebiete.

Von

Prof. Dr. Georg Wo im

Die Bedeutung, welche die Niddalinie und besonders die Mündung dieses Flusses in den Main für die römische Okkupation der Wetterau gehabt haben muss, war von älteren Lokalforschern wohl erkaunr, in neuerer Zeit aber weniger beachtet worden,') Als nun vor 3 Jahren die Auffindung der Central- ziegeleien des römischen Kommandos von Mainz zwischen Höchst und Nied die Aufmerksamkeit jener wichtigen Stelle von neuem zulenkte, zugleich aber der älteren Annahme eines Kastells beimDorfe Nied die Grundlage entzog, mussten sich die Blicke um so mehr auf die Stadt Höchst selbst richten, weil ihre Lage allein den Voraussetzungen für ein am Mainknie hinter der Niddamünduug anzunehmendes Kastell entsprach und gleichzeitig die ersten sicheren Mitteil- ungen über römische Funde auf dem Boden von Höchst selbst gemacht werden konnten, Diese Funde haben sich nun in den letzten Jahren, seitdem dem Orte eine ununterbrochene Aufmerksamkeit zugewendet wri'd, erhel)lich vermehrt. Bei der Anlegung einer Quellwasserleitung sind in den verschiedensten Teilen des Stadtgebietes römische Münzen, Gefässe und Militiirziegel aufgefunden worden, und auch die an einzelnen zugänglichen Stellen vorgenommenen Nach- grabungen haben günstigere Ergebnisse geliefert, als es erwartet werden konnte gegenüber der Thatsache, dass der Boden von Höchst seit der karolingischen Zeit von Häusern bedeckt gewesen ist. Dass dies auch bereits in römischer Zeit der Fall war und dass die an Stelle der heutigen Stadt gelegene römische Niederlassung zu den ältesten Anlagen des Maingebietes gehörte, dafür sprechen besonders mehrere au sich unansehnliche Fundgegenstände, welchen deshalb in den folgenden Zeilen eine eingehendere Betrachtung gewidmet sein soll. Beim

'i Die Bedeutung der Positiou vou Höchst-Nied und die älteie Litteratur über die dort gefundenen römischen Reste ist «jingehender behandelt in der Schrift: G. Wolff, Die römischen Ziegeleien von Nied bei Höchst a, M. und ihre Stempel. P'rankfurt 1892.

40

Bau des Kreishauses im östlichen Teile der Stadt war ausser Amphorenstückea uud anderen Antikaglien, die verrieten, dass dort neben der damals bereits vermuteten, später an verschiedenen Stelleu auch aufgefundenen rechtsmaini- schen Uferstrasse ein römisches Haus gestanden habe, eine fast ganz erhaltene Sieillataschale gefunden worden, welche sich durch ihre Form und Farbe, so- wie durch die Beschaft'enheit des Töpferstempels von der im Grenzgebiete ge- wöhnlichen Ware gleicher Art unterschied. Nachgrabungen im austossenden Garten des Herrn Ingenieurs Blecken (jetzt zum Kreishause gehörig) bestätig- ten das Yorhandensein römischen Anbaues; das Glück aber wollte es, dass unter den Fundstücken sich zwei ganz kleine Sigillatasplitter befanden, welche denselben Töpfernamen in zwei neuen Varianten zeigten und erkennen Hessen, dass sie von Gefässen stammten, welciie dem zuerst gefundenen in Material und Form gleichartig waren. Die Stempel fallen besonders durch die regelmässige Form der Buchstaben auf, deren scharfe Umrisse deutlich erkennen lassen, dass sie mit jMetallmatrizon eingeprägt sind, während die meisten rheinischen Sigil- latastempel ebenso zweifellos von Holzmatrizen oder nach solchen hergestellten Thonstempeln herstammen. Von besonderem Interesse aber war der Name des Fabrikanten.

Die 3 Stempel haben folgende Formen :

^^M I Auf zwei nur 25 bezw. 30 mm breiten, dünnen Scherben

(im Besitze des Verfassers).

1. 2.

A"E

3, CNÄE Auf einer gut erhaiteneu mattroten Schale (früher im Be- sitze des Herrn Bauunternehmers Kunz in Höchst, jetzt der Samm- lung des Höchster Altertumsvereins einverleibt), auf schmalem Boden in 3 fast geradlinigen Absätzen breit ausladend, mit flachem, etwas eingebogeneii; Rande. Durchmesser 18 cm, Höhe 45 mm.

Das nomen gentile Ateius, einmal mit dem praenomen Gnaeus, unter- scheidet die 3 Stempel von der grossen Mehrzahl der oben genannten, die meistens nur einen, oft nachweisbar keltischen Individualnamen zeigen, und stellt sie den Stempeln auf den Henkeln grosser Amphoren an die Seite, bei welchen die regelmässig abgekürzten 3 Namen ebenfalls auf Import schliessen lassen. Wichtiger aber dürften folgende Beobachtungen sein : Der Töpfer- namen Ateius ist in zahlreichen Varianten, die aber grossenteils durch die charakteristische Art der Ligaturen eine Verwandtschaft untereinander verraten, sehr häufig in Italien (einschliesslich dem Polande), oft auch an der Ostküste Spaniens und iu Frankreici), besonders in der Provence, vereinzelt im ehe- maligen linksrheinischen vcrmanieu, Britannien und den westlichen Alpen- ländern, sowie in Nordafrika, nur einmal aber bisher, soweit mir bekannt ist, auf dem rechten Rheinufer j.;öfunden worden. Eine graphische Darstellung des Fundgebietes lässt eine zunehmende Dichtigkeit der Fundorte von der Peri- pherie (Afrika, Spanien, Nordfrankreich. England, Rheinland, Centralalpen, lötrien) nach einem Centrum 'Kampanieu) erkennen. Folgende Typen und Fundorte konnte ich feststellen :

41

I. Nur mit nomen gentile. ^- ^' Höchst 1 = Chatillon, Schuermans 534.

2. A-El Höchst 2 = Tarragona, C. J. L. 11, 4970, 51, l,m,n.

Vienne, ^ XII, 5686, 81, m. '

Gm/ (Mus.) n,o,p.

Narhonne ,,

Ä/.9saH X, 2, 8056, 49, /.

Greenivich XVII, 1336, 95 (Schuer-

mans 177 u. Fröhner 528: ATEL. Linioges, Schuermaus 535. Chatillon 535.

Andernach, Bonner Jahrb. 86, S. 161 (Koeneu)

und 89, S. 3 (Klein). Maw^ (Museum), C. J. L. XHI nach Mit- teilung Bohns. ^- '^^ Tarragona, C. J. L. II, 4970, 51, d,

PozsuoU , X, 2, 8056, 47,

^- '^^' Tarragona, C. J. L. n, 4970, 51, Je.

Gen/ XII, 5686, 81, r, s\

Frejus (Mus.) XU, 5686, 81, h. Narhonne .,

^re^ew^ (Mus.) m. Suppl. 12014, 7. Friedberg? Nass. Annalen XIY, S. 283, 10 (DiefFenbach). ^' ^"'"^' Tarragona, C. J. L. ü, 4970, 51, e.

Pozmoli X, 2, 8056, 48 «.

„Figlina Campana'' C. J. L. X, 2, 8056, 48 &. Pompeii, C. J. L. X, 2, 8055, 8. Jfa/wsr (Mus.), C. J. L. Xni nach Mitteil. Bohns. Köln (Mus.),

Stjracns X, 2, 8056, 48 c.

Catania 48 (^.

Cagliari ^ ^^ 48^.

Tortona V, 2, 8115, 10, a.

„Libarnae^ ^ „10,6.

Ä'ce. Co^owJe Xu, 5686, 81, mK

Orange « ,, n i

Nimes (Mus.) ^ , i!^

^^"/ '' « r (?.

Cornedhan Uprope Baeterras''), C. J. L. XII,

5686, 81, w. Frejus (Mus.), C. J. L. XU, 5686, 81, ö. Narhonne , ^ ^i

^r/es(„Massil.mus.«)„ ^ J.

4

42

Amiens, Schuermans 532. Limoges

Normandie

Allier

Parh r> 7)

Tongres r, n

Bregens (Mus.)? cf. C. J. L. HI, Supplem. 12014, 7 ad 6010, 19.

6. ATEL(-ATEI) Toulouse, C. J. L. XII, 5686, 81, a a.

Poifoii, Schuermans 546, Allier y,

Limoges

Amiens »

Paris y,

cf. Schuermans 177 und Fröhner 528.

7. I3A (wohl: ITA) Genf, C. J. L. XH, 5686, 81, k\

n. Nomen gentile mit zweifelhaften Zusätzen,

8. A"EloF Tarragona, C. J. L. 11, 4970, 51, ^.

9. ATEIF ^Deae apucl Lamorte-Felines'^, C. J. L. XU,

5686, 81, l Paris? Schuermans 594: ATEIE.

10. ATEIO St. Remy, C, J, L. XU, 5686, 81,/.

11. T^IM Frejus (Mus.), C. J. L. XII, 5686, 81, ^.

12. ATEIM „Vieilleville prope Sojmnieres'^ , C. J. L. XII,

5686, 81 V.

13. ATEI MANIB oder ATE MB Paris, Schuermans 540, Wohl: Ligatur 7t IVB.

14. AT- A Äugst, Schuermans 523, Wohl: ATEIM, nicht

mit Fröhner 179: ATELLANA zu ergänzen.

15. OATEI Orange, C. J. L. Xü, 5686, 81, k\

in. Nomen gentile und Praenomen.

IC. CNÄE Höchst 3 = Serre de la croix (H. Alpes), C. J. L. XII,

5686, 82, h\ Alesia, nach Bohns Mitteilung.

(CNAE ? Tarragona, C. J.L. H, 4970, 53, h).

17. CNÄE! Orange, C, J. L. XII, 5686, 82, a.

Tarragona, C. J, L. 11, 4970, 52, i. Tongres, Schuermans 536.

18. GäEI Tarragona, C. J. L. II, 4970, 53, /.

Orange XH, 5686, 82, h.

Nages y, i, 9-

43

19. GNT^

20. 0-7^

21. CNÄ.I

Tarragona

ir, 4970, 53, c.

22 G73C-I

23. CNATEI

24. CNATE

25. CNATEFI

26. OATEI

27. CHÄEI

28. CrCÄE

29. CrjsL

30. [CNAPP

31. GATE

32. G-ATt

33. CREI

f?, V.

» n 75 n n

Ste. Colomhe XII, 5686, 82, e. Tongres, Schuermans 537.

(= CNÄI? Aquilein^ C. J. L. Suppl. It.

Fase. I, 1080, 88. Tarragona, C. J. L. II, 4970, 53, ^j. Capua X, 2, 8056, 50, &.

„Figlina Campana'^^ C. J. L. X, 2, 8056, 50, a. Tarragona, C. J. L. H, 4970, 53, Ä. Verona V, 2, 8115, 11.

Leyden (Museum), nach Bohns Mitteilung. Vienne, C. J. L. XII, 5686, 82, d\

v V n n 1 "'•

CagUari, X, 2, 8056, 50, d. Tarragona n, 4970, 53, h.

»

■n J-

1)

rt.

■n

« ^-l

V

52, h.

V

52, c.

PozzuoU,

X, 2, 8056, 49.

34. CNÄrA

35. CNÄ-/VI

36. CN-ÄM

37. CN-ÄA

38. CN-A-A

39. CN-TE..)««.

40. CN-7tl-AR

IV. Mit Cognomen.

Foz2uoli, C. J. L. X, 2, 8056, 46.

Dieser wie die folgenden aus Pompeii und Herculaneum stammenden Stempel sind C. J. L. X, 2, pag. 887 mit Recht auf Ateius bezogen. Doch möchte ich in dem Zusatz NA nicht eine Abkürzung für j,mani- bus", sondern ein Cognomen vermuten.

C. J. L. X, 2, 8055, 1.

M « « ^1 a G.

n 5, (7, 6.

« » 6, a, &, c.

Pompeii C. J. L. X, 2, 8055, 8, a. „Neapol. mus."-, C. J. L , X, 2, 8055, 8, c. jfGallia cisalpina, rep. ad Carn)^, C. J. L.

Suppl. It. Fase. I, 1080, 87. Pompeii, C. J. L. X, 2, 8055, b.

^Neapol. mus.'^ r7.

41. CNTti EVHODI Im Kreis um GN gestellt.

Tarragona, C. J. L. U, 4970, 57.

4*

44

42.

43.

44. 45.

46.

47. 48.

49.

50.

51. 52.

53.

54. 55.

;°c.lEVO Tarragona. C. J. L. II, 4970, 57.

= ATEI EVOD? Paris, Schuermans 539.

Vob" ^^^^^^ Palmzweig: Frejus (Mus.), C. J. L. XII, 5682, a.

Asprejü les Veynes, C. J. L. XU, 5682, b. 7L\\yO Orange, C. J. L. XU, 5686, 86.

CNEI CRESTI, im Dreieck gestellt:

Tarragona, C. J. L. ü, 4970, 55. Von E. Hüb- ner erklärt als: C. (At)ei Cresti.

Tarragona, C. J. L. H, 4970, 56.

Ich möchte lieber „Cn, Atei(u3) Eros" lesen, .als mit Hübner „Eros Cn. Atei".

Pompeii. C. J. L. X, 2, 8055, 9.

„Figlina Campana", C. J. L. X, 2, 8056, 51.

Tarragona, C. J. L. U, 4970, 58.

EROS

CN ATEI ERONIS (h-TL- ERM CNATEI FVRIAN

CNATEI

ZOIL '//■'/ ATEIZOIÜ

AE /XE ET ZOEL

CN ATEI

Aquüeia, C. J. L. Suppl. It. Fase. 1, 1080, 86. Tarragona, C. J. L. U, 4970, Q\, b.

ZOIL S

Andance^

XH, 5686, 87.

XANTi

(Tti P)

56.

57.

58. 59.

60.

61.

62.

63.

Artaud (Gall. Narb.), C. J. L. XU, 5686, 85,6.

llifiL] XNI (CN 7E.I -XWIP) „Prope le Luc infundo Pioule'' (Galt. Narb.),

C. J. L. XU, 5686, 85, a.

= ATEI XNTIP Tongres, Schuermans 538.

= TtIX? Tarragona, C. J. L. U, 4970, 60, b.

CNA"EI

XA/THI

An Stelle des Striches ein Zweig:

ATEI XANTI

ATEI//XA//NTHI ATEI CNMAESP

ATEI OPTATI

ATEL SALVI CN ATEI

AM- AN

CRE2_ CN-73L

Getif, C. J. L. XH, 5686, 85, c.

Vitidonissa, Schuermans 543.

Tongres, Schuermans 532.

538.

Paris y, 546.

Tarragona, C. J. L. U, 4970, 59.

Cartagena, C. J. L. H, Suppl. 6227, 23.

Ampiirias („Emporiae^), C. J. L. II, Suppl. 6227, 58.

Vielleicht gehören auch folgende Typen hierher : ATEPI Ste. Colomhe, C. J. L. XU, 5686, 89.

Suppl. It. Fase. I, 1080, 85.

45

Auf Ziegeln kommen folgende Typen vor:

C-ATCAVP Isola della Scala (Gallia cmdpinn). C. J. L. Suppl. lt. Fase. I. 1075, 77.

2^Z]3iy^^ Palestrina (Praenestc), C. J. L. XIV, 4091, 20, a~ä. FILTATVS

Tivoli, C. J. L. XIV, 4091, 20, (;. CATEI PHIL- ^Delplnnus dextrorsiim"' .

Tivoli, C. J. L. XIV, 4091, 21, a. Rom 21, b.

64. ATEI

65. AT3!

66. ATI

67. ÄEI

68

El Ä

69. -PL\

70. CNATE

71. CNETE!

72. CNäEI

73. CN75L

74. MATI

75. CnATEI

V. Figurenstempel ohne Cognomen.

Kreis mit Palmzweig, Tarragona, C. J. L. II, 4970, 51, h. „in delpliino"", „51, i.

„in solea^\ „51, m.

mit Palmzweig, Genf, C. J. L. XII, 5686, 81, s\

Xanten^), XIII, nach Bohns Mitteilung.

„in ßore", Tarragona, C. J. L. D, 4970, 51, o.

mit Palmzweig, Genf, C. J. L. Xü, 5686, 81, s. „in circulo^, Tarragona, C. J. L. II, 4970, 53, g.

» » n n ri '-"J) ■"

„in trifolio cum palma^^, Tarragona, C. J. L. II, 4970, 53, o.

Halbkreis mit Palmzweig, » n » ^^? ^''•

„in trifolio cum palma"', ,, 54.

mit Palmzweig, Narhonne, XD, 5686, 82, //.

Zu den oben angeführten Exemplaren würden nach einer gütigen Mit- teilung Dr. Bohns noch zahlreiche Beispiele verschiedener Varietäten des Stempels ATEI mit und ohne Vornamen CN in Holland kommen, deren Typen aber, wie es scheint, sämtlich in unserer Aufzählung vertreten sind. Ob dies auch der Fall ist bei den 3 in rheinischen Museen vorkommenden Stempeln mit Vornamen CN, ist wegen der Beschaffenheit der Exemplare nicht sicher, aber nach Bohns Mitteilung der erkennbaren Teile wahrscheinlich. So dürfte der Stempel des Bonner Provinzialmuseums unserem Typus 17, das Kölner Exemplar („ap, Niessen") Typus 40 entsprechen. Bei dem Xantener Exem- plar CNÄH, wohl identisch mit Fröhner 757 CNATI (= Schuermans 1471), liegt vielleicht ein neuer Typus vor. Sicherlich aber dürfte der von Fröhner 754 (= Schuermans 1469) mitgeteilte Mainzer Stempel CNAEl unserem Typus 18 entsprechen, zumal da Fröhner ausdrücklich bemerkt: „littera N minor". Alle diese Funde gehören dem linken Rheinufer an, und dasselbe ist der Fall bei den oben unter No. 2, 5, 14 und 67 angeführten Exemplaren von

2) Nach Steiner, Bonner Jahrb. 87, S. 91: „Ateius" auf der Scherbe eines Napfes von feiner schwarzer Erde"' (?), gefunden in einem Grabe dicht an der Umfassungsmauer.

46

Andernach, Mainz, Köln, Xanten und Äugst. Aus rechtsrheinischem Gebiete war bisher nur ein einziger Fund bekannt, der von Dieffenbach mitgeteilte Friedberger Stempel, bei dem es, da die von Dieffenbach überlieferte Form TKTl zweifellos falsch ist, leider unsicher bleibt, ob er zu Typus 2 oder 4 gehört. Wohin das üefässfragment gekommen ist, konnte ich nicht feststellen. Unter den an die Museen zu Frankfurt und Darmstadt verkauften Friedberger Fundstücken scheint es sich nach Mitteilung der Herren Dr Quilling und Henkel nicht zu beiluden. Für Auskunft über diese Frage bin ich auch den Herren Hofrat Zangemeister und Dr. Bohn zu lebhaftem Danke ver- pflichtet.

Bei dieser Gelegenheit möge auch auf folgende Thatsache hingewiesen werden. Im Wiesbadener Museum findet sich eine dem guterhaltenen Höchster Exemplar ähnliche Sigillataschale aus Mainz mit dem Stempel OF 'ARDA (Kata- log No. 13443). Derselbe ist wohl identisch mit dem C. J. L. H, 4970, 73, b und XH, 5686, 72, a~d in der Form OF"ARDA angeführten Typus aus Tar- ragona, Orange, Sommieres, Nimes und Vienne {II ARDA). Der Name (Ardacus) kommt in verschiedenen Yarietäten in Viemie, Genf, Ste. Colomhe^ Tarragona (C. J. L. XH, 5686, 73, a—c und H, 4970, 73, a), ausserdem häufig in Frank- reich, den Niederlanden und am linken Kheinufer (Schuermans 460 471, Fröhner 143, 146, 147 u. 149) vor. Auch bei diesem Stempel spricht das ausschliesslich linksrheinische Vorkommen für frühzeitige Herstellung, die bei dem Wiesbadener und einem Andernacher Exemplar (Bonner Jahrb. 86, 174 und 89, 3) auch durch die Form, bezw. die Fundumstände bestätigt wird.

Aus der obigen Übersicht ergeben sich zunächst folgende Thatsachen :

1. Höchst ist ausser Friedberg der einzige rechtsrheinische Platz, an welchem der Töpferstempel Ateius nachgewiesen ist. Er fand sich dort auf 3 Gefässen in 3 Yarietäten, die in der Form der Buchstaben und durch charak- teristische Merkmale (Ligaturen, Yorname Gnaeus etc.) untereinander und mit den in allen westlichen Teilen des römischen Reiches gefundenen Ateiusstem- peln übereinstimmen, und zwar der Art, dass teils vollkommene Identität der Matrizen nachweisbar, teils gleiche Provenienz in hohem Grade wahrschein- lich ist.

2. Die Yerbreitung der Stempel und die Beschaffenheit des Materials nötigen uns, für die Höchster Ware und ebenso wohl auch für die am lihein und in den Provinzen gefundenen Exemplare auf Import zu schliessen.

3. Als Ausgangspunkt dieses Imports ergeben sich mit grosser Wahr- scheinlichkeit kampanische Töpfereien, um so mehr, da Plinius (Nat. bist. XXXY, 160 u. 161) ausdrücklich bezeugt, dass die Töpferwaren von Sorrent, ebenso wie diejenigen von Arretium, PoUentia, Sagunt und Pergamum in alle Welt über Land und Meer versandt wurden.

4. Auf Plinius' Zeit weist bei den Höchster Gefässen die Übereinstim- mung mit den in Pompeii ausgegrabenen Exemplaren hin.

5. Eine besondere Stelle nimmt unter den in Betracht kommenden Pro- vinzen Spanien ein, wegen der grossen Anzahl der Cognomina einerseits und

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der Figurenstempel andererseits, die in anderen Provinzen nicht vertreten sind, während doch hinwiederum die einfachen Stempel mit der Marke ATEI oder CNATEI in den mannigfachsten Ligaturen mit den kanipanischen übereinstimmen. Man kann die erstgenannten Gruppen auf Import in einer anderen (wohl spä- teren) Zeit oder auf provinzielle Industrie zurückführen, die dann aber in eng- ster Verbindung mit den kampanischen Töpfereien, etwa in einer Filialanlage, betrieben worden sein dürfte.

6. Der Namen Ateius scheint nicht wie die zahlreichen, regelmässig nur in sehr wenigen Varietäten oder nur in einem Typus vertretenen Töpfernamen der jüngeren rheinischen Sigillata auf Kleinbetrieb, sondern auf die Existenz einer bedeutenden Anlage im Besitz einer Familie der gens Ateia, die das Geschäft durch Freigelassene betrieb, hinzuweisen.^)

7. Auch die Verbreitung des Töpfernamens Ardacus über dieselben Ge- biete mit Ausnahme Italiens, wenn auch in weit geringerer Zahl, sowie die Ähnlichkeit des Wiesbadener Tellers mit dem Höchster Exemplar spricht dafür, dass der Zeit der entwickelten gallisch-rheinischen Sigillataindustrie eine Periode des Imports aus den mittelländischen Gegenden vorausgegangen ist, in welcher zuerst provenzalische Töpfereien mit den kampanischen Fabriken in Konkurrenz traten. Neben der damals wohl teuren und darum seltenen Sigillata scheint man sich in jener Zeit für die Zwecke, welchen später die Sigillatanäpfe, Tassen, Teller etc. dienten, mehr schwarzer und grauer Ware bedient zu haben.*) Denn dieselbe hat sich in vollkommener Übereinstimmung nach Material und Form weitaus überwiegend in den durch Ziegelstempel der ersten Periode zugewiese- nen Kastellen bezw. Niederlassungen von Hofheim, Okarben und Höchst ge- funden, während die für diese Orte charakteristischen Formen an den Plätzen des äusseren Limes fehlen. Die frühe Entstehungszeit dieser Gefässe und ihre zeitliche Zusammengehörigkeit mit unserer Sigillataware finde ich auch in dem soeben erschienenen Buche von Konstantin Koeneu, Gefässkunde der vor- römischen, römischen und fränkischen Zeit in den Rheinlanden, Bonn 1895, bestätigt. Die in demselben Taf. VHI, Fig. 15, Taf. X, Fig. 21—23 abge- bildeten, mit den oben angeführten Funden übereinstimmenden Gefässe weist Koenen S. 64 u. 78 der frührömischen, die auf Taf X abgebildeten speziell

^) Zu den in der römischen und griechischen Litteratur erwähnten Ateiern habe ich keine Beziehung gefunden. Dagegen dürften die in C. J. L. Bd. VI, 2, pag. 1549 u. 1550 aufgeführten Grabinschriften von Frauen und Männern mit unserem nomen gentile wegen ihrer griechischen cognomina zu beachten sein, besonders die Grabschrift VI, 2, 12573, auf der sowohl der widmende Freigelassene (Symphorus) als der verstorbene Patronus (Antiochus) dieses charakteristische Merkmal zeigen. Die Lesart Atteius schliesst, wie die Noten beweisen, ebensowenig ihre Beziehung auf unsere Ateier als ihre zweifellose Identität mit der bereits C. J. L. V, 1, pag. 2201 nach anderen Quellen aufgeführten Inschrift aus, deren stadtröraischen Ursprung bereits der Herausgeber („fortasse originis urbanae^) vermutet hatte. Italische Provenienz nimmt für die mit dem Namen Ateius gestempelten rheinischen Gefässe auch Dragendorff in der mir erst nach der Vollendung der vorliegenden Untersuchung bekannt gewordenen Dissertation: De vasculis Romanorum rubris, Bonn 1894, S 9 an.

*) Vgl. F. Hettner, Zur römischen Keramik in Gallien und Germanien (Festschrift für Overbeck), S. 168.

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der Zeit des Claudius und seiner unmittelbaren Nachfolger zu. In dieselbe Zeit aber gehören nach ihm die „hartgebackenen hellbraunroten Terrasigillata- Teller mit reich profilierter Wandung" (S. 91, h u. 92), welche nach der Ab- bildung (Taf. XIV, Fig. 3) genau mit dem ganz gefundenen Höchster Exemplar übereinstimmen, auf welches auch die Beschreibung der technischen Eigentüm- lichkeiten passt. Für die Richtigkeit seiner Ansetzung dürfte aber die Über- einstimmung unserer Höchster Ateiusstempel mit den in Pompeii gefundenen besonders ins Gewicht fallen. Sie verbietet uns, die Entstehungszeit dieser Gefässe über die flavische Periode herabzurücken. Damit ergibt sich durch den Friedberger Stempel ein neuer Beweisgrund für die erste Okkupation der ^Vetterau bis zur Linie Hanau-Friedberg durch Domitians Chattenkrieg.

Ohne diesen Friedberger Fund würde ich geneigt sein, die Höchster Ateiusstempel wegen ihrer Verschwisteruug mit anderen, sämtlich auf frühe Zeit hinweisenden Gefässresteu für die Vermutung in Anspruch zu nehmen, dass das Terrain von Höchst schon vor dem Jahre 83 n. Chr. von den Römern besetzt war. Ist doch bereits früher bei der Zusammenstellung der in Höchst vorhandenen römischen Münzen lokaler Provenienz durch Dr. Quilling*) die relativ grosse Anzahl der Augustusmüuzeu aufgefallen. Ebenso stellt es sich immer deutlicher heraus, dass die ältesten römischen Strassen nach dem Taunus und der Wetterau von Höchst ihren Ausgang nahmen, was in Verbindung mit anderen Gründen es wahrscheinlich macht, dass auf dem Boden von Alt-Höchst das Grenzkastell einer ältesten, vorflavischen Periode römischer Okkupation in der Wetterau lag. Für diese Annahme haben sich nun aber weitere Beweise auf einem benachbarten Gebiete gefunden. Durch Ritterling's Arbeiten*) ist es mehr als wahrscheinlich geworden, dass diejenigen obergermanischeu Steinin- schriften der 22. Legion, auf welchen diese noch nicht den Beinamen pia Jidelis

^) Archiv für Frankfurts Geschichte u. Kunst. Dritte Folge, IV. Band 1893, S. 350 ff.

®) Emil Ritterling, De legione Romanorum X Gemina. Lipsiae 1885, pag. 11 ff., besonders pag. 17 und Zur rönjischen Legionsgeschichte am Rhein. Westd. Zeitschr. XII, III, S. 207 ff, S. 230 ff Ritterliug's Resultate werden in einer soeben erschienenen Dissertation von A. Jün emann, De legione Romanorum I adiutrice. Lipsiae 1894, in manchen Punkten, besonders was die Zusammensetzung des obergerraanischen Heeres zwischen den Jahren 71 und 89 n. Chr. betrifft, bestritten. Es ist zu bedauern, dass A. Jünemann nur die bis zum Jahre 1892 erschienene Litteratur gekannt hat. So hat er besonders weder Ritterling's oben an zweiter Stelle citierten Aufsatz benutzt, noch einen in derselben Zeitschrift erschienenen, der speziell die Geschichte der Legio l adiutrix behandelt (Westd. Zeitschr. XII, II, 106 ff). Ebenso sind ihm die für seine Zwecke wichtigen Ergebnisse der Ausgrabungen von Nied nur aus einem vorläufigen kurzen Referat in der Berliner philologischen Wochenschrift, nicht aber auj der oben citierten ausführlichen Bearbeitung bekannt, obschon auch diese bereits vor 2 Jahren erschienen ist Daher hat er die in Nied gefundenen Typen der genannten Stempel ungenau und unvollständig angeführt (1. c. S. 112, No 46); ebenso ist seine Auffassung der Lokalität und ihres Verhältnisses zum Limes (1. c. S. 63) unrichtig und die auf dieser Grund- lage aufgebaute Schlussfolgerung für die Geschichte der Legion unzutreffend. Überhaupt finde ich in Jünemann's Ausführungen keine Veranlassung, meine Ansicht über die Zusammen- setzung des obergermanischen Heeres im 8 und 9. Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts zu ändern. Vielmehr musste mich in derselben der Umstand bestärken, dass Ritterling gleichzeitig mit mir, aber z. T. aus anderen Gründen, zu einer in wesentlichen Punkten über- einstimmenden Auffassung gekommen war.

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führt, aus der Zeit ihres ersten Aufentlialtes in Mainz, vor 70 n. Chr. stammen, Solche Inschriften sind mir, abgesehen von dem gerade an der in liotracht kommenden Stelle schadhaften AschafFenburger Stein (Brambach 1757) aus dem rechtsrheinischen Gebiete nur 4 bekannt, die sämtlich aus Kastei und seiner unmittelbaren Umgebung stammen, nämlich von Kastei : lirambacii 1348, von Bischofsheim a. M. Br. 1383, von der Gustavsburg Br. 1382 und aus Flörs- heim Br. löOG. Bei den Ziegelstempeln im allgemeinen kann bekanntlich das Fehlen der Beinamen nicht als Beweis für Frühzeitigkeit angesehen werden. Aber hier macht gerade die 22. Legion eine Ausnahme; von ihr sind mir von den Nieder Ziegeleien, also aus der Zeit ihres zweiten Aufenthaltes in Ober- germanien, keine vollständigen Stempel bekannt, auf welchen der Zusatz p, f. nicht ganz oder z.T. vorhanden wäre. Die von Brambach unter 703, 1431, 1437, 1491, 1501 u. 1673 u. 1695 aufgeführten Exemplare gehören teils Ge- bieten an, in welchen die Legion vor dem Jahre 89 n. Chr. stand (No. 23 ff.) und kommen daher nicht in Betracht, teils sind sie nach meinen Beobachtungen fragmentiert oder ungenau überliefert, bezw. falsch gelesen.') Umso über- raschender war es für mich, als mir im Jahre 1893 Oberst von Cohausen Abklatsche von 2 Stempeltypeu sandte, die sich in römischen Trümmern am Wickertbach bei Flörsheim nahe dem Main gefunden hatten, an einer Stelle, wo die von Kastei nach Höchst führende rechtsmainische Uferstrasse den Bach gekreuzt haben muss. Die übersandten Exemplare waren sämtlich nach rechts fragmentiert; die von mir sofort ausgesprochene Vermutung, dass die Ziegel linksrheinischer Provenienz und älter als die Nieder Ziegel der Legion seien, erhielt eine bedeutende Stütze dadurch, dass ich beide Typen auf Abklatschen vollständiger Exemplare dos Wormser Museums fand, die nach Dr. Wecker- ling's Mitteilung erst im Jahre 1890 in Worms selbst ausgegraben wurden und daher in den von dem genannten Forscher veröffentlichten Katalogen noch nicht vertreten sind. Die Legenden sind folgende:

1. LXXIICV Der oblonge Stempel hat innerhalb der Langseiten als Ein- fassung der Buchstaben parallele Wulste, die an den Schmalseiten in Schwalben- schwänzen endigen: 11 cm lang, 37 cm hoch.

2. LGXXII Oblonger Stempel mit grossen Schwalbenschwänzen an beiden Seiten: 10,2 cm lang, 2,5 cm hoch. Ich habe an anderer Stelle (Die römischen Ziegeleien von Nied bei Höchst a. M. und ihre Stempel, Frankfurt a. M. 1 892, S. 340) gezeigt, dass die Abkürzung Lfür LEG(io) bei der 14. und 21. Legion,

") Dies kann ich nachweisen von den No. 1431, 14:^,7 und 1501 aufgeführten Exemplaren; bei dem Namenstcrapel Br. 1491, c, 2 dürfte der Beiname in den beiden letzten Zeichen stecken. Hier sei die Bemerkung gestattet, dass auf denjenigen vollständigen Ziegelstempeln, welche noch nicht den Beinamen p. f. zeigen, regelmässig auch pr. fehlt; den wenigen Fällen, welche dieser Regel widersprechen, stehen zahlreiche andere gegenüber, in welchen p. f. oder auch nur p. ohne pr. vorkommt und wieder andere, in welchen pfrimigenia) nur mit p(ia) verbunden ist. Wir haben bei allen diesen Exemplaren aus der Zeit des zweiten obergermanischeu Aufenthaltes, ebenso wie in dem analogen Vorkommen der Stempel LEG Xllll "'if "»^1 o'"i<^ Beinamen, und zwar im ersten Falle bald mit Q allein, bald mit GM »"il GMV nur eine Unvoli- ständigkeit der Titulatur zu erkennen, die für chronologische Fragen nicht zu verwerten ist. Als Grund lässt sich in vielen Fällen die Ungeschicklichkeit des Stempelschneiders erkennen, dem es schwer fiel, die zahlreichen Buchstaben auf der verlier begrenzten IIolzHäche unterzubringen.

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abgesehen von einem einzigen Kieder Exemplar der crsteren, nur auf älteren, linksrheinischen Ziegeln vorkümmeu. Dementsprechend zeigen sämtliche Nieder Stempel der 22. Legion die Bezeichnung LEG ohne Kürzung. Sprach schon dieser Umstand in Verbindung mit dem Fehlen des Zusatzes pr. p. f. dafür, dass die Flörsheimer Ziegel von dem ersten Aufenthalte der Legion herstammen, also vor dem Jahre 70 n. Chr. gebrannt sind, so auch die weitere Beobachtung, dass die beiden Typen nur äusserst selten und auf der rechten Seite des Rheins nur in der Umgebung von Mainz-Wiesbaden gefunden worden sind. Bei Typus U spricht die Form und das Fehlen jedes Beinamens au sich für Frühzeitigkeit. Typus I scheint, wenn man die Form Leg. (nicht L) auf Ungenauigkeit der Überlieferung zurückführen darf, identisch zu sein mit den bei Brambach 1537 f. 2 und 3 verzeichneten Exemplaren aus Wiesbaden, sowie dem Wies- badener Ziegel aus Mainz, Br. 1377, g, 81. Dafür spricht besonders bei 1537 f. 3 und 1377, g, 81 die falsche Lesart N vel IV.*) Denn zu beiden Erklärungen könnte der Umstand verführen, dass C am oberen Ende mit V zu einem Zuge vereinigt ist. Auch der Stempel Becker, Kat. 304, 12 aus Mainz gehört sicher hierher. Nur den Zusatz C zeigen zwei Stempel von Koblenz, Br. 707, c und Boppard, Br. 718; doch ist der erstere nach rechts unvollständig, was auch beim zweiten der Fall sein könnte. Dass die Legion zu einer gewissen Zeit den Beinamen C-V- führte, würde, wenn seine Qualität unzweifelhaft feststände, auch der Legionsbaustein von Mainz mit der Inschrift: LEG XXil C'V-, (Bram- bach 1084) beweisen, statt welcher ein anderer, an derselben Stelle (St. Alban) gefundener Stein die Legende LEG XXII C- F- (Br. 1085) und ein dritter

LEG XXII (pfi ^ primigenia?) (Br. 1086) zeigt. Was die Sigle C-V betrifft, R P so ist sicherlich Becker's Erklärung als cohors quinta (Katalog des Mainzer

Museums, 304, 12) zu verwerfen, dagegen Brambach's Vermutung (Register

S. 387) wohl richtig, dass in dem ersten Buchstaben der Beiname Claudia

steckt. Würde nun diese Deutung auf eine Herstellung der Ziegel in Claudius'

oder Nero's Zeit führen, sc stimmt dazu auch der Umstand, dass die geringe

Zahl der bisher gefundenen Exemplare der beiden Stempel auf eine frühe Zeit

hinweist. Dass diese aber nicht wohl vor Nero's Regierung anzusetzen ist, geht

aus der früher festgestellten Thatsache (Die römischen Ziegeleien von Nied,

S. 339) hervor, dass am Rhein die Sitte, Militärziegel mit dem Stempel des

Truppenteils zu versehen, kurz vor dem Jahre 70 u. Chr. aufgekommen ist.

Rekapitulieren wir nun, was bisher festgestellt wurde:

1. Innere Gründe, in Verbindung mit dem Vorkommen frühzeitiger Gefässreste und zahlreichen Augustusmünzen sprechen dafür, dass an der Niddamündung bereits vor dem Jahre 83 n, Chr. eine An- siedelung bezw. Befestigung bestand.

2. Die Flörsheimer Ziegel sind vor dem Jahre 70 n. Chr. gebraunt und

*j Ich habe die beiden Stempel im Wiesbadener Museum nicht gefunden, dagegen ein nach rechts fragmentiertes Exemplar unseres Flörsheinier Typus I (Katalog Xo. 10036), welches nach Angabe des Katalogs in der Mauritiusstrasse aufgefunden wurde. Dadurch ist die Gleich- zeitigkeit der Flörsheimer Bauten mit solchen in Wiesbaden erwiesen, zugleich die Vermutung, dass es sich bei der Angabe Brambach's um ungenaue Überlieferung handelt, noch wahr- scheinlicher gemacht.

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au einer den Main begleiteudeu Strasse neben den von den Künieru bereits im 1. Jahrhundert benutzten Sandsteinbrüchen verbaut wurden.

3. Die Besetzung der Gegend von Kastei, Wiesbaden und Flörsheim vor dem Jahre 70 u. Chr. wird auch durcli Steiniiisclirifteu der 22. Legion ohne die Beinamen piu jtdcJi>i und zahlreiche Münzen des julisch-claudischen Hauses, besonders auch aus der Umgebung von Flörsheim, bestätigt.

4. Da alle auf eine so frühzeitige Okkupation hinweisenden Erscheinungen vereint nur in dem Terrainabschnitt Mainz-llüchst nachweisbar sind, dagegen sclion in Hedderuheim und Nied fehlen, so ist eine der Okkupation der Wetterau vorausgehende Besetzung und fortihka- torische Sicherung der Position Höchst-Uofheim um so wahrschein- licher, da ohnedies die Behauptung von Wiesbaden, dessen frühzeitige Einbeziehung in das Reich schon wegen seiner heissen Quellen anzu- nehmen ist, ohne Besetzung jenes Terrainabschnittes kaum möglich war.

Man hat nun die Wahl, entweder mit Mommsen (R. G. V, S. 134 f.) anzu- nehmen, dass, wie gegenüber von Köln und Koblenz, so auch an der Main- müuduug nach der Varuskatastrophe ein Strich Landes besetzt blieb, welches den Römern etwa wie dem Festungskommandanten das unter seinen Kanonen liegende Terrain" galt (1. c. S. 115), oder an eine Wiedereroberung vor dem Jahre 70 n. Chr. zu denken. 'Ich möchte mich unbedingt für die erstere An- nahme erklären, zunächst weil die zwischen 16 und 83 n. Chr. erwähnten Kriege gegen die Chatten uns nirgends einen Anhalt zu der Ansicht bieten, dass rechtsrheinisches Gebiet neu erobert sei. Es könnte hierfür nur der Chattenkrieg vom Jahre 50 n. Chr. in Betracht kommen. Aber derselbe war, wie aus Tacitus' Bericht (Ann. XII, 27 u. 28) hervorgeht, nur ein defensiver Yorstoss der Hilfstruppeu, die in zwei Abteilungen, rechts und links vor- rückend, die Chatten überraschten und ihnen solche Verluste beibrachten, dass sie um Frieden baten. Wenn nun die nach rechts (dextris et propioribus compendiis) vorgerückte Abteilung sich nach dem y^mons Taunus'^ zurückzog, wo der Oberfeldherr Pomponius mit den Legionen das Ergebnis der Expeditionen abwartete doch wohl an einer Stelle, an welcher die Rückzugslinien beider Abteilungen zusammentrafen , so ergibt es sich von selbst, dass das erstge- nannte Korps durch die Wetterau gegen die Lahn gezogen war. Das andere könnte etwa durch die wichtige Senke von Niedernhausen-Idstein nach dem Lahnthale vorgerückt sein. Die ganze Darstellung macht den Eindruck, dass es sich um die Sicherung eben des rechtsrheinischen Gebietes um Wiesbaden handelte, welches der Plünderung der Chatten sowohl von der offenen Wetterau, als von den Taunuspässen aus in erster Linie ausgesetzt war. Dazu stimmt, dass weder seitens der Chatten, noch seitens der Römer ein Rheinübergaug erwähnt wird. Ohne Zwang führt uns die Darstellung des Tacitus auf die Position von Hofheim. Dort tritt der Taunus in südlicher Ausbuchtung zwischen Höchst und Flörsheim am nächsten an den Main heran, um sich dann entschieden von demselben zu trennen und Raum zu lassen für die Entwickelung des Fluss- systems der Nidda. Hier trifft die uralte Yölkerstrasse von der Weser nach dem Rhein auf den ebenfalls alten Verkehrsweg, der unter dem Xamen „Hühner-

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Strasse" von der unteren Lahn durcli die ]!siedernhauser Senke zum Main und Khein führte, sieh aber, bevor er die Ebene erreichte, in zwei Arme teilte, an welchen am Austritte aus dem Gebirge die Kastelle von Wiesbaden und Hof- heim lagen. Ist deren Existenz auch durch die in ihren Bauten gefundenen Ziegel der 1., 21. u. 14. Legion erst für das 9. Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts zu erweisen, so schliesst dies doch eine frühere Besetzung, besonders auch der wichtigen Position von Hofheim nicht aus. Pomponius stand dann an der Grenze des römischen Reiches, die Feinde nach zwei Seiten bedrohend, und seinen beiden Korps den Kückzug sichernd, wie denn auch Tacitus ihn gar nicht ins Chattenland einrücken, sondern nur die Plilfstruppen in dasselbe hin- einschicken lässt.

Die hier dargelegten Ergebnisse privater Nachforschungen sind für die Reichs-Limes-Kommission mitbestimmend gewesen, als dieselbe für das Jahr 1894/95 dem Verfasser in erster Linie Nachgrabungen bei Hof heim und Flörs- lieim übertrug. Es muss der Kommission vorbehalten bleiben, die Ergebnisse dieser Arbeiten zu veröffentlichen. Doch darf hier erwähnt werden, dass die- selben keine der oben ausgesprochenen Vermutungen widerlegt, dieselben viel- mehr in wesentlichen Punkten bestätigt und ergänzt haben (cf. Limesblatt 12, 90). Insbesondere haben auch die Nachgrabungen und Lokaluntersuchungen bei Flörsheim die Voraussetzung frühzeitiger Besiedelung jener Gegend und aus- gedehnter Benutzung der dortigen Kalksteinbrüche durch die Römer in vollem Masse bestätigt. Immer klarer tritt die grosse Bedeutung hervor, welche das Mattiakergebiet für die römische Okkupation des rechtsrheinischen Germanien gehabt hat. Um so mehr ist es zu begrüssen, dass die Reichs-Limes-Kommission nun auch das römische Wiesbaden selbst in den Bereich ihrer Untersuchungen zu ziehen beschlossen hat.

Nachtrag.

Durch das Entgegenkommen der Herren Museumsdirektor Linden seh mit und Dr. Ko erber in Mainz hatte ich Gelegenheit, die oben angeführten Mainzer Ateiusstempel nach- träglich einer eingelienden Untersuchung und Vergleichung mit den unsrigen zu unterwerfen. Es sind 5 Exemplare, von welchen eines (No. 394) dem Typus 2, drei (No. 440, 448 und 458) dem Typus 5 entsprachen, während bei dem fünften mangelhafter Abdruck oder Verletzungen an der Matrize die Zugehörigkeit zu dem einen oder dem anderen Typus zweifelhaft erscheinen lassen. Alle 5 Stempel aber rühren von Matrizen her, welche untereinander und von den für die Hüchster Exemplare verwendeten nach Form und Grösse verschieden waren. Es spricht dies dafür, dass die Zahl der Matrizen noch weit grösser war, als die der oben nach dem Corpus und anderen Quellen mitgeteilten Typen. Im übrigen werden unsere obigen Ausfülirungen durcli die Beschaffenheit der Mainzer Gefässstücke in allen Punkten bestätigt. Insbesondere stimmen dieselben in der „braun-gelb-roten'^ Farbe, welche Koenen an den unserer Höchster Schale in der Form entsprechenden rheinischen Gefässen aus der ersten Hälfte des 1. Jahr- hunderts hervorhebt, mit diesen und den Höchster Stücken überein. Mit den letzteren haben sie auch die Eigentümlichkeit gemein, dass die Scherben an den Bruchstellen weniger rot gefärbt erscheinen, als dies bei der rheinischen Sigillata des 2. und ;i. Jahrhunderts der Fall zu sein pflegt. Zwei der Mainzer Exemplare zeigen auf der unteren Seite des Bodens eingeritzt die Namen der Besitzer, welche bei der Sigillataware der Limeskastelle regelmässig nicht an dieser Stelle, sondern an der Aussenseite des Bauches angebracht sind.

Ooetlie in Nassau.

Von

Fr. Otto,

Die Stätte, die ein grosser Mann lietrut, Sie ist geweiht für alle Zeiten.

Nach Goethe.

Die Schöpfuugen von keinem andern Dichter sind so sehr Ergebnisse des eigenen Lebens, als die von Goethe; für keinen ist daher das Selbsterlebte so wichtig znm Verständnis seiner Werke als für ihn. Dadurch ist hinreichend der Versuch gerechtfertigt, dasjenige, was er in Nassau, das er wiederholt be- suchte und hoch zu preisen pflegte, als Jüngling und Greis erlebte, zusammen- zustellen. Gaben schon die bis jetzt veröffentlichten Briefe und andere Berichte manches Bemerkenswerte, so haben die im Jahre 1893 erschienenen Tagebücher von 1814 und 1815*) über diese inhaltreichsten Jahre seiner Besuche Nassaus so viele neue Aufschlüsse gewährt, dass es möglich schien, auch ehe die noch ausstehenden Briefe des Weimarer Goethe-Archivs in der Weimarer Goethe- Ausgabe mitgeteilt sind, den Versuch zu wagen, und der Verfasser dieser Schrift glaubte damit eine Pflicht der Pietät zugleich gegen den grossen Dichter und gegen sein schönes Heimatland zu erfüllen.

Grundlage für unsere Darstellung sind vor allem die eigenen Mitteilungen Goethes, also für die früheren Jahre „Dichtung und Wahrheit", für die Jahre 1814 und 1815 die Tagebücher, dazu die Briefe von Freunden und andere Berichte; und um den Reiz und die Frische der Unmittelbarkeit nicht zu ver- wischen oder abzuschwächen, haben wir die einschlägigen Stellen wörtlich aufnehmen zu sollen geglaubt. So schien uns am lebendigsten entgegenzutreten, was dem Dichter hier widerfuhr, wie er sein Loben gestaltete, worauf sein Sinnen und Denken gerichtet war. Dabei könnte uns freilicli der Vorwurf gemacht werden, dass wir mehrfach uns zu sehr auf die Kleinigkeiten des all- täglichen Lebens eingelassen haben; doch würde derselbe zunächst den Dichter selbst treffen, der durch seine Berichte dazu veranlasst auch diese Dinge zu betrachten und zusammenzustellen. Und schliesslich ist bei einem Manne wie Goethe selbst das Kleine beachtenswert. Polemik gegen einzelne Punkte in früheren Darstellungen haben wir im allgemeinen vermieden; der Kundige wird von selbst herausflnden, wo etwas berichtigt oder ergänzt werden konnte.

Eine Übersicht des Inhalts findet sich am Ende dieses Aufsatzes; dazu treten 2 Tafeln, ein Plan des früheren Wiesbaden und ein Kärtchen für die Lahnreise von 1815.

Wiesbaden, im Dezember 1894, Fr. Otto.

*) Goethes Werke, lieraiisgegeben im Auftrage der Grossherzogin von Weimar. III, Goethes Tagebücher, 1813-1816. Weimar, H. Bühlau 1893.

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Goethe in Nassau.

I. 1763—1764.

Zum erstenmale scheint Goethe als etwa viorzehujähriger Knabe den Boden des späteren Herzogtums Nassau betreten zu haben; es war zu der Zeit, als er in die Gesellschaft mehrerer jungen Leute geraten war, bei denen er durch seine grosse Fertigkeit Keime und Gedichte zu verfassen zu einem gewissen Ansehen gekommen war, und die von dieser seiner Gewandtheit für ihre nicht immer harmlosen Zwecke Gebrauch machten. Mit ihnen unternahm er wohl Lustfahrten auf dem MarktschitFe nach Höchst; sie beobachteten dann ihre Reise- gefährten und Hessen sich, neckend und scherzend, mit diesem oder jenem in ein Gespräch ein. Da zugleich mit ihnen das von Mainz heraufkommende Marktschiff" zu Höchst anlangte, so gab es immer eine vollbesetzte Tafel, nach w^elcher sie wieder nach Frankfurt zurückkehrten. In ihrem Kreise hatte er auch eine herzliche Zuneigung zu einem Mädchen Namens Gretchen gefasst,' welche ihn fester an die Gesellschaft knüpfte, ohne dass sie selbst seine stille Leidenschaft nährte, sondern nur den unerfahrenen Knaben gut beriet.

Im Frühjahre 1764 trat die Katastroplie ein, welche diesem von selten Goethes harmlosen Verkehr ein jähes Ende bereitete. Als man gewissen Yer- untreuungen eines von ihm empfohlenen jungen Mannes auf die Spur gekommen war und ihn sogar beteiligt an denselben glaubte, auch das Verhältnis zu Gretcheu ans Licht gezogen wurde und schlimmen Verdacht erregte, geriet er in so leidenschaftliche Erregung, dass man auf ernstHche Mittel sinnen musste ihn zu beruhigen und seinem Sinne eine andere Richtung zu geben. Zu dem Zwecke gab man ihm einen Aufseher, der ihn begleiten und beaufsichtigen und durch Arbeit und Zerstreuung allmählich in das rechte Geleise bringen solle. Da er den Mann hochschätzte, so gelang die Sache. Nach und nach besorgte man nicht mehr, dass er in seine früheren Neigungen und Verhältnisse zurückfallen könne; man liess ihm allmählich vollkommene Freiheit. Wir lassen nunmehr Goethe selbst weiter reden'-'):

„Durch zufällige Anregung, so wie in zufälliger Gesellschaft stellte ich manche Wanderungen nach dem Gebirge (dem Taunus) an, das von Kindheit auf so fern und ernst vor mir gestanden hatte. So besuchten wir Homburg, Kronenburg, bestiegen den Feldberg, von dem uns die weite Aussicht immer mehr in die Ferne lockte. Da blieb denn Königstein nicht unbesucht, Wies- baden, Schwalbach mit seinen Umgebungen beschäftigte uns mehrere Tnge; wir gelangten an den Rhein, den wir, von jenen Höhen herab, weither schlängeln gesehen. Mainz setzte uns in Verwunderung, doch konnte es den jugendlichen Sinn nicht fesseln, der ins Freie ging; wir erheiterten uns an der Lage von Biber ich, und nahmen zufrieden und froh unsern Rückweg."

Es wäre bei dem Mangel weiterer Mitteilungen über diese Ausflüge ver- gebhche Mühe ausforschen zu wollen, was Goethe besonders anzog und

") , Dichtung und Wahrheit" II, G.

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beschäftigte; er selbst fügt der P^rzähluiiy hinzu, wiu er sie benutzte uud was für eine wohlthätige Folge sich für ilin daran anschloss. Er fahrt luiinlicb also fort:

„Diese ganze Tour, von der sich mein Vater manclies Blatt versprach, wäre beinahe ohne Frucht gewesen: denn welcher Sinn, welches Talent, welche Übung gehört nicht dazu, eine weite und breite Landschaft als Bild zu begreifen! Unmerklich wieder zog es mich jedoch ins Enge, wo ich einige Ausbeute fand: denn ich traf kein verfallenes Schloss, kein Gemäuer, das auf die Vorzeit hin- deutete, dass ich es nicht für einen würdigen Gegenstand gehalten und so gut als möglich nachgebildet hätte. Selbst den Drusenstein auf dem Walle zu Mainz zeichnete ich mit einiger Gefahr und mit Unstatten^), die jeder erleben muss, der sich von Reisen einige bildliche Erinnerungen mit nach Hause nehmen will. Leider hatte ich abernuils nur das schlecliteste Conceptpapier mitge- nommen, uud mehrere Gegenstände unschicklich auf Ein Blatt gehäuft; aber mein väterlicher Lehrer Hess sich dadurch nicht irre machen; er schnitt die Blätter auseinander, Hess das Zusammenpassende durch den Buchbinder auf- ziehen, fasste die einzelnen Blätter in Linien und nöthigte mich dadurch wirklich, die Umrisse verschiedener Berge bis au den Rand zu ziehen und den Vorder- grund mit einigen Kräutern und Steinen auszufüllen. Konnten seine treuen Bemühungen auch mein Talent nicht steigern, so hatte doch dieser Zug seiner Ordnungsliebe einen geheimen Eiufluss auf mich, der sich späterhin auf mehr als Eine Weise lebendi"r erwies."

o

IL 1765.

Zum zweiten Male linden wir Goethe in Nassau im Jahre 1765; er besuchte damals Wiesbaden. Was ihn dahin führte, in welcher Gesellschaft er sich befand u. s, w., ist aus der einzigen Quelle, der wir diese Kunde ver- danken, nicht ersichtlich. Er muss sich längere Zeit hier aufgehalten haben; am 19. Juli erhielt er einen Brief seiner Schwester Cornelie, den er am 21. des- selben Monats beantwortete, ohne von einem Zeitpunkte der Rückkehr zu reden. Auch wo er wohnte, ist nur zu vermuten. Wenn sich hinter seinem Hause ein Garten befand, so scheint das Gast- oder Badhaus, welches ihn beherbergte, am Abhänge des Berges, der sich längs der einen Seite der Langgasse erhebt, gelegen zu haben, und da bleibt für Leute seines Standes kaum eine andere Wahl anzunehmen, als dass er im „Adler" oder im „Schützenhofe" gewohnt habe; denn die andern ähnlich gelegenen Häuser entbehren entweder des Gartens oder waren damals meist nur von Leuten niederen Herkommens aufgesucht, wie die Kurlisten aus den späteren Jahren, aus denen sie noch erhalten sind, ausweisen.

Der Brief, den er an Cornelie schrieb, lautet also^):

*) Das mittelliochdeutsche un State ist jetzt ausser Gebrauch; es bedeutet eigentlich hilflose, ungünstige Lage, dann auch Mühe, Ungeschick. Lexer, mhd. Wörterbuch. ■*) Er ist abgedruckt im Goethe-Jahrbuch VII, Ö. 3 (1886) und in der Weimarer Ausgabe von Goethes Werken IV, I (1887), S. ü.

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Liebe Schwester.

Damit du niclit glaubest ich habe dich unter den schwärmenden Freuden eines starck besuchten Bades gantz vergessen; so will ich dir, einige absonderliche Schicksaale, die mir begegnet, in diesem Briefgen, zu wissen thun. Dencke nur wir haben allhier Schlangen, das hässliche Ungeziefer macht den Garten, hinter unserm Hause, gantz unsicher. Seit meinem Hierseyn, sind schon 4 erlegt worden. Und heute, lass es dir erzählen, heute morgen, stehen einige Churgäste und ich auf einer Terasse, siehe da kommt ein solches Thier mit vielen gewölbten Gängen durch das Grass daher, schaut uns mit hellen funckelnden Augen an, spielt mit seiner spitzigen Zunge und schleicht mit aufgehabenem') Haupte immer näher. Wir erwischen hierauf die ersten besten Steine warfen auf sie loss und traffen sie etliche mahl, dass sie mit Zischen die Flucht nahm. Ich sprang herunter, riss einen mächtigen Stein von der flauer und warf ihr ihn nach, er traf und erdruckte sie, worauf wir über dieselbe Meister wurden sie aufhängeten und zwey Ellen lang befanden. Neulich verwirrten wir uns in dem Walde, und mussten 2 Stundenlang in selbigem, durch Hecken und Büsche durch- kriechen. Bald stellte sich uns ein umschatteter Fels dar, bald ein düstres Gesträuch und nirgends war ein Ausgang zu finden. Gewiss wir wären biss in die Nacht gelaufen; wenn nicht eine wohlthätige Fee hier und da, an die Bäume Papagey Schwänze (:die aber unsere kurzsichtige Augen für Strohwische ansahen :) den rechten Weg uns zu zeigen gebunden hätte, da wir dann glücklich aus dem Walde kamen. Dein Briefgen vom 19. Mai war mir sehr angenehm. Inliegen- den Brief lass Augenblickhch dem Pog zustellen. Lebe wohl. Küsse Jf. M. von meinetwegen die Hand.

Wisb. d. 21. Jun. 1765. G.

Jf. M. ist sicherlich die Fräulein Charitas Meixner von Worms, eine Freundin der Cornelie, die sich damals ihrer Ausbildung wegen zu Frankfurt aufhielt und in dem Hause des Legationsrates Moritz, eines Hausfreundes der Familie Goethes, wohnte.") Wer unter Pog gemeint ist, bleibt zweifelhaft; wenn es Papa gelesen werden müsste, so wäre das „lass . . zustellen" ein unpassender Ausdruck statt „übergib." Unter dem Walde, in welchem die Wanderer sich verirrten, haben wir denjenigen zu verstehen, welcher sich über den Bergabhang unterhalb der Platte hinzieht und jetzt meistenteils ein anderes Gepräge zeigt, namentlich viele mittlerweile angelegte Spaziergänge bietet.

Welcher Art die in dem Briefe erwähnte Schlange angehört, ist nach Goethes Worten nicht zu erraten. In Nassau gibt es verschiedene Arten von Schlangen, die Kirschbaum in der Abhandlung „Die Reptilien und Fische des Herzogtums Nassau", Programm des Gymnasiums zu Wiesbaden 1859, aufzählt.

*) Aufgehaben, alt statt aufgehoben. Grimm, D. W. I, Sp. GG3. "') Über sie gibt K. Ooedeke, (irundriss IV 2, S. 575, 72 einige Litteratur an.

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Von den daselbst genannten passt nur die als Elaphis ßarescens bezeichnete, da nur sie die von Goethe angeführte J^änge erreicht; nach demselben Gewährs- mann findet sie sich nur bei Schlangenbad, das wohl von ihr den Namen habe; Exemplare, die zu Wiesbaden getroffen wurden, seien abgemagerte und wohl der Gefangenschaft entronnene Exemplare gewesen. Über Schlangen in Bädern siehe auch von Ileyden, Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogtum Nassau XVI, 203 und Becker im Frankfurter Archiv N. S. I, 32.

Wenn Goethe von einem ]5egleiter auf dem Waldspaziergang spricht, so könnte man vermuten, dass der Ausflug von 1765 zu den unter No. I erwähnten gehöre; der Begleiter wäre dann der Aufseher gewesen. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dass dessen Amt sich bis in den Sommer 1765 erstreckt habe. Denn in demselben erscheint Goethe nach „Dichtung und Wahrheit" als durcli- aus geheilt und in munterer, fröhlicher Gesellschaft. Eher kann man an die „kleineu Reisen" denken, die er mit seinem Freunde llorn (dem „Hörnchen") machte und die sie nachher poetisch aufstutzten.

III. Die Lahnreise von 1772.

Im Sommer des Jahres 1772 weilte Goethe bekanntlich in Wetzlar als Praktikant bei dem Reichskammergericht. Verhängnisvoll wurde ihm daselbst die Bekanntschaft mit dem braunschweigischen Legationssekretär Johann Christian Kestner und dessen Braut Charlotte Buff, welche durch ihre Frische, Natürlichkeit und Munterkeit, verbunden mit einer bezaubernden Erscheinung, seine ganze Zuneigung gewann; der biedere Bräutigam legte den Besuchen Goethes, weil er dessen Sinnesart genugsam erkannt hatte, kein Hindernis in den Weg, so- dass die stille Neigung allmählich zu inniger Liebe emporwuchs; Goethe aber war fest entschlossen den Frieden der Verlobten nicht zu stören und schwankte so zwischen Liebe und Entsagung, die in ihm kämpften, bis er, durch seinen Freund Merck aufgerüttelt, beschloss diesem qualvollen Zustand ein Ende zu bereiten. Am 11. September riss er sich von Wetzlar los, nachdem er von Lotte schrift- lich Abschied genommen hatte, und begab sich nach Koblenz, um hier mit Merck bei der Frau von La Roche zusammen zu treffen. Über diese Reise lassen wir ihn wieder selbst reden'):

„Ich hatte mein Gepäck nach Frankfurt, und was ich unterwegs brauchen könnte, durch eine Gelegenheit die Lahn hinunter gesendet, und wanderte nun diesen schönen, durch seine Krümmungen Ueblichen, in seinen Ufern so mannich- faltigen Fluss hinunter, dem Entschluss nach frei, dem Gefühle nach befangen, in einem Zustande, in welchem uns die Gegenwart der stummlebendigen Natur so Avohlthätig ist. Mein Auge, geübt die malerischen und übermalerischen Schönheiten der Landschaft zu entdecken, schwelgte in Betrachtung der Nähen und Fernen, der bebuschten Felsen, der sonnigen Wipfel, der feuchten Gründe, der thronenden Schlösser und der aus der Ferne lockenden blauen Berg- reihen.

'') „Diclitung und Wahrheit" III, 18.

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Ich wanderte auf dem rechten Ufer des Flusses, der in einiger Tiefe und Entfernung unter mir, von reichem Weidengebüsch zum Theil verdeckt, im Sonnenlicht hingleitete. Da stieg in mir der alte Wunsch wieder auf, solche Gegenstände würdig nachahmen zu können. Zufällig hatte ich ein Taschen- messer in der linken Hand, und in dem Augenblick trat aus dem tiefen Grund der Seele gleichsam befehlshaberisch hervor, ich sollte dieses Messer ungesäumt in den Fluss schleudern: sähe ich es hineinfallen, so würde mein künstlerischer Wunsch erfüllt werden ; würde aber das Eintauchen des Messers durch die überhängenden Weideubüsche verdeckt, so sollte ich Wunsch und Bemühunsr fallen lassen. So schnell als diese Grille in mir aufstieg, war sie auch ausge- führt: denn ohne auf die Brauchbarkeit des Messers zu sehen, das gar manche Geräthschaften in sich vereinigte, schleuderte ich es mit der Linken, wie ich es hielt, gewaltsam nach dem Flusse hin. Aber auch hier nmsste ich die trüg- liche Zweideutigkeit der (Orakel, über die man sich im Alterthum so bitter be- klagt, erfahren. Des Messers Eintauchen in den Fluss ward mir durch die letzten Weidenzweige verborgen, aber das dem Sturz entgegenwirkende Wasser sprang wie eine starke Fontäne in die Höhe, und war mir vollkommen sichtbar. Ich legte diese Erscheinung nicht zu meinen Gunsten aus; und der durch sie in mir erregte Zweifel war in der Folge Schuld, dass ich diese Übungen unter- brochener und fahrlässiger anstellte, und dadurch selbst Anlass gab, dass die Deutung des Orakels sich erfüllte. Wenigstens war mir für den Augenblick die Aussenwelt verleidet; ich ergab mich meinen Einbildungen und Empfindungen, und liess die wohlgelegeneu Schlösser und Ortschaften Weilburg, Limburg, Diez und Nassau nach und nach hinter mir, meistens allein, nur manchmal auf kurze Zeit mich zu einem andern gesellend.

Nach einer so angenehmen Wanderung von einigen Tagen gelangte ich nach Ems, wo ich einigemal des sanften Bades geuoss, und sodann auf einem Kahne den Fluss hinabwärts fuhr. Da eröffnete sich mir der alte Rhein; die schöne Lage von Ober lahnstein entzückte mich: über alles aber herrlich und majestätisch erschien das Schloss Ehrenbreitstein, welches in seiner Kraft und Macht, vollkommen gerüstet, dastand."

Wir begleiten den Wanderer nicht weiter; bei dem Geh. Rat von La Roche und seiner Gemahlin fand er gastliche Aufnahme und unterhaltende Gesellschaft. Die sonderbare Befragung des Orakels, welche der Bericht mit- teilt, muss an den Anfang der Wanderung vor der Ankunft in Weilburg fallen. Eine durchaus verbürgte Sage will wissen, bei Obernhof habe Goethe auf einer Anhöhe ausgeruht und sich au dem herrlichen Anblick der vor ihm liegenden Landschaft erfreut; man hat dem Punkte den Namen Goethe- plätzchen oder Goethepunkt geben wollen.

Von Koblenz aus fuhren Merck und Goethe auf einer Jacht den Rhein aufwärts, und „obschon", heisst es weiterhin, „dieses an sich sehr laugsam ging, so ersuchten wir noch überdies die Schiffer sich ja nicht zu übereilen. So genossen wir mit Müsse der unendlich mannichfaltigen Gegenstände, die bei dem herrlichsten Wetter jede Stunde an Schönheit zuzunehmen und sowohl an Grösse als an Gefälligkeit immer neu zu wechseln scheinen; und ich wünsche

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Ulli", indem ich die Namen Rheinfcls und St. Goar, Bacliaracli, Jungen, Ell fei d und Biberich ausspreche, dass jeder meiner I/cscr im Stande sey sich diese Gegenden in der Erinnerung hervorzurufen."

Am 21, September schrieb Goethe wieder den ersten datierten Brief von Frankfurt aus.

Hatten die ersten Ausflüge nach Nassau einen heilsamen EinHuss auf die Stimmung des jungen Goethe und infolge der Ordnungsliebe seines Aufsehers und Begleiters auf seinen Ordnungssinn ausgeübt, so war die Lahnreise viel- leicht von noch grösserer Bedeutung für den jungen Mann. Der etwas zweifel- hafte Ausgang des Orakels drängte die Neigung zur darstellenden Kunst zurück, die Übung im Zeichnen wurde lässiger betrieben, und um so mächtiger wurde der Trieb und die Kunst dichterischer Gestaltung des Erlebten, von der alsbald die Leiden des jungen Werther 1774 Zeugnis ablegten. Goethe wurde so dem Elemente endgiltig zugewiesen, zu dem er geboren war, in dem er die höchste Vollendung erreichen sollte. Indessen versäumte er das Zeichnen nicht, und auch darin brachte er es, wie er denn ein scharfer Beobachter der Natur war und den Griffel sicher zu handhaben lernte, zu einer mehr als gewöhnlichen Fertigkeit.

Sein öfterer Aufenthalt auf dem Schlosse zu Dornburg gab ihm später Gelegenheit die Erinnerung an die schönen Lahngegenden aufzufrischen; denn hier waren viele Darstellungen ihrer bunten Landschaften aufgehängt und er- freuten das Auge des Beschauers.*)

IV. 1774, Sindlingen.

Sindlingen, heute ein Dorf des Kreises Höchst, gehörte bis zu Jahre 1803 zu dem Kurfürstentum Mainz, Amtsvogtei Höchst; so ist das Fest, welches Goethe am 30. Mai 1774 hier mitbeging, eigentlich dem Kreis unserer Dar- stellung fremd, doch dürfen wir es wohl nicht ganz übergehen.

An dem oben bezeichneten Tage feierten der Kaufmann Johann ^laria Allesina und seine Frau Franziska Clara, geborene Brentano, das Fest ihrer goldenen Hochzeit auf einem Gute ihres Schwiegersohnes Schweizer zu Sind- lingen. Goethe stand damals, wie wir wissen, in naher Verbindung zu der Familie La Roche; Maximiliane, die Tochter des Hauses (1756 1793), hatte einige Monate vorher den Kaufmann und kurtrierischen Residenten zu Frankfurt Peter Anton Brentano geheiratet^), und so war er auch mit dieser Familie in Beziehung getreten. Daher wurde denn auch er zu dem festlichen Tage einge- laden und tanzte flott mit. An die Mutter der Maxe, die ,Mama" Sophie von La Roche, berichtet er darüber also'"):

*) C A. H. Burkhardt, Goethes Untorhaltmigen mit dem Kanzler Fr. v. .Müller, 1870, S. 21. ") Die Proklamation des Paares war am 2(!. Dezember 177:5 zu Frankfurt er- folgt; Mar. Belli- Gontard, Leben in Frankfurt VI 48. Der Kurfürst von Trier genehmigte, dass die Trauung in der Hofkirche zu Koblenz stattfinde (Sonntag, den '.». Januar 1771). Gr. V. Loeper, Briefe Goethes an Sophie v. La Roche, S. XX. '") v. Loeper, a a. O., S. 41. Goethes Werke, Weini. Ausgabe IV, 2, IGo.

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„Zu SingÜDgen (sie) auf der golder en Hochzeit, da ich den Geburtstag Ihrer lieben Max") herbeitanzte, hab ich Ihrer viel gedacht. 0 Manial es waren viel Lichter da'")? und Schweyzers Willemine'^) kriegte mich am Arm und fragte: warum zündt man so viel Lichter an? Das war eine Frage einen ganzen Sternhimmel zu beschämen, geschweige denn eine Iluminatiou. Ich hab mich nach Ihnen umgesehen, hab Ihrer Max den Arm gegeben wenig Augenblicke."

V. 1774, Ems.

Die Emser Reisen^'*) des Jahres 1774 knüpfen sich an den Besuch Lavaters bei Goethe an. Beide hatten ein lebhaftes Interesse, auch ohne sich gesehen zu haben, zueinander gefasst. Goethe hatte im Jahre 1772 Lavaters Schrift .Aussichten in die Ewigkeit" in den Frankfurter gelehrten Anzeigen besprochen, zwar ohne sich zu nennen, doch war es nicht unbekannt geblieben, wer der Verfasser der Rezension sei; Lavater hoffte von seiner Bekanntschaft grosse Yorteilo für sich; auch hatten ihn mehrere Aufsätze von Goethe sehr angesprochen, wie der über deutsche Baukunst, das Schreiben des Pastors zu ** an den Pastor zu **. Daraufhin war im Jahre 1773 ein Briefwechsel zwischen beiden eingetreten, der zur persihjlichen Bekanntschaft führte, als der Schweizer Theologe im Juni des Jahres 1774 seine Rheinreise machte und unter anderm das Bad zu Ems besuchte. Gross war die Spannung beider, sich von Ange- sicht zu Angesicht zu sehen. Endlich am Abend des 23. Juni traf Lavater in Frankfurt ein und nahm bei Goethes Eltern Wohnung. Sie hatten beide eine ganz andere Vorstellung voneinander gehabt, als sich jetzt darbot, aber die gegenseitige Zuneigung stieg bei dem persönlichen Verkehr, wenn auch der ernstere Geistliche den übersprudelnden Humor des jüngeren Freundes bis- weilen beruhigen musste. Da aber Lavater vielfach von anderen Personen in Anspruch genommen wurde und deshalb Goethe ihn nicht so geniessen konnte, wie er wünschte, so beschloss er ihn auf seiner \Yeiterreise nach Ems zu begleiten. Am 29. Juui fuhren also beide in einem besonderen Wagen ab und verlebten die Zeit in ernsten und heiteren Gesprächen zu ihrer hohen Zufrieden- heit. Nur einen Tag verweilte Goethe zu Ems, da Geschäfte ihn nach Hause riefen; auf dieser Rückreise war es, wo er, im Wagen sitzend, „Erwin und Elmire" fast zu Ende brachte.

In Frankfurt stellte sich bald ein anderer Gast ein, ganz verschieden von dem ersten und ebenso so vielgenannt im deutschen Reich; es war Basedow, der sich gleichfalls nach Ems zur Kur bogeben wollte; er hoffte zugleich För-

") Ihr Geburtstag war den :U. ^Fai. '-i Dazu bemerkt, v. Loeper, ts. 4:!: Die Einfach- Jieit der damaligen Zeit zeigt sich in (ioethes Abneigung gegen die ihm als unzulässiger Luxus erscheinende lieile Beleuchtung der Zimmer. So hebt er hier die vielen Lichter hervor, so die vielen Lichter am Spieltisch in dem Liede an Lilli „Warum ziehst du mich unwidersteh- lich" und in den Briefen aus der Schweiz (erste Abteilung zu Anfang des vorletzten Briefes). '•'') Schwester von Schweizer. ") Ilauptquellc ist wieder ,,Üiclitung und Wahrlieit"; die Chronologie lässt sich aus den erhaltenen Briefen feststellen. Vgl. vornehmlich v. Loeper, Briefe Goethes an Sophie von La Roche u. s. w. 187'.) IL Düntzcr, Frcundeshilder aus Goethes Leben 1853. I. Lavater, S. 1 ff.

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derer und Gönner für seine neue Erziehungsanstalt in Dessau, deren Errichtung wegen des Maugels an den nötigen Geldmitteln ins Stocken geraten war, auf dieser Heise zu gewinnen; eben hatte er den Plan zu seinem Unternelnnen durch eine Schrift „Vorschläge au das kundige Publikum über Errichtung einer Privatakadomie" erscheinen lassen, indem er durch dos „kundigen Publikums" Opferwilligkeit die fehlenden Geldmittel zu erhalten dachte. Von Basedows ihm vielfach unangenehmen Gebaren entwirft Goethe in „Dichtung und Wahrheil" ein anschauliches Bild, auch wie er sich dessen zu erwehren suchte.

Kaum war Basedow abgereist, so beschloss Goethe die beiden Antipoden in Ems durch seine unerwartete Ankunft zu überraschen, nimmt Urlaub und reist am 14. Juli ebenfalls nach Ems ab; am 15. ist der „Herr Doctor Gocdduc^'^) aus Frankfurt" in der Kurliste als angekommen verzeichnet. Die drei ungleichen Genossen blieben bis zum 18. Wie Goethe lebte, wie er sich vergnügte, davon entwirft er in , Dichtung und Wahrheit" eine lebendige Schilderung, bei der ihm nur darin das Gedächtnis untreu war, dass er die erste und die bald folgende Anwesenheit in Ems nicht voneinander scheidet; ein Irrtum ist es ferner, wenn er sich über „Werthers Leiden" ausfragen lässt, da diese Schrift doch erst im Herbst desselben Jahres erschien.

Am 16. oder 17. Juli wurde der Frau v. Stein, der Mutter des späteren Ministers, ein Besuch abgestattet, und es ist heiter zu lesen, wie Goethe auf der Heimfahrt Basedow für seine frivole Geschwätzigkeit über die Dreieinigkeit abstraft, indem er ihu hinderte in einem Wirtshause seinen trockenen Gaumen anzufeuchten; Basedow hatte gewünscht, der Kutscher möge hier halten, Goethe aber feuerte denselben an rasch vorbeizufahren. Seine heitere, übersprudelnde Laune beweist der Brief, den Lavater am Morgen des 18. an seine Frau schrieb. Goethe lag noch zu Bett, als Lavater zu schreiben begann; kaum hatte er angefangen, so diktierte ihm jener von seinem Lager aus die Fort- setzung, an welche dann Lavater wieder anknüpfte:

„Ich schreib Euch (so beginnt dieser) den letzten guten Tag von Ems

aus, Ihr Lieben .... „Unterdess (diktiert mir Goethe aus seinem Bett heraus)

Unterdess gehts immer so gerade in die Welt 'nein. Es schläft sich, isst

sich, trinkt sich und liebt sich auch wohl an jedem Orte Gottes wie am andern,

folglich also schreib er weiter." Nun ich schreibe:

Tage der liuli und des Drangs und des neuen Menschen Genusses Gönnte mein Vater mir hier u. s. w." ^'^)

'■') Vgl. A. Spiess in den Annalen des nass. Vereins l'ür Altertumskunde XII, 2S(; iT. Goeddi'e, wie auch nach seiner Abreise in der Kurliste der Name lautet, hat Goethe offenbar nicht selbst geschrieben, sondern seinen Namen dem AVirte oder Kellner des oranien-nassauischen Badhauses angegeben, der ihn dann der Aussprache getreu so niiderschrieb. Die landesübliche Aussprache des Mittelrheins nimmt es noch jetzt mit den Dentalen nicht genau und setzt vielfach Media (d) statt Tenuis oder Aspirata (t, tli); ferner spricht sie das 8chluss-c in Worten wie Goethe, Lade lang aus; Goethe selbst muss so gesprochen haben, wie er denn bis in sein spätes Alter seine rheinische Aussprache nie ganz verleugnete oder auch zu verleugnen trach- tete. Er selbst schrieb im Tagebuch Ladi'. Vgl. R. Hildebrnnd. Prcuss. Jahrb. 72 {189M), S. 447 ff. '«) Goethes Briefe, Weimarer Ausgabe (IV) 2, 17^.

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Aber auch die Dichtung giug nicht leer aus; am 17. Juni entstand „dos Künstlers Erdenwallen", eine Schilderung des genialen Künstlers, der sich durch Nahrungssorgeu zu elenden Lohnarbeiten gezwungen sieht, am 18. „auf dem Wasser gegen Neuwied" die ältere Gestalt von „des Künstlers Apotheose", „des Künstlers Vergötterung. Drama" ^^); in beiden wird die Apotheose durch die Bewunderung dargestellt, welche das von dem Meister hinterlassene Bild der Yenus Urania hervorruft; die Ausführung jedoch ist ganz verschieden. Der Fahrt auf der Lahn, die sie an demselben Tage von Ems weg nach dem Rheine führen sollte, vordanken die zwei Zeilen ihren Ursprung:

„Auf der Lahn, 18. Juli 1774. Wir Nverden nun recht gut geführt. Weil Basedow das Ruder führt."

Ferner entstand im Anblick von Burg Lahneck auf derselben Fahrt:

„Der Geistesgruss. Hoch auf dem alten Thurrae steht Des Helden edler Geist, Der, wie das Schiff vorüberzieht, Es wohl zu fahren heisst.

„Sieh, diese Senne war so stark, Diess Herz so fest und wild, Die Knochen voll von Ritterniark, Der Becher angefüllt.

Mein halbes Leben stürmt' ich fort, Verdehnt' die Hälft' in Ruh, Und du, du Menschen-SchifFlein dort. Fahr' immer, immer zu."

AVir übergehen die weitere Fahrt nach Koblenz und die heitere Scene in dem dortigen Gasthause, wo Lavater den Landgeistlicheu über die Geheim- nisse der Offenbarung belehrte, Basedow dem hartnäckigen Tanzmeister klar machte, dass die Taufe ein veralteter Brauch sei, Goethe aber, zwischen beiden sitzend, sich es w^ohlschmecken liess; ebenso muss der Verlauf der Reise nach dem Niederrhein hier unbeachtet bleiben, nur der Zeilen sei gedacht, die in den Versen Goethes auf dem AVeg nach Neuw^ied au Ems erinnern. Zunächst die bekannten Verse:

„Und wie nach Emaus weiter ging's Mit Geist und P'euerschritten, Prophete rechts, Prophete links. Das Weltkind in der Mitten."

Denn sicherlich wurde er zu dem Vergleiche angeregt durch die Namens- ähnlichkeit von Ems und Emaus; dass bei unsern Reisenden die Sache anders lag, da sie von Ems kamen, nicht dahin gingen, thut nichts zur Sache; ist doch auch das Verhältnis in einer zweiten Art umgekehrt, indem auf dem Gang nach Emaus nicht das Weltkind in der Mitte sich befindet, sondern der Herr und Meister, dem die beiden andern bewundernd zuhören. ^^)

") v. Loeper, a. a. O. S. 55. '**) Darauf macht M. v. Waldberg im Gocthe-Jahrb. IV, 355 mit Recht aufmerksam.

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Sodann sei des Stamnibuchvorscs „In das Kalendcrlein der Frau Hofrätin

Kämpf. Auf dem Rhein, den 18. Juli 1774" erwähnt, der freilich nur lose mit

Ems zusammenhängt. Zu Ems und Neuwied waren die zwei Brüder Kämpf

Arzte, Johaon zu Ems, Wilhelm Ludwig zu Neuwied, beide mit dem Titel Ilofrat;

des Emscrs werden wir weiter unter noch ausführlicher gedenken. Derselbe

mag die Reisegefährten au jenen empfohlen haben, und so wird es gekommen

sein, dass dessen Gemahlin in Koblenz sich zu ihnen gesellte und auf der

Rheinfahrt abwärts bis Neuwied ihre Begleiterin war und für sie sorgte. An

sie") richtet nun Goethe folgende Zeilen in ihr Kalenderleiu:

„Sarah koclit unsorm Herregott, Elisabeth Götzen in der Noth, Nahmen sich ihres Hauses an, Waren Gott lieb, waren lieb dem Mann. Du sorgtest für die Freunde hier; Uruni, liebes Weibchen, dank' ich dir."

Am 25. oder 26. Juli trifft die ]leisegesellschaft wieder in Ems zusammen; Lavater jedoch eilte schon am 27. in die Heimat zurück, die beiden andern verweilten noch etwa 14 Tage. In diese Zeit muss hauptsächlich das lustige und ausgelassene Treiben Goethes, von dem „Dichtung und Wahrheit" erzählt, fallen, während sich Basedow mit weitaussehenden Plänen für Verwirklichung seiner Anstalt beschäftigte, zu denen vielleicht auch unser Goethe im Vertrauen hinzugezogen wurde.

Der eben genannte Johann Kämpf (1726 1787) war seit dem Jahre 1770 zugleich nassau-oranischer Hofrat, Physikus zu Diez und Brunnenarzt zu Ems'°); ein unruhiger Kopf ein Zeitgenosse nennt ihn einen grossen Windbeutel und unverschämten Lügner^') , auf die Zeitströmungen aufmerksam und zugleich für das Wohl seines engeren Vaterlandes bedacht, macht er Basedow, als er von den Schwierigkeiten, die sich der Errichtung der Erziehungsanstalt ent- gegenstellten, hörte, den Vorschlag^'')^ diese nicht in Dessau, sondern zu Herborn im Nassauischen zu errichten; er hoffte dabei der daselbst bestehenden"), aber im Niedergang begriffenen hohen Schule wieder aufzuhelfen und so beide An- stalten zu fördern. Basedow ging auf die Sache ein, da Kämpf ihn beinahe nicht von der Seite liess und seinen Eifer immer mehr anzufachen wusste. So ging denn eine dahin zielende Anfrage Kampfs vom G. August nebst einem Schreiben Basedows vom 4. August nach Dillenburg an den Geh. Rat Winter. Mitglied der oranien-nassauischen Regierung, ab, fand aber nicht die gehoffte Aufnahme, und das Projekt musste fallen gelassen werden; im Dezember 1774 wurde die neue Schule in Dessau eröffnet.

^^) Dass es die Frau des Neuwieder, nicht des Eniser Kämpf war, lässt sich daraus abnelimen, dass diese nur kurze Zeit nachher, am Anfang des August, eines Knäbleins genas, also am 18. Juli wohl nicht iiiohr eine Rheinreise nach Neuwied unternahm. Yergl. den Brief in der Westdeutschen Zeitschr. I, 245, mitgeteilt von Joachim. •") Strieder, Hess. (iel. VI, 440. '•'') Randbemerkung in einem Exemplare von Strieder a. a. 0. aus Mosers Leben 1772, II. '-'-) E. Joachim, Basedow und die hohe Schule zu Herborn, Westdeutsche Zeit- schr. I, (1882), S. 238—252. ") Sie war 1584 gestiftet worden, hatte aber der Kosten wei;on auf die kaiserliche Oenehmisrun'r des Ranges und Namens einer Universität verzichtet.

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Wir kehrcü nach dieser AbscIiweifuDg zu Goethe zurück. Am .'] I.Juli") kündigt er der Frau von La Roche seinen Besuch zu Elireubreitstein auf Dienstag (den 2. August) an und bittet zugleicli um einige Flaschen Wein „oder vielmehr, fügt er hinzu, icli will sie mitnehmen wenn ich komme, hier vergiften sie mich mit Getränk." In demselben Briefe thut er eines Unglücks Erwähnung, welches am 30. Juli zu Ems vorgefallen war. „Am 30. Juli, be- richten die Dilleuburgische Intelligenz -Nachrichten"), sind zu Bad-Ems vier Knaben, welche krebsen wollten, in der Lahn ertrunken. Nach dem sie drey viertel Stund uuteim Wasser gewesen, so wurden sie herausgezogen, aber der angewandten Mittel ungeachtet, nicht wieder zu recht gebracht." Über diesen Unfall schreibt nun Goethe an Frau von La Roche: „Mein Sinn hat sich noch nicht ganz erholt, da vier Knaben gestern Nacht ertranken und keiner gerettet wurde. Nur in solchen Augenblicken fühlt der Mensch wie wenig er ist, und mit heissem Atmen und Seh weiss und Thränen nichts würckt."

Dies Ereignis grub sich tief in die Seele Goethes ein; er selbst hat sich wohl an den Wiederbelebungsversuchen beteiligt oder ist wenigstens bei den- selben anwesend gewesen. Noch nach einem halben Jahrhundert war die Er- innerung an sie in seinem Gedächtnis lebendig und fand eine Stelle in den „Wanderjahren" (11, 12).-®) Hier sind fünf Knaben beim Krebsen ertrunken; nachdem sie in langem Zuge hereingetragen und in dem Gemeindehause nieder- gestellt worden sind, glückt es Wilhelm Meister durch ein offenes Fenster hin- einzuspringen, da man ihn nicht einlassen wollte. „In dem grossen Saale", er- zählt derselbe weiter, „lagen die Unglücklichen auf Stroh nackt ausgestreckt, glänzendweisse Leiber, auch bei düsterem Lampenschein hervorleuchtend. Ich warf mich auf den grössten, auf meinen Freund; ich wüsste nicht von meinem Zustand zu sagen, ich weinte bitterlich und überschwemmte seine breite Brust mit unendlichen Thränen. Ich hatte etwas von Reiben gehört, das in solchen Fällen hülfreich sein sollte; ich rieb meine Thränen ein und belog mich mit der Wärme, die ich erregte. In der Verwirrung dacht' ich ihm Athem einzu- blasen, aber die Perlenreihen seiner Zähne waren fest verschlossen; die Lippen, auf denen der Abschiedskuss noch zu ruhen schien, versagten auch das leiseste Zeichen der Erwiederung. An menschlicher Hülfe verzweifelnd, wandt' ich mich zum Gebet; ich flehte, ich betete; es war mir als wenn ich in diesem Augenblicke Wunder thun müsste, die noch inwohnende Seele hervorzurufen, die noch in der Nähe schwebende wieder hineinzulocken. Mau riss mich weg u. s. w."

Für den Augenblick beschäftigte den Dichter nach seiner Erzählung in „Dichtung und Wahrheit" (14. Buch) ein andrer Plan, den die Beobachtung seioer beiden Gefährten in ihm erregt oder gefördert habe; danach wollte er das Leben Mahomeds dramatisch bearbeiten. Indessen scheint auch hier das Gedächtnis ihm untreu gewesen zu sein; der „Gesang Mahomeds", welchen er

*') V. Loeper, a. a. 0. S. 59. ''^) Mitgeteilt von v. Loepcr a. a. 0. ^'^) Darauf macht V. Loepcr a. a. 0. mit Recht aufmerksam.

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als dahin gehörig anführt, wurde bereits im Herbste 1773 durcli den Göttinger Musenalmanach bekannt und fällt also früher.

Am 12. August reiste Goethe mit Basedow, der sich nach der Schweiz begeben wollte, wicdor von Ems ab; am 14. war or zu Fraiikfurf.

VI. 1793, Juni, Juli.

Goethe hat zwar die Geschichte der Belagerung von Main/, im Jahre 1703, soweit er derselben beiwohnte, oder vielmehr i^eiuc Beobachtungen während derselben in einer besonderen Schrift geschildert, aber die AusHügo, welche er damals nach Nassau machte, nicht erwähnt; die Kunde von denselben verdanken wir brieflichen Mitteilungen in die Heimat.

Auf den Wunsch seines Herzogs begab er sich im Mai zu dem Belagerungs- heer; am 27. traf er bei demselben zu Marienborn ein. Die Einschliessung der Stadt hatte im April begonnen und der Kampf- um sie dauerte bis zum Ab- schluss der Kapitulation am 23. Juli. In und unmittelbar nach dieser Zeit fallen zwei Ausflüge, die für uns hier Interesse haben.

Am 9. Juni Rheinfahrt nach Rüdesheim; daselbst probierte der un- kriegerische Dichter die Keller durch, setzte dann an dem Mäuseturm vorbei nach Bingen über und kehrte zu Land nach dem Lager bei Marienborn zurück.'")

Nach dem Ende der Belagerung, dem Abzug der Franzosen, des Königs von Preussen und des Belagerungsheeres war, sagt Goethe, keine Ursache mehr weiteren Anteil an den Unbilden des Krieges zu nehmen; er erhielt Urlaub nach Hause zurückzukehren, doch vrollte er vorher noch Mannheim besuchen. Bevor er jedoch dahin abging, machte er einen Ausflug nach Schwalbach und Wiesbaden, von dem er am 1. August au Christiane Vulpius Bericht abstattet, und da er noch am 27. Juli einen Brief von Mainz aus schreibt, so muss der- selbe in die Tage vom 28. -31. Juli fallen. Jener Brief an Christiane lautet:

„^taynz den 1. Aug. 1793. Nun bin ich meine Liebe wieder in Maynz nachdem ich einige Tage in Schwalbach und Wissbaden mit wenig Freude und Interesse war. Es fand sich gute Gesellschaft am ersten Ort, unter andern Umständen hätte man sich wohl da vergnügen können."-^)

Schwalbach war damals noch der Hauptkurort für die vornehme Welt und hatte durch die Fürsorge seiner Fürsten sich mächtig gehoben; man ver- gleiche die Mitteilungen aus den Kurlisten, welche A. Genth aus den Jahren 1788, 1797 und 1798 macht und ebenda die „Stimmen aus Schwalbaoh vor hundert Jahren." 2^) Kurz vorher 1787 hatte der uns bekannte Joh. Kämpf, jetzt Geh. Rat zu Homburg v. d. H., Vorschläge zur Hebung des Ortes ge- macht, die von dem Landgrafen Karl Emanuel (1778^ 1812) gut geheissen, aber

-') Brief an Herder, Weimarer Ausgabe (IV) 10, S. 71», vom 15 Juli, und an Jacobi, S. 89, vom 7. Juli, über das Datum s. H. Düntzer und F. G. v, Herder, aus Herders Nachlass I, 144. --) Brief an Cliristiane Vulpius, Weimarer Ausg. (IV) 10, S. 101. '^j Nach- trag zu der Schrift: Geschichte des Kurorts Scliwalbacli, 3. Aufl., 1SS4, S. '2!t und 41 Ö'.

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nicht ausgeführt wiirdeu, da Kämpf starb. ''^'j Wiesbaden entbehrte damals fast aller Veranstaltungen zur Unterhaltung der Kurgäste, die daher auch meist Avirklich Kranke waren, und die Stadt hatte in Ansehung des Ausserlichen wenig Empfehlendes^'); zudem war es in den Kriegsjahren wegen der Nähe von Mainz mehr Gefahren ausgesetzt. Scharf urteilt über die Stadt ein Bericht aus jener Zeit (1785).^-) „Wiesbaden liegt iu einer niedrigen Ebene und in einer Gegend, die keine besonderen Aunehmlichkeiten in sich fasst, sondern sie erst in der Nachbarschaft und in einiger Entfernung gegen den llhein hin suchen muss. Auch fehlt es an schattigen Spaziergängen und au merkwürdigen Anstalten zu anständigen öffentlichen Vergnügungen. Wiesbaden ist ein elendes Städtlein mit engen Gassen." Nachdem sodann der Verfasser von dem Entwürfe eines „sehr grossen Brunnenhauses", welches ehemals für den Ort bestimmt gewesen sei und im Modellhause zu Kassel sich befinde, gesprochen, schliesst er mit den Worten: „Wie viel hätte nicht Wiesbaden durch die Ausführung eines solchen Gebäudes gewinnen müssen!"

Der Plan dieses Brunnenhauses ist für uns, nachdem die Stadt durch die Erbauung des Kurhauses und durch Erweiterung der früher bestandeneu bescheidenen Anlagen, auf die wir später kommen werden, die ersten Schritte ZH ihrer jetzigen Bedeutung als „Weltkurstadt" gethan, zu interessant, als dass wir ihn übergehen dürfen. Er wird folgendermassen beschrieben:

„Dieses Gebäude hat eine vortreffliche, seiner Bestimmung gemässe An- ordnung, indem um beide Stockwerke in der Runde zwei grosse Arkadengänge laufen, die durch sechs grade bedeckte Gallerien mit dem eigentlichen Brunnen- hause, das in der Mitte hegt, verbunden sind. Auch das geräumige flache Dach dieser Arkaden und Gallerien dient bey kühlem Wetter zum Spazieren und hat in seiner Mitte eine Kuppel in Form eines antiken Tempels, die Ruhesitze enthält. An den Arkaden, die im ersten und zweiten Stockwerk rund um das Brunnenhaus sich winden und es gleichsam einfassen, sind als Wohnungen für die Brunnengäste zwei lange Flügel ebenfalls mit einer flachen Decke ange- hängt und diese endigen sich mit zwei Pavillons, die ein gebrochenes Dach haben. Bequeme Treppen und Thüren verbinden alle Theile zu einem voll- ständigen Zusammenhang. Man wird nicht leicht einen Entwurf zu einem grossen Brunnenhaus finden, der mit der Schönheit des äusseren Ansehens zugleich soviel gute Anordnung zu seinem Zwecke, soviel Bequemlichkeit, soviel Anmut und Heiterkeit der inneren Einrichtung vereinigte."

Es ist zu bedauern, dass der Plan dieses Brunnenhauses, wie es scheint, verloren gegangen ist. Das Modellhaus von Kassel ist in der westphälischeu Zeit von den Franzosen geräumt und zerstört worden und dabei gingen manche wertvolle Modelle zu Grunde, wahrscheinlich auch die Darstellung des genannten Brunnenhauses, sie müsste denn verschleppt worden sein und in irgend einem Winkel vielleicht einer französischen Sammlung versteckt sein, in Kassel wenig- stens findet sie sich nicht mehr vor.^^) Es bleibt freilich für den Leser manches

^) Genth, a. a. 0. S. 23. =*') Job. Bernoulli bei Gentb, S. 41. ^^) C. C. L. Hirschfeld, Tlioorie der Gartenkunst, 1785, V, 111- *') Briefliclie Mitteilung des verstor- benen Oberbibliütliekars Dr. Duncker zu Kassel vom S. Januar 1885.

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an der Beschreibimg dunkel, vor allem der Urt, wo das Gebäude errichtet werden sollte, auch ob der Plan von einer massgebenden Stelle ausging u. s. w. Im besten Falle kann die Sache als der erste Gedanke an die etwa zwanzig Jahre später erfolgte Errichtung des heutigen Kurhauses angesehen werden.

YII. 1814, 29. Juli bis 12. September. Vlir. 1815, 27. Mai bis II. August.

Wir kommen nunmehr zu den Jahren 1814 und 1815. Sie sind für unsern Zweck bei weitem am reichhaltigsten und lohnendsten nicht blos wegen der langen Zeitdauer von Goethes Aufenthalt in Nassau er füllt den Zeitraum von im ganzen fast vier Monaten aus , sondern vornehmlich wegen des In- halts. Es ist der gereifte Dichter fast am letzten Ziele seiner poetischen Lauf- bahn, den wir in fröhlicher Schaffenslust verfolgen können, der wissbegierige Forscher, den wir auf seinen Exkursionen begleiten dürfen, der gefeierte Meister, hochgeehrt und aufgesucht von allen, die ihm nahen können, aber auch der nachsichtige Richter, der auch den guten Willen anerkennt, wo Kraft und Leistung höheren Anforderungen nicht entsprechen, der Freund, welcher im trauten Verkehr ganz Mensch ist, der sich unter die fröhliche Menge mischt und aus ihrer frischen Lebenslust sich selbst verjüngt. In den Tagebüchern der Weimarer Ausgabe (III. 5, 1893) liegt, freilich in knappster Form, ein so ausführlicher Bericht über das tägliche Leben vor, dass wir auch über die gewöhnhchen Vorkommnisse desselben genau unterrichtet werden; und was ist bei einem Manne wie Goethe nicht wissenswert? Erläuternd treten die Annalen oder Tag- und Jahreshefte der Jahre 1814 und 1815 und andere Aufzeichnungen 3^) hinzu, sowie die zahlreichen Briefe von befreundeten Personen und an dieselben, soweit sie bis jetzt veröffentlicht sind.

Wir haben es für zweckmässiger erachtet die beiden Jahre vereint zu be- handeln, da vielfach die in beiden vorkommenden Personen und Sachen in eiu- andergreifen und so einer Zerreissung des Zusammengehörenden vorgebeugt wird.

1. Der Eiitscliluss, 1814.

Goethe hatte seit 22 Jahren nicht den Rhein, seit 17 Jahren nicht seine Vaterstadt gesehen. Und doch hing er mit inniger Liebe an dieser; schon die Lektüre von Hebels alemannischen Gedichten lockte ihm das Geständnis ab, dass sie ihm den angenehmen Eindruck gebe, den wir bei Annäherung von Stammverwandten immer empfinden. In Bezug auf die Kheingegend und ihre Herrlichkeit bemerkt er in einem Briefe von Wiesbaden aus (5. Juli 1815)='^), es komme ihm in dieser schönen Welt denn doch wunderbar vor, dass er seine Freunde und sich selbst hinter dem Thüringer Wald suchen müsse, da man hier nur eine Viertelstunde Steigens bedürfe, um in die Reiche der Welt und

='*) Z. B. der Reisebericht an verschiedene Freunde wie Wolf, Knebel (9. Xov. 1814), öfter abgedruckt. Vergl. die Anm. zum Tagebuoli S. 354. -'-'J An Meyer in F. W. Ricninr, Briefe von und an Goethe, 1840, S. 105.

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ihre Herrlichkeiten zu sehen; die Thüringer Hügelberge aber nennt er am Abend seines Lebens trist. Kein ^Yunder, dass er, als der Friede endlich gesichert erschien, ernstlicli den Plan erwog wieder einmal nach dem Westen zu reisen. Denn früher hatten ihn die unsicheren Zeitläufte zurückgehalten, wie er am 11. Juni 1813 seinem Freunde Fritz Schlosser zu Frankfurt schrieb^^) : „Den lieben Rheinstrom, besonders die Bergstrasse möchte ich wohl einmal wieder sehen, ein wildes Ereignis nach dem andern verbietet mir aber solche Genüsse." Den gleichen Wunsch in Bezug auf seine Vaterstadt spricht er demselben gegen- über am 22. Februar 1814 aus'"), als er durch seinen von Frankfurt zurück- kehrenden Sohn lebhaft an die Freunde daselbst war erinnert worden. 3^) Aber noch dachte er nicht ernsthch an die Ausführung des Wunsches; am 7. März schreibt er an Meyer^'-*), er wolle zunächst nach Berka gehen, um dem gichtischen Wesen, das ihm manchmal in die Glieder fahre, zu steuern; allenfalls könne er sich gegen den Herbst noch einige Wochen nach Böhmen wenden. Doch allmählich reifte der leise Wunsch zum festen Entschluss, dem er im Mai des Jahres 1814 schon nahe ist. „Ich habe", so schreibt er am 8. dieses Monats an Schlosser^^), „diesen Sommer keine sonderliche Neigung die böhmischen Bäder zu besuchen; wohin ich mich wenden soll, ist mir noch nicht ganz klar. Möchten Sie mir aber eine Schilderung von Wiesbaden geben und von der Lebensart daselbst, nicht weniger, was etwa eine Person mit einem Bedienten auf einen vier- oder sechswöchentlichen Aufenthalt zu verwenden hätte, so würde ich es dankbar erkennen, um so mehr, als ich die Hoffnung hege, meine wertesten Freunde auch einmal wieder zu begrüssen. Hiervon bitte ich jedoch nichts laut werden zu lassen."

Die Antwort Schlossers muss nicht ganz ermutigend gewesen sein; in der Erwiderung*^) bekennt Goethe abermals seinen Wunsch in der Nähe seiner Vaterstadt einen Teil des Sommers zuzubringen, allein die Ärzte seien damit nicht einverstanden und möchten ihn wieder nach den böhmischen Bädern schicken, die ihm freilich mehrere Jahre bekommen seien. Und, fährt er fort, „wenn ich aufrichtig sein soll, so hat Ihre treue Schilderung der dortigen Zu- stände meine früheren Erfahrungen daselbst wieder geweckt und mir in Er- innerung gebracht, welche Leiden ich dort bei grosser Hitze in den Badhäusern, Bädern, Gasthöfen u. s. w. erduldet und wie ich mehr wie einmal in die Ge- birge geflüchtet."

