MBL "*" "^ AßBEITEN AUS DEM ZOOLOGISCHEN INSTITUTE DER UNIVERSITÄT WIEN UND DER ZOOLOGISCHEN STATION IN TRIEST. HERAUSGEGEBEN D* 0. CLAUS, O. Ü. PROFESSOR DER UNIVERSITÄT UND VORSTAND DES ZOOLOQISCH-VERGL.-ANATOJUSOHEN INSTITUTS IN NVIKN, DIRKCTOR DER ZOOLOGISCHEN STATION IN TRIEST. TOM. I. Mit 33 Tafeln. WIEN, 1878. ALFRED HOLDER, K. K. HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER, Rothenthurmstrasse 15. Alle Rechte vorbehalten. / 3 ^L Ueber Haiistemma tergestitmm n. sp. nebst Bemerkungen über den feinern Ban der Pliysophoriden von Dr. C. Claus. Mit Tat. I— V. Unter den seither unbekannt gebliebenen Siphonophoren der Adria. welche im Hafen von Triest mit beginnendem Herbst ver- einzelt und später in den Monaten December und Januar häufiger zum Vorschein kommen, wird unsere Aufmerksamkeit in hohem Grade von einer zierlichen, der Gattung Ha liste mm a Huxl. zuge- hörigen Agalmide angezogen. Allerdings erweisen sich die Nessel- knöpfe der Triester Form von den entsprechenden Leibesanhängen der H a 1 i s t e m m a- Arten und insbesondere des am besten gekannten H. rubrum dadurch verschieden, dass sie nicht wie in diesem Falle nackt, sondern wie die Nesselknöpfe von Stephanomia an ihrer obern Hälfte von einem glockenförmigen Mantel überlagert sind; in allen andern Charakteren aber stimmt unsere Agalmide so voll- ständig zu der Gattung Haiist emma, dass ich die hervor- gehobene Differenz in der Gestaltung des Nesselknopfes zur Auf- stellung einer besonderen Gattung nicht für ausreichend betrachten kann. Auf An- oder Abwesenheit einer mantelartigen Umhüllung des Nesselknopfes ist zweifelsohne von mehreren Autoren ein zu hoher systematischer Werth gelegt worden, was sofort klar wird, sobald man die Genese des Involucrum's genauer verfolgt. Dieses ist aber in seiner ersten Anlage nichts weiter als eine zu einer Duplicatur sich entwickelnde Aufwulstung des Ectoderms, welche sich von geringen Anfängen aus, wie in unserem Falle, zu einer offenen Glocke, eventuell bis zu einer sehr umfangreichen, schein- bar geschlossenen Kapsel (Physophora) ausbilden kann und Claus. Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 1 Dr. C. Claus: morphologisch offenbar dem Schirm der Meduse entspricht. Ob sich die schützende Wucherung entwickelt oder nicht, ob sie auf einer tieferen Stufe zurückbleibt oder zu einer complicirten Gestaltung führt, ist für den Bau des Nesselknopfes selbst keines- wegs von bestimmender Bedeutung, da derselbe, wie es eben auch für H. tergestinum zutrifft, trotz der vorhandenen Umhüllung mit den nackten Nesselknöpfen der verwandten Art in allem Wesentlichen übereinstimmt. Somit erscheint der glockenförmige Mantel zumal bei seiner rudimentären Beschaffenheit nur als eine secundäre Zuthat, als ein accessorisches Element, neben welchem Form und Structur des Nesselknopfes unverändert bleibt, und be- rechtigt keinesfalls zu der Aufstellung einer neuen von Haiistemma differenten Gattung. Im nachfolgenden beabsichtige ich nicht nur eine eingehende Darstellung dieser zwar kleinen aber überaus zierlichen und zum Studium einladenden Agalmide zu geben, sondern auch auf die feinere Structur der Physophoriden überhaupt, insbesondere von Physophora, Forskalia und Agalmopsis Rücksicht zu nehmen, Formen, die ich zwar nicht lebend untersuchen konnte, aber in einigen gut conservirten Osmium- und Carminpräparaten gegen Ausgang des letzten Winters durch die zuvorkommende Gefälligkeit der Herren R. und 0. Hertwig aus Messina zuge- sandt erhielt. Gerade die histologische Kenntniss des Siphonophoren- körpers liess von einem erneuten Studium manche neue Ergebnisse erwarten, wenn auch selbstverständlich die ausschliessliche Berück- sichtigung von Osmium - Carminpräparaten keinen ausreichenden Abschluss der Beobachtungen gestattete. In erster Linie glaube ich die Schichtenfolge der Gewebe in sämmtlichen Anhängen des Siphonophorenleibes mit völliger Sicher- heit festgestellt zu haben und nach dieser Richtung einen in meinen früheren Mittheilungen, aber auch in Arbeiten anderer Forscher eingeschlichenen Irrthuni beseitigen zu können, nach welchem die Längsmuskelfasern am Polypen und Taster unterhalb der Stützlamelle verlaufen. Die Ausbildung der Methode feiner Querschnitte, die gegenwärtig der Wissenschaft zu Hilfe kommt, gestattete in ihrer Anwendung auf die Siphonophoren anhänge die Berichtigung jenes Irrthums und führte zu dem Ergebniss, dass wie am Stamme, so auch an sämmtlichen Anhängen, die Längs- muskelzüge der einfachen oder in Radiallamellen ausstrahlenden Stütz- lamelle auflagern, während sich an der Innenseite desselben eine zarte Ringmuskellage ausbreitet. (2) Ueber Halistenima tergestimim. 3 Bei näherer Verfolgung der äussern wie innern Muskelfasern, die sieb von den innerhalb der Stützlamelle auftretenden Fibrillen scharf unterscheiden, war es möglich, das für die quergestreiften Ringfasern des Schwimmsacks gültige Verhältniss auch am Stamm und den übrigen Anhängen bestätigt zu finden, die That- sache, dass die musculösen Faserzüge in der Tiefe des Proto- plasmas von Ectodermzellen erzeugt werden, welche als flaches oder auch mehr cylindrisches Epithel der Faserschicht auflagern. Die Zurückweisung der dem Organismus des Süsswasserpolypen entlehnten Auffassung von sog. „Neu romusk elz eilen" zu Gunsten meiner Auffassung von „Myoblasten", welche mit der Differenzirung von Nervenelementen nichts zu thun haben, wurde zugleich wesentlich durch die innerhalb des Skelets auftretenden Circulärfasern, welche in der Tiefe der den nutritiven Functionen obliegenden Entodermzellen entstehen, unterstützt. Ein anderes , wie ich glaube nicht unwesentliches Ergebniss der vorliegenden Arbeit betrifft die Entwicklungsweise der Schwimm- glocke im Vergleich zur Hydroidmeduse und Acalephe und die Be- deutung der äussern Lamelle des Schwimmsacks als Ge fässplatte nebst Stützlamelle. Die Thatsache, dass die Radiärgefässe nicht durch Ausstülpung einer ursprünglich ein fachen Centralhöhle entstehen, sondern in Folge von Obliterirung der intermediären Felder einer becherförmigen vom Entoderm continuir- lich überkleideten Cavität als Canäle zurückbleiben, und dass die Zellenlage der Intermediärfelder als eine zarte Membran (Gefäss- platte) ausserhalb der zarten Stützlamelle de3 musculösen Schwimm- sacks in gleicher Weise wie beiHydroidmedusen und Acale- phe n nachweisbar bleibt, lässt die nahe Beziehung von Meduse und Polyp in einem noch nähern morphologischen Verhältniss erscheinen, wie sie andererseits eine für die Meduse bislang kaum gekannte G-ewebsschicht , die Gefässplatte und deren Stützmembran zum vollen Verständniss bringt. Endlich glaube ich auf einzelne Details , wie insbesondere die umgekehrte Spiraldrehung an Schwimmsäule und Stamm, die merkwürdige Felderung an dem sackförmigen Stamm der Physo- phora die Aufmerksamkeit gelenkt zu haben, welche im Zusammen- hang mit vielen noch im Dunkeln bleibenden Verhältnissen der Gewebe dazu beitragen werden, das Studium der Siphonophoren und seiner Gewebe von Neuem anzuregen. (3) Dr. C. Claus: Haiistemma tergestinum l), wie ich die aus der Aclria seither nicht bekannt gewordene Agalmide 2) genannt habe, erreicht bei Streckung des Stammes eine Länge von etwa 5 bis 1 0 Zoll, gehört also zu den kleineren Arten dieser Gattung. Die circa 14 bis 20 Mm. lange zweizeilige Schwimmsäule trägt an kleinern Formen jederseits 3 bis 4, an grössern meist 5 bis 7, selten 8 bis 9 Schwimm- glocken und wird von der gestreckt eiförmigen, mit braunen Pig- mentflecken gezierten Luftflasche überragt. (Tat. I, Fig. 1.) Wie bei sämmtlichen Physophoriden , erfährt der gesammte Stamm eine sehr ausgesprochene Spiraldrehung, nach deren Auflösung sämmtliche Anhänge in geradliniger Knospenreihe hintereinander folgen. Die Befestigungspunkte nicht nur der Schwimmglocken, sondern aller nachfolgenden Anhangsgruppen fallen demgemäss in eine Ebene und gehören der von mir als ventralen Seite bezeich- neten Stammfläche an, welche sich im Zustand der Spiraldrehung nach aussen krümmt. Ich weise auf dieses Verhältniss , welches ich, wie die Topographie des Siphonophorenleibes überhaupt im Anschlüsse an R. Leuckart's Angaben über die geradlinige Knospung aller Stammesanhänge3), in meiner Arbeit über Apolemia uvaria4) näher zu begründen versuchte, desshalb an diesem Orte *) C. Claus, Mittheilungen über die Sipkonophoren- und Meduseu-Fauna Triests. Sitzungsberichte der k k. zool.-bot. Gesellschaft in Wien, Tom. XXVI, Februarheft 1876. 2) Wie ich aus R. Leucka rt's Jahresbericht (1874) entnehme, hatMetsch- nikoff in einer russisch geschriebenen Abhandlung (Verhandlungen der k. Gesell- schaft der Freunde der Natur in Moskaii, Tom. VIII) eine kleine, kaum spannenlange Agalmide von Villafranca als Haiistemma pictum beschrieben; es ist die nach- her als Stephanomia pictum bezeichnete Siphonophore, deren Entwicklung M. in der Zeitschrift für wiss. Zoologie Tom. XXIV, 1874, ausführlich behandelt Da für die schraubenförmig aufgewundenen Nesselknöpfe der Besitz eines rudimentären Mantels hervorgehoben wird, handelt es sich möglicherweise um die gleiche Agalmide; indessen vermag ich keine Entscheidung zu treffen, da ich von jener Abhandlung keine Einsicht nehmen konnte. s) Bei der Bestimmung des Begriffes von Rechts- und Linkswindung der Spirale gehen wir am besten von Entstehung und Wachsthum des spiraligen Schneckengehäuses aus. Denken wir uns im Räume des Spiralgehäuses von der Spitze (apex) nach der Basis [Apertur) herabsteigend, so werden wir die Wendung, falls wir der Achse während der Drehung die rechte Seite zuwenden, uns also rechts drehen, rechtsgewunden, im umgekehrten Falle linksgewunden nennen. 4) R. Leuckart, Zoologische Untersuchungen, I. Giessen , 1853, pag. 14, „Die Magenanhänge stehen, wie die Schwimmglocken, beständig in einfacher Reihe (4) Ueber Halistemina tergestinum. nochmals hin , weil inzwischen E. H a e c k e 1 l) in seiner 6 Jahre später publicirten Arbeit über Siphonophorenentwicklung meine Dar- stellung der bilateralen Symmetrie des Siphonophoren- stammes übersehen zu haben scheint, wenn er die gleiche Auf- fassung sogar mit derselben Determination von Rücken- und Bauchlinie nochmals ableitet, ohne des bereits in jenen Arbeiten geführten Nachweises mit einem Worte zu gedenken. Ich consta- tire demnach , dass die Ableitung der bilateralen Symmetrie des Siphonophorenleibes mit dem Gegensatze von Bauch- und Rückenlinie schon lange vor der Haeckel'schen Abhandlung auf jene Arbeiten zurückzuführen ist. Ein Umstand, der sich seither der Beachtung sämmtlicher Beobachter entzogen hat, ganz gewiss aber bei zahlreichen, viel- leicht bei allen Physophoriden wiederkehrt, ist die Umkehrung der Spiraldrehung an Schwimmsäule und Stammes- achse. "Wahrend diese bei Haiistemma im .Gegensatz zu Physophora, hingegen in Uebereinstimmung mit Agalmopsis und Forskalia linksgewunden2) ist {dexlotrop , Delta- und gerader Linie unter einander etc.", sowie: Zur näheren Kenntniss der Siphono- phoren von Nizza; Archiv für Naturg. 1854, pag. 62 des Separatabdrucks „Die Scliwimmglocken stehen am vorderen Ende des Stammes, wo sie in einer einfachen Eeihe hinter einander hervorknospen, obgleich sie in der ausgebildeten Schwimm- säule eine scheinbar sehr abweichende zweizeilige oder spiralige Grnppirung ein- halten . . . ". „In der Regel stehen die Anbänge ohne alle auffallende und regel- mässige Absätze in der ganzen Länge des Stammes untereinander." ') C. Claus, Neue Beobachtungen über Structur und Entwicklung der Siphono- phoren. Zeitsch. für wiss. Zoologie, Tom. XII, Heft 4, 1863, pag. 7, sodann pag. 27. Sind die Siphonophoren radiäre Thiere? „Wenn auch bei den Physophoriden durch die Spiralwindungen des Stammes die Erscheinung einer zwei- oder vielstrahligen Schwimmsäule erzeugt wird, so bleibt die Verth eilung der Anhänge dennoch eine bilateral symmetrische , indem alle Anhänge nach Auflösung der Spirale einseitig linear in eine Ebene fallen, welche man der Median- oder Sagittalebene der seitlich-symmetrischen Thiere an die Seite setzen kann. Wir erhalten daher am Stamme neben dem Oben und unten ein Rechts und Links, ein Vorn (Ventral) und Hinten (Dorsa! . „Bei der Spiraldrehung bleibt dieselbe (Längslinie der Anhänge) auf der convexen Seite, welche wir dessbalb als die vordere oder ventrale bezeichnen können. Der vordem, wenn wir wollen »ventralen Linie gegenüber verläuft über die concaven Biegungen des Stammes eine weniger in die Augen fallende hintere Dorsal-Linie." 2) E. Ha ecke 1, Zur Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren, Utrecht 1862, pag. 12 : „Es erscheint aus mehreren Gründen am naturgemässesten, ebenso bei dem- entwickelten Siphonophoren-Stamme , wie bei dem primären Polypen, aus welchem derselbe hervorgeht, diejenige Seite als die ventrale oder Bauchseite zu be- (5) Dr. C. Claus: spirale Listings), erscheint die Achse der Schwimmsäule um o-ekehrt rechtsgewunden (läotrop , Lambdaspirale Listings) und zwar im Zusammenhang mit der Gegenüberstel- lung der benachbarten Schwimmglocken in der Art eingezogen, dass zwischen je zwei aufeinander folgende Schwimm stücke eine halbe Spiral windung kommt, deren Länge die ausserordentlich lano-o-ezoeene Basis des lamellösen gedrehten Schwimmglocken stiels einnimmt. Die Anordnung der Anhangsgruppen, welche unterhalb der Schwimmsäule an dem langgestreckten linksgewundenen Stamme folgen, entspricht durchaus dem bei Haiist emma rubrum näher bekannt gewordenen Verhältnisse. Im Gegensatz zu Agalma (Oken ü), Stephanomia1) (Amphitritis) und Crystallodes {rigidum \ , deren stark verdickte Deckstücke keilförmig ineinander greifen und eine relativ starre Deckstücksäule erzeugen, bleiben diese hyalinen Anhänge zarte schuppenförmige Blätter, welche trotz ihrer Zahl und dichten Gruppirung kein Hinderniss für die freiere Bewegung des Stammes abgeben, der sich bald zu einer engen Spirale zu- sammenzieht, bald zu bedeutender Länge wieder entrollt. Ein zartes rothes Pigment, das Erzeugniss von Ectoderm- zellen, tritt fast an sämmtlichen Anhängen unserer Haiistemma, und zwar in Form grosser unregelmässig verästelter Flecken auf. Solche Pigmentflecken finden sich an der Achse der Schwimmsäule, ferner an der Basis von Polyp und Taster, sowie am Grund der Ge- schlechtsgemmen, von denen wenigstens die männlichen reich gefärbt erscheinen. Dunkeler und intensiver wird die Pigmentirung an den 2 bis 3 Hauptwindungen der Nesselknöpfe. zeichnen, an welcher die Knospen der Schwimmglocken etc. hervorsprossen. Die Linie, fh welcher ursprünglich diese Knospen hinter einander liegen und welche anfangs longitudinal , erst später spiral gewunden am Stamme herabläuft, ist die Mittellinie der B a uchsei t e etc. Die entgegengesetzte Seite ist die dorsale oder Rücken sei te." ') E. M e t s c h n i k o f f stellt seine Haiistemma pictum in die nächste Verwandt- schaft von Anthemodes canarienis Haeckel und Stephanomia Amphi- tritis Per. Les. und ist sogar geneigt, dieselbe der Gattung Stephanomia (Anthemodes) unterzuordnen. (Siehe E. *Mets ch ni k o ff : Studien über die Entwick- lang der Medusen und Siphonophoren, Zeitschr. für wiss. Zoologie. Tom. XXIV. 1874, pag. 36.) In wie weit er hier die Starrheit der Deckstücksäule als Gattungs- cigenthümlichkeit berücksichtigt, geht aus jener Abhandlung nicht hervor. Ebenso wenig ergeben sich aus Haeckel's mehr schematischer und populärer Darstellung von Anthemodes (vgl. E. Haeckel, lieber Arbeitsteilung in Natur und Menschen- leben, Vorträge von Virchow und Holtzendorff 18ö9, Tom. IV) ausreichende Anhaltspunkte, die Verwandtschaft mit der Triester Form näher zu erörtern. Ueber Haiistemma tergestinum. i Der Stamm. (Lnftkammer, Schwimmsäule, Polypenstock.) Ein Verhältniss, auf das ich zum erstenmal an der Triester Haiistemma aufmerksam geworden bin, das aber aller "Wahr- scheinlichkeit nach auch für andere, ja vielleicht für sämmtliche Physophoriden Geltung hat, ist die bereits oben erwähnte Um- kehrung der Spirale an Schwimmsäule und Stamm. Der Achsentheil der erstem ist in unserem Falle rechtsgewunden, wie die Spirale des Nesselstrangs; der nachfolgende Abschnitt des Stammes, der Polypenstock, dagegen umgekehrt in linksseitiger Spirale (Deltaspirale) gedreht. Wahrscheinlich steht dieser Gegen- satz, welchem nun auch der schrägspiralige Verlauf der Längs- muskelbänder entspricht, mit der Lage des Vegetationspunktes für die Knospen der Deckstücke, Polypen und Taster nebst Genital- träubchen in nothwendigem Zusammenhang. An dieser Stelle scheint unterhalb der Schwimmsäule ein für die Drehung des Stammes indifferentes Internodium gewissermassen eingeschoben, an welchem die Verlängerung des Polypenstockes erfolgt, während die Schwimmsäule unterhalb der Luftkammer am Vegetationspunkte der Schwimmglockenknospen weiter wächst. Histologisch treffen wir am Stamme von Haiistemma, wenn auch in minder mächtiger Ausbildung, die gleichen Schichten wieder, welche ich bereits in meiner frühern Arbeit am Stamme von Apolemia uvaria unterschieden habe. Wahrscheinlich kehren diese Schichten bei allen Physophoriden in ziemlich über- einstimmender Gestaltung wieder. Das äussere Epithel, am contrahirten Stamm in Querfalten gerunzelt, erzeugt eine Schicht quer verlaufender Muskelfasern, welche verhältnissmässig schmal bleiben und meist noch in "ihrem Zusammenhang mit Zellen oder kernhaltigen Protoplasmaresten erhalten sind. (Taf. IV, Fig. 3, E, Mf.) In der Tiefe folgt sodann eine mächtige Lage von Längsmuskelbändern (L. Mf.), welche die Seitenflächen von radiären, aus dem Skeletblatt hervorwuchern- den Lamellen (E,. L.), peripherischen Ausstrahlungen des cylindri- schen Stützblattes (St. L.), in ganzer Länge bekleiden. Diese Länffsmuskelschicht ist es, welcher der Stamm seine ausserordent- liehe Contractilität und die Fälligkeit der Spiraldrehung verdankt, (Vergl. Taf. IV, Fig. 2 bis 6 L. Mf.) An den Ursprungsstellen der grösseren Anhänge, insbesondere der Schwimmglocken und Deckstücke, entsendet die äussere Faser- (7) 8 Dr. C. Claus: schiebt des Ectoderms Ausläufer auf die lamellösen eontractileii Stiele dieser Anhänge, nach, deren Lostrennung jene als ansehnliche Platten, wie aus einer Faltung der Stainmeswandung hervor- gegangen , mit dem Stamme im Zusammenhang bleiben. Die Innenfläche des mächtigen, zwar hyalinen, aber mehr oder minder deutlich fibrillären Stützblattes wird an manchen Stellen, am schärfsten ausgeprägt in dem Luftkammerabschnitte des Stammes, von einer Pingmuskellage bekleidet , welcher die Zellen des Entoderms aufliegen. (Taf. III, Fig. 6, P. Mf.) Genetisch entspricht diese Faserlage auch hier keiner selbstständigen , von dem auflagernden Epithel differenten Zellenlage , sondern der tie- feren, in Fasern umgewandelten Protoplasmaschicht des bewimperten Entodermepitheis. Indem ich auch am Stamm von Haiist emma die allgemeinen Verhältnisse der Structur wiederfinde, welche ich früher bereits für Physophora und A p o 1 e m i a beschrieben habe, vermag ich nach wiederholten Untersuchungen grösserer Physophoriden eine Peine von neuen für das Verständniss nicht unwesentlichen Details hinzufügen. Von besonderem Interesse erscheint mir in erster Linie das Verhalten der mächtigen Zwischenschicht, welche sich als ziemlich fester elastischer Stützapparat des bei der Muskelaction in Spiral- windungen gebogenen Skeletrohrs darstellt. An der von Entoderni bekleideten Innenfläche , je nach dem Contractionszustande in schwächeren oder stärkeren ringförmigen Querwülsten vortretend, erzeugt dasselbe in seiner äussern Peripherie in radialer Anord- nung eine ausserordentlich grosse Zahl schmaler . longitudinaler Lamellen , welche dicht unterhalb der Luftkammer als flache Er- hebungen beginnen , aber schon an der Schwimmsäule eine sehr bedeutende Höhe erreichen, entsprechend den tiefer greifenden Fal- tungen des Blattes von Längsmuskelbändern, welche die Seitenflächen der radialen Lamellen bekleiden. (Taf. IV. Fig. 2, o, 4, 5 E. St.) Auf diese Weise wird die Stützfläche für die Musculatur enorm vergrössert und zugleich die mächtige Ausbreitung und Massen- zunahme der Muskelfasern ermöglicht. Auf dem Querschnitt nehmen sich die Lamellen wie schmale, dicht gestellte Septen aus, welche in die Musculatur einstrahlen und jederseits von einer Peihe rundlicher Körper, den Querschnitten der Längsmuskel- bänder (L. Mf.) bedeckt, ein federförmiges Aussehen bieten. (Fig. 3.) Das Letztere tritt besonders da hervor, wo die Muskelbänder schräg longitudinal verlaufen, also beim Querschnitt in grösserer Länge getroffen sind. (8) Ueber Halisteimna tergestinuni. 9 Die radialen, häufig sich wiederum theilenden Skeletplatten des Physophoridenstammes (Fig. 3) haben somit genau dieselbe Function wie die circulären Falten an der Stützplatte (untere Lamelle des G-aliertschirmes) der Sumumbrella grosser Medusen [RMzostuma, Chrysaora), deren Kingrnusculatur sich in dichten circulären Lamellen r) erhebt , gestützt von entsprechenden plattenartigen Ausläufern der Gallert. Eine wahre Homologie aber besteht mit den äussern radialen Erhebungen, welche das bindegewebige Mesoderm der Actinien 2) in die Muskelmasse der Unterhaut entsendet , an welcher die gleichen Längsmuskelzüge herablaufen. Wir könnten mit demselben Rechte an die Structur der Tentakeln von Lucernaria3) und ebenso an das Bild er- innern, welches die mächtigen Randfäden mancher Medusen, z. B. der Carmarina hastata4) bieten. Dieses letztere (Taf. IV, Fig. 1) wiederholt fast genau in allen Einzelnheiten das Bild vom Quer- schnitt des Physophoridenstamm.es. Da E. Ha e ekel, welchem wir eine genaue Darstellung desselben verdanken, nicht alle Tbeile bestimmt und sicher zu deuten vermag und gerade das Uitheil über die Frage spätem Beobachtern überlässt , ob die dunkeln Fasern der dunkeln Radialblätter) Muskeln und die hellen (der hellen Radialblätter) Bindegewebe, oder ob das Umgekehrte der Fall ist, oder ob beide Faserarten Muskelfasern von verschiede- nem Bau und AVerthe sind , so habe ich mir die Tentakeln von Carmarina nochmals auf Quer- und Längsschnitten näher an- gesehen und mit den Physophoridenschnitten verglichen. Indem ich die eingehende Beschreibung Haeckel's als eine durchaus zu- treffende bestätige , bin ich hinsichtlich der offen gebliebenen Frage1) zu dem unzweifelhaften Ergebniss gekommen, dass die !) C. Claus, Ueber Polypen und Qualleu der Adria, I. Acalephen. Denk- schriften der k. Akademie. Wien 1877, pag. 51. 2j A. v. Heider, Sagartia troglodytes, eiu Beitrag zur Kenntniss der Anatomie der Actinien. Sitzungsberichte der k. Akad. der Wiss., Aprillieft 1877. ?) A. Koro tue ff, Histologie de l'hydre et de la Lucernaire. Archives de Zoologie expeiim , tom. V, Nr. 3, 1876, pag. 381, PI. XV, Fig. 9. 4) E. Haeckel, Beitrag zur Kenntniss der Hydromedusen, 1S6-J, pag. 89— 97, pl. IV. Fig. CO und V , Fig. 61. ) Schon Korotneff schliesst in der citirten Arbeit aus dem Verhalten der Tentakeln von Lucernaria auf die Deutung des Carmarina-Tentakels zurück. „Les faits observes chez la Lücernaire peuvent nous servir ä resoudre cette question: les fibres foneees sont indubitablement musculaires, tandis que les claires sont des derives artificiels de la membran elastique." Selbstverständlich aber bedurfte es zur Veii- fication dieser Verhältnisse einer näheren Untersuchung des Objectes selbe!, die wir bei Korotneff vermissen. 10 Dr. C. Clans: Fasern der hellen Radialblätter, mit der ringförmigen Faserung der Mittelschicht übereinstimmend, lediglich als fibrilläre Differenzirun- a'en der Stützlamelle aufzufassen sind, ähnlich wie auch dasselbe binde- gewebige Gerüst am Siphonophorenstamme eine feine dichte Faserung in sich zu erzeugen vermag, welche eine concentrische und in den Radialblättern radiale Anordnung darbietet (Taf. IV, Fig. 2). Be- handelt man feine Quer- und Längsschnitte mit Carminlösung, so färben sich die hellen radialen Faserblätter nebst der hellen ringförmigen Faserschicht durchaus gleichmässig und sehr intensiv, während die Faserzellen kaum verändert werden ; dagegen färben sich diese durch Hämatoxylin sehr stark. Man überzeugt sich alsdann mit aller Bestimmtheit von der Continuität der Substanz , deren Faserung bei Anwendung einer alkalischen Carminlösung durch Quellung fast vollständig verschwindet. Hiemit ist der Beweis von der Natur beider Gebilde als zusammengehörige Stützsubstanz geführt, und es bleibt kein Zweifel zurück, dass nur die dunkeln Faserzellen, welche sich in einschichtiger zusammenhängender Lage um das zwischen dieselben einstrahlende Stützblatt herum falten, longitudinale Längsmuskeln sind. Quermuskelfasern an der Innen- seite der Stützlamelle fehlen hier vollständig. Fast genau dieselbe Beschaffenheit zeigt nun auch das Skeletrohr mit seinen Radialblättern am Physophoridenstamm. Bei grösseren Formen, wie Physophora, ziemlich dick und in ausserordentlich hohe aber schmale , wiederholt gespaltene Radial- blätter auslaufend (Taf. IV, Fig. 2 und 3) besteht dasselbe aus feinen hellen Fasern , welche an den Radialblättern in longitudi- naler Richtung verlaufen , am ringförmigen Innenblatt dagegen eine circuläre Anordnung einhalten und an vielen Stellen wie zu einzelnen Ringen gesondert hervortreten. Dass es sich bei diesen Fasern nicht um selbstständige , aus Zellen hervorgegangene Elemente, sondern nur um fibrilläre Züge verdichteter Substanz der hyalinen Stützlage handelt, kann man sowohl durch Quellung mittelst Alkalien, als durch Carminfärbung mit Sicherheit nach- weisen. Die ringförmigen Absätze an der Innenseite der Stütz- lamelle sind nichts als kleinere und grössere ringförmige Faltun- gen der Skeletsubstanz, die noch in viel bedeutenderer Stärke am Stamme von Forskalia und Agalma hervortreten, offenbar erst im Zusammenhang mit der bedeutenden Contraction der Muskelwandung hervorgerufen. Die Elemente der Längsmusculatur , welche die Fläche der longitudinalen Faserblätter begleiten , erscheinen als verschieden (10) Teller Haiistemma tergestinum. 11 breite, langgestreckte Bänder mit verjüngtem oder in eine feine Faser auslaufendem Ende (Taf. V, -Fig. 1). Nach Kernresten habe ich bislang an den Längsmuskeln von Forskalia und Haiistemma vergeblich gesucht, wohl aber im Verlaufe der- selben grössere and kleinere Anschwellungen fast regelmässig be- obachtet, die namentlich dann, wenn sie im Querschnitt getroffen sind, bei oberflächlicher Betrachtung leicht den Schein einer kern- haltigen Anschwellung hervorrufen können. Bei Physophora fand ich jedoch zwischen den Längsmuskelfasern rundlich ovale Kerne zerstreut. Dass diese Muskeln in der Tiefe des Ectoderms entstanden sind, bedarf bei ihrer Lage an der Aussenseite der Stützlamelle keines weiteren Beweises, dagegen erhebt sich die Frage, ob dieselben besondern tiefern Ectodermzellen entsprechen, deren Kerne später geschwunden sind , oder ob sie nur losgelöste Elemente von oberflächlich gebliebenen Myoblasten sind, wie wir wohl zutreffender die sogenannten Neuromuskelzellen K leine n- berg's zu bezeichnen haben. Diese Frage wird sich kaum anders als durch Untersuchung jugendlicher Siphonophoren entscheiden lassen, von Entwicklungsstadien aus, an deren Stamm die longitudi- nalen Faserblätter erst als schwache Erhebungen des Stützblattes in der Bildung begriffen sind, während die Muskellage noch einen einfachen Cylindermantel repräsentirt. Indessen möchte doch wohl die erste Ansicht die zutreffende sein. Form und Grösse der Muskelbänder, in deren Peripherie noch reichliche TJeberreste eines feinkörnigen Protoplasmas vorhanden sind , variirt in den verschiedenen Gattungen ausserordentlich. Bei Forskalia er- reichen dieselben die grösste Breite, bleiben aber verhältniss- mässig kurz und laufen an beiden Enden meist in feine Fasern aus (Taf. V, Fig. 1). Viel länger und schmäler erscheinen sie bei Physophora und Agalmopsis, am schmächtigsten end- lich am Stamme der kleinen Haiistemma, Die eiweissreiche Substanz des Bandes, die sich überaus leicht und intensiv in Hämatoxylin färbt, erinnert auch durch die welligen, breite Querstreifen erzeugenden Faltungen an glatte Muskelfasern höherer Thiere. D:e oberflächlich gelegenen Ringfasern des Stammes stehen in der Ptegel den Längsmuskelbändern an Breite bedeutend nach, bieten aber auch wiederum an verschiedenen Theilen des Stammes sowie nach den Gattungen und Arten merkliche Unterschiede. An vielen Stellen sind im Verlaufe der Faserzüge kleine längliche Kerne im feinkörnigen Protoplasma derselben erhalten oder den an 12 Dr. C. Claus: Bändern angefügt (Taf. IV, Fig. 3), so dass ihre Beziehung zu Zellen des Ectoderms bestimmter als bei den longitudinalen Bän- dern nachweisbar bleibt, zwischen denen es mir nur bei Physo- phora gelang, rundlich ovale Kerne aufzufinden. Uebrigens erscheinen die Längsmuskelzüge mit ihren sie stützenden Lamellen an verschiedenen Stellen des Stammes höchst ungleich. An dem obern die Luftblase umfassenden Stammesabschnitt, welchem die radialen Stützlamellen des Skeletrohres ganz fehlen, hat die gesammte Ectodermbekleidung einen so abweichenden Charakter gewonnen , dass es zweckmässig erscheint , dieselbe im Zusammenhang mit dem eingeschlossenen hydrostatischen Apparat vereint darzustellen. An der mit dünner halsartiger Einschnürung beginnenden Schwimmsäule nimmt das Skeletrohr mit seinen anfangs noch niedrigen Radial vorsprüngen und den sie umlagernden Längsmuskel - bändern rasch an Mächtigkeit zu, und zwar nach allen Richtungen — die Ventralseite ausgenommen — in gleichmässiger Ausdehnung. Hier markirt sich auf dem Querschnitt eine unregelmässige krau- senförmige Aufwulstung (Taf. IV, Fig. 2 Kr. W.), an welcher die Schwinimglocken beziehungsweise deren Knospen entspringen. Die- selbe wird vornehmlich durch eine nach aussen vorspringende Wucherung der hyalinen Fasersubstanz des Achsenrohres bedingt, in deren Peripherie die Muskelschicht ihre regelmässige Gestaltung aufgibt. Zwar sind zu den Seiten des Vorsprungs noch niedrige Radialblätter mit entsprechenden Längsmuskelzügen nachweisbar, dieselben verlieren sich aber allmählich nach der Mitte zu , wo die Anhänge hervorsprossen , ziemlich vollständig. In das Innere dieses die Ventrallinie bildenden Skeletvorsprungs erstrecken sich nun von Entoderm bekleidete Ausläufer des Reproductionscanals, weite gefässartige Nebenräume (Fig. 2 Gr.cj , welche wiederum nach der Peripherie engere Abzweigungen entsenden und durch diese mit dem oberflächlichen Ectodermbelag fast in Berührung treten. An solchen Stellen des ventralen Wulstes erheben sich die Schwimmglücken und am oberen Ende der Schwimmsäule die jungen Knospen, deren Wandung aus den beiden bekannten, nur durch eine zarte Stützlamelle getrennten Zellenlagen besteht und eine Verlängerung der gefässartigen Nebenräume des Reproductions- canales einschliesst. An dem langgestreckten Abschnitt des Stammes, welcher auf die Schwimmsäule folgt, erscheint bei Forskalia, Agalmopsis, (12) Ueber Haiistemma tergestinum. 13 Halistemma etc. die Muskelscliicht nebst der zugehörigen Lage von radialen Skeletlamellen dorsalwärts ungleich mächtiger (Taf. IV, Fig. 4); rechts und links werden dieselben ganz symmetrisch allmählich weit niedriger, bis sie an der Bauchseite durch die breite krausenförmige Aufwulstung (Kr. W.), deren Seiten sie noch umkleiden, mehr und mehr schwinden. An dieser ventralen Erhebung, der Knospenlinie für Magenschläuche, Taster und Deck- stücke etc., wiederholt sich im Allgemeinen das für die Schwimm- säule bereits Hervorgehobene. Da wo am langgestreckten Stamme wie bei Apolemia uvaria die Anhänge büschelweise zusammengedrängt entspringen und von den benachbarten Anhangsgruppen durch lange nackte Internodien des Stammes geschieden sind, scheint an diesen letzteren der ventrale Wulst solid zu bleiben und der Grefässausstülpungen J) des Reproductionscanales innerhalb der verdickten Skeletsubstanz zu entbehren. Ich bin jedoch seither nicht in der Lage gewesen, die hier bestehenden eigenthümlichen Verhältnisse der Structur im Ver- gleiche zu den beschriebenen nochmals zu untersuchen. An dem blasenförmig erweiterten Stammabschnitt von Physophora. welcher bekanntlich eine, einzige und zwar rechts gewundene Spiralwindung (Lambdaspir ale) bildet, deren ein- gezogene Dorsale der tiefen Einbuchtung des Sackes entspricht, scheinen die Radiarlam eilen und Längsmuskelbänder beim ersten Blick vollständig zu fehlen, während das Ectodermepithel den Charakter grosser, mit Körnchen gefüllter Drüsenzellen darbietet (Taf. III, Fig. 5). Die genauere Beobachtung zeigt uns jedoch, dass eine höchst zierliche Zeichnung, welche längs der äusseren Curvatur oberhalb und zwischen den Insertionsstellen der Tentakeln hervor- tritt, Muskelzüge zum Ausdruck bringt, auf deren Wirkung die Contractionsfähigkeit des Sackes vornehmlich zurückzuführen ist. Merkwürdigerweise aber ist dieses überraschend scharfe Bild an der Wandung des blasigen Stammes von fast sämmtlichen früheren Beobachtern übersehen, jedenfalls aber von Keinem seiner Bedeu- tung nach näher gewürdigt und verstanden. In der jüngst veröffentlichten Beschreibung der Physo- phora2) bore aus, die übrigens mit der mittelmeerischen Ph. *) Vergl. C. Claus, Neue Beobachtungen über Siphonophoren eto., Zeitschrift für wissenscb. Zoologie, Tom. XII, 1863. Taf. 44, Fig. 1 und 2. 2) Fauna littoralis Norvegiae, Part 3. Bergen 1877, Taf. V, Fig. 1, 2, 5, 6. (13) 14 Dr. C. Claus: hydrostatica Forsk. l) (Philippii Köll) identisch ist, haben J. Koren und D. C. Danielssen einen Theil des Bildes als polygonale Felder im Umkreis der Tentakel-Insertionen (der oberen Reihe) znr Darstellung gebracht, ohne für denselben jedoch eine Deutung versucht zu haben. Untersuchen wir aber die Felderung genauer, welche die gesammte Randfläche der nierenförmigen Blase umgreift, so finden wir, dass es sich um eine fast ringförmig angeord- nete Reihe von ungleich grossen, im Allgemeinen oblongen Rähm- chen handelt, deren kürzere Seiten auf der oberen und unteren Fläche des Sackes in convexen Bogen vorspringen (Taf. III, Fig. 1 und 3). Die Umrisse der Rähmchen sind durch schmale leisten- ähnliche Vorsprünge des Skeletblattes erzeugt, welche den feinen Cuticularspangen im Panzer der Gliederthiere verglichen werden können und in der That auch eine Art Stützapparat herstellen. Zum Verständniss desselben ist nothwendig vorauszuschicken, dass die grossen Tentakeln des äusseren Kreises nahezu in der Mitte jener Felder entspringen, so dass je ein Tentakel von einem Rähmchen umfasst wird ; die kleineren Tentakeln der zweiten, wohl niemals vollzählig entwickelten Reihe inseriren sich mit jener alternirend ausserhalb der erwähnten oberen Felderreihe und entspringen merklich tiefer etwas unterhalb der ausspringenden Winkel von zwei benachbarten Feldern. An dem grösseren mir vorliegenden Exemplare der Messinesischen Physophora (Taf. III, Fig. 1 — 2) sind die Ansätze der auffallend klein gebliebenen Tentakeln der zweiten oder unteren Reihe (Taf. III, Fig. 2 T. A.) etwas weiter in die Mitte eines kleinen, nach unten nicht weiter umrahmten l) Als Unterschiede von Pli. hydrostatica wird im Grunde nur die Form der Pneumatophore und die Gestaltung der oberen Fläche des sackähnlich erweiterten Stamniesabschnittes hervorgehoben. Die Pneumatophore erscheint an ihrem oberen Ende mehr zugespitzt , an ihrer unteren Partie stärker aufgetrieben, eine an und für sich unmöglich zur Begründung von Artverschiedenheiten ausreichende Abweichung, in Wahrheit aber selbst Modiflcationen unterworfen, denn die Pneuma- tophore eines kleineren Exemplares, welche auf Taf. VI, Fig. 2 abgebildet ist, stimmt fast genau mit der Gestalt dieses Abschnittes von Ph. hydrostatica. Zudem ist die Wandung der Pneumatophore contractu. Das zweite Unterscheidungs- merkmal, auf welches der grösste Werth gelegt wird, existirt aber überhaupt nicht ; bei Ph. hydrostatica ist weder die Peripherie des sackförmigen Stammes nahezu kreisförmig, noch die Furche oder Incisur schwach und schmal, sondern verhält sich fast genau, wie bei der nordischen Form. Auch hier erscheint die Incisur tief und weit gerundet und veranlasst nahezu die Gestalt einer Niere mit längerer und kürzerer Vorwölbung. Jene bezeichnet das rechtsseitig vom Hilus gelegene untere Stammes- ende und trägt die ältesten Anhangsgruppen, diese trägt die jüngsten Polypen und Taster und endet am Eingang des Hilus mit dem Vegetationspunkt. dl) lieber Halisternma tergestimim. 15 Feldes gerückt. Nur an einer einzigen Stelle erscheint dieses Feld (Fi°-. 1,7') ("zwischen Feld 6 und 7 der oberen .Reihe) durch frühzeitiges Auseinanderweichen der beiden Nachbarfelder weiter aufwärts verlängert. An dem zweiten etwas kleineren Exemplare sind die oberen Felder in geringerer Zahl und bedeutenderer Grösse vorhanden, dagegen treten die unteren Felder zahlreicher als dort und vollstän- diger ausgebildet in der Umgebung der unteren, ebenfalls grösseren Tentakeln in einem wenn auch unvollzähligen mit dem oberen alternirenden Kreise (Taf. III, Fig. 4, 6' bis 14') auf; während die Felder der oberen Reihe öseitig werden,, erhalten diese spitzwink- lig zwischen je zwei der oberen Reihen in einander greifend, eine mehr minder regelmässig 3seitige Umschreibung mit convex vorspringen- der Unterseite. Wir beobachten somit an zwei Physophoraexemplaren. deren Artidentität keinem Zweifel unterworfen sein kann, so verschie- dene Verhältnisse des Feldernetzes und der Ausbildungsgrade der zweiten Tentakelreihe, dass wir beide Exemplare gewiss für spe- cifisch verschieden halten würden, wenn dieselben von verschiedenen Oertlichkeiten oder gar aus entfernt gelegenen Meeren stammten. An den nordischen Physophoraformen , welche von Koren und Daniels sen in Fig. 1 — 6, Taf. V des citirten Werkes abgebildet worden sind, scheint wie im letztern Falle eine Doppelreihe von Feldern und von grossen Tentakeln vorhanden gewesen zu sein. Aufschlüsse über die Entstehung der Felder werden wir von dem Verhalten des Stammes und seiner Knospen am Vegetations- punkte zu erwarten haben. Bislang ist diese Stelle des Physophora Stammes, die bei allen von mir beobachteten Exemplaren an der linken Seite der Einbuchtung (welche ja der Dorsalseite entspricht) gelegen ist, wie es scheint, von keinem Beobachter näher unter- sucht worden. An derselben verjüngen sich nach dem Vegeta- tionspunkte zu sowohl die Felder als die denselben zugehörigen, merklich näher zusammengedrängten Anhänge, nicht nur die Ten- takeln, sondern auch die entsprechenden Doppelgrtippen von Geschlechtsträubchen, sowie die am weitesten abwärts und central- wärts gerückten Polypen. Endlich folgen auf das kleinste noch erkennbare Feldchen kleine neben einander gedrängte Anhänge, von denen man die äussern als junge Tentakeln , die innern als junge Polypen mit der kranzförmigen Anlage des Senkfadens zu bestimmen vermag. Auch die Anlagen der Genitalträubchen sind als zwischenliegende Knospen bereits nachweisbar. Nach diesem Befunde kann es keinem Zweifel unterliegen, dass mit dem fort- 16 Dr. C. Clans: schreitenden Wachsthum die zunächst an das kleinste Feldchen anstossenden Anhangsgruppen von je einem Polypen, einer Genital- doppelknospe und einem, beziehungsweise zwei Tentakeln, so ziem- lich in der gleichen Querebene auseinanderrücken, und dass gleich- zeitig im Ectoderm und Stützgewebe die DifFerenzirung eintritt, welche zunächst im Umkreis des äussern und später eventuell auch in der Umgebung des zweiten kleineren Tentakels das beschriebene Feld zur Anlage bringt. An dem zweiten Exemplare von Physophora sind nur in dem mittleren und jüngeren Theil der Spirale 9 grosse Felder des zweiten Kreises gebildet und dem entsprechend die zugehörigen Tentakeln zu bedeutender Grösse ausgebildet worden. Die Anhänge sind im Allgemeinen in der Weise gruppirt, dass je ein äusserer Tentakel und ein Doppel- anhang der Geschlechtsträubchen dem gleichen Radius zugehören, während die Tentakeln der zweiten Reihe mit je einem Polypen in den alternirenden Radien liegen. Von den Geschlechtsträubchen liegt das männliche stets an der innern Seite dem Polypen zugewendet, das weibliche nach aussen dem Tentakel kreis 3 zuge- kehrt, genau wie in der von Gegenbau r gegebenen Zeichnung von S t e p h a n o s p i r a, :) Nach dem dargelegten Verhältniss der von erhabenen Leist- chen umschriebenen Felder zu den Ansatzstellen der Tentakeln, welche unter wurmförmigen Bewegungen tastend die Geschlechts- träubchen und Magenschläuche überdecken, liegt eine directe Be- ziehung jener eigenthümlichen DifFerenzirung der Stammeswand zu der Function der Tentakeln nahe. Die histologische Untersuchung ergibt mm , dass auch die Ectodermbekleidung ausserhalb und innerhalb jener Felder einen ganz verschiedenen Charakter dar- bietet. Der Aussenseite, das heisst der von dem Felde abgewendeten Seite des vorspringenden Rähmchens liegt ein verdicktes Epithel nebst einer tieferen Schicht von Fasern (Taf. V, Fig. 4 und 5 Fa) an, welche an der oberen Fläche des sackförmigen Stammes durchaus fehlen. Hier erscheint das Ectoderm als ein Belag flacher, grosser, ganz mit Körnchen erfüllter drüsenähnlicher Zellen , in welchen ') In dem Texte von Gegenbau r's Arbeit freilich findet sich die umgekehrte Angabe für Stephanospira im Gegensatze zu Physophora. Koren und Danielssen haben diese aber bereits, wie ich glaube, durchaus zutreffend zurück- gewiesen und auch mit vollem Rechte die von Gegenbaur als kurze Magen- schläuche oder Polypen gedeuteten Erhebungen auf die etwas emporgehobenen Ansatzstellen der letzteren zurückgeführt. Die Ansatzstellen aber der abgefallenen Tentakeln scheinen Gegenbaur nicht zur Sicht gekommen zu sein. (16) Feber Haiistemma tergestinum. 17 nach Häntatoxylinfärbung ein relativ kleiner Kern sichtbar wird (Taf. III; Fig. 5). Die Fläche des Feldes selbst wird dagegen von einer ganz andern Formation von Zellen überkleidet (Taf. V, Fig. 2), deren Protoplasma nur an der Oberfläche und im Umkreis des grossen Kernes feinkörnig geblieben ist, in der Tiefe dagegen eine zarte, zusammenhängende Faserschicht erzeugt hat, welche ich ebenso wie die stärkere peripherische Faserung ausserhalb der Rähm- chen für musculös halten muss (Taf. V, Fig. 5 und 6 Fa). Demgemäss würde die Contractilität des Sackes ihren vornehmlichen Sitz im Um- kreis der Tentakelinsertionen haben, und hierdurch die in der That bestehende Erscheinung erklärt werden, dass die Tentakeln ein- ander genähert werden können. Eine Bedeutung der Feldercoiitouren als Gefässräume oder Leitungswege der Ernährungsflüssigkeit, an die man denken könnte, erscheint bei einer solchen Structur voll- ständig ausgeschlossen. Möglicherweise aber sind zwischen den Muskelfasern, welche die Aussenseite der Rähmchen in der Tiefe der Ectodermbekleidung umgürten , auch Ganglienzellen und Nervenfibrillen enthalten. Jedenfalls begegnen wir hier eigenthümlichen und schwer zu unter- suchenden Gewebselementen , über deren Natur und Bedeutung an den beiden mir zur Disposition stehenden Osmium - Carmin- präparaten von Physophora ich nicht völlig ins Klare kommen konnte. Die Faserzüge , welche das Rähmchen des Feldes um- gürten, gehören entschieden einer besonderen tieferen Zellenlage an, wie auch die kleineren länglichen Kerne zwischen denselben be- weisen , welche von denen des aufliegenden Epithels verschieden sind (Taf. V, Fig. 5). Da wo die Seiten zweier benachbarter Rähmchen sich einander nähern, um in radialer Richtung von nur schmalem Intervall getrennt, neben einander nach der Unterfläche des Sackes herabzuziehen, treten die entsprechenden Faserzüge zusammen und bekleiden den Boden einer Rinne (Fig. 6 Fa), deren Ränder von den Skeletleisten (L.) und deren hohem, einwärts vor- springendem Epithelbelag (Ect.) gebildet werden. In dem Boden der Rinne heben sich einzelne, in zarte Fasern auslaufende Zellen schärfer ab, die eine unverkennbare Aehnlichkeit mit Ganglienzellen haben und auffallend an die meist multipolaren Zellen in der Subumbrella der Acalephen erinnern, welche ich dort als motorische Ganglienzellen gedeutet habe. Dazu kommen endlich noch die kolossalen eiförmigen Nessel- kapseln (Taf. V, Fig. 4 Nk), welche an diesen Stellen in der Peripherie der Rähmchen bald vereinzelt, bald gruppenweise vertheilt liegen Claus. Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 2 tl7> 18 Dr. C. Claus: und als mächtige Schutzeinrichtungen darauf hinweisen, dass hier zarte, schutzbedürftige und bedeutungsvolle Gewebselemente ver- laufen. An der unteren, das heisst von der Schwimmsäule abgewendeten Fläche des sackförmigen Stammabschnitts nimmt der Epithelbelag einen etwas abweichenden Charakter an, indem das Protoplasma der Zellen zwar auch noch eine reiche Menge von Körnchen um- schliesst, aber auch bereits Fasern erzeugt, die in der Nähe vom Polypen und Greschlechtsträubchen vorwiegen und zu den Faser- zellen führen, welche im Umkreis der strahlig gefalteten Ursprungs- stellen jener Anhänge als Längsmuskeln auf diese letzteren über- treten. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, ob das Entoderm des Sackes Muskelfasern erzeugt, deren Vorhandensein an der Innenfläche der Luftkammerwand am bestimmtesten erkannt wird. In der That beobachtet man, dass auch die Entodermzellen des Sackes in der Tiefe ihres Plasmas eine Schicht feiner Fasern gebildet haben , welche transversal, also ringförmig verlaufen und sich mit den Faserzügen des Ectodermbelags etwas schiefwinklig kreuzen (Taf. V, Fig. 3). Dieselben sind mit den hyalinen Fibrillen der Mesodermplatte und ihrer longitudinalen schwachen Radialblätter nicht zu verwechseln. Eigenthümliche Abweichungen erfährt die Structur des Stammes an dem apicalen, oberhalb der Schwimmsäule hervor- ragenden Abschnitt, welcher einem birnförmigen Aufsatze ähnlich, als Luftkammer (P n e u m a t o p h o r e) den hydrostatischen Apparat umschliesst. Morphologisch war dieser complicirte Abschnitt im Allgemeinen schon längst wohl verstanden a), so dass die entwick- lungsgeschichtlichen Resultate, welche wir neuerdings insbesondere Metschnikoff verdanken , kaum mehr als eine Bestätigung der aus den anatomischen Befunden abgeleiteten Auffassung zu geben im Stande waren. Von fast allen 2) Beobachtern wurde der hydro- statische, im Innern des Stammesaufsatzes suspendirte Apparat für eine Duplicatur der äusseren Leibeswand mit eingelagerter Luft- blase erklärt, und ebenso waren die meisten Beobachter darüber 1) R. Leuckart, Zur näheren Kenntniss der Siphonophoren von Nizza, pag. 315. C. Gegenbaur, Beiträge zur näheren Kenntniss der Schwinimpolypen pag. 43. C. Claus, Ueber Physophora hydrostatiea 1. c. Th. Huxley 1. c. pag. (j. 2) Allerdings mit Ausnahme von M. Edwards und Leuckart, nach welchen der Luftbehälter an seinem unteren offenen Ende mit dem Reproductions- canal communiciren sollte. (18) Ueber Halisteinma tergestinum. 19 einig, dass die mit Luft gefüllte unten geöffnete Flasche von der sackförmigen Einstülpung der Stammeswand umlagert wird, nach dem Reproductionscanale hin aber vollständig abgeschlossen sei. Dieses von Gegenbaur bei Rhizophysa, von Huxley bei Rhizophysa, P h y s o p h o r a und A g a 1 m a und von mir bei Physophora, Forskalia. Agalma dargelegte Verhältniss habe ich später l) bei Gelegenheit nochmaliger Nachuntersuchung bestätigt gefunden und die im Innern der Luftkammer befindliche offene Luftflasche mit spröder structurloser Wand von dem dieselbe umlagernden und nach der Productionshöhle hin ab- schliessenden Luftsack scharf unterschieden. Metschnikoff hat im Gegensatz zu H a e c k e 1 , 2) welcher die chitinige Luftflasche als Ausscheidungsproduct des Entoderms betrachtet und die primitive Gastro vascularhöhle direct in den inneren Raum der Luftsackanlage übergehen lässt , gezeigt, dass die Luftflasche von einer Ectodermeinstülpuug erzeugt wird, welche zugleich das Entoderm in den Centralraum vor sich her treibt. Unter solchen Umständen ist die Anlage des Luftapparats dem Knospenkern der Schwimmglocke an die Seite zu stellen . keines- wegs aber, wie es Metschnikoff thut . einer umgestülpten Schwimmglocke gleichwerthig zu setzen. Wohl würde man dem Entwicklungsmodus entsprechend die gesammte Pneumatophore als eine Art Schwimmglocke betrachten können, deren Knospenkern einen Epithelialbelag nebst innerer Cuticularmembran und Luft- höhlung anstatt des Muskel epithels eines vorn geöffneten mit Was- ser gefüllten Schwimmsacks erzeugt. Wir würden dann weiter die zwischen Luftsack und Pneumatophorenwand befindlichen, durch Septen getrennten Canäle den Radiärgefässen gleichwerthig erachten, deren Zahl freilich keine constante bleibt. Bezüglich des Luftsacks, an dessen Bildung das Entoderm als Ueberkleidung eine wesentliche Rolle spielt , habe ich meiner früheren Darstellung hinzuzufügen, dass sich an der Wand des- selben auch die hyaline Stützlamelle der Stammeswand 1) C. Clans, Neue Beobachtungen etc. 2. Ueber die Structur und Bedeutung des Luftsacks. 2) E. Ha ecke 1. 1. c. pag. 16, 22. 23. Wenn ich selbst früher an Physopho- ridenlarven durch die scheinbare Selbstständigkeit der Zellen der Luftsackwandung verleitet wurde, an der Entstellungsweise des Luftapparates durch Einstülpung von der Stammeswand zu zweifeln, so muss ich doch bemerken, dass diese Entwicklung? Stadien viel zu weit vorgeschritten waren, um einen gicheren Rückschluss auf die Entstehungswei.se zu gestatten. 2 * (19) 20 Dr. C. Claus: wiederholt und direct durch das hyaline Gewebe der ebenfalls vom Entoderm überkleideten Septen mit jener in Verbindung steht. Bei Physophora finde ich ebenso wie bei Agalmopsis und Haiistemma in der Regel acht solcher Scheidewände mit ent- sprechenden Kammern vor, während ich an der Luftkammer von Forskalia nur fünf Septen gebildet sehe. Ich beschrieb deren früher sechs. Indessen kommen thatsächlich in der Zahl der Septen und Kammern sogar innerhalb derselben Art Abweichun- gen vor, wie ja an einem Exemplare der borealen Physophora von Koren und Danielssen 9 Radialstreifen _ (als Ausdruck der Septen) als Eigenthümlichkeit dieser vermeintlichen Art be- schrieben worden sind. Ich linde bei der zweiten hier näher besprochenen Physophora sogar 10 Septen vor und halte diese Differenzen Angesichts der bei verschiedenen Gattungen auf- tretenden Unterschiede in der Septenzahl um so begreiflicher, als wir ja auch am Mantel der medusoiden Genitalgemmen Schwan- kungen des Gefässverlaufes beobachten und anstatt I zuweilen 3 oder 5 Radialgefässanlagen antreffen. Stellen wir die specielleren Structurverhältnisse für die ein- zelnen Theile der Luftkammer fest, so stellt sich die Wand der Luftfiasche als eine spröde , unregelmässig streifige , von vielen Beobachtern geradezu chitinös genannte Membran mit aussen an- liegendem flachen Epithel dar, von welchem sich bei Physophora nur die grossen Zellkerne deutlich erhalten haben. Reste einer inneren Epithelbekleidung habe ich vergeblich gesucht und muss demnach annehmen , dass die inneren Zellen des Knospen- kerns vielleicht schon beim Auftreten der Luftblase im Larven- körper zu Grunde gingen, — wie denn auch in der That bereits früher von mir das Vorhandensein einer spärlichen mit Körnchen durchsetzten Flüssigkeit in der unteren Partie des Luftsackes nachgewiesen wurde — und dass entweder dieser aus der äusser- sten Schicht der Ectodermknospe hervorgegangene Epithelbelag die Luft absondert , oder dass es die Entodermzellen des unteren gegen die Mündung der Luftflasche a) zugewendeten Theils des ') Die Thatsaclie, dass man bei mikroskopischer Untersuchung der vom Stamme abgeschnittenen Luftkammer durch den Druck des Deckgläschens in einzelnen Fällen Luft am apicalen Pole auspresst, erkläre ich mir, da sie Ausnahmsfall, nicht Segel ist , durch die Annahme einer künstlich durch den Druck erzeugten Berstung der Wandung am Apicalpole. In der Regel weicht, wie ich von Neuem wiederholt beob- achtet habe, die Luft in den unteren Abschnitt des Luftsaekes , den sie alsdann blasenförmig auftreibt. (20) UeV.er Haiistemma tergestmum. 21 Luftsackes sind . welche die Luftsecretion in die dem Luftsack hermetisch anliegende Luftflasche besorgen. Die letztere Ansicht ist nicht nur durch die eigentüm- liche, von mir bereits früher beschriebene Beschaffenheit der Epi- thelialbekleidung des unteren geschlossenen Luftsackabschnittes, sondern auch durch das von Gegenbaur bei Rhizophysa filiformis beobachtete Verhalten unterstützt worden. Denn wahrscheinlich sind doch die Zöttchen - ähnlichen Vorsprünge, welche hier die Wandimg des Luftsackes in den Reproductions- canal entsendet, nichts als Faltungen der drüsigen Wand, die sich bei stärkerer Füllung des Luftsackes mehr und mehr ebnen würden. (Vergl. das von Huxley untersuchte Exemplar.) Indessen ist dieser Vorstellung wiederum das Vorhandensein einer besonderen Stützlamelle des Luftsacks nicht günstig, Eine normale Ausmündung des oberen Luftflaschenendes durch einen apicalen Porus der Stammeswand muss ich nach wie vor für die von mir untersuchten Physophoriden zurückweisen- da. wo eine solche beschrieben worden ist, halte ich dieselbe für künstlich oder doch jedenfalls erst secundär entstanden. An der Wandung der Luftkammer , welche dem obersten Abschnitt der Stammeswand entspricht, haben übrigens die Gre- webselemente eine besondere, von den übrigen Theilen des Stammes abweichende Beschaffenheit gewonnen. Vor Allem treten die hyalinen Radialblätter mit ihren Längsmuskelbändern zurück und die glatte Oberfläche der dünnen Stützlamelle wird von zarten Längsfasern bedeckt (Taf. III. Fig. 7), deren aufliegendes Epithel sehr verschiedene Zellelemente in sich einschliesst. Die bei weitem vorwiegende Zahl der Zellen mit grossem Kerne (IL Z.) steht im directen Zusammenhang mit den unterliegenden Longitudinalfasern, deren Myoblasten sie darstellen, spärlich nur treten die grossen unregelmässigen Körnchenzellen (K. Z.) auf. Dagegen finden sich kleine mit unregelmässigen Fortsätzen versehene Zellen, die theil- weise an Bindegewebszellen erinnern und deren Faserausläufer mehr oberflächlich nach verschiedenen Richtungen divergiren. Unter diesen Zellen gewinnen jedoch einzelne durch die Beschaffen- heit ihrer zarten langen Ausläufer eine gewisse Aehnlichkeit mit Ganglienzellen. Endlich dürften grosse, zum Theil blasige Lücken (L.), theils auf den Ausfall von Cnidoblasten (Nesselkapselzellen), theils auf grosse Vacuolenzellen zurückzuführen sein. Die innere aus dem Ectoderm entstandene Bekleidung der Luftkammerwand besteht aus einer Lage von Ringmuskelfasern 22 Dr. C. Clans: mit anfliegendem grosskörnigem Epithel (Taf. III, Fig. 6). Da wo von den Stützlamellen die Septen entspringen, welche im Umkreis der Lnftflasche die Wandung des Luftsackes tragen, setzt sich die Epithelialbekleidung auf die Septen fort, ohne jedoch an diesen Muskelfasern zu erzengen. In gleicher Weise ist wiederum die Aussenfläche des Luftsackes von Ectoderm überkleidet, das in der Umgebung des unteren offenen Luftflaschenendes eine als Sphincter fnngirende Ringmuskellage zur Ausbildung bringt. Endlich habe ich hervorzuheben, dass bei grösseren Physophoriden, wie P h y- sopliora nnd Agalmopsis die von Entoderm bekleideten Septen selbst wieder weite oder enge Gefässräume in sich bergen. Da mir jedoch kein umfassendes und namentlich für genauere Untersuchung dieser Binnenräume und ihres Beleges genügend conservirtes Material zu Gebote stand, muss ich gegenwärtig auf ein eingehenderes nnd erschöpfenderes Bild von dem Baue dieses merkwürdigen Stammesabschnittes verzichten. Die Schwimmglocken. Die Schwimmglocken, welche schräg abwärts zur Achse des Stammes geneigt, diese mit zwei Fortsätzen umgreifen , erreichen bei Haiistemma tergestinum etwa eine Länge von 3 bis 31/2 Mm. bei ziemlich derselben Breite. Ihre Verbindung mit der Stammesachse wird durch einen lamellösen, schwach contractilen Stiel vermittelt, auf dessen Wand oberflächliche Muskelfasern des Stammes übertreten. Nach dem oberen Pol und ebenso nach dem \interen Ende der Schwimmsäule werden sie in der Regel merklich kleiner, so dass auffallender Weise die mittleren Schwimmglocken den grössten Umfang erreichen , die doch den weiter abwärts ge- legenen an Alter zurückstehen. Dem bilateral-symmetrischen Baue entsprechend, werden wir im Anschluss an bereits früher gebrauchte Bezeichnungen die dem Stamme zugewendete Schwimmglockenfläche als hintere oder dor- sale, die gegenüberliegende, frei nach aussen vorragende als vordere oder ventrale unterscheiden, während die aufwärts nach der Luftfläche zugekehrte Seite als obere, die entgegengesetzte als untere bezeichnet werden soll. Die Configuration der Dorsalfläche wird durch das Auftreten zweier kegelförmiger Gallerterhebungen bestimmt , in welche sich zwei nach hinten gerichtete Nebenräume des Schwimmsacks hin- einerstrecken (Taf. I , Fig. 5 und 5' Kf.'i. Diese nach der Median- (22) reber Haiistemma tergestintnn. 23 ebene der Schwimmglocke einwärts eingebogenen Fortsätze, welche auch bei den anderen Agalmiden mit zweizeiliger Schwimmsäule wiederkehren, nehmen von rechts und links den Stamm zwischen sich und liegen von beiden Seiten alternirend wie eingekeilt ein- ander an (Taf. I, Fig. 2). Zwischen beiden Keilfortsätzen er- hebt sich noch eine massige Aufwulstung mit rinnenartiger Im- pression, in welcher der Achsentheil der Schwimmsäule unmittelbar anliegt. An der oberen Fläche bildet die Schwimmglocke eine massig gewölbte Erhebung (Of). in welcher das obere Mantelgefäss endet, aber auch nach abwärts setzt sie sich in einen schwach gewölbten Vorsprung mit dem Ende des unteren Mantelgefässes fort (Taf. I, Fig. 3 und 6). Nicht minder complicirt gestaltet sich die Oberfläche der Ventralseite, über welche mehrere kantig vorspringende Erhebun- gen (Fig 4 Vk1 und Vk2) in paarig symmetrischer Grwppirung nach der ganz am unteren Ende gelegenen Schwimmsackmündung herablaufen. Dazu kommt noch eine schwach ausgebuchtete, nicht minder prominirende Seitenkante (Sk). welche auch für die dor- sale Fläche die seitliche Begrenzung bezeichnet und mit jener am oberen medianwärts durch das innere Paar der Ventralkanten tief ausgebuchteten Vorderrande zusammen trifft. Der untere, flach abgestutzte Theil der Ventralseite umfasst den kurzen Schlund des Schwimmsackes mit der fast 3seitig gerundeten Mündung, welche bei der ansehnlichen Breite des musculösen, mit zwei seit- lichen Zapfen (Fig. 6 z) verbundenem Velums verhältnissmässig eng genannt werden kann. Die räumliche Gestaltung des Schwimmsacks entspricht im Allgemeinen der Contiguration der Oberfläche, indem sich in die umfangreichen Fortsätze der Mantelsubstanz auch Ausläufer der ersteren, Nebenräumen gleich, hineinerstrecken und beide Seitenhälf- ten durch eine mehr oder minder ausgesprochene Einbuchtung, welche den Eingang in den dorsalen Nebenraum bezeichnet, abgegrenzt sind (Fig — 5). Der Mündung gegenüber markirt sich am oberen Ende eine mediane kuppeiförmige Erhebung im Grunde des Schwimmsacks. Die Befestignngsstelle der Schwimmglocke mit ihrem Stiel, dem lang ausgezogenen lamellösen Fortsatz des Stammes, liegt ziemlich genau zwischen den dorsalen Kegelfortsätzen und wird durch den Eintritt des Stielgefässes bezeichnet, welches nach Abgabe des oberen (Taf. I, Fig. 6, OMg.) und unteren (UMg.) oberflächlichen Mantelgefässes in der Tiefe die 4 Schwimmsackgefässe a^g^t (23) 24 Dr. C. Claus: Die beiden medianen Gefässe verlaufen geradlinig, das untere (USg.) an der Dorsalseite , das obere (OSg.) an der Dorsalfläche aufsteigend, zugleich über die ganze Ventralfläche. Die beiden Seitengefässe bilden je zwei symmetrische Doppelschlingen , von denen die innere (der Medianebene zugewendete l den hinteren Xeben- raum des Schwimmsacks von innen auswärts emporsteigend um- zieht, und ausschliesslich der Dorsalfläche angehört (Fig. 3), die viel grössere äussere die Seitenhöhle des Schwimmsacks versorgt, mit ihrem aufsteigenden Schenkel lateral fast unterhalb der Seiten- kante (Fig. 4 und 5), mit dem absteigenden Schenkel an der Ventralseite in der Nähe der äusseren Ventralkante verläuft (Fig. 6). Das Ringgefäss wiederholt natürlich die (rundlich) Sseitige Form der Schwimmsackmündung. Bezüglich des feinen Baues gilt für die Schwimmglocke von Haiistemma dasselbe, was ich bereits für Physophora und Agalma hervorgehoben habe. Das zarte äussere Plattenepithel, welches an den kantigen Erhebungen , sowie besonders an den Vorsprüngen nahe der Schwimmsackmündung Nesselkapseln er- zeugt , bedeckt die hyaline structurlose Mantelsubstanz . in der weder zellige Einlagerungen noch auch die feinen elastischen Fasern auftreten, wie ich sie bei Physophora nachweisen konnte. Letztere sind offenbar dieselben Gebilde, welche imAcalephen- mantel von Max Schultze als elastische Fasernetze beschrieben und seitdem auch in der Gallertsubstanz von Craspedoten, z. B. Ca r- marina, Sarsia, wenn auch in einfacherer Form beobachtet wurden. Die complicirte Structur des Schwimmsacks treffen wir auch hier wieder, wenngleich sich das mit Kernen besetzte äussere Blatt, die Stützlamelle, bei Haiistemma nicht so deutlich als selbst- ständige Membran von der Muskelhaut abhebt und nur an den von aussen eingedrückten Kernresten erkannt wird. Diese bei Physophora viel bestimmter hervortretende Membran entspricht der zuerst von All man nachgewiesenen Epithelschicht an der unteren Seite der Gallertscheibe craspedoter Medusen. Obwohl ich an den ausgebildeten Schwimmglocken der Siphonophoren immer nur Kerne und niemals die Grenzen der Zellen erhalten finde, steht doch die Homologie dieser Gebilde mit dem erwähnten Platten- epithel ausser Zweifel, wie insbesondere auch die Entwicklungs- vorgänge zeigen . die ich nicht nur für die Schwimmglocken von Siphonophoren, sondern auch für die zu Podocoryne ge- hörigen Sarsien verfolgen konnte. In beiden Fällen handelt es (24) Ueber Haiistemma tergestinum. 25 sich um Reste der Gefässplatte. Das innere mächtigere Blatt des Schwimmsacks besteht aus Ringmuskelfasern und einem dieselben bedeckenden Epithel, welches jene in der Tiefe aus seinem Proto- plasma erzeugt hat. Die Muskelfasern machen den Eindruck schmaler quer- gestreifter Bänder von bedeutender Länge; bei genauerer Unter- suchung aber zeigt es sich, dass sie aus kürzeren in einander ver- flochtenen Spindelfasern bestehen. Kerne habe ich niemals in dem Stratum der Muskelfibrillen beobachtet und glaube ich um so be- stimmter die Zellen des aufliegenden Epithels als die zugehörigen Elemente (Myoblasten) in Anspruch nehmen zu können, als es einmal nicht gelingt, dieselben von dem Muskelstratum zu trennen und andererseits die Form und Lage der Zellen zum Verlauf der Fibrillen eine ganz bestimmte Beziehung bietet. Bei deutlich markirter Abgrenzung handelt es sich um langgestreckte, ziemlich regelmässige, sechsseitige, fast überall zweikernige Zellen, deren Längsachse mit dem Faserverlaufe der Fibrillen gleiche Richtung einhält i Fig. 16). Beim Zerzupfen bleiben stets Protoplasma- körnchen und Kerne dieser Zellen an den Muskelfasern haften und ebenso wenig vermag man am natürlichen oder optischen Quer- schnitt eine Abgrenzung nachzuweisen. (Fig. 17 R. Mf.) Es handelt sich demgemäss hier um das gleiche Verhältniss wie an der Subumbrella der Craspedoten , z. B. der Sarsien1} sowie der Acalephen. Sehen wir nun gar, dass bei einzelnen Quallen, wie bei Mnestra2), die Subumbrella ausschliesslich aus langgestreckten Spindelzellen besteht, welche in sich die Muskelfibrillen enthalten und somit Epithel und Muskelfasern zugleich repräsentiren , so gewinnt die zuerst von Brücke für die Subumbrella von Aurelia ge- gebene Zurückfübrung eine neue wesentliche Stütze. Das Velum zeigt eine äussere und innere Bekleidung von Plattenepithel und zwischen beiden die Straten von Muskelfibrillen. welche durch eine sehr zarte homogene Stützlamelle geschieden sind. Die zu dem Epithel der Innenseite bezügliche Muskellage besteht genau wie die des Schwimmsacks ausschliesslich aus circulären Fasern und ist als die directe Fortsetzung jener Schicht über dem irisartigen Grenzsaum der Mündung zu betrachten. ') Fr. E. Schulze, Ueber den Bau der Syncoryne Sarsii etc. Leipzig 1873. 2) C. Claus, Ueber die Muskelzellen von Mnestra parasitier. Schriften d. zool. bot. Gesellscb. zu Wien 1875. Taf. I. - >j < 26 Dr. C. Claus: Das äussere Epithel erzeugt vornehmlich an den Seiten des Velums minder gleichmässige radiale Faserzüge, welche der Quer- streifung entbehren. "Was die Entwicklung der Schwimmglocken anbetrifft, so kann ich mich in gleicher Weise an meine früheren Angaben über Phvsophora und Agalma anschliessen, bin jedoch im Stande, dieselben wesentlich zu ergänzen und zu berichtigen. Wie sämmt- liche Anhänge des Siphonophorenleibes , so entstehen auch die Schwimmstücke aus kleinen zweischichtigen Knospen, welche man in verschiedenen Grössen und Entwicklungsstadien am oberen Ende der Schwimmsäule unterhalb des Luftsacks antrifft. Die kleinsten sind fast kuglig, besitzen aber bereits zwischen dem höheren Ecto- derm- und dem flacheren Entodermbelag der blasigen Höhle eine deutliche Stützmembran, die nach Entfernung des Ectoderms als continuirliche Bekleidung hervortritt. An etwas grössern Knospen nimmt man an dem freien distalen Pole eine Verdickung des Ectoderms wahr, welche hügelförmig in das Innere vorspringt und die hyaline Stützlamelle sammt dem angrenzenden Abschnitt des Entoderms vor sich hertreibt (Taf. I, Fig. 8 Knk.). Der durch den keilförmig einwachsenden „Knos- penkern" eingestülpte Entodermsack nimmt somit die Form eines zweiblättrigen Bechers an. Die zwischen beiden Blättern zurückbleibende Höhlung ist die directe Fortsetzung des Stielcanals und erscheint selbst becherförmig, um mit dem weiteren Wachs- thum in vier interradialen Feldern zu obliteriren. Ich kann nicht zageben, dass es Ausstülpungen des anfangs kreisförmigen Ran- des des Hohlbechers sind, durch welche die vier Radiarcanäle an- gelegt werden, sondern finde die Anlage zu denselben in den vier noch nicht gesonderten radialen Abschnitten des spaltförmigen Gastralraumes , der von vornherein beim Einwachsen des Zell- zapfens weit nach dem distalen Pole hin sich erstreckt. Nach- weisbar wird im Zusammenhang mit der besonderen Gestaltung des Knospenkernes, welcher in den Interradien stärker wuchert, eine Scheidung des peripherischen Hohlraumes in vier Canäle be- wirkt, die anfangs durch enge Spalten zusammenhängen , dann nach Obliterirung derselben als Radiärgefässe dicht nebeneinander liegen und erst später mit fortschreitendem Wachsthum sich weiter von einander entfernen. Dass dem so ist, ergeben die Bilder des Querschnitts mit aller nur wünsch enswerthen Sicherheit Taf. I, Fig. 10, 11, ferner 12, 14\ Die gleiche Form des Wachsthums habe ich auch an den jungen Medusensprossen von P odoc oryne Ueber Haiistemma tergestinuni. 27 erkannt und halte demgemäss d as Auf treten von vier Hohl- knospen als Anlagen der Radiarge fasse auch bei den Medusen derHydroidgruppe für zurückgewiesen. Stellt man junge Schwimmglockenknospen mit etwas ausgebildeterem Knospenkern im optischen Querschnitt ein, so überzeugt man sich, dass zwischen den vier vollkommen getrennten Radiärgefässen in den von Vorsprüngen des Kernes begrenzten Interradien eine aus zelligem Gewebe gebildete Schicht (Fig. 10) liegt, die ich auf nichts anderes als auf Abschnitte der in Zwischenradien zusammen- gepressten Entodermblätter zu beziehen vermag. Je grösser die nicht mehr ganz kugeligen, sondern im Quer- schnitt oblongen Knospen werden, um so weiter entfernen sich die verhältnissmässig engeren Radiärgefässe von einander , um so dünner und breiter erscheint anderseits die interradiäre zellige Schicht auswärts vom Knospenkern, dessen Centrum sich bereits aufzuhellen und einen Hohlraum zu bilden beginnt (Taf. I, Fig. 11). Die Anlage des Ringgefässes vermochte ich erst auf späteren Stadien nachzuweisen und schliesse demgemäss, dass dieses nicht von Anfang an als Grenztheil des Hohlraums am Rande des Entodermbechers entwickelt ist, sondern erst später durch Wieder- auseinanderweichen der Gefässplatte gebildet wird , in welche circuläre Fortsätze der Radiärcanäle eintreten. Mit dem weiteren Waehsthum gewinnt die Knospe unter fortschreitender Abflachung an der proximalen Seite zwei Auswüchse und am distalen Ende rings um die Oeffnung des noch engen Hohlraumes einen mächtigen Ringwall, so dass sie einer abgeflachten Glocke ähnlich sieht. Noch ist die Hauptmasse aus den hohen Epithelien des Ectoderms ge- bildet, unter welchem die dünne Stützlamelle den später so mächtigen Gallertschirm vertritt. Die ungleichmässige aber symmetrische Wucherung des Ectoderms ist es auch , welches die mit fortschreitendem Wachsthum eintretende Gestaltung der Schwimmglocke bestimmt. Im vorliegenden Stadium entspricht die Längsachse der Glockenknospe so ziemlich der dorsoventralen Achse des ausgebildeten Schwimmstückes, die obere Fläche muss sich also noch in bedeutender Wölbung hervorheben, da die beiden Auswüchse zu den Seiten des Stieles die Anlagen der dorsalen Kegelfortsätze sind, in welche sich die Nebenräume des Schwimm- sackes hinein erstrecken. Dem entsprechend wächst auch das ventrale Radiärgefäss in aufsteigendem Bogen zu so bedeutender Länge , während die noch einfachen , nur um die Fortsätze ge- bogenen Seitengefässe die grosse ventrale Schlinge zu bilden (27) 28 Dr. C. Claus: haben. Untersuchen wir die nachfolgenden Zwischenstadien von etwa 1/3 bis 1 Mm. Glockenbreite, so finden wir vornehmlich an der oberen Fläche , sowie am Seitenrande geringe Aufwulstungen des Ectoderms, welche den späteren kantigen Erhebungen der Mantelsubstanz entsprechen. Während diese in reichlicher Menge abgesondert wird, markiren sich an der Oberfläche in breiten, stark verdickten und mit Nesselkapseln erfüllten Ectodermstreifen die Züge der ventralen und seitlichen Kanten, der oberen Kante am Vorderrande und ihrer Verlängerung über die beiden dor- salen Fortsätze. Die Verdickung des Ectoderms am Mündungs- rande dagegen bestimmt im Verein mit den Enden der seitlichen und äusseren ventralen Kante die Configuration des Velums. An jungen Glocken von etwa 1 Mm. Breite (Fig. 7) erscheinen die Epithelial verdickungen noch viel mächtiger und die unterliegenden Vorsprünge und Erhebungen der Mantelsubstanz breiter und durch geringere Zwischenräume getrennt, als an ausgebildeten Glocken von 3 bis 31/» Mm. Breite. Demnach kann es keinem Zweifel unterliegen , dass es vor- nehmlich das in symmetrischen Zügen aufgewulstete , mit der Ablagerung der Mantelsubstanz immer zarter und dünner werdende Ectoderm ist, welches aus seinem Protoplasma jene ausscheidet, und somit als die Matrix derselben fungirt. Das Entoderm bildet zunächst die Auskleidung des Gefäss- apparates, sowie des den Nahrungssaft zuleitenden Stielgefässes, scheint aber für die Ausbildung des Mantels von geringerer Bedeutung als bei den Acalephen. Immerhin wird es besonders in der frühesten Zeit der Mantelbildung an der Erzeugung der anliegenden Gallertschicht betheiligt sein. Auch an der unteren, dem Schwimm- sack zugewendeten Fläche des entodermalen Doppelblattes wird eine hyaline Lage ausgeschieden, gewissermassen eine zarte Stütz- platte des Schwimmsacks, sowohl an den 4 Gefässen als an den in- termediären Zonen , welche durch .Rückbildung der Entodermschicht, beziehungsweise durch die Obliteration der ursprünglichen Höhlung charakterisirt sind. Ueber die näheren Vorgänge dieser interessanten und für das morphologische Verständniss der Schwimmglocke wie überhaupt des Medusenleibes wichtigen Veränderungen habe ich mir an Querschnitten jüngerer und älterer Knospen von Physophora- glocken ausreichende Aufschlüsse verschafft. Querschnitte junger Knospen (Fig. 12 und 13) stellen zunächst die am optischen Querschnitt der Haiistemma dargestellten Befunde ausser Zweifel, indem sie das Verhältnis« der vier ßadiarcanäle zu der (28) Heber Halistemma tergestinuni. 29 intermediären Gefässplatte , wie ich diese Partien des Entoderm- Doppelblattes der gleichwertigen Bildung der Acalephen ent- sprechend bezeichnen will , in bestimmter Form zur Darstellung bringen. An älteren Knospen (Fig. 14) tritt die bilaterale Form der jungen Schwimmglocke und der symmetrische Verlauf ihrer Gefässe schärfer hervor, man sieht aber auch die zwischengela- o-erte Gallert der Mantelsubstanz sowie das untere Blatt derselben in continuirlicher Ausbreitung an der Grenze der vom Knospen- kern erzeugten Einwucherung, welche sich als eine Schicht hoher cylindrischer Ectodermzellen differenzirt hat (Fig. 13 und 14 Knk). Die Höhlung des Knospenkernes vollzieht sich dieser Diffe- renzirung parallel, indem die Cylinder-Zellen auch centralwärts einen zarten Grenzsaum erhalten , welcher die Peripherie der sich mit Flüssigkeit füllenden Spalte , der Anlage des Schwimm- sackraumes, bezeichnet. (Fig. 14.) Durch Querschnitte , welche an noch weiter vorgeschrittenen jungen Schwimmglocken gewonnen sind, wird es klar, dass die bereits in meiner Abhandlung über Physophora (1. c. pag. 12, Taf. 26, Fig. 16a) als Aussenblatt des Schwimmsacks unterschiedene , mit Kernen behaftete Membran der Stützlamelle des Schwimmsacks nebst aufge- lagerten Resten der Gefässplatte entspricht, während das musculöse Innenblatt der Subumbrella nebst Epithelialbekleidung lediglich aus der hohlen Zellenlage des Knospenkerns hervorgeht. In diesem Punkte bedarf meine frühere Darstellung, in welcher ich die quergestreiften Muskelfibrillen des Schwimmsacks für eine besondere, von der Epithelialbekleidung verschiedene Zellenlage hielt und demgemäss genetisch als Entodermbildung betrachtete, einer wesentlichen Berichtigung. Der Vergleich der Siphonophorenglocke mit dem Leib der Hydroidmeduse sowohl als mit der Acalephe zeigt nun eine über- raschend vollkommene Uebereinstimmung sowohl im feineren Baue als in der Entstehungsart. Schon von AI Im an1) wurde, wie oben hervorgehoben, an der Innenseite der Gallertlage von Sarsia eine zarte Zellendecke beobachtet, die später Fr. E. Schulze2) eingehender untersucht und abgebildet hat. Ich selbst kenne die gleiche Schicht der Podocorynemeduse, für welche sie auch bereits vonC. Grobben3) richtig beschrieben worden ist. Diese l) G. J. Allman, Gymnoplastic or Tubularian Hydroids Part. I. pag. 114. £) Fr. E. Schulze , Ueber den Bau von Syncoryne Sarsii. Leipzig 1873, pag. 17, Taf. U, Fig. 10, 11 i. 3) C. Grobben, Ueber Podocoryne carnea. Sitzungsb. der Akad. der Wissensch. Wien. Novemberheft 1875. (29) 30 Dr. C. Claus: zarte Zellenplatte ist nichts anderes als die oben für die Siphono- phoren-Schwimmglocke dargestellte Membran, welche dem ursprüng- lich gleichmässig gestalteten Doppelblatt des Entoderms ihre Ent- stehung verdankt und welcher nach dem Schwimmsack zu noch ein zarter cuticularer Saum, die Stützlamelle des Schwimmsacks anliegt. Indem diese aber nur an den vier .Radien und inter- mediären Radien mit der aussen anliegenden Zellenplatte im festen Zusammenhang bleibt, an den breiten zwischen liegenden Streifen sich — wahrscheinlich erst secundär in Folge der kräftigen Function des Schwimmsacks — von der Umbrella abhebt, entstehen sowohl bei der Syncoryne als Podocorynequalle die acht bekannten Spalträume, die unrichtiger Weise der Leibeshöhle (Coelom) höherer Thiere verglichen werden konnten. Es handelt sich aber um nichts weiter als um eine secundäre partielle Ab- hebung des mit dem Schwimmsack fester verbundenen unteren G-allertplättchens von dem anliegenden Entodermblatt. Die Differenzirung der Medusengemmen wird demgemäss bei den Hydroidmedusen ganz ähnlich auch wie bei den Siphonophoren durch Obliterirung der Intermediärräume des hohlwandigen Entodermkelch.es stattfinden, so dass nicht, wie Fr. E. Schulze für S a r s i a meint und wie ich selbst früher für die Schwimm- glocken der Siphonophoren darstellte, die Radiärgefässe durch taschenförmige Randausstülpungen derWandhöhlung gebildet werden, sondern die hohl bleibenden Radialfelder des Entodermkelches sind. In der That scheint L. Agassiz1), soweit ich dessen breite und schwerfällige Darstellung von der Mednsenentwicklung der Coryne mirabilis zu verstehen vermag, bereits die richtige Ansicht vertreten zu haben, wenn er die Verhältnisse auch com- plicirter machte, als sie wirklich sind. Der Querschnitt einer Sarsiaknospe, im Holzschnitt Fig. 10, pag. 193 dargestellt, wieder- holt fast genau die von mir gegebenen Querschnitte der jungen Schwimmglockenknospe. Was Agassiz als „the middl vall of the disc" unterscheidet und in jenem Holzschnitt mit „iw" bezeichnet, ist nichts anderes als die Anlage zu der vermeintlichen unteren Zellenlage der Umbrella, die aber in Wahrheit, weil noch von einer tieferen, wenn auch sehr zarten Lamelle, der Stützlamelle des Schwimmsacks, überlagert wird, in Wahrheit also in der Gallerte selbst liegt und genetisch x) L. Agassiz, Contributions to the natural history of the united states of America, vol. IV, pag. 193, Tai'. XVIII. (30) lieber Halistenima tergestiuuni. 31 für die Intermediärfelder dieselbe Doppellage von Entodermzellen repräsentirt, wie die Gefässvvandung in den Radiärfeldern. Das Ringgefäss entsteht wahrscheinlich auch hier erst secundär durch spätere Aushöhlung am Randsaume der Intermediärfelder von den Enden der Radiärgefässe aus. Die Richtigkeit dieser für die Hydroidmedusen versuchten Zurückführung wird in hohem Grade durch die inzwischen von mir näher untersuchten Verhältnisse der Gefässbildung bei den Acalephen unterstützt. Wenn sich die Scyphistoma zur Strobili- sirung anschickt und in dem ringförmigen Abschnitte der Polypen- leibes die Ephyraform zur Anlage bringt , so kommt auch hier freilich in 8 Intermediärfeldern ein Anschluss der oralen und ab- oralen Entodermlage zu Stande . wodurch die 8 radiären Aus- stülpungen, welche als Anlagen der Radiärgefässe (1. und 2. Ordnung in die 8 Doppellappen des Scheibenrandes eintreten, viel länger erscheinen, als sie in Wahrheit sind. Nachher aber entstehen auch in den Radien der Intermediärfelder vom Magenraum aus nach dem Rande zu fortschreitende Aushöhlungen der Gefässplatte, welche zu der Anlage der intermediären Gefässstämme führen, bei Chrysaora jedoch schon an der Strobila gebildet werden. Unter- sucht man das Gewebe junger Ephyren in den Zwischenfeldern der 8 Radialstücke, so findet man diese durch ein helles Zellen- netz zusammengehalten, welches die Anlage der l) „Gefässplatte" darstellt. Alle weiteren Complicationen der Gefässentwicklung und zu- nächst die Bildung des Ringgefässes erfolgen erst secundär durch Aushöhlung der Gefässplatte von den Gastrovascularräumen aus, wie dies bereits L. Agassiz für die Gefässnetze von Aurelia sehr richtig dargethan hat. Je nachdem sie überhaupt unter- bleiben oder unter diesen oder jenen Modificationen zum Ablaufen kommen , erhalten wir die als Familienunterschiede so wichtigen Gegensätze der Pelagiden, Aureliden, Rhizostomiden etc., die sämmtlich in den 8 Radialsäcken der 8 Randlappenpaare ihren gemeinsamen Ausgangspunkt haben. Nach dem Erörterten besteht zwischen den Schwimmglocken der Siphonophoren, der Craspedoten (Hydroidniedusen) und Acalephen (Ephyramedusen) eine volle Homologie der Gewebsschichten , die :) C. Claus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. I. Acalephen. Denkschriften der Wiener Akademie 1877, pag. 21 etc. un 32 Dr. C. Claus: uns erst jetzt vollkommen klar wird und auch die Beziehung von Meduse und Polyp in"s rechte Licht stellt. Denn nunmehr erscheint uns jene einem abgeflachten, scheibenförmigen Polypen gleich, dessen niedriger aber mächtig verbreiteter Gastral- raum in der Peripherie in Folge intermediärer Verwachsungsfelder zu Radiarcanälen umgestaltet wurde. Die Stützsubstanz der losgelösten und mehr oder minder ge- wölbten Apicalfiäche gestaltet sich zu einer reichlicheren, die Mantelgallert bildenden Mesodermlage , während die der oralen Fläche in ganzer Ausdehnung der entodermalen Gefässplatte den Charakter einer sehr dünnen aber festen Stützlamelle bewahrt und zur Stützplatte des Schwimmsacks wird , welcher aus der concav gekrümmten, mit Radialfasern des Ectodermepithels bekleideten Mundscheibe des Polypen hervorgeht. Der Mundzapfen wird zum Mundstiel der Meduse, der sich in vier mehr oder minder armförmig verlängerte Fortsätze auszieht, beziehungsweise einen Kranz von Tentakelchen entwickelt. Die Fangarme aber des Polypen wer- den zu den Randfäden oder Tentakeln am Scheibenrande, die wenigstens nach vorausgegangenem Schwunde der Porypenarme an Stelle dieser als morphologisch gleichwerthigen Anhänge hervortreten. Vergleichen wir die neugeborene Flimmerlarve der T u b u 1 a r i e n, insbesondere die sog. Actin ula (Tubularia larynx J), so erhalten wir beim ersten Anblick eher den Eindruck einer kleinen Meduse als den eines jungen frei schwimmenden Polypen. Wir beobachten an derselben einen einfachen, relativ niedrigen, aber sackförmig erweiterten Gastralraum , einen hohen, in vier Tentakeln auslaufenden Mundzapfen sowie 10 Fangarme am Rande der schwach eingebogenen Mundscheibe und haben somit gewisser- massen eine indifferente Zwischenform vor uns, aus der sich mit nachfolgendem Wachsthum ebenso gut eine Meduse als ein Polyp entwickeln könnte. Und Gleiches lehrt uns ja auch der Generations- wechsel der Acalephen, die Scyphistoma und Strobila mit ihren als Ephyren sich ablösenden Segmentscheiben. Deckstücke. Diese bei den Agalmiden so überaus zahlreich am Polypen- stock sich erhebenden Anhänge sind flache Schuppen von über- aus variabeler Gestalt und Grösse. Die einen erscheinen breit ') Vergl. G. J. All man, A Monograph of the Gymnoplastic Tubularian Hydroids, Part. II 1872, Taf. XXI, Fig. 6. (32) Ueber Haiistemma tergestinum. 33 und gedrungen , die anderen ziemlich schmal und gestreckt , doch laufen alle am distalen, dem Stamme abgewendeten Ende in drei zipfelförmige Vorsprünge aus , von denen die beiden seitlichen rechts und links auseinanderstellen und die grösste Breite des Deckstückes bezeichnen. Dass diese Anhänge medusoiden Gemmen entsprechen und speciell als rückgebildete Schwimmglocken auf- zufassen sind, hat insbesondere Ha e ekel aus der Gestaltung der jugendliehen Larvenstöcke von Physophora und Crystallodes abzuleiten versucht. Indessen war bereits aus dem Verhalten der Deckstücke ausgebildeter Siphonophoren dieselbe Auffassung schon früher zur Geltung gebracht. Nicht nur die hyaline Mantel- substanz, sondern auch das Auftreten von seitlichen Neben- canälen an der Insertionsstelle des Stieles (Diphyes, Galeo- laria), sowie von Mantelgelassen (Praya) hatte schon R. Leu- ckart Anlass gegeben, die Deckstücke zu den medusoiden An- hängen der Siphonophoren zu stellen. Verfolgen wir die allmälige Ausbildung der Deckschuppe von der einfachen zweischichtigen Knospe an, so beobachten wir im Gegensatz zur Schwimmglocke wohl eine Verdickung des Ectoderms am distalen Pole, aber keine zur Bildung eines Knospenkerns führende Einstülpung. Während zwischen beiden Zellensehichten die Ausscheidung von Gallertsubstanz beginnt , heben sich am Ectoderm ausser der medianen noch zwei seitliche Verdickungen empor, die Anlagen der drei Zipfel mit ihren aufgelagerten Xesselbatterien. Ich sehe in diesen drei Gruppen von Xesselorganen, die freilich im ausgebildeten Zustande mehr reihenweise auseinander rücken und in drei zusammenstossenden, kantigen Erhebungen der Schirmsubstanz entsprechenden Reihen iTaf.II, Fig. 1 — 3) dem distalen Abschnitt des Deckstückes auflagern, eine Wiederholung der drei auch an den provisorischen Deckstückchen von Agalmiden-Larven auftretenden Häufchen grösserer Nessel- kapseln an. welche Ha e ekel bei Crystallodes als „Zellen- knöpfe" bezeichnet hat. Auch am distalen Abschnitt junger Schwimmglocken finden sich ähnliche Verdickungen des Ectoderms, in denen sich grössere Nesselzellen entwickeln. Wie bereits her- vorgehoben, kommt es bei der Differenzirung des Deckstückes gar nicht zur Bildung eines Knospenkerns und einer Gefässplatte ; die Gefässausläufer der Centralhöhle , welche bei Crystallodes zu den seitlichen Zellenknöpfen treten, können demgemäss morphologisch keineswegs den Radiärgefässen des Schwimmsackes, sondern ledig- lich den divertikelartig angelegten Mantelgefässen der Schwimm- glocke an die Seite gestellt werden. Man sieht also , wie es mit Claus. Arbeiten aus dem Zu- »logischen Institute etc. 3 34 Dr. C. Claus: dem Adelsdiplome bestellt ist, welches Ha e ekel diesen Gefässen als Resten von Radialcanälen und den seitlichen Zellenknospen als Resten von Randfäden eines herabgekommenen Medusenschirms zu verleihen Anlass fand. Die in allen Uebergängen nachweisbaren Entwicklungs- zustände von der zweischichtigen Knospe an bis zur ausgebildeten hyalinen Deckschuppe lassen keinen Zweifel zurück , dass die Mantelsubstanz wie bei der Schwimmglocke, als zarte Stützlamelle angelegt, in ihrer späteren Gestaltung vornehmlich vom Ectoderm abhängig ist. Nicht nur die allmälige Abnachung der anfangs hohen Cylinderzellen , die zusehends mit der Dickenzunahme der Gallert parallel fortschreitet, sondern auch der bereits für die Schwimmglocken hervorgehobene Umstand, dass die Gallerte den Verdickungen des Ectoderms entsprechende Vorsprünge und kan- ' tige Erhebungen bildet, beweist dies Verhältniss klar und bestimmt. Das Deckstück sitzt bekanntlich nicht mit dem proximalen Ende seines Centralcanals, sondern mittelst eines kurzen Stieles, dessen Gefäss an der unteren Fläche in einiger Entfernung vom proxi- malen Ende der Centralhöhlung in diese einmündet , dem Stamme auf. Schon Leuckart beschrieb die Contractionen des Stiels, durch welche das Deckstück dem Stamm genähert wird , kannte aber die lamellöse Gestalt desselben nicht, welche durchaus der Form des Schwimmglockenstiels entspricht und wie dieser longi- tudinale Muskelfasern enthält (Taf. II, Fig. 4). Polyp (Saugröhre) mit Fangfaden und Nesselknöpfen. Unterhalb der schuppenförmigen Deckstücke entspringen in geringen Intervallen die übrigen Anhänge, und zwar meist in der Weise, dass zwischen je zwei grösseren mit Senkfäden besetzten Polypen vier bis fünf kleinere, mit Geschlechtsträubchen besetzte Taster sprossen (Taf. II, Fig. 4). Auch diese letzteren liegen von einander in entsprechenden Intervallen getrennt und nicht wie bei Crystallodes mit je einem Polypen zu einer Individuen- gruppe zusammengedrängt. Vielmehr wiederholt die Aufeinander- folge der zwischen den Deckschuppen geschützten Anhänge das von Sars1) für Agalmopsis elegans beschriebene Verhält- niss. Allerdings hat Sars in seiner Art zwei verschiedene Agal- *) Vergl. M. Sars, Fauna littoralis Norvegiae. Christiania 1846. pag. 32— 41. (H. elegans mit den Nesselknöpfen auf Taf. V, Fig. 5 u. 6 u. Taf. VI, Fig. 1, A. Sarsii mit den Nesselknöpfen auf Taf. V, Fig. 7 u. 8 und Taf. VI, Fig. 10.) (34) Ueber Halistemina tergestinum. 35 miden zusammengefasst , die von Kölliker1) näher beschriebene Agalmopsis Sarsii und eine Haiist emma-Art , welche als H. elegans Sars zu bezeichnen sein würde und jedenfalls mit der Triester Form sehr nahe verwandt ist. An grösseren Exemplaren treten etwa 20 bis 24 Polypen auf. Ihrer Form nach wie die Saugröhren aller Siphonophoren überaus contractu und veränderlich, sind sie an dem durch Verdickung der Ectodermlage ausgezeichneten Basalabschnitt mit einem unregel- mässig ramificirtea braunrothen Pigmentfleck geziert, der nicht selten auf die Basis des Fangfadens übergreift. Die kleinen Pigmentkörnchen sind hier wie auch an anderen Anhängen Er- zeugnisse oberflächlicher Ectodermzellen . in deren Protoplasma sie sich anhäufen (Taf. I, Fig 18). Mit Ausnahme des Basal- abschnittes, an dem sich jedoch noch ein kurzer Stiel (Fig. 5 St. i als Träger des Senkfadens absetzt, bleibt die äussere Ectoclerm- wand dünn und zart, und demgemäss erscheint auch die der Stütz- lamelle aufgelagerte musculöse Längsfaserschicht in der Tiefe des Ectoderms nur schwach entwickelt. Der untere stielförmig ver- iüno-te Theil des Basalabschnitts dürfte vielleicht mit Rücksicht auf die unmittelbare Beziehung des verdickten nachfolgenden Theil s, dessen Cavität sich von dem eigentlichen Magen physiologisch nicht trennen lässt, besser für sich allein als der Grundtheil oder Stiel des Polypen unterschieden werden. Charakteristisch für denselben ist die seitliche Verdickung seines Ectoderms zu einem mit langen Cilien bekleideten AVimpervvulst. (Taf. II, Fig. 5 Ww.), der direct in die Basis des Fangfadens mit den jüngsten Anlagen der Nessel- knöpfe (Nkn.) übergeht. Der Stiel ist somit der gemeinsame Träger von Polyp und Fangfaden , der freilich bei F o r s k a 1 i a eine ausserordentliche Länge erreichen kann und einem Seitenaste des Stammes ähnlich, auch eine Menge von Deckstücken erzeugt. Erst auf das stielförmige Proximalstück , das mit Rücksicht auf den stielförmigen Träger der übrigen Anhänge (Schwimmglocke, Deck - stück und Taster) als morphologisch besonderer Abschnitt unter- schieden zu werden verdient, folgen die drei von Leuckart als Basalstück. Magen und Rüssel bezeichneten Abschnitte des eigent- lichen Polypen, die freilich ganz allmälig in einander übergehen. Der erste, bei Halistemma und verwandten Agalmiden wulst- förmig aufgetriebene Abschnitt (Fig. 5 W.) ist vornehmlich durch die mächtige Verdickung des Ectoderms ausgezeichnet, in welchem ') Kölliker, Die Schwimmpolypen von Messina. Leipzig 1853. Taf. III. 3* (35) 36 Dr. C. Claus: grosse, ovale Nesselkapseln erzeugt v/erden. Auch an diesem Theil tritt eine starke Wimperbekleidung ebenso wie am Rüssel- ende (R.) hervor. Hinsichtlich des den Grastralraum bekleidenden Entoderms aber vermag ich keinen wesentlichen Gegensatz zu dem mittleren Abschnitt, den man als Magen im engeren Sinne be- zeichnet hat, aufzufinden; denn wenn auch die Räumlichkeit des letzteren weiter und ausgedehnter erscheint, bei manchen Siphono- phoren auch die sogenannten Leberstreifen enthält, so sind es doch ganz ähnliche vacuolenhaltige Zellen, aus welchen die Entoderm- bekleidung besteht (Fig. 5 Va,). In dem mittleren Abschnitt freilich beginnen dieselben Faltungen zu erzeugen, welche sich in Form mehr oder minder regelmässig vorspringender Längswülste in den kaum scharf abzugrenzenden, überaus contractilen Rüssel- abschnitt fortsetzen. Der Querschnitt eines gut gehärteten Polypen (Taf. IV, Fig. 8 u. 9) gibt uns genaueren Aufschluss über diese wohl nicht überall in gleicher Zahl sich wiederholenden Entoderm- wülste. Man überzeugt sich, dass dieselben lediglich Faltungen der Zellen entsprechen und nicht etwa noch in ihrer Achse einen Ausläufer der Stützlamelle enthalten, welche sich als ein ein- facher Cylindermantel über die Basis der Wülste hin erstreckt. (Fig. 9, St.L.) Bei Phvsalia vermissen wir an den tasterähnlichen Polypen diese Längswnlste des Ectoderms, treffen dagegen an deren Stelle zöttchenartige Erhebungen an (Taf. V, Fig. 10), die schon den Autoren bekannt und insbesondere vonHuxley näher beschrieben wurden. Es sind zahlreiche kleine Filamente, deren Wimperzellen von braunrothen Pigmentkörnchen mehr oder minder vollständig erfüllt, zahlreiche dunkle Flecken an der Innenwand des Polypen entstehen lassen. Der ansehnliche Kern dieser Zellen wird durch die dicht gehäuften, Säuren und Alkalien gegenüber sehr resistenten Pigmentkörnchen meist vollständig verdeckt. Nach Huxley soll die Achse jedes Zöttchens von einem hellen Canal durchsetzt sein, welcher am basalen Ende mit dem Zwischenräume zwischen Ento- derm und Ectoderm verbunden sein soll. Dass es sich nicht um einen Canal, sondern um eine solide Achse handelt, ähnlich wie bei den Mesenterialfäden der Anthozoen und Acalephen, bedarf kaum der besonderen Constatirung. Ich kenne diese helle Achse sehr wohl vom optischen Querschnitt einer lebend untersuchten Physalia von Neapel (Taf. V, Fig. 11), vermochte aber ihren Zusammenhang mit der Stützlamelle nicht zu constatiren. Die nur in einfacher Schicht die Achse umlagernden Zellen sind ausserordentlich hohe Ueber Haiistemma tergestinum. 37 Kegelzellen, die sicli nach der Peripherie zu bedeutend ver- breitern. Morphologisch glaube ich in den Längswülsten wie in den Filamenten , wenn auch das Stützgewebe hier nicht zur selbst- ständigen Ausbildung gelangt, die Aequivalente von Magenwülsten (Scyphistoma) und Gastralfilamenten der Acalephengruppe zu erkennen, die in gleicher Weise bei der Verdauung eine wesent- liche Rolle spielen. Auch finden sich Cnidoblasten in dem Fila- mentepithel zerstreut. Die Entodermbekleidung der tasterartigen Polypen von Physalia, zwischen ringförmigen Erhebungen der Stützlamelle ausgebreitet, besteht aus unregelmässigen drüsenähnlichen Zellen, deren Inhalt fast ganz von grossen runden Körnern gebildet wird (Taf. V, Fig. 9). Die meisten dieser Anhänge sind auch am pro- ximalen Ende ganz wie Taster blind geschlossen und hier mit grossen runden Nesselkapseln besetzt, auch tragen sie an ihrem Stiele die Geschlechtsgemmen. Von den amöboiden Fortsätzen und von den Bewegungserschei- nungen, welche die bewimperten Magenzellen der Polypen während des Lebens zeigen, habe ich bereits früher an einem anderen Orte r) Mittheilungen gemacht, die es hinreichend erklären, dass fremde Körper, wie namentlich gesprengte Nesselkapseln, so häufig im Protoplasma derselben auftreten. Auch dürfte in diesem Sinne die von Vogt2) gemachte Beobachtung von dem Eintreten kleiner Indigo- partikelchen in die Vacuolen erklärt werden, die freilich irrthümlich als wenig tiefe Räume oder offene Drüsensäckchen gedeutet wurden. Hinsichtlich der Mächtigkeit des Ectoderms und seiner Längs- muskelzüge (Taf. IV, Fig. 9 L.Mf.) stehen übrigens die Polypen unserer Haiistemma den homologen Anhängen grösserer Physo- phoriden bedeutend nach. Bei Physophora und Physalia finde ich, dass sogar radiäre Ausstrahlungen der Stützlamelle, wenn auch nur als niedrige Erhebungen zwischen die Längsmuskel- hekleidung einstrahlen , und Gleiches gilt in viel ausgedehnterem Massstabe für die mächtig entwickelten Taster, an welchen somit die Structur des Stammes, wenn auch in gewisser Abän- derung, wieder zur Erscheinung kommt. Aber auch an der Innen- seite der Stützlamelle findet sich eine Lage regelmässiger Fasern, l) C. Claus. Schriften zool. Inhalts. Wien 1874. Die Gattung Mono phy es etc. pag. 30 u. 31. *) C. Vogt, 1. c. pag. 102 u. 103. 137 38 Dr. C. Claus: die sich mit den Längsfasern der Anssenbekleidung rechtwinklig kreuzen und als Ringsmuskelfasern zu deuten sind. Besonders schön treten dieselben am Polypen von Physophora auf, und kann man sich nach Behandlung mit verschiedenen Farbmitteln (Carmin-Hämatoxylin) auf das bestimmteste überzeugen, dass sie nicht etwa Bindegewebe , Fibrillen der Stützlamelle , sondern der- selben aufgelagerte Elemente sind, die kaum anders denn als Muskelfasern, freilich wiederum als Erzeugnisse der Entoderm- zellen, zu betrachten sind. Schon früher habe ich für Physophora J) und Apolemia2) diese Kingfaserung am Polyp und Taster beobachtet, mit derselben freilich irrthümlich auch die äussere Längsfas erläge an die Innen- seite der Stützlamelle verlegt. Die damals noch unzureichenden Hilfsmittel der Untersuchung, insbesondere die Unbekanntschaft mit der so überaus fördernden Methode feiner Querschnitte, hat diesen Irrthum veranlasst, in den übrigens auffallenderweise auch Keferstein 3) und Ehlers verfallen sind. Am Stiele des Polypen erhebt sich bei Haiistemma als Ursprungsstätte für den Senkfaden ein ansehnlicher Wimperwulst (Taf II, Fig. 5 Ww.) , dessen ich bisher bei keinem Beobachter besonders erwähnt finde. Der Senkfaden beginnt als eine enge Spirale dicht gestellter Knospen , welche als Anlage zu den Seitenfäden nebst Nesselknöpfen mit ihrer Entfernung von dem Ursprung des Fangfadens länger werden und in der Entwicklung vorschreiten. Wie wir überall in Form und Bau des Nesselknopfes vor- treffliche Anhaltspunkte zur Charakterisirung der Gattungen und Arten besitzen , so finden wir auch am Nesselknopf von H a 1 i- stemma tergestinum Besonderheiten, welche diese Art von Verwandten unterscheiden. Am nächsten steht derselbe, soweit ich die Literatur vergleichen kann, einer für die nordische Ag al- mopsis elegans von Sars4) beschriebenen Nesselknopfform, neben der freilich an derselben Art nach jenem Autor noch zwei andere Formen von Nesselknöpfen auftreten sollen. Die beiden letzteren beziehen sich aber, die eine auf die noch jugendliche, die ') C. Claus, Ueber Physophora etc pag. 19 und 20. 2) Derselbe, Neue Beobachtungen etc. pag. 8 u. 9. 3) Keferstein und Ehlers, Zoologische Beiträge, Leipzig 1881. 4) M. Sars, 1. c. pag. 35. Schon Sars hebt übrigens die Möglichkeit her- vor, dass die verschiedene Form von Fangfäden auf verschiedene, durch andere Charaktere nicht trennbare Arten hinweise, beziehungsweise durch Altersunterschiede begründet sein kann. (38) Ueber Halisteimna tergestinum. 