Den Zweifelnden mögen schliesslich die Freunde Zelter und F. A. Wolf, welche ihn im Juni zu Berka besuchten und gleichfalls vorhatten die Bäder in Wiesbaden zu gebrauchen, bestimmt haben seine Bedenken fahren zu lassen im Hinblick auf den Verkehr, den er mit ihnen dort pflegen konnte. Wolf freilich, welcher in der letzten Woche des Juni zu Wiesbaden eintraf (er ist in der Kurliste als Gast des „schwarzen Bockes" eingetragen), war, als Goethe ankam, wieder abgereist. Dafür liiclt um so fester Zelter bei dem Freunde

8«) In Frese, Goethe-Hriefe aus Fritz Schlossers :Nachlass, 1877, S. 52. ") Ebenda S. 5S. ^*) Th. Creizenach, liriefwecliscl zwisclien Goethe und .Marianne v. Wiliemer, 2. Aufl. 1S78, S. 28. ^') Uoethe-Jahrbücher IV, IGl. *") Frese S. CO. *\i Ebenda

a. t;i.

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aus; er war am 12. Juli angekommen und ging erst am 31. August wieder ab, einen Tag früher, als Goethe nach Winkel im Rheingau fuhr.

Kaum war Zelter zu Wiesbaden eingetroffen, als er für Goethe zu surgen begann. Von Wolf übernahm er für ihn dessen noch übrigen Vorrat an Wein und Mineralwasser; am 15. Juli meldet er^"), dass er ein Quartier für ihn gefunden, drei ordentliche Piecen, welche in zwölf Tagen frei würden, in dem „Bären" („dem Neste") in der „Angergasse" (offenbar verhört statt „Langen Gasse" oder „Langgasse"). Er fügt hinzu: „Es ist hier gut und angenehm leben, da man durchaus nicht gebunden ist. . . Ich habe durch Wolf den hie- sigen Bibliothekar Hundeshagen kennen lernen; dies ist ein junger vielgeschickter Mann, der hübsch zeichnet, mit Antiquitäten, Botanik und mit Landeshistorie beschäftigt. Dieser wünscht Dir allerlei Varietäten der Natur und Kunst vor- zuführen. Willst Du Deine Pferde nicht mitbringen, so ist hier das Fuhrwesen nicht übermässig thcuer, um die schönen Umliegeuheiten zu befahren. Li Biebrich, wo der Fürst (Herzog Friedrich August) residirt, habe ich gestern eine Stunde im Garten zugebracht, der sich sehr schön ausnimmt. Von Frank- furt bin ich auf einem Marktschiff bis Hochheim gefahren und dann zu Lande hierher. Die bunte Reisegesellschaft hat mir den grössten Spass gemacht. Dies lebendige Anschauen des Lebens aus der Mitte auf die beiden Ufer ist wahrhaft lehrreich. Ich habe weinen müssen über die lustigen Lieder, die dieses Völklein sang."

So wusste er dem erwarteten Freunde Hoffnung auf mancherlei Genüsse zu erwecken,

2. Die Reise, 1814.

„Zu des Rheins gestreckten Hügeln,

Hochgesegneten Gebreiten,

Auen, die den Fluss bespiegeln,

Weingeschmückten Landesweiten,

Möget mit Gedankenflügeln

Dir den treuen Freund begleiten."

„"Was ich dort gelebt, genossen, Was mir all dorther entsprossen, Welche Freude, welche Kenntnis, War' ein allzulang Geständnis. Mög' es jeden so erfreuen, Die Erfahrenen, die Neuen."

Nachdem am 24. Juli die Vorbereitungen zur Reise getroffen waren, reiste Goethe am 25. bei herrlichem Wetter ab und kam um 0 Uhr in Eisenach au, wo er übernachtete; ein Diener begleitete ihn. Am folgenden Tag um 5 Uhr ging es weiter, gleichfalls bei herrlichem Wetter über Hünfcld, wo Jahrmarkt war, bis Fulda; am Abend um 6 Uhr Ankunft daselbst, Weiterreise um 6 Uhr des folgenden Tages bis Hanau, 7 LThr; bei Neuhof bemerkte er reifes Korn, bei Steinau Hanf- und Flachsbrechen, bei Salmünster den ersten Storcli und

**) Riemer, Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter II. 1833, S. 12.5.

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erstes Kornsehneiden; die Burg zu Gelnhausen, die ihn bald näher beschäftigen sollte, zieht seine Aufmerksamkeit auf sich; er verzeichnet: „Würde und Enge, Lust zu zieren ohne Gefühl der Verhältnisse." Hanau fesselte ihn einen Tag, da er hier Freunde besuchen wollte, doch traf er den Geh. Rat v. Leonhard nicht zu Hause, da er im liade zu Schwalbach weilte*^), dagegen zeigten ihm sein Faktor Joh. Menge und Schwager Blum vieles, was er zu sehen wünschte; auch das Leislerische Haus und Hofintendant Schaumburg^'*) wurden aufgesucht. Am Abend herrliche Beleuchtung der Dörfer und Villen des linken (Main-) Ufers. Der 29. Juli M'ar der Vaterstadt gewidmet, wo am Abend zuvor eine Illumination wegen Ankunft des Königs von Preusseu stattgefunden hatte. Der Dichter machte einen Spaziergang vor das Thor und durch einen Teil der neuen Anlagen; es mögen liebliche Bilder der Erinnerung ihm vorgeschwebt haben, aber auch Gedanken an die Freunde, die er in der Zwischenzeit hier verloren hatte. So war er nicht zu Besuchen aufgelegt, nur die zwei Brüder Schlosser, Fritz und Christian, sah er und tauschte sich mit ihnen aus; Fritz Schlosser besorgte zudem seine Geldgeschäfte zu Frankfurt, auf die er für seinen Kuraufenthalt gerechnet hatte. Um 6 Uhr, als sich eben ein Gewitter auftürmte, verliess er die Stadt und traf um 11 Uhr zu Wiesbaden ein, wo ihn Zelter empfing. So hatte er in fünf Tagen, in die freilich auch ein längerer Aufenthalt zu Hanau und Frankfurt fällt, sein Ziel erreicht.

3. Der erste Tag, 30. Juli 1814.

Eins der angesehensten Bad- und Gasthäuser, au dessen Stelle schon zur Zeit der Römer, wie später entdeckte Funde beweisen, Bäder bestanden, war das Bad- und Gasthaus zum Adler. Als im Laufe des 15. Jahrhunderts die Schildnamen der Gasthäuser zu Wiesbaden aufkamen, erhielt es den Namen „zu der Kannen" oder „zu der Kante" und erscheint so zum erstenmale im Jahre 1505.^^) Hundert Jahre später vertauschte es ihn mit der Bezeichnung „zum roten", dann „zum güldenen Adler"; noch im Laufe des 18. Jahrhunderts ragte das Bild eines goldenen doppelten Reichsadlers auf einem Schilde weit in die Strasse hinein. Wenn Goethe, der hier zuerst Wohnung nahm, das Haus zum „weissen Adler" nennt, so irrte er, da der Adler nie die Bezeich- nung weiss oder, wie der verdiente Geschichtsschreiber Schenck bemerkt, schwarz führte. ^^) Hier also stieg Goethe zuerst ab, wahrscheinlich weil seine Wohnung im „Bären" noch nicht frei war; erst am 5. August zog er dahin über. Das Badhaus zum Bären war eins der vornehmsten, wie es schon zur Zeit des dreissigjährigen Krieges bezeichnet wird; reicht sein Alter auch nicht in die Römerzeit zurück, so muss es doch schon im Mittelalter bestanden haben; der Name „zum Bern" erscheint zum erstenmale im Jahre 1471. Es bezog sein Badewasser aus der Adlerquelle und erwarb zu dem alten Besitz im Jahre

*^) K. C. V. Leonhard, Aus unserer Zeit in meinem Leben 1854, I, S. 440. **) Vgl. Goethe, Kunstscliütze am Khein u. s. w. unter Hanau. ") F. Otto, Merkerbuch der Stadt Wiesbaden, S. 74 f. *^) Schenck, Geschicht-Besclireibung der Stadt Wiesbaden 1758, S. 445 u. 446, nennt das Haus „zum schwarzen Adler", verbesserte aber in seinem nocli erhaltenen Handexemplar das Wort „schwarz'' in „gülden".

1629 den Anteil derselben Quelle, welcher bis dahin in das Schioss abo^eführf wurde, für 500 Kth., sowie den des neben anstosscnden Badliauses zum Kiesen, das mit ihm verschmolzen wurde. Seineu alten Jtuf liut das Haus bis /.u seinem Aufiiören vor einigen Jaliren stets bewahrt.

Charakteristisch ist, wie Goethe den ersten Tag zubrachte und benutzte. Zunächst traf er seine „erste Einrichtung" in dem Gasthause, der er am 1. August, da sie sich als mangelhaft herausgestellt haben mochte, die „erste ordentliche Einrichtung" folgen Hess; denn er hielt auf Ordnung im Zimmer, und wiederliolt verzeichnet das Tagebuch von 1814 „Ordnung im Zimmer" (15). August) oder „Ordnung" (21. und 31. August) oder „Aufgeräumt. Ge- ordnet" (10. September). Der Vormittag war sodann der Umschau gewidmet, die Umgebung der Stadt wurde begangen, die neuen Anlagen und Bauten der- selben, die er noch nicht gesehen, die Altertümer und Naturmerkwürdigkeiten wurden aufgesucht. Und in der That hatte die Stadt seit seiner letzten An- wesenheit sich wesentlich und zu ihrem Vorteile verändert. Sie war freilich noch kleiu von Umfang und die Zahl der Bewohner betrug kaum etwas mehr als 4000; doch war der Anfang zur Vergrösseruug gemacht und die Bevölke- rung stieg, wenn auch nicht so rasch als heutiges Tages, so doch stetig. Be- deutend waren die baulichen Veränderungen und fielen am meisten in die Augen. Fast an der Stelle des Wiesenbrunnens mit seiner Einfassung von eiuem Kranze bejahrter Rosskastanien, zu denen eine doppelte Allee von Silber- pappeln hinführte und kühlen Schatten spendete*''), war in den Jahren 1808 1810 das Kurhaus errichtet worden, noch jetzt von den Wiesbadenern nach dem Ilauptteil gewöhnlich der Kursaal genannt, wie es auch Gcelhe thut, ferner die Aulagen vor und hinter demselben teils neu geschaffen, teils entsprechend um- gestaltet.***) In dem Saale waren Nachbildungen antiker Bildsäulen von carra- rischem Marmor aufgestellt, denen auch Goethe seine Aufmerksamkeit schenkte; vornehmlich erwähnt er die Kopie des Apollo von Belvedere von Jos. Chinard***) aus Lyon (1756 1813), die der talentvolle Künstler im Jahre 1787 zu Rom angefertigt hatte. Die neuen Strassen, Wilhelms-, Burg- und Friedrichsstrasse, waren dem Plane nach entworfen, aber noch nicht ausgebaut, ja die Namen der beiden ersten standen noch nicht fest; die Wilhelmsstrasse nannte man entweder Alleestrasse oder nach ihrer Lage am sog. warmen Damm Warme- damm- Allee, bis sie im Jahre 1817 ihreu jetzigen Namen nach dem jungen Herzoge AVilhelm erhielt; die Burgstrasse aber, weil sie den Marktplatz mit der neuen Wilhelmsstrasse verband, hatte bis zum Jahre 1821, wo sie genug- sam „ausgebildet" erschien, den wenig geeigneten, wenn auch bezeichnenden abstrakten Namen Kommunikationsstrasse. Den warmen Damm nahmen Kraut- und Baumgärten ein. Die Häuser, auch die der neuen Strassen, waren nach

*') Das Bild in Ritters Denkwürdigkeiten der Stadt Wiesbaden, S. Sl, sowie die ältere Zeichnung der Örtlichkeit in den Annalen des Vereins für nassauische Altertumskunde XXIV, Ifi.S. **) S. den Plan bei Ebhardt, Geschichte der Stadt Wiesbaden, auf unserer Tafel. *^) Das ist wohl die richtige Form des Namens, nicht wie Gerning, Die Rheingegenden S. 19 und nach ihm andere, auch lley'l im Fremdenführer angibt, Ghinard. Goethe nennt ihn C. P. Chinard, Gerning C. F. Ghinard, Höfer in der Riogr. gen. X, Ölti u. a. Josepli Oiiiiiard.

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den heutigen Begriffen klein, wie noch jetzt einzelne Gebäude jener Zeit be- weisen, ihre innere Einrichtung beschränkt. Goethe urteilt daher mit wohl- wollender Nachsicht, wenn er schreibt^"): „Dem Freunde der Baukunst wird der grosse Cursaal sowie die neu angelegten Strassen Vergnügen und Muster gewähren. Diese durch ansehnliche Befreiungen und Zuschüsse von höchsten Behörden entschieden begünstigten Anlagen, zeugen von des Herrn Baudirectors Göz^') und des Herrn Bauinspectors Zais^-) Talenten und Thätigkeit. Die grossen Wohnräume, die in den neu angelegten Häusern entstehen, beleben die Hoffnung, dass mancher Yorsatz auszuführen sey, den man hier im Stillen nährt, um eine so viel besuchte, an Ausdehnung und Umfang täglich wachsende Stadt durch Sammlungen und wissenschaftliche Anstalten noch bedeutender zu machen." Dieser letztere Wunsch ist denn auch später in Erfüllung gegangen, obgleich vielleicht nicht in dem vollen Umfange, der jetzt von manchen ge- wünscht wird.

Goethe besuchte also an dem ersten Tage in Begleitung seines Freundes Zelter sogleich die nächste Umgebung der Stadt, das Bosket, d. h. die Anlagen um den Kursaal und die Reste der früheren Anlagen, des Herrngartens zwischen dem Kursaal und der Stadt, dann den Kursaal selbst, am Nachmittage den Steinbruch im Mühlbachthale (denn dieser ist gemeint, auch wo der Zusatz „im ^lühibaclithale" nicht zugefügt ist; derselbe zog den Mineralogen oft an); dann kehrte er zurück zu den Resten der Stadtmauer, dem Schützenhof, der im Jahre 1783 einen Umbau erfahren hatte, und dem Kirchhof hinter demselben. Hier suchte er das Grab Wilhelms v. Wolzogen auf, der im Jahre 1809 am 17. Dezember zu Wiesbaden gestorben war und daselbst begraben lag; dahin zog ihn die pietätsvolle Erinnerung auch an Schiller, der bekanntlich Wolzogens Schwager war. An den Kirchhof stösst die Heidenmauer, „die alte Mauer", die er mit geschärfteren Augen als früher betrachtete, ohne ihr wie überhaupt den Altertümern der Stadt, deren Zeit noch nicht gekommen war, grösseres Interesse abzugewinnen; er erwähnt der Mauer nicht mehr. Die Umschau über das Ganze schloss am 1. August ein Spaziergang auf der Schwalbacher und Limburger Strasse ab, die damals nur durch Gärten, Baumstücke und Felder führten, jetzt von stattlichen Häuserreihen bis weit vor die Stadt bekränzt sind; auch der Steinbruch lockte ihn abermals an. Dass er den Kochbrunnen in seiner damaligen unkünstlerischen Gestalt nicht versäumte, dürfen wir vor- aussetzen, wenn er auch über ihn schweigt; nur am 11. August gedenkt er eines Besuches desselben („nochmals ausgegangen zur heissen Quelle").

4. Entschluss und Reise, 1815.

Im Frühjahre 1815 befand sich Goethe nicht wohl, eine frühzeitigere Kur erschien geboten, „wozu ich", schreibt er an den Geh. Rat von Voigt am 10, Mai^^),

'") Kunstschätze am Rhein, Wiesbaden. ^') Georg Karl Florian Götz, Baudirektor zu Wiesbaden für das Oberamt Wiesbaden, die Ämter Wallau und Wehen. ") Christian Zais, Bauinspektor zu Wiesbaden für die Amter Eltviile, Rüdesheim, Kaub, Idstein, Katzeneln- bogen, Kirberg und Limburg. •'^■') O. Jahn, Goethes Briefe au Chr. G. v. Voigt ISGS, ^o. 1H7.

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„durch meine Krankhaftigkeit veranlasst, durch freundliche und ängstliche An- triebe, ja gewissormassen durch ein Geheiss unserer gnädigsten Fürstin genüthigt werde"; und bald darauf Mitte Mai^*) an Zelter: „ich habe mich mehr aus fremdem Andrang als aus eigener Bewegung entschlossen in diesen Tagen nach Wiesbaden zu gehen und daselbst so lange zu bleiben, als die Umstände erlauben wollen."

So verliess er denn rasch entschlossen am 24. Mai des Morgens um 5 Uhr Weimar. Diesmal bot die Reise weniger Veranlassung zu Bemerkungen; das Tagebuch beschränkt sich fast nur auf die Notizen über die Orte, durch die ihn sein Weg führte, und die Zeit der Ankunft und Abfahrt.

„Am 24. Um 7V-' in Erfurt. Um 11 in Gotha. Um 3 in Eisenach. . . . Gespeist allein. Kommandant v. Egloffstein.

„25. Von Eisenach ab (! Uhr. Von Bercka ab SV*. Von Fach ab II. Von Buttlar ab 1 Va. Hatte gespeist. Von llünfeld ab 374. in Fulda ange- kommen 6V2 Uhr. Im Posthause. Gespräch mit dem Postmeister.

„26. Mai. Heller kühler Morgen. Von Fulda SV*. Neuhof 7. Schlüch- tern 10. Saalmünster 11 V2. Gelnhausen 1. Gespeist. Hanau 6. Franckfurt^^) 8.

„27. Mai. Von Frankfurt 87*. lu Hadersheim (Hattersheim) 11. In Wisbaden IVs. Im Bären eingekehrt. Einrichtung."

In Frankfurt machte er keine Besuche, wie sich aus dem Tagebuch er- gibt, und hielt sich nicht länger auf, als nötig war. Zu Wiesbaden fand er das Badhaus zum Bären sehr verändert. Als Zelter am 6. Juni ihm angekündigt hatte, er werde sich ebenfalls einfinden, da ihm das Wasser so gut bekommen sei, erwidert er am 16. Juni^'^): „In den alten Bären ist Dein baumeisterlicher Geist gefahren; er würde Dich in Verwunderung setzen. Der dunkle Gang ist erweitert, eine durchaus zusammenhängende Reihe von Zimmern angelegt, der Vorplatz hinter dem Balkon macht jetzt mein abgeschlossenes Vorzimmer; so ist es auch auf der andern Seite. Wie lange ich bleiben werde, weiss ich nicht." „Dass der alte Bär", antwortet Zelter am 26., „seine Eingeweide restau- riert, möge ihm wohl bekommen, wiewohl ich wünsche, dass sein Fell geschont würde; das alte rotbraune Gebäu mit den beiden Altanen sah mich immer an wie ein kupfernes Schaustück früherer Zeiten." Dieser Wunsch Zelters ist so wenig erfüllt worden, dass sich der alte Bär nicht nur einen Neubau, sondern in unseren Tagen die völlige Niederreissung musste gefallen lassen, um einer neuen Strasse, der Bärenstrasse, in deren Name sein ehemaliges Dasein fort- leben wird, für den gesteigerten Verkehr Platz zu machen. Die neue Zeit hat eben auch ihr Recht und verlangt sogar iu Nürnberg und Rom, dass ihren Be- dürfnissen Rechnung getragen werde.

'"*) Der Brief ist wohl der im Tagebuch bezeichnete vom 17. Mai; Riemer setzt ilni Ende Mai. ") Goethe schreibt bald Frankfurt, bald Franckfurt, auch Frnncfurt. Ebenso ist die Schreibung von Wiesbaden wechselnd bei ilini. In seinen rasch liingeworfcnen Notizen legte er, wie die damalige Zeit überhaupt, keinen Wert auf Orthographie. ^') Riemer a. a. 0, unter den betr. Tagen.

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."). KurU'ben, 1S14 und 1S15.

In seinem Briefe an Leouhard vom 1. August 181 4^''^) bemerkt Goethe, er gedenke eine ernsthafte Badekur von wenigstens vier Wochen zu bestehen und sich während dieser Zeit nicht weit zu entfernen, und übereinstimmend damit berichtet er F. A. Wolf in dem oben erwähnten Reisebericht vom November IS 14, er habe die Kur auf das regehnässigste gebraucht, doch habe es nicht an Unterbrechungen gefehlt.

Das Tagebuch bestätigt beide Angaben vollständig. Was zunächst das Jahr 1814 betrifft, so wurde nur au wenigen Tagen und meist infolge von äusseren Umständen die Badekur ausgesetzt, sodass die Zahl der Bäder im ganzen 22 betrug; nur an 4 5 Tagen findet sich kein Grund zu einer Unter- brechung angegeben. Wir werden die Störungen in einem besondern Abschnitt weiter unten besprechen; hier mögen sie kurz angeführt werden. Am 3. August folgte er einer Einladung nach Mainz zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Königs von Preussen; am 15. August fand der Ausflug nach Rüdesheim statt, der zur Teilnahme an dem Rochusfeste am 16. führte; am 24, und 25. verlangte die Anwesenheit des Grossherzogs Karl August von Weimar, dass ihm die ganze Zeit gewidmet werde; am 29. fühlte Goethe sich unwohl, wahr- scheinlich wegen der Strapazen, welche die Feier seines Geburtstages ihm auf- erlegt hatte. Mit dem Anfang des September war die Kur abgeschlossen, und es folgten die schönen Herbsttage im Rheiugau.

Die Kur des Jahres 1815 verlief anfangs gleich gewissenhaft; vom 28. Mai bis 22. Juni setzte Goethe in 26 Tagen nur fünfmal aus; nachher verfuhr er weniger streng; nach einer Pause bis 11. Juli nahm er fünf und nach einer zweiten vom 16. Juli bis 5. August, in welche die Reise au die Lahn und nach Köln fällt, noch einige Bäder, die diesmal im ganzen die Zahl dreissig erreichten.

Mit dem Bad verband Goethe das Trinken von Schwalbacher, seltener Weilbacher Wasser. Jenes rührte zum Teil aus dem Bestand von F. A. Wolf her, wie wir wissen; er nahm es gewöhnlich des Morgens auf oder vor einem Spaziergang zu sich. Geilnauer Wasser, das er zu Mainz gekostet hatte, scheint ihm nicht zugesagt zu haben. Jn beiden Jahren ist elfmal Schwalbacher, dreimal Weilbacher Wasser in dem Tagebuch angemerkt.

Die körperliche Bewegung bildet auch einen Teil des regelmässigen Kur- lebens. Während des Sommers 1814 beschränkten sich die täglichen Spazier- gänge meist auf die Anlagen ^^) oder die Gegend vor dem Kursaal, vielfach in Begleitung Zelters oder eines anderen Bekannten, weitere Ausflüge waren selten, wir werden sie weiter unten erwähnen; hier sei nur bemerkt, dass am 6, August die Fräulein von Stein eine „Fete zu Sonnenberg" veranstalteten und am 9. und 18. die Platte besucht wurde.

Im Jahre 1815 zeigte sich Goethe, nachdem einmal, wie es scheint, die „Krankhaftigkeit" gewichen war, viel unternehmender. In Betreff der Stadt

'•' I V. Leonhard, Aus unserer Zeit in meinem Leben I, 440. ®^) Wenn es am 8. Aug. beisst .,in den IJethmiannisclienV) Anlagen", so ist der Zusatz Hetlim. oin Irrtum; solche gab es zu Wiesbaden nicht.

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gedenkt er am 20. Mai eines Besuchs der „Oberen Vorstadt", ein Name, der für die kleine Stadt volltönender lautet, als sie verdient. Sonst bildet zwar auch wieder der Kursaal mit seinen Anlagen namentlich vor Tisch („vor Mittag") das gewöhnliche Ziel der Spaziergänge und auch die Kalksteinbrüche wurden wiederholt besucht; aber für die Nachmittage oder Abende, manchmal bis in die Nacht hinein, ist jetzt der Geisberg, den er 1814 nur einmal betrat, der- jenige Punkt, welcher den Dichter am meisten anzog. Hier verlebte er im Kreise von Freunden wie Cramer, Boisseree, Schlosser bei einem Glase Wein, vielleicht von dem gepriesenen Elfer, vergnügte trauliche Stunden, die auch ihren Niederschlag im west-östlichen Divan gefunden haben. Von ihm gilt, was er in einem oben angezogenen Briefe sagt, dass man hier (in Wiesbaden) nur eine Viertelstunde Steigens bedürfe, um in die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit zu sehen. Hier hat man die Stadt zu seinen Füssen, weiterhin erblickt man saufte Anhöhen hinter und neben ihr, die Berge jenseits des Rheines, diesen selbst und die Türme des goldenen Mainz, sowie linker Hand die Ebene bis zum Odenwald hin. Der Geisberg war damals von einem Ökonomiegut eingenommen, dessen Besitzer zugleich Wirtschaft betrieb; er hiess Hastings^'), sein Kellner war ein schöner, blonder, freundlicher junger Mensch^"), an dem Goethe sein Wohlgefallen hatte; am Sonn- und Montag und während der Sommermonate auch am Mittwoch und Freitag^^) spielte hier eine Musikbande. Diese scheint nun unsere Gäste weniger angelockt zu haben, denn eine ver- gleichende Zusammenstellung belehrt uns, dass sie die der Musik entbehrenden Tage für ihre Besuche des Ortes vorzogen, aber die anderen doch nicht ganz vermieden; ist die Rechnung richtig, so betragen jene 12 Tage unter 15.

Andere Ausflüge des Jahres 1815 führten nach der Papiermühle zu Ciarenthal (am 29. Mai) und der Klostermühle (am 3. August) bei diesem kleinen Dorfe, w^elches sich an das ehemalige adelige Nonnenkloster gleichen Namens (1296 1560) angeschlossen hatte. Von dem Kloster hatte die später in seiner Nähe angelegte und noch jetzt bestehende Mühle den Namen ; Goethe nennt sie Nonnenmühle. An beiden Orten wurden den einkehrenden Gästen Erfrischungen verabreicht. Die Klostermühle erregte aber in ganz andrer Weise Goethes Interesse. Er glaubte hier ein leibhaftiges Gegenstück zu seiner Dorothea in „Hermann und Dorothea" gefunden zu haben. Die Mühle hatte im Jahre 1792 ein Johannes Reinhard aus Nastätten für 2000 fl. erkauft.*') Als er im Jahre 1813 in einem Alter von 45 Jahren starb, hinterliess er eine Witwe mit einer zahlreichen Schar von meist unerzogenen Kindern; die drei ältesten waren Söhne, welche der Mutter bei dem Betrieb ihres Geschäftes wohl schon hilfreich zur Seite stehen konnten; es folgte eine Tochter, Katharine Eleonore, geb. am 30. April 1797, die also zu der Zeit, als Goethe hier weilte,

^«) Auch Boisseree nennt den Namen T, 259. '^'') Ebenda, s. auch unten No. 11 (Divan). «') So lautet z. B. im Wiesbader Wochenblatt vom 11. Juli 181') die ßei<nnnt- machung mit dem Zusatz ^wie in den vorherigen Jahren". "-') Staatsarchiv zu Wiesbaden. Die folgenden persönlichen Verhältnisse der Familie Reinhards sind dem Kirchenbuche von Wiesbaden entnommen, das einzusehen Herr Pfarrer Friedrich dem Verfasser in gewohnter Liebenswürdigkeit gestattete.

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eia Mädchen von 18 Jahren war; die anderen Töchter waren jünger. Katharine Eleonore muss sich der Geschäfte der Haushaltung und Bewirtung der Gäste thätig angenommen, auch die Mutter bei der Erziehung der jüngeren Geschwister unterstützt haben, Sie nun rief unserm Dichter das Bild seiner Dorothea vor Augen, So erzählte er am 17. September'^^) den Frankfurter Freunden in zahlreicher Gesellschaft von der schönen Müllerstochter auf der Nonneumühle bei Wiesbaden, mit der ihn Frau Bansa^*) bekannt gemacht habe, als einem Gegenstück zu seiner Dorothea: „Reinlichkeit, Wolilhabenheit, Schönheit, Derb- heit, Sie spielt Klavier, die Brüder sind zugleich Fuhrleute, eine alte Mutter*'^) steht dem Haus vor. Eine alte Muhme ist der Apotheker aus „Hermann und Dorothea* und recht gut, Sie hat noch eine Anzahl Geschwister," Noch ein- mal sah Goethe das Haus, es war auf der Rückreise von Nassau am 31. August, aber wohl ohne einzukehren, doch vergisst er nicht die Nonnenmühle und dass er an ihr vorbeigefahren, zu notieren. Die Katharine Eleonore, um das nicht zu übergehen, heiratete später den Besitzer des ehemaligen sog. Mahrischen Hofes Jakob Wilhelm Mahr und nach dessen am 17. November 1832 erfolgten Tode im Jahre 1S38 den Badewirt Philip}) Daniel Herber; sie starb zum zweitenmale verwittwet am 23. Oktober 1872.

Weiter ab lag der Nürnberger Hof, dem der Besuch am 6. Juli galt. Die Fahrt war am vorhergelieuden Tage mit Gramer verabredet worden, der zwar nicht unter den Teiluehmern genannt wird, aber doch wohl nicht gefehlt hat, da seine Familie'^^) zu ihnen gehörte und auch das Gestein untersucht wurde. Auch dieser Punkt bietet eine herrliche Aussicht auf die vor ihm liegende Ebene, durch welche majestätisch der Rhein seine Fluten wälzt, um- geben von zahlreichen Städten, Dörfern und Tillen. *^^) Das Tagebuch gibt die kurze Notiz: „Mittag auf dem Hofe. Im Freyen schöne Aussicht."

Regelmässig ist im Tagebuch verzeichnet, wo er zu Mittag speiste. Dies geschah im Jahre 1814 anfangs an der Tafel seines Gasthauses, wenn keine Abhaltung durch eine Einladung dazwischen trat. Yom 11. August an aber heisst es fast immer: „Mittag zu Hause", oder „Mittag für mich". Er war in seine Wohnung zum Bären übergesiedelt, und die Gasthaustafel mochte ihm nun unbequem geworden sein, sei es, dass seine Massigkeit in Speise und Trank ihm dieselbe verleidete oder er nicht die Unterhaltung fand, die ihn befriedigte, oder er in anderer Weise sich beengt fühlte. Wir kennen die Genügsamkeit des freilich vierzehn Jahre älteren Goethe aus den Mitteilungen über seine

®^) S. Boisseree, dem wir diese Mitteilung verdanken (I, 280\ nennt Sonntag den 18. September als den Tag der Erzählung, Der Sonntag dieser Woche fiel aber im Jahre 1815 auf den 17. September. Schon Creizenach, Briefwechsel zwischen Goethe und M. V. Willemer S, 50 bemerkt, dass Boisserees Angaben der Tage zu dieser Zeit nicht richtig seien; das Tagebucli setzt die betreffende Gesellscliaft auf den 17. Sept. ''^) Boisseree schreibt Pansa. *^j Sie hiess Marie Margarethc und war eine geb. Erckel von Wiesbaden, lebte übrigens noch bis zum 10. Oktober 1847. *''^) Vgl. den Abschnitt No. 8, 10 (Philippiue Lade). **') Sogar Vogel, Besclireibung des Herzogtums Xassau S. 544, wird in seiner zwar höchst lehrreichen, aber trockenen Darstellung zu den Worten hingerissen: .,hier hat mau eine unbeschreiblich schöne Aussiclit über den Rhein, das Rheiugau, die Pfalz u. s. w. hin."

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tägliche Lebensweise zu Dornburg im Jahre 1828"^); die daselbst erwähnte Liebhaberei an Artischoken, die er sich selbst zu einem Salat mit feinem Provenceröl zubereitete und aus Frankfurt hatte kommen lassen, bestand auch schon in Wiesbaden; seinen Freund Fr. Schlosser bittet er am 20. August 181 4*'^), wobei er sich wogen des sonderbaren Auftrags entschuldigt, er möge ihm durch einen Fuhrmann, der zweimal wöchentlich nach Frankfurt fahre, ein halbes Dutzend Artischoken senden; hier (in Wiesbaden) seien sie selten und dann nicht gut zu haben, und dies Essen sei seine Leidenschaft. Wie wenig sein Magen aussergewöhnliclien Leistungen gewaclisen war, zeigt sein Unwohl- sein nach der Geburtstagsfeier.

Hier müssen wir die Anekdote, die ein freilich nicht ganz glaubwürdiger Berichterstatter erzählt, erwähnen. ^^) „Kurz nach den Befreiungskriegen traf Goethe", so heisst es, „mit russischen Offizieren, Liefländern in Wiesbaden an der table d'hote zusammen; diese brachten ihm den Toast aus: „Sie sollen leben, Herr Professor!" Goethe, der ganz einfach gekleidet war, entfernte sich und erschien nach kurzer Pause wieder mit dem Stern des russischen St. Annen- Ordens auf der Brust. Die Offiziere gaben ihm nun die Excellenz und baten ihn um Entschuldigung, die Gesundheit habe nicht ihm, sondern seinen un- sterblichen Werken gegolten. Die weimarische Excellenz verharrte in stolzem Schweigen." Wenn dieser Bericht auf Wahrheit beruht, so muss die Sache im Gasthaus zum Adler und in den Tagen stattgefunden haben, als Goethe noch zugleich ebenda wohnte, da er sonst nicht nach kurzer Pause wieder erscheinen konnte, also im Jahre 1814. Die Tagebücher aber schweigen an diesen wie an allen Tagen von einer Gesellschaft russischer Offiziere oder von einem Vor- kommnis der Art, wie das erzählte ist. Wäre Goethe über ein solches miss- stimmt worden, so hätte er es sicherlich kurz bemerkt, wenigstens die Anwesen- heit der Offiziere erwähnt. Gesetzt aber auch, dass sich die Sache so verhalten hat, wie Yehse berichtet, so ist das Benehmen Goethes gewiss weit eher dar- auf berechnet gewesen, die lärmenden Gesellen zum Schweigen zu bringen, als aus beleidigtem Stolz wegen Versaguug der Excellenz zu erklären. Die Ent- schuldigung aber wäre ebenso albern gewesen, als gross die Unwissenheit über die Stellung des Yerfassers der „unsterblichen Werke", die sie hoch „leben" Hessen.

Auch im Sommer 1815 speist er meist zu Hause; nur wenn Besuche ihn nötigen, auswärts, und zwar jetzt meist im Kursaal; diese Fälle wiederholen sich öfter infolge der Anwesenheit Schlossers, Boisserees u. a.

Den Abend brachte er ebenfalls am liebsten zu Hause zu, sei es im traulichen Gespräche mit einem Freunde oder mit seinen Arbeiten beschäftigt. Einmal, am 16. Juli 1815, speiste er zu Abend in der Loge. Er ging in der Regel früh zu Bette, zu Dornburg regelmässig um 9 9V2 Uhr. Nur äussere Umstände brachten auch hier eine Änderung hervor, wie die Anwesenheit des Grossherzogs oder der letzte Abend vor der Abreise der Frau Äbtissin v. Stein, was er dann niemals zu verzeichnen vergisst. Für das Jahr 1815 finden sich

^^) Gocthe-Jahrli. H, Uli). ß») Frcse, a. a. 0. 8. ß."). - '") Vehse, Geschichte der deutschen Höfe, 28, 201.

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selten dahin gehende Bemerkungen in dem Tagebuch; doch darf man vermuten, dass er es ebenso gehalten hat. Nur die Spaziergänge auf dem Geisberg dehnten sich öfter länger aus, bis in die Dunkelheit hinein.

i\. Das Theater.

Ilicr ist wohl der passende Ort, über Goethes Besuch des Wiesbadener Theaters zu reden. ''^)

Ein Theater bestand hier schon längere Jahre, wenn auch ein eigenes Gebäude für dasselbe fehlte; die Vorstellungen wurden in einem dazu herge- richteten Saale des Schützenhofes gegeben. Das Theater, seit 1810 herzoglich nassauisches Hoftheater benannt, stand seit 1807 unter staatlicher Oberdirektion und erfuhr dadurch einen höheren Aufschwung. Bei den für notwendig er- achteten Umänderungen im Inneren des Gebäudes zog man den geschickten Dekorationsmaler Friedrich Beuther (1776 1856)^^), der sich damals zu Frankfurt aufhielt, zu Rate; dieser hatte seine Stärke in der Darstellung der Perspektive und der „Hintergründe". Auch in Weimar ging man einige Zeit später, im Winter 1815 auf 1816, damit um, das Theater, das dort ungleich höher stand als in Wiesbaden und, wie Goethe sagt, „sich in Hinsicht auf reine Recitation, kräftige Deklamation, natürliches und zugleich kunstreiches Darstellen auf einen bedeutenden Gipfel inneren Wertes erhoben hatte", dem entsprechend in seinen äusseren Mitteln zu vervollkommnen. Zu dem Zwecke trat Goethe mit Friedrich Beuther in Verbindung und gewann ihn für die Weimarer Bühne, bei welcher er im Jahre 1816 als Theatermaler und Dekorateur angestellt ist.") Als noch die Verhandlungen schwebten, mag er von ihm selbst vernommen haben, dass auch die Wiesbadener Dekorationen von ihm angefertigt worden seien, und dieser Umstand lenkte die Aufmerksamkeit Goethes auf dieselben hin.

Im Jahre 1814 hatte er dem Theater in Wiesbaden wenig Interesse entgegengebracht. ''*) Infolge des Krieges, der sich im Herbste des Jahres 1813 nach dem Mittelrhein gezogen hatte, war der Hof des Herzogs nach Usingen übergesiedelt (November 1813) und das Theater aufgelöst worden; im Sommer 1814 spielte eine Truppe der Direktrice Müller in den alten Räumen, im Sommer 1815 die des Georg Deugler; diese beiden konnten den hohen Kunst- sinn des Weimarer Gastes nicht anziehen und befriedigen; im Sommer 1814 besuchte er das Schauspiel nur einmal, am 25. August. Das wurde auf einmal anders im Sommer 1815; nunmehr finden wir ihn bald nach seiner Ankunft und dann noch zweimal im Theater, aber schon die Zusätze, die er bei der I->wähnung dieser Besuche im Tagebuch macht, lassen vermuten, dass es sich hier um etwas anderes als um das Schauspiel handelte; am 4. Juni heisst es: „Abends Schauspiel; Dekorationen von Beuter " (sie); am 6.: „Im Theater

"i Vgl. 0. Weildigen, Gescliiclite dos Königl. Theaters in Wiesbaden 1894. '-) Über ihn die Allgemeine Deutsche Biographie und Goethes Annalen ISlfj. "i Hof- und Staata- handbuch von Sachsen- Weimar-Eisenach, 8. 2!). '*) Über das Folgende s. F. 0. im Rhei- nischen Kurier vom 8. Juli 1894.

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wegen Dekorationen", und am 14.: „Im Theater. Dekorationen." Unsere Ver- mutung wird zur Gewissheit durch einen Brief, den er am 8. Juni an seine Frau schrieb; in diesem sagte er''-''): „Nach Beuthers Arbeiten, der das hiesige Theater einriclitote, habe ich sogleich nachgefragt. Herr Gchcimerath von Pfeiffer, dem die hiesigen 'J'heatcrgeschäfte untergeben sind'^), hat die ganz besondere Gefälligkeit, mir au schicklichen Abenden, nach Beendigung des Schauspiels, wenn die Erleuchtung noch vollständig ist, mehrere Dekorationen oder wenigstens Hintorgründe zu zeigen, wo ich dann das im grossen sehe, was wir im kleinen schon kennen und was bey uns grösser ausgefülirt werden soll." Wenn er sagt, dass er im grossen sehe, was sie im kleinen schon kennen, so geht das wohl auf die Modelle in kleinem Massstabe, die Beuthor zu ent- werfen verstand. Wie es für Wiesbaden als hohe Ehre und Auszeichnung angesehen werden musste, wenn der grosse Kenner der Bühne und Leiter des ersten Theaters Deutschlands in damaliger Zeit von dort sich eine Belehrung oder wenigstens die Anschauung der in Weimar vorzunehmenden Neuerungen herholte, so war es für diesen von Wichtigkeit über Beuthers Leistungen an dessen Werken sich ein sicheres Urteil zu bilden. Sobald dieses Interesse erschöpft war, hört der Besuch des Schauspiels für Goethe auf.

Was es mit der Notiz des Tagebuchs vom 15. Februar 1815: „Wiesbadener Theaterspass" auf sich habe, vermögen wir nicht zu erklären. Vielleicht gibt einer der nicht veröffentlichten Briefe darüber Aufschluss.

Es mögen hier noch zwei andere Kunstgenüsse, die Goethe zuteil wurden, verzeichnet werden.

Am 6. August 1814 hörte er den Ilofgerichts- Advokaten Halhvachs aus Darmstadt die Glocke von Schiller deklamieren. Darüber berichtet er am 7. an seine Frau"): „Gestern sah ich eine wunderhche Erscheinung, einen jungen Mann, Advokaten in Darmstadt, ganz zum Schauspieler gebohren. Schöne Gestalt, schickliche Bewegungen, wohlklingende Stimme; er deklamirte, in einer Art von Hamlets Kleide, Schillers Glocke. Leider ist er, in Ansicht auf Dekla- mation, ganz auf falschem Wege, er müsste völlig umlernen wenn er boy uns Glück macheu wollte .... ein prächtiger Bursch ist's."

Ferner hatte er den Hochgenuss des Spiels auf der Maultrommcl. Tage- buch vom 30. Juli: „Maultrommel. Gesteigerte Mechanik derselben" und am 13. August: „Gesang und Maultrommel im Adler." Dieses lange verkannte musikalische Instrument war erst seit dem Ende des 18. Jahrhundorts zu höherer Ausbildung gelangt und hatte durch die Vollkommenheit, mit der es von J. H. Scheibler zu Krefeld (1777 1838) u. a. gehandliabt wurde, allgemeine An- erkennung und durch G. Clir, Grossheim (1764 1847) den edleren Namen Mund- harmonika, den Jean Paul aufgebracht, gefunden. ^^) In Wiesbaden hatte um die

") Mitgeteilt ist diese Stelle in den Anmerkungen zu dem Tage))ucli, S. 'M'2. '®) Franz Karl Josef (seit 1814 von) Pfeiffer war Geheimer Finanzrat und Geheimer Staatsreferendar, seit dem Oktober 1814 Geheimerrat und Generaldirektor der indirekten Steuern. Verordnungs- blatt 1814, Xo. 22. ''I Die Stelle ist mitgeteilt in den Anmerkungen zum Tagebuch, S.. 3."»t>. '*) Schilling, Encyklopädie der musikalischen Wissenschaften 4, GU4.

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Zeit, in der wir uns versetzt sehen, ein gewisser Teichmüller aus Braunschweig") sich durch seine Kunstfertigkeit auf der Maultrommel ausgezeichnet; er selbst oder ein Schüler von ihm mag es gewesen sein, den Goethe hier zu hören bekam.

7. Yrrlielir mit Kursristoii. IJosiiclie aiiswärtisrer Freunde.

Wir werden hier zuerst den Yerkehr mit Kurgästen zur Sprache bringen, die nicht aus Frankfurt waren, dann den mit Frankfurtern, und zwar zunächst vom Jahre 1814, darauf von 1815, sofern nicht eine Verbindung der beiden Jahre zweckmässig erscheint.

Den lebhaftesten Yerkehr unterhält Goethe während seines Aufenthalts zu Wiesbaden im Sommer 1814 mit seinem nur wenige Jahre jüngeren Freunde K. Fr. Zelter (1758 1832), dessen Einfluss und thätige Yorbereitung für die Reise schon oben hervorgehoben wurde, auch dass er bis zum 31. August aus- hielt; am 1. September sahen sich beide für kurze Zeit in Winkel wieder. Da Zelter auch im „Bären" wohnte, so war der Yerkehr um so w^eniger gehindert oder erschwert, und so finden wir denn beide fast täglich zusammen, manch- mal mehr als einmal an demselben Tage, und zu allen Stunden, auf dem Zimmer, auf Spaziergängen oder Ausflügen; wir glauben nicht nötig zu haben die einzelnen Tage aufzuzählen, an denen sie zusammen erscheinen. Yon den Ausflügen am 3. August und am 15.— 17. August wird unten die Rede sein unter dem Ab- schnitt „Unterbrechungen oder Störungen." Auch zu kleinen Dienstleistungen war Zelter bereit, wie er z. B. die Rezension des Werkes der Frau v. Stael über Deutschland am 11. und 12. August vorlas und am 28. eine allzuauf- regende Feier von Goethes Geburtstag, welcher dieser doch nicht ganz entging, zu verhüten suchte. „Ich habe alle Hände voll gehabt zu verhindern", schreibt er am 30. an den Staatsrat Schultz^o), ^(j^ss vorgestern au seinem Geburtstage nicht Aufruhr in Wiesbaden wurde, indem ich sagte, er gehe von dannen, wie er denn auch in Biebrich beim Herzog von Nassau zur Tafel war."

Sie kannten sich schon lange Zeit; das Yerhältnis hatte sich aber seit dem freiwilligen Tod von Zelters Stiefsohn 1812 zur innigsten Freundschaft gesteigert. Damals gebrauchte Goethe in der Anrede zuerst das vertrauhche Du: „Du hast Dich auf dem schwarzen Probiersteine des Todes als ein echtes geläutertes Gold aufo-estrichen; wie herrlich ist ein Charakter, wenn er so von Geist und Seele durchdrungen ist", und Zelter durfte seit diesem Briefe denken, an Stelle des verlornen Sohnes einen lebendigen Bruder gewonnen zu haben. Goethe schätzte an ihm die Kernhaftigkeit seiner Natur, die frei von aller Sentimentalität war, den offenen ehrlichen Sinn, der empfänglich war für alles Gute und Schöne. Bei iiim fühlte er sich wahrhaft wohl.

'8) A. Schreiber, Topographischer Nomenklator der ganzen Rheinküste 1813, S. 63. Er war nadi diesem zugleich Porträtmaler. Scl.illing schreibt den Namen Deichmüller. F.'tis, Biographie .les Musiciens Yll, 190 verzeichnet einen K. W. Teichmüller, der Künstler auf der Violine, Flute und Guitarre und um 1830 Professor der Musik zu Rraunschweig gewesen sei- auch habe er sich durch sein Spiel auf der Mundharmonika bekannt gemacht. *") H. Düntzer, Briefwechsel zwischen Goethe und Schultz 1853, S. 13G.

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Die Kur war Zelter zuerst nicht gut bekommen. Am 0. September meldet er von Bonn aus: „Das Chiragra habe ich nach Wiesbaden gebracht und das Podagra dazu geholt, doch bin ich sehr vergnügt, indem icli wie ein Kind an Deiner Brust neue Lebensmilch eingesogen habe." Doch am 8. No- vember schreibt er**'): „Mit meiner Kur bin ich ganz zufrieden, (his Wasser hat alle gichtische Materie nach aussen gelockt, was ein Ausschlag an Dündon und Füssen bekundet, und so Gott will, denke ich künftiges Frühjahr bei Zeiten wieder au Ort und Stelle zu sein, um den Feind zu verfolgen, der mir das Beste nehmen will, was an mir ist."

Indessen wurde aus dieser Kur im Jahre 1815 nichts. Obgleich er von Goethe noch von Weimar aus Ende Mai 1815 aufgefordert wurde, bald nach Wiesbaden zu kommen und er Hoffnung machte (4. Juni) bald zu erscheinen, traten ihm Hindernisse entgegen und er musste die Reise aufgeben, fand sich aber 1816 ein, wo dann Goethe ausblieb, wie wir sehen werden.

Im Sommer 1814 und im Anfang der Kur von 1815 erschien bei Goethe sehr häufig und war gern gesehen der preussische Hauptmann, später Major V. Luck, „der Mainzer Humorist", wie ihn Goethe im Jahre 1819 nennt*-), „der ganz unversehens zum Besuche eintritt, sein Bleiben ohne Not verkürzt und gerade aus Übereilung die Reisegelegenheit versäumt." Er gehörte einer Familie an, aus der mehrere Glieder in Weimar bedienstet gewesen waren und zu den ältesten Freunden Goethes auf Weimarer Grund und Boden gezählt hatten.^^) Am 5. August sandte er die Broschüre: „An die Germanen des linken Rheinufers," die aber Goethe schon bekannt war. Der Krieg vom Jahre 1815 entführte ihn nach der Pfalz zur Belagerung der Festung Landau; am 28. Juni nahm er Abschied. Am 18. Juli richtete Goethe einen Brief an ihn nach Landau; am 3. August ist im Tagebuch verzeichnet: „Lucks Gedicht", über welches ein Gespräch mit Boisseree vom 6. August Aufschluss gibt.**"*)

Es heisst dort: „Gespräch über die blosse Kunst der Poesie, bei dem blossen Talent der Sprache: wie weit es in dieser Phraseologie gebracht werden könne; er (Goethe) rühmt den Major Luck, es ist auch ein divuses (sie) Wesen in ihm, aber da thut ihm das Sonett Gewalt an und zwingt ihn zur Einheit. Darum gibts nicht leicht bessere Sonette als die seinigen, auch in Rücksicht der Gedanken. Ein Spottgedicht hat er gegen die Arndt'sche Dreieinigkeit gemacht, von Wellington, Blücher und unserm Herrgott; aber das nicht als Sonett. Eine Strophe, die er Goethe blos in einem Briefe mitgeteilt, als geheimes Einschiebsel, nur für Vertraute, ist sehr artig. Es lautot ungefähr: Gott ist der grossen Schrift nicht wert, dieweil er nicht freiwilliger Jäger geworden, das Schiess- gewehr auf die Schulter genommen hat und in den Landsturm ausgezogen ist."

Gleichzeitig mit Goethe war im Gasthaus zum Adler abgestiegen der „Graf Henckel von Donnersmark, Rittmeister und General-Adjutant in königlich preussischen Diensten"^^), am 7. August traf ebenda ein „Se. Excellenz

*') Briefwechsel beidei*, von Riemer an dem betr. Orte. '-) Annalen 1819. '^) Goethe- Jahrb. X, 26. Brief vom ."). De/ember 1808. »«i Sulp. Boisseri'e I. 2G2, ") Kurliste vom 24.— ;:51. Juli 1814.

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Herr Graf Hen ekel von Donnersmark, königl. preussischer General."^'') Dieser ist Graf Wilhelm (1773 -1823), seit dem 30. Mai 1814 Generalmajor; jener wird Graf Lazarus sein, welcher im Jahre 1813 zum Adjutant des Generals V. Steinmetz ernannt worden war.^^) Mit der Familie der Grafen war Goethe schon von Weimar her bekannt, da die Mutter des Grafen Wilhelm, Gräfin Ottilie geb. v, Lepel, Oberhofmeisterin der Erbgrossherzogin war; später trat er in ein noch engeres Yerhültnis zu derselben, als sein Sohn die Enkelin der Gräfin, Ottilie v. Pogwisch, heiratete. Ob nun Goethe mit beiden oder mit welchem von beiden er vornehmlich verkehrte, giebt er nicht an; mit dem ersteren, dem Rittmeister, traf er schon am 30. Juli wahrscheinlich au der Tafel zusammen, ebenso ist seine Name am 31. Juli und 1. August im Tage- buch genannt; am 8., 9. und 26. August kann der im Tagebuch aufgeführte Graf Henckel auch Graf Wilhelm, welcher bis zum 6. September zu Wiesbaden verweilte, gewesen sein. Mit ihm erscheinen am 9. zusammen die Fräulein Y. Stein, wie sie das Tagebuch vom 2. August kurz bezeichnet. Sie waren schon eine Woche früher, zwischen dem 17. und 24. Juli in Wiesbaden einge- trofien und hatten sich im Badhause zum schwarzen Bock eingemietet. Nach einem Briefe von Goethe an seine Frau waren es (d. h. wie wir sehen werden, nur zwei von ihnen) Schwestern des ehemaligen Oberforstmeisters v. Stein zu Weimar.^®) Es waren im ganzen vier Damen und sie werden in dem Tage- buch und der Kurliste so übereinstimmend aufgeführt, dass die Vermutung nahe- liegt, die eine Aufzählung sei aus der anderen geflossen. Die Kurliste sagt folgendermassen (die eingeklammerten Worte sind bei Goethe weggelassen): „Fr.'*''') V. Stein, Äbtissin, von Witzenbach^''); Fräulein v. Stein Stifts- und Hof- dame [bei Ihre Durchlaucht] der Frau Churfürstin von Hessen-Kassel; Fräulein v. Stein, Stiftsdame und Fräulein v. Willhan^^), [beide] von Bobenhausen." Über die erste und dritte der Damen geben die weiter unten angeführten Stamm- buchverse derselben nähere Auskunft. Daselbst unterzeichnete die erste Eleonore V. Stein, Äbtissin von Waitzenbach, die dritte schrieb Christiane v. Stein; diese beiden waren die Schwestern^^) des Oberforstmeisters v. Stein zu Nord- und Ostheim (f 1816). Eleonore (1775 1851) war die Pröpstin (so lautete nach der Stiftungsurkunde der Titel der Vorsteherin) des Stifts Waitzenbach zu Würzburg, eines lutherischen freiherrlich Truchsessischen adeligen Damen- stiftes, das im Jahre 1733 für fünf adelige Fräulein von mindestens acht Ahnen gegründet worden war.''') Christiane (geb. 1779) gehörte dem freiherrlich v. Steinischen adeligen Damenstifte auf der Birken bei Bayreuth an; dieses war im Jahre 1740 auf Schloss Birke für vier, seit 1804 sechs arme adelige Witwen oder Fräulein gegründet worden. ^^)

*^) Kurliste vom 31. Juli bis 7. August 1814 und W. Graf Henckel von Donners- mark, Erinnerungen S. 344. *") v. Schöning, Die Generale der preussischen Armee 1840, No. 1006. "*; Anmerkung zum Tagebuch, S. 355. *") Das Tagebuch schreibt hier Frl., am 28. Frau. *") Aulfallend ist der übereinstimmende Fehler Witzeiibach statt Waitzenbach, 8. gleich unten. ®') Im Tagebuch Willliahn. ^^) Gothaisches Taschenbuch der freiherr- lichen Häuser is:,:j, S. 454, *•') Gritzner, Handbuch der Danienstiftcr, 8. 241. "^j Eben- da, S. 2ü.

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"Wer die zweite der Fräuleiu von Stein war, lässt sicli nicht mehr sicher sagen; sie war, als die Stammbuclieinträge verfasst wurden, schon abgereist und erscheint nicht unter den Schreiberinneu. Da sie zugleich Hofdame der Kurfürstin von Hessen war, so ist nicht unwahrscheinlich, dass sie dem hessischen Zweig derer v. Stein angehörte; und in der That findet sich eine Friederike Y. Stein-Liebenstein zu Barchfeld (geb. 1782) als Ehreustiftsdame zu Schaaken in Waldeck verzeichnet^^) und w^cnn in dieses Stift nach dem neuen Statut von 1810 nur Damen aus dem Fürstentume AValdeck aufgenommen werden durften, vier Fräulein von Adel und sechs Tücliter höherer Staatsbeamten, während die Pröpstiu eine Prinzessin von Waldeck sein musste'^^), so hatten wohl zwischen der Familie der Friederike v. Stein und Waldeck Beziehungen statt, die ihre Aufnahme ermöglichten; doch erhielt sie, wie bemerkt, nur den Charakter einer Ehrenstiftsdame.

An ihrer und der vierten Stelle linden sich unter den Stammbuclieinträgen die Namen Luise v. Wildungen und Lotte v. Bobenhausen; jene, die sich selbst als junge Freundin des Dichters bezeichnet, wird die zweite Tochter des hessischen Oberforstmeisters v. Wildungen gewesen sein^^), diese stammte aus dem im Mannsstamme 1836 erloschenen fränkischen Geschlechte v. Boben- hausen, dessen Stammschloss bei Munnerstädt im Würzburgischen lag und da- mals in fremde Hände übergegangen war; die letzten Nachkommen lebten zu- letzt auf Schloss Birken.^^) Sie war nicht Stiftsdame, bezeichnet sich wenigstens nicht so und wird nicht so in der Kurliste und im Tagebuch genannt; sie war wohl Begleiterin der Christiane v. Stein. Woher die Stiftsdame (Christiane) v. Stein zugleich V. Bobenhausen genannt wird, vermag ich nicht zu sagen; es kann sich hier vielleicht nur um eine unrichtige oder undeutliche Niederschrift in der Kurliste handeln.

Was nun den Verkehr dieser Damen und des Grafen Henckel mit Goethe angeht, so gibt das Tagebuch ausser den drei ersten Tagen folgendes an: „den 2. August. Mittags die Fräulein Stein zu Tische. 5. August. Zu Frl. v. Stein. 6. August. Fete der Damen Stein auf Sonnenberg. 8. August. Zelter und Graf Henckel. 9. August. Abends auf der Platte; von Graf Henckel eingeladen mit den Steinischen. Herrliche Aussicht. 17. August. Mit Stein pp. im Cursaal. 18. August. Mittag auf der Platte mit Steins, Günderode'-^'^), Steinberg, Löwen. 25. August. Zu Frl. Stein. 26. August. Graf Henckel (zweimal). 27. August. Nachts bis nach 12 Uhr bei Frau Äbtissin v. Stein."

Bei dem Ausflug auf die Platte am 9. oder vielmehr im Kursaal am 17. mag es gewesen sein, dass die Einzeichnung in das Stammbuch verabredet wurde. Das Album ^°*^), welches Goethe bei sich führte, war in gelbes geripptes Leder gebunden, mit polierten Stahlecken, -Schild und -Schlösschen, der Ein- schlag von citronengelber Moireseide, Hochformat. Die Einträge, welche sämt- lich die hohe Verehrunsr für den Dichterfürsten bekunden, lauten also:

95) Gothaisches Taschenbuch 1853, S. 453. »'') Gritzner, S. 203. - «') Strieder, Hess. Gelehrter XVII, 59. *'*) Gothaischer Taschcnkalender 1S83, S. (;6. »») Die richtige Schreib- ung des Namens ist Günderrode. '"") Die Beschreibung und die folgenden Eintrüge sind entnommen dem Artikel von W. Vulpius in der Deutschen Kundschau 189U, 9, S. 351 ff.

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1. Die Äbtissin Eleonore v. Stein schrieb:

^Möchte zuweilen dieser höhere Blick,

voll Ruhe und Geist und Grösse hier verweilen,

Und Sie leise den tiefen Wunsch

meines Herzens zum Allsehenden

für lange, heitre, segensvolle Tage vernehmen.

Ewig mit wahrer Verehrung und Liebe.

"Wiesbaden d. 10. August 1814. Eleonore v. Stein,

Äbtissin im Stift Waizenbach.'*

2. „Christiane von Stein

Der Name einer aus treuem und Dankbaren Herzen Sie innig.st Verehrenden.

Wiesbaden d. 20. August 1814.'*

3. Luise von Wildungen:

„Darf ich als junge Freundin auch

bitten für Zukunft und itzt,

dass dieser Name nicht ganz verschwinde

unter denen der Bittenden alle

um Andenken und Gunst.

Wiesbaden d. 20. August 1814. Luise von Wildungen."

4. Lotte von Bobenhausen:

„Vergebens flehte ich Apollos Hülfe an Die Krone der schönen Geister nach Würde zu besingen; doch immer wäre mein Lied nicht würdig gewesen, vor Ihrem Throne zu erscheinen, denn mir fehlen selbst Worte, den einzig frohen erliabnen Genuss auszudrücken, den die Augenblicke Ihrer Gegenwart auch mir gewährten. Die Erinnerung derselben wird meine Zukunft erheitern, und nur mit meinem Seyn schwinden; so wie mein tiefes Dankgefühl, mich hier nennen zu dürfen als Ihre hochachtungsvollste, innigste Verehrerin Wiesbaden am 20. 7 [8] 1814. Lotte von Bobenhausen."

5. Graf Ilenckel (die Unterschrift nicht deutlich):

„Wie vermag ich Ihnen der Ver- ehrung und des Dankes Gefühle zu schildern? Wie kann ich es mehr, als wenn ich es laut bekenne, wie ich des eignen Strebens bewusst, Doch deutlich erkenne, dass durch Ihrer Lehre geistvolle Helle, ich erkannt des Lebens innerste Quelle, so weit mir das Erkennen beschieden ist. Und wie vermag ich es besser zu zeigen, dass ich gefasst Ihrer Lehre erhaben liebevollen Sinn,

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Als wenn ich noch heute Ihnen und der Gottlioit Gelobe, dnss ich fest entschlossen bin: Nicht mit Kummer und ängstlich sorgend oder zagend, aber mit Mutii und thätigcr Kraft, nicht allein das beschiedene Loos zu tragen, sondern auch zu schaffen und zu wirken aus all meiner eignen Kraft, so weit und 80 viel, als des Schicltsals Wille es gestatten mag." Wiesbaden d. 22. August 1814. Henckcl.'*

Wir haben noch über die Teilnehmer der Fahrt auf die Platte vom 18. August zu reden. Von diesen sind die dort zuerst genannten Günderrode und Steinberg schwer zu bestimmen. Günderrode wird vielleiclit der letzte Stadt- schultheiss der Stadt P^rankfurt, Friedrich Maximilian v. Günderrode (1753 1824), gewesen sein, welcher die lange Reihe der Stadtschultheissen, allerdings unter den veränderten Verhältnissen der napoleonischen Zeit, von 1807 bis Ende 1810 abschloss.^"^) Der Name Steinberg erscheint in der Kurliste zweimal, ein II. V. Steinberg, grossherzoglich würzburgischer Kammerherr aus Meinungen, (7. 14. August) und Fr. v. Steinberg aus der Wetterau. Am 30. August machte Goethe einen Besuch „bey Fr. v. Sternberg", vielleicht ist dies die eben genannte Fr. v. Steinberg. 'O'-) Mit „Löwen" meint er ohne Zweifel den Oberjägermeister Freiherrn Philipp Low von und zu Stein furth von Weil- burg, welcher, wie es scheint, zur Kur hier weilte und in der Woche vom 9. bis 14. August angekommen war. Geboren am 26. Januar 1756 war er im Jahre 1780 in die Dienste des Fürsten von Nassau- Weilburg getreten und genoss den Ruf nicht nur eines tüchtigen Forstmannes und Jägers, sondern auch eines frommen und geraden Menschen; erstarb hochbetagt am 12. Oktober 1841.^''^) Wir finden ihn noch einmal bei unserm Dichter am 24. August. Mit der Familie der Low von Steinfurth war Goethe in Beziehung getreten infolge der Vermählung der Tochter des Freiherrn Wilhelm Christoph von Diede zum Fürstenstein mit dem Bruder von Philipp Low zu Steinfurth.^"*) Den Freih. V. Diede und seine Gemahlin Luise geb. Gräfin von Callenberg nennt Goethe seine „werthen Gönner und Freunde" und war ihnen zu Liebe im Februar 17S8, als er zu Rom weilte, aus seiner Zurückgezogenheit herausgetreten. ^°^) Er er- zählt u. a. von einer Einladung zu einem Konzert auf der kapitolinischen Wohnung des Senators von Rom Fürsten Rezzonico, wo „die Dame, wegen des Flügelspiels berühmt, sich hören zu lassen willig war." Und weiter: „Frau V. Diede spielte, sehr grosse Vorzüge entwickelnd, ein bedeutendes Concert." Ihre gleichnamige Tochter Luise, geb. 1778, hatte sich, wie gesagt, mit dem Freih. Georg Low zu Steinfurth vermählt, war aber Ende des Jahres 1811 nach siebenjähriger glücklicher Ehe Witwe geworden und lebte fortan meist auf ihren Gütern Staden und Ziegenberg in Hessen, ganz der sorgfältigen Er-

"') Schwartz in Ersch und Grubers Encyklopädie, <J7. M., S. 122 ff. des Separnt- abdrucks. "*2) Anmerkung zum Tagebuch, S. 358. '"*) Wilhelm Freih. Low von und zu Steinfurth, Notizen über die Familie derer Freiherrn Low von und zu Steinfurtli, 18(;s, S. 114. "^'^j Ebenda S. 110. i»^; Italienisclie Reise, Bericlit zum 22. Februar 1788.

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Ziehung ihrer Kinder hingegeben. Sie war eine grosse Verehrerin von Goethe und eilte, von seiner Anwesenheit zu Wiesbaden unterrichtet, herbei, um ihn zu begrüssen, am 30. Augu<t 1814. Wir treffen sie 14 Jahre später noch ein- mal bei dem Dichter, als er zu Doruburg sich aufhielt, mit ihrer Tochter Luise (nachher vermählt ^°'^) mit dem Grafen v. Reventow). Auch der Solm des Freili. Philipp V. Lüw, der nachherige Präsident des Oberappellatiousgerichts zu Wies- baden, Ludwig Liiw zu St., erbte die Verehrung für Goethe und besuchte den Dichter einstmals zu Weimar.

Die anderen Begegnungen mit Kurfremden des Jahres 1814 waren mehr vorübergehender Natur und weniger eingreifend. Das Tagebuch nennt folgende Namen: am 30. Juli den preussischen Generalmajor Baron [Fr. L.| v. Lobenthai aus Luxemburg^"'), am 1. August einen Dr. Müller nebst Tochter aus Bremen, am 11. August den Regierungsrat El wert aus Darmstadt und dessen Sohn, Amtsassessor Elwert, am 17. August Ungers aus Berlin; bei dem Buchhändler Johann Friedrich Unger (f 1804) waren seit 1792 viele Werke Goethes er- schienen, wie 1792 „Goethes neue Schriften", 1795 „Wilhelm Meisters Lehr- jahre"; am 20. erscheint der bekannte Theologe Alacheineke im Tagebuch. Welcher Herr v. Stein es war, der am 14. genannt wird, ist nicht klar; keines- falls war es der Minister vom Stein, der sich damals zu Nassau aufhielt und von da am 10. und 19. an den Minister v. Marschall zu Wiesbaden Briefe richtete^"^), in der Zwischenzeit also keinesfalls dahin gereist sein wird; jener v. Stein wird ein Angehöriger der Fräulein v. Stein gewesen sein.

Das Tagebuch bringt am G. August die Bemerkung: „Geh. R. Leonhard. Auf der Durchreise. Prof. Welcker aus Giesen" (sie). ])cr in der Mitte zwischen den beiden Namen stehende Zusatz „auf der Durchreise" ist ohne Zweifel auf beide zu beziehen. Der Philologe Fr. Gottl. Welcker (1784 bis 1868) hatte bereits im Jahre 1805 den von ihm hochgeschätzten Dichter zu Weimar aufgesucht'"^), war diesem also schon persönlich bekannt. K. C. v. Leonhard stand zwar mit ihm schon längere Zeit in brieflichem Verkehr, doch hatten sie sich noch nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen, und auf der Reise hatte ihn Goethe, wie wir berichtet haben, zu Hanau nicht ange- troflen.'^") Kaum war er nun in Wiesbaden angekommen, als er am 1. August 1814 ihm nach Schwalbach meldet, wie er das Missgeschick gehabt habe ihn nicht in Hanau zu finden, aber seinen Besuch für seine Rückreise ankündigt. Daraufhin versagt es sich Leonhard nicht, ihn alsbald auf seiner Durchreise in Wiesbaden zu besuchen. Den Bericlit über diese seine erste Begegnung mit dem von ihm hochverehrten Manne glauben wir hierher einrücken zu müssen, da (.'r lebenswarm darstellt, wie Goethe dem von ihm hochgeachteten Mine- ralogen entgegentrat, welchen Eindruck seine Erscheinung auf ihn hervor- brachte.*'')

'•»ö) F. J. Frommann, Das Frommannsche Haus und seine Freunde 1879, S. 39. Ooethe- Jahrb. II, .S20. W. v, Low, Notizen u. s. w., S. 110. "*') Schouin?, a. a. 0. S. 2:SG. *"«) Sauer, Daa Herzogtum Nassau von 1813-1820, S. 13 u. 14. - *"«) Kekule, Leben Welckers, S. 37. ""i Hratranek, Goethes naturwissenstliaftliche Korrespondenz I, '_'81. '"; K. C. V. Leonliiinl, Aus unserer Zeit in mcincin Lt-hcn 18.J4, 1. 441.

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Als Leonhard den Brief erliielt, war er freudigst überrascht und bewegt: er sollte Goethe sehen! „Männer von grossem Namen, führt er fort, verlieren nicht selten bei näherer Bekanntschaft. Wie verscliioden war das was ich fand bei meiner ersten Zusammenkunft mit dem Dichterfürsten, der uns (Irosses und ITerrliches gebracht, die höchste reinste Poesie, mit einem Manne, der durch die Macht reichen, durchdringenden gewaltigen Geistes so unendhch liervorragtc über seine Zeitgenossen,

„Gespannt mit ganz eigenem Gefühl was soll icli's in Abrede stellen, nicht ohne scheue Ehrfurcht überschritt ich die Schwelle des Allgefeiorten.

„Der Heros der Wissenschaft kam mir entgegen mit dem ihm eigenen wahrhaft hohen Anstand, mit der edlen geistigen Vornehmheit, in gemessener aber dennoch ungezwungener Haltung. Er begrüsste mich zutraulich, bequem und gütig, offen, frei und herzlich, mit der ihm gegebenen Leichtigkeit sich mit- zuteilen, es sei schriftlich oder mündlich. Goethe reichte mir die Hand; nun fühlte ich mich nicht im geringsten weiter in Verlegenheit. Was ich gesagt, weiss ich nicht mehr, nur das blieb mir im Gedächtniss, dass er, in wohlge- fälligster Weise, heitere, freundliche Worte an mich richtete.

„Sehr bald belebte sich das Gespräch. Ich gestand Goethe, wie unendlich er mich ehren und beglücken würde, wenn es ihm gefiel, auf der Rückreise nach Weimar in Hanau bei mir einzukehren, mein Haus als das seine betrachten zu wollen. Das Erbieten wurde offenbar gern entgegengenommen, die ErtülluDg meiner Wünsche jedoch bis zum Spätherbst hinausgeschoben. Seine heimath- liche Gegend, die Main- und Rheinlande, hatte mein Gönner lange nicht ge- sehen, er wollte erfahren, was, nach so vielem Missgeschick, sich daselbst be- finde, bezüglich auf Kunst und Alterthum und die verwandte Wissenschaft, wie man zu erhalten, zu ordnen, zu vermehren, zu beleben und zu benutzen gedenke.

„Bezaubert von der Persönlichkeit die Erscheinung allein war erhebend schied ich. Wie hatte sich die Bewunderung gesteigert, welche ich dem grossen Manne nie versagt.

„Leuchtenden Blicks erzählte ich den Meinen, und wer in Hanau es hören wollte, vom ausdrucksvollen Gesicht, von der hohen, edlen, gedankenreichen, majestätischen Stirn, vom Glanz und geistigen Feuer in den Augen, von Rede, Stimme, Haltung, Gang Alles wusste ich begeistert zu schildern, und wie Goethe mit Mund und Herz nicht genug zu loben und zu lieben sei.

„Er musste den Ruhm kennen, der ihm zurückstrahlte aus allen Ländern Europas, er war sich dessen bewusst, aber auf eine naive Weise, die nicht raissfallen konnte. Was Bewunderung verdiente, fand sie bei ihm, um jedes Talent bekümmert er sich, inniges Gefühl hatte Goethe für alles Gute. In unseren Unterredungen fand sich wiederholt Gelegenheit mich zu überzeui^cn. dass er die Verdienste früherer und mitlebender Männer ich rede jetzt nament- lich von Dichtern sorgfältig und rein anzuerkennen bemüht war, dass er die Fortschritte bedeutender Leistungen und eines nicht unterbrochenen Wirkens mit froher Theiinahme unablässig begleitete."

Als solcher Mann, so verehrt und hochgehalten, von allen, die seiue Grösse erkannten, wandelte Goethe in der Fülle seines Ruhmes unter uns, und auch

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die, welche ihn verkannten, wie er ja auch seine Gegner hatte, vermochten ihm uiclit auf die Dauer zu schaden, im Gegenteil steigerte sich im Laufe der Zeit die Erkenntnis und damit die Bewunderung seines Geistes. Dasjenige aber, was er an dem Tage von Leonhards Besucli in das Tagebueli sclirieb, seheint er auf dessen Stirne abgelesen zu haben; es sind die Worte, die auf ihn passen, mit den Gegensätzen:

Würde ) ^^ i:» i .

Luge, redant Wissen } ,j, ... ,,„ . , ., I rhdister. Tluitigkeit J

Am ehrenvollsten, aber auch am anstrengendsten für Goetlie war die Anwesenheit des Grossherzogs von Weimar, die wir, weil sie eine Unterbrechung der gewöhnlichen Lebensweise herbeiführte, in anderem Zusammenhange be- handeln werden.

Wir gehen zu Frankfurter Freunden, die sich im Jahre 1814 einfanden, über. Zuerst ist der Geheimerat Johann Jakob v. Willem er zu verzeichnen und Dlle. Jung. Über das Verhältnis beider zu einander und zu Goethe handelt Th. Creizenach, Briefwechsel zwischen Goethe und Marianne v. Willemer. Zweite Auflage. Stuttgart, 1878. Willemer hatte Marie Anna Jung als sech- zehnjähriges Mädchen in sein Haus aufgenommen und mit seinen Töchtern weiter ausbilden lassen; nachdem er zum zweitenmale Witwer geworden war, führte er sie am 27. September 1814 des Wohlanstauds wegen und aus Neigung mit Zustimmuug der Töchter und Schwiegersöhne als dritte Gemahlin zum Altar. Mit Goethe war er schon lange Zeit bekannt; am 4. August 1814 führte er die Verlobte zum erstenmale zu ihm; der baldige Verkehr im Willemerischen Hause nach der Kur zeitigte manche schöne Frucht an und von dieser seiner Suleika. Mit Goethe teilte er das Interesse für das Theater und war einige Jahre Mit- glied der Oberdirektion des Frankfurter Nationaltheaters gewesen; doch da er sich mit den neuen Direktoren nicht vertragen konnte, war er zurückgetreten, ohne seine Beteiligung an Thcaterangelegenheiten aufzugeben. So hatte er kürzlich wieder eine Schrift gegen die Theaterdirektoren ausgehen lassen, die er am 7. August Goethe zusandte: „An die Theater- Aktionäre zu Frankfurt a. M. Eine Streitschrift. Frankfurt a. M. 1814."

Auch im Jahre 1815 besuchte Willemer den Dichter zu Wiesbaden; am 3. Juli speiste er mit ihm im Kursaal, verfehlte ihn aber am 21„ an welchem Tage Goethe seine Lahnreise angetreten hatte. In einem Briefe vom 7. August .spricht Goethe sein Bedauern aus, ihn am 21. Juli „versäumt" zu haben und kündigt seine Ankunft zu Frankfurt auf den 12. August an.

Sein Album hatte Goethe bei seiner Abreise 1814 den Frankfurter Freunden zurückgelassen, damit auch sie ihre Namen eintrügen. Willemer that dies am 'J. Dezember 1814 und setzte folgende Zeilen dazu:^'^)

„Der Wein begeistert den Verstand, Die Liebe das Herz, Goethe beide;

Lasst uns trinken, lieben, Goethes Werke lesen und iiin kennen. Frankfurt a. M. d. i). Dec. 1814. Willcnier."

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'■j S. Vuljjius in (ba- deutschen Revue a. a. O,

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Marianne schrieb am 11. Oktober 1811:

,,Zu den Kleinen ziilil icli mieli,

Ijiolio Klcitio nennst Du inicli;

Willst Du immer mich so heisson,

Werd ich stets mich glücklich preisen,

Bleibe gern mein Lehen lang

Tiang wie breit und l)reit wie lang."-'')

Als den Grössten kennt man Dich,

Als den Besten ehrt man Dich,

Sieht man Dich, muss man Dich licltcn,

Wärst Du nur bei uns geblieben;

Ohne Dich scheint uns die Zeit

Breit wie lang und lang wie breit.

Ins Gedäclitnis prägt' icli Dicli,

In dem Herzen trag ich Dich,

Nun möcht' ich der Gnade Gaben

Auch noch gern im Stammbuch haben;"*)

Wär's auch nur den alten Sang:

Lang wie breit und breit wie lang.

Doch in Demuth schweige ich,

Des Gedichts erbarme Dich;

Geh', 0 Herr, nicht ins Gerichte

Mit dem ungereimten "Wichte;"^)

Find es aus Barmherzigkeit

Breit wie lang und lang wie breit.'*

Sonntag den 7. August 1814 heisst es im Tagebuch: „Brentano, Quaita^'*^), Frauen, Mad. Holweg." Wen wir unter den beiden ersten Frauen zu verstehen haben, darüber belehrt uns ebenfalls das Stammbuch, in welciies auch sie ihre Namen eintrugen: Antonia Brentano, Gemahlin des Franz Brentano, geb. Edle von Birkenstock, über die wir bei Gelegenheit von Goethes Besuch in Winkel sprechen werden, und Meline (Marie Magdalene) v. Guaita- Brentano, Tochter des Peter Anton Brentano, des Vaters von Franz, und der Maxe Brentano, geb. La Roche, vermählt im Jahre 1809 mit Georg Friedrich v. Guaita. Deren Gemahl verewigte sich durch folgende Zeilen:

*'^) Zur Erklärung dieser wiederkehrenden Zeile bemerkt C reize nach, S. 38: ., Breit wie lang, lang wie breit" war ein Lieblingsausdruck des Dichters; er kommt schon in den siebziger Jahren vor, in einer später ausgeschiedenen Scenc des Jahrmarkts zu l'lundcrswcilern, aber auch ein Epigramm aus dem Jahre 1815 ist überschrieben „Breit wie lang", in der Scene des Jahrmarkts spricht der persische Minister Hamaii:

Religion Empfindsamkeit,

s'ist ein Dreck, ist lang wie t)reit." Der Anfang der Strophe „Zu den Kleinen zähl ich mich'' ist wohl eine .\nspiching an den Eintrag der Kinder zu Winkel; s. unten. '") Creizenach gibt diese zwei Zeilen also:

nur möcht ich von Gnadengaben

Dich noch gern im Stammbuch haben. "=) Creizenach: „Mit dem armseligen Wichte". Wir iiaben die Fassung und mich Schreibung des Stammbuchs beil)ehnUen zu sollen geglaubt. "*i Goethe schrcil.t mci-t Quajta statt Guaita,

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, Belieben Sie sicli l>ey ilem Namon des unterzeiolineten eines Ihrer aufrichtigsten Verehrer zu criinuTn.

Frankfurt d. iM. October 1S14. Fr. v. Guaita Brentano.'*

und dariiuter Meline:

^Aucli ich möchte nicht von Ihnen vergessen werden.

Meline v. Guaita Brentano."

Die dritte Mad. Holweg war Susanne, Witwe des Johann Jakob llolweg (t 1808), geb. v. Bethniann, die Mutter des gelehrten Staatsmannes V. Bethmann-IIolweg (geb. 1795).

Es folgte am 8. August Hr. v. Neufville, der Sohn des oranion-nassauischen Geheimenrates Robert v. Neufville und der Walberta Elisabotha Passavant "^), Johann Anton. Friedrich Wilhelm Robert, oranien-nassauischer Oberforstmeister, t zu Bonn 1819. In dem Hause der Frau v. Neufville zu Frankfurt waren, wie Goethe rühmt, vorzügliche Gemälde. Auch der alte Jugendfreund Johann Jakob Riese, Kastenschreiber zu Frankfurt, fehlte nicht (10. und 11. August); ihm verehrte Goethe damals ein Exemplar von „Hermann und Dorothea""^); er muss viele Exemplare dieses ihm selbst so lieben Gedichtes mitgeführt haben; denn wie wir sehen werden, erfreute er gern gerade mit ihm auch andere Leute auf dieser Reise.

Mit dem Geheimenrat Johann Isaak v. Gerning^^^), dem Sänger des Taunus und eifrigen Sammler von Antiquitäten und Kunstwerken (1767— 1837), stand Goethe schon seit zwanzig Jahren in Beziehung; ihn sah er am 12., 13. und 18. August zu Wiesbaden, am 17. zu Schierstein. In das Stammbuch schrieb Gerning am 13. Oktober 1814 folgendes Distichon:

„Taunus, gedankt sei Dir und Deinen verjüngenden Quellen, Dass wir jegliches Jahr wieder den Einzigen sehn.

Zur Erinnerung an frohe Wiederkehr von Ihrem dankbaren Freund und Verehrer Frankfurt 13. Oktober 1814. Gerning."

und erhielt von Goethe eine Grabstichelarbeit in Aquatinta'"^), die ihm Willemers Tochter Rosette, vermählte Stadel, an seinem Geburtstage im Jahre 1815 in mehreren Exemplaren gegeben hatte; sie stellte Frankfurt dar mit seinem „un- geschickten Pfarrturm" und der alten Brücke, ungefäiir wie es sich von der Gerbermühle aus ausnimmt. Darunter war diese Widmung:

„Fluss und Ufer, Land und Hölien

Rühmen seit geraumer Zeit

So dein Kommen, so dein Gehen,

Zeugen deiner Thätigkeit. Weimar, den 5. Mai 1816. Goethe."

'") Gothaischer Taschenkalender von 1856, 8.425. "^ Creizenacli, u. a. O. S. 33. "') Eine Lcbensl)cschreibung von ilini gibt K. Schwartz in den Annalen des naKsauischen Vereins für Altertumskunde XI, S. 109 if., der ihn auch gegen die Angriffe von Düntzcr wegen Aufdringlichkeit in seinen Beziehungen zu den Weimarern in Schutz nimmt (S. 179 ff.) und seine Schriften verzeichnet. '-"; Crcizenach, S. 81.

Der 13. August führte ciucn Herrn v. Mahipcrt zu (ioetlie, vielloiclit den Friedrich Philipp Wilhchn v. Malapcrt gen. Neufville, Schütien und Syn- dikus (1784 1852). VüD dem Herru v. Günderrude ist üben S. 85 die lieile gewesen.

Am nächsten von den Frankfurter Freunden standen Goethe die Hrü(h'r Fritz und Christian Schlosser, Söhne von llieronymus Peter Schhjssor (f 1797), einem Bruder von Goethes Schwager Johann Georg Schhisser; be- sonders eng war das Verhältnis zu dem älteren, Fritz (1780 -1852). Ob^Mcich Keclitsgelehrter und Dr. juris, hatte dieser im Jahre 1812 die Stelle eines Obcir- schul- und Studienrates sowie Direktors des neugogründeten Lyccums zu Frankfurt, wenn aucli nur für kurze Zeit, übernommen und behielt dav<Mi den Titel Itat und Direktor, ein treuer Freund und inniger Verehrer Goethes, und er wurcb- darin nicht beirrt durch die Verschiedenheit der religiösen Ansicliten; denn am 21. Dezember 1814 trat er zu Wien mit seiner Frau, dem Vorgang des jüngeren Bruders folgend, zur katholischen Kirche über; das Freundschaftsverhältnis blieb von beiden Seiten davon unberührt, gerade so wie das verschiedene Be- kenntnis von Sulpiz Boisseree nicht hinderte, dass Goethe mit ihm in den innigsten Verkehr trat, aber auch dieser den Altmeister zu verehren lernte und nicht aufhörte ihn zu verehren. Eine pietätsvolle Darstellung von Fritz Schlossers Lebensgang und sein Verhältnis zu Goethe hat auf Grund von den Briefen Goethes an Schlosser Julius Frese entworfen in dem Werke „Goethe-Briefe aus Fritz Schlossers Nachlass. Stuttgart, 1877", auf welches wir uns schon m.ehrfach bezogen haben. Schlosser sammelte u. a. eine reichhaltige, zicmlicli vollständige Goethe-Bibliothek, die später laut testamentarischer Verfügung an das katholische Seminar zu Mainz übergegangen ist; er war eifrig bestrebt zu „Dichtung und Wahrheit" Material zusammenzubringen und alles, was an den teuren Freund erinnerte, zu erhalten. Einen äusseren Halt hatte das Verhältnis dadurch gewonnen, dass Schlosser nach dem Tode der Frau Rat Goethe auf Wunsch des Sohnes die Verwaltung von dessen Frankfurter Vermögensteilen übernahm; so verknüpften geschäftliche und freundschaftliche Bande die beiden immer fester.

Was nun den Verkehr beider im Jahre 1814 während der Kur angeiit, so beschränkte er sich auf den Besuch Goethes auf seiner Durchreise durch Frankfurt (oben 8. 70) und auf mehrere Briefe meist geschäftlichen Inhalts. Am 1. August meldet Goethe seine Ankunft und Wohnung zu Wiesbaden, am 7. dankt er für eine erhaltene Sendung, am 20. bittet er eine für ihn ein- gegangene Sendung ihm zuzuschicken, am 81. dankt er für die schönen Gaben, die zu seinem Geburtstage angekommen waren, am 0. September kündigt er seine demnächstige Ankunft an; über die Geldsendungen, die Goethe durch ihn erhielt, s. weiter unten. Die Briefe Schlossers sind, wie es scheint, nicht er- halten, wenigstens nicht veröffentlicht; derselbe hatte nach Goethes Tod sie sich wieder zu verschaffen gesucht.

Konnte auch Fritz Schlosser während des Augustmonats zu Wiesbaden nicht erscheinen, so that es doch Christian Schlosser. Das Tagebuch verzeichnet folgendes: „25. August. War Schlosser angekommen. - 2»3. (Abend; Schlosser

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und Zelter. Mit jenem allein. 27. Mit Zelter und Schlosser auf dem Geis- berg. — 28. Abends Zelter, Schlosser, Luck. 30. (nach dem Bad) Schlosser. Legenden. 31. Zelter und Schlosser gingen ab" (in der Frühe nach Winkel, wo Goethe sie am folgenden Tage wieder antraf). Von dem Besuche schreibt Goethe an Fritz in dem Briefe vom 31. August, dass er ihm viele Freude bereitet habe; denn er sei ihm (Christian) um gar vieles uäher gekommen. Auf seiner demnächst erfolgenden Reise nach Heidelberg erbat er sich sogar die Begleitung desselben.

In das Stammbuch trugen die beiden Brüder folgende Zeilen ein:

1. Fritz Schlosser:

, Schnell eilen die Tage vorüber, in welchen Sie, geliebtester Mann, uns mit Ihrer freund- lichen und erhellenden Nähe beglückten. Nie aber wird Ihr theures Bild und das Anden- ken dieser köstlichen Tage in unsern Her- zen erlöschen. Und so möge auch Ihre Güte der dankbaren Liebe und Verehrung, womit wir gegen Sie erfüllt sind, zuweilen eine freundliche Erinnerung schenken. Frankfurt den 20. September 1S14. J. F. II. Schlosser."

Beigefügt haben ihre Namen Schlossers Gemahlin Sophie (geb. Dufay) und seine Schwester Susanne.

2. Christian Schlosser:

„Auf Gnade Sey es gethan!

Möchten Sie immerfort uns Ihre Güte bewahren, und wir dieser grossen Güte werth werden. Frf. 2Üten 71)er 1814. C. F. Schlosser."

Wir haben des Geburtstages Goethes schon gedacht; auf ihn müssen wir noch einmal zurückkommen. Ausser Schlosser hatten auch andere wie Fr. Bren- tano Geschenke eingesandt; eine besondere Feier aber veranstaltete eine zu Wiesbaden anwesende Verehrerin des Dichters trotz Zelters Gegenbemühungen (s. S. 80); dies war die Gemahlin des Freiherrn Johann Justinian Georg V. Holzhausen (1771 1846), Karoline Friederike Luise von Holzhausen (1775 1840), Tochter des nassauischen Oberhofmeisters v. Ziegesar'-*), und da der 28. August auf einen Sonntag fiel, an dem Goethe an den herzoglichen Hof zu Biebrich geladen war, so musste der Vormittag zu Hilfe genommen werden. Frau v. Holzhausen war mit ihrem etwa zwanzigjährigen Sohne Karl, damals Grenadierlieutenant im k. k. Regiment Prinz von Hessen, schon im Juli'") zur Kur in Wiesbaden angekommen, wo sie in dem Badhause zur Rose Wohnung nahmen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass beide auch schon bald mit Goethe in Berührung getreten waren, doch erwähnt er ihrer nur am 28. August, wo es heisst: „Im Cursaale Dejeune gegeben von Fr. v. Holzhausen", und vergisst

'''•) Gothaisches Tasclienbuoh 1S.Ö6, S. .'521, 1886, 1892. IJrüiiner Genealog. Taschen- buch 1890, 8. ö7y. '"; So besagt die Kurliste vom 10.— 17. Juli.

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dabei nicht des „Apollo, Copie des lielvedori.sclion, von C. P. Cliinurd 1787" (ö. Ö. 71) zu gedenken; sicherlich war derselbe u. a. Gegenstand des (le- sprächs gewesen. Auch diese beiden, Mutter und Sohn, schrieben sich in das Stammbuch ein, die Frau v. Holzhausen mit folgenden Bogleitworten:

„Das Glück, Sie zu sehen, verdanke ich dem Himmel, Ilincn den (ienuss: dass der Eindruck Ilirer hohen Würde mit der lacngst empfundenen tiefen Verehrung und Liebe unaus- löschlich in mir lebt.

Wiesbaden d. 30. Aug. 1814. Caroline v. Hol/hauscn

geb. V. Ziegesar."

Karl von Ilolzhauscn:

„Welcher Eindruck auf ein jugendliches fiemüth kann Wohl stärker und bleibender seyn, als das schon längst als Ideal des Reinen, Weisen und Gruteu Aufgestellte nun in Ihrer so werthen Person so schön und edel personificirt zu sehen! Gerade der Verein einer erhabenen Seele, eines so hell erleuchteten Geistes, mit einem liebevollen, mittheilenden, sich so schön herablassenden Aeusseren ist das, was mein Gemüth so unaussprechlich anreizt, festhält und zu allem stärkt.

Wiesbaden d. 1. Septbr. 1814. Carl von llul/.liauscii."

Wir fügen sofort die Besuche und Briefe von Frankfurter Freunden im Jahre 1815 au und zwar in der Form des Tagebuchs. „Am 28. Mai [An| Fr. V. Brentano Frauckf. 6. Juni Brentanos. [Sie] fuhren [am Abend] ab.

15. Sendung von Fr. Brentano. 1. Juli. Brentanos. Mit ihnen im Adler gegessen. - 18. [Brief an] Fr. v. Brentano Francf. 25. [Zwischen Nassau und Ems] Unterwegs Franz Brentano. 6. August [An] Frau Brentano Francf.

9. Hr. u. Fr. Brentano. Mittag im Adler mit Brentano. Sie reisten ab." Mit Brentano war Goethe im Herbste 1814 in engere Verbindung getreten (s. No. 9,4); damals hatte er unter anderem auch die Pauline Serviere schätzen lernen, und dadurch wird er mit deren Familie in nähere Beziehung getreten sein. Schon in seiner Jugend hatte er deren frühere Generation gekannt und erwähnt der Frau Serviere, „Gemahlin eines in Frankfurt lebenden Kauf- mannes.'''^^) Am 2. Mai 1815 heisst es im Tagebuch: „Briefe von Willemor und Serviere." Am 4.: [An] „Dlle. Serviere nach Frfurt.'- Am (i.:

«") „Dichtung und Wahrheit", B. 13.

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^Serviere gefunden.« Am 21.: „Ilr. Serviere." u. am 9. August: „Dlle. Ser- viere" wahrscheinlich in Gesellschaft der Frau Brentano.

Am 15. Juni: „Dr. Neefe von Francf.", ein kenntnisreicher Botaniker Frankfurts, Professor und Arzt.^''*)

Am 1. Juli: „Mad. Crespel". Witwe des humorvollen Jugendfreundes Goethes Johann Bernhard Crespel, der als Archivar zu Laubach 1813 starb. i^-^)

Am 3.: „Mad. Bansa", mit der die „Nonnenmühle" besucht wurde (S. 76).

Yom 7. 14. Juli war Fritz Schlosser zu Wiesbaden und in täglichem Verkehr mit Goethe. Wir lassen auch hier das Tagebuch reden: „7. Juli. |Xach Mittag] Schlosser. Mit Schlosser auf dem Geisberg. 8. Spaziergang mit Schi. Mittag Schlosser. 9. Schlosser weitumfassendes Gespräch. [Nach der Rückkehr von Biebrich] Schlosser Fortsetzung der Unterhaltung. 10. Spa- zieren mit Schlosser. Mittag mit Schlosser zu Hause. 11. Mittag mit Schlosser Cursaal. Nach Tisch spazieren. Mit Cr[amer] und Schi. Geisberg. 12. Mittag mit Schlosser Cursaal 13. [Nach dem Bade] Mit Schlosser zu Hause. Mit Seh. auf dem Geisberg. 14. Mittag Cursaal mit Schi."

Und da Schlosser ihn brieflich eingeladen hatte, auf seiner Durchreise durch Frankfurt wie früher Wohnung bei ihm zu nehmen, so dankt er am 8. August, indem er bemerkt, er liabe schon dem Geh. Rat Willemer zugesagt; denn es sei billig, dass bei wiederholter Erscheinung in seiner Vaterstadt sich die Wohlwollenden in die Last der Einquartierung teilten. Und so stieg er am 12. September in der Gerbermühle ab.

Endlich trat Sonntag den 8. August, als Boisseree sich bei Goethe befand, ein weiterer Jugendfreund ein, der Forstschreiber Kehr, wie er in der Kur- liste eingetragen ist, von dem Boisseree folgende Beschreibung macht^-"^): ,ein altes Männchen in grünem Rock und grünseidener Weste mit schwarzge- schnittenem Sammt, Forstmeister von Frankfurt, ein alter Schulkamerad von ihm. Er (Goethe) war unendlich freundlich gegen ihn, Hess ihm zu Trinken bringen; nach einigen lustigen Reden und Fragen über andere alte, bekannte Schulkameraden kam Gramer, und nun ging das Gespräch mit diesem und mir fort; das alte Männchen blieb immer ruhig sitzen, lange, lange Zeit, und trank sein Gläschen, und wir nahmen immer Rücksicht auf ihn, ohne uns weiter um ihn zu bekümmern. Seltsam war es, dass Goethe weder Gramer noch mir, als wir verschiedentlich fragten, wer der Mann sey? den Namen nicht nannte, sondern jedesmal freundlich sagte: „Es ist ein alter Schulkamerad von mir, der kömmt alle Jalirc nach Wiesbaden und ist schon 74 Jahre alt." Der Dichter muss den alten Freund und Kameraden lieb gehabt haben, der so weit hinter ihm zurückgeblieben war, wie er ja die Frankfurter Freunde und Erinnerungen hoch hielt. Kehr erwähnt er in einem Briefe vom 30. Oktober 17(35, in dem er als Leipziger Student die Mädchen seiner Stadt und Kehren grüssen lässt.

'-^) Kunstschätze u. 6. w. in Frankfurt. Nach der Bclli-Gontard, Leben in Frank- furt IX, 141, X, 11 hiess er Christian Ernst Neef. '"; v. Loeper, a. a. O. Register. •-«; Sulp. Boisseree I, 2ül.

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Wir gehen nunmehr zu den licöuclien von Nicht-Frankfurtern wäliroud der Kur von 1815 über und bedauern hierbei nur mehrfach die l'ersJlidiclikfMten und ihre Beziehungen zu Goethe nicht sicher featsteilcn zu können.

27. Mai: „NB. Le Bault des Nantes, Preus. (sie) Ingenieur de IMace" ist Claude Franrois Le Bauld de Naus, Stabskapitän im Ingeniourkorps «oit 1806; er wurde 1828 Inspekteur der zweiten Ingenieur-Inspektion und 18;{2 als Generalmajor pensioniert. ^2")

4. Juni: „Maj. von Roth." In der Kurliste ist in der Woche vom 28. Mai bis 4. Juni eingetragen „Hr. v. Roth mit Gemahlin, Major von Frank- furt" (Badhaus zur Rose), vom 9. bis 23. Juli in der Fremdenliste ((Jasthaus zur Stadt Darmstadt) „Hr. v. Rod, Platzmajor von Frankfurt." Vielleicht sind beide Personen identisch; ein sächsicher Major Johann Heinrich August v. Roth war im Jahre 1815 zum Kriege ausgerückt. ^^**)

4. Juni: „Reuss"; es ist zweifelhaft, wer mit diesem Namen gemeint ist.

18. Juni: „v. Natzmer" traf Goethe, wie es scheint, zu Biebrich an der Tafel des Herzogs. In Mainz stand damals ein Oberst v. Natzmer, der in der Kurliste von Wiesbaden zweimal vorkommt, in der Woche vom 1. 7. Mai und vom 9. 16. Juli, wohl derselbe (Wilhelm) v. Natzmer, der 1816 als Kommandeur des 20. Infanterie-Regiments zu Trier stand^^"); schwerlich dürfen wir an den bald darauf zum General ernannten Oberst Oldwig v. Natzmer"") denken, der eben als Brigade-Kommandeur der Grenadierbrigade der Garde auf dem Wege zu Blüchers Armee w^ar und am 22. Juli in Paris einrückte; am 18. konnte er nicht wohl zu AViesbaden sein, da er an diesem Tage noch nicht zu Homburg, wohin er später kam, eingetroffen war, nachdem er am 15. einen Brief von Gotha aus geschrieben hatte.

30. Juni: „v. Natzmer, neugriechische Lieder." Darüber s. No. 11.

20. Juni: „Hr. v. . . . von Wetzlar", vielleicht ein Herr v. Ilötzendorf aus Wetzlar, der in der Kurliste vom 11.— 18. Juni (Badhaus zum Bären)

verzeichnet ist.

30. Juni: „Preuss. Garde einquartiert. Graf He n ekel von der Garde.''

S. oben S. 81 ff".

4._7. Juli: „Major v. Haxthausen" wogender neugriechischen Volks- lieder (s. unten No. 11).

4. Juli: Metzler. Mad. Soeligmanu und Tochter." In der Kurlistc vom 25. Juni bis 2. Juli ist Geheimerat Metzler aus Off"enbach, vom 2.-9. Juli Mad. Seelig mit Bedienung aus Hofheim verzeichnet.

9. Juli: „Mittag Bieberich mit Ly uckers. " Kurliste vom 2.-9. Juli: „Hr. v. Linker mit Fr. Gemahlin, Familie und Bedienung, grossherz. Sachsen- weimarischer Kammerherr und Oberforstmeister aus Weimar" (Schützenhof). Auch am 20.: „Fr. v. Lyuker und Tochter."

1") Scliöning, Die Generale u. s. w., S. 303. - '-") N. Nekrolog VII, <i(iO. - >=») Hassel, Staats- und Adrcss-Handbucl. der Teuts.-Iicn Bundcs-Staaten für dns Jal.r isi«, S. 353. - '=«') Gneomor Ernst v. .Natzmer, Aus dem Leben des Generals Oldwig v. >aU- raer, I. 1876, S. 195 u. 196.

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16. Juli: „V. Hügel" zu Biebrieh. 19. Juli auf dem Johannisbcrg und vom 1. August au zu Wiesbaden. Der Freiherr Johann Aloys Joseph v. Hügel war ausserordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister des Kaisers von Österreich auch am nassauischeu Hofe und wohnte zu Frankfurt. Er hatte am 10. Juli Goethe die Zeitungsnachricht überbracht (s. unten bei dem Aus- tlug auf dem Johannisbcrg), dass der Kaiser ihm das Kommandeurkreuz des Leopoldordens vorliehen habe, und überreichte am 1. August bei der Mittags- tafel im Kursaal Goethe zum Nachtisch den Orden mit einem Begleitschreiben des Fürsten Metternich, d. d. Paris den 16. Juli.'") In demselben betont der Fürst, S. ^laj. der Kaiser habe aus Höchsteigener Bewegung'^'^), unter dem Drange der Geschäfte und unter der unausgesetzten Sorge für das Glück seiner Unterthanen in seinem Feldlager [zu Speyer am 28. Juni] ihm diese Auszeichnung zu beschliessen geruht als eine ehrenvolle Anerkennung seiner ausgezeichneten Verdienste um die deutsche Sprache und Litteratur. Es galt nun ein Dankschreiben an den Fürsten abzufassen, was am 4. August geschah: „Concept, dann Muudum des Briefes" an den Fürsten, heisst es im Tagebuch, nach welchem das Schreiben von H. v. Hügel weiter befördert wurde.

S.August: ,Consistorialrath Horst." Georg Konrad Horst, 1767 1832, ein äusserst fruchtbarer theologischer Schriftsteller und u. a. Verfasser der Zauberbibliothek, 6 Bände, 1820—1826, war Pfarrer zu Lindheim in der Wetterau und erhielt 1809 den Charakter eines hessischen Kirchenrates (nicht Konsistorial- rates, wie Goethe schreibt), 1823 eines geistlichen Geheimenrates'^'^); er über- reichte Goethe seine kleine Schrift „Über das h. Abendmahl, eine dogmen- geschichtliche Untersuchung nebst Vorschlägen zu einer Beseelung dieses In- stituts nach den Bedürfnissen unserer Zeit", Giessen, 1815.^34) i^ Anschluss an dasselbe unterhielt sich Goethe am folgenden Tage mit Boisseree über theologische Gegenstände, über die katholisch gewordeneu Protestanten, wie Stolberg u. a., sowie über eine auf Mysticismus hinaus laufende Richtung der Protestanten. In der Kurliste ist ein Hofgerichtsrat Horst aus Giessen auf- geführt, ob irrtümlich, ist zweifelhaft; denn es gab auch einen solchen zu Giessen.

Während Goethes Abwesenheit auf der Lahn- und Rheinreise (21. bis 31. Juli) war die Grossfürstin Katharina, Witwe des Prinzen Peter von Olden- burg und Schwester des Kaisers Alexander von Russland, und der Grossherzog von Oldenburg zu Wiesbaden eingetroffen; sie waren nach der Kurliste in dem Lang-Geyer'schen Hause abgestiegen. Die Grossfürstin war bekanntlich eine feingebildete, geistreiche Frau, damals etwa 28 Jahre alt; man sagte von ihr, sie vereinige die Eigenschaften von Peter dem Grossen, Katharina H. und Alexander; sie wurde später, im Jahre 1816, die Gemahlin des Kronprinzen Wilhelm von Würtemberg, der bald nach der Vermählung seinem Vater als König folgte. Als Schwester des Kaisers Alexander wurde sie in Wiesbaden hochgefeiert; am 30. Juli veranstaltete man ihr zu Ehren eine für die damaligen

•") Mitgeteilt im Goetlie-Jalirb. XIII, 2:i9. "') Dazu vgl. den Brief des Grossherzogs uuter No. 9, 7. '"^ Scriba, Lexikon hessischer Schriftsteller I, 151. II, Mi. ^•*') Bei Boissen'ie I, 2.">S ist der Name des Verfassers nicht genannt, aber diircli das Buch deutlich bezeiclinet.

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VerhäUuisse grossartige Illumination des „Kurgesollscliaftshauses" von 0000 Lämpclieu; der grosse Saal war mit vielen Waclislichtern erleuchtet, ein Transparent zeigte den hellerstrahlenden Anfangsbuchstalien ihres Namens, ein grosses C. Sie hatte kaum von Goethes Ankunft gehört, als sie ihn zur Tafi'l lud, am 2. August; dazu bemerkt das Tagebuch: „Hoheit abgesagt.* Doch er entging seinem Schicksal nicht; nach einem verfehlten Besuch am 4. crfulgte eine zweite Einladung auf den 5. August, der er sich nicht mehr entziehen konnte, doch klagte er Boisseree gegenüber, dass er zu ihr sollte; „sie haben nichts von mir, und ich nichts von ihnen, den Herrschaften. Ich, fährt jener fort, vergleiche die fürstlichen Personen und die vornehme Welt mit Gewäsaer, welches um uns herum anschwillt, ein Strom, ein See werden kann, worauf man schift't und segelt, sich aber auch wieder verlaufen kann. Man nmss ihm nicht trauen, ist und bleibt Wasser." Darauf antwortet Goethe: „Nun, zu hypochondrisch muss man sie nicht nehmen, aber so als Naturkräfte." '^^) Am 8. August machte er „der Herzogin v. Oldenburg K. Hoheit" nochmals Besuch.

4. August: „V. Burgsdorf", Hofrat aus Dresden. Derselbe war am 1. August mit Boisseree in Schwalbach zusammengetroffen und hatte ihm u. a. von Tieck erzählt, am 2. ihn „halbwegs" nach Wiesbaden zu begleitet."*')

Am 8. August ist der Besuch einer „Dame von Johannisberg pp." an- gemerkt.

Am 10. August erschien, was das Tagebuch nicht sagt, aber Boisseree berichtet"^), der preussische Regierungsrat Wilhelm Butte von Köln; er war Professor der Staatswissenschaften zu Landshut gewesen, dann aus der akade- mischen Laufbahn ausgeschieden und von der preussischen Regierung ange- nommen worden, ein fruchtbarer Schriftsteller auf seinem Gebiete und zugleich auf dem der politischen Tagesfragen. Nach Wiesbaden war er vielleicht ge- kommen, um mit dem Buchhändler L. Schellenberg über sein neuestes W^erk zu verhandeln, welches bei diesem erschien unter dem Titel: „Die unerlässlichen Bedingungen des Friedens mit Frankreich, eine freimüthige prüfende Darstellung der öffentlichen Meinung; hierzu einige Bemerkungen über das Misslingen der teutschen Bundesakte. Wiesbaden, 1815." Goethe legte er ein älteres Werk vor, das er in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht hatte: „Grund- linien der Arithmetik des menschlichen Lebens nebst Winken für deren An- wendung auf Geographie, Staats- und Naturwissenschaft. Nebst IX Tabellen. Landshut, 1811. XXXIV und 420 S." Die französische Ausgabe erschien zu Paris 1812; eine Ergänzung bildete die „grosse Karte der beiden Hemi- sphären" nebst kurzer Erklärung 1812, ebenfalls in den zwei Sprachen verfasst. Der unstreitig geistreiche Verfasser will nicht nur das menschliche Leben auf feste arithmetische Gesetze zurückführen, sondern auch andere Gebiete des Wissens denselben Gesetzen unterwerfen; auf diesem Wege verwirrt er sich in mathematische Phantasien; kein Wunder, dass er deshalb, gerade wie bei frühereu Werken ähnlicher Art von 1808 und 1809, so auch jetzt ungünstige Beurteilungen erfuhr; sie verdienten nach seiner Meinung aber den Namen

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) S. Roisseiee I, 258. - "'^) Ebenda ,S. 248. - "'; Kbeiulii S. 200.

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litterarischer Injurien, französische Blätter aber hielten ihn zum Besten. ^^*) Goethe äussert sich so: „Wenn mau einmal ein solches Spiel zugebe, und zu- geben müsse man es doch, so sei das äusserst scharfsinnig und hübsch"; . . die Durchführung ins Einzelne gefiel ihm sehr, nur klagte er, dass der Manu etwas Cynisches habe; dass er nicht einmal ein reinliches Manuskript und Karten, sondern beides beschmutzt und befleckt bei sich führe. Unter dem Manuskript ist vielleicht die oben genannte politische Schrift zu verstehen.

Wir stehen bei dem letzten Besuche, der für Goethe sehr bedeutungsvoll und offenbar ihm sehr erwünscht war, dem des Sulpiz Boisseree, aus dessen Aufzeichnungen über seine Unterhaltungen mit Goethe wir schon öfter einzelne Äusserungen von diesem angeführt haben und weiterhin anführen werden. Denn sie erstrecken sich über eine lange Reihe von Tagen aucli über Wiesbaden hinaus und betreffen die mannigfaltigsten Gegenstände, die beide gerade be- wegten oder sich ihnen zufällig darboten. Wir werden hier nur einiges lieran- ziehen.

Es hatte lange gedauert und grosser Mühe bedurft, bis Goethe^^^), dessen Sinn ganz auf das Altertum gerichtet war, dahin umgestimmt wurde, dass er auf die ganz der mittelalterlichen Kunst zugewandte Richtung Boisserees, der ein grosser Bewunderer und Kenner derselben war, einging und insbesondere sich dazu lierliess, durch lobende Erwähnung des grossen Domwerks von Boisseree'*") dessen Veröffentlichung zu fördern. Allmählich schlug das Herz unseres Dichters für die Sache und Person des rheinischen Kunstfreundes wärmer, das Misstraueu gegen den Freund von Fr. Schlegel wich, und es erwuchs ein Bund herzlicher Freundschaft zwischen den beiden so verschiedenen Männern. Im Jahre 1814 kam es erst zu einer Begegnung in Frankfurt, von wo aus Boisseree den älteren Freund nach Ileidelberg in seine und seines Bruders Bertram Gemäldesamm- lung geleitete; denn soweit hatte er ihn gewonnen, dass er wiederholt brieflich den Wunsch aussprach die Heidelberger Schätze bewundern, sich deren erfreuen und durch sie belehren zu können. '■*')

Im Jahre 1815 erfuhr Boisseree am 1. August, als er Goethe zu Wies- baden nicht getroffen hatte, dann nach Schlangenbad und von da nach Schwalbach gegangen war, im dortigen Posthause, dass Goethe am Tage verlier daselbst zu Mittag gegessen hatte, und erhielt am Abend einen Brief Goethes vom 1., worin er bedauerte, dass Boisseree ihn zu Wiesbaden verfehlt habe; er bittet ihn, wäre es auch nur auf eine Viertelstunde, zu ihm zu kommen, eine Be- sprechung sei höchst nötig.*'*-) So erschien dieser denn sofort am 2. August Mittags; es war ein fröhlicher, herzlicher Empfang, wie er sagt. Was Goethe zunächst beschäftigte, war das Ersuchen des Ministers v. Stein, mit dem er eben die Rheinreise gemacht hatte, dass er an Hardenberg ein Schriftstück über die Kunst und die antiquarischen Angelegenheiten am Rhein verfassen

'**) Vorrede zu den Grundlinien, .S. XIX. Boisseree a. a. 0. '^'''j Düntzer, Aus Goethes Freundeskreisen 1868. S. Boisseree, S. 286-342. **°) In „Dichtung und Wahr- heit", 11. 9. Bucli. 1«12. "') Briefe an Sulp .Boissen'e II, 40 vom IH. und 30. August von Wiesbaden aus. ^*'') S. Hoisseroe II, Oö. Das folgende nach B. I, 249 ff.

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sollte; darüber wolle er ihn beraten. Er ging' gleich (hirunf ein; man küniic das Schriftstück zugleich an Metternich schicken, dem er ulinchin licn iJuiik für den Orden schuldig sei; Ilauptgrundsatz solle sein, dass die Kunstwerki- und Altertümer viel verbreitet würden, jede Stadt die ihrigen behalte und wiederbekomme. Vom Domvverk solle gesprochen werden, von Allem, w.is einzelne gethan und was zu erwarten sei, wenn die Unterstützung der Regierung zu Jlilfe komme. Dann kam er auf die Farbenlehre. (Vw. ihm ja besonders am Herzen lag; sie werde jedenfalls Anerkennung finden u. s. w. Am folgenden Tag sprach er von einer neuen Ausgabe seiner Werke, der italienischen J{eise. mit (leren Darstellung er eben beschäftigt war, dem Di van. Später klagt er üIxt die Unredlichkeit der Schlegel und Tieck; in <len höchsten Dingen versieren und daneben Absichten haben und gemein sein, das sei schändlich. Schiller sei ein ganz anderer gewesen, der letzte Edelmann, möchte man sagen, unter den deutscheu Schriftstellern, sans täcbe [irrtümlich st. tache] et sans reproche.

Am Nachmittag des 3. August spricht er den Wunsch aus in die Gesell- schaft der verrückten Ilofräte aufgenommen zu werden; der Spass sei allerliebst, aber man müsse ihm ein gutes ob, d. h. eine gute Begründung ins Diplom ireben, etwa ob varietatem scientiarum. Da sein Wunsch bald erfüllt wurde wollen wir hier einfügen, wie es mit dieser Gesellschaft stand. '•*^) Etwa im Jahre 1809 stifteten in Frankfurt der Arzt Job. Chr. Ehrmaun aus Strassburg'^') (1749 1827) und der Philologe Prof. Friedrich Christian Matthiae (1703 bis 1822)'^^), zuletzt Direktor des Gymnasiums zu Frankfurt, aus eigner Macht- vollkommenheit den Orden der verrückten Hofräte; der Orden legte den Mit- gliedern, die sie ernannten, keinerlei Verpflichtung oder Leistung auf; es ge- nügte irgend eine zufällige, unschuldige Eigenschaft oder Beschäftigung, eine Eigentümlichkeit im Thun und Treiben, um achtbare, hochgestellte Männer der Mitgliedschaft für würdig zu erachten. Namentlich dem Spürsinn des sonst sehr ehrenhaften und geachteten Ehrmann, der unter rauhem Äusseren ein treff- liches Herz besass, entging nicht leicht die schwache Seite eines Ordenskandi- daten. Die Diplome wurden stets unter dem 1. April ausgestellt, mit grossem Oblatensiegel versehen und mit dem Namen Timauder'-*'') unterzeichnet. Der Grund der Ernennung wurde in kurzen treffenden Worten mit ob . . angegeben, z. B. bei dem Heidelberger Creuzer mit ob pocula mystica, bei Jean Paul ob iram et studium, bei Boisseree mit ob architectonice mensuratam in crepusculo turrim Cathedralis Argeutinensis. Goethe erhielt denn nicht viel später erfolgte seine Aufnahme „Kai. Apr. MDCCCXV ob orientalismum occidentalem. Nicht alle nahmen die Sache so leicht auf, manche mit Verdruss. Ks wurden bis 1820 hundert Diplome ausgegeben. Im Jahre 1821 zog Ehrmann, der beiläufig gesagt Schwager des Philologen Ph. Buttmann war, zu seinem Adop- tivsohn nach Speyer, und so endigte der Scherz nach etwa elfjährigem Be- stehen.

»=) Crclzenach, S. 47. v. Leonhard, S. 4.-.^. - "^) Bolli-li ontard, l.ebeu in Frankfurt VI, löG. - '") Eckstein, ^onien.-lator l'l.ilülogonnn 1>T1, S. :i(;i. '♦ / bo

schreibt 0 reizonacii , LfOiiliurd i'iniiii(i(M-. Timander = Elirmann.

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Andere Gegenstände der interessanten Unterhaltuageu beider Männer sollen von uns an anderen Stellen angeführt werden, wie die über Pestalozzi (s. Ko. 8 unter de Laspee), über Goethes Verhältnis zu seinem Herzoge (s. No. 9), den Divan (No. 11). Freitag den 11. August verliessen beide Freunde AViesbadeu; auf der Weiterreise begleitete Boisseree Goethe und schied erst zu Würzburg am 9. Oktober von ihm. Sein erster Gang nach der Trennung war in den Dom zum Gebet, gewiss auch für Goethe, der auf der Reise sich melirfach unwolil gefühlt und den er „unter den frömmsten Wünschen" verhissen liatte.'*') Am 11. Oktober traf Goethe in Weimar ein.

8. A erkehr mit Eiiiheiniischeii.

.,Du liist auch am Rhein gewesen, Auch am Hof zu Bieberioh; Magst nun an dem Maine lesen, Wie es lustig war um dich."

Mit diesen Worten drückt der Dichter die Stimmung aus, die von den angenehmen Eindrücken seines Kingeren Aufenthalts am Rhein und des Ver- kehrs am gastlichen herzoglichen Hofe zu Biebrich, auch als er Wiesbaden verlassen hatte, noch fortdauerte. Nachdem wir im Vorhergehenden betrachtet haben, wie mannigfaltig sich der Verkehr mit Fremden und Bekannten ge- staltet hatte, wollen wir nunmehr zu den Einheimischen, den Bewohnern des nassauischen Landes, übergehen, von denen einige sein hcjchstes Interesse er- regten oder sogar seine Freundschaft auch für die Folgezeit gewannen. Wir beginnen mit dem herzoglichen Hofe.

1. Der herzogliche Hof zu Biebrich.

In dem Aufsatz „Kunstschätze am Rhein" u. s. w. heisst es von Biebrich'*^): „Nach so vielen Ruinen alter und neuer Zeit, welche den Reisenden am Nieder- rhein nachdenklich, ja traurig machen, ist es wieder die angenehmste Empfin- dung ein wohlerhaltenes Lustschloss zu sehen, das, ungeachtet der gefährlichsten Nachbarschaft (von der Festung Mainz) in völligem Stande von seinem Fürsten bewohnt, durch einen Hof belebt wird, der den Fremden des liberalsten Em- pfanges geniessen lässt."

Das Schloss war von dem Fürsten Georg August Samuel erbaut und mit ihm die Anlage eines geschmackvollen Parkes verbunden worden (seit 1704)''*'-^); es steht noch im wesentlichen in seiner alten Gestalt; der Park hat verschiedene Veränderungen erlitten; die bedeutendste Umgestaltung erfuhr er nach den Ent- würfen des genialen Gartenkünstlers Friedrich Ludwig v. Skell in den Jahren 1817 bis 1824.^^°) Dem fürstlichen Bauherrn war es nicht vergönnt gewesen seiner Schöpfung lange zu geniessen; er starb im Jahre 1721, nachdem erst

"') S. Boisseree I, 291. "-) Audi die Schreibung von Biebrich wechselt in dem Tagebuch mit Bieberich und Bibrich. •") Menzel, Geschiclite von Nassau VII, 190. Spielmann, Annalen des Vereins für nass. Altertumskunde XXIV, fll f. '•"') L. v. Onip- teda, Klieiuische (järten 18Hü, S. Gl ä\

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kurz vor seinem Tode eine Hof'kapolle hergerichtet wonloii \\ai\ in dein ueu- orbauten Schh)sse. Aber erst seitdem die Landesregierini;^; im Jahre 17 14 nach Wiesbaden verlegt worden war, wurde es für eine lange Keihe vnii Jahren die dauernde Residenz des Fürsten und Herzogs^'^'), bis Herzog A(h»lf in dem seit dem Jahre 1839 erbauten Schlosse zu Wiesbaden seine Winterresi- denz nahm.

In dem Parke liegt von einem Arme des dort angelegten Weiiiers um- fangen die künstlich als Burgruine erbaute Mossburg. Hier liatte ein älteres, im Jahre 1765 wegen Baufälligkeit zum Teil abgelegtes Gebäude gestanden, die Burg oder eine Zeit laug nach dem Besitzer die Pentzenau genannt, welches vordem an Beamte als Wohnsitz, dann als Erblehen ausgegeben worden war: Herzog Friedrich August kaufte es im Jahre 1804 zurück und Hess an seiner Stelle jene Burgruine errichten, die er selbst gern bewohnte und ilie jetzt noch dem Park zur Zierde gereicht. ^^^) Sie zog auch Goethes Aufmerksamkeit auf sich.

Die herzogliche Familic^''^) bestand zu der Zeit, als Goethe den Hof be- suchte, aus dem regierenden Herzog Friedrich August (geb. 1738), seiner Ge- mahlin Luise, Tochter des Fürsten Karl August Friedrich von Waldeck, ver- mählt im Jahre 1775, und zwei Töchtern, Auguste (geb. 1778) und Friederike (geb. 1784); zwei Söhne waren jung gestorben, ebenso eine zwanzigjährige Tochter Luise im Jahre 1812; zwei andere Töchter waren vermählt, Luise im Jahre 1791 an den Markgrafen Friedrich von Baden, Karoline Friederike an den Herzog August von Anhalt-Köthen im Jahre 1792; doch wurde diese Ehe im Jahre 1803 wieder getrennt, und die Geschiedene lebte von da an meist zu Hochheim. Da der Herzog in früheren Jahren ohne Aussicht auf die Xach- folge in der Regierung gewesen war, so hatte er auswärtige Dienste und zwar der Sitte seines Hauses entsprechend in Österreich genommen und blickte auf eine bewegte und ruhmreiche Vergangenheit zurück; im siebenjährigen Kriege focht er mit Auszeichnung und errang z. B. bei Hochkirch durch seine Tapfer- keit den Maria- Theresia-Orden; er stieg von Stufe zu Stufe und wurde 1780 zum Feldmarschalllieutenant, 1790 zum Feldmarschall ernannt. In ruhigeren Tagen lebte er in der Heimat, meist zu Usingen, wo das Stammschloss seiner Vorfahren stand, seit 1786 wegen seines Amtes als Direktor der Reichswerbung mehr zu Frankfurt a. M. Als im Jahre 1800 sich die Wahrscheinlichkeit steigerte, dass er der Nachfolger seines Bruders Karl Wilhelm in der Regierung sein werde, legte er diese Stelle nieder. Schon nach drei Jahren starb der Fürst Karl AVilhelm und am 10. Juni 1803 zog Friedrich August als Fürst (seit 1800 Herzog) in seine Residenz zu Biebrich ein. Ei wird als ein biederer Herr geschildert, geschmückt mit allen ritterlichen Tugenden seines Hauses, und zeigte sich als einen wohlwollenden, für das Beste seiner Unterthanen eifrig sorgen- den Regenten. ^^'•) Ein Beweis des schönen Verhältnisses von Fürst und Volk

^^^) Menzel, a. a. 0. S. 427. '^■) Omptcda, a. a. 0. S. t;;». Fälschlich nnlini man früher an, hier habe eine kaiserliclie Burg gestanden. Vogel, Beselircihung des Herzogtums Nassau, 8. Ml. '^=') Menzel a. a. O., S. 907. ''*) Menzel a. a. O. an verschiedenen Stellen. Maria Feodora v. Dalberg, Aus dem Leben einer deutscheu Fürstin. S. 1 IT.

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ist folgender Vorgaug: Der Herzog hatte in Übereinstimmung mit dem Fürsten Friediieli Wilhelm von X.-Weilburg am 1. Januar 1808 die Leibeigenschaft aufgehoben, am 10. 14. Februar 1809 ein Gesetz betr. die Gleichheit der Ab- gaben und Einführung eines direkten Steuersystems und infolgedessen am 1./^. September 1812 ein weiteres betr. die Aufhobung der älteren direkten Abgaben erlassen und dadurch die Unterthanen mit lebhaftem Dankgefühl er- (üllt. Dieses offenkundig auszusprechen hatten die sämtlichen Gemeinden des Herzogtums sich entschlossen, durch eine Deputation von 60 gewählten Abge- ordneten und ö Amtmännern dem Herzoge Dankadressen zu überreichen mit einer Denkmünze, welche das Andenken an diese wohlthätige Umgestaltung erhalten sollte. So bewegte sich am 1. August 1813 diese Deputation von Wiesbaden, wo sie sich versammelt hatte, nach dem Schlosse zu Biebrich; hier fand sich zugleich der Fürst von Weilburg ein, und so nahmen beide Fürsten die dankbare Huldigung der frohbewegten Abgeordneten entgegen. Darauf wurde diese zur Tafel gezogen und ihnen für den Abend der freie Zutritt zu dem Iierzoglichen Hoftheater gewährt. Hier empfingen sie die höchsten Herr- schaften mit einem freudigen Lebe hoch!, in welches das zahlreich versammelte Publikum einstimmte.^^'')

Unter den Seinen waltete der Herzog als liebender Yater und gewann es auf die vereinten Bitten seiner Gemahlin und Tochter über sich, die kaum ge- schlossene Verbindung der letzteren, der Prinzessin Auguste, mit dem Prinzen Ludwig von Hessen-Homburg (2. August 1804) bald nachher wieder zu trennen (13. Juli 1805), als er sah und hörte, wie unglücklich sich die Tochter an der Seite eines zwar ehrenhaften und im Kriege erprobten, aber ungeliebten Mannes fühlte, da ihr Herz einem anderen, dem Hofjunker und Lieutenant Friedrich Wilhelm v. Bismarck gehörte; ja er gestattete in väterlicher Liebe die Ver- bindung der Liebenden, die dann am 7. September 1807 geschlossen, jedoch vorläufig geheim gehalten wurde.'*'') Aber während der langen Kriegsjahre der folgenden Zeit war Bismarck als Offizier der würtembergischen Truppen so in Anspruch genommen, dass er erst im Herbste 1814 mit den Ehren- zeichen militärischen Ruhms bedeckt zu seiner Gemahlin zurückkehren konnte. In der Folge stieg er zu hohen Ehren und Würden empor und starb, nachdem er im Jahre 1846 seine Gemahlin verloren hatte, im Jahre 1860 zu Konstanz.

Wir haben dies vorausschicken zu müssen geglaubt, um den Kreis, welchen Goethe hier vorfand, zu schildern. Denn sowohl während des Sommers 1814 als 1815 war er fast jeden Sonntag Gast der herzoglichen Tafel. Er erwähnt zwar nicht einzelner Persönlichkeiten des herzoglichen Hauses, aber lernte sie sicher- 11« li kennen, und wenn er auch nicht das Verständnis und Interesse an allen

'") Nass. IntcUigon/lilntt lsi;{, No. :{2 vom 7. August. Hier findot sich auch die Be- schreibung der kunstvoll goari>citetcn Denkmünze mit ihren Emblemen und der Vasen, in welchen sie in dreifacher Prügung (üold, vergoldetem Silber und Silber) den beiden Fürsten überreicht wurde. Vergl. Kiiein. Kurier 1894, No, 339, der Abendausgabe zweites Blatt. '^"l M. F. V. Dalbcrg, a. a. O. S. II u. (12. Schwartz, i.andgraf Friedrich V. von Hessen- Tloniburg 111, .'>«.

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seinen SchöpfuDgen und Bestrebungen fand wie zu Weimar, so war er ducli hochbefriedigt von dem Empfange, der ihm in dem gastfreien Schlosse ziitoil ward. Zum erstenmale erschien er hier am 7. August 1814, wo er den i'ark und das Ritterschloss besuchte, dann am 14. und 21 , an welchem Ta"«' er auch den Fürsten von Nassau- Weilburg Friedrich Wilhelm antraf. Wenn dieser auch ein Mann von stärkerem Willen und durchgreifenderer Art war, so regierte er doch in Eintracht mit seinem Verwandten die vereinigten nassaii- ischen Lande; denn bei dem voraussichtlichen Aussterben der herzoglichen Linie mussten deren Besitzungen an die Weilburger fallen, und so war die liegierung und Verwaltung der beiderseitigen Lande schon jetzt so geordnet worden, dass alle Gesetze und Verordnungen in dem Namen der beiden Regenten erlassen wurden. Am 25. begleitete Goethe seinen Herzog Karl August nacii Biebrich und nahm sicherlich auch hier am 28. die herzlichsten GlückwUiisclie zu seinem Geburtstage entgegen, Nachdom er sich am 11. September verab- schiedet hatte, begegnete er am 12, auf der Reise nach Frankfurt der Herzogin nebst Gefolge, die vielleicht ihre Tochter Auguste nach Frankfurt begleitet hatte, um sie in die Arme Bismarcks zu führen ; denn hier pflegten wenigstens früher die getrennten Gatten für die kurze Zeit des Urlaubes, den Bismarck erlangen konnte, unter dem Schutze der herzoglichen Mutter zusammenzu- treffen.'^^) Auch die Fürstin von Nassau-Weilburg, eine Tochter des Burggrafen Georg zu Kirchberg, Grafen zu Sayn-Hachenburg, sah unser Dichter zweimal zu Frankfurt, am 17, und 21. September; das Tagebuch meldet am 17,: „zur Fürstin von Nassau", am 21.: „Fürstin von Nassau."

Belebter war der Hof zu Biebrich im Sommer 1815. Dazu trug hauj)t- sächlich bei, dass der Erzherzog Karl während dieser Zeit Gouverneur der Festung Mainz war. Derselbe hatte sich im Laufe des Winters 1814/15 mit einer Tochter des Fürsten Friedrich Wilhelm von Nassau- Weilburg, Henriette Alexandrine Friederike (geb. 1797), verlobt, und dieses verwandtschaftliche Band, welches auf herzlicher Zuneigung der Verlobten beruhte und eine glückliche Zukunft der beiden voraussehen Hess, führte nicht nur den Bräutigam und sein Gefolge mehrmals nach Biebrich, sondern auch den Hof von Weilburg und andere Persönlichkeiten. So traf Goethe gleich bei seinem ersten Besuch, Sonntag den 4. Juni, den Chevalier De Lort^^*^) und Graf Künigl u. a. an. Dieser, Graf Hermann v. Künigl, war Generalfcldwachtmeister der öster- reichischen Armee und damals Artillerie-Direktor der Festung Mainz, s])äter dem k. k. Armeekorps in Frankreich zugeteilt; Joseph De Lort war Oberst des 33. Infanterie-Regiments, aber dem Generalstab des Erzherzogs Karl zu Mainz als Chef desselben zugeteilt; im Jahre 1813 hatte ihn Goethe zu Teplitz am 5. August kennen gelernt, als er noch Oberstlieutenant im Generalquartier- meister-Stab war, und über eine Biographie, die er in Pinsk in eines reichen Juden Bibliothek gefunden hatte, eine Unterhaltung gehabt'^''); er muss ung.>-

'") Dalberg, a. a. O. S. 168, 175, 176. '**) tloethe sclireibt de lOr, er lieisst aber im üsterreicliiscben Ötaatsscheniatismus und iu einem Aktenstü<k des hiesigen StHatsarcliiv-s De Lort. '^^} Tagebuch, S. 66.

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wüholichen litterarischen Sinn an ihm bemerkt haben, denn er setzte den Ver- kehr mit ihm fort, wie wir sehen werden.

Am 11. Juni war der Erzherzog Karl selbst anwesend. „Besonderes Olück. heisst es in den Annalen 1815, ereignete sich mir auch zu Bieberich, indem des Herrn Erzherzogs Carl K. H. die Gnade hatte, nach einem interes- santen Gespräch, mir die Beschreibung Ihrer Feldzüge mit den höchst genau und sauber gestochenen Karten zu verehren." Wie er diese Karten später zu seinem Zwecke zu verwenden wusste, werden wir bei Gelegenheit der Lahn- reise (No. 9) erwähnen; für jetzt war er an den zwei folgenden Tagen mit der Lektüre des Buches beschäftigt.

Am 18. und 25. Juni bildeten die Nachrichten vom Kriegsschauplatze den Hauptgegeustand der Unterhaltung; an jenem Tage war es ja, dass die Entscheidung bei Waterloo erfolgte, von der man freilich noch nichts wissen konnte; kaum dass man von den vorhergehenden Kämpfen etwas gehört haben mochte. Aber es waren unbestimmte Nachrichten von dem bevorstehenden Aufbruch der Mainzer Besatzung eingetroffen, an deren Stelle auch nassauische Truppen einrücken sollten; der Befehl dazu erging indessen erst am 25. durch das Gouvernement von Mainz, wurde aber alsbald wieder zurückgenommen.^'^") Am 25. war zwar der Sieg der Verbündeten bekannt geworden, doch fehlten noch genauere Nachrichten über die A'erluste der nassauischen Truppen; und Goethe nahm an den Sorgen und Befürchtungen der Nassauer und des Herzogs innigen Anteil. Vergl. unten No. 9.

Sonntag den 2. Juli war Goethe nicht in Biebrich, sondern speiste „für sich." Am 9. heisst es: „Mittag Bieberich mit Lynckers.^^^) Min. v. Stein. Einladung." Aus dieser kurzen Notiz könnte man schliessen, dass auch der Minister v. Stein anwesend war und dabei Goethe einlud ihn zu Nassau zu besuchen, doch lässt sich dies nicht sicher behaupten. Noch stand damals der Minister v. Stein mit dem herzoglichen Hause auf freundlichem Fusse, und unter seinem Beirate und wesentlichen Einfluss war die nassauische Verfassungs- urkunde vom 1./2. September 1814 zu stände gekommen^^-), auch von ihm gegen Angriffe auf dem Wiener Kongresse verteidigt worden, sodass ein Besuch an dem herzoglichen Hofe nichts Unwahrscheinliches hat. Erst vom Jahre 181 G an trübte sich das Verhältnis bis zum vollständigen Bruche.

Sonntag den 16. Juli „wurde ein allgemeines Dankfest wegen des von den verbündeten Heeren unter ausgezeichneter ^fitwirkung der herzoglichen Truppen bei Belle Alliance in den Niederlanden erfochtenen Sieges in allen Kirchen des Herzogtums mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten" gehalten. ^''^) Als Text für die Predigt in den Kirchen waren die Verse 14 16 des 77. Psalms bestimmt: „(14). Gott, dein Weg ist hedig. Wo ist so ein mächtiger Gott, als du, Gott, bist. (15). Du bist der Gott, der Wunder thut; du hast deine Macht beweiset unter den Völkern. (16). Du hast dein Volk erlöset gewaltiglich, die Kinder

"") Staatsarchiv zu "Wiesbaden. 'ß') S. S. 9."i. '^O Sauer, Das Herzogtum Nassau in den Jahren 1818 1820, erster Absehnitt. "") Verordnung vom 5. Juli ISlf). Yerord- nungsbittlt No. 19 vom 8. Juli 1S15.

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ijcml

Jakobs und Josephs. Sola." Zur Verhcrrlicliuug des Ta^^es fand am Ab eine Illumiuation des Gescllsehaftshauscs, wie mau das Kurliaiis .biinals namitc, s(;att; es brannten 5100 Lämpcliou, und ein liall schluss sich an, bei welchem ein zweites Orchester mitwirkte. Der herzogliche Hof leierte den Ta«- durch eine grosse Mittagstafel, zu der Erzherzog Karl mit dem ganzen Oeueralstab und auch Goethe nebst dem Freiiicrrn v. ilfigel geladen waren. Es waren zu dem Feste Kanonen nach Biebrich gebracht worden, welche den nötigen kriegerischen Lärm machen sollten.'*'^) Nach seiner Rückkehr scheint unser Dichter auch die Illumination sich angesehen zu haben. Mit dem Feste war eine Geldsamnüung verbunden, deren Ertrag verwundeten Kriegern aus Nas.sau und den nächsten Angehörigen der Gebliebenen zugute kommen sollte; er belicf sich zu Wiesbaden auf etwa 400 fl., in ganz Nassau auf etwa 4700 H.; der Herzog hatte 157 ü. 12 k. beigesteuert.'*'^)

Die beiden folgenden Sonntage war Goethe abwesend, erst am 6. August, und da zum letztenmale ist er in Biebrich, Anwesend war eine grosse Gesell- schaft, ausser dem Erzherzoge der Hof von Weilburg, also auch wohl die Prinzessin- Braut, und „Dillenburger Dienerschaft." Am 17. September fand die Yer- mähluug des Brautpaares zu Weilburg in der (evangelischen) Stadtkirche durch den geistlichen Rat Freiherrn v. Brakel nach katholischem Ritus statt; ein Maskenball zur Feier des Tages schloss die Festlichkeiten. Die damals in Freude und Heiterkeit versammelte fürstliche Familie sollte bald den l'm- schwung des Glückes erfahren. Das Jahr 1816 raffte rasch hintereinander den Fürsten Friedrich Wilhelm am 9. Januar, den Herzog Friedrich August am 24. März und dessen Gemahlin Luise am 17. November hinweg. Seit dem 24. März regierte der junge Herzog Wilhelm (geb. 1792) allein die nassauischen Lande bis zu seinem Tode 1839, wo ihm Herzog Adolf, jetzt Grossherzog von Luxemburg, folgte. Seit dem Jahre 1866 steht das Schloss zu Biebrich unbe- wohnt da; der Park entbehrt der früheren Pflege und wird nur durch fremde Spaziergänger belebt, welche die schattigen Alleen und buschigen Pfade gern aufsuchen.

Zum Schlüsse wollen wir auch die Kleinigkeit nicht unerwähnt lassen, dass Goethe am 10. August 1815 an den Hoffourier Johann Stritt einen Brief richtete. Derselbe mochte die Einladungen zur Tafel au Goethe besorgt haben und verdiente dafür eine metallene Anerkennung. Ein Schreiben an den Obcrhofmarschall L. v. Bismarck zu Biebrich vom 10. September 1814 erwähnt das Tagebuch; es scheint persönlichen Inhalts gewesen zu sein, da es in den Akten des Hofraarschallamts nicht enthalten ist.

2. Die höheren Beamten.

Als hochstehender Beamter eines kleinen deutscheu Staates glaubte Goethe den ihm an Rang gleich- oder nahestehenden Männern Besuche abstatten /u müssen. Dies geschah denn auch, aber nur wenigen'"'") ward diese Auszeicimung

"") Die Angaben über die Festlichkeiten n;iili archivalischcn Notizen. '** Naas. In- tellijjenzbl. 1816. Oktober. '"") Über die Auswahl derselben vgl. S. 11,').

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zuteil; und diesen wenigen war es, wie es scheint, nicht gegeben oder gelang ihnen nicht den Gast zu fesseln oder von ihm gefesselt zu werden. Denn es wird zwar im Jahre 1814 ein äusserlicher Verkehr durch Besuch und Gegenbesuch angeknüpft, aber weder gestaltet er sich lebendig, noch setzt er sich im Jahre 1815 fort mit der einen Ausnahme des Ministers v. Marschall. Die Ursache davon dürfen wir aber nicht allein in den ]\M-S(»nlichkeiteu suchen, da z. B. der spätere Präsident v. Ibell, der bei einer Audienz des Fürsten Hardenberg rasch dessen Gunst zu erwerben wusste, sicherlich genug Verständnis für Goethes Werke besass, um auch mit dem Schöpfer derselbep sich zu unterhalten und ihn zu befriedigen. Es liegt auch ein rein äusserlicher Grund zu der Erschei- nung vor, die Last der Arbeit, welcher gerade auf den leitenden Männern ruhete. Die Jahre 1814 und 1815 bezeichnen den Zeitraum, in dem, abgesehen von den Kriegsnachwehen des Feldzugs von 1813 und 1814, sowie von dem Kriege von 1815, der Grund gelegt werden musste für alle die organischen Gesetze, welche die verschiedenen Teile und Teilchen von vormals selbständigen Territorien, aus denen das Herzogtum nun zusammengesetzt wurde, zu einem (lanzon verschmelzen sollten; vor allem nahmen die Beratungen über die neue Verfassungsurkunde und die sich daran schliessenden vorbereitenden Schritte zu ihrer Ausführung in diesen Jahren die Kraft von dem Minister v. Marschall und von Ibell vollständig in Anspruch. Wie gewaltige Massen von Stoff ver- arbeitet werden mussten, ersieht man schon dann, wenn man die Verhandlungen über das Schulwesen bei Firn h aber in seiner Simultanschule'^*"') oder die Bände des Verordnungsblattes von den Jahren 1815, 1816 und 1817'^^) durchblättert. Wir wollen dabei nicht leugnen, dass auch die Beamten selbst einige Schuld trifft; es waren treue und verständige Arbeiter in ihrem Berufe, die ihrer schweren Aufgabe mit Eifer und Verständnis oblagen und ihre Aufgabe so glücklich lösten, dass die neuen Einrichtungen Nassaus damals allgemein ge- priesen wurden und wohlthätige Folgen für die Entwicklung des Landes und seiner Bewohner herbeiführten; aber zu wissenschaftlichen und künstlerichen Anregungen und zum Weiterstudium fehlten die Bedingungen in der kleinen Stadt, die nicht einmal eine höhere Lehranstalt ausser der Lateinschule, der kürzlich auf etwas besserer Grundlage umgestalteten Friedrichsschule, besass. So ergab sich der bemerkenswerte Umstand, dass die wissenschaftlichen Kapa- zitäten, mit denen Goethe wirklich und dauernd verkehrte, nicht Landeskinder, sondern von aussen berufene oder gekommene Männer waren.

Betrachten wir die einzelnen, die er nennt. Zuerst tritt uns entgegen ,der dirigierende Staatsminister"

Freiherr Ernst Franz Ludwig Marschall v. Bieberstein."®) Er stand seit dem Jahre 1808 an der Spitze der nassau-usingischen Regierung zu Wiesbaden, seit 1811 der Verwaltung der zu eirem Ganzen vereinigten

'^^) Firnhaber, Die nassauisclie Sinmltanschule 1881 1883, namentlich in 15. l. "^') Vgl. Schwartz, Lebensnachrichten über den Regierungspräsidenten K. v. Il)eil. Ann. des Vereins f. nassauische Altertumskunde XIV, 187fi. "''*j Einen kurzen Lebensabriss .«. bei Sauer a. a. 0. zu Ende.

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Lande der beiden Linien Nassau-Usingon und Nassau- Woilburg, dünn des durch die Vertrüge von Wien und die daran sich anschliessenden Abmachungen ge- bildeten Herzogtums Nassau. Als Zögling der Karlsschule besaas er eine gründ- liche philosophische und juristische JJilduug, sowie einen aucli fiir Poesie und Kunst empfänglichen Sinn. Ihn besuchte Goethe zuerst am 5. Au'Mist ISN erhielt den Gegenbesuch am 6., eine Einladung auf den S., Abschiedsbesuch am 31. Ähnlich ging es im folgenden Jahr: Die Besuche fanden statt am 1 Juni und 21. Juni, die diesmal zwei Einladungen am 22. Juni und 20. Juli.

Der Geheimerat Karl Ibell"^''), im Jahre 1880 von dem Könige von Preussen geadelt, war unstreitig der Itr- deutendste Beamte und Staatsmann Nassaus in damaliger Zeit, dessen Einsicht und Energie das Meiste und Beste der gesamten Gesetzgebung und Neuge- staltung des Herzogtums zu vordanken ist. Seine Bedeutung erkannte der preussische Kanzler Fürst Hardenberg, wie oben bemerkt wurde, bei einer Begegnung mit ihm im Dezember 1818; die Unterredung schloss er mit den Worten: „Ich hoffe, wir sehen uns öfter und unter anderen Veriiültnissen wieder."^^") Im Jahre 1814 bekleidete er das Amt eines Direktors der Staats- ministerialkanzlei und war zugleich Geheimer Staatsreferendar, im Herbste 1815 trat er als Präsident der Regierung an die Spitze der Verwaltung, wurde aber zu allen wichtigeren Veränderungen zugezogen. Nach dem Attentat von Löning verliess er den nassauischen Staatsdienst, da er die Veränderung der ganzen politischen Richtung, die der Herzog und Marschall damals einschlug -n, nicht gutheissen konnte. Ihn besuchte Goethe am 10. August 1814, der Gegenbe- such erfolgte am 12 ; im Jahre 1815 sahen sie sich nicht, vielleicht weil Ibell durch die territoriale Umgestaltung des Herzogtums mehrfach als Kommissar auswärts verwendet wurde.

Geheimerat Ludwig Harscher v. Almendingen'^')

war ein bedeutender Rechtsgelehrter, der auch durch seine Schriften vorteilhaft

auf die Weiterentwicklung der Rechtswissenschaft eingewirkt hat. l'r war

Vicedirektor des Hofgerichts und zugleich Geheimer Staatsreferendar. Goethe

besuchte ihn am 10. August 1814, erhielt den Gegenbesuch am 11., wie aus

der Notiz des Tagebuchs „Almedingens (sie) Heft" zu schlicsscn ist. Im Jahre

1815 ist sein Name am 6. Juni eingetragen. Berühmt war er wegen seiner

Zerstreutheit.

Geheimerat Ernst Heinrich Langsdorff

stand an der Spitze der Hofkammer. Besuch und Gegenbesuch fand am 21. und 24. August 1814 statt.

Geheimerat Franz Karl Joseph v. Pfeiffer

ist schon bei Gelegenheit des Theaters oben (S. 79) erwähnt. Das Tagebuch erwähnt einen Besuch von ihm am 6. Juni 1815.

'®') S. die Lebensiiachrichten von Schwartz a. a. 0.; Sauer a. a. 0. ''"i Dorow, Erlebtes I, 187. '") S. die Biographie in der Allgemeinen Deutschen Biographie; seine zahl- reichen Schriften sind bei Meusel verzeichnet. Goethe nennt ihn Almedingen.

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Geheimerat Friedricli August Lehr.^^^) Denn nur dieser kann unter dem Gelioimerat Loehr gemeint sein, den Goethe im .Talire 1815 zweimal erwähnt. Er war Leibarzt des Herzogs und dabei ciu vielbeschäftigter und hochgeachteter Stadt- und Brunneuarzt, dessen trefflicher Charakter und wissenschaftliche Tüchtigkeit hoch gerühmt wird. Ihn mag Goethe am 12. Juni 1815 wegen seiner Kur zu Rate gezogeu und ihm am 10. August eiü Honorar zugeschickt haben („Brief an Geh. R. Loehr").

.3, Oberbergrat Gramer.

Da Goethe mit dem Oberbergrat^") Gramer am lebhaftesten in den beiden Jahren verkehrte, bei ihm die meisten wissenschaftlichen Anregungen fand und endlich auch in geselliger Beziehung vielfaclie Unterhaltung hatte, so erscheint es gerechtfertigt, wenn wir auf das Leben desselben etwas genauer eingehen, zumal da wir in den Darstellungen seines Verkehrs mit Goethe in der Regel durch die blosse Anfügung der Worte „tüchtiger Mineraloge" abgefunden werden.

Ludwig Wilhelm Cramer^^^) war am 0. Oktober 1755 auf dem Schlosse Friedewald in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen'''^), welche damals dem Mark- grafen von Brandenburg-Anspacli gehörte, in nicht gerade glänzenden Ver- hältnissen geboren; sein Vater war Amtsaktuar, Seine Schulbildung erhielt er zunächst auf der Lateinschule zu Altenkirchen, wohin sein Vater als Amts- verwalter versetzt worden war, dann durch Privatunterricht bei einem Pfarrer und vom Jahre 1770 bis 1772 durch das Gymnasium zu Weilburg. Er sollte Theologie studiereu, wandte sich aber, ^Is er die Universität Halle bezog, dem Studium der Rechte zu, mit dem er Mathematik und Physik verband, und auch diesem blieb er nicht treu, sondern ergriff, durch den Einfluss des Magisters Heimann bestimmt, schliesslich die Wissenschaft der Oryktognosie und Berg- kunde. Nach zweijährigem Aufenthalt zu Halle besuchte er noch ein Jahr lang die Bergakademie zu Freiberg, von wo aus er auch die wichtigsten Berg- und Hüttenwerke in Sachsen und den angrenzenden Gebieten Böhmens bereiste und kennen lernte.

Weil er, in die Heimat im Jahre 1775 zurückgekehrt, nicht sofort in einem bergmännischen Amte Beschäftigung fand, war er zunächst als Advokat thätig, erhielt aber bald nicht nur freien Zutritt zu den heimischen Berg- und Hüttenwerken, sondern auch die Anwartschaft auf das Bergamt Kirchen mit dem Titel Bergsekretär, Nach mehreren Jahren des Abwartens wurde ihm denn auch die Verwaltung dieses Amtes mit dem Titel Bergrat übertragen (1781). Neben seiner amtlichen Thätigkeit, für welche er im Jahre 1794 einen Berg- meister als Gehilfen erhielt, war er eifrig bestrebt sich wissenschaftlich weiter- zubilden, legte eine Mineraliensammlung an, trat mit auswärtigen Gelehrten und Vereinen in Verbindung und fing an auch litterarisch thätig zu sein: im Jahre

"*) Lebensiiachrichten s. im Neuen Nekrolog 1831, S. 212. "^) Goethe schreibt l>al(i (Jberbcrgrat, bald Bergrat, aucii wohl einmal 13ergm[eister], und im Anfang mchrniais Kramer statt Cramer, ''^ Neuer Nekrolog X (1832), 4H2-4H.i. '") Dahllioff, Geschichte der Grafschaft Sayn, S, IfJH,

lo:»

1792 erschien von ihm eine Ahhiindluiig, „Nachricht üher (h-ii lIulhTh-r /nj;", in der berg-männischen Zeitung, die 17!):{ anch separat horansgogehcn wurde So wurde er dadurch auch in weiteren Kreisen als tüchtif^or Minorahjf^c Ijc- kannt, und dies trug iiini im .lahre 1708 die Ernennung /.um Khrenniitghede, 1804 zum auswärtigen Assessor der minerah)gischon Societät zu .leiia ein.

Als im -lahre 1803 auf Grund des Reiclishauptdcputationsschhisses die (irafschaft Sayn-Altenkirclien an den Fürsten von Nassau-rsingen (Wiesbaden) gefallen war^^"), wurde alsbald, am 7. .Inli'''j, dov erprobte und kenntnisreiche Mann als Oberbergrat mit Sitz und Stimme in (h'r Ihifkammer in ncrgsachon und als Mitglied des llofgerichts mit Sitz und Stimme in Bergaachen nach Wiesbaden berufen. In dieser StcHung befand er sich, als Goethe nach Wies- baden kam. Er hatte mittlerweile ein grösseres Werk begonnen, welches <be Summe seiner bisherigen Forschungen und Erfahrungen auf dem bergnninnischen Gebiete zusammenfassen sollte, das aber nicht vollständig erschien, sondern bei dem ersten Teile stehenblieb; dieser führt den Titel: „Vollständige Beschreibung des Borg- Hütten- und Hammerwesens in den sämtlichen Hochfürstlich Nassau- (I^singischen Landen nebst einigen statistischen und geographischen Nachrichten von L. W, Gramer. Frankfurt a. M. 1805. 8. Ersten Bandes erste Abteilung, welche einige statistische und geographische Nachrichten von der Herrschaft Alteukirchou, dann eine generelle Übersicht des dasigen Berg- Hütten- und Hammerwesens in sich begreift." 182 Seiten nebst zwei Urkunden-Beilagen. Als selbständiges Werk folgten im Jahre 1827 die „Geognostischen Fragmente von Dilleuburg und der Umgegend," Giessen. -8^

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Name Cramers Goethe bereits bekannt w^ar wegen beider Beziehungen zu dem Bergrat Prof. Johann (leorg Lenz zu Jena, der Vorsteher des mineralogischen und zooh gischen Kabinets und Direktor der mineralogischen Societät daselbst war (1748 1832)*^% per- sönlich kannte er ihn sicherlich nicht und stand aucli nicht mir ihm in brief- lichem Verkehr, ja es scheint, dass den Anfang des später von ihm so eifrig gepflegten Umgangs nicht er, sondern Gramer machte, der ihn am i'. August 1814 zuerst besuchte. Von da vergehen nur wenige Tage, an denen beide nicht zusammenkamen. Wir wollen die gegenseitigen Besuche und die gemein- samen Spaziergänge an der Hand des Tagebuchs im Einzelneu verfolgen: die mehrfach beigefügten Worte geben den Gegenstand der Unterhaltung oder

der Beschäftigung an.

Am 4. August. (Goethe) „Bey Bergr. Kramer'''-') Eisenstufen der Nass. Werke." Es wurden also, wie es bei den damals so eifrig betriebenen mine- ralogischen Studien Goethes natürlich war, bergmännische Gegenstände bc-

"^) Weidenbach in den Annalcn des nass. Vereins u. s. w. X. "jyi. - ''^ Staats- archiv zu Wiesbaden. - i'«) Neuer Nekrolog X (1832), S. 124 ff. - '^^ rrnn.er wohnte in dem fiskalischen Gel)äude, das jetzt das .\n.ts-ori.ht beherberst und gegenüber dem Vorschus.s- vereinsgebäude liegt; es war eins der ersten Häuser der Friodrichsstrassc, die unter der Ke-ierung des Herzogs Friedrich August (lSU;!-lSltl) erbaut wurden: vom 14. November bis 2. Dezember hatte in demselben bei Cranier der General York seine Wohnung. Sauer, niiicher.<^ Ubei-gang über den Rhein, S. 23.

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sprochen und Cramers Mineraliensammlung besichtigt; aus dem folgenden Ein- trag des Tagebuchs scheint hervorzugehen, dass Gramer sein Werk über Alten- kirchen Goethe mitgeteilt, vielleicht zum Geschenk gemacht hat. Im Goethe- Archiv zu Weimar findet sich ein Faszikel mit der Aufschrift „Geognosie und Oryktognosie des Herzogturas Nassau 1814", in welchem sich Aufzeichnungen meist von Cramers Hand, die mineralogische Litteratur Nassaus betreffend, SuitenverzeicKuisse und eine Übersicht über Cramers Mineraliensammlung vor- finden.'««)

8. August. „Altenkircheu von Cramer." vor dem Bad; Goethe eröffnete also seine Tagesarbeit nach einem vorher angemerkten Besuche Zelters mit der Lektüre von Cramers Buch über Altenkirchen. Nach der Mittagstafel bei Minister v. Marschall heisst es: „Bei Bergr. Gramer", und am Schlüsse: „NB. Moltern. Bergm. Ausdruck. Siehe Cramers Beschreibung des Nass. Us. Berg pp. Wesens 1805, p. 86 § 55. Mollkauten.'«') Moll Maulwurf. Moll- hubel Maulwurfshügel." Diese ihm unbekannten Worte entnahm Goethe der bezeichneten Stelle, wo es heisst: „Höchst wahrscheinlich geschah die allererste Arbeit unter der Oberfläche der Erde mit sogenanntem Moltern oder mit Aufsuchen der von Hauptgängen abgeworfenen Geschiebe. Dies war jedoch wohl hauptsächlich oder vielmehr ausschliesslich bei den wichtigsten Eisenstein- gäugen der Fall . . . Dass das sog. Moltern in der Vorzeit geschehen sein soll, beruht freilich blos auf mündlichen Sagen, die aber . . . durch das Ansehen der Erdoberfläche in der Nähe Nvichtigta- Eisensteingänge volle Glaubwürdigkeit erhalten . . . Man sieht hier mehrere hundert, ich möchte wohl sagen tausend kleine Vertiefungen oder Kauten (hier sog. Mollkauten), woraus jene Geschiebe gefördert wurden." Nachdem dann als Zeitgrenze in § 56 der Anfang des 16. Jahrhunderts vermutet ist, wird das Wort moltern auf Moll = Maulwurf zurückgeführt, indem Moll ein provinzieller Ausdruck für dieses Tier sei und seine aufgeworfenen Hügel Mollhübel genannt würden. Hier haben wir alle von Goethe angemerkten Worte wieder. Wir können uns übrigens der Deutung und Ableitung der Worte, wie sie Gramer hinstellt, nicht ganz anschliessen. Moltern freilich wird nicht von Molter zu trennen sein, einem Wort, welches noch in Hessen und Nassau'*-) neben Moltruff, Molteroff u. a. statt des hoch- deutschen Maulwurf vorkommt, ursprünglich Moltvverf = das die Erde, Molte, aufwerfende Tier"^); von diesem Molter kommt dann auch Molterhauf = ein vom Maulwurf aufgeworfener Hügel'«*) und Molterhübel. Aber mit Moll scheint es anders zu stehen; es wird zwar dialektisch in einzelnen Gegenden Mol, eigentlich Molch, Eidechse, statt Maulwurf gebraucht'«^), aber in dem Sayni- schen Gebiet soll dies nicht der Fall sein, wie von glaubwürdiger, der dortigen Landessprache kundiger Seite versichert wird.'«*') Hingegen ist die Herleitung

"*"j Anmerkung zum Tagebuch, S. S.IG. '*') So muss gelesen werden, nicht Moll- kannten, wie das Tagebuch hat. S. die gleich folgende Stelle aus Cramers Werk. "^) Kehr- cin, Volkssprache und Wörterbuch in Nassau, S. 281. '*^) Lexcr, Mittelhochdeutsches Wörterbuch III, 740. Heyne in Grimms deutschem Wörterbuch VT, 2477. •^*) Kehrein, S. 282. "^^) Lexer, u. d. Wort, Heyne in Grimms deutschem Wörterbuch VI, 2476. '"^j Auch K eh rein hat das Wort niclit.

des Wortes Mollkaute vou mlid. ]\rolte oder Multc, jetzt Mulde, Stauli, Knie an sich viel eiuleuehtender und verstündlicher, also = Erdkaute, und Moll- hübel = Erdhügel. Doch wir kehren nach dieser Abschweifung /ii unserer Aufgabe zurück.

Am 9, August begleitete Gramer seinen neuen Freund /u de IjaspL-c. "'^) Am 10. August sagt das Tagebuch: „Zu Bergr. Gramer. Steinarten bis /n Ende"; am 11.: „Bei Bergm. Gramer"; am 12.: „Garte von AUenkirclien." Eine Karte von Altenkirchen ist dem Buche von Gramer nicht beigegeben, ulier in einem Faszikel des Goethe-Archivs zu Weimar, „Papiere auf die Reise am Rhein, Mayn und Neckar im Jahre 1844, bezüglich", befindet sich u. a. verzeichnet ^^^): „Gharte von Altenkirchen. Bergrath Gramers Literatur jener Bergwerke." An demselben Tage: „Zu Berg. R. Gramer. Marmor Tische. Be- sonders Kupfer Stufen," 13. August: „Bey Oberbergr. Gramer. Bley"; Sonntag den 14.: „Mit 0. B. R. Gramer zurück" von Biebrich. Die folgenden Tage, 15., 16. u. 17., nehmen den Ausflug nach Rüdesheim und zu dem Rochus- fest in Gesellschaft vou Gramer und Zelter ein; am 19. heisst es wieder: „Hey Gramer, Die letzteren Metalle"; am 20.: „Zu Bergr. Gramer", Sonntag den 21.: „Berg R. Gramer", den 22.: „Bey Gramer", den 23.: „Bey Gramer catahigirt. Im Garten." Nach einer Pause während der Anwesenheit des Grossherzogs und anderer Besuche kommt erst am 30. Gramer wieder zu Goethe, und, nach dessen Rückkehr aus dem Rheingau, am 9. September mit llundeshagen, in deren Begleitung er einen Spaziergang zu den „Kalksteinbrüchen des Mühl- thales" macht; am 10. hilft des Morgens Gramer die Mineralien, die Goethe gesammelt hatte, einzupacken, des Nachmittags die Kasten zuzuschlagen; den letzten Abend vor der Abreise, Sonntag den 1 1 ., widmet der scheidende Gast dem zurückbleibenden neugewonnenen Freunde, wohl wie im folgenden Jahr in der Familie.

Hatte mit der Abreise Goethes auch der persönliche Verkehr, den, wie man sieht, dieser noch mehr aufsuchte als Gramer und bei dem er mehr der Empfangende als Gebende war, für jetzt aufgehört, so blieb die einmal auge- knüpfte Verbindung doch bestehen. Am 23. September schreibt Goethe einen Brief zu Frankfurt an Gramer und übersendet ihm eine Kupferlasur von Ghesy, und der Anfang des neuen Jahres vergeht nicht, ohne dass sie einander be- grüssten, Goethe am 9. Januar 1815, Gramer am 3. Februar,

Nicht ungleich verlief der Sommer 1815, nur dass man jetzt den Bodürf- nissen nach geselliger Unterhaltung und Spaziergängen mehr Rechnung trägt, ohne jedoch der Wissenschaft Abbruch zu thun. Namentlich wird jetzt der Geisberg vielfach das Ziel der Ausgänge. Nach dem ersten Besuche Goethes am 28. Mai und dem Gegenbesuche Gramers am 29, folgt am 30. sogleich ein Spaziergang auf den Geisberg, ebenso am 1. Juni, wo man „spät herein" kam. Am 2. wurden „Mineralien besichtigt, Rheinbreitenbacher ^«^) Produkte, phosplu.r- s[aures] Kupfer, dergl. Bleye, blätteriger Malachit"; am 3. ist die Rede von

'") S. unten bei de Laspee. '"^j Anmerkung zum Tasel)ucli, S. y.'i«. ""•) Klu-in- breitbach, Dorf im Amtsbezirk Neuwied.

Gebirgsarten und Versteinerungen. Sonntag den 4.: „Mittag Bieberich mit O. B. K. Cramer''; der 5. und 10. führt wieder auf den Geisberg, am 6. und^S. ist blos der Name 0. B. R. Cramer angemerkt. Am 13.: „0. B. R. Gramer. Ländertauseh.^'-*") Vorher Spaziergang gogen den Cursaal"; am 14.: „Bey Bergr. Gramer. Bleyerze"; am 15. „0. Berg R. Gramer. Geisberg"; am 17.: ,.()b. B. R. Gramer; in die Steinbrüche, drohendes Gewitter" ; am 18.: „Gramer Steinbruch. \ioletter Qnarz. Gursaal"; am 19. abermals zu den Kalkstei'ibrüchen mit Gramer; der 20. führt wieder zum Geisberg mit Gramer. Am 23. bildeten die Nachrichten von dem Verluste der Nassauer in der Schlacht; bei Waterloo den Stoff des Gesprächs, aber auch Eisenminer[alie|n, am 24. die mineralogische Beschreibung des Frauenberges ^^') im Fürstentum Hessen von Ullmann. An die Lektüre dieses Buches schliesst sich für Goethe das Studium einer ganzen Reihe von bergmännischen Schriften an, das ihn an vielen Tagen, vom 28. Juni bis 19. JuU beschäftigt, namentlich seitdem die Einladung der Herrn v. Stein an ihn ergangen und eine Lahnreise geplant war. Es sind dies die Bücher von Hüvel, Becher'*-), Schmidt, Werner und schliesslich die Karten des Werkes von dem Erzherzoge Karl. ^^^) Dabei setzte man indessen die gesel- ligen Zusammenkünfte nicht aus. Nachdem noch einmal, am 26. Juni, „Mine- ralien bezeichnet" w^orden waren, folgte am 29. ein Ausflug „mit Gramers auf die Papiermühle", am 1. Juli ein Spaziergang mit Gramer auf den Geisberg, dem das Gedicht im Divan „dem Kellner und dem Schenken" ^^*) Ursprung oder Bearbeitung verdankt. Was die „Geschichte mit dem Quasi Vetter", die am Morgen des 4. Juli und die „mit dem Anmaslichen, auf dem Geisberg," welche am Nachmittag desselben Tages verzeichnet ist, zu bedeuten habe, ist nicht ersichtlich und unseres Wissens nicht bekannt; vielleicht dass ein noch ungedruckter Brief darüber Licht verbreitet. Am 5. Juli wird ein Ausflug auf den Nürnberger Hof mit Gramer besprochen, am 6. in Gesellschaft von dessen Familie ausgeführt. ^'-^^j 10. Juli: „Bey Gramer"; 11.: „Mit Gr[amerl und Schl[osser] Geisberg"; 14.: „Bey Gramer"; 15.: „mit Gramer Geisberg"; 17.: „Briefe mit Gramer eingepackt;" am 20. wird wohl mit Gramer der Plan zur Lahnreise endgiltig festgestellt und diese am 21. angetreten. '^^)

Nach der Rückkehr von der Reise wird der Verkehr mit Gramer belebter durch die Ankunft Buisserees, der sich vielfach zu ihnen gesellt; nur noch zweimal treffen wir Gramer allein bei Goethe, am 1. und 8. August; am 5. sind die drei Freunde zusammen auf dem Geisberg, wo Gramers jüngste Tochter ihre Rechenkunst vorführt. Am (j. und 7. sind sie bei Goethe; nachdem am 9. Gramer des Abends einen Abschiedsschmaus, der bis ein Uhr bei Punsch dauert'^^), gegeben, trennen sie sich am 10. August.

Aber auch diesmal überdauert der briefliche Verkehr den persönlichen, und er erstreckt sich noch über eine ganze Reihe von Jahren; gesehen haben sie sich, wie es scheint, nur noch einmal, am 28. August, wo Gramer den

""'j S. unten So. 9, G. '^') So ist zu lesen statt Franckenb. im Tagebuch; s. No. 10 unter dem 24. Juni. "'^j So ist statt Becker im Tagebuch zu lesen; s. No. 10. ■®*) S. die Lahnreise in Xo. 0 und Lektüre (No. 10).— '^*) S. Divaii in Xo. 11. '•'^) S. unter Phil. Lade in No. 8. '**) S. in Nu. !t, Lahnreise. '") Hoisseroe 1, 26.5 f.

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Freund in Frankfurt besuchte. '^'^) A'un Briefen (iuethes iindeu wir im Tage- buch verzeichnet einen vom 19. August IS] 5, vom 20. Januar und li. NO- veraber 181G. Bekannt sind noch einer von Cramcr vdni 2(1. Nuvomber l.s22. von Goethe vom 28. Dezember 1822.'^^)

Urteile über Gramer. In dem Aufsatz über „Kunstschätze am Jihcin" u. s. w. widmet Goethe dem Oberbergrat folgende' Worte: „Das C'abinet des Oberbergraths Gramer ist ein vorzüglicher Schmuck dieses ( )rtes | Wicsbadensl. Es enthält eine vollständige systematische Folge der Mineralien und ausserdem belehrende Prachtstücke aus den wichtigen Bergwerken des Westerwaides, Der gefällige, theoretisch und praktisch gebildete Besitzer, auch als S(-hiift- steller seines Faches geschätzt, widmet Curgästeu und Durchreisenden jede freie Stunde zur Unterhaltung und Unterricht." Und in den Annalen 1814: „Naturwissenschaft wurde sehr gefördert durch gefällige Mittheilung des Ober- bergrathes Gramer zu Wiesbaden an Mineralien und Notizen des Bergwesens auf dem Westerwalde." In einem Briefe an den Staatsrat Schultz vom 11. Sep- tember 1825-°*') zollt er der eifrigen Thätigkeit und den geselligen Tugenden Cramers zugleich Anerkennung, indem er ihn einen wackeren Lebemann nennt, der seine Thätigkeit, auch aus den Geschäften zurückgezogen, nicht lassen werde. Bei Boisseree heisst er in einem Briefe vom 14. Januar 1816^'") der gute verständige Oberbergrath. Gramer aber gab seiner Verehrung für den hohen Freund dadurch Ausdruck, dass er ein besonders schönes Mineral des Wester- waldes Goethit benannte, ein Name, den Lenz in die Wissenschaft einzuführen suchte, der sich aber nicht behauptete; es ist der sogenannte Kubinglimmer, jetzt unter dem Namen Pyrrhosiderit bekannt, wie Goethe selbst berichtet.**'-)

Endlich mögen auch die späteren Lebensschicksale Cramers kurz berührt w'erden. Infolge der neuen Organisation der nassauischen Verwaltung und Justiz nach der Erwerbung von oranischen Landesteilen wurde Cramcr im Jahre 1815 an das Hofgericht zu Dillenburg versetzt, und zwar, wie es scheint, gegen seinen Willen. Nach sechs Jahren nahm er seinen Abschied und siedelte nach Wetzlar über, wo er, nach einem vorübergehenden Aufenthalt zu Marburg von 1828 1831, am 28. Mai 1832 starb. Einen ehrenvollen und vorteilhaften Ruf des preussischen Finanzministers, der ihm die Stelle eines Direktors uml Bergrichters im Siegener Bergrevier anbot, hatte er abgelehnt. Seine wert- volle Mineraliensammlung erwarb die preussische Regierung für die neugestiftete Universität Bonn; sie war in acht Schränken untergebracht und nach Goethes Aufzeichnungen wenigstens zum Teil unter dessen Alithilfe geordnet. Vielleicht in Voraussicht seiner Versetzung nach Dilleuburg entschloss sich Gramer wegen der Schwierigkeit er sagt, wegen der Unmöglichkeit des Transportes und aus anderen Gründen diese LiebHngsschöpfuug seiner Studien zu verkaufen."") Da

*°^) Boisseree I, 270. "'®) Bratranek, Ooetlies naturwissenschaftliche Korrespon- denz I, 96 fF. -"") Düntzer, Briefwechsel zwischen Goethe und Schultz, S. :129. '"") S. Boisseree II, 100. ^''2) Goethe, Zur Morphologie, llempel, :{.{, «.»7. Vgl. Hflus- mann, Handbuch der Mineralogie II, 1, 'M'i-i, l{")7. Creizcnach, a. a. Orte S. :{2. Der Name des Minerals ist Pyrrhosiderit, nicht Pyrosidorit, wie Goethe seihst schreibt, von -tlyö'., feuerrot (nicht von -Jv/> und o'or.po;, Eisen. '■"'^) Staatsarchiv /.u Wieebaden,

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musste er nun ti'aurige Erfalirungen machen. Zuerst trat er in Verhandlung mit der Universität Heidelberg, welcher jedoch der Preis von 9000 fl. so hoch schätzte er die Sammlung zu teuer gewesen zu sein scheint. Nunmehr wandte er sich am 7. August 1815 an die nassauische Regierung, der er die Gelegenheit zur Gründung eines Museums geben wolle. Von der ersten Forderung von 8000 fl. sank er stufenweise bis zum schliesslichen Angebot von 3000 fl. herab (28. Juli 1819). Als auch dieses abgelehnt wurde, schloss er mit der preussischen Regierung, welche 2500 fl. geboten hatte, endlich ab! Bis zu diesem Zeitpunkte hatten die acht Schränke zu "Wiesbaden in einem Lokale der Regierung mit deren Genehmigung einen Platz gefunden. Mittlerweile hatte Cramer zu Dilleuburg und Wetzlar eine zweite Sammlung angelegt, die er ebenfalls ohne Erfolg im Jahre 1828 der nassauischen Regierung als Grundstock einer Mineraliensammlung des Gymnasiums zu Weilburg anbot zugleich mit seiner mineralogischen Bibliothek; aber auch die 1000 fl., welche er hier forderte, erschienen zu viel.

4. Bibliothekar Ilundeshagen.

Über Hundeshagens Beziehungen zu Goethe ist in dem Goethe-Jahrbuch von 1885 (VI. S. 125 ff.) eine Abhandlung von L. Geiger erschienen, und eine ausführliche Biographie von J. Noll in dem Osterprogramm des Königlichen Kaiser-Friedrichs-Gymnasiuras zu Frankfurt a. M. 1891 veröffentlicht. Wir glauben indessen durch diese Arbeiten einer näheren Beleuchtung seines Ver- kehrs mit Goethe nicht enthoben zu sein.

Ilelfrich Bernhard Hundeshagen aus Hanau (1784 1849) hatte sich bald nach Beendigung seiner Studien durch eine Arbeit über die alte gotische Kapelle zu Frankenberg (1808, Frankfurt a. M.) nicht unvorteilhaft bekannt gemacht und kurz nachher eine grössere Behandlung der ehemals freien Stadt Gelnhausen und des dortigen Kaiserpalastes in Angriff genommen, zu deren Drucklegung er bereits im Jahre 1810 Subskribenten zu gewinnen begann. Als das Werk druckfertig in der Druckerei des W^aisenhauses seiner Vater- stadt lag, ging es mit Ausnahme der Kupfertafeln infolge des Brandes, den die Beschiessung der Stadt durch Napoleon am 30. Oktober 1813 veranlasste, mit dem Waisenhause in Flammen auf.

Als dies geschah, war Hundeshagen nicht mehr in Hanau; Ende des Jahres 1812 war er nach Wiesbaden berufen worden zur Herstellung einer topographischen Karte, zur Beihilfe bei der Aufsicht über die zu errichtende Regierungsbibliothek (jetzt Landesbibliothek) und zur Erteilung von Unterricht an der Militärschule, wurde dann am 3. Juni 1813 zum Bibliothekar an der Regierungsbibliothek ernannt; da er im Frühjahr 1814 bei dem deutschen General- bewaffnungskommando zu Frankfurt beschäftigt wurde, erhielt er zugleich die Erlaubnis die Divisionsabzeichen eines Hauptmanns der Landwehr zu tragen und wird wohl auch Hauptmann genannt. Indessen fesselte ihn die letzte 'i'hätigkeit nicht lange auswärts; im Sommer sehen wir ihn wieder zu Wies- bailen, wie es scheint, mit Herstellung seines Werkes über Gelnhausen und anderen litterarischen Plänen beschäftigt; jenes trat erst im Jahre 1819 an das

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Licht unter dein Titel: Kaiser Friedrichs Barbarossa Palast iu der Burg zu («elnhausen .... Zweite Auflage, mit XIII Kupferabdrücken. Die Alibildungen der Burg sind jetzt, da mittlerweile diese mancherlei Schaden erlitten hat, noch immer sehr schätzenswert.

In dieser Stellung und dieser Thätigkeit war Ilundeshagen, als Goethe zu Wiesbaden eintraf. Sein Name war ihm nicht unbekannt, nicht nur weil Zelter seine Kenntnisse und Bestrebungen gerühmt hatte'"*), sondern auch weil Ilundeshagen mit H. Meyer in Weimar bereits im Jahre 1808 Verbindung angeknüpft und ausdrücklich am 3. November 1808 um Mitteilung seiner Ab- handlung über eine Eiitwickelung der Theorie der griechischen Baukunst an (ioothe gebeten hatte: Gründe genug, die Goethe zu dem Wunsche bestimmen konnten, den Mann persönlich kennen zu lernen, für Ilundeshagen, sich dem Meister persönlich vorzustellen und seine „Varietäten von Kunst und Natur" vorzulegen.

So finden wir denn den Namen Ilundeshagen oft in dem Tagebuch erwähnt, zuerst am 1. August 1814: „Mittag Hundeshagen ", am 4. (Nachmittag): „Mit Hundeshagen an den Cursaal." Am 5. ist schon zu seinem Namen „Fried. Barbarossa" gesetzt, sodann noch zwei Bemerkungen, die von Interesse sind, zunächst diese: „Hiesige Verhältnisse." Damit soll unstreitig angedeutet werden, dass Hundeshagen, vielleicht in ungesuchter Zuvorkommenheit, Goethe über die Wiesbadener Persönlichkeiten zu unterrichten und auf dessen Verhalten zu ihnen, Besuche u. s. w. Einfluss zu gewinnen suchte; und wenn wir be- denken, dass seine Urteile später höchst ungünstig lauteten und Massregeln gegen ihn hervorriefen, so dürfen wir wohl vermuten, dass sie auch damals schon nicht allzu günstig waren und eine gewisse Voreingenommenheit bei Goethe hervorbringen mochten, soweit dieser sich von anderer Leute Urteil beeinflussen Hess. Ferner die Notiz: „Georg Churf. v. Saxen Geschenk." Sie wirft Licht auf eine Mitteilung Hundeshagens, dass er dem Dichter ein schönes altes Bild, einen Kurfürsten von Sachsen und seine Gemahlin, schenkte, den einzigen Überrest seiner ehemaligen Gemäldesammlung.-"^)

Am G. August ist Goethe mit dem Studium des Palastes von Gelnhausen beschäftigt, dessen Abbildungen vor ihm lagen, sie trugen gewiss wenigstens etwas dazu bei, sein Interesse für die Kunst des Mittelalters, der er sich, wie wir schon früher bemerkten, ganz entfremdet hatte, zu beleben; sein Urteil über die Ruinen hat er im Tagebuch auf der Reise (s. oben) niedergelegt. Der 7. August enthält blos den Namen von Hundeshagen; am 10. ist die Rede von der Tempelherrn-Kapelle zu Cobern an der Mosel, die Ilundeshagen im Jahre 1813 besucht hatte und ähnlich wie den Gelnhauser Palast bearbeiten wollte'-"**'); am 12. von den „Gelnhauser Kirchen" (die Pfarrkirche iu romanischem Stil zur Zeit des Übergangs mit elegantem Chorbau, drei schlanken Türmen

^"*) S. o. S. 69. -0^) Qoethe-Jahrb. VI, 127, mitgeteilt von L. Geiger, nur ist die Angabe daselbst unlmltliar, dass die Schenkung am Geburtstage Goethes ISl.j stattgefunden habe, an welchem dieser Wiesbaden schon verlassen hatte. Das Tagebucli stellt Tag und Jahr fest. Der Kurfürst war Joiiann Georg. Sieiie die Anmerkung zum Tagebuch, S. ;356, *"*) S. die Anmerkung zum Tagebuch, S. H57.

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iiud zierlich durchbrocheneu Gallerien); am 13. betrachtet Goethe bei llundes- hagen'"') eine grosse Stromkaite des Rheins. Von da an bis zum 9. September stockt der Verkehr; an diesem und dem folgenden Tage ist der Name llundes- hagen wieder im Tagebuche notiert.

Im Winter des Jahres 1815 schickt llundeshageu au Goethe einen Ab- druck seines Planes von Mainz, „den ersten, welcher aus meinen Händen kommt", so berichtet er in dem Brief vom 15, Februar 1815"°'); „möchte sich Ihren herrlichen Ideen, fügt er bei, und umfassenden durchdringenden Begriffen das Resultat meiner umfassenden Beschäftigungen wenn auch im kleinsten Massstabe anschliessen, dann könnte icli ihm für mich den grössten Wert bei- legen." Zugleich bittet er um Verteilung einiger beiliegenden Exemplare des Werkes an Weimarer Freunde, ein W^unsch, dem Goethe entsprach.

Im Sommer 1815 erscheint sein Name weniger häufig im Tagebuch (am 27. Mai, 2., 5.. 17. Juni und 5. August), auch sind die Gegenstände der Unter- iialtung nicht angegeben; doch wir würden irren, wenn wir annehmen wollten, der Verkehr sei minder lebhaft gewesen. Goethe las in diesem Jahr vornehm- lich während des Monats Juni, wie er im Tagebuch bemerkt und in anderwärts mitteilt, eine Reihe der Göttinger gelehrten Anzeigen und anderer Zeitschriften oder Bücher, die er der Bibliothek entnahm, teils wie es scheint, in dem Lokale derselben, teils in seiner Wohnung, wie daraus hervorgeht, dass er auch an Sonntagen mit deren Lektüre beschäftigt ist. Wir dürfen annehmen, dass die Werke, welche bergmännische Sachen behandeln, meist der Bibliothek Cramers, die anderen der öffentlichen Bibliothek angehörten; danach wird man beurteilen können, welche Schriften in unserem Verzeichnisse unter Lektüre (No. 10) den Diensten von Hundeshagen verdankt wurden.

Wir lassen nunmehr die Äusserungen Goethes über Hundeshagen und die Bibhothek folgen. In dem Aufsatze über die „Kunstschätze am Rhein" u. s. w. sagte er: „Hier [in Wiesbaden] ist in gedachter Rücksicht [Sammlungen und Bibliotheken] schon viel geschehen und mehrere aus Klöstern gewonnene Bücher in guter Ordnung aufgestellt. Ein altes Manuskript, die Visionen der heiligen Hildegard enthaltend, ist merkwürdig.-''^) Was neu in dieser Anstalt angeschafft wird, hat vorzüglich den Zweck die Staatsdiener mit dem Laufenden der litterarischen und politischen Welt bekannt zu machen.-'") Sämtliche Zeit- ungen und Journale werden deshalb vollständig und in bester Ordnung gehalten. Dieses geschieht unter der Aufsicht des Herrn Bibliothekar Hundeshagen, welcher dem Publikum schon durch die Bemühungen um den Palast Friedrich I. zu Gelnhausen rühmlich bekannt ist. Leider ist die ganze vollendete Ausgabe

*"^) Er wohnte in dem Gebäude, welches auch die Bibliothek beherbergte, einem der .Schlossbaulichkeiten auf dem Markte, die später niedergelegt wurden; im Jahre 1821 kam die lüMiothek in das ^luseum, und zwar in mehrere Zimmer ebener Erde, 1850 in ihre jetzigen UÜumlichkeiton. -'""j Cioethe-Jahrh. VI, 12G. -""; A. v. Linde, Die Handschriften der Künigl. i.andosbibliothek zu Wiesbaden. F. W. E. Roth, Die Codices des Scivias u. s. w. in den Quartalidättern des histor. Ver. f. d. Grosshcrz. Hessen 1887, S. 18 ff. '"') Vgl. die Verordnung vom 12. Oktober lSi::i im Verordnungsblatt 1813, S. 57, und die Vorschriften über Zweck, Kinri.litung und Oeltrauch ilcr üfTeiitii<'hcn Bibliothek zu Wiesbaden vom 1. November ISH im Allg. Intelligpn/.blatt islt, S. :{51.

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dieses Werkes bei dem Bombardement von Hanau verbrannt wiewohl die Kupfortafoln gerettet wurden; deshalb man die lloffnunf,' nähren kann dass die günstigere Zeit auch die lleife dieses Werkes befördern werde. Der iMaii der Festung Mainz, von jenem talentvollen Manne herausgegeben, zeugt nicht weniger von Fleiss und Geschicklichkeit." Und in den Annalen von 1815 heisst es: „In literarischer Hinsicht förderten mich nicht wenig (Jöttinger Anzeigen, deren ich viele Bände auf der Wiesbadener Bibliothek antraf und sie, der Ordnung nach^"), mit gemüthlicher Aufmerksamkeit durchlas. Hier wird man erst gewahr, was man erlebt und durchlebt hatte und was ein solches Werk bedeute, das mit Umsicht aus dem Tage entsprungen in die Zeiten fort- wirkt. Es ist höchst angenehm, in diesem Sinne das längst Geschehene zu betrachten. Man sieht das Wirkende und Gewirkte schon im Zusammenhange, aller mindere Werth ist schon zerstoben, der falsche Antheil des Augenblicks ist verschwunden, die Stimme der Menge verhallt, und das überbliebene Würdige ist nicht genug zu schätzen."

Auch in dem Reisebericht an F. A. Wolf vom November 1814 spricht sich Goethe anerkennend über Hundeshagen aus, indem er sagt: „Herr Haupt- mann und Bibliothekar Hundeshagen hatte zugleich durch antiquarische, artistisch- literarische Mittheilung am Vergnügen und Nutzen, die ich aus meinem Aufent- halt zog, den grössten Antheil."

Die Hoffnungen freilieb, die der talentvolle junge Mann in ihm erweckt hatte, erfüllten sich nicht. Derselbe richtete in den folgenden Jahren noch mehrere Briefe an Goethe, in denen er von seinen wissenschaftlichen Be- schäftigungen, insbesondere dem Funde eines Nibelungen-Kodex und der Blos- legung eines römischen Bades zu Wiesbaden, Mitteilung macht; aber er klagt auch bald über Zurücksetzungen, die er zu erdulden habe. Ende des Jahres 1817 wurde er aus seinem Amte zu Wiesbaden entlassen und siedelte zunächst nach Mainz, dann nach Bonn über, wo er Vorlesungen an der Universität hielt und eine Professur zu erlangen hoffte. Noch bis zum Jahre 1825 finden sich einzelne Briefe an Goethe vor, der aber dann von dem „wunderlichen" Manne sich zurückzog, welcher auch anderen kein Vertrauen eintlösste''") und immer tiefer sank, bis er sein Leben im Irrenhause endete.

5. Apotheker Otto.

Dr. Karl Philipp Otto-^"*), geboren zu Grävenwiesbach bei Usingen, hatte am 22. März 1812 von der nassauischen Regierung die Erlaubnis erhalten eine

^") Aber nicht der chronologischen Ordnung nach, wie das Verzeichnis zeigt; s, No. 10. Auch die Zahl der gelesenen Bände ist geringer, als man nach diesen Worten verniuton möchte. '^^'^) Auch F. G. Welcker nennt ihn, wie Goethe in einem Billot an Meyer vom 'A. Jan. 1824, das hierher zu gehören scheint (Goethe- Jahrb. VI, 136), einen wunderlichen Mann, der überall seine Netze auswerfe, um einige lukrative Bestellungen irgend einer Art einzufangeu. Briefe an S. Boisseree vom 15. August 1831. S. Boisseroe I, .'»TS. -'^) Die naclifolgcn- den biographischen Notizen sind teils dem Staatsarchive zu Wiesbaden, teils Ottos Schrift „Einleitung in die wissenschaftliche Chemie" u. s. w. entnommen. Die späteren Lebensschiek- sale desselben berührt kurz Sauer, Das Herzogtum Nassau in den Jaliren isi;i— lS2i', S. 117 und gibt weitere Litteratur über ilin an.

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zweite Apotheke iu Wiesbaden zu gründen und dieselbe im Juni 1813 eröffnet, ein Unternehmen, das wohl hätte glücken können, da die Stadt über 4000 Ein- wohner zählte, wohl bevölkerte und wohlhabende Dörfer in der Nähe lagen und die Kur im Sommer viele Kranke und überhaupt Fremde zuführte; dem Be- dürfnis genügte kaum mehr die Ib.fapotheke, welche seit 1808 im Besitz des Apothekers August Lade sich befand. Otto hatte im Jahre 1800 seine pharma- ceutisch-chemischen Studien mit grossem Eifer begonnen und mit ihuen zugleich philosophische verbunden und zwar hauptsächlich nach den Lehrbüchern von Ch. W. Snell, Rektor des Gymnasiums zu Idstein 2>*), welcher die Lehren des grossen Königsberger l^hilosophen in zahlreichen Schriften und Reden dem weniger gebildeten Publikum zugänglich und verständhch zu machen suchte; ihm war Otto von früher Jugend an bekannt und erhält von ihm das Lob, dass er die von seinen Fähigkeiten gehegte sehr günstige Meinung nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen habe. Denn dadurch, dass er sich bestrebte Chemie durch Philosophie zu befruchten, kam er den Anschauungen Snells entgegen, der sich in der Vorrede zu Ottos Werk also darüber ausspricht: „Physikalische und chemische Beobachtungen oder Versuche geben, wofern sie nicht durch Prinzipien geleitet und nach denselben geordnet werden, nur ein totes Aggregat von Kenntnissen; erst dadurch kommt Geist und Leben in die chaotische Masse, dass die Erscheinungen und die in denselben sich offenbarenden, dem Anscheine nach noch so verschiedenen Kräfte aus einer möglichst geringen Anzahl von Grundkräften als aus ihren letzten Quellen abgeleitet werden." Dies sei dem Otto, wie auch der grosse französische Naturkenner, Herr Senator BerthoUet, bezeuge, in seiner Schrift vortrefflich gelungen.

Von dieser Schrift erschienen zwei Abteilungen des ersten Bandes schon in dem Jahre 1814'-^^); die Vorrede Snells ist am 1. April, die Vorerinneruug des Verfassers im Juli dieses Jahres geschrieben; der uns vorliegende erste Teil trägt die Jahreszahl 181 G und führt den Ilaupttitel: ..Einleitung in die wissen- schaftliche Chemie im Geiste von Kants und Berthollets Lehren und mit critisch- philosophischer Berücksichtigung der damit in Widerspruch stehenden Hypothesen. Als Leitfaden bei Vorlesungen und beim Selbststudium für in diese Wissen- schaften schon Eingeweihete. Mit einer Vorrede begleitet von Dr. C. W. Snell. Erster theoretischer Teil." Wiesbaden 181G. Der Nebentitel lautet: „Beiträge zur chemischen Statik oder Versuch eines critisch-philosophischen Commentars über Berthollets und Anderer neue philosophische Theorien. Erster, rein theo- retischer Theil, enthaltend allgemeine und specielle Critik nebst einer apriorischen Daratellung von Berthollets neuer Theorie nach Kants dynamischen Principien sowie den Erweiterungen des Herrn Fischer und Karsten und den eigentüm- lichen des Verfassers." Um Goethes Interesse an dem Buche zu erklären, führen wir aucli die Überschriften der Hauptteile der ersten Abteilung des ersten Teils (S. 1- -200), diu iiim damals gedruckt vorlag, an; die Überschrift der-

'"'^ Über ihn vgl. Strieder, Hess. Gel. s. v. Sauer, Das Herzogtum Nassau u. s. w., S. 40. '■'"') Ankündigung des Verlegers am i:^.. August 1814. Nass. Intelligenzblatt 1814, No. 33.

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selben lautet: „Allgemeine critiscli-pliilosophisclie Betrachtunf^en über die wissen- schaftliche Bearbeitung der Chemie sowie über die dynamische|n| und ato- mistisohe[n] Systeme und Principien der Dalton- und Berz-diusschon Lciirt'M u. 3. w. als Einleitung für das Ganze; Cap. 1 : über das Yorhältiiis (Um- Philo- sophie zur Chemie; 2.: über die dynamisch- und atomi.stisch- mota]>hysische|ii| Principien und deren Anwendung auf die ersten Gründe der Chemie; Cap. H: Kurze historisch-critische Übersicht der Bemühungen zur Begründung einer rationellen Theorie der Chemie." Das sind allerdings vielversprechende Titel; der Verfasser des Buches glaubte offenbar eine sichere philosophische (irund- lage zur wissenschaftlichen Umgestaltung der Chemie gefunden zu haben.

Es ist zweifellos, dass Goethe zuerst durch Ilundeshagen auf das Buch Ottos aufmerksam gemacht wurde, und nicht zu verwundern, wenn der grosse Kenner der Natur neugierig wurde, dieses und den Verfasser selbst kennen zu lernen. Denn am Tage nach dem zweiten Gespräch mit jenem, am 5. August 1814, eilt er des Morgens zu dem Apotheker Otto''*^*'), und notiert im Tage- buch: „Otto chemische Abhandl." und am 6. ist der erste Eintrag in demselben: „Otts ehem. Static." An demselben Tage besucht ihn Otto; dabei sind ver- zeichnet die Namen: (Otto,) „französche (sie) Pharmac. Medecin anglois. Chirurgien fran^ais. Pharmacie allemande," verschiedene Bezeichnungen, die den Gegenstand der Unterhaltung gebildet haben mögen. Es scheint aber nicht, dass der Mann befriedigende Aufschlüsse über sein System gegeben hat; nur noch einmal wird sein Name erwähnt und ohne weiteren Zusatz am 20. August.

Was die weiteren Lebensschicksale Ottos betrifft, so geriet er bald nach Goethes Abreise in Konkurs, Anfang Oktober; über seineu wissenschaftlichen Arbeiten und Bauspekulationen (er erwarb einen Bauplatz in der Friedriclus- strasse) mag er sein Geschäft versäumt haben, das nun bald in andre Hände überging. Vergeblich bewarb er sich um eine Professur in Bonn. Verfolgt von Missgeschick, verfiel er in Geistesstörung und suchte sich an seineu ver- meintlichen Feinden durch Denunziationen zu rächen, welche schliesslich die hüchstgestellten Beamten Nassaus nicht verschonten, und endete schliesslich durch Selbstmord.

6. Habel zu Schierstein.

Der nassauische Hofkammerrat Christian Friedrich Habel-^^), geb. 1747, hatte, nachdem er im Jahre 1808 in den Ruhestand getreten war, eine Be- sitzung zu Schierstein gekauft und hier seinen Wohnsitz aufgeschlagen. Er war während seiner Dienstzeit fortwährend wissenschaftlich thätig geblieben und hatte mehrere Schriften verfasst oder kleinere Mitteilungen in Zeitschriften veröffentlicht; nunmehr gab er sich ganz seinen Lieblingsbeschäftigungen hin, welche hauptsächlich die Altertümer der Heimat und Mineralogie zum Gegen- stande hatten; für beide hatte er schon früher Sammlungen angelegt, die er

2«6) Er wohnte nicht weit von (ioethe in der Langgasse. - ''') Lebensnaclirichtcn über die beiden Habel, den Hofkammerrat Christian Friedrich und den Sohn, Archivar Fnod- rich Gustav Habel, gibt Schwartz in den Annalen des nass. Altertumsvereins XI, Vil ft. u.

1S6 ff.

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jetzt durch Ausflüge, welche er z. T. mit seinem Freunde v. Gerning"*) machte, zu bereichern suchte. Die mineralogische Sammlung brachte er auf 2100 Num- mern, die er in ein wohlgeorduetes Verzeichnis, einen Quartband von Drei- Finger Dicke mit einem Rücken von Leder, eigenhändig eintrug. Der Tod über- raschte ihn am 20, Februar 1814. Sein damals zweiundzwanzigjähriger Sohn Friedrich Gustav erbte die Liebhabereien seines Vaters für Altertümer und Geschichte und wurde später ein Mitbegründer und Hauptfürderer der Alter- tumsforschung und des Vereins für nassauische Altertumskunde und Geschichts- forschung. Damals (1814) war er eben von der Universität zurückgekehrt und wohnte bei seiner Mutter zu Schierstein.

Goethe mochte von der Habeischen Sammlung durch Gramer Kunde er- halten haben und beschloss, als er von dem Ausflug nach Rüdesheim und dem Rochusfeste zurückkehrte, dieselbe in Augenschein zu nehmen. So machte er am 17. August 1814 auf der Fahrt von Eltville nach Wiesbaden zu Schierstein Halt und trat mit seinen Reisegefährten Gramer und Zelter bei Habel dem Sohne ein. Das Tagebuch bemerkt „Habel und Gerning", woraus man schliessen möchte, dass Geining damals bei Habel sich aufgehalten habe, zumal da ein zweiter Besuch zu Schierstein nicht mit „und" angeknüpft wird. Es könnte sogar möglich sein, dass Gerning den Besuch bei Habel vorbereitet und die Freunde dort erwartet habe. Habel wusste die Ehre, Goethe in seinem Hause gesehen zu haben, wohl zu schätzen; noch an demselben Tage schickte er ihm ein Mineral zum Geschenk, welches wahrscheinlich dessen besondere Aufmerksamkeit erregt hatte. Wir sind durch die freundliche Mitteilung des Herrn Pfarrers L. Conrad y, eines Neffen des Archivars und Schenkers, in den Stand gesetzt, dieses Geschenk noch genauer zu bezeichnen; es war in dem Kataloge unter No. 1433 eingetragen und also beschrieben: „Röthl. und gelbl. Glaskopfartiger Eisenstein mit gekipperten Dendriten, vom Paulisch Werk bei Al|l|ondorf." Dabei ist zugefügt: „Dem Herrn Geh.-Rth. v. Goethe aus Weimar verehrt den 16. Aug. 14." .Der Tag stimmt freilich nicht mit dem Tagebuch, in dem zum 17. angemerkt ist: „Sendung von Schierstein"; aber beide Notizen gehen offenbar auf dieselbe Thatsache, und da eine auf einem Irrtum beruhen muss, so wird man sich für die Richtigkeit der Tagebuchuotiz entscheiden, da kaum anzunehmen ist, dass die Reise nach Rüdesheim, nach Tisch unternommen, durch einen oder vielmehr mehrere Besuche in Schierstein unterbrochen wurde, während man auf der Rückfahrt den ganzen Tag vor sich hatte.

Was den Eisenstein selbst und seine Herkunft angeht, so erwähnt Wenck in der hessischen Laudesgeschichte -'■'j und Habel in Klipsteins mineralogischem Briefwechsel I. 1781 der Eisensteinbergwerke von Allendorf bei Katzenelnbogen; Eisensteingrubeii nebst einem llüitenwerk hatte kurz vor 1740 der Bergrat Wagner angelegt und nachher ein gewisser Pauli aus Köln erworben, woher

*'*) Gerning nannte nacli ihm eine Quelle oder einen Brunnen Ilubelsborn in seinem Gedicht „Die Heilquellen am Taunus" III, 96, S. 12:) und rülimt S. 235 seine Verdienste um die Wissenschaft; auch .Schieratein erführt sein Lob III, lüj ff. '•"*) I, 1^7.

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sie den Namen Pauirsehe Werke erhielten."") Zu welcher (J nippe der von Habel genannte Rot- oder Brauneisenstein gehörte, lässt sich au« seiner Be- schreibung nicht wohl feststellen.

Goethe erwies sich dankbar, sei es für das Geschenk oder die freundliche Aufnahme in dem Ilabel'schen llausc; er verehrte dem jungen Habel ein Exemplar seiner Dichtung „Hermann und Dorothea", das später leider ab- handen gekommen ist. Die Schwester Habeis aber, nachher Frau des Hof- kammerrats Conrady, wusste in der Folgezeit ihren Kindern zu erzählen, dass Goethe ein schöner, grosser Mann gewesen sei.*^')

Ausser dem Ilabelschen Hause besuchte Goethe in Schierstein auch das der Frau v. Hertling'^22')^ ^Ig^ Witwe des Freiherrn Philipp v. Hortung zu Frohnhof und Schierstein, welcher im Jahre 1810 gestorben war uml mehrere Söhne hinterlassen hatte; ob auch einer von diesen (der älteste war 1786 geboren) anwesend war, ist nicht ersichtlich. Die Frau v. llertling, die uns noch einmal begegnen wird, starb im Jahre 1843.223)

7. Hof rat Götz zu Rüdesheim.

Der nassauische Beamte zu Rüdesheim, Hofrat Wilhelm Friedrich Götz, war nicht nur für Goethe auf dem Weg zum Rochusfest ein freundlicher „Ge- leitsmann" und zuvorkommender AVirt (s. unten No. 9, 2), sondern er besass auch eine Sammlung von Mineralien, die er, noch bevor mau den Weg zum Rochusberg antrat, dem wissbegierigen Jünger der mineralogischen Wissen- schaft in der Frühe des 16. August 1814 vorzeigen musste. Über diese spricht Goethe sich nicht weiter aus und besuchte sie auch nicht wieder, als er am Anfang des September acht Tage in dem nahe gelegenen Winkel weilte und mancherlei Spaziergänge zur Belehrung und Unterhaltung nach der Umgegend machte. Aber von dem Besitzer bemerkt er in dem „Rochusfest" mit sicht- licher Befriedigung, dass die Begegnenden ihn alle freundlich begrüssten und rühmten, wie er wesentlich zu dem Gelingen der Feier beigetragen habe. Götz wurde im folgenden Jahre von Rüdesheim versetzt und starb, nachdem er mehrere höhere Staatsämter zu Wiesbaden und Dillenburg bekleidet hatte, als Geheimerat und Mitglied des Oberappellationsgerichtes am 25. Oktober 1823 zu Wiesbaden.

Wenige Monate vor diesem Tage, als Goethe sich zu Marienbad befan<l (es muss am 21. Juli 1823 gewesen sein), sollte er auf eine eigentümliche Weise an seinen Rüdesheimer Bekannten erinnert werden. Der Vorfall ist ein Gegenstück zu der scherzhaften Weise, wie sich Goethe im Jahre 1772 bei dem Professor Höpfner zu Giessen einführte, und wurde von dessen Tochter, der Gemahlin des Geh. Kabinetsrates Aug. Wilh. Rehberg, ins Werk gesetzt.

^-**) Staatsarchiv zu Wiesbaden. Vgl. auch jetzt die Beschreibung der Bergreviere Wies- baden und Diez 1893, S. 167. ^-') Auch diese beiden Notizen verdanken wir der freundlichen Mitteilung dos oben genannten Pfarrers Conrady, eines Sohnes von Habeis Schwester. ^'^'') So ist zu lesen statt „v. Harding" im Tagebuch. *-'') Gothaisches genealog. Taschenbuch der freiherrlichen Häuser 1860, S. 329. S, unten S. 128 Anm. 2-49.

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Wir glauben iliD, obwohl er nur lose mit Götz zusammenhängt, hier einfügen zu sollen, zumal da die Bemerkung in dem weiter unten folgenden Briefe der Frau Rehberg, dass der schwarze Todesengel schon über dem Freund geschwebt habe, den Zeitpunkt ausser allen Zweifel stellt. ^^'*) Wir schicken den erwähn- ten Scherz Goethes voraus, wie er von Ilöpfners Frau berichtet wird.

„Eines Tages, so erzählte die Frau Höpfners ihrem etwa vierzehnjährigen Stiefenkel, dem nachherigen Obersteuerrat Hallwachs in Darmstadt, den Vor- fall von 1772-2^), meldete sich ein junger Mann in vernachlässigter Kleidung und mit linkisclier Haltung zum Besuche bei Höpfner mit dem Yorbringen an, er habe dringend mit dem Herrn Professor etwas zu sprechen. Höpfner, ob- gleich damit beschäftigt, sich zum (Jauge in eine Vorlesung vorzubereiten, nahm den jungen Mann an. Die ganze Art und Weise, wie sich derselbe beim Eintreten und Platznehmen anstellte, liess Höpfner vermuten, dass er es mit einem Studenten zu tluin habe, der sich in Geldverlegenlieiten befinde. In dieser Ansicht wurde er dadurch bestärkt, dass der junge ]\Iaun damit seine Unterhaltung anfing, in ausführlicher Weise seine Familien- und Lebensver- hältnisse zu schildern, und dabei von Zeit zu Zeit durchblicken liess, dass diese nicht die glänzendsten seien. Gedrängt durch die herannahende Kollegienstunde entschloss sich der Professor sehr bald dem jungen Mann ohne weiteres eine Geldunterstützung zufliessen zu lassen und dadurch zugleich der peinlichen Unter- haltung ein Ende zu machen. Kaum gab er jedoch diese Absicht dadurch zu erkennen, dass er nach dem Geldbeutel in seiner Tasche suchte, so wendete der vermeintliche Bettelstudent das Gespräch wissenschaftlichen Fragen zu und entfernte sehr bald den Verdacht, dass er gekommen sei, um ein Geldgeschenk in Anspruch zu nehmen. Sobald der junge Mann merkte, dass der Herr Pro- fessor eine andere Ansicht von ihm gewonnen, nahm das Gespräch jedoch die alte Wendung und die Andeutung des Studenten, dass es schliesslich doch auf das Verlangen nach einer Unterstützung abgesehen sei, wurde immer verständ- licher. Nachdem Höpfner auf diese Weise ein und das andere Mal sich in der Lage befunden hatte dem jungen Mann Geld anzubieten und dann wieder da- von abstehen zu müssen glaubte, entfernte sich der Student und liess den Herrn Professor voll Zweifel und Vermutung über diesen rätselhaften Besuch zurück.

„Als Höpfner am Abend desselben Tages, doch etwas später wie gewöhn- lich, in das Lokal trat, wo sich die Professoren der Universität gesellschaftlich zusammenzufinden pflegten, fand er daselbst ein vollständiges Durcheinander. Die ganze zahlreiche Gesellschaft war um einen einzigen Tisch herum gruppiert, teils sitzend, teils stehend, ja einige der gelehrten Herrn standen auf Stühlen und schauten über die Köpfe der Kollegen in den Kreis der Versammelten hinein, aus dessen Mitte die volle Stimme eines Mannes hervordrang, der mit begeisterter Rede seine Zuhörer bezauberte. Auf Höpfners Frage, was da

^'^'i .S(;lierer im Goethe- Jahrb. VI, 147 hat den Sclicrz solion aus anderen Gründen richtig in das Jalir 1n2.{ gesetzt, der Tag ergibt «icli aus der Angabe des Tagebuchs, dass das Reh- bergsche Eliepaar ihn am 21. Juli besuchte, v. Loeper, Goethe-Jalirbucli VIII, 170. *") Scherer im Goethe-Jahrb. VI, 345. Vgl. damit Goethes Darstellung in „Dichtung und Wahrheit-, 12. Bu<b.

12.3

vorgehe, wird ihm die Antworf, (Jucthc aus WetzUir sei schon seit einer Stunde hier. Die Unterhaltung habe nach und nach sich so gestaltet, dass (ioetlie fast allein nur spräche und alle verwundert und begeistert ihm zuhörten.

„llöpfner, voll Verlangen den Dichter zu sehen, besteigt einen Stuhl, schaut in den Kreis hinein und erblickt seinen liettelstudenten zu einem (Jötter- jüngling umgewandelt. Höpfners Erstaunen lässt sich denken . . . ."

Es war nun im Jahre 1823, als Döpfners Tochter diesen Scherz erwiedorte. Sie Hess sich als Bäuerin und Verwandte des Geheimerats Götz in Küdesheim bei Goethe melden und wurde angenommen. Wir wollen sie selbst über \hvo nun folgende Unterhaltung mit Goethe sprechen lassen durch einen Brief, den sie am 80. November schrieb; der Anfang desselben muss sich auf eine Be- gebenheit beziehen, die ihr von dem Adressaten mitgeteilt worden war und wohl den Tod des Geheimerats Götz betraf, welcher nach einer uns als glaub- würdig verbürgten Mitteilung ein freiwilliger gewesen sein soll. Die Thatsache, obgleich nicht in dem Totenregister eingetragen, findet darin eine Bestätigung, dass die Bestattung entgegen der bestehenden Vorschrift und Sitte am Tage nach dem unglückseligen Ereignisse statt hatte. Frau Rehberg also schrieb"''^):

„Welch eine Geschichte haben Sie mir von Göz erzählt! Wirklich ich musste dreimal lesen, eh ich mich überzeugen konnte, dass Sie das wirklich geschrieben hätten! Peinlich wird mir doch immer der Gedanke bleiben den Freund zum Instrument in einer Posse gebraucht zu haben, über dem schon der schwarze Todesengel schwebte. Aber die ganze Posse überhaupt war vielleicht nicht löblich. Indess ich unternahms im Vertrauen auf den Cate- chismus, der da spricht: Nothlüge ist erlaubt. Und da der Erfolg den Helden oder Thoren macht, so darf ich ja wohl den Kopf in die Höhe heben.