39 andere auf die ausgebildete Agalmopsis S a r s i i K ö 1 1. , welche Sars mit seiner H a 1 i s t e m in a - A r t zusammengeworfen hat, .und nur die letztere kann denigemäss mit Rücksicht auf die Bildung des Nessel knopfes hier in Betracht kommen. Derselbe (im Werke von Sars sub a beschrieben und auf Taf. V, Fig. 5 u. 6. abgebildet) besitzt einen glockenförmigen, unten offenen Mantel, welcher einen in 5 bis 6 Spiralen gewundenen purpurrothen Fangfaden, nebst dem langen ungefärbten, einziehbaren Endfaden einschliesst. Nicht minder ähnlich ist der von Huxley J) für die südatlantische S t e p h a n o m i a A m p h i t r i t i s Per. abgebildete Nesselknopf, stimmt sogar in der niedrigen Gestalt des glockenförmigen Invo- lucrums noch besser zu Halistemma tergestinum , deren Nessel- knopf jedoch von beiden Formen sofort durch die viel geringere Zahl der Spiralwindungen seines braunroth pigmentirten Nessel- stranges abweicht. Dieser bildet ähnlich wie bei Forskalia Edwards ii nur 21,2 Spiraltouren, von denen die letzte sammt dem langen Endfäden ganz frei ausserhalb des Mantels liegt. Jedenfalls aber besteht für die Nessel knöpfe der drei genannten Physophoriden der gleiche Typus, der bei Ausfall des Involucrums zu den Nesselknopfformen von Halistemma rubrum und den Fo rskalia- Arten hinführt, während die Duplicität des Endfadens nebst contractiler Zwischenblase für die Gattungen Agalmopsis (S a r s i i), A g a 1 m a (0 k e n i i und breve), sowie Crystallodes ( r i g i d u m) und A t h o r y b i a charakteristisch ist. Noch complicirter wird endlich der Nesselknopf von P h y s o p h o r a (und der von derselben generisch kaum zu trennenden Stephanospira), wie ich schon früher an einem anderen Orte eingehender dargestellt habe. Am Nesselknopf (Taf. II, Fig. 7 und 8 ) unserer H a 1 i s t e m m a, dessen Entwicklungsstadien die für andere Formen, wie z. B. Forskalia, bekannt gewordenen Verhältnisse wiederholen (Fig. 7),. deckt das Involucrum nur die obere Spirale des rechtsgewundenen Nesselstranges, über dem sich noch der obere freie Endabschnitt des Angelbandes in etwa l1 2 Spiraltouren ausbreitet (Fig. 8 Agb.). Das Involucrum besteht aus einem Gewebe polygonaler, blasig auf- getriebener Sattzellen , zwischen denen kleine Cnidoblasten mit glänzenden Nesselkapseln vertheilt liegen. Am freien unteren Rande desselben bilden die etwas verdickten Zellen einen geradlinigen scharf- begrenzten Saum, an welchem der Durchmesser des flach glocken- förmigen Mantelraumes seine bedeutendste Grösse erreicht. An ') Huxley, Hydrozoa pag. 73, Taf. VI. Fig. 7 n. 8. csy> 40 Dr. C. Claus: Entwicklungsstadien (Fig. 6), die in allen Uebergängen an der Basis jedes Fangfadens zu finden sind, überzeugt man sich leicht, dass die Zellenlage des Mantels aus einer Wucherung des Ectoderms hervor- geht und als anfangs schmale, flach ausgebreitete Duplicatur erst später mit der DifFerenzirung des Angelbandes den spiralgewundenen Nesselstrang überwächst. Auch Sars hat bereits für H. elegans einen unvollständig entwickelten Nesselknopf mit beginnender Mantelbildung dargestellt (Sars 1. c. Taf. V, Fig. 6), denselben jedoch als eine Nesselknopffbrm mit vorgezogenem Nessel band aufgefasst. Ueber den feinen Bau dieser ihrem Wesen nach noch immer höchst räthselhaften Anhänge habe ich neue bemerkenswerthe Ergebnisse nicht mitzutheilen und beschränke mich an diesem Orte auf nur wenige, die Cnidoblasten betreffenden Bemerkungen. An dem oberflächlichen Grrenzsaum der Zelle finden wir dicht über dem distalen Pole der Nesselkapsel eigentkümliche, offenbar zum Sprengen dienende Einrichtungen, denen ähnlich, welche als C i 1 s von Hydroiden und Medusen, sowie von jugendlichen Siphon op hören schon seil längerer Zeit bekannt sind. Auch hier erheben sich sowohl an den birnförmigen Nesselkapseln des End- fadens als an den stäbchenförmigen Kapseln des Nesselstranges feine steife Cnidocils alsFortsäfze des Protoplasma's, das sich jedoch auch bereits flächenhaft in Form einer deckelähnlichen Platte ver- dichtet (Fig. 10 b.). An den grossen eiförmigen Nesselkapseln, welche in zwei Reihen die Seiten der oberen Spirale des Nesselstrange s besetzen, zeigt dieser Apparat eine noch complicirtere Gestaltung, indem sich anstatt eines einzigen Cnidocils ein zarter, kegelförmiger, längsstreifiger Zapfen, wie aus einer Anzahl starrer Cils zusammen- gesetzt, auf dem Deckel der Kapsel innerhalb eines eigenthümlichen festen Plasmaringes erhebt (Fig. 10 a). Das untere proximale Ende der Cnidoblasten läuft häufig in einen kürzeren oder längeren Fortsatz aus, der wie auch an den Nesselkapseln erzeugenden Zellen von Actinien, Lucernarien und Medusen (Podocoryne) lediglich als Träger die Anheftung ver- mittelt. Da wo sich derselbe zu bedeutender Länge auszieht, er- scheint der Epithelialbelag, in welchem die functionsfähigen Nessel- kapseln mit den Cnidocils eine oberflächliche Lage einnehmen, ungewöhnlich hoch , was besonders schön an den knopfförmigen Endanschwellungen der tentakelähnlichen Fangfäden von Porpita zu beobachten ist (Taf. II, Fig. 11). Dass diese Fasern nichts mit nervösen Elementen zu thun haben und etwa gar, wie Korotneff (40) Ueber Halisterouia tergestinum. 41 bei Lucernaria supponirt hat, Nervenfäden selbst sind, welche in das Protoplasma der Nesselkapsel-Zelle eintreten, bedarf keiner besonderen Widerlegung, zumal diese faserähnlichen Basalfortsätze an den Cnidoblasten des Endfadens der Nesselknöpfe , wie ich bereits früher für Forskalia und andere Siphonophoren gezeigt habe, paarweise mit einander verbunden sind. Aus der Struetur des sog. Angelbandes, dessen oberes Ende am Nesselknopfe von Haiistemma in selbstständigen Windungen, vom Nesselstrang unbedeckt zu Tage tritt (Fig. 8), vermag ich vorläufig nicht zu entscheiden, ob dasselbe musculöser Natur ist und nicht lediglich ein elastisches Band vorstellt. Innerhalb der Spiralzüge dieses Doppelbandes, welche an der Innenseite des spiraligen Nesselstranges verlaufen, bleibt in der Achse des Spiral- ganges, der Spindel einer Wendeltreppe vergleichbar, ein enger centraler Spiralstrang ausgespannt , welcher den Axencanal repräsentirt und bei verwandten Physophoriden schon von früheren Beobachtern dargestellt worden ist. Unter solchen Umständen glaube ich meine frühere Auffassung, nach welcher das Angelband eine En- todermbildnng sei, nicht aufrecht erhalten zu können. Immerhin handelt es sich hier um ein nach Bau, Function und Entwicklung noch höchst unvollkommen gekanntes Gebilde, dessen Verständniss von genaueren Untersuchungen der Nesselknöpfe grösserer Siphono- phoren zu erwarten steht. Der contractile gegliederte Senkfaden, dessen Seitenfäden die Nesselknöpfe tragen, wiederholt überall in mehr oder minder ver- einfachter Form die Struetur der Stammeswand. An Querschnitten (Taf. II, Fig. 9) tritt im Umkreis des Centralcanals mit seiner Entodermbekleidung die mächtige Stützlamelle nebst peripherischen, von Längsmuskeln überzogenen Radialblättern hervor, und zwar sind die letzteren an der stärker aufgetriebenen Seite des Fangfadens mächtiger entwickelt. Das oberflächliche Epithel erscheint im Contractionszustande durch sehr ausgeprägte Querfalten wie gerunzelt und enthält zahlreiche kleine Cnidoblasten, die mit grossen granu- lirten oder blasig aufgetriebenen Zellen wechseln. Bei Physo- phora machen sich an den Radialblättern sogar seeundäre Spaltungen und Verästelungen geltend, die besonders ausgeprägt an der symmetrisch gestalteten Seite der Aufwulstung hervor- treten (Taf. IV, Fig. 6). Auch an den überaus dehnbaren Seiten - fäden , den Stielen der Nesselknöpfe (Taf. IV, Fig. 7) , kehrt die gleiche Struetur, wenngleich in bedeutend vereinfachter Form, wieder. -411 42 Dr. C. Claus: Taster. Diese morphologisch den Polypen so nahe stehenden, von einigen Forschern geradezu jungen Polypen an die Seite gestellten Anhänge wiederholen sich bei Haiistemma in beträchtlicher Zahl. In jedem Intervall zwischen je zwei Polypen entspringen meist vier oder fünf Taster, an geschlechtsreifen Individuen sämmtlich mit Genital- träubchen besetzt (Taf. II, Fig. 4). Auch der Taster erscheint an seiner Basis roth pigmentirt und wiederholt (Taf. I, Fig. 18) auch in seiner feineren Structur die für den Polypen hervorge- hobenen Schichten, allerdings mit charakteristischen Modiücationen. Wir können auch am Taster einen Stiel unterscheiden , der, dem Polypenstiel entsprechend , den wenn auch kurz und einfach bleibenden Senkfaden und unterhalb desselben die Genitalträubchen (MG. WG-.) trägt. An dem nun folgenden Körper des Tasters finden wir freilich die drei Abschnitte des Polypenleibes nicht als differente Regionen ausgeprägt, wir vermissen insbesondere ■ — und dies gilt für die Taster sämmtlicher uns bekannten Siphonophoren — die wulstförmige Ectodermverdickung des basalen Abschnitts mit ihren Cnidoblasten. Hierin sowie in dem meist blindgeschlossenen Rüssel- ende des Tasters liegt morphologisch der Hauptcharakter desselben dem Polypen gegenüber begründet, wenn auch in. einzelnen Fällen, wie bei Physalia, selbst diese Merkmale zur Aufrecht- erhaltung des. Gegensatzes beider Polypoidformen uns im Stiche lassen. Rücksichtlich der Gewebe finden wir unterhalb des zarten Aussenepithels die Längsmuskelschicht wieder, dann folgt die ein- fache Stützlamelle , die zarte Ringmusculatur und die Entoderm- bekleidung, deren Besonderheit vornehmlich auf dem regelmässigen Auftreten grosser Vacuolen und der Ablagerung braunrother bis gelblicher Pigmente und kleiner krystallinischer Concremente im Protoplasma desEntoderms beruht. Es sind grosse polygonale Epithel- zellen, die fast regelmässig zwei Kerne und eine grosse oder mehrere kleinere Vacuolen einschliessen (Taf. V, Fig. 8). Längswülste des Entoderms, wie wir sie am Polypen finden, vermissen wir in den Tastern, wenngleich namentlich bei mächtiger Vacuolen- bildung einzelne Zellen oder Zellreihen mit starker Wölbung in das Lumen vorspringen. Nur in den Tastern von Apolemia sind mir ganz normal drei mächtig entwickelte Längszüge von grossen mit Zellsaft strotzend angefüllten Zellen bekannt geworden, die un- weit der geschlossenen Tasterspitze mit einem rothbraun pigmentirten Ueber Haiistemma tergestinum. 43 Wulste 2) endigen. Im distalen Rüsselabschnitt des Tasters findet man durchwegs die Wimperhaare des Entoderms besonders mächtig entwickelt, während im Ectoderm der gleichen Region Cnidoblasten in grösserer Zahl gehäuft sind. Die starke Bewimperung erhält oft grössere Ballen von Körnchen, gesprengten Nesselkapseln imd festen unverdaulichen Ueberresten verschiedener Nahrungskörper in roti- render Bewegung. Wahrscheinlich werden solche als Faeces zu be- trachtende Ballen schliesslich aus dem Lumen des Grastralraumes nach aussen entfernt, indem sich am distalen Ende eine OefFnung bildet, durch welche dann der Taster eine noch grössere Aehnlichkeit mit einem Polypen gewinnt. Vielleicht ist aber diese Entleerungsweise von Verdauungsresten eine abnorme , da in der Regel doch wohl die Mundöffnung der Polypen die Auswurfsstoffe nach aussen befördert. Ueberhaupt dürfte der Antheil, den der Taster an dem Acte der Verdauung nimmt, ein mehr secundärer sein und mehr die weitere Verarbeitung der Säfte unter Bildung von AusscheidungsstofFen betreffen, die sich eben in Form von Pigmenten und krystallinischen Concrementen im Zellinhalte ablagern (Taf. II, Fig. 4). In diesem Sinne erscheint auch die Bezeichnung der Taster als Saftbehälter nicht übel gewählt , wenn freilich in anderen Fällen, wie insbeson- dere bei P h y s o p h o r a, die Function des Schutzes und der tastenden Bewegung mehr in den Vordergrund tritt. Bei Physophora erreicht die Structur der Tasterwand unter allen mir bekannten Siphonophoren die höchste Complication, indem die lamellösen Erhebungen des Stützblattes mit ihrer Um- lagerung von überaus feinen Längsmuskelfasern, den Bau des Stammes wiederholen (Taf. V, Fig. 7). Dazu kommt der Epithelial- belagdesEctoderms, dessen Elementesich grossentheils zu hohen, hier und da vacuolenhaltigen Cylinderzellen mit Faserausläufern an der Basis umgestalten. An Querschnitten sowohl wie an Flächen- präparaten überzeugt man sich ferner von dem Vorhandensein von zarten Fasern , welche in der Tiefe des Epithels oberhalb der die Padiallamellen überkleidenden Längsmuskelzüge circulär verlaufen, indessen an vielen Stellen unterbrochen sind. Die aufliegenden Ectodermzellen selbst scheinen keineswegs gleichartiger Natur. Ausser den Cnidoblasten, welche wiederum am distalen Tasterende reichlicher auftreten , finden wir grosse drüsenähnliche Schläuche mit blassen Körnern und einer festen. J) Vergl. C. Claus, Neue Beobachtungen, pag. 3, Taf. 46, Fig. 5 und 7. (43) 44 Dr. C. Claus: leicht ausfallenden Centralmasse , über deren Natur wir von der Untersuchung frischer x) Physophoriden Aufschluss zu erwarten haben. Am Stiele des Tasters sprosst bekanntlich, homolog dem Senk- faden des Polypen, ein verhältnissmässig schmächtiger und stets ungetheilter Fangfaden , der sich in dichten aber unregelmässigen Spiral Windungen zusammenziehen und wiederum zu einer ausser- ordentlichen Länge ausdehnen kann. Im Ectoderm dieses accesso- rischen Fadens, welcher niemals Nesselknöpfe erzeugt, treten wiederum die grossen , blasig aufgetriebenen ZeUen auf, zwischen denen vornehmlich an einer Seite des Fadens eine Menge kleiner Cnidoblasten mit glänzenden , rundlichen Nesselkapseln gehäuft liegen. Die Stützlamelle in der Umgebung des Centralcanals bleibt verhältnissmässig einfach und nur an einer Seite derselben kommt eine mächtigere Längsfaserschicht zur Ausbildung. Der distale, stark verjüngte Endabschnitt vermag sich zu einem so dünnen, überaus langen Faden auszuziehen, dass die Elemente der Ectoderm- bekleidung wie grosse selbstständige Kugeln an der Oberfläclie der engen cylindrischen Schnur hervorragen und die Längsmuskel- faserung nur mittelst starker Vergrößerung wahrnehmbar wird. Die Geschlechtsmedusoiden. Die männlichen und weiblichen Geschlechtsknospen erheben sich bei Balis temma in gleicher Weise wie bei denverwandten Agalmiden (Agalmopsis, Forskalia) am Tasterstiele und zwar unterhalb derlnsertionsstelle des Fangfadens, während sie bei anderen Physophoriden , z. B. bei Phy sophor a, an der ganzen Oberfläche einer besonderen lang ausgezogenen Tasterform oder wie bei Phy- salia am Stiele der tasterähnlichen Polypen, bei Velella und Porpita an der gesammten Oberfläche kleiner Polypen ihren Ursprung nehmen. Niemals sitzen die Gemmen dem Stamme direct auf, obgleich man leicht nach Lostrennung des Tasters zu dieser irrthümlichen Ansicht gelangen kann. Wo man bei verwandten Agalmiden die Sprossung der Geschlechtsträubchen am Stamme beschrieben findet, repräsentirt entweder der Stiel des Träubchens ') Selbstverständlich reichen zwei in Osmium und Carmin behandelte, in Wein- geist conservirte Exemplare für die Bestimmung der histologischen Details nicht aus : verschiedenartige Methoden der Behandlung, vor allem die durch Maceration er- reichbare Isolirung der Elemente, sind zur Erforschung dieser interessanten Gewebe absolut nothwendig. (44) I'eber Halisteuima tergcstinum. 45 einen Taster, dessen Endabschnitt kurz und verkümmert bleibt, oder aber der Tasterschlauch hat sich vom Stiele gelöst und ist abgefallen. Das erstere gilt auch für die Geschlecht st räubchen von Apolemia, der einzigen bislang als diöcisch bekannt gewor- denen Physophoride. Auch hier sind beiderlei Träubchen lediglich an der Basis besonderer, freilich verkümmerter Taster befestigt. Bei Haiistemma sprossen männliche und weibliche Gemmen an jedem Taster nebeneinander, in Form zwei gesonderter, kurz- gestielter Tiäubehen (Taf. II. Fig. 4). Der medusoide Bau ver- harrt in beiden Fällen morphologisch auf einer relativ niedrigen Stufe, die jedoch bei der weiblichen stets nur ein Ei umschlies- senden Knospe durch das Auftreten des bekannten Netzes von Radiärgefässen trotz der geringen Grösse eine vorgeschrittenere wird. Die männlichen Medusoiden (Taf. II, Fig. I 3IG.) zeichnen sieh stet- durch mächtige rothbraune Pigmentramincationen aus, welche sich über die basale Hälfte des im ausgebildeten Zustand kuglig walzigen Körpers ausbreitet. Wie bei den verwandten Phvsophoriden trennen sieh dieselben nach der Reife vom Stiele los und schwimmen mittelst der dichten oberflächlichen Wimper- bekleidung eine Zeit lang frei umher, um endlich nach Berstung der Mantelumhüllung den Samenfäden des Kernes freien Austritt zu gestatten. Die Samenfäden (Taf. IL Fig. 15) bergen in dem rundlich elliptischen Kopf einen relativ grossen, aus dichterem Plasma gebildeten Körper, welcher wohl dem Kern der kleinen Geisseizelle entspricht. Die weiblichen Gemmen WG), deren Bau vornehmlich durch R. Leuckart eingehender dargestellt und richtig beurtheilt worden ist. bleiben, soweit ich beobachtet habe, stets pigmentlos. Der Mantel besitzt unterhalb des durch vortretende Kerne sofort bemerkbaren Epithels eine zarte Hyalinschicht, welche den ein einziges Ei enthaltenden Knospenkern umlagert. Im Umkreis desselben aber markirt sich an der Mantelschicnt das zwar unregeimässige, aber immerhin sehr ausgebildete Gefässnetz mit Radiärge fassen, die sich während des Verlaufes wiederum theilen können, und mit einem Ringgefäss (Taf. II, Fig. 13 . Merkwürdiger Weise wird die Entodermbekleidung der Gefässwand von nur zwei Zellenreihen gebildet, welche durch Quellung besonders deutlich hervortreten und dann das Lumen verdrängen ( Taf. II, Fig. 1 4 . Das relativ grosse Ei besitzt ein aus regelmässigen Kugeln gebildetes blasiges Protoplasma und ein grosses Keimbläschen mit (15) 46 Dr. C. Clans: meist homogenem Kernkörper, dessen Centrnm oft jedoch wiederum verflüssigt ist. In allen Gemmen liegt das Keimbläschen dem distalen Pole dicht an, um, wie aus Me tschnikoff's Angaben mit hohem Grad von Wahrscheinlichkeit hervorgeht, zum grossen Tbeile ansgestossen zu werden Im Gegensatz zu Gegenbaur und Ha e ekel, welche die Persistenz des Keimbläschens nnd dessen, der Dotterfurchung vorausgehende Theilung behauptet haben, können wir nicht nur im Anschluss an die neuerdings für zahl- reiche Thiere bekannt gewordene Veränderung des Keimbläschens, sondern auch mit Bezugnahme auf P. E. Müller's an Siphono- phoren-Eiern gemachten , freilich in ganz anderer Weise gedeute- ten Beobachtungen behaupten, dass M e t s c h n i k o f f vollkommen im Recht ist, wenn er die Ab- oder Anwesenheit des Keimbläschens im reifen Ei als ein Zeichen betrachtet, ob das Ei befruchtet worden ist oder nicht. Die linsenförmige Depression des membranösen Sacks von Hippopodius, welche P. E. Müller als „cour micropylienne" bezeichnet, hat offenbar Beziehung nicht nur zum Vorgang der Befruchtung, sondern auch dem Schwunde, beziehungsweise dem Austritt von Theilen des Keimbläschens, und ich glaube kaum zu irren, wenn ich die von diesem genauen Beobachter für veränderte Samenkörper gehaltene Plasmabildungen , als ausgestossene Theile des befruchteten Eies (sog. „Richtungskörper") betrachte, (siehe dessen Arbeit Taf. III, Fig. 5 und 6), während der in der Peripherie dargestellte „Spirebletten" *) der auf der Dotterober- fläche befindliche Keimbläschenrest, beziehungsweise der in der Bildung begriffene Furchungskern sein möchte. Offenbar hat aber P. E. Müller die Grenzen von Keimbläschen und Keimfleck nicht scharf gezogen und insbesondere den reichlich entwickelten Kern- saft des Keimbläschens für eine besondere Bildung im Dotter aus- gegeben und nur den aus Kernsubstanz gebildeten centralen Kör- per, den sog. Keimfleck als Keimbläschen betrachtet. Ob das den Knospenkern füllende Ei eine Ectoderm- oder Entodermbildung ist, wird sich am besten bei den Diphyiden ent- scheiden lassen, jedenfalls reichen die seitherigen Beobachtungen, selbst nicht die genauen Angaben von P. E. Müller über die Entstehungsweise der Geschlechtsproducte in den Gemmen von Siphonophoren zur Entscheidung dieser Frage nicht aus, weil sie ') Vergl. insbesondere 0. Hertwig, Beiträge znr Kenntniss der Bildung, Befruchtung nnd Theilung des thierischen Eies, II. Morphol. Jahrbuch III, pag. 29, Taf. I, Fig. 6, Taf. III, Fig. 2. (46) lieber Haiistemma tergestinum. 47 den Gegensatz beiderlei Zeugimgselemente zu wenig berücksichtigt und das erste Auftreten der beiderlei Keimzellen in der Knospen- anlage nicht sichergestellt haben. Ueber die Auffassung der Siphonophoren als polymorphe Hydroid- stöcke. Bekanntlich ist die vornehmlich durch R. Leuckart begrün- dete Lehre vom Polymorphismus der Siphonophoren als frei be- weglicher Hydroidstöcke mit musculösem Stamm und polymorphen, theils medusciden, theils polypoiden Individuen in Deutschland längst zu allgemeiner Anerkennung gelangt, während in England die Auffassung Huxley's, welcher den complicirten Siphono- phorenorganismus auf den Bau einer Scheibenqualle zurückzuführen sucht und die einzelnen Anhänge der Siphonophore als Organe einer Meduse, (die Schwimmglocke als den Schirm, den Polyp als Mundstiel, die Senkfäden als Tentakel) deutet, die herrschende ge- blieben ist. Neuerdings haben sich auch P. E. Müller1), E. Metschnikoff2) sehr entschieden zu Gunsten dieser letzteren Auffassung ausgesprochen und auf Grund der inzwischen näher bekannt gewordenen Entwicklungsgeschichte, die polymorphe Natur der Siphonophoren zu widerlegen versucht. Beide Forscher gelangen, wie es scheint, von einander unabhän- gig, zu der Ueberzeuguug , dass die E u d o x i a einer Meduse homolog sei. deren differente Theile morphologisch vereinfacht und theil- weise dislocirt, das heisst ihrer gegenseitigen Lage nach verschoben sind. Sie erkennen demgemäss in dem kappenförmigen Deckstiick den Medusenschirm mit reducirtem Gefässapparat und Schwimmsack, in dem Polypen den Mund- oder Magenstiel , in dem Senkfaden mit seinen Nesselknöpfen einen erhaltenen und complicirter differenzirten Randtentakel , während sie freilich zugleich ge- zwungen sind, die Genitalschwimmglocke als medusoiden Spröss- ling zu betrachten, der wie bei einer Sarsia oder Lizza am Mund- stiel hervorwächst. Bei Diplophysa gewinnt sogar das freilich spät sprossende Deckstück die Glockenform des Medusenmantels, aber es bleibt, wie mit Recht bereits R. Leuckart hervorgehoben ') P. E. Müller, Jagttagelser over nogle Sipkonophorer. Kjobenhavn 1871. (Naturh. Tidskrift.) 2) leb kenne den Inbalt der bezüglicben in russiseber Spracbe gesebriebenen Arbeit nur aus Leuckart's Jahresberichten 1874 und aus der kurzen Bezugnahme in Metsch nikoff's citirten Studien über die Entwicklung der Medusen und Polypen. (47) 43 Dr. C. Claus: hat, die abnorme Verschiebung der Theile , das seitliche Lagen- verhältniss von Schirm- und Magenrohr (Polyp), sowie die Dis- location des einzigen Randtentakels (H i/bocoodon) an die Magen- rohrbasis zu erklären. Und so plausibel an sich diese Zurück- führung der Eudoxie erscheint , sehen wir uns vergebens nach Medusen um , welche durch Zwischenglieder die Wahrschein- lichkeit einer solchen Dislocation insbesondere des Senkfadens unterstützten. Indessen die Entwicklungsvorgänge des gesammten Siphono- phorenleibes und insbesondere die Art der Gliederung und des Wachsthums der Physophoridenlarve scheint die Auffassung beider Autoren wesentlich zu unterstützen. Metsehnikoff verwerthet in diesem Sinne auch die theils von seinen Vorgängern , theils von ihm selbst genauer erforschte Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren mit grossem Geschick, indem er in der sich diffe- renzirenden Physophoridenlarve mit E. Haeckel den Magen und Schirm einer sich bilateral gestaltenden Meduse wieder erkennt. Der erstere wird durch den Polypen mit später hervorwachsendem Senk- faden, der letztere durch das kappenförmige Deckstück reprä- sentirt, (während bei Haiist emma die S ch wim in gl ocke, bei Stephanomi a (A n t li e m o d e s) die L u f t f 1 a s c h e zuerst zur Erscheinung gelangt). Die Abweichungen bei Agalmopsis, Crystallodes und A t h o ry b i a würden bei primärer Sonderung eines Deckstücks in dem Auftreten eines sogenannten Dotter- sackes bestehen , aus dem sich erst später der Magen oder Polyp hervorbildet, und eine ähnliche Abweichung der D i p h y i den {Diphyes Epibulia) auf die Entwicklungsweise von Hippopodius zu- rückzuführen sein, an deren Embryo sich zuerst eine Schwimm- glocke an der Seite des Dottersackes anlegt und der Fangfaden früher als der Magenschlauch gebildet wird. Das — von der noch nicht erklärten Dislocation abgesehen — erste Hinderniss , welches der vollen Homologisirung der Physophora, Athorybia o der A g a 1 m a larve mit einer j ungi • 1 1 Craspedote im Wege steht, die Anwesenheit eines Luftapparats, wird .von Metsehnikoff durch die Annahme zu beseitigen gesucht , dass der einer umgestülpten Schwimmglocke homologe Luftapparat, wie ihm die Entwicklung von Step h anomia zeige, der wahre primäre Stellvertreter des Medusenschirms sei, dem- nach das kappenförmige Deckstück das jenem homologe Organ nach Art eines ßieephalum wiederhole. Aber gerade die Tendenz zur Wiederholung gleichartiger Organe-, welche M e t s c h e i- Ueber Halistemma tergestinum. 49 ni k off gezwungen ist, dem Siplionophoren-Organismns beizulegen, führt ihn von seinem abweichenden Ausgangspunkt (Meduse) wieder auf die Theorie des Polymorphismus zurück, die er mit so grosser Bestimmtheit widerlegt zu haben glaubt. Denn in Wahrheit kommt bald ein zweites Deckstück, oder eine neue Schwimmglocke, ein zweiter , dritter Polyp oder Taster hinzu, und der Stiel des primären Magens oder Medusenmundstiels wird, ich will gern zuge- stehen, einer Sarsia prolifera ähnlich, zu einer Art proliferi- rendem Stamm mit vielen Hunderten von Anhängen. Hiermit aber ist ja zugleich die Auffassung der Siphonophore als eine Vielheit sich wiederholender Medusentkeile, beziehungs- weise reducirter Medusen mit besonderen Functionen ausgesprochen und die Lehre von Poljmiorphisnius und Arbeitstheilung voll- kommen bestätigt : denn wenn die in Vergleich gestellten Gemmen am Magenstiel der Sarsia zu neuen Medusen sich gestalten, morphologisch also Anlagen von Individuen sind , so gilt Gleiches auch für die sprossenden Siphonophorenanhänge, mögen diese nun als Genitalsehwimmglocken die volle Medusenforni zum Ausdruck bringen oder als Taster und Polyp (Magenschlauch), beziehungsweise als Schwimmglocke und Deckstück lediglich Theile von Medusen, das heisst reducirte Medusen wiederholen und demgemäss nur Theil- functionen der Arbeit zu besorgen im Stande sein. Der Unterschied von L e u c k a r t's Deutung des Siphonophorenleibes als eines poly- morphen freibeweglichen Hydroidenstockes betrifft also im Grunde lediglich die Ausgangsform, die Leuckart bei dem damaligen Stande der Entwicklungslehre in der als isolirter Magenschlauch die Colonie begründenden Larve zu erkennen glaubte, während dieselbe nach den neueren entwicklungsgeschichtlichen Erfahrungen durch die Theile einer Meduse repräsentirt zu sein scheint. Ich sage nachdrücklich: scheint, weil gerade die von Metschnikoff als Primärform gewählte polypenf örmige Stephanomia larve, an deren Apicalpole die Anlage des Luftsackes als innere Ecto- dermknospe morphologisch den Medusenschirm repräsentiren soll, die Deutung dieser Knospe als medusoide Gemme mit gleichem Rechte zulässt und dann zumal bei der lang gestreckten schlauch- förmigen Gestalt des Larvenleibes, die Ausgangsform Leuckart's des polypoiden Larvenstadiums, dem gleich, welches wir so regel- mässig bei den Hydroidstöcken *) beobachten , erst recht plausibel *) Vergleiche die Darstellungen und Abbildungen von AI Im an, L. Agassiz, Van Beneden u. a. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 4 ^'9* 50 Dr. C. Claus: machen würde. Auch hier bilden sich an dem inzwischen befestigten Apicalende Knospen, die freilich nicht einwärts, sondern nach aussen wuchern und zur Entstehung- von Stolonen, beziehungsweise von neuen Individuen Anlass geben. Dazu kommt, dass sich Leuckart mit vollem Recht auf den ausgeprägten Polymorphismus der Hydractinien berufen kann, deren fest sitzende, nächenhaft ausgebreitete Stöcke ausser den Nährpolypen . Polypen mit Gruppen von Geschlechtsgemmen (vergl. Physalia), ferner tentakel- förmige Spiralzoids und skeletbildende Individuen (Po docoryne) hervorbringt, von denen sich diese wenigstens physiologisch den Deckstücken , jene aber sogar morphologisch den Tastern an die Seite stellen lassen. Endlich gestattet die zerstreute Anordnung, welche die Fangarme am Polypenleib z. B. der Claviden erfahren, das Verhalten des Siphonophorenpolypen mit seinem einzigen, Seitenzweige treibenden Senkfaden als extreme Modification abzu- leiten, während wir von der Meduse aus nicht recht verstehen, wie der Randtentakel des reducirten Schirms, mag dieser durch die Luftkammeranlage oder durch das kappenförmige Deckstück repräsentirt sein , an die Basis des Magenschlauchs kommt. Wäre aber auch wirklich , wofür vielleicht die Ergebnisse späterer Untersuchungen entscheidende *) Anhaltspunkte liefern werden, die morphologische höhere Hydroidform , die Meduse, phylogenetisch der Ausgang für die Entstehung der Siphonophore (E. H a e c k e 1). so wäre doch, wie die vorausgeschickten Betrachtungen dargethan haben , hiermit der Polymorphes m u s unserer nunmehr als „Röhrenquallen" zu bezeichnenden Organismen, welche den Charakter von „Hydroidstöc ken" gewinnen, nicht im entfernte- sten widerlegt; vielmehr würden die Anhänge derselben nach wie vor, je nachdem sie den Magenstiel (Polypiten) oder den Medusen- schirm , beziehungsweise beide Abschnitte in vereinfachter Form (Geschlechtsgemmen) wiederholen, morphologisch als polypoide oder medusoide Individuen im Sinne Leuckart's zu bezeich- nen sein. Da wir uns aber bereits oben klar gemacht haben , dass Polyp und Meduse im Grunde ein und dasselbe (A c t i n u 1 a) sind, so würde der in beiden Auffassungen ausgesprochene Unterschied nur noch für die phylogenetische Zurückführung der Siphonophore bedeutungsvoll bleiben. ') Für die Gleichstellung des rudimentären Mantelcanals im Deckstück der Physopkora-Larve mit dem Stielcanal einer aufgeammten Meduse (E. Haeckel) ist keineswegs der Beweis geliefert; dieselbe ist vielmehr lediglich Vermuthung. Ueber Halistemma tergestimim. 51 Uebrigens ergibt sich zugleich, was in ähnlicher Weise auch aus der Morphologie und Entwicklungsgeschichte der Cestoden :) abgeleitet werden kann, dass die Begriffe von Individuum und Thierstock bei niederen Organismen keineswegs etwa im Sinne von „Person" und „Cormos" Haeckel's morphologisch scharf begrenzt einander gegenüberstehen, sondern in gleicher Weise wie die von Organ und Individuum nur alsVerhältnissbegri f f e betrachtet werden müssen und je nach dem Vergleicksobjecte eine wechselnde Anwendung gestatten. Daher kann auch Leu ckart's Kriterium, welches die Individualität sämmtlicher Siphonophorenanhänge be- weisen soll, die gleichartige Beschaffenheit im Knospenzustand in diesem Sinne nicht im entferntesten verwerthet werden. Auch der sprossende Randfaden am Medusenschirme, der Tentakel einer Scyphistoma oder eines beliebigen Polypen würde damit als Indi- viduum erwiesen sein. Dieser allerdings unverkennbare Wider- spruch, der aber mit der Auffassung von Individuum und Stock als Verhältnissbegriffe sofort hinwegfällt, scheint für Mets chnik off vornehmlich Anlass gewesen zu sein, gegen die Polymorphismus- theorie aufzutreten und sozusagen das Kind mit dem Bade aus- zuschütten. Wien, am 30. December 1877. :t Vergl. C. Claus. Lehrbuch der Zoologie. 3. Auflage, pag. 313. (öl) 52 Dr. C. Claus: Erklärung der Abbildungen. Taf. I. Fig. 1. Halistemma t erges tinum (pictum ?) von der vordem Fläche der Schwimniglockenreike betrachtet, nach Entfernung des unteren grösseren Stamm- abschnittes, etwa 4mal vergrössert. Fig. 2. Schwimmsäule in seitlicher Lage der beiden Schwimmglockenreihen, etwas stärker vergrössert. Fig. 3. Schwimmglocke circa lOfach vergrössert von der Rückenfläcke be- trachtet. Of. Obere Flächenwölbung der Gallertsubstanz. OMg. Oberes Mantelgefäss. UMg. Unteres Mantelgefäss. Fig. 4. Dieselbe von der Ventralfläche. Sk. Seitenkante. Vk.1 Obere Ventral- kante. Vk.'2 Aeussere Ventralkante. GM. Glockeumündung mit dem Velum. Sk. Seitenkante. Fig. 5 und 5'. Dieselbe in seitlicher Ansicht. Kf. Keilfortsatz der linken Seite. Fig. 6. Das Gefässsystem der Schwimmglocke stärker vergrössert. S Sg. Seitliches Schwimmsackgefäss, das Ohr des Schwimmsacks umziehend. USg. Unteres oder kurzes Schwimmsackgefäss der Dorsalfläche. OSg. Oberes oder langes Schwimm- sackgefäss der Dorsal- und Ventralfläche. OMg. und UMg. die beiden Mantelgefässe. Z. die Seitenzapfen des Velum.-. Fig. 7. Eine junge '/a ^m- breite Schwimmglocke unter Loupenvergrös- sernng mit den kantigen von Ektodermwülsten bekleideten Vorsprüngen der Mantel- substanz. Fig. 8. Die oberen Schwimmglockenknospen an dem Vegetationspunkt der Schwimmsäule, Knk. Knospenkern , Ekd. Ektoderm , Eud. Endoderm , circa 300fach vergrössert. Fig. 9. Eine weiter vorgeschrittene Schwimmglocke mit bereits sich aushöh- lendem Knospenkern und beginnender Obliteration des ursprünglich becherförmigen Gefässraumes. GR. Fig. 10. Optischer Querschnitt desselben. Rg. Radiärgefäss, Gp. 2schichtige Gefässplatte. Fig. 11. Derselbe an einer etwas weiter vorgeschrittenen Schwimmglocke, mit Aushöhlung des Knospenkerns, der Anlage des Schwimmsacks (Epithel und Muskelschicht). Fig. 12. Querschnitt durch eine Schwimmglockenknospe von Physophora hydrostatica, Knk. Knospenkern, Mg. Anlage des Mantels. St. L. Stützlamelle des spätem Schwimmsacks. Hartn. V. Oc. 3 eingezogenes Tubus. Fig. 13. Gewebspartie in der Umgebung eines Radialgefässes im Querschnitt der Schwimmgl0cke. Mg. Mantelanlage. St. L. Stützlamelle des Schwimmsacks. Knk. Knospenkern, Gp. Gefässplatte, Ekd. Ektodermblatt. Hartn. VIH. Oc. 3. e. T. (52) Lieber Halistemma tergestinuni. 53 Fig. 14. Querschnitt einer weiter vorgeschrittenen und stark abgeflachten Schwininiglockenknospe mit ausgeprägter Bilateralsyminetrie. SG. Seitengefässe. Gp.Gefässplatte. Knk. das zusanrmengepresste Schwininisackblatt. Hartn. V. Oc. 3 e. T. Fig. 15. Querschnitt einer etwas weiter entwickelten Sckwimmglocke in der Umgebung eines Radialgefässes. Figurenbezeichnung wie oben Hartn. V. Oc. 3. Fig. 16. Schwimmsackepithel mit tiefen Ringmuskelfasern a, von einer jüngeren; b, von einer älteren Sckwimmglocke mit 2kernigen Zellen, Hartn. Syst. VIII, Oc. 3. Fig. 17. Optischer Querschnitt aus einer altern Schwimmglocke R. Mf. Radiäre Muskelfasern. Hartn. Syst. VII. Ocu. 3. Fig. 18. Pigmentzellen von der Tasterbasis. Taf. II. Fig. 1. Junges Deckstück von Halistemma mit dem Epithel des Central- gefässes und den drei Gruppen von Nessel-Organen an der oberen Fläche längs zweier medianwärts zusammenlaufender Kanten (circa 200mal vergrössert). Fig. 2. Eine andere Form von Deckstücken mit drei zipfelförmigen Aus- läufern (circa 40mal vergrössert). Fig. 3. Aelteres Deckstück der ersten Form (circa lODmal vergrössert). Fig. 4. Taster mit Deckstück, Senkfaden uud Genitalträubchen, etwa 90fach vergrössert. Sta. Stamm. L. St. Lamellöser Stiel des Deckstücks mit dem Stiel- gefäss, welches unter einem schiefen "Winkel in den Centralcanal des Deckstücks einmündet T. Taster mit einer Fettkugel in dem pigmentirten Basalabscknitt. Sf. Senkfaden desselben. WG. Weibliche Geschlechtsgemmen. MG. Reife männliche Geschlechtsgemme. Fig. 4'. Entodermzellen des Tasters mit gelblich tingirten krystallinischen Ablagerungen in Protoplasma. Fig. 5. Polyp in ziemlich contrahirtem Zustand, mit geschlossenem Rüssel. R. St. Stiel desselben mit Wimperwulst Ww. und Knospengruppe für Senkfaden und Kesselknöpfe. Nkn. Va. Vacuolen in den Zellen des Magenabschnittes. W. Wulstige Verdickung des Ektoderms der Magenbasis, mit eingelagerten Nesselkapseln. Im Rüssel und Magen sieht man die Längswülste des Ectoderms in Folge der Con- traction zum Theil zickzackförmig ineinandergeschoben. Fig. 6. Junge Nesselknöpfe, circa lOOfach vergrössert, in verschiedenen Ent- wicklungsstadien, a. Schlauchförmige Knospe mit abgesetztem Endtheil als Anlage des Endfadens. Man sieht beide Zelienblätter und den Centralcanal. b. Dieselbe vorgeschritten mit 3 Abschnitten (Stiel mit beginnender Ektodermaufwulstung zur Bil- dung des Involucrums, Nesselstrang und Endfaden), c. Der junge Nesselknopf. Am Ende des Stieles St. tritt das Involucrum In. als flache ringförmige Erhebung her- vor. Der Nesselstrang bildet bereits l'/g bis 2 Spiralwindungen und bildet die Nesselkapseln aus ; der Endfaden, Endf., ist in 5 bis 6 engen Spiralwindungen zusam- mengelegt. Man verfolgt den Centralcanal in ganzer Länge durch den Nesselknopf. Fig. 7. Ausgebildeter Nesselknopf mit glockenförmigem Involucrum Agb. Angelband. Fig. 8. Derselbe viel stärker vergrössert. NSt. Nesselstrang. Derselbe ist stark in die Länge gezogen und tritt fast ganz aus dem Involucrum heraus. Man sieht n der Axe desselben das doppelte Angelband und den Achsencanal Axc. b. Anfangsstück des Angelbandes in circa l'r'0 bis 2 Spiralen im Umkreis des Achsen- (53) 54 Dr. C. Claus: canals gewunden. Endf. Endfaden. Derselbe ist in einen sehr langen Faden ausge- zogen mit zickzackförmig gestellten Doppelgruppen langer und rundlicher Nessel- kapseln. Hartn. VII. Oc. 3. Fig. 9. Querschnitt durch den Hauptstamm des Senkfadens von H a 1 i s t e m m a. Man sieht die Radialblätter der Stützlamelle von den querdurchschnittenen Längs- muskelfasern LM. umlagert, das Ektoderm und Entoderm mit dem Centralcanal. Hartn. VIII. Oc. 3. Fig. 10. Nesselzellen des Nesselknopfes, a. Grosse ovale Nesselkapsel mit Deckel und Sprengapparat, bestehend aus einer zartgestreiften Plasmakugel an- statt des Cnidocils und eines peripherischen erhärteten Plasmamantels, b. Stab- förmige Nesselkapseln mit Cnidocil und deckelartiger Plasmaplatte der Nesselzellr. (Wabenartige Gebilde in der Peripherie des Nesselstranges.) c. Birnförmige Nessel- zelle mit Kern und Cnidocil. Hartn. VIII. Oc. 3. Fig. 11. Cnidoblasten mit stielförmig verlängerter Basis (Stützfaser) von P o r p i t a. Fig. 12. Zellennetz vom Iuvolucrnin des Nesselknopfes der Haiistemma mit kleinen zwischengelagerten Cnidoblasten bei oberflächlicher Einstellung. Hartn. IX. Oc. 3. Fig. 13. Weibliche Medusoide mit dem peripherischen Gefässnetz des Mantels und dem blasigen Plasma des grossen, den Knospenkern ausfüllenden Eies. Hartn. VIII. Oc. 3. Fig. 14. Dasselbe nach Einwirkung von Wasser im optischen Querschnitt. Man sieht die- Ektodermzellen des Mantels und die beiden aufgequollenen Zellen der Mantelgefässe, dessen Lumen von denselben vollkommen erfüllt wird. Im Protoplasma des Eies liegt das grosse Keimbläschen mit dem Keimfleck, der wieder ein flüssiges Centrum enthält. Fig. 15. Samenfäden. Hartn. VIII Ocnl. 3. Taf III. Fig. 1. Sackförmiger Stamm von Physophora hydrostatica von der oberen Fläche, nach abgeschnittener Schwimmsäule, unter starker Loupenvergrösserung. Man beobachtet 21 Felder , in deren Mitte TA., die Tentakeln des äusseren oberen Kreises aufsassen. Die Zahlenfolge entspricht dem Altersverhältniss in der Art, dass mit 1 der älteste zuerst gebildete, mit 21 der jüngste dem Vegetationspunkt am meisten genäherte Tentakel bezeichnet ist. Zwischen Feld 6 und 7 schiebt sich ein alternirendes Feld der zweiten Reihe ein. Fig. 2. Derselbe von der unteren Fläche betrachtet, mit den unteren Abschnitten der oberen Felderreihe und den kleinen alternirenden Feldchen der zweiten Reihe für die unteren Tentakeln. Diese sind im vorliegenden Falle sehr klein geblieben, wie die winzigen Ansätze zeigen (TA) und nur 2 oder 3 Felder derselben sind völlig umgrenzt. Man sieht sodann die Ansätze der Polypen (P A), von denen nur die jüngstgebildeten P. am Stamme erhalten sind und die Genitaltentakeln mit den männlichen MG. und weiblichen WG. Geschlechtsträubcben. Fig, 3. Schwimmsäule und Stamm eines zweiten Exemplares von Physopho ra hydrostatica von der oberen Fläche, mit geringerer Felderzahl des oberen Kreises, aber vollkommener entwickelten Feldern der untern Reihe und entsprechend grösseren Tentakeln. Fig. 4. Dieselbe von der unteren Fläche, an welcher die grossen Felder der zweiten Reihe (von 6'- — 14') mit den Ansätzen der entsprechenden unteren Tentakeln n lieber Haiistemma tergestinum. 55 hervortreten. Die Geschlechtsträubehen sind nur an der einen Seite ausgeführt, an der anderen ihrer Ansatzstelle nach (GA') bezeichnet. Fig. 5. Körnchenzellen von der oberen Fläche des sackförmigen Stammes ausserhalb der Felder. Man sieht grosse polygonale Zellen mit grossen Kernen und groben Körnern des Protoplasmas, dazwischen Cnidoblasten. (Nach Hämatoxylinfär- bung) Hartn. Syst. VIII. Oc. 3. e. T. Fig. 6. Ringmuskelfasern mit aufgelagertem Entodermepithel der Luftkammer- wand. Die grossen Kerne der meist undeutlich begrenzten Zellen mit ein oder zwei von hellem Hof umgebenden Kernkörpern. Hartn. Syst. VIII. Oc. 3. Fig. 7. Ektodermale Schicht der Pneumatophorenwand von Physophora Osmium - Carminpräparat später mit Hämatoxylin tingirt. Hartn. Syst. VIII. Oc. 3. Mf. Tiefe Längsmuskelfaserlage. Kz. schlauchförmige Körnerzellen. (Vgl. Taf. III, Fig. 5.) Ml. pozygonale Zellen (Myoblasten) mit grossem Kern und von hellem Hof umlagerten Kernkörpern. Z. Zellen mit dunkler gefärbtem Kern und spärlichem Protoplasma , welches fadenförmige Ausläufer entsendet. L. Scharf- begrenzte Lücken, zum Theil Vacuolen grosser Zellen, theilweise wohl auch ausgefal- lenen Nesselkapseln entsprechend. Taf. IV. Fig. 1. Querschnitt durch den Randtentakel von Carmarina. Ekt. Ekto- derm mit den langen Nesselkapseln in der Aussenschicht. L. Mf. Querdurchschnitte der Längsmuskelfasern im Umkreis der Radiärblätter. R. L. St. L. Stützlamelle. Ent. hohes Entodermepithel im Umkreis des centralen Canals. Hartn. Syst. V. Oc. 3. Fig. 2. Querschnitt durch die Schwimmsäule von Physo p hör a mit Entoderm- epithel , ringförmig gefaserter Stützlamelle und deren hohen Radialblättern nebst Längsmuskelfasern und Ektoderm. Gc. Gefässcanäle des krausenförmigen "Wulstes, KrW. der Ventralseite, an welchem die Schwimmglockenstiele entspringen. Fig. 3. Ein Stück des Querschnittes stärker vergrössert. L. Stützlamelle mit den mehrfach getheilten Radialblättern. R. L L. Mf. Längsmuskelfa.sern. R. Mf. Ring- muskelfasern des Ektoderms. Sp. R. Künstlich entstandener Spaltenraum. Ueber- osmium-Carminpräparat nach Erhärtung in absolutem Alkohol dargestellt. Hartn. Syst. V. Oc. 3. St. Fig. 4. Querschnitt durch den Stamm von Agalmopsis Sarsii schwach vergrössert. Fi°\ 5. Ein Stück eines Querschnittes vom Stamme des Haiistemma tergestinum. Buchstabenbezeichnung wie in Fig. 3. Hartn. Syst. V. Ocul. 3. Fig. 6. Stück eines Querschnitts vom Senkfadsn der Physophora mit den symmetrisch getheilten Radialblättern der aufgetriebenen Seite. Hartn. Syst. V. Oc. 3. Fig. 7. Querschnitt des Stieles eines Nesselknopfes von Physophora. Hartn. Syst. VII. Oc. 3. eing. T. Fig. 8. Querschnitt durch einen Polypen von Haiistemma tergestinum. Ekt. Ektoderm. St. L. Stützlamelle. Ent. w. Entodermwulst. Hartn. Syst. V. Oc. 3. Fig. 9. Ein Stück der Polypenwand stärker vergrössert, um die "Wülste des Entoderms zu zeigen. L. Mf. Längsmuskelfasern des Ektoderms. St. L Stützlamelle. Man sieht , dass die Längswülste lediglich aus Entodermzellen ohne besondere Stützblätter bestehen. f.-,;, 56 Dr. C. Claus: Ueber Haiistemma tergestinum. Taf. V. Fig. 1. Längsmuskelbänder von Forskalia contorta. Hart n, Syst. VII. Oc. 3. Fig. 2- Längsfaserschicht in der Tiefe des flachen Ektodermepithels innerhalb der Felder am sackförmigen Stamme von Physophora. Hartn. Syst. VIII. Ocul. 3. e. T. Fig. 3. Ringmuskelfasern mit grosskernigem Epithel des Entoderms an der Innenfläche des sackförmigen Stammes von Physophora. Nach Eämatoxylin- färbnng. An zwei Stellen sind die Kerne ausgefallen. Hartn. Syst. VIII. Oc. 3. e. T. Fig. 4. Ektodermschicht vom äussern Rande eines Feldes am sackförmigen Stamme von Physophora. Ekt. Körnerzellen des Ektoderms Fa. Muskelfasern in der Tiefe des Ektoderms. Nk. Grosse Nesselkapseln unter den Körnerzellen. L. Leistenförmiger Vorsprung der Stützlamelle, die Umrahmung des Feldes bildend. Hartn. Syst. VII. Oc. 3 e. T. Fig 5, Dieselbe ohne Nesselkapseln bei tiefer Einstellung. Fig. 6 Die intermediäre Rinne zwischen zwei Feldern. F. Z. Zellbekleidung lind am Rande eines Feldes. L. Leistenförmige Erhebung der Stützlamelle. (Siehe Fig. 4.) Ekt. Z. hohe Ektodermzellen an der Aussenseite derselben, kantig nach der Rinne des Streifens vorstehend. Fa. Faseru mit eigenthümlichen Spindelzellen. Fig. 7. Stück eines Querschnittes aus der AVand eines Tentakels von Ph ysophora. Ekt. Hoher Belag von cylindrischen vacuolenhaltigen Ektodermzellen mit sehr spärlich eingelagerten Cnidoblasten und einer tiefen Lage von zarten Ringfasern. L. Mf. Längsmuskelfasern im Umkreis der Radialblätter der Stützlamelle. R. Mf. Zarte Schicht von Ringmuskelfasern an der Innenseite derselben mit den Entodermzellen. Hartn. VIII. Oc. 3. e. T. Fig. 8. Vacuolenhaltige Entodermzellen mit je 2 Kernen aus einem Tentakel von Haiistemma. Hartn. Syst. VIII. Oc. 3. Fig. 9. Körnerhaltige Entodermzellen aus einem tentakelähnlichen Polypen von P h y s a 1 i a. Fig. 10. Ein Gastralfilament aus dem gleichen Polypen, schwach vergrössert. • Fig. 11. Dasselbe im optischen Querschnitt des freien Eudtheils. Die hohen Kegelzellen sind bewimpert und enthalten bräunliche Körnerhaufen, welche den Kern verdecken. Hartn. Syst. VIH. Oc. 3. (5S) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane der Dekapoden nebst vergleichenden Bemerkungen über die der übrigen Thoracostraken von Dr. C. Grobben. Assistent am zoolog.-vergl.-anat. Institut der Universität "Wien. Mit Tafel I— VI. \ orliegende Untersuchung wurde an der k. k. zoologischen Station zu Triest zu Ostern 1876 begonnen, nach längerer Unter- brechung bei einem zweiten Besuche daselbst im Herbste IST" fortgesetzt und sodann in Wien, im zoologisch-vergleichend- anatomischen Institute vollendet. Zu diesem Zwecke erhielt ich lebendes Material aus Triest nach Wien zugesandt , und fühle ich mich vor Allem verpflichtet , meinem hochgeehrten Lehrer , Herrn Professor Dr. C. Claus meinen tiefgefühl- testen Dank auszusprechen , nicht nur für die Verleihung des Triester Arbeitsplatzes und die Zusendung von lebendem Material, sondern auch für die Liberalität, mit welcher Herr Prof. Claus mir Werke seiner Bibliothek zur Verfügung stellte. Grossen Dank zolle ich auch dem Inspector der Triester zoologischen Station, Herrn Dr. Ed. Grraeffe, der mich bei meinem Aufenthalte in Triest besonders beim Bestimmen der Crustaceen freundlichst unterstützte. Endlich muss ich Herrn Dr. S p e n g e 1 in Neapel für die freundliche Zusendung von conservirten Galatheen öffentlich meinen Dank sagen. (57) 2 Dr. C. Groliben: Einleitung. Im Vergleiche zu anderen Organsystemen, von denen in erster Linie die Extremitäten zu nennen sind, wurden bei den höheren Crustaceen die männlichen Geschlechtsorgane bis jetzt keiner ein- gehenden Untersuchung gewürdigt. Wenngleich die Zahl der Angaben, welche bisher über diesen Gegenstand gemacht wurden, nicht unbedeutend ist, so betreffen diese doch meist die äussere Gestalt und den gröberen anatomischen Bau des Hodens und seiner ausführenden Theile. Nur in seltenen Fällen wurde auch das Mikroskop bei der Untersuchung herangezogen, hauptsächlich zur Erforschung der so merkwürdig gestalteten Spermatozoon und der Spermatophoren. Es ist daher für die mikroskopische Untersuchung dieser Organe ein weites Arbeitsfeld offen geblie- ben und selbst in den Angaben über den grob-anatomischen Bau sind so bedeutende Lücken gelassen, dass es geradezu unmöglich war , einen einheitlichen Bau dieser Organe innerhalb der ver- schiedenen Gruppen zu erkennen, und dass eine eingehendere Ver- gleichung derselben nicht einmal zwischen Macruren und B r a c h y u r e n, geschweige den übrigen Gruppen der Thoracostraken, den Schizopoden und Stomatopoden durchgeführt werden konnte. l) Die ersten Angaben über die männlichen Zeugungstheile der Decapoden stammen von dem umsichtigen Naturforscher des Alter- thums, von Aristoteles2). Allerdings sah Aristoteles bei der Languste nur die Vasa deferentia ; er fasste dieselben jedoch, obwohl er erkannte, dass sie nur dem männlichen Geschlechte eigen seien, nicht als Geschlechtsorgane auf, sondern nahm für diese einen Canal, welcher von der Brust herkommt und mit gelb- licher Flüssigkeit erfüllt ist, — nach der Ansicht C a v o 1 i n i ' s ist es die Ganglienkette ; es könnte aber auch die Arteria abdominalis inferior sein, — in Anspruch. Seit Aristoteles wurden keine weiteren Untersuchungen über die männlichen Generationsorgane der Dekapoden bis um die Mitte des vorigen Jahrhundertes gemacht, wo Port ins 3) und ') Die gleichfalls zu den Thoracostraken zn rechnenden Cumaceen, müssen bei dieser Untersuchung ausser Betracht kommen, da ich keine Gelegenheit hatte, dieselben lebend zu untersuchen, 2) Aristoteles' Thierkunde, übers, von A über t und W immer. Leipzig 1868, IV. B., Cap. 2. 