„Gern möcht ich Ihnen und IL [Hallwachs] recht viel vom Gespräch mit Goethe erzählen können, aber es geht aus vielen Gründen nicht. Am Morgen, da ich bei ihm allein war, blieb natürlich die Unterhaltung in der Sphäre der Gewöhnlichkeit; ich hatte mich so gut in meinen Basenmantel eingemummt, dass ihm gar kein Zweifel aufsteigen konnte, als habe ich je eine Zeile von ihm gelesen, ja ob ich überhaupt lesen und schreiben könne, blieb ungewiss, „Ach sage Se raer doch, Ihr Excelenz, ob Se sich wieder recht gut befinde, ach wie wird sich mein Herr Vetter freie! und viele, viele Leit werde sich freie! Is es denn wahr, dass Sie sich selbst curirt habe? Die Leit habe sagt der Dokter hätte Sie nicht ksund mache könne."

„Er kam nicht aus dem Lächeln über die komische Base, zog sie imnun- wieder aufs Canape und sagte, ob sie denn heute nicht in Marienbad bleiben wolle? „Ach nein, Ihr Exe. sehn Sie, ich reis' mit einem alten Herrn, der hat absolut nich herkwollt, aber ich hab'n soviel kbitt, bis ers kthan hat. Mer wolle nach Prag, das soll e schöne Stadt sein, und zu Drcsde, soviel schöne Bilder" etc. Was war auf solches Zeug zu antworten und was konnte man so einer Base sagen?"

226

) Goethe-Jahrb. VI, 347. Mitt. des oberhess. Gescli.-Ver. V (1894), S, 16;;.

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Im Vorzimmer hinterliess sie beim Weggehen als Gescheuk ihres Vetters Götz eiuen Krug liüdesheimer und einige wertvolle Mineralien, An den Krug war eine Vignette mit folgender Inschrift geheftet:

0 fand ich docli gleich Wort und Zeichen,

Für meines Herzens lieissen Danlv,

Icli rauchte Dir den Labebecher reichen,

(iefüllt mit reichem Wundertrank,

Und jeden Balsam in den JJecher senken,

Den die Natur erschafft,

Und voll und immer voller Dir ihn schenken

Mit Lebensfüll und Kraft.

Am Nachmittag ging Frau Rehberg mit ihrem Gemahl zu dem Dichter, um sich „Pardon" zu holen, der ihr gewährt ward. Beim Abschied gab er ihr zwei Steine aus seiner Mineraliensammlung mit den "Worten: ^Jch muss Ihnen doch auch ein Andenken schenken, da sind ein paar Steine, aber ich nenne sie Ihnen nicht, denn wir haben auch unsere Geheimnisse. Fragen Sie nur den ersten besten Mineralogen danach." Der über die Namen befragte Professor zu Güttingen Hausmann gab nach Fr. Ixehberg die Auskunft, der eine heisse Pyroxene = Feuergast, der andere Amphibole = die Zweideutige. „Da hatte ich also meine gnädige Strafe", schliesst der Bericht, Hausmann hat übrigens wohl geantwortet, die Steine gehörten zu der Klasse der Pyroxene und Amphibole, da die Bildung Pyroxene und Amphibole als Feminina des Singularis ungriechisch ist. Beide Steine gehören zu den hornblendartigen Mineralien, und es hat die Sippe der Amphibole den Namen davon, dass die meisten Arten ihrem Ansehen nach leicht mit anderen Mineralien verwechselt werden können, die der Pyroxene, weil man glaubte, dass sie trotz ihres Vor- kommens in vulkanischen Felsarten durch Wasser entstanden seien.-") Es war eine sinnige Erwiederung Goethes!

8. Kammerherr v. Nauendorf.

Die Herrn v. Nauendorf waren ein noch nicht lange in Nassau einge- wanderter Zweig der sächsisch-thüringischen Adelsfamilie; im Jahre 1812 wurde ihr Adel in Nassau anerkannt; Ludwig v. Nauendorf war im Jahre 1808 zum Kammerjunker des Herzogs ernannt worden, erhielt im Jahre 1810 den Titel Borgrat und im Jahre 1813 den Rang eines Kammerherru. Er hatte Liebhaberei an Mineralien und legte eine Sammlung an, die er Goethe am 4. Juni 1815 vorzeigte; auch nachher begegnen sie sich noch öfter, am 11. und 2."). Juni, als Goethe in Biebrich zur Tafel war (am 25. sagt das Tagebuch: „Boy Hrn. v. Nauendorf") und am 22. und 23. in Wiesbaden. Von der Mineraliensammlung heisst es in dem Aufsatz über Kunstschätze am Rhein u. s. w.: „Die hier |im Schlosse zu Biebrich] befindlichen Bibliotheken und Naturaliensammlungen, deren Ordnung durch die vieljährigen Unbilden des Kriegs gelitten, werden nun bald auch zum Nutzen und Vergnügen der Ein-

''^'j Leunis, Schul-Naturgeschichte III, § 153 Anm. und § 156 Anni. Hausmann, -Mineralogie II, 1, 46.i u. 500.

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heimischen und Vorübergehenden aufgestellt sein; wie denn Herr Kammerlierr von Nauendorf seine ansehnliche und wohigeürdnetc Mineraliensammlung dem Liebhaber mit Vergnügen belehrend vorweist." Bei dem ersten Besuche, am 4. Juni, ist zu Nauendorfs Namen ,Lepidokrokit" gesetzt; wahrscheinlich hat ein Exemplar dieses nach seiner schuppig-faserigen Beschaffenheit benannten Eisen- steins Goethes Aufmerksamkeit besonders erregt.

Über das Schicksal und den ungefähren Umfang der Sammlung hat sich bei genauer Nachforschung folgendes ergeben. Der Bergrat L. v. Nauendorf wurde im Jahre 1818 zum Oberforstmeister in Geisenheim mit dem Titel Ober- jägermeister ernannt und starb hier am 25. November 1820. Etwa zehn Jahre später begann der Verein für Naturkunde im Herzogtum Nassau, welcher kurz vorher ins Leben getreten war, eine mineralogische Sammlung anzulegen, zu welcher ein Geschenk des Herrn v. Stein den Grund legte; als nächste Er- werbung folgten die Sammlungen des Oberforstmeisters v. Nauendorf und Berg- meisters Jung.^-') Die Rechnungen und Archivalien des Staatsarchives iiiid Vereins für Naturkunde"'*) ergaben nun, dass die Nauendorf sehe Sammlung von der Witwe des Besitzers im Jahre 1831 für 300 fl. dem Verein überlassen wurde; die erste Rate der Kaufsumme wurde am 20. September 1831, die anderen in den folgenden Jahren ausgezahlt. Der Transport der Sammlung von Mainz, wo sie sich befand, nach Wiesbaden kostete 13 fl. 21 kr. Ferner wurden in eben dieser Zeit verschiedene Kasten und Kästchen für Mineralien vom Buchbinder Selenka angefertigt, und zwar Ende August 250, im September 550, im Oktober 650, zusammen 1450. Nehmen wir dazu, dass der Vorsitzende des Vereins in der rächsten Generalversammlung die Nauendorf'sche Sammlung als in mancherlei Rücksichten ausgezeichnet nennt, so dürfen wir sie nicht gerade für unbedeutend halten, und Goethe mag nicht blos aus Artigkeit von ihr das Wort „ansehnlich" gebraucht haben; die Ordnung freilich hatte notgelitten und es bedurfte einer Neuordnung, welche der Archivar llabel übernahm. A un den 1450 Kästchen möchte ich die am Ende September und im Oktober ab- gelieferten 1050 für die in Rede stehenden Mineralien in Anspruch nehmen.

9. Johannes de Laspee. Johannes de Laspee''"j entstammte einer aus Belgien nach dem Rhein- gau eingewanderten Familie und wurde am 25. September 1783'") in dem

"8) Thomae, Geschichte des Vereins für Naturkunde 1842, S. 42. ^-'i Wir ver- danken die Einsicht in dieselben der Freundlichkeit des Herrn Sanitätsratcs Dr. A. Pagen - Stecher und des Herrn Archivrates Dr. W. Sauer. - •''") So schreibt die Familie jetzt den Namen, wie ein Schreiben des Sohnes von Joh. de Laspee und dessen mündliche Versicherung verbürgt. Goethe hat im Tagebuch die Formen: de Laspee, Delaspee und de la Spee; Joliann de Laspee schrieb anfangs (vor 1814) de l'Aspce, und so feldt nur noch d'Klaspce, um alle Möglichkeiten der Schreibung zu erschöpfen. Lebensnachrichten von Johannes de Laspoe finden sich im Neuen Nekrolog 1825, S. 13T>,), abgedruckt aus der Schulzeitung, und danach Schwartz, Ann. des nass. Vereins u. 3. w. XVIII, 122; dazu traten für uns mündliche Mit- teilungen des genannten Sohnes von de Laspee, Herrn August de Laspee. -"i So, und nicht 1784, nach der Mitteilung des eben genannten Herrn August de T-aspce dahier und nach der Inschrift auf dem Grabstein.

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Dorfc Johannisberg geboren. Sein A'ater war Maurer, und der Sohn sollte das- selbe Handwerk treiben; da er aber den Wunsch hatte sieh höhere Bildung zu erwerben, so suchte er Mittel und Wege auf dies zu erreichen und verweilte desshalb einige Zeit zu Mainz, dann in dem Kloster zu Königstein, zuletzt in Höchst, wo er dem Küster beistand und den Unterricht mehrerer Kinder über- nahm. Als er hier von Pestalozzi hörte, beschloss er dessen Schüler zu werden uiitl begab sich zu Fuss unter vielen und harten Entbehrungen zu dem Meister nach Itlerten. Anfangs mit wenig Vertrauen und Entgegenkommen aufgenommen "•ewann or doch die Liebe Pestalozzis und wurde ein eifriger, dem Lehrer teurer Schüler und bis zu seinem Ende treu ergebener Freund. Als er die Methode völlig zu beherrschen glaubte, wandte er sich nach Wiesbaden und erhielt am 9. November 1808 die Erlaubnis daselbst eine Elementarschule nach Pestalcz- zischen Grundsätzen zu errichten. Sie wurde im Jahre 1809 eröffnet''*); das Lokal befand sich anfangs in der Mitte der Langgasse, nach alter Zählung in No. 184. am Eingange in die Kirchhofsgasse, später in einem Hause der neu- angelegten Friedrichsstrasse, wo jetzt die nach de Laspeo benannte Strasse ist. Das Glück war dem Unternehmen günstig, und das Vertrauen des Publikums lohnte die Bemühungen des thätigen und geschickten Mannes, der bald nachher eine Privataustalt zur Erziehung von Knaben damit verband. Die Anstalt erfreute sich bald eines ausgezeichneten Rufes und zahlreichen Besuches aus allen Gegenden Deutschlands, ja auch ausserdeutschen Gebieten, sowie von Gelehrten und Pädagogen, welche die Lehrart, Ziele und Erfolge der Schule kennen lernen wollten. Lii Jahre 1810 hielt sie die erste öffentliche Prüfung ab, nach zwei Jahren die zweite; von der dritten, die am 25. und 26. August 1814 stattfand und der Goethe beiwohnte, liegt ausführliche Ankündigung vor; wir setzen sie eben wegen der angeführten Thatsache vollständig hierher.'^')

„Unterzeichneter ladet das hochzuverehrende Publikum zu der auf den 25. und 26. August festgesetzten dritten öffentlichen Prüfung der hiesigen Pestalozzischen Anstalt hierdurch höflichst ein. Sie wird in dem Mahrischen Gartensaale vor dem Schwalbacher Thore jeden Tag Morgens von 8 11 und Nachmittags von 2 5 Uhr gehalten w^erden. Die Gegenstände des Examens sind: Lesen, Schreiben, Rechnen, Algebra, Geometrie, Zeichnen, Singen, deutsche und französische Sprache, Naturgeschichte, Geographie. Religionsunterricht und Gymnastik sind keine Gegenstände der öffentlichen Prüfung. Da auf der Prüfung nur Resultate erscheinen, darum werde ich suciicn am folgenden Tage dem 27. in den oben genannten Stunden für die Freunde der Pädagogik, die es wünschen, den Gang der Methode in meiner Schule darzustellen.

Wiesbaden den 20. August 1814. Joh. de Laspee."

Über die Besuche von Fremden liegt uns das Konzept eines Briefes von do Lasp(''o vor, dessen Mitteilung wohl am IMatze sein möchte'"^^*); der Brief

"*) Firnhaber, Simultanscliule 1, L':i7. "'i Wiesbadener "Wochenblatt No. 34 vom 22. August 1814. Die vierte Prüfung fand am llt. und 20. Juni 181ß im Schützenhofe statt. "') Wir verdanken der Gefälligkeit des Enkels von de Laspc'e, Herrn Institutsvorsteher Kreis dahicr, diese und andere Mitteilungen.

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ist gerichtet an den üeheimerat v. Schilling 7,11 Karlsruhe, von dem ein Sohn am 8. April ISirj^»»), ein zweiter am 12. Juli 181(i in die Schule eintrat; da in dem Schreiben nur über die Fortschritte des älteren berichtet wird, so wh-d es vor dem Eintritt des zweiten niedergeschrieben sein und zwar da die Anwesenheit der meisten dort benannten Personen nur für den Sommer 1815 nachweisbar ist, etwa am Ende des Sommerhalbjahres 1815. „Die vielen iJo- suche unserer Schule von Gelehrten und hohen Personen, so schreibt de Lasp6e, die meistens noch meine ohnehin kurze freye Zeit des Tages oft bis in die Nacht aufzehren, waren Schuld, dass ich Ihnen nicht früher eine Nachricht über den Standpunkt Ihres wahrhaft guten Eduard gab. Im Glauben, dass Sie vielleicht einige Besuche unserer Schule genannt haben wollen, bin ich so frey Ihnen den Geh. Rath Goethe [zu nennen; er] war in unserer Schule 8 Stunden, der preussische Staatsrath Süvern^^'') 5 Stunden, der bairische Hofkommissär Baron v. Andrian-^') etliche 20 Stunden, der Oberschulrath Schulz'*^^) 5 St., der preussische Regierungsrath Butte^^") und H. v. Resten 7 St., (iraf Sievers-'*"), Generalmajor in russischen Diensten, von Morgens bis Abends 9 Uhr nebst mehreren von ihm zur Erlernung der Pestalozzischen Methode geschickten Offi- zieren; der Staatsrat!! Ilatzfeld^'*^), die Frau v. Wolzogen-*^) über 14 St., die Gräfin Trebra aus Cleve über 9 St., die Grossfürstin 2'^^) nebst dem Fürsten Gagarin^**) und der Fürstin Wolhanna und noch mehrere ihres Hofes über 15 St. Sie hat mir gestern die Erzieherstelle ihrer Prinzen angetragen (die ich ausschlug), und mehr als CO grösstentheils Gelehrte von allen europäischen Nationen." Dahin gehörten z. B. die Philologen F. A. Wolf und Buttmanu, der Minister Freiherr v. Waugenheim, Clemens Brentano, der sich auf mehrere Wochen bei de Laspee einquartierte und dem Unterrichte beiwohnte; die Zahl der Zöglinge belief sich zu Zeiten auf 40 Pensionäre und 100 Externe.-'**)

Goethe, aufmerksam auf jede neue Erscheinung, die den Keim zu etwas Gutem in sich zu bergen schien, hatte auch die Pestalozzische Lehrmethode nicht übersehen, aber noch keine Gelegenheit gefunden in eigner Person sich über deren Weise und Resultate zu unterrichten; im Tagebuch findet sich am 7. Juli 1814 die Bemerkung: „Sinn des Pestalozzischen Wesens; wunderliche Versuche von .... in Königsberg." Als er daher nach Wiesbaden gekommen war und von de Laspee hörte, sicherlich durch Gramer 2*^), dessen jüngste Tochter die Anstalt besuchte, bescbied er alsbald den Vorsteher zu sich und

^^^) V. Schilling aus Karlsruhe ist in der Kurliste vom 2.-9. April eingetragen. ^36) Kurliste vom 2.-9. Juli 1815. Boisseree I, 258. "') Kurliste vom 16.-2;{. Juli: H. V. Andrian, Kararaerherr von Würzburg. ^''ä) Der bekannte Joiiannes Sciiulze, damals Direktor des Gymnasiums zu Hanau; dort sah ihn Goethe auf der Rückreise am 24. Oktober 1814. 239) jm August 1815. S. oben S. 97 und Boisseroe I, 2ü6. ^^') Boisseroe I, 260. 241) Kurliste vom 20.— 27. August (und 30. Oktol)cr 5. November) Staatsrntli V. Hatzfeld aus Düsseldorf. ^*^) Die Frau v. Wolzogen war öfter zu Wiesbaden. '^') Die Grossfürstin Katharina, Grossherzogin von Oldenburg, ,,neb8t Suite"; Kurliste vom 16. 2:^. Juli 1815. S. oben S. 96. 2") Kurliste vom 16.— 23. Juli 1815; der Fürst CJagarin .,neb8t Suite." 2**) Schwartz, Annalen a. a. O. '*") Wohl nicht durcli Willemer, den er in Frankfurt damals nicht besucht hatte, wie wir wissen; doch korinto nni t. August zu Wiesbaden die Rede auf die Anstalt gekommen sein.

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am 8. August zum zweiten Male, wie dieser an demselben Tage Pestalozzi berichtet 2*'); das Tagebuch schweigt über beide Unterredungen; in der zweiten äussert er, es sei ihm lieb, wenn er die Schule besuchen dürfe. „Er kommt, Hihrt de Laspee in dem eben genannten Briefe fort, morgen oder übermorgen. Er fragte, ob ich selbst bei Pestalozzi gewesen. Sonst konnte ich nicht viel über die Methode mit ihm reden; aber in meiner Schule, wenn er die Fakta nicht absprechen kann, muss es gehen; auch suchte ich gar nicht mit ihm über die Methode zu reden, bevor er in meiner Schule war. Auch habe ich grosse Hoffnung, dass Geheimerath Zelter, der die Musik nach Pestalozzi lehrt, ein Busenfreund von Goethe, sich dieser Tage in meiner Schule einfindet. 0, wie freue ich mich königlich."

Und in der That trat Goethe am 9. August 1814 in die Schule, wie nun auch das Tagebuch, aber ohne de Laspees Namen zu nennen, besagt.-*^) In dem am^eführten Briefe fährt dieser also fort: „Soeben, 9. Aug., lässt sich Goethe melden. Es ist halb elf Uhr. Wie freue ich mich! Wenn mir's nur gelingt, dass ich auch vom Guten Gutes, vom Grossen Grosses sagen kann. Gott helfe mir! Ich setze jetzt zwei Stühle! Er kommt! Adieu. Er ist soeben fort und wie ich glaube, mit grosser Zufriedenheit weg. Er bUeb bis 1 Uhr. In der Grammatik fragte er manches selbst; besonders interessirte ihn die Kopfalgebra und überhaupt das Kopfrechnen, aber über alles ein Examen über deutsche Sprache. Ich aber fürchtete, das Ganze erscheine ihm als Prunk." Um zu verhüten, dass die frappanten Resultate dem Uneingeweihten als Auswendig- gelerntes und mechanisch Eingeübtes erschienen, forderte de Laspee jeden Fremden und so auch Goethe zum Selbstexaminiere a auf. „Als er erfreut sagte, ich möchte doch selbst fortfahren, nahm ich eine neue Sprachseite, von der meine Kinder noch nie etwas gehört hatten, was sie selbst auch laut vor ihm bekannten. Vorerst muss ich sagen, dass sie mir selbst neu war. Aber alles gelingt mir nur mit den Kindern und zwar dann am allerbesten, wenn ich mich in einem für die Menschen entscheidenden Augenblick dazu auffordere oder dazu aufgefordert werde. . . Weil mir dieses schon so oft, wie ich glaube, gelungen ist, fürchtete ich mich auch nicht vor Goethe, und die Kinder zeigten sich kräftig und selbständig, dass sich Goethes Gefallen an der Sache zunehmend zeigte. Soeben erfahre ich, dass Goethe zum zweiten Male kommen will, so gut habe es ihm gefallen. Überhaupt halten die meisten Leute Anfangs nichts auf den Gang, sobald sie aber die Kraft gesehen haben, wollen sie nun diesen wissen. Mit ihm war Oberbergrath Gramer und Fräulein Hertling^'*^) (diese grosse Dame)"°) hier. Der"') stärkste Gegner nach Schnell'-") im Nassau-

'^*'i Morf, Zur Biographie Pestalozzis IV, .'{12 0'. Das Konzept des Briefes lag uns cljciifalls vor. '^*^) „Bey . .. Unterricht im Pestaluzzischen (sie) Sinne." ^*'-') Gemeint ist die oben S. 121 genannte Frau Gisberta v. Hertling, welche denn auch in der Kurliste vom 21.-2H. August verzeichnet ist als Frau v. Hertling aus Schierstein. "") Diese Bezeichnung mag sich auf ihre würdige Haltung gründen, die verbunden war mit Wohlbeicibtheit; ein Brief vom :j. Januar 1814 berichtet, dass .,dic3e dicke Dame, als die Russen am Freitag Abend [31. Dezember 181.'$] zweimal ihre Stubenthürc im Soliützonhofe, wo sie wohnte, gestürmt hätten, sich durch das Fenster flüchtete und bei-^m Hauseigentümer, dem alten Käseberger, Schutz suchte." Wiesbadener Wochenblatt 1882, No. 140, S. 24. =*»') Das hier Folgende ist dem Konzept des Briefes entnommen. 2^") Es ist der oben erwähnte Rektor des Gymnasiums

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ischen war am Freitag [5. August] das erstemal in meiner Scliule. Er hat die Sache im rechten Lichte gesellen und ist ganz in Flammen für die Sache und ich soll ihn die Methode lehren, dafür will er mir Unterricht in der Astro- nomie etc. geben; er ist der grösste Matliematiker und Schriftstoller in dieser Wissenschaft und Ilofrath dahior. P. Scr, vom 10.: Goethe liat den 10. August einige meiner Kiuder mit „Hermann und Dorothea" lieschenkt" |iihnlich wie llabel und Riese].

Dieser nassauische Ilofrat war der Kammerkonsulent und Advocatus fisci Heinrich Christian Brodreich, früher fürstlich Solms-Lichischer Regierungsrat, der auf seine Bitte 1804 als Ilofrat von Nassau übernommen wurde; im Jahre 1815 wurde er pensioniert und starb einige Jahre später etwa 00 Jahre alt.-''^) Geschrieben hatte er nach Meusel im Jahre 1805 „Versuch einer Theorie des Schwungrades und der Kurbel, zweyer für die Maschinenlehre sehr wichtigen Gegenstände nebst Prüfung der bisher über selbige bekannt gewordenen Grund- sätze. Frankfurt a. M."

Dass Goethe 2*/-' Stunden dem Unterrichte in der de Laspeeschen Schule beiwohnte, lässt sein Interesse an der Sache erkennen und dass er das Wesen derselbe ergründen wollte. In den folgenden Tagen bildete die Pädagogik Pestalozzis einen Ilauptgegenstaud der Unterhaltung mit Gramer'''^); leider hat er selbst nichts über den Eindruck, der ihm zuteil wurde, niedergeschrieben. Doch war mit dem einen Besuch sein Interesse nicht erschöpft. Als ihm de Laspee am 20. August ,Pestalozzische Schriften" überbracht hatte, sehen wir ihn sofort an diesem und dem folgenden Tage mit der Lektüre von „Lien- hard und Gertrude" [so schreibt er beide Male] beschäftigt.

Am 26. war ein Freudentag für de Laspee und die ganze Anstalt: Goethe wohnte der Prüfung am Morgen und Nachmittage bei, also etwa 0 Stunden lang, wodurch sich die 8 Stunden, die in dem oben angeführten Briefe an Schilling vorkommen, als Summe in runder Zahl ergeben. Für dieses Mal entbehren wir nicht nur wieder einer Äusserung Goethes, sondern auch de Laspees, der doch gewiss einen Bericht nach Herten abgesandt hat.

Noch einmal erscheint 1814 de Laspee bei Goethe, am 30. August, wo im Tagebuch die kurze Notiz steht: „De la Spue Pestaluzziana."

Im Jahre 1815 wurde die Verbindung zwar wieder angeknüpft, aber sie beschränkte sich auf zwei Besuche, und es war nicht die Schule, die sie herbei- führte, sondern die Schülerinnen, von denen eine die folgende schöne Erzählung niedergeschrieben hat; sie nennt sich D. St. geb. Cr., was ohne Zweifel zu deuten ist als Dorothea St.^^^) geb. Gramer; Dorothea Sophie hiess die jüngste.

zu Idstein Ch. W. Önell, ein verdienter und in hohem Ansehen stehender Schulmann, den für sich zu gewinnen de Laspee äusserst wichtig war; deswegen lud er ilin damals /.u der üffent- lichen Prüfung ein mit dem loc^kendcn Zufügen, er werde dann auch Ciücthe kennen lernen; Snell jedoch lehnte ab und bedauerte nicht kommen zu künnon. Schreiben vom -'4. August. Wir werden nicht irren, wenn wir annehmen, dass er froh war einen Grund zur Ablehnung zu haben.

"3) Staatsarchiv zu Wiesbaden; Verordnungsbl. von ISir.. -"*) S. «oisseree I, '260. - "5^ Pen Namen ihres Mannes war bis jetzt iii(!ht niögliidi nu>findig zu miichen.

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am 29. Dezember 1801 geborene Tochter Cramers und war Schülerin de Laspees. Goethe erwähnt den Vorfall am 2:i. Juni ISl.") mit dem Namen, den wir denn auch der Episode geben wollen:

„Gedicht für die Kinder."

„Bekanntlich, so erzählt D. St.-'), hatte de l'Aspee, einer der besten Schüler Pestalozzis, in Wiesbaden eine Elementarschule gegründet, welche ich [D. St. geb. Cr.] mit mehreren meiner Gespielinnen besuchte. Um den Namens- tag [24. JuniJ ") unseres hochverehrten und inniggeliebten Lehrers zu feiern, hatten wir einmal einige Zeilen aufgesetzt, in denen wir ihm unsere Glück- wünsche darzubringen gedachten. Da taucht plötzlich in uns der Ge.lanke auf, dass Goethe sich vielleicht bewegen Hesse unsere Zeilen in Verse umzusetzen. Schüchtern naht sich die Kinderschaar dem grossen Manne und trägt ihm ihr Anliegen vor, indem sie ihm die niedergeschriebenen Sätze übergibt. Darauf erwiederte Goethe erst mit einem gelinden Verweise, dass wir ihm ein zu kleines Stück Papier gebracht hätten; man müsse, fügt er hinzu, stets auf einem grossen Stück Papier beginnen, der kleine Raum beenge die Gedanken. Nachdem wir hierauf ein grösseres Blatt herbeigebracht, schrieb Goethe, während wir ihm staunend zuschauten, in kurzer Zeit auf dasselbe einige Strophen, welche den Inhalt unserer Worte wiedergaben. Noch heute sehe ich im Geiste den grossen Mann, wie er erst einzelne Worte in angemessenen Zwischenräumen niederschrieb und dann die Silben mit der Federspitze zählend die Lücken all- mählich ausfülhe; zuletzt zeichnete er unter die Verse eine aufgehende Sonne und schrieb auf ihre Strahlen unsere Namen, die er sich von uns nennen Hess."

Wieder ein Beweis für das gute Herz des grossen Dichters, das den Kindern soviel Vertrauen einflösste, dass sie es wagten ihn mit ihrer Bitte an- zugehen, ihn aber dazu trieb darauf einzugehen! Es war wohl noch den Mädchen im Gedächtnis, wie aufmerksam und teilnehmend er im verflossenen Jahre dem Unterricht in der Schule und der Prüfung beigewohnt hatte; dazu ermutigte sie der zwanglose heitere Verkehr mit Gramer, in dessen Hause er sicherlich oft auch Dorothea gesehen und mit ihr gescherzt hatte. Diese wird denn auch unter die Anstifter ihres Unterfangens gehört haben.

Das Gedicht für die Kinder hat sich leider nicht erhalten; die Nachkommen de Laspees versichern, dass sich unter dessen nachgelassenen Papieren nichts vorfinde, das so genannt werden könne. Damals gab es Veranlassung, dass der Verkehr wieder angeknüpft wurde; de Laspee besuchte Goethe am 1. Juli, wohl um ihm für seine Teilnahme und Mitwirkung zu danken, Goethe erwiederte den Besuch am 10. Juli. Und damit endete für dieses Mal und für immer sein Verkehr mit de Laspee.

Indessen kam Goethe noch einmal zu Wiesbaden auf das, was er in der Schule de Laspees gesehen und gehört hatte zurück, eine Episode, die S. Bois-

"*; Die Er/.illilung ist abgedruckt in Picks Monatssclirift I (1875), 287. '") Also fällt, wie auch das Tagehucli nugibt, der Vorfall in das Jahr 1815; am 24. Juni 1814 war Goethe noch nicht in AViesl)aden.

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seroe erzählt"*) und die wir mit dessen "Worten liier wiedergeben wollen; hei ihr spielt wieder eine Tochter Cramers eine Rolle und zwar eben diese Dorothea, als sie eine Probe ihrer Rechenkunst, die sie nach Pestalozzischer Methijdc erlernt hatte, ablegte. Dass es Dorothea war und nicht eine andere der Cramerischen Töchter, geht daraus hervor, dass diese, wie wir bald sehen werden, nicht die Pestalozzische Schule besucht hatten, und wenn Roisserre sie als etwa sechzehnjährig bezeichnet, so beruht dies auf einem Irrtum; sie war im August 1815 noch nicht volle 14 Jahre alt.

Die Rechenkunst der Dorothea Gramer.

„Abends [am 5. August 1815], berichtet Boisseree, war ich mit CJoethe und Oberbergrath Gramer auf dem Geisberg, es wurde oben gezecht in der Schenke . . . Ein Schwager von Gramer aus Hanau kam nach; das Töchlerchen des alten Oberbergraths, etwa sechzehn Jahre alt, führte ihn zu uns, ein ganz einfaches, frisches Kind. Goethe neckte sie mit ihrer grossen Pestalozzisclien Rechenkunst, erzählte uns von der Schule hier und liess dem Mädchen keine Ruhe, bis sie sich selbst eine abgebraische Aufgabe, aber in Zahlen gab und die Auflösung machte. Es war eine verwickelte Aufgabe, drei unbekannte Zahlen, von denen nur die Verhältnisse unter sich angegeben waren. Mir wurde ganz schwindelig bei der Auflösung; vorerst war es einmal nicht miiglich zu folgen, dann aber die Bestimmtheit, die Förmlichkeit, womit das Kind die trockenen Dinge aussprach, die man sonst nur in den mathematischen Hörsälen zu hören kriegt, und wie sich dies arme Köpfchen was darauf zu gut tliat, mit den hohlen Zahlen und Verhältnissen herum zu wirthschiiften; wie es selbst mit über diese Kunst sprach und vernünftelte, warum es Elementarunterricht genannt werde, da es doch, wie Goethe bemerkte, ganz darüber hinausgehe, weil jeder selbst finde und erfinde; endlich über Buchstaben-Rechnungen, Gleichungen u. s. w. Das alles, mit der festen, schulmeisterlichen Haltung, setzte mich wahrhaft in Schrecken."

Goethes Urteil über das Pestalozzische Wesen nach Boisserees

Mitteilungen.

„Als wir im Dunkel, so berichtet Boisseree weiter, gegen zehn TIhr nach Hause kamen, klagte Goethe seinen Jammer über dies Pestalozzische Wesen. Wie das ganz vortrefflich nach seinem ersten Zweck und Bestimmung gewesen, wie Pestalozzi nur die geringe Volksklasse im Sinne gehabt, die armen Menschen, die in einzelnen Hütten in der Schweiz wohnen und die Kinder nicht in die Schule schicken können. Aber wie es das Verderblichste von der Welt werde, sobald es aus den ersten Elementen hinaus gehe, auf Sprache, Kunst und alles Wissen und Können angewandt werde, welches nothwendig ein Überliefertes voraus- setze, und wo man nicht mit unbekannten Grössen, leeren Zahlen und Formen zu Werk gehen könne. Und nun gar der Dünkel, den dieses verfluchte Er- ziehungswesen errege; da sollte ich nur einmal die Dreistigkeit der kleinen Buben hier in der Schule sehen, die vor keinem Fremden erschrecken, sondern

25S

) S. Boisseree I, 259.

132

ihn in Schrecken setzen ! Da falle aller Respekt, Alles weg, was die Menschen unter einander zu Menschen macht. Was wäre aus mir geworden, sagte er, wenn icli nicht immer gem'Uiiigt gewesen wäre Respekt vor Andern zu haben. Und diese Menschen mit ihrer Verrücktheit und Wuth, alles auf das einzelne Individuum zu reduciren und lauter Götter der Selbstständigkeit zu seyn; diese wollen ein Volk bilden und den wilden Schaaren widerstehen, wenn diese ein- mal sich der elemeutariscben Handhaben des Verstandes bemächtigt haben, welches nun gerade durch Pestalozzi unendlich erleichtert ist. Wo sind da religiöse, wo moralische und philosophische Maximen, die allein schützen können? Er fühlte recht eigentlich einen Drang mir über alles dieses sein Herz auszu- schütten, und ich selbst war von all diesem voll, es sprach mich gleich an, wie eine Meldung des jüngsten Tages, und die Furcht vor den Russen war mir beim Namen Sievers, den Gramer als einen der schärfsten Prüfer und grössten Rühmer der hiesigen Schule genannt hatte, in ihrer ganzen Macht aufgegangen. So führten wir uns wechselseitig in das Gespräch hinein, und Goetiie bat mich wiederholt um Gotteswillen, nicht in die Schule zu gehen, ith würde zu sehr erschrecken. Gramer hatte mir schon vor seiner Rückkehr gesagt, dass ihn das Pestalozzische Wesen ausserordentlich interessire und er immer davon spreche."

Wir dürfen wohl annehmen, dass von diesem verwerfenden Urteil der grössere Teil Boisseröe angehört; er hat den Funken in Goethes Seele zum hellen Brande angefacht und in seinem Sinne uns vorgeführt; Goethe hatte sicherlich nur die Ausartungen und verkehrte Anwendung treffen wollen, die jede neue Erscheinung mit sich zu führen pflegt. Indessen linden sich Stellen namentlich in den , Wanderjahren ", die zu den oben ausgesprocheneu Äusserungen stimmen, wie wenn er der Ehrfurcht eine so grosse Bedeutung für die Er- ziehung beilegt, überhaupt den Weg und das Ziel derselben dort ganz anders gestaltet haben will, als durch blos formale Schulung erreicht werden kann. Auch in den Gesprächen mit Kanzler v. Müller ist er nicht ein Freund der mathematischen Methode. ,Die Mathematik, sagt er"*), steht ganz falsch im Rufe untrügliche Schlüsse zu liefern. Ihre ganze Sicherheit ist weiter nichts als Identität; 2X2 ist nicht vier, sondern es ist eben 2X2, und das nennen wir abgekürzt vier , . . Die Pythagoreer, die Platoniker meinten Wunder, was in den Zahlen stecke, die Religion selbst, aber Gott muss ganz anderswo gesucht werden."

Johannes de Laspee leitete seine Anstalt bis zu seinem Tode, der am 20. März 1825 eintrat, geehrt von seinem Fürsten, hochgeachtet von allen, die mit ihm in Berührung kamen.

10. Philippine Lade.

Das für Frauenschönheit und Frauenliebe leicht em}»fiingliche Herz des damals (Jöjährigen Dichters fand auch in Wiesbaden Gelegenheit, wenn auch nicht in hellen Flammen zu entbrennen, so doch eine zarte Neigung zu einem

2t»

) ßurckhardt, Uiitorliultungou mit Kanzler v. Müller, S. 108.

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jungen Mädchen zu fassen, das er im Hause des Oberbergrates Oranier keniuMi lernte. Dieser hatte ausser der im vorigen Abschnitte genannten Dorothea noch mehrere ältere Töchter, von denen zwei, Luise und Sojjhic, damals etwa 18 Jahre zählten; sie hatten die Friedrichsschule ^"") besucht, welche, aus der alten Lateinschule hervorgegangen, auch ]\Iädchen ihre liildung gab und sie mit dem 14. Lebensjahre entliess; mit dieser Entlassung war govvühnlich nach nassauischem Brauche die Konfirmation verbunden. Die beiden Töchter Cranu^rs waren im Jahre 1810 konfirmiert worden und am 7. Mai 1810 aus der Schule geschieden. Ihnen und ihren Mitschülerinnen widmeten bei der Entlassung aus der Schule ihre Lehrer folgende, gut gemeinte

„Letzte herzliclie Worte ^'''):

Erfüllet redlich Eure Pflicht Und hoft'et dann mit Zuversicht:

Gott sorgt mit A^aterliebe ! Zu ihm erhebet Euren Blick! Er sorgt für Eures Lebens Glück,

War' auch der Himmel trübe.

Gehorchet nicht der Sinnlichkeit! Gehorchet Gott! Was er gebeut,

Ist, wenn Ihr folgt, Euch Segen. Von drohenden Gefahren fern Führt auf der Bahn der Tugend gern

Er Euch dem Glück entgegen.

Gott theilt Euch seinen Beistand mit; Drum gehet stets mit festem Schritt Fort auf dem Pfad der Tugend! Die Lust verführt, die Tugend nie;

Ein guter Gott belohnet sie. 0 ehrt sie in der Jugend

„Gott, Ihre goldne Jugendzeit Flieh edel hin zur Ewigkeit!

Lehr' Sie die Weisheit wählen! Mach' Sie zum Dienst der Welt bereit! Lass Tugend, Fleiss und Frömmigkeit

Nie Ihrem Leben fehlen!"

Die Namen der Schülerinnen waren: Johanne Böhning, Luise und Sophie Gramer, Christiane Frey, Luise Menke, Charlotte Niess, Amalie Pfarrius, Wilhelmine Schmidt.

Nur wenig jünger als die Töchter Cramers war Philippine Lade'-"-), welche sie in der Schule mochte kennen gelernt haben und mit ihnen befreundet blieb. Sie war am 8. Februar 1797 geboren und wurde im Jahre 1811 kon-

-"") Vgl. des Verfassers Geschichte der Friedrichsschule, Osterprogramm des Kgl. Gym- nasiums zu Wiesbaden 1880. '''^') Ein Exemplar des seltenen Gediclites befindet Hi<Ii im Besitz des Verfassers dieser Schrift. Wir fügen es hier ein, weil es für die Zeit charakte- ristisch ist; Verfasser ist wohl der Rektor der Schule, Schellenberg. -•*') Vgl. oben S. Gl

Anm. 15 über die Aussprache des Kanioiis.

10

134

firmiert. Tlir Yater, Christopli August Lade, war herzoglicher Hofkammer- schreiher gewesen uud lebte uuumehr als Pensionär in Wiesbaden, wo er ein eignes Haus in der Nähe des früher städtischen Wirtshauses zum goldenen Löwen besass, nicht fern von der Wohnung des Oberbergrats. Als am 30. Nov. 1813 das Yorksche Offizierskorps einen IJall veranstaltete, dem auch der König von Preusseu beiwohnte, war Philippine gleichfalls anwesend und hatte die Ehre u. a. mit dem Feldmarschall Blücher zu tanzen, dem sie, da er durch einen Fehltritt bei dem Tanze in die Knie gesunken war, wieder auf die Füsse half.'"')

Nicht viel später, im September des Jahres 1814, hatte sie abermals die Ehre, wenn auch nicht in der Gesellschaft von Königen und grossen Heer- führern sich zu bewegen, so doch die Aufmerksamkeit eines Königs im Keiche der Dichtkunst auf sich zu ziehen, zunächst nicht durch ihre Schönheit, son- dern durch ihre klangvolle Stimme. Das Tagebuch erwähnt ihrer zwar nicht im Jahre 1814, aber ein Brief llundeshagens vom 5. Februar 1815 sagt^"*), dass sie das Glück gehabt habe die letzten Stunden in Wiesbaden zu ver- schönern; danach würde die Bekanntschaft Goethes mit ihr gegen das Ende seines Aufenthalts, nach der Rückkehr aus dem Rheiitgau, vielleicht erst auf den 11. September zu setzen sein.

Über ihren Verkehr mit Goethe liegen zwei Berichte vor, von Goethe selbst ein kurzer in den Gesprächen mit Kanzler v. Müller und ein längerer von -M. Belli-Gontard in der Didaskalia, dem belletristischen Beiblatt zum Frank- furter Journal, zu denen Creizenach m dem Briefwechsel von Marianne v. Willemer mit Goethe einige Zusätze gibt. Wir wollen die beiden vollständig hier mitteilen, Creizenachs Zusätze und unsere eigenen Bemerkungen an passenden Stellen einfügen.

Am 12. Mai 1815 also erzählte Goethe dem Kanzler v. Müller „von einem reizenden jungen Mädchen, der Tochter eines Sekretärs bei irgend einem De- partement zu Wiesbaden, die die höchsten Anlagen zur Deklamation und zum theatralischen S})iel besitze. Sie habe ihm den Wassertaucher [Taucher von Schiller] vordeklamiert, aber mit zuviel Malerei und Gestikulation, darauf habe er sie statt aller Kritik gebeten es noch einmal zu thun, aber hinter dem Stuhle stehend und dessen Lehne mit beiden Händen festhaltend. Das schöne Kind habe bald Absicht und Wohlthat dieser Bitte empfunden und lebhaft dafür gedankt. Verwechsle man doch nicht, schloss er, epische Darstellung mit lyrischer oder dramatischer."

Der zweite Bericht ist ausführlicher und lautet also:

„Philippine war zu Besuch bei den beiden Töchtern des Bergrats Gramer in Wiesbaden und die drei jungen Mädchen allein im Zimmer. Plötzlich geht die Thüre des Nebenzimmers auf und in derselben steht ein alter schöner Herr. „Ei, sprach er, das ist ja eine hübsche junge Gesellschaft; es war da eine Stimme, die nnch anzog." Darauf erkundigte er sich bei der einen der beiden Schwestern, ob sie säuge, und auf ihre bejahende Antwort ersuchte er sie um

-"^ Brief vom ). März 1814 im Wiesb. Tajjblntt 1882, So. 141, S. 16. ''^'} Goethe- Jahrli. VI, r_'7. V^'l. ilio Antwort Onothos woitor iinton.

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ein Lied. Auch die zweite musste singen, Fräulein Lade aber antwortete, dass sie nicht musikalisch sei. „Das ist die Stimme, rief Guethe sogleich nach diesen Worten und dann fragte er: „Kennen Sie die Werke (Joethes?" „Nein, antwortete sie, sie ziehen mich nicht an." „So! [Zusatz (.'reizonachs: „Nun ja, für so liebe kleine Wesen sind auch meine Sachen nicht."] W(;Ulicii Schriftsteller lieben Sie denn ganz besonders?" „Schiller, rief Fräulein Lade, den liebe ich über alles. Ich kenne das Meiste von ihm auswendig." „Hi^lio, meinte Goethe, dann deklamieren Sie mir einmal etwas, z. 1>. den Anfang der Braut von Messina." Fräulein Lade errötete betroffen, begann aber: „Nicht eigne Wahl" u. s. w. und sprach den ganzen Monolog ohne Austoss. Goethe klatschte Beifall und bat sie dann noch um den Taucher.

„Nachdem sie auch diese Ballade gesprochen, bemerkte Goethe, ihre Be- wegungen mit dem Arm seien zu heftig gewesen, bei einer Ballade passe sich das nicht. Sie musste wiederholen und dabei eine Stuhllehne festhalten; bei den Hauptscenen jedoch wackelte der Stuhl gewaltig.

„An dem Tage musste Fräulein Lade stets an Goethes Seite bleiben und bei Tisch neben ihm sitzen, wodurch sie, obwohl noch im Alter des Back- tisches, ein Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit wurde.

„Goethe beschäftigte sich von da an viel mit Fräulein Lade. Es war im Jahre 1814, er gebrauchte die Kur in Wiesbaden und hatte seinen eigenen Wagen bei sich. Täglich fuhr er mit ihr spazieren und nahm sie mit ins Theater. Dann musste sie ihm ihre Meinung sagen, wenn ihr etwas getiel oder missfiel und wesshalb, wobei er sich dann angelegen sein liess ihren Ge- schmack zu läutern und zu bilden. Natürlich gewann er dadurch an dem jungen Mädchen eine enthusiastische Yerehreriu."

Wir unterbrechen hier den Bericht, um einige Bemerkungen und Ein- schränkungen zu dem zuletzt Gesagten zu machen. Soweit sich dieses auf das Jahr 1814 bezieht, kann nicht davon die Rede sein, dass Goethe sich viel mir Fräulein Lade beschäftigte und oft mit in das Theater nahm. Denn damals, wie auch im folgenden Jahre, besuchte er das Theater selten, im Jahre 1814 nur einmal. Sodann hatte er sie am Ende seines Aufenthaltes von 1814 kennen gelernt, wie er in der Antwort auf den Brief Hundeshageus selbst berichtet. Auf eine Sendung Goethes hatte dieser am 15. Februar erwidert: „Da sich. der schätzbare Inhalt theilen liess, so konnte ich dem Lüsten nicht widerstehen denselben mit der artigen Deklamatrice zu theilen, welche das Glück hatte u. s, w." Darauf erwidert Goethe: „Dass Sie Ihre schöne Mitbürgerin an mich erinnern und von den übersandten Gedichten vielleicht Einiges aus ihrem Munde hören wollen, weiss ich recht sehr zu schätzen; sagen Sie dem lieben Kinde, dass ich bei mancher Rollenvertheilung an sie denke und mich freue nächsten Sommer nicht in den letzten, sondern in den ersten Tagen meines Aufenthalts zu Wiesbaden ihrer angenehmen Gegenwart zu geuiessen."

Sodann ist die Bemerkung, dass Goethe einen eigenen Wagen gehabt habe, höchst verdächtig; er hatte nicht einen eigenen Wagen, sondern machte seine Spaziergänge zu Fuss; nur zu den kleineren AnsHügen mietete er einen Wagen, der nach Schlossers Versicherung leicht und nicht teuer zu bosciiatlen

lu*

war. lu einem solchen mag Philippino den Dichter nach der Papier- oder Klodtermühle begleitet haben. Hätte er einen eigenen Wagen gehabt, so hätte er bei der Fahrt nach liüdeslieim anspannen lassen, nicht aber, wie er er- zählt, einen Wagen bestellen müssen.

Wenn unser Bericht und danach Creizenach damit schliesst, dass (loethe bei seinem zweiten Abschiede von Wiesbaden am 4. August 1815 dem Kammer- schreiber I^ade das Versprechen abnahm ihn mit seiner Tochter in Weimar zu besuchen, so kann ganz abgesehen von dem falschen Datum - dies nur im September 1814 geschehen sein, aus dem einfachen Grunde, weil Lade im August 1815 schon ein Vierteljahr lang tot war; denn er war am 20. Mai desselben Jahres 7(i Jahre alt gestorben. Aus demselben Grunde ist es kaum glaublich, dass schon am Tage nachher, am 27. Mai. dem Tage seiner Ankunft, Goethe die junge Freundin gesehen hat; wenn hier im Tagebuch ihr Name steht, so wird das zu bedeuten haben, dass er sich sofort nach ihr befragte und die Mitteilung des Trauerfalles in ihrer Familie entgegennahm, nicht dass er sie sofort etwa zu sich beschieden oder sie ihn von selbst besucht hat.

Erst am 19. Juni erscheint sie bei ihm mit einer verheirateten Schwester, dann am 6. Juli zu dem Ausflug auf den Nürnberger Hof, wie das Tagebuch zu diesem Tage bemerkt, den aber unser zweiter Bericht, zu dem wir nun- mehr zurückkehren, zu einer Landpartie nach Georgenborn macht.

,Auf einer Landpartie nach Jörgenborn bei Schlangenbad [also richtiger: auf den Nürnberger Hof] musste Fräulein Lade wieder neben ihm im Wagen sitzen und da sie später eine Skizze nach der Natur machte, wünschte er diese zu sehen und fing an zu kritisieren. ,Ach! Sie können alles besser machen als ich", rief sie, nahm ihm das Blatt aus der Hand und zerriss es, wahrschein- lich ein wenig gereizt. „Aber eins kann ich, was Sie doch nicht können," und damit lief sie rasch einen steilen Weinberg hinan. Goethe ihr nach. Auf der Höhe aber stolperte er und fiel an dem steilen Abhang zu Boden. Mit beiden Händen klammerte er sich an, bis auf des jungen Mädchens Geschrei einige Herren von der Gesellschaft herbei eilten und ihn aus seiner gefährlichen Lage befreiten. Fräulein Lade zerfloss in Tiiränen, Goethe aber lachte und suchte sie zu beruhigen."

Schliesslich wollen wir nicht unterlassen zu bemerken, dass die Legende, Hundeshagen habe sich um Philippinens Hand beworben, schon früher als Irr- tum erwiesen ist'-"); sie blieb unvermählt und erreichte ein hohes Alter.

Noch einmal, am 9. August 1815, steht ihr Name im Tagebuch; es war der letzte Abend, den Goethe bei Gramer zubrachte, und der Abschiedsschmaus, zu den» sie auch zugezogen war; man war guter Dinge und trennte sich spät.

Das Verhältnis Goethes zu Philippine war hervorgerufen durch ihre An- lage zu Deklamation und theatralischer Darstellung, die jener sofort erkannte und vielleicht auszubilden und für die Weimarer Bühne zu verwerten gedachte; desshalb wird er sie eingeladen haben ihn zu Weimar zu besuchen, wo sie vollendete VurbildcM- auf der dortigen Bühne sehen und dadurch selbst zu dem

^**j Goethe JhIuI). a. a. Ü.

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Wuusche nach Volleudiing veranlasst werden konnte. Eine tiefere Neigung entwickelte sich nicht zu dem jungen M.ädchen, das durch die grösseren Vorzüge einer Marianne v. Willcmer bald in Schatten gestellt wurde.

11. Gerbermeister Behringer u. a.

Das IJild, welches wir von Goethes Verkehr entworfen haben, würde un- vollständig sein, wenn wir eine Unterredung mit dorn Gerbermeistor Holiringcr zu erwähnen unterlassen und einiges Gleichartige übergehen wollten, das er im Tagebuch anmerkt.

Bchringer war der Nachbar Brentanos zu Winkel; als (Joetlie sich da- selbst aufhielt, unterhielt er sich mit ihm am 6. September 1814 und fragte den mitteilsamen Mann über sein Gewerbe und den Weinbau aus. Was er von ihm erfuhr, hat er in dem Supplement zum Ilochusfest kurz verzeichnet; im Tagebuche ist fast nur mit blossen Substantiven notiert, was dort doch wenigstens in Sätzen niedergeschrieben ist. Wir wollen hier den Wortlaut des Tagebuchs wiedergeben; er lautet also:

„Zu Mittag Nachbar Behringer Gerbermeister. Über Eichenwuchs, 13 bis 14 Jahre, schälen der jungen Eichen. Schaale aller Orten hergehohlt, über Heidelberg[,J bey Trier, Erleichterung durch Wasserfracht. näute[,] Nord- amerikanische auch während des Krieges über Friinkreich. Anstalten von Mühlen u. s. w. Zeit des Garwerdens, Sprichwörter und Redensarten. Wein- bau, Mühe, Yortheile.^^^) Gewinn, Verlust, Zehente. Ao 1811 wurden in Winkel 800 Stück Wein gebaut. Spätes Lesen. Streit zwischen armen und Reichen. Vorzüge des Johannisberges."

Und wie er hier Redensarten und Sprüchwörtcr sammelte und sie in seinem „Rochusfeste" niederlegte, so findet sich im Tagebuch folgendes der Art aufgezeichnet:

31. Juli. „Trunkener Bauer, der zum König von Wirtenberg sagt: Vor allem nehmen sie sich vor dem eilfer in Acht."

Au demselben Tage: „Jedem was er will|,] es ist noch einmal so viel."

31. August: „Morgens rund,

Mittags gestampft, Abends in Scheiben, Dabey will ich bleiben. (CartolTeln.)^''*''')

An demselben Tag: „Kein Kupfergang so gut.

Er hat einen Eisernen Hut."

Der erste von den beiden letzten Sprüchen wird im „Rochusfeste" einem Bergbewohner, also doch offenbar aus der Nahegegend, mit etwas verändertem Schlüsse in den Mund gelegt. Wenn Goethe aber ihn allein mit den darauf folgenden vom Kupfergang in das Tagebuch und zwar unter dem 31. August

'^^^) Über den Weinbau, seine Mühen und Erträgnisse u. s. w. 1. 0. Sartorius, Der Weinbau in Is^assau. Berlin 1871. '^'^^^) Vgl- Goethe-Jahrb. IX, 227,

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setzte, so niiiss es mit der Herkiiuft uii'l Heimat derselben eine andere Be- wandtnis haben. Der /weite ist ein Bcrgmannsspruch, der einer Mitteilung Cramers am 30. August entstammen mochte und daher sicherlich dessen Heimat, dem Westerwalde, angehörte. Warum nicht auch der Spruch auf die Kartoffeln, zumal da der Westerwälder ein Liebhaber derselben ist und sie in den ver- schiedensten Arten der Zubereitung zu geniessen liebt? Dass der Dichter ihn nachher frei verwendete, darf keinen Anstoss erregen und ist sein Recht.

Als am 1. September geschrieben findet sich die Wiuzerregel:

„Wiesbaden den 1. September 1814. Was der August nicht thut, Macht der September gut."

Vgl. die Weimarer Ausgabe von Goethes Werken V, 4, 247.

1). Stöningeii und Unterbrechiiiigeii des regelmässigen Kurlebens.

a. Im Jahre 1814.

Wir haben oben gehört, dass Goethe die Kur im Jahre 1814 zu Wiesbaden ernstlich und regelmässig durchmachen wollte, dass es aber auch nicht an Störungen und Tuterbreclrnngen fehlte; dieselben mussten wir auch schon bei einzelnen Gelegenheiten berühren. Nunmehr sollen sie im Zusammenhang be- sprochen werden.

1. Die erste Störung trat im Jahre 1814 sehr bald nach Beginn der Kur ein, am 3, August, dem Geburtstage des Königs von Preussen, der zum ersten- male nach der Befreiung des linken Rheinufers von französischer Herrschaft in dem neugewonnenen Mainz gefeiert werden sollte. Dazu lud der Kommandant der Stadt, der preussische Oberst v. Krauseneck""), am Tage vorher Goethe ein, und dieser glaubte Folge leisten zu müssen; Zelter begleitete ihn am Morgen des 3. August dorthin. Nachdem er an der „Funktion", d. h. der militärischen Feier des Tages auf der neuen Anlage teilgenommen und sich dabei an der „herrlichen Nähe des Rheines" erfreut hatte, besuchte er den Kommandanten, die Zitadelle, das Kasino und fand sich dann bei dem Festessen ein. Es folgte ein Feuerwerk, das er verpasste"'*) und der Festball, auf dem er jedoch nicht lange aushielt. Von neuen Bekanntschaften nennt er: „die Österreicher" Gouver- neur Johann Freiherr v. Frimont, Feldzeugmeister und General der Kavallerie'''^'"'), den Generalfeldwachtmeister Heinrich Graf Hardegg und den Generalfeldwacht- meister August v. Swrtnick*'"); die „Preussen" Prinz Ludwig von Hessen- Homburg, Generallieutenant und damals Gouverneur von Luxemburg (von 1829

'*^) Der Oberst Wilhelm Johann v. Krauseneck (1775 1850) trat aus Anspachisclicii Diensten in die preussisolien ein und scliied im Jahre 1848 als General der Kavallerie aus denselben. Schöning, Die Generale der preussischen Armee, S. 239. Poten, Handwörter- buch V, 291. *®^) Goethe gebraucht dieses Wort in dem doppelten Sinn: liarrend an sicli vorbeigehen lassen, z.B. ein Gewitter und harrend veralisäumcn. Wiilcker, Gr. Deutsches Würtcrbuch XII, 958. ^""i Die genauere Bezeichnung der Stellung ist dem Stafits-Adress- handbuch der teutschoii Bundesstaaten für das Jalir isl6 entlelint. '''") Goethe schreibt Cwertenic.

bis 1830 war er rofi;icrondcr Landgraf von Hcsson-IIomburgj-'''), den imigon Prinzen Leopold Friedrich von Anhalt-Dessau (1704 1871), welcher seinein Cirossvater im Jahre 1817 in der Regierung nachfulgtc; er hatte den Feldzug von 1813 1814, aber im österreichischen Heere, mitgemacht'''); endlich den Obersten Krauseneck; zuletzt die „Mainzer" F. J. Budmann-'"), den bekannten Geschichtsforscher und Sammler von Urkunden, und den Freiherrn v. Jungen- feld. Am 4. August kehrte er über den „bewegten Rhein" nach Wiesbaden zurück, nachdem er noch den befreundeten Hauptmann v. Luck gesehen hatte. Um 8 Uhr trat er den Heimweg an.

2. Zum 15. August bemerkt das Tagebuch: „Einfall nach IJüdoshcim zu gehen.-'*) Anstalten dazu. Mit Zelter zu Hause gespeisst. Mit ihm und Gramer nach Tische abgefahren." In Übereinstimmung damit ist nach der Erzählung im „S. Rochusfeste" dieser Ausflug plötzlich beschlossen und ausgeführt worden; nur darin weicht diese ab, dass nach ihr der Mittag schon vorbei war, als die Anstalten getroffen wurden. „Vertraute gesellige Freunde, heisst es hier, welche schon Wochen lang in Wiesbaden der heilsamen Kur genossen, empfanden eines Tages eine gewisse Unruhe, die sie durch Ausführung längst gehegter Vorsätze zu beschwichtigen suchten. Mittag war schon vorbei und doch ein Wagen augenblicklich bestellt, um den Weg ins"'-') angenehme Rheingau zu suchen." Es war also ursprünglich nicht die Absicht, wie aus beiden Dar- stellungen hervorgeht, etwa dem bevorstehenden Rochusfest, das in diesem Jahr wieder zum erstenmale nach der französischen Zeit und mit besonderem Glänze gefeiert werden sollte, beizuwohnen; erst als die drei Freunde in Rüdes- heim die grossartigen Vorbereitungen zu dem Feste und die fröhliche Stimmung der Menschen über die wieder ermöglichte Feier des folgenden Tages sahen und man ihnen grosse Freude und grossen Genuss bei der Teilnahme in Aus- sicht stellte, beschlossen sie sich der Menge anzuschliesscu und den ohnehin anlockenden Aussichtspunkt des Rochusberges aufzusuchen. Da der Meister selbst in anmutiger formvollendeter Darstellung eine Beschreibung des Festes uns hinterlassen hat, so kann es nicht unsere Absicht sein einen ausführlichen Bericht über seine Erlebnisse und Beobachtungen hier zu geben; man muss dies alles bei ihm selbst nachlesen und dazu das lebensvolle Bild von dieser Gegend des Mittelrheins und dem regen Thun und Treiben der Menschen da- selbst nehmen, welches der rheinische Dichter August Ammann in dem lieder- reichen Büchlein „der Rochusberg bei Bingen am Rhein. A. Koch, Darmstadt 1803" gezeichnet hat. Wir wollen nur einiges herausheben, was zum Teil dem Tagebuch entnommen ist.

Durch die gesegneten Fluren des Rheingaues wurden unsere Reisenden rasch dahingetragen; für jede Stadt, für jedes Dorf und jele Villa hat Goethe ein freundliches Wort, für Besonderheiten stets offene Augen. Nach S'/s Stunde

'") Derselbe, welcher oben S. 102 vorkam. Schwartz, Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg III, 74. '-") Allg. Dcutscho Biogr. -'•*) Das Tagebucli schreibt IJuth- mann. -''*) Vgl. Düntzer, Goethe und die Kochuskapelle. Münch. Allg. Z. 18s;{, No. 36U u. HHl. ^'°) Der ältere, sächliche Gebrauch des Wortes Rheingau ist am Mittelrhein allge- mein üblich geblieben; das Volk sagt hier gewöhnlich dag Rheingau,

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ist liüdesheim erreicht, wo das Gasthaus zum Adler''*) sie aufüimnit. Der Beamte des Orts, Ilufrat Götz (s. obeu). wohl mit Cramer als Sammler von Mineralien bekannt, gesellt sich zu ihnen und mag ihr Führer bei dem Spazier- gang am Rhein, zu der Burg des Grafen von Ingelheim, aber auch zu der besten Quelle des Elfers, den man kostete, gewesen sein; denn dieser stand damals auf der Ilühe seiner Güte, und von ihm, einem „Ilauptjahr" entsprossen, hiess es, er sei „vorzüglich gut und viel gewesen, wie seit Jahren nicht."''") Aber auch für wissenschaftliche Belehrung sorgte Götz, wie wir oben gesehen haben. Nachdem die drei Freunde am folgenden Tage unter seinem Geleite über den Rhein gefahren, den Berg erstiegen und unter der fröhlichen Menge verweilt hatten, kehrten sie befriedigt zurück und fuhren nach freundlicher IJewirtung durch ihren „Geleitsmann" noch am Abend desselben Tages nach Eltville zurück, wo sie übernachteten. Der Morgen des 17. August brachte sie wieder, nach dem Besuche bei llabel (s. o.) nach Wiesbaden.

Die Eindrücke, welche Goethe auf dem AusÜuge empfangen, die Unter- haltungen der Leute und die Reden, die er vernommen hatte, wirkten so mächtig uach. dass er schon unterwegs den Gedanken fasste den Besuch des Rochusberges litterarisch zu verwerten. In der Nacht vom 16. auf den 17. Aug. hatte es stark geregnet und Hess es rätlich erscheinen die Abfahrt von Eltville zu verzögern. So fand sich für ihn in der Frühe des 17. noch Müsse „das Schema des Rochusfestes", wie das Tagebuch sagt, zu entwerfen, und auch in Wiesbaden „setzte er das Schema" fort; noch mehrfach holte er es in den nächsten Tagen, am 19. und 26. wieder hervor. Die Ausarbeitung jedoch er- folgte erst im Jahre 181 G wie auch die Stiftung des Rochusbildes, das er .,gelobt" und durch Luise Seidler zu Jena hatte ausführen lassen. Die all- mähliche Entstehung und der Abschluss der Erzählung sowohl als des Bildes lässt sich an der Iland des Tagebuchs genau verfolgen: jene wurde vom 25. Mai 1816 bis Ende des Jahres vollständig ausgearbeitet und ausgefeilt, gedruckt im zweiten Heft des ersten Bandes „Über Kunst und Altertum", 1817, dieses wurde wohlverpackt durch die falirende Post den 18. Juli 1816 abgesandt, nachdem ein Brief an die geistliche Behörde in Bingen wegen des Auspackens, der Behandlung und des Gegenstandes des Bildes vorausgegangen war.

3. Eine dritte Unterbrechung erlitt der ruhige Gang des täglichen Lebens durch die Ankunft des [GrossJHerzogs Karl August von Weimar. Derselbe gebrauchte in diesem Sommer das Bad zu Aachen; am 2. August meldete ihm dorthin Goethe seine Ankunft in Wiesbaden und empfing am 8. von ihm die Ankündigung, dass er bald Aachen verlassen und nach Mainz kommen werde; ein zweites Schreiben vom 16. gibt nähere Bestimmung über den Zeitpunkt. „Ich eile Dich zu benachrichtigen, schreibt der Grossherzog, dass ich künftigen Sonnabend den 20. von hier weg und gerade nach Coblenz reise, um den 22. bei guter Essenszeit in Maynz zu seyn. AVo ich logiren werde, weiss ich nicht . . . Wir werden uns schon finden. Den 23. Nachmittags wollte ich nach Biebrich und Abends nach Wiesbaden gehen, um von dorten Visiten beim

*} Im Rochusfest Jicisst es zur Krone. "') Sartorius, a. a. ü. S, W.

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Minister v. Stein in Nassau, in Sclilangenbad u. s. \v. /.u inachon, Sehr freue ich mich Dich wieder zu sehen. Lebewohl.""'*)

Der letzte Satz wie auch der ganze Ton des Briefes lässt klar das ganz eigenartige Verhältnis erkennen, das damals zwischen dem Fürsten und seinem Diener bestand und fortdauerte, bis der Tod es löste. Ein Jahr später s])richt sich Goethe in der Unterhaltui:g mit Boisseree am 8. August darüber also aus-''): „Was die Verhältnisse mit Fürsten theuer und werth macht, sey das beständige und beharrliche darin, wenn einmal ein Vertrauen entstanden ; so zwischen ihm und dem Herzog. Durch allen Wechsel der Veriiältnisse und Gesinnungen durch habe der Herzog ihn immer denselben gefunden, gesehen, dass er einen braven, ehrlichen Menschen an ihm habe und so sey der Herzog noch jetzt wie in ihrem ersten Freundschaftsverhältniss; er habe ihm kürzlich einen Brief geschrieben, ein Resultat seiner Leetüre während einer Unpässlich- keit, ganz wie aus jener Zeit so herzlich."

Lassen wir jetzt über die Tage des Zusammenseins das Tagebuch reden: „|Am Nachmittag des 23. August] kam Geh. Secr. Vogel [Scatullier im Adress- buch genannt]. Mit ihm nach Mainz. '•'■'') Mit Serenissirao bis tief in die Nacht.

24. Mit Dr. Stark.''') [Geh. Hofrat u. Leibarzt] nach Wisb. . . Mit Stark die Brunnen und Bäder [besucht]. Die Gegend. Cursaal und Anlagen. Im Cursaal mit Stark und Zelter. Kam der Herzog. In der Gesellsch. bis Nachts.

25. Mit Serenissimo. Zu Frl. Stein. Nach ßibrich. Nach Hause. Ins Schau- spiel. In den Cursaal. 26. Mit Serenissimo. Graf Henkel. Briefe von Weimar an Serenis. Fuhr der H(erzog) ab. [am Abend] An Serenis. [nachgeschickt] das Stunden Blatt der Estafette, nach Francfurt."

Es waren anstrengende Tage, wenn auch der Verkehr mit dem fürstlichen Gönner und Freunde noch so angenehme Stunden brachte. Die Kur stand still, und es bedurfte einiger Tage, bis sie wieder aufgenommen wurde.

Es erhellt übrigens aus dem Mitgeteilten, dass Goethe den Grossherzog weder zu dem Herrn v. Stein nach Nassau noch nach Schlangenbad und anderen Orten begleitete, wie man angenommen hat.

4. Für die Kur hatte Goethe vier Wochen in Aussicht genommen; diese waren mit dem Ende des August abgelaufen, und wenn er auch am 0. Sep- tember noch einmal des Bades genoss, so bilden die Herbsttage im Rhein- gau, zu denen wir jetzt kommen, streng genommen keine Unterbrechung, sondern den Abschluss des Kurlebens. Indem wir jedoch auch auf sie noch einen Blick an dieser Stelle werfen zu sollen glauben, wird es gerade wie bei der Rochusfahrt genügen die Tagebuchnotizen hierherzusetzen, da er selbst in dem Anhang zum Rochusfeste sie ausführlicher aufgenommen hat; einige anderweitige Mitteilungen werden beide ergänzen.

Am 1. September reiste Goethe zu der befreundeten Familie des Franz Ih-entano, nach dessen Landsitz in Winkel am Rhein, und verweilte daselbst acht Tage. Betrachten wir zuerst den Kreis, in den er dort eintrat. Wir

"«) Briefwechsel des Cfrossherzogs Karl August mit Goethe, II. "") S. ßoisseree I, 2(34. -■''') Goethe sclirieb irrtümlich Wisbaden statt Mainz. - -") Das Tajjebuch liat Starke.

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Icrueii ilin kennen aus den Einträgen, welche die Mitglieder des Hauses in das Stanunbuch Goethes machten und die wir weiter unten mitteilen werden. Das Haupt der Familie war Franz Brentano, Schötf und Senator von Frankfurt, Sohn erster Ehe des nachmals mit Maximiliane von La Roche vermählten Peter Anton Brentano. Seine Gemalilin war Antonia, Tochter des k. k. llofrats Johann Melchior v. Birkenstock. Beide haben wir schon unter den Frankfurter Besuchen in ^Viesbadeu anführen müssen. Dann folgen im Stammbuch die Namen der Kinder von beiden, Georg, Maximiliane, Josephine, Franziska und Karl, und die Frankfurter Verwandten, Vettern und Cousinen, Claudine, Sophie, Franz und Ludwis: Brentano, ferner Claudine Piautaz. die seit dem Tode der .Maximiliane Brentano (1703) die Erziehung der Töchter P, A. Brentanos ge- leitet-'*'} hatte, der Hauslehrer Wildfeyr und l'auline Serviere aus dem uns bekannten Hause Serviere. Dazu traten für den ersten Tag als Gäste Zelter, Christian Schlosser und der Frankfurter Arzt und kurerzkanzlerischc Hofrat Dr. Wenzel.'")

Das Tagebuch also berichtet: „1. September. Früh 7 Uhr aus Wiesbaden, um 9V2 Uhr in Winkel. Bey Brentanos fand ich Zelter und Schlosser, auch Geheimerat Wenzel, Arzt und Accoucheur von Frankfurt. Nach Tische gingen jene weiter auf-^*) Bingen. Mit Brentanos und Wenzel fuhr ich auf Eibingen, herab auf Küdesheim. Brömserisches Haus.^^^) Stadtkirche. Rückfahrt beym schönsten Abend." Die Ausflüge am 2 , 3. und 4. September fehlen im Tagebuch, wir ergänzen sie in Kürze aus den „Herbsttagen": am 2. wurde Schloss Vollraths und Johannisberg besucht, am 3, Geisenheim, die Stätte des kurz vorher säkularisierten und dann aufgegebenen Kapuziner-Klosters Not-Gottes, der Niederwald, den man vom Jagdschloss aus bis zu dem Tempel durch- wanderte, sich an den wunderbaren Aussichten erfreuend, am 4. die verfallene, in ein Winzerhaus verwandelte Kapelle des h, Rhabanus **''), Weinheim am anderen Ufer des Rheines, Niederingelheim, wo man die Reste des Palastes Karls des Grossen aufsuchte. '''^^)

Das Tagebuch fährt fort: „5. August, Auf Rüdesheim. Im Kahn bey wogigem Strome nach Bingen. Spaziergang. Gyps. Woher y ^Melancholische Wirthin mit seltsamem Bewusstsein ihres Zustandes. Abfahrt. Rochusberg, jene verfallenen Stationen. Rochuskapelle, (^rgel. Weiche Orgel. Nonnon- orgel. Herrliche, niemals genug zu schauende Aussicht. Gestein oben, unten. Fahrt hinabwärts. Kempten lincks. Herrliche Chaussee. Leicht zu bearbei- tender flacher Boden. Lincks ab von der Chaussee. Sand, junge Fichten. Sanfte Höhen. Besserer Boden, Weinbau, Oberingelheim. Reinlich wohl gepflastert. Wenig Menschen zu sehen. Altes weitläuflges Schloss. Kirche. Au.sgemeiselt die Wappen der Grabsteine, Bunte Fenster. Weinhaus. Alter

=»*) Creizeiiach, S. 1G5 Anmerkung. - -"") IJelli-Gontard IX, 18. 2«^) Auf statt uacli, oiii am Kliein weit verbreiteter Provinzialismus, auch Vjei Goethe sehr gewöhnlich. ■'"'') Über ilio Burgen in Rüdcsheini vgl. A. v. Cohausen in den Annalen des nass. Vereins XX, 1 1 ff , **•*) "Vgl, lt. Görz in den Donkmiilcrn aus Xassau, 11. 1, ;{9: Das graue Haus zu Winkrl. *") Vgl. P. Clemen, Der karolingisclie Kaiserpalast zu Ingelheim. West- deutsche Zeitschr. IX, 54 u. 97.

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Wirth. Complox der acht Ortschaften. Ehemalige geringe Abgabe. Fran- z«)Hche (sie) Zeit. Weinbau sonst nur weiss. In Nachahnuing und Nacheiterung von Assnianshausen roth. Handel mit demselben. Vorzüge. Eilfer. JtücUfahrl bis Weinheim. Kahn, Knaben, schnelle Fahrt.

„G. September. Früh llr. Brentano nach Francfurt. Redacktion und Abschrift der bisherigen Notaten. Spaziergang erst allein, dann mit Mad. Brentano und Dlle, Serviere. Frl. v. (lünderode Leben und Tod.*''") Ort ihres Selbstmordes. Kurz vorhergehend. Zu Mittag Nachbar Behringer derber [s. oben].

„8. September. Die bisherigen Aufsätze durchgegangen. Mit Fr. v. Brentano und Dlle. Serviere an den Mühlen hin, Clause." Unter diesem Namen wird gewöhnlich die ehemalige St. Georgsklause am Fusse des Johannisberge.s verstanden. Mit dem Kloster Johannisberg war ursprünglich ein Nonnenkloster verbunden, das aber später von jenem abgelöst und unter dem Namen St. (jcorgs- klause in das Thal verlegt wurde; er bestand bis zum Jahre 1452, wo es auf- gehoben und seine Güter der Abtei Johannisberg einverleibt wurden. ^''^)

Das Tagebuch fährt fort: „Mittag. Einsezung der Jesuiten. Werners Übertriebenheiten." Diese beiden Einträge bildeten wohl den Gegenstand der Unterhaltung des Nachmittags. Papst Pius VII. hatte am 7. August 1814 in feierlicher Versammlung die Bulle Sollicitudo omnium ecclesiarum verlesen, durch welche der Orden der Jesuiten förmlich und feierlich in alle seine früheren Privilegien wieder eingesetzt wurde. Mit dem Namen Werner ist ohne Zweifel der Romantiker Zacharias Werner (1708—1823) gemeint; nach einem höchst ungeregelten Leben war er im Jahre 1811 katholisch, 1814 Priester geworden und machte damals durch sein excentrisches Wesen viel von sich reden'^''°); nicht lange vor seinem Tode trat er in den Orden der Rcdemp- toristen.

Die Abreise Goethes erfolgte an demselben Tage; „Nach Wiesbaden", so schliesst das Tagebuch den Bericht.

Es waren genussreiche Tage, die Goethe in der „geliebten und verehrten Familie Brentano" verlebte, und datdvbar gedenkt er der „glücklichen Stunden". Die „Herbsttage" beendet er mit den „glücklichen Ruudworteu":

„Am Rhein, am Rhein, Da wachsen unsre Reben." Der Familie Brentano verehrte er ein Frankfurter Landschaftsbildchen, unter welches er zur Erinnerung an Winkel die Zeilen setzte r^'-")

„Wasserfülle, Landesgrösse, Heitrer Himmel, frohe Bahn; Diese Wellen, diese Flösse^'-) Landen auch in Winkel an."

28») Karoline v. Günderrode, geb. am 11. Februar 1780, starb bekanntlich in den Fluten des Rheines eines freiwilligen Todes am 26. Juni 1S06. Vgl. S.hwartz in der Kncykloj.ädic von Er seh und G ruber I, Bd. ;t7, S. 515 des Separatabdrucks^. - '''') Vogel, Bcschroii.ung des Herzogtums Nassau, S. 5'J7. - ''">) Vgl. Arndt, Meine Wanderungen und Wandelungen mit Herrn v. Stein, S. 231. - ''') Creizenach, S. 86. - ''') So die Weimarer Ausgabe l, 4, 69, Creizenach minder passend: Flüsse.

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Die üben orwähiiten Stammbucheiuträge des Brentanoischeu Hauses sind folgende. «••■M

1. Antouia Brentano schrieb:

„Winkel im Rheingau.

Hier stand die Natur, da sie aus reicher Hand über Hügel und Thal belebende Schöpfung goss, mit ver- weilendem Tritte still hier gefiel es auch Dmen acht schöne Tage zu weilen, und Ihrer Gegenwart Sonnenblick schien mir der .\nmuth Vollendung.

d. 8. Sept. 18H. Antonia Brentano

gebohrene Edle von Birkenstock.**

2. Franz Brentano:

„So wie das wohlthcätigc Jahr 1811 hier den edlen Rebensaft zum Nektar erhob, so verlierrlichtc in diesem Jahr Ilir freundlicher Besuch unsere Gefühle!

Das Andenken daran wird mir uuvergesslich bleiben. Winkel im Rheingau d. 8. Sept. 1814. Franz Brentano."

3. Die folgende Seite trägt in schöner, aber steifer, unausgeschriebener Kinderhand die Überschrift:

.,Auch die Kleinen Hessen Sie zu sich kommen" und darunter die Namen der Kinder des Hauses:

„Georg Brentano Maximiliane Brentano Josephine Brentano Franciska Brentano Carl Brentano."

Der Name des damals einjährigen Karl und die Unterschrift: „Winkel im Khcingau, den 8. Sept. 1814" sind von der Hand der Mutter.

4. „Auch wir gehören zu den Kleinen"

sagt die dritte Seite und zeigt die Namen der Frankfurter Vettern und Cousinen:

„Claudine Brentano Sophie Brentano Franz Brentano Ludwig Brentano."

sowie der Claudine I*iautaz, die schon im nächsten Jahre berufen war Mutter- stelle an den verwaisten Kindern zu vertreten.

5. Der Hauslehrer Wildfeyr:

„Omne tulit punctum (jui niiscuit utile dulci. Vinicellae 8. Sept. 1814. Wildfeyr.

(Jedweden Schicksalsschlag verwindet, wer Tüchtiges mit Lieblichem verbindet.)"

"') Vulpius, Kundschau, a. a. 0. S. 355 ff.

ß. Pauline Serviere:

„Sonst könnt ich zu Gedanken Worte finden, Do(di nun, da ich so nahe bei Dir wulint'. Traf mich ein Strahl aus Deiner Sternenkione, Ich wurde stumm und tülilte midi erblinden.

Aeli, wer kann Deinem Zaul)er sicli entwinden! Ich wag es nicht, dem guten Geist zum Holme. Mir würde Spott und Schande bald zum Lohne, Wollt icli mit S(!liwachlieit kühnen Trotz verbinden.

Ich schleiche zum l'arnass als armer Kranker, Da such icli nun mit tiefbewegtem Herzen Und vierzehn Helfern Lindrung meiner (Qualen.

An Deiner Güte lieg ich hier vor Anker,

Ein freundlich Wort heilt alle meine Schmerzen,

Doch kann ich nie der Wohlthat Freude malen.

Winkel, d. 8. September 1814. Pauline Serviere."

„Die lieben Kleinen, so erfahren wir später"^), haben sich gar nicht gefreut, wenn der Gefeierte Winkel als Gast beelirte; sie mussten dann sehr brav und sehr still sein, durften nicht auf dem grossen Speicher spielen u. s. w. Da- gegen hatten sie bei den Spaziergängen nebenher zu trippeln, um dem hohen Herrn die Steine, Muscheln u. s. w. aufzulesen, die er mit seinem Stocke be- zeichnete und mit seinem Bergmannshämmerchen untersuchte."

b. Im Jahre 1815.

5, Nachdem im Jahre 1814 Napoleon besiegt, Paris eingenommen und der Friede geschlossen war, schien es, als ob eine weitere Störung der liuhe für längere Zeit nicht zu befürchten sei. Daher war der Sinn der Menschen von heftigen politischen Einflüssen frei und die Teilnahme an öffentlichen An- gelegenheiten beschränkte sich für Goethe höchstens auf Rückblicke in die Vergangenheit oder das Durchblättern von Broschüren über Fragen, die doch anderswo entschieden wurden.

Ganz anders im Jahre 1815, Als er zu Wiesbaden ankam, stand man am Beginn neuer gewaltiger Kämpfe, denen man, seit Napoleon Elba verlassen und seinen Einzug in Paris gehalten hatte, unzweifelhaft entgegenging. Der Achtserklärung des französischen Eroberers durch die Mächte am 13, März folgte eine neue Verbindung derselben zu seiner Bekämpfung und Entsetzung am 25, März; die übrigen Fürsten traten deren Kriegsbündnis nach einigen Verhandlungen bei; unter den ersten waren der Herzog Friedrich August und Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau. ^^5) Diese hatten schon am 23, März den Befehl zu Rüstungen gegeben und am 25. eine allgemeine Landesbewaffnung angeordnet; u. a. sollte neben den bestehenden Reserve- und Scharfschützen- kompagnien bei jedem Landsturms- Bataillon eine Veteranenkompagnie unver- züglich aufgestellt werden, welche zu bilden sei 1. aus den älteren Milizen

■"*) Mitteilung des nachmaligen Gemahls der Joseplia, Anton Brentano, an Vulpius. S. Rundschau a. a, O. -«^) Menzel, Geschichte von Nassau III (VII), 846,

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bis zum 45. Jahr, 2. aus allen unverheirateten Ijandsturmmännern bis zum 45. Jahr, 3. aus freiwilligen Milizen und zum Liuieudienst nicht zugfähigeu Reservisten dritter Klasse, welche im Falle des Aufgebots zur Yaterlaudsver- teidigung, mit der Landwehr sofort ins Feld zu rücken sich verbindlich macheu; diese sollten zur Auszeichnung eine silberne Borte um den Kragen tragen.*'"') Während noch die Rüstungen und Übungen von Landsturm und Landwehr fortdauerten, rückte am 2L Mai das erste Itegimeut in das Feld ab, das zweite stand noch vom vorigen Jahre her in den jSiederlanden; beide nebst den nassau-oranischen Truppen wurden dem Kommando des Herzogs von "Wellington unterstellt.*'-^^) Und da gegen diesen Napoleon sich zuerst wandte, so war es natürlich, dass in Wiesbaden und ganz Nassau die Spannung ausserordentlich gross war, welches der Verlauf und der Ausgang der bevorstehenden Kämpfe sein werde.

Mitten in dies aufregende Treiben, in die zwischen Hoffnung und Be- fürchtung schwankende Stimmung fiel die Ankunft Goethes, und wie er, selbst gespannt auf die Entwicklung der Dinge, das militärische Wesen vor seinen Augen sich abspielen sieht und hört (am 31. Mai wurde zu Wiesbaden der Landsturm verpfliclitet, am 4. Juni zu Weilburg die Fahnenweihe und Beeidigung des Landsturmbataillons vollzogen), auch von dem nunmehrigen Major v. Luck eingehendere Nachrichten erhält, da lässt er sich mehr als einmal, wie das Tagebuch verrät, von seinen mineralogischen Studien bei Gramer und seinen west-östlichen Dichtungen wegreissen und greift zu der ihm sonst nicht genehmen Lektüre der politischen Blätter. So verzeichnet das Tagebuch gleich am 29. und 30. Mai, dann am 5. und 7. Juni „politische Zeitungen" oder „Blätter". Auch auswärtige Ereignisse werden aufgenommen, wie die Nachricht von der am 23. Mai erfolgten Einnahme Neapels durch die Österreicher; König Murat hatte sich am 3L März für Napoleons Sache erhoben, aber durch die unglück- lichen Kämpfe bei Tolentino im Anfang Mai sich gezwungen gesehen nach Frankreich hin zu flüchten, wodurch den Gegnern in Italien freie Hand blieb. In gleicher Weise ist am 4. Juni Marschall Bertliiers Tod verzeichnet, der am 1. Juni durch einen Sturz von dem Balkon des Bamberger Schlosses seineu Tod suchte.

Näher gingen ihn schon die „neuesten Abtretungen und Besitznehmungen", sowie der „Ländertausch" (ö. und 13. Juni) an, die er mit Gramer, dessen Heimat sie zum Teil betrafen, besprochen haben mag; durch die Verträge vom 14. Juli 1814 und 31. Mai 1815 hatten sich die beiden nassauischen Haupt- linien, dann die walramische mit Preussen so verständigt, dass durch verschiedene Abtretungen und Tausche das schön abgerundete Plerzogtum für Nassau und besser zusammengelegte Länderstrecken für l^reussen geschaffen wurdeu.**"*) Gramers Heimat fiel infolgedessen an die Krone Preussen. Zur Ausführung dieser Vereinbarungen waren alsbald Kommissäre bestellt worden; ihre bis-

"«) Verordnungsblatt 1815, No. 10. 2") Menzel, Geschichte von Nassau VII (III), 876. Vor dem Ausmarsch des ersten Regiments war vor dem Kurhause zu Wiesbaden am 17. Mai ein feierlicher Gottesdienst von dem katholisciien und evangelischen Geistlichen ab- gehalten worden. Mass. liilelligenzljl. 181j. ^'"'; Menzel lil, 778, 8j4.

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herigen Ilnterthanen in den abgetretenen Gebieten entliessen die Fürsten von Nassau ans dem Unterthanenverbande am *. j ,■ 1815. "■''■') Am IG, .Imii, wo die Entscheidung bevorstand, bringt Major von Luck wieder „Politica Militaria" zum Gespräch.

Am 11. Juni war Goethe die eben erschienene und gerade in jenen Tagen doppeltes Interesse erregende Broschüre des Grafen v. Truchsess-Waldburg in die Hände gefallen; „Napoleons Heise von Fontainebleau nach Frejus"'""); sie zeigte den Imperator auf der tiefsten Stufe moralischer Schwäciio und Halt- losigkeit, indem der eben noch so gewaltige und übermütige Mann, um vor dem Unwillen seiner ehemaligen Unterthanen gescliützt zu sein, es nicht ver- schmähte österreiciiische Uniform anzulegen, die weisse Kokarde der liourbonen anzustecken und im Dunkel der Nacht die gefürchteten Orte vermied oder eilends durchfuhr.

Beunruhigend wirkte zuletzt noch am 18., an dem entscheidenden Tage, die Nachricht, dass die Garnison von Mainz aufbrechen solle (s. oben), an deren Stelle auch nassauische Truppen rücken sollten. Doch bald aber erst drei Tage nachher, am 21. kamen günstige Nachrichten von dem Kriegs- schauplätze, nachdem ihnen schlimme vorausgegangen waren. Darüber, sowie über die ganze vorhergehende Zeit schreibt Goethe in den Annalen: „Napoleon.s Wiederkehr erschreckte die Welt; hundert schicksalschwere Tage mussten wir durchleben. Die kaum entfernten Truppen kehrten zurück; in Wiesbaden traf ich preussische Garde.'*''') Freiwillige waren aufgeboten und die friedlich be- schäftigten, kaum zu Athem gekommenen Bürger fügten sich wieder einem Zustande, dem ihre physischen Kräfte nicht gewachsen und ihre sittliciieu nicht einstimmig waren. Die Schlacht von Waterloo, in Wiesbaden zu grossem Schrecken als verloren gemeldet, sodann zu überraschender, ja betäubender Freude als gewonnen angekündigt. In Furcht vor schneller Ausbreitung der französischen Truppen, wie vormals über Provinzen und Länder, machten Bade- gäste schon Anstalten zum Einpacken und konnten, sich vom Schrecken er- holend, die unnütze Vorsicht keineswegs bedauern."

Die Nachricht des Sieges erfuhr Goethe, wie es scheint, durch den Minister V. Marschall, doch war der Bericht noch unvollständig; genaueres meldete am 22. V. Luck, zugleich aber verlautete, dass die Nassauer zahlreiche Verluste erlitten hätten. Und in der That waren diese bedeutend; denn da sie zwei der am meisten gefährdeten Punkte, das Schloss Ilougomont und den Hof la Haye Sainte, zu verteidigen hatten, und gegenüber wiederholten kräftigen Angriffen ihre Aufgabe glänzend lösten, so waren viele tapfere Männer gefallen

■•^"•') Verordnungsblatt 1815, No. 20. =*»«) S. den Titel in dem Absclinitt 10, Lektüre. ^"') Das Tagebucli erwähnt diese erst am :{0. Juni, dal>ei den Grafen Henrkel. (ibrigons war die Einquartierung von Wiesbaden in diesem Jahre nirlit bedeutend. Der Oberbefehls- liaber der niittelrheinischen Armee, Feldmarschall Barclay de Tolly, hatte den Befehl erlassen, da<«s die rheinischen Bäder während der Badezeit von aller Einquartierung verschont bleiben sollten. Wiesbadener Wochenblatt, Bekanntmachung vom 20. und "_>7. Juni 181."). In Über- einstimmung damit weisen die Einquartieruiigslisten des Künigl. Staatsarchivs dahier für Wies- baden nur wenige einquartierte Oftiziere und .Soldaten auf.

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oder verwundet wordeu ; aber wie gross die Verluste waren, konnte sofort nicht festgestellt werden'"-'), und so schwebte man noch Tage laug zwischen Furcht und Hoffnung, («oethe nahm an diesen Sorgen Anteil; er schreibt am 5. Juli an Meyer: „Die grossen Nachrichten des Verlustes erst, dann des Gewinnes trafen hier heftig. Der Nassauer einzelne Leiden und Sorgen teilte man mehrere Tage." Nachdem am 27. das „neueste lUilletin vorgerückte IFauptquartiere" gemeldet hatte, erfährt er am 30. durch den Kammerherru v. Nauendoif eine „genauere Relation der grossen Schlacht."

Damit war für Goethe die Beschäftigung mit Politik, soweit es das Tage- buch erkennen lässt, erschöpft; er kehrte zu seiner gewöhnlichen Thätigkeit zurück, die der AVisseuschaft und Kunst gewidmet war.

(1. Wir wissen, dass der Erzherzog Karl am herzoglichen Hofe zu Biebrich unseren Dichter gesehen hatte. Dies gab iiim die Veranlassung zu einer Einladung nach Mainz, der Goethe am 18. Juli Folge leistete. Bei der Tafel werden noch Leute aus dem Gefolge der kaiserlichen Hoheit gewesen sein, mit denen ein Ausflug auf den Johannisberg, der am folgenden Tage stattfinden sollte, verabredet wurde. Auch den Obersten „Chevalier" de Lort besuchte Goethe damals zu Mainz.

7. Die Fahrt auf den Johannisberg am 19. Juli machte Goethe zum Zeugen eines für die Geschichte des Schlosses denkwürdigen Vorgangs. Das Kloster Johannisberg, gestiftet 1106, hatte sich anfangs rasch zu einer gewissen Blüte erhoben, aber Misswirtschaft und Verfall der Zucht brachten es all- mählich so herunter, dass der Erzbischof Daniel von Mainz (1555 1582) es zu einer Kellerei einrichtete, und als auch in der Folge die Verhältnisse sich nicht besserten, schien es geraten sich lieber des ganzen Besitzes zu entäussern. Der Fürstabt von Fulda, Konstantin v. Buttlar, wie Johannisberg dem Bene- diktiner-Orden angehörig und Primas desselben in Deutschland, beschloss die ehemalige Abtei zu erwerben und kaufte sie am 20. Juni 1710. Den alten Staiul aber führte er nicht wieder zurück, sondern begann alsbald an der Stelle der Klostergebäude ein Schloss zu erbauen, das von seinem Nachfolger im Jahre 1780 vollendet wurde. Unter der Fuldaischen Verwaltung hob sich der Weinbau ausserordentlich und gelangte zu seiner jetzigen Berühmtheit. Die politischen Stürme zu Anfang des 11). Jahrhunderts führten einen raschen Wechsel der Besitzer des Schlosses herbei. Auf das Haus Nassau-Oranien, dem es unter den Entschädigungen für Verluste in den Niederlanden im Jahr 1802 zuteil wurde, folgte am 20. August 1807 der französische Marschall Kellermanu, dem es Napoleon zum Geschenk machte, und im Herbste 1813 (0. November) die Besetzung durch die Alliierten; vorläufig wurde eine Admi- nistration bestellt, die bis zur Entscheidung über den Besitz die Verwaltung des Gutes führen sollte; sie stand unter der General-Administrations-Kommission zu Mainz und wurde dem k. k. Geheimerat und bevollmächtigten Minister Freiherrn

^"-) Noch jetzt scliwanken die An^liCn der verschiedenen Berichte; vgl. die Regiments- geschichten von Jscnibnrt i2. Regiment^ und v. Rüssler il. Regiment), Menzel III (VII), ST«; Kolh, Freili. v. Kruse, ö. ü7.

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V. Hügel übertragen. Nach den Wiener Vertrügen, Artikel 51 der Kongress- akte, und dem Vertrag vom 12. Juni 1815 zwischen Österreich und Preussen ging das Schloss in das Eigentum des Kaisers von Österreich ühor, und der Erzherzog Karl erhielt den Auftrag liesitz von demselben zu ergreifen. Dieser ernannte darauf den Oehcimerat Paul Anton v. Handel zum „Übernahme- Kommissarius" mit dem Auftrage die Übernahme am 10. Juli 1815 zu voll- ziehen. So begab sich derselbe in Begleitung mehrerer Oftiziere und Beamten aus der Umgebung des Erzherzogs an dem bestimmten Tag an Ort und StelN*; der bisherige Kellner Pater Arnd legte die letzten Rechnungen und die In- ventare vor und empfing die Bestätigung seines Amtes, worauf die Besitzer- greifung Namens des Kaiserhauses ausgesprochen und zum Zeichen derselben das kaiserlich österreichische Wappen an das Hauptthor angeschlagen wurde.*'')

Diesem Akte wohnte Goethe gemäss der Einladung bei und berichtet darüber im Tagebuch in der gewohnten Kürze; nach der Übergabe wurde von den Anwesenden ein Spaziergang um den Berg gemacht, wobei der Pater Arnd den Führer und „über die Kultur desselben" Mitteilungen gemacht haben wird. Daran schloss sich ein heiteres Mittagsmahl. Als Teilnehmer an dem- selben haben wir die in dem Tagebuch genannten Personen zu denken: den Herrn V. Hügel, den Grafen v. Westphalen, wohl den k. k. wirklichen Geheimerat Clemens August (1754 1818), den Generalfeldraarschall-Lieutenant Gottfried Freiherru v. Strauch, Vizegouverneur der Festung Mainz, den Geheimerat Paul Anton V. Handel'"'), später Direktor der Bundespräsidialkanzlei, den Regierungs- rat Joachim Kleyle aus dem Hofstaat des Erzherzogs und den Adjutanten des- selben, den Obersten Karl Freiherrn v. Gudenau."*"^) An den Grossherzog von Weimar berichtet Goethe darüber also^""): „Nach vollbrachter Übergabe, nach einem Umgang um Schloss und Burg, sodann einem heiteren Mittagsmahl, die Gegend immerfort bewundernd, sah ich dann den kaiserlichen Adler über den alten, in Eisen gegossenen fuldischen Kreuzen schweben und also auch den Besitz dieses merkwürdigen Erdpunktes entschieden." Entschieden aber war er nun doch nicht völlig; denn am 6. November 1816 ging er durch kaiserliche Schenkung an den Fürsten Metternich als ein volles Eigentum über mit dem Zusatz, dass das Gut unter kaiserlicher Oberherrlichkeit bleibe und jährlich ein Kanon, bestehend in dem Zehnten des Weinertrags, entrichtet werde.'^"")

Der 19. Juli war für Goethe noch in anderer Beziehung wichtig und er- freulich; an diesem Tage erhielt er durch eine Zeitungsnotiz die Nachricht, dass der Kaiser von Österreich ihm das Kommandeur-Kreuz des Leopoldsordens am 28. Juni zu Speyer verliehen habe. Die Nachricht davon empfing er, wie es scheint, noch zu Wiesbaden durch Herrn v. Hügel. Als er sich dazu be-

^**^) Über die Geschiclite des Johannisberges handelt nach älteren und eigenen Forsch- ungen in gründlicher Weise der Arcliivar Habel in dem Berichte der Kommission der nnss. Stände zur Untersuchung der staatsreclitliclien Verhältnisse des Schlosses Johannisberg vom 15. März 1849, in populärer Darstellung Zwenger in der Zeitschrift Ilessenland 1889, S. 188, 200 u. 235 und K. Braun in seiner Art in den Bildern aus der deutschen Kleinstaaterei I, 282 ff. ■•*"^) Das Tagebuch sciireibt: Reg. 11. Henckel. s"') Ebenda heisst er licn. AdJ. Bar. Quthenau. """^j O. J ulin, Goethes Briefe an Voigt, S. 532. - ="'"; Habel, a. a. ü. S. G3.

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reitete, so berichtet er seinem Fürsten am 20. Juli'**^), auf den Johanuisberg zu fahren, sei dieser hereingetreten, um ihm Glück zu wünschen zu der Ehrung, wobei er (Goethe) sich erinnert liabe, dass er auch dieses Gut des Grossherzogs früherer Verwendung verdanke. Zunächst war es nur die Mitteilung einer Zeitung, die diese Neuigkeit brachte; Goethe schnitt die Notiz aus derselben heraus und sandte den Zettel, in einen Brief eingeklebt, an den Geheimerat V. Voigt mit folgendem Zusatz^*'^): ,Was den Orden betrift't, habe ich weiter kein Dokument als obige Stelle aus einer Wiener Hofzeitung, nach welchem als einem untrüglichen auf dem Johannisberg mir von II. v. Hügel und sonstigen Anwesenden gar freundlich gratuliert worden. Ich vermuthete, es sei an Ihre Hoheit den Grossherzog gesendet, und freute mich es aus dieser Hand zu er- halten. Ew. Excellenz erlangen vielleicht nähere Kenntuiss durch unseren Geschäftsträger in Wien. Wenn es einmal seyn soll, so wünschte ich mich an Ser. Geburtstag damit zu schmücken." Der Grossherzog aber gratulierte ihm am 28. JuU also^^"): „Empfange meine besten Glückwünsche zum heiligen Leopold. Es freut mich, dass er angelangt ist, schon seit einem Jahre war er mir versprochen worden." Aus diesen und Goethes oben angeführten Worten geht hervor, dass die Anregung zur Verleihung des Ordens von Weimar aus- ging, diese also nicht der eigenen Entschliessung des Kaisers zuzuschreiben war und es längerer Zeit bedurfte, bis sie endlich erfolgte. Die Überreichung des Ordens fand denn am 1. August zu Wiesbaden statt.^^')

8. Die Lahnreise am 21., 22. und 23. Juli^'^") war bisher in ihrem ge- naueren Verlaufe wenig bekannt; in den Annalen ist sie mit kurzen Worten abgethan: „Eine Fahrt in verschiedene Gegenden zu beiden Seiten der Lahn mit Oberbergrath Gramer begonnen und mit ihm grösstentheil durchgeführt, gab manche schöne Kenntniss und Einsicht; auch verdiente sie wohl unter die kleinen geognostischen Iteisen aufgenommen zu werden" das ist alles, was wir von ihr hören, und unter die kleineu Reisen ist sie nicht aufgenommen worden. Das Tagebuch gibt nur dürftigen aber doch einigen Aufschluss über den Umfang, die Dauer und äusseren Erlebnisse der Reise, nicht aber hin- reichenden über den Gewinn an Kenntnis und Einsicht, der ihr zu verdanken war.

Die Veranlassung zu ihr gab wohl die Einladung des Ministers v. Stein nach Nassau; deun beide AusHüge konnten miteinander verbunden werden. Zu der mineralogischen Exkursion mögen die Mitteilungen Cramers mit bestimmt haben; auch war Goethe die Lahngegend nicht fremd, und er konnte die Er- innerung an die Wanderung des Jahres 1772 neu beleben. Endlich hatte er diese Gegenden in ihrer geographischen Gestaltung durch das Studium des Werkes von dem Erzherzog Karl über den Feldzug von 1796 genauer kennen gelernt. Auf den beigegebenen „höchst genau und sauber gestochenen Karten" fand sich gerade „die Umgebung der Lahn von Wetzlar bis Neuwied", und ihre Betrachtung lenkte seine Gedanken unwillkürlich von ihrer eigentlichen Bestimmung, die militärischen Bewegungen in jenem Krieg deutlich vor Augen

''^^) O. Jahn, Goethes Briefe an v. Voigt, 8. 582. =">») Ebenda S. 342. ^••') Brief- wechsel II, 54. ■"^) H. oben S. 96. ^""J Siehe die Tafel für die Lahnroise.

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zu führen, ab auf ihre sonstige Brauclibarkeit. „Tch machte die lieniorkung, sagt er, dass eine gute Militärivarte zu geognostischen Zwecken die allprdien- lichste sei". Nachdem also der Entschluss zu der lieise gefasst war, nahm er eifrig das Studium eben dieser Karten und von Schriften über die geognustiscijo Beschaffcnlieit dieser sowie ähnlicher Gegenden wieder vor^'-), um sich v(jr- zubereiteu und Fragen stellen zu künnen, deren Lösung er dort hoffen konnte.

Verfolgen wir nunmehr an der Hand des Tagebuchs den Weg, welche unsere Reisenden einschlugen. Am 21. Juli fuhren sie über die Platte nach Idstein, wo die Kirche und das Schloss ihre Aufmerksamkeit erregte. Das auf einem Felsen, der sich in der Ebene erhebt, auferbaute Schloss steht an der Stelle einer älteren Burg, die Graf Ludwig IL (1G02 1G27) im Jahre 1G15 niederreissen Hess, weil sie baufällig geworden war; den sofort begonneiuMi Neubau vollendete sein Nachfolger Johannes (1027 1677) und umgab ihn mit Gartenanlagen, die leider verschwunden sind. Das neue Schloss blieb die Resi- denz der Grafen, bis Johanns Nachfolger, Fürst Georg August, das Schloss zu Biebrich erbaute und mit ihm die Linie Nassau-Idstein erlosch. Graf Johannes hatte zugleich die Kirche in seinen letzten Regierungsjahren im Innern kunst- voll ausbauen, mit Säulenarkaden von Marmor und Gemälden schmücken lassen. ^^^) Von Idstein ging es nach Oberselters, wo eine minder bedeutende Mineralquelle ist, dann nach dem berühmteren Niederselters; über die Ver- hältnisse der Orte gaben der Verwalter Münz und der herzogliche Brunneii- kommissarius Alexander Westermann Aufschluss.^^'^) Die Nacht brachte man iu dem Dorfe Blessenbach (nicht Plessenbach, wie das Tagebuch bietet) bei dem reformierten Pfarrer des Ortes Johann Jakob Mess zu; vielleicht besuchte man auch am Abend die Dachschiefergrubeu, die damals noch betrieben wurden.

Am 22. Juli kehrte man durch die waldreiche Lange Hecke, die dem Dorfe den Namen gegeben hat, nach Lang hecke zurück; man war am vor- hergehenden Tage an ihm vorbeigefahren, wahrscheinlich weil der arme und kleine Ort kein geeignetes Nachtquartier bot. In der Langen Hecke gab es viel zu sehen; es wurde dort Dachschiefer, Blei und Eisen gewonnen, letzteres auch verhüttet. Der Hüttenschreiber Eppstein gab Mitteilungen über das, was seines Wissens war; der Betrieb der Gruben reichte zum Teil in sehr frühe Zeit zurück. ^^^) Am Mittag fanden sich der Pfarrer Mess und der Brurnen- kommissar Westermann wieder ein. Dann fuhr man nach Limburg, wo der „rote Ochse" Nachtquartier gewährte.^^*^) In einem Briefe an seine Frau vom 8. August vergisst Goethe nicht zu erwähnen, dass die Lange Hecke „berüchtigt sei wegen Schinderhannes Fluchtwinkel" ; und in der That war die Gegend von jeher berüchtigt und gefürchtet, weil sie oftmals einzelneu Räubern

3'2j Wir haben sie oben S. 112 erwähnt; die vollständigen Titel 8. in Abschnitt 10,, Lektüre, schon Ende Jnni, dann vom 14. Juli an. *'*j Rizliaub, Einige Nachricliten von der Stadt Idstein. Programm des Gymnasiums zu Idstein 1787, S. 3.") iT. W. Cuntz, Die Kirche zu Idstein, 1868. ^'*) Über den Brunnen am Ende des vorigen Jahrhunderts vgl. Schlüzers Briefwechsel IV, 22, S. 275 u. VIII, 4.S, S. 11. "'^l Vgl. Wencken- bach, Beschreibung des Bergroviers Weilbnrg, 1879, S. 114, 122, \:i:> fW '"S Jetzt im Be- sitz der Witwe Künigsberger (Lederliandiung), schräg der Post gegenüber.

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und ganzen Bauden eine Zufluchtstätte geboten hatte. Der bekannte Räuber- hauptmaun Schinderbannes (Johann Bückler) wurde bei Wolfenhausen in der Nähe des Dorfes Langhecke am 31. Mai 1802 gefangen genommen und am 21. November 1802 mit mehreren seiner Genossen zu Mainz hingerichtet. Es wird auch von ihm und seinen Thateu, über die vieles Schreckliche und auch Heiteres umlief und noch jetzt erzählt wird, in der Mittagsgesellschaft die Rede gewesen sein.^*')

Der 23. Juli führte von Limburg nach Nassau. Zuerst bemerkt das Tagebuch: .Preussisch Militär"; seitdem Preussen im Besitz von Koblenz mit dem Rheinland und der Stadt Wetzlar war, bedurfte es einer Etappenstrasse, die beide Landesteile verband; diese war, so lange das Herzogtum Nassau bestand, die Strasse an der Lahn und berührte Weilburg, Limburg, Diez u. s. w. Unseren Reisenden begegneten also preussische Truppen, welche zunächst nach Wetzlar bestimmt waren. Dann gelangten sie nach Holzappel, ehemals Esten, dann nach dem kaiserlichen General Peter Melander, Grafen von Holz- appel, der die Herrschaft im Jahre 1643 gekauft hatte'"), Holzappel (nicht Holzapfel) genannt. Hier empfing sie der Bergkommissär Schreiber, der sie nach der Silberschmelze'") geleitete und nachher freundlich bewirtete. Be- deutend und anregend müssen die Gespräche über das „Verschieben der Gänge und Andres Geologisches" gewesen sein, zumal da hier der Verfasser eines gediegenen Buches darüber damals sich aufhielt, das Goethe zu Wiesbaden gelesen hatte. Darüber bemerkt Goethe in den Annalen: Jn Holzapfel (sie), bei Gelegenheit des dortigen höchstmerkwürdigen Ganges, kam Werners Theorie der Entstehung der Gänge (von 1791) zur Sprache, ingleichcn des dort ange- stellten Schmidts Verschiebung der Gänge (von 1810).''") Diese richtige, von mir so oft betrachtete und immer geheimnissvoll bleibende Erscheinung trat mir abermals vor die Seele, und ich hatte das Glück im Lahnthal einer auf- gehobenen Abtei ungefähr gegenüber |Arnsteinj, auf einer verlassenen Halde Thonschieferplatten mit kreuzweise laufenden sich mehr oder weniger verschieben- den Quarzgängen zu finden, wo das Grundphänomen mit den Augen gesehen, wenn auch nicht begriffen, noch weniger ausgesprochen werden kann." Die Erwähnung der aufgehobenen Abtei Arustein hat uns schon in „die Lahn- schluchten" hinabgeführt"-'); fast scheint es, als ob über den wissenschaftlichen

^") Rauchhaupt, Aktenniiissige Geschiclite des berüchtigten Räuberhauptmanns Job. Hückler, genannt Schinderhannes, 1891. ^'*) Vogel, Beschreibung des Herzogtums Nassau, S. 774. W. Hof mann, Peter Melander, Reichsgraf zu Holzappel, 1882, S. 139. ä*®) Über die Blei- und Silberhütten daselbst siehe die Beschreibung der Bergreviere Wies- baden und Diez, 189:5, S. lOG. •'''") Siehe Abschnitt 10, Lektüre, 14. bis 17. Juli. ^■-'y Während des Druckes wurde uns von befreundeter Seite mitgeteilt, dass an der Lahn der Ort, wo Goethe ausgeruht habe (vergl. S. 58), jetzt Goethewinkel genannt werde; er befinde sich in einer Sclilucht zwischen zwei Bergen bei Obernhof. Ist dies begründet und wir haben keinen Grund es zu bezweifeln , so kann der Zeitpunkt von Goethes An- wesenheit daselbst reclit wohl aucli in die zweite Lahnreise 1815 fallen, als er durch die „Lahn- Scliluchten" zur Lahn hinabstieg, also in den '_':J. Juli 1815, nur dürfte dann von einem Aus- ruhen nicht gesprochen werden, sondern höchstens von einem Verweilen etwa bei der Gelegen- heit, dass er Gestein untersuchte, da er den Weg nicht zu Fuss zurücklegte und eines Aus- ruhens nicht bedurfte.

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Beobachtungen und dem Funde, den ci* hier maclito, ganz vergessen habe den Blick auf die aus der waldigen Einsamkeit plötzlich hervortretende, prächtige romanische Kirche von Arustein zu werten, da er ihrer nicht weiter geilciikt. Mit der Ankunft in Nassau war das Ziel der mineralogischen Seite der Lalin- reise erreicht; die Wege der Keisonden werden sich hier gctreimt haben, indem Gramer den Heimweg antrat, Goethe nunmehr zu dem Besuche des Minist(;rH V. Stein sich anschickte. Doch werden die Unterhaltungen vor der Trennung, am Abend des 23. und am Morgen des 24. Juli, noch einmal das „Verwerfen der Gänge" aufgenommen haben, wie aus den Bemerkungen des Tagebuchs zu schliessen ist; die letzte Notiz des 23. heisst: „Theorie des Gang-Verwerfens", die erste dos 24.: „Verwerfen der Gänge."

9. Über den Besuch bei dem Minister v. Stein waren wir bisher ebenfalls nur ungenügend unterrichtet; nicht einmal wie es dazu gekommen, wusste E. M. Arndt richtig anzugeben'"), wenn er sagt. Stein habe zufällig gehört, dass Goethe auf einer Lahnwanderung, die er blos zur Erinnerung an die frühere unternommen, in Nassau im Löwen abgestiegen sei: „er [Stein] flugs in den Löwen und holt und zwingt den Sträubigen in sein Schloss hinauf." Nein, lieber Arndt, so war es nicht, wie uns das Tagebuch meldet. Die vorausge- gangene Einladung Steins haben wir oben angeführt und auch den wissenschaft- lichen Zweck der Reise genugsam erkannt. Und am Morgen des 24. Juli kam nicht Stein zu Goethe, um ihn abzuholen, sondern dieser Hess sich, wie es sich wohl geziemte, bei dem Minister anmelden, machte dann einen Spaziergang „übers Wasser", da die jetzige Kettenbrücke noch nicht erbaut war, und durchwanderte die dortigen Anlagen auf dem Gebiete der Burg Stein. Ein „eintretendes Ge- witter verpasste'-") er im Adler." Dann begab er sich in das Schloss des Ministers.

Wie die beiden grossen Männer, der grosse Dichter und grosse Staatsmann, beide zu jener Zeit ohne Zweifel die grössten Deutschen, die aber so ganz verschiedene Vergangenheit hatten, so ganz verschiedener Thätigkoit und auch religiöser Anschauung waren, damals sich entgegengetreten sein mögen, jeder des anderen Grösse achtend. Stein ausserdem als Hausherr, der den Gast ge- laden, doppelt zuvorkommend und fast seine eigene Natur verleugnend, das können wir der Schilderung von E. M. Arndt, der sie bald darauf zu Köln zu beobachten Gelegenheit hatte, entnehmen; als er mit Eichhorn im Dom zu Köln Stein begrüsst hatte und sie nun Goethe vor dem Dombild stehend erblickten, sagte Stein zu ihnen: „Lieben Kinder, still! still! nur nichts Politisches! das mag er nicht; wir können ihn da freilich nicht loben, aber er ist doch zu gross!"* „Wunderbar, fährt er fort, gingen die beiden deutschen Grossen hier neben einander her wie mit einer gegenseitigen Ehrfurcht." Und weiter: „Ich kann mir denken, wie die beiden Reisegefährten jeden Zusammenstoss vermieden: es war gewiss die äsopische Reise des steinernen und irdenen Topfes. So gingen sie auch in Köln neben einander hin mit einem zarten Noli me tangere.

^") E. M. Arndt, Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem KeicIistVeilierru V. Stein, 1858, S. 225. '") Über verpassen s. oben S. 138, Anm. 268.

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Nirgends habe ich Steins Rode in Gesellschaften stiller tönen hören. "^-") An einer anderen Stelle führt er seinen Vergleich mit der fabelhaften Reise des diesmal eisernen und thönernen Topfes weiter aus; sie seien mir der aufmerk- samsten und vorsichtigsten Zärtlichkeit nebeneinander hergegangen, ohne gegen- einander zu stossen; Goethe habe Stein eine Art erstaunter Ehrfurcht gezeigt, Stein aber sei ungewöhnlich sanft und mild gewesen und habe den kühnen und geschwinden Atem seiner Natur augehalten, den Löwen gezügelt, sodass er nimmer herausguckte.'^-"')

In solcher Stimmung mögen die beiden ^länner, auf die Deutschland stolz war und noch ist, einander entgegengetreten sein, Charaktere, die Goethe im „Tasso" in Konflikt gezeigt hat, und es ehrt beide, dass sie, jeder des anderen Verdienste anerkennend, die Klippe vermieden, an der Tasso scheiterte. Über den Inhalt ihrer Unterredungen sind wir leider wieder dürftig unterrichtet; nur die Gegenstände derselben können wir nach dem Tagebuche verfolgen. "Wir wollen danach den Verlauf des Aufenthalts von Goethe überhaupt darzustellen versuchen.

Zunächst wurde die Reise Goethes besprochen, die „Mineralien", die er gefunden, die AVege, die er eingeschlagen, und im Anschluss daran „Landkarten" hervorgeholt. Dann wendete sich das Gespräch auf Politik. Stein wusste, wie wenig Vertrauen der Dichter der begeisterten Erhebung des deutschen Volkes im Jahre 1813 entgegengebracht hatte; der bekannte Ausspruch; „Ja, schüttelt nur an euren Ketten, der ^lann ist euch zu gross!" war ihm hinter- bracht worden, und er hatte dazu gesagt: „Lasst ihn, er ist alt geworden."'-®) Aber jetzt war das Werk geschehen, war der korsische Eroberer zweimal be- siegt und Hoffnung vorhanden, dass ein dauernder Friede und bessere Gestaltung auch der deutschen Verhältnisse eintrete. Eben war man zu Paris damit be- schäftigt die Früchte der schweren Kämpfe und Siege einzuernten, und Stein selbst sollte durch seine wuchtige Stimme dazu mitwirken. Er stand in fort- währender Verbindung mit den leitenden Staatsmännern; am 26. Juli, als er mit Goethe zusammen war, erging ein Schreiben des Staatskanzlers Hardenberg an ihn^"), welches ihn beschwor so schnell als möglich nach Paris zu kommen, und am 28. ein gleiches von Capodistria; am 31., dem Tage ihres Abschieds, kündigte er seine Abreise auf den 8. August an, da das Emser Wasser und die Landluft seine Gesundheit hinreichend hergestellt hätten, um die Reise nach Paris unternehmen zu können. Kein Wunder, wenn sein Herz voll war von Gegenständen, denen Goethe soeben wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte und auch nicht zu schenken liebte, auf die er aber jetzt eingehen musste.

Nach dieser ersten Begegnung kehrte Goethe in seinen Gasthof zurück. Das Tagebuch fährt dann fort: „Einrichtung" [im Gasthof]; sodann „im Garten. Spazieren; zu Tafel; Frl. v. Walmoden; im Garten; auf die Burg; Entschluss nach Cöln zu fahren."

^") Arndt a. a. O. "■^) Pertz, Leben Steins IV, 483. Die Fabel vom eisernen und irdenen Topf findet sich bei Lafontaine V, 2; sie passt indessen nur für die Reise selbst auf fitein und Goethe, nicht für den Ausgang. ^-*) Pertz III, 374. ^'") Ebenda IV, 4SU If.

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Die Familie des Ministers bestand damals aus seiner ftattin Willielmine, geb. Ciräfin v. Wallmoden-Ciimborn, mit der er nunmehr 22 Jalne verbunden war und ein glückliches, aber vielfach durch Staatsgeschäfte und die Achts- erklärung Napoleons gestörtes Leben gefülirt hatte, und zwei Töchtern, von denen die ältere damals 19 Jahre, die jüngere 12 Jahre alt war; anwesend war ausserdem eine Frl. v. Walmoden und (am 29. genannt) eine Fr. v. . . ., deren Name Goethe entfallen war; sie war eine geb. Gräfin Brühl.

Die Burg Stein, am Fusse der Burg Nassau gelegen, da, wo jetzt das Standbild des Reichsfreiherrn steht, bildete einen beliebten Spaziergang der B'amilie; schattige Wege liefen zwischen den belaubten Bäumcni hin, und seit- wärts eilte in der schmalen Wiese der Mühlbach dem Wasser der Lahn zu. liier hatte, als im Herbste 1814 endlich die Rückkehr des Schlossherrn bevor- stand, ein alter Maurermeister, vor langen Jahren des Ministers Spielkamerad, durch mühevolle und kunstreiche Zusammenstellung von Steinen, Moosen, Blumen und Zweigen die Thaten und Leiden der jüngsten Feldzüge, den Brand Moskaus, die Leipziger Schlacht u. s. w. bildlich dargestellt und Steins Wappen und Namen und wohlverdiente Kränze an verschiedenen Stelleu angebracht. Als Stein diese seine Verherrlichung erblickte, geriet er in Zorn und wollte alles sogleich wegschaffen lassen; erst die Fürbitten seiner Schwester, Arndts und andrer Gäste brachten es fertig, dass er erlaubte, dass Wind und Wetter das Werk des treuen Maurermeisters zerstören durften.'^*)

Hier, auf der Burg Stein, scheint der Minister Goethe den Vorschlag mit ihm nach Köln zu fahren und ihn zugleich mit seinem Wunsche bekannt gemacht zu haben, dass Goethe eine Denkschrift über Kunst und Altertum in den Rheinlanden ausarbeiten und dem Fürsten Hardenberg einreichen möge, wie wir schon oben bei Boisseree dargelegt haben. Goethe ging darauf ein, und so unternahm er in der „ehrenden Gesellschaft des H. v. Stein" die Reise nach den niederrheinischen Städten Köln, Bonn u. s. w., die wir hier übergehen müssen. Am 25. Juli sagt das Tagebuch: „Mit TL v. Stein zu Wagen bis Ems, ferner bergan und bergab bis Thal Ehreubreitstein, [von da] im Nachen abwärts" u. s. w. Nach einer mehrtägigen Abwesenheit trafen spät am Abend des 28. Juli unsere Reisenden wieder in Koblenz ein. Am folgenden Tage veranstaltete der Präsident des rheinischen Revisionshofes von Meusebach, der früher in nassau-oranischen Diensten zu Dillenburg gewesen war, ein Frühstück zu Ehren der beiden Männer auf der Carthause, wozu hervorragende Persön- lichkeiten von Koblenz geladen waren; doch die Hoffnung desselben Goethe näher treten zu können verwirklichte sich nicht, da dieser zu sehr mit den mineralogischen Funden beschäftigt war, die ihm von einer Art Famulus zuge- tragen wurden; er mochte wohl auch an Meusebachs, in der Art Jean Pauls nach künstlichen Gedankensprüngen haschender Unterhaltung keinen Gefallen finden. Meusebach war von dem Zusammensein mit Goethe höchst unl)o- friedigt.^*^')

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") Arndt a. a. 0. S. 222 ff. *-") Das Tagebuch nennt ihn Meusburg. Über iltn vgl. Annalen des nass. Altertumsvereins XXI, 43 ff. und XXII, 1 ff., besonders S. 8.

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Nachdem mau am 29. iu Nassau wieder angelangt war, blieb Guetiie, wie es scheint, während des Tages ganz iu dem llause des Ministers. Das Tagebuch berichtet: „Mit der Familie gespeist. Schüz Gemälde."^") Abends Thee bey Fr. v. Stein" und am 30.: „Im Garten mit Ilru. v. Stein und den Damen. Gesprochen und contradicirt. Mittag Familientafel. Spaziergang mit den Damen in ein Thal über dem Wasser [MühlbachthalJ. Thee und Essen bei Fr. v. Stein. Präs[ident] v. Motz zu Diez."^^^) Und am 31.: „Gepackt. Mit Hrn. V. Stein und Motz im Garten. Dazu die Damen. Abschied." Der Rück- weg führte nach Schwalbacli, wo Goethe an der Tafel den Gr. Ilatzfeld, Hrn. Gontard mit Familie und v. Oppel aus Sachsen traf, von da nach glücklicher Fahrt an der Xounenmühle vorbei nach Wiesbaden. Unterwegs überdachte er die Ausarbeitung der Denkschrift über die Kunstschätze am Main und Rhein, die ihn demnächst noch welter beschäftigen sollte in Gemeinschaft mit S. Boisseree. In Wiesbaden fand er viele Briefe und Packete. Das Tagebuch schliesst den Bericht über den Verlauf des Tages mit don Worten: „Ausgepackt. Einge- richtet." Am 10. September richtete er an den Minister einen Brief, der woiil eine Mitteilung über das Ende der Reise und einen Dank für die freundliche Aufnahme enthalten hat.

Denn von dieser, sowie von dem Gewinn des Zusammenseins mit dem Reichsfreiherrn war er sehr befriedigt. An den Geheimerat v. Voigt schrieb er am 1. August darüber also: „(Die achttägige Reise) war sehr fruchtbar an Vergnügen und Belehrung. Dass ich mit H, v. Stein in so nahe Berührung gekommen, ist für mich, in vielfachem Sinne, höchst bedeutend und es ergeben sich aus diesem Anfange, für mich und für andre, gewiss erwünschte Folgen. "^^'-)

10. Lektüre.

Es erscheint zweckmässig, um die Lektüre Goethes während seines Aufenthalts zu Wiesbaden leicht zu überschauen, die Bücher oder geschriebenen Aufzeichnungen, welche er in dem Tagebuch nennt, Tag für Tag zusammen- zustellen. Wir geben diese Zusammenstellung im Folgenden mit Zufüguug der Seitenzahl, unter welcher in diesem Aufsatze jede Schrift erwähnt wird.

1814.

Donnerstag den 4. August: „Broschüre: Adresse an die Germanen des linken Rheinufers". Der volle Titel ist: Europa iu Bezug auf den Frieden. Adresse an die Germanen des linken Rheinufers. Im Mai 1814. [S. 81.

Freitag den 5. August: „Otto chemische Abhandl." S. den Titel S. 118.

Samstag den 6. August: „Otts ehem. Static." [S. 118.

» r, n V „Barbarossas Palast". [S. 114. 115.

"") Vielleicht ein Gemälde des Frankfurter Malers Chr. G. Schütz (1768-182.3); vgl. Gwinner, Kunst und Künstler in Frankfurt, S. :521. =*■") Der Geheimerat Karl v. Motz war Yizedirektor des Obcrappellationsgerichts zu Dicz, wurde im September 1815 zum Direktor der Oberrechnungskommi.ssion zu Dillenburg ernannt und schied im Anfang des Jahres 1816 aus dem nassauischen Dienste. Verordnungsblatt ]No. S vom IG. März 1816. ^^^) Briefe u. 8. w. JS'o. 188 S. 342.

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Sonnttig den 7. August: „Willuincrs Strcitischrift gegen die Theater- direktion«. [S. SS.

Montag den 8. August: „Altcnlvirclien von Cramer". |8. 109. IIU.

Dienstag den 9. August: „Verschiedene Büclier und Broschüren".

Mittwoch den 10. August: „llundeshagen Tempelherrn Capeile an der Mosel.« [S. 115.

Donnerstag den 11. August: „Almedingens Heft". Über dasselbe lies« sich nichts ermitteln. [S. 117.

„Serenissimo Aachen, Sartorius Recension". Die Kecension des Göttinger Trofessors Sartorius betraf das Buch von Weisse, Neueste Geschichte dos König- reichs Sachsen seit dem Prager Frieden. Bd. III. 1764 1812, und ist in den Göttinger Gelehrten Anzeigen 1814, No. 122, S. 1209 ff. abgedruckt.

„Zelter las die Jeuaische Recension des Werks der Frau v. Stael" : Madame la Baronesse de Stael-Holstein, de rAllcmagne, 6 Teile, 1813 und 1814, abgedruckt in der Jenaischen Allgemeinen Litteraturzeitung von 1814, No. 139—144, Sp. 161—206, und mit ** unterzeichnet. [S. 80.

Freitag den 12. August: „Carte von Altenkirchen". [S. 111.

„Zelter. Recension fortgesetzt". S. den 11. August. „Neueste Stücke der Minerva Freyh. von S a über deutsche Litteratur" = Barbarei der deuts(;hen Litteratur, aus den ungedruckten Memoiren des Freyh. v. S— a. Minerva, 1814, 1.

Samstag den 13. August: „Gernings Carte aufgezogen". Karte des Taunus? „Grosse Stromkarte des Rheins". [S. 116.

Sonntag den 14. August: „Rheinisches Archiv". So hiess die Monats- schrift für Geschichte und Litteratur, die seit dem Jahre 1810 bis Ende 1814 N. Voigt (zuletzt J. Neeb) und J. Weitzel herausgaben.

Freitag den 19. August: „Berliner Zeitung".

Samstag den 20. August: „Lienhard und Gertrude", von \l. Pestalozzi, 4 Teile, zuerst gedruckt 1781. [S. l'-'O.

Sonntag den 21. August: „Lienhard und Gertrude". [S.

Montag den 29. August: Englische Karte.

1815.

Mittwoch den 31. Mai: „Tavernier". Jean-Baptiste Tavernier (1605—1689) machte grosse Reisen im Orient, deren Beschreibung unter dem Titel erschien: Les six voyages de J.-B. Tavernier, qu'il a faits en Turquie, en Perse et aux Indes pendant l'espace de quarante ans et par toutes les routes que l'on peut tenir. Paris, 3 vol. 4°. 1676—1679. Goethe studierte sie und machte Exccrpte aus Bd. I und 11; von Tavernier sagt er: „Protestantische Franzosen, die cultivirtesten Menschen, die es je gab." S. die Anmerkungen zu den Noten und Abhandlungen zum Divan, Weimarer Ausgabe (I, 7 der Werke) S. 285. Vffl. den Text der Noten u. s. w. S. 214 und die Annaleu 1815. S. 164.

Donnerstag den 1. Juni: „Göttinger Anzeigen". [^- H^.

Samstag den 3. Juni: „Göttinger Zeitungen 1814". -n «

Montag den 5. Juni: „Göttinger Zeitungen 1814". n «

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158

Dienstag den 6. Juni: „Göttinger Anzeigen". [S. 116.

Mittwoch den 7. Juni: „Göttinger Anzeigen".

Donnerstag den 8, Juni: „Göttinger Anzeigen repetirt". Freitag den 9. Juni: „Tavernier". S. den 31. Mai.

.Samstag den 10. Juni: „Göttinger Zeitungen".

Sonntag den 11. Juni: „Napoleons Reise nach Elba". „Tavernier". Die Reise Napoleons behandelte das Schriftchen: Napoleon Buouaparte's Reise von Fontainebleau nach Frejus vom 17. bis 29. April 1814. Herausgegeben von dem znr Begleitung Napoleon Buouaparte's allerhöchst ernannten königl. Prcuss. Commissarius Grafen v. Truchses- Waldburg, königl. Preuss. Obersten u. s. w. Einzig rechtmässige Ausgabe. Berlin 1815. Sie ist bald darauf in das Französische übersetzt und später neu herausgegeben worden von J. Alex. Freih. v. Helfert, Napoleon I. Fahrt von Fontainebleau nach Elba April bis Mai 1814. Mit Benutzung der amtlichen Reiseberichte des kaiserlich öster- reichischen Commissars General Koller. Wien, 1874. [S. 147.

Montag den 12. Juni: „Werck des Erzherzogs". „Tavernier". Grund- sätze der Strategie erläutert durch die Darstellung des Feldzuges von 1796 in Deutschland. 3 Bde. Wien, 1814. [S. 104.

Dienstag den 13. Juni: „Erzh. Carls milit. Schrift." „Tavernier Diamant- gruben". In Taverniers Werk ist die Gewinnung von Diamant ausführlich behandelt.

Mittwoch den 14. Juni: „Leipz. Lit. Zeitung". „Göttinger Anzeigen". „Tavernier".

Mittwoch den 21. Juni: „Göttinger Zeitungen". [S. 116.

Samstag den 24. Juni: „Göttinger Anzeigen 1812".

„Ullmanns Franckenb.". Unter diesem Namen ist, sei es aus Irrtum oder durch einen Schreibfehler, versteckt das Werk des Marburger Professors der Staatswissenschaft, Berg- und Hüttenkunde Joh. Chr. Ullniann (1771 bis 1821): Mineralogische Beschreibung des Frauenberges im Oberfürsteuthum Hessen. Vgl. Strieder, hess. Gel. XYI 239, XVII 394. [S. 112.

Samstag den 25. Juni: „Göttinger Zeitungen 1812". [S. 116.

Mittwoch den 28. Juni: „v. Hövels Gebirge der Grafschaft Marck". = F. V. ILivel, königl. Preuss. Landrat zu lierbeck, Gcognostische Bemerkungen über die Gebirge in der Grafschaft Mark nebst einem Durchschnitt der Gebirgs- lagen, welche das dortige Kohlengebirg mit der (frauwacke verbinden. Han- nover, 1806. 70 S. 4". |S. 112. 151. Donnerstag den 29. Juni: „v. Hövel". |„ Freitag den 30. Juni: „Beckers Dilleuburg". Gemeint ist das Buch von Joh. Phil. Becher, mineralogische Beschreibung des Westerwaldes, 1786, oder mineralogische Beschreibung der oranieu-nassauischen Lande mit einer petro- graphischen Charte der or.-nass. Lande und drei Kupfern. Marburg, 1789. 8". Über den bedeutenden Mineralogen Becher (1752 1831) s. Vogel, Archiv der nass. Kirchen- und Gelehrtengeschichte I. S. 174 ff. Gümbel, Allg. Deutsche Biographic. [S. 112.

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Sonntag den 2. Juli: „Amuscmcns des oaux de Schwalbach". = Mcrvillieux, Amüsements des Eaux de Schwalbacli, des Bains de Wisbadeu et Schlangenliad usw., 1738, und deutsch: Amusemens des Eaux de Schwalbacli oder Zeitvertreibe bey den Wassern zu Schwalbach, denen liädern zu Wisbaden und dem Schlangen- bad nebst zweyen lesenswürdigen Erzehlungen, darunter die eine von dem Neuen Jerusalem und die andere von einem Theile der unter Niemandes Bothmässig- keit stehenden Tartarey handelt. Mit Kupfersticlien versehen und aus «lern Französischen ins Deutsche übersetzt. Lütticli, 1739. [S. 11().

Freitag den 14. Juli: „Schmidt Verrückung der Gänge". = Job. Chr. Leberecht Schmidt, Bergmeister zu Bicken, Theorie der Verschiebung älterer Gänge mit Anwendung auf den Bergbau. Frankfurt 1810. 118 S. 8". |S. 112. 15i>.

Samstag den 15. Juli: „Schmidt Verschiebung der Gänge 1810". |„

Sonntag den 16. Juh: „Werner Gangtheorie". = Abrah. Gottlob Werner, Neue Theorie der Entstehung der Gänge mit Anwendung auf den Bergbau, besonders den Freiberger. 1791. Werner (gb. 1749, f 1817) war Bergbeamter, zuletzt wirklicher Bergrat zu Freiberg. [S. 112. 152.

Montag den 17. Juli: „Werners Gangtheorie". [u » »

Dienstag den 18. Juli: „Werk des Erzherzogs". [S. (114) 150 f.

Mittwoch den 19. Juli: „Erzherzogs Werk. Grundsätze der Strategie."

[S. (114) 150 f.

Donnerstag den 20. Juli: „Strategie. Zwischen der Sieg und Lahn." „Orientalisches".

Samstag den 5. August: „Schreibers Rheiureise". = Aloys Schreiber, Taschenbuch für Reisenden am Rhein und durch seine Umgebungen. Heidel- berg, 1813. [S. 11(5.

Donnerstag den 10. August: W. Butte, Grundlinien der Arithmetik des menschlichen Lebens. Den Titel des Buchs s. oben. [S. 97.

11. Eigenes Schatten.

1. Divan.

Die Jahre 1814 und 1815 bezeichnen bekanntlich den Zeitraum, in dem Goethe den grössten Teil der Lieder dichtete, die er unter dem Namen west- östlicher Divan^^^) vereinigt hat. Die Dichtung des Orients war ihm in früheren Jahren nicht fremd geblieben; die poetischen Bücher des alten Testamentes, namentlich das hohe Lied, den Koran und arabische Dichtungen hatte er schätzen gelernt; aber eine ganz neue Welt ungeahnter Genüsse und Anregungen er- wuchsen ihm, als er J. v. Hammers Fundgruben (1809) in die Hand bekam. Es begann damit für ihn ein neues dichterisches Leben, das uns die köstlichsten Erzeugnisse seiner Lyrik schaffen sollte.

=5") Divan = Sammlung verschiedener Stücke in Prosa oder Poesie, die gewöhnlich nach dem Tode des Verf. zusammengestellt wurden. Wurm, Kommentar zu (.ioethes west-östlichem Divan S. Ü.

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1.

21. Juni,

I,

8

26. Juni

11,

1

'6.

11,

3

4.

11,

4

5.

22. Juli

1,

7

6.

IV,

1

Im Herbste des Jahres 1818, als die Kriegsstürme an Weimar vorbei- gesaust waren, sehen wir den nicht mehr jungen Mann im eifrigen Studium der Grammatik des Orients; er macht Schreibübungen mit hebräischen, syrischen und arabischen Buchstaben, verzeichnet sich Worte, bemächtigt sich der Dekli- nation und Konjugation. •''^^) Bald versucht er sich in eignen Übertragungen und Xachbildungen, wobei er auf glückliche Weise den Reichtum und die Anmut seiner Vorbilder mit der Gedankenfülle und Tiefe des Occideuts zu verschmelzen weiss oder eigne Wege wandelnd in den eignen Schöpfungen den Glanz des Orients wiederspiegeln lässt.

Die ersten Lieder, die Goethe in den Divan aufnahm, sind im Frühjahre 1814 zu Berka gedichtet, wo er das Schwefelbad von der Mitte Mai an ge- brauchte, dann zu Weimar im Juli; von den datierten gehören hierher:

8^^^): Erschaffen (Hans Adam war ein Erdenkloss); W(eim). A(usg). S. 16. Beiname (Mohamed Schemseddin sage); W. A. S. 33. Fetwa (Hafis Dichterzüge sie bezeichnen); W. A. 36. Der Deutsche dankt (Heiliger Ebusund, hast's ge- troffen); W. A. 37. Elemente (Aus wie vielen Elementen); W. A. 14. Kath (Höre den Rath, den die Leier tönt); W. A. 67.

Das Gedicht I, 5 (Vier Gnaden) hat das Datum 6. Februar 1814, doch vermutet der Herausgeber der Weimarer Ausgabe, dass es dem Februar 1815 angehört (S. 365 der Anmerkungen).

Kaum aber hatte Goethe im Jahre 1814 die Reise an den Rhein ange- treten und ihn die frische Luft der thüringischen und hessischen Fluren um- fangen, so entströmte seiner Brust eine Fülle von Liedern; er zählt sie in Briefen an seine Frau auf.^^'')

Phänomen (Wenn zu der Regenwand); W. A. 17. Liebliches (Was doch Buntes dort verbindet); W. A. 18. Sollt' einmal durch Erfurt fahren; W. A. 278. Zwiespalt (Wenn links an Baches Rand); W. A. 19. Im Gegenwärtigen Vergangnes (Ros' und Lilie morgen-

thaulich); W. A. 20. Derb und Tüchtig (Dichten ist ein Übcrmuth); AV. A. 24. Lieblich ist des Mädchens Blick; W. A. 70. Keinen Reimer wird man finden; W. A. 97. Übermacht, ihr könnt es spüren; W. A. 99. Wenn Du auf dem Guten ruhst; W. A. 100. So lang man nüchtern ist; W. A. 205. Und was im Pcnd-Nameh steht; W. A. 7\.^^'')

•''") Goethes Werke, Weimarer Ausgabe 1, 7, S. 300. ^^°) Bezeichnung nach iler Hempelschen Ausgabe. ''^^i Weimarer Ausgabe I, 6, S. 318. ''') Dieses und die folgenden Gedichte tragen den Tag der Entstehung in der Unterschrift, Das Gedicht .,der Jahrmarkt zu Hünfeld" vom 2Ü. Juli fand keine Aufnahme in den Divan.

7.

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19. 27. Juli y, 8: Als wenn das auf Namen riilite; W. A. 102.

20. 29. Juli I, 1(5: Alllcben (Staub ist eins der Fdemente); W. A. 2f;.

Unterwegfs in der Nacht.

Diese zwanzig- Gedichte brachte Goethe nacliwcisbar mit nach Wiesbaden oder hatte sie vor seiner Ankunft «gedichtet und vierzehn von ihnen auf der Reise. „Denn, wie er Boisseree mitteilte''^^), kämen ihm die Gedichte auf ein- mal und ganz in den Sinn, wenn sie recht wären; dann müsste er sie aber gleich aufschreiben, sonst finde er sie nie wieder; darum hüte er sich auf <\ru Spaziergängen etwas auszudenken. Es sei ein Unglück, wenn er es nicht i^unz im Gedächtniss behalte; sobald er sich besinnen müsste, würde es nicht wieder gut, auch ändere er selten etwas; ebenso sei es ein Unglück, wenn er Gedichte träume, das sey meist ein verlorenes." So schrieb er No. 8 im Angesicht von Erfurt, No. 11 zu Fulda Abends 6 Uhr, No. 15 ebenda 8 "Uhr und 10 ebenda zur gleichen Stunde; No. 20 dichtete er unterwegs in der Nacht.

Nachdem Goethe in Wiesbaden um 11 Uhr in der Nacht des 29. Juli eingetroffen war, ist er sogleich am 30. mit dem Divan beschäftigt. Kaum hat er die erste Einrichtung getroffen, so schrieb er „Gedichte an Hafis" nh und kehrte am Abend mit Zelter zu Hafis zurück; am 31. ist im Tagebuch dreimal, Morgens vor und nach dem Bad sowie nach "der Tafel wieder der Divan notiert: „Divan geordnet ... In obigem fortgefahren . . Fortsetzung des obigen." Es werden die auf der Reise entstandenen Gedichte gewesen sein, die er hier in Reinschrift niederschrieb und in (vorläufige) Ordnung brachte. Dazu aber trat bald ein neues mit der Unterschrift W|iesJB[aden] d. 31. Juli 1814", Hempel I, 18; es trug früher die Überschrift „Selbstopfer" (Wiesbadener Register 52) oder „Buch Sad Gasöle I." Zu Grunde liegt dem Gedichte die dem Orient beliebte Allegorie, nach welcher der Nachtfalter das Sinnbild der treuesten, sich selbst opfernden Liebe ist; er umflattert das Ijicht, seine Geliebte, die nie ihm sich ihr zu nähern gestattet, bis er am Ende sich selbst in ihren Gluten verzehrt. Hafis:

Wie die Kerze brennt die Seele

Hell an Liebesflammen,

Und mit reinem 8iime liab ich

Meinen Leib geopfert.

Bis du nicht wie Schmetterlinge

Aus Begier verbrennest,

Kannst du nimmer Rettung finden.

Vor dem Gram der Liebe.

Und dieses Bild wird zum Ausdruck der Gottesliebe erhoben:

Wirft sich der Schmetterling des Nachts in Kerzenscheiu, Werft Euch in Gottes Feuormeer hinein!*^'')

Danach also dichtete Goethe am 31. Juli zu Wiesbaden:

(L) Selige Sehnsucht.

Sagt es niemand, nur den Weisen, Weil die Menge gleich verhöhnet,

338

) S. Boisseree I, 261. *•'*') Wurm S. 55 fl". v. Loeper zu 1, IS.

162

Das Lehend'ge will ich preisen.

Das nach Flammentod sieh sehnet.*^")

In der LiebesnSchte Külilung, Die dich zeugte, wo du zeugtest, Überfüllt dich fremde Fühlung, Wenn die stille Kerze'") leuchtet.

Nielit mehr bleibest du umfangen In der Finsterniss Beschattung, Und dich reisset neu Verlangen Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig, Kommst geflogen und gebannt, Und zuletzt, des Liclits begierig, Bist du Schmetterling verbrannt.

Und so lang du das nicht hast, Dieses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast^**) Auf der dunklen Erde.

Auf diesen viel verlieissenden Anfang verstummt plötzlich die Muse unseres Dichters. Wir dürfen wohl annehmen, dass zunächst die wissenschaftlichen An- regungen ihn zu sehr in Anspruch nahmen, vorab die mineralogischen Studien: auch die Kur verlangte ihr Recht, Besuche und der Verkehr mit den Freunden traten dazu. Erst am Ende des folgenden Monats, den 31. August, schrieb er wieder zwei Gedichte nieder. Das erste, Hemp. III, 16, W. A. S. 61, früher (Wiesb. Reg. 68) überschrieben ,Unverwehrtes', erhielt später die Überschrift „Unvermeidlich"; die ersten Zeilen erinnern an Hafis: Wer kann wohl gebieten Still zu sein auf der Flur^")? Es lautet:

(2.) Unvermeidlich.

Wer kann gebieten den Vögeln Still zu sein auf der Flur? Und wer verbieten zu zappeln Den Schafen unter der Schur?

Stell ich mich wolil ungeberdig, Wenn mir die Wolle kraus't? Nein! Die Ungeberden entzwingt mir Der Scherer, der mich zerzaus't.

Wer will mir wehren zu singen Nach Lust zum Himmel hinan, Den Wolken zu vertrauen, Wie lieb sie mir's angethan?

'■'*") Diese Strophe steht bei Hafis am Ende des Gedichtes: Kennet wohl der Pöbel Grosser Perlen Zalilwertli? Gib die köstlichen Juwelen Nur den Eingeweihten. =*") Die stille Kerze ist das Licht des höheren Lebens, der irdischen entgegengesetzt, v. Loeper. '") Güsto auf Erden sind die Menschen auch bei Firdusi (v. Loeper): Die Welt ist ein Gasthof, pack auf, geh fort; Hier geht ein Alter, ein Neuer kommt herein. «"; Wurm S. lo.j.

i

163

Das zweite Gedicht, früher „Glücklich Geheimuisa" oder fWiesb. Reg. G9) „Liebchen" überschrieben, steht jetzt als „Geheimes" im Divaii III. 7, AV. A. S. G2 und lautet:

(ii.) Geheimes.

Über meines Liebchens Äugeln.'") Stehu verwundert alle Leute; Ich, der wissende, dagegen Weiss recht gut, was das bedeute.

Denn es heisst: ich liebe diesen. Und nicht etwa den und jenen. Lasset nur, ihr guten Leute, Euer Wundern, euer Sehnen !

Ja, mit ungeheuren Mächten JJlickot sie wohl in die Runde; Doch sie sucht nur zu verkünden, Ihm die nächste süsse Stunde.

Anregung gab Hafis:

Über meines Liebchens Äugeln Staunen alle Unerfahrne: Ich bin so, wie ich erscheine, Während sie es anders wissen. ^''^)

Am 29. August schrieb Goethe an Riemer: „Die Gedichte an Hafis sind auf 30 augewachsen und machen ein kleines Ganze, das sicli wohl ausdehnen kaun, wenn der Humor wieder rege wird."^'^'^) Und er wurde während der folgenden Monate wieder rege, besonders aber, als der Mai 1815 den Dichter wieder an den Rhein führte, und wieder war es die Reise, welche ihm zuerst eine grosse Anzahl Lieder entlockte. Gleich am ersten Tag derselben (24. Mai) schrieb er zu Eisenach an seine Frau: „Kund und zu wissen jedermann, den es zu wissen freut . . ., Dass mich unterwegs sogleich die guten Geister des Orients besucht und mancherley gutes eingegeben, wovon Vieles auf das Papier gebracht wurde."^''^^) Und am 27.: „Mein Divan ist mit 18 Assessoren vermehrt worden." Von diesen 18 Assessoren können wir sieben als zu Eisenach am 24. Mai, sechs als zu Frankfurt am 27. Mai und einen als zu Wiesbaden am 27. niedergeschrieben nachweisen; dazu tritt ein Gedicht vom 28. und ein undatiertes vom Mai, zu Wiesbaden wenigstens abgeschlossenes:

1. am 24.: HI, 10. Schlechter Trost. W. A. 57.

2. : VIII, 2. Dass Suleika ... W. A. 144.

3. : VIII, 3. Da du nun Suleika heissest ... W. A. 145.

4. : IX, 0. Warum du nur oft so unhold bist^ W. A. 206.

5. : X, 9. Vom Himmel steigend ... W. A. 235.

6. : X, 10. Es ist gut. W. A. 236.

7. : XI, 2. Wenn der Mensch ... W. A. 243.

3*^) Äugeln = freundlich blicken, liebäugeln. Grimm, Deutsches Wörterbuch I, 801. 345) Wurm S. 106. ^*'^) Goethes Werke, Weimarer Ausgabe 1, Ü, S. 31« ^*'; Eben- da S. 324.

164

8.

am 27.

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14.

am 27.

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2.

11).

13CZ.1814-

-M;

iiil815:

XII,

10.

Geständnis. W. A. 13. Gruss. W. A. 59. Ergebung. W. A. 60. Reitest Du . . . W. A. 72. Höchste Gunst. W. A, 88. Wenn der Körper . . . W. A. 207. An Suleika. W. A. 139. Segonspfiindcr. W. A. 7 (zum Teil). Siebensciiläfer. W. A. 267.

Wiesbilden.

Nunmehr ruliete die Muse einige Zeit; es lagen etwa hundert (lediehte vor, wie ein Brief vom 7. Juni besagt, der ganz aus der frohen Stimmung, welche die Beschäftigung mit dem Orient hervorbrachte, geschrieben ist: „Die Rosen blühen vollkommen, die Nachtigallen singen wie man es nur wünscht und so ist es keine Kunst sich nach Schiras zu versetzen. Auch sind die neuen Glieder des Divans reinlich eingeschaltet und ein frischer Adresskalender der Versammlung geschrieben, die sich nunmehr auf hundert beläuft, die Beygänger und kleine Dienerschaft nicht gerechnet." ^•^^) Es war nun die erste Arbeit des Aufenthalts zu Wiesbaden ein wohlgeordnetes Verzeichnis zu machen, und das geschah nach dem Tagebuch am 27., 28., 29. und 30. Mai; am 30. war es beendet Es führt den Titel: „Des deutschen Divaus manigfaltige Glieder", und umfasst hundert Nummern"'*''), in Kürze genannt „das Wiesbader Register." In der endgiltigen Redaktion des Divan wurde es wieder ver- lassen und durchaus umgestaltet.

Daneben liefen Studien der Reisebeschreibung vou Tavernier'''^''), dessen Name am 31. Mai, 9., 11., 12., 13. und 14. Juni im Tagebuch vorkommt; auch am 8. Juli, am 9., 12. ist der Divan, am 20. „Orientalisches" angemerkt. Von Tavernier heisst es in den Noten zum Divan: „Tavernier, Goldschmidt und Juwelenhändler [im 17. Jahrhundert], dringt mit Verstand und klugem Betragen ... an die orientalischen Höfe und weiss sich überall zu schicken und zu finden. Er gelangt nach Indien zu den Demautgrubeu . . . Dessen hinterlassene Schriften sind höchst belehrend."

Zu Wiesbaden sind nach den Unterschriften im Jahre 1815 folgende Gedichte des Divan niedergeschrieben, gedichtet oder endgiltig redigiert '•'') :

1. An Suleika, VII, 2, im Wiesbadener Register 58 , Rosenöl" über- schrieben, am 27. Mai. Um auch nur eine kleine Menge Rosenöl zu erhalten, bedarf man eine grosse Anzahl von Rosen; mit diesem Gedanken ist verbunden die im Orient beliebte Anschauung von der Liebe der Nachtigall (Bulbul) zur Rose. Wie Timur Tausende von Monschenschädeln zum Bau eines Turms ver- wendete, so dürfen wir auch die Rosen zu unserem Vergnügen gebrauchen."*')

*") Ebenda S. ^24. - ^i«) Abgedruckt ebenda S. :514 f. ^^") S. No. 10 fLektiire) und die Noten und Abliandlungen zum besseren Verständnis des west-östliolien Divan. Weini. Ausg. I, 7 S. 214. ■^^) Die litterarischen Notizen stützen sicli vornehmlich auf die Anmerk- ungen von iiurdacli in der Weimarer Ausgabe des Divan, 1, ü, -.il'd S. "*-) Wurm S. 162. V. Loeper, Anmerk, zu dem Gedieht.

1G5

An Suleika. Dir mit Wohlgeruch zu kosen^'-'), Einer Welt von Lebonstriebon,

Deine Freuden zu erhöh'n, Die in ihrer Fülle Dran"

Knospend müssen tausend Hosen Ahneten schon JJuli.uls J.iebcn

Frst in Glutlion untergelin. Seelerregenden Gesang.

Um ein Fliiachcheii zu l)esitzen Sollte jene Qual uns (luiiloii

Das den Ruclr'^') auf ewig hält, Da sie unsre Lust vermehrt V

Schlank wie deine Fingerspitzen, Hat niciit .Myriadon Seeion

Da bedarf es einer Welt, Tiniurs ilerihciiaft aufgezclirt?

2. Segeuspfänder, I, 2, Wiesb. Reg. 4. Schon am 1. .Tiiniiar 181 f) erwälint das Tagebuch die zweite Strophe mit etc. (Amulete etc.j, am .'}. August las Goethe 8. Boisseree vor Talismane, Amulete, Abraxas, Sic^Md- riiig der Araber = erste, zweite, vierte und fünfte Strophe, Zum 28. Mai 1815 bemerkt das Tagebuch: Talismane, Amulete, und das Wiesb. Re"-. 5: Talis- nume, Amulete, Abraxas und Siegel. Wenn aucli alle diese Bezeichnungen von I, 2 nicht ganz zutreffen, so beweisen sie doch, dass ein Gedicht dieses Inhalts vorgelegen hat, also die vier Strophen fertig waren; die dritte mag nachher ein- geschoben sein, und zwar im Anschluss an das jambische Metrum der fünften im Gegensatz zu dem trochäischen der anderen ; dieser Wechsel der Metra soll vielleicht den Gegensatz der Zaubermittel des Orients zu den Symbolen des Occi- dents, Siegeln und Inschriften, auch äusserlich kennzeichnen.

Zum Verständnis des Gedichtes bemerken wir, dass Talisman, persisch Telisme, = Bezauberung ist, heute gewölmlich eine Inschrift auf Stein, Onyx, Carneal u. s. w., dass Amulet, arabisch Hamele, ein mit einem frommen Spruch beschriebenes Papier ist, und die Talismane meist von Frauen, die Amulete von Männern getragen werden. Abraxas war der Name der Talis- maue bei den Gnostikern; die Buchstaben als griechische Zahlzeichen ergeben die Zahl 365, die Zahl der Engel und Himmel; die Inschriften und eingegrabenen Bilder waren oft seltsam, wie die vierte Strophe und der Spruch der zahmen

Xenien besagt:

Nichts schrecklicheres kann den Menschen gescheh'n, Als das Absurde verkörpert zu seh'n.^^^}

Segenspfänder.

Talisman in Carneol

Gläub'geii bringt er Glück und Wolil;

Steht er gar auf Onyx Grunde,

Küss ihn mit geweihtem Munde!

Alles Übel treibt er fort,

Schützet dicli und schützt den Ort:

Wenn das eingegrabne Wort

Allahs Namen rein verkündet,

Dich zu Lieb' und That entzündet.

Und besonders werden Frauen -

Sich am Talisman erbauen.

35:ij Ygj^ Hildebrand im Deutschen Wörterbuch V, 1845: mit Dativ, wie frülier lieb- kosen nnd wie schmeicheln. '•''•'*) Kucli = (iorucli, veraltet, alier noch bei Dichtern liic und da in Gebrauch. Heyne im Deutschen Würteri)uch VllI, l:!K). ^■'^) Wurm S. M ff.

iL'

160

Amulete sind dergleichen Auf Papier gescliriebne Zeichen; Doch man ist nicht im Ciedrüngo Wie auf edlen Steines Enge, Und vergönnt ist frommen Seelen Längre Verse hier zu wählen. ^Männer hängen die Papiere Gläubig um als Scapulire.

Die Insclirift al)er hat nichts hinter sich, Sie ist sie selbst, und niuss dir alles sagen, Was hinterdrein mit redlichem Behagen Du gerne sagst: Ich sag" es! Ich!

Doch Abraxas bring' ich selten! liier soll meist das Fratzenhafte, Das ein düstrer Wahnsinn schaffte. Für das Allerhücliste gelten. Sag' ich euch absurde Dinge, Denkt, dass ich Abraxas bringe.

Ein Siegelring ist schwer zu zeichnen. Den höchsten Sinn im engsten Raum; Doch weisst du hier ein Echtes anzueignen, Gegraben steht das Wort, du denkst es kaum.

3. Auch die „SiebcDschläfer", XII, 9, sind wahrscheinlich schon früher entStauden, da das Tagebuch am 29. Dezember 1814 notiert „Siebenscliläfer" ; die Unterschrift lautet „Jena [wohl versclirieben statt Weimar]"") Ende Dec. bis Mai 1815. Wiesb"|aden]; da das Gedicht im Wiesb. Reg. 99 genannt ist, muss es vor dem 30. Mai niedergeschrieben sein. Die Erzählung vorbindet die Sage des von einer Fliege verfolgten Nimrud, des Götzendieners, der dem Abraham nach dem Leben trachtete, und die Legende von den Siebenschläfern, die, wegen ihres Glaubens von Kaiser Decius (249-251) verfolgt und samt ihrem treuen Hunde eingemauert, unter Theodsius 11. (408—450) aus ihrem Schlafe erwachten.^^')

Siebenscliläfer. Sechs Begünstigte des Hofes Nun so sagen sich die Knaben

Flielien vor des Kaisers Grimme, Sollt' ein Flioglcin Gott verhindern?

Der als Gott sich lässt verehren, Sollt' ein Gott auch trinken, speisen,

Doch als Gott sich nicht bewährt: Wie wir andern? Nein, der Eine,

Denn ihn hindert eine Fliege Der die Sonn' erschuf, den Mond auch,

Guter Bissen sich zu freuen. Und der Sterne Gluth uns wölbte,

Seine Diener scheuchen wedelnd, Dieser ist's, wir fiiehn ! Die zarten

Nicht verjagen sie die Fliege. Leicht beschuht-, beputzten Knaben

Sie umschwärmt ihn, sticht und irret Nimmt ein Schäfer auf, verbirgt sie

Und verwirrt die ganze Tafel, Und sich selbst in Felsenhöhle.

Kehret wieder wie des häm'schen Schäfershund er will nicht weichen,

Fliegengottes'^"^ Abgesandter. Weggescheucht, den Fuss zerschmettert,

"•«) Goethe verweilte vom 7.— 18. Dezember in Jena; am Ende des Monats, vom 18. an, war er wieder in Weimar. S. Tagebuch. "") Die Quellen gibt an Wurm S. 272 ß'. Vgl. V. Loepers Anmerkungen. ^'^") Fliegengott = Beelzebub.

1 f.;

Drängt er sicli an seinen Herren, Und gesellt sicli zum Verborgnen, Zu doii Lioblingen des »Scliliifes.

Und der Fürst, dem sie entflohen, Liebeutrüstet, sinnt auf Strafen, Weiset ab so Schwert als Feuer, In die Höhle sie mit Ziegeln Und mit Kalk sie lässt vermauern.

Aber jene schlafen immer,

Und der KngeF'''^'), ihr IJeschützer,

Sagt vor Gottes Thron berichtend:

So zur Rechten, so zur Linken

Hab' ich immer sie gewendet,

Dass die schönen jungen Glieder

Nicht des Moders Qualm verletze.

Spalten riss ich in die Felsen,

Dass die Sonne steigend, sinkend,

Junge Wangen frisch erneute:

Und so liegen sie beseligt.

Auch auf heilen Vorderpfoten,

Schläft das Ilündleiii süssen Schlummer,

Jahre fliehen, Jahre kommen, Wachen endlich auf die Knaben'"*"), Und die Mauer, die vermorschte, Altershalben ist gefallen. Und Jamblika^''') sagt, der Schöne, Ausgebildete von allen, Als der Schäfer fürchtend zaudert: Lauf ich hin! und hol' euch Speise, Leben wag' ich und das Goldstück! Ephesus, gar manches Jahr schon, Elirt die Lehre des Propheten Jesus. (Friede sei dem Guten !)

Und er lief, da war der Thore Wart' und Thurn und alles anders. Doch zum nächsten Bäckerladen Wandt' er sich nach Brot in Eile.

Schelm! so rief der Bäcker, hast du, Jüngling, einen Schatz gefunden! Gib mir, dich vcrräth das Goldstück, Mir die Hälfte /um Vorsöhncn!

Und sie hadern. Vor den König Kommt der Handel; auch ilor König Will nun theilen wie der Bäcker.

Nun bethätigt sich das Wunder Nach und nach aus hundert Zeichen. An dem selbsterbauten Palast Weiss er sich sein Recht zu sichern. Denn ein Pfeiler durchgegraben Führt zu scharfbenams'ten Schätzen. Gleich versammeln sich Geschlechter Ihre Sippschaft zu beweisen. Und als Ururvater prangend Steht Jamblika's Jugendfülle.

Wie von Ahnherrn hört er sprechen Hier von seinem Solin und Enkeln. Der Urenkel Schaar umgibt ihn, Als ein Volk von tapferu Männern, Ihn den jüngsten zu verehren. Und ein Merkmal über's andre Dringt sich auf. Beweis vollendend; Sich und den Gefährten hat er Die Persönlichkeit bestätigt.

Nun zur Höhle kehrt er wieder, Volk und König ihn geleiten. Nicht zum König, nicht zum Volke Kehrt der Auservvählte wieder: Denn die Sieben, die von lang her, Achte waren's mit dem Hunde, Sich von aller Welt gesondert, Gabriels geheim Vermögen Hat, gemäss dem Willen Gottes, Sie dem Paradies geeignet^®^). Und die Höhle schien vermauert.

4. „Frage nicht, durch welche Pforte", lY, 12, ist mit der Über- schrift versehen: „Meinem Sohn, zum dreissigstcn Mai 1815", und mit der Unterschrift: „Wiesbaden. Goethe", nach dem Tagebuch aber am 10. Juni 1815 verfasöt oder abgeschickt; es war ein Glückwunsch zum fünfzigjährigen Dionst- jubiläum des Geh. Hofrats Kirms und des Geh. Eats Schardt zu Weimar und

^^^) Gabriel, der auch am Ende des Gedichts mit seinem Namen genannt ist. '^'') Unter Kaiser Theodosius II, 408—459, wie oben bemerkt wurde, nachdem sie 184 Jahre geschlafen liatten. ^^') Jamlicha bei Hammer, nach andern Bericliten Janileekha und Dschemlicha, beides ^= Jamblichus; er war der älteste der Schläfer und ging den anderen in Allem voran. ^''^) Die sieben Schläfer und ihr Hund sind zu der Ehre besondere Schutzherren zu sein gelangt; der Schäfer hiess Habil (Abel), der Hund Kitmir; die Namen der anderen, auch die christlichen s. bei Wurm S. 27.5.

12*

1G8

durch die Reise verspätet. Die Urschrift, veröffeutlicht im März 1858 in ver- scliiedenen Zeitiiogeu nach einem Blatt, das im Besitz des Kreisrichters Krakow in Ziegenrück war, enthielt sieben Strophen, von denen nur die vier ersten in dem Divau Aufnahme fanden; v. Loeper fügt die fünfte hinzu. Das ganze Gedieht hiutet nach der Weimarer Ausgabe:

Frage nicht durch weh-he Pforte Du in Gottes Stadt gekommen, Sondern bleib am stillen Orte Wo du einmal i'lat/ genommen.

Schaue dann umher nach Weisen Und nach Mächt'gen, die befehlen; Jene werden unterweisen. Diese That und Kräfte stählen.

Wenn du nützlich und gelassen So dem Staate treu geblieben, Wisse! niemand wird dich hassen Und dich werden viele lieben.

Und der Fürst erkennt die Treue, Sie erhält die That lebendig; Dann liewährt sich auch das Neue Nächst dem Alten auch beständig.

Und vollbringst du, kräftig milde, Deiner Laufbalin reine Kreise, Wirst du auch zum Musterbilde Jüngeren nach deiner Weise.

So Ihr beiden, heut gefeiert, Vor viel Tausenden erlesen, Fühlet jene Pflicht erneuert, Die Euch heilig stets gewesen.

Sei dem fröhlichen Vereine Dieses späte Lied entschuldigt. Das, vom alten deutschen Rheine, Eurem schönen Tage huldigt.

'). „Süsses Kind, die Perlenreihen", VIII, 17, ist wie No. 2 u. 3 früher gedichtet, da es in dem Wiesb. Reg. G2 (Abraxas) verzeichnet ist, aber nach der Unterschrift zu Wiesbaden am längsten Tage 1815 redigiert und am 8. August Boisseree vorgelesen, der es als zu bitter, hart und einseitig zu verwerfen riet"^'); doch wurde es später als 17. Gedicht des achten Buches aufgenommen; in der Weimarer Ausgabe steht es unter dem Nachlass. Die Überschrift „au Suleika" ist von Eckermann zugefügt, Boisseree nennt es ..Hass des Kreuzes", nicht ganz mit Recht; denn er verkennt, dass dieser Hass oder vielmehr diese Ab- neigung, die doch eigentlich nur der Darstellung des Gekreuzigten gilt, aus Liebe zu der Trägerin des Kreuzes überwunden wird. Chosroes Parvis, König des Perserreiches, aus dem Geschlechte der Sassaniden (591 bis 028), hatte seiner Gemahlin Sira oder Schirin (= die Süsse), deren Schönheit, Verstand und musikalische Talente in den Dichtungen der Perser viel gepriesen werden, eine kostbare Perlenschnur geschenkt, an der er einst ein Kreuz (Boisseree sagt: von Bernstein) befestigt findet; denn sie war zugleich eine fromme Christin zum Leidwesen der Perser, die deswegen dem Chosroes die Verbindung mit ihr zu verleiden suchten, und auch er mag nicht die „moderne Narrheit"^"), einen ^Abraxas", das „Jammerbild am Holze", so sehr er auch die Vorgänger Christi, Abraham, Moses und David, sowie Christus selbst wegen ihres Glaubens an den einen Gott feiert; zu ihnen gesellt er vorgreifend - Mahomod, während Salomo sieh habe verführen lassen viele Götter anzubeten. Und so

*®') S. lioiaserc^-e I, 20.'). »«<) Boisseree sagt (Hör- oder Schreibfehler?): „nordische (!) Narrheit."

100

will auch er wider seine Überzeugung und seinen Glauben aus Liel)e zu Scliirin das Kreuz an ihrem Jlalse sich gefallen lassen, ja sogar einen Vitzliputzli, der, ein mexikaues Götzenbild, im Munde des Chosroes sich fVi ilicli sunderbar ausnimmt.

Wir lassen nunmehr das Gedicht nach dem Texte der Weimarer Aus- gabe folgen.

Süsses Kind, die Pcrlenreihon, Wie ich ir<jcnd mir vermochte, Wollte traulich dir verleihen, Als der Liebe Lainpendochte.

Und nun kommst du, hast ein Zeichen Dran gehängt, das, unter allen Den Abraxas seinesgleichen, Mir am schlecht'sten will gefallen.

Diese ganz moderne Narrheit Magst du mir nach Schiras bringen! Soll ich wohl, in seiner Starrheit, Hölzchen quer auf Hölzchen singen?

Abraham, den Herrn der Sterne Hat er sich zum Ahn erlesen; Moses ist, in wüster Ferne, Durch den Einen gross gewesen.

David auch, durch viel Gebrechen, Ja, Verbrechen durch gewandelt, Wusste doch sich los zu sprechen: Einem hab' ich recht gehandelt.

Jesus fühlte rein und dachte Nur den Einen Gott im Stillen; Wer ihn selbst zum Gotte machte Kränkte seinen lieil'gen Willen.

Und so niuss das Rechte scheinen Was aucli Maiiomct gelungen; Nur durcli den HogrifT des Kinen Hat er alle Welt bezwungen.

Wenn du ai)er dennoch lluld'gung Diesem leid'gen Ding verlangest; Diene mir es zur Entschuld'gung Dass du nicht alleine prangest.

Doch allein! Da viele Frauen Salomonis ihn verkehrten, Götter betend anzuschauen Wie die Närrinnen verehrten.

Isis Hörn, Anubis Rachen Boten sie dem Judenstolze, Mir willst du zum Gotte machen Solch ein Jammerbild am Holze!

Und ich will nicht besser scheinen Als es sich mit mir eräugnet, Salomo verschwur den seinen, Meinen Gott hab' ich verläugnet.

Lass die Renegatenbürde Mich in diesem Kuss verschmerzen; Denn ein Vitzliputzli würde Talisman an deinem Herzen.

An die Besprechung des Gedichtes mit Boisseree knüpft Goethe, als jener es zu verwerfen riet, folgendes an, „er wolle es seinem Sohu zum aufheben geben, dem gebe er alle seine Gedichte, die er verwerfe; er habe eine Menge, besonders persönliche und zeitliche. Es sey nicht leicht eine Begebenheit, wo- rüber er sich nicht in einem Gedicht ausgesprochen. So habe er seinen Arger, Kummer und Verdruss über die Angelegenheiten des Tages, Politik u. s. w. gev/öhnlich in einem Gedicht ausgelassen, es sey eine Art Bedürfnis und llerzens- erleichtorung, Sedes p. Er schaffe sich so die Dinge vom Halse, wenn er sie in ein Gedicht bringe. Sonst habe er dergleichen immer verbrannt, aber sein Sohn verehre alles von ihm mit Pietät, da lasse er ihm den Spass."

6. Firdusi spricht; IV, 2G. Auch dieser Titel steht schon im Wiesb. Reg. 49, nnd wenn unter dem Ganzen als Tag der Abfassung der 1. Juli \^\~) bemerkt ist, so bezieht sich dies auf den letzten Teil desselben. Nach Notizen im Tagebuch vom Dezember 1814 und Februar 1815 werden die zwei ersten Teile in diesem Winter gedichtet sein. Der erste Teil ist dem Schah-Nameh

170

Firdusis enllehnt f Fundgruben 11, 64), der zweite Goethes Eutgcgnung, der

dritte eine selbständige Ausführung des Begriffes Reichtum im Sinne des Orients

als Genügsamkeit.

Firdusi spricht.

0 Welt! wie scliamlos und boshaft du bist! Du nährst und erziehest und tödtest zugleich.

>'ur wer von Allah begünstiget ist,

Der nährt eich, erzieht sich, lebendig und reich.

Was heisst denn Reichthum? Eine wärmende Sonno, Gcniesst sie der Bettler, wie wir sie geniessen! Es möge doch keinen der Reichen verdriessen Des Bettlers im Eigensinn selige Wonne.

7. Dem Kellner. Dem Schenken, IX, 8. Dieses Gedicht muss eben- falls die nachbessernde Hand im Jahre 1815 erfahren haben: es steht schon im Wicsb. Reg. 74, ist also danach vor dem 30. Mai 1815 gedichtet, trägt aber die Unterschrift: 1. 7. 15. Es bezieht sich auf den Kellner, der Goethe auf dem Geisberg bediente und von Boisseree zweimal erwähnt wird, einmal als ein schöner, freundlicher, blonder Aufwärter, dann als schöner, junger, blonder Kellner bezeichnet. ^^^) An der zweiten Stelle sagt Boisseree ausdrück- lich, dass dieser der Gegenstand des Gedichtes sei. Das Gedicht stellt diesem als freundlichen Schenken einen groben Kellner entgegen.

Dem Kellner.

Setze mir nicht, du Grobian,

Mir den Krug so derb vor die Nase!

Wer mir Wein bringt sehe mich freundlich an,

«Sonst trübt sich der Eilfer im Glase.

Dem Schenken.

Du zierlicher Knabe, du komm herein. Was stehst du denn da auf der Schwelle V Du sollst mir künftig der Schenke sein, Jeder Wein ist schmackhaft und lielle.

Wir haben schon mehrfach bemerken müssen, dass Goethe im August des Jahres 1815 Gedichte des Divan seinem Freunde Sulp. Boisseree vorlas. Dass er das Bedürfnis hatte dies zu thun, ist ein Beweis, wie sehr er in diesen damals ihn ganz erfüllenden Schöpfungen lebte, wie befriedigt er sich in dem Gedankenkreise des Orients fühlte. Und da er wohl dasjenige zur Mitteilung an den in einer ganz anderen Welt stehenden Romantiker auserwählte, was ihm am geeignetsten schien in die Anschauung des Orients einzuführen und nach seiner Ansicht am besten gelungen war von den vollendeten Gedichten, 80 ist es nicht ohne Interesse diesen Punkt weiter zu verfolgen und die Reihe der vorgelesenen Gedichte zusammen zu stellen; unter den Text Boisserees setzen wir die Stellen, wo die betreftcndcn Stücke sich in der Ilempolschen

366

; S. Boisseree I, 259, 263.

171

und Weimarer Ausgabe sowie im Wiesbadener Register finden nebst dem Tage ihrer Entstehung, wenn dieser bekannt ist. Für einige glauben wir vnii den Bemerkungen der Weimarer Ausgabe, der wir sonst viel verdanken, abweichen zu müssen.

,[Am 3. August 1815J. Er las mir, berichtet Boisseroe, eine sinnreiche Introduktion, eine Exposition des ganzen Oricntalismus und seines eigenen Verhaltens dazu vor. Dies letzte zuerst anfangend von dem Gegensatz der Zeit und Trost suchend im Orient. (1.) Talismane, Amulete, Abraxas, Siegel- ring der Araber. (2.) llafiz, der Korankundige, wurde zum Eigennamen des Dichters; Goethes Gedicht an ihn vergleicht sich mit ihm, weil er sich die Bibel angeeignet, wie das göttliche Angesicht sich auf das Tuch abgedrückt hat. (3)

„4. August. Nach Tische besprach er die Fortsetzung des Divan: das Rosenöl (4.); behandelt die Weiber mit Nachsicht (5.); Spiel in den Locken (ü.); Hans Adams Geburt (7.); der Tulbend (8.); Freude der Freigebigkeit (9.); Ver- sprechungen des Liebhabers (10.) Alle Pracht des Orients hat doch am Ende nichts Höheres, wie die liebenden Herzen. Stolz der Armut des Liebenden und viele andere herrliche, prächtige und anmutige Dinge. Ich sagte Goethe, dass es mich an Faust erinnere, wegen der Grossartigkeit und Kühnheit und doch wieder in der Natürlichkeit und Einfachheit der Sache und in der Form und Sprache, was ihm dann ganz recht und lieb war.

Uempels

Weimarer

Wiesbadener

Qedifhtet.

Ausgabe.

Ausgabe.

Register.

1.

I, 1.

5.

3. Hegire.

24. XII. 14.

Hegire. Nord und West und Süd.

2.

I, 2.

7.

4. Segens- pfänder.

1.1.1.5.28 V.15.

Segenspfänder. Talisman in Carneol.

3.

II, 1.

33.

14.Beynahme.

26. VI. 14.

Beiname. Moliamet Sclicmseddin sage.

4.

VII, 2.

139.

58. Rosenöl.

27. V. 15.

An Suleika. Dir mit Wohlgeruch zu kosen.

5.

IV, 15.

80.

30. Adam und Eva.

Behandelt die Frauen mit Nachsicht.

6.

iir, 6.

54.

27. Locken.

Versunken. A'oll Locken kraus an Haupt so rund.

7.

I, 8.

16.

17. Urvater.

21. VI. 14.

Erschaffen und Beieben. Hans Adam war ein Erdenkloss.

8.

VIII, 14.

155.

31. Tulbend.

17. II. 15.

Komm, Liebchen, komm ! Umwinde mir die Mütze.

9.

IV, 4.

7U.

24. Schön Bittende.

26. VII. 14.

Lieblich ist des Mädchens Blick, der winket.

10.

VIII, 16.

158.

57. Überboten.

17. II. 15.

Hätt' ich irgend wohl Bedenken.

„Den G. August [Sonntag Nachmittag, als Goethe von Biebrich zurück- kam].^*'") Nachher Gespräch über den Divan. Entstehen^,] (H.); Lob des

*"") Zum Vormittag und Nachmittag des 6. August hat Boisseroe vergessen da3 Datum zu bemerken; dass die betr. Stelle dem 6. angehört, geht daraus hervor, dass Goethe an diesem Tage, einem Sonntage, in Biebrich an der herzoglichen Tafel war,

172

Weins (12.); Frechheit gegen das Gesetz (13.); Die Perle (H-); Unwillen über die Deutschen (15.); ihre Neuerungsucht und Zerstreuung (16.)

„Sonntag am 6. Abends las mir Goethe wieder einen Teil aus seinem Divan vor, worunter das schönste „Adam und Eva" (17.) war, wie der Schöpfer sie macht und seine Freude au ihnen hat. Er legt dem Adam die Eva an die Seite, und möchte dabei stehen bleiben. Ein Bildchen, eine Idylle von der schönsten, reinsten Naivität und wieder der höchsten Grösse; es machte mir den Eindruck wie das beste plastische \\'^erk der Griechen. Dann las er, wie Jesus das Evangelium gebracht hat und wieder mit zum Himmel genommen hat (18.) Aber was die Jünger, jeder auf seine Art davon behalten, verstanden und missverstanden, ist soviel, dass die Menschen genug daran haben für immer /u ihrem Bedarf. Liebesgedichte (19.) Was ich verlange, ist nur wenig; aber für die Geliebte alle Schätze. Ein prachtvolles Stück, worin alle Herrlich- keit und der ganze Handel des Orients vorkömmt: wo alle Elemente, alle Kräfte der Natur und Menschen in Bewegung gesetzt werden, um der Geliebten Geschenke zu bringen, die ihr aber doch nichts sind gegen die Freuden der Liebe. Die Feueranbeter der alten Parsen (20.) Ein solcher stirbt und spricht seine Lehre als Vermächtniss aus. Verehrung der Sonne, durch Ordnung und Reinlichkeit, damit sie sich nicht betrübe, den Schmutz und Wüstenei der Menschen und Erde zu sehen. (Stiftung, eine Gasse zu reinigen, damit die Sonne mit Freuden hinein scheine.) In demselben Bezug, Ackerbau. (Auf ähnliche humane Weise erklärt Goethe sich die Verehrung der Kuh, als nütz- lichstes Haustier, und des goldenen Kalbes, und sey also nicht gar so absurd und abgeschmackt, als es aussehe.) Verehrung der Feuers als irdischer Sonne."

Hempels Ausgabe.

Weimarer Ausgabe.

Wiesbadener Uegister.

Gedichtet.

11.

IX, 3.

203.

34. Koran u. Becher.

2U. V. 15.

Ob der Koran von Ewigkeit sei?

12.

IX, 4.

204, 1.

43.Truncken- lieit.

Trunken müssen wir alle sein!

13.

IX, 4.

204, 2.

D<a wird nicht mehr nachgefragt!

14.

X, 4.

230.

33. Perle Wider-

spänstig.

Die l'erle die der Muschel sich entrann.

15.

Y, 4.

98.

92. Leidiger Trost.

7. n. 15.

Befindet sicli einer lioitcr und gut.

10.

V. 8.

102.

47. Lands-

27. VII. 1

Als wenn das auf Namen ruiite.

leute.

17.

X, 10.

2.'J6.

(50. Gottesge- danken.

24. V. 15.

Es ist gut.

18.

X, 0.

235.

.J9. Evange- lium.

24. V. 1,5.

Vom Himmel steigend Jesus braclit".

19.

VIII, 15.

1.5(J.

5<j. Kayser-

17.111.1,. 17. V. / ^•^•

Nur wenig ist's was icli verlange.

gaben.

20.

XI, 1.

239.

6.'). Vermächt- nis.

1

1!! III. 15.

Vermächtnis altpersischen Glaubens.

173

„Dienstag den 8. Abends liest Goethe wieder Stücke aus dem Divun. Der Wenke (1. Schenke) (21.) Kuss auf die StiriK! (22.) Eifersucht. Das Mädchen sey eine böse ermüdende Liebhaberei für den alten Freund. Das Ganze als ein edles, freies pädagogisches Verhältniss, als Liebe und Ehrfurcht der Jugend gegen das Alter; vorzüglich schön ausgesprochen in einem (Jedicht: die kürzeste Nacht (23.), wo Morgenroth und Abendroth zugleich am Himtncl sind. Astronomie Ethik. Ein andres Gedicht bezieht sich auf den sciiönen, jungen, blonden Kellner auf dem Geisberg (24.)

„Timurs Winterfeldzug. (25.) Parallelstück zu Napoleons Mo.skowitischem Peldzug. Kriegsrath. Der Winter tritt redend auf gegen ^lars; Fhich oder Vcrheissung; gross, gewaltig. Hass des Kreuzes. (20.) Schirin hat ein Kreuz von Bernstein gekauft, olinc es zu kennen; ihr Liebhaber Cosken (1. Chosrues) liudet es au ihrer Brust, schilt gegen die westlich nordische (1. modische) Narr- heit u. s. w. Zu bitter, hart und einseitig, ich rathe es zu verwerfen." Vyl. oben S. 168.

Itenipels Ausgabe.

Weimarer Ausgabe.

Wiesbadener Register,

Gedichtet.

21.

IX, 16.

215.

78. Schwän- chen und Schwan.

Okt. 14.

Schenke.

22.

IX, 9.

209.

75. Des Schen- ken Eifer- sucht.

Okt. 14.

Schenke spricht.

23.

IX, 20.

220.

89. Sommer- nacht.

16. XII. 14.

Sommernacht.

24.

IX, 8.

208.

74. Kellner u.

1. VII. 15.

f Dem Kellner. l Dem Schenken.

Schenke.

25.

VII, I.

137.

84. Winter u. Timur.

11. XII. 14.

Der Winter und

Timur.

26.

VIII, 17.

288. Nachlasa.

62. Abraxas.

Redigiert am

längsten Tage

1815.

Süsses Kind, die

Perlcnreilien.

Es sind also vorgelesen

aus Buch I: 3 Gedichte; II: 1 Gedicht;

ni: 1

IV: 2 Gedichte; VI: nichts;

aus Buch Vll: 2 Gedichte;

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IX:

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XI:

1 Gedicht;

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nichts.

2. Im Herbst des Jahres 1813 begann Goethe die Dichtung einer Oper, deren Titel „der Löwenstuhl" sein sollte. Das war bisher aus den Annalen 1813 bekaant, wo es heisst: „Der Löwen stuhl, eine Oper, gegründet auf die aUe Überlieferung, die ich nachher in der Ballade „Die Kinder sie hören es gern'' ausgeführt, geriet ins Stocken und verrharrte darin." Die letzte Bemerkung

174

ist jedoch nicht ganz zutreffend. Im Tagebuch erscheint der Name der Oper Löwenstuhl zuerst am 28. Oktober 1813, dann am 29, die Worte, welche auf sie hinweisen: „die Kinder sie hören es gerne^, am 30.: „die Kinder pp.", am 31.: Es hörens die Kinder so gerne", und endlich am 20. November: „Die Kinder sie hören pp." Indessen kehrt der Dichter im Jahre 1814 uocli zwei- bis dreimal zu diesem Stoffe zurück; auf der Reise nach Wiesbaden entwarf er den Plan zu der Oper, sei es am 27. Juli, als er von Fulda bis Hanau t'uhr, wie eine Notiz besagt^"^'), oder zu Hanau am 28., wo das Tagebuch den „Plan des Löwenstuhls" anführt wenn nicht beides zusammenfällt und irgend ein Gedächtnisfehler bei der ersten Aufzeichnung mituntergelaufen ist. Aber auch am 1. August ist der Löwenstuhl im Tagebuch genannt: „Schema des Löwenstuhls" und danach erst geriet die Dichtung ins Stocken und verharrte darin, bis sie später in die Form einer Ballade umgegossen und von Goethe selbst einmal als „Die Sänger und die Kinder"^*^') benannt, von Späteren als „Ballade vom vertriebenen und zurückkehrenden Grafen" betitelt wurde. Der Umstand, dass Goethe die Oper in Wiesbaden am 1. August 1814 noch einmal vornahm, veranlasst uns ihr einige Worte zu widmen.

Den Stoff entnahm er, wie die Noten zu der Ballade berichten, einer altenglischen Erzählung, die unter der Regierung der Königin Elisabeth nieder- geschrieben wurde. ^•^'O Nach ihr war der Sohn des bei Evesham am 4. August 1265 im Kampfe mit König Heinrich von England gefallenen Grafen von Leicester, Heinrich von Monfort, in der Schlacht des Augenlichts beraubt, aber gerettet worden und wählte nunmehr das Los eines Bettlers; seine schöne Tochter jedoch erweckte die Liebe eines Ritters, dem sie auch ihre Hand reichte; auf der Hochzeit erschien ihr Vater und trägt zur Laute ein Lied vor, in welchem er sich als Sohn des Grafen zu erkennen gibt. Diesen Stoff bildete unser Dichter durch Benutzung von einer Erzählung in Boccaccios Decamerone (H, 8) um; in ihr wählt ein Graf freiwillig, veranlasst durch Verläumdungen der Königin von Frankreich, das Los eines Bettlers, bis die Nichtigkeit jener Beschuldigungen nach dem Tode der Königin an den Tag kommt; aus ihr entnahm insbesondere Goethe das Motiv, welches in dem wiederkehrenden „die Kinder sie hören es gerne" enthalten ist, da die Kinder seiner ihn nicht er- kennenden Tochter den freundlichen Bettler liebgewinnen, und ferner die harten Worte, welche der Gemahl der Tochter des Bettlers wegen deren Freundlichkeit gegen diesen an sie richtet. Neu hinzu that er den Hintergrund, in dem er die Vertreibung und Rückkehr des Grafen an grosse politische Kämpfe, den Sturz und die Wiedereinsetzung des rechtmässigen Königs, anknüpft.

Von der Dichtung Löwenstuhl sind im Jahre 1892 aus dem Nachlasse Goethes in dem 12. Bande der ersten Abteilung der Weimarer Ausgabe folgende Stücke veri)ffentlicht worden: 1. der Plan des Löwenstuhls, S. 421 f.; 2. ein Fragment, vielleicht das obengenannte Schema, mit wenigen eingestreuten Versen,

*") Goethes Werke I, :{, :{7S: „Plan zur Oper Lüwonstuhl, auf der Heise im Juli zwischen Fulda und Hanau entworfen und copirt ." ■"'"'*) Goetlie, zur Naturwissenschaft über- haupt. — •*«») Vgl. Th. Percy, Reliquea of ancient english poetry. London 1845. S, 129.

175

S. 206 200; 3. ein Bruchstück von mehr oder weniger ausgearbeiteten Sceneu,

y 300 307; 4. eine Ivcihc von einzelnen unzusamnieuhäiigenden Versen,

S. 422 ff. Aus dem zweiten und dritten Bruchstück geht hervor, wesshalb der Dichter sein Werk Löwenstulil benannte: in dem grossen i'rachtsaale der Burg, die der Graf ehedem erbaut hatte (II, 28: „Und er baute den Palast, Ach ein Gott erschien er fast") befand sich ein Freistuhl oder Sessel (HI, 133) mit zwei goldenen Löwen (II, 34: „Und zwei goldne Löwen waren Zeichen der Gerechtigkeit"), auf welchen die Kinder den Greis sich zu setzen nötigen wollen; wie der Stuhl nach den Löwen Löwenstuhl hiess, so der Saal Löwensaal. Die Entdeckung des wahren Standes der Tochter und ihres Vaters wird auf eine wunderbare Weise herbeigeführt, indem die im Saale aufgestellten Rüstungen lebendig werden (S. 299).=''°)

3. Über den Plan und die Ausführung des St. Rochusfestes haben wir oben (S. 140) schon gesprochen.

4. In dem Jahre 1815, zu dem wir nun übergehen, beschäftigte sich Goethe neben dem Divan eifrig mit der Abfassung der italienischen Pveise, die bekanntlich im Jahre 1816 und 1817 erschien. Gleich vom zweiten Tage seines Aufenthalts zu Wiesbaden an verzeichnet das Tagebuch dahin weisende Be- merkungen; so am 29. und 30. Mai und 4. Juni: „Neapel dictirt", am 31. Mai und 6. Juni: „dictirt Sicilien", am 3.: „dictirt Vesuv L", am 18.: „dictirt Palermo", und wenn am 1., 2., 5., 7., 8., 9. und 19. bis 24. blos „dictirt" bemerkt ist, so sind wir berechtigt ebenfalls an die italienische Reise zu denken. Die Tage vom 10.— 13. waren dem .Corrigiren zum Abschreiben" gewidmet, am 26. und 27., als die Krankheit seines Dieners Karl sich verschlimmerte und hindernd dazwischen trat, wurde „Sicilien durchgesehen". So waren während des 3Iai und Juni 25 Tage auf diese Arbeit verwendet worden; vom 28. Juni au traten andere Abhaltungen dazu, sodass die weitere Beschäftigung mit der italienischen Reise wohl aus Schonung für seinen Karl fortan während der Kurzeit zu Wiesbaden unterblieb.

5. Das Gedicht für die Kinder vom 23. Juli ist oben (S 130) erwähnt. ö. Der Sommer 1815 brachte Goethe die Bekanntschaft mit neugriech- ischen Liedern, die freilich für die nächste Zeit keine Früchte zeitigte, aber doch ihn lebendig anregte und schliesslich die Übersetzung der „neugriechisch- epirotischen Heldenlieder" und der „neugriechischen Liebe-Skolien" der zwanziger Jahre hervorrief-^''') Die Annaleu 1815 sagen darüber folgendes: „Wenig Fremdes berührte mich; doch nahm ich grossen Antheil an griechischen Liedern neuerer Zeit, die in Original und Übersetzung mitgetheilt wurden, und die ich bald gedruckt zu sehen wünschte. Die Herren v. Natzmer [?] und Haxthauseu hatten diese schöne Arbeit übernommen." Das Tagebuch berichtet über diese beiden: „30. Juni. v. Natzmer [?] Neugriechische Gedichte. 2. Juli. Major |von Haxthausen]. 3. Major v. Haxthausen Griechische Volkslieder.

■'">) Über die Ballade und ihre Quellen vgl. St. Waetzoldt in der Zeitschrift für deutschen Unterricht, III, G, .502-.515. - "') Die Heldenlieder sind von Goethe üV.erset;:t im Jahre 1822, gedruckt 1823, die Skolien 182.3 und 1827. S. die Weini. Ausgabe I, 3, 42it ff.

176

4. Überleitung wegen Ausgabe der Volkslieder. 5. Major v. llaKtliausen Griechische Volkslieder. . . . Mit Haxthausen auf dem Geisberg. Symbolic der Sprachverhältnisse. 7. v. Haxthausen. Neugr. Volks L."

Was für ein Natzmer es gewesen sein mag, der die Arbeit der Heraus- gabe der Lieder mit Haxthausen übernehmen wollte, ist nicht überliefert, ja der oben (S. 95) genannte Oldwig v. Xatzmer versicherte dem Verfasser seiner Biographie, der ihn darum befragte"-), ihm sei diese litterarische Arbeit ganz fremd und er habe in jener Zeit keinen Natzmer gekannt, der sich mit Schrift- stcllerei beschäftigte; von ihren näheren Verwandten könne dieser Natzmer gewiss nicht gewesen sein. Und der Verfasser der Biographie erklärt, er habe nicht in Erfahrung bringen können, welcher N. die Ehre der ]\Iitarbeit gehabt habe. Sollte Goethe sich im Kamen geirrt haben? Sollte nicht vielmehr v. Haxt- hausen im Tagebuch am 30. Juni gelesen werden? Denn dass jener Name neben Haxthausen auch in den Annalen steht, thut nichts zur Sache, da die- selben nach den Tagebüchern bearbeitet sind.

Der Major Werner v. Haxthausen (1780 1842) war wohl Ende Juni (zwischen dem 25. Juni und 2. Juli) in Wiesbaden eingetroffen und ist in der Kurliste als Major v. H. von Hannover zweimal (No. 1838 und 1910) verzeichnet.'^") Er hatte mehr als 100 neugriechische Volkslieder teils geschenkt erhalten teils selbst gesammelt, und es kam ihm nun darauf an den wertvollen Schatz den Freunden dieser Dichtungsart zugänglich zu machen. Goethe sollte daher für die Mitwirkung bei der Herausgabe gewonnen werden und sie durch seine Teil- nahme oder doch Empfehlung unterstützen."'*) Mit welchem Interesse er in der That die Lieder las, beweist der Umstand, dass er schon am 5. Juli, also nachdem er sie kaum in die Hände bekommen hatte, an H. Meyer schrieb"^): „Lassen Sie sich von August etwas über den Fund neugriechischer Balladen (so mögen sie genannt werden) sagen. Das ist das Beste, was mir in dieser Woche vorgekommen. Sie sollen dem vergangenen Jahrhundert angehören, dem Besten gleichend, was wir in dieser Art haben." Und noch am 21. Sep- tember desselben Jahres ist er voll von dem Genüsse der Lektüre und erzählt^^^j zu Heidelberg seinen Gästen Creutzer und Daub bei Tische „von den neu- griechischen Dichtungen vor etwa fünfzig Jahren her. Die Helden seyen meist unabhängige Seeräuber und in den Gebirgen Landräuber, oder Familien auf kleinen Inseln, es seyen meist dramatische Romanzen. Alle Elemente, lyrische, dramatisch-epische, seyen in einer Form. Der Geist derselben sey der nordische, schottische mit dem südlichen und altmythologischen verbunden. Das Gespräch eines Adlers mit dem abgeschlagenen Haupt eines Räuberanführers, welches er auf die Felshöhe getragen. Charou, ein Reiter, welcher die Seelen der Ge-

'") Gneoniar E. v. Xatzmer, aus dem liel)en O. v. Natzmer, 1, l'J2. "') Er wech- selte sein Logis, daher ist er /weimal eingetragen, gerade wie auch Goethe im Jahre 1814. Lebensnachrichten von ihm s. in der Allg. Deutschen Biographie. ^") S. Steig, Goethe und die Brüder Grimm, 1S92 S. 160 ff. und Goethe-JahrVj. XFI, 33 fi'., besonders 67; Reiffer- scheid, Freundosbriofe von Wilhelm und Jakob Grimm. 1878 S. 32. '''') Riemer, Briefe an und von Goethe, 1846 S. 104. '"'') Boisserce T, 283, der fälschlieh sagt, es sei Don- nerstag den 22. gewesen; der Donnerstag war aber der 21.

t i

storbenen hinten an den Schweif seines Rosses bindet, die Kinder an den Sattel hängt. Ein Pferd, welches seinen erschlagenen Herrn beklagt und mit der Hufe scharrt. Ein Bräutigam, der auf der llborfahrt zur Braut in einem siegreichen Gefecht mit den Türken bleibt und wünscht, es solle der iir.uit verschwiegen werden."

Das erste der hier genannten Lieder hat Goethe später unter den grieidiisch- epirotischen IFeldeidiedern als No. VI herausgegeben. Es lautet bei ihm:

Der (Jlympos, der Kissavos,*"") Die zwei Berge haderten; Da entgegnend sprach Olympos Also zu dem Kissavos: „Nicht erhebe dich, Kissnvos, Türken- du («ctretener. I)in icli docli der Greis Olympos, Den die ganze Welt vernahm. Zweiundseohzig Gipfel ziihl' ich Und zweitausend Quellen klar. Jeder Brunn hat seinen Wimpel, Seinen Kämpfer jeder Zweig. Auf den höchsten Gipfel hat sich Mir ein Adler aufgesetzt, Fasst in seinen niächt'gen Klauen Eines Helden blutend Haupt."

„Sage, Haupt, wie ist's ergangen? Fielest du verbrecherisch?" Speise, Vogel, meine Jugend, Meine Mannheit speise nur! Ellonlilngcr wäclist dein Flüge], Deine Klaue spannenlang. Bei Louron, in Xeromeron Lebt' ich in dem Kriegerstand, So in Cliasia, aufm Olympos Kämpft ich bis in's zwölfte Jahr. Sechzig Agas ich erschlug sie, Ihr Gefild verbrannt' ich dann; Die ich sonst noch niederstreckte, Türken, Albaneser auch. Sind zu viele, gar zu viele, Dass ich sie nicht zählen mag; Nun ist meine Reihe kommen, Im Gefechte fiel ich brav.

Das zweite Lied, Charon, ist No. VII.;

Die Bergeshöh'n warum so schwarz?

Woher die Wolkenwoge?

Ist es der Sturm der droben kämpft.

Der Regen, Gipfel peitschend?

Nicht ist's der Sturm der droben kämpft.

Nicht Rogen, Gipfel peitschend;

Nein Charon ist's, er saust einher,

Entführet die Verblichnen;

Die Jungen treibt er vor sich hin,

Schleppt hinter sich die Alten;

Die jüngsten aber, Säuglinge,

In Reih' gehenkt am Sattel.

Da riefen ihm die Greise zu,

Die Jünglinge sie knieten:

„0 Charon halt'! half am Geheg, Halt' an beim kühlen Brunnen I Die Alten da erquicken sich. Die Jugend schleudert Steine, Die Knaben zart zerstreuen sich Und pflücken bunte Blümchen."

Nicht am Gehege halt' ich still,

Ich halte nicht am lirunnen;

Zu schöpfen kommen Weiber an,

Erkennen ihre Kinder,

Die Männer auch erkennen sie.

Das Trennen wird unmöglich.

7. Dies sind die dichterischen Ergebnisse, welche Goethe aus dorn Aufenthalte zu Wiesbaden und am Khein nach dem Tagebuche und anderen Aufzeichnungen davontrug. Dass aber auch andere Studien und Beobachtungen fruchtbringenden Gewinn brachten, haben wir zum Teil früher gehört, wenn sie, wie die Lahnreise, auch nicht litterarisch verwertet wurden. Wir wollen noch einiges hierzu bemerken. Am 1. Juli ISlö finden wir Goethe mit der

"^) Kissavos ist der moderne Name des Ossa, welcher dem <)|ymi>os, j. (Mimlios oder Elimbos, gegenüber liegt; beide trennt das enge Tlial Tempe.

178

Farb[eu] Tab[elle] beschäftigt, wie er zu seiner Farbeulehre, die ihm so sehr am Herzeu lag, auch im Jahre 1814 durch einen Brief von Staatsrat Schultz war hingeführt worden. ^^"*) Ferner wurde er im Jahre 1815 bei der Beratun»- über das Blücher-Denkmal in Bostock zu Rate gezogen; auf einen Brief des Kammerherrn v. Preen antwortete er am 14. Juli 1815, den er fälsehlicli für den Geburtstag Gellerts hielt^''*) und demgemäss unterzeichnete „am Geburtstage Gellerts", dessen das Tagebuch ebenfalls am 14. gedenkt; auch in der FoJo-e war er für das Denkmal thätig und verfasste bekanntlich die Inschrift.^*")

Endlich müssen wir die Nachwirkungen hier erwähnen, welche die Tage am Rheine hatten, vor allem die Aufsätze „über Kunst und Alterthum in den Bhein- und ]\[ain-Gegenden" u. a. in der Zeitschrift über Kunst und Altertum 181G tt". Und sicherlich verdanken manche Lieder des Schenkenbuchs im Divan der frohen Erinnerung an den Elfer, der auch im „St. Rochusfest" verherrliclit wird, ihren Ursprung, Und wie jugendlich frisch, fast überschäumend kündet das „Ghasel auf den Eilfer" den Ruhm dieses Göttertrankes! In seiner ur- sprünglichen Gestalt, die nach dem Tagebuche am 18. Oktober 1815 zu Meiningen auf der Heimreise niedergeschrieben und erst vor wenigen Jahren veröffentlicht wurde^^'), schien es dem Dichter für den Divan zu feurig, sodass er für ihn eine abgeschwächte, kürzere Fassung schuf, die aber doch keine Aufnahme fand, sondern erst 1868 aus dem Nachlasse bekannt gemacht wurde.*^'^) In ihr lautet das Gedicht also:

Wo man mir (iutes erzeigt überall Von meinen Liedern sprechen sie

s' ist eine Flasche Eilfer. Fast rühmlich wie vom Eilfer,

Am lihein und Main, im Ncckarland, Und Blum' und Zweige brechen sie

Man bringt mir lächelnd Eilfer, lAlich kränzend und den Eilfer.

Und nennt gar manchen braven Mann Das alles war' ein grössres Heil,

Viel seltener als den Eilfer: Ich theilte gern den Eilfer

Hat er Menschheit wohl gethan, Nahm' Hafis auch nur seinen Theil

Ist immer noch kein Eilfer. Und schlurfte mit den Eilfer.

Die guten Fürsten nennt man so, Drum eil' ich in das i'aradies,

Heinahe wie den Eilfer; Wo leider nie vom Eilfer

Uns machen ihre Thaten froh, Die Gläub'gen trinken. Sei er süss

Sie leben hoch im Eilfer. Der Ilimmelswein! Kein Eilfer.

Und manchen Namen nenn' ich leis Geschwinde, Hafis, eile hin!

Still schüppelnd meinen Eilfer: Da steht ein Kümer Eilfer!

Sie weiss es wenn es niemand weiss,

Da schmeckt mir erst der Eilfer.

12. Abreise. Erfolge. Urteile.

Die Heimreise aus der Kur trat Goethe im Jahre 1814 am 12. September an. Auf der Fahrt nach Frankfurt beobachtete er bei Flörsheim „Kalk Tuff mit CoDchylien" und besuchte den Schwefelbrunnen zu Weilbach In Frank-

•'"*) Düntzer, Briefwechsel zwischen Goethe und Staatsrat Schultz, 1853 S. 136. "*) Geliert ist am 4. Juli 171.") geboren; abgesch ckt ist der Brief am IG. Juli. ^^") Vgl. den Aufsatz in Räumers historischem Taschenbuch, 1802 S. 343 IT. ="*') Burdach im Goethe-Jahrb. XI, S. 3 ff. (1890). - »8'^) Berlin, 1868, jetzt in der Weimarer Ausgabe I, (;, S. 302.

179

fürt kehrte er bei Fritz Schlosser, der ihn freundlich oiiiyeladen hatte, ein und verweilte dort im Verkelir mit alten Freunden und bekannten bis zum 24. Nach- dem er sich darauf vom 24. September bis 9. Oktober mit Christian Schhjaser zu Heidelberg bei S. Boisseree aufgehalten hatte, kehrte er nach Frankfurt zurück und reiste am 20. nach Kanau, wo er bei Leoniiard einige Tage blieb dann über Gelnhausen, Fulda und Eisenach nach AVeimar und traf am 27 wieder dort ein.

Im Jahre 1815 verliess er am 11. August morgens um (; Uhr Wiesbaden in Gesellschaft von S. Boisseree. Der Weg führte sie zunäciist nach Mainz. „Auf der Höhe, erzählt dieser'"^), sahen wir das Rheingau bis Bin"-cn. Was muss das, bemerkte Goethe, für eine Gewalt gewesen seyn, was muss eine Zeit da/u gehört haben, ehe nur das Wasser da zum Durchbruch gekommen: das hat da gewiss lang als See gestanden, wie der Bodensee. Und nicht allein die Berge haben gehindert, sondern auch das Meer, ehe seine Gewässer abge- nommen." In Mainz wurden unter der Leitung des Professors Lehne die Kunstschätze und die Altertümer in Augenschein genommen. Yor dem Schlafen- gehen betrachteten sie noch leuchtendes Holz, das Goethe aus Wiesbaden mit- gebracht hatte. Samstag den 12, August fuhren sie nach Frankfurt; auf der „Höhe" von Höchst wurde stillgehalten wegen der prächtigen, reichen Aussicht, die im schönsten Sonnenlicht vor ihnen lag. In Frankfurt angekommen fuhr Goethe sofort nach Willemers Landsitz, der Gerbermühle, wo er einzukehren zugesagt hatte und den grösstcn Teil der folgenden Zeit wohnte. Hier ent- wickelte sich das zarte Verhältnis zu Marianne v. Willemer, das Creizenacli in seinem Werden und Bestehen iu^dem mehrfach angezogenen Buche ausführlich geschildert hat, zu voller Blüte und liess die lieblichen Früchte des siebenten Buches des Di van, des Buches Suleika, hervorspriessen. Am 18. September verliess der Dichter seine Vaterstadt, die er von da an nicht wiedersah; von Heidelberg aus, wohin er sich nochmals gewandt hatte, wurde Mannheim und Karlsruhe besucht, und am 7. Oktober die Reise nach Weimar angetreten, das er am 11. erreichte. Vgl. S. 100.

Seines Aufenthalts am Rhein und Main gedenkt Goethe verschiedene Male mit hoher Befriedigung. So sprach er sich am 12. Mai 1815, kurz vor seiner zweiten Reise, dem Kanzler v. Müller gegenüber lobpreisend „über Nassaus Länder und Staaten" aus und teilte manche hübsche Episode seines dortigen geologisch-politischen Lebens mit^"**); in den x\nnalen 1814 bemerkt er kurz: „Die Reise nach den Rhein-, Main- und Neckargegenden gewährte eine grosse Ausbeute und reichhchen Stoff an Persönlichkeiten, Kunstwerken und Kunst- resten." Ausführlicher ist, was er über die ganze Reise des Jahres 1815 be- merkt: „Heitere Luft und rasche Bewegung gaben sogleich mehreren Pro- duktionen im neuen östlichen Sinne Raum. Ein heilsamer Badeaufenthalt, länd- liche Wohnung in bekannter von Jugend auf betretener Gegend, Theilnahme geistreicher, liebender Freunde gedieh zur Belehrung und Steigerung eines glücklichen Zustandes, der sich einem jeden Reinfühlenden aus dem Divan

383

') S. Boisseree I, 266. ""'') Burkluirdt a. a. 0 , S. 10.

180

(larbieteu muss." Dieser Stimmuug verdankte wohl das Distichon den Ursprung, welches überschrieben ist:

„Zum Alldenken des 28. August 1815. Als die Tage noch wuclisen, gefiel das Leben mir wenig, ^'un abnehmend mit Eil', künntcii gefallen sie mir.'*

Doch vergisst er aucli nicht das, was ihm weniger in Nassau gefällt, zu sagen, zunächst in Betreff des Zustandos von Land und Leuten, über den er an Voigt den 1. August 1815 schreibt'*^): „Was für Übel den Franzosen be- gegnen mag, so gönnt mau es ihnen von Grund des Herzens, wenn man die t'bel mit Augen sieht, mit welchen sie seit zwanzig Jahren diese Gegend quälten und verderbten, ja auf ewig entstellten und zerrütteten. Die neue Regierung [in Nassau] findet schwere Aufgaben. Davon mündlich. Auf alle Fälle leben wir dorthinten, mit mehr oder weniger Seelen, wie in limbo patrum."-'**^) Und in Bezug auf Kunst und Wissenschaft äussert es sich in dem Briefe vom 5. Juli 1815 an Meyer also: „Kunst und Wissenschaft und deren Verwandte spielen hier (d. h. in ziemlich weitem Kreise) eine sonderbare Holle." Damit vergleiche man, was wir oben selbst bei No. 8, S. 106 sagen mussten, oder wie man und diese Schuld fiel hauptsächlich auf den Minister die Mineralien- samnduug Cramers anzukaufen versäumte u. a. mehr. Erst später erwachte namentlich durch des Herzogs Adolf eifrige Sorge für Kunst und Wissenschaft ein regeres Streben, um auch hierin hinter den anderen Gegenden Deutschlands nicht zurückzubleiben. Freilich konnte sich damals die Stadt Wiesbaden, die nicht einmal ein Gymnasium besass, und Nassau, das eine Universität entbehrte, in keiner Weise mit Weimar messen; die eben erst von dem Herzogtume ge- wonnene hohe Schule zu Herborn fristete mit Mühe ihr Leben noch bis zum Jahre 1817 und die beiden Gymnasien zu Idstein und Weilburg waren, von dem Wehen der neuen Kunst und Litteratur wenig berührt, den klassischen Studien nach altem Muster treu geblieben. Über das Leben zu Wiesbaden überhaupt meint Goethe am (>. März 1810^*''), dass es dort zu leicht, zu heiter sei, als dass man nicht verwöhnt würde fürs übrige Leben. Er möge daher nicht zu oft hinreisen; Karlsbad störe das innere Gleichgewicht schon weit weniger. Oft bestimme die kleinste Zufälligkeit die dauerndsten Verhältnisse im Leben, und am meisten wirkten Berge auf die Verschiedenheit der Sitten und Charaktere, weit mehr als Klima und Sprache.