3) Ephemerid, Nat. cur. Dec. IL Ann. 6, p 48 (5S) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. Rösel von Rosen hof1) die männlichen Geschlechtsorgane des Flusskrebses untersuchten, Lorenzini'2) von Scyllarus und Homarus, Swammerdamm 3) von Pagurus, Cav'olini4) bei einer Anzahl von Brachyuren und Macruren die Zeu- o-uno-stheile beschrieben und abbildeten. Doch haben die drei letztgenannten Forscher auch bloss die viel auffälligeren Ausfiih- rungsgänge der Hoden für diese selbst angesehen, welche in Folge ihrer geringen Consistenz und wenig auffallenden Färbung der Beobachtung entgingen. Erst Mi Ine Edwards5) hat von einer Anzahl Dekapoden, Brachyuren sowohl als Mac r uren den Hoden beschrieben und später 6) auch einige Abbildungen von den männlichen Ge- schlechtsorganen gegeben , die bis jetzt am besten Aussehen und Lage dieser Organe wiedergaben. Theils noch vor den ersten Angaben Milne Ed ward's, tneils nach denselben wurden noch von anderer Seite Abbildungen und Beschreibungen von den männlichen Geschlechtsorganen der Dekapoden veröffentlicht. H. Üathke7) erkannte die Zusammen- setzung des Hodens von Astacus aus Bläschen, die einem ver- zweigten Systeme von Ausführungsgängen aufsitzen ; Delle Chiaje*) bildete das Vas deferens (unbekannt, ob nicht als Hoden gedeutet) von Scyllarus, und den Hoden von Pagurus ab, von Siebold9) gab eine gute Beschreibung der inneren Geschlechtstheile des männlichen Paguristes. Erst durch die Entdeckung der eigenthümlichen Samen- kö'rperchen von Astacus durch H e n 1 e 10) und von Siebold n wurden die Dekapoden wieder das Feld einer genaueren Unter- 1) Insecten-Belustigung, 3. Bd. 1755, p. 311. 2) Osservazioni intorno alle Torpedini. 3) Bibel der Natur, 1752, p. 84. 4) Abhandlung über die Erzeugung der Fische und Krebse. Berlin 1792, p. 144 u. f. 5) Histoire nat. des Crustaces. T. 1. Paris 1834, p. 165 u. f. 6J Begne aniinal de Cuvier. Crustaces. Atlas. 7) Bildung und Entwicklung des Flusskrebses. Leipzig 1829, p. 4. 8) Descrizione e notomia degli animali invertebrati della Sicilia citeriore. 9) Bericht über die Leistungen im Gebiete der Anatomie und Physiologie der wirbellosen Thiere in dem Jahre 1841. Müller's Arch. 1842, p. CXXXVI. Anmkg. 10) Ueber die Gattung Branchiobdella und über die Deutung der inneren Geschlechtstheile bei den Anneliden und hermaphroditischen Schnecken. Müller's Archiv 1835, p. 603. ") Ueber die Spermatozoen der Crustaceen, Insecten, Gasteropoden und einiger anderer wirbelloser Thiere. Müller's Arch. 1836, p. 26- 4 Dr. C. Grobben: suchung. Es ist das Verdienst Kö'lliker's x), uns in zwei auch sonst für die Erkenntniss des Wesens und der Bedeutung der Samenkörperclien wichtigen Arbeiten zuerst mit der grossen Mannig- faltigkeit der von ihm als „Strahlenzellen" bezeichneten Sperma- tozoon der Dekapoden bekanntgemacht zu haben. Kölliker entdeckte auch die Spermatophoren der Dekapoden. Nach Kölliker wurden von einer grösseren Anzahl von Forschern diese Verhältnisse wieder untersucht, doch mit wenigen Ausnahmen die betreffenden Fragen nicht wesentlich gefördert, Immer blieb die von Kölliker angeregte Frage, ob wir in den Strahlenzellen der Dekapoden die Samenkörperclien selbst, oder nur Entwickelungszustände dieser vor uns haben, unentschieden, wenngleich einige Forscher, vor Allem K. Leuckart 2), sich für die Strahlenzellen als die reifen Samenkörperchen aussprachen. Die histologische Untersuchung der männlichen Geschlechts- organe ist erst in letzterer Zeit von Lemoine3) vorgenommen worden. Die über diesen Gegenstand handelnde Arbeit, welche ein kleines Capitel einer umfangreichen Untersuchung über das Nerven- system , die Musciüatur und Drüsen von Astacus bildet, hat jedoch unsere Kenntniss von dem feineren Bau des Hodens nicht wesentlich erweitert. Lemoine erkannte wohl Zellen, nirgend aber ein Epithel, und entwickelte manche merkwürdige, einer jeden Stütze entbehrende Vermuthungen, die später noch gelegentlich er- wähnt werden sollen. Endlich ist im Jahre 1875 eine umfangreiche Untersuchung über die männlichen Geschlechtsorgane der Dekapoden erschienen, die Brocchi4) zum Verfasser hat. Brocchi gelangte unter Anderem in Betreff der inneren Geschlechtsorgane zu dem auf- fallenden Resultate, dass sich wenigstens bei einigen Macruren die Spermatozoen nicht nur im Hoden , sondern selbst im *) Beiträge zur Kenntniss der Gescblechtsverhältnisse und der Samenflüssig- keit wirbelloser Tliiere, nebst einem Versuch über das Wesen und die Bedeutung der sog. Samenthiere, Berlin 1841. — Die Bildung der Samenfäden in Bläseben als allgemeines Entwicklungsgesetz. Neue Denkschriften d. allg. Schweiz. Gesellsch. für die gesammt, Naturwiss. Bd. VIII, 1847. 2) Artikel „Zeugung" in Wagners Handwörterbuch der Physiologie, Bd. IV. 3) Eecherches pour servir ä l'histoire des Systemes nerveux , musculaire et glandulaire de l'Ecrevisse. Ann. d. sciences nat. 5. ser. t. 9 und 10, 1868. 4) Eecherches sur les organes genitaux, niäles des Crustaces Decapodes. Ann. d. sciences nat Ij. ser. t. 2. Paris 1875. ~ (6-)) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 5 Vas deferens und im Ductus ejaculatorius entwickeln. Was Bro cclii in Betreff der äusseren Genitalorgane, auf die der genannte Verfasser sein Hauptaugenmerk richtete, sagt, ist theil- weise unvollständig. Immerhin bietet seine Arbeit eine Fülle von Beschreibungen der umgebildeten Abdominalfüsse des Männchens, auch vieler seltenen Dekapoden, die zu der bereits bekannten Thatsache führte, dass die umgebildeten Beine des Männchens in jeder Art verschieden gestaltet sind, also (wenigstens bei den Bracliyuren) eine wichtige Rolle für die Artbestimmung spielen sollen. Obgleich ich mir vorgenommen hatte , die mir gestellten Fragen möglichst ausführlich zu beantworten, haben sich doch während der Untersuchung noch weitere Gesichtspunkte ergeben, die nicht genügend geklärt und gestützt werden konnten. Auch die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit, mir viele wichtige Formen der Dekapoden lebend verschaffen zu können, hat verschuldet, dass manche Frage nur unvollständig beantwortet werden konnte. Endlich konnte ich mir nicht die gesammte Literatur be- schaffen. *) Ich werde in Folgendem zuerst die inneren Geschlechts- organe und ihre Producte, und sodann die äusseren Geschlechts- charaktere des Männchens besprechen. Am Schlüsse füge ich ') In der vorliegenden Arbeit konnten zu meinem grössten Bedauern mehrere über unseren Gegenstand handelnde Arbeiten nicht berücksichtigt werden, da ich nicht Gelegenheit hatte, in dieselben Einsicht zu nehmen. Möglicherweise ist daher mancher Fund hier als neu aufgeführt, der vielleicht schon einmal gemacht worden war. Die Arbeiten , die wegen Unbekanntschaft mit denselben hier nicht weiter berücksichtigt werden konnten, sind : Geveke. De Cancri Astaci quibusdam partibus. 1817 (unbekannt, ob sie überhaupt etwas über die Genitalien enthält). Suckow, Anatomisch- physiologische Untersuchungen der Krustenthiere. Heidelberg 1818, I. Bd., 1. Heft. J. and H. D. S. Goodsir, The Testis and its Secretion in the Decapodous Crustaceans, in : Anatomical and Pathological Observations. Edinburgh 1845. L. Mandl, Anatomie microscopique. Paris 1838 — 57. T o d d , Cyclopaedia of Anatomy. A. Saunders, On Zoopores of Crustacea. Eoyal microsc. Society (Mouthly microsc. Journal) March. 1869. — Further Notes on the Zoospermes of Crustacea and other Invertebrata Monthly microsc. Journal, März 1874 (?). E. Metschnikof f , Ergebnisse der I. russischen Naturforscher- Versammlung 1868, Abtheilg. für Anat. und Physiol. Endlich die von P.Mayer angekündigte Arbeit von Zincone, falls dieselbe bereits im Drucke erschienen ist. (Gl) Ü Dr. C. Grobben: noch einige Bsmerkungen über die Blutgefässe, sowie Parasiten der männlichen Zengungstheile an. I. Innere Geschlechtsorgane. A. Lage derselben. Bei den Tkoracostraken ist die Lage des Hodens in den ver- schiedenen Unterordnungen eine verschiedene, überall jedoch finden wir denselben über dem Darme und mit Ausnahme der P a g u r i d e n, zwischen jenem und dem Herzen gelagert. Während bei den Stomatopoden, bei denen das Abdomen den bei weitem umfang- reichsten Körperafcscknitt bildet, der Hoden im Abdomen liegt, findet er sich bei den Schizopoden und Macr u r e n im Thorax, und zwar der Hauptmasse nach bedeckt von der unteren Wand des Pericardialsinus. Der vorderste Abschnitt desselben reicht meist bis an die hintere Wand des Kaumagens , geht wohl auch n eben diesem ein Stück hinauf (P a 1 i n u r u s , Homa r u s), und sieht unter dem Pericardialsinus hervor , ebenso wie das hintere Ende, welches in das erste (Palinurus) und sogar zweite Abdominalseg- ment (Homarus) hineinragt. Bei den Galatheen jedoch rückt der Hoden bereits voll- ständig in den Thorax empor , wo er nicht nur zu Seiten des Kaumagens hinaufzieht, sondern mit seinem Vcrderende nochmals nach aussen umbiegt (Taf. I, Fig. 5). Damit ist der Uebergang zu den Verhältnissen, wie wir sie bei den Brackyuren finden, gebildet. Hier ist der Hoden im Zusammenhange mit der geringen Ausbildung des Abdomens am weitesten nach vorwärts gerückt. So finden wir den Hoden in dem vorderen Abschnitt des mäch- tigen . verbreiterten Cephalothorax eingetreten und eine ansehn- liche Strecke hinter dem Kaumagen, wo sein hinteres Ende liegt, zwischen den Adductoren der Mandibeln und den Seitenwänden des Kaumagens, sodann in weitem Bogen, im Grossen und Ganzen parallel mit dem Stirnrande des Cephalothorax hinaufgehen , um in dem am weitesten nach aussen liegenden Kaum der Leibeshöhle über dem vordersten Abschnitt der Kiemenhöhle zu enden (Taf. II, Fig 3). Nur bei Dromia vulgaris macht der Hoden den weiten Bogen nicht, sondern endet schon in der halben Höhe des Kau- magens (Taf. II, Fig. 1). Eine Ausnahme im der Abtheilung der Macruren bilden die Paguriden, deren Hoden mit der eigenthümlichen Umge- staltung des Abdomens in dieses hineingerückt ist. Hier ist auch in der Lage des Hodens die Symmetrie nicht eingehalten, was in >6J Beiträge zur Kenntuiss der männlichen Geschlechtsorgane. 7 allen anderen Abtheilungen der Tlioracostraken der Fall ist. son- dern die Hoden sind nach links verschoben, wobei sie entweder eine gemeinsame Masse bilden (wie bei Paguristes), oder der rechte Hoden höher liegt, als der linke, der ziemlich weit gegen das Ende des Abdomens gerückt ist (Eupagurus). Die Ausführungsgänge des Hodens liegen mit Ausnahme der Stoma top öden und Paguren, im Cephalothorax und laufen in der Richtung von vorn nach hinten den fast immer am Coxal- gliede des letzten Brustfusses gelegenen Mündungen zu. Nur bei den Stomatop o d e n und P.a g u r i d e n liegen dieselben im Ab- domen, und verlaufen gegen die Oeffnungen in umgekehrter Richtung von hinten nach vorn. B. Bau des Hodens. Der Hoden der Dekapoden besteht, wieder die Paguriden ausgenommen , aus paarigen Theilen und einem unpaarigen Ab- schnitte. Bei den meisten Macruren besitzt der Hoden vordere und hintere Lappen. Die hinteren Lappen sind vom Ursprung des "\ as deferens zu nehmen, zu welcher Abgrenzung die Brachyuren die Stütze bieten. Dieselben sind verschieden stark entwickelt, kurz bei Calliaxis (Taf. II, Fig. 4 hl), besitzen sie bei Alp heu s eine bedeutendere Länge (Taf. I, Fig. 1), die bei Palaemon (Fig. 2) und Astacus (Fig. 3) noch grösser wird, bis endlich die Hinterlappen an Länge die Vorderlappen erreichen (bei Pali- nurus, Homarus) und dann in das Abdomen hineinragen. In allen diesen Fällen entspringt das Vas deferens im. Verlaufe des Hodens. Jedoch schon unter den Macruren ist bei Gralathea der hintere Lappen nicht entwickelt, daher das Vas deferens am Ende des Hodens entspringt (Taf. I, Fig. 5). Dieses Verhalten wiederholt sich bei den Paguriden, wo die Vasa deferentia gleichfalls am hinteren Ende des Hodens ihren Ursprung nehmen, und. findet sich bei den Brachyuren ausschliesslich vor (vergl. die Fig. 10 und. 8 auf Taf. I, sowie Fig. 1, 2, 3 auf Taf. II). Was den unpaaren Hodenabschnitt anbelangt, so ist derselbe bei den Macruren an keine bestimmte Stelle gebunden. Während er bei Astacus durch den unpaaren hinteren Lappen dargestellt wird, erscheint er sonst stets als ein queres Verbindungsstück. Dasselbe ist bei Alpheus (Taf. I, Fig. 1) etwas vor der Mitte der beiden Vorderlappen gelegen, rückt bei Homarus und Pali- ( 10 Dr. C. Grobben: unter den Macruren, bei den Paguriden und G a 1 a t h e a. Auch liier beschränkt sich das Keimlager auf einen Streifen (vergl. Fig. 5 auf Taf. V), der längs des ganzen vielfach aufgeknäuelten Hoden- rohres hinaufzieht, während der übrige Theil der Innenfläche des Tubulus mit einem Epithel ausgekleidet ist, das keine Spermatozoen erzeugt. In den meisten Fällen tritt die Keimlinie in Buchten liervor, die entweder unbedeutend sind, wie bei Dromia, oder stark prominiren, wie bei Eriphia, Portunus, llia, Por- cellana, Pilumnus. Häufig jedoch springt das Keimlager höchstens in kaum unterscheidbaren Erhebungen (Maja) vor, die auch vollkommen unterdrückt sein können (Lambrus, Steno- rhynchus, Ethusa). Die einander nächsten Formen des Hoden- rohres können übrigens auch bei derselben Art vorkommen, und zwar von der Entwicklung des Hodens abhängig. So können die Aus- stülpungen bei nicht stark entwickelten Hoden von Eriphia niedriger bleiben, während bei M aj a die Erhebungen vollkommen fehlen. In Folge der verschieden stark prominirenden Keimlinie be- sitzt der Hoden bei sonst gleichem Bau ein verschiedenes Aus- sehen. So ist derselbe da, wo die Keimlinie nicht oder wenig vor- springt, locker, wie bei Maja (Taf. II, Fig. 2), Stenorhynchiis, dagegen sieht er da , wo die Keimlinie zahlreiche Ausbuchtungen bildet, die sich gegenseitig pressen, sehr compact aus (Eriphia) (Taf. II, Fig. 3). Eine Mittelstufe zwischen den beiden Extremen zeigt der Hoden von Dromia, der übrigens ebenfalls ziemlich compact erscheint (Taf. II, Fig. 1). Bei den kl eineren Brachyuren, wie Pilumnus, hat der Hoden, obwohl er ebenfalls Ausbuchtungen der Keimlinie besitzt, nicht das compacte Aussehen wie bei Eriphia, und ist der Grund der, dass sich das Hodenrohr hier nicht so reich aufwindet. Bei den kleinen Macruren kann der Hoden kein lockeres oder compacteres Aussehen gewinnen, da das Rohr meist ganz ohne Windungen oder unter geringen Biegungen verläuft. Dagegen da , wo er sich aufknäuelt , wie bei H o m a r u s und P a 1 i n u r u s Pagurus, hat der mit starken Ausbuchtungen versehene Hoden ein compactes Aussehen. Am meisten zeigt derselbe dieses Aus- sehen bei A s t a c u s , indem hier die Acini nicht alle am Hauptstamme aufsitzen, sondern derselbe vielfach verzweigt ist und erst an den Enden der Zweige die Endbläschen trägt. Die Eigenthümlichkeit, dass sich die Hauptstämme des Hodens erst verzweigen, findet sich so mächtig entwickelt nur bei Astacus vor. Doch zeigt auch der Hoden des Hummers in geringem Masse (06) Beiträge zur Kenntniss dei* männlichen Geschlechtsorgane. 11 Verzweigungen, die aber niemals eine solche Complication erlangen. Doppelbläschen , d. h. Endbläschen . in denen das Keimepithel in zwei Ausbuchtungen getheilt ist , können als die Anfangsstufe zu einer Verästelung des Ausführungsganges angesehen werden. In allen Fällen ist der Hoden jeder Seite aus einem einzigen Rohr gebildet . zu welchem überall da . wo hintere Lappen auf- treten, noch ein zweites hinzukommt. Dieses Rohr ist mit Aus- nahme der angeführten Fälle stets einfach , und konnte ich mich auch bei Brachyuren davon mit ziemlicher Sicherheit überzeugen, da ich, so oft ich den Hodentubulus aufwickelte, niemals Verzwei- gungen vorfand. Der Hoden und seine Ausführungsgänge sind stets von einer bindegewebigen Hülle umgeben. Dieselbe ist bei Astacus zart, und besteht hier aus einem fibrillenlosen Bindegewebe , dessen Grundsubstanz vollkommen homogen , höchstens ein wenig körnig erscheint. Da wo Fibrillen vorhanden zu sein scheinen , hat man es mit Faltungen zu thun. Dieses Bindegewebe bildet eine fast vollkommen geschlossene Hülle, in der sich nur hie und da Lücken vorfinden. Aehnlich, jedoch etwas derber ist die Hülle des Hodens bei Galathea. Bei Homarus und Palinurus verhält sich die Hülle, was das Vorkommen der Lücken anbelangt, wie bei den vorher genannten Dekapoden. Hier konnte ich jedoch mit Sicher- heit Fibrillen erkennen, die bei Palinurus hauptsächlich der Länge des Hodens nach ziehen, bei Homarus sich in verschie- denen Richtungen kreuzen. In Folge dessen erscheint auch die Hülle bei diesen beiden Dekapoden als eine derbe Kapsel. Bei den Brachyuren ist die Hülle, wie auch beiCalliaxis und Pagurus von zahlreichen grösseren und kleineren Lücken durchbrochen ^Taf. VI, Fig. 6), welche bei einem und demselben Thiere stellenweise sehr gross sein können, während an anderen Stellen wieder die Bindesubstanz vorwiegt. In beiden Fällen, hauptsächlich jedoch im ersteren Falle , sieht die Hülle wie ein Spinnwebennetz aus, das den Hoden überzieht. Die Grund Substanz der Hülle kann Fibrillen besitzen , oder es können solche nicht vorhanden sein. Die Kerne dieses Bindegewebes sind oval, aber auch rund oder stäbchenförmig, je nachdem sie in der Länge oder der Breite stärker gedehnt sind. Bei den C ariden ist die Hülle gleichfalls von zahlreichen Lücken durchbrochen, und bietet Pal aemon das eine Extrem, in welchem die Lücken bedeutend vorwiegen und das Bindegewebe netzartig den Hoden umfasst (Taf. VI, Fig. 7). 5* (67) 12 Dr. C. Grobben; Von dieser Hülle treten Balken zwischen die Bläschen, respective Windungen des Hodens und seiner Ausführungsgänge hinein, und diesen folgen auch die Gefässe zu den genannten Organen. In allen Gruppen der Dekapoden fand ich glänzende Ballen an der Innenseite der Hodenhülle vor; dieselben färbten sich nicht , sondern blieben gelbglänzend , und nur einmal beim Hummer bemerkte ich, dass sie, mit starkem Hämatoxylin tingirt, pine bläuliche Farbe annahmen. Ich will mich einer Deutung; dieser Gebilde enthalten , da ich sie im frischen Zustande nicht beobachtet habe , und erst an Schnitten in Alkohol gehärteter Hoden und Vasa deferentia bemerkte. Ferner fänden sich im Bindegewebe des Hodens von Eriphia verzweigte Pigment- zellen, ebenso in dem des Vas deferens von Palaemon und Vi r biu s. Das Hodenrohr besitzt eine bindegewebige, mit ovalen Kernen versehene Tunica propria. Unter dieser vermochte ich noch , we- nigstens bei Astacus, Eriphia und Dromia ein structur- loses , gelblich glänzendes Häutchen zu unterscheiden. Doch dürfte sich ein solches nicht auf die genannten Formen be- schränken, sondern wird sich wohl in allen Fällen vorfinden. Ausserdem fand ich am Hoden von Maja, Eriphia, Palaemon, Pagurus und Palinurus und anderen Dekapoden quergestreifte Muskelfasern. Dieses Vorkommen von Muskelfasern am Hoden wird uns erklärlich sein , wenn wir bedenken , dass überall zwei Drittel oder die Hälfte des Hodenrohres Ausführungs- gang ist. Die Musculatur lässt sich stets an derjenigen Stelle am leichtesten beobachten, die der Keimseite gegenüber liegt. Der Grund davon ist leicht einzusehen, denn es sind hier die Muskelfasern auf einen kleineren Raum beschränkt, da die Keim- seite stets viel ausgedehnter ist. Bei Äthan as gehen vom Vas deferens aus an dem Hoden- sacke Muskelfasern bis zum Keimhügel hin. Bei Palaemon und Pagurus finden wir vorwiegend ringförmig verlaufende Fasern. Bei Palinurus kann man sich von der Umspinnung des Hoden- rohres durch Muskelfasern leicht überzeugen , da dieselben hier eine bedeutende Breite besitzen und vielfach gekreuzt sind. Bei Astacus (Taf. V, Fig. 1 msc.) und Calliaxis (Taf. VI, Fig. 8) reicht die Musculatur des Vas deferens bis an die Endbläschen heran , deren Stiele noch von ihr überzogen sind. Bei den Brachyuren sind diese Fasern dünn, und deshalb schwierig zu beobachten; doch habe ich mich bei Eriphia und Maja von ihrem Vorhandensein überzeugt (vergl. Taf. V. Fig. 5 m). ( 26 Dr- C. Gr ob Leu: ein rudimentärer Schwanz angesehen werden, und erscheint daher als ererbt von den fadenförmigen Spermatozoen der Mysideen, dem Faden der letzteren homolog. Davon , dass der Samenkopf allseits von dem den Körper repräsentirenden Protoplasma umschlossen ist, kann man sich an den Samenkörperchen von Palaemon schon im frischen Zustande leicht überzeugen , an dem man häufig eine dünne Hülle um den Samenkopf erkennen kann. Diese Hülle ist jedoch viel sicherer nachzuweisen , wenn man die Samenkörperchen mit Osmiumsäure und Carmin behandelt; es färbt sich dann der Samenkopf rosa, während das ihn umgebende Protoplasma ungefärbt bleibt. Aus dem gleichzeitigen Befunde, dass der Samenkopf, von der Seite gesehen, überall gleich roth erscheint, muss ich schliessen, dass gegen den unteren Pol zu die Samenkopfmasse dichter wird, sich also stärker gefärbt hat, und so der oben viel breiteren Proto- plasmaschichte an Intensität der Farbe gleichkommt. Hier schliesse ich die Samenkörper der Astaciden an, die schon die Strahlenzellenform zeigen. Unter denselben sind die von Astacus die grössten, und werde ich daher mit diesen be- ginnen. Die in der Grösse ziemlich stark variirenden Samenkörper von Astacus (Taf. III, Fig. 32 und 33), die, nebenbei bemerkt, auch die grössten unter allen mir bekannten Dekapodenspermatozoen sind, haben einen ellipsoidischen Körper, in welchem der napfartige Samenkopf gelegen ist. Wie schon die Bezeichnung „napfartig" be- sagt, ist derselbe unten geschlossen , oben offen ; der obere Rand des Napfes ist nach innen eingestülpt und an der Innenseite der "Wand angelegt, die untere Wand nach innen stark vorgewölbt. Die Seitenwand besitzt in ihrem unteren Theile eine grössere Dicke, und setzt sich dieser von dem nach der oberen Oeffnung des Kopfes zu convergirenden Theile durch eine vorspringende scharfe Kante ab ; dieselbe ist in concentrisch geordneten Längsriefen eingefallen , so dass der Samenkopf einer sogenannten Gugelhupf- form gleicht. Der Samenkopf ist in dem Körper eingeschlossen, der membran- artig den ersteren umgibt. An der Stelle, wo der Kopf an seiner Seitenwand die ringsherum laufende Kante zeigt, entspringt eine zweite Hülle (Taf. III, Fig. 35 ih), welche sich eng an den Samen- kopf anlegt und im frischen Zustande schwer zu erkennen ist. Daselbst findet sich auch eine Zone von körnigem Protoplasma. So ist der Samenkopf nach oben von einer doppelten Hülle um- (82) Beiträge zur Kermtniss der männlichen Geschlechtsorgane. 27 geben, deren Zustandekommen bei Besprechung der Entwiekelung klar werden wird : nach unten ist jedoch nur eine Hülle vorhanden. Dadurch erklärt sich auch die Erscheinung, dass man manchmal, wenn man Samenkörpereken mit Wasser behandelt, wobei dieselben sich aufblähen, den Samenkopf heraustreten sieht, und zwar an der unteren Seite, an welcher demselben beim Vorhandensein einer ein- zigen Membran kein so grosser Widerstand entgegengesetzt wird, wie auf der entgegengesetzten Seite. Im Samenkörper findet sich eine stärkere Protoplasma- anhäufung an dem oberen Pole. Dieselbe scheint mit der inneren Hülle des Sameukopfes in ziemlich fester Verbindung zu stehen. Dies beweisen Bilder, die man erhält, wenn man Wasser zu den frischen Spermatozoen zusetzt. Man bekommt Bilder, wie Fig. 34 auf Taf. III zeigt, an denen der mittlere Theil der äusseren Hüll- liaut noch fest an dem Samenkopf haftet, während sich sonst die- selbe abgehoben hat, und das Samenkörper eben von der Seite ge- sehen das Aussehen einer geflügelten Frucht besitzt, da durch das AVasser meist zugleich die Strahlen zerstört wurden. Quillt das Samenkörperchen stärker, so erhält man ganz eigentümliche Bilder (Fig. 36). Die Zellwand hat sich, abgehoben, nur da, wo die innere Hülle entspringt, geht eine ringförmige Leiste zur Kante des Samen- kopfes, während nach 'oben die innere Hülle sich vorwölbte. Zu- gleich sieht man auch feine Fäden von der apicalen Protoplasma - anhäufung zur inneren Hülle hinziehen. Diese Erscheinung ziehe ich als zweiten Beweis für die oben aufgestellte Behauptung von dem festen Anhaften dieses Theiles der äusseren Hülle heran. Ich habe vielleicht etwas zu lange bei der Auseinandersetzung dieser Veränderungen der Samenkörperchen bei Wasserzusatz ver- harrt. Doch ruft Wasserzusatz bei den ähnlich geformten Sperma- tozoen mancher Dekapoden zuweilen gleiche Bilder hervor, die insofern Aufschluss über den Bau derselben geben, als die gleichen Veränderungen bei gleicher Ursache auf einen gleichen Bau zurück- zuschliessen gestatten , wo Kleinheit des Objectes eine directe Untersuchung kaum möglich macht. Gewöhnlich sieht man neben dem Samenkopf in den Samen- körperchen von Astacus f 1 uv i a t i 1 i s noch einen stark glänzenden Körper (Taf. III, Fig. 33). Derselbe färbt sich nicht mit Carmin. Ich muss denselben für einen ganz unwesentlichen Bestandtheil ansehen, da er nicht nur häufig fehlt, sondern manchmal auch nur aussen dem Samenkörperchen angelagert ist. In den Samenkörpern von Astacus leptodaetylus fand ich diesen glänzenden Körper nie. 6* (83) 28 Dr. C. Grobben: Etwas oberhalb der Stelle, wo die äussere Hülle sieh an die Kante des Samenkopfes heftet , entspringen die Strahlen , die von verschiedener Länge sind, und auch in der Zahl schwanken. Ich fand 5 — 28 solche Fortsätze vor. Bei Homarns vulgaris sind die Spermatozoon (Taf. IV, Fig. 46) cylindrisch. In der Mitte des mattglänzenden Cylinders verläuft ein dunkler Streifen , der von der "Wand des Cylinders am apicalen Pole entspringt und sich verschmälernd gegen einen hellen Zapfen hinein fortsetzt. Der cylindrische Körper und der Mittelstreifen färben sich mit Carmin dunkelroth und gehören also dem Samenkopf an, welcher noch eine Hülle um sich hat, die bei aufgeblähten Spermatozoen sich abhebt. Unten an dem cylindri- schen Körper sitzt ein kleiner Hügel von körnig aussehendem Protoplasma (mz) und an der Stelle, wo beide genannten Theile des Samenkörperchens zusammenstossen, entspringen unter gleichen Winkeln drei Strahlen, die wagrecht oder etwas schräg nach unten von dem Spermatozoenkörper abstehen. Die Dreizahl der Strahlen und den kleinen Protoplasma- anhang, den ich fortan als den „Mittelzapfen" bezeichnen werde, hebe ich nochmals hervor, da ich daran weiters anknüpfen werde. An die Samenkörper von Homarns schliessen sich die der Gralatheiden an, an welche sich wieder einerseits die der Pa- g u r i d e n , andererseits die der Notopoden anreihen lassen, die denUebergang zu den Samenkörperchen der übrigen Brach yuren bilden. Die Samenkörperchen von G-alathea s q u a m i f e r a (Taf. IV, Fig. 19), die wohl zu den zierlichsten gehören, haben einen spitz- kegelförmigen Körper , der , genauer betrachtet , eine schwache Einbuchtung zeigt. An demselben hängt nach unten ein eiförmiger, wie höckeriger Mittelzapfen, und an der Verbindungsstelle beider Theile entspringen drei Strahlen , die in schwachem Bogen nach unten ragen. Färbt man, so überzeugt man sich, dass nur der untere breitere Theil des oberen Kegels sich mit Carmin heftig roth tingirt, die Spitze dagegen ungefärbt bleibt. Der erstere Ab- schnitt ist daher der Samenkopf, das Ende gehört ausschliesslich dem Körper an, der auch den Kopf umhüllt. Der Mittelzapfen und die Dreizahl der Strahlen erinnern sofort an die gleichen Vorkommnisse bei den Samenkörperchen von Ho mar us und sind auch von den Ast aci den spermatozoen auf die der Xralatheen vererbt, bei letzteren jedoch der Mittel- zapfen mächtiger entwickelt. (84) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 29 Ganz gleich, nur Formverschiedenheiten bietend, sind die Samenkörperchen der Paguriden gebaut. Die von Eupagurus Pride au xii (Taf. III, Fig. 48 und 49) haben einen spitzkugel- förmigen Körper, der drei Felder zeigt, zwei dunklere, welche durch ein mittleres , lichteres getrennt werden. Am oberen Ende des Körpers findet sich eine kleine hervorragende Spitze, am unteren Ende hängt ein langer Mittelzapfen , der streifig erscheint und meist zerschlissen endigt ; an der Fügungsstelle von letzterem und dem Kopf entspringen drei horizontal abstehende Strahlen. Was die Felderung des Kopfes anbetrifft , so rührt diese daher , dass bei dem letztern, welcher im Principe wie der von Astacus gebaut ist, die dichtesten, somit am stärksten das Licht brechende Eiweiss- massen peripherisch angeordnet sind. Die beiden dunkleren Grenz- streifen zwischen den drei Feldern werden durch die eingestülp'te obere "Wand des Samenkopfes hervorgerufen. Die gleiche Form besitzen die Samenkörperchen von Eupa- gurus meti culosus, nur sind sie etwas gedrungener. Bei den Samenkörpern von Paguristes macu latus (Taf. III, Fig. 58) sieht der Kopf mit dem oberen Ende des Kör- pers einer griechischen Kuppel ähnlich; er zeigt ebenfalls die Streifung. Der Mittelzapfen ist auch vorhanden, nur kürzer, und die drei Strahlen stehen in flachem Bogen nach unten ab. Die Samenkörperchen von Palinurus vu 1 gar is (Taf. IV, Fig. 15 und IG) haben einen kugeligen . an der unteren Seite etwas abgeflachten Körper. In diesem und zwar am unteren Ende des sonst wasserhellen, nur von einer dunkleren Contour begrenzten Körpers liegt der Samenkopf, der kuchenartig gestaltet ist. Die Strahlen fand ich in der Zweizahl, häufig jedoch in der Dreizahl vor , und halte ich letztere für das Normale. Dieselben entspringen in der Mitte des Körpers. Bei dem Mangel an Ent- wickelungsstadien kann ich nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass das Samenkörperchen so , wie ich es orientirt habe , auch richtig orientirt ist; die grösseren Verschiedenheiten in der Form von den Spermatozoon der nächsten Verwandten , die ich unter- suchte, lassen nichts in dieser Hinsicht entscheiden. Die Thalassi niden , von denen ich Gebia littoralis (Taf. IV, Fig. 42) und Calliaxis adriatica (Taf. IV, Fig. 40 untersuchte, haben halbkugelige Spermatozoen mit meist drei kurzen Strahlen. Sie schliessen sich daher einigermassen an die Samenkörper des Hummers an , es fehlt ihnen jedoch der Mittelzapfen. 30 Dr. C. Grobben: Die Samenkörperehen der Poreeil ana platycheles (Taf. IV, Fig. 50) besitzen genau denselben Bau wie die von G-alathea. Auf den kleinen, eine Einbuchtung zeigenden Kopf folgt ein schmaler Abschnitt, von dem drei äusserst lange Strahlen entspringen. Zwischen den Strahlen hängt ein Mittelzapfen (mz). Bei Porcellana longicornis dagegen (Taf. IV, Fig. 47) sah ich keinen deutlichen Mittelzapfen ; wohl aber fand ich bei einigen Spermatozoon an derselben Stelle , wo sonst der Mittelzapfen zu sein pflegt, ein glänzendes Körperchen, welches ich als den Mittel- zapfen ansehen möchte, der sich in rudimentärem Zustande zeit- weise erhält. Auch sah ich bei den Samenkörperehen dieser Pore eil ana- Art nur zwei Strahlen, die hier noch länger als bei den Spermatozoon der zuerst genannten Art waren. Doch glaube ich , dass die Dreizahl der Strahlen auch für die Spermatozoen dieser Art gelten wird, und nur eine Verklebung von zwei Strahlen stattfindet ; dafür spräche auch, dass der eine Strahl stets dicker als der andere ist. Ziemlich treu finden wir die Form der Galathea sperma- tozoen bei den Samenkörperehen der Ethusa mascarone aus- geprägt (Taf. IV, Fig. 17 und 18). Der Körper des Samen- körperchens ist kegelförmig ; er ist wie bei Galathea gebaut ; an ihn setzt sich ein breiter Fortsatz an, von dessen unteren Enden die drei Strahlen entspringen, die schräg nach abwärts abstehen. Dieser basale Fortsatz , den ich „Strahlenträger" nennen will, entspricht morphologisch nicht dem Mittelzapfen, wohl aber demselben Stück, das sich an den Kopf der Porcellana- spermatozoen unten anfügt. Interessant ist es, dass ein Mittelzapfen entwich e- lungsgeschichtlich wiederholt wird (Fig. 17'), und gibt dieser Befund einen guten Anhaltspunkt, die nahe Verwandtschaft der Ethusa spermatozoen mit denen von Galathea festzustellen, indem bei ersteren der Mittelzapfen sich rückbildet. So ist der Uebergang zu den übrigen Brachyuren — Samenkörperehen gegeben. Von den Zoospermien der übrigen Notopoden will ich noch die von Dromia vulgaris (Fig. 21 und 22) beschreiben. Die- selben haben einen kuchenförmigen Körper, in welchem der gleichgeformte Kopf gelegen ist. Ein Mittelzapfen fehlt vollständig. Doch zeigt sich an der Unterseite des Samenkopfes eine dicke Protoplasmaschichte, die bei der abgeflachten Form der Dromia- zoospermien dem Strahlenträger der Samenkörperehen von Ethusa (86) Beiträge zur Kenutniss der männlichen Geschlechtsorgane. 31 homolog zu setzen ist. An dem unteren Ende des Trägers ent- springen drei kurze Strahlen. Von oben gesehen zeigt das Samen- körperchen von Dromia einen Ring, der die Einstülpungsstelle des Samenkopfes bezeichnet, wo dessen Inhalt nur vom Zellleibe begrenzt ist. Aus der Gruppe der Oxystomen hatte ich nur Gelegenheit II ia nucleus zu untersuchen. Die kleinen Samenkörperchen (Taf. IV. Fig. 20) ähneln denen vonEthusa. Nur fehlt ein dem Strahlenträger entsprechendes Stück, indem sich die gleichfalls in der Dreizahl vorhandenen langen Strahlen direct an den kurzen kegelförmigen Kopf ansetzen. Von den Oxyrhyncken habe ich Stenorhynchus pha- langium, Ina chus thoracic us, Maja S quin ad o, Lambrus angulifrons und Eurynome aspera auf ihre Samenkörper- chen untersucht. Die Samenkörperchen von Stenorhynchus phalangium (Fig. 31 und 32) sind, von der Seite gesehen, kappenförmig , in der Ansicht von oben polygonal mit eben soviel Ecken, als Strahlen vorhanden sind. Der Samenkopf ist napfförmig. zeigt in der Mitte einen dunkleren Streifen, welcher nach Analogie mit den übrigen Spermatozoen von dem eingestülpten Theil der oberen Kopfwand herrührt. Während nach unten das Zellprotoplasma nur in dünner Schichte den Samenkopf überzieht, ist es an der oberen Seite kuppenartig darübergewölbt. Die Strahlen , die gewöhnlich in der Zahl 7 — 8 vorkommen , sind mittellang und stehen horizontal ab. Ganz ähnlich sehen die Samenkörperchen von Inachus (Fig. 33 und 34) aus. Dieselben sind, seitlich gesehen, fast drei- eckig, die Strahlen gedrungener aber zahlreicher, nämlich 11—12. Der Kopf der Spermatozoen von Maja Squinado (Fig. 23r 24. 25) ist halbkugelig, und zeigt in der Mitte wieder den dunk- leren Streifen. Die Strahlen sind mittellang, hinsichtlich der Zahl meist vier oder fünf, und entspringen mit breiter Wurzel. Bei Lambrus angulifrons (Fig. 41) ist der Spermato- zoenkopf gleichfalls halbkugelig , die kurzen Strahlen meist in der Dreizahl vorhanden; doch kommen auch vier oder fünf Strahlen vor. Durch äusserst dünne und lange Fortsätze zeichnen sich die Samenkörperchen von Eurynome aspera (Fig. 39) aus. Der Kopf ist flach halbkugelig, die Zahl der Strahlen beträgt 5—7. 187) 32 Dr. C. Grobben: Dieselben sind nach allen Richtungen gekrümmt, und zeigen auch noch die Eigentümlichkeit, dass sie sich sehr häufig spalten. Von den Cyclometopen sind bei P i 1 u m n u s li i r t e 1 1 u s (Fig. 12 und 13) die Spermatozoen deshalb merkwürdig, weil hier wieder die Dreizahl der Strahlen constant auftritt. Auch muss hier schon hervorgehoben werden, dass sich in der Entwickelung wieder ein Mittelzapfen (Fig. 14) zeigt, Das constant e Auf- treten von drei Strahlen, das sich von den Oxyrhynchen aufwärts sonst nirgend mehr zeigt, sowie das Erscheinen eines Mittelzapfens in der Entwickelung wird als Rückschlag in die Stammform der Brachyuren- spermatozoen zu betrachten sein. Das merkwürdige Zusammen- treffen dieser beiden Verhältnisse dürfte als eines mit dem anderen entstanden durch correlativen Rückschlag zu erklären sein. Die Samenkörperchen von Pilumnus zeigen gewisse Eigen- tümlichkeiten, die bei den Portunide n wieder ausgeprägter hervortreten. Von dem fast kugelrunden Körper entspringen nämlich die drei Strahlen mit sehr breiter Basis. Die Basen gehen in ihren Ursprüngen in einander über, und bilden so eine drei- eckige Ausbreitung, an deren Enden je ein Strahl entspringt. Der Basaltheil jedes Strahles scheint kantenartig nach unten und oben vorzuspringen, und daher kommt es, dass man bei Flächenansichten der Spermatozoen auf jedem Schenkel des ersteren einen dunklen Streifen sieht, der sich gegen den Strahl hin verliert. Im Inneren des Kopfes ist der dunkle Streifen wieder deutlich sichtbar, und auch leicht zu bemerken, dass er in seiner Mitte abermals einen lichteren Streifen zeigt. Es ist dies wieder der eingestülpte Theil der oberen Wand des Spermatozoenkopfes. Die Samenkörperchen von Eriphia (Taf. IV, Fig. 10 und 11) zeigen einen dicklinsenförmigen Körper, in welchem der rundliche Kopf liegt; dieser lässt abermals den doppelten Streifen erkennen, der hier deutlich am unteren Ende verdickt und nach aussen convex gebogen ist; beide dunkle Streifen weichen dadurch etwas von einander ab. Während jedoch bei den Oxyrhynchen die Strahlen in gleicher Ebene mit der unteren Fläche des Spermatozoenkörpers entsprangen (Stenorhynchus , Inachus, Maja) oder wenig höher (Lambrus, Eurynome) gehen bei Eriphia und so bei allen Cyclometopen die Strahlen in der Mitte des Körpers oder wenig tiefer unter derselben aus. Die Strahlen sind bei Eriphia ziemlich lang, ihre Zahl variirt zwischen 8 — 16. (88; Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 33 Bei den Portuniden (Taf. IV, Fig. 26—30) gestaltet sich der Körper der Spermatozoe um den Aequator des fast kugeligen Samenkopfes in Form eines flachen Ringes, von dessen Peripherie o-anz kurze Fortsätze entspringen. Diese flache Ausbreitung des Zellkörpers ist nach oben gewölbt, die Ränder nach unten gebogen, und es erscheint das Samenkörperchen von der Seite gesehen wie das Dach eines Regenschirmes. Die Zahl der Strahlen beträgt bei Portunus depurator 13 — 15, bei Carcinus mäenäs 13—19. Die Samenkörper der Catometopen schliessen sich zu- nächst an die der Portuniden an. Nur sind die Strahlen, die auch von einer ringförmigen Kante des Spermatozoenkörpers ent- springen, lang. So finden wir es bei Pinnother es veter um. (Taf. IV, Fig. 37 und 38), bei dem die Zahl der Strahlen 9 — 12 beträgt. Ein ähnliches Aussehen besitzen die Spermatozoen von Pachygrapsus marmoratus (Fig. 35 und 36), bei welchen jedoch die Kante nicht so breit ist. Die Zahl der Strahlen ist hier 12—15. Was die Entwickelung der Samenkörperchen an- langt, zu deren Darstellung ich nun übergehe, so kann ich wieder mit den Spermatozoen von S quill a mantis beginnen, da sie hier die einfachste ist. Die grossen Zellen des Hodens theilen sich ; oft genug hat man Gelegenheit, die Kernspindeln zu sehen : die Theilung schreitet fort bis zu Zellen, welche die Grösse der Spermatozoen haben. Diese Zellen, die ich mit Rücksicht auf den Umstand, dass eine jede sich in eine Spermatozoe umwandelt, als Samenzelle bezeichnen will, haben einen runden Kern mit zahlreichen Kernkörperchen , welcher von wenig feinkörnigem Protoplasma umgeben ist (Taf. III, Fig. 1). Wenn die Entwicke- lung der Spermatozoe beginnt, so sammelt sich die Kernsubstanz mondsichelförmig mit der grössten Dicke gegen den Pol, an dem später der junge Samenkopf liegt, in der Peripherie des Kernes an (Fig. 2). Darauf ballt sich die angesammelte Kernsubstanz an dem Pole, wo dieselbe die bedeutendste Dicke hat, halbkugelig zusammen und trennt sich von dem mehr flüssigen Kerntheile ab (Fig. 6). Die ausgetretene Kernsubstanz hat das körnige Aus- sehen verloren, ist glänzend und homogen geworden und nimmt nun wahrscheinlich die flüssigen Kerntheile auf , wird dabei grösser, während der Kernrest verschwindet. Nach der voll- ständigen Aufnahme ' dieses Restes hat der Samenkopf die Kugel- form angenommen und ist in die Mitte der Zelle gerückt: das (89) 34 Dr. C. Grobben: Zellprotoplasma hat während dieser Zeit das körnerige Aussehen verloren und ein homogenes Aussehen gewonnen. Strahlen werden keine gebildet. Von den Spermatozoen der C a r i d e n habe ich nur von Palaemon r e c t i r o s t r i s einige Entwickelungsstadien gefunden. Auch hier sammelt sich die Kernsubstanz an dem einen Pole an (Fig. 10, Taf. III) und nimmt höchst wahrscheinlich ganz ähnlich, wie bei Squilla, den flüssigen Kernrest auf. Dass die blasse neben dem Eiweissklümpchen gelegene Kugel Kernrest ist, geht aus der Färbung mit Carmin hervor, indem sich dieselbe rosa färbt, während die ausgetretene Kernsubstanz tiefroth wird, der Zellleib ungefärbt bleibt. An der Stelle, wo die Spitze entsteht, ist das Protoplasma des Zellleibes dunkler (Fig. 14 dz). Hier sprosst ein kleiner Fortsatz, der immer länger wird, bis er endlich den Durchmesser des Körpers des Samenkörperchens an Länge übertrifft. Der Kopf flacht sich ab und wird so beinahe schalenförmig. Viel vollständiger gelang es mir, die Entwickelung der Spermatozoen der G- a 1 a t h e a und der Paguriden zu verfolgen,, die ich vereint besprechen will. Die Beobachtungen wurden an (ialathea squamifera, Paguristes maculatus und Eupagurus Prideauxii gemacht. Ich werde die Entwickelung der Spermatozoen von Paguristes maculatus vorausschicken. Die grossen Zellen des Hodens theilen sich bis zu Zellen von 0011 mm. im Durchmesser ; letztere besitzen ein feinkörniges blasses Protoplasma und einen grossen blassen , mit zahlreichen Kernkörperchen versehenen Kern. Das nächste Stadium zeigt neben dem Kern ein glänzendes ovoides Körperchen (Taf. III , Fig. 50 sk). Im Kerne sind jetzt keine Kernkörperchen zu erkennen. Zwischen Kern und dem Neben- körper liegt eine dünne Schichte Protoplasma, und in derselben Ebene auch ein dunkler Ring (Fig. 51 dz.), der wohl durch eine Verdichtung des Protoplasmas entstanden ist. Diesen Ring, auf den wir noch öfter zu reden kommen, will ich stets als „dunkle Zone" bezeichnen. Färbt man mit Carmin ein Samenkörperchen in diesem Stadium, so tingirt sich der Nebenkörper heftig roth, der Kern rosa, während der Zellinhalt blass bleibt und nur jene dunkle Zone eine schwachrosenrothe Farbe annimmt. In diesem Stadium sind bereits alle wesentlichen Theile der Spermatozoe angelegt. Aus dem glänzenden Nebenkörper entsteht der Samenkopf: der Theil der Zelle, welcher den Kern der Samen- (90) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 35 zelle einschliesst , wird zum Mittelzapfen, und die dunkle Zone bezeichnet die Stelle, an welcher die Strahlen entstehen. Im Laufe der weiteren Entwicklung wächst der Neben- körper immerwährend, wogegen der Kern an Grösse abnimmt. Bis zn dem Stadium, wo der Kern der Samenzelle und der Nebenkörper einander in der Grösse gleichen, ist der letztere noch glänzend (Fig. 52). Mit dem weiteren Wachsthum verliert er jedoch den starken Glanz. Dies Anwachsen des Kernes und sein späteres Blässerwerden erkläre ich mir so , dass der Samenkopf zuerst die festeren, eiweissreichsten Theile des Kernes aufzehrt, und später den flüssigeren Kernrest aufnimmt. Dabei bleibt im Samenkopf das Protoplasma am dichtesten an den Wänden, wie aus späteren Stadien hervorgeht. Der Samenkopf ist jetzt etwas mehr wie halbkugelig und an . ihm hängt ein kleiner blasser, ebenfalls halbkugelförmiger Körper. Nun verdickt sich am apicalen Pole die Wand des Samenkopfes, während der an demselben hängende halbkugelige Körper unregel- mässig begrenzt ist (Fig. 54). Die Stelle, wo sich am Sperma- tozoenkopf die Verdickung zeigt, stülpt sich nach innen ein. Die Einstülpung geht tiefer und reisst endlich am untersten Ende durch. Zu derselben Zeit sprossen die Strahlen, während der untere Anhang immer mehr sich in die Länge streckt und die Form des Mittelzapfens der reifen Spermatozoe annimmt. Ueber dem eingestülpten apikalen Ende des Samenkopfes, der ja allerseits von dem Zellleib eingeschlossen ist, hebt sich dieser letztere zu einer Spitze empor (Fig. 57). Gleichzeitig verschmälert sich das obere Ende des Samenkopfes, und stülpt sich die Wand noch tiefer ein. Indem die Strahlen länger werden und der Mittelzapfen sich streckt, erlangen die Spermatozoen die definitive Form. Bei der Entwickelung kommen indessen kleine Unregelmässig- keiten vor. So können z. B. die Strahlen bereits eine ansehnliche Länge erreicht haben, während die obere Wand des Samenkopfes sich erst verdickt zeigt. Zu bemerken ist noch, dass gegenüber früheren Stadien der Samenkopf kleiner geworden ist; da er an Glanz wieder gewonnen hat, so muss er flüssigere Theile abgegeben haben. Dass der Samen- kopf auch noch im reifen Zustande vom Zellleib umschlossen ist, beweisen Samenkörperchen, zu welchen man Carmin zusetzt (Fig. 60). Dabei tritt der sich stark tingirende Kopf deutlich hervor, und das im Leben eng anliegende Protoplasma des Zellleibes hebt sich (91) 36 Dr. C. Grobben: ab; es lässt sich so der Antlieil, den der Zellleib am Aufbau des kuppeiförmigen Körpers nimmt, bestimmen. Bei dieser Behand- lung quillt der Mittelzapfen auf, während die Strahlen verschwinden. Bei Eupagurus Prideauxii gelang es mir, die ersten Stadien der Entwickelung der Samenkörper zu Gesicht zu bekom- men. Die Samenmutterzellen, die sich durch den Besitz von grossen Eiweissklumpen im Zellleibe auszeichnen (Fig. 37), theilen sich, bis zu Zellen, aus denen die Spermatozoe sich bildet. Diese Samen- zelle besitzt einen blassen Kern und der Zellinhalt hat noch immer die Eiweissklumpen. Bald tritt neben dem Kern ein kleiner, nach aussen convexer schalenförmiger Körper auf (Fig. 38), der sich mit Carmin heftig roth färbt , während der Kern sich rosa tingirt. Diesen kleinen Körper gelang es mir nur nach Zusatz von Vaper- centiger Osmiumsäure nachzuweisen. Bei dieser Behandlung sieht man auch, dass der glänzende Körper von einem hellen Hof um- geben ist. Dieser Hof ist allseitig vom Zellinhalte begrenzt und auch zwischen Kern und Nebenkörper findet sich eine dünne Proto- plasmaschichte. Der glänzende Nebenkörper wächst heran, während der Kern sich verkleinert. Der Zellinhalt wird während dieser Zeit mehr homogen und nun bemerkt man wieder die dunkle Zone um die Stelle, wo Kern und Nebenkörper an ein an der 'grenzen (Fig. 40 dz). Besonders klare Bilder geben mit Osmiumsäure behandelte Samen- zellen. Weiter verläuft die Entwickelung wie bei Paguristes. Der Spermatozoenkopf wird grösser, aber blässer, während er bei vollendeter Reife an Glanz gewinnt, an Grösse jedoch etwas ab- nimmt. Auch hier kann ich diese Erscheinung nur auf die früher bei Paguristes erwähnte Weise erklären. Endlich tritt die Ein- stülpung (Fig. 47) der oberen Samenkopfwand ein, der Mittelzapfen streckt sich in die Länge und die Strahlen sprossen an der Stelle, wo die dunkle Zone sich bildete. Auf ganz gleiche Weise, so viel ich nach wenigen Bildern zu schliessen vermag , geht die Entwickelung der Samenkörperchen von Galathea squamifera vor sich, und ist nur zu bemerken, dass der Samenkopf anfangs sehr breit, wie bei den reifen Pagu- ristes-Spermatozoen gestaltet ist und erst später jene spitzkegel- förmige Form erlangt. Uebereinstimmend mit der eben geschilderten Entwickelung der Pagurensamenkörperchen geht auch die der Spermatozoen der Brachyuren vor sich, die ich am genauesten bei Eriphia ( »2) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 37 spinifrons verfolgte. Das Besehen der gegebenen Abbildungen wird die Aehnlichkeit der Bilder mit denen von Paguristes oder Eupagurus sofort wach rufen. Deutlicher habe ich mich hier überzeugt, dass ein Durchriss der oberen »Samenkopfwand statthat, da der Samenkopf in diesen Stadium häufig eingesunken erscheint (Taf. IV, Fig. 5, 6, 7), und die "Wand desselben bei der Ansicht von oben in zahlreiche Falten gelegt ist. Ein Theil des Zellleibes, der demjenigen homolog ist, welcher bei den Pagurenspermatozoen den Mittelzapfen liefert, ist gering und kommt ein solcher nie zur Ausbildung. Doch erinnert das Stadium, wo die untere Masse des Zellleibes noch deutlich zu be- obachten ist (Taf. IV, Fig. 6), an die reifen Spermatozoen von Dromia (Taf. IV, Fig. 21) mit ihrem breiten Strahlenträger, und kann man dieses Entwickelungsstadium geradezu als das Dromia- s t a d i u m bezeichnen. Diese Auffassung wird um so mehr Berechtigung haben, wenn wir bei dem nahe verwandten P ilumnus die Spermatozoen Stadien durchlaufen sehen, die den Samenkörpereken von Gralathea ähnlich sind. Es findet sich hier nämlich eine Stufe , wo ein deutlicher Mittelzapfen vorhanden ist. Ein solcher tritt auch, wie bereits hervorgehoben wurde , bei den jungen Spermatozoen von Ettmsa mascarone auf, wo er bei den reifen Samenkörperchen vollständig fehlt. Etwas länger will ich wieder bei den Spermatozoen von Astacu s verweilen , da hier wegen der bedeutenden Grösse die A'erhältnisse leichter zu beobachten sind. Auch werde ich hiebei noch einige bei den anderen Dekapoden beobachtete und früher nicht erwähnte Vorkommnisse nachtragen. Die grossen Zellen des Hodens von Ast actis zeigen vor der Theilung ein eigentümliches Aussehen. Vor Allem ist der Kern strahlig von seiner Substanz durchzogen; das Protoplasma der Zelle ist blass und in dasselbe eingelagert findet sich ein kleiner, halbkugeliger Körper von mattem Glänze (Taf. in, Fig. 16); derselbe gerinnt bei Zusatz von Essigsäure und scheint ein Eiweis.skörper zu sein. Einen solchen Körper fand ich auch in den reifen Spermatoblasten von Eupagurus Prideauxii und Eriphia spinifrons. Bei den Spermatoblasten von Eupagurus fand ich im Kerne die strahlige Anordnung der Substanz desselben ebenfalls vor. "Welche Bedeutung dieser Körper hat, kann ich nicht sagen. Doch möchte ich die Ver- muthung aussprechen, dass er ein Theil des Kernes des Sperma- (93) Dr. C. Grobben: blasten ist, der vor der Theilung , oder bei erlangter Reife der Hodenzellen ausgestossen wird. Wenigstens hatte ich Bilder vor Augen, wo dieser Körper einmal nah am Kerne gelegen war, ein andermal weit von demselben entfernt in der Nähe der Zellgrenze lag. Auch sah ich bei Homarus Spermatoblasten, neben deren Kernen ein ähnlicher — wie bei As tacus beschriebener — Neben- körper lag, welcher durch Fäden mit dem Kerne zusammenzuhängen schien. Der sichere Nachweis über die Abstammung dieses Körpers muss daher noch weiteren Untersuchungen überlassen werden. Ich hebe hier nur noch hervor, dass auch Bütschli1) in dem Blut- körperchen vom Frosche einen Nebenkörper ausser dem Kern beschrieb, der diesem Nebenkörper der Spermatoblasten entsprechen dürfte. Bütschli enthält sich jedoch eine Vermuthung über die Bedeutung desselben auszusprechen. Die grossen Hodenzellen von Astacus theilen sich nun, und häufig genug hat man Gelegenheit, die grossen Kernspindeln zu beobachten (Fig. 17). Die Theilung schreitet fort bis zu Zellen von O022 mm im Durchmesser. Den Kern in den Zellen an- geführter Grösse . fand ich stets excentrisch gelegen und abge- plattet , und neben diesem eine Vacuole , welche gleichfalls excentrisch gelegen war. Wie diese Vacuole entsteht, gelang mir nicht mit Sicherheit nachzuweisen ; ob sich diese Flüssigkeits- ansammlung neben dem Kerne intracellulär bildet, oder ob nicht der Kernsaft, aus dem Kerne ausgestossen, dieser Vacuole die Entstehung gibt, muss unentschieden bleiben. Doch halte ich beinahe das Letztere für das richtigere, wofür ich das nur einmal beobachtete Bild, welches auf Taf. III, Fig. 18 wiedergegeben ist, anführe; dazu kommt noch die bedeutendere Grösse des Kernes in diesem Stadium verglichen mit dem nächsten, von mir ab- gebildeten. Die Vacuole erlangt eine bedeutende Grösse und es erscheint an derselben, und zwar an deren dem Kerne zugewendeten Pole ein glänzendes Klümpchen (Fig. 20), das sich mit Carmin heftig roth färbt und sich auch sonst wie ein Eiweisskörper verhält. Das Protoplasma des Zellleibes zeigt schon jetzt eine bestimmte An- ordnung, auf welche der complicirte Bau der reifen Spermatozoe zurückzuführen ist. Wir finden nämlich um die Vacuole aller- J) Studien über die ersten Entwickelungsvorgänge der Eizelle, die Zell- theilung und die Conjugation der Infusorien. Frankfurt a. M. 1876, p. 49. (.01) Beiträge zur Kenntuiss der männlichen Geschlechtsorgane. 