Zu der Befriedigung, die Goethe über seinen Aufenthalt zu Wiesbaden empfand, trug nicht wenig der günstige Erfolg der Kur bei. Wiederholt sprach er in Briefen an Freunde aus, wie gut ihm das Bad bekomme oder bekommen sei: dies schrieb er an Schlosser am 7. und 20. August 1814^^"), an Boisseree am 1:5. und 30. August 1814 und am 2. Juni 1815'''^), an Knebel am 2. No- vember 1814.''*") Dabei bemerkt er dem ersten, der ihn von Frankfurt aus mehr-

'■'''') 0. Jahn, Goethes Briefe an v. Voigt, S. ;{43. ^*^) Limbus ist u. a. der Ort, an dem die Seelen der vor Chri.stus verstorbenen frommen Männer weilen, die nicht der vollen Seligkeit teilhaftig, aber ihr nahe sind. Wetzer und Weite, Kircheiilexikon. '■'''') Burk- hardt a a. ()., s. l'.i. a«") Frese a, a. U., 8 Gli, CA. - »»Oj s. Boisseree 11, 4U. Vgl. Ooethe-Jahrl). Vi, 12'^. ^'■"') Briefwechsel zwischen GoeÜio und Knebel, 1854,

181

fach mit Geld versorgte, man spüre in Wiesbaden sehr, dass die Münze rund sei und dieser Ware bedürfe man daselbst überall, wie es scheine, mehr als anders- wo. Wie hoch sich übrigens seine Ausgaben auf der Reise und insbesoiulere in der Kur beliefen, lässt sich aus den nur verein/xdten Erwähnungen in Briefen nicht feststellen. Am 7. August 1814 bescheinigt er .Schlossor .'524 H. am 9. September 21G fl. erhalten zu haben.

Von entscheidender Bedeutung endlich war die zweimalige Rheinreise für Goethes Kunstrichtung.'"") Während er bis kurze Zeit vor dem Jahre 1814 einem fast einseitigen Klassizismus gehuldigt hatte, befestigten ihn nunmeiir die beiden Reisen in der neuen Bahn, die er eingeschlagen hatte. Wir haben oben schon auf den Einfluss Boisseröes hingewiesen, dessen Sammlungen mittel- alterlicher Kunst er jetzt selbst kennen lernte, wie er die Kunstschätze am Rhein und Main von nun au mit ganz anderen Augen betrachtete. Dazu trat der freie Verkehr mit alten und neuen Freunden, sowie die ungehinderte Bewegung unter der heiteren Bevölkerung der Rhein- und Mainlande, die sein Ohr und Herz dem Leben und Treiben seiner Landsleute und den Liedern fremder Nationen mehr und mehr öffneten. Freudig liess er die gewonnenen Eindrücke in eignen Schöpfungen austönen. So konnte er später mit Recht sagen:

„Wir sind vielleicht zu antik gewesen; Nun wollen wir es moderner lesen."

IX. Spätere Beziehungen zu Nassau, 1816, 1825, 1828.

1. Auch im Jahre 1816 gedachte Goethe das Bad zu Wiesbaden zu gebrauchen.''^') Zelter, der gleichfalls die Kur daselbst wiederholen wollte, hatte ihn im Juli zu Weimar besucht, und es war abgesprochen worden, dass er wieder für eine Wohnung sorgen sollte. Dies that er auch sofort nach seiner Ankunft zu Wiesbaden am 16. Juli, indem er ein „stilles Quartier in der Rose festlegte." Doch in letzter Stunde wurde die Sache vereitelt. Denn kaum war Goethe am 20. Juli mit Meyer, der ihn begleiten wollte, abgereist, als nach zweistündiger Fahrt, kurz vor Münchenholzen „der ungeschickteste aller Fuhr- knechte" den Wagen umwarf. Da Meyer, wenn auch nicht gefährlich, verletzt worden war, musste die Weiterreise zunächst aufgegeben werden, und da die Heilung wenigstens 14 Tage in Anspruch nehmen sollte, so entschloss sich Goethe, um den besten Monat nicht zu verlieren, nach Tennstedt zu gehen, von dessen Wassern er die beste Wirkung hoffte. Das für ihn gemietete Logis in der „Rose" bestellte Zelter sofort nach der Meldung hiervon ab, musste aber 13 fl. Entschädigung bezahlen, „ein Preis, fügt er in dem Briefe vom 26. Juli zu, der nicht zu gross seyn würde, wenn Du etwas dafür genossen hättest, denn das Quartierchen schien mir recht für Dich zu passen."

^^^) K. Burdach, Goethe-Jahrb. XI, 14 ff. =''**) Riemer, Briefwechsel zwisihen Goethe und Zelter, 11, 282 ff. Goethe änderte übrigens seinen Plan und vvollto nacli Haden gehen, wo denn Cotta ein Quartier bestellte.

13

182

2. Im November des Jahres 1816 schreibt der Grossherzog Karl August an Goethe^^^): „Wenu mau nur deu Codex der li. Hildegard gelielien bekommen könnte, um ihn selbst /.u bearbeiten. Über die Jagd nach den Niboluugen hat man die h. lliUlegard vergessen. Es existiert der Origiual-Codex und eine Copie desselben in Wiesbaden. Schreibe doch au Minister v. Marscliall, er möchte uns die Copie leihen, er hatte mir dieses schon im vorigen Herbst ver- sproclien." Im Oktober 1815 war der Grossherzog am Uhein; damals mag er den Minister v. Marschall gesehen und seinen Wunsch mitgeteilt haben, wie er auch am 22. Oktober sich eine Mitteilung der für Nassau erlassenen Ver- fiissuugsurkunde ausbat."'''*'^) In wie weit der in obigem Brief ausgesprochene Wunsch, den Codex der Ilildegaid zu erhalten, erfüllt wurde, ob Goethe die nötigen Schritte dazu that, konnte nicht festgestellt werden.

3. Nicht übergehen wollen wir ferner, dass am 10. Oktober 1825 auf Ministerialbeschluss vom 13. Oktober dem Staatsminister v. Goethe auf Ansuchen ein Privilegium gegen den Nachdruck einer von ihm beabsichtigten neuen Ausgabe seiner Werke auf einen Zeitraum von 50 Jahren erteilt und dieser Beschluss alsbald den Buchdruckern und Buchhändlern in Nassau mitgeteilt wurde. Die neue Ausgabe erschien im Jahre 1827 und den folgenden Jahren, l'ud als im Jahre 1835 ein Nachdruck derselben zu Paris veranstaltet wurde, so verbot die nassauische Regierung am 2. April den Vertrieb desselben in Nassau, ^^^)

4. Goethe und der Verein für nassauische Altertumskunde und Geschichts- forschung.^'"') Die ersten Anregungen zur Gründung eines Vereins zunächst zur Erforschung der römischen Altertümer in Nassau gehen in das Jahr 1811 zurück; namentlich betrieb der ältere Habel noch während des Jahres 1812 die Sache sehr eifrig^^'), doch traten die politischen Verhältnisse bald hindernd dazwischen. Indessen muss Goethe von dem Plane unterrichtet worden sein; denn in dem Aufsatze über die Kunstschätze am Rhein u. s. w. sagt er: „Schon haben sich mehrere Freunde der Kunst, der Natur und des Altertums [zu Wiesbaden] unterzeichnet, eine Gesellschaft zu bilden, welche sowohl überhaupt als besonders für diese Gegend um alles Merkwürdige bemüht wäre. Herr V. Gerning, der das Taunusgebirg zum Gegenstand seiner Dichtungen und Betrachtungen vorzüglich gewählt, möchte wohl zu bewegen sein seine reiche Sammlung hierher zu verlegen und einen Grund zu legen, worauf die Gunst der Fürsten und die Bereitwilligkeit mancher dankbaren Fremden gewiss mit Eifer fortbauen würde." Diese Wünsche sollten sich verwirklichen, freilich später als man damals hoffte, indem in der That drei Vereine jetzt die drei (lebiete der Kunst, Natur und Altertümer zum Gegenstand ihrer Pflege gemadit liabeii. Aber die Zeiten, die auf die grossen Kriege folgten, waren diesen fried- lichen Beschäftigungen nicht hold; gerade in den Rheingegenden und voruehm-

•'*^) Briefweclisel II, 77. ***) Sauer, Das Herzogtum Nassau in den Jahren 1813—1820, 8.26. ^^) StaatKarchiv zu Wiesbaden. S. II irzel, Verzeichnis einer Qoetlie-Bildiothek, 1884, S. 99 flf. ""*') Die folgondeu Mitteilungen beruhen, wo nichts anderes bemerkt ist, auf den Akten des Vereins. '■^^'•) Annalen des Vereins Xf, '> und XVII, (ifj.

183

lieh in Nassau tingen politische Interessen die Gemüter zu beherrschen und zu beunruhigen au, geheime und offene Bewegungen und Verbindungen stC.rten die Freudigkeit zu wissenschaftlicher Thätigkeit und führten schliesslich die Regierung zu energischen Massregeln gegen das Vereinswesen. •'^''; So kam es erst zehn Jahre nach den ersten Ansätzen im Jahre 1821 zur firünduii"- des ältesten der genannten Vereine, des Vereins für nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, und auch der zweite Wunsch des Altmeisters das» die Sammlung des 11. v. Gerning zu AViesbaden eine bleibende Stätte finden möchte, ging im Jahre 1824 in Erfüllung.-^^) Als der Verein auf eine mehr- jährige erfolgreiche Thätigkeit zurückblicken durfte, glaubte man mit Ehren vor der wissenschaftlichen Welt auftreten zu können und beschloss in einem ersten Hefte der „Annalen des Vereins" Mitteilungen über die Ergebnisse seiner Forschungen zu machen, sowie eine Anzahl namhafter Gelehrten zu Ehrenmit- gliedern des Vereins zu ernennen, denen dieses und die folgenden Hefte der Annalen unentgeltlich zugehen sollten. Sobald also das im Druck befindliche Heft fertiggestelt war Ende des Jahres 1827 , machte man auf Grund früherer Besprechungen ein Verzeichnis von 30 Männern der Wissenschaft und Kunst, denen das Diplom ihrer Ehrenmitgliedschaft zugleich mit der Druckschrift zugesandt werden sollte. Der Verein hatte damals zwei Direktoren, einen in- ländischen für die Geschäfte innerhalb Nassaus und einen ausländischen für die Geschäfte ausserhalb des Herzogtums; letztere Stelle bekleidete der ge- nannte Geheimerat v. Gerning zu Frankfurt, dem zu Liebe sie geschaffen war. Ihm wurden also am 9. Januar 1828 21 Diplome zur Unterzeichnung zugesandt, die für Goethe und einige andere Herren folgten erst am 25. April, Fast drei Monate später am 20. Juli überschickte Gerning dem Vorstande ein Dankschreiben Goethes zugleich im Original und in Abschrift mit der Bitte ein Exemplar zu behalten, das andere ihm wieder zuzusenden. Trotz eifrigen Nach- suchens in den Akten des Vereins ist es nicht gelungen das eine zurückbe- haltene Exemplar aufzufinden.

Inzwischen hatte es der Sekretär des Vereins, der jüngere Habel, welcher in dem Annalenhefte über seine bedeutungsvollen Entdeckungen der „Ruinen von Heddernheim", namentlich zweier Mithras-Tempel berichtete, nicht über sich gewinnen können ganz in den Hintergrund zu treten und am 17. Februar 1828 an Goethe ein Schreiben gerichtet, das er mit dem genannten Hefte an diesen absandte. Das Konzept desselben hat sich erhalten und lautet also:

„Ew. Excellenz

beehre ich mich durch gütigen Einschluss meines Freundes Braun**"*) ein Exem- plar der gegen Ende vorigen Jahres erschienenen Annalen unseres Alterthums- Vereines zu übersenden, aus welchen Hochdieselben die Ergebnisse unserer bisherigen Bestrebungen sowie die Richtung unseres Wirkens geueigtest ersehen wollen.

^**) Sauer, Das Herzogtum Nassau in den Jahren 181S— 1820, S. 98. Meinecke, Die deutschen Qesellscliaften und der Hoffmannisolie Bund, 1891. •'■'*) Annnlon Xf, S. l.if.. *"'^y Prof. Dr. liraun zu Mainz war ein eifriges Mitglied des N'ereins.

13*

1S4

T'nter den mancherlei interessanten Punkten unseres Landes hat der Verein den erst einige Jahre nuter meiner Leitung begonnenen^"^) Inter- suchungen der römischen Überreste bey lleddernheim eine vorzügliche Auf- merksamkeit geschenkt. Ich wage es den in unserer Zeitschrift abgedruckten Bericht über die dortigen Ausgrabungen der nachsichtsvollen Beurtheilung Ew. Excellenz zu empfehlen.

Ohnstreitig sind Ew. Excell. durch das Stuttgarter Kunstblatt vor mehreren Monaten mit der letzten interessanten Ausbeute aus diesem ausgedehnten Über- reste, der Entdeckung zweier Mithrastempel, bekannt geworden. Die im Inneren desselben gefundenen merkwürdigen Reliefs wurden jedoch in diesem Blatt durch Herrn Hofrath Dr. Dorow auf eine so unbescheidene und unwahre Weise dar- gestellt, dass sich der Verein veranlasst sah eine Zeichnung dieser plastischen Überreste einstweilen im Umriss lithographiren zu lassen, um die Meinung competenter Gelehrten über diese manigfaltigeu und z. Th. neuen Symbole zu vernehmen.

In dieser Absicht erlaube ich mir einen Abdruck dieser Ijithographien beyzuschliessen. Nicht nur der Verein, sondern das ganze gelehrte Publicum Deutschlands würde sich unendlich freuen, hierüber die Ansicliton eines so grossen Kenners des Alterthums zu vernehmen, und Ew. Excell. würden mich besonders verpflichten, wenn Dieselben mir erlauben wollten dieselbe in uusern Anualen bekannt machen zu dürfen.

In Bezug auf die Lithographien bemerke ich nur noch, dass auf Taf. III die Figuren 4 4'^, auf Taf. V die Figuren 1~1'' in meiner Abwesenheit durch Versehen des Zeichners hinzugefügt worden sind, welche nicht zu den in unserm Mithraeum gefundenen Gegenständen gehören. Eine ausführliche Beschreibung und die Grundrisse beyder Mithraen dürften in dem zweiten Hefte viin mir folgen. ^''^)

Genehmigen Ew. Excell. die Versicherung der ausgezeichnetsten Verehrung, mit der ich beharre

Exped. den 17. Februar 1828, Ew. Excell. gehorsamer Diener

F. G. H[abel|.«

Unter dem Schreiben steht die Notiz: „Das Diplom zur Übersendung über- geben (an Gerning) den 25. April 1828." Eine Antwort Goethes hat sich in Habeis Nachlass nicht aufgefunden.

In <lem zweiten Hefte der Annalen, das im Jahre 1830 erschien, sind 03 Ehrenmitglieder des Vereins in alphabetischer Ordnung aufgeführt, unter ihnen auch Goethe mit Zufügung der Namen aller seiner Orden.

Wir sind zu Ende; denn weitere Mitteilungen od(u- Andeutungen von Be- ziehungen (jioethes zu Nassau haben sich bis jetzt nicht gefunden, wenn er sicherlich auch noch immer der nassauischen Lande und seiner Besuche der- s(dl)en gern gedachte und die wissenschaftlichen Bestrebungen der Bewohner, die er erhofft und gewünscht, freudig begrüsste.

*'") Seit dem Jahre 1823. Ann. I, 1, S 48. ^"'j Gescliah in Ann. I, 2 (1830), S. 161-196.

In ha 1 tsangabe.

185

Seile

Vorwort 53

I. 1763—1764 .... 54

II. 1765 55

JH. Die Lahiucisc von 1772 , 57

IV. 1774. Sindüiigcn . . . 5!)

V. 1774. Ems. Juni Juli . 60

VI. 1793 65

VII. 1814, 29. Juli bis 12. Sept.! Vlir. 1815, 27. Mai bis 11. Aug.]

1. Der Entscbluss, 1814 . 67

2. Die Reise, 1814 . . 69

3. Der erstcTag,30.Juli 1814 70

4. p]ntscbluss U.Reise, 1815 72

5. Kurleben, 1814 u. 1814 74

6. Das Theater .... 78

7. Verkehr mit Kurgästen. Besuche auswärt. Freunde 80

8. Verkehr mit Einhei- mischen 100

1. Der herzogliche Hot' zu Biebrich . . . . 100

2. Die höheren Beamten 105

3. Oberbergrat Gramer . 108

4. Bibliothekar Hundes- hagen . . . . 114

5. Apotheker Otto . . 117

6. Habel zu Schierstein . 119

7. Hofrat Götz zu Rüdes- heim 121

8. Kammerherr V. Nauen-

dorf 124

9. Johannes de Laspee . 125 Gedicht für die Kinder 130 Die Rechenkunst der

Dorothea Cramer . 131 Goethes Urteil über das

Pestalozzische Wesen 131

10. Philippinc Lade . . 132

11. Gerbcrmstr. Behriiigor u. a

9. Störungen und l'utcr- brccliuiigm des regel- mässigen Kurlebens .

a. Im Jalire 1814:

1. Des Königs V. Preusseii Geburtstags -Ecicr zu Älainz

2. Das St. Rüchusfest .

3. Der Grossherzog Karl August in Mainz und Wiesbaden

4. Herbsttage im Rlicin-

Seiia

137

138

gau

6.

7. 8. 9.

1). Im Jahre 1815 :

Politische Aufregungen Zu Mainz bei Erz- herzog Karl Auf dem Johannisberg Lahnreise .... Besuch bei dem Mi- nister Y. Stein

10. Lektüre

1 1 . Eignes Schaffen .

1. Der Divan . .

2. Der Löwenstuhl .

3. Das St. Rochusfest .

4. Italienische Reise .

5. Gedicht für die Kinder

6. Neugriechische Lieder

7. Verschiedenes; Nach- wirkungen 69. 100

12. Abreise. Erfolge. Urteile

IX. Spätere Beziehungen Goethes

zu Nassau 1816. 1825, 1828

138 139

140

141

145

148 148 150

153 156 159 159 173 140 175 1 30 175

177 178

isi

186

Verzeichnis

der

für Goethes Aufenthalt am Rhein bemerkenswertesten Namen.

(Vgl. die Inhaltsangabe und den Abschnitt .,Lektüre".)

(Die Zai'len bedeuten die Seiten.)

100 ff.

f.

102

V. AlinoiuliiigtMi. L. Harscher 10" Arndt. K. M. 153. Arnstein 152 f.

Baoliarach 59. Bansa, Frau 76. 94. Basedow 60 ff.

Behringer, Gerbermeistcr 137. Berthier, Marschair 146. Beuther, Fr. 78 f. Biebrich 54. 59. 69. Bingen 59. 65. 142. V. Bismarck. J>. AV. L. 105, Blessenbach 151. V. Bobenhausen, Lotte 83 Bodmann, F. J. 139.

Boissert^e, S. 75. 81. 98 ff.

168 f. 170 ff". 179. Brentano, Maxe 59 f.

Franz u. Antonia 89. 93. 1 41 ff'.

,, Kinder und Verwandte 142 ff.

V. lUirgsdorf 97. Butte. W. 97

Chinard, Jos. Clause 143. Cramer, L. W 132. 139

f.

131. 141,

127 71

93.

, 75. 108 ff ff. 150 ff". Cramer, Luise und Sophie 133.

Dorothea, Sophie 129 ff". Crcsi»el, Frau 94. Cronberg 54.

De Laspee. Job. 125 ff'. De Lort, Jos. 103. 148. Diez 58.

Dillcnburger Dienerschalt 105. Drususstein 55.

Ehrenbreitstein 58. Kibingen 142.

120. 127 ff'.

Eltville 59. 140.

Elwert 84.

Ems 58. 60 ff'.

Eppstein 151.

Feldberg 54.

Flörsheim 178.

V. Frimont, J. 138.

Geilnaucr Wasser 74.

Geisberg 75. 92. 94. 111 f. 131.

Geisenheim 142.

V. Gerning, J. J. 90. 120. 182.

Georgenborn 136.

Goetlie. Geburtstag 1814 80. 92. 103.

Kleine Gedichte 62. 90. 143.

Hermann und Dorothea 75. 90.

121. 129. Goethe, Leopoldsorden 98. 149 f.

Orden der verrückten Hofnäte 99. Goethepunkt, Goethewinkel 58. 152 Anm. Goethit 113. Götz, G. K. Fl. 72. Goetz, W. Fr. 121 ft\ 140. V. Günderrode, (Fr. M.) 85.

,, Karoline 143.

V. Guaita-Brentano, G. F. 89 f. ., Mcline 89 f.

V. Gudeuau, K. 149. Habe], Fr. G. 119 f. 183 f. Hall wachs 79. V. Handel, P. A. 149. V. Hardegg, Graf Heinrich 138. V. llaxthausen, W. 95. 175. Henckel v. Donnersmark, Graf L. 81 f.

W. 81 f. V. Hertling. Frau 121. 128. Hildegard, die heilige IKi. 182. Höchst 54. 179. Holweg, Susanne 90. Holzajtjjcl 152.

187

V. Holzhausen, Karolinc 92 f.

Karl 92 f.

Horst, G. K. 9(j.

V. Ilügcl, Job. AI. Jos. 96. 149 f. llundeshagcn, B. 69. 114 ff. 134 f.

Ibell, K. 107.

Idstein 151.

Ingelbcini, Ober- und Nieder- 142.

Jobannisberg 142. 148 f.

V. Jungenfeld 139.

Kämpf, Frau 63.

,, Job. 63. 65. Karl, Erherzog 103 ff. 148. Karl August, [Gross] Herzog 65. 140 f. 150. Katbarinc, Grossfürstin 96 f. 127. Kebr, Forstscb reiber 94. Kleyle, Joacb. 149. Klosterniüble 75. Koblenz 57. 62. Königstein 54. V. Krauseneck, W. J. 138. V. Künigl, Graf Hermann 103.

Lade, Pbilippine 132 ff. Labneck 62. Lahnstein 58. Labnreisen 57 f. 150 ff'. Langbeckc 151. Langsdortt", E. H. 107. La Roche, Sophie 59. 64. Lavater 60 ff". Le Bauld de Nans, Cl. 95. Lehne, Prof. zu Mainz 179. Lehr, F. A. 118. V. Leonhard, K. C. 86 ff. Leopold Friedr. , Prinz von Anhalt- Dessau 139. Limburg 56. 151. V. Lobentbai, Fr. L. S{i. Low von und zu Steinfurtb, Ph. 83. 85.

Luise 85. V. Luck 81. 139.

Ludwig, Prinz von Hcsscn-Hombürg 102. 138.

V. Lyncker 95.

Mainz 54. 65. 104. 138. 141. 179.

v. Malapert. F. Ph. W. 91.

Marheineke 86.

V. Marschall, E. F. L. 106 f. 147. 182.

Maultrommel 79.

Mcäuseturm 65.

Metternich, Fürst 96.

Metzler, Geb.-R. 95.

V. Meusebach 155.

»5

Mcss, J. J. 151.

v. Motz, K. 156.

Müller, Dr. 8(5.

Münz 151.

Murat 146.

Napoleon 145. 147.

Nassau, Herzog Friedrich August 69.

101 ff. Nassau, Fürst Friedr. Willi. Iti;;. li)ö. Herzogin Luise 10 1. 1<)3. Fürstin ,, 103.

Prinzessin Auguste 1 0 1 f.

Henriette 103. 105. Stadt 56. 152. Land 53. (67.) 180. ., Kriegsrüstungen 145 ff. V. Natzmer, (W.) 95. (175 f.)

V. Nauendorf, L. 124 f. 148.

Nccf, Chr. E. 94.

V. Neufville, J. A. F. W. K. 90.

Neuwied 63.

Niederwald 142.

Nonnenmüble 75.

Not Gottes 142.

Nürnberger Hof 76. 136.

Obernhof 58. 152 Anm.

Otto, K. Ph. 117 ff.

Papiermühle 75.

Pestalozzi 12 6 ff".

V. Pfeiffer, F. K. J. 79. 107.

Piautaz, Frl. 142.

Platte 74, 83.

Rehberg, Frau 121 ff.

Reinhard, Kath. El. 75 f.

Reuss 95.

Rhein 54. 58. 67. 138. 143.

Rheinfels 59.

Rheingau 141. 179.

Riese, J. J. 90.

V. Roth 95.

Rüdesbeim 65. 140. 142.

S. Goar '69.

S. Rochusberg 139. 142.

S. Rochusfest 139 f.

Schierstein 119.

Schlosser, Chr. 70. 75. Dl f. 112.

Fritz 68. 7(i. 75. 91. 94 f.

Schmidt. J. Cb. L. 152.

Schreiber 152.

Schwalbach 54. 65.

Schwalbachcr Wasser 74.

Seeligmann. Frau 95.

Selters, Ober- und Nieder- 151.

188

>>

Stein

Serviere 93.

rauliiie 93. 142. 145. Sindlingcii 59. Soinienberg 74. Stark 141.

V. Stein. 3Iutter des Ministers (31. der Minister 104. 153 ff. Frau und Töclitcr 155. 8G.

Christiane 82 ff".

J]leonore 77. 82 ff.

,, Friederike 82. V. Steinberg (Slernberg) 85. V. Strauch. II. 149. Stritt, J. 105. V. Swrtnick, A. 138. Taunus 54. Ungers 86. Vogel 141. Vüllraths 142. V. Walnioden, Frl. 154 ff. Watcrloo 104. 147. Weilbach 175. Weilbacher Wasser Weilburg 58. Weicker, Fr. G. 80.

74.

Wenzel 142.

Westermann, AI. 151.

V. Westphalen. Graf 149.

Wetzlar 0 7.

Wiesbaden 54 ff". 65 f. 68 f. 70 ff. 141. Badhäuser: Adler 70. 76 f. Bär 69 f. 73. Rose 181. Schützenhof 78. Schwarzer Bock 68. 82. Heidenmauer 72. Anlagen 71. 141. Kalkstein- brüche im Mühlbachthal 72. 75. 111 ff. Kursaal 71. 74. 92. 94. 96. 141. Koch- brunnen 72. Landesbibliu- thek 114. 116.

Wildfeyr 142.

V. Wildungen, Luise 83 f.

V. Willcmer. J. J. 88.

,, Marianne 88 f.

Willhan, Frl. 82.

Winkel 141 ff'.

Wolf, F. A. 68. 74. 127.

V. Wolzogen, W. 72.

Zais, Chr. 72.

Zelter, K. Fr. 68 f. 72. 74 f. 80 f. 120. 138 f. 142. 181.

S. 77, Z. 13 des Textes v. o. lies Liefländer,

S. 8.S, Z. 10 ., ., V. u. Steins st. Stein.

S. 116, Z. 16 V. 0. streiche in [anderwärts].

Zur Abwehr.

Einem französischen Gelehrten G. de la Noe ist es gehingen, eine an- gebhch ganz neue Entdeckung zu machen, nämlich dass die Kömer Reise- Sonnenuhren besessen haben. In den Memoires des antiquaires de France, ser. VI, tom. III, Paris 1893, aber erst 1894 erschienen, pg. 151—162 ver- öffentlicht er seine Abhandlung, welche sich auf eine Herrn Emil Huber in Saargemünd gehörende, auf dem Ilerapel bei Forbach gefundene Bronzeuhr gründet. Aber ffenau dieselbe Bronzeuhr, welche mir seinerzeit von Herrn Professor Dr. Zaugenmeister in Heidelberg übergeben wurde, habe ich schon im 23. Bande unserer Annalen 1891, S. 115 u. f. ausführlich besprochen und dort unter der Überschrift „Römische Reiseuhreu" das angeführt, was der französische Gelehrte jetzt für sich in Anspruch nimmt, ja sogar noch zwei andere Sonnenuhren, die eine aus dem Mainzer Museum, auf welche mich Herr Professor Zangenmeister aufmerksam machte, die andere aus dem Wiener Hof- museum, ebenso ausführlich behandelt. Da ich Herrn Hub er schon 1890 ein Exemplar meiner Abhandlung schickte, für welches er sich am 13. Dezbr. 1890 bedankte, so ist nicht anzunehmen, dass er Herrn Noe gegenüber, als er ihm die Uhr übergab, nicht erwähnt haben sollte, dass sie bereits bekannt gemacht und erklärt sei. Herr Noe erwähnt aber nichts davon.

Die Notiz über die grosse französische Entdeckung ist in alle Zeitungen und wissenschaftlichen Blätter übergegangen und als etwas Besonderes gepriesen worden, ich erkläre darum hiermit ausdrücklich, dass diese Entdeckung der römischen Reiseuhren nicht von Herrn de la Noe herrührt, sondern, wie oben angegeben, deutschen Ursprungs ist.

Öch lieben, Major a. D.

Erflnduni,^ und erste Einriclitiing der Wasscmiülüen.

Von

A* Schlisbcn^

Major a. 1).

Hierzu die Tafel III.

Die erste Erwähnung uud wahrscheinlich auch die Erfindung der Wasser- mühlen reicht bis in das erste Jahrhundert vor Christi Geburt zurück. Strabo (XII, 3 fol. 556), ein Zeitgenosse Caesars und Ciceros, zählt unter den Sehens- würdigkeiten der kleinasiatischen Stadt Kabira in Pontus eine Wassermühle auf, welche bei ihm ö OopaXsrrj? heisst. Da Strabo ganz in der Nähe geboren uud erzogen wurde, so kann man annehmen, dass er genau unterrichtet war, und da er die Erwähnung dieser Wassermühle, nachdem er sich in der ganzen Welt umgesehen hatte, unter den Sehenswürdigkeiten der Gegend an erster Stelle noch für angebracht hielt, so lässt sich mit Grund annehmen, dass der- artige Mühlen bei seinen Lebzeiten er starb 24 v. Chr. noch nicht all- gemein üblich waren. Damit stimmt eine aus Servius Kommentar zu Yirgil herrührende Angabe, welche die erste Errichtung von Wassermühlen in Rom kurz vor der Zeit des Augustus eifolgen lässt. Sollte jene Wassermühle bei Kabira wirklich die erste gewesen und Mithridates, welcher diese Stadt zur Residenz erhob, einer unverbürgten Annnahme zufolge, selbst der Erfinder gewesen sein, so muss diese Mühle vor seinem Todesjahre 64 v. Chr. erbaut worden sein. Die Erfindung konnte dann im Laufe des p mtischen Krieges bekannter werden und kurz vor Augustus, also vor dem Jahre 30 V. Chr., in Rom Nachahmung finden, wie so viele Neulieiten gerade zu jener Zeit aus Asien eingeführt wurden. Die Erfindung der Wassermühleu würde demnach in das erste Drittel des ersten Jahrhunderts vor Chr. zu setzen sein.

Dass sie etwa zur Zeit Ciceros in Rom bekannt waren, wird durch ein bei Beckmann (Gesch d. Erfindungen II, S. 15) angeführtes Epigramm des gleichzeitigen Antip;iter erwiesen, welcher die Sklavinnen beglückwünscht, dass sie sich nicht mehr in der Mühle zu quälen brauchen, da Ceres die Najaden beauftragt habe die Räder zu drehen, welche die Mühle treiben. Dass die Wassermühlen gleichwohl selten blieben und keineswegs allein den Mehlbedarf decken konnten, geht für die Zeit des Caligula daraus hervor, dass in Rom ein Brodmangel entstand, als er die Pferde, Esel und Ochsen aus den Mühlen

191

wegnahm und zum Transport verwendete und für die spätere Zeit des YIl. Jahr- hunderts daraus, dass damals noch IJOü Rossmühlen in Rom bestanden. Von Sklaven getriebene grössere Handmühleu wurden erst nach Kinfüiirung des Christentums von Theodosius abgeschafft, kleinere Ilandmühlcii bestanden noch viele Jahrhunderte in kleinen Haushaltungen, Roas- und Eselmühlen aber giebt es auf dem Laude noch heute.

Die Verwendung des Getreides war in den eiuzelncn Ländern eine sehr verschiedene. Gerste, Weizen und, für ärmere, Roggen wurden entweder nur enthülst oder grob zerkleinert und gaben dann die Graupen, in (Jriechenland schon von Homer angeführt (Odyss. XX, 108; 11, 290). aXcp-Ta ts-V/ooaa-. v.al a/.3':7.ta jiOiXöv avSpwv, oder sie wurden fein gemahlen und guben dann Mehl von ver- schiedener Güte, aus welchem in Rom in ältesten Zeiten ein Brei fpulsj ge- macht wurde, da das Brodbacken noch unbekannt war (luv. sat. 14, 170; Pliii. h. n. 18, 8 (10), während in Griechenland der Brei nicht vorkommt. Dieses Zerkleinern und Mahlen geschah nun entweder durch Stossen mit einem Stempel, die gröbere Art (daher der Namen pistor, ursprünglich xtinsor, der Müller, welcher das Getreide zerstösst, später auch der Bäcker, der es backt), oder es jreschah durch Mahlen auf kleineren, durch Mägde oder Sklavinnen bewegten Handmühlen oder auf grösseren Werken, welche von Verbrechern, denen eme zaoo'./dTrr], ein hölzerner breiter Kragen umgelegt wurde, damit sie nicht mit den Händen in den Mund reichen konnten, oder von Pferden, Eseln oder Ochsen getrieben wurden. Für diese grösseren Mühlen fing man um die genannte Zeit an sich der Wasserkraft zu bedienen und muss nun zwei Arten unter- scheiden: Graupenmühlen und Mehlmühlen. Über erstere sind wir durch riinius, über letztere durch Vitruv unterrichtet, beide Texte bedürfen aber, um verständlich zu sein, einer Richtigstellung.

I.

Sprechen wir zuerst von den Graupenmühlen (Fig. 1). Nachdem Plinius (h. n. XVm, 10 (23) fol. 127) von den verschiedenen Getreidearten gesprochen hat, beschreibt er nicht das Mahlen des Mehles, sondern das Anfertigen der Graupen, welches er mit pisUira bezeichnet: Pistura non omninm facilis, das Zer- kleinern ist nicht bei allen Getreidearten leicht; quipi^e Etrnria spicam farris tosti pisente pilo praeferrato, in Etrurien bedient man sich nämlich, um die Spitze des gedörrten Kornes zu entfernen, einer eisenbeschlagenen Stosskeule, jistula serrata et Stella iiitm denticulata, einer sägeartig geschärften Mörserridirc, welche unten sternförmig gezahnt ist: ut nisi intenti pisant^ sodass, wenn die Arbeiter nicht vorsichtig stossen, concidantur ffrana ferroqne frnngantur, die Körner verderben und von dem Eisen zerquetscht werden. Die Lesart ferrumquc frangatnr halte ich für falsch, denn nicht das schwere Eisen zerbricht, sondern die Körner werden zerquetscht, was bei der Graupe niclit geschehen soll. Plinius fährt fort: maior pars Italiae ruido utitur pilo, der grösste Teil ItaHens braucht rauhe Stempel, rotis etiam, qiias aqua rerset obiter et nwlis, aber auch Räder, welche durch Wasserkraft bewegt über das Getreide hinstreichen.

102

oder bedienen sieh der Mühlen. Dieser Satz macht die meiste Schwierigkeit, ich nehme ohifcr zu verset und lese moUs statt moUt oder molaf, wie einzelne Ausgaben haben. Marquardt und andere verstehen unter rotis, qtias aqua verset ubifrr sogenannte oberschlächtige ^Yasserräder, aber ist es nicht ganz gleich- giltig, ob das Rad ober- oder unterschlüchtig ist? Beide haben dieselbe Wirkung, die einen kommen mehr im (iebirge, die andern mehr in der Ebene vor, es kommt doch nur darauf an, wie ein Rad und /.war jedenfalls nicht das Wasser- rad direkt, sondern das von diesem bewegte, besonders eingerichtete Rad oder der Mühlstein zum Enthülsen dienen kann. Dieses Verfahren geht allein aus meiner Erklärung hervor. Ich verstehe die Stelle nämlich so, dass ein zweites Rad, auf der horizontalen Welle des Wasserrades sitzend, also senkrecht stehend, mit einem Gehäuse, einer Trommel, umgeben ist, in welcher sich das Getreide am Boden befindet und dass nun dieses Rad bei schneller Umdrehung über das Getreide hinstreicht, es gegen die Wand der Trommel wirft, welche wie der Umfang des Rades geschärft ist und so mit der Zeit das sogenannte Spitzen oder Abschälen des Getreides bewirkt, wie es in einfachen Werken im Prinzipe noch heute erfolgt. Da das Mühlrad sich nur langsam dreht, so war wahr- scheinlich noch ein Multiplikator eingeschoben, d. h. an der Mühlwelle sass ein grosses Zahnrad, welche in ein kleines Getriebe griff, an dessen Achse dann das Graupenrad sass. Drehte sich das Mühlrad und also auch das erste Stirn- rad mit etwa 50 Zähnen in 5 Sekunden einmal herum und hatte das Getriebe 5 Zähne, so drehte sich das Graupenrad in 1 Sekunde zweimal und wenn dieses 1 Meter im Durchmesser halte, so legte jeder l'unkt der Peripherie in 1 Sek. über 12 Meter zurück. Das auf diese Weise mit Heftigkeit aufgeworfene Ge- treide fiel von der Wand wieder zurück und der Vorgang wiederholte sich, bis die Schale vollständig abgerieben war. Ausser diesem Verfahren wandte man, wie PHnius schliesst, auch gewöhnliche Mühlen an, iu welchen das Korn, bei sehr weiter Entfernung der beiden Mühlsteine voneinander, nicht zerdrückt, sondern nur gerieben wurde, bis es schliesslich ohne Hülse zum A^trschein kam, vielleicht auch erst grob geschrotet und dann glatt gerieben wurde, in welchem Falle man feinere Graupen erhielt. Zur leichteren Ablösung der Hülse wurde, wie Plinius gleich darauf ebenfalls sagt, das Korn vorher eingeweicht, dann etwas geröstet und bisweilen nochmals eingeweicht.

Ähnlich, wie hier beschrieben, wurde die deutsche Grauponboreitung bis ins XVII. Jahrhundert betrieben; erst zu dieser Zeit wurde in Saardam die erste Graupenmühle mit horizontalem Stein gebaut. Der horizontale Läufer derselben war in .seinem Umfange rauh behauen, hatte keinen Bodenstein unter sich und lief in einer hölzernen Umfassung, welche inwendig mit einem reibeisenartig geschärften Eisenblech ausgefüttert war. Die sogenannten Ulmer Graupen wurden dagegen auf einer gemeinen Mühle, deren Steine weit voneinander entfernt standen, gemahlen. Selbst das vervollkommnete Verfahren ist im Prinzip von dem römischen nicht verschieden, nur dass bei diesem der Stein oder das Rad senkrecht stand, es wurde jedoch auch, wie JMinius am Schlüsse sagt, bis- weilen die gewöhnliche horizontale Mühle, wie bei den Ulmer Graupen, benutzt.

193

II.

Wir kommen jetzt zur Einrielitung der Melilmülilon, wolclio Vitriiv [X, 5 (10)1 bescliroiht (Fig. 2), Die Stelle hat, wie die elxüi uiigefülirte I.ci JMiiiius, verschiedene Auslegungen erfuhren und muss deshalb näher hcsproclicii Nvcrdcii. obgleich trotz aller Verschiedenheiten der Sinn nicht zweifelhaft ist.

Nachdem Vitruv ein Wasserschöpfrad beschrieben hat, fährt er fort: FAidem raiionc etiam vnrsantuy liydraletae (al. hydroulac), auf dieselbe Weise w(!rden die Mühleu gedreht, qnibus eadem sunt omnia, bei welchen alles ebenso ist, praeferquum quod in imo capite axis habeat tympanum, ausser dass die Achse (liadwelle) am anderen Ende ein anderes Kad hat, dentatum et inchmim (andere lesen ed für et und lassen haheat fort), welches gezahnt ist und sich im Inneren des Gebäudes befindet (dies ist die Bedeutung von inclusum, das Wasserrad ist draussen und dieses Rad drinnen). Id (intern ad perpendiculuni collocatum in cultrum vcrsatnr cum. rota pariter, dieses Rad steht senkrecht, auf der Schneide, wie das Mühlrad. Secundnni id tympanum maius (andere Erklärer setzen hinter tympanum ein Komma und ziehen maius zum Folgenden, wodurch der Sinn vollständig ins Gegenteil verkehrt wird), neben diesem grösseren Rade item dentatum planum est collocatum^ ist ein ebenfalls gezahntes horizontales nach meiner Erklärung, also kleineres, nicht grösseres Rad angebracht, ein Getriebe, hahens in summo capite subscudem ferream^ qua ii.ola contlnetur, welche am oberen Ende der Achse einen eisernen Riegel hat (was wir Mühleisen nennen), der den Läufer (mola) trägt. Ita dentes eins tympani, quod est in axe inclusu)ii, impellendo dentes tympani plani, cogunt ßeri molarum circinationem. so bewirken die Zähne des inneren Rades an der Mühlwelle, indem sie die Zähne des horizontalen Rades treiben, die Drehung der Mühle, in qua maclii)ia impendens infundilndum suhministrat moUs Jrumentum et eadem vevsatione suh- igitnr farina, über der Maschine hängt ein Gefäss, welches der Mühle das Getreide aufschüttet und durch dieselbe Bewegung wird auch das Mehl weiter befördert. "

Offenbar war letztere Einrichtung ganz wie bei uns. Die schüttelnde Bewegung wird durch einen an der senkrechten Achse angebrachten l'tlock bewirkt, welcher gegen den beweglichen Rumpf (infundibulum) stösst, während ein an derselben Achse angebrachter anderer Pflock durch Schläge gegen eine federnde Stange das Beuteltuch schüttelt und dadurch das Klappern der Mühle verursacht. Dass man das oben erwähnte maius nicht auf das zweite, horizontale Rad an der senkrechten Welle beziehen darf, sondern nur auf das erste, an der horizontaler. Welle, ergiebt sich zweifellos daraus, dass es darauf ankommt, die Geschwindigkeit des Wasserrades und des senkrechten Rades zu be- schleunigen, nicht zu verlangsamen; dies ist aber nur möglich, wenn ein Rad mit vielen Zähnen, also ein grosses, ein anderes mit weniger Zähnen bewegt: die Geschwindigkeiten stehen dann im umgekehrten Verhältnisse, wie die Zahl der Zähne. Einen Läufer von 1 m Durchmesser lässt man jetzt in der Minute etwa 200 TTmdrehungen machen, grössere Steine weniger.

194

Vergleicht man den Text Vitruv3 mit dem, was er ohne Zweifel sagen wollte, so hat mau in dieser Beschreibung wieder einen ausgezeichneten Beleg für seine Unbeholfeuheit.

Dies also war der Stand der Angelegenheiten zur Zeit des Plinius, welcher 79 n. Chr. beim Ausbruche des Vesuv ums Leben kam, und des Vitruv, welcher ein Zeitgenosse von Augustus war, die Mühle also nur in ihrer ältesten Form kannte.

Die nächsten Jahrhunderte brachten ohne Zweifel viele Verbesserungen im Einzelnen, aber nichts wesentlich Neues, als jedoch die Goten unter Vitiges im Jahre 53G Rom belagerten und die sämtlichen Wasserleitungen, welche die Mühlen trieben, abgeschnitten hatten, machte die Not erfinderisch und brachte Belisar auf den Gedanken, Schiffsmühleu im Tiber einzurichten (Procop. bell. Goth. I, 19)-, erst viel später scheinen die Windmülilen aufgekommen zu sein. Du Gange führt als frühestes Beispiel ein solches aus dem Anfange des XII. Jahrhunderts an. Beckmann (II, 63) erzählt, dass das ehemalige Augustiner- Kloster zu Windsheim, nicht weit von Zwolle, eine solche bauen, der benach- barte Gutsbesitzer aber dies verhindern wollte, indem er behauptete, der Wind in dortiger Gegend gehöre ihm. Der um Entscheidung angerufene Bischof von Utrecht aber erklärte, der Wind in der ganzen Provinz gehöre ihm und gab im Jahre 1391 die Erlaubnis. In England wurde endlich im Jahre 1784 die erste mit Erfolg arbeitende Dampfmühle erbaut, nachdem verschiedene Ver- suche in Amerika vorhergegangen waren, und seitdem vervollkommnete und komplizierte sich der Mühlenbau und die Mehlbereitung in einer Weise, dass, wenn Vitruv das heutige Verfahren in seiner Art beschreiben wollte, kein Gelehrter der Welt ihn nach abermals 1900 Jahren würde enträtseln können.

Einige Bemerkungen

zu dem Aufsätze von Coniiuly, „Die Geschichte des Hauses Nassau",

in Annalen XX VT.

Von

Dr. W, Sauer^

Könisl- Archivrat und Slaulearchiviir zu Wiesbaden.

Dass trotz der ungemeinen Mühe, welche in vorliergegangener Zeit der Aufklärung des Ursprunges des Hauses Nassau zugewendet ist, erneute Forschung noch beachtenswerte Ergebnisse erzielen kann, zeigt Conrady's vorbezeich- nete Arbeit. Doch auch durch diese Forschungen haben wohl noch nicht alle Fragen eine abschhessende Erörterung gefunden. Verfasser übersah, dass die von ihm mit Recht an die Spitze seiner Untersuchungen gestellten Beziehungen des Geschlechts der Hattonen zum Wormsgau bereits bei Wenck, H. L. 0. n, S, 541, Stein, König Konrad I., Hegel, Mainzer Chroniken H^ S. 11, Draudt, Forschungen zur d. Gesch. XXHI, 478 erörtert sind. So sehr hier- durch einerseits der Wert der in selbständiger Forschung vom Verfasser ge- wonnenen Ergebnisse gesichert wird, so bleibt es doch anzunehmen, dass unter Benutzung dieser älteren Untersuchungen einzelne Punkte sich würden anders haben gestalten können. Hierzu gehört auch die in entscheidender Weise noch nicht klar gelegte Frage, ob die Hattonen in Wormsgau Grafen oder nur Grossgrundbesitzer waren.

Auf diese Einzelheiten der anerkennenswerten Untersuchungen jetzt hier einzugehen, wird nicht beabsichtigt. Es sollen hier nur einige Versehen, die dem Verfasser bei der Benutzung Fulder und Lorscher Traditionen für den ersten Abschnitt seiner Arbeit begegnet sind, vermerkt werden. Zu S. 2. Die nach Schannat S. 2, No. 4, Dronke S. 7, No. 9 angeführte Tradition des Eggiolt ist nicht vom 25., sondern vom 15. Juni, wie die Drucke richtig angeben. Zu S. 3, Anmerkung 3. Die Angabe, dass Dronke die bei Schannat S. 3, (nicht 5, wie angegeben) No. 5 gedruckte Tradition von 756 mit dem Monatstage XI. Kai. Julii nicht habe, ist irrig. Dieselbe steht bei Dronke S. 7, No. 10 mit verbessertem Monatsdatum XV. Kai. Julii Hiernach ist bei Conrady der 21. Juni in 17. Juni zu ändern. Zu S. 5 bezw. S. 3 ist die nach Cod. Lauresh. H, S. 10, No. 859 angeführte Tradition des Radulf nicht Randulf nicht vom 30. Mai. sundern vom 29. Juni 7G7.

19G

Zu S. 5 wird eine Äusserung, ob Verfasser den Ilatto und dessen Sohn Egino 778, Cod. Lauresli. II, S. 5, No. 829 zu dem Geschlochte rechnet, vermisst, Ist die Tradition übersehen?

Zu S. '), Note 4 ist die Angabe, dass die Tradition Schannat S. 15, Xo. 28 bei Dronke fehle, irrig; dieselbe steht Dronke S, 21, No. 38.

Zu S. 5, Note 7. Auch hier wird eine Tradition bei Schannat als Dronke unbekannt geblieben bezeichnet; Schannat S. 27, No. 52. Verfasser übersah hier doch, dass Dronke es S. 80 rechtfertigt, weshalb er diese Tradition mit No. 143 und mit dem Datum 797 März IG ein- ordnet. Verfasser verarbeitet hier somit Schannat's falsche Da- tierung 777 Februar 19.

Zu S. 6. Verfasser will die undatierte Tradition Dronke No. 96, ausgestellt in puhlico concilio quod dicitur Pathrafons, in die Zeit der Ausstellung der vorhergehenden Tradition No. 95, deren Monatsdatum mit August 13 angegeben ist, setzen. Nach seiner Annahme würde die Tradition somit in den August 790 fallen. Von einer Reichs- versammlung um diese Zeit, und am wenigsten zu Paderborn, ist nirgends die Rede. Vielmehr ist die Tradition wohl ebenso wie die vorhergehenden Traditionen Dronke No. 82, 83 im Juni 785 auf der Reichs Versammlung zu Paderborn ausgestellt. Vergl. Mühlbacher, Regg. Kar., ad a. et d.

Zu S. 6. Zu der hier angeführten Tradition des Adalleicus fehlen die Nachweise. Dronke No. 146 hat das richtige Monatsdatum Oktober 24, während Verfasser irrig Oktober 25, die hier vom Verfasser gerügte Lese- art marcam bei Schannat ist durch den Druck bei Dronke beseitigt.

Zu S. 6. Die angeführte Tradition von 800, Dronke No. 161, ist nicht von Mai 4, sondern von Mai 6, wie Dronke richtig.

Zu S. 7 scheint bei Benutzung der Tradition von 800, Juni 10 der Text bei Dronke nicht eingesehen zu sein.

Zu S. 7. Bei Erörterung über die Brüder Adelbert, Banzleib und Ilatto wäre Wenck 11, 2, S. 549; Stein S. 142, 227 zu berücksichtigen gewesen. S. 1 1 wird für Ilatto III. eine Tradition 'angeblich vom Jahre 837 ausge- beutet. Verfasser weist daselbst Note 4 selbst darauf hin. dass der Druck der Tradition bei Dronke No. 205 „der Jahreszahl entbehre", bezieht sich dafür jedoch auf den Druck bei Schannat S. 171, No. 429, der allerdings das Jahr 837 hat.

Die Vergleichung der Zeugen lässt jedoch die Feststellung zu, dass die Tradition nicht dem Jahre 837, sondern vielmehr dem Jahre 7 87 angehört; sie ist der Tradition Dronke No. 90 von 788 Mai 25 etwa gleichzeitig. Die Jahreszahl bei Schannat a. a. 0. DCCCXXXVII ist verderbt und leicht in DCCLXXXVII zu bessern. Hiermit fallen die S. 11 aus dieser Tradition gezogenen Folgerungen bezüglich „des wormsgauer Grafentums" fort und ist diese Stelle, sowie die weitere Bezugnahme S. 12 zu streichen.

Cliristiaii Daniel A^ogol."')

Von

Dr. W* Sauer^

Könisl. AiY'liivnit u. Stnatsaivliivar /.n Wipqhndnn.

Das Fürstentum Oriiuieu-Nassau galt in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrlinnderts für eins der am besten regierten und somit glücklichsten Lündclien .Deutschlands, Und mit Recht, denn der Fürst von Oranien-Nassau, der Erh- statthalter Wilhelm V. der Niederlande, der seit 1766 selbst die Regierung der vereinigten oranischen Erblande führte, war ein Mann von hohen Geistes- anlagen, ein gerechter, wohlwollender, der Aufklärung geneigter Fürst, so recht ein Oranier von altem Schlage. Freilich kannte man den Fürsten von Person in seinen Erblanden kaum, da er, dessen Stimme im europäischen Fürstenrate viel galt, fern von der Heimat auf seineu prunkvollen niederländischen Schlössern residierte und nur selten sich der Fall ereignete, dass er in die Erblande kam, um bei Dilleuburg oder Oranienstein zu jagen. Schaden litt jedoch die Ver- waltung der Erblando unter diesen Umständen nicht, da der Fürst sich der- selben zu allen Zeiten mit vollster Pflichttreue und Hingebuu": unterzog. Jede, auch die geringste Yerwaltungsangelegenheit blieb seiner persönlichen Ent- scheidung vorbehalten und es wurden zu diesem Zwecke alle Berichte und Anträge der Landesregierung zu Dillenburg an ihn in die Niederlande gesandt. Des Fürsten Wilhelm Y. Vorbild war sein grosser Oheim in Sanssouci; auch sein Stolz war es, die Verwaltung seiner Erblande ausgezeichneten Männern zu unterstellen, für deren Berufung er in geeigneten Fällen persönlich Sorge trug. Er hatte das Glück, dass seine Wahl selten fehl ging; in der That war damals ein Kreis von Männern in der kleinen Residenz an der Dill versammelt, die den besten ihrer Zeit ebenbürtig zur Seite treten konnten. Und neben ihnen standen die Lehrer der Herborner hohen Schule, deren Entwickelung dem Oranier, dem Kinde jenes freien, an ruhmvollen Errungenschaften in Kunst und Wissenschaft so reichen Landes ganz besonders am Herzen lag. Reiches geistiges Ticbon erblühte damals in den eng verbundenen Nachbarstädten Dillenburg und Herborn; es ist zu bedauern, dass es uns bis heute an einer umfassenden quellenmässigen Darstellung der damaligen Zustände fehlt.

*i Zuerst veröffcntliclit im Rheinischen Kurier, 1895, Xo. 46, 47, 51.

14

198

Finden wir in den damaligen gelehrten Kreisen von Dillenburg und Ilerborn alle Zweige der Wissenschaft fast gleichmässig vertreten, so ist es doch erklär- lich, wenn wir vom Fürsten die Geschichte sowohl des oiguen Hauses wie auch die des Landes mit einer gewissen Vorliebe gepflegt sehen. Wilhelm Y. konnte mit Stolz zurückblicken auf die ruhmvolle Geschichte seiner Ahnen; kaum ein anderes deutsches Fürstengeschlccht hatte in den letztvergangenen zweihundert Jahren eine so grossartige politische Thätigkeit entfaltet, als die Oranier. Reiche Schütze barg das alte Ilausarchiv im Stammschlosse zu Dillenburg; hier ruhte neben den Archiven der Erblandc die ganze ausgedehnte politische Korrespon- denz der Oranier, ein geschichtliches Material von unschätzbarem W^erte.

Den Anstoss zur Erforschung der Geschichte des Hauses gaben damals die Vettern des Walramischen Stammes, welche die auf den Schlössern zerstreut vorhandenen Archivalien sammeln und vereinigen und auf dem verlasseneu Idsteiner Schlosse durch Johann Georg Ilagelgans, den trefflichen Begründer des dortigen Archivs (1729 1762) ordnen Hessen. Diesem fleissigen Forscher verdankten die Walramischen Vettern die 1753 erschienene, auf gründliche Ausbeute des urkundlichen Materials beruhende Geschichte dieses Astes des Gesamthauses. Durch diesen, endlich von grossem Erfolge gekrönten Eifer der kleineu Walraraischen Vettern in Biebrich und W^eilburg konnte der mächtige Erbstatthalter im Haag sich und seine ruhmreichen Ahnen nicht in den Schatten stellen lassen. So war es noch dem Fürsten Wilhelm IV. in seinen letzten Lebensjahren gelungen, den Braunschweiger Anton Ulrich von Erath, schon damals ein Manu von ausgebreitetem litterarischen Rufe, in seinen Dienst zu ziehen. Erath, seit 1747 als Justizrat in Dilleuburg angestellt, übernahm die Aufgabe, das Archiv des oranischen Hauses und Landes zu ordnen und die Materialien für die Geschichte beider auf breitester Grundlage zu sammeln. Die umfassendste Berücksichtigung auch der Landes- und Ortsgeschichte ent- sprach dem freien Sinne der Oranier, während die Walramischen Vettern, meist Zöglinge des Hofes zu Versailles, nur dynastische Interessen verfolgten; hier sollte alles der Erhöhung des Lustre des hochfürstlichen Hauses dienen.

Des Anton Ulrich von Erath Verdienste um xVrchiv und Erforschung der Landesgeschichte von Dillenburg bleiben dauernd. Seine uns handschriftlich erhaltenen Arbeiten sind auch heute noch ein unentbehrlicher Ratgeber. Nicht minder bedeutend ist ein zweites Verdienst, welches er sich erwarb; als Lehrer und Meister bildete er eine treffliche Schule, die es verstand, in seinem Sinne das von ihm liegonnene Werk mit rastlosem Eifer weiter zu führen. Die Namen Rauschard, Ilegmanii und Johannes Arnoldi werden noch lange Zeit mit Achtung zu nennen sein. Neben diesen haben wir den für Kirchen- und Cielehrtengeschichte thätigen Steubing, sowie den Herborner Professor Fuchs zu erwähnen.

Christian Daniel Vogel war der letzte dieser Schule; als Schüler Ai'noldis und Hegmanns dürfen wir ihn derselben zuzählen. Weitergehende faehwissenschaftliche Schulung hatte Vogel nicht genossen, er war Theologe und als solcher nur in Herborn und in einer Zeit ausgel)ildet, in welcher die Verhältnisse ein geordnetes und [»lanmässiges Studium an der rasch gesunkeneu

lf)0

Hocli8chiile nicht inolir zulicöscii. Kirchengeschiclitliche Studien tuhrteii den lioclibegabton Jüngliug bald .auf das Gebiet der Profaiigoschiclite seiues Vator- laiides, auf welchem man ihn noch heute als Fülircr und Wegweiser ehrt.

Yogels Vorfahren sollen aus Broitenbacli in iles.sL'n in das DiUcnhurgische eingewandert sein. Seit dem Jahre 1727 bekleideten dieselben die Stelle eine« Amtsjägers mit dem Wohnsitze zu Neuhütte in der Gemeinde Strassebersbacli. Hier wurde Christian Daniel als Sohn des Försters, späteren Oberftirsters Ludwig Vogel (f 1821) geboren.^) In herkömmlicher Weise erhielt er den ersten Unterricht in der Schule seines Dorfes, später bei dem Pfarrer Dapping in Bergebersbach, bis er vom Herbste 1801 ab die Lateinschule zu Dillcnburg besuchen konnte. Neben gründlicher Schulbildung verdankte er dem dortigen Rektor Römer die Anleitung zur Beschäftigung mit der Botanik, der er sein Leben hindurch treu blieb; bis an sein Ende wandte er seinem Ifausgarten die aufmerksamste Pflege zu. Aber nicht minder ist damals in Dillenburg die Neigung zur vaterländischen Geschichte, der später die Lebensarbeit des ge- reiften Mannes galt, in ihm geweckt worden, wenn auch heute nicht mehr fest- zustellen ist, wie weit in jenen Tagen schon seine Beziehungen zu dem Dillen- burger Kreise gereicht haben mögen. Zeugnis von seinen damaligen Studien legen die in dieser Gymnasialzeit entstandenen Sammlungen für eine nassauisclie Gelehrtengeschichte, welche sich noch jetzt in seinem handschriftlichen Nach- lasse befinden, ab. Im Frühjahre 1807 vertauschte Vogel Dilleuburg mit Herborn, um sich auf der hohen Schule daselbst dem Studium der Theologie zu widmen, unterbrach jedoch im Jahre 1809 die begonnenen Studien und kehrte zu seinen Eltern nach Neuhütte zurück.

In diese Herborner Zeit fällt Vogels erste litterarische Arbeit, eine kleine Schrift, deren Ertrag zum Besten eines religiösen Naturdichters, des verarmten Schlossers Hermann Schutte im Siegenerlande, bestimmt war. Das Schriftchen „Hermann Schutte, ein kleiner Beitrag zur Vaterlandsgeschichte", erschien zu Ilerboru 1808 und war drei Studienfreunden des Verfassers, Ernst von Reichenau, Bender, dem bekannten späteren Superintendenten zu Siegen, und Wickel ge- widmet. Vogel hatte die Vorrede kühnen Sinnes aus Ebersbach im Fürstentum Nassau-Dillenburg datiert, obwohl dieses durch Napoleon im Jahre 1806 von der Landkarte gestrichen war. Voll Entsetzen machte ihn ein Herborner Professor, der Theologe Jakob Wilhelm Grimm, sein väterlicher Freund, auf die möglichen Folgen dieser staatsverbrecherischen Worte aufmerksam und riet ihm, dieselben in jedem Exemplar zu durchstreichen und durch die Worte „im grossherzog- lichen Bezirk" zu ersetzen. Mit dem dankbaren Hermaim Schutte, dessen /'hristliche Lieder" der genannte Professor Grimm 1811 in ITerborn horans- gab, blieb Vogel noch lange in vertraulicher Korresponden/.

Die damaligen Zeiten waren schlimm, der Fortsetzung der begoniu'uen theologischen Studien wenig günstig. Der Gefahr einer persönlichen Ableistung seiner Militärpflicht war Vogel durch Stelhing eines p]instehers entgangen.

•) Vergl. den Nekrolog Voger.s von Nebe, Nassauisches Sehulblatt 1852; Scinvartz

Otto, Annal. des Nass. Altertumsvereins XXI, 73; XXII, 5.

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Private Studien und der uebeubci betriebene Unterrieht der jüngeren Geschwister Hessen Vogel hinlängUch freie Zeit, den gewünschten Verkehr mit Dilleuburg zu pflegen und Verbindungen, zu denen bereits früher der Grund gelegt war, fester zu knüpfen. Von bestimmendem Einflüsse auf ihn wurden jetzt zwei Männer, deren Dillenburg noch heute mit Stolz gedenken darf, der für die Eutwickelung unserer Litteratur so bedeutsame K. G. II. von Mcusebach, von 1803 bis 1814 dort als Beamter thätig, und J. Arnoldi, der Geschichtschreiber der oranischeu Lande. Des letztei-eu Einwirkung können wir es gewiss zu- schreiben, wenn Ciiristian Daniel Vogel für seine Thätigkint bald das Gebiet fand, für das er geboren war. üb Vogel schwankte in dieser Zeit bezüglich des Berufs, dem er sich bisher bestimmt, wir wissen es nicht, aber drei Jahre dauerte es, bis zum 19. April 1812, bis er wieder in Herborn einzog, um sich nunmehr zum theologischen Examen vorzubereiten. Naclidem er in den folgen- den Tagen das übliche Teutamen absolviert, bestand er im Juli d. J. das Staats- examen gut, wurde ein Jahr später, am 7. Juui 1813, ordiniert und gleich darauf als Pfarrvikar in Ballersbach angestellt. Während seines nur dreimonat- lichen Aufenthaltes daselbst schrieb er unter Benutzung des Pfarrarchivs die „Geschichte der Kirche und Pfarrei Ballersbach*, welche in dem 1818 ver- üff'entlichteu 1. Baude seines „Archivs für Kircheugeschichte" bald ihren Platz fand. Der Aufenthalt in Ballersbach war nur von kurzer Dauer; bereits am 1. Oktober wurde er von dort nach Liebenscheid versetzt. In diese Lieben- scheider Zeit fällt zunächst seine Verheiratung, dann eine grössere Arbeit, die Neuaufötellung der alten Regierungsbibliothek zu Dillcnburg, welche in der französischen Zeit aus den bisherigen Päumen entfernt worden war. Lebhaft empfand er hierbei die Schwierigkeiten, welche durch die örtliche Trennung von dem geliebten Dilleuburg seineu Studien bereitet wurde. Doch auch der Fürspruch seines väterlichen Freundes Arnoldi reichte nicht hin, um die be- triebene Versetzung in eine dortige Pfarrstelle zu erreichen; am 1. Juli 1815 ging er als zweiter Pfarrer nach Marieuberg. Wurde Vogel durch diesen "Wechsel auch eine gewisse Erleichterung geschaffen, so blieb es doch ein schwerer Fehler der Regierung, die junge aufstrebende Kraft nicht an die Stelle gesetzt zu haben, wo dieselbe sich zur vollen Leistungsfähigkeit hätte schneller entwickeln können. Wir werden sehen, dass die Regierung sich im Jahre 1828 desselben Fehlers unter weit erschwerenderen Umständen schuldig machte, als sie einen Antrag auf seine Versetzung in die Nähe von Wiesbaden, nach Erbenheim, abschlug.

Durch die Versetzung von Liebenscheid nach dem Amtsorte Marienberg war Vogel der Aussen weit wenigstens etwas näher gerückt. So wurde es ihm leichter, dem Zuge seines Herzens folgend die Verbindung mit dem alten Gönner von Meusebach zu pflegen, der am 27. März 1815 die Entlassung aus dem oranischeu Staatsdienste erhalten hatte, nachdem er zum Präsidenten des in Koblenz errichteten Revisionshofes ernannt war. Es war ehrenvoll für Vogel, dass Meusebach. in Koblenz in einen aus den glänzendsten Namen gebildeten Kreis gerückt, des jungen Dillenburg(!r Freundes nicht vergass. In seinen Tagebüchern gedeukt er freudig der Tage in den Jahren 181b und 1817, an

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welclien es ihm gelungen, „den Vogel vom Wcstorwalde" in das Koltlenzor Heim zu locken. Wir verzeichnen diese beide Reisen Vogels nach Kohlenz hier auch, um beizufügen, dass dieselben zugleich mit einer späteren Jteiso nach Frankfurt a. M. die einzigen sind, welche ihn in seinem ganzen Leben über die Grenzen des Herzogtums führten. Für Vogel wird es bei diesen He- suchen in Koblenz wesentlich von Wert gewesen sein, Beziehungen zu dem Archivar Kanonikus (lünther, dem Herausgeber des „Codex diplomaticus J{h(Mio- Mosellanus" anknüpfen zu können. Meusebach, im Jahre 1810 nach Derlin versetzt, hat Vogel stets freundschaftliche Gesinnungen bewahrt und diese später bethätigt, als Vogels Sohn Reinhard, der Bildhauer, zu seiner Ausbildung Berlin aufsuchte.

Nach dem uns erhaltenen handschriftlichen Nachlasse Vogels können wir vernmteu, dass bis in die Marienberger Zeit hinein seine Studien sich fast aus- schliesslich auf die Kirchen- und Gelohrtengeschichte der oranischen Länder erstreckten; bei letzterer zogen ihn die Theologen, namentlich die Herborner Trofessoren, besonders an. Diesen Studien damals weitergehende Ziele gegeben zu haben, ist das Verdienst Arnoldis. Johann Arnoldi, vom Professor Ersch als Mitarbeiter für die eben begründete „Allgemeine Encyklopädie der Wissen- schaften" gewonnen, hatte sich in dessen Auftrage um Unterstützung des weit- schichtigen Unternehmens in Nassau zu bemühen; seine Wahl iiel zunächst auf Vogel. Am 22. September 1815 forderte er ihn auf, für das Sammelwerk die Bearbeitung der Biographieen nassauischer Gelehrten sowie ortsgeschichtliche Artikel zu übernehmen; gleichzeitig bat er ihn, gegen ein festzusetzendes Honorar das Register zu seiner oranischen Landesgeschichte anzufertigen. Auf Arnoldis Vorschläge einzugehen, scheint nicht in Vogels xVbsicht gelegen zu haben. Mehrfach musste jener dieselben erneuern und um endliche Beantwortung seiner unerwidert gebliebenen Briefe bitten, obwohl er ihm auch die Bear- beitung der Statistik des Herzogtums, für welche er selbst ausgedehnte Samm- lungen augelegt hatte, abgetreten hatte. Ohne Zweifel hatte Vogel in der Zwischenzeit, augeregt durch Arnoldis Vorschläge, den Plan gefasst, eine Topo- graphie des Herzogtums nach dem Vorbilde von Büschings Erdbeschreibung und namentlich Widders Beschreibung der kurpfälzischen Länder als selb- ständiges Buch zu veröffentlichen und war deshall) in erklärlicher Weise nicht geneigt, durch voreilige Veröffentlichungen in der Encyklopädie das geplante Buch zu schädigen. Mit vollem Eifer muss er sich während des Marienberger Aufent- haltes den Arbeiten für die Topographie gewidmet haben; am 10. März 1817 wurde auf seinen Antrag das Central-Landesarchiv zu Idstein vom Ministerium ermächtigt, seine Studien zu unterstützen. Bis zum Februar 1819 war es Arnoldi nur gelungen, Vogel eine Biographie, die des Herborner Professors Aisted, abzupressen; erst im folgenden Jahre 1820 erhielt er die in der Ency- klopädie ferner zum Abdruck gelangten topographischen Artikel Biebrich, Bleiden- stadt, Bornhofen, Braubach, Burgschwalbach, Caub, Ciarenthal, Cronberg, Herborn und Herschbach. Das geringe Honorar sowie der Umstand, dass die der Re- daktion weiter eingelieferten Artikel Berbach, Camberg, Hohensolms, beide Homburg, Idstein und Irmtraut bei dem Drucke übergangen und nicht auf-

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genommen waren, scheint Vogel verstimmt und zum Abbruche der Verbindung mit der Kedaktion bewogen zu haben. Ausser den vorgenannten Artikeln hat die Encyklupädio weiteres aus seiner Feder nicht gebracht. Durch den Artikel ^Cronberg" hat er sich das Verdienst erworben, die Aufmerksamkeit wieder auf dies fast vergessene Dynasteugeschlocht gelenkt und Forschungen über dasselbe angeregt zu haben. Die vorhin genannten Artikel sind offenbar seiner damals in Ausarbeitung befindlichen Topographie entnommen; wir finden sie mit geringen Abänderungen hier, sowie in der später erschienenen „Beschreibung des Herzogtums Nassau* wieder. Um sich den Arbeiten für die Topographie ganz und ungehindert hingeben zu können, brachte er zunächst die kirchen- geschichtlichen und litterarhistorischen Forschungen, welche ihn bis dahin vor- wiegend beschäftigt hatten, zu einem gewissen Abschlüsse. Im Verlage der neuen Gelehrten-Buchhandlung, Hadamar und Coblenz, erschien im Jahre 1818 der erste (einzige) Band seines „Archiv der nassauischen Kirchen- und Gelehrten- geschichte", welcher im ersten Teile fünf kirchengeschichtliche Aufsätze, im zweiten fünfzehn Biographieen von Gelehrten, unter welchen wir auch den für die Encyklopädic bearbeiteten Aisted wiederfinden, brachte. Ausserdem fand er die Zeit, das Register zu Arnoldis oranischer Landesgeschichte, um dessen Anfertigung ihn dieser im Jahre 1815 gebeten, endlich fertig zu stellen und im Jahre 1819 durch den Druck zu veröffentlichen. Ferner, im Dezember 182Ü, konnte er seinen väterlichen Freund, dem er die Hinweisuug auf die reichen Nachrichten der Limburger Chronik verdankte, mit der Mitteilung überraschen, dass die Topographie, im Plane noch als ein „Historisch-topographisches Wörter- buch des Herzogtums Nassau" gedacht, feste Gestalt gewonnen habe. Der alternde Arnoldi gab sofort seine freudige Zustimmung kund und empfahl nochmals Widders Beschreibung der Kurpfalz als Muster. Doch vergingen noch 16 Jahre, bis das einen ungemeinen Aufwand von Sammeleifer und Fleiss erfordernde Buch zur Drucklegung fertiggestellt war.

Inzwischen war auch im südlichen Teile des Herzogtums das Interesse für die vaterländische Geschichte geweckt worden. Hier zwar brachten die Verhältnisse es mit sich, dass der Forschungstrieb sich einem anderen Gebiete als dem, welches den Dillenburger Kreis beschäftigt hatte, zuwandte: hier, be- sonders in der Landeshauptstadt und deren nächsten Umgebung, bot die prä- historische und besonders die römische Zeit den Altertumsfreundeu reichsten Stofl". Zwar war es ein Auswärtiger, der bekannte Dorow, der zuerst, nachdem die Stürme der grossen Kriege ausgetobt, hier im Boden ruhende Schätze des Altertums hob, bald aber wandten sich auch Einheimische der reizvollen Auf- gabe zu. Die beiden Habel, Vater und Sohn, und andere planten, um ihren antiquarischen Bestrebungen mehr Halt zu geben, die Gründung eines altertums- forschenden Vereins, der jedoch erst im Jahre 1821 feste Gestaltung erhieh. Letzteres war zum Teil das Verdienst des jüngeren Habel, der, damals weniger herrschsüchtig wie später, noch nicht verkannte, dass neben seinen geliebten römischen Forschungen docli auch mittelalterlicher und neuerer Geschichte der gleichberechtigte Platz einzuräumen sei. Begann doch damals durch Steins Verdienst die Erforschung unserer mittelalterlichen Geschichtsquellen mächtig

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emporziiblühen. llabcl trat iti Verbindung mit Vogel, der, begeistert tiir das seinen eigenen Wünschen so sehr zusagende Unternehmen, uiieigenin'it/.ig und freudig seine Unterstützung versprach, olme zu ahnen, wie bald 1 labeis lOigensinn ihm grobe Enttäuschungen bereiten und ihn aus dem liebgewordeneu Arbeits- felde verdrängen würde. Zu den drei ersten Bänden der „Annaleu" des Ver- eins steuerte Vogel trefHiche Aufsätze bei, auch der 4. Band l)rachte noch eine Arbeit von ihm, obwohl sein Bruch mit Habel und dem Vereine sich inzwischen vollzogen hatte, wie wir später sehen werden. Der 1. Januar 1S2:} brachte Vogel die Versetzung von Marieuberg nach Schönbach als Pfarrer und Schul- iuspektor; seinem lieben Archive zu Dilleuburg, wohin zu versetzen es der nassauischen Regierung an Einsicht fehlte, war er hierdurch wenigstens näher gerückt. Hier schrieb er zunächst „Johann Friedrich Fuchs, nach seinem Leben dargestellt. Eine Gedächtnisschrift, llerborn 1823", zur Erinnerung an seinen am 20. Juni d. J. dahingegangenen alten Ilerborner Lehrer. Im Jahre 1826 folgte seine Ausgabe der bekannten Limburger Chronik, mit Ein- leitung und erläuternden Anmerkungen. Mit dieser Veröffentlichung konnte Vogel auf eine achtungswerte Reihe von geschichtlichen Arbeiten zurückblicken, die vou der zeitgenössischen Kritik gebührend anerkannt wurden und ihm im Lande selbst den wohlverdienten Ruf einer Autorität verschatt"ten. Im Ministerium stand man nicht an, mit Umgehung des Idsteiner Archivs über schwierige ge- schichtliche Fragen Auskunft bei ihm zu holen. Als solche zweifellose Autorität auf dem Gebiete der mittelalterlichen Landesgeschichte wurde er deshalb als Dritter zur Mitwirkung an einem Unternehmen berufen, welchem auf ministerielle Anordnung die Aufgabe gestellt war, den Ursprung des Hauses Nassau zu er- forschen und die Geschichte des zur herzoglichen Würde gelangten Walramischen Astes zu schreiben. Ansprechend und verdienstvoll war ein solches Unternehmen des Hauses unter allen Umständen, mochte demselben auch vielleicht der Gedanke zu Grunde liegen, des alt und stumpf gewordenen Arnoldi Geschichte der nieder- ländischen Vettern endlich in den Schatten zu stellen. Der Vater dieses Gedankens war fraglos der Leiter des Unternehmens, der bekannte Publizist Joli. Weitzel, seit 1820 herzoglicher Hofrat und Landesbibliothekar zu Wiesbaden.-) Das zweite Glied des Bundes war natürlich Habel'); dieser sollte die prähistorische und römische Zeit bearbeiten. Weitzel, obwohl Publizist, scheint doch mehr wie blos die künstlerische Ausgestaltung des Fertigen und Ganzen als die seiner bewährten Feder zufallende Aufgabe angesehen zu haben.*) In früheren Jahren hatte er sich darin gefallen, als Historiker von Fach zu gelten; er soll sogar versucht haben, durch Vermittelung des Fürsten Hardenberg eine Geschichts- Profcssur in Bonn zu erhalten.

Weitzels erste Anträge in dieser Sache fallen in den Juni 1827. Er erklärte dem Ministerium, den Entwurf einer Geschichte des Herzogtums aus- gearbeitet zu haben nebst einer Einleitung, welche sich über die ältere (Joschichte

'') Über Weitzel vergl. Schwartz, Annalen XIV, 41 fl'. •') Über den Arcliivar llabel vei-gl. Schwartz, Annalen XI, besonders S. 186 ff. ') Vergl. zur Sache auch Schwartz, Annalen XI, 202.

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Deutschlands, dessen kirohliclic und politische Verfassung und Kultur vom 8. bis 13. Jahrhundert verbreite. Schwierigkeiten, meinte er, bereite ihm nur die Entfernung der Archive und der archivalische Stoff selbst. Beschäftijrunff mit solchem war ihm, wie er gestand, fremd; weder las noch verstand er eine mittelalterliche L'rkuude. Indessen verschlug dies nach seiner Meinung nicht viel; Abhilfe sollte hier die Errichtung eines historischen Archivs in Wiesbaden schaffen. Für die Bildung desselben sollten die Laudesarchive alle geschichtlich wichtigen Urkunden hergeben. Den Auftrag, diese zu ermitteln und zur Über- führung nach Wiesbaden auszuscheiden, zugleich aber Auszüge aus denselben für Weitzels Zwecke zu fertigen, erhielt Vogel, der infolge dessen bis zum Ende des Jahres 1827 in Idstein arbeitete. Die Angabe von Schwartz, Aunalen XI, 202, dass diese Arbeiten in Idstein durch Habel ausgeführt seien, ist hiernach zu berichtigen. Im Interesse der Sache betrieb Weitzel damals die Versetzung Vogels, der nach seiner Äusserung „fast zum lebendigen Archiv" geworden war, auf die vakante Pfarrei Erbeuhcim, aber ohne Erfolg. Die Arbeiten wahrten, nachdem auch Habel herangezogen und zum Archivar, das heisst Vor- steher eines solchen in Wiesbaden zu gründenden historischen Archivs, ernannt war, bis zum Jahre 1829, gerieten aber dann, wohl infolge von Eifersüchteleien zwischen llabel und Vogel, ins Stocken. Weitzels wiederholte Klagen, dass keiner seiner ^litarbeiter mehr einen Finger für die Sache rege, konnte Vogel sieghaft wiederlegen; er übergab am 17. Juni 1830 ein 56 Bogen starkes Manuskript, betitelt: „Geschichte von Nassau", zweite Periode, 496 1000, während er die aus Urkunden gefertigten Auszüge vorsichtig für seine Samm- lungen zurückhielt. Gegen Ende des Jahres 1832 klagt Weitzel, dass er nicht einen Schritt vorangekommen sei in den letzten drei Jahren; noch wisse er nicht, ob sich auch nur eine geschichtlich wichtige Urkunde in den Landes- archiven vorfinde!

Die Verbindung Weitzel, Habel und Vogel konnte hiermit als aufgelöst betrachtet werden; weitere Vorkommnisse vergrösserten die Kluft zwischen den Dreien. Vogel, der einzige, welcher mit aufrichtiger Hingebung bei der Sache gewesen und etwas geleistet hatte, beschloss sich wieder auf eigene Füsse zu stellen. Den einmal angeregten Gedanken der Abfassung einer nassauischen Geschichte Hess er ungeachtet der gemachten Erfahrungen nicht aus den Augen. Als Johannes Weitzel am 10. Januar 1837 gestorben war, bewirkte er durch Vermittcluug seines Freundes, des Ministerialrats Vollpracht, dass der Herzog ihn und diesen im Februar 1838 mit der Abfassung der Landesgeschichte be- auftragte. Doch ehe wir hierauf eingehen, haben wir manches aus Vogels Leben nachzuholen, au welchem uns die bisherige Darstellung vorbeiführte. Seine unter den damaligen Umständen nicht wohl erklärliche Versetzung nach Kirberg am 1. Januar 1831, anstatt des von ihm aus guten Gründen dringend gewünschten Erbenheim, ist zuerst anzuführen. Von Kirberg aus ver- öffentlichte er 1832 das „Nassauische Taschenbuch". Auch diese Arbeit brachte nur gelegentlich gereifte Früchte, kleinere Erträge seiner grösseren Forschungen; diese erstreckten sich auf die verschiedenartigsten Gebiete und gaben so ein treffendes Bild des umfassenden Fleisses Vogels. Wohlverdiente Ehrung be-

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reitete ilini der Yorein für licssisclio (Jcschiclito, welcher ihn unter dem 28. Dezember 1835 zum korrcspundicrendcn Mitglicdo wühlte. Für die beiden ersten Bünde der Zeitschrift dieses Vereins spendete Vogel kleinere aber schätzbare Beitrüge; mit den leitenden Persönlichkeiten dieses Vereins, niiment- lieh dem Ilofrat Dr. Steiner, stand er in freundsclia(tlichem Briefwechsel.

Wie inzwischen das Projekt einer nassauischen Landesgeschichto scheiterte, ist vorhin gesagt. Vogel mussto von dem Unternehmen mit der gewi.ss wenig erfreulichen Empfindung scheiden, mehrere Jahre seines Lebens geopfert zu haben. Tief verstimmt scheint er sich von seineu Wiesbadener Frennilen zu- rückgezogen zu haben. Gleichzeitige Vorkommnisse in dem von ihm l)i.s dahin gestützten Wiesbadener Altertumsveroinc führten zeitweilig zu einer Isolierung des Gekränkten.

Den Vorsitz im Altertumsverein als Direktor führte damals der Staats- kassen-Direktor Ilauth, das Museum des Vereins verwaltete als Konservator dessen Begründer, der Archivar Ilabcl. Habeis Verdienste um das Museum, um Erforschung und Erhaltung der Denkmäler in unserem Lande werden un- vergänglich und unübertroffen bleiben, llabels Leistungen wollen wir nicht verkleinern, wenn wir beifügen, dass er den Verein andererseits auch ebenso sehr geschädigt hat durch sein Bestreben, seine einseitig, nur auf die Erforschung der römischen Zeit gerichteten Thätigkeit die ausschliessliche Herrschaft im Verein, dessen Mitgliedern er sich nach allen Richtungen hin weit überlegen glaubte, zu sichern. Nicht minder entfremdete er sich durch seine Bissigkeit und kleinliche Streitsucht die Freunde und Verehrer. Schwere, nur langsam und mit Mühe überwundene Krisen hat er über den Verein, für dessen Wohl er aufrichtig zu arbeiten glaubte, gebracht.

Die Streitigkeiten zwischen dem Direktor Hauth und Habel, welche im Jahre 1836 die Auflösung des Vereins herbeizuführen drohten, scheinen ihren Ursprung in abweichenden Anschauungen beider bezüglich der Auslegung einzelner Bestimmungen der Vereinsstatuten gehabt zu haben. Ln Xovember 1836 hatte sich der Konflikt so weit zugespitzt, dass der alte Direktor Hauth, der fortgesetzten Reibungen müde, den Vorsitz niederlegen zu wollen erklärte. Habel nahm von dieser Erklärung mit Behagen Akt und teilte dieselbe Vogel, der mit ihm dem Vereinsvorstande angehörte, nach Kirberg nebst einem Vor- schlage zur Herstellung besserer und friedlicherer Verhältnisse im Vereine mit. Nach diesem Plane wollte er sich mit Vogel in die Leitung des Vereins teilen; Habel behielt sich das Museum und die Redaktion der Zeitschrift des Vereins, der mittlerweile zu Ruf gelaugten Annalen, vor, Vogel aber sollte von seinem entlegenen Wohnorte aus die äussere Geschäftsleitung führen! Letzteres nuiss Vogel, der ja bereits kurz vorher in hinlänglichem Masse recht unliebsame Erfahrungen in seinem Verkehre mit Habel gemacht hatte und der auch in diesem Streite nicht auf Habeis Seite stand, doch wie Holm geklungen haben. In einem Briefe vom 6. Dezember 1836 lehnte Vogel in wünlevoller Weise die Zumutung ab, indem er zugleich bei der Neugestaltung des Vereinsvor- standes für sich die einflussreiche Stellung forderte, welche er als einziger und verdienter Forscher auf dem Gebiete der mittelalterlichen Geschiciite für sich

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zu verlangen sich berechtigt hielt. Er forderte für sich und die Berechtigung dieser Forderung war unbestreitbar - - die Redaktion der Yereinszeitschrift.

«Es thut mir sehr leid, so antwortete er Habol. ilass die Geschichte unseres nassauischeu liistorischcn Vereins immer traurigere Wendung nimmt. Es ist nun an uns, ilas arme Schit'tloin unter den drohenden Wellen so zu führen, dass es wenigstens erhalten werde. Hierzu will ich gerne nach Kräften mitwirken. Ich überlasse also Ihnen und dem Hauptmann von Bornhorst die interimistische Direktion, Sie sind zur Stelle, haben einen sicheren Überblick und (Jeschäftskenntnis und wissen also alle Vorteile für den Verein zu ergreifen und zu benutzen. Handeln Sie hier nur mit aller Liebe für die Sache, mit Manidicit und Reinheit. Ich will dagegen die Re- daktion der Annalen übernehmen, an deren raschen Fortschritt alles gelegen ist. Übermachen Sie mir nur gütig umgehend alles darauf bezug habende. Ich bedinge mir nur dabei dieselbe Freiheit aus, die Sie dabei bisher genossen haben. Ich rinde auf diese Weise denn endlich auch einmal Gelegenheit, für den Verein thätig wirken zu können und bei aller Liebe für die Sache mich der drückenden Ansicht überhoben zu sehen, als sei ich das fünfte Rad am Wagen. Stimmen Sie also darin mit nur überein und übergeben Sie mir umgehend alles, was zur Fortsetzung der Annalen dient, so werde ich mit aller Kraft für den Verein wirken, wo nicht, so erkläre ich hiermit nicht nur meinen Austritt aus dem Vorstande, sondern auch aus dem Verein.»

In der schönen Hoffnung, dass Habel mit ihm übereiustimmeu würde, hatte Vogel sich doch erheblich verrechnet. In seiner Autwort suchte Habel sich mit der ihm zu Gebote stehenden Dialektik, wie er sie später in noch höherem Masse in seinem ähnlichen Streite mit dem Idsteiner Archivdirektor Friedemanu entfaltete, um Vogels Forderungen herumzuwinden, um dieselben schliesslich abzulehnen. Vogel schloss sich sofort den weiteren Schritten des Vereinsdirektors Ilauth an, er zeigte seinen Austritt aus dem Vereine an. Dennoch aber und ohne die gestellte Forderung der Übertragung der Redaktion der Annalen durchgesetzt zu haben, meldete er sich, nachdem der Ilegierungs- präsident Möller das Direktorium des Vereins übernommen hatte, im März 1838 aufs Neue als Mitglied an und entsprach in der Folge auch der unter dem 1. Dezember 1838 vom Präsideuten Möller an ihn gerichteten Aufforderung, Beiträge für die Annalen einzusenden!

Vogel griff unter diesen Umständen auf seine älteren Studien zurück, welche durch seine Arbeiten für die Landesgeschichte Unterbrechung erlitten hatten. In Kürze erfolgte die Herausgabe seiner „historischen Topographie des Herzogtums Nassau", mit Vorrede vom 1. Juni 1836, seinem Freunde, dem Kegierungsrat Vollpracht, ,,dem tiefen Kenner der vaterländischen üe- schichtc, Verfassung und Hechte" zugeeignet. Das Buch gibt in den ersten 6 Abschnitten eine Übersicht über die ältere Geschichte und Verfassung der Länder, aus welchen das Herzogtum sich zusammensetzt. Der Behandlung des Stoffes in den folgenden Abschnitten die alte Einteilung des Landes in Gaue zu Grunde zu legen und in diese Einteilung die 28 Ämter des Herzogtums einzuzwängen, veranlasste ihn der ursprüngliche Plan der Arbeit. Verdienter- massen fand das Buch vielfache Anerkennung, der Herzog Hess dem Verfasser im Februar 1838 für dasselbe eine Gratifikation von 400 Gulden auszahlen. Übel begegnete dem Verfasser jedoch der Wiesbadener Gymnasiallehrer Josef

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Muth, damals noch katholischer Priester und daneben eifriger Verfechter der konfessionslosen Schulen. „Statt der nassauischon Geschichte", höhnte Muth in einer vom 13. August 1830 datierten Besprechung des Buches, „die man schon lang aus geübter Feder erwartet, ist dieser Tage erschienen: Vogel (Pfarrer in Kirberg) historische Topographie des Herzogtums Nassau. Wohl- gemeint, aber ohne rechten Plan, viel Steine und Mörtel, jedoch kein Bau. Das Werk ist gewidmet dem Herrn Kegieruugsrat Vollpracht, dem tiefen Kenner der nassauischen Geschichte, Verfassung und Rechte. Der Herr Regierungsrat, ein bescheidener Manu, auch wohlbewaudert in Verfassung und Rechten de» Herzogtums, wird sich den tiefen Kenner der Geschichte verbitten. Die Schmeichelei ist etwas zu plump, ein Mann, der das Wort Gottes predigt, sollte nicht schmeicheln." 31uths hämisches Urteil über die geschichtlichen Kenntnisse Vollprachts beruhte doch auf Irrtum, doch können wir au dieser Stelle hierauf nicht eingehen. Vollpracht selbst soll diese Bemerkung Muths sehr übel vermerkt haben; durch dieselbe soll, wie erzählt wird, die nicht lange darauf erfolgte Versetzung Mutlis an das Gymnasium zu Weilburg veranlasst worden sein.

Wir haben schon des am 10. Januar 1837 erfolgten Todes Weitzels ge- dacht; der Wiesbadener historischeu Kommission wurde hierdurch auch äusserlich das Ende bereitet. Die schwierige Erbschaft anzutreten, hielten der Regierungs- rat Vüllpracht und Vogel, der nochmals 1837 die uneingeschränkte Erlaubnis zur Benutzung der Landesarchive erhalten hatte, sich für berufen. Durch Vcr- mittelung des Ministers von Duugern erteilte der Herzog dem von Vollpracht ausgearbeiteten Plane im Februar 1838 die Genehmigung. Vollpracht erhielt die Leitung des Unternehmens, er erbat für sich die Bearbeitung der Geschichte der „ihm genau bekannten finanziellen Verhältnisse des Landes." Das Manuskript von Vogels nassauischer Geschichte vom Jahre 496 bis 1000 wurde ihm aus- gehändigt.

Zu einem Abschlüsse in dem geplanten Sinne ist jedoch das schon vorhin berührte Unternehmen auch in diesem zweiten Stadium nicht gebracht worden. Vogel fuhr fort, mit gewohntem Fleisse Urkunden und Akten der Archive zu exzerpieren und seine haiulschriftlicheu Sammlungen durch diese Ausbeute zu bereichern, entschloss sich aber bald, die Ergebnisse seiner Studien für eine zweite umgestaltete Bearbeitung seiner historischen Topographie zu verwenden. Im Ministerium scheint man mit dieser endlichen Lösung der Aufgabe einver- standen gewesen zu sein und so erschien, finanziell von der genannten Behörde unterstützt, im Jahre 1843 sein noch heute so schätzbares Hauptwerk, die , Beschreibung des Herzogtums Nassau." Von der Analysierung dieses Buches können wir an dieser Stelle füglich Abstand nehmen und bemerken, dass seine, wie wir sahen, bereits 1832 abgeschlossene „Geschichte von Nassau", zweite Periode, 496 bis 1000, hier an passenden Stclleu Verwendung und Abdruck fand.

Das Buch sollte in 6 Lieferungen zu 40 Kreuzern erscheinen; die drei ersten Lieferungen lagen bis Ende Oktober 1843 vor.

Aus dem äusseren Leben Vogels in dieser Zeit haben wir nachzutragen, dass er im Jahre 1838 zum Dekan, 1842 zum Schulinspektor zu Kirberg und

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1849 zum Inspektor der evangelischen Schulen im Amte Kirberg ernannt wurde. Neben der geächilderten wissenschaftlichen Thätigkeit hatte er somit noch den ausgedehnten Anforderungen seines Amtes gerecht zu werden. Vielleicht waren es diese Dienstpflichten, vielleicht auch die ersten Kegungen des schweren körperlichen Leidens, dem er erlag, welche seine weitere wissenschaftliche Arbeit einschränkten. Nach dem Erscheinen des eben besprochenen Buches haben wir eine grössere Arbeit nicht mehr zu verzeichnen; wir finden nur kleine, gelegentliche ^ritteilungen aus dem reichen Schatze seiner Sammlungen. Die letzte dieser Veröffentlichungen dürfte eine kleine Humoreske, eine „Scene aus dem ökonomischen Leben eines Nassau-Dillenburgischen Landschullehrers aus dem vorigen Jahrhundert" sein, welche das nassauische Schulblatt noch kurz vor dem Hinscheiden des Schwerkranken aus dessen Feder brachte. Bald darauf, am 29, Juli 1852, erlöste ihn ein sanfter Tod von seinem schweren Jjoiden; erst am 4. Juni d. J. hatte er in seinem Pflichteifer es über sich ge- winnen können, zur Unterstützung in seinen kirchlichen Amtsgeschäften sich der Beihilfe eines Vikars zu bedienen.

Das entworfene Bild durch Schilderung der Wirksamkeit Vogels als Geistlicher, sowie seines sonstigen ausgezeichneten Lebens zu vollenden, müssen wir, da dies ausserhalb unserer Aufgabe, uns versagen. Nur gehört hierhin noch die Bemerkung, dass derselbe, treuer Anhänger des evangelischeu Be- kenntnisses, die Anschauungen anderer Konfessionen ehrte; die Behandlung namentlich der Reformationsgeschichte in seinen Schriften zeigt dies.

Vogels handschriftlicher Nachlass wurde nach seinem Tode für das Landesarcliiv zu Idstein augekauft und beruht jetzt im Staatsarchive zu Wies- baden. Ein im Besitze des Altertums-Vereins befindliches, in den Anualen") vcröftentlichtes Verzeichnis dieses Nachlasses von der Hand Rössels ist fehler- haft und unvollständig.

*) Aniialcii XVI r, 70.

Zu den

Kiipreelitoii von Nassau und iliron Gomnlilitinon.

Von

Joseph Hillsbranl

In Bezug auf die Nassauischen Grafen des Namens Ilupreclit herrscht schon insofern Verwirrung, als sie von Vogel, Schliephake-Menzel und Isenbeck (in der Stammtafel, Annalen XV, 1879, S. 113 ff.) verschieden ge- zä])lt werden. Ruprecht 1. wird übereinstimmend so bezeichnet. Ruprecht Tl. Vogels und Isenbecks aber will Schliephake (I, 253 ff. und 268) über- haupt nicht recht gelten lassen und zählt er nicht mit. So ist denn Vogels und Isenbecks Ruprecht lU. (der Streitbare) ihm der Zweite dieses Namens (in Menzels Register allerdings auch der Dritte), Vogels Ruprecht IV. ist bei Schliephake R. III. (in Menzels Register IL), bei Isenbeck R. V.; Vogels R. V. hinwiederum ist bei Isenbeck R. IV., während er bei Schlioi)- hake-Menzel wieder nicht mitgezählt ist. Herr Pfarrer Ludw, Conrady hat in seiner ,,Geschichte des Hauses Nassau" im vorigen Annalen-Bande, wohl um die Verwirrung nicht noch zu vergrösseru, mit Recht bei der Zählung sich an Vogel angeschlossen, wie es auch hier geschehen soll. Es empfiehlt sich das um so mehr, weil Vogels Ruprecht III. und IV. beide Gemahlinnen des Namens Elisabeth hatten und Conrady nun glaubt auch dem Grafen Rup- recht II. eine seither einem anderen Ruprecht beigegebeno Elisabeth zuweisen zu sollen, was eine weitere Verschiebung in den genealogischen Verhältnissen jener Zeit im Gefolge gehabt hat. Ruprecht der Streitbare nämlich (111. nach Vogel), welcher nach der seitherigen Annahme Elisabeth, eine Tochter Em iclis III. von Leiningen, die als 1150 oder 1169 bereits vermählt und noch 1235 IcIkmuI galt, zur Gemahlin hatte, soll eine Elisabeth, Tochter Em ich s IL, von dem aber eine solche nicht nachweislich, bekommen. Der Ruprecht dagegen, Vogels R. IV., der als Gemahl der Elisa von Schaumburg galt, soll nach ihm mit jener Elisabeth, der Tochter Emichs HI. von Leiningen, die noch 12;i5 am Leben war, vermählt gewesen sein. Und der Elisa von Schaumburg, die, wenn sie nicht geradezu dem Isonburgischen Hause angehih'te, mindestens in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu demselben stand, gibt Conrady statt Ruprechts IV. zum Gemahl Ruprecht IL, dessen Gemahlin seither unl)ekannt war.')

') Xacli Vogel freilioli (Bcsclireibg. iles Herz. Nassau, S. 302) hiess sie Beatrix, wie seine Mutter, wogegen s. Schlieph. I, S. 261.

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Ich kauu Herrn Counidy hierin aber nicht beistimmen. Er geht davon aus'), dass Elisabeth, die Gemahlin Kuprechts lU. des Streitbaren (dass dieser eine GemahUn des Namens Ehsabeth gehabt, schliesst man aus dem Arnsteiner Totenregister, weil dort ein Rupr. und El. als Eltern Plermanns^) bezeichnet sind, der eben ein Sohn Ruprechts des Streitbaren war), die als eine Gräfin von Leiningen anzusehen ist, weil in einer undatierten, von Senckenberg und Kremer ins Jahr 1159, von Knoch 1169 gesetzten Urkunde^) bei den Zeugen- angaben es heisst: „Ego Emicho, Ilermannus, Eberhardus, Fiidericus filii mei, Rubertus comes de Nassowen gen er meus", dass also diese Elisabeth und die Elysa quondam comitissa de Nassouuia, die im Jahre 1235 vorkommt'") und als Tochter Emichs III. von Leiningen") erwiesen ist, nicht wohl dieselbe Person sein könnten, während sie ziemlich allgemein dafür gehalten werden. Wenn Elisabeth von Leiningen von 1235 die Gemahlin Ruprechts III. wäre, meint Conrady, so würde 1235 deren Alter, wie es für diesen Fall mit Hilfe verschiedener Daten über Emichs IH. andere Töchter, besonders Luckarde berechnet wird, ein zu hohes sein. Die Elisa vou 1235 muss also einen jüngeren, später lebenden Gemahl erhalten und erhält durch ihn Ruprecht IV., den Sohn Heinrichs I. von Nassau, dem Schliephake eben die Elisa vou Schaumburg (Mutter der Gräfin Luckarde von Yirneburg) zugewiesen hatte, die er wegen des Isenburgischen Mitbesitzes von Schaumburg für eine Isen- burgerin hielt. Da aber doch in der teils 1159, teils 1109 gesetzten Urkunde schon ein Ruprecht von Nassau, der nicht wohl ein anderer, als R. der Streit- bare sein kauu, als gener eines Emich vou Loiningen Zeuge Emichs ist, so soll gener hier, wie allerdings nicht selten, sogar „maxime" nach Du Gange - Henschel, Schwager bedeuten und Ruprechts III. Gemahlin Elysa also eine Tochter Emichs des Zweiten von Leiningen sein.

Dagegen ist Folgendes zu erinnern. Die undatierte Urkunde kann nicht nur, wie Knoch meint, ganz wohl 11(!9, sie kann noch später ausgestellt sein, nach Schliephake") „merklich später", auch, wie Conrady selbst S. 90 darthut, nach 1179. Ich finde insbesondere in den Namen der Zeugen in der- selben, wie auch sonst, nichts, was dagegen spräche. Abgesehen von den Zeugen ist übrigens wenig Anlialt zur Zeitbestimmung geboten. Der Zeuge Kuurad, Bischof von Worms, könnte Konrad I. vou Steinach (1150 1170) oder auch Konrad 11. von Sternberg (1171 1192) sein. Von Emichs drei genannten Söhnen überlebte Friedrich den Vater und lebte Eberhard noch 1179.*) Der

-') Ann. XXVI, 87 ff. '-^j S. JJecker, Ann. Wl, l:{ u. Vogel, Bos.hr. u. s. w. 307. Hermann kommt in einer zwischen 1190 u. 1192 fallenden Urkunde als Vogt über Koblenzer Güter vor, der die Vogtei resigniert liat (Mittelrli. Urkdbudi, II, lt;;{ n. 749, Reg. No. 849) und noch 1240 als .Mainzer Kanonikus zu St. Peter (Schlieph. 1, .■{42, Bodmann, Khoing. Alt. II, .S74). Hermann stammte möglicherweise aus einer ersten Ehe Ruprechts und könnte, da Ruprecht c. 11. ")4 schon erwachsen war (Scliliep.h. I, 2.">r)), Elisabeth aber viel- leicht erst c. llß(» geboren ist, ein Stiefsohn von dieser gewesen sein. Doch sind wir zu dieser Annahme nicht geradezu genötigt, da die Geburt Elisabeths auch um das Jahr 1150 geftillcn sein kann, wie weiterhin gezeigt wird. ■*) Krem er, Or. Xass. II, S. 191, I, 390. '•') Kremer 1. c. II, S. 274. '^; Dieser f vor 11S9 nach Lehmann, Gesch. d. Burgen u. 9. w. d. bajr. Pfalz, 111, S. 21. - ') 1, 250. ") Conrady i.e. uud Kremer, Or.Xass. I, 391, A. 4.

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Zeuge Helgcriis de Frankenstein erinnert an niid wird von Kiillner') und Loliniann'") auch gelialten für den 114() erwälmten und den ll(i4 als Zeuge auftretenden llelonger von Frankenstein. Aber auch 11 Üf) (Tscheinen zwei llellinger von Frankenstein,") Ein Hugo (Huc) und ein ililih-hold von Isen- burg (Eisenberg) treten, wie in unserer Urkunde, so im Jahre 1 I-IO bei Kölluer' ) auf, sie können aber ebenso gut 11G9 und später noch gelebt haben, wie Einich selbst. Der Zeuge Siegfried, Propst „eiusdem loci", also wohl des Ortes, um den es sich in der Urkunde handelt, des Klosters Ilagen bei AU-Leiningen in der bairischen Pfalz, jetzt Plöningen"), das Emich im Jahre 1140 nach Kreiner"), wahrscheinlich 1120 nach Lehmann") stiftete, scheint jedoch für IIa!) nicht zu i)asson. Denn nach einer Urkunde Kaiser Friedrichs 1. vom 18. Jan. llbO"') war UGO Propst von Ilageu noch Härtung, der erste überhaujjt von den Pröpsten nach Schannat.'') Schannat kennt dann erst aus dem Jahre 1222 wieder einen Propst, nämlich Amilius. Aber in einer undatierten Urkunde bei Baur"), die dort c. 1173 gesetzt ist, erscheint allerdings als Zeuge „Sigefridus prepositus de Hagene", worunter ich gegen Ritsert (im Register zu Baur's Urkundenbucli) das Leiningische Hagen, Ilöningen verstehe, nicht Hagen bei Bo- landen (Kölluer 1. c. S. 321), da als erste Laien Emich von Leiningen und sein Sohn Eberhard Zeugen sind und es sich in der Urkunde um Ibersheim (Ilbesheim bei Alzey) handelt, wo die Leiniugen wenigstens 1237 einen Hof (Lehmann, Gesch. der Pfälzer Burgen HI, 34) und 1285 eine Vogtei hatten (Baur H, S. 380). Das spräche also zum mindesten mehr für Knochs Ansiclit über die Abfassungs- zeit der Urkunde Emichs und für das Jahr 11 GH. War nun damals Ruprecht der Streitbare gener in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes, wie sie doch auch das französische gendre bis in die neueste Zeit hat, also Schwiegersohn Emichs des Dritten, kann also seine Gemahlin Elisabeth um lläO geboren sein, so w^ar sie 1235 85 Jahre alt, was auch noch kein so ganz ausserge- wöhnliches Alter wäre. Ist aber die Urkunde aus der Zeit nach dem Jahre 1179 etwa, wofür auch wir mit Conrady selbst uns entscheiden, dann käme als Geburtsjahr c. IIGO und ein Alter von unter 75 Jahren für das Jahr 1235 bei Elisabeth heraus.

Sehen wir weiter zu. Luckarde, als deren Schwester 1235 Elisabeth, „quondam comitissa de Nassouuia" und nach der seitherigen Annahme WHtwe eben jenes Ruprecht des Streitbaren, erscheint, war zuerst mit Simon dem Zweiten, Grafen von Saarbrücken, vermählt, der vor 1208 starb'^), und tritt seit 1220'°) auf als Gemahlin Lothars, Grafen von Wied. Wenn also

■') Gesch. d. Herrschft. Kirohheira-P.oland, 18.J4, S. 298. '») 1. c. II, 39.5. "i l.oli- mann 1. c. '-) I. c S. 341, A. 1. '■') Kremer, Gesch. des Ardennischoii Oeschleclits 11. s. w. 1785, I, 156. ") 1. c. '") 1. c. III, S. 1.5. "•) Kremer, Gesch. d. Ard. G. II. S. 248. ") Historia episcop. Wormat. 1734, I, S. 151. •*') Hessische Urkunden, II, ISiVJ, S. 22. Es ist die „von Hrincknieicr I, 22 angeführte, al)er niclit iiachifewicscnc- iTkundc (Conrady, S. 90, A. 5). '^) nach Köllner, Gesch. des Saarbrück. Lande.'?, 1S41, II, S. 79. S. auch .Mittelrhein. Urkdb. II, S. 315 u. S. 778 zu liegest 1(I04. Nacli Kr.Mn.-r, Gesell, des Ardenn. Geschlechts I, 15:! war er 1211 tot. Dats er nach 1214 gestorben sei, wie Conrady inicli Brinckmeier's unziiverlüssig»Mi Angaben anniniint iS. 89. ist wohl nicht richtig. -") Görz, Mittelrh. llegesteu II, S. 411, vergl. S. 433 u. 434.

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Luckai-de nicht wcir von der Goburtszeit von Ruprechts des Streitbaren Ge- mahlin das Licht der Welt erblickt hätte, so wäre sie, meint Conrady, beim Tode ihres Gemahls Simon 55 oder 05 Jahre alt gewesen; dass sie dann noch einen zweiten Gemahl gefunden, hält er für höchst unwahrscheinlich. Nun nimmt ja aber Conrady doch auch die Zeit nach 1179 als Ausstellungszeit für die mehrerwähnte Urkunde an, kann also als Geburtszeit Luckardens etwa das Jahr IIGO oder später ansetzen. Und dann war diese, als ihr erster Gemahl (c. 1208) starb, eben nicht c. 65, sondern noch nicht 48 Jahre alt. In der Werschweilerer Stiftungsurkunde von 1180, wo als Zeugen ein Graf Simon (woher, steht nicht dabei) und seine Sühne Heinrich und Friedrich genannt werden"'), können das sagt Conrady selbst nicht Simon der Zweite von Saarbrücken und seine und Luckardens Söhne gemeint sein. Es kann und wird vielmehr gegen Krem er mit Crollius, den Conrady citiert, noch ebenso an Simon den Ersten zu denken sein, wie in einer Urkunde von 1179*-), wo neben des Grafen von Saarbrücken Söhnen Friedrich und Heinrich als dritter Sohn Propst Albert genannt wird, den auch Krem er") für einen Sohn Simons des Ersten erklärt. Ist das so, dann braucht man für Luckarde 1180 noch keine erwachsenen Söhne anzunehmen und kann sie selbst als eben erwachsen in diesem Jahre oder kurz verheiratet gelten. Sie kann ja von den Kindern Eraichs III. von Leiningen, deren wir sieben kennen"'), eines der jüngsten oder geradezu das jüngste gewesen sein, wie es Lehmann an- nimmt. Lothar von Wied war c. 1208, als Luckardens Gemahl Simon II. von Saarbrücken starb, auch nicht mehr jung. Denn sein Bruder Theoderich, der spätere Erzbischof von Trier (f 1242), war 1189 bereits Geistlicher--"^), seine Schwester Theodora war 1185 schon mit Bruno von Isenburg vermählt'"'^), und so ist nicht ausgeschlossen, nicht einmal unwahrscheinlich, dass Lothars Verheiratung mit der Witwe von Saarbrücken sie erscheinen urkundlich als vermählt zum ersten Mal 1220, könnten aber nach dem Gesagten schon c. 1210 in die Ehe getreten sein auch seine zweite war. Da nun aber als im Jahre 119(5 bereits einigermassen erwachsene Kinder Simons IL und Luckardens von Saarbrücken Simon HL, Heinrich, der spätere (1217 1234) Bischof von Worms, der schon 1212 Propst war, Friedrich, Ste])han, schon 1210 l*ropst, und Gisela gelten"'), woraus nach Conrady folgt, dass Heinrichs Geburt schon mindeslens 1178 anzusetzen sei, Luckarde jedoch, wenn sie seine Mutter gewesen wäre, wieder als „hohe Sechzigerin" zur zweiten Ehe geschritten sein würde, so will er diesen Heinrich gar nicht als Sohn von Simon IL und Luckarde gelten lassen und sieht in Heinrich einen Bruder Simons H. Ab- gesehen davon jedoch, dass selbst bei Ansetzung des Jahres 1178 als Geburts- jahres des Bischofs Heinrich von Worms Luckarde c. 1210 keine hohe Sechzigerin, sondern nur eine angehende Fünfzigerin zu sein brauchte, widerspricht ganz ausdrücklich der Vermutung Conrady's, dass Heinrich oin Bruder Simons II.

=") Conrad}-, S. 90. Verfcl. Kronior 1. c. 1. 139. -"-') S. Görz, :Mittolrli. Regesten II, S. 115. - '^■■) Gesell, des Anlemi. Gesdil. 1, J40 f., A. H. -*) LeIii.Minii, Ge.scli. der

Pfälzer Burgen III, 20. -':, Görz I.e. II, S. 173, Mittolrli. IFrkdb. II, S. 133. - '-'=) Görz 1. c. II, S. l.'J4. '-'; Kremer, Gesch. d. Ard. Geschl. I, 154 u. Conrady S. 92.

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sei, die Urkunde von 1221 bei Kromer, Orig. Nass. IT, S. 264, worin Bi.sciiof Heinrich von Worms den veratorbonen („pie meuiorie") Grafen Friedrich (I.) von Leiningeu seinen Oheim (avunculus) und den Cirafen Friedrich, der als successor eiusdem bezeichnet ist, zugleich f'rater noster nennt. Wie sollte Friedrich von L(iiuiiii?eu avunculus des Bischofs Heinrich von Suur- brücken sein, wenn Heinrich ein IJruder Simons 11. von Saarbrücken wäre? Er wäre dann sein Schwager; avunculus aber konnte er nur genannf werden als Bruder von Heinrichs Mutter, Grätin von Leiningen. Ist also Bischof Heinrich ein Sohn Simons H. und Bruder Simons Hl. von Saarbrücken und Friedrichs, der die Grafschaft Leiningen von dem kinderlosen Oheim erbte und als Graf von Leiningen Friedrich H. heisst, und war Heinrich auch etwa schon 1178, wie Conrady will, geboren, so hat sich eben seine Mutter Luckarde zum zweiten Mal als ältere Witwe verheiratet, bei der übrigens nichts ein höheres Alter anzunehmen nötigt, als etwa 50 Jahre. Es ist aber dann auch kein Grund, von der Schwesterschaft Luckardens und der Ge- mahlin Ruprechts des Streitbaren Elisabeth abzugehen und für diesen eine ältere Elisabeth, Tochter Emichs H. von Leiningen, zu erfinden, die Tochter Emichs des HI. dieses Namens aber einem anderen Ruprecht von Kassau ohne weitere Stützpunkte zuzuweisen. Und so gut Luckarde 1235 noch lebte (ihr Gemahl Lothar noch 1243. S. mittelrh. Urkdb. HI., S. 576), ebenso gut kann auch ihre Schwester Elisabeth dieses Jahr noch erlebt haben, mit der und deren, wie ihrer eigenen Schwester Alberade von Cleberg sie damals'-") die Schenkung an die Kirche zu Limburg machte. Das Wort gener in der öfter erwähnten, früher c. 1159 oder 1169, von Conrady selbst, dem wir darin also beistimmen, nach 1179 gesetzten Urkunde muss dann freilich seine alte Bedeutung „Schwiegersohn" behalten.

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) Krenier, Or. Nass. II, S. 274.

15

Berichtigungen

zu

Band XXVI (1894) der Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung.

S. 167, Z. 2 und 8 v. u. der Satz „ein gestickter bedeckt" ist zu

streichen. S. 168, Z. 4 u. 5 V. 0. lies Lochbaum st. Logbaum. Z. 6 lies lahhau st. lachan. Z. 10 hes lachbucha st. lögbore. Übrigens ist dies nicht die älteste

Erwähnung dieser Grenzbäurae. Z. 12 lies Flurnamen st. Eigennamen,

Das Folgende bezieht sich auf Waldungen im Kreise Neuwied (die sogenannten Rahmhecken). Der letzte Satz soll heissen : Die Form des Zeichens ist häutig die einer Hausmarke oder ein Kreuz.

D ü s s e 1 1 , Amtsgerichtsrat,

Römisclio Gesell i'itze.

Von

Oberstlieuteiiaiit a. D. Hierzu 25 Textabbildungen.

Die im Herbst 1894 ausgeführte Ausgrabung des 5 km nördlich von Ems gelegenen Limeskastells Arzbach-Augst ergab unter anderen Funden auch eine Anzahl Waffenteile, von denen einzelne ein besonderes Interesse beanspruchen.

Der praktische Lokalforscher, der sich der mühevollen Aufgabe unterzieht, mit Hacke und Schippe den oft mehr als dürftigen Resten römischen Anbaues und römischer Herrschaft in Deutschland nachzuspüren, begrüsst, nach oft tagelangem vergeblichen Suchen, stets mit Freude die Auffindung von BauHch- keiten, bei denen wenn oft auch nur in wenigen Steinlageu noch Über- bleibsel des aufgehenden Mauerwerks erhalten sind, besonders dann, wenn An- zeichen vorliegen, dass die betreffenden Gebäude durch Feuer zerstört sind und der Brandschutt seither möglichst unberührt geblieben ist. Mit neuem Eifer wird dann die Arbeit fortgesetzt aber nur zu oft werden auch in solchen Fällen die Hoffnungen auf lohnende Funde getäuscht, denn die Mehr- zahl der römischen Bauwerke wurde, nach der Wiedereroberung des Landes durch die Germanen, erst dann den Flammen übergeben, nachdem sie gründlich ausgeräumt worden waren. Günstiger lagen die Verhältnisse im Kastell Arzbacli- Augst, denn die dortigen Baulichkeiten waren augenscheinhch vor ihrer Plünde- rung eingeäschert worden, entweder bei der Erstürmung dieser Befestigung durch den Feind, oder beim Rückzuge der Besatzung durch diese selbst; aber auch hier hatte man später noch genug verwendbare Gegenstände gefunden, die nicht zu hoch mit Schutt und Trümmern bedeckt waren oder zufällig bei der Einebnung des Terrains und durch den Ackerbau zu Tage kamen.

Am ergiebigsten an Fundstücken erwiesen sich die Thortürme , und unter diesen besonders der östliche Turm der porta praetoria, dessen Obermauer noch in Höhe von durchschnittlich 75 cm vollständig erhalten war. Gleich zu Beginn der Arbeit stiess man hier auf einen starken, halbverkoldten, eichenen Balken, der beim Niederbrennen des Turmes in die rechts vom Eingange gelegene Südecke desselben gestürzt war und sich hier in schräger Stellung schützend über das Essgeschirr eines Soldaten, bestehend aus Napf, Teller und Tasse, gelehnt hatte, welches vor mehr als IGOO Jahren dorthin gestellt und

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nun bis auf eine unerhebliche Beschädigung des Tellers vollkommen unversehrt zu Tage gefördert wurde. Die daraufhin mit aller Vorsicht vorge- nommene völlige Ausräumung des Turmiunern bereicherte das Museum 7\\ Wiesbaden um 18 Fuudnummeru, worunter sich die wichtigsten der nachstehend aufgeführten Gegenstände befinden:

1. Zwei Spitzen der gewöhnlichen, zur Ausrüstung der Ililfs- truppen gehörigen, kleinen Lanzen (Fig. 1).

2. Ein kleines Bruchstück von der Tülle einer solchen Lanze (Fig. 4). Dasselbe ist dadurch bemerkenswert, dass in der Tülle noch ein

Stück des hölzernen Lanzen- Fig. 1 bis 4». Schaftes vorhanden und letz-

terer mit einem eisernen cT^.y. Kern versehen ist. Diese

Einrichtung macht es erklär- lich, dass es überhaupt mög- lich war, in den überaus kleinen Tüllen dieser Waffen genügend haltbare Schafte an- zubringen.

3. Zwei eiserne Ringe von 30 bezw. 35 mm Durch- messer, mit etwa 4x4 mm

quadratischem Querschnitt (Fig. 4*). Diese Ringe dien- ten ohne Zweifel zur Ver- bindung von Eisen und Schaft bei solchen Waffen, die mit geschlitzter Tülle versehen waren, in der Weise, wie dies in der beigegebenen Skizze angedeutet ist. Dieses anscheinend pri- mitive Verfahren ist dennoch ausserordentlich zweckmässig, weil eine solche Verbindung sehr haltbar ist und beim Schwinden des Holzes, infolge Eintrock- nens desselben, leicht durch weiteres Auftreiben der Ringe auf den Konus nachgespannt werden kann.

4. Eine ungewöhnlich schön geformte und sorgfältig gearbeitete Spitze von einem Pfeil der Armbrust (Fig. 3).

5. Zwei Spitzen von Pfeilen der (späteren) Ballista (Fig. 2), wie sie in ähnlichen Formen öfters in den Kastellen gefunden wurden und bei Lindenschmit: „Die Altertümer unserer heidnischen Vorzeit (VI, 5)" abge- bildet sind. Dieselben werden irrtümlich zuweilen für Spitzen einer besonderen Art von Wurflanzen gehalten.

0. Eiserne Beschläge und sonstige Teile von Geschützen') (Fig. 5

'j Selbst diejenigen Leser, welche mit den nachstehenden Ausführungen, insoweit die- selhcn sicli auf die rümische Artillerie beziehen, nicht in iillcn l'unkten einverstanden sind, werden zugeben müssen, dass durcli die betreffenden Fumio von Arzbach-Augst eine, wenn vorläufig auch nur unsichere Grundlage für die Kekonstriiktion der um die Mitte des dritten

217

bis 25). Die Armieruüg der germanischen und rätischen Kastelle mit Geschützen wurde bisher lediglich deshalb vorausgesetzt, weil man Steinkugoln und andere Gegenstände auffand, von denen man annehmen konnte, dass sie als (ieschosse gedient haben. Die Funde von Arzbach-Augst lioforn zum erstenmal Stücke, die teils mit Sicherheit, teils mit grosser Wahrscheinlichkeit als IJestandtcile römischer Geschütze zu bezeichnen sind; dieselben beweisen dcshall) direkt die Verwendung der letzteren in den genannten Befestigungen und geben gleich- zeitig einigen Aufschluss über ihre Konstruktion.

Zu den gegebenen Zeichnungen wird folgendes bemerkt: a) Schleuderhaken (f) eines Onagers (Fig. 5). Dieses ({eschütz, dessen Konstruktion (nach Köchly und Rüstow: „Griechische Kricgsschrift- stcller") durch die beigefügte Skizze veranschaulicht wird, war bekanntlich das Wurfgeschütz der späteren Zeit. Dasselbe bestand in den Hauptsachen aus den beiden durch Riegel in paralleler Lage zueinander festgehaltenen Wänden (a)^ dem durch entsprechende Durchbohrungen der letzteren gezogenen Spannncrven- bündel (h)^ dem Schleuderarm (c)^ der Windevorrichtung ((J)^ der Schleuder ((j) und dem Widerlager (e). Das Laden des Geschützes erfolgte, indem der in senkrechter Richtung mit einem Ende durch die Spannnerven gesteckte Schleuderarm (c) mittels der Winde (d) in eine nahezu horizontale Lage ge- bracht und die Schleuder mit Geschoss (g) an einem am anderen Ende dieses Armes angebrachten Haken aufgehängt wurde. Beim Abschiessen des Geschützes löste der Geschützführer durch einen kräftigen Hammerschlag gegen einen Nagel der Spannvorrichtung den Schleuderarm, der nun infolge der Elastizität der Spannnerven, unter heftiger Erschütterung von Geschütz und Geschützstand, bis an das Widerlager (e) zurückschnellte, wobei das Geschoss ((j) frei wurde und im hohen Bogen zum Ziel flog.

Das vorliegende Fundstück kennzeichnet sich als der zum Aufhängen der Schleuder (g) bestimmte Beschlag (f) des Schleuderarmes (c) einmal durch seine überaus starke Konstruktion und die zweckentsprechende Form des Hakens, dann aber vor allem durch die eigenartige Verbindung dieses Beschlagteiles mit dem Holz. Solche Verbindungen wendet man nämlich auch heute noch an und zwar ausschliesslich in den Fällen, wo es sich wie beim Schleuder- arm des Onagers um Teile handelt, die starken Erschütterungen ausgesetzt werden ; sie bestehen darin, dass die durchgezogenen Niete (h)^ wenn nicht an beiden, so doch wenigstens an je einem Ende mit einem starken, cylindrischen Ansatz (k) versehen sind, der den Zweck hat, die Anlagefläche des Nietes zu vergrösseru und dadurch zu verhindern, dass derselbe sich infolge der Stösse in das Holz eingräbt, wodurch zunächst ein Lockerwerden, dann aber sehr bald

Jahrluniderts n, Clir. bei den Kömern im Gebrauch gewesenen Geschütze geschaffen worden ist. Der Yerfassor ist der Ansicht, dass auf dieser Grundlage weiter gebaut worden künnc und glaubt annehmen zu dürfen, dass in den ^luseen und Privatsainmlungen noch manche, bisher als „unbekaimte IJeschlagtcilc" rubrizierte Stücke vorlianden seien, die siili willig in den vorhandenen Rahmen einfügen lassen. Mitteilungen über bezw. bisher nicht publizierte Funde (unter der Adr. JJerlin W., Schaperstr. 10) würden denselben zu besonderem Dank verpflichten.

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ein Abbrechen des betreffenden Beschlages herbeigeführt würde. Bei dem auf- gefundeneu Schleuderhaken sind drei solche mit je einem cylindrischen Ansatz (l) versehenen Niete (li) vorhanden. Dass das betreffende Geschütz stark im Gebrauch gewesen ist, beweist der Umstand, dass man von aussen in das von dem IGI^ mm laugen Beschläge umschlossene Holz in schräger Richtung einen noch erhaltenen eisernen Nagel eingetrieben hat, der keinen anderen Zweck gehabt haben kann, als das, trotz der soliden Befestigung, locker gewordene Beschlagstück wieder festzukeilen.

Bemerkenswert ist noch, dass auch durch die Terrainbeschaffouheit die Aufstellung eines Onagers in dem Turm der porta praetoria des Kastells, woselbst der in Rede stehende Schleuderhaken aufgefunden wurde, angezeigt ist. Das Terrain fällt nämlich vor der Prätorialfront zuerst sanft, dann steiler zu dem 300 m entfernten Wetzelbach ab. Der Abhang dieses Baches war von dem Kastell aus nicht einzusehen, ausserdem aber erschwerte der nur 50 m vor der Front des letzteren verlaufende Grenzwall den Überblick über das Yorterrain erheblich; dass unter diesen Umständen hier nur AVurfgoschütze mit Vorteil verwendet werden konnten, bedarf wohl keiner weiteren Begründung.

Was nun den Wert dieses Fundes anbetrifft, so liegt derselbe haupt- sächlich darin, dass durch die Feststellung des Umstandes, dass zur Geschütz- ausrüstung dieses Kastells ein Onager gehörte, einiges Licht iu die in artille- ristischer Hinsicht völlige dunkele Zeit des dritten Jahrhunderts u. Chr. gebracht wird. Die von Vitruv beschriebenen Geschütze der ersten Kaiserzeit bestanden bekanntlich aus Katapulten und Ballisten; beide waren in den Hauptsachen ziemlich gleich konstruiert, nur war das erstere als Flachbahn-, das letztere als Wurfgeschütz eingerichtet. Die Yerv/endung dieser Konstruktion ist nach- zuweisen bis in das zweite Jahrhundert n. Chr., denn man erkennt dieselbe wieder auf den Darstellungen der Trajanssäule; von da ab aber fehlt jede Nachricht bis in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts n. Chr., wo Am- niiauus Marcellinus uns den der Haudschleuder nachgebildeten, einarmigen Onager als Wurfgeschütz und die Ballista anscheinend im wesentlichen die alte Katapulte als Flaclibahngeschütz vorführt. Wann und wie der Über- gang von der einen zur anderen Periode erfolgt ist, wissen wir nicht. Durch den vorliegenden Fund wird nun die interessante Thatsache konstatiert, dass die römische Artillerie zu der Zeit, als das Dekumatenland geräumt wurde also etwa 260 n. Chr. - bereits in ihre zweite Periode eingetreten -war.

b) Bruchstück eines Drückers (epitoxis) (Fig. 10), gefunden in einem Turm der porta principalis sinistra. Leider wurde beim Lockern des Bodens mittels der Kreuzhacke durch den betreffenden Arbeiter das Fundstück zer- schlagen und konnte das zugehörige Stück, trotz sorgfiltiger Durchsuchung der ausgeworfenen Erde, nicht aufgefunden w^erden. So sehr dies im Hinblick auf das Interesse, welches dieser Fund in Anspruch nimmt, z\i bedauern ist, so genügt andererseits das vorhandene kleine Bruckstück, um in demselben, nach den auf Grund der Überlieferungen von Heron , Philon und Vitruv durch Köchlv und Rüstow a. a. 0. entworfenen Zeichnungen der antiken Geschütze, mit Sicherheit die rechte Hälfte der Klaue derjenigen Vorrichtung zu erkennen,

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die zum Fcstlialten der mittels der Winde gespannten Sehne (x) während des Ladens bzw. zum Abschlössen des Geschützes diente und Drücker genannt wurde.

In Fig. 10 ist das aufgefundene Bruchstück durch allerdings rohe .Schnitz- arbeit aus Kiefernborke soweit ergänzt, dass wenigstens das Funktionieren dieser Vorrichtung veranschaulicht wird; erläuternd ist zu dieser Skizze hinzuzufügen, dass der Drücker (y) um einen am „Läufer" des Geschützes befestigten (iuer- bulzen soweit drehbar war, dass, wenn die Klaue auf der Läuferbahn auHag, das entgegengesetzte Ende des Drückers hoch stand, und umgekehrt.

Sollte das Geschütz geladen werden, so wurde der Ijäufer so weit vorge- schoben, bis die Klaue über die (ungespannte) Sehne übergriff; dann wurde der keilförmige Hebel (2) unter das hochstehende Ende (y) des Drückers ge8chol)en, der Läufer und mit ihm die durch die Klaue festgehaltene Sehne mittels der Windevorrichtung zurückgezogen und schliesslich der Pfeil auf die Läuferbuhn gelegt. Zum Zweck des Abschiessens war es dann nur nötig, den Hebel (z) mittels eines Abzuges zurückzuziehen , wodurch das hintere Ende (y) des Drückers niederfiel resp. die Klaue hoch ging, die gespannte Sehne (x) frei wurde und das Geschoss vorwärts schnellte.

Selbstverständlich konnte eine solche Vorrichtung nur bei der zweiarmigen Balhsta, nicht aber bei dem Onager angewendet werden, und so bietet denn dieses Fundstück einen weiteren Anhalt für die Feststellung der Armierung des Kastells insofern, als dasselbe darauf schliessen lässt, dass ein solches Ge- schütz au dem angegebenen Fundort aufgestellt war. Und in der That ent- spricht, wie auf der Prätorialfront das Wurfgeschütz, so hier das Flachbahn- geschütz vollkommen den Terrainsverhältnissen, denn auf dieser (der linken Prinzipal-) Front fällt das Terrain unmittelbar vor der Berme steil zu dem breiten Wiesengrund des Arzbaches und das vorliegende Gelände ist überall bis auf eine Entfernung von mindestens 400 m vollständig einzusehen.

c) Zwei eigentümlich geformte eiserne Kinge (Fig. 6 u. 7). Der kleinere dieser Ringe wurde in dem mehrerwähnten Turm der porta praeioria, der grössere in einem Turm der porta princijjcdis dextra gefunden. Beide Ringe lassen, trotz ihrer schlechten Erhaltung, eine sehr sorgfältige Bearbeitung, eine vollkommen gleiche Konstruktion und eine fast genaue Proportionalität ihrer Abmessungen erkennen. Ihre Stärke ist im Verhältnis zum Durchmesser (88 bezw. 108 mm) und zur Breite (23 bezw. 27 mm) auffallend gering und nimmt von den Rändern nach der Mitte zu; am äusseren Umfange sind sie mit je einer, im Querschnitt paraboHsch gestalteten, ziemlich starken Mittelrippc versehen. (Siehe Profilskizze.)

Diese aussergewöhnliche Beschaffenheit der Ringe berechtigt zu dem Schluss, dass dieselben besonderen Zwecken dienten, und die Fundumstäntle legen die Vermutung nahe, dass sie als Geschützteile Verwendung fanden. So überaus schwierig es nun ist, die Bestimmung derartiger Gegenstände zu er- kennen, so ist in dem vorliegenden Falle doch der spezielle Zweck dieser Ringe mit einiger Wahrscheinlichkeit festzustellen. Sehen wir uns die antiken Geschütz- konstruktionen näher an, so muss es auffallen, dass man die Spannnerven direkt durch die entsprechenden Löcher der Geschützwände zog, denn es ist em-

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leuchtend, dass unter diesen Umständen beim Laden und beim Abschiesscn der Geschütze, infolge der tordierendeu Bewegung der Spanunerven, eine starke Reibung und demzufolge auch eine schnelle Abnutzung der letzteren eintreten musste. Legte man aber solche Ringe, wie die aufgefundenen, in die betreffen- den Durchbohrungen der Geschützwände so ein, wie dies in der zu Fig. 6 und 7 gehörigen Skizze bei w w angedeutet ist, so wurde diese Reibung natur- gemäss erheblich vermindert und zwar dadurch, dass die Spannnerven sich nun nicht mehr an die auch bei sorgfältigster Bearbeitung immer noch rauhen Llolztlächen, sondern au die glatten, eisernen Reifen anlegten, die sich ausser- dem infolge ihrer geringen Stärke den Torsionsbewegungen der Spannnerven anschmiegten, wodurch die Reibung noch mehr abgeschwächt wurde. Die Rippe auf der Aussenfläche der Ringe würde dann zweckmässig zum Festhalten der letzteren in der ihnen angewiesenen Lage gedient, insbesondere ein Hin- gleiten derselben in die Durchbohrungen der Wände verhindert haben.

Ist diese Vermutung über die Verwendung qu. Ringe richtig, so würden uns dieselben das wichtigste Mass der betreffenden Geschütze überliefern, nämlich das Kaliber, welches bekanntlich durch die Stärke des Spannnerven- bündels im Spanuloch bestimmt wurde und das Gruudmass für alle übrigen Abmessungen der Geschütze bildete. Demnach würde auf dem erwähnten Turm der porta praetoria des Kastells ein (rund) 9 cm Onager aufgestellt gewesen sein und vielleicht ist es kein Zufall, dass der Durchmesser des dort aufge- fundenen kleineren Ringes von ca. 88 mm-) ungefähr dem von Vitruv (X, 14) angegebenen kleinsten Kaliber (von 5 Zoll = 92,5 mm) des älteren Wurfge- schützes (der Ballista) entspricht; dass man an dem für dieses Geschütz ein- geführten Minimalmass auch in der späteren Artillerieperiode und bei ver- änderten Konstruktionsverhältnissen festhielt, dürfte nicht unwahrscheinlich sein, und dass die Mehrzahl der Limeskastelle thatsächlich mit Geschützen kleinen und kleinsten Kalibers armiert war, geht aus den in der Regel beschränkten räumlichen Verhältnissen der Geschützstände, sowie aus den meistens geringen Dimensionen und Gewichten der aufgefundenen Geschosse hervor. Schwere Geschütze verwendete man sicherlich nur in grösseren und wichtigeren Be- festigungen und in diesen auch nur da, wo es sich um die Bestreichung von Defileen, schiffbaren Flüssen 'oder dergl. handelte.

d) Bruchstücke eines starken eisernen Beschlages (Fig. 8). Dieser, sowie die in Fig. 11 bis 25 abgebildeten Beschlagteile wurden ebenfalls in dem mehrerwähnten Turm der porta praetoria gefunden. Wenn auch nicht behauptet werden soll, dass diese Gegenstände sämthch von dem dort aufgestellten Onager herstammen, so kann dies ihrer Beschaffenheit nach doch sicher von der Mehr- zahl derselben angenommen werden.

Eiserne Diebel, wie Fig. 8 einen solchen zeigt, wendet man häufig zur Anbringung beweglicher Holzarme (n) an Gestellen u. s. w. in solchen Fällen an,

') Die Grösse des Ringes konnte, wie schon aus der auf pliotograpliischcni "Wege licr- gcstellten Zeichnung ersiilitlicli ist, nur annähernd bestimmt werden; der Durclimesser desselben kann ebenso gut um einige Millimeter grösser gewesen sein und dem von Vitruv angegebenen Mass genau entsprochen haben.

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wo es nicht auf eine besonders grosse Haltbarkeit clor Vorbiiulung ankommt. Der Diebel wird zu diesem Zweck in das Ilirnondc eingetrieben und um letzteres ein heisser Ring fest herumgelegt,

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e) Bruchstück eines starken, eiserneu Beschlages einer acht- kantigen Holzwelle (Fig. 9), gefunden im Exerzierhause des Kastells.

f) Bruchstück eines kreisförmig geschnittenen, dünnen Eisen- blechstreifens (Fig. 11). Derselbe konnte zweckmässig zur Feststellung der Elevation des Geschützes dienen, wenn er mit einer entsprechenden Gradein- teilung versehen und so am Geschütz angebracht war, dass er den Winkel bestimmte, den der Schleuderarm, im Zustande der Spannung, mit dem Geschütz- stande bildete. Die Drehachse des Schleuderarms musste dann in dem Mittel- punkt desjenigen Kreises liegen, nach dem dieser Blechstreifen geschnitten war.

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g) Zwei starke, eiserne Haken (Fig. 12 u. 13), wie solche u. a. auch bei Winden zum Befestigen von Tauwerk verwendet werden.

h) Bruchstück eines langen, eisernen Bolzens (Fig. 14) mit qua- dratischem Querschnitt und stark gewölbtem Kopf.

i) 11 Stück eiserne Nägel von verschiedener Form und Grösse (Fig. 15 bis 25); dieselben wurden aus einer grossen Anzahl in diesem Turm aufge- fundener Xägel ausgewählt. Besün(iers bemerkenswert sind diejenigen Fig. 19 bis 21, welche, nach Art der Drahtstifte, mit dünnen ganz flachen und ebenen, f.ist genau kreisrunden Köpfen versehen sind; desgleichen die in Fig. 22 bis 25 dargestellten, die ohne Zweifel zur Befestigung starker eiserner Beschläge auch auf gewölbten Flächen gedient haben.

7. Ein Pilum.^) Dieses in allen Teilen wohlerhalteue Fundstück ist für die Feststellung der Geschichte dieser Waffe insofern von hervorragender Be- deutung, als wir über letztere für den Zeitraum vom Ende des zweiten bis zum Ausgang des vierten Jahrhunderts u. Chr. ebensowenig unterrichtet sind, wie über das römische Geschützwesen.

Die Konstruktion des Pilums, welche in den letzten Jahrhunderten v. Chr. unausgesetzt verbessert wurde, erreichte zu Caesar's Zeiten ihren Höhepunkt. Dasselbe bestand damals aus einer durchschnittlich 7 -800 mm langen, weich- geschmiedeten Klinge mit gehärteter pyramidaler Spitze; das Eisen war mittels Zwinge und Niete mit dem doppelt so langen Schaft fest verbunden. Die Haupt- vorteile dieser Konstruktion lagen darin, dass die Klinge geeignet war, Schild und Mann zu durchbohren und dass infolge der Yerbiegung des weichen Eisens im feindlichen Schilde der Gegner am Gebrauch des letzteren behindert wurde, da Pilum und Schild nicht leicht getrennt werden konnten. Es war eine echte und rechte OfFensivwaffe, die in allen wesentlichen Teilen unverändert nach- weislich bis Antoninus Pius, vermutlich aber bis zum Anfang des dritten Jahr- hunderts n. Chr. beibehalten wurde.

Mit dem Verfall des Staates und dem Niedergang der Armee verschwand diese Nationalwaffe, der die Römer nicht zum kleinsten Teil ihre militärischen Erfolge verdankten, und der Fund von Arzbach-Augst lehrt, dass zu der Zeit, als das Dekumatenland von den Germanen zurückerobert wurde also etwa nm 260 n. Chr. bereits eine Waffe eingeführt war, die den Übergang zu dem von Vegetius (H, 15) beschriebenen Spiculum bildete. Die viereckige, mit zwei Widerhaken versehene Klinge hatte eine Lauge von nur 190 mm und ein Gewicht von 145 g; sie war mit dem Schaft nach dem von Plutarch (Mar. 25) beschriebenen, bereits in der Cimbernschlacht angewendeten Prinzip mittels eines eisernen und eines hölzernen Stiftes verbunden. Beim Eindringen des Pilums in den feindlichen Schild musste der hölzerne Stift brechen und der Schaft wurde an dem eisernen Niet nachgeschleift.

Die Waffe war zu kurz und zu leicht, um wirksam zu sein ; sie entsprach der (Qualität der damaligen Armee.

3) Bonner Jahrb. Heft XCVI, S. 226 S.

Erwiderung

auf

„Kinige Bemeikungen zu dem Aufsätze von Conrady, „Die ücsehichte

des Hauses Nassau", in Annalen XXVI, von Dr. W. Sauer, Künigl.

Archivrat und Staatsarchivar in Wiesbaden."

Auf die vorstehend genannten, mir durch Mitteilung des Herrn Vereins- sekretärs bekannt gewordeneu „Bemerkungen" Hnde ich ihrer Reihe nacli das Folgende zu erwidern.

1. Ich müsste mich dagegen verwahren, wenn Herr Archivrat Dr. Sauer gemeint haben sollte, dass ich meiner Geschichte des Hauses Nassau den Wert einer „abschliessenden" Behandlung des Gegenstandes beilege, da ich wohl einen „Neubau" (S. 1 derselben), aber selbstredend nicht dessen vollen Ausbau er- streben konnte.

2. Bezüglich des mir zur Last gelegten Übersehens der namhaft ge- machten Litteratur und der Versehen im Gebrauch der fulder und lorscher Traditionen bemerke ich zunächst im Allgemeinen, dass meine Arbeit bis nahe zu ihrem Schlüsse in Miltenberg zustande kam, wo mir begreiflicherweise die Ermittelung und Beschaffung der nötigen lit( erarischen Hilfsmittel die grössten Schwierigkeiten bereitete. Ich holte deshalb das dort Versagte mit Hilfe der Landesbibliothek hier im weitesten Umfange nach, konnte aber auch bei ihr nicht alles Gewünschte erlangen. Böhmer-Mühlbacher, Regesta imperii 1. 1 z. B. war zur Zeit meines Bedürfens hartnäckig belegt und Dronke's Cod. dipl. verstellt, sodass ich denselben erst dicht vor Abschluss und sehr be- schleunigtem Abgang des Manuskripts in die Druckerei benutzen, mich also nur oberflächUch mit ihm bekannt machen konnte. Dies alles in der „Schluss- bemerkung" S. 130, wie meine Absicht war, zu berichten, blieb mir versagt, da der mir dort noch gewährte Raum nicht reichte, und eine neue Seite wegen der folgenden Arbeit nicht anzubrechen war. Ich musstc mich also sehr wider Willen damit begnügen, dass ich S. 1 meine „unzünftigen Kräfte" be- tont hatte.

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3. \\'"as im Besonderen die Nichtbenutzung der angezeigten Stelleu bei Wende, Stein, Hegel und Draudt anlangt, so hat dieselbe, wie ich sehe, meiner Arbeit nicht die mindeste Einbusse bereitet, da ich alles biete, was sie, und, wie ich denke. Vollständigeres, deshalb neugierig wäre zu erfahren, wie mir nachgewiesen werden könnte, „dass unter Benutzung dieser älteren Unter- suchungen einzelne Punkte sich würden anders haben gestalten können." Merk- würdigerweise befinde ich mich dazu mit den drei zuletzt Genannten in der gleichen Verdammnis, wenigstens die Stelle Wenck's übersehen zu haben. Noch mehr, uns allen vieren, wie Herrn S., ist die Behandlung der Sache bei Dahl, Rhein. Archiv, herausgeg. (zuletzt) von Neeb u. Weitzel, 1814, 14, 233, von der ich jetzt erst ohne Nutzen Einsicht genommen habe, entgangen. Ausserdem wäre Hegel, um genau zu sein, 1. c. 10 Anm. 12 doch nur als Bestreiter der Idee abzuweisen gewesen. Da aber Herr S. selber, wie er sich erinnern dürfte, anfänglich Bestreiter derselben war, so darf ich es eigentüm- lich finden, dass er mir ein Versehen zur Last legt, dessen er sich selber schuldig gemacht hat und als Fachmann in nassoicis.

4. Ablehnen muss ich leider die Anerkennung, dass ,,der Wert der in selbständiger Forschung von mir gewonnenen Ergebnisse gesichert wird". Ge- sichert ist doch nur, dass die genannten Gelehrten mit mir dasselbe vermutet und mehr oder minder wahrscheinlich gemacht haben.

5. Das mir zur Auflage Gemachte wegen der Frage, ,,ob die Hattonen im Wormsgau Grafen oder nur Grossgrundbesitzer waren", darf lediglich als Widerhall von Draudt's Bemerkung, 1. c. 478: ,,dass es im Zweifel bleibt, ob dieselben Güter im Wormsgau besassen oder aber den Gau ganz oder teil- weise verwalteten (s. Hegel in den Städtechroniken XVHI, 2, S. 10, 16)", bezeichnet werden und ist „in entscheidender Weise" aus selbstredenden Grün- den nicht festzustellen.

6. Über die genau ein Dutzend umfassenden „Versehen", die mir nach- gewiesen werden wollen, habe ich, indem ich dieselben der Kürze wegen al- phabetisch bezeichne, dies zu sagen :

a) Der 25. für den 15. Juni ist, wie ersichtlich an der Verwechselung von 2 mit 1, ein leider stehen gebliebener Schreibfehler und wohl von keinem höheren Gewichte, als die, die Herrn S. Seite 195, Z. 14 von oben mit „S. 550" statt 541, „10" statt 11 und Auslassung der Seiten- zahl bei Stein, wie Z. 20 von oben mit „im" statt „in" selber be- gegnet sind, wenn der mir vorliegende Revisionsbügen zum Abdruck kam.

b) „3" abermals Schreib- oder Druckfehler, das Übrige erledigt durch meine Beichte in No. 2.

c) „Randulf" Druckfehler, das Übrige durch leidige Verwechselung von Juni und Juli beim L' bertragen aus dem römischen Kalender entstanden.

d) Die ., Donatio Hattonis" habe ich mit Bedacht ausser acht gelassen, da die Bezeichnung ,,comes" fehlte, und Egiuo für mich ebensowenig

225

unterzubringen war, als für Draudt 478, dem der Frager erst die Wissenschaft vom Vorhandensein derselben verdankt.

e) u. f) Meine nach No. 2 zu beurteilende, im übrigen nichts von irgend welchem Belange verschuldende Schuld.

g) Indem ich mich betreffs Müiilbacher's, dessen Vcraagung mir "-erade bei dieser Feststellung sehr peinlich war, auf No. 2 berufe bcmfM-ke ich, dass die nun von ihm genommene Einsiclit mich in der "leiclien Lage lässt. Denn die Urkunde mit ihrem „actum in pubhco (Mxicilio quod dicitur Pathrafons" in den Juni 785 setzen zu solh.'n, wie die beiden namliaft gemachten dieses Datums mit „actum ail IMindra- buunen publice" und „actum ad Phadrebunneu", widerstrebt meinem diplomatischen Gewissen, wie sich denn auch Mühlbacher wohl aus gleicliem Grunde gehütet hat, der Urkunde an dieser Stelle und darum überhaupt zu gedenken.

h) Die Angabe meines Konzepts: ,,Schannat 65, No. 134" ist leider nicht in die Reinschrift gelangt, und da erst bei der Revision dieser die Vergleicbung mit Dronke stattfinden konnte, die letztere unter- blieben. Übrigens verbessere ich hier noch das von Herrn S. unan- gefochten gebliebene ,,Harasheimo" in „Harahesheimo" des Konzeptes und Textes, wie, die Gelegenheit benutzend, gleichzeitig S. 12S den irrigen ,, Heinrich" in den richtigen ,, Johann". An dem irrigen „25. Okt." trügt wieder das Versehen beim Übertragen aus dem rümisclieu Kalen- der Schuld.

i) Derselbe letztere Fall und von gleicher Schwere wie a) b) c) e) f)!

k) Dieser Schein ist einfach durch Auslassung eines ,,f." hinter „No. 161" erweckt worden. Im Übrigen konnte gar nichts versehen werden, da die Urkunden bei Schannat und Dronke, abzüglich mehrfach ver- schiedener Schreibung derselben Eigennamen, bis aufs Wort überein- stimmen.

1) Beide Schriftsteller, von denen der letztere auch hier des ersteren Stelle ebenso unbeachtet lässt, wie ich, tragen nicht das Geringste zur Vermehrung oder Veränderung des von mir Gebotenen bei.

m) Der Versuch, die Urkunde vom Jahre 837 dem Jahre 787 zuzuweisen, muss so lauge als verfehlt bezeichnet werden, bis es dem Versucher gelingt, die Leichtigkeit der Verwandlung der von Schannat gebote- nen römischen Jahresziifer in die seine und dabei die Gleichheit der Zeugen in beiden Urkunden nachzuweisen. Die Namen Adal])raht und Adalfrid der Urkunde von 787 sind nicht dieselben mit Odil- (Dronke: Vodil-)praht und Altfrid, vgl. Forste mann, Ahd. Namenb. L s. vv., und bei den anderen fehlt einer 787. Auch hier wäre zuerst der Ver- derb der Ilschr. nachzuweisen. Meine „Folgerungen" werden demnach bis dahin noch zu bestehen ein gutes Recht und die Streichung der „Bezugnahme S. 12" zu unterbleiben haben.

226

Damit ist meines Erachtens klargestellt, dass sämtliche erhobenen An- stünde belanglose Miuutien betreffen, die dem Gange und ^Verte der von mir angestellten Untersuchung den mindesten Abbruch zu thun nicht die -erino-ste kraft besitzen. Immerhin bin ich im Interesse der Sache aufrichtig- "danlTbar für diese mühsam mikroskopische Reinigung meiner Arbeit von unliebsamen Menschlichkeiten, auch wenn sie selber von Menschlichkeit zeugen und darum wohl 111 dieser Form nicht geübt sein sollte.

Wiesbaden, 13. August 1895.

L. Conrady, Pfarrer a. D.*

* Hiormit ist Jiese Polemik für die Anii.ilen beendet.

Die Redaktion.

Ve r e i n s - N a c li r i c li t e n.

Jahresbericht des Sekretärs.

(Yom 1. April l»!i4 bis Hl. Mär/. 1895.)

Allgemeines. Auch im verflossenen Etatsjahr war das wissenscliaftliclie wie gesellschaftliche Leben des Vereins ein reges. Vorstandssitzungen fanden statt am 25. August, 27. Oktober, 4. u. 19. Dezember 1894, sowie am 7. Januar, 3. u. 12. Februar und 12. März 1895, die gewöhnliche General- versammlung am 15. Dezember; ihr folgte eine ausserordentliche Generalver- sammlung am 26. März 1895.

Auch im vergangenen Jahre wurden während der Sommermonate Aus- flüge unternommen, um den persönlichen Verkehr der Mitglieder zu ferneren gemeinsamen gedeihlichen Bestrebungen zu fördern. Diese Exkursionen galten zunächst dem Besuch der Nachbarstadt Mainz und zwar den eigenartigen Katakomben unter der St. Peter- und der äusserst sehenswerten St. Ignatius- Kirche, sowie einem Besuch der altehrwürdigen Stephans-Kirche. Sodann folgte eine Fahrt nach Höchst a. M. zur Besichtigung der neurestaurierten, noch aus der Zeit Karls des Grossen herrührenden Antoniter - Kirche da- selbst, wobei Herr Pfarrer Syring in liebenswürdigster Weise als Führer diente; von Höchst fuhr die zahlreiche Gesellschaft nach Frankfurt a. M., um dort das neu eingerichtete, nach jeder Richtung vorzüglich ausgeführte historische Museum unter Leitung des Herrn Konservator Cornil in Augen- schein zu nehmen. Eine dritte Expedition galt dem durch Herrn Professor Wolff aufgedeckten römischen Kastell bei Hofheim, welches das höchste allgemeine Interesse erregte. Der vierte Ausflug galt wieder der weitberühm- teu Saalburg, wobei, wie ebenso vorher im Saalburg-Museum zu Homburg V. d. Höhe, Herr Baumeister Jacobi die Leitung übernommen hatte und seine hochwichtigen Entdeckungen über die römischen Limitationen und Termina- tionen an Ort und Stelle darlegte. Diese, sowie die inzwischen neu gemachten Entdeckungen in und bei der Saalburg führten zu dem allgemeinen Beschluss, auch im nächsten Jahre wieder einen Ausflug nach dieser klassischen Stätte zu unternehmen. Weitere geplante Exkursionen mussten der anhaltend schlech- ten Witterung wegen unterbleiben.

Die Drucklegung des diesjährigen XXVIL Annalen-Bandes hat eine unliebsame Verspätung erfahren, hervorgerufen durch tief eingreifende Störungen

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des bisher gewolmten geschäftlichou Vereinsbctriebes, welclie in Auscbluss an den Ausfall der Wahlen in der letzten Generalversarainlung nicht nur zu einem neuen Statuten -Entwurf , sondern auch zur Bildung einer besonderen „his- torischen Sektion" unter Vorsitz des Herrn Professor a. D. Friedrich Otto führten. AVir werden später Gelegenheit finden, auf diese Ereignisse eingehen- der zurückzukommen.

Dieselben Vorgänge trugen Schuld, dass die Wahl der drei Ersatz- männer des Vorstandes annulliert werden musste und denmach der Vorstand bis auf weiteres nur aus folgenden Herren zusammengesetzt ist:

Direktor: Herr Dr. Florschütz, welcher gleichzeitig im Auftrage

der Königlichen Regierung provisorisch die Geschäfte des

verstorbenen Oberst von Cohausen bis zur Neuwahl des

Königlichen Konservators übernommen hat. Sekretär: Herr Dr. Ritterling.*^ Ferner die Herren :

Rentner G aab.

Landgerichtsrat Keutner.

Oberlehrer Dr. Wedewer.

Dr. med. Ahrens.

Oberlehrer Dr. Lohr.

Landgerichtsrat Düssell.

Major a. D. Schlieben.

Li der Vorstandssitzung vom 25. August 1S94 wurde auf Antrag des versitzenden Direktors der Professor a. D. Friedrich Otto zu Wiesbaden zum Ehrenmitgliede ernannt.

Von den ordentlichen Mitgliedern schiedeu aus:

a) durch den Tod:

Herr Albert Charlier, Rentner, Wiesbaden (f 22. 4. 94);

Janotha, Schloss-Inspektor a. D., Weüburg (f 7. 5. 94);

Büsgen, Dr. phil., Rintelen (f 4. 6. 94);

Liebe, Hofrat, Gera (f 5. 6. 94);

August von Cohausen, Oberst z. D. und Konservator des Ver- eins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, Wiesbaden (f 2. 12. 94);

Max von Dungern, Freiherr, Wiesbaden (f 23. 12. 94);

Otto Hoffmann, Wiesbaden;

Ferdinand Schmidt, Professor, Dillenburg (f 13. 2. 95);

von Wangen heim. Major, Freiherr, AViesbaden (f 14. 2. 95);

Hermann von Seydlitz, Generallieutenant z. D., Excellenz, Wiesbaden (f 1. 3. 95);

Wilhelm Winter, Reg.-Präsident a. D., Elmshausen (f 7. 3. 95);

,, Johannes Reber, Pfarrer a. D., Wiesbaden (f 23. 3. 95).

*) Seit 1. April 1895: Dr. Adalbert Schroeter.

I

*J M t'

b) durch Meldung des Austritts:

Herr Conrad Reinhardt, BuchhündU;r, W.;

Eduard Ausfeld, ])r. phil., Arcliivur, Kohlen/.;

Eduard Schmölder, Weinhüudler, liicihrjcli;

Letzerich, Dr. med., \V. ;

Kobelt, Dr. med., Schwanhoim ;

Thoma, Hotelbesitzer, W.;

August Pfeiffer, llegierungs- und Modi/.iiialrat, \V.;

Vogeler, J., W.;

,, Wilhelm Franz, Regierungsbaufülirer, W.-

Hermann Klein, Karlshütte, Kr. Biedenkopf;

,, von Trott zu Solz, Landrat, Marburg i. H. ;

,, Weber, Amtsgerichtsrat, Wetzlar;

Friedrich Otto, Professor a. D., W. (am 2.'). August 1894 zum Ehrenmitglied ernannt) ;

,, C. Abel, Rechtsanwalt, Hadamar;

,, Weitzel, Premierlieutenant, Mainz; Fräulein Anna Maria Mawson, W. ; Herr Hugo Schroeder, Photograph, W.;

,, von Schw^artzkoppen-Rottorf, Freiherr, Weinheim a. d. Bgstr.

,, Richard Ad. Meyer, Generalagent, W.;

,, Theodor Blell, Rittergutsbesitzer, Lichterfelde bei Berlin;

Friedrich Rupp, Reallehrer, Herborn.

Diesen 33 bis zum L April ausgeschiedenen ordontliclien Mit- gliedern stehen folgende 34 bis zu demselben Termin neu aur.geiioinnieue gegenüber:

Herr Schmidt, Landgerichtsrat, Limburg a. d. L.;

,, Franz Bossong, Buchhändler, W. ;

,, Ferdinand Nitzsche, W. ; Se. Durchlaucht Prinz Albrecht zu Solms-Braunfela; Herr Moritz Richter, Landgerichtsrat, W. ;

Rudolf Faber, Chemiker, W. ;

,, Rudolf Engelmann, Justizrat, W.;

Adam Schleidt, Gerichtsvollzieher, W.;

,, Wahl, Pfarrer, Rüdesheim;

von Sachs, Amtsrichter, Mitgl. der Direktion d. Landesbank, W.;

Wilhelm Vogelsberger, Oberingenicur n. I)., W.;

,, F. Mensing, Vizeadmiral z. D., W.;

Oswald Tschacher, Rentner, W.;

Theodor Schneider, wissenschaftlicher Hilfslehrer an der Ober- realschule, W.;

Georg Piepenbring, Schlossermeister, Künigstein i. T.;

Otto Meinardus, Archivar, Dr. phil., W.;

Matthias Stinnes, Geolog, Wiesbaden u. Mühllieim a. d. K.;

IG

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Herr Alex. Schütte, Major a. D., W.;

Philipp Hermann Leonhard, Bildhauer, Eltville a. Rh.;

Friedrich Wilhelm Kleidt, Spengler, W.;

Adalbert Schroeter, Kustos der Königlichen Landesbibliothek,

Dr. phil, W.; Heinrich Fresenius, Professor, Dr. phil., W.; Paul Giemen, Dr. phil., Provinzial-Konservator der Rheinpro-

vinz, Bonn; Otto Fohr, Gerichtsassessor, W.; Georg Thüsing, Landrichter, W.; Emil Niederhäuser, Dr., W.; Val. Gerlach, Dr. med., W.; Karl Roser, Dr. med., W.; H. Stobbe, Dr. jur., W.; Wilhelm Kaufmann, Architekt, W.; Ernst Brackebusch, Besitzer der Orauien-Apotheke, W.; Heyn, Pfarrer, Marienberg; Jos. Hilfrich, Kaplan, W. ; Wilhelm Flügel, Kaplan, W. Weiterhin verlor der Verein vom 1. April d. J. bis zum Erscheinen der Anualen :

a) durch den Tod:

Herrn Kohn-Speier, Kommerzienrat, Frankfurt a. M. (f 19. Mai); Christian Wirth, Landesdirektor a. D., Wiesbaden (f 26. Apr.); Wilhelm Riecks, Wirkl. Geh. Kriegsrat und Militär-Intendant, Wiesbaden (f 2. Juli).

b) durch Abmeldung:

Herrn Schalk, Bibliothekar, Dr. jur., Wiesbaden;

Johannes Kunz, Bildhauer, W.; Dagegen sind in dieser Zeit als Mitglieder neu eingetreten: Herr Max Guttmann, Rechtsanwalt, Wiesbaden;

Hermann Schroeter, Pfarrer a. D., W.;

Born, Landesgerichtsrat, Limburg a. d. L. ;

Gerhardus, Amtsrichter, Limburg a. d. L.;

Josef Kirchberger, Buchhändler, Ems;

Lossen, Oberlandesgerichtsrat, Frankfurt a. M. ;

S eck eis, Gerichtsassessor, Montabaur;

Thewaldt, Amtsgerichtsrat, Ems;

Tilemann, Amtsrichter, St. Goarshausen;

Gottfried Zedier, Kustos der Königlichen Landesbibliothek, Dr. phil., Wiesbaden;

,, Bellinger, Bergrat, Braunfels; Frl. Emilie Vogler, Bad Ems.

231

So stehen bei Abschluss des Bandes 38 ausgeschiedonou 4«; ueu liiiizu- getretene Mitglieder gegenüber und besteht der Verein gegenwärtig ausser dem Vorstande aus 5 Ehren-, 7 korrespondierenden und 343 ordentlichen MifgHudorn. Die Gesamtheit des Vereins umfasst in Summa: 355 Personen.

Bibliothek. Die Bibliothek hat einen nennenswerten Zuwachs durch Ankauf nicht erfahren; als wertvolles Geschenk wurde ihr durch Se. Excellcn/. den Herrn Staatsminister von Stephan das Werk: Veredarius, Das l'.uch von der Weltpost. 3. Aufl. zugewiesen. Weitere Geschenke erfolgten durch Herrn Sanitätsrat Dr. Flor schütz, Herrn Oberstlieutenant a. D. Sartor ins (Kölner Thorburgen und Befestigungen), Herrn G. Piepenbring (Die Fest- ungsruine Königstein), Herrn Professor aus'm Werth (Kunstdenkmäler dos christlichen Mittelalters in den Rheinlanden, Bd. 1 u. 2, Atlas m. Text), Herrn Professor a. D. Dr. Otto (Berichte über die Visitationen der nassauischen Kirchen des Mainzer Sprengeis in den Jahren 1548 1550).

Vorträge. Die wissenschaftlichen Vorträge des Vereins wurden Mittwoch den 31. Oktober 1894 wieder aufgenommen. Die Sitzungen wurden im „Roten Hause" fortgesetzt, während die „historische Sektion", welche sich inzwischen gebildet hatte, um gesondert speziellere Studien zu pflegen, das Lokal gewech- selt und für ihre besonderen Vortragsabende das Civilkasino auserlesen hatte.

Die Vorträge im „Roten Hause" nahmen folgenden Verlauf:

1) Sitzung am 31. Oktober 1894 im „Roten Hause".

Nach der Begrüssung der erschienenen Mitglieder und Gäste durch Herrn Sanitätsrat Dr. Florschütz berichtete Herr Oberst von Cohausen über den Verlauf der Eisenacher Generalversammlung des Gesamtvereins. Von Vorträgen in den Hauptversammlungen wurden hervorgehoben derjenige des Herrn Professor von Thudichum über „die Rechtssprache als Hilfsmittel zur Feststellung der ursprünglichen Gebiete der deutschen Stämme", weiter der des Herrn Superintendent Marbach über ein im Jahre 1322 in Eisenach aufgeführtes geistliches Schauspiel „Die 10 Jungfrauen", sowie des Herrn von Thüna über die Geschichte des 40. Regimentes im siebenjährigen Kriege. An die Hauptversammlungen schlössen sich die Sitzungen der Sektionen an, von denen wie üblich 1 und 2, sowie 3 und 4 gemeinsam tagten. In der ersteren Gruppe, in welcher, wie gleichfalls seit Jahren üblich, Herr Oberst von Cohausen den Vorsitz führte, legte derselbe zunächst den Fragebogen über die prähistorischen Kulturstätten in Deutschland vor; ein gleicher Fragebogen soll auch für die Mardellen aufgestellt werden. In der 2. Sitzung wurde die Frage über den Denkmalschutz im Anschluss an einen Vortrag des Herrn Architekten Wal lue aus Berlin behandelt. Danach sprach Herr Baumeister Jacobi aus Hom- burg über die wichtigsten Entdeckungen in der Limesfrage. In der 3. und 4. Sektion wurde die Frage des Herrn Arcliivrat Jacobs, seit wann die Kirchenbücher in Deutschland existieren, behandelt, sowie

16*

232

der "Wunsch ausgesprocheu, man möge eine Ausstellung von Archi- valien in Marburg veranstalten. Au seinen eingehenden Bericht knüpft Herr Oberst von Co hausen noch einige Bemerkungen über das inner- halb des schon längst bekannten Saalbuig-Kastells neuerdings entdeckte ältere Kastell.

Darauf hielt Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz einen Vortrag über „slavische Bauernburgen" in Mitteldeutschland, speziell in der Gegend von Koburg und lleiuingen. Dieselben sind durcbgchends reine Erdbauten und unterscheiden sich dadnrch grundsätzlich von den sogen. Riugwällen der keltischen Zeit. Eine ^veitere Eigen- tümlichkeit ist ihre Lage auf der vorspringenden Xase von Bergen, nie auf der Kuppe, und zwar so, dass stets von der einen nach der anderen Befestigung Signale gegeben werden konnten, Ihre Gestalt ist meistens oval und die Anlage ziemlich klein, nur für die Aufnahme weniger Familien berechnet. Im Innern des vom Walle und Graben umschlossenen Raumes finden sich die einzelnen Wohnstiitten, deren Mittelpunkt eine trichterförmige Mardelle mit tonnenartig geglättetem Bodeu bildet. Funde von Artefakten und Scherben finden sich vorwiegend in den Gräben der Umwallung. Charakteristisch und für die Bestimmung, welchem Stamme die einstigen Bewohner dieser Bauten an- gehörten, allein massgebend sind die Gefässscherben. Diese Gefässe sind mit der Drehscheibe geformt, aus Glimmerthon sehr hart und klingend gebrannt und zeigen meist ein wellenförmiges Ornament, Merkmale, welche ebenso bei den slavischen An- siedelungen der Lausitz und des Spreewaldes wiederkehren. Die Zeit dieser slavischen Niederlassungen geht bis in das Ende der Völkerwanderung zurück, doch können dieselben nicht sehr lange bestanden haben, da zur Zeit Karls des Grossen diese Gegenden bis nach Regensburg hin als loca deserta et silrestria bezeichnet werden. Karl der Grosse hat dann 30 000 transalbingische Sachsen, die bereits halb slavisicrt waren, dort angesiedelt. Von ihnen rühren die heute dort noch so häufigen slavisclien Ortsnamen her,

2) Sitzung am 10. November 1894 im „Roten Hause".

Vor einer zahlreichen Zuhörerschaft, welche diesesmal, um die Sitzung mit der ^Fartinsfeier zusammenfallen zu lassen, sich ausnahms- weise an einem Samstag versammelt hatte, hielt Herr Major Seh lieben einen Vortrag über „die Martinsgans".

Die Martinsgans wird zum Andenken an den hl. Martin verzehrt, der im Jahre 316 unserer Zeitrechnung zu Sabaria (jetzt Stein am Anger) in Ungarn geboren wurde, sicli anfangs dem Soldateustande widmete, im Jahre 375 aber vom Volke zum Bischof von Tours erwählt wurde. Sein Namenstag ist der 11, November; der Um- stand aber, dass Martin Luther am 10. November 1483 in Eisleben geboren wurde und dass die Feier zu Ehren des Heiligen in der Regel am Vorabende stattfand, hat zu einer Verwechselung beider Martine geführt. Der hl. Martin galt das ganze Mittelalter hindurch als der Patron der Schlemmer, aber ohne seine Schuld, da er in der christlichen Kirche an die Stelle des heidnischen Wuotan trat, von dem er noch den Schinnnel und den Mantel als Attribute behalten hat, wie ähnliches auch den Heiligen Michael, Georg, Oswald und anderen widerfahren ist. Die Martins-

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sclimäusc sind die umgewandelten hcidnisclien Oitferfcsto, im Novcmhcr fanden bei unseren Altvorderen die Erntcopfer statt. Bei dem Martinsschmaus siiiclt die fians eine Hauptrolle. Dieser Vogel ist seit Urzeiten in Mitteleuropa licimiscli uml stammt nicht aus Asien. Die Gaus ist tapfer uml wachsam und vordankt es diesen Tugenden, dass der Vandalenfürst Geiserich sich und seinen Sohn Genzo nach ihr benannte. Die Römer dankten ihr die Rettung des Kajjitols, sie war der Juno und der Proscri»ina heilig und ist eines der ältesten Haustiere. Die Gans, auch die wilde, galt früher als ein schöner und lieblicher Vogel, Penelope hielt sie zur Zierde des Hofes, zwischen Nal und Damajanti machte sie den Liebesboten. Bekannt ist die Gans, welche 109G die Führung eines Schwarraes von Kreuzfahrern und verlaufenem Gesindel aus der Gegend von Mainz übernahm ; indem sie einem Weibe überall hin folgte, erweckte sie den Schein, dieses infolge göttlichen Einflusses zu führen. Bei den Grieclicn war die Gans das Sinnbild einer sorgsamen Hausfrau, bei den Chinesen das Symbol der ehelichen Treue, bei den Indiern der Weisheit und der Sonne. Im Haushalt ist die Gans fast so nützlich wie das Schwein und heisst daher bei einem Dichter auch ein geflügeltes Schwein. Ihr Name, wie der von allen Haustieren, ist jetzt zum Schimpf- wort geworden, aber mit Unrecht gilt sie als dumm. Die Gans kann ein hohes Alter erreichen, es sind ßO bis 80 Jahre alte Gänse beobachtet worden. Wilde Gänse sind Wetterpropheten. Zu Plinius' Zeiten gab es grosse Herden im heutigen Belgien. Die verwöhnten Römer verschmähten das Fleisch der Gans, sie assen nur die Leber und kannten schon die Kunst, grosse Lebern zu erzeugen. Im ^Mittelalter glaubte man, dass die sogenannten Baumgänse auf Bäumen wüchsen, und ass sie, dieses pflanzlichen Ursprunges wegen, als Fastenspeise trotz des Verbotes des Papstes Innoceuz III. Wie der hl. Martin mit der Gans in Verbindung gebracht wurde, darüber berichtet die Legende, er habe sich, zum Bischof gewählt, in einen Gäusc- stall versteckt, um sich dem Amte zu entziehen, sei aber von den Gänsen verraten worden. In Wirklichkeit kam der hl. Martin zur Gans, weil ihm zahlreiche Kirchen und Klöster geweiht waren und zur Zeit seines Namensfestes ihre Abgaben, zu denen vorzugsweise Gänse gehörten, entrichten mussten. An vielen Orten bestanden die Abgaben ausserdem aus Wein und Most, wodurch alles zu einem Festessen gegeben war. Bei den Schmausen wurden Gedichte gemacht, deren aus dem 16. und 17. Jahr- hundert verschiedene vorhanden sind. In England trat an die Stelle des hl. Martin der hl. Michael. Zur Erklärung der Sitte des Gänseschmauses am Michaelstagc (29. September) wird erzählt, die Königin Elisabeth habe gerade eine Gans gegessen, als sie die Nachricht von der Vernichtung der Armada erhielt. Die Sitte ist jedoch schon viel älter und mindestens seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar.

An den Yorfcrag schlössen sich einige Bemerkungen des Vorsitzen- den Herrn Sanitätsrat Dr. Flor schütz über „die Belouchtungsmittcl des Altertums". An einige während des nun folgenden Mahles angezündete römische Thonlämpchen anknüpfend sprach er die Ansicht aus, dass dieselben nicht nur zur Beleuchtung, sondern auch zur Erhaltung des Feuers gedient haben, und dass dem nach auch die Lämpchen, welche sich so zahlreich in Gräbern finden, als Beigaben für den Yerstorbe- uen, um sich daran die Speisen zu kochen, aufzufassen seien, la der

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sich daran schliessenden Diskussion, an welcher sich die Herren Oberst von Cohausen, Major Scli lieben, Dr. Lohr und Regierungsrat Petri beteiligten, wurde die Ansicht vertreten, dass eine grössere Anzahl sol- cher Lämpchen, mit Talg, Fett oder Öl gefüllt, doch wohl hingereicht hätten zur Erleuchtung der verhältnismässig engen Iväume der Alten, wobei freilich auch Kien- und Wachsfackeln eine bedeutende Rolle gespielt haben werden.

3) Sitzung am 28. November 1894 im „Roten Hause".

Nach Begrüssung der aussergewöhnlich zahlreich erschienenen Mitglieder und Gäste seitens des Vereinsdirektors ur.d nach Verlesung des Protokolls der vorigen Sitzung hielt Herr Oberstlieutenant Sar- torius einen Vortrag über „das Postwesen der Römer".

Nach einem kurzen I'berhiiek über die postalischen Einrichtungen im alten Orient und bei den Griechen führte der Redner des weiteren aus, dass die Römer die ersten gewesen, welche eine Einrichtung schufen, von der nicht allein der Staat, sondern auch die Allgemeinheit Vorteil hatte, wenigstens insofern als die ausgezeich- neten Kuuststrassen nicht wenig zur Hebung des Handels- und Reiseverkehrs bei- trugen. Eine feste Organisation brachte in das Postwesen erst die Kaiserzeit. So Bedeutendes auch der Cursus publiciis (durch seine in bestimmten Zwischenräumen angebrachten Mansionen und Stationen) leistete, bildete er doch eine schwere Last für die Gemeinden ; Kaiser Nerva befreite wenigstens die Italicner von diesen Ab- gaben, indem er die Kosten auf den kaiserlichen Fiskus übernahm. Auch spätere Kaiser, so Hadrian, Pins und Severus, bemühten sich in dieser Richtung zu wirken. Trotzdem häufen sich die Klagen über Bedrückungen und missbräuchliche Benutzung der Staatspost seitens der Beamten in diesen Jahrhunderten immer mehr, wie wir aus den darüber erlassenen Gesetzen und strengen Verboten namentlich des 3. und 4. Jahrhunderts ersehen. Noch im Ostgotenreicli wurde der Cursus puhlicns nach dem römischen Muster beibehalten. Der Redner ging näher ein auf die innere Or- ganisation und Verwaltung der Staatspost und schilderte das Leben, welches auf und an den grossen Ileerstrassen geherrscht hat. Zum Schluss gab er noch eine Über- sicht über die wichtigsten Routen dieses grossartigen Strassennetzes, welches durch den Mittelpunkt Rom die Städte Hispaniens und Galliens mit denen des Ostens in beciuemc Verbindung setzte.

Darauf erläuterte der Vereinsdirektor eine Sammlung von india- nischen Waffen und Kleidungsstücken aus Dakota, welche für diesen Abend von privater Seite freundlichst zur Verfügung gestellt waren und die besonders wegen ihrer schönen Perlenstickereien von den an- wesenden Damen bewundert wurden.

4) 7.']. Hauptversammlung am 15. Dezember 1894 im Museumasaale.

Der Vorsitzende, Herr Sanitätsrat Dr. Flor schütz, begrüsste die Erschienenen und hielt eine begeisterte Rede zum Gedächtnisse von Cohausens, der 23 Jahre lang im Vereine verdienstvoll gewirkt hatte. Er hob seine grossen Kenntnisse in der Altertumswissenschaft

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hervor, seine Verdienste um die Freilegung der Saalbiirg und forderte auf, in seinem Geiste weiterzuarbeiten. Darauf trug der Sei<retär des Vereins, Herr Dr. Ritterling, den ausfülirliciuMi Jaliresbcricht vor über die Thätigkeit des Vereins in Ausflügen, Sitzungen, Vorträgen und Erwerbungen. Die ^Fitgliedcrzalil ist sieh fast gleich geblieben, indem 29 austraten, 28 neu eintraten. Nachdem Herr Dr. Flor-schütz kurz die einzelnen Erwerbungen aufgezählt und erklärt hatte, hielt Herr Dr. Heuer, Bibliothekar am Goethehaus zu Frankfurt, einen sehr interessanten Vortrag über „Wesen und Ziele der historischen Forschung". Die Geistesrichtung unserer Zeit ist wescntlicli eine liistorischc, auf allen fic- bietcn herrscht der Sinn für das Wirkliche, Greifbare. Zuerst ist die Geschichte erzählend, sagenhaft wie Homer, Ilcrodot, die Nibelungen, dann wird sie Iclirhaft, subjektiv wie bei Schiller, zuletzt wird sie genetische Forschung, wie das ?2iii/elnc geworden ist im Zusammenhange der historischen Begebenheiten. Der Forsclier hat die Quellen zu kritisieren, Fcälschungen aufzudecken und der Lcgendenbildung nach- zugehen, wie den Sagen von Teil, den 400 Pforzheimern bei Wimpfcn, den Weibern von Weinsberg. Die Geschichte giebt, wie alles Menschliche, keine absolute Wahr- heit, sondern nur im ganzen, in der Hauptsache. Zuletzt trat Redner der von INIarx begründeten, von Friedrich Engels, Bebel weitergeführten materiellen Geschichtsauf- fassung entgegen.

Die statutengemäss ausscheidenden Vorstandsmitglieder wurden sämtlich wiedergewählt und zwar Oberlehrer Dr. Lohr, Landgerichts- rat Düssell, Major a. D. Schlieben. Als Ersatzmänner wurden gewählt: Herr Oberstlieut. z. D. Sartorius und Archivar Dr. Hage- mann.*) Als Konservator wurde Herr Baurat Winter mit 28 Stim- men gewählt.

5) Sitzung am 9. Januar 1895 im „Roten Hause".

Der angekündigte Vortrag des Herrn Stinues über , prähisto- rischen Bergbau" konnte wegen Erkrankung des Herrn Redners nicht stattfinden. An seiner Stelle sprach Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz über „die Mardellen", und speziell über die in Schierstein gemachten derartigen Funde. Ausgehend von der Bedeutung des Wortes, dessen beide Bestandteile uiar und clclle Einbuchtung, Aushöhlung bedeuten, besprach der Redner analoge Erdaushöhl- ungen, welche noch jetzt zeitweilig als Wohnungen dienen und deren Formen sich wiederholen in den slavischen Bauernburgen, den keltischen Kingwällen, u. a. auf dem Taunus und bei Meiningen. Ob auch diese Wohnungen wie die jetzt noch be- stehenden Köhlerhütten durch oben zusammengebogene, im Kreis um die Aushöhlung gesteckte Bäume gedeckt waren, lässt sich natürlich nicht mehr feststellen. In den eigentlich so genannten Mardellen glaubte man früher dauernde Wohnstätten sehen zu dürfen ; doch ist dies nicht haltbar.

*) Vgl. S. 228, Z. 7 von oben.

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Die Scbiersteincr Funde, von denen eine Anzahl scliwarze Tliongefässc, Geräte aus Hirschhorn und Knochen u. s. w. die Ausführungen erläuterten, gehören der neo- lithischen Periode an ; ähnliche werden vielfach im Löss gemacht. Bei den Gofässcn ist besonders die glockenartige Form bevorzugt. Wer die Menschen waren, welche diese Gefässe fertigten und benutzten, wird schwer zu entscheiden sein. Redner verwies hier auf die Pfahlbauerbevülkerung der sogen, turanischen Race des Boden- sees. Die Bestimmung dieser Mardellen selbst präzisierte er als wahrscheinliche Ab- fallsgruben und Kellerräume für die Bedürfnisse der Umwohner.

An der folgenden Debatte beteiligten sich die Herren Schieren- berg, Oberstlieutenant Sartorius, Herr Direktor Fischbach und wurde auf verschiedene analoge, noch jetzt im Gebrauch beüudliche Erd- wohnungen hingewiesen.

6) Sitzung am 23. Januar 1895 im „Roten Hause".

Da Herr Dr. Stinnes durch einen Auftrag der Regierung be- hindert war, seinen angekündigten Vortrag zu halten, sprach Herr Oberlehrer Dr. Wedewer über „die Geisslerfabrten und andere Buss- prozessionen des Mittelalters".

An alte Vorbilder anknüpfend trat das Büssertum zuerst öffentlich hervor im Jahre 12r30 in Perugia und zwar in der Absicht, durch solche Selbstkasteiung das Elend und Laster, welches damals überhand zu nehmen schien, abzuwenden und zu sühnen. Dieser erste Versuch, welcher in seinem weiteren Verlauf bereits auszuarten begann, erlosch schon nach drei Jahren, etwa 1263/64. Erst im Jahre 1349 zei- tigten ähnliche Ursachen wieder gleichartige Erscheinungen; besonders war es der ,, schwarze Tod", welcher durch seine Verheerungen die Gemüter der Busse zugäng- lich machte. Und zwar tauchten jetzt diese Bussprozessionen fast gleichzeitig in den verschiedensten Ländern auf. Aber die immer stärker auftretenden Ausschweif- ungen und Zügellosigkeiten veranlassten den Papst Clemens VL, gegen das ganze Wesen einzuschreiten, weil unter dem Scheine des Guten ,, alles Böse getrieben werde". Denn allmählich hatte sich ein ganzes S}^stem und Dogma der Geisselung heraus- gebildet; die Führer erklärten ihr vergossenes Blut für wertvoller als das der Mär- tyrer, sodass die Richtung in antikirchliche, revolutionäre Bahnen einlenkte. Als charakteristisches, zeitgenössisches Zeugnis verlas der Redner den Bericht der Lim- burger Chronik. Er ging dann noch auf andere Prozessionen über, in denen derselbe Gedanke der Busse zu Grunde lag, aber in milderer Form zum Ausdruck gebracht wurde ; besonders eingehend schilderte er die noch jetzt bestehende Echternacher Springprozession aus eigener Anschauung.

In der sich anschliessenden Debatte, an welcher die Herren Archivrat Dr. Sauer, Meinardus, Ruppel und Panzer teilnahmen, wurde noch auf verschiedene Punkte hingewiesen, besonders auch da- rauf, dass ausser den religiösen und sittlichen Gründen auch volks- wirtschaftliche Zustände die Bewegungen mit beeintiusst hätten, wo- durch sich erkläre, dass im Anschlüsse daran auch Juden- und Ketzer- verfulgungen stattfanden; bei den Springprozessionen habe auch die

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Tanzwut als Volkskrankhoit mitgewirkt. Die Münchsordcn, welche, wie besonders die Dominikaner, die Geisslcrzügc begünstigten, handelten damit direkt gegen das Verbot des Papstes.

Darauf sprach Herr Dr. Ritterling über das im liMnischen Kastell bei Wiesbaden 1858 gefundene Militürdiplom. Nach allge- meinen Bemerkungen über die Organisation des rijmischen Heerwesens der Kaiserzeit erläuterte er den Zweck, die Einrichtung und Verwen- dung dieser Bronzetäfelchen, welche uns Truppen aus den verschieden- sten Völkerschaften als gemeinsame Verteidiger der römischen (Jrenzc gegen die Germanen aufzählen.

Zum Schlüsse wurde noch eine Anzahl koreanischer Essgefässe, welche Se. Excellenz Herr v. Brandt dem Museum als Geschenk überwiesen hatte, vorgezeigt.

7) Sitzung am 7. Februar 1895 im „Roten Hause".

Nach Verlesung des Protokolls hielt Herr Regierungsrat Caesar einen Vortrag über „das Leben der höfisch-ritterlichen Gesellschaft zur Zeit der Hohenstaufen".

Wer, besonders bei uns an den Ufern des Rheins, die Reste der Ritterburgen, jener Denkmäler einer interessanten Periode unserer Geschichte, die man gern als die „romantische" bezeichnet, betrachtet, dem steigt leicht der Wunsch auf, näheres über das häusliche, das Familienleben zu jener Zeit und in jenen Mauern zu wissen. Es fehlt uns nun glücklicherweise nicht an Quellen, die uns durch Aneinanderreihen und Vergleichen derselben ein ziemlich klares Bild jener damaligen Lebensumstände geben. Es sind dies besonders die epischen und lyrischen Dichtungen aus der Ilohcn- staufenzeit, doch sind diese im grösseren Publikum nicht in wünschenswertem Masse bekannt. Rittertum und Adel standen sich früher gesondert gegenüber, und zwar das erstere als das niedrigere, vom zweiten vielfach Abhängige. Zum echten alten Reichsadel gehörte man nur durch die Geburt, während das Rittertum erworben werden konnte. Später aber umfasste die Bezeichnung des Rittertums sowohl die Edlen, als auch die adeligen Dienstmannen und die mit kleinen Ilofämtern und der- gleichen belehnten eigentlichen Ritter. Auch der Edle musste erst den Ritterschlag empfangen. Der sesshafte Ritter schuf sich eine feste, wehrhafte Wohnung, im ebenen niederdeutschen Lande gern von Wasser umgeben, in Oberdeutschland auf schroffem Bergkegel oder an steilem Bergesrand, der an der flacheren Seite mit künstlichem Schutz versehen wurde. Der Hauptbestandteil der P.urg war der Bergfried, jener starke Mittelturm, der keiner rechten Burg aus jener Zeit fehlt. Hier drängte sich zuweilen alles zusammen, Wohnung, Befestigung, Speicher, Gefängnis u. s. w. Denn zuerst kam damals die Sicherheit, dann erst die Bequemlichkeit. Konnte die Woh- nung der Insassen hier nur erbärmlich sein, so war das Gefängnis fürchterlich, eine Hölle. Liessen es Raum und Mittel zu, so stand neben dem Bergfried der Pallas, das Wohnhaus des Ritters. Dies konnte recht stattlich und geräumig sein. Ein schönes Beispiel davon ist der Pallas, das lange Hauptgebäude der Wartburg. N cr- mehrte sich die Burgfamilie durch Kinder oder Zuzug von Verwandten, so entstanden An- und Neubauten, die freilich wegen des knappen Raumes oft sehr in die Höhe

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gehen miisstcn. Für eine solche Burg-Familienkolonie ist die Burg Eltz in einem Qucrthale der Mosel das schönste und vollständig erhaltene Cluster. Hier lebte nun die Ritterfamilie schlecht und recht d. h. im langen deutschen Winter (im heutigen Sinne des Wortes) herzlich schlecht. Mau sass, in Pelze gehüllt, fröstelnd am bekanntlich schlecht heizenden Kamine, oft tagsüber nur bei schwachem künstlichen Lichte, wenn die Fensterläden wegen Unwetters geschlossen werden muss- ten, da die kleinen trüben Hörn- oder Pergamentfensterscheiben nicht genügenden Schutz dagegen boten. Eng wohnte alles zusammen, der Wohnraum war oft zugleich Schlaf- und Gastzimmer. Die heutigen Gefängnisse müssen dagegen als äusserst traulich und gemütlich bezeichnet werden. Daher auch die sehnsüchtigen Klagen der Minnesänger, dass der schlimme Winter gar nicht weichen und der holde Sommer, der Erlöser aus der bedrückenden Enge, nicht kommen wolle. Zog der letztere ein, so zeigte das ritterliche Hauswesen ein weit freundlicheres Gesicht, Dann war es lustig, vom hohen Erker über die Wipfel der Bäume ins Thal zu schauen oder im Gärtcheu au der Burgmauer zu sitzen, wo Lilien und Rosen blühten. Dann sah es auch im Saal, dem Hauptraum des Pallas, lustig und hell aus, wo schöne Teppiche Wände und Fussboden zierten, wo bunt bemalte Möbel das Auge erfreuten, wo die Kronleuchter natürlich von sehr primitiver Gestalt von der Decke hingen. Der Raum für die Frauen, die Kemenate (von caininata, Raum mit Kamin) war von fleissiger Frauenhand geschmückt. Denn die Edeldamen von damals webten, nähten und stickten das meiste, das sie bedurften, selbst, Audi Fremdenzimmer gab es in den Burgen, wo aber oft zwei Gäste in einem Bett untergebracht wurden. In grösseren Burgen fehlte auch die Badestube nicht. Eine Kapelle war ebenfalls stets vorhanden, deren ,,Burgpfaff"' zugleich Sekretär und Hauslehrer sein musste. Auf Reinlichkeit und schöne Kleidung wurde sehr gesehen, ebenso auf Schmuck. Es gab da schon Schleppen, spitze Schuhe, Handschuhe, aber auch Schminke und falsche Haare. Den Freuden der Tafel war man sehr ergeben, es wurde viel Fleisch, viel Gewürz und viel (und vielerlei) Getränk konsumiert, heimische Weine, diese oft wegen ihrer Rauheit zu Bowlen verarbeitet, fremde Weine, Meth, Obstwein und Bier. Das Fleisch wurde von dazu bestellten Knaben Junkern und Jungfräulein zu mundrechteu Bissen zerkleinert, so serviert und direkt mit den Fingern zu Munde geführt, da die Gabeln damals zu diesem Zwecke noch nicht benutzt wurden. Glücklicherweise fand vorher ein allgemeines ceremonielles Ilände- waschen statt, ehe alle Finger in die Schüsseln fuhren. Vielfach wurde aber von zwei Personen aus derselben Schüssel gegessen uiul aus demselben Becher getrunken. Die hütischen Tischsitten waren sorgfältig vorgeschrieben ; die Nägel sollten kurz sein, man sollte sich hüten, in das Tischtuch zu schneuzen und was sonst löblich zu wissen und zu beobachten war. Dass die Frauen sich bei Tisch betranken, galt schon damals für unschicklich.

8) Sitzuuy um 20. Februar 1895 im „lioteu Hause".

Nach Yerlesiing des Protokolls der vorigen Sitzung macht der Vorsitzende die Mitteilung von der im Anfang des ]\Ionats erfolgten Konstituierung einer Sektion des Vereins für mittlere und neuere Ge- schichte, und ladet die Mitglieder des Vereins zum Beitritt ein. Da-

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rauf hält Herr Dr. Meinardus einen Vortra«^ über „das politische Testament des Grafen Johannes von Idstein-Wicsbudon lOOiJ HITT''.

Der Redner stellte im Verlaufe des Vortrags fest, was man unter dem iJcgiitf ,, politisches Testament" fürstlicher Personen zu verstehen habe. Dasselbe sollte keines- wegs ein „letzter Wille" ihrer politischen Verfügungen sein, sondern ein Schriftstück, oft lange vor dem Tode verfasst oder wenigstens doch begonnen, in welchem sie ihre politischen und wirtschaftlichen Ansichten, teils zur liechtfertiguiig ihrer eigenen Handlungen, teils als nützliche Winke und Fingerzeige für ihre Nachfolger, nieder- legten. Es existieren, auch aus späterer Zeit, eine Anzahl solcher itolitischcn Testa- mente, so z. B. das Friedrichs des Grossen und das von Friedrich Wilhelm III. von Preussen. Das des obengenannten nassauischen Fürsten verdient als das ehrende Zeugnis eines tüchtigen, hervorragenden und originellen Herrschers unsere volle Be- achtung. In die Regierungsjahre des Grafen Johannes von Idstein-Wiesbaden lid Deutschlands trübste Zeit, die des furchtbaren dreissigjährigen Krieges, der unser herrliches Vaterland in eine Wüste und in einen Völkerkirchhof verwandelte, da man nach glaubwürdigen Schätzungen annehmen muss, dass Avährend jener 30 Schreckens- jahre sich die Bevölkerung Deutschlands auf ein Viertel der früheren Zahl ver- nnndert hatte ! Alle Leiden dieser traurigen Zeit fielen auch auf den Grafen Johannes und auf sein Land. Zuerst suchte er in der Neutralität Schutz und Rettung, aber vergeblich. Er wurde durch die Umstände zur Parteinahme gedrängt. Als evange- lischer Fürst war er ja ohnehin dem Zorne des Kaisers und der Jesuiten verfallen. So kam es dahin, dass er, ein Flüchtling, das bittere Brot des Elends, der Verban- nung, dreizehn lange Jahre essen musste. Er lebte diese lange Frist in Strassburg und zwar zum Teil von einer (von ihm erbetenen) französischen Unterstützung von jährlich 6000 Livres! Diese eigentümliche Stellung zum Auslande ist der dunkle Punkt in seinem Leben. Er, der echt deutsch fühlende und sich in seinem ., Testa- ment" äussernde Fürst nahm ein französisches, immerhin verdächtiges Almosen an. Er sucht sich in dem genannten Schriftstücke deswegen zu rechtfertigen, aber ganz einwandfrei und klar ist der Umstand nicht, wenn auch aus der sagen wir : „Naivetät" jener Zeit zu erklären. Graf Johannes war ja nicht der Einzige ! Aus seinem Familienleben ist noch besonders erwähnenswert, dass er den grossen Schmerz hatte, seinen Sohn Gustav Adolf, infolge jesuitischer Bekehrung, in Regens- burg zum Katholizismus übertreten zu sehen. Ein masslos heftiger Brief an den Ab- trünnigen, in welchem er diesen mit seinem schwersten Fluche belegt, und der uns erhalten ist, wird in seiner Echtheit angezweifelt. Nach dem Ende des unseligen Krieges ward dem zurückgekehrten Fürsten die Aufgabe zu Teil, sein entvölkertes, total verarmtes Land wieder emporzurichten und die verwilderte, dünne Bevölkerung wieder sittlich zu heben. Dies schöne Fürstenamt hat er in trefflichster Weise aus- geübt und sein „politisches Testament" lässt uns die Lauterkeit seiner Gesinnungen und den heiligen Ernst, mit welchem er an seine Aufgabe herantrat, aufs beste er- kennen. Es wurde schon in der Zeit seiner Verbannung begonnen und zerfällt in drei Teile. Der erste Teil handelt meist von religiösen Dingen, der zweite vom weltlichen Regiment, der dritte von Finanz-, Staats- und wirtschaftlichen Angelegen- heiten, und dieser bricht dann unvollendet mitten im Satze ab, als der Tod dem Grafen die Feder aus der Greisenhand nahm. Das Ganze ist schon von K. Fr. von

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Moser in seinem „Neuen patriotischen Archiv'' (1792 94) veröffentlicht worden. Der Vortragende fülirte dann aus, dass aus den Betrachtungen des Grafen Johannes über das künftige Verhältnis zwischen Kaiser und Reich ersichtlich ist, wie schon im frischen Schutt der Verwüstungen des grossen Krieges die Keime des modernen Staatslebens Wurzel zu schlagen begannen ; wie nötig alle Glieder des gemeinsamen Vaterlandes hätten, fest zusammenzuhalten, der Gier der ungetreuen Nachbarn gegen- über. Zunächst gelte dies für alle Fürsten des nassauischen Gesamthauses. Dann betont der Fürst das Bedenkliche der Separatbündnisse mit dem Auslande und warnt eifrig vor den Franzosen (deren Unterstützung er doch früher angenommen !). Aus allem geht nach Ansicht des Redners hervor, dass Graf Johannes zwar in seiner äusseren Politik Schiffbruch erlitten, dass er aber in der inneren desto schönere Erfolge erzielt habe. Denn seine Betrachtungen über das Herrscheramt sind ebenso richtig als ehrenvoll für ihn. Die Fürsten sind nicht Herren ihres Volkes, sondern Amtsleute, Knechte Gottes und Verwalter des Landes. Er selbst fasst sein Herrscher- amt ganz patriarchalisch auf, indem er für die sittliche Erziehung seiner Unterthanen sorgt. So schrieb er sehr eingehende Laudvisitationcn vor, die sich auch um die häuslichen und sittlichen Verhältnisse der Betroffenen zu kümmern hatten. Er warnt vor Luxus, Kleiderpracht, Wirtshauslaufcn. Aber kein Licht ohne Schatten ! Als ein Kind seiner geistig unfreien Zeit stellt er auch die Vorschriften für die schauder- liaften Hexenprozesse fest, wenn er sie auch in manchen Einzelheiten weniger grau- sam macht. Um seines Vaters grosse Schulden zu tilgen, sorgte er, unter anderem durch Verminderung des Verwaltungsapparates, für Sparsamkeit. In seinen wirtschaft- lichen Anordnungen zur Hebung der Landwirtschaft und des Verkehrs und der Ver- besserung der Verwaltung bricht das ,, politische Testament", wie schon erwähnt, plötzlich ab. Der Vortragende führte ausserdem noch Einzelheiten aus dem Schrift- stück des Grafen an, so z, B. seine Vorschriften über Prinzen-Erziehung. Er eifert über die Modethorheit, die vornehmen Jünglinge zur Vollendung ihrer weltmännischen Bildung nach Paris, von wo sie wenig Gutes, aber desto mehr Laster mit heimbrächten, zu schicken. Eifrig empfiehlt er die Pflege der Musik, wogegen er von der ,, Komödie" durchaus nichts wissen will. Der Redner schloss seinen Vortrag mit dem Urteil, dass Graf Johannes, wenn auch kein Mann der hohen Politik, so doch ein vortreff- licher fürstlicher Hausvater und ein echt deutscher Fürst gewesen sei.

Nach Eröffnung der Diskussion teilte Herr Major Kolb einiges aus dem letzten Willen des Grafen Johannes mit, worin er besonders vor der kalviuistischen Lehre warnt. In einem Inventar seines Nach- lasses, welcher unter den Erben verteilt wurde, sind besonders be- merkenswert die zahlreiclien dort aufgezälilteu Weiusorten, meist ganz junge Jahrgänge. Weiter sind darin enthalten die Speisegeräte, die .Schmuck- und Wertgegenstäude, auch ein Verzeichnis der Bilder, deren Taxierung auffallend gering ist.

Herr Baron v. Bistram hob noch hervor, dass bei der Stellung- nahme zu den Hexenprozesseu in jener Zeit auch wohl die sittliche Verwilderung, namentlich des weiblichen Geschlechtes, mitgewirkt habe, gegen welche in gewisser Weise die llexenrichter einzuschreiten für nötig erachteten.

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0) Sit7Aing- am G. Mür/ 1805 im „I^)ten Hause".

Nach Verlesung des Protükolls ^\^>v vorigen Sitzung hielt Herr Stinnes einen Vortrag über „die Eutwickelung des Uergbuues in dm ältesten Zeiten".

Obgleicli für uns die Griechen und die Römer als die ersten Kulturvölker des Altertums gelten iiiid sie auch stets in Kunst und Wissenschaft diesen Hang hc'hau|t- tcn AYcrdcn, so nehmen sie doch in manchen technischen Fertigkeiten nicht die- selbe hohe Stellung gegenüber anderen Völkern des Altertums ein. So auch im Hurg- bau. In vielen asiatischen, afrikanischen und europäischen Ländern, in welchen sich die Griechen und Römer als Kolonisten oder als Eroberer festsetzten, fanden sie im Rcrgbau und in der Erzbereitung eine viel iilterc und höhere Kultur vor, als die ihrige in den genannten Gegenständen war, Sie lernten erst von ihren Nachbarn, von ihren Besiegten, Jahrhunderte, sogar Jahrtausende vor der Blüte Griechenlands und Roms, zu einer Zeit, wo der Grieche und noch mehr der Römer noch ein un- beholfener halber Barbar war, schürfte der Kleinasiate, der Phönizier, der Hebräer, der Egypter und der Kelte schon nach dem heissbegehrten Gold, Silber. Kupfer. Eisen und Blei, trieb seine Stollen und Gänge in das harte Gestein, pochte, schlemmte und schmolz das Erz und formte aus ihm den edlen Schmuck und die schneidige Wafte. Die Anfänge des Bergbaues mögen aber nicht dem spröden, mit schwachen Steinwerkzeugen schwer zu gewinnenden Erze gegolten haben, sondern der so zuträg- lichen Speisewürze, dem Salz. In den Salzbergwerken Halleins hat man eine Leder- tasche aus uralter vorhistorischer Zeit gefunden, in welcher sich eigentümlich geformte rundliche Steine befanden. Diese wird man aus triftigen Gründen als die ältesten bekannten Geräte zur bergmännischen Salzgewinimng bezeichnen müssen, als steinerne „Fäustel", Die ältesten Spuren des Bergbaues auf Erz finden sich im mittleren Asien, in Iran, Jedenfalls wurde das erste Metall in oberirdischem Tagbau uiul in gediegenem Zustande gefunden, Gold und Kuitfer mögen die ersten Funde gewesen sein, wogegen das Eisen erst später in die Geschichte tritt. Lange vor den euro- päischen Völkern kannten die asiatischen Semiten schon das Eisen, man kann an- nehmen, schon länger als 4000 Jahre vor Christo. Die ersten Nachrichten über die Verarbeitung der Erze beginnen in der Zeit von etwa 3000 Jahren v. Chr, Sie stammen aus Indien, Assyrien und Egypten. Doch ist die Ansicht falsch, dass die Egypter zu den ältesten Kennern der Erzgewinnung und Behandlung gehört haben; man kann vielmehr annehmen, dass die eingewanderten hebräischen Semiten, also die Juden, ihre eigentlichen Lehrmeister in diesen Fertigkeiten gewesen sind. Eine eigen- tümlich-interessante Hypothese stellte der Redner auf (oder gab sie aus anderer Quelle wieder) über den Dienst des „goldenen Kalbes", dem sich aus Egypten ausgewanderte Juden hingaben. Sie sollen auf ihrer Wanderung das heissverehrte edle Gold ge- funden und ihm die Gestalt des Apis, des egyptischen Sinnbildes der Arbeit und des Fleisses, gegeben haben, natürlich zum grossen Zorne ihres Führers Moses, der das kostbare Symbol zerschlug und konfiszierte. Schon in den ältesten Büchern der Bibel werden die Metalle Kupfer, Eisen, Blei u. s. w, erwähnt, wie auch ihre Fund- orte. Die Griechen empfingen das Eisen von den semitischen Phöniziern, während die Römer auf ihren Eroberungszügen nach Norden, besonders bei den Kelten und

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Iberern, einen hochentwickelten Bergbau und eine weitgehende Kunst der Erzbehand- lung fanden. Die alten Schriftsteller rühmen u, a. das vortreffliche skj-thische Eisen. Von Phönizien und Egypten kam die Kunst der Erzgewinnung nacli den grossen Inseln des Mittelmeeres, sowie si)äter nach Griechenland, während Etrusker und Kelten, Iberer und Uritten die Lehrmeister der Römer waren. Erstaunlich ist, wie die alten Völker mit ihren immerhin unvollkommenen Gerätschaften das harte Gestein durchbrechen und wie sie die Schächte in das Innere der Berge graben konnten. Ihr uraltes Hilfsmittel, welches noch zu dem gleichen Zwecke bis zur Er- findung des Schiesspulvers, des neuen Sprengmittels, dienen musste. war das sogen. ..Feuersetzen". Man zündete dicht vor dem erzhaltigen Gestein grosse Feuer an und goss dann gegen die heisse Felsmasse Wasser oder Essig, wodurch das Gestein mürbe und leichter zu bearbeiten wurde. Auf ähnliche Weise Hess Ilannibal durch keltische Bergleute bei seinem berühmten Alpen-Übergange die hindernden Felsen sprengen und die Strasse herstellen. Auch in Spanien fanden die Römer den Bergbau in hoher Blüte, nicht minder in Gallien. Den Karthagern waren schon gewisse Vor- kehrungen gegen schlagende Wetter bekannt, auch das sogenannte Rösten des Erzes. Was das jetzige Deutschland anbelangt, so fanden die Römer schon z. B. an der Lahn blühenden Bergbau. Ausser dem Zinn fanden sie (oder lernten sie vielmehr dort kennen) in Britannien auch die Steinkohle, die dort schon zum ,, Feuersetzen" verwandt wurde. Wie so manche Kultur ging auch die des Bergbaues in den Stürmen der Völkerwanderung in vielen Ländern fast ganz unter, nur die scsshaften fränkischen, alemannischen und thüringischen Volksstämme hüteten das alte Erbe und schufen sich damit eine Quelle des Wohlstandes. Hier entstand auch das alte deutsche Bergrecht, welches keineswegs römischen Ursprungs ist. Der Redner verglich zum Schlüsse noch die Berggerechtsamc der verschiedenen Nationen, sprach von dem Übergang vom Gemeinbesitz zum fürstlichen Regal, von der Belehnung gegen Erstattung eines Zehntel oder Fünfzehntel des Ertrages, schilderte das Entstehen der sogenannten ..Kuxe" und dergleichen und schloss mit dem lebhaften W^unsche für das fernere Gedeihen des deutschen Bergbaues.

An der folgenden Debatte, an welcher sieh ausser dem Redner Herr Archivrat Dr. Sauer und Sanitütsrat Florschütz beteiligten, wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, ob die Römer den Berg- bau speziell im mittleren Rheingebiete bereits vorgefunden hätten, weiter wurde darauf hingewiesen, dass die gewaltigen in den Fels ge- hauenen Burggräben mittelalterlicher Burgen wohl nur durch Anwen- dung der Feuersetzung hätten ausgeführt werden können.

tlber die Sitzungen der „historischen Sektion" im Civilkasino liegen folgende Notizen vor:

Am 27. Februar sprach Herr Prof. Grimm über ,, Marken und Markgenossenschaften" mit besonderer Beziehung auf Nassau.

Der Redner wendete sich zunächst im allgemeinen gegen die verbreitete An- sicht, als seien die grossen Markwaldungen, welche in der Benutzung der Umwohnen- den standen und von den Berechtigten, Märkern, unter Schirm und Leitung eines

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Obermärkcrs genosscnschaftlicli verwaltet wurden, niclits anderes gewesen, als der- jenige Teil der bei der ersten Ansiedelung der deutschen Stämme gegründeten Orts- inarken, welcher, nicht als Sondereigentum verteilt, im gemeinsamen tichrauche der Gesamtheit geblieben sei, somit dasselbe wie Ahnende. Nachdem er dann die ver- schiedenen Bedeutungen des Wortes Mark festgestellt hatte 1. als Zeichen, 2. als durch Zeichen festgelegte Scheidungslinie zweier Gebiete, wofür seit dem II. Jahr- hundert das slavischc Wort graniza, Grenze, Eingang gefunden habe, :!. als das begrenzte Gebiet selbst, wurde die Art der ältesten Ansiedelung erörtert. Die ersten Niederlassungen seien im gebirgigen West- und Süddeutschland zuerst in den Thäleni der Flüsse und der in sie einmündenden Wasserläufc erfolgt. Da wo diese Thäler von Höhenzügen mit dichtem Urwald begleitet gewesen seien, habe es einer Alt- grenzung der einander allmählich näher rückenden Ansiedelungen nur thalauf- und thalabwärts bedurft, gegen die Höhe bildete der Wald die natürliche Grenze. Schon frühe habe man den zusammenhängenden Wald die Mark, d. i. Grenze, genannt. Auch im Nordischen bedeutete das Wort mörk Wald. Die Erinnerung an die Be- deutung Grenze war dort geschwunden. Die Höhenwaldungcn, welche dir Thäler voneinander schieden, waren in niemandes Eigentum, der Wald war frei und die ringsum Wohnenden benutzten ihn nach Bedarf und Belieben. Erst nach Jahrhun- derten — wohl nicht vor dem 13. Jahrhundert führten die bei der vermehrten Bevölkerung immer bedrohlicher werdenden Devastationen zu einer Organisation der Markgenossen, ihre Rechte wurden geregelt und mit zunehmendem Einflüsse der Ter- ritorialherren mehr und mehr beschränkt. Die Markgenossenschaften seien demnach nichts Ursprüngliches, sondern Bildungen einer späteren Zeit. Zum Beweise wies der Vortragende auf die im Nassauischen bis in dieses Jahrhundert bestandenen Mark- genossenschaften hin. Er erklärte es für undenkbar, dass z. B. die zu der Grefen- höhe (Wiesbader Mark) gehörigen Ortschaften, darunter Biebrich, Dotzheim, Schier- stein im Süden, und Idstein, Neuhof, Orlen, Wehen im Norden der Höhe zu irgend einer Zeit in einer Ortsmark vereinigt gewesen seien. Dasselbe gelte auch von der Fuchsenhöhle, der Markwaldung auf dem linken Ufer der Unter-Ahr. Auch hier kann man nicht annehmen, dass die markberechtigten Orte Katzenelnbogen, Schön- born u. s. w. einerseits je mit den andererseits gelegenen Orten Flacht, Hahnstätten u. s. w. in einem Urdorf oder seiner Mark vereint gewesen seien. Der unwegsame meilenbreitc Bergwald inmitten einer Ortsmark hätte den Verkehr der Ortsgenossen fast unmöglich gemacht. Ganz unrichtig sei es auch, die Ahnend, d.h. denjenigen Teil einer Ortsgemarkung, welcher im gemeinsamen Genüsse der Bewohner geblieben, mit der gemeinen Mark zu identifizieren. In Wiesbaden und Biebrich z. B. wurden Ahnend und gemeine Mark scharf unterschieden. Auch im Hochgebirge des Südens sei die Ahnend nicht gemeine Mark selbständiger Dorfschaften, sondern gemeinsamer Besitz aller Bewohner einer Gemeinde.

An den Vortrag knüpfte sich eine längere lebliafte Debatte.

In der Sitzung vom 13. Mürz erörterte Herr Prof. Dr. Cirimni zuerst die Zeit und Veranlassung des Baues der „Casteler Landwehr und ihrer Warten" auf Grund seiner archivalischen Studien.

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Redner beschrieb an der Hand einer von ihm selbst nach älteren Vorlagen angefertigten grossen Kurte den Zug der Casteler Landwehr ; sie begann in der Xähe der Mündung des Salzbach in den Rhein und erreichte bei Flörsheim den Main, wo sie endete. Da sie nicht genau der Landesgrenze des Kurfürstentums Mainz folgte, so waren Streitigkeiten über die Iloheitsrechte in dem Gebiete zwischen der Land- wehr und der nassauischen Grenze zwischen Nassau und Mainz unausbleiblich ; sie endeten erst, als etwa vor 50 Jahren die Sache zu Gunsten Nassaus beigelegt wurde, üfienbar weil man zu Darmstadt den wahren Sachverhalt nicht kannte.

Sodann sprach Herr Prof. Otto über die Mühlen, welche bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in dem Gebiete der Stadt Wiesbaden er- wähnt werden.

Nachdem er kurz die rechtliche Seite der Entwickelung des Mühlenbetriebes bis zu diesem Zeitpunkte skizziert hatte, zählte er die einzelneu Mühlen auf, die vom Jahre 1022 an bis 1500 und vornehmlich um die Mitte des 14. Jahrhunderts (1330 1380) genannt werden (sie erreichen die stattliche Zahl von zwölf Mühlen, von denen nur wenige unter den alten Namen dem heutigen Geschlechte bekannt waren oder sind), suchte ihre Lage zu bestimmen, ihre Namen zu erklären und ihre rechtliche Stellung anzugeben. Die meisten von ihnen sind während des 30jährigen Krieges eingegangen ; die später genannten sind um das Jahr 1700, manche vielleicht an der Stelle der früheren, errichtet.

Au beide Mitteilungen knüpfte sich eine lebhafte Besprechung einzelner Punkte, die zu Erläuterungen und näherer Feststellung von Einzelheiten führte.

Sitzung am 29. März. Nach Erledigung einiger geschäftlichen Angelegenheiten besprach Herr Arcliivrat Dr. Sauer die „Wappen der rheingauischen Städte und Dörfer".

Redner schickte einige allgemeine Bemerkungen über die Wappen voraus und wies auf die Bedeutung hin, welche die Wappenkunde für die Geschichte hat, sowie auf den Aufschwung, welchen sie in neuester Zeit durch sorgfältigeres Studium und in den freilich nicht immer richtigen Darstellungen durch unser vollendeteres Kunst- gewerbe gefunden hat. Veranlassung, gerade die rheingauischen Wappen zu erörtern, hatte ihm der Umstand gegeben, dass beabsichtigt wird, das neuerbaute Kreishaus zu Rüdesheim mit den Wappen der zu dem Kreise gehörigen Orte zu schmücken. Seine Nachforschungen ergaben das Resultat, dass diese Städte und Dörfer, wie ander- wärts, ursprünglich, wenn sie überhaupt ein eigenes Wappen hatten, wohl alle das ihres Landesherrn, hier des Erzbischofs von Mainz, also das zuerst achtspeichige, dann sechsspeichige rote Rad in silbernem Felde führten. Jetzt ist Johannisberg der einzige Ort, der es unverändert erhalten hat. Die anderen haben im Laufe der Zeit mancherlei Veränderungen durch Zusätze, dann Weglassungen einzelner Teile oder Verstümmelungen vorgenommen, die teils als historisch gewordene Gestaltungen jetzt ihre Berechtigung haben, sofern sie heraldisch richtig behandelt werden, teils wie bei Rüdesheim, Ilattenheim und Neudorf völlig unverständlich wurden und gerade dadurch zur Nachforschung und Erklärung reizen. Jenes älteste Wa])pen, das Rad, wurde zunächst durch ein zweites Rad erweitert, das mit dem ersten durch

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einen Balkon oder ein Kreuz verbunden wurde; so in ()stri(li. (»der man fügte ein /weites Bild hinzu, das die Rechte des Zehntherrn symholisierte, teils in freier Grui)iiierung, teils so, dass es die eine Hälfte des längsgeteilten Schildes einnahm, während die andere dem Rade verblieb: so fügte Lorch den h. Martin wegen dri Mainzer Dompropstei zu, Eltville den Schlüssel wegen des St. Peterstiftes. Einzig steht das Stadtthor von Geisenheim da, ein Symbol seiner Eigenschaft als Stadt. Nur die Anfangsbuchstaben ihrer Namen haben Eibingen und Niederwalluf. Andere führen nur noch ihren Kirchenpatron oder dessen Attribute im Siegel, die kleineren Orte haben wohl erst in neuer Zeit ein Wappen nach freier Erfindung gewählt.

Nach diesen Ausführungen, die der Ileduer durcli und an den Abbildungen der betreffeudeu Wappen näher erläuterte und begründete, legte Herr Generalsekretär Dahlen eine Reihe von ihm gesammelter rheiugauischer Wappen in photographischer Abbildung mit erläuternden Bemerkungen vor. Unter ihnen war von hohem Interesse ein von ihm zu Geisenheim gefundener Wappenstein; es war ihm gelungen, dessen Herkunft (von Weissenthurn) zu ermitteln und dadurch seine Bestim- mung und Deutung nachzuweisen.

Dr. Adalbert Schroeter.

Bericht des Konservators über die Erwerbungen für das Altertums- Museum in Wiesbaden während des Jahres 1894.

Dieselben reihen sich folgendermassen aneinander:

Achat- und Thonperlen, kleine Proviuzial-Fibel , zwei kleine Thon- näpfchen, Pfeilspitze aus Eisen (sämtlich römischen Ursprungs).

Ein bronzenes Gürtelschloss und eine kleine geschweifte Franciska, fränkisch (aus den Gemarkungen Dotzheimerstrasse).

Porzellanfigur von Höchst (Knabe mit Katze und Hund).

Bronze-Stempel zum Einbrennen einer gotischen Ornamentik in Holz.

Eisenring mit Kamee.

Römischer Wasserkrug vom Kranzplatz.

4 Ziegeln mit dem Stempel der 22. Legion, ebendaher.

Thürschloss vom Patersberg.

Gusseiserne Ofenplatte aus Emrichshauseu.

Ein Paar römische goldene Ohrringe mit Steinen und Filigran, an- geblich aus Köln.

Eine goldene Gewandnadel mit rotweisser Kamee, ebendaher.

Bronze-Zindeln, wahrscheinlich einem Leder- oder Linnenpanzer auf'- genäht, aus einem Hallstattgrabe bei Dexenheim.

Rot bemalter Trinkbecher aus Guntersblum.

Ein Thonschälchen mit zwei Hängelöchern, ebendaher.

Eine Thonschale aus Niederingelheim und Schlangenfibula, ebendaher.

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Ein Panzerbreclier mit Brouzeknopf (Kreuzzüge), Fundort unbekannt.

Zwei Eberzähne.

Ein Stück vergoldetes Blech.

Ein Steingeschirr ältester Art, Topf mit rundem Boden, desgl. lioher Trinkkrug und Yase mit gefälteltem Fusse, sämtlich gcreifelt, aus der Goldgasse.

Steinzeugkrug (Bartmann). mit Henkel.

Topf für Topfgewülbe (gereifelter Becher.)

Ein römisches goldenes Armband aus dem Rhein.

Siegburger und Nass. Trinkkrug. Geschenk von Frl. G. Brau mann.

Ein Marmorstück, von Trier.

Ein römisches Thonlämpchen.

Schwachgebrannte Urne von der Goldgasse (Frühmittelalter).

Kleine römische Thonvase (Goldgasse).

Grauschwarze Urne mit Überresten vom Auerochs u. a., von Nieder- ingelheim.

Kleine dunkelschwarze Urne von etruskischer Form, ebendaher.

Eiförmiger Klopfsteiu aus Kieselschiefer, ebendaher.

Durchbohrtes Steinbeil aus Kieselschiefer, von Bechtheim.

Graubraune Urne von Lausitzer Typus mit Henkel, aus Ockenheim.

Zettelbeschwerer aus gebranntem Thon, von Bingen.

Netzbeschwerer mit eingedrückten gezackten Ornamenten.

Zwei mittelalterliche Eisenschlüssel.

Silbernes Arm- und Halsband, gegliedert mit Intaglieu- und Glasfluss- einsätzen (Völkerwanderung).

Kömisches Bronzebesteck mit chirurgischen Werkzeugen, aus dem Rhein gebaggert bei Mainz.

Bruchstücke grösserer neolithischer Gefässe, Bruchstücke einer durch Fiugereindrücke ornamentierten, gehenkelten Tasse, ein in gleicher Weise verzierter Spiunwirtel, ein Klopfstein und Knochenreste, aus Grosswinternheim.

Reichverzierte Urne der Bronzezeit mit Thonperlen, ornamentierter Spinnwirtel und Bruchstück eines Schmelztöpfchens, aus Bauchheim.

Eine mit Dreiecken und Punkten verzierte graue Urne, neolithisch, aus Königsstadt.

Ein goldener Bauernring, von Herborn.

Brouzepfanne mit etruskischem Stiel, angeblich aus Köln.

Römische Yogelfigur mit Jungen auf dem Rücken aus Thon, von Kidn.

Achatperlen von Andernach.

Zwei Haarpfeile und sieben Frauenkämme aus Hörn, von Herborn.

Eine ganz bedeutende Kollektion von alten Landestrachten aus den verscliiedenen Kreisen des Nassauer Landes, in erster Linie cha- rakteristisch durch die zierlich gestickten Kopfbedeckungen der Frauen und Mädchen (sogen. Kommödchen).

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Wir verdanken dieselbe nach der durcii Herrn Zum zu llotlieiin in der vorletzten Generalversammlung gegebenen Anregung der unermü.lliclieu und opferwilligen Thätigkeit des Herrn Laudgerichtsrats Düssell, welcliem wir auch an dieser Stelle für diese ganz neue und ausserordentlich interessante Bereiche- rung unseres Museums den herzlichsten Dank auss})rec!icn !

Folgenden Personen haben wir für die freundliciie Fürderuug. welche sie unserer Trachtensammlung durch Zuwendung von Geschenken, durch Erteilung von Auskunft oder in anderer Weise während des Jahres 1894 haben zuteil werden lassen, hier, mit der Bitte, aucli fernerhin den Verein in seinen Be- strebungen zu unterstützen, unseren verbindlichsten wärmsten Dank uuszu- sprechen :

Herrn Professor Braun zu Hadamar,

,, F. R. Born zu Wallau, Frau Dr. med. Cuntz Wwe. aus Heidelberg, z. Z. in Wiesbaden, Herrn Landgerichtsrat Ebenau zu Limburg a. d. L.,

,, Kaufmann Flügel*) zu Montabaur,

,, Rechner Groos zu Steinebach, Fräulein Habel zu Wiesbaden, Herrn Gerichtsassistent Hansen zu Usingen,

,, Kaufmann S. Hess zu Wiesbaden,

,, Postmeister Hey mann zu Wied-Selters,

Rentmeister Hieb er zu Montabaur, Frau Pfarrer Hummer ich Wwe. zu Aisbach, Herrn Feldgerichtsschöffen Kolb zu Walsdorf,

Bürgermeister Bauer zu Cransberg, Frau Bürgermeister Metz zu Heftrich, Fräulein L. Ochs zu Wiesbaden, Herrn Bürgermeister Reinhard zu Steinebach,

,, Bürgermeister Reuter zu Brandoberndorf,

Gastwirt Rockenfeiler zu Dierdorf,

,, Bürgermeister Schmidt zu Reichenbach, Familie H. Sparwasser zu Wallau, Frau Pfarrer Tecklenburg zu Heftrich, Herrn Referendar Tecklenburg zu Wiesbaden,

Bernh. Walch zu Hochheim,

,, Renteisekretär Zeyher zu Dierdorf.

*) Inzwisclien verstorben.

17'

Verzeicliiiis der Mitglieder/'')

Vorstand.

Direktor: Herr Sanitätsrat Dr. Florscliütz. Sekretär: Herr Dr. Ailalbcrt Schroeter. Konservator : y 2. 12. 94.

Ferner die Herren:

Rentner Gaab, Landgericlitsrat Keiitiier, Oberlehrer Dr. AVetlewer, Schuldirektor "Weldert, Dr. med. Ahrens, Oberlehrer Dr. Lolir, Landgerichtsrat Büssell, Major a. D. Seh lieben.

Ehrenmitglieder.

Herr Hodü:liiii, Thomas, Esqu., Fahnouth. Dr. Menzel, Karl, Professor, Bonn. Dr. Monimseii, Theodor, Professor, Berlin. Otto, Friedrich, Professor, Wiesbaden. Scliiici'inans, H., Premier president do la cour d'appel, Liege.

Korrespondierende Mitglieder.

Herr Franz Pascha, Kairo,

Dr. Heider, Sektiousrat im K. K. Minist, f. Kult., Wien.

'* ) ün-sfre p. T. ^fit<,'lio(lor werden dringeridst ersuolit, Vciändeningen der Titulatur und dos Wolinortf.s, sowie etwaiijf! I'f>riclitiguiii,'oii f,''"'t'.U''^t dfui Sekretariat init/uteilfu.

LMiJ

IIciT Michclant, Henry, Conservatcur du dopiirtcmciit des inanuscript.s do lu Bibliütlicquc nationale, Paris. Dr. Naue, Julius, Münclicn.

Dr. Overbeck, Joliannes, Prof., Geheimer Hofrat, L('ii»/,ig. l^aron de Septciivillc, Chateau Ligni^ircs (Poix). ,, Prüf. (ir. Tocilescu, Jiukarest (Rumänien).

Ordentliche Mitglieder.

I. In Wiesbaden. Herr Abegg, Philipp.

Dr. med. Ahreiis, Friedrich, Arzt.

Auferiiiaiin^ Wilhehn, Rentner.

von Aw(\vd('n, Adolf, Ober-Regierungsrat.

IJartliiig', Eduard, Rentner und Stadtrat.

Bechtold, Rudolf, Buchdruckereibesitzer.

Becker, Ludwig, Kaufmann.

Beckel, Jacob, Bauunternehmer.

Begere, Heinrich, Rechuungsrat, Rendaut des Vereins.

Bergmann, Fritz, Verlagsbuchhändler.

Berle, Ferdinand B., Banquier.

Dr. med. Berlein, Martin, Arzt.

Dr. med. Bertrand, Carl, Geh. Sanitätsrat.

Baron von Bistram.

Bojanowsky, Julius, Rechtsanwalt.

Bossong, Franz, Buchhändler.

Dr. Brackebnscli, Ernst, Besitzer der Oranien-Apothcke.

von Brandt, Excellenz.

Dr. phil. Bredemann, Carl Otto.

Dr. phil. Bröckiug, Wilhelm.

,, Busse, Louis, Rentner.

, Büdingen, Wolfgang, Kaufmann und J3adhausbesitzcr.

Caesar, Clemens, Regierungsrat.

Dr. veter. med. Christmann, Heinrich, Tierarzt.

Dr. med. Conrady, Max, Geh. Sanitätsrat.

Conrady, Ludwig, Pfarrer a. D.

Cramer, Landgerichtspräsident.

Dr. theol. de la Croix, Otto, Oberregierungsrat und Kunsist.-Präs. a. 1).

Bahlen, H. W., Generalsekretär des deutschen Weinbauvereins.

J)orniann, Philipp, Bauunternehmer.

Drexel, Jacob, Kaufmann.

Bussel I, Hermann, Landgerichtsrat.

Freiherr von Eberstein, Alfred, Oberst z. D.

Ebhardt, Karl, Privatier.

Eckeriin, Heinrich, Bauunternehmer.

J?

250

Herr Elcrershaiiseii, Luitpold.

Eiiirelmiuui, Rudolf, Justizrat.

^ Dr. theol. Ernst, Carl, Generalsupcrintcudcut.

Faber, Rudolf, Chemiker.

Fehr, Theodor, Fabrikbesitzer.

j, Fischbticli, Friedrich, Gewerbeschuldirektor a. D.

Fliiidt, Wilhelm, Königl. Kanzleirat a. D.

Flock, Friedrich. Architekt.

Dr. med. Florscliütz, Bruno, Sanitätsrat.

Flügel, AVilhelm. Kaplan.

Fohr, Otto, Gerichts- Assessor.

Dr. med. Frank, Georg.

Freinsheini, Friedrich, Rentner.

Dr. Fresenius, Remigius, Geh. Hofrat, Professor.

Dr. Fresenius, Heinrich, Professor.

Friedrich, Lothar, Pfarrer.

Fritz, Heinrich, Rentner.

Fritze, August, Professor, Oberlehrer,

Fuclis, Wilhelm, Landgerichtsrat a. D.

Gaab, Christian, Rentner.

Gecks, Leonhard, Buchhändler. ^

Dr. med. GerLach, Valentin.

von (i!oeckinü:k, Hermann, Kgl. Kammerherr und Premierlieutcnant a. D.

Götz, Friedrich, Hotelbesitzer.

(woruicki, Wladislaus,

Gräber, Ferdinand, Kommerzienrat.

Dr. jur. Grimm, Julius, Professor.

y, Groschwitz, Carl, Buchbinder,

Guttmann, Rechtsanwalt.

Dr. med. Güntz, Theobald, Privatier.

Dr. Hagemann, Arnold, Kgl. Archivar.

Heibig, Hermann, Baurat, Kreisbauinspektor.

Hensel, Carl, Rentner.

Hensler, Joseph, ständischer Ingenieur und Inspektor.

Henzel, Nicolaus, Ingenieur.

Herrniann, Johannes, Inspektor.

Hess, Johannes, zweiter Bürgermeister.

Hess, Simon, Kaufmann und Stadtverordneter.

Dr. med. Hcubacb, Hans, Arzt.

Hey'l, Ferdinand, Kurdirektor, Kais. Ottomanischer Vicekousul.

Dr. Ifilf'rich, Jos., Kaplan.

Dr. phil. Hintz, Ernst Jacob.

von Hirscli, Friedrich, Kaufmann.

., Hob II, August. Polizeirat.

y, T)r. jiir. von Ibell, Oberbürgermeister, Mitglied des Herrenliauses,

25:

IIciT Dr. med. Ideler, Carl, Goli. Sauitiltsrut.

Iseiibcck, Julius, Rentner.

Kjuit'iiiJiiiii, Wilhelm, Architekt.

Keim, Wilhelm, Laudgerichtsrat.

Dr. theol. Keller, Adam, päpstl. llausprülat, (ieistl. Kai, Del<. u. Studlplarrer

Keutiier, Joseph, Landgerichtsrat.

Kissliiig, Carl, Möbelfabrikant.

Kleidt, Friedr. Willi., Spengler.

KiiJiiier, Friedrich, Rentner.

Frau Freifrau von Kiioop.

Herr Koch, Gottfried, Kaufmann,

,, Koll), Richard, Major a. D.

Kreidel, Carl, Mechaniker.

Krieg:e, Ernst Jacob, Oberst a. D.

, Kurtz, Leouhard, W., Hofphotograph.

Dr. phil. Kurz, Hermann, Apotheker.

Labes, Otto Friedrich, Oberst a. D.

von Lehmann, Peter, Generallieutenant a. D.

Leisler, Ernst, Rechtsanwalt.

Leo, Ludwig, Rentner.

Lex, Adolf, Regierungsassessor.

Limharth, Christian, Buchhändler.

Dr. med. Lossen, Hermann, Arzt.

Freiherr Low von Steinfurt, Erwin, Oberlieutenant a. D.

,, Dr. phil. Lohr, Friedrich, Gymnasialoberlchrer.

Lützenkirchen, Heinrich, Buchhändler.

Mäckler, Heinrich, Rentner und FeldgerichtsschöflFe.

Meinardus, Dr. Otto, Archivar.

Mensing, F., Vizeadmiral z. D.

Dr. phil. Merljot, Reinhold, Sekretär der Handelskammer.

Dr. med. Meurer, Carl, Augenarzt.

Mondorf, Georg, Hotelbesitzer.

Moritz, Joseph, Buchhändler.

Nicol, August.

Dr. Niederhäuser, Emil.

Niemer, Louis, Rentner.

Nitzsche, Ferdinand.

Nörtershäuser, Gisbert, Buchhändler.

Nötzel, Wilhelm, Fabrikbesitzer.

Olsson, Hans Hermann, Juweher.

Opitz, Hermann, Oberregierungsrat und Konsistorialpräsidcnt.

Dr. phil. Otto, Heinrich, Gymnasiallehrer.

Dr. phil. Panzer, Conrad, Königlicher Archivar.

Peipers, Hugo, Rentner und Stadtverordneter. von Pestel, Eduard, Oberst a. D.

252

Herr Dr. med. Pfeiffer, Emil. Sanitätsrat.

y, Pohl, Joseph, Weinhändler.

, Pre.ver, Wilh., Dr. phil. u. med., Prüf., Ilofrat.

(^uiel, Gustav.

Reuscli, Heinrich, Gerichtsreferendar.

Richter, Moritz, Landgerichtsrat.

Ritter, Carl, Buchdruckereibesitzer.

Dr. phil. Ritterliiiir, Emil.

, Dr. jiir. Roineiss, Hermann, Rechtsanwalt.

Dr. med. Roser, Carl, Spezialarzt für Orthopädie.

, Roos, Heinrich, Kaufmann.

Rospatt, Lambert, Geh. Regierungsrat.

Dr. phil. Rnppel, Carl, Oberlehrer.

V. Sachs, Amtsrichter.

Sartoriiis, Adalbert, Oberstlieutenant z. D.

, Sartori US, Otto, Landesdirektor.

Dr. phil. Sauer, Wilhelm, Staatsarchivar und Archivrat.

von Scliclllia, Dietrich, Oberst a. D.

Schellenherj»-, Alfred, Architekt.

Sfhelleiiberfi^, Carl, Rentner.

Si'hellenberi^, Louis, Buchdruckereibesitzor.

von Scheveii, Wilhelm, Botschaftsbeamter a. D.

Schierenberi»:, Ernst, Rentner.

Schlaadt, Willielm, Oberlehrer.

Schliebeu, Adolf, Major a. D.

Schleidt, Adam, Gerichtsvollzieher.

r: Schmitt, Adam, Rentner und Stadtverordnetor.

Dr. phil. Schmitt, Conrad, Hofrat.

Schneider, Theodor, wissensch. Hilfslehrer.

Schroeter, Adalb., Dr., Kustos an der Kgl. Landes bibliothek.

Schroeter, Hermann, Pfarrer a. D.

, Schüler, Tlieodor, Archiv-Kanzlei-Sekretär.

, Schultz, Otto, Oberst a. D.

, Schütte, Alex., Major a. D.

von Sclnvcder, Adolf, Oberst z. D.

Schwedersky, W., Lieutenant a. D.

Schweisu:utli, Carl, Rentner. Se. Durchlaucht Prinz Albrecht zu Solms-Rraunfels.

., Dr. pliil. Spielmann, Christiau, Schriftsteller.

Stein, Christian, Bauunternehmer und Stadtverordneter.

, Stinnes, :Mattliias, Geologe.

Dr. Stobbe, H.

Stolley, Harald, Hofdentist.

., Sti-asburi,'er, Paul, Banquier.

von Tepper-Laski, Victor, Regierungspräsident.

253

Herr Thüsiug, Georg, Landi-ichtcr.

Thöiiü:es, Hubert Christoph, Jiistizrat.

Frau TocM.

Herr Troii', C, Lehrer a. D.

, Tliurne.vsseii, Alexander, Rentner.

Dr. phil. Tietz, Oscar.

Tschacher, Oswald, Rentner.

Yietor, Moritz, Schulvorsteher.

Yog'elsberger, Willielm, Oberingeniour a. D.

Wagner, Carl.

Dr. theol. Wetlewer, Hermann, Oberlehrer.

, Weideiibuscli, Hans.

Weldert, Carl, Direktor der höheren Töchterschule.

Wieiicke, Rudolf, Königlicher Lotterie-Einnehmer.

Wilhelmy, Otto, Landgerichtsrat.

Dr. jur. Wilhelmy, Albert.

Willet, Martin, Architekt und Stadtverordneter.

Winter, Ernst, Baurat, Stadtbaudirektor.

von Wunster, Wilhelm, Oberst a. D.

Wissmann, Eduard, Landgerichtsrat.

Worst, Hermann, Seminardirektor a. D,

,, Zais, Wilhelm, Hotelbesitzer.

Zedier, Gottfried, Dr. phil, Kustos der Königl. Landesbibliothek.

II. Ausserhalb "Wiesbadens.

Herr Dr. von Achenbacli, Heinrich, Staatsminister u. Oberpräsident, Potsdam.

Achenbacli, A., Königl. Berghauptmann, Klausthal.

Dr. Alefeld, Darmstadt.

Almenröder, Pfarrer, Ober-Biel (Kreis Wetzlar).

Antlies, Eugen, Pfarrer, Nassau.

Balzer, Pfarrer, Bromskirchen.

Biilir, Joseph, Landwirt, Prauenstein bei Wiesbaden.

Balil, Chr., Ehren-Domherr, Bischöfl. Kommiss. u. Stadtpfr., Frankfurt a. M.

Batton, Postmeister, Nassau.

Baner, Oberstlieutenant an der Schiessschule, Köln.

Baunacli, Willielm, Frankfurt a. M.

Dr. Beck, Ludwig, Hüttendirektor, Rheiuhütte bei Biebrich.

Dr. Beckmann, Fr., Landrat, Usingen.

, Bellinger, Kgl., Bergrat, Braunfels.

von Bertoucli, Geh. Regierungsrat a. D. und Kammerherr, Biebrich.

Bimler, Oberbergamtsmarkscheider, Breslau.

von Bocli, Eugen, Geh. Kommerzienrat, Mettlach.

Frau von Bocli, Ziegelberg bei Mettlach.

Herr Dr. Bodewii^, Oberlehrer, Oberlahustcin.

254

Herr ßoni, Landgerichtsrat, Limburg a. d. Lahn.

Dr. phil. IJrauii, Ansehn, Professor, Oberlehrer, lladamar.

Brofl't, L. II., Frankfurt a. M.

Dr. phiL Freiherr von Canstein, Ökonomierat, Berlin.

Dr. Clemen, Paul, Provinzialkonservator d, Rheinprovinz, Bonn.

Coiirady, Wilhelm, Kreisrichter a. D., Miltenberg a. M.

Deissmaini, Pfarrer, Erbach am Bhein.

Dr. med. Dcttweiler, Peter, Geh. Sanitätsrat, Falkenstcin i. T.

von Donop, Hugo, ^[ajor z. D. und Oberhofmeister, Weimar.

^ Dr. med. Düttinann, Otto, Arzt, Montabaur.

Frau Baronin von Düngern, Schloss Dehrn bei Limburg a. d. Lahn.

Herr J).vckerlioff, Rudolf, Fabrikbesitzer, Biebrich.

Eggert, Hermann, Regierungs- und Baurat.

Graf zu Eltz,, Carl, Eltville.

Engelhard, Otto, Fabrikant, Hofheim im Taunus.

Graf zu Eulenburg, Botho, Ministerpräsident, Berlin.

Feldner, Lehrer, Kassel.

Dr. phil. Fleckeisen, Professor, Dresden.

Dr. phil. Focke, Rudolf, Kustos der Kgl. Univ.-Bibliothek, Göttingen.

Fonck, Geh. Regierungsrat, Rüdesheim.

Dr. phil. Forst, H., Osnabrück.

Fromme, Landrat, Dillenburg.

(ierhardus, Amtsrichter in Liraburg a. d, Lahn.

Goltz, B., Major im Westfälischen Infanterie-Regiment No. 57, Wesel.

Gossmami, C. G., Kloppenheim (Post Bierstadt).

;, Dr. Grandll omme, Sanitätsrat, Kreisphysikus, Frankfurt a. M.

Haas, P., Rektor des Realgymnasiums, Limburg a. d. L.

Dr. phil. Hammeran, A., Frankfurt a. M.

Hauch, Rudolf, Frankfurt a. M.

Hecker, Gerichtsschreiber, Nassau.

Dr. Hegert, Archivrat, Geh. Staatsarchivar, BerUn.

, Dr. med. Herxheimer, Salomon, Sanitätsrat, Arzt, Frankfurt a. M.

Hess, Heinrich, Weinkoramissionär, (Jstrich.

Freiherr v. d. Heydt, Landrat, Homburg v. d. H.

Heyn, Pfarrer, Marienberg.

Heyne, M., Oberlehrer am Real-Progymnasium, Biebrich.

, Hilf, Hubert Arnold, Justizrat, Rechtsanwalt, Limburg a. d. Lahn.

llill('l)rand, Professor, Oberlehrer. Hadamar.

liilpisch, Johann Georg, Pfarrer, Direktor der St. Leonhardskirche, Frank- furt a. ]\r.

, IfoirnKiiiii, Gutsbesitzer, Niederhöchstadt (Post Crouberg i. T.). Sc. Königliche Hoheit Leopold Fürst von Holienzollern, Sigmaringen.

Herr Hosseus, Lispektor der Heilanstalt Falkenstein i. T.

Hubaleck, H., Limburg a. d. L.

Jacobi, Baumeister, Homburg v. d. H.

■>■>

55

255

Herr Ilü:eii, Major in der Kgl. Niederlüud. Armee, Padiing (Kosaradpil Sumatra. (iraf von Ingelheim, Geisenlieim. Dr. Kjille, Kommerzienrat, Biobricli. Kaufmann^ Heinricli, Gerbereibesitzer, Luidi. K<'ller, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar, Limburg a. d. L. Frau Grätiu von Kiehnannsegge, Nassau. Herr Kircliberger, Josef, Ems (Bad Ems).

Dr. theol. Klein, Karl, Biscliof, päpstl. Ilausprälat, Limliurg a. d. L. von Knebel, Heinrich, Oberst z. D , Sonnenberg bei Wiesbaden. Königstein, KiHan, Pfarrer, Boruheim bei Frankfurt a. M. Dr. phil. Krans, F. X., Professor, Freiburg i. B. Kröck, Hauptmann a. D., Berlin. ,, von Lade, E., Geisenheim.

Leonhard, Phil Hermann, Bildhauer, Eltvillc a. Kli. ,, Dr. Lieber, Keichstags- und Landtagsabgeordneter, (Jauibcrg, Lossen, Oberlandesgerichtsrat, Frankfurt a. M. Lncas, Fr., Hilfslehrer, Weilburg a. d. L. ,, Malmros, Amtsrichter, Limburg a. d. L. Manger, Fr., Pfarrer, Dilleuburg.

Freiherr Marschall von Bieberstein, Oberst a. D., Weil bürg. Frau Gräfin von Matnsclika, Schloss Vollrads bei Winkel a. Kh. Herr Meckel, J. Fr., Kaufmann, Herborn.

Dr. med. Michel, Theodor, Arzt, Niederlalmstein. Monrean, Pfarrer, Erbenheim bei Wiesbaden. Müller, Mich., Pfarrer, Seck (Kreis Westerburg). Müllers, Erster Seminarlehrer, Montabaur. ., Mulot, Heinrich, Rentner, Haiger, ,, Musset, Landgerichtsrat, Limburg a. d. L. Nick, Pfarrer, Salzig bei Boppard. Opperniann, Ferdinand, Bad Soden.

Osterroth, Arthur, Rittergutsbesitzer, Schloss Schönberg bei Obcrwcsel. ,, Ott, Joseph, Gymnasiallehrer, Merzig a. d. Saar. Dr. Peters, C., Schierstein.

Pfarrius, Alexander, Pfarrer, Dodenau (Post Battenberg). Pfau, Emil, Direktor der Aktienbrauerei, Nassau. Piepenbring, Georg, Schlossermeister, Königstein 1. T. Freiherr von P reuschen und zu Liebenstein, Forstmeister, Rüdesheim. Pulch, Gerichtsschreiber, Katzenelnbogen. Reichert, Domänen-Rentmeister, Weilburg. ,, Reifenrath, H., Niederlalmstein. von Reinach, Albert, Frankfurt a. M.

Dr. med. Reinhold, Medizinalrat, Eisenberg (Sachsen-Altenburg). Reusch, G. Ed., Bürgermeister, Oberlahnstein. Reuter, Fritz, Weinhändlcr, Rüdesheim. Riedel, Amtsgerichtsrat, Frankfurt a. M.

55

256

Herr Riiekor, F., Lehrer, Haider.

Sclielleiilierg, Carl. Pfarrer, Battenberg. ., Schilo, "Wilhelm, Pfarrer und Kreis-Schuliuspektor, Idstein, Schlitt, J., Dekan, Eltville. ., Schmidt. Landgerichtsdirektor, Limburg. Sclniiit/, Johann Peter, Professor, Oberlehrer, Montabaur. Dr. Scliiieider, Friedrich, Domkapitular, Geistl. Rat, Mainz. Schiioider, Pobert, Pfarrer, Buchenau (Kreis Biedenkopf). Scholl, Bernhard, Rüdesheim. Sclireiner, Pfarrer, Barmen. Schröder, J., Fabrikant, Oberlahnstein. Schulz, Forstmeister, Kaub.

Schuster, Pfarrer, Frischborn bei Lauterbach (Oberhessen). Seckels, Gerichtsassessor, Montabaur. Seybertli, Geh. Roglerungsrat, Landrat, Hanau. Siegel, Johannes, Pfarrer, Weilburg. Se. Durchlaucht Oeorg Friedrich Fürst zu Solms-Brauiifels. Sp. Erlaucht Friedrich (iraf zu Solms-Laubach, Jjaubach (Oberhessen). Herr Stahl, Amtsgerichtsrat, Ilachenburg,

Stehiheimer, C. J. B., Gutsbesitzer, Östrich. Stier, Hauptmann a. D., Fürsten walde. Stifft, Amtsgeriehtsrat, Höchst a. M. Stippler, Bergwerksbesitzer, Limburg a. d. L. Stoff, L., Dechant, Kassel. Sturm, E., Weingutsbesitzer, Rüdesheim. Tliewaldt, Amtsgerichtsrat, Ems. Tilemaiiii, Amtsrichter, St. Goarshausen. Trosieiier, F., Ingenieur.

Dr. phil. Telke, Wilhelm, Stadtbibliothekar, Mainz. Tömel, E., Pfarrer, Homburg v. d, H. Togel, Arnold, Pfarrer, Kirberg.

Vogel, H. A., Pfarrer, Eppeurod (Post Nentershauseu, Bez. Wiesbaden). Frl. Vogler, Emilie, Ems. Herr Wahl, Pfarrer, Rüdesheim. Se. Durchlaucht Fürst zu Waldeck, Arolsen. Herr Walter, G., Rentner, Schloss Gutenfels bei Kaub.

Wehrlicim, Wilhelm, Direktor des Taubstummen-Instituts, Camberg. Widmann, Bernhard, Frühmesser, Eltville.

Dr. phil. Widmann, S., Rektor des Real-Progymnasiums, Oberlahnstcin. Se. Durchlaucht Wilhelm Fürst zu Wied, Neuwied. Herr >Vilhelmi, (jeorg, Pfarrer, Diez.

Wilhclmy, August, Prokurator, Ilattenheim.

AVilli, Domlnikus, Abt, Abtei Marienstatt (Post llachenburg).

Zoi'U, Richard, Obstbaumschulbesitzer, Hoflicjm i. T.

2n7

III. Ordentliche Mitglieder sind ferner folgende Archive, Behörden, Bibliotheken, Museen und Vereine.

Itcrliii:

Küiiigliclic Bibliotliok (W., Platz am Oponiliiniso).

Künigliclie geolog-ischo Lantlcsaustalt und Berg- AUailcinic

(N., luvalidoiiötrasse 44), KüuiglichesKuust-Gewerbe-Museuin (HW., Prinz AlI)i'echtHti'a.sHe).

IJiebrich:

Real-Progyranasium.

Biedenkopf:

Krcisausscliuss des Kreises Biedenkupf. Königliches 11 e al - P r o g- y m u as i u m.

Cassel :

Ständische Landesbibliothek,

Coblenz:

Königliches Staatsarchiv.

Barnistadt :

Grossherzoglich Hessisches Haus- und Staatsarchiv.

I)iez:

Kreisausschuss des Unterlahnkreises, Real -Progymnasium.

J)illeiil)iirg:

Königliches Gymnasium. Kreisausschuss des Dillkreises, Historischer Yerein.

Ems:

Real- Progymnasium,

Erbacli im Odenwald:

Gräflich Erbachischcs Gesamthaus- Archiv,

Frankfurt a. M. :

Kreisausschuss des Landkreises Frankfurt a. M.

Magistrat. Stadtbibliothek,

St. Goarsliausen :

Kreisausschuss des Kreises St. Goarshausen,

Hadamar:

Königliches Gymnasium,

Herl)orn:

Altertumsverein,

Höchst:

Kreisausschuss des Kreises Höchst,

258

Homburg v. d. Höhe:

Kreisausschuss des Obertaunuski-eises. Ljuigenschwalbacli :

Kreisausschuss des U utertauuuskroisea. Limburg a. d. Lahn:

Kreisausschuss des Kreises Linihur"'. Mainz:

Stadtbibliothek. ]\Iar))urg :

Königliches Staatsarchiv. Marienberg:

Kreisausschuss des Oberwesterwaldkreises. Montabaur:

Kreisausschuss des Unterwesterwaldkreises. Rüdesheim:

Kreisausschuss des Rheingaukreises. Schlangenbad:

Königliche Kurkommission.

Sclineidmühle (bei Audenschmiede, Post Woilniiinster): Gesellschaft „Erholung".

Usingen:

Kreisausschuss des Kreises Usingen. AVeilburg :

Kreisausschuss des Oberlahnkreises. Westerburg:

Kreisausschuss des Kreises Westerburg. Wetzlar:

Königliches Staatsarchiv. Wiesbaden :

Bezirksverband des Regierungsbezirks Wiesbaden.

Königliches Gymnasium.

Kreisausschuss des Landkreises Wiesbaden.

Magistrat.

Königliches Staatsarchiv.

Verzeichnis

der

AlüKlrniioii, Oosell sc, haften, Iiistituto uinl YcrciiKs dn-oii nrucksclirincii «1er Verein in re2:elmiissigeni Schrifteiiaustauseli ciliillt.*)

Aachen, Gescbichtsverein.

, Verein für Kunde der Aachener Vorzeit.

Aarau, Historische Gesellschaft des Kantons Aargau. Abbaye de Maredsous (Belgien). [„Revue benedictine".] Altenburg, Geschichts- u. altertumsforschende Gesellschaft des Osterlandes. Amiens, Societe des antiquaires de Picardie. Amsterdam, Koninklijke Akademie van Wetenschappen. Annaberg, Verein für Geschichte von Annaberg und Umgegend. Ansbach, Historischer Verein für Mittelfranken. Antwerpen, Academie d'archeologie de Belgique. Augsburg, Historischer Verein für Schwaben und Neuburg. Bamberg, Historischer Verein für Oberfranken. Basel, Historische und antiquarische Gesellschaft.

Bayreuth, Verein für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken. Berlin, Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. („Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte".]

, Verein für die Geschichte der Stadt Berlin.

, Archäologische Gesellschaft.

, Verein „Herold".

, Berhner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.

, Reichs-Postmuseum.

, Märkisches Provinzial-Museum.

Bern, Historischer Verein des Kantons Bern.

Birkenfeld, Verein für Altertumskunde im Fürstentum Birkenfeld.

Bistritz, Gewerbeschule.

Bonn, Gesellschaft für Rheinische Geschichtskuude.

, Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande.

Brandenburg a. d. H., Historischer Verein. Bregen z, Museums- Verein.

'*) Die mit * bezeichneten Zeitsclirit'ten iiält der Verein auf eigene Rechnung.

2G0

Bremen, Künstlervereiu, Abteilung für Geschichte und Altertumskunde.

Breslau, Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur, philusophisch- historische Abteilung.

, Yereiu für Geschichte und Altertum Schlesiens.

, Verein für das Museum schlesischer Altertümer. [„Schlesiens Vor- zeit in Bild und Schrift".]

Bromberg, Historische Gesellschaft für den Netzedistrikt.

Brunn, Mährisches Gewerbemuseum.

, K. K. mährisch-schlesische Gesellschaft zur Beförderung dos Acker- baues, der Natur- und Laudeskuude.

Brüssel, Societe des bollandistes.

Bukarest, Revista pentru Istorie, Archeologik si Filologie.

Charleroi, Societe paleontologique et archeologique.

Chemnitz, Verein für Chemnitzer Geschichte.

Christiania, Kongelige Norske Frederiks-Universitet.

, Museum nordischer Altertümer.

Copenhagen, Kongelige Nordiske Oldskrift-Selskab.

Cottbus, Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Altertumskunde.

Danzig, "Westpreussischer Geschichtsverein.

Darm Stadt, Historischer Verein für das Grossherzogtum Hessen.

Dessau, Verein für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde.

Dillingen, Historischer Verein.

Donauesc hingen, Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar und der angrenzenden Länder.

Dresden, Königl. sächsischer Altertums verein.

, Verein für Geschichte Dresdens.

Dürkheim, Altertumsverein für den Kanton Dürkheim.

Düsseldorf, Düsseldorfer Geschichts-Verein.

Eichstätt, Historischer Verein,

Eisenberg (S.-Altenburg), Geschichts- und altertumsforschender Verein.

Eisleben, Verein für die Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld.

Elberfeld, Bergischer Geschichtsverein.

Emden, Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer.

Erfurt, Königl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften.

, Verein für Geschichte und Altertumskunde.

Essen, Historischer Verein für Stadt und Stift Essen.

Frankfurt a. M., Verein für Geschichte und Altertumskunde.

, Taunusklub.

Frankfurt a. d. 0., Historisch-statistischer Verein.

Freiberg, Altertumsverein.

Freiburg i. Br., Gesellschaft für Beförderung der Geschiclits-, Altertums- und Volkskunde v. Freiburg, dem Breisgau u. d. angrenzenden Landschaften.

St. Gallen, Historischer Verein.

Gi essen. Oberhessischer Verein für Lokalgeschichte.

Glarua, Historischer Verein des Kantons Glarus.

2(51

Görlitz, Obcrlausitziöche Gesellschaft der Wissenschaften.

Göttingen, Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften. IMiilulug.-histur. Khis.s('.

Graz, Historischer Verein für Steiermark.

Greifswald, Rügisch-Pomniersche Abteilung der Gesellschaft für P.)jnnicrHcho

Geschichte und Altertumskunde in Stralsund und (ireifswald. Guben, s. Cottbus.

Schw. Hall, Historischer Verein für Württembergisch Franken. Halle a. S., Thüringisch-Sächsischer Verein für Erforschung des vaterländischen

Altertums und Erhaltung seiner Denkmale. Hamburg, Verein für Hamburgische Geschichte.

Hanau, Hanauer Bezirksverein für Hessische Geschichte und Landeskunde. Hannover, Historischer Verein für Niedersachsen.

Heidelberg, Hist.-philosophischer Verein. [„Neue Heidelberger Jahrbii(;her".| Heilbronn, Historischer Verein.

Hermann Stadt, Verein für Siebenbürgische Landeskunde. Hohenleuben, Voigtländischer altertumsforschender Verein. Homburg v. d. H., Verein für Geschichte und Altertumskunde. Jena, Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde. Innsbruck, Ferdinandeum. Insterburg, Altertumsgesellschaft.

Kahla, Verein für Geschichte und Altertumskunde zu Kahla und Roda. Kaiserslautern, Pfälzisches Gewerbemuseum. Karlsruhe, Grossherzoghches Museum. , Die Badische historische Kommission. [„Zeitschrift für die Geschichte

des Oberrheins".]

Kassel, Verein für hessische Geschichte und Altertumskunde.

Kempten, Altertums-Verein Kempten.

Kiel, Gesellschaft für Schleswig-Holstein-Lauenburgische Geschichte.

, Anthropologischer Verein in Schleswig-Holstein.

Klagen fürt. Kärntnerischer Geschichtsvereiu.

Köln, Historischer Verein f. d. Niederrhein, insbesondere f. d. Erzdiözese Köln.

, Stadtarchiv.

Königsberg i. Pr., Königliche und Universitätsbibliothek.

, Physikalisch-ökonomische Gesellschaft.

, Altertumsgesellschaft Prussia.

Kornik in Posen, Bibliotheka Kornicka.

Krakau, Akademie der Wissenschaften.

Kreuznach, Autiquar.-histor. Verein für Nahe und Hunsrückon.

Laib ach, Historischer Verein für Krain.

Landshut, Historischer Verein für Niederbayern.

Leiden, Maatschappij der nederlandsche Letterkunde.

Böhmisch-Leipa, Nordböhmischer Exkursionsklub.

Leipzig, Verein für Geschichte Leipzigs.

, Museum für Völkerkunde.

Leisnig, Geschichts- und Altertumsverein.

18

202

Lemberg, Historischer Yereiu. [„Kwartalnik historyczny,"]

Lincoln, Nebraska State Historical Society.

Lindau i. B., Verein für Goscliichte des Bodensees und seiner Fnigobung.

Linz (Österreich), Museum Francisco-CaroHnnm.

London, Society of antiquaries of London.

, South Kensiugton Museum.

Lübeck, Verein für Lübeckische Geschichte und AltLn-tumskunde. Lüneburg. Museumsverein für das Fürstentum Lüneburg. Luxemburg, Section historique de l'institut Royal Grand-ducal de lAixenibourg. Luzern, Historischer Verein der fünf Orte: Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden

und Zug. Magdeburg, Verein für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und

Erzstifts Magdeburg. Mainz, Verein zur Erforschung der rheinischen Geschichte und Altertümer. Mannheim, Altertumsvereiu. Mein Ingen, Hennebergischer altertumsforschender Verein.

, Verein für Meiningische Geschichte und Landeskunde.

Meissen, Verein für Meiningische Geschichte der Stadt Meissen.

Metz, Verein für Erdkunde.

Mölln i. L., Verein für Geschichte des Herzogtums Lauenburg.

München, Königl. bayerische Akademie der Wissenschaften, piiil.-liisi. Klasse.

, Historischer Verein für Oberbayeru.

, Münchener Altertums-Verein.

Münster, Verein für Geschichte und Altertunisknndo Westfalens.

Namur, Societe archeologique.

Neubrandenburg, Museumsverein.

Neuburg a. D., Historischer Verein.

New- Castle, Society of antiquaries.

Novara, Biblioteca civica di Novara.

Nürnberg, Verein für Geschiclite der Stadt Nürnberg.

, Germanisches Nationalmuseum.

Offenbach a. M., Verein für Naturkunde. Oldenburg, Oldenburger Landesverein für Altertumskunde. Osnabrück, Verein für Geschichte und Landeskuiule. Paris, Societe nationale des antiquaires de France.

, Revue archeologique.*

Buda-Pest, Magyar Tudomanyos Acadomia. (Ungarische Akademie der Wissen- schaften.)

, Ungarische Revue.

, Ethnologische Zeitschrift.

St. Petersburg, Commission Imperiale archcologi(iue Russe.

Plauen i. V., Altertumsverein.

Posen, Historische Gesellschaft für die Provinz Posen.

, Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften.

Prag, Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen.

2r.:{

Prag, Lesehalle der deutschen Studenten /ii V\'i^<r

Prüm, Gesellschaft für Aitertunislaindc.

Stift Kaisern (bei lirüun). [„Studien und .MiKcilmii;..,! aus d...u Ürncdjciii,,.,--

und dem Cistercienserorden".) Ptegensburg, Historischer Verein für Oberpfal/, und ll.'gciisliurg. Reiehenberg, Nordbühmisches Gevverbemuseuni. Keutlingcn, Verein für Kunst und Altertun). Riga, Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde d.T 0.stse,.j,n,viii/on

Russlaods. Rio de Janeiro, Muscu Nacional.

Roda (S. Altenburg), Der geschichts- und altertumsforschende Verein. Rom, R. Accademia dei Lincei. Saarbrücken, Historischer Verein für die Saaraeffeud

OD

Salzburg, Gesellschaft für Salzburger Landeskunde.

Salzwedel, Altmärkischer Verein für vaterländische Geschichte uiul Tudustric

Sarajevo, Bosuisch-hercegoviuisches Landesmuseum.

Schaffhausen, Historisch -antiquarischer Verein des Kantons Schaffhausen.

Schmalkalden, Verein für Hennebergische Geschichte und Landeskunde.

Schwerin, Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde,

Sigmaringen, Verein für Geschichte und Altertumskunde.

Soest, Verein für die Geschichte von Soest und der Rörde.

Spei er, Historischer Verein der Pfalz.

Stade, Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen.

Stettin, Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde.

Stockholm, Nordiska Museet.

, Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademien.

Strassburg, Societe pour la conservation des monuments histori([ues d'Alsace.

, Kaiserliche Universitäts- und Landesbibliothek. [„Jahrbuch des

historisch-litterarischen Zweigvereins des Vogesenklubs".] Stuttgart, Königliche öffentliche Bibliothek.

, Königlich Württembergisches Haus- und Staatsarchiv.

Thorn, Copernicus-Verein.

Tokio (Japan), Imperial üniversity of Tokio.

Torgau, Altertums verein.

Trier, Gesellschaft für nützliche Forschungen.

, Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift.*

, Limesblatt. Mitteilungen der Strecken-Kommissare bei der RoichsMuiPs-

Kommission.*

, Westdeutsche Zeitschrift für Gewerbe und Kunst.*

Tübingen, Universitäts-Bibliothek .

Ulm, Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwabon.

Washington, Smithsonian Institution.

Wernigerode, Harzverein für Gescliichte und Altertumskunde.

Wien, Kaiserliche Akademie der Wissenschaften.

, Verein für Landeskunde von Niederösterreich.

18*

264

Wien, Akademischer Leseverein der K. K. Universität Wien.

j Alcademisclier Verein deutscher Historiker.

^ K. K. Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst-

und historischen Denkmale.

, Altertunisverein.

^ Archüologisch-epigraphisches Seminar der Universität Wien.

, Anthropologische Gesollschafr.

, Kais. Königl. heraldische Gesellschaft , Adler".

Wiesbaden, Gewerbeverein.

, Verein für Naturkunde.

, Rheinischer Kurier.

•, Handelskammer.

Worms, Altertumsverein.

Würzburg, Historischer Verein für Untorfrankon.

Zürich, Antiquarische Gesellschaft.

^ Allgemeine geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz.

Zwickau, Altertumsverein für Zwickau und Umgegend.

liilialts-Ani^abe

der

Bände I XXVI der Annalen des Vereins für Nassauischc Altertumskunde

und Geschichtsforschung.

Band J, erstes, zweites und drittes Heft (vergriffen).

Band II, erstes Heft.

Abhandlungen und Berichte: 1. Über das Hedderuheimer Mithras-Monument im Museum zu "Wiesbaden, in Vergleichung mit den berühmtesten bis jetzt bekannten mithrischen Denkmälern; samt einer Abhandlung über den mithrischen Symbolkreis mit Hinweisung auf die mythischen Urbilder desselben im alten Hindostan, von Prof. N. Müller, Mainz. 2. Die Domkirche zu Limburg, in historischer und architektonischer Beziehung, von Domkapitular Dahl, Mainz. 3. Historische Nachrichten von den Burgen Driedorf, Eigenberg und Holenfels und ihren Be- sitzern den von Mudersbach, von Pfarrer C. D. Vogel, Kirberg. Mit 6 Tafeln.

Band II, zweites Heft.

Abhandlungen und Berichte: l. Über die Lage des Munimentum Trajani von Domkapitular Dahl, Mainz. 2. Die Sueven, von Hofgerichts-Advokat IL C. Hoffmann, Darmstadt. 3. Bericht über die Bearbeitung einiger Grabhügel im Ruhehaag bei Dotzheim, von I'farrer Luja daselbst. 4. Historische Nachrichten von dem ehemaligen Kloster, nachherigen Ritterstift zum heiligen Ferrutias in Bleidenstadt, von Domkapitular Dahl. 5. Rucheslo, die Mallstätte des Erdehegaus, von Pfarrer Vogel, Kirberg. 6. Über einen vor Castel bei Mainz gefundenen Votivstein der Bürger von Wiesbaden, von Prof. N. Müller, Mainz. 7. Ludwig, der letzte Graf von Ärnstein, aus einer alten deutschen Handschrift mitgeteilt von Pfarrer Vogel.

Miscellen: l. Der Tod Adolfs von Nassau, nach den Quellen poetisch dargestellt von Prof. Dr. Braun, Mainz. 2. Altertümliches von Mainz, von demselben. 3. Über die Gesichtsbedeck- ungen an Helmen aus dem Mittelalter, von Dr. C. Put trieb, Halle. 4. Altertümer in der Umgebung von Schierstein, vom Herausgeber.

Biiud II, drittes lieft (vcr'jriffeu).

266

Band III, erstes Heft.

Abhandlungen und Berichte: 1. Der Eichelstein, das Ehrendenkmal des Urusus zu Mainz, von Prof. N. Müller, daselbst. 2. Über die deutschen Münzen, von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Nebel, Giessen. 3. Geschichte der Burg Adolfseck, von Dekan C. 1). Vogel, Kirberg. 4. Wie Graf Ruprecht 17. von Nassau der Mitregierung entsagt und in den deutscheu Orden tritt, von demselben. 5. Die germanischen Gräber bei Bilkheim, von Dekan Hoffmann, Meudt.

Miscellen: l. Über den Grabstein eines römischen Soldaten der XIV. Legion, von Domkapitular Dahl, Mainz. 2. Vorschlag zur Gründang eines Verein.« zur Herausgabe architektonischer Denk- mäler des Mittelalters, von Bauinspektor von Lassaulx in Coblenz.

Biographische Nachrichten von verdienten vaterländischen Gelehrten: Nachrichten über das Leben und die Schriften des ehemaligen Professors und Nassauischen Historiograitheu Ciriacus Lentulus, von Decan Vogel.

Mit 4 Tafeln.

Band 111, zweites Heft.

Abhandlungen und Berichte: 1. Untersuchung einer germanischen Begräbnisstätte bei Bilkheim, Amt Wallmerod, aus einem Bericht des Dekan H. Hoffraann, Meudt. 2. Nachricht über die Burg Waldenfels, von Dekan C. D. Vogel, Kirberg. 3. Nachrichten über die Burg Tringenstein, von demselben. 4. Graf Gerhard II. von Sayn wird vom Kaiser Friedrich III. zum Statthalter über die heimlichen Westpfälischen Gerichte ernannt, von demselben. 5. Kurze Geschichte des vormaligen Klosters Tiefenthal im Rheingau, von Domkapitular C. Dahl, Mainz, mit Nachträgen von Dekan Vogel. 0. Die Kirche zu Mittelheim im Rheingau, von Ilofbau- meister R. Görz, 'Wiesbaden. 7. Nachrichten über die Gauen des Herzogtums Nassau, aus dem Nachlass des verstorbenen Prälaten Dr. Schmidt in Giessen, mitgeteilt von Hofrat Dr. Steiner, Kleinkrotzenburg. 8. Über Gelehrtenvereine, insbesondere über die "Wichtigkeit der historischen und altertumsforschenden Gesellschaften, von Prof. N. Müller Mainz. 9. Das Kömer-Castell bei "Wiesbaden, von F. G. Habel, Schierstein. Mit 6 Tafeln.

Band III, drittes Heft.

1. Die Krypta des heil. Barde im Dom zu Mainz, von Domkapitular Dahl, Mainz. 2. Beiträge zu der älteren Genealogie und Geschichte der Grafen von Schönborn, aus den nassauischen Archiven mitgeteilt von Dekan C. 1). Vogel, Kirberg. 3. Nachrichten über die Burg und das Geschlecht der Herren von Molsburg, von Hofbaumeister E. Görz, Wiesbaden. 4. Die Nassauischen Gauen, von Hofrat Dr. Steiner, Kleinkrotzenburg (Forts, v. No. 7 des 2. Heftes). Mit 6 Tafeln.

Band IV, erstes Heft (vergriffen)

Band lA', zweites Heft.

Abhandlungen: I. Kömische Inschriften, welche in den letzten .Jahren au.sgegraben worden sind, von Prof. Klein, Mainz. 2. Die römischen Inschriften des Herzogtums Nassau. Erste Abteilung. Von demselben. 3. Der Dolichenische Gott, von Dr. Römer-Büchner, Frankfurt a. M. 4. Über eine unedierte Inschrift des Museums, von Konrektor Becker, Uadamar. 5. Über Apollo, den lleilgott der Kelten, von demselben. 6. Zur Erklärung nassauischer Ortsnamen, von Archivdirektor Dr. Friedemann, Idstein. 7. Die lateinischen und deutschen Lebens- beschreiber Ludwigs, des letzten Grafen von Arnstein, von demselben. 8. Über die Abstammung der Bewohner des sudlichen Nassau, von Gymnasiallehrer Seyberth, AViesbaden.

2fi7

Miscellen: 1. Bodmanns und Kindlingers hinterlassene handschriftliche Sammlungen 7.ur Ge.chichte des Kheingau.s,v. Archivdirektor Dr. Friede mann, Idstein. - 2. Notiz über die Inachrifl- Wiiinob.lc. von demselben. - 3. Die ältesten Familien in den Rhein- und Donaulandern, von Konrektor Becker, Iladamar. - 4. Eine Gebetsrolle, von Prof. Kehrein, lladamar. - 5. Di« UeUKerou« von Kronberg 1522. Nach einem alten Druck. Von Lehrer Becker, Kronberg. - G D.-r rom.sche steinerne Löwe zu AViesbaden, von Archivdirektor Dr. Friedemann, Idstein. Mit zwei Tafeln.

Band IV, drittes lIcH.

Inscriptiones latinac in terris nassoviensibus repertae et auctoritate societatis antiquariorum nassoTieusis editae.

Jiiiiid V, erstes lieft ^vcrgrifrni). JJjiiid V, zweites Heft.

Zur Geschichte des römischen Wiesbadens: 11 Das Kümerkastell bei Wiesbaden, von Obermedizinal- rat a. D. Dr. K. Reuter.

Mit vier Tafeln.

Eaiid V, drittes Heft.

Zur Geschichte des römischen Wiesbadens: III. Römische Ansiedlungen in der Umgebung von Wies- baden, von Obermedizinalrat a. D. Dr. K. Reuter.

Mit vier Tafeln und 1 Übersichtskarte.

Band Y, viertes Heft.

Zur Geschichte des römischen Wiesbadens: IV. Römische "Wasserleitungen in Wiesbaden und seiner Umgebung, von Obermediziualrat a. D. Dr. K. Reuter.

Mit sieben Tafeln und einem Plan.

Band Yl, erstes Heft.

1. Die Heilgötter (Über ein Knochenrelief des Museums in Wiesbaden), von Prof. 0. Jahn, Bonn. 2. Griechische Kupfermünzen von der Insel Leuke (im Museum zu Wiesbaden), von Dr. J. Fried - länder, Berlin. 3. Die römischen Inschriften des Herzogtums Nassau, II. Abteilung, von Prof. Klein, Mainz. 4. Der heil. Hildegard Subtilitatum diversarum naturarum creaturarum libri novem, wissenschaftlich gewürdigt, von Prof. Dr. Reuss, Nürnberg. 5. F. W. Schmidts Lokaluntersuchungen über den Pfahlgraben, sowie über die alten Befestigungen zwischen Lahn und Sieg. Aus den Papieren des Verstorbenen herausgegeben von dessen Bruder, Major E. Schmidt, Kreuznach.

Mit drei Tafeln.

Band TI, zweites Heft.

Abhandlungen: 1. Das Pfahlgrabeu-Kastell bei Holzhansen, von Landmesser Wagner, Kernel. 2. Germanische GrabaUertümer, mit besonderer Beziehung auf die Ausgrabungen bei Rambach, von Medizinalrat Dr. lleuLcr, Wiesbaden. 3. Die Salziger Meilensteine, von Dr. Rössel, Wiesbaden. 4. Graf Eberhard I. von Katzenelnbogen und die Grabstatte seines Gescblecbt.H in der Abtei Eberbach, von demselben. 5. Die Sauerburg, von .7. B. .Junker. Lehrer in St, Goarshausen,

268

Miscellen: l. Antiquarisches aus Ems, von dem Vereinssekretär. 2. Explication il'uue inscription latine du Musee de Wiesbaden. Mitgeteilt von Prof. Dr. Becker, Frankfurt a. M. 3. über die Richtung der römischen "Wasserleitung bei Mainz, von Dr. Malten, Mainz. 4. Über die ältesten Teile der Burg Kronberg, von Architekt Ph. Klein, Frankfurt a. M. f). Frei- heitsbrief für die Herrschaft Uadaniar und Driedorf, von Lehrer Junker, St. Goarshausen. G. Erinnerungen an den deutschen König Adolf von Nassau, von dem Vereinssekretär. 7. Kur- fürst Augusts von Sachsen Badereise nach Schwalbach 1584, mitgeteilt von demselben. 8. Keise der Königin Christine von Schweden durch Nassau 1655, von Lehrer Junker, St. Goarshausen. 9. Krönungsreise König Friedrichs IV. von Frankfurt nach Aachen 1442, mitgeteilt von dem Vereinssekretär. 10. Kulturhistorisches aus Nassau, von J. B. Junker, St. Goarshausen. 11. Sphragistisches, von dem Vereinssekretär. 12. Über eine unedierte Inschrift des Wiesbadener Museums, von Prof. Dr. Becker, Frankfurt a. M.

Mit fünf Tafeln.

Band VI, drittes Heft.

Die Limburger Chronik des Johannes. Nach J. Fr. Faust's Fasti Limpurgeuses, von Dr. K. liossel. Mit drei Tafeln.

Band VII, erstes Heft (vergriffen). Band VII, zweites Heft.

Abhandlungen: 1. Die ältesten Spuren des Christentums am Mittelrheiu, von Prof. Dr. Becker, Frankfurt a. M. 2. Geschichte des Grafen Gerlach I. von Nassau, von Konrektor Colom bei, Hadamar. 3. Bericht über die Ausgrabung der Hügelgräber am Wcissenturm, von Dr. Schalk.

4. Beiträge zur Geschichte des Kugelherrenhauses zu Königstein, von demselben. Miscellen: l. Holzordnung von Laufenselten, mitgeteilt von Rechnungskamraer-Probator Geyer.

2. Eibteiluug des Grafen Philipp von Nassau v. J. 1554, mitgeteilt von Dr. Schalk.

3. Druckwerke von Oberursel, von demselben.

Mit drei Tafeln.

Band VIII.

Abhandlungen: 1. Der Auszug der Rheinganer auf den Wachholder. Eine Episode aus der Ge- schichte des deutschen Bauernkriegs, von Assessor Dr. Petri. 2. Einige Bemerkungen über das Baudobrica des Itinearium Antonini, von Pfarrer Nick in Enkirch a. d. Mosel. 3. Die Juden- verfolgung in der Glitte des XIV. Jahrhunderts, mit besonderer Beziehung auf Nassau, von Kon- rektor Colom bei, Hadamar. 4. Die heilige Elisabeth und Egbert v. Schönau, von Prof. Nebe, Herborn. 5. Der Sternerbund und Graf Ruprecht der Streitbare von Nassau, von Konrektor Colombel. 6. Archäologische Bemerkungen über das Kreuz, das Monogramm Christi, die altchristlichen Symbole, das Kruzifix, von Kaplan Münz, Frankfurt a. M.

Miscellen: 1. Ein Amulet aus dem Museum zu Wiesbaden, von Prof. Dr. Becker, Frankfurt a. M.

2. Römische Inschriften vom Mittelrhein, von demselben. 3. Kostheim und die Main- spitze, von demselben. 4. Aus: Johannes Heidfeld: „Sphinx theologico-philosopbica, von Prof. Nebe. 5. Altes und Neues, von Prof. Nick. G. Zwei Bemerkungen zu der ältesten Geschichte Nassaus, von Konrektor Colombel.

Band IX.

1. Libor donationum ecclesiae S. Severi Bopardiae, von Pfarrer Nick, Salzig am Rhein. 2. Fürst Wilhelm Hyazinth von Nassau-Siegen, Prätendent der oranischen Erbschaft, seine Regierung und Zeitgenossen, von Kirchenrat E. F. Keller, Pfarrer, .Sulzbach. 3. Über ein angeblich

200

basilidianisches Aiiiulet, von Dr. theol. et phil. F. X. Kraus, Pfalzel bei Trier. 4. Die ältesten Spuren des Christentuni.s am Mittelrhein. Nachtrag zu Annalen VII. Von I'rofesBor Dr. Becker, Frankfurt a. M. 5. Castellum Mattiacorum, das röuiisehe KaBtell. NichtraK zu Annaion VII, von demselben. G. Tacitus' Sittenschilderung der nllcn Germanen, bestätigt durch den h. Bonifacius und den Presbyter Salvian, von Kaplan Dr. Münz, Frankfurt a. M.

7. Ein merkwürdiges Kindergebet, von demselben. - 8. Beitrüge zur rhcini.seben Kpigraphik. von Dr. B. Lupus, Iserlohn. 9. Die Blutauipullen der römischen Kutiikoniben, von Dr. theol. et phil. F. X. Kraus. 10. Die Burg Caub oder Gutenfels und der Pfalzgrafenstein von Ilofrat Weidenbach. 11. Der Flügelaltar der ehemaligen Cislercienscr-Abtei-Kirche Marien- stadt und seine formverwandfe Parallele zu Oberwesel, von Canonicus Dr. F. Bock Aachen.

12. Faldistorium in der Altertunissanimlung iles Museums zu Wiesbaden, von demselben. 13. Der Backenstreich in den deutschen Rechtsaltertümern und im christlichen Kultus, von Kaplan Dr. Münz, Frankfurt a. M. 14. Die neuesten Funde in Wiesbaden, von Bibliothek- sekretär Dr. Schalk, 15. Miscellen, von Oberschulrat Dr. Schwartz.

IJaiul X.

Die Verträge zwischen den Grafen Adolf von Nassau und Diether von Isenburg- Büdingen zur Beilegung des Streites um das Erzstift Mainz, von Archivsekretär Dr. 'Menzel, Weimar. 2. Die Burgen und die Burgfrieden des deutschen Mittelalters, von Gyninasial-Oberlehrer Colombel, lladamar. 3. Taufnamen als Gattungsnamen in sprichwörtlichen Redensarten Nassaus, von Dr. Münz, Pfarrer, Oberhöchstadt. 4. Zur nassauischen Schriftstellergeschichte, von Prof. Dr. Nebe, Herborn. 5. Die Eheinübergänge der Römer bei Mainz, von Prof. Dr. Becker, Frankfurt. 6. Das Dillenburger Schloss, von Prof. Spiess, Dillenburg. 7. Nassauische Territorien nach dem Besitzstande unmittelbar vor der franz. Revolution bis 18G6, nebst einer Karte des Herzogtums Nassau. Von Hofrat Weidenbach, Wiesbaden. 8. Römische Funde in Wiesbaden, von Dr. R. Kekule. 9. Christliche Inschrift aus Wiesbaden, von demselben. 10. Mogon, ein Stamraesgott der Vangionen und Mogontiacum, eine vangionische Stadt, von Ober-Med.-Rat Dr. Reuter. 11. Über Lage und Namen einiger Örtlichkeiten, von Dr. jur. J. Grimm. 12. Der Aar-Übergang im Zuge der römischen Greuzwehr, von Staatsarchivar a. D. Dr. Rössel. 13. Miscellen.

Mit fünf Tafeln.

Band XI.

Beiträge zur Geschichte des nassauiscben Altertumsvereins und biographische Mitteilungen über dessen Gründer und Förderer.

Band XII.

Das erste Jahrtausend christlicher Bau- und Kunstthätigkeit in Mainz, von Dr. V. Ä. Franz Falk, Kaplan, Worms. 2. Beiträge zur Geschichte des deutscheu Bauernkriegs, 1.525, von Prof. Dr. Fr. X. Kraus, Strassburg. 3. Urkundliche Mitteilungen zur Geschichte des Erzsliftes Mainz während der ersten Regierung Diethers von Isenburg, 1459 1463, von Dr. K. Menzel, Archivsekretär, Weimar. 4. Römischer Schmelzschmuck, von A. v. Cohausen, Oberst a. D. 5. Die Gräber im Kammerforst zwischen Lorch und Rüdesheim, von demselben. 6. Eine p]pisode aus dem Leben der Eltern P. P. Rubens, von Prof. A. Spiess, Dillenburg. - 7. Zu Goethe's Aufenthalt in Ems im Sommer 17 74, von demselben. 8. Über die Gründung Ein- hart's zu Seligenstadt, von Fr. Schneider, Dompräbendat in Mainz. 9. Ein Portal in Lorch am Rhein, ob römisch ob karolingisch, von A. v. Cohausen, Oberst a. D. 10. Miscellen.

Mit neun Tafeln.

270

Band Xlll.

1. Carl Lönings meuchelniörderischer Anfall auf den Regierungspräsidenten von Ibell aus Wiesbaden (1. Juli 1819), von Geb. Sanitätsrat Dr. Genth, Schwalbach. 2. Georg Wilhelm Lorsbach, nach seiuem Leben und Wirken, von Pfarrer Cuno, Hirzenhain. 3. Regesten des Urällich- Solms-Rödelheim'schen Archivs zu Assenheim, von Archivsekrefär Dr. Herquet, Königsberg. 4. Die Karolingische Basilika zu Steinbach-Michelstadt im Odenwald, von Dompriibendat Schneider, Mainz. 5. Die Schlösser und Schlüssel der Römer, von Cohausen, Oberst a. D. 6. Das Rheingauer Gebück, von demselben. 7. Römisch-fränkische Altertümer am Mittelrhein: a) Die altchristlichen Inschriften von Wiesbaden, von Prof. Dr. J. Becker, Frankfurt a. M.; b) Ein altchristlicher Grabstein des Taunusgebietes, von Pfarrer Dr. Münz, Oberhöchstadt; c) Römisch- fränkische Inschrift eines Bronzeringes aus Mainz, von Prof. Dr. J.Becker. 8. Römischein- schriften aus den Rheinlanden. Nachträge zu Brambachs Corpus Inscriptionum Rhenanarum, von demselben. 9. Römische Inschriften von der Saalburg bei Homburg v. d. Höhe, von demselben. 10. Beiträge zur Geschichte der Georgenkirche und des Georgenstifts zu Limburg, von Staatsarchivar Dr. Götze, Idstein. 11. Beiträge zur Kenntnis der Kultur- und Rechts- gewohnheiten des Mittelalters, von demselben. 12. Johann's VI. Grafen von Nassau-Dillenburg Urteil über Hexenprozesse (1582), von demselben. 13. Die Vermögensverluste der Oranien- Nassauischen Lande durch französische Truppen während des siebenjähr. Krieges, von demselben. 14. Henricus de Hassia über das Wiesbadener Badeleben im 14. Jahrhundert, von Archivrat Dr. Will, Regensburg. 15. Miscellen. Mit drei Tafeln.

Band XIV, erstes Heft.

Lebeusnachrichten über den Regierungs-Präsidenten K. v. Ibell, von Dr. K. Schwartz.

Band XIV, zweites Heft.

1. Die St. Michaels-Kapelle zu Kiedrich im Rheingau, von J. Zaun, Geistl. Rat und Pfarrer daselbst. 2. Über die Lage der Karthause im Petersthale, von demselben. 3. Der Aulofen in Seulberg und die Wölbtöpfe, von A. v. Cohausen. 4. Ursprung des Dorfes Glashütten im Taunus, von demselben. 5. Sphragistisches auf Steinkrügen im Altertums-Museum zu Wiesbaden, von Edelherr und Graf Maurin Nahuys. G. Die Hügelgräber östlich vom Goldenen Grund zwischen Camberg und Neuweilnau. von A. v. Cohausen. 7. Grabhügel im Schiersteiner Wald, Distrikt Pfühl, von demselben. 8. Anatheme und Verwünschungen auf altchristlichen Monumenten, von Dr. Münz, Pfarrer, Oberhöchstadt. 9. Beitrag zur Controverse von „Frenze-Win'' und ^jHunzig-Win". Kulturhist. Studie aus dem Gebiete der Önologie, von A. Wilhelmj, Wiesbaden. -- 10. Necrologium I. des Chorherrnstiftes St. Lubentius zu Diet- kirchen, mitgeteilt von Dr. Erich Joachim, Idstein. 11. Zusammenstellung der bisher in Friedberg aufgefundenen römischen Inschriften, von G. Diefenbach. 12. Das vormalige Wilhelmiten-Kloster zu Limburg a. d. L. und dessen Archiv, mitgeteilt von Dr. W. M. Becker, Idstein. 13. Das Archiv der Stadt Limburg a. d. Lahn, mitgeteilt von demselben. 14. Bei- träge zur Geschichte der Eisenindustrie, von Dr. Ludw. Beck. 15. Grabhügel zwischen der untern Nahe und dem Hunsrücken, von A. v. Cohausen. 16. Die römischen Inschriften der .,Altstadt" bei Miltenberg, von Wilh. Conrady, Miltenberg. 17. Miscellen: a) Die Heidenmauer, von A. v. Cohausen; b) Römische Gräber in Mainz, von demselben. c) Gräber bei Nauheim i. d. Wetterau, von demselben; d) Römisches Panzergeflecht von Bingerbrück, von Blell-Tüngen; e) Deutsche Gläser, von A. v. Cohausen; f) Notizen zur (iewcrbthätigkeit in Kiedrich im Mittelalter, von Zaun

271

«und XV.

Abhandlungen: 1. Zwei neue Jupiterstatuüii aus den Rheinlanden, von J)r. A. Duncker Olicrltlirer. Wiesbaden. 2. Zum Aleniannenkriege Caracallas und der angebliclien Alemannenschlftthl dch Claudius Gothicus am Gardasee, von demselben. 3. Das Sjiinnen und Weben bei den Alt.-n von A. V. Cohausen. 4. Zur Geschichte der Stadt Wiesbaden, von F. Otto Oberlehrer AViesbaden. 5. Das nassanische Miinzwe.'ipn, I. Teil, von J. Isenbeck, Wiesbaden. -~ G. Beitrüge zur Gescbiclite der Eisenindu.stric, II, von Dr. L. Beck, Biebrich und A. von Cohausen, Wiesbaden. 7. Eine Frinnerung an den Orden des StacheischweinH, du Porc-upic von Edelherr und Gnif M. Niihuys, Wiesbaden. 8. Regesten der in dem Archiv des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung aufbewahrten Urkunden aus den Jahren 1145 1807, von Prof. Dr. K. Menzel, Bonn. 9. Nicht Eberhard, sondern Arnold der 2. Abt Eberbachs, von L. Stoff, Eberbach. 10. Guttus, Mamilla, Vericulum, von A. von Cohausen, Wiesbaden. 11. Der römische Mainübergang zwischen Hanau und Ke.sselstadt von Dr. A. Duncker, Oberlehrer, Wiesbaden. 12. Die rechtsmainische Limesforschung, von demselben. 13. Über die Ilühlenfunde in der Wildscheuer und dem Wildhaus bei Steeten an der Lahn, von Dr. H. Schaaffhausen, Geh. Medizinalrat und Professor, Bonn. 14. Die Höhlen und die Wallburg bei Steeten an der Lahn, von A. v. Cohausen, Wiesbaden. 15. Die AVallburgen, Landwehren und alten Schanzen des Regierungsbezirks Wiesbaden, von demselben.

Miscellen: a) Grüber bei Nauheim in der Wetterau, von G. Dieffenbach, Friedberg; b) Funde im Grund des neuen Archivgebiiudes in Wiesbaden, von A. v. Cohausen; c) Hügelgrab in den Sonnenberger Fichten, von demselben; d) Hügelgräber zwischen der Aar und der Dörsbach, von demselben; e) Hügelgräber in der Gegend von Zorn und Strüth, von demselben; fj Die Frankengräber bei Erbenheim, von demselben; g) Zur Topographie des alten Wiesbaden, von demselben; h) Drei Rodungen in der Gemarkung von Wiesbaden, von F. Otto; i) Merk- würdige Bäume, von A. v. Cohausen; k) Würfel, von demselben; 1) Zur Geschichte der Abtei Arnstein, von J. Zaun, Kiedrich; ni) Aus der Bürgermeister-Rechnung der Stadt Wies- baden vom Jahre 1524, von F. Otto; n) Die Schuldisziplin zu Wiesbaden in der Mitte des XVIII. Jahrhunderts, von demselben; o) Ein Brief des Fürsten Karl Wilhelm von Nassau, von demselben.

Mit elf Tafeln.

Band XVI.

Das Nekrologium der vormaligen Prämonstratenser-Abtei Arnstein a. d. Lahn, von Dr. Becker. Ein- leitung. — Beschreibung der Handschrift. 1. Bruchstücke eines Zinsregisters aus dem 13. u.

14. Jahrhundert. 2. Zusammenstellung der dem Prämoustratenser-Orden verliehenen Ablässe aus dem 14. Jahrh. 3. Notizen über unbedeutende Legate aus dem 14. Jahrh. 4. Ver- zeichnis der vornehmsten Wohlthäfer des Klosters aus dem 13. und 14. Jahrh. 5. Gleich- zeitige Abschrift einer Urkunde vom Jahre 1315. 6. Abschrift eines Martyrologiums in einem Kalendarium aus dem 14. und 15. Jahrh. 7. Abschrift der Regula s. Augustini aus dem 14. und 15. Jahrh. 8. Abschrift der für den Grünen Donnerstag vorgeschriebenen Lektion aus dem 14. Jahrh. 9. Gleichzeitige Abschrift einer Urkunde vom Jahre 1359. 10. Summarisches Verzeichnis der dem Prämonstratenser-Orden verliehenen Ablässe aus dem

15. Jahrh. 11. Gleichzeitige Notiz über eine im Jahre 1589 zwischen dem Kloster Arnstein und dem Minoriten-Kloster zu Limburg a. L. abgeschlossene Vereinbarung zu gegenseitiger Für- bitte. — 12. Notiz über eine zwischen der Abtei Arnstein und benannten Klöstern vereinbarte Verpflichtung zu gegenseitiger Fürbitte aus dem 13. Jahrh. 13. Abschrift der im Kloster Arnstein üblichen Professzettel aus dem 15. Jahrh. 14. Das Nekrologium der Abtei Arn- stein aus dem 13. 18. Jahrh. 15. Die bei der Segnung der klösterlichen Gewänder und bei der Einkleidung der Novizen üblichen Gebete aus dem 13. Jahrh. 16. Die für die Auf- nahme eines Mitglieds in die Kloster-Bruderschaft vorgeschriebenen Gebete aus dem 13. Jahrh. 17. Eine Zauberformel gegen eine tödliche Krankheit aus dem 14. Jahrh. 18. Eine Nach-

272

rieht über eine im Kloster Ärnstein übliche besondere Fastenandacht nebst den Gebeten und Gesängen für die Feier derselben aus dem 14. Jahrh. 19. Abschrift der bisher unbekannten Bulle .,Ex parte vestra" Papst Innocenz' IV. vom 31. Januar 1245 aus dem 13. Jahrh. 20. Bruchstück eines Zinsregisters aus dem 14. Jahrh. 21. Beschreibung eines Gutes des Klosters Arnstein aus dem 14. Jahrh. Beilage I: „Zur Geschichte der Abtei Arnstein". Beilage II: ^Bremberg, Brunnenbach und Brunnenburg, Bremm und Neef, eine Untersuchung über die Lage dieser Örter. Verzeichnis der Äbte des Klosters Arnstein. Zusätze und Berichtigungen. Glossar. Orts- und Personenverzeichnis. Tafel.

Band XA'II.

1. Zur Geschichte des Rheingaus: a) Beiträge zur Geschichte der Klöster Rupertsberg und Eibingeu, von Staatsarchivar Dr. Sauer; b) Die Beschreibungen des Rheingaus von Bartholoraaeus Angelus und Johannes Butzbach aus dem XIV. und XV. Jahrhundert, von Prof. Fr. Otto; c) Kaspar Hedios Sendbrief an die Rheingauer vom 25. November 1524, von demselben; d) Brand zu Bingen 1540, 27. Juli, von demselben; e) Brief des Pfarrers Georg Steritz zu Bingen 1577, von Dr. TVidmann; f) Zur Geschichte von Eberbach während des dreissigjährigen Krieges, von demselben; g) Karte des Rheingaus von 1575, von Prof. Fr. Otto. 2. Statistisches: a) Die Waldschmieden bei Weilburg im XV. Jahrhundert, von Prof. Fr. Otto; b) Die Zahl der Pferde vor dem dreissigjährigen Kriege, von demselben; c) Die Zahl der in den Jahren 1629 bis 1631 in der Herrschaft Dillenburg verbrannten Hexen, vom Vizepräs. d. App. -Ger. a. D. Lautz. 3. Kleine Mitteilungen zur Geschichte Königsteins, von Dr. Widmann. 4. Der Brand von Villmar im September 153G, Gedicht des Reinh. Lorich von Hadamar, mitgeteilt von Lic. Dr. A. Krebs. 5. Eine Reise des Grafen Ludwig Friedrich von Nassau-Idstein im Jahre 1G54, mitgeteilt von J. G. 6. Nauborn, nicht Nievern. Berichtigung zu Bd. XV, pag. 153. 7. Kindlinger, Habel und die nassauische Altertums-Gesellscbaft, von Freiherr V. Medem, Kgl. Archivrat a. D., Homburg. 8. Vogels litterarischer Nachlass, v. Prof. Fr. Otto.

9. Die Höhlen bei Steeten a. d. Lahn, von Konservator Oberst z. D. v. Cohausen.

10. Der neue Höhlenfund von Steeten, von Prof. Dr. Hermann Schaaffhausen, Bonn.

11. Gräber, von Konservator Oberst z. D. v. Cohausen. 12. Römische (?) Hufeisen, von Prof. Fr. Otto. 13. Wallburgen, von Oberst v. Cohausen. 14. Höhlen, von demselben.

15. Zur Schlacht bei Cronberg am 14. Mai 1389, von Dr. Widmann. IC. Römische Bau- werke, von Oberst v. Cohausen und Baumeister L. Jacob i in Homburg. 17. Mittelalter- liche Bauwerke, von Oberst v. Cohausen und M. Heckmann. 18. Zur Topographie des alten Wiesbaden, von Oberst v. Cohausen und Obermedizinalrat Dr. Reuter. 19. Inschriften, von Oberst v. Cohausen und Prof. Fr. Otto. 20. Sonnenberg, von Prof. Fr. Otto.

Mit acht Tafeln.

«and XVIII, erstes Heft.

Nassauische Biographie, von Fr. Otto und Dr. S. Widmann. 2. Neuere historische das Ver- einsgebiet betr. Litteratur (abgeschlossen Anfang Sept. 1883), von Prof. Otto u. Dr. Widmann. 3. Der Sinter von Wiesbaden, von Obermedizinalrat Dr. Reuter. 4. Schauspieler in Schwalbach, von Prof. Otto. 5. Das älteste Bücherverzeichnis des Klosters Arnstein, von Dr. Widmann. 6. Zur Schönauer Reimsage, von demselben. 7. Zur Geschichte des Dorfes Patersberg von 1501 1796, von Pfarrer W. Ullrich. 8. Joh. Hofmeister, von Professor Otto. '.>. Des Stadtpfarrers Anton Weber zu Idstein Synodalchronik der Diözese Idstein: 1577 1595, von Archivsekretär Dr. Joachim. 10. Chronikalische Notiz aus der Zeit des SOjähr. Krieges, von Dr. Widmann. 11. Das Gerücht von einem seitens Kur- Mainz beabsichtigten Einfall in Wiesbaden im Jahre 1G09, von Dr. E. Ausfeld. 12. Weid- gerechtigkeit von Kloppenheim und Hessloch in der Nauroder Gemarkung, von Landgerichtsrat W. Keim. 13. Lebensnachrichten über Jean Pauls Geistesverwandten und Freund Paul

273

Emil Thieriot, von Oberschulrat Dr. K. Schwartz. - U. L. A. Knig'« Salr.i|Uellen, von Prof. Otto. 15. Zwei Gedichte aus dem XV. Jahrhundert über Wiesbitdeii, von Oymiiasial- lehrer Fritze und Prof. Otto.

IJaiKl XVIII, zweites Jldl.

Da.s nassanischn Müuzweson (Fort.setzung), von Jul. I.senbeck; mit Narhtrag: Münznieisler zu Wiesbaden, von P. Joseph, Lehrer in Frankfurt a. M. 2. Pruhi-slorisdie Funde bei Nieder- walluf und bei Homburg, von Konservator Oberst z. 1). v. Cohausen und Baumci.ster J arobi.

3. Die Hügelgräber im Schwanheimer "Wald und die Schwedenschanze bei Kelsterbach a M. von Oberst v. Cohausen. 4. Wallburgen (Ältkünig), von Oberst v. Cohausen und Dr. Widmann. 5. Römische Bauwerke in der Nähe von Homburg, Frankfurt und Bergen von Oberst v. Cohausen und Baumeister Jacobi. 6. Römische Altertümer von Ober.sl V. Cohausen, Hr. Widmann und Dr. Hammeran. 7. Zur Geschichte der Feuerwatlen von Oberst v. Cohausen. 8. Zur Topographie des alten Wiesbaden, von Oberst v. Cohausen.

9. Ärchivalische Mitteilungen, von Staatsarchivar Dr. Sauer. 10. Die Lebensbeschreibung des Grafen Ludwig III. von Arnstein. Lateinisch und deutsch, herausgegeben von Dr. Wid- mann. — 11. Ein Lied auf Graf Albrecht von Nassau, mitgeteilt von Prof. Otto. 12. Nach- trag zur Synodalchronik des Anton AVeber, mitgeteilt von Dr. Joachim. 13. Freskogemälde in der Kirche zu Idstein, von J)r. Sauer. 14. Konfiskation verbotswidrig gehaltener Ziegen auf dem We.sterwald im XVI. und XVII. Jahrhundert und desfallsige Bittschrift eines Pfarrers zu Driedorf, mitgeteilt von Äpp.-Ger.-Vizepräsident a. D. Lautz. 15. Rekonstruktionen von Waffen vor Sr. Maj. dem Kaiser, von A. v. Cohausen.

Mit zehn Tafeln.

Btiiid

1. Neuere historische das Vereinsgebiet betr. Litteratur (abgeschlossen im Juli 1885). Von Prof. Otto und Rektor Dr. Widmann. 2. Weistum vom Lindauer Gericht, 1375, 1409, von Prof. Otto. 3. Ärchivalische Mitteilungen, von Archivrat Dr. Sauer. 4. Ort und Tag der Geburt des nass. Superintendenten J. D. K. Bickel, von Prof. Fr. Otto. 5. Zur älteren Geschichte der Herren von Eppenstein und von Homburg, sowie ihrer Besitzungen Homburg und Braubach, von Archivrat Dr. Sauer. 6. Gottfried Hatzfelda Chronicon Domus Nassa- vicae 1516 158C, herausgegeben von Dr. Herrn. Forst. 7. Der Adel im Rheingau, IC'U, von Archivrat Dr. Sauer. 8. Der Fuchs predigt den Gänsen. Mit einer Abbildung, von Rektor Dr. W^idmann. 9. Die ältesten Bürgermeister-Rechnungen der Stadt A\iesbaden. Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt im Anfang des XVI. Jahrhunderts, von Prof. Fr. Otto.

10. Nachrichten über den Umfang der Hexenverfolgung in den deutschen Gebieten der Otto'schen Linie der Grafen von Nassau, mitgeteilt von App.-Ger.-Vizepräsident a. D. Lautz.

11. Berichtigung und Zusatz zu: „Das nass. Münzwesen", Fortsetzung, Ann. XVIIf, p. 14.'i, von J. Isenbeck. 12. Chronik des Schultheissen Job. Georg Hoffmann von Rauenthal, 1671 1725, mitgeteilt von Rektor Dr. Widmann. 13. Nachtrag zu pag. 55 sq.: „Zur Geschichte der Herren von Eppenstein und ihrer Besitzungen Homburg und Braubach", von Archivrat Dr. Sauer. 14. Eine Berichtigung zuLoersch: ,,Der Ingelheimer Oberhof", von demselben. 15. Der römische Grenzwall. Zusätze zu dem 188 1 darüber erschienenen Werke, von Konservator Oberst z. D. A. v. Cohausen. 16. Grabhöhle am Daubhaus, von dem- selben. — 17. Hügelgräber auf dem Eichelberg bei Holzhausen a. d. Dautphe, von demselben. 18. Die Höhlen Steinkammern bei Erdbach, 6,5 km von Herborn, von demselben. 19. Der Wendelring, von demselben. 20. Hügelgräber im Dauborner Wald Kippel, von demselben.

21. Hügelgräber im Heringer Wald, von demselben. 22. Hügelgräber in der Gärtches- Heck, von demselben. 23. Fraiikengräber bei Dauborn, von demselben. - 24. Der Klausen- kippel bei Kalte Eiche, von demselben. 2."). Schlackenhalden im Crofdorfer Wald, von dem-

274

selben. 26. Kreuz im Kreuzgärtcben, von demselben. 27. Slain-Altertüraer. von dem- selben. — 28. Marieiistatt, von demselben. 29. Zur Topographie des alten Wiesbaden, von demselben. 30. Nachtrag zu der Abhandlung über: „Die ältesten Bürgerniei.sfer-Retlinungen der Stadt Wiesbaden'', von Prof. Fr. Otto. 31. Die Besitzergreifung der nassau-oranischen

Landesteile für den Grossherzog von Berg im Jahre 1806, von Archivar Dr. E. Ausfeld.

32. Nekrolog des am 3. Juli 188.J verstorbenen Gymnasialdirektüis a. 1). Oberschulrats Dr. K. Schwartz, von Prof. Fr. Otto.

Hand XX, erstes Heft.

1. Der cymbelnschlagende Satyr, von Konservator z. D. v. Co hausen (mit Abbildung). 2. Die Hünerburg, von demselben (mit Abbildung). 3. Ausgrabungen und Arbeiten auf der Saal- burg, von demselben. 4. Alte Wälle und Gräben, von demselben (mit Abbildung). 5. Die Burgen in Rüdesheim, von demselben (mit Abbildungen). 6. Zur Topographie des alten AVies- baden, von demselben. 7. Die kleine Steinkammer bei Erdbach, von demselben. 8. Die Einhornlegende in ihrem Ursprung und ihrer Ausgestaltung, von Dompräbendant Dr. Friedr. Schneider (mit Abbildung). 9. Zur Schönauer Reimsage, von Archivrat Dr. Sauer. 10. Die Ostgrenze des Schlossborner Pfarrsprengels, von Pfarrer J. Bonn. 11. Bemerkungen zu dem Aufsätze: Die Ostgrenze des Schlossborner Pfarrsprengels, von Archivrat Dr. Sauer. 12. Die Rnders-Kapelle im Cronberger Wald, von Konservator Oberst z. D. v. Cohausen. 13. Archivalische Mitteilungen, von Archivrat Dr. Sauer. 14. Römische Mainbrücken, von Konservator Oberst z. D. v. Cohausen. 15. Zur Geschichte Johanns des Älteren von Nassau-Dillenbnrg, von Direktor Prof. Spiess. 16. Beiträge zur Geschichte des Kreises Höchst, von Dr. W. Kobelt. 17. Graf Wallrad von Nassau- Usingen bei den oberrheinischen Kreistruppen im Türkenkriege 1044, von Dr. Herm. Forst. 18. Nekrolog des am IC. Nov. 1886 verstorbenen Herrn Max Heckmann, von Konservator Oberst z. D. v. Cohausen.

Band XX, zweites Heft.

1. Nachruf für Kaiser Friedrich. 2. Führer durch das Altertumsmuseum, von Konservator Oberst z. D. V. Cohausen. 3. Römische Sonnenuhren in Wiesbaden und Cannstadt, von Major a. D. Schlieben. 4. Die Hufeisenfrage (eine archäologische Musterung), von demselben. 5. Zu- sätze und Berichtigungen zu den archivalischen Mitteilungen XX 57fif: No. 4 (Seelbuch des Geschlechts von Langenau und Äbte von Arnstein) und No. 6 (zur Geschichte des Stiftes Blei- denstatt), von Archivrat Dr. W. Sauer. 6. Höhlen, von Konservator Oberst z. D. V. Cohausen und Geh. Rat Prof. Dr. Schaaffhausen. 7. Hügelgräber in der Halbehl bei Fischhach, von Konservator Oberst z. D. v. Cohausen. 8. Grabhügel bei Rodheim a. Bieber, von demselben. 9. Denkmal des Grafen Wilhelm zu Lippe-Schaumburg, von Konser- vator Oberst z. D. v. Cohausen und Major Freiherr v. Wangenheim. 10. Zur Topo- graphie des alten Wiesbaden, von Konservator Oberst z. D. v. Cohausen. 11. Nekrolog des Herrn Berthold Reinhard Vogel.

Mit neunzehn Tafeln.

Hand XXI.

1. Sachverhalt und Deutung der alten Verschanznngen in Nassau, von A. v. Cohausen. 2. Das Fischbacher und Lorsbacher Thal, von demselben. 3. Die Wallburg, von demselben. 4. Hügelgräber, von demselben, a) Im Wald Halbehl (bei Münster i. T.); b) Bei Heckholz- hausen; c) Im Ruhehag. 5. Zur Topographie des alten Wiesbaden, von demselben. , 6. Die Reit- und Packsättel der Alten, von A. Schlieben, Major a. D. 7. Die Franken- gräber von Schierstein, von B. Florschütz. 8. Der Hasselbacher Turm, von .\. v. Co- hausen. -- 9. Grenzau, von demselben. 10. Hügelgräber, von demselben (Fortsetzung von No. 4): d) Niederwalluf; e) Aus der Umgegend von Usingen: WilhelmsJorf, Eschbach, Wern- born. Im Usinger Wald Schweinhardt, Im Pfailenwiesbacher Jungenholz, Schmidtholz, Tauben-

275

köpfchen, Oberloh, Am ^Altenniark'', Capersburp Strickert, Am Süssenberij, Wormsteiu, Hinter der Altenburg; f) Im NiederhoriicimiT Wald Jlalbehl. 11. Karl Hartwig (Jregor von Meuse- bacli. Lebensnachricbten von l)r. K. Schwartz. Für die Annalen bearbeitet von F. Otto. I. Jugend, 1781 1803, II. Dillenburg, 1803—1814. 12. Chronogramm auf das Jahr deh grossen Brandes von Wiesbaden, von F. Otto. 13. Wiesbaden im Sommer de8 Jahre« 179G. Nach den Aufzeichnungen des AVilh. Lautz mitgeteilt von F. Otto. 14. Das nassauisrhi» Münzwesen, von Jul. Isenbeck. 15. Die schlesische Armee in Nassau vom Anfang Nc vember 1813 bis zum 1. Januar 1814, von Dr. W. Sauer. IC. Die Schildhalter des Wap- pens des Herzogtums Nassau, von demselben. 17. Das Jahr der Zerstörnng der Uurg I.aiin- eck, von demselben. 18. Seliwursteine zu Niederbrechen, von 0. Klee-fiiJttiDgen. 19. Waren die clerici uxorati coniugati verheiratete Geistliche V Von demselben. 20. FelJ- zugspflicht der Hoftrompeter im 17. Jahrh., von Dr. Forst. 21. Neuere, das Vereinsgebiet betreö'ende Litteratur, von F. Otto. Mit fünfzehn Tafeln.

liaiid XXIT.

1. Karl Hartwig Gregor von Meusebach. Lebensnachrichten v«n Dr. K. Schwartz. Mit 2 Stamm- tafeln. Für die Annalen bearbeitet von F. Otto (Fortsetzung). III. Coblenz, 1814 1819, IV. Berlin, 1819 1847. 2. Die Burgen in Nassau, von A. v. Cohausen. I. Zahl und Bestand; II. Ankauf und Restauration; HI. Ihre Erhaltung; IV. Die Lage und die Anordnung alter Burgen ; V. Der Deurenberg. 3. Nassau unter dem Minister von Marschall, von Dr. W. Sauer. I. K. F. vom Stein und die Entstehung der nassauischen Verfassung. Die erste Ständeversammlung 1818. 4. Urkundliche Notiz zur Geschichte des Brümserhofs, von Dr. ^\'. Sauer. 5. Die Gigantensäiile von Schierstein, von B. Florschütz. C. "Weitere Funde im Rümerbrunnen von Schierstein, von demselben. 7. Dr. Karl Reuter, 1803 1889, von F. Otto. 8. Die Hegung des Landgerichts zu Mechtildshausen. (Nach einer Nieder- schrift aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts, etwa aus dem Jahre 1536), von Dr. "W. Sauer.

9. Über das Wappen der Herren von Kleberg, von demselben. 10. Besprechung von Büchern u. s. w., von Premierlieutenant a. D. Hoffmann. 11. Neuere, das Vereinsgebiel betreffende Litteratur, von F. Otto.

Mit vier Tafeln.

Band XXIII.

1. Friedrich von Reiffenberg, 1515 1595, von F. Otto. 2. Das Landgericht der vier Herren auf dem Einrieb, von Pfarrer a. D. Ludw. Conrady, Millenberg. Mit einer Karte. 3. Aus dem Stammbuche des Georg Birckell, von F. Otto. 4. Burg Gutenfels am Rhein, von A. von Cohausen. 5. Felix Meudelssohn-Bartholdy's Lied: „Des Jägers Abschied", von F. Otto. 6. Die Zerstörung der Burg Lahueck, von Dr. TV. Sauer. 7. Wallensteius Briefe an den Grafen Johann den Jüngeren von Nassau-Siegen, von F. Otto. 8. Ein Reim . Hellmunds auf sich selbst, von F. Otto. 9. Römische Reiseuhren, von A. Schliebeu.

10. Die Juden zu Wiesbaden, von F. Otto. 11. Zur Topographie des alten "Wiesbaden, von A. von Cohausen, Dr. B." Florschütz und Prof. Otto. 12. Zwei Todesurteile des Schöffengerichts zu Wiesbaden, mitgeteilt von F. Otto. 13. Die Frankengräber von Schier- stein. IL, von Dr. B. Florschütz. 14. Die Gigantensäule zu Schierstein, von Dr. B. Flor- schütz.

Mit sieben Tafeln.

P.iiiul XXIV.

1. Johann Ililchen von Lorch, von F. Otto. 2. Konrad Oerlin von Wiesbaden, von F. Otto. 3. Fürst Karl Wilhelm von Nassau-Usiugen, 1775—1803, mitgeteilt von F. Otto. 4. Georg August, Fürst zu Nassau-Idstein, 1 077 -1721, von C. Spiel mann. 5. Mitteilungen über

270

die Lage und Geschichte der Marau bei Mainz, von Geh. Baurat Cuno. G. Johann Konrad von Seibach. Nebst einem Anhang: „Einige unbekannte llerborner Drucke'', von F. Otto. 7. Die Schönauer Überlieferung. Eine historisch-kritische Untersuchung von Ludw. Conrady.

8. Das alte Wiesbaden, mitgeteilt von F. Otto, mit 2 Abbildungen. 9. Geschichte der

Steigbügel, von A. Schlieben. 10. Zur Topographie des alten Wiesbaden, von A. v. Co- hausen. 11. Burgen in Nassau, von A. v. Cohausen. I. Neukatzenelnbogeu oder die Katz bei St. Goarshausen; II. Sterrenberg, Liebenstein und Bornhofeu, 12. Die Frankengriiber von Schierstein. III., von Dr. B. Florschiitz. 13. Eine neue Knochenhöhle in Steeten a. d. Lahn, von Dr. B. Florschütz. U. Der Wilde Putz bei Steeten, von A. von Co- hausen. — 15. Grabschrift des Gustav Ernst v. Seydlitz zu Nastiitten, niilgeleilt von F. Otto. 16. Der römische Grenzwall (von Cohausen und Mommseu). Mit zehn Tafeln.

Band XXY.

1. Die Beziehungen der Geologie zur Altertum.skunde, von Dr. B. Florschütz. 2. Die „Ewige Lohe** bei Homburg v. d. Hübe, von II. Jacobi. 3. Vorrümische Altertümer, von A. von Cohausen. a) Der BrunhilJisstein auf dem grossen Feldberg; b) Der Abschnittswall und der Ringwall auf dem Rücken der Hofheimer Kapelle; ein Jadeit-Beil. 4. Römische Altertümer, von A. von Cohausen. a) Der Stand der Limes-Forschung; b) Die Saalburg; c) Römischer Schmelzschmuck und Goldschmiedgeräte. b. Burgen in Nassau, von A. von Cohausen. a) Burg Schwalbach; h) Der Nolling oder Nollicht. 6. Nachtrag zur Geschichte der Steig- bügel von A. Schlieben. 7. Über die Gründung der Behem'schen Druckerei in Mainz, von Dr. IT. Forst. 8. Neuere, das Vereinsgebiet betreffende oder berührende Litteratur, von F. Otto.

Mit neun Tafeln.

«and XXVI.

1. Die Geschichte des Hauses Nassau, von den ältesten Zeiten bis zu den ersten Trägern des Namens Nassau, von Ludw. Conrady. 2. Der Name Wiesbaden, von W. Streitberg. 3. Gigan- tengruppen und St. Georg, von 0. Tietz. 4. Die Mennoniten und ihre Bedeutung für die Kultur in Nassau, von C. Spielmann. 5. Alte Topographie des Vereinsgebietes, von A. von Cohausen. 6. Der Limes im Taunus, von Dr. B. Florachütz.

Annal. d. Vereins f. Nass. Altert, u Gesch Bd. XXVTL

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Annal. d. Vereins f. Nass. Altert, u ücsch. Bd. XXVJl.

Taf. II

Annal. d. Vereins f. Nass. Altert, u. Gesch Bd. XX5II.

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