39 seits eine Protoplasmaschichte , die an der nach dem Kerne hin- sehenden und der entgegengesetzten Seite dünn ist, sonst jedoch eine ziemliche Dicke besitzt. Auch der Kern, der von einem helleren Flüssigkeitsraum umgeben ist, ist allerseits von einer Protoplasmaschichte eingeschlossen. Das Eiweissklümpchen beginnt sich über die Vacuole hin auszubreiten, während es gleichzeitig an Masse zunimmt. Es hat sich erst über die Hälfte der Vacuole hinübergezogen und verdickt sich schon in einer Zone (Fig. 24), die später die vorspringende Kante des reifen Samenkopfes bildet. Schliesslich wird die Vacuole ganz umwachsen. Der Kern ist mit diesem Stadium verschwunden, und nur ein heller Raum bezeichnet die Stelle, wo er lag (Fig. 25). Der Samenkopf plattet sich jetzt nach seiner Höhenaxe etwas ab und die verdickte Kante prägt sich deutlicher aus. Darauf beginnt an der Unterseite sich die Wand des Samenkopfes ein- zustülpen (Fig. 26), und dasselbe thut die obere Wand, wobei die untere Einstülpung nochmals hervorgedrängt wird (Fig. 27). Endlich reisst die obere Einstülpung ein, was ich allerdings nicht direct beobachtete , wohl aber aus den Bildern mit ziemlicher Sicherheit erschliessen kann. Bei diesem Einriss geht nicht nur die untere eingestülpte und nochmals hervorgetriebene Wand des Samenkopfes in die frühere Form zurück , sondern es sinkt auch die angespannte Seitenwand ein und legt sich in zahlreiche, concentrisch gestellte Falten (Fig. 30). Der Samenkopf nimmt nun seine oben beschriebene definitive Form an, indem die Ein- stülpung tiefer wird, und sich an die Seitenwand innen anlegt. Sowie der Samenkopf seine definitive Gestalt besitzt, treibt das Protoplasma der Zelle an der Stelle, wo dasselbe die dicke Zone bildet, kleine Fortsätze (Fig. 30 und 31), die stets länger werden, bis sie endlich die oft bedeutende Länge der Strahlen der reifen Samenkörperchen erlangen. Ueberblicken wir nun nochmals die Spermatozoon der Deka- poden, so finden wir, dass im Allgemeinen die Macruren verhält- nismässig grössere Samenkörperchen haben als die Brachyuren, ferner, dass innerhalb einer Gruppe in der iiegel die Grösse der Spermatozoon mit der Körpergrösse parallel geht, indem die grössten Spermatozoon dem grössten Vertreter der Gruppe an- gehören, und ihre Grösse mit der des Körpers abnimmt. Aller- dings gibt es Ausnahmen , die indessen die Regel nicht aufheben können. — Ich habe zur Erläuterung dieser Resultate einige (95) 40 Dr. C. Grobben: Tabellen zusammengestellt. In diesen wurde von den Dimensionen; des Körpers die Längendimension gewählt, und wenn sich auch gegen die ausschliessliche Verwendung dieser Manches einwenden lässt, so genügt dieselbe hier, und ist mancher Fehler damit eli- minirt, dass nur immer die Glieder einer und derselben Gruppe zu- sammengestellt wurden, wo Breite und Höhe des Körpers im G-anzen und Grossen mit der Länge in nahezu gleichem Verhält- nisse zu- und abnehmen. Von den Spermatozoon wurde der Durchmesser des Kopfes als Mass gewählt , da dieser viel weniger unregelmässigen Variationen unterliegt als die Strahlen (Zahl und Länge derselben) und der Körper (Mittelzapfen, Strahlenträger). Cariden. Name des Thieres Körper-Länge I nach Heller1) Diameter des Spermatozoon köpfe s Palaemon rectirostris . . . 2— 21 V Alpheus ruber IV2" Virbius viridis 15 — 18" Athanas nitescens | 6 — 8"' Cy dornet open. O012-O014mm 0-010— 0-01 lmm 0007mm 0-005— Ö-0055mm Eriphia spinifrons . Carcinus maenas . Portunus depurator Pilumnus hirtellus. 2—3" 17'" 13— 18"' 0'" 0-004mm' 0-00214mm kleiner 0-0025— 30mm (abweich.) Oxyrhynchen. Maja Squinado Lambrus angulifrons . . . Inachus thoracicus . . . . Stenorhynchus phalangium Eurynome aspera 6V2" 1" 11"' 8'" 6"' 0-004 — 0'005mm 0-00268 (abweichend) 0-004mm kleiner noch kleiner Die eben beleuchtete Thatsache findet vielleicht ihre Erklärung darin, dass eine gewisse Anzahl von Zelleinheiten zum Aufbau eines Or- ganismus einer bestimmten Organisationsstufe nothwendig ist. Somit kann bei verschieden grossen, dabei aber gleich hoch organisirten Indi- viduen einer Gruppe die Menge der das Individuum aufbauenden Einheiten nicht unter ein gewisses Minimum herabsinken, welches bewirkt, dass die Einheiten kleiner werden müssen. ') Die Crustaceen des südlichen Europa. Wien 1863. i9<;> Beitrüge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 41 Ist schon die Grösse der Spermatozoon so variabel, so gilt dies in weit höherem Grade von der Gestalt ; und zwar sind die Spermatozoen der Verwandten einander ähnlich, und ähneln einan- der um so mehr, je näher die Thiere verwandt sind und umgekehrt. Es kann somit der für die Samenkörpereken der Vertebraten gemachte Ausspruch R. Wagner's1) als vollinhaltlich auch für die Spermatozoon der Dekapoden geltend unterschrieben werden: dass „in den Samenthieren sich immer ein bestimmter Classe n Charakter ausspricht, und es möglich ist, dass die speci fische Verschiedenheit selbst bis auf die Arten fortgeht". Zum Beweise für die Richtigkeit desselben brauche ich nur die C ariden herauszugreifen, welche in ihrer eigenthümlichen Spermatozoenform übereinstimmen , und darauf hinzuweisen , wie die Samenkörper der nahen Verwandten A 1 p h e u s, V i r b i u s und Äthan as wieder viel mehr einander in der Form ähneln und von denen des entfernter verwandten Palaemon sich unter- scheiden; indessen muss ich hervorheben, dass bei jedem der genannten Genera die Samenkörper , von der Grösse abgesehen, auch anders gestaltet sind. Ein weiteres Beispiel geben die Portuniden (Portunus und Carduus), deren Spermatozoen unter einander überein- stimmen, dagegen von denen der Eriphiden abweichen. Schliesslich verweise ich auf die Samenkörper von Homarus, welche zu den Galatheiden hinführen, von denen wieder einer- seits die Spermatozoen der Paguriden, andererseits die der Xotopoden abzuleiten sind, und hebe die interessante Thatsache nochmals hervor, dass die Spermatozoen des Brachyuren Ethus'a Stadien durchlaufen, die mit denen der reifen Galatheensperma- tozoen Aehnlichkeit haben. Es zeigen diese Verhältnisse die genetische Verwandtschaft aller dieser Formen an. Gewiss ist es eine äusserst auffallende Thatsache, dass die Samenkörperchen so ausserodentlich variiren. Variationen finden auch, wenngleich in nicht so auffälliger Weise, bei den Eiern statt und gelten somit für beide Geschlechtsstoffe. Es wird sich nun darum handeln, eine Erklärung dieses „höchst merk- würdigen Verhältnisses für die Physiologie der Zeugung" zu suchen. Dieselbe dürfte indess leicht gefunden sein, wenn wir festhalten, dass bei den Samenkörperchen, welche einfachen Zellen entsprechen, die ') Die Genesis der Sanienthierchen. Müller's Arch. 1836, p. 225. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute 7 ^97' 42 Dr. C. Grob Iren: Sätze des Darwinismus sich bewahrheiten. Vor Allem muss man die grosse Wichtigkeit, welche die Geschlechtsstoffe in der Erhaltung der Art besitzen, im Gedächtniss festhalten, besonders aber die Thatsache, dass keine Zelle des Organismus jemals eine solche Selbstständigkeit erlangt , wie die Geschlechtszelle , deren Thätigkeit erst beginnt, wenn sie sich von ihrem Entstehungsorte entfernt hat. Bei diesem Sichüberlassensein wird die Geschlechts- zelle einem Kampf um's Dasein ausgesetzt sein, wie keine im Or- ganismus verbleibende Zelle, und wird somit der natürlichen Zuchtwahl in hohem Masse unterliegen. Es wird so die allen organischen Gebilden zukommende Variabilität mit Rücksicht auf die Ermö'glichung des Contactes eine Beschränkung erfahren, in- dem nur diejenigen Samenkörpereken und Eier die meiste Aus- sicht haben werden , sich zu erhalten , welche ohne ihren Schutz- mitteln Eintrag zu thun, gegenseitig am besten angepasst sind. Bei der Neuentstehung von Arten werden die Geschlechts - stoffe gleichfalls stark variirt haben. Es werden sich unter ihnen auch wieder nur diejenigen am besten erhalten haben, welche gegenseitig am besten angepasst waren, aber es wird noch ein anderes Moment züchtend hinzugetreten sein. Es beruht dasselbe auf der bereits von E.Leuckart1) hervorgehobenen Thatsache, dass schon die verschiedenen moleculären Verhältnisse in den Keimproducten der verschiedenen Arten selbst dann , wenn die mechanische Schwierigkeit des Eindringens der Spermatozoe in das Ei einer anderen Art überwunden ist, eine regelmässige Ent- wickelung verhindern, sei es dass überhaupt nicht die ersten Embryonalstadien überschritten werden, oder dass in späten Stadien eine Unregelmässigkeit in der Entwickelung eintritt, oder sei es , dass zwar der Embryo vollkommen entwickelt wird , und sich auch nach der Geburt der junge Organismus weiter entwickelt, aber entweder selbst oder erst in seinen Nachkommen unfruchtbar wird. Unter diesen Umständen werden sich also nur diejenigen Eormen von Samenkörperchen und Eiern am besten erhalten haben, die sich am weitesten in Form, Grösse etc. von den Spermatozoen und Eiern der Stammart entfernten. So können wir uns erklären, dass die Samenkörperchen und Eier selbst bei den Arten einer Gattung verschieden sind. Gleichzeitig können wir darin eine Schutzeinrichtung erkennen , durch welche einer Verbastardi- rung vorgebeugt wird dadurch, dass schon der Contact zwischen ') Artikel „Zeugung", p. 963. (.98) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 43 den G-eschleclitsstoffen unmöglich wird, indem die Samenkörperchen in ihrer Grösse und Gestalt Hindernisse finden, in das Ei einer anderen Art einzudringen. Von ganz besonderem Nutzen muss eine solche Schutzein- richtung in jenen Fällen sein, wenn die Geschlechtsfunctionen der Elternthiere sich auf Production der Keimstoffe beschränken und dieselben einfach frei in das Wasser gelangen lassen, wie z. B. bei den Cölenteraten. Denn es werden im Meere Samenkörperchen verschiedener Arten und Gattungen um die Eier verschiedener Arten herumschwärmen, und ist schon die Zahl der Umstände, welche die Keimstoffe zerstören , eine bedeutende , so würde , falls jede Spermatozoe in jedes Ei eindringen könnte, noch ein weiteres Hinderniss für die Fortpflanzung der Art erwachsen, welches die Eier durch ein solches Eindringen dem Einflüsse einer Befruchtung durch die Samenkörperchen der eigenen Art entzöge, ein Hinder- niss , das gewiss nicht zu unterschätzen ist. Dabei habe ich stillschweigend vorausgesetzt, dass auch bei den Cölenteraten die Samenkörperchen in jeder Art verschieden sind, was mit Rück- gicht auf die Erfahrungen bei Vertebraten und Dekapoden als höchst wahrscheinlich erwartet werden kann. Für jeden Fall finden gegenseitige Anpassungen zwischen Ei und Samenkörperchen statt, wie bereits Eimer :) bemerkt hat. Dabei werden mit Rücksicht auf die Befruchtung die Hüllen des Eies viel wichtiger sein. Aber auch das Ei ist , verschieden von dem einer anderen Art, nur sind die Unterschiede nicht so auf- fallend wie bei den Spermatozoon. Die letzteren haben gewiss mehr variirt, als die Eier, da sie das active Element bei der Be- fruchtung- sind, ebenso wie die accessorischen Geschlechtscharaktere des Männchens viel variabler sind, als die des "Weibchens. Wenngleich man mit Rücksicht auf die Befruchtung Sperma- tozoe und Ei mit einander vergleicht, so ist dies doch vom mor- phologischen Standpunkte aus unrichtig; denn dem Ei entspricht nicht ein Samenkörperchen, sondern ein Spermatoblast, und ver- gleichen wir die letzteren bei den verschiedenen Arten, so werden wir finden, dass auch hier die Formunterschiede nicht auffällige sind, ja dass sie oft weit weniger in die Augen springen, als bei den Eiern. Verglichen mit den am besten bekannten Spermatozoen der ') Untersuchungen über den Bau und die Bewegung der Samenfäden. Würz- onrg 1874, p. 42, Annikg. 7 * (99 ) 44 Di'- C. G r o b b e n : Vertebraten und Insecten, zeigen sich die der Dekapoden in allen wesentlichen Punkten übereinstimmend gebaut. Wir finden den Samenkopf, aus dem Kerne der Samenzelle hervorgegangen, sei es nun durch unmittelbares Heraustreten der Kernsubstanz (Squilla, Palaemon) oder durch Bildung eines Nebenkörpers , der auf Kosten des Kernes sich entwickelt; ferner den Körper, welcher dem Mittelstück der fadenförmigen Spermatozoen entspricht, und endlich die Strahlen, deren Summe dem Schwänze der Samenfäden gleichzusetzen ich nicht anstehe. Der Mittelzapfen und der Strahlen- träger können nur als Modificationen des Körpers angesehen wer- den, und entspricht der Mittelzapfen nicht dem Flimmerfaden der fadenförmigen Samenkörperchen, wie P. Mayer1) ohne Weiteres, auf die einzige Beobachtung der merkwürdig gestalteten Sper- matozoen von Eupagurus Prideauxii gestützt, behaupten konnte. Dass die Summe der Strahlen der Dekapodenspermatozoen dem Flimmerhaar der Vertebratensamenfäden gleichzusetzen ist, geht auch aus dem einzigen stachelartigen Fortsatz der Cariden- samenkörper hervor, denn dass dieser nicht etwa dem Mittelzapfen homolog ist, zeigt zur Genüge die Entwickelungsgeschichte. Eigenthümlich ist auch die Starrheit der Strahlen, verglichen mit den lebhaften Bewegungen des Samenfadens der. Vertebraten. Bekanntlich- fehlen allen Arthropoden Flimmerepithelien ; doch kommen Flimmerzellen vor, denn die fadenförmigen beweglichen Spermatozoen der Insecten sind solche. Bei den Crustaceen dagegen sind solche bewegliche Spermatozoen nicht bekannt; bei den Cope- poden, Phyllopoden, Xiphosuren, Stomatopoden und Dekapoden finden wir nur langsam amöboid bewegliche Samenkörper, die auch aller Fortsätze entbehren können. Ja selbst da, wo unter den Crusta- ceen die Spermatozoen in ihrer Form getreu die beweglichen Samen- fäden wiederholen, wie bei den Crevettinen, Isopoden und Schizo- poden, konnte an denselben bis jetzt keine Bewegung wahrgenom- men werden. Eine Erklärung für diese auffallende Thatsache ist schwer zu geben; doch will ich hervorheben, dass alle genannten Thiere Chitinthiere sind, und dass auch bei den anderen Cliitin- thieren starre Spermatozoen vorkommen , so bei den Nematoden, Myriopoden und Arachniden. Und obgleich Fälle bekannt sind — ich verweise nur auf die Insecten und Echinorhynchen — wo bei Chitinthieren sich lebhaft bewegen'de Zoospermien auftreten, J) 1- c. 1'. (100) Beitrage zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 45 so ist doch umgekehrt, soviel ich weiss, kein Fall bekannt, dass starre Spermatozoen bei Nicht- Chitinthieren sich fänden. Die Spermatozoen der Dekapoden sind radiär gebaut. Dieser radiäre Bau hat sich wahrscheinlich mit dem Verlust der raschen freien Bewegung ausgebildet. Bei den sich schlängelnden Samen- fäden dagegen finden wir sehr häufig eine deutlich ausgesprochene bilaterale Symmetrie vor. Selbst da, wo an der entwickelten Spermatozoe diese nicht mehr leicht nachzuweisen ist, wie bei den Insecten, spricht sich der bilaterale Bau während der Entwickelung in einem „dunklen Körper" aus, der da entsteht, wo später der Faden hervor wächst. Dieser dunkle Körper, den bereits de La Valette1) und Balbiani 3) kannten, welcher in seiner weiteren Entwickelung jedoch erst durch Bütschli3) verfolgt wurde, theilt sich nach den Angaben des letztgenannten Forschers, die auch von de LaValette4) bestätigt wurden, in zwei bilateral-symmetrisch gelagerte Stücke, die sich später stark in die Länge strecken. Dem dunklen Körper entspricht bei den Spermatozoen der Dekapoden die dunkle Zone, die gleichfalls da erscheint, wo später die Strahlen sprossen. Die Ausbildung eines Tragapparates in den zahlreichen Fort- sätzen, als Ersatz für das Flimmerhaar bei den beweglichen Samen- fäden hat noch eine zweite Veränderung hervorgerufen, die sich auf die Anordnung der Eiweissmasse im Samenkopf bezieht. Schon bei den Spermatozoen der C ariden schlössen wir, dass der dichteste Theil des Samenkopfes am unteren Pole liege. Bei den anderen Dekapodenspermatozoen ist dies gleichfalls der Fall. In den meisten Fällen finden wir die Hauptmasse der Samenfäden unter die Ebene der Insertion der Strahlen gerückt. Nur bei den Galatheiden, Paguren, denNotopoden undllia, auch beim Hummer, inseriren sich die Strahlen unterhalb des Samen- kopfes. Doch möchte hier der Mittelzapfen oder Strahlenträger — allerdings ist der Mittelzapfen bei P o r c e 1 1 a n a von geringer Grösse ') ITeber die Genese der Sanienkörper. II. Mitthlg. Arch. für mikrosk. Anat. 1867, III. Bd. 2J Memoire sur la generation des aphides. Ann. d. sciences nat. 5. ser. t. XL 1869. 3) Vorläufige Mittheilung über Bau und Entwickelung der Samenfäden, und Nähere Mittheilungen über die Entwickelung und den Bau der Samenfäden der In- secten. Zeitsch. f. wiss. Zool. 1871. 4) Ueber die Genese der Samenkörper, III. Mitthlg. Arch. für mikrosk. Anat. 1874, X. Bd. uoi) 46 Dr. C. Grobben: — ein so weites Hinaufrücken des Samenkopfes ermöglicht haben,, unbeschadet der Anordnung der Masse, um den schwersten Punkt unter den Aufhängepunkt zu bringen. Denn schon von Ilia weiter aufwärts , bei den M a j a c e e n , Cyclometopen und Catometopen finden wir den Samenkopf hinabrücken, beziehungs- weise den Tragapparat an dem Kopf hinaufrücken, wie dies stufen- weise die Spermatozoen von Maja, Eriphia, Grapsus, Por- tun us zeigen. Bei den sich lebhaft schlängelnden Samenfäden dagegen ist, wenigstens nach den genauest untersuchten Fällen zu urtheilen, die grösste Masse des Samenkopfes am vorderen Pole angesammelt, und den Kopf finden wir stets an der Spitze der Spermatozoe. Beide Anordnungen der Masse des Samenkopfes müssen als, erworben angesehen werden, und die Ausgangsform mag ein Samen- körperchen gewesen sein, wie das von S quill a, wo die Masse nach allen Dimensionen gleichmässig vertheilt ist. Literaturangaben. Von den Spermatozoen der Dekapoden wurden zuerst die von Astacus fluviatilis durch He nie1) und von Siebold2) bekannt. "Wenngleich die Abbildungen , welche die beiden eben genannten Forscher von den Samenkörperchen geben, uns letztere nicht in unverändertem Zustande zeigen , sind an denselben doch die Hauptbestandtheile zu erkennen; besonders von Siebold hat die Vertiefungen der oberen und unteren "Wand des inneren Tönn- chens richtig beschrieben. Nicht viel weiter in der Erkenntnis» des Baues der Astacusspermatozoen ist Lemoine3) gekommen. Lemoine fasst dieselben jedoch nicht als Spermatozoen auf, sondern wirft die Frage auf, ob diese „Corpuscules spermatiques" nicht von Bedeutung für die Art der Ausstossung der Samenmasse wären , während er als die Spermatozoen kleine glänzende Körn- chen bezeichnet , die sich in den Hodenzellen finden , welche Fäd- chen besitzen und Bewegung zeigen sollen. Ich will es unter- lassen, weiter zu erörtern, welche Bilder Lemoine zu diesen Anschauungen verleitet haben mögen. Die Entwickelung der Samenkörper von Astacus hat ') Müller's Arch. 1835, p. 603. 2) Müller's Arch. 1836, p, 26. 8) 1. c p. 27. (102) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 47 Metschnikoff1) studirt. Nach dem Auszuge, den d e L a V a 1 e 1 1 e von der Arbeit Metschnikof f's gibt, stimmt die .Darstellung mit meiner nur insofern überein, als wir übereinstimmend fanden, dass die Bildung des Samenkopfes neben dem Kerne, welcher ver- sehwindet, erfolge. Dagegen gehen die beiden Darstellungen in dem Punkte auseinander, wie der Samenkopf gebildet wird. Nach Metschnikoff entstellt derselbe durch Höhlung „eines proto- plasmaartigen Körpers, der eine selbstständige intracelluläre Bil- dung darstellt" ; nach meinen Untersuchungen ist zuerst eine Vacuole vorhanden, die wahrscheinlich ausgestossener Kernsaft ist, und der eigentliche Samenkopf wird erst durch Umwachsen dieser Vacuole von einer Eiweissmasse, welche vom Kerne stammt, gebildet. Die Samenkörperchen des Hummers hat Valentin2') zu- erst gesehen. Später wurden dieselben von Kölliker3) und Lallemand4) richtig beschrieben. Kölliker gibt auch eine gute Abbildung derselben; er ist der einzige, welcher den Mittel- zapfen gesehen hatte, wenigstens beschreibt er bei manchen Sperma- tozoen „eine gräuliche Masse von unbestimmten halbkreisförmigen Umrissen", die „ein wenig zwischen die Strahlen hereinragt". Lallemand fasste merkwürdiger Weise die Spermatozoen von Homarus als Samenkapseln auf. Ebenso sind seine „capsules spermatiques" der Languste die Samenkörperchen derselben, an denen er jedoch keine Strahlen beschrieb. Auch Milne Edwards5) hielt es für wahrscheinlicher, dass die eigentümlich geformten Samenkörper der Dekapoden „des Spermatophores ou des organites producteurs des Spermatozo'ides" die Spermatozoen seien. Wohl nur mit Bezug auf diese An- sicht Milne Edwards' ist es zu verstehen, wie Lern o ine dazu kommt, den Satz niederzuschreiben: „Nous ne pensons donc pas cju'on puisse considerer les corpuscules ä prolongements du sperme comme des spermatophores." Die Samenkörper der Galathea strigosa wurden zuerst *) Arbeiten der I. russischen Naturforscher- Versammlung. 1868. Abth. für Anat. und Phys., p. 50. nach von La Valette: Heber die Genese der Samen- körper. HI. Mitthlg. Arch. f. mikrosk. Anat Bd. 10, 1874. 3) Repertorium, 1838, p. 188 (nach Kölliker). 3) Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältnisse etc. Berlin 1841. 4) Observation sur l'origine et le mode de developpement des Zoospermes. Ann. d. scienc. nat. 2. s^r. t. 15. 1841. p. 80. ■') Le«.ons sur la Physiologie et l'Anat. comp. t. VIII. 1863, p. 346. (103) 48 Dr. C. Grobben: von Kölliker1) beschrieben und abgebildet; derselbe Forscher 2) lehrte auch die Spermatozoon der Muni da zuerst kennen. Seine Abbildungen und Beschreibungen sind verglichen mit den von mir untersuchten Spermatozoen von Gralathea squamifera richtig. Für Gralathea strigosa gibt Kölliker 2 — 3 Strahlen an; doch dürfte die Dreizahl auch bei dieser Art constant sein. Von demselben Dekapoden beschreibt auch B r o c c h i 3) die Samen- körper, doch sind seine Abbildungen sehr mangelhaft. Die erste von Kölliker1) gegebene Darstellung der Sper- matozoen von Pagurus Bernkar du s ist wohl nicht richtig; dagegen hat später2) Kölliker trefflich die Samenkörper von Pagurus ocu latus und P. striatus abgebildet. Auch kann es bei Betrachtung der Fig. 36 auf Tai'. III keinem Zweifel unter- liegen, dass Kölliker Entwickelungsstadien vor sich hatte. L e y d i g 4) beschreibt die Samenkörper von Pagurus als „ ko- nische Körperchen, die scharf contourirt und an der Basis mit einer Art Teile versehen waren, welche wie ein Fleck sich aus- nahm". Offenbar hatte Leydig kein reifes Samenkörperchen, sondern ein Entwicklungsstadium vor sich. Damit stimmt auch die Zeit, Monat September, wo Leydig den Pagurus unter- suchte, überein. A7ollkommen unzutreffend sind die Abbildungen, die B r o c c h i von den Samenkörperchen des Eupagurus P r i- deauxii gibt, ebenso sind die Spermatozoen von Pagurus striatus in verändertem Zustande wiedergegeben. Eine gute Darstellung der Samenkörper von Eupagurus Pride auxii gibt P. Mayer (1. c). Die Spermatozoen von Palaemon squilla und Crangon hat von Siebold5) richtig beschrieben. Von den Zoospermien der Notopoden wurden von Kölliker die von Ethusamascarone in ihrer Form richtig abgebildet, während die von Dromia Rumphii nach demselben Autor 1 — 3 Strahlen besitzen sollen, was mit Rücksicht auf die Con- stanz der Dreizahl der Strahlen bei Dromia vulgaris als wahrscheinlich nicht zutreffend bezeichnet werden muss. Dagegen sind die Abbildungen, die K ö 1 1 i k er von den Spermatozoen der 1 1 i a ') Beiträge zur Kenntniss etc. 2) Die Bildung der Samenfäden in Bläschen. Denksck. der Schweiz. Gesell, f. d. ges. Naturwiss. 8. Bd. 1847. 3) 1. c. ") Lehrbnch der Histologie. Frankfurt a. M. 1857, p. 532. 5) Lehrbuch der vergleichenden Anat. der wirbellosen Thiere. Berlin 1848, p. 483, Anrakg. (104) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 4'.1 tind S t e 11 o r li y n c h u s p h a 1 a n g i u m gibt, vollkommen richtig. V< m Maja Squinado haben Kölliker und Brocchi die Samen- körperchen beobachtet. Kölliker gab eine nicht vollständig zu- treffende Abbildung, doch übertrifft sie diejenige, welche Brocchi gibt. Die Spermatozoon von Carcinus maenas hat Kölliker1 beschrieben und abgebildet. Kölliker sah die schwer zu unter- suchenden Samenkörperchen dieses Brachyuren mit zwei Strahlen versehen. Alles dies sind jedoch Spermatozoon, die von der Seite gesehen sind, wo die Ausbreitung des Zellkörpers im optischen Schnitt wie ein Strahl erscheint (vergl. nieine Fig. 20 auf Taf. IY). Dagegen sind die kleinen Zellen, die Kölliker a. a. 0. auf Taf. III, Fig. 24b abbildet, die Carcinusspermatozoen von oben gesehen, indem die von oben sehr schwer sichtbare Ausbreitung des Zell- körpers mit den kurzen Strahlen der Untersuchung entging. Aus der Beschreibung, die Hallez2) von den Spermatozoon des Car- cinus maenas gibt, geht nicht mit Sicherheit hervor, ob er die Strahlen gesehen hat oder nicht. Doch sieht Hallez, wie bereits früher erwähnt wurde, die Strahlenzellen nicht als die reifen Spermatozoon an; sondern er versicherte sich davon, dass die- selben sich verlängern und an jedem Pole eine fadenförmige Ver- längerung zeigen und schliesslich spindelförmig werden. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, dass Hallez' spindelförmige Spermatozoon die Strahlenzellen von Carcinus m a enas von der Seite gesehen sind. Da die Spermatozoon von P o r t u n u s gleichfalls eine schwer sichtbare Ausbreitung besitzen wie die von Carcinus, so entging dieselbe auch hier der Beobachtung. So konnte Kölliker bei Portunus lividus keine Strahlen finden, bildete jedoch3) die Spermatozoen von Portunus corrugatus mit drei Strahlen ab. Höchst wahrscheinlich ist der unter dem Namen Portu- nus corrugatus aufgeführte Kruster kein Portunide, sondern ein Pilumniis; denn die Spermatozoen von Portunus c o r r u- gatus werden nach den bisherigen Erfahrungen kaum so bedeu- tend von denen des P. depurator abweichen. Die Dreizahl der Strahlen und die Länge derselben lässt vermuthen, dass Kölliker's Portunus ein Pilumniis ist. Dagegen glaube ich, dass der in der von Kölliker a. a. 0. zusammmengestellten *) Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältnisse, p. 13. 2) Note sur le developpement des spermatozoi'des etc. Compt. rend. 1874, Band 79. 3) Die Bildung der Samenfäden in Bläschen. Die Tabelle auf p. 28. (105) 50 Dr. C. Grobben: Tabelle unter dem Namen Pilumnus minor aufgeführte Deka- pode ein Portunide ist, da Kölliker Strahlen an den Sperma- tozoen dieses Brachyuren nicht beobachtete. Von den Catometopen wurden durch Kölliker nur die Spermatozoen von Grapsus marmoratus abgebildet. Dieselben sind für den Fall, dass dieser G-rapsus mit dem von mir unter- suchten Pacliygrapsus marmoratus identisch ist , nicht zutreffend. Die Samenkörperchen von Squilla mantis wurden von mir J) zuerst beschrieben und abgebildet. Die vielkernigen Zellen aus dem Hoden , welche ich damals beschrieb , sind nach meinen jetzigen Beobachtungen nur Artefacte, entstanden durch Verkle- bung vieler kleiner Zellen. In Betreff der Entwickelung habe ich noch Einiges nach- zutragen . Kölliker2) ist bis jetzt der einzige, welcher zweifellos Entwickelungsstadien der Samenkörperchen von Dekapoden beob- achtete. Ueber die Abstammung der Samenzellen gibt uns Kölliker allerdings keine Auskunft, doch bildete er von Pagurus und einigen Brachyuren junge Samenkörperchen vollkommen naturgetreu ab. Auch die vielleicht etwas willkür- liche Deutung des unteren Theiles der jungen Spermatozoe als Kern stimmt mit der von mir oben gegebenen überein; Kölliker bezeichnete auch nicht immer dasselbe Gebilde als Kern , da ihm ein fester Anhaltspunkt dazu fehlte; so dürfte in Fig. 39a auf Taf. III das untere Bläschen dem Samenkopf und nicht dem Theil entsprechen, welcher den Kern enthält. Auch hat Kölliker die auffallende Grössenabnahme des Samenkopfes bemerkt, die einem so ausgezeichneten Beobachter nicht entgehen konnte. Hallez3) lässt die Samenzellen durch endogene Zellbildung aus den Mutterzellen entstehen. Auch sollen letztere erst dann von der Wand sich loslösen, wenn sie im Begriffe sind, ihre Brut durch Platzen in Freiheit zu setzen. Doch sind diese Beobach- tungen nicht richtig und viel richtiger scheint die von A. Zin- cone in Betreff dieser Frage zu sein, der nach P. Mayer4) fand, dass „das Sperma aus den Tochterzellen des Hodenepithels entsteht" . «) a. a. 0. p. 5. 2) Bildung der Samenfäden in Bläschen. 3) a. a. 0. 4) a. a. 0. p. 203. (106) Beiträge zur Kermtriiss der männlichen Geschlechtsorgane. 51 D) Bau des Vas deferens. Vom Hoden entspringen und zwar häufig mit trichterförmiger Verschmälerung die Vasa deferentia. Dieselben besitzen, von seltenen Ausnahmen (Alpheus ruber [Taf. I, Fig. 1] , Homarus [Fig. 6], Calliaxis adriatica [Taf. II, Fig. 4]) abgesehen, eine ansehnliche Länge und machen daher in ihrem Verlaufe bis zur Ausmündung zahlreiche Windungen. Nur da, wo das Vas deferens kurz ist, verläuft es einfach in schwachem Bogen zum Coxaltheil des letzten Brustfusses. Der Endtheil des Vas deferens, den wir als Ductus ejaculatorius unterscheiden werden, macht niemals Windungen, auch da nicht, wo der übrige Abschnitt des ausführenden Clanges sich reichlich aufknäuelt. In der Regel lassen sich am Vas deferens gewisse Haupt- abschnitte unterscheiden , die jedoch in manchen Fällen nicht scharf von einander abzugrenzen sind. Dieser Hauptabschnitte sind drei: Zunächst entspringt vom Hoden ein schmales Anfangs- stück, welches nur als Leitungsrohr für die Samenmasse dient; ich will diesen Abschnitt als oberen oder Z uleitungs- Ab- schnitt bezeichnen. Dieser setzt sich in einen zweiten Abschnitt fort, der sich durch sein breiteres Lumen , häufig durch eine ver- schiedene Beschaffenheit des Epithels, sowie dadurch auszeichnet, dass in ihm um die sich hier ansammelnde Samenmenge eine bedeutende Menge Secret abgeschieden wird. Ich unterscheide diesen Abschnitt als Drü sen ab schnitt: Das Endstück des Vas deferens endlich besitzt in der Regel eine äusserst kräftige Musculatur und dient dazu, die Samenmasse auszustossen , und wird als Ductus ejaculatorius zu bezeichnen sein. Bei den C ariden lassen sich alle drei Abschnitte selten scharf unterscheiden. Bei Palaemon (Taf. I, Fig. 2) finden wir einen schmalen Anfangstheil (v d') , der sich ziemlich deutlich von dem Drüsenabschnitt (vd") trennt, welchem ein dicker Ductus ejaculatorius (de) folgt. Bei Alpheus (Fig. 1) dagegen lassen sich die beiden Abschnitte nicht scharf von einander trennen. Hier entspringt vom Hoden das Vas deferens mit einer kelch- artigen Erweiterung, verengt sich nur in einer kurzen Strecke, und erweitert sich alsbald. Es ist hier auch mannigfach gefaltet. Der Endtheil unterscheidet sich auch nicht scharf; doch kann man nach einer verengten Stelle des Drüsenabschnittes die fol- gende Erweiterung als den Anfang des Ductus ejaculatorius bezeichnen. Bei Virbius viridis findet sich ein ähnliches Ver- (107) 52 Dr. C. Grobben: halten. Hier tritt am Ende des Vas deferens noch eine ziemlich grosse Ausbuchtung auf (Taf. VI, Fig. 14). Gehen wir zu den Astaciden über, so weist uns Astacus Verhältnisse auf, die denen von Palaemon am nächsten stehen. Der Zuleitungsabschnitt lässt sich von dem Drüsenabschnitt nicht scharf trennen, wogegen der Ductus ejaculatorius deutlich abge- setzt ist. Bei Astacus ist das Vas deferens von bedeutender Länge und vielfach aufgewunden (Taf. I, Kg. 3). Es erweitert sich allmälig gegen das Ende. Im 5. Brustsegmente steigt es abwärts, und zeigt bald nach der Umbiegung eine Verengerung, welcher ein erweiterter Abschnitt folgt; letzterer ist der Ductus ejaculatorius (Fig. 4 de). Aelmlich zeigt auch Calliaxis (Taf. II, Fig. 4) drei Ab- schnitte entwickelt. Der obere ist eng und schärfer als bei Astacus geschieden; ihm folgt ein längerer Drüsenabschnitt, und endlich, abermals ein verengtes Stück, der Ductus ejaculatorius, der sich jedoch nicht scharf wie bei Astacus von dem vorher- gehenden Abschnitt unterscheidet. Deutlich sind erst bei Homarus die drei Abschnitte aus- gesprochen. Aus dem Hoden entspringt der Zuleitungsabschnitt (Taf. I, Fig. 6 vd'), der gegenüber den folgenden Theilen des Vas deferens schmal ist, und dessen Länge nicht bedeutend ist. Der Drüsenabschnitt (vd") ist viel breiter und S-förmig gekrümmt; durch, eine Einschnürung trennt er sich von dem Ductus ejacula- torius (de) , welcher sich durch eine ansehnliche Länge auszeichnet, Bei Palinurus (Taf. I, Fig. 7) ist der Abschnitt nicht so scharf von dem Drüsenabschnitt getrennt , wie bei Homaru s. Beide gehen in einander über. Man wäre allerdings gern geneigt, das erweiterte Ende des Drüsenabschnittes, welches dem mittleren Abschnitt des Vas deferens von Homarus gleicht , diesem letz- teren als entsprechend anzusehen; doch kann ich als oberen Ab- schnitt bloss den schmalen Anfangstheil des Vas deferens in Anspruch nehmen, während der vielfach aufgewundene folgende Theil bereits dem Drüsenabschnitte zuzuzählen ist. Dieser nimmt an Lumen gegen den Ductus ejaculatorius hin immerwährend zu und erweitert sich eine Strecke vor demselben bedeutend zu einem Sack, welcher als Behälter für die vielfach aufgewundene Spermatophore dient. Der Ductus ejaculatorius, der sich bei Palinurus auch nicht so scharf von dem Drüsen abschnitt scheidet wie beim Hummer, besitzt gleichfalls wie bei letzt- genanntem Dekapoden eine ansehnliche Länge. (108) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 53 Gehen wir zu den Galatheiden über , so finden wir hier viel complicirtere Verhältnisse vor. Vom Hoden entspringt ans einer sackförmigen Erweiterung ein enges , vielfach sich schlän- gelndes Rohr (Taf. VI, Fig. 3 vd') ; dieses erweitert sich nach längerem Verlaufe und rollt sich spiralig zusammen. Die so gebildete Spirale (sp) ist äusserst zierlich und hat bei Galathea strigosa etwa 30, bei Galathea squamifera 9 — 13 (Taf. VI, Fig. 2 sp) Windungen. Die Spirale geht bei Galathea strigosa von hinten nach vorn zurück, so dass das Ende der- selben dem Hoden näher liegt als der Anfang. Auch sind die Windungen derselben nicht alle in gleicher Richtung, sondern die Richtung wird ein-, oder bei längeren Spiralen auch mehrmals geändert. Nach Bildung dieser Spirale erweitert sich das Vas deferens und verläuft, die gleiche Breite beibehaltend, eine längere Strecke, vielfach verschlungen (vd"). Nun verbreitert es sich nochmals : auch dieser Abschnitt macht wie der vorhergehende viele Win- dungen. Der Endtheil tritt aus der verschlungenen Masse hervor und zieht im Bogen gegen die Geschlechtsöffnung. Eine kurze Strecke vor dieser gewinnt derselbe eine äusserst kräftige Musculatur und ist somit . als Ductus ejaculatorius zu be- zeichnen (de). Es wird nun die Frage entstehen, welche Theile den früher unterschiedenen Hauptabschnitten entsprechen, und aus welchem Abschnitte sich die neuen Abtheilungen gebildet haben. Den musculösen Endtheil haben wir bereits als Ductus ejaculatorius unterschieden und kann über seine Abgrenzung kein Zweifel bestehen. Schwieriger ist es, den oberen Abschnitt von dem Mittel- abschnitt zu trennen. Beide sind nicht scharf von einander geschieden; doch ist mit Rücksicht auf die zur Spermatophoren- bildung gelieferten Secrete der schmale Anfangstheil des Vas deferens bis zu der ersten Erweiterung von der Spirale dem Zuleitungsabschnitt zuzurechnen. Es gehören somit alle Compli- cationen dem Drüsenabschnitt an. Dieselben Formverhältnisse wie bei Galathea finden sich am Vas deferens von Paguristes macu latus vor. Auch hier besteht die zierliche Spirale (Taf. I, Fig. 10 sp) , an welcher ich 19 Windungen zählte. Doch sind an dem der Spirale folgenden Theile des Drüsenabschnittes eine engere und weitere Abtheilung nicht scharf zu unterscheiden. Bei Eupagurus Prideauxii und E. meticulosus 54 Dr. C. Grobben: dagegen treffen wir ein wenig veränderte Verhältnisse an, Der schmale, ganz kurze Zuleitungsabschnitt erweitert sich alsbald und rollt sich spiralig zusammen (Taf. I, Fig. 8 sp'). Die Win- dungen dieser Spirale sind jedoch im Gegensatze zu denen von Galathea und Paguristes nicht so zahlreich, eng und über- einanderliegend, sondern sind breit und wenig zahlreich. Bei Eupagurus Prideauxii umkreisen die äusseren Windungen die inneren ; so entsteht eine flache Spirale , in deren Mitte der Anfang derselben liegt. Bei Eupagurus meticulosus (Fig. 9 sp') sind die späteren Windungen der Spirale ebenfalls weiter, doch umkreisen sie nicht die früheren, sondern sind über einander gelegen. Dadurch kommt nicht eine flache, sondern eine aufgezogene Spirale zu Stande, welche zurückgehend den Endtheil des Hodens umkreist. Bei Eupagurus Prideauxii laufen die Windungen der Spirale parallel mit der Längsaxe des Thieres, bei E. meticulosus senkrecht auf diese. Nachdem das Yas deferens die Spirale gebildet hat, ver- schmälert es sich und steigt neben dem Hoden hinauf. In der halben Länge des Hodens angelangt, verbreitert es sich wieder; es bildet abermals eine in sich zurückkehrende Spirale (Fig. 8 sp"), die bei E u p a g u r u s P r i d e a u x i i quer zur Längsaxe des Hodens steht. Aus dieser hervortretend , tritt wieder eine Verengerung des Vas deferens ein (vd"); dieser Theil windet sich mannigfach. Der Durchmesser desselben wird allmälig grösser und plötzlich verbreitert er sich nochmals. Der schmale Endtheil besitzt eine kräftigere Musculatur , und ist somit Ductus ejaculatorius. Er verläuft wie der letzte stark verbreiterte Abschnitt des Drüsen- theiles nicht gewunden. Ist auch hier wieder der Ductus ejacula- torius leicht als deutlich getrennter Abschnitt zu erkennen, so ist die Grenze zwischen Zuleitungstheil und Drüsenabschnitt nicht scharf bezeichnet. Es ist schwierig zu entscheiden, ob die erste Spirale dem ersten oder zweiten Abschnitte zugehört. Doch möchte ich sie eher dem Zuleitungsabschnitte zurechnen, da auch hier wahrscheinlich das zur Spermatophorenwand verwendete Secret abgesondert wird. Die eigenthümlichen Complicationen des Vas deferens , wie sie bei Galathea und Paguristes bestehen, haben sich auch auf Porcellana übertragen. Die Spirale, welche der von Galathea entspricht, besteht bei Porcellana longicornis (Taf. VI, Fig. 5sp) nur aus wenigen — ich zählte fünf — Windungen. Dann folgt ein ebenfalls spiralig gewundener Abschnitt, der anfangs U10) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane 55 breit ist , sich jedoch dann verschmälert , und später wieder ver- breitert. Der Ductus ejaculatorius ist kurz. Porcellana führt uns zu den Brachyuren. Die regel- mässige Spirale, welche noch Porcellana als Erbstück der Galatheen, jedoch bereits verkümmert bewahrte, treffen wir bei den Brachyuren nicht wieder; wohl aber ist der Uebergangs- theil des geschlängelt oder gewunden verlaufenden Zuleitungs- abschnittes in den folgenden Theil des Vas deferens vielfach ge- wunden. Der obere- Abschnitt besitzt in der Regel keine bedeu- tende Länge. Der Ductus ejaculatorius, welcher bei Porcellana kurz ist. bleibt bei Dromia vulgaris gleichfalls von unbedeu- tender Länge (Taf. II, Fig. 1 de), und ist hier vollständig im chitinigen Penis gelegen. Bei 1 1 i a nucleus besitzt er schon eine ansehnliche Länge, welche bei den übrigen Brachyuren noch zunimmt. Viel mannigfaltiger gestaltet sich der Mittelabschnitt, v/elcher bei den Brachyuren zwei Abtheilungen zeigt. Die erste be- ginnt, sich vielfach windend, vom Eingangsabschnitt. Sie erweitert sich allmälig und der Endtheil derselben ist in den meisten Fällen stark erweitert. Er ist der Hauptbehälter der Spermatophoren, die auch den vorhergehenden Theil des Vas deferens erfüllen. In Folge des Inhaltes erscheint dieser Abschnitt des Vas deferens im auffallenden Lichte kreideweiss. Die darauf folgende zweite Ab- theilung ist im frischen Zustande hyalin und zeigt sehr häutig Aus- stülpungen. Dieselbe erscheint bei verschiedenen Dekapoden auch verschieden gefärbt, grünlich bei Pilumnus, gelblich bei Dromia. röthlich bei Portunus und trüb weiss bei Carcinus maenas und Maja. In dieser Abtheilung wird eine grosse Menge Secret abgeschieden und ist dieselbe daher ausgezeichnet drüsiger Natur. Bei Dromia vulgaris (Fig. II, Fig. 1) sind die drei Ab- schnitte des Vas deferens bis zum Ductus ejaculatorius nicht scharf getrennt ; im frischen Zustande lässt sich der hyaline Drüsen- abschnitt (vd'"), welcher sich durch seine Breite auszeichnet und flache Buchten besitzt, leicht unterscheiden. Bei MajaSquinado ist der Zuleitungsabschnitt vom Drüsen- abschnitt äusserlich gleichfalls nicht scharf begrenzt. Hier ist übrigens wie bei Steno rhynchus der Beginn desselben nicht an der Stelle, wo der unpaare Abschnitt des Hodens mit dem paarigen zusammentrifft, sondern bereits eine Strecke vor dem queren Ver- bindungsstück zeigt das verengte Hodenrohr (Taf. VI, Fig. 4 vd' keine Spermatoblasten mehr und wird daher bereits wie der Zu- (lii) 56 Dr. C. Grobben: leitungs abschnitt fungiren. In dem Verbindungsstück fehlt eben- falls ein samenerzeugendes Epithel. Bei M a j a (Taf. IL Fig. 2 gewinnt das Vas deferens , sowie es seine grösste Breite erlangt hat, kleine Ausstülpungen (vd"\ die immer grösser und compli- cirter werden, bis sie endlich am Ende des Drüsenabschnittes jene ungemein grosse Masse bilden, die aus sich vielfach verästelnden Ausstülpungen des Vas deferens zusammengesetzt ist und das Hauptrohr vollkommen verbirgt (vd'"). Dieses tritt aber alsbald hervor, und umgibt sich nach einer kurzen Strecke seines Verlaufes mit einer kräftigen Musculatur ; dieses Endstück ist der Ductus ejaculatorius. Bei Stenorhynchus longirostris finden sich gegen das Ende des Drüsenabschnittes einige sackförmige Ausstülpungen Taf. VI, Fig. 4 vd'"). Deutlich zeigt alle Abtheilungen ausgebildet Lambrus an- gulifrons. Die Ausstülpungen sind hier an der Drüsenabthei- luns; des Mittelabschnittes nur kleine Höcker. Neben Lambrus zeigt wohl Carcinus maenas (Taf. VI, Eig. 1) die Abthei- lungen des Vas deferens am deutlichsten. An dem Drüsenabschnitte ist der Endtheil der ersten Abtheilung ungemein stark verbreitert, und durch eine schmälere Stelle von der Drüsen abtheilung ge- schieden, die ziemlich starke Ausstülpungen bildet. Bei Pilumnus und Eriphia (Taf. II, Fig. 3) sind diese Ausstülpungen gleich stark entwickelt, wie bei Carcinus maenas. Portunus de- purator besitzt jedoch keine solchen; nach dem erweiterten Behälter des Spermatophoren verengt sich hier das Vas deferens und schlängelt sich. Die Länge dieses Abschnittes ist jedoch be- deutender als bei Carcinus. Wie der Hoden, ist auch das Vas deferens von einer Hülle umgeben, deren verschiedene Beschaffenheit bereits früher angegeben worden ist. Zum Bau des Vas deferens übergehend, so besteht dasselbe aus einem Epithel und aus Bindegewebe, welches die Musculatur einschliesst. Diese drei Bestandtheile haben nun in den verschiedenen Abschnitten des Vas deferens eine verschiedene Entwickelung. Da die äussere Gestaltung eines Organes von dessen Bau ab- hängig ist, werden wir erwarten dürfen, dass überall da . wo das - deferens alle seine Abschnitte deutlich gesondert hat, sich die Gliederung auch im Bau ausgeprägt zeigt ; während da , wo sich die einzelnen Abschnitte nicht scharf trennen lassen, auch im Bau keine Unterschiede nachzuweisen sein dürften. (112) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 57 So stimmt bei den C ariden das Epithel des oberen Ab- schnittes des Vas deferens mit dem des folgenden Abschnittes iiberein. Es ist ein niederes Cylinderepithel ; die Zellen zeigen im frischen Zustande ein blasses , äusserst feinkörniges Protoplasma und einen elliptischen Kern , der mit zahlreichen Kernkörperchen versehen ist. Dieses Cylinderepithel kann auch zu einem cubischen, und pflasterförmigen werden , dann nämlich , wenn das Vas de- ferens eine starke Ausdehnung erfährt [Palaemon (Taf.VI, Fig. 9)]. Ebenso fand ich bei Virbius ein niederes Cylinderepithel, bei Alp he us dagegen ein cubisches oder pflasterförmiges Epi- thel vor. Im ganzen Verlauf des Vas deferens wird ein Secret abge- schieden. Dieses ist nun in den beiden ersten Abschnitten, wenn dieselben scharf abgegrenzt sind, von verschiedener Beschaffenheit. Bei Palaemon (Fig. 9s'), wo dies nicht der Fall ist, finden wir demgemäss auch ein gleichartiges , im frischen Zustande matt glänzendes Secret vor, welches die Samenmasse umhüllt. Bei Astacus ist der Drüsenabschnitt des Vas deferens von einem Cylinderepithel (Taf. V, Fig. 12 ep) bekleidet. Das Proto- plasma dieser Zellen ist grobkörnig, der Zellkern elliptisch und von einem protoplasmatischen Fadennetze durchzogen. An den Knoten- punkten, aber auch im Verlaufe der Fäden sind grössere Körper vorhanden, während kleinere derselben Art die Rindenschichte des Kernes zusammensetzen. Diese Körper werden von der Kern- substanz gebildet. Ich glaube, dass in allen Fällen, wo ich von zahlreichen Kernkörpern in den Kernen sprach, gleiche Verhält- nisse obwalten. An dem innern, dem Lumen zugewendeten Ende der Zelle finden wir fast immer eine Kappe von Secret. Dieses letztere ist bei auffallendem Lichte kreideweiss, und besteht aus kleinen glänzenden Körnchen. Im Ductus ejaculatorius von Astacus ist ein überaus hohes Cylinderepithel vorhanden (Taf. V, Fig. 13). Die Zellen dieses Epithels sind sehr schlank; die. an Breite die Zellen übertreffenden Kerne können in Folge dessen neben einander nicht Platz finden und liegen daher in zwei, selbst drei Reihen über einander. Die Kerne dieser Zellen sind kleiner als die des Epithels des Drüsen- abschnittes. Das Zellprotoplasma ist ebenfalls körnig; an der Oberfläche der Zellen finden wir auch hier ein Secret, das wie eine Kappe der Zelle aufsitzt, oder wo es sich bereits abgetrennt hat, in Tropfen den Zellen anliegt. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 8 aio) 58 Dr. C. Grobben: Beim H nmmer wird der Zuleitungsabschnitt des Vas deferens von einem niederen Cylinderepithel bekleidet, während wir im Drüsenabschnitt ein hohes Cylinderepithel vorfinden. In beiden Ab- schnitten zeigen die Zellen einen körnigen Inhalt und elliptische Kerne. Doch sieht das Protoplasma der Zellen des ersten Ab- schnittes dichter ans. G-anz verschieden sind die Secrete, welche in diesen beiden Abtheilungen abgesondert werden. Dasjenige , welches im obern Abschnitt um die Samenmasse ausgeschieden wird, ist gelblich glänzend und von sehr compactem Aussehen. Es färbt sich mit Carmin nicht, wenn schon das Secret des Drüsenabschnittes sich stark roth gefärbt hat. Dieses letztere sieht blasig aus, quillt im Wasser und färbt sich lebhaft mit Carmin. Im Ductus ejaculatorius (Tai. V, Fig. 11 ep) treffen wir gleichfalls ein Cylinderepithel an. Die Höhe der Zellen variirt ungemein; je nachdem die letzteren gezerrt oder gegeneinander gepresst werden, erscheinen sie breit und niedrig, oder hoch und schmal. Bei Palinurus ist in allen drei Abschnitten das Epithel ein Cylinderepithel. Im Eingangs ab schnitt nietlerer, erlangt es in den folgenden Abschnitten eine bedeutende Höhe. Die Zellen sind schmal, daher die breiteren Kerne wieder nicht. in einer Reihe liegen. In dem aufgeknäuelten Theile des Vas deferens finden wir das Epithel an zwei Stellen niederer; es sind dies die an der convexen und die an der concaven Seite des gewundenen Rohres gelegenen Stellen. Bei Galathea und Paguristes ist der sackförmige En.l- theil des Hodens mit einem cubischen oder pflasterförmigen Epithel auso-ekleidet. Dieses setzt sich etwas höher werdend in den Zu- leituno-sabschnitt des Vas deferens fort bis zu der vor der Spirale befindlichen Erweiterung, in welcher es cylindrisch ist, Durch die o-anze Spirale geht ein hohes Cylinderepithel. Dasselbe ist je- doch nicht überall gleich hoch, sondern an der Aussen- und Innenseite der Krümmung des Rohres bedeutend niederer, so dass das Lumen des Vas deferens in der Spirale im Querschnitte spalt- förmig ist, was auch für die übrigen spiralig verlaufenden Theile des Vas deferens gilt. Der ganze übrige Theil des Vas deferens ist mit einem Cylinderepithel, das je nach dem Grade der Aus- dehnung auch cubisch werden kann , ausgekleidet. Auch bei Eupagurus kleidet ein Cylinderepithel den Ausführuno'so-ang des Hodens aus. In der ersten Spirale (114) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 59 (Taf. V, Fig. 14) ist es an der Innen- und Aussenseite der Krümmung niedrig (f), und das Lumen des Vas deferens in Folge dessen hier citronenförmig. Weiterhin, am ausgebildetsten in dem verschmälerten Theile, welcher auf die zweite Spirale folgt, zeigt das Lumen eine eigentümliche Gestalt , die am besten durch Vergleichung der Fig. 5 auf Tafel II klar wird. Der obere Abschnitt des Vas deferens von Calliaxis ist mit einem hohen Pflasterepithel bekleidet, welches in den beiden folgenden Abschnitten durch ein niederes Cy linder epithel er- setzt wird. Bei Porcellana finden wir das Epithel ähnlich beschaffen wie bei G-alathea. Der Anfangstheil des Vas deferens ist bis zu der ersten Erweiterung vor der Spirale mit einem cubischen Epithel versehen. Von hier an wird dieses durch ein Cylind er- epithel ersetzt, das die ganze Spirale auskleidet. In den folgenden Abschnitten finden wir wieder ein niederes Cylinderepithel , das auch je nach der Ausdehnung des Rohres cubisch oder pflaster- förmig werden kann. Bei den übrigen Brachyuren traf ich in den drei Haupt- abschnitten des Vas deferens das Epithel von verschiedenem Aus- sehen. Im Zuleitungsabschnitte stimmt dasselbe annäherungsweise mit dem Epithel überein, das die ausführenden Theile des Hodens auskleidet. So findet sich bei Steno rhynch ti s longirostris im obern Theil ein hohes Cylinderepithel, das kleine Kerne hat. Weiter, wie sich das Vas deferens verbreitert, werden die Zellen grösser , der Inhalt derselben grobkörniger , und auch die Kerne zeigen eine bedeutendere Grösse. Bei Portunus depurator fand ich im obern Abschnitt ein niederes Cylinderepithel mit O'OOö — U'G06mm grossen Kernen. Bei Beginn des folgenden Ab- schnittes werden die Epithelzellen voluminöser, ihr Inhalt rauh- körnig, die Kerne grösser. Im Drüsenabschnitt steigert sich noch die Rauhkörnigkeit des Inhaltes der Epithelzellen, die Kerne messen 0-016 — 0'018mm. Im Ductus ejaculatorius dagegen ist ein Cylinderepithel vorhanden, dessen Kerne 0-006 — 0-008mm lang sind. Bei Pilumnus fand ich im Anf angstheile des Vas deferens ein Pflasterepithel; bald jedoch wird es, sowie das Lumen des Vas deferens zunimmt, durch ein hohes Cylinderepithel abgelöst. Bei Dromia ist der schmale Anfangstheil des Zuleitungs- abschnittes von einem Cylinderepithel bekleidet, dessen Zellen O"008mm grosse Kerne besitzen. Die Zellen nehmen gegen den S* (Ho) 60 Dr. C. Grobben: Drüsenabsclmitt allmälig an Grösse zu, und wir finden denselben mit grossen Cylinderzellen ausgekleidet. Der Inhalt dieser Zellen ist grobkörnig , die Kerne umfangreich ; sie messen 0,042mm. Im Ductus ejaculatorius dagegen findet sich ein Cylinderepithelr welches aus schmalen Zellen mit 0*008 — 0"01mm grossen Kernen besteht. In allen Fällen fand ich bei den Brachyuren den Innen- raum der Drüsenabtheilung des Vas deferens mit einem Cylinder- epithel bekleidet, dessen Elemente sich durch Grösse und Rauh- körnigkeit des Inhaltes auszeichnen (Taf. V, Fig. 6). Die grossen Kerne dieser Zellen zerfallen (auch bei Homarusi sehr leicht bei Zusatz von Alkohol, so dass man häufig genug einen Haufen von Kernen in einer Zelle beobachtet. Die Zellen des Drüsen- abschnittes liefern ein Secret, das im frischen Zustand hyalin ist, sich schleimig anfühlt, im "Wasser quillt und mit Carmin sich intensiv roth färbt. Für alle Epithelien sowohl des Hodens als des Vas deferens muss ich hervorheben , dass denselben eine Cuticula fehlt. Der Mangel einer Cuticula im Hoden war schon Leydig1) und Haeckel2) bekannt ; doch behauptete H a e c k e 1 für die Aus- fuhr ungsg'änge das Vorhandensein einer solchen. Nach aussen vom Epithel folgt Bindegewebs , das auch als Hülle der Musculatur dient. In denjenigen Theilen des Vas de- ferens , welche zeitweise grossen Ausdehnungen ausgesetzt sind, findet sich unter dem Epithel zunächst eine äusserst lockere Bindegewebsschichte. Eine solche traf ich im Drüsenabschnitt des Vas deferens von Homarus (Taf. V, Fig. 11 lb), im erwei- terten Theile desselben Abschnittes bei Palinurus, ferner im Ductus ejaculatorius von Palinurus und Homarus, unseres Flusskrebses , jedoch hier minder stark entwickelt und in ebenfalls nicht starker Ausbildung im Ductus ejaculatorius von Dromia. Bezüglich der Musculatur finden sich längs- und querlaufende Muskelfasern v^r. Selten ist die Längsmusculatur, welche innen liegt, von der Ringmusculatur scharf geschieden; meist beobachten wir um das Vas deferens ein Netzwerk von Fasern gelegt, von denen in der Regel die näher dem Epithel zu gelegenen mehr die Längs- ') Lehrbuch d. Histologie. Frankfurt a'M. 1857, pag. 529. 2) Ueber die Gewebe des Flusskrebses. Müllers Archiv, 1857, pag. 525 und 553. 116) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. Q[ ricktung, die aussen von diesen gelegenen mehr die Querrichtuno- einhalten. Auch da, wo bei ausserordentlich mächtiger Entwickeluno" der Musculatur die innern Muskeln längs-, die äussern ringförmig verlaufen, findet sich eine Schichte, wo sich die Fasern durch ein- ander in schräger Richtung kreuzen. Schärfer geschieden sind beide Muskelschichten bei Palaemon (Taf. VI, Fig. 9 msc), ein Netzwerk von Fasern umgibt die Vasa deferentia von Alpheus und Calliaxis. Auch bei Astacus sind im Drüsenabschnitt die Faserschichten nicht scharf gesondert (Taf. V, Fig. 12 msc). Schärfer trennen sich die Längsmuskeln von der Ringmus culatur am Drüsenabschnitt von Homarus sowie am erweiterten Theile dieses Abschnittes von Palinurus. Hier ist die Längsmusculatur auch nicht als eine gleichmässig vertheilte Schichte entwickelt, sondern die Muskelfasern sind in Gruppen getheilt. So ist bei dem Vorhandensein eines lockeren Bindegewebes und einer grossen Oberfläche des Epithels dieses in viele Falten gelegt, in welche die Längsfasern hineintreten. Diese Längsfalten sind wieder secundär gefaltet und werden durch Querfaltungen noch complicirter. Im Drüsenabschnitt von Homarus fand ich stets eine grosse Falte vor, die das Lumen fast vollständig theilte ; im kleineren der beiden so erzeugten Canäle lag die Spermatopkore. Am Ductus ejaculatorius ist die Längsmusculatur gleich- falls schärfer von der ßingmusculatur geschieden. Es sind hier aber nur die zu innerst verlaufenden Fasern, die längs, und die zu äusserst gelegenen, welche quer laufen. Bei Homarus und Palinurus erweisen sich die Längsmuskeln am Ductus ejacu- latorius nicht als eine überall gleichmässig starke Schichte, sondern stets tritt an einer Stelle die Längsmusculatur am stärksten entwickelt, keilförmig hervor. Bei dieser Anordnung ist ein rascher und sicherer Verschluss des Lumens ermöglicht. Es erinnert diese Anordnung der Musculatur an diejenige der Nabelarterie, an welcher auch ein Theil der ersteren keilförmig in das Lumen vorspringt. Am mächtigsten ist die Musculatur am Ductus ejaculatorius entwickelt, am schwächsten am Eingangsabschnitte des A7as deferens. Ein plötzliches Anschwellen der Muskelschichte hat häufig da statt, wo die Abtheilungen des Vas deferens an einander grenzen. Dadurch wird wiederum die scharfe Trennung dieser Abschnitte hervor- gerufen. Die stärkere Ausbildung der Musculatur bedingt so die Herstellung eines Sphinkter : ihre Anordnung an dem Beginn (117) 62 Dr. C. Grobben: des Abschnittes bietet aber auch Vortheil bei der Ausstossung der Samenmasse , indem dadurch eine grössere Propulsivkvaft erzeugt wird. Eine solche Anschwellung der Muskulatur findet sich am Anfang des Drüsenabschnittes bei Calliaxis, am Beginn des Ductus ejaculatorius von Homarus und vieler Brackyuren. Mit der grüssten Anhäufung der Musculatur an den Anfangstheil des Drüsenabschnittes bei Calliaxis mag die geringe Entwicke- lung des Ductus ejaculatorius zusammenhängen ; denn seine specielle Leistung für die Ausstossung des Samens fällt damit weg. Es musste für die Ausstossung des Samens von Vortheil sein, wenn die Kraft von höher oben wirkte, und diese Verlegung der Mus- culatur wird durch den geraden Verlauf des Vas deferens er- möglicht. Von den Muskelfasern ist noch hervorzuheben, dass sie ver- zweigt sind. Nachdem ich die Anordnung der Musculatur besprochen habe , will ich noch etwas über das Epithel hinzufügen. Wir erfuhren, dass die Schleimhaut des Vas deferens in zahlreiche Falten gelegt ist. Bei diesen Faltungen wird stellenweise das Epithel gezerrt, an anderen Stellen zusammengepresst werden. Danach wird sich denn auch die Höhe der Epithelzellen ver- schieden herausstellen ; im ersteren Fall werden dieselben niedrig und breit, im letzteren hoch und schmal erscheinen. Ebenso werden die Epithelzellen niedrig werden, wenn die betreffenden Abschnitte des Vas deferens durch die Samenmasse und Secrete ausgedehnt werden. Dass Epithelien durch Ausdehnung ihre Ge- staltung ändern, wurde schon von Paneth1) für das Epithel der Harnblase gezeigt. Das Endstück des Vas deferens ist offenbar durch eine Ein- stülpung der Haut gebildet , und demgemäss mit einer dicken Cuticula ausgekleidet , während die Matrixzellen derselben mit denen der Haut übereinstimmen. Muskelfasern konnte ich an diesem Theile nicht auffinden. Im Querschnitt ist das Lumen des End- stückes sichelförmig, und die beiden Wände liegen knapp anein- ander. Aus bereits erörterten Gründen ist das Epithel an der gegen das Lumen convexen Seite aus sehr hohen Cylinderzellen zusammengesetzt und die Cuticula dick, während das Gegentheil von den an der anderen Seite gelegenen Zellen gilt. Ob dieses ') Ueber das Epithel der Harnblase. Sitzgsb. d. kais. Akad. d. Wissensch. 74. Bd. 1376. (118) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 63 Stück des Vas deferens bei der Begattimg ausgestülpt wird , kann icli bei dem Mangel bezüglicher Beobachtungen nicht entscheiden. Interessant ist das Vorhandensein von Ausstülpungen des Vas deferens, die uns Anhang sdrüsen im status nascens dar- stellen. Die Berechtigung dieser Auffassung wird durch Beob- achtungen über die Entstehung der Anhangsdrüsen bei den übrigen Arthropoden bewiesen. So beobachtete Stein rj, dass die Anhangsdrüsen der männlichen Geschlechtsorgane bei Myriopoden als Ausstülpungen des Vas deferens entstehen ; denselben Bildungs- modus für die Anhangsdrüsen der männlichen Geschlechtsorgane bei den Insecten haben Herold2) und Balbiani3) angegeben. Die verschiedenen Entwickelungsstufen finden wir bei den Brachyuren erhalten, indem bei Dromia der Drüsentheil des Vas deferens kleine Buchten bildet, bei Lambrus niedere Ausstül- pungen, die bei Carcinus (Taf. VI, Fig. 1), Eriphia (Taf. II, Fig. 3) und Piluminis eine bedeutendere Grösse erreichen, bis sie endlich bei Maja eine ansehnliche Drüsenmasse darstellen, indem die Ausstülpungen nicht blos eine bedeutende Länge erreichen, sondern sich auch vielfach verzweigen (Taf. II, Fig. 10 und 11). Ich glaubte das Vorhandensein von Anhangsdrüsen nochmals hervorheben zu müssen , da solche bisher nicht nur nicht ange- geben, sondern geradezu geleugnet wurden. So sagt Hallez4): „de glandes accessoires point" und Br occhi b) : „On n'y rencontre jamais ces glandes accessoires si developpees chez quelques autres Articules." Das Vorkommen von Anhangsdrüsen ist jedoch nicht auf die genannten Brachyuren beschränkt, sondern fand ich dieselben auch bei einem jungen Pinnotheres und in gleicher Weise bei Pachygrapsus marmoratus, wo schon Cavolini'1) „Anhängsel" an dem von ihm als Hoden gedeuteten Vas deferens von Graps us beschrieb und abbildete. Auch die Ausstül- pung des Vas deferens bei Vir bin s kann man so auffassen. *) lieber die Geschlechtsverhältnisse der Myriopoden und einiger anderen wirbellosen Thiere. Müller's Archiv, 1842. pag. 251. 2) Entwickelungsgeschichte der Schmetterlinge. 1815. §. 68. 3) Memoire sur la generation des aphides. *) Compt. rend. Bd. 79: 1874. pag. 244. 5) Recherches sur les organes genitaux mäles. pag. 112. 6) Abhandlung über die Erzeugung der Fische und der Krebse. Berlin, 1702. pag. 145. (119) 64 Dr. C. Grobben: Ferner beschreibt Semper1) bei Leucifer Nebendrüsen am Samenleiter. "Wenn wir nach den Ursachen forschen , welche der Ent- wicklung von Anhangsdrüsen Vorschub leisteten, so müssen wir unser Augenmerk auf die Functionen richten, die den Secreten der Anhangsdrüsen zufallen. Die Functionen bestehen darin, den Samen zu verdünnen und damit gleichzeitig den Samenkörperchen ein Menstruum zu liefern. So lange das Wasser diese Leistungen des Secretes übernehmen kann, werden reichliche Secretmassen von nicht so grossem Werthe sein. Es werden sich daher die An- hangsdrüsen erst im Zusammenhange mit einer innerlichen Be- gattung entwickelt haben , worauf bereits R. Leuckart2) hin- wies. Bei den Braclryuren findet nun eine innerliche Begattung statt und hier finden wir denn auch Anhangsdrüsen, während solche bei den Macruren mit seltenen Ausnahmen fehlen. Bei letzteren ist daher auch die Menge des zur Verdünnung des Samens die- nenden Secretes eine beschränkte, wiederum im Anschluss an den Ausfall einer innerlichen Begattung. Das Vorkommen der mäch- tigen Anhangsdrüse bei Squilla würde mit unserer Anschauung im vollen Einklänge sein, da auch hier, wie sich aus dem Recep- taculum des Weibchens und den darin befindlichen Spermatozoen ergibt, eine innerliche Begattung stattfindet. Literaturangaben. Das Vas deferens von Astacus wurde von Brandt und Ratzeburg3) und M i 1 n e Edwards4) richtig dargestellt. Den erweiterten Endtheil desselben unterschied zuerst MilneEdwards als „partie protractile ou copulatrice", indem er meinte, dass diese Partie bei der Begattung hervorgestülpt wird , eine Ansicht , die auch von Gerbe5) und B r o c c h i °) angenommen wurde , welcher letzterer dieselbe als „verge" bezeichnete. Von Siebold nahm diese Ansicht in sein Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbel- *) Reisebericht aus Manila. Zeitsch. f. wiss. Zool. 11. Bd. 1862. pag. 106 und 107. 2) Artikel „Zeugung" p. 898. 3) Medicinische Zoologie, II. Bd., Berlin Lc33. 4) Hist. nat. d. Crustaces, I. Bd., p. 166. 5) Faits pour servir ä l'histoire de la fecondation chez les Crustaces, par Coste. Compt. rend. Bd. 46, 1858, p. 432. e) 1. c p. 42. (120) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 65 losen Thiere mit einigem Zweifel auf. Mir scheint dieser Zweifel vollkommen gerechtfertigt, und obgleich ich keine Beobachtung an- führen kann, bin ich überzeugt, dass der Ductus ejaculatorius nicht ausgestülpt wird, da dies mechanisch unmöglich ist. Milne Edwards nahm die Vorstülpbarkeit dieses Abschnittes des Vas deferens für alle Dekapoden an, Brocchi für die Macruren allein. Am Vas deferens des Hummers unterschieden Milne Edwards und Brocchi nur zwei Abtheilungen, den schmalen Anf angstheil und die „verge" , welche den beiden übrigen Ab- schnitten entspricht. Ebensowenig wurden die Abschnitte am Vas deferens der Languste von den beiden eben genannten Forschern unterschieden. Uebrigens gibt Milne Edwards1) eine treffliche Abbildung des Vas deferens von Palinurus, welche die später von Brocchi gelieferte übertrifft. Während von den Galatheen das Vas deferens nur von Kölliker2) als ein vielfach gewundener Canal beschrieben, aber als Hoden gedeutet wurde, besitzen wir über die Samenleiter der Paguriden mehrere Angaben. Schon S w ammer dämm 3) be- schrieb ein Stück des Hodens und das Vas deferens des Bernhard l'Hermite. Er erkannte und bildete auch zwei Spiralen des Vas deferens ab. Diese lassen darauf schliessen, dass sein Bernhard l'Hermite ein Enpaguru s ist. Später gaben Milne Edwards1), Delle Chiaje4) und Brocchi Abbildungen des Samenleiters, die jedoch von den genaueren Formverhältnissen nichts erkennen lassen. Brocchi bezeichnete den erweiterten Endabschnitt der Drüsenabtheilung als „verge", was jedoch nicht richtig ist. Eine treffliche Beschreibung des Vas deferens von Pagurus Bernhardus (es ist wohl Paguristes) gab von S i e b o 1 d 5) der auch die Spirale derselben erkannte. Später0) sprach von Siebold auch von einem Ductus ejaculatorius, der gleichfalls mit dem erweiterten Theile des Drüsenabschnittes identisch sein dürfte. Vom Ductus ejaculatorius wurde bisher nichts gesehen, da derselbe einen kurzen Abschnitt darstellt. Das Vas deferens der Brachyuren wurde mehrmals beschrieben ') Eegne Animal de C u v i e r. 2) Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältnisse etc.. p. 11. 3) Bibel der Natur, 1752, p. 81. Von der Zergliederung einer Krebsschnecke. 4) Descrizione e notomia degli aniinali etc. 5) Bericht über die Leistungen im Gebiete d. Anat. u. Phys. der wirbellosen Thiere. Müller's Arch. 1842, p. CXXXVI, Anmkg. GJ Lehrbuch der vergl. Anat. p. 498. (121) 6G Dr. C. Grobben: und abgebildet. Milne Edwards bildete den Samenleiter von Carcinus maenas bis zum Beginne des Ductus ejaculatorius ab, und Brocchi beschrieb das Vas deferens von Portunus corrugatus. Doch, sind sowohl diese Darstellungen, als alle übrigen, die noch von beiden genannten Forschern gegeben wurden, unvollständig. Abschnitte wurden am Vas deferens nicht unter- schieden — mit Ausnahme des Ductus ejaculatorius — indem fast immer blos die durch die kreideweisse Farbe auffällige vordere Abtheilung des Drüsenabschnittes beobachtet wurde. Nur Cavo- lini1) unterschied beim Phalangium (wahrscheinlich Maja) und dem Caput mortuum (Dromia) an dem von ihm für den Hoden gehaltenen Samenleiter zwei Abschnitte: „Der vordere Theil der Schnur hat eine weisse Milchfarbe, der hintere, nämlich der nahe am Eingange in die Rippe, pflegt durchsichtig wie Eis zu sein." Vollständig misverstanden wurde der durch eine Einstülpung der Haut gebildete Endtheil des Ductus ejaculatorius. Während D'uvernoy2) denselben bei den Macruren dem Penis der Bra- chyuren homolog setzt, der bei ersteren in das Vas deferens ein- gestülpt ist, betrachtet Brocchi diesen Endabschnitt bei den Brachyuren als das in das Ende des Vas deferens eingestülpte Ende des Penis. Doch ist diese von einer Chitincuticula über- kleidete Einstülpung keine Einstülpung in das Vas deferens, sondern stellt selbst die Vas deferens-Wand vor. Daraus ergibt sich weiter, dass dieser Endabschnitt des Vas deferens bei den Macruren nicht dem Penis der Brachyuren, sondern dem gleichfalls eingestülpten Endtheil an diesem gleichzusetzen ist. Ob dieser Abschnitt bei der Begattung vorgestülpt wird , vermag ich nicht durch Beobachtung zu entscheiden. lieber den histologischen Bau der Samenleiter existiren nur spärliche Angaben. Lemoine fand bei Astacus neben der Musculatur und dem Bindegewebe dieselben Elemente im Vas de- ferens vor, wie im Hoden, so dass er sich die Frage aufwirft, ob denn das Vas deferens nicht auch an der Erzeugung von Sperma- tozoen theilnimmt. Dagegen hat Hallez vom Epithelium des Samenleiters von Carcinus maenas die Angabe gemacht, dass es niemals eine „proliferation endogene" zeigt, somit keine Samenkörpereken liefert, ») 1. c. p. 145. -) Des organes exterieures de fecondaiion dans les Crustaces Decapodes. Compt. rend. Bd. 31, 1850, p. 343. (122) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 67 wenngleich es sieh von dem Epithel des Hodens nicht unterscheidet. Dass jedoch Unterschiede zwischen den Zellen des Hodens und des Vas deferens bestehen, halte ich nicht für nöthig, nochmals hervorzuheben. Brocchi wieder kam zu dem Resultate, dass bei vielen Macruren das Vas deferens und selbst der Ductus ejaculatorius Samenkörperchen produciren. Er erkannte am Vas deferens von S c y 1 1 a r u s und A s t a c u s Ring- und Längsmuskeln, bei Astacus auch ein Epithel. Am erweiterten Endtheile des Drüsenabschnittes des Vas deferens von Palinurus fand Brocchi unter den Muskelfasern ein eigenthümliches Gewebe, welches man als „hypo- derme" (! ?) bezeichnet, und endlich ein Pflasterepithel. Was Brocchi unter der „hypoderme" versteht, ist schwer einzusehen ; auch ist die innere Oberfläche des Vas deferens nicht von einem Pflasterepithel, sondern einem hohen Cylinderepitbel bekleidet. Die hervorragende Leiste , welche schon im Endabschnitte der Drüsenabtheilung, aber deutlicher erst im Ductus ejaculatorius sich findet und durch eine Anhäufung der Längsmuskeln gebildet wird, hatte Brocchi als „cylindre interieur" beschrieben, dessen Zusammensetzung aus Längsmuskeln er erkannte , sowie er be- merkte, dass derselbe sich in inniger Verbindung mit der Wand des Vas deferens befinde. Doch scheint sich Brocchi über die Bedeutung dieses „Cylindre interieur" nicht klar geworden zu sein. E) Die Spermatophoren und ihre Entwickelung. Alle von mir untersuchten Dekapoden bilden Spermatophoren, d. h. es wird die aus dem Hoden kommende Samenmasse von einem dem Vas deferens entstammenden Secrete umschlossen, welches eine feste Hülle bildet, die wieder von weiteren Secreten umgeben werden kann. Unter den Cariden finde ich bei Palaemon die Sperma- tozoen in eine matt glänzende Hüllschicht eingeschlossen , welche im Vas deferens abgeschieden wird. Gleiches gilt für Astacus, Palinurus und Homarus. Bei Astacus ist die Sperma- tophorenhülle kreideweiss und erstarrt im Wasser zu einer spröden Masse; bei Homarus wird dieselbe noch von einem im Wasser quellenden Secrete umgeben. Während jedoch beim Flusskrebs und Hummer die Spermatophore gerade durch das Vas deferens geht, liegt dieselbe bei Palinurus im erweiterten Endtheile des Drüsenabschnittes aufgeknäuelt. Ich fasse dies Verhältniss als ersten Schritt zur Bildung mehrfacher Spermatophoren auf, indem (123 68 Dr. C. Grobben: man sich nur vorzustellen braucht, dass die einzige Spermatophore an den Biegungsstellen eingezwängt wird, um so in zahlreiche hinter einander folgende Sperrnatophoren zu zerfallen. Schon bei Scyllarus arctus (Taf. IV, Fig. 48) sind zahl- reiche Sperrnatophoren vorhanden , welche von stumpf-conischer Gestalt alle einseitig auf einer Membran angebracht sind. Bei den Galatheen sind dieselben von ähnlicher Form, doch schlanker, und besitzen einen kurzen Stiel, mit dem sie der gemeinsamen Membran aufsitzen (Taf. VI, Fig. 15). Paguristes maculatus bildet keulenförmige ziemlich lang gestielte Samen- träger (Taf. II , Fig. 7 und 8) , an deren einem Seite sich eine Secretfalte findet (Fig. 8 n). Die Länge der Spermatophore beträgt 0-182mm, ihre Breite O084mm. Die Sperrnatophoren sowohl von Eupagurus Pr ideauxii als E. meticulosus sind pappeiförmig iTaf. II, Fig. 6) und besitzen einen kurzen Stiel, mit welchem sie jede einzeln auf einer schlittenförmigen Masse aufsitzen. Dieser Basaltheil ist im frischen Zustande bräunlich gefärbt und zeigt eine feine, in Streifen angeordnete Punktirung. Neben der Spermatophore findet sich, an dieser angeschlossen oder auf einem kleinen Stiel- chen dem Schlitten aufsitzend , eine Nebenspermatophore (n) , die von ähnlicher Gestalt wie die Hauptspermatophore ist. Die früher bei dem Samenträger von Paguristes erwähnte Secret- falte entspricht wahrscheinlich dieser Xebenspermatopliore von Eupagurus: bei letzterem hat das Secret nur einige Sperma- tozoen eingeschlossen. Gelegentlich sind jedoch auch in der Nebensperma tophore von Eupagurus keine Samenkörperchen enthalten, und wird diese dann wie bei Paguristes durch eine Secretfalte repräsentirt. Die Spermatophore von Eupagurus meticulosus ist O3906mm lang und 0-1395mm breit; die Länge der Basalplatte beträgt 0"1953mm; die Nebenspermatophore misst 0"0465mm Höhe. Die Spermatophore von Eup. Pride auxii ist etwa 0*4! S5mm hoch und ihre grösste Breite beträgt O093mm. Auch bei den Brachyuren finden wir, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, unter den von mir untersuchten Repräsen- tanten stets Sperrnatophoren. Die Porcellanen bilden Sperrnatophoren, welche an die der Galatheen sich innig anschliessen , und auch einseitig mit einem kurzen Stiel einer gemeinsamen Membran aufsitzen. Bei P o r- cellana platycheles sind dieselben taschenförmig. Von vorn gesehen haben sie die Form einer Scheibe, von der Seite erscheinen (124) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 69 sie flach citronenförmig (Taf. IV, Fig. 51 und 52). Die Wand der Spermatophore ist in der Peripherie der Scheibe verdickt, und diese Verdickung ist es, welche im optischen Schnitt die Spitze der Citrone darstellt. Die Spermatophore besitzt 0-024— 0'028mTn Höhe und 0'022mm Breite. Bei Porcellana longicornis sind die Spermatophoren ähnlich wie bei Porcellana platycheles (Taf. IV, Fig. 49) gestaltet. Bei den übrigen Brachyuren jedoch bleiben die einzelnen Spermatophoren nicht mehr im Zusammenhang, sondern sind voll- kommen von einander getrennt. Auch zeigt sich bei denselben nicht mehr jene Regelmässigkeit in der Form, indem bei einem und demselben Individuum sowohl kugelige als ellipsoidische Spermatophoren vorkommen. Bei Pinnotheres und Grapsus fand ich sie fast stets ellipsoidisch.Während bei den auf einer gemein- samen Membran aufsitzenden Spermatophoren auch die Grösse kaum variirte , finden sich bei den Brachyuren bei einem und demselben Individuum grosse und kleine Spermatophoren vor. Die beiden Grenzen, zwischen denen die Grösse der Samenträger schwankt , sind einerseits durch die Maximalausdehnung des Zu- leitungsabschnittes, an dessen Ende die Spermatophoren gebildet werden , andrerseits dadurch bestimmt , dass nur ein einziges Samenkörpereken eingeschlossen werden kann. Mit der ersten Grenze ergibt sich aber auch, dass da, wo der Eingangsabschnitt breit ist , grosse , wo er eng ist, kleine Spermatophoren gebildet werden, so dass bei den grossen Brach yuren grosse, bei den kleinen kleine Spermatophoren gebildet werden. Die einzige Ausnahme , von der ich oben sprach , macht Dromia vulgaris. Hier wird die Samenmasse nicht in einzelne Ballen abgetheilt, sondern als Ganzes von einem gelb- glänzenden Secrete umgeben . das in rundlichen Ballen und halb- ringförmigen Massen um die Spermamasse gelagert ist. Es bleibt noch die Frage zu beantworten, wie die Sperma- tophoren entstehen. Natürlich handelt es sich nur um die Ent- stehung der merkwürdigen Einzelnspermatophoren der Galatheen und ihrer Verwandten, der Paguren und Brachyuren. Denn da, wo solche nicht gebildet werden, wie bei den C ariden, Astaciden, Thalassiniden und Dromia wird einfach die ganze Samenmasse von einer Hülle umschlossen, die im Vas deferens abgeschieden wird. Doch bietet uns die Umschliessung der Spermamasse beim Hummer insofern Interesse, als wir hier zweierlei Secrete finden, das eine, welches im Zuleitungsabschnitt (125) 70 Dr. C. Grobben: abgeschieden wird , gelbglänzend , imd die eigentliche Sperma- tophorenhülle erzeugend, das andere, im Drüsenabschnitte des Samenleiters gebildet, von mehr blasiger Beschaffenheit. Beide Secrete linden wir bei den Galatheen, Paguren und Brachyuren wieder. Um die Bildung der Spermatophoren bei den Galatheen und den Verwandten zu verstehen , müssen wir auf den Bau des Vas deferens unser Augenmerk richten. Es fällt dabei die Spi- rale zuerst auf und sie ist es auch , welche die Bildung von zahlreichen Spermatophoren veranlasst. Die Samenmasse wird, wenn sie aus dem Hoden kommt, von einer Hülle umschlossen, und gelangt in die Spirale, wo sie in einzelne Abtheilungen ge- schieden wird. Da die Spirale regelmässig ist , so werden die Spermatophoren gleich gross sein ; aus der Regelmässigkeit der Spirale erklärt sich aber auch die einseitige Anreihung der Spermatophoren , indem die Richtung des Weges , den jede Ab- theilung zurücklegt, stets dieselbe ist. Wenn die Spermatophoren die Spirale verlassen , besitzen sie bereits einen Basaltheil , mit dem sie unter einander zusammenhängen. Dieser färbt sich stärker roth als die Hülle der Spermatophore, und dies erlaubt den wei- teren Schluss , dass in der Spirale und wahrscheinlich schon in dem derselben vorangehenden breiten Abschnitte des Vas deferens ein sich mit Carmin stärker färbendes Secret abgeschieden wird. Auf Grund dessen habe ich auch die Grenze zwischen dem Zu- leitungsabschnitt und Drüsenabschnitt des Vas deferens an den Anfang des der Spirale vorangehenden verbreiterten Abschnittes gesetzt, wo auch ein höheres Cylinderepithel auftritt. Die einzelnen Samenmassen gelangen aus der engen Spirale in einen erweiterten Abschnitt und legen sich an einander , wo- durch sie sich zusammendrücken und pappeiförmig werden. Nach den beiden anderen Seiten werden sie von den Wänden des Vas deferens gedrückt, dessen Lumen bereits in der Spirale spaltförmig ist. Die Basis der Spermatophoren liegt an der convexen Seite der Krümmung des Vas deferens. Anfangs sitzen die Sperma- tophoren einzeilig der Membran auf; sobald sie aber in den er- weiterten Abschnitt des Vas deferens gelangen, legt sich die Schnur zickzackförmig zusammen und wir finden dann im End- abschnitte im Querschnitte stets eine grosse Anzahl von Sperma- tophoren. Im folgenden Theil des Vas deferens wird noch ein Secret abgeschieden, welches um sämmtliche Spermatophoren einRohr bildet. (126) Beiträge ?.ur Kenntnis« der männlichen Geschlechtsorgane 71 Auf ganz gleiche Weise geht die Bildung der Spermatophoren bei Paguristes vor sich. Hier bleiben dieselben jedoch nur eine ganz kurze Strecke einzeilig, bald nachdem sie aus der Spirale in den folgenden Theil des Yas deferens gelangt sind, reihen sie sich auf. Da die aufgereihten Spermatophoren bis zur Geschlechts- öffnung noch eine ansehnlich grosse Strecke zurückzulegen haben, ist auch das sie umhüllende, von Seeret gebildete Rohr viel dicker in seinen Wänden. Bei Eupagurus vollzieht sich die Bildung der Spermato- phoren in der zweiten Spirale. Das Vas deferens besitzt im ganzen Verlaufe ein spaltförmiges Lumen , indem an der convexen und coneaven Seite das Epithel ganz niedrig, auf den seitlichen Partien sehr hoch ist. In der zweiten Spirale und dem nachfolgenden Ab- schnitte des Vas deferens hat das Lumen eine merkwürdige Form, die am besten aus der Abbildung auf Taf. II (Fig. b) klar wird. In der ersten Spirale und vielleicht auch noch in der auf diese folgenden eno-en Abtheiluno; wird um die Samenmasse ein helles Secret abgeschieden. Die umhüllte Masse gelangt nun in die zweite Spirale und wird dort in einzelne sackförmige Partien abgetheilt. Regelmässig bleiben zwischen zwei solchen Säcken einige Sperma- tozoen in dem alle Spermatophoren vereinigenden Secrete und stellen die Nebenspermatophoren dar. Auch hier liegt die Basis der Samen- träger an der convexen Seite der Spirale. Diese Basis besteht aus einem sich stark roth färbenden Seeret, das somit schon vor dem Eintritt in die zweite Spirale abgesondert worden sein muss. Nun gelangen die Spermatophoren in den engen Gang und werden einzeln eine hinter der anderen durchgezogen. Dadurch wird die in der Spirale einheitliche Basis, auf welcher wie bei Galathea die Spermatophoren aufsitzen, in schlittenförmige Massen getrennt ; auf diesem Schlitten fährt die Spermatophore durch den engen Abschnitt, wobei der erstere vorangehend in der Erweiterung (1') wie in einem Ealz läuft. Angelangt in dem erweiterten Abschnitt der Drüsenabtheilung, reihen sich die Spermatophoren aneinander. Da die Strecke, welche die aneinander gereihten Spermatophoren bis zum Ductus ejaculatorius noch zurückzulegen haben , kurz ist, erscheint auch die Hülle, die alle Samenträger einschliesst, dünn. Bei Porcellana geht die Bildung der Spermatophoren, wie bei den Galatheen vor sich. Bei den übrigen Brachyuren fällt jedoch bei dem Mangel einer regelmässigen Spirale , wie sie noch Porcellana besitzt, auch die Bildung gleich grosser, regel- mässig gestalteter und einreihig angeordneter Spermatophoren aus. (127) 72 Dr. C. Grobben: Schon bei Porcellana ist die Spirale im Rückgang, indem sie nur wenige Windungen zeigt. Statt dieser Spirale macht das Vas deferens an der Uebergangsstelle des Zuleitungsabschnittes in den Drüsenabschnitt einige scharfe Windungen, die als die rückgebildete Spirale aufgefasst werden können. Die Samenmasse wird im Zu- leitungsabschnitt von einer glänzenden Hülle umgeben und gelangt so an die genannte Stelle. Daselbst wird sie, offenbar durch die scharfen Windungen des Vas deferens, zertheilt; die Theilstücke fallen in den sich erweiternden folgenden Abschnitt , wo sie von dem anderen Secrete umgeben werden. Es entsprechen somit die Spermatophoren der Brachyuren denen der Macruren; sie sind hier nur unregelmässig. Die kleinen Spermatophoren der Brachyuren, die etwa 1 — 10 Samenkörperchen einschliessen, kann ich mir nur so entstanden denken, wie die Nebenspermatophoren der Paguriden, indem bei Bildung der Spermatophoren zwischen letzteren einige Samenkörperchen abgetrennt werden, und so eine eigene Spermatophore bilden, welche der Xebenspermatophore der Paguriden entspricht. Bei Dromia möchte der Mangel einer raschen Erweiterung des Vas deferens , sowie das Fehlen von scharfen Biegungen die Bildung von getrennten, einzelnen Spermatophoren gehindert haben. Literaturangaben. Die Spermatophoren eines Eupagurus wurden bereits von Swammerdamm1) gesehen. Er fand, „dass der Inhalt des Ausführungsganges aus lauter regelmässigen Teilchen, wie runde sehr kleine Küglein bestund." Cavolini2) sah bei seinem als Phalangium (wahrscheinlich Maja) aufgeführten Brachyuren gleich- falls die Spermatophoren. „Betrachtete ich," so schreibt er, „die weisse Materie unter dem Mikroskope, so zeigte es sich , dass sie aus einer Menge Bläschen bestand , die eine kernige Materie ent- hielten, wie die Samenmaterie der Thiere. Diese Bläschen sind beim Phalangium vollkommener als beim Todtenkopfe (Dromia) und der platten Krabbe (Grrapsus)." Bei Dromia fehlen in der That die Spermatophoren, wie sie die übrigen Brachyuren zeigen, bei Grrapsus sind sie der Beobachtung entgangen. Diese beiden Beobachtungen sind jedoch , da sie wenig Auf- fallendes boten, unbeachtet geblieben. Im Jahre 1841 wurden die ') Bibel der Natur. Von der Zergliederung einer Krebsschnecke, p. 84. 2) Abhandlung über die Erzeugung der Fische und Krebse, p. 146. (128) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 73 Spermatoplioren durch Kölliker1) zum zweiten Male entdeckt, und zuerst genauer beschrieben. Kölliker sah „die Samen- schläuche" jedoch nicht als Spermatoplioren an. sondern war. da er die Schläuche auch im Hoden fand — Kölliker rechnete wohl den Anfang des Vas dsferens noch zum Hoden — der Ansicht, dass eine jede Spermatopkore aus einer Zelle ent- stünde, und in ihr sich die Strahlen zellen entwickelten, v. Sie- bold2) zeigte aber , dass die Samenschläuche durch Umhüllung der Spermatozoen , welche sich ausserhalb dieser Schläuche im Hoden entwickeln , von einem Secrete des Vas deferens gebildet werden. Lallemaud 3), der die gemeine Krabbe untersuchte, kam zu demselben Resultate , dessen Richtigkeit später auch durch Kölliker4) bestätigt wurde. Brocchi 5) beschrieb bei einer Anzahl Macruren als Brachyuren die Spermatoplioren : doch bezeichnet er nicht als solche die der Gralatheen, Paguriden und Scyllarus. Brocchi beob- achtete nämlich, dass die eigentümlichen Spermatoplioren der ge- nannten Macruren aus dem spermatogenen Epithel hervorwachsen, welches sowohl den Hoden, als den ganzen Samenleiter auskleidet. Hat dabei Brocchi den Fehler begangen, auch für das Vas deferens ein spermatogenes Epithel zu behaupten , so machte er den noch grösseren, Secrethäufchen , vielleicht auch Xebensperma- tophoren, für unentwickelte Spermatoplioren zu halten. Brocchi hält sich nun. um zu bestimmen, ob diese Samen- schläuche Spermatoplioren zu nennen seien , an den Satz M i 1 n e Edwards0): „II me parait egalement evident que toutes les parties de ces singuliers appareils s'organisent peu-ä-peu sans qu'il y ait jamais conti nuite entre leurs tissus et ceux de Tanimal chez lequel ils se forment." Da Brocchi aber das Hervorsprossen der Samenschläuche aus dem Epithel zu beobachten glaubte, war er consequent, dieselben nicht *) Beiträge zur Kenntniss der Geschlechts Verhältnisse etc. *) Bericht üher die Leistungen im Gehiete der Anat. etc. Müller's Areh. 1842, p. CXXXVI. Anmkg. 3) Ohservations sur l'origine etc. des Zoospermes. Ann. d. scienc. nat 2. s t. 15. 4) Die Bildung der Samenfäden in Bläschen, p. 32. 5) Becherches sur les organes genitaux mäles etc. 6) Ohservations sur la structure et les fonctions de quelques Zoophytes Mollusques et Crustaces Ami. d. scienc. nat. 2. ser., t. 18, 1842, p. 34>\ Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 9 ^129^ 74 Dr. C. Grobben: als Spermatophoren zu bezeichnen. Hall'ez1) nennt wieder die Spermatophoren der Bracliyuren „Kystes" und bestreitet gegenüber einer früheren Angabe von Br oc chi2), dass die Brach yuren solche bildeten. Hallez begeht dabei eine Inconsequenz, indem er einer von ihm gegebenen Definition zuwider handelt. Allerdings sind die von Brocchi erwähnten Körper aus der Bursa copulatrix nicht die Spermatophoren der Bracliyuren, wie auch Hallez er- kannte. In der Bursa copulatrix findet man nämlich grosse kugel- förmige Massen, die aus Secret und den Spermatophoren bestehen. Eine solche Masse entspricht vielleicht der bei einer Ejaculation ausgestossenen Samenmenge. Die Bruchstücke dieser Ballen nun hielt Brocchi für die Bruchstücke der Spermatophoren; docdi erklärte er dies nur für eine Möglichkeit. Brocchi wies die Inconsequenz Hallez' nach und bestätigte jetzt seine frühere Untersuchung , nachdem ihm die eigentlichen Spermatophoren be- kannt wurden. Dieser theilweise sophistisch geführte Streit ist jedoch ein höchst müssiger und nur durch unvollkommene und missverstandene Definitionen des Wortes „Spermatophore", sowie in Folge falscher Beobachtungen entstanden. Ich muss allen den Samenkapseln die Bezeichnung einer Sjiermatophore ertheilen ; denn zum Begriff der Spermatophore gehört eine Hülle , welche von einem erstarrenden Secrete des Aus- führungsganges hergestellt wird und dazu dient, eine Anzahl Spermatozoen aufzunehmen und denselben als Uebertragungsapparat an den weiblichen Körper zu dienen. Allerdings lässt sich in der Beschaffenheit der Secrete schwer eine Grenze ziehen und hat man daher ein gewisses Recht, alle Secrete, die zur Sicherung der Ueberführung des Sperma dienen, als Spermatophoren zu bezeichnen. Ich lege daher auf das Attribut „erstarrend" Gewicht ; denn durch die Erstarrung der Hülle er- hält die ganze Masse eine concretere Gestalt, wodurch ein selbst- ständiger Körper zu Stande kommt. Man wird daher die Bezeich- nung „Spermatophore" auf jene Fälle beschränken müssen, die der oben gegebenen Definition Genüge leisten. Die Spermatophoren der Galatheen und Paguriden wurden von Kölliker richtig beschrieben. Kölliker lässt die Samenschläuche aus zwei Häuten bestehen ; doch existirt nur eine *) Conipt. rend. 1874, Bd. 79, p. 245. 2) Observation sur les Sperniatophores des Crustaces decapodes. Conipt. rend. Bd. 78. 1874, p. 855. (130) Beiträge zur Kenutniss der männlichen Geschlechtsorgane. 75 Membran und ist die innere Hant Kölliker's blos die innere Grenze der einzigen Hülle. Dass die Spermatophoren von Pagurus einseitig auf einer verdickten Leiste einer Röhre , in welche sie gehüllt sind , auf- sitzen, hat zuerst von Siehold erkannt. Diese Secretrühre ist jedoch nur bei Paguristes durch auffallende Dicke ausgezeichnet, während sie bei (xalathea dünn ist, bei Eupagurus sich kaum nachweisen lässt. da bei letzterem Thiere die Spermato- phoren einzeln in den Endabschnitt des Vas deferens gelangen und dort nicht so regelmässig angeordnet sind, wie in den anderen Fällen. Ueber das Agens, welches die Spermatophoren zum Platzen bringt, kann ich mich nur vermuthungsweise äussern. Nach R. Leuckart1) geht bei Astacus „die Entleerung" der Spermato- phore, nachdem sie an den weiblichen Thorax angeklebt ist, „da- durch von Statten, dass die äusseren Wände allmälig immer mehr erhärten und den Inhalt zusammendrücken , bis dieser entweder seine Umhüllung sprengt oder (bei Astacus auch) aus dem vor- deren offenen Ende der Spermatophoren hervortritt". Ich selbst sah, wenn ich ein Stück der Spermatophore auf den Objectträger legte und Wasser zusetzte, dass das Sperma hervortrat. Bei den G-alatheen und Paguren soll es nach P. Mayer 2) das Wasser nicht sein , welches die Spermatophoren zum Platzen bringt; es ist dann immerhin möglich, dass das vor der Eiablage vom Weibchen abgeschiedene Secret, welches später zur Befesti- gung der Eier an den Beinen dient, einen Einfluss auf die Spren- gung der Spermatophoren hat; es könnte dies auch bei Astacus der Fall sein, wie P. Mayer vermuthet. Bei den Brachyuren werden die Spermatophoren wahr- scheinlich in der Bursa copulatrix des Weibchens aufgelöst. Bei G-alathea squamifera sah ich die Spermatophoren stets an der Spitze platzen (Taf. VI, Fig. 15), wenn ich sie drückte ; bei Eupagurus springen dieselben nach P.Mayer durch einen Längsriss auf. II. Aeussere Geschlechtscharaktere. Als äusseren Gescklechtscharakter des Männchens der Deka- poden finden wir die Lage der Geschlechtsöffnung an dem Grund- ') Artikel „Zeugung", p. 900. 2) 1. c. p. 2 14. q * (131) 76 Dr. C. Grobben: gliede des letzten Brustfusses; bei Grapsus rückt die Mündung des Vas deferens an die Einlenkungsstelle des Coxalgliedes am Thprax. Während bei den Macrnren die Geschlechtsöffnung meist auf einer wulstförmigen Erböhung liegt, finden wir bei den Bracliynren einen Penis, der durch röhrenförmige Verlängerung des Integumentes um die Geschlechtsöffnung gebildet ist. Einen solchen Penis sah ich unter den Macruren auch bei Penaeus affinis. Doch dürfte derselbe hier kaum durch den mit einer Chitinintima versehenen ausgestülpten Endtheil des Vas deferens gebildet sein , sondern wie bei den Brachyuren als Penis zu deuten sein , welcher sich als Erbstück von den Schizopoden , bei denen derselbe eine bedeutende Grösse erreicht, erhalten hat. Bei Palinurus und Scy Harns ist die Geschlechtsöffnung von einem deckelförmigen Vorsprung bedeckt. Der Penis der Bracnyuren ist in den meisten Fällen weich- häutig, nur bei Dromia vulgaris steif. Seine Eorm ist bald mehr cyl in drisch, bald spitzkegelförmig. Was seinen histologischen Bau anbelangt, so folgt auf die Chitinhaut die aus Cylinderzellen gebildete Matrix ; zwischen ihr und dem Vas deferens, das mitten durch den Penis hindurchzieht, findet sich ein Balkenwerk von Bindegewebe ; die Räume , welche zwischen den Balken bleiben, werden vielleicht bei der Begattung mit Blut erfüllt, wodurch eine Erection des Penis zu Stande kommen dürfte. Indem ich von einem eingehenderen Citiren der Literatur Abstand nehme, hebe ich nur hervor, dass Mil ne Ed w ar ds den Penis der Brachyuren als umgestülpten Endtheil des Vas deferens anzusehen scheint; doch äusserte sich schon Leuckart1) dahin, dass der Penis als eine „Weiterentwickelung der wulstförmig auf- geworfenen Ränder der Genitalöffnung" zu deuten sein könnte. Ausser diesem Charakter besitzt das Männchen noch andere Eigenthümlichkeiten , unter denen in erster Linie die in allen Dekapodenfamilien auftretende Umbildung der ersten Beinpaare des Abdomens hervorzuheben ist. Bei Palaemon rectirostris ist der innere Ast des ersten Abdominalfusses (Taf. VI, Fig. 10 i) viel stärker entwickelt als beim Weibchen; bei Virbius viridis übertrifft derselbe nicht den gleichen Ast des Weibchens, und bei Alp heus ruber ist der Innenast sogar schmächtiger als der betreffende des weiblichen Geschlechtes. Die geringere Ausbildung des inneren Astes des ') Zur Morphologie und Anatomie der Geschlechtsorgane. Göttingen 1817. p. 43. 032) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 77 ersten Abdominalfüsses bei V i r b-i u s und A 1 p h e u s als bei Palaemon ist wohl als Rückbildung dieses Astes aufzufassen. Bei Penaeus affinis fand ich den inneren Ast des ersten Abdominalfüsses umgebildet zu einem mit vielen Nebenanhängen versehenen Halbrohr, das sich mit dem der anderen iSeite zu einer Röhre zusammensetzt (Taf. VI, Fig. 13 i). Die Halbröhren beider Seiten sind ungleich entwickelt. Penaeus führt uns zu den Verhältnissen, wie sie die Astaciden zeigen; nur finden wir hier am 1. Abdominalseg- mente ausschliesslich ein röhrenförmig zusammengerolltes (Asta- cus) oder halbrinnenförmiges Glied (Homarus), welches dem inneren Aste des Penaeusfnsses entspricht, Ist bei den Astaciden am 1. Abdominalfuss schon der äussere Ast überall weggefallen, so fällt bei Astacoides auch der innere Ast aus , und fehlt bei den T h a 1 a s s i n e n (G e b i a, Calliaxis), sowie bei den Palinuren gleichfalls. Andrerseits wurde das umgebildete Bein des 1. Abdominalsegmentes von den Astaciden auf die Galatheen vererbt, die es weiter an die Paguren überlieferten, wo es bei Paguristes in derselben Form erhalten bleibt, während es bei Eupagurus verkümmerte. Mit Ausnahme von P o r c e 1 1 a n a ist bei sämmtlichen B r a c h y u r e n das erste Abdominalbeinpaar erhalten und übertrifft an Grösse das zweite. Am zweiten Abdominalbeinpaare findet sich bei A 1 p h e u s, Virbius, Athanas und Palaemon an der Innenseite des inneren Astes ein accessorischer Nebenast (Fig. 11 b), der griffei- förmig ist und mit steifen Borsten besetzt erscheint, Bei Penaeus findet sich dieser Nebenast gleichfalls, schliesst sich jedoch in seiner Ausbildung an die Astaciden an. Bei Astacus, ebenso bei Homarus (Fig. 12b) ist dieser Nebenast als schwach gebo- tenes Halbrohr \orhanden; er ist dem accessorischen Nebenaste der Cariden zweifellos homolog. Bei Palinurus findet sich am zweiten Abdominalsegmente eine ovale Platte, während bei Scyllarus zwei solche, hier säbelförmig gestaltete Blätter vorhanden sind. Bei Palinurus ist das innere Blatt ausgefallen, welches durch einen Höcker an- gedeutet ist. Bei den Thalassiniden (Gebia, Calliaxis) sind an dem genannten Segmente gewöhnliche zweiästige Schwimmfüsse, wie sie die übrigen Abdominalsegmente tragen. Bei den Galat beiden ist das zweite Abdominalbein dem vorhergehenden ersten in seiner Gestalt ähnlich , ist am Ende (133) 78 Dr. C. Grobben: ]ö*fFelförmig wie dieses. Es wird wohl auch dem Innenaste des 2. Abdominalfusses entsprechen, so dass der äussere Ast weg- gefallen wäre. In ähnlicher Form wie bei Gr a 1 a t h e a finden wir dieses Beinpaar bei Paguristes wieder, während Eupagurus diese Beine fehlen. Bei Porcellana ist dieses Beinpaar das einzige , welches am männlichen Abdomen zur Entwickelung gelangt. Dieses Extremitätenpaar finden wir bei allen B r a c h y u r e n vor, und zwar ist es schwächer entwickelt als das erste. Doch beschränken sich die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen nicht blos auf die beiden ersten Abdominalfüsser sondern greifen bei einigen Familien sogar auf alle über. Dies, finden wir bei den Galatheiden , unter welchen bei G-alathea die drei auf die beiden ersten folgenden Abdominalbeine einästige dreigliedrige Schwimmfüsse sind (Taf. II, Fig. 12); das erste Glied dieser ist plattenartig erweitert und mit langen Borsten versehen. Bei Muni da rugosa (Fig. 13) ist das Bein fast nur von dem erweiterten Grundgliede gebildet, das hier mit viel längeren Borsten besetzt ist, während ein kleiner Stummel die beiden Endglieder vertritt. Bei Pal in ur us und Scyllarus sind mit Ausnahme des letzten Abdominalfusses die übrigen durch ovale, dem äusseren Ast entsprechende Plättchen dargestellt, während der innere Ast durch einen Stummel angedeutet wird. Letzterer ist beim Weibchen mächtig entwickelt. Die männlichen Paguriden besitzen an dem 3., 4. und 5. Abdominalsegmente linkerseits spaltästige Fasse, wo jedoch bloss der Aussenast stärker entwickelt ist und eine mit langen Borsten versehene schlanke Platte darstellt, während der innere Ast durch einen kleinen Stummel vertreten wird. Aus den Abdominalbeinen der Paguriden und Loricaten werden sich die der verwandten Galatheen verstehen lassen. In beiden Familien finden wir den Aussenast stark entwickelt^ während der Innenast stummellormig ist, und es entspricht der einästige Abdominalfnss von Galathea somit wahrscheinlich dem äusseren Ast, während der Innenast vollkommen fehlt. Mit Ausnahme von Porcellana fehlen bei allen Brachy- uren die übrigen Abdominalfüsse. Nur bei Porcellana ist das sechste Abdominalbeinpaar wie bei den Macruren entwickelt, und bei der männlichen Dromia vulgaris findet sich am 6. Abdominalsegment ein kleiner beweglicher Anhang, der eine rudimentäre Extremität darstellt. (134) Beiträge zur Keuntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 79 Neben den Füssen des Abdomens können auch andere Extre- mitäten beim Männchen verändert sein. So rinde ich , dass bei dem männlichen Palaemon rectirostris und Virbius viridis, wo die Männchen viel kleiner als die Weibchen sind, der die Riechborsten tragende Ast der ersten Antenne nicht nur relativ (im Verhältnis zur Kärpergrösse), sondern absolut grösser als beim Weibchen ist, und einen viel reicheren Besatz mit Riechhaaren zeigt, Ferner ist die männliche erste Antenne von Gralathea, M u n i d a und Paguristes gestreckter als die weibliche; ob auch reicher mit Riechhaaren versehen, konnte ich wegen der bedeutenden Anzahl von diesen nicht erkennen. Bei den Männchen der meisten Dekapoden haben sich auch die ersten Thoracalfüsse kräftiger entwickelt. Und zwar sind entweder beide stärker als beim Weibchen (wie bei den meisten Oxyrhy neben, Grapsus, einigen Macruren), oder nur der eine, entweder der rechte oder der linke, was für eine Art durch- aus nicht constant zu sein scheint (die meisten übrigen B r a- chyuren, Homarus, Alpheus). Bei den Paguren ist es immer ein bestimmtes Bein, entweder das rechte, wie bei Eupa- gurus, oder das linke, wie bei Paguristes, welches stärker entwickelt ist , was theil weise durch die Asymmetrie des Körpers bedingt zu sein scheint. Was die übrigen Thoracalfüsse anbelangt , so fand ich bei einem Männchen von Maja Squinado sämmtliche Thoracalfüsse länger als beim Weibchen: auch hat das Männchen von Pinno- theres veter um gedrungenere und reicher mit Schwimmborsten besetzte Brustfüsse. In der Regel ist das Männchen schlanker als das Weibchen. Seine Grösse ist häufig bedeutender als die des Weibchens ; doch gibt es Fälle, wo das Männchen kleiner ist (Palaemon rectirostris, Penaeus affini s, Virbius viridis, Pinno- theres veteru m). Das männliche Abdomen ist mit Ausnahme der Paguren in fast allen anderen Fällen schlanker, während das weibliche breit, stark gehöhlt ist, und die Seitenplatten tiefer herabreichen. Umfangreiche Seitenplatten fand ich bei einigen C ariden, wo die Breite des Abdomens nicht so auffällig ist, wie bei den weib- lichen Astacidenund Galatheen. Bei Porcellana und den übrigen Brachyuren ist das männliche Abdomen schlank, wo- gegen das weibliche breit und gehöhlt erscheint. Die Form des männ- lichen Abdomens ist dreieckig oder rechteckig. In vielen Fällen (•i35) 80 Dr. C. Grobben: gl um a t u s hat dasselbe seine vollzählige Gliederung verloren, indem das 3., 4. und 5. Segment mit einander verschmolzen. Die Verschmelzung findet sich in allen Gruppen vor und möge folgende Zusammen- stellung dies beleuchten : Notopoden : Porcellana Abdgl. E t h u s a m ascarone Dromia vulgaris Oxystomen : 1 1 i a n u c 1 e u s . . . Oxyrhy neben : Maja Squinado . Stenorhynchus p h a 1 a n Eurynorae aspera. Lambrus a n g u 1 i f r o n s Inaclius thoracicus . Cyclometopen : Eriphiaspinifrons P i 1 u m n u s hirteil Tis . Portlinus depurator. Carcinus maenas . Catometopen: Pachygrapsus marmor Plagusiaclavimana. . Diese Reduction der Gliederung des Abdomens muss als eine für den Act der Begattung günstige Bildung angesehen wer der., und hat sich in allen Gruppen der Brachyuren wahrscheinlich selbstständig entwickelt, Bei Pachygrapsus marmor atus sind das o. , 4. und 5. Segment nicht mit einander verschmolzen, wohl aber in festerer Verbindung mit einander. Bei Stenorhynchus p h a 1 a n g i u m und I n a c h u s thoracicus, welche ein sechsgliedriges Abdomen besitzen, sind das G. und 7. Segment mit einander verschmolzen. Endlich wären noch einige weniger auffallende Farben- unterschiede zwischen Männchen und Weibchen zu erwähnen. So ist das Männchen von E u p a g u r u s P r i d e a u x i i und Pachy- grapsus marmoratus lebhafter gefärbt. Auch fiel mir die lebhaftere Färbung der Männchen von Palae mon rectirostris zur Brunstzeit (Beginn des Winters) auf. Durch eine eigenthümliche Brustplatte ist das Männchen von Inachus thoracicus ausgezeichnet. Nur bei I n a c h u s leptochirus findet sich noch eine ähnliche Bildung, die jedoch hier weit schwächer und weniger auffallend ist. Bei den Männchen aller übrigen Inachusarten sind ähnliche Bildungen nicht beobachtet. 136) Beiträge zur Kenniniss der männlichen Geschlechtsorgane, 81 Es ergibt sich aus den eben aufgeführten Untersuchungen das Resultat, dass sich accessoris che Ge schlecht scharak- tere in allen Familien der Dekapoden vorfinden. Bisher hatte man bei den C ariden das Vorhandensein secundärerGeschlechtscharaktere geleugnet. Es war vonSiebold1), welcher den Mangel dieser Charaktere bei den meisten C ariden hervorhob: doch waren von Siebold Fälle bekannt, wo sich solche vorfanden. Erst Mi Ine Edwards2) behauptete, dass sich secundäre Geschlechtscharaktere bei den C ariden nicht finden und Brocchi3) kam zu dem gleichen Resultate. Aller- dings legten die beiden letzten Forscher das Hauptgewicht darauf, dass die umgebildeten Beine des Abdomens auch bei der Copula- lation Dienste leisten. Bei den Penaeen kannte Brocchi die umgebildeten Innenäste des ersten Abdominalbeinpaares, während ihm die des zweiten Paares entgingen. Es waren jedoch auch bei anderen C ariden Gescklechts- unt erschiede bekannt. So hat Joly4) bei Caridina Desma- resti den Innenast des 1. xlbdominalfusses beim Männchen sichelförmig gefunden; ferner soll an den anderen Abdominal- füssen ein Nebenast vorkommen ; dieser Nebenast gehört wohl nur dem 2. Abdominalbeinpaare an , und wenn J o 1 }T in der Tafelcrklärung das betreffende Bein als das dritte bezeichnet so ist dies ein Irrthum, wie der, dass ein Nebenast sich auch an den anderen Beinen des Abdomens fände. Joly hält das neben dem Nebenast vorkommende Retinaculum als das vielleicht bei der Begattung fungirende Organ. Auch sollen nach den Beob- achtungen desselben Forschers die Basalglieder aller Abdominal- füsse beim Männchen dicker und fleischiger sein , dagegen die beiden Endblätter eine geringere Länge und Breite als beim Weibchen besitzen. Von Siebold5) gab für C r a n g o n an , dass der Innenast des ersten Abdominalfusses beim Männchen sehr entwickelt und haarlos ist. Ferner hat H e 1 1 e r 6) von einer Anzahl Cariden die umo-ebildeten Beine des männlichen Abdomens l) Lehrbuch der vergleichenden Anat. d. wirbellosen Thiere. Berlin, 1848 p. 499. -) Lei.-ons sur la Physiologie et l'Anat. comp. t. IX. Paris , 1870. p. 256. Anmerkg. 3) 1. c. p. 31 und 119. *) Sur les moeurs, le developpement et les metamorphoses d'une petite Salicoque d'eau douce. Ann. d. scienc. nat. 2. ser. XIX. Bd. 1843 pag. 43. 5) 1. c. p. 499. ü) Die Crustaceen des südlichen Europa. Wien 18G3. (137) 62 Dr. C. Grobben: beschrieben. Bei Crangon cataphractus fand er am 2. Ab- dominalfusse einen kleinen Nebenast, bei der Gattung Palaemon zwei solche Anhänge ; doch ist der innere dieser beiden Neben- anhänge das Retinae ulum. Bei Sicyonia sculpta sollen die beiden ersten Abdominalfüsse noch einen inneren x4.nb.ang besitzen, der dem von Penaeus ähnlich ist. Brocchi1) beobachtete bei Atya scabra, dass das erste Beinpaar des x4bdomens anders gestaltet ist als das zweite und die folgenden; aus seiner Be- schreibung ist jedoch nicht zu ersehen, ob dies ausschliesslich eine Bildung des Männchens ist. Meine Beobachtungen von umgebildeten Beinen bei den Männchen von Penaeus, Palaemon, Alpheus, Virbius und Athanas dazugenommen, kann wohl behauptet werden, dass bei allen Cariden sich seeundäre Geschlechtscharaktere, welche in der Umbildung der beiden ersten Abdominalbeinpaare bestehen, vor- finden werden. Ob die Nebenanhänge dieser Beine eine Rolle bei der Be- gattung spielen (Penaeus ausgenommen, wo dies mit Rücksicht auf das von Astacus Bekannte höchst wahrscheinlich ist), lässt sich nicht bestimmt entscheiden , da jede Beobachtung über den Vorgang der Begattung bei den Cariden fehlt. Für jeden Fall sind die Auszeichnungen der beiden ersten Abdominalbeine des Männchens bei den Cariden in Rückbildung begriffen. Denn die Penaeen, von welchen wohl die übrigen Cariden abstammen, haben die Innenäste der beiden ersten x4.bdominalbeine zu einem complicirten Apparat ausgebildet , den sie aber schon von den Schizopoden übernommen haben , unter welchen die männliche Euphausia ebenfalls die Innenäste der beiden ersten Abdominal- _ beine zu einem sehr complicirten Apparat umgebildet hat. Bei den meisten übrigen Dekapoden sind die beiden ersten Abdominalfüsse beim Männchen umgebildet. Beim Hummer erkannte jedoch Brocchi nur das erste umgebildete Bein des Männchens, während ihm der Nebenast des zweiten entging. Die zahlreichen Modificationen, denen die beiden ersten Ab- dominalbeinpaare unterliegen, führten Brocchi zu dem bereits bekannten und vielleicht zuerst von D u v e r n o y -) formulirten «) a. a. 0. p. 32. 2) Des organes exterieures de fecondation daiis les Crustaces deeap. Conipt. rund. Bd. 31, 1850, p. 3U. (138) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 83 Resultate, class die Formversckiedenlieiten dieser Beine nicht nur bis zur Gattung, sondern selbst zur Art hinabgehen. Es wird nun auch eine Erklärung dieser auffallenden That- sache gesucht werden müssen. Vor Allem wird die grosse Variabilität seeundärer Ge- schlechtscharaktere vor Augen zu behalten sein. Nur durch diese sind die in jeder Art verschieden gestalteten männlichen Beine der Astaciden zu erklären. Bei den Dekapoden dagegen, welche eine innere Begattung haben, wie die Brachyuren, dürfte diese Variabilität noch durch ein anderes Moment unterstützt worden sein. Es ist ein ähnliches, wie ich es bereits früher zur Erklärung der sogar in jeder Art verschiedenen Form der Samenkörpereken herangezogen habe, nämlich der Nutzen, den eine Verschiedenheit so wichtiger Organe für die Verhütung einer zu grossen Ver- bastardirung hat. Durch diese Verschiedenheit der Begattungs- organe in Form, Grösse u. s. f. bei den verschiedenen Arten wird eine Kreuzung mit anderen Arten schon mechanisch unmöglich. Ich kann nicht unerwähnt lassen, dass ich auch bei Weibchen von Astacus fluviatilis das erste Abdominalbeinpaar männ- lich gebildet fand. In einigen Fällen war das Bein halbrinnen- förmig, in anderen vollkommen ebenso gerollt, wie beim Männchen ; immer jedoch besass das Bein eine geringere Länge, als dasselbe beim Männchen zu besitzen pflegt. Da die Ovarien vollkommen normal entwickelt waren, und Weibchen mit solchen männlichen Beinen auch Eier abgelegt hatten, so möchte ich diese Erscheinung als eine Uebertragung männlicher Charaktere auf das weibliche Geschlecht ansehen, wie eine solche häufig genug im Thierreiche vorkommt. Die lebhaftere Färbung des Männchens beobachtete Hesse1) bei Pagurus misanthro pus, Gouriet2) endlich, welcher sich mit den äusseren Geschlechtsunterschieden unseres Flusskrebses beschäftigte, fand beim Männchen auch noch die Antennen länger als beim Weibchen. Inwieweit die Geschlechtscharaktere für jeden einzelnen Fall den früheren Untersuchern bekannt waren, darauf will ich hier nicht eingehen , da ich damit den Leser durch eine lange , weiter *) Descriptian des Crustaces rares ou nouveaux des cfites de France. 25. article. Ann. d. scienc. nat. 6. ser. t. III, 1876, p. 10. 2) De quelques caraetüres exter. qui differencient les sexes chez l'Ecrevisse fluv. Compt. rend. 1872, Bd. 75, p. 841. (139) 84 Dr. C. Grobben: kein Interesse bietende Aufzählung einzelner Angaben langweilen müsste. Ich will schliesslich nur noch einige Bemerkungen über die accessorischen Geschlechtscharaktere der Männchen der übrigen Thoracostraken machen. Bei den Schizopoden ist überall ein auffallender Geschlechts- dimorphismus bekannt. Bei Euphausia sind die Innenäste der beiden ersten Abdominalfüsse sehr complicirt gebaut ; von jener hat sich dieser Charakter auf Pen aeus vererbt. Doch bleibt beim Innenaste des ersten Abdominalfusses bei Euphausia noch ein Rest des ehemaligen blattförmigen Innenastes erhalten, während bei Pen aeus dieser Rest nicht mehr erhalten ist. Daraus kann man schliessen , dass sich der complicirt gebaute Innenast des ersten Beines ebenso wie der des zweiten als Nebenanhang an der Innenseite des blattförmigen Innenastes entwickelte. Bei den Stomatopoden habe ich >) das erste Abdominalbein- paar des Männchens bei Squilla mantis umgebildet gefunden; dasselbe kann ich jetzt auch für Gonodactylus bestätigen. Ein männliches Abdominalbein von Squilla hat bereits Milne Edwards2) abgebildet, doch nicht als ausschliesslich dem männ- lichen Geschlechte eigen erkannt. "Wenn wir die accessorischen Geschlechtsunterschiede in's Auge fassen, so finden wir, dass sie sich in mehrere Gruppen son- dern lassen. Diese Gruppen sind vier: 1. Gibt es accessorische Geschlechtscharaktere, die sich noth- wendig in Folge der Ausbildung anderer Organe entwickelt haben. Hierher gehören die Veränderungen des Thorax in Folge der Ent- wickelung des Ovariums. Da das Ovarium einen viel grösseren Raum erfordert, als der Hoden, musste sich der weibliche Körper in den Theilen , welche die Geschlechtsdrüse beherbergen , ver- grössern. 3) Als Beispiele mögen die Weibchen von Galathea, Pinnotheres dienen. Ferner gehören in diese Gruppe die Kiemen an den Ab- dominalfüssen der männlichen Siriella (Cynthia) *) und der ') Grobben, Die Geschlechtsorgane von Squilla mantis. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. 74. Ed. 1876, p. 4. 2) Eegne animal de Cuvier. Crustaces, Atlas, pl. 4. Fig. 3. o. s) Vergl. Leuckart, Artikel „Zeugung". *) Vergl. Claus, lieber die Gattung Cynthia als Geschlechtsform der llysideen- gattung Siriella. Zeitschr. f. wiss. Zool. 18. Bd. 1868, p. 271. (140) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 85 männlichen Mysis Moebii1^, die sieh mit den kräftigeren Abdo- minalfüssen, und der damit zusammenhängenden grösseren Beweg- lichkeit entwickelten, welche ihrerseits wieder das Athembedürf- niss steigerte. Ebenso hat sich bei demselben Thiere der grössere Umfang des männlichen Abdomens ausgebildet , indem mit den kräftigeren Füssen auch die Musculatur zunahm. Endlich sind die Fälle der so merkwürdig gestalteten Weibchen parasitischer Crüstaceen (Copepoclen, Isopoden) hierher zu rechnen, deren Grösse mit der mächtigen Entfaltung des Ovariums Hand in Hand geht, während die Ausstülpungen , welche dem weiblichen Körper eine so barocke Gestalt verleihen, sich mit der Volumzunahme des weiblichen Körpers ausbildeten ; da bei zunehmendem Volum die Oberfläche eines Körpers kleiner wird, musste dieser Nachtheil durch Vergrösserung der Oberfläche auf dem Wege der Ausstülpung ausgeglichen werden. 2) Alle die in diese Gruppe gehörigen accessorischen Ge- schlechtscharaktere dürften durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sein. 2. Gibt es Geschlechtscharaktere, die in der Ausbildung oder Umwandlung gewisser Organe bestehen , und welche sich ent- wickelt haben in Folge des Vortheiles, den sie bei der Erzeugung und Aufzucht der Nachkommenschaft gewähren. Hierher sind die Organe zu stellen , welche eine sichere Ueberführung des Samens ermöglichen, und andererseits die Einrichtungen, welche den Eiern und Jungen während ihrer Entwickelung den nöthigen Schutz ge- währen. Beispiele bieten die umgebildeten Beine des Männchens der Dekapoden , das breitere Abdomen des Weibchens derselben, ebenso der Penis der Crüstaceen , wie der der Vertebraten , die Brutplatten vieler Krebsweibchen etc. Auch die Geschlechtscharaktere, die dieser Gruppe zugehören, sind durch natürliche Zuchtwahl entwickelt worden. 3. Gibt es Geschlechtscharaktere , die durch geschlechtliche Zuchtwahl entstanden sind. Die in diese Gruppe gehörigen Ge- schlechtscharaktere lassen sich in zwei Untergruppen bringen : a) In solche Charaktere, welche unmittelbar durch den ') Dohrn, Untersuchungen über Bau und Entwickelung der Arthropoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. 21. Bd. 1871, p. 360. 2) Vergl. Leuckart in Bergmann und Leuckart, Anatomisch-physio- logische Uebersicht des Thierreiches. Stuttgart, 1852, p. 573, sowie Artikel „Zeugung". Ferner Claus, lieber den Bau und die Entwickelung parasitischer Crüstaceen. Cassel 1858, und : Die freilebenden Copepoden. Leipzig 1863. 04' 86 Dr. C. Grobben: Kampf der Männchen unter einander sieh entwickelt haben. Als Beispiele dienen die kräftigeren Scheeren der Männchen, der Muth des Männchens. Charaktere, die das Weibchen auf diese Art er- halten hätte, dürften sich bei der weniger kampfsüchtigen Natur der Weibchen kaum entwickelt haben. b) In solche Charaktere, welche mittelbar von dem einen Geschlechte durch die Wahl des anderen Geschlechtes erlangt wurden. Auf diese Art sind die lebhaftere Färbung des Männ- chens, überhaupt alle Bildungen, die als Zierrate dienen, erworben worden. 4. Endlich gibt es accessorische Geschlechtscharaktere , die mit der verschiedenen Lebensweise der beiden Geschlechter zu- sammenhängen. So hat sich das verkümmerte Männchen der Chon- dracanthen und vieler Bopyri den (Phryxus, Gyge) z. B. ent- wickelt. Ebenso gehört der Dimorphismus der Geschlechter vieler Insecten, z. B. der Strepsiptera in diese Gruppe. Auch die abweichende Gestaltung des Männchens von Sapphirina f Til- gen s wird so entstanden sein, indem sich der breitere, kräftigere Körper im Zusammenhange mit dem Umstand entwickelt hat, dass die Weibchen in Salpen schmarotzen, und das Männchen einen bedeutenden Aufwand von Kraft verwenden muss , um die Salpe an Geschwindigkeit zu erreichen. Diese Charaktere sind zweifellos durch natürliche Zuchtwahl entstanden, wie Darwin1) bereits bemerkte; desgleichen hat Darwin bereits hervorgehoben, dass die Geschlechtsunterschiede, welche ich unter 2. zusammengestellt habe, durch natürliche Zucht- wahl entstanden sind. Die Unterscheidung der unter 3. aufgeführten secundären Geschlechtscharaktere in solche, welche durch „unmittelbare Ver- nichtungskämpfe" und solche, die durch „mittelbare Wettkämpfe" erlangt wurden, hat zuerst E. Ha e ekel2) gemacht. 3. Bemerkungen über die Gefässe, sowie Parasiten der männlichen Geschlechtsorgane. Im Anschlüsse an die Untersuchungen des männlichen Ge- schlechtsapparates konnte ich es nicht unterlassen , auch einen Blick auf die Gefässe desselben zu werfen. Doch geschah dies nur gelegentlich und nicht in ausreichendem Masse. Es ist daher ') Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. 2. Bd. 2) Generelle Morphologie der Organismen. 2. Bd. Berlin 1866, p. 245. (142) Beiträge zur Kenntuiss der männlichen Geschlechtsorgane. 87 dieser Theil der Untersuchung ein Bruchstück geblieben , welches ich nichtsdestoweniger hier anfügen will. Ich werde von den Gelassen des Hodens das arterielle Blut- gefässsystem desselben bei Astacus beschreiben, da ich mir diesen Dekapoden am leichtesten verschaffen konnte. Zur Darstellung des arteriellen Gefässsystemes bediente ich mich der Injection mit der gewöhnlichen Carmin-Leimmasse , die ich mittelst einer kleinen Glasspritze durch die oberen Spalt- öffnungen des Herzens langsam eintrieb. Die bisherigen Angaben über die arteriellen Gefässe des Ast acu shodens und der Vasa deferentia sind unvollständig. Es war Cuvier1), welcher zuerst beim Hummer die Geschlechts- organe von dem am hinteren Ende des Herzens entspringenden Ge- fässe versorgt werden lässt. Sieht man von der Angabe B oj anu s' 2) ab, nach welchem bei Astacus die vordere seitliche Arterie (Arter. antenn. M. Edw.), mit Rücksicht auf die theilweise Ver- sorgung des Hodens von derselben Arterie , den Eierstock mit Blut versieht, so finden wir von P. W. Lund3) die nächste An- gabe über die Gefässe des männlichen Geschlechtsapparates ge- macht. Lund bezeichnet beim Hummer die vorderen Seiten- stämme als die Gefässe, deren Zweige den Hoden versorgen, und ebenso soll der grosse Schwanzstamm (die Arter. adom. sup. M. Edw.) dem Eierstocke Zweige zusenden. Gilt die kurze Anmerkung Lund's, die er bei den vorderen Seitenstämman macht, dass es sich „ebenso beim Hoden" verhalte, auch hier, so dürfen wir nach L u n d auch vom Schwanzstamm den Hoden mit Blut versorgt sein lassen. Im Jahre 1827 veröffentlichten Audouin und Milne Ed- wards4) ihre ausgedehnten Untersuchungen über die Circulation der Crustaceen und bezeichneten für .die Brachyuren die Artere antennaire als diejenige, welche den vorderen Theil der Geschlechts- organe (sowohl Ovarien als Hoden) mit Blutgefässen versieht. Später gab Milne Edwards5) für alle Dekapoden an, dass die Art. antenn. Zweige an die Geschlechtsorgane abgebe. *) Leeons d'anatomie comp. 1805, t. IV, p. 407 — 410. ?) Anonymus (Bojanus), Zweifel über das Gefässsysteru des Krebses (Astacus). Isis 1822, p. 1230. 3) Zweifel an dem Dasein eines Circulationssystems bei den Crustaceen. Isis 1825, p. 594 und 595. Auszug aus der Abhandlung Lund's: "Ueber die Circulation der Crustaceen. Kopenhagen 1824. 4) Becherches anatoniiques et physiologiques sur la circulation dans les Crnstaces. Ann. d. scienc. nat. t. XI. 1827. 5) Hist. nat. des Crustacös. t. I, p. 99. (143) 88 Dr. C. Grobben: Für Astacus finden wir von Brandt und ßatzeburff1! die Arter. antenn. als die Arterie angegeben, die zu den vorderen Theilen der Geschlechtsorgane hingeht, während wie bei Homarus, so auch bei Astacus die obere Baucharterie gleichfalls Aeste an die Geschlechtstheile abgibt. Nach Krohn2) endlich, welcher zuerst die Circulationsverhältnisse der Dekapoden zum Theil ins Klare setzte, gibt der hinterste Gefässstamm Aeste an die Ge- schlechtsorgane ab. Aus allen den angeführten Arbeiten, in denen es ja vor Allem Hauptziel war, überhaupt die Verhältnisse der Circulation bei den Dekapoden festzustellen, ersehen wir den Mangel einer specielleren Darstellung des arteriellen Gefässsystemes des Astacus- hodens, die ich nach meinen Untersuchungen nun folgen lasse. Der vordere Theil des paarigen Hodenabschnittes wird bei Astacus (Taf. I, Fig. 3) von der Arter. antennaria (art. ant.) versorgt. Und zwar gibt der Hauptstamm an der Innenseite zwei Gefässe ab , eines hoch oben , häufig an der Theilungsstelle des- selben, und eines nahe am Ursprung der Art. antenn. am Herzen. Ebenso sah ich an der Aussenseite eine Arteriole in den Hoden hineingehen. Der grösste Theil des Hodens jedoch, der unpaare hintere Abschnitt und die hinteren Theil e der paarigen Abschnitte, gleichwie das Vas deferens werden von dem hinteren Arterien - stamm aus versehen. Es entspringt an derjenigen Seite , wo die Art. sternalis (art. stern.) nach unten absteigt , von diesem ab- steigenden Gefässe gleich nach seinem Ursprünge aus dem Bulbus (buk) ein ziemlich grosses Gefäss, das sich in grösserer oder ge- ringerer Entfernung von seinem Ursprünge in zwei Aeste theilt; von diesen beiden Aesten zieht der eine nach vorn und gibt Zweige lateralwärts an den vorderen Theil des Vas deferens ab, medialwärts an den unpaaren Abschnitt des Hodens; schliesslich geht dieser Ast an der Stelle , wo die Vasa deferentia aus dem Hoden entspringen, in den Hoden hinein und versieht den hinteren Abschnitt des paarigen Hodentheiles mit Blut. Der zweite Ast zieht nach hinten, gibt näher oder entfernter von seinem Ursprünge ein stärkeres oder zwei schwächere Gefässe an die Wand und die Muskeln des hinteren Theiles des Thorax ab, und begibt sich zum Vas deferens , um dessen hinteren Theil mit Blut zu versorgen. Von dem hinteren Aste selbst oder von einem der Seitenzweige geht noch ein Gefäss zum hinteren Ende des Hodens. ') Meditinisclie Zoologie. II. Bd. Berlin 18-53, p. 63. 2) I7eber das Gefässsystem des Flusskrebses. Isis 1831, p. 518. (144) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 89 Auf der anderen Seite entspringt aus dem Bulbus selbst der grosse Gefässstamra , der zum Hoden geht. Derselbe theilt sich sofort nach seinem Ursprünge in zwei Aeste, von denen der hintere den hinteren Theil des Vas deferens versorgt, und auch Seiten- zweige an die Wandungen und Muskeln des Thorax , ebenso ein Gefässchen dem hinteren Hodenende liefert, der vordere in derselben Weise, wie dies« vom vorderen Aste der anderen Seite beschrieben wurde, sich am Vas deferens und Hoden verzweigt. Von der angeführten Verzweigungsart der Gefässe finden sich jedoch Abweichungen. So kann von der Arter. sternalis aus der betreffende Gefässstamm sich sofort nach seinem Ursprünge in zwei Stämme theilen, von denen jedoch der hintere ausschliess- lich Blut den in der Nähe gelegenen Thoraxtheilen zufährt, der vordere sich erst später in die zwei Aeste theilt, die dem vorderen und hinteren Theil des Vas deferens das Blut zuführen. Gleiches kann an dem vom Bulbus entspringenden Gefässe der anderen Seite stattfinden. Auch kann der Ast, welcher den hinteren Vas deferens-Abschnitt mit Blut versorgt, nicht als ein Ast entspringen, sondern es treten zwei Gefässe rasch nach einander von dem nach vorn ziehenden Gefässstamm ab. Alles dies sind Variationen, wie sie uns in Fülle auch das Blutgefässsystem der Wirbelthiere bietet. Der Ductus ejaculaturius (Taf. I, Fig. 4) endlich wird von der Art. abdominalis inferior (art. abd. inf.) aus mit Blut versorgt. Etwa im vorletzten Brustsegmente gibt diese zwei starke Seiten- äste ab . von denen ein grösserer Zweig an der Innenseite des Ductus ejaculat. hinaufläuft und mit seinen Capillaren denselben umspinnt. Indem ich die Innervirung des männlichen Geschlechtsappa- rates, wo ich zu keinem bestimmten Resultate gelangt bin , über- gehe , will ich nur noch einige Parasiten des Hodens erwähnen. Zunächst fand ich im Hodentubulus und Vas deferens von Por- t u n us de p urat o r eine Distomee (Distomum megastomu m), welche sich von den Samenkörpereken ernährt. Ferner traf ich im Bindegewebe des Hodens von Astacus hauptsächlich in der Um- gebung der Gefässe jene ellipso'idischen Körper , die bereits von E. Haeckel1) genau beschrieben worden sind. Wien. 1. Februar 1878. ') Ueber die Gewebe des Flusskrebses. p. 561. Claus. Avlieiten aus dein Zoologischen Institute etc. 10 {li>l 90 Dr. C. Grobben: Tafel erklä rung. Taf. i. Fig. 1. Männlicher Geschlechtsapparat von Alpheus ruber. Loupenverg. vi. vorderer Hodenlappen, hl. hinterer Hodenlappen, u. das Verbindungsstück, vd'. Eingangsabschnitt des Vas deferens. vd". Drüsenabschnitt desselben, de. Ductus ejaculatorius. Fig. 2- Männlicher Geschlechtsapparat von Palaenion rectirostris. Loupenv. u'. das zweite Verbindungsstück. (Die übrigen Bezeichnungen auch in den folgenden Figuren wie in Fig. 1.) Fig. 3. Männlicher Geschlechtsapparat von Astacus leptodactylus, mit seinen arteriellen Gefässen. Loupv. art. ant. Arteria antennaria. art. stern. Arteria sternalis. bul. der Bulbus. Fig. 4. Ductus ejaculatorius von Astacus leptodactylus (de) mit seiner Arterie, welche von der Arteria abdominalis inferior (art. abd. inf.) entspringt, n. die Ganglienkette. Fig. 5. Der Vorderkörper von Galathea squamifera, nach Abnahme des Cephalothorax, um die Lage des Hodens (h) zu zeigen. Loupv. u. das Verbindungs- stück, vd'. der Eingangsabschnitt des Vas deferens. Fig. 6. Vas deferens von Homarus vulgaris, n. Gr. h. der Hoden. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 1. Fig. 7. Vas deferens von Palinurus vulgaris, n. Gr. Fig. 8. Linker Hoden und Vas deferens von Eupagurus Prideauxii von unten gesehen. Loupv. sp.' die erste Spirale, sp." die zweite Spirale. Fig. 9. Die erste Spirale des Vas deferens von Eupagurus meticulo- sus. Loupv. Fig. 10. Hoden und Vas deferens von Paguristes maculatus. Loupv. sp. die zierliche Spirale. Fig. 11. Hoden eines 3*7 cm. langen Astacus fluviatilis mit sprossen- den Acinis. Loupv. Fig. 12. Hoden einer jungen Mysis. Schwache mikr. Vers. u. der unpaare Abschnitt. Taf. II. Fig. 1. Männliche Geschlechtsorgane von D r o m i a vulgaris, n. Gr. h. der Hoden, vd'. Eingangsabschnitt des Vas deferens. vd" und vd'" der Drüsenabschnitt desselben . vd'" die Drüsenabtheilung des letzteren, p. der Penis, km. der Kau- magen, add. der Adductor der Mandibel im Querschnitt. Fig 2. Männliche Geschlechtsorgane von Maja Squinado. n. Gr. (Die Bezeichnung auch in den folgenden Figuren Avie in der vorhergehenden Figur.) Fig. 3. Männlicher Geschlechtsapparat von Eriphia spinifrons. n. Gr. Fig. 4. Männlicher Geschlechtsapparat von Calliaxis adriatica. Loupv. Bezeichnung wie in Fig. 1 der I. Tafel. Fig. 5. Querschnitt des Vas deferens aus dem Drüsenabschnitte von Eupa- gurus Prideauxii (schematisch). 1. das Lumen. 1' der Theil , in welchem der Schlitten der Spermatophore läuft. Fig. 6. Spermatophore von Eupagurus meticulosus. Htk. obj. IV. oc. 3. n. die Nebenspermatophore. Fig. 7. Spermatophore von Paguristes maculatus, von vorn gesehen. Htk. obj. VI. oc. 3. (14 ) Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane. 91 Fig. 8. Dieselbe von der Seite gesehen, n. eine Secretfalte, welche wahr- scheinlich der Nebenspermatophore von Eupagurus entspricht. Fig. 9. Hoden von Athanas nitescens. Starke Lonpv. Fig. 10 und 11. Zwei viel verzweigte Ausstülpungen des Vas deferens- Ahschnittes vd'" von Maja Squinado. Loupv. Fig. 12. Drittes Abdominalbein des Männchens von Galathea strigosa. Fig. 13. Dasselbe Bein von Munida rugosa. Taf. III. Sammtliche Figuren auf dieser und der folgenden Tafel sind unter 650facher Vergrösserung gezeichnet. Nur die Figuren 16— 32, sowie 34 und 36 auf Taf. III sind unter 430facher Vergrösserung, die Fig. 48 auf Taf. IV unter DUfacher Ver- grösserung abgebildet. Fig. 1. Samenzelle von Squilla mantis. Fig. 2 — 6. Entwickelungsstadien der Samenkörperchen von Squilla mantis ; in Fig. 6 ist sk der junge Samenkopf. Fig. 7 und 7'. Reife Samenkörperchen desselben Thieres. Fig. 8. Ein solches, dessen Körper Fortsätze aussendet. Fig. 9. Samenzelle von Palaemon r e ctirostr is. Fig. 10—13. Entwickelungsstadien der Samenkörperchen desselben Thieres. Fig. 14. Reif, s Samenkörperchen desselben Thieres, von der Seite gesehen, sk. der Samenkopf. dz. die dunkle Zone. Fig. 15, Dasselbe von unten betrachtet. Fig. 16. Spermatoblast von Astacus lep t o dac ty lus vor der Theilung. Die Kernsubstanz ist strahlig angeordnet, und im Zellprotoplasma ein eigentküm- licher Nebenkörper. Fig. 17. Spermatoblast von Astacus leptodactylus in der Theilung. Fig. 18—29. Entwickelungsstadien der Samenkörperchen von A stacnsj und zwar Fig. 18 und 19 von Astacus lep t o da cty lus, die übrigen Figuren von Astacus fluviatilis. Alle Figuren zeigen den optischen Längsschnitt. k. Kern der Samenzelle, sk. der Samenkopf. Fig. 30 und 31. Samenkörperchen von Astacus fluv. mit sprossenden Strahlen, vcn oben gesehen. Fig. 32. Reifes Samenkörperchen von Astacus fluv. im optischen Längs- schnitt. Fig. 33. Ein solches von oben gesehen. Fig. 34. Samenkörperchen von Astacus leptodactylus auf Wasser- zusatz. Fig. 35. Samenkörperchen desselben Thieres ; man sieht die äussere (ah) und die innere Hülle (ih ). Fig. 36. Samenkörperchen desselben Thieres auf Wasserzusatz. Fig. 37. Spermatoblast von Eupagurus Prideauxii. Fig_ 38 — 4ti. Entwickelungsstadien des Samenkörperebens desselben Thieres. k. Kern der Samenzelle, sk. der Samenkopf. dz. die dunkle Zone. mz. der Mittelzapfen. Fig. 47. Ein der Reife nahes Samenkörperchen, das deutlich die Einstül- pung der Kernwand zeigt. Fig. 48. Reifes Samenkörperchen desselben Thieres, seitlich gesehen, mz. der Mittelzapfer.. 10* <147> 92 Dr. C. G robben: Fig 49. Ein solches von oben gesehen Fig. 50—57. Entwickelungsstadien der Samenkörperchen von Paguristes macu latus. (Die Bezeichnung wie in den vorhergehenden Figuren.) Fig. 58. Reifes Samenkörperchen desselben Thieres. Fig. 59. Ein solches, welches deutlich die Einstülpung der Kernwand zeigt. Fig. (30. Ein solches nach Färbung mit Carmin. Man überzeugt sich, dass der Samenkopf allerseits vom Zellleibe umschlossen ist, und die Spitze des Samen- körperchens vom Zellleibe gebildet wird. Taf. IV. Fig. 1. Spermatoblast von Eriphia spi nitro ns mit dem eigenthümlichen Nebenkörper im Zellleibe. Fig. 2—9. Entwickelungsstadien der Samenkörperchen von E ri phia spini- frons. Fig. 7 zeigt die Wand des Samenkopfes in Falten eingefallen. Fig. 7 und 9 zeigen die jungen Samenkörperchen in der Ansicht von oben, die übrigen in der seitlichen Ansicht. Fig. 10. Reifes Samenkörperchen desselben Thieres von oben gesehen. Fig. 11. Ein solches von der Seite gesehen. Fig. 12. Samenkörperchen von Pilumnus hirtellus, von oben gesehen. Fig. 13. Ein solches von der Seite gesehen. Fig. 14. Das Entwickelungsstadium desselben mit dem Mittelzapfen (mz.). Fig. 15. Samenkörperchen von Palinurus vulgaris, von der Seite gesehen. Fig. 16. Ein solches in der Ansicht von oben. Fig. 17. Samenkörperchen von Ethusa mascarone, von der Seite gesehen. Fig. 17'. Das Entwickelungsstadium mit dem Mittelzapfen (mz.). Fig. 18. Ein Samenkörperchen, von oben gesehen. Fig. 19. Samenkörperchen von Galathea squaniifera von der Seite gesehen. Fig. 20. Samenkörperchen von II ia nucleus, von der Seite gesehen. Fig. 21. Samenkörperchen von Droniia vulgaris in derselben Ansicht. Fig. 22. Ein solches in der Ansicht von oben. Fig. 23 und 24. Samenkörperchen von Maja Squinado ia der Ansicht von oben. Fig. 25. Ein solches von der Seite gesehen. Fig. 26. Samenkörperchen von Carduus maenas, in der seitlichen Ansicht. Fig. 27 und 28 Solche von oben gesehen. Fig. 29. Samenkörperchen von Portnnus depurator, von der Seite gesehen. Fig. 30. Solche in der Ansicht von oben. Fig. 31. Samenkörperchen von S t enor hynchus phalangium, in der seitlichen Ansicht. Fig. 32. Ein solches von oben gesehen. Fig. 33. Samenkörperchen von Inachus thoracic us in der Ansicht von oben. Fig. 34. Ein solches in seitlicher Ansicht. Fig. 35. Samenkörperchen von Pachygrapsus marmoratus, von oben gesehen. Fig. 36. Ein solches von der Seite gesehen. <148) Beiträge zur Kenntnis der männlichen Geschlechtsorgane. 9 Fig. 37. Samenkörperchen von Pin not her es veteium, von ohcn gesehen. Fig. 38. Ein solches in seitlicher Ansicht. Fig. 39. Samenkörperchen von E u r y n o m e a s p e r a. Fig. 40. Samenkörperchen von Calliaxis adriatica. Fig. 41. Samenkörperchen von Lambrus angulifrons. Fig. 42- Samenkörperchen von Gebia littoralis Fig. 43. Samenkörperchen von Alpheus ruber. Fig. 44. Samenkörperchen von Yirbius viridis. Fig. 45. Samenkörperchen von Athanas nitescens. Fig 46. Samenkörperchen von Homarus vulgaris inz. der Mittelzapfen. Fig. 47. Samenkörperchen von Porcellana longicornis. Fig. 48. Spermatophoren von Scyllarus arctus. Fig. 49. Spermatophoren von Porcellana longico rn i-\ Fig. 50. Samenkörperchen von Porcellana platychel'es. mz. der Mittelzapfen. Fig. 51. Spermatophore von demselben Thier, von vorn gesehen. Fig. 52 Dieselbe im Profil gesehen. Taf. V. Fig. 1. Schnitt vom Hoden von Astacus. Hartk. obj 8. oc. 3. Drei End- bläschen: in dem am meisten links gelegenen das Epithel in der Ansicht von unten, in den beiden andern im Durchschnitt gezeichnet, h. Hülle des Hodens, mp. die Membrana propria ; nach innen von dieser das structurlose Häutchen. sph. Sper- matoblasten, er. Ersatzkcinie. msc. Muskel, af Epithel der ausführenden Gänge. Fig. 2 Ein Stück des spermatogenen Epitnels von Astacus (im frischen Zustande). Die Spermatoblasten sind gerade im Ablösen begriffen. Die Kerne der- selben zeigen die strahlige Anordnung der Substanz; im Zellleibe liegt der eigeu- thümliche Nebenkörper. Im Ersatzkeimlager zeichnet sich ein Kern durch bedeu- tendere Grösse aus. Fig. 3. Ein Stück des spermatogenen Epithels von Astacus. (im frischen Zustande). Viele Kerne des Ersatzkeimlagers wachsen zu den Kernen der Sper- matoblasten heran. Fig. 4 Ein Stück des Hodenepithels von Paguristes maculatus (im frischen Zustande): die herangewachsenen Kerne des Ersatzkeimlagers ähneln bereits den Kernen der Spermatoblasten. Fig. 5. Querschnitt durch den Hodentubulus von Eriphia spinifronä oc. 3. obj. 8. kh. der Keimhügel, bestehend aus dem Ersatzkeimlager und einer Anzahl neu erzeugter Spermatoblasten. ze. das Zwischenepithel, af. das mit dem Epithel des Anfangtheils der ausführenden Gänge übereinstimmende Epithel, in. Muskel. Fig 6- Eine Ausstülpung des Drüsenabschnitts des Vas deferens von Car- cinus maenas. längs geschnitten, ep. das Epithel, h. die äussere Hülle, msc. die Musculatur Fig. 7. Einige Zellen aus dem Epithel der Ausführungsgänge der Hoden- bläschen von Astacus. Nach einem Schnitt eines in Chromsäure g härteten Hodens. Man sieht di<- Secretballen in den Zellen. Fig. 8- Querschnitt durch das spermatogene Epithel von Squiila mantis. Fig. 9. Ein Theil eines Hodens ein^s erst 3'7 ctm. langen Astacus flu- viatilis Di- Follikel f sprossen eben. I>i" Zellen in demselben sind alle msc. die Musculatur. 94 Di*- C. Grobben: Fig. 10. Das umgebogene Ende des Hodens von Sida crystallina, a' das Keimlager, a" jüngster Satz von Spermatoblasten, a"' nächst älterer Satz von solchen. Die Zellen enthalten glänzende Kügelchen , die Kernkörperchen ihrer Kerne sind gehöhlt. Fig. 11. Ductus ejaculatorins von Homarus vulgaris, ep. das Epithel. Ib. das darunter gelegene lockere Bindegewebe, lmsc. die Längsmuskeln. Fig. 12. Querschnitt durch den Drüsentheil des Vas deferens vonAstacus. ep. das Epithel, lmsc. die Längsmuskeln, rmsc. die Ringmuskeln. Fig. 13. Epithel aus dem Ductus ejaculatorins von Astacus. Fig. 14. Ein Theil eines Querschnittes durch die erste Spirale von Eupa- gurus Pride auxii. ep. das Epithel, f. die Furche an der Innenseite der Krümmung. Taf. VI. Fig. 1. Vas deferens von Carcinus maenas. Loupv. vd.' Eingangs- abschnitt, vd." die erste Abtheilung des Drüsenabschnittes. vd."' die Drüsen- abtheilung desselben, de Ductus ejaculatorias. Fig. 2. Die Spirale des Vas deferens von Galathea squamifera. Schwch. mikr. Verg. Fig. 3. Vas deferens von Galathea strigosa. Loupv. u. Verbindungs- stück der beiden Hoden, vd.' Eingangsabschnitt des Vas deferens. sp. die Spirale, vd." Drüsenabsclmitt. de. Ductus ejaculatorius. ah. die Hülle des Vas deferens. Fig. 4. Ein Theil des Hodens und des Vas deferens von Steno rhynchus 1 ongiro stris. Loupv. u. Verbindungsstück der beiderseitigen Hoden, vd.' Ein- gangsabschnitt. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 1. Fig. 5. Ein Theil des Vas deferens von Pore eil ana longicornis. Schwach, mikr. Vergr. Bezeichnung wie in Fig. 3. Fig. 6. Bindegewebe der Hülle des Hodens eines Brachyuren (Eriphia?). Fig. 7. Bindegewebe' der Hülle des Hodens von Palaemon rectirostris. Fig. 8. Ein Theil eines Acinus des Hodens von Calliaxis adriatica. h. die Hülle des Hodens, mp. die Membrana propria. kh. der Keimhügel, e.' Epi- thel der ausführenden Theile. msc. Muskeln. Fig. 9. Vas deferens von Palaemon rectirostris (frisch), ep. Epithel, lmsc. Längsmusculatur. rmsc. Ringmusculatur. s' Secrethülle um die Samen- masse, ein Produkt des Vas deferens. Fig. 10. Erster Abdominalfuss vom Männchen von Palaemon rectiro- stris. a. der äussere, i. der innere Ast. Fig. 11. Zweiter Abdominalfuss desselben Thieres. b. der Nebenast des inneren Astes, r. das Retinaculum. Fig. 12. Zweiter Abdominalfuss des Männchens von Homarus. b. der Nebenast. Fig. 13. Linker Abdominalfuss und Innenast des rechten Beines vom männ- lichen Penaeus affinis. Beide Innenäste (i und i') sind ungleich entwickelt. p. Penis. Fig. 14. Ende des Vas deferens von Virbius viridis mit der Erwei- terung. Fig. 15. Spermatophore von Galathea squamifera, gesprengt. (150) lieber den Ursprung' des Nervus vagus bei Selachiern mit Berücksichtigung- der Lobi electrici yoü Torpedo. Von Josef Victor Rohon. Mit einer Tafel. In einer früheren (1. c. 8) Arbeit versuchte ich vermittelst der Stilling'schen Methode feiner Querschnitte den inneren Bau des Selachiergehirnes in grossen Zügen vergleichend-anatomisch darzustellen. Der vorliegende Aufsatz , eine Fortsetzung jener Arbeit, eröffnet eine Reihe von histiologischen Studien über die Ursprungs weise der einzelnen Gehirnnerven der Selachier. Sieht man sich das aus der Schädelhöhle unversehrt heraus- gehobene Gehirn naher an, so erscheinen bei seitlicher Betrachtung des Nachhirnes zahlreiche W u r z e 1 b ü n d e 1 , welche zu verschieden starken Strängen zusammentretend, den gemeinsamen Vagus- stamm bilden. Die vorderen derselben sind nun die stärksten und entspringen an der Basis des Nachhirnes, während die darauf- folgenden Wurzelbündel in demselben Masse von ihrer Stärke ver- lieren, als sie höher an den Seitenflächen des Nachhirnes aufwärts und rückwärts steigen, bis sie endlich auf der dorsalen oder oberen Fläche, in der Gegend des Calamus scriptorius und sehr nahe dem schon gebildeten Sulcus longitudinalis posterior, sich als zarte Bündelchen verlieren. Die Zahl dieser Wurzeln ist bald eine grössere, wie bei Haien, bald eine geringere, wie bei den Rochen. Es können, meiner Erfahrung nach, im All- gemeinen bei allen diesen Thieren (ausgenommen Torpedo mar- (151) 2 J. V. Eohon: morata) drei Gestaltungsformen der Vagus wurzeln unterschie- den werden. Bei den Haien kommen sie, Hexanchus obenan, am zahlreichsten vor, bei einigen Rochen (Raja miraletus, Raja Schultzii, Raja batis) sinkt ihre Summe um mehr als die Hälfte von der vorangebenden herab , und wiederum bei einigen anderen , wie bei M y 1 i o b a t i s a q u i 1 a und Trygon pastin aca, schmelzen alle diese Wurzeln auf zwei starke Stränge zusammen. Den Complex der in dieser Weise variirenden Wurzeln nennt Gregenbaur die oberen Vaguswurzeln und sagt (I.e. 1. b. p. 544): „Während die den Vagusstamm zusammensetzenden Nerven- wurzeln in einer Reihe das Nachhirn verlassen , gehören dem Vagus noch andere Wurzeln zu , die unterhalb der vorgenannten als höchstens 5, meist nur 3 oder 2 Fädchen aus dem Nach- hirn austreten, und jedes durch einen besonderen Canal in der Schädelwand nach aussen gelangen. Sie gehen theiis zu Muskeln, theils verbinden sie sich mit den ersten Spinalnerven, und können als untere Vaguswurzeln bezeichnet werden , während die vor- benannten obere sind. Die Austrittsöffnungen der unte- ren liegen in gleicher Weise mit den A u s t r i 1 1 s ö f f - nungen der unteren Wurzeln der Spinalnerven, die Austrittsstelle des Complexes der ober e n Würz e In liegt höher und fällt in eine Linie mit den Durchlässen der obere-» Wurzeln der Spinalnerven. „Aus den vorhin aufgeführten Thatsachen ergibt sich für den gesammten Vagus die Auffassung als eines Complexes zahl- reicher mit Spinalnerven homodynamer Nerven. Dafür sprechen einmal die mehrfachen, getrennt austretenden unteren Wurzeln, dann aber vorzüglich die Verbreitung des aus den oberen Wurzeln sich bildenden Stammes. Indem jeder Ramus branchialis des Vagns sich völlig gleich verhält einem Ramus ventral is eines Spinal- nerven , indem ferner die von ihm versorgten Iviemenbogen als ursprünglich dem Cranium angehörige Bogen (Kiefer-Zungenbein und X- Kiemenbogen'i ebenso von je einem Nerven versorgt wer- den , wie ein Metamer des Rumpftheiles von einem Spinalnerven, so erscheint auch die Summe jener oberen Wurzeln des Vagus als das Aequivalent einer Summe einzelner Nerven, deren Betrag mindestens der Maximalzahl der von ihnen versorgten Kiemen- bogen entsprechen muss. „Somit trifft sich (1. c. 1. b. p. 546) für den hinteren aus dem Nachhirn austretenden Nervencomplex die grösste Summe von (152) Ueber den Ursprung des Nervus vagus bei Selachiern. 3 Umgestaltungen. Wahrscheinlich aus einer den ursprünglichen Kiemenbogen entsprechenden Anzahl von discreten Nerven ent- standen, erscheint er noch am indifferentesten bei den Sela- chiern, sondert bei Teleostiern einen hinteren Abschnitt als besonderen Nerven ab, indess bei denAmnioten aus jenem Com- plex drei verschiedene Nerven gebildet sind: Vagus, Accesso- rius und Hypoglossus" Demgemäss wären die Elemente der eben genannten Kopf- nerven, wenn ich die Ausführungen Gegenbaur's (1. c. 8. a) richtig verstanden habe, in folgender Weise im Vagus der Selachier enthalten. Der vordere Theil der oberen Wurzeln vergl. 1. c. 8. Taf. I, Fig. 6nv) würde dem Vagus, der hintere Theil da- gegen (vergl. dieselbe Abbildung) dem Accessorius Willisii entsprechen , während die unteren Wurzeln Gegenbau r's (vergl. I.e. 8, Taf. III, Fig. 14 vgw) dem Hypoglossus gleich- kämen. Unter besonderer Berücksichtigung dieser gewiss höchst inter- essanten Auffassung und der in Verbindung damit darzustellenden Vergleichung der centralen Verhältnisse angeführter Kopfnerven bei den höheren Vertebraten , beziehungsweise beim Menschen, werden sich auch die nachfolgenden Betrachtungen mit der Ur- sprungsweise des Nervus vagus der Selachier beschäftigen. Beobachtungen. Ein Blick auf die Abbildung (Fig. 1 der Tafel) vermag eine Vorstellung der Ursprungs- verhältnisse der Vagnswurzeln zu geben, wie sie in möglichst tref- fender Natürlichkeit durch des Zeichners gewandte Hand darge- stellt wurden. Die Abbildung ist einem Präparat aus der vorderen Partie des Lobus v a g i von dem mit Linien begrenzten Um- fange des anfolgenden Holzschnittes (Fig. 1) entlehnt. Fig. 1. Querschnitt ans einer Hälfte des Nachhirnes in d- -r Hübe der Vagus- kerne v. Mustelus vulgaris, r = Raplie, hl = hinteres Läugsbündel der Haube, erg = Yentrikelgran, sl = seitliches Längsbündel , nf.j = vordere Vaguswurzeln, vk = Vaguskem, vgw = hintere Vagnswurzeln, na = Acusticuskern, aw = Acusti- cuswinzeln. p = P e d u n cu lu s. c ereb el 1 i, n == Xeuroglia. 4 J. V. Rohon: Beginnen wir unseren Ueberblick von der Rechten, so sehen wir folgende Einzelheiten. Vorerst ist das obenan die ganze Aussenfläche vorstehender Figur überziehende Epithel (e) zu berücksichtigen. Dasselbe gehört der epithelialen Bekleidung des vierten Ventrikels bis in dessen entlegenstes Gebiet an und ist in seinem wohlerhaltenen Zustande ein ausgesprochenes Pallisaden- epithel, das jedoch an seinen Elementen ein charakteristisches Ge- präge trägt, indem jede Zelle (Fig. 2 a, b) auf ihrem oberen fächer- förmigen Theil Cilien, in dem mittleren, aufgedunsenen, einen mäch- tigen, meist mittelständigen und bläschenförmigen scharf contourirten Kern mit deutlichem und dunklem Kernkörpereken erhält, während die untere kolbenförmige Basis jedesmal in einen sehr langen Fortsatz ausläuft. Diese epithelialen Fortsätze, welche optisch wie dunkle Zwirnfädchen erscheinen und in ihrem Verlaufe nicht selten Knötchen von varicöser Natur zeigen , durchsetzen die aus Nervenkörpern verschiedenen Calibers und gekreuzten wie un- gekreuzten Fasern bestehende Raphe bis in deren unterste Partie, ja noch mehr, sie dringen in die Substanz der Vagus kerne ein (vk) , wo ich denselben an einigen Präparaten bis zwischen die den Kern verlassenden Vaguswurzeln (vgw) ganz deutlich folgen konnte. Ebenso wird von denselben Fortsätzen das cen- trale Höhlen grau der vierten Gehirnkammer, die hinteren Längsbündel der Haube Meynert und die gesammte, in das Bereich ihrer Ausstrahlungen fallende Marksubstanz des Nach- hirnes (m) durchbrochen. Namentlich ist das letzte Areale von nicht unbeträchtlicher Wichtigkeit für ihr Vorkommen, weil sie daselbst mit den lang ausgezogenen Fortsätzen vereinzelt zer- streuter und verzweigter Ganglienzellen, wie auch mit der durch Carmin roth imbibirten Neuroglia und derselben zukommenden Kernen ganze Netze weben , die sich sodann gemeinschaftlich mit den korbgeflechtartig verzweigenden Capillaren über die ganze Marksubstanz ausbreiten, um aus ihren Maschenräumen die zahl- reichen quer getroffenen und nach vorn in die vorderen Gehirn- abschnitte, nach hinten in das Rückenmark eintretenden Nerven- bündel hervorgehen zu lassen. Unter solchen Verhältnissen gewinnt vielleicht unser Epithel eine weitgreifendere anatomische Bedeutung, als es bislang der Fall war, umsomehr, da man sich bei näherer Betrachtung der einzelnen Epithelzelle n, — deren Länge 10—1 L [J. und Breite 2—3 ;x beträgt, — unzweifelhaft jener bei niederen Thieren vorkommenden und gegen- wärtig allgemein angenommenen „Sinnesep ithelien" erinnert. (154) Ueber den Ursprung des Nervus vagus l>ei Selachiern. 5 Unterhalb des bei Haien und Rochen gleichmässig sich verhal- tenden Ventrikelepithels bemerken wir nunmehr das vom rechten Rande der Abbildung bis zu dem gewölbten Vaguskern (vk) sich erstreckende Bodengrau (crg) , dessen feinerer Bau uns eine fein granulirte durch Carmin roth gefärbte Masse mit kleinen Kernen und zahlreichen in der Grösse von 12 — 14 a im Längs- durchmesser, von 6—8 u. im Breitedurchmesser, im bunten Durch- einander gelagerten, verzweigten Ganglienzellen zeigt. Dieselben enthalten ein feinkörniges Protoplasma und meist einen niittelstän- digen scharf contourirten und bläschenförmigen Kern mit deut- lichem Kernkörperchen und liefern durch ihren bandartigen mit Carmin schön roth tingirten Axencylinderfortsatz die später zu besprechenden vorderen Vaguswurzeln (nf2). Nach unten in der Tiefe der Medulla oblongata vermengen sich die Zellgruppen des Ventrikelgrau's unter die dem Baue nach völlig verwandten, indess ihrer Länge (18 — 22 [/.) und ihrer Breite (8 — 10 [*.) nach (Fig. 8) als bedeutend grösser zu bezeichnenden Elemente der Zellensäule (Columna cellularum nervearum medul- lae oblongatae, vergl. 1. c. 8, Taf. VIII, Fig. 53 zo). Links vom Ventrikelgrau sehen wir an unserer Abbildung ferner ein bestimmt abgegrenztes und in die oberste Partie des motorischen Feldes Meynert (m) gelagertes lichtes Gebiet von quer getroffenen , mächtigen , mit Carmin intensiv roth gefärbten Längsfasern; die Breite einzelner von ihnen beträgt 1 a, manchmal weniger oder mehr. Ich beschrieb dieses Areale (1. c. 8, p. 46) als ein neues morphologisches, dem Selachiergehirn zukommendes Nervenbündel, das gemäss seiner Verlaufsweise und Lage die Bezeichnung eines seitlichen Längsbiindels (Fasciculu s longitudinalis lateralis) erhielt (vergl. 1. c. 8, Taf. VII. Fig. 49, 50, 52. Taf. VIII, Fig. 57, 58, 59, Taf. IX, Fig. 61, 62, 63 fl\ Bezüglich der Entfernung dieses Bündels vom vierten Ventrikel und seines Durchmessers können fünf charakteristische Schnittstellen unterschieden werden. 1. An der Stelle des sich zum vierten Ventrikel erweiternden Aquaeductus Sylvii. Entfernung: 20 [/.; Durchmesser: 10 U in beiden Lappen. Zur Grundlage sowohl für die in Capillarmaschen (vergl. Fig. 5) durchgängig eingekörbten electrischen Ganglienzellen, als auch für die bündelweise . kreuz und quer ziehenden electrischen Wurzeln dient die optisch bald gestreift, bald molecular erseheinende Grundsubstanz Xe uro glia) , in welcher zahlreiche Kerne von mittlerer Grösse 2—3 [). eingeschlossen liegen. Die Kerne färben sieh mit* Carmin intensiv luth, während sich die Grundmasse neutral verhält. Ausser den bisher aufgezählten Elementen existiren in den Lappen noch zwei andere. Die von Harless (1. c. 2, p. '289) ange- führten, von Reichenheim (1. c. (3, b, p. 19) mit Recht geleug- neten Grössenunterschiede zwischen den electrischen Zellen existiren gewiss nicht. Dagegen enthalten die Lappen kleine Ganglien- zellen, welche verhältnissmässig in nicht geringer Menge auf- treten und einen mittleren Durchmesser von 4 5 [/. erreichen. H* (163) 14 J. V. Rohon: Die rundliche Gestalt derselben (Fig.. 6, a, b), sowie das fein- gekörnte Protoplasma, und der bläschenförmige Kern mit deut- lichem Kernkörperchen erinnern an ähnliche Zellen in den Vaguskernen der Haie. Leider gelang es mir nicht, an Schnitten ihren fast immer einfach vorhandenen und nur auf sehr kurze Strecke verfolgbaren Fortsatz in Verbindung mit den zarten im Lappen selbst verlaufenden Nervenfasern (nf) zu sehen. Und doch ist es dieser Umstand, der das anatomische Verständniss des electrischen Lappens — wie wir gleich sehen werden — trübt und überaus erschwert. Es handelt sich eben ganz besonders um die Frage über die anatomischen Beziehungen der Lobi electrica zu den anderen Gehirntheilen. Zur Beurtheilung derselben bitte ich die Figur 5 in 's Auge zu fassen. Bei halbwegs glücklich geführten Querschnitten fallen zunächst dem Beobachter bandartige Fasern (nf,) auf, welche die Raphe mit dem Lappen gleichmässig verbinden. Ich habe diese Fasern (1. c. 8, p. 91, Separatabdruck p. 51) als Fibrae rectae bezeichnet und die Vermuthung ausgesprochen , dass es sich hier um die Axencylinderfortsätze der electrischen Zellen handle. Gustav Fritsch (1. c. 3, p 90) bestätigt meine Angaben über die Verlaufsweise und Existenz derselben Fasern, findet sie jedoch merkwürdigerweise gekreuzt. Diesmal konnte ich aber die Ueber- zeugung gewinnen , dass dieselben von den aus verschiedenen Ge- genden in die Raphe eintretenden Axencylinderfortsätzen der electrischen Zellen gebildet werden, und dass sie ungekreuzt ziemlich tief in die Raphe eindringen, daselbst in paralleler Rich- tung mit spindelförmigen , oder auch multipolaren Zellen , deren Axencylinderfortsätze nach oben zu gerichtet sind, verlaufen. Die mittlere Breite der so in die Raphe eintretenden Fasern be- trägt 2 [J-, ebenso wie diejenige der das Gehirn verlassenden electrischen Fasern. Die zweite Verbindung der Lappen mit der Raphe wird durch zarte , zu Bündeln gesammelte und aus der Raphe median- und lateralwärts austretende Fasern (vergl. 1. c. 8, p. 91, Separat- abdruck p. 51) vermittelt. Fritsch (1. c. 3, p. 91), der schein- bar dieselben Fasern gesehen, glaubt sie als ein Commissurensystem ansprechen zu können. Diess ist gewiss mit den letzthin genannten Fasern nicht der Fall. Vielmehr glaube ich in denselben centrifugale Leitungs- bahnen in dem Sinne von Theodor M e y n e r t mit grosser Wahr- (164) [Jeber den Ursprung des Nervus vagus bei Selachiern. 15 scheinlichkeit erkennen zu können, denen die Uebertragung der Willensimpulse vom Vorderliirn auf die elektrischen Lappen mög- licherweise zufiele. Allerdings hat Reichenheim (1. c. 6 , b, p. '20 — 21) die Vermittler-Rolle von Reflex und Willensact auf denjenigen Theil des Ventrikelgrau's übertragen, welchen Viault (1. c. 11) als eigentlichen Vaguskern, Fritsch als motorischen Vaguskern und ich als Nucleus accessorius lobi electrici bezeichnete. Allein Reichen heim war nicht im Stande, bei fortgesetz- ter Verkennung der histiologischen Verhältnisse die Art und Weise der Verbindung des Willensvermittlers mit den vorderen Gehirn- abschnitten aufz a s uchen. Reflexion. Den richtigen Ausgangspunkt für die morphologische Be- urtheilung des Vagusursprunges der Selachier bildet meiner Mei- nung nach vor Allem das Bodengrau des vierten Ventrikels, welches gegenüber den Vaguskernen und den Lobis electricis ein übereinstimmendes und einfaches Gebilde darstellt, und auch deshalb am besten zur Vergleichung mit den entsprechenden Theilen des Säugethiergehirnes geeignet sein dürfte. Während aber am Säugethierhirn die deutlich differenzirten Nervenkerne der Rautengrube eine klare Uebersicht der hinteren und vorderen Ebenen im Sinne des BeH'schen Gesetzes er- möglichen, stellt uns bei den Selachiern das in solche Nervenkerne noch nicht differenzirte Ventrikelgrau einige Schwierigkeiten ent- gegen, deren Beseitigung wir mit Hilfe der Ursprungswurzeln des Vagus versuchen wollen. An successiv ausgeführten Querschnitten zeigt sich das Ven- trikelsTau in der vorderen Hälfte der Medulla oblong ata mehr flach und lateralwärts ausgedehnt, weiter hinten wird es in zwei, etwas mehr auswärts gelegene Winkel hineingedrängt . um endlich im Rückenmarke eine horizontale in der Mediane durch den Centralcanal getheilte Lage einzunehmen. Mithin entspricht das Ventrikelgrau in seiner ersten und letzten Phase , sofern es einmal die motorischen Wurzeln für die Quintusgruppe, andermal die vorderen Spinalwurzeln liefert , der vorderen Rückenmarks- ebene, woran selbst der Mangel an bestimmt abgegrenzten Nerven- kernen, wie solche am Säugethierhirn an denselben Stellen vor- kommen, nicht zu rütteln vermag. Strittig dagegen ist der mitt- en) 16 J. V. Roh 011: lere Theil des Ventrikelgrau's, aus welchem, wie wir früher gesehen haben, die vorderen Vaguswurzeln ihren Ursprung nehmen. Auch in dieser Gegend derMedulla oblongata bildet das Grau eine compacte Masse, aber die Entstehung des AVinkels, beiderseits am Boden des vierten Ventrikels, lässt am Bodengrau zwei übereinander gestellte Ebenen erkennen , und zwar bildet der nach innen und mehr horizontal gelegene Winkelschenkel die vordere, der nach aussen gelegene, mehr senkrechte Schenkel, die hintere Ebene. Von diesen Gesichtspunkten scheint einigermassen auch Franc ois Viault bei der Beurtheilung der grauen Bodenmasse der vierten Gehirnkammer geleitet worden zu sein. Dieser Autor erklärt an seiner Abbildung (PL XX ., Fig. 7) die in ßeduction begriffenen Vaguskerne (c) für das Hinterhorn („corne superieure avec un noyau x; (hintere Ebene des Boden- grau's) ä sa base dans lequel se rendent des fibres du nerf vague x", vergl. seine Tafelerklärung), ferner bezeichnet er eine von seinem Vaguskern nach aussen und tiefer gelegene Zellgruppe — die ich in solcher bestimmten Abgrenzung nicht finden konnte — als „noyau supero - lateral dans le processus reticularis", und den inneren mehr horizontalen Bodengrauantheil mit der unterhalb desselben gelegenen Zellgruppe, als das Vorderhorn. Abgesehen jedoch von dem "Widerspruch, in welchen Viault theilweise dadurch verfällt, dass er dieselbe Zellgruppe an seiner Fi- gur 8, welche dem Processus lateralis entspricht, mit seinem Va- guskern (Fig. 7 x') verwechselt , scheint mir seine Auffassung auch aus dem Grunde nicht zutreffend, weil sein Vaguskern höher liegt als der „noyau supero - lateral dans le processus reticularis" und man sich beim Abschluss des Centralcanals eine weitere Ura- lagerung der grauen Masse in der Weise vorzustellen hätte, dass nicht die reducirten Vaguskerne (L o b i vagi), wie Viault meint, sondern Viault's Vaguskern zum Hinterhorn umgewandelt wird. In meiner früheren Arbeit (1. c. 8 , p. IUI, Separatabdruck p. 61) habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass die Vaguskerne morphologisch mit denen der Säugethiere nicht gleichwertig seien, indem sie sich an der Bildung der grauen Masse des Rücken- markes nicht betheiligten. Ohne der Kritik vorgreifen zu wollen, halte ich diese Ansicht aufrecht und erlaube mir folgende Deutung des B.odengrau's der vierten Gehirnkammer im Zusammenhange mit dem Rückenmark grau bei Selachiern zu vertreten, welche allerdings minder präcisirt, schon in der frühern Arbeit enthalten ist. Das V e n t r i k e 1 g r a u entspricht in der vorderen Hälfte (166) Ueber den Ursprung des Nervus vagus bei Selachiern. 17 der M e du 1 1 a oblongat a der reticulären Substanz (Process us lateralis) des Rückenmarkes , in der hinteren Hälfte ist sein innerer Theil ebenfalls dem Processus lateralis gleichwertig, während die äussere Abtheilnng desselben dem Hinter hörn, — welches im Rückenmarke der Selachier nicht in zwei Hälften ge- sondert ist — und die Zellen sä nie in ihrer Continuität dem V o r d e r hörn entsp rieht, deshalb kommt aber dem letzteren Gebilde innerhalb der M e d u 1 1 a o b 1 o n g a t a keineswegs der Name des Vorderhornes zu, wie es Viault (1. c. 11, PI. 20, Fig. 8 b) be- zeichnet hat. Ist diese Auffassung eine richtige , so schliesst sich die graue Masse des Nachhirnes und Rückenmarkes bei Selachiern einerseits an die Cyclostomen, andererseits an die höheren Vertebraten an. Es würden der Zellen säule bei Selachiern, die äusseren Zellen der Petromyzonten (Reissner 1. c. 7) und das Vorder hörn der höheren Vertebraten , ferner der Substantia reticularis der .S el ac hier, die mittleren Zellen der Petromyzonten und Processus lateralis der höheren Vertebraten, schliesslich dem einfachen Hinterhorn der Selachier, die inneren R ei ssner'scken Zellen der Petromy- zonten — aus welchen nach den Untersuchungen von Freud (1. c. 4) die hinteren Spinalwurzeln erwiesenermassen entspringen — und die Hinterhörner der höheren Wirbelthiere entsprechen. Mit anderen Worten : Es enthält die graue Masse des Selachier-Rückenmarkes in ihrer Zellensäule die einfachsten Zustände des Vorderhornes, wie sie bei Cyclostomen vorkom- men, in der reticulären Substanz und dem einfachen Hinterhorn die Uebergangsstufen zu den weiteren Differenzirungen , wie sie die höheren Vertebraten , beziehungsweise die Säuger auf- weisen. Wie sollen nunmehr die Vaguskerne (Lobi vagi der Autoren) und die electrischen Kerne (Lobi electrica) morphologisch gedeutet werden? In den meisten Fällen wurden die electrischen Kerne von den älteren Autoren als Homologa zu den Lobi vagi aufgefasst, während einzelne, wie z. B. Savi, die electrischen Lappen als eigenthümliche Centren der Torpedo hinstellten. Für die erstere Auffassung trat neuerdings GrustavF ritsch, für die letztere Max Reichenheim ein. Soweit ich die äusseren und inneren Verhältnisse der Vagus- (1U7) 18 J. V. Rolion: kerne und der electrischen Kerne übersehe , so erscheint mir ein Homologisiren beider Organe unthunlich. 1. Die Lobi electrici der Torpedo entwickeln sich. wie Schenk gezeigt hat, aus der vorderen oder unteren, die Vaguskerne der Haie und Rochen dagegen aus der hinteren oder oberen Ebene der Medulla oblong ata. 2. Der innere Bau beider Gehirntheile ist sehr verschieden. Es enthalten die electrischen Kerne colossale electrische Zellen nebst beträchtlicher Menge kleiner Ganglienzellen, dagegen sind die Zellen der Vaguskerne, wenn auch sehr zahlreich, jedoch sammt und sonders ausserordentlich klein. Während ferner die electrischen Kerne gekreuzte Easern aus der Raphe erhalten, so tritt in die Vaguskerne nicht eine einzige von solchen Fasern ein. Entspringen aus den elec- trischen Zellen bandartige Fasern, welche einerseits von geringer Anzahl in die Raphe eintreten, anderseits in ungeheurer Menge das Nachhirn verlassen, so entsenden die Vaguskerne nur jene oben be- schriebenen zarten Wurzeln nach aussen, denn ihre Commissur- fasern sind keine eigentliche Raphefasern und kommen überdiess gleichmässig auch den electrischen Kernen zu. Es Hessen sich wohl noch manche andere Gegensätze aus dem inneren Baue für beide besagten Gehirntheile ableiten, allein ich glaube es bei diesen wenigen bewenden lassen zu können. Noch einer wichtigen Thatsache muss ich erwähnen. Beiläufig im dritten Fünftel (von vorne gezählt) erhalten die Lobi electrici zahlreiche Nervenfasern , die grösstenteils aus den meist spindelförmigen Zellen des Bodengraivs (Fig. 5. crg, vergl. 1. c. 8, Taf. 5, Fig. 39 nie) entspringen und mit aus der Raphe hieher gelangten und gekreuzten Fasern vermengt sind. Dies gab mir die Veranlassung zu einer besonderen Bezeichnung jenes Bodengrautheiles als eines accessorisehen electrischen Kernes (Nucleus accessorius lobi electrici), welche Bezeichnung neuerdings auch Gustav Fritsch in wohlwollender Absicht angenommen hatte. Es ist wohl selbstverständlich, dass nach der vorhin erörter- ten Deutung des Ventrikelgrau's dessen in Rede stehender Theil der Substantia reticularis des Rückenmarkes entspricht. Max Reichen heim nennt diesen Theil des Ventrikelgrau's gleichfalls einen Kern (Nucleus). Weiter unten (viertes Fünftel des Lappens) gibt das Ven- trikelgrau keine Fasern mehr an die electrischen Kerne ab, sondern (168) Ueber den Ursprung des Nervus vagus bei Selachiern. 19 sendet an die Innenfläche der schon aus den Lobis electricis herausgetretenen electrischen Nerven sich anlehnende zahlreiche Fasern, die den electrischen Nerven juxtaponirt, mit den letzteren das Nächhirn gemeinschaftlich verlassen. Eine eigenthümliche Be- wandtniss hat es mit der Ursprungsweise dieser Bodengraufasern. Obgleich dieselben aus der der vorderen Rückenmarksebene ent- sprechenden Gegend entspringen (Fig. 5 crg, nf2) und den vorderen Vaguswurzeln der übrigen Selachier auch wegen der ihnen bei- gemengten Raphefasern vollkommen homolog sind, daher Gustav Fritsch diesen Theil des Ventrikelgrau"s mit vollem Recht als den motorischen Vagus kern bezeichnet, so ist. wie gesagt, diese Stelle namentlich darum sehr interessant, weil hier nach dem Typus der vorderen Spinalwurzeln, die Fasern ebenso aus spindelförmigen, als auch aus multipolaren Ganglienzellen (Fig. 7 a, b) ihren Ursprung nehmen. Es zeigt dies wieder einmal recht deutlich, wie wenig die Gestalt und Grösse einer Ganglienzelle bei physiologischerBeurtheilung der Nervenfasern und der Nervenzellen entscheidend sind. Wenn aber die electrischen Nerven gleich wie die vorigen motorisch sind , so entsteht die Frage , woher bezieht der Vagus der Torpedo seine hinteren AVurzeln ? Max Reichenheim, eingedenk seiner Deutung des electri- schen Lappens , findet die hinteren Vaguswurzeln consequenter Weise in einem , an Querschnitten ballenähnlichen Gebilde , das bei oberflächlicher Betrachtung , als der durch die mächtig ent- falteten electrischen Lappen nach aussen verdrängte Lobus vagi erscheint. Ich konnte mich hievon nicht überzeugen und glaube, dass das von Reichenheim bezeichnete Gebilde ebenso- wenig die hinteren Vaguswurzeln liefert, wie es von mir (1. c. 8, Taf. VIII, Fig. 58 ltr) irrthümlich mit der Bezeichnung eines Lobus tr ige mini belegt wurde, denn es ist dieses Gebilde, nach meinem Dafürhalten gar nichts anderes , als ein Theil des Kleinhirnes. Viel glücklicher ist in dieser Beziehung Gustav Fritsch gewesen , denn er nimmt ein lateral und auswärts von den aus- tretenden electrischen Nerven gelegenes . kleinzelliges Gebiet (1. c. 3, Taf. XIII, Fig. 51 nv) als die Ursprungsstätte für die hinteren Vagus wurzeln an. Desgleichen konnte auch ich an der von Fritsch an- gegebenen Stelle Zellgruppen beobachten , allein ich fand dort Clans, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 12 (lG9) 20 J. V. Rohott: die Zellen nicht klein , sondern nach dem Typus der Zellen der Bodengraumasse gebaut, und glaube in derselben Zellgruppe die zukünftigen Elemente des Hinterholmes erblicken zu können. Dies führt mich nun schliesslich zu einer kurzen Analyse der Vaguswurzeln. Vielleicht könnte man für den Vagus der Selachier im Vergleich seiner Ursprungsverhältnisse mit denen des Vagus am Säugethierhirn , Modification des seitlich gemischten Sy stein s (The od or Meynert, 1. c. 5, p. 787)in der Weise annehmen, dass man den einen Theil der von mir als v o r- d e r e Vaguswurzeln bezeichneten Ursprungsfasern , und zwar derjenigen, welche aus der inneren Gegend des Bodengrau's ent- springen, dem mittleren seitlichen System zuzählen würde. während die in dem oberen und m e h r äusseren T h e i le der Bodengrau masse befindlichen als die hinteren Vagu s- wurzeln zu betrachten wären. Freilich könnten dabei die u n t e r e n V aguswurzel n Gregenbaurs als die vorderen Wurzelfasern des seit- lich gemischten System's bezeichnet werden, wenn nicht diese Wurzeln nach ihrer Ursprungsweise dem Hypoglossus zugezählt werden müssten.1) Bei solcher Auffassung der Vaguswurzeln und des Ventrikel- grau's würden die Vaguskerne und die electrischen Kerne sammt den aus ihnen entspringenden Nervenwurzeln als Anpassungen zu den peripherischen Theilen bei den Selachiern gedeutet werden, und wir hätten dann einigermassen die Aufklärung für den Mangel der Homologa zu diesen Organen bei den höheren Vertebraten gegeben. Wien, im März 1878. ') Im Zusammenhange mit dieser Deutung dürfte wohl auch der Mangel der Vaguskerne bei Torpedo einigermassen aufgeklärt sein. Ueber den Ursprung des Nervus vagus bei Selaehiern. 21 Literatur. 1. Gegenbaur C. a) Ueber die Kopfnerven von Hexan- chus und ihr Verhältniss zur Wirbeltheorie des Schädels. Jenaische Zeitschrift, 6. Band, 1871. — b) Grundriss der vergleichenden Anatomie. Leipzig L878. 2. Harless. Briefliche Mittheilungen über die Ganglien- kugeln der Lobi electrici von Torpedo Galvani. Archiv f. Anat., Physiol. und wissenschaftl. Medicin. 1846. 3. Fritsch G. Bau des Fischhirnes. Berlin 1878. 4. F r e u d S. Ueber den Ursprung der hinteren Nerven- wurzeln im Rückenmark von Ammocoetes (Petromyzon Planeri). Sitzungsberichte der k. Akad. der Wissenschaften. III. Abth., Wien 1877. 5. Meynert Th. Vom Gehirn der Säugethiere. Strickers Gewebelehre. Leipzig 1870. 6. Reichenheim M. a) Beiträge zur Kenntniss des electri- schen Centralorgans von Torpedo. Archiv f. Anat., Physiol. und wissenschaftl. Medicin. 1873. — b) Ueber das Rückenmark und die electrischen Lappen von Torpedo. Berlin 1878. 7. Reissner E. Beiträge zur Kenntniss vom Bau des Rückenmarkes von Petromyzon fluviatilis L. Archiv für Anat., Physiol. und wissenschaftl. Medicin. 1860. 8. Rohon V. J. Das Centralorgan des Nervensystems der Selaehier. Arbeiten aus dem zoologisch-vergleichend-anatomischen Institute der Wiener Universität. Denkschriften der k. Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftlicher Classe. XXXVIII. Bd. II. Abth. Wien 1877. !>. Stieda L. 'Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 18. 1868. 10. Schenk L. S. Die Entwicklungsgeschichte der Ganglien und des L:>bus electricus. Sitzungsberichte der k. Akad. d. Wissen chatten, III. Abth.. Wien 1876. 11. Viault Fr. Recherches histologiques sur la structure des centres nerveux des Plagiostomes. Archives de Zoologie ex- perimentale de Lacaz e - Dnthiers. Tome V. Paris 1876. (171) 22 J. V. Rohon: Ueber Jen Ursprung des Nervus vagus bei Selachiern. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Ein Theil eines Querschnittes aus der Medulla oblongata vom erwachsenen Mustelus vulgaris (vergl. Holzschnitt Fig. 1, p. 3) im Gebiete des Vagusursprungs. Vergrösserung : Hartnack Oc. 3, Obj. 5 und 8. vk = Va- guskern, e = Epithel, gf = Gefäss, nf2 = vordere Vaguswurzeln, fl = seitliches Längsbündel, nf, = Nervenfasern aus der Raphe , crg — Bodengrau mit seinen inneren und äusseren Ganglienzellen, aus welchen die vorderen Wurzeln des Vagus entspringen, cms = Commissurenfasern der Vaguskerne , m = motorisches Feld mit den vereinzelt zerstreuten Ganglienzellen, Gefässschlingen, N e u ro gliamaschen und quer getroffenen Gehirnfasern, vgw = hintere Vaguswurzeln, gfl = Gefässlumen, na = Acus t i cus kern und die aus den Zellen entspringenden Acusticus- wurzeln = aw. Fig. 2. Pallisadenepitbel aus dein Ventriculus quartus von der Me- dulla oblongata eines erwachsenen Mustelus vulgaris, Hämatoxylin-Prä- parat. Vergrössert: Hartnack Oc. 3 Immer 15. Fig. 3. Eine Ganglienzelle aus den hinteren Läiigsbündeln. Vergrössert : Hartnack Oc. 3 Immer. 15. Fig. 4. Theil eines Querschnittes durch den Lobus electricus einer erwachsenen Torpedo marmorata. Vergrösserung: Hartnack Oc. 3, Obj. 8. egl = electrische Ganglienzellen mit den aus ihnen entspringenden ew = electrischen Wurzeln, kgl = kleine Ganglienzellen, gf = Capillarschlinge , gfl = Gefässlumen, nf = zarte Nervenfasern. Fig. 5. Theil eines Querschnittes von dem Nachhirn und den Lobis electricis einer erwachsenen Torpedo marmorata (vergl. Holzschnitt Fig. 4. p. 11). Vergrössert: Hartnack Oc. 3, Obj. 5 und 8. IV = Ventriculus partus, r = Raphe, nf, = Axencylinderfortsätze der electrischen Zellen, welche als F ibrae reetae in die Raphe gelangen, nf2 = Nervenfasern, die von der Raphe gekreuzt heraustreten, das hintere Längsbündel durcheilen, um in das Boden- grau = crg. einzutreten, hl = hinteres Längsbündel der Haube, gf = Gefäss, e = Epithel, cms = Commissurenfasern, le = Lobus electricus, gfl = Gefässlumen. Fig. 6. a, b = kleine Ganglienzellen aus dem Lobus electricus einer erwachsenen Torpedo marmorata. Hartnack Oc. 3, Immer. 15. Fig. 7. a = Spindelzelle aus dem Bodengrau einer erwachsenen Torpedo marmorata, b = multipolare Ganglienzelle von ebenda. Hartnack, Oc. 3, Immer. 15. Fig. 8. Ganglienzelle aus der Zellensäule (Columna cellularum ner- vearum medulla e oblongatae) von einer erwachsenen Torpedo mar- morata. Hartnack Oc. 3, Immer. 15. Fig. 9. a, b, c = Ganglienzellen aus den Vaguskernen vom erwachsenen Mustelus vulgaris. Hartnack Oc. 3, Immer. 15. (172> Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Von Emil Berger. (Mit 5 Tafeln.) Unter den Arthropoden sind es namentlich die Biene und die Ameise, deren Gehirn wegen der hohen geistigen Fähigkeiten, die der Handlungsweise dieser Insecten supponirt werden, zum Gegen- stand genauerer Untersuchungen gewählt wurde. Schon Tre- viranus1! war es aufgefallen, dass bei der Honigbiene das Ge- hirn (oberes Schlundganglion) das untere Schlundganglion beträcht- lich an Grösse überrage. Er erklärte dies Verhältniss durch die An- schwellungen für die einfachen und zusammengesetzten Augen, sowie auch für die Fühlhörner. Duj ardin2) war der erste, der bei der Biene und einigen anderen Hymenopteren an der hinteren und oberen Seite des Gehirns Gebilde wahrnahm, welche wie Pilze demselben aufzusitzen schienen. Diese von ihm als „Lappen mit Windungen" oder „radiär gestreifte Scheiben" bezeichneten Gebilde, welche er bei Arthropoden, denen man eine mindere geistige Entwicklung zuschreiben muss , nicht auffinden konnte, hielt er für den Sitz höherer geistiger Fähigkeiten. Nach Du- jardin's Untersuchungen bestehen diese Gebilde der Hauptmasse nach aus einer granulären Substanz, welche von einer dünnen Schichte der „substance corticale pulpeuse" (nach Leydig's Untersuchungen kleine Ganglienzellen, aus denen der Rindenbelag des Gehirns besteht) überkleidet ist. Bei niedriger organisirten ') Biologie. V. Band, 1818. 2) Annales d. sc. natur. 1852. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 13 (-1,3) 2 E. B e r g e r : Arthropoden fand er im Gehirne das umgekehrte Verhältnis» zwischen beiden Substanzen , in den Bauchstrangsganglien aller Arthropoden nur pulpöse Rindensubstanz. Später fand jedoch Leydig auch in den Bauchstrangsganglien eine Substanz,, die er im "Wesentlichen mit der von D uj ardin beschriebenen granulären Substanz für identisch erklärt. Er bezeichnet dieselbe mit Rücksicht auf ihre Lage als „centrale Punktsubstanz". Eine eigenthümliche Reaction dieser Substanz fand Dietl1), nämlich eine sehr intensive Färbung bei Behandlung mit Ueberosmium- säure. Da sie diese Reaction mit dem Nervenmark der Wirbel - thiere gemein hat, schlägt Dietl für sie den Namen „Mark- substanz" vor. Nach seinen Untersuchungsn besteht dieselbe bald aus sehr feinen Nervenfasern, bald bildet sie ein feinstes Netz- werk oder lamellöse Blätter, bald erscheint sie als eine homogene Substanz. Die Arbeiten von Leydig2), Rabl-Rückhard 3) und von Dietl haben sich eingehend mit der Erforschung der obigen pilzhutfÖrmigen Gebilde befasst. Letzterer hat die frühere Me- thode, welche darin bestand, das Insectengehirn durch Reagentien aufzuhellen , einem massigen Drucke auszusetzen etc., verlassen und systematisch angefertigte Schnitte zu seinen Studien ver- wendet, welche die Kenntnisse über den Bau des Arthropoden- gehirns theils berichtigten, theils bedeutend erweiterten. Die Er- gebnisse, zu denen Dietl gelangte, sind folgende. Am Scheitel des Bienengehirns finden sich jederseits zwei ovale "Wülste (ringförmige Körper Rabl-Rückhar d's) , welche in sagittaler Richtung gekrümmt und seitlich etwas zusammen- gedrückt erscheinen. Die ringförmigen Körper bestehen aus Marksubstanz und schliessen eine Mulde ein , deren Inhalt aus Kernen, die denen der Wirbelthierretina ähnlich sind, sowie auch aus Gebilden, die den Uebergang zur Ganglienzelle bilden, besteht. Die ringförmigen Körper sammt deren Inhalt sind von einer dünnen Schichte des Rindenbeleges überzogen. Aus dem unteren Ende jedes Wulstes entspringt, wie aus dem Hute eines Blätter- pilzes, je ein aus Nervenfasern bestehender Stiel. Die inneren Stiele ziehen nach unten und innen und stossen unterhalb des später zu be- sprechenden fächerförmigen Gebildes zusammen, die äusseren enden etwas seitwärts von letzteren, leicht kolbig angeschwollen, an der J) Die Organisation des Artkropodengekirns. Zeitsck. f. w. Zool. 27. Bd. 2) Vom Baue des tkieriscken Körpers. 1. Bd. 1. Heft. 1864 3) Studien über Insektengekirne. Archiv f. Anat. u. Pliys. 1875. pag. 480. (174) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Retina d. Arthropoden. 3 vorderen Hirnfläche. In ihrem Verlaufe liegen beide Stiele eine Strecke lang an einander und platten sich gegenseitig derart ab. dass man blos einen Stiel vor sich zu haben glaubt. Leydig beobachtete bei der x\meise ein median gelegenes halbkugeliges Gebilde mit zarten Einkerbungen, welches wie mit zwei Stielen in der Tiefe wurzelt. Dietl J) schildert dasselbe folgendermassen : „Es entwickeln sich aus knaufformigen Combi- nationen von Fasern, die sich aus Zügen bilden, die in der Mitte liegen und dem Hirnstocke entstammen, neuerdings feinste Fasern, die auf solchen Bildern erst in radial angeordnete Stäbe ziehen, sich abermals auflösen und dann in radial angeordnete Keile ein- dringen, deren Zahl bei der Biene 10 beträgt." Letztere gewähren in zwei auf einander senkrechten Ebenen den Anblick eines Fächers. Diese Erscheinung ist durch den Umstand zu erklären , dass jedes Blatt des Fächers den Querschnitt eines Gebildes vorstellt, das Dietl mit einer Malerpalette vergleicht. Die Antennenanschwellungen enthalten nach DietTs Unter- suchungen, kugelige Ballen von Marksubstanz. Dieselben stellen ein Xetz feinster Nervenfasern vor, in das sich die Antennennerven auflösen. Bei der Grille fand Dietl jederseits blos einen pilzhut- förmigen Körper , aus dem ein Stiel entspringt , der nach innen, vorn und unten biegt, sich theilt, einen Stiel nach vorn und oben abgibt , der mit dem der anderen Seite in der Medianebene zu- sammenstösst und einen zweiten nach aussen neben die Antennen- ballen sendet. Das tächerförmige Gebilde besteht hier aus 8 Blättern. Bei Carabus violaceus vermisst Dietl an der Hirnoberfläche die pilzhutförmigen Körper, glaubt jedoch die Befunde im Augen- ganglion so deuten zu können, dass hier der pilzhutförmige Körper in letzteres verlegt sei. Auch beim Flusskrebs fand er ein Ana- logen des pilzhutförmigen Körpers. Er konnte hier eine Partie von Opticusfasern , welche mit der diesbezüglichen der anderen Seite ein Chiasma mit Semidecussation gebildet hatte, bis in den Stiel desselben verfolgen. Trotz des letzteren Befundes glaubt Dietl nicht, dass der pilzhutförmige Körper in Beziehung zum Gesichtssinne stehe. Er beruft sich auf die von Rabl- Rü ckhar d gefundene Thatsache, dass bei der blind geborenen Ameisenart Typhlopone der pilzhut- ') 1. c pag. 499. jß * (175) E. Berge r: förmige Körper entwickelt vorhanden ist, während alle auf den Gesichtssinn bezughabenden Gebilde fehlen. Mit den intellectuellen Fähigkeiten ihn in Verbindung zu bringen, kann sich Dietl wegen des Befundes bei der Grille nicht recht entschliessen , ob- wohl der pilzhutförmige Körper der letzteren eine geringere Aus- dehnung als bei der Biene besitzt. Ueber den Bau der Augenanschwellung (ganglion opticum) besitzen wir nur spärliche Kenntnisse. Leydig1) unterscheidet im Innern derselben bei der Ameise folgende Gebilde, welche sämmtlich von der zelligen Rindensubstanz überkleidet werden: „Zunächst dem Hirnstocke lagert eine aus kleinen hellen Ganglien- kugeln bestehende Masse; auf diese folgt der Hauptkern des Sehlappens in seiner homogenen granulären Substanz von gleicher Natur wie der Hirnstock, nach aussen davon und getrennt durch eine sich einschiebende Lage von Rindensubstanz erkennt man als massig dicke Scheibe, in der gewöhnlichen Ansicht als schwach gebogenes helles Band, die dritte und letzte Innenschichte. Denn jenseits derselben erheben sich die Bündel der Sehnerven, deren Streifenzüge übrigens schon von dem Ganglion des Hirnstockes an, wenn auch zum Theil nur spur weise, erkennbar sind." Beim Schwimmkäfer findet Leydig2) dieselben drei centralen Partien, nämlich nach innen eine Lage von Zellen, dann die beiden aus granulärer Substanz bestehenden äusseren Abschnitte, welche durch einen Streifen von kleinzelliger Rindensubstanz, welcher -ich zwischen dieselben einschiebt, von einander getrennt sind. •L e y d i g ist der Ansicht, dass das Augenganglion ein Gehirntheil sei, von dem erst die Sehnerven zur eigentlichen Retina abgehen, während andere Autoren die Ansicht aussprachen, dass dasselbe noch Antheile der Retina enthalte. Eigene Beobachtungen. Meine ursprüngliche Absicht ging dahin, mich blos mit dem Baue des Augenganglions zu beschäftigen, in der Hoffnung, auf diesem Gebiete Resultate zu erhalten, die sich für die Theorie des facettirten Auges verwerthen lies'sen. Meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Claus verdanke ich die Anregung, auch das Gehirn in das Bereich meiner Untersuchungen zu ziehen, sowie auch die für die Durchführung derselben nothwendige Unterstützung ») 1. c. pag. 233. 2) 1. c. pag. 239. (176) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Eetina d. Arthropoden. 5 mit Rath und Tliat , wofür ich demselben meinen tiefgefühlten Dank ausspreche. Die Methode, die ich bei der Präparation der Gehirne an- wandte, ist von der Dietl's in einigen Punkten verschieden. Ich hielt es für zweckmässig, die Thiere nach Eröffnung des Kopf- schildes in Alkohol zu härten und erst, wenn dies geschehen war, das Gehirn aus demselben herauszupräpariren. Die Insectengehirne wurden in toto mit Carminammoniak oder Pikrocarmin gefärbt und dann in Schnitte zerlegt. Die Gehirne der Krebse wurden zuerst in Schnitte zerlegt und nachher mit Tinctionsmitteln behandelt. Ich will mit dem Gehirne der Insecten und zwar mit dem- jenigen, welches die niedrigste Organisation aufwies, dem er Libellenlarve (Aeschna, Libellula) beginnen. Bekanntlich überragt bei der Libelle die Augenanschwellung, den colossalen Facettenaugen entsprechend, welche das Thier auch im Larvenzustande besitzt, das übrige Gehirn beträchtlich an Grösse. Aus dem Gehirn entspringen nach vorn zu oberst die Wurzeln zum ganglion frontale (Fig. 1 und 6, ngf), aus welchem der unpaare Schlundmagennerv (Fig. 1, nu) hervorgeht, unter denselben die verbältnissmässig dünnen Antennennerven aus kleinen Anschwel- lungen, zu unterst die zum unteren Schlundganglion ziehende Commissur Fig. 1 u. Fig. 6, sc). Der Rindenbeleg des Gehirns überzieht dasselbe, mit Ausnahme eines vorn und unten zwischen den beiden Schlundcommissuren gelegenen Gebietes, vollständig. Derselbe besteht aus grossen, in der oberen Medianebene und neben derselben, sogar colossalen Ganglienzellen. Auf der oberen Seite des Gehirns geht der Rindenbeleg des Gehirns in den des Augen- ganglions über. Bei letzterem hat er jedoch einen kleinzelligen Charakter angenommen. Ein an der hinteren unteren und äusseren Fläche des Gehirns gelegener kreisförmiger Theil des Rinden- beleges (Fig. 10, apk) zeichnet sich durch viel intensivere Färbung mit Carminammoniak , als dies beim übrigen Rindenbelege der Fall ist, aus. Mit Hartnack's System Nr. 8 untersucht, zeigt sich, dass derselbe aus dicht aneinander gelagerten kleinen Zellen be- steht. Dieselben lassen einen verhältnissmässig grossen Kern, der von einer spärlichen Menge eines sich nur wenig färbenden kör- nigen Protoplasmas umgeben ist, erkennen. An einzelnen Zellen konnte ich auch Fortsätze nachweisen. Bevor ich den Bau des Gehirns einer Besprechung unterziehe, will ich eine Beschreibung der im Augenganglion gelegenen Ge- bilde voraussenden. Ich wähle zu diesem Zwecke als besonders (177) 6 E. Berger: hierfür geeignet einen Frontalschnitt (Fig. 7) durch dasselbe. An dem äusseren Rande desselben sieht man die mit einem schwarzen Pigmente umhüllten Sehstäbe (ss), welche, dicht aneinander ge- lagert, einen Bogen bilden, dessen Convexität nach aussen und oben gerichtet ist. Von der Sehstabschichte nach innen fortschreitend, trifft man eine Anzahl horizontal verlaufender Nervenbündel (nbs), welche die obige Schichte mit dem nächstfolgenden Gebilde ver- binden. In der Nähe der Sehstäbe sah ich an einzelnen Bündeln eine Theilung in 2 kleinere Bündel. Ich fasse die Gesammtheit dieser Nervenbündel unter dem Namen Nervenbündelschichte zusammen. Zunächst erscheint nun ein aus 3 Schichten bestehendes Ge- bilde, das, ebenso wie die Sehstabschichte, einen nach aussen con- vexen Bogen darstellt. Der obere innere Rand desselben ist haken- förmig nach abwärts gebogen. Die äusserste (ks) der 3 Schichten dieses Gebildes besteht hauptsächlich aus Kernen, welche sich mit Carminammoniak stark färben ; ich bezeichne dieselbe als Körner- schichte. Die mittlere Schichte (m s) besteht aus einer Substanz, welche in ihrem Aussehen lebhaft an die granulären Schichten der Wirbel- thierretina erinnert. Ich bezeichne sie als granuläre oder Mole- culär schichte. Sie gehört, soviel ich mich bei der Stubenfliege überzeugen konnte, der Marksubstanz Dietl's an, indem sie sich mit Ueberosmiumsäure intensiver als die übrigen nervösen Elemente färbt. Mit Carminammoniak färbt sich die Marksubstanz, wenig- stens an nicht zu lange in Alkohol gehärteten Präparaten, stärker als die Nervenfasern, schwächer aber als die Ganglienzellenrinde. Auch die Moleculärschichten der Wirbelthierretina färben sich, soviel ich mich bei Triton cristatus davon überzeugen konnte, mit Ueberosmiumsäure intensiver als die übrigen Schichten der- selben. Die innerste Schichte (gs) lässt nebst Kernen auch Ganglien- zellen erkennen. Ich nenne sie deshalb Ganglienzellen schichte Alle 3 Schichten enthalten in querer Richtung sie durchziehende Nervenfasern. Gegen den inneren, nach oben gelegenen, haken- förmigen Rand zu wird die^ Moleculärschichte dünner und ver- schwindet allmälig, so dass die Ganglienzellenschichte und die Körnerschichte mit einander verschmelzen. Ich muss hier voraussenden , dass ich die Sehstabschichte, Nervenbündelschichte, Körnerschichte, Moleculärschichte und die Ganglienzellenschichte unter dem Namen Retina zusammenfasse, (174) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Retina d. Arthropoden. 7 und werde am Schlüsse dieser Arbeit die Gründe, die mich zu dieser Bezeichnung berechtigen, anführen. Nachdem die Nervenfasern die Retina verlassen haben, durch- kreuzen sie sich derart, dass die vom obern Rande der Retina kommenden Fasern nach unten ziehen, während die zu unterst aus derselben hervorgehenden den entgegengesetzten Verlauf er- kennen lassen. Hierauf treten, nachdem die Kreuzung stattgefunden hat, die äusseren Nervenfasern zu den ihnen zunächst gelegenen Theilen des Rindenbeleges, während die in der Mitte verlaufenden in ein keilförmiges Ganglion (kg), das hier im Querschnitte dreieckig erscheint, eintreten. Nachdem sie dieses durchsetzt haben, gelangen sie in ein aus feinkörniger Masse bestehendes Gebilde (am), das die für die Marksubstanz charakteristische Reaction zeigt. Einzelne Fasern (m) verlaufen zwischen dem Rindenbelege und dem keilförmigen Ganglion und treten direct in das oben erwähnte Gebilde ein , das ich äusseres Marklager nennen will. Es besitzt dasselbe eine äussere convexe und eine innere concave Oberfläche. Die Marksubstanz ist in demselben in mehreren concentrischen Schichten angehäuft, zwischen welchen man Fasern verlaufen sieht. Ich konnte von aussen kommende Fasern einer- seits in die zwischen den Schichten der Markstibstanz liegenden Spalten umbiegen, andererseits hier verlaufende Nervenfasern zum Rindenbelege ziehen sehen, so dass die Vermuthung nahe liegt, dass auch auf diesem Wege Sehnervenfasern zum Rindenbelege gelangen. Manchmal konnte ich auch in den Spalten zwischen den Markschichten zellige Gebilde eingelagert finden. Nachdem die Fasern das äussere Marklager und eine Schichte (zs), welche dieselben kleinzelligen Elemente, wie der Rindenbeleg des Augen- ganglions, aufweist, verlassen haben, durchkreuzen sie sich aber- mals auf ähnliche Weise wie in der früher besprochenen Kreuzung. Ein Theil von Fasern tritt mit einem an der Unterseite des Augenganglions gelegenen Zellenlager (zl), das aus einer Reihe von Schnitten als dem Rindenbelege angehörig sich erweist , in Verbindung, während ein zweiter Theil zu einem Marklager (im), das ich als inneres bezeichnen will, tritt. Letzteres empfängt ebenfalls Fasern vom oben erwähnten Zellenlager. In die Kreuzung, die ich zum Unterschiede von der aus den von der Retina kommenden Fasern gebildeten Kreuzung, welche ich äussere nenne, als innere bezeichnen will, finden sich Ganglienzellen eingestreut. Am. oberen äusseren Rande des inneren Marklagers liegt ein aus kleinen Ganglienzellen bestehendes zapfenartiges Ge- (179) 8 E, Berger bilde (z), das sich mit Carmin sehr intensiv färbt. Das innere Marklager, welches eine eiförmige Gestalt hat, zeigt ebenfalls eine schichtenweise Anordnung der homogenen feinkörnigen Mark- substanz. Zwischen den Markschichten ziehen Bündel von Nerven- fasern aus demselben zum Gehirn, ferner finden sich hier deutliche Ganglienzellen eingelagert. Von den das innere Marklager ver- lassenden Fasern tritt ein Theil (co) auf die andere Seite des- Gehirns hinüber und bildet mit den diesbezüglichen Fasern der anderen Hirnhälfte eine commissurenartige Verbindung zwischen den beiden inneren Marklagern. Ein anderer Theil der aus dem inneren Marklager kommenden Nervenfasern zieht zum oberen Rindenbelege des Gehirns. Schon oben wurde erwähnt, dass eine nach hinten, unten und aussen gelegene Partie des Rindenbeleges durch ihre intensivere Färbung mit Carmin und die Kleinheit der sie zusammensetzenden Elemente sich vom übrigen Rindenbelege auszeichne. Aus derselben entspringt ein Bündel von Nervenfasern (Fig. 8 u. 9, ast), das nach vorn, oben und innen zieht. Zu demselben gesellt sich ein zweites Bündel von Nervenfasern (i st), das von einer oben, hinten und nahe der Medianebene gelegenen Partie des Rindenbeleges- entspringt. Beide Bündel vereinigen sich zu einem gemeinsamen, das die Richtung des äusseren Bündels weiter behält und vorn, oben, nahe der Medianebene, kolbig angeschwollen (Fig. 7 und 8, g st) zu enden scheint. Auf Horizontalschnitten durch das Gehirn trifft man ein in der Mitte desselben gelegenes Gebilde (Fig. 8, fg), das hier die Form eines Halbmondes zeigt, dessen Concavität nach vorn, dessen Convexität nach rückwärts gelegen ist. An Frontalschnitten sieht man dasselbe Gebilde in Form eines Kreissegmentes, dessen Basis nach abwärts gerichtet ist. In beiden Schnittrichtungen er- scheint dieses Gebilde, das, seiner Lage nach, dem medianen Com- missurensystem Leydig's und dem fächerförmigen Gebilde Dietl's entspricht, von einer Menge von Nervenfasern umschlossen, die der Begrenzungslinie desselben parallel laufen. Auch eine grosse Anzahl von Kernen findet man zwischen dieselben eingelagert. Einzelne dieser Fasern sah ich manchmal in das fächerförmige Gebilde, welche Bezeichnung DietTs ich beibehalte, umbiegen, konnte jedoch den weiteren Verlauf derselben nicht feststellen. Oberhalb dieses Gebildes sieht man zwei Bündel von Nerven- fasern in der Medianebene sich in Form eines X kreuzen (Fig. 8 und 0, C h). Einmal konnte ich einzelne Fasern der Schlund- (180) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Retina d. Arthropoden. 9 commissur in einige der gekreuzt liegenden Fasern übergehen sehen (Fig. '9 . Noch muss ich eines bisher unbekannten Nervenpaares er- wähnen, das in der Medianebene an der hinteren unteren Fläche des Gehirns entspringt. Man beobachtet an einem Frontalschnitte,1) dass aus zwei Wurzeln, welche sich sofort, nachdem sie aus dem Gehirn hervorgegangen , vereinigen , ein Nerv entspringt , der, knapp an der Hinterfläche des Gehirns verlaufend, sich nach auf- wärts begibt und in mehrere Aeste theilt. Im unpaaren Theile dieses Nerven konnte ich einzelne Fasern sich kreuzen sehen. Die intracerebrale Verlaufsweise dieses Nerven ist eine höchst eigen- thümliche. An Sagittalschnitten sieht man ihn (Fig. 11, nm) nach vorn ziehen, wobei er stets an der Unterseite des Gehirns bleibt. An durch den vordersten Theil des Gehirns geführten Frontal- schnitten kann man beobachten, dass, nahe der Medianebene, zwei Faserbündel (Fig. 7 nm) schräg nach oben zu einem median ge- legenen Theile des Fundenbeleges ziehen. Einigemale konnte ich •las untere Ende des oben besprochenen Faserbündels hakenförmig umgebogen sehen, so dass ich nicht zweifeln kann, dass dieselben die Fortsetzung des median gelegenen Nervenpaares vorstellen. Ueber das periphere Ende desselben bin ich leider zu keinem be- stimmten Resultate gelangt. Der unpaare Nervenstamm theilt sich, wie ich schon erwähnte, in mehrere Aeste. Von denselben begeben sich zwei in schräger Richtung nach vorn und oben, die Hauptfasermasse des Nerven zieht aber vertical nach aufwärts und theilt sich in vier Aeste. An dem oberen Ende jedes Astes sieht man das Neurilemm sich trichterförmig erweitern und in die Matrix chitinogena übergehen. In dem Trichter liegt ein Haufen von Ganglienzellen (g), von denen einzelne nach oben gerichtete, kurze Fortsätze erkennen Hessen. Es scheint wohl zweifellos, dass dieser Nerv einem Sinnesorgane angehört. Möglich wäre es, dass er in Beziehung stünde zu den in grosser Anzahl auf dem oberen Kopfschilde vorhandenen Hautborsten : es gelang mir jedoch nicht eine Nervenfaser zu einer Hautborste zu verfolgen. Andererseits wäre auch denkbar, dass dieser Nerv zu den zwischen der Matrix und der Chitinschichte liegenden , pallisadenförmigen Zellen in Beziehung stünde, welche möglicherweise ein frühes Entwicklungs- stadium der Sehstäbe der einfachen Augen , welche das Thier im entwickelten Zustande besitzt , deren die Larve jedoch entbehrt, ') Siehe Fig. 10. (181) 10 E. Berger: vorstellen. Gegenwärtig bin ich, da mir keine entwickelten Libellen zur Verfügung stehen, nickt in der Lage, diese Frage zu entscheiden. Die Tracheen (tr) , welche das Libellengehirn versorgen, enthalten ein intensiv schwarzes Pigment, welches störend auf die Untersuchung des Gehirns einwirkt , das Studium der Ver- laufsweise derselben jedoch erleichtert. Von rückwärts kommen jederseits zwei grössere Tracheen für das Augenganglion nebst kleineren für das Gehirn. Die äussere dieser Tracheen verläuft unterhalb der Nervenbündelschichte , die innere unterhalb der inneren Kreuzung und sendet einen ganzen Fächer von Tracheen- ästen (Fig. 7) nach aufwärts. Im Gehirne bilden die Tracheen zwischen dem Rindenbelege und der Nervenfasermasse (vonLey- dig Nucleus genannt) eine reichliche Menge von Verzweigungen, wodurch das Gehirn seine eigenthümliche rauchgraue Farbe erhält, von denen in's Innere Tracheen, meist der Verlaufsweise grösserer Nerverbündel folgend, treten. Die Tracheen der Retina sind pigmentlos. Noch muss ich hier einiger rundlicher Körper (Fig. 12) erwäh- nen, die in der Nähe des Libellengehirns, namentlich der vorderen Fläche desselben, häufig in grösserer Anzahl sich fanden. Der Quer- durchmesser derselben beträgt O05 Mm. Ich konnte an denselben eine bindegewebige Hülle (b d) und einen , aus gelben Kügelchen bestehenden Inhalt (d) wahrnehmen. Im Innern dieser Körper war ein grosser Kern (n) und in letzterem ein wandständiges Kern- körperchen (nl) zu beobachten. Diese Gebilde erinnern in ihrem Aussehen lebhaft an das eines Eies. Es dürften dieselben wohl auch Eier eines Parasiten vorstellen. Das Gehirn des Schwim mkäf ers (Dytiscus marginalis) und das des Wasserkäfers (Hydropkilus piceus) zeigen nur Unterschiede untergeordneter Art , weshalb ich beide hier gemein- schaftlich besprechen will. Was die äussere Gestaltung des Ge- hirns betrifft, verweise ich auf die Abbildung Leydig's. *) Ein Sagittalschnitt durch dasselbe (Fig. 13) lässt nach vorn und unten die verhältnissmässig kleinen Antennenanschwellungen (a a) erkennen ; unterhalb derselben entspringt der paarige Schlundmagennerv (np), der, wie an Leydig's Abbildung dargestellt ist, schlingenförmig nach rückwärts sich begibt. Er bezieht seine Fasern aus der nach hinten und unten ziehenden Schlundcommissur (sc). Der Ganglienzellenbeleg, welcher das Gehirn umgibt, fehlt blos an ') Tafeln zur vergleichenden Anatomie. Tübingen 1864. Tafel IX, Fig. 1. (182) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Retina d. Arthropoden. 11 einer unten und hinten gelegenen medianen Stelle. Unter den oben medianwärts gelegenen Zellen sind auch hier einzelne grösser, wenn auch nicht in dem Masse, wie bei der Libellenlarve, als im übrigen Rindenbelege. An der hinteren oberen Fläche des Gehirns finden sich jederseits zwei nahe aneinander liegende namentlich bei Hydrophilus deutlich von einander geschiedene Partien (Fig. 18 apk und ipk) im Rindenbelege, welche durch intensivere Färbung mit Carmin und durch die Kleinheit der sie zusammensetzenden Elemente sich vom übrigen Rindenbelege unterscheiden. Das Aiigenganglion zeigt in seinem Baue einige wesentliche Abweichungen von dem der Libellenlarve. Dasselbe ist, sammt allen dazu gehörigen Theilen, vom übrigen Gehirne durch einen Nerven abgetrennt, so dass auch der Rindenbeleg des Gehirns nicht mehr mit dem des Augenganglions im Zusam- menhange bleibt. Da beim Schwimmkäfer das Augenganglion zum Gehirn eine Lage einnimmt, die für die Anfertigung von Frontal- schnitten durch beide Gebilde nicht günstig ist, wähle ich zur Darstellung der oben bezeichneten Verhältnisse den Rosenkäfer (Cetonia aurata). An einem Frontalschnitte durch das Augenganglion (Fig. 14) desselben beobachtet man, nach innen von der Sehstabschichte (s s), die etwas verändert sich ausnehmende Nervenbündelschichte (nbs). Die Fasern derselben kommen nämlich aus der zunächst nach innen liegenden Schichte in grössere Bündel zusammengefasst, welche sich dann gegen die Sehstabschichte zu mehrfach dendri- tisch theilen. Die Anzahl der Hauptbündel ist an unserem Prä- parate 2, beim Schwimmkäfer in derselben Schnittrichtung 2 — 3, an Horizontalschnitten (Fig. 15) 5—6, so dass bei letzteren 10 bis 15 Bündel aus der Nachbarschichte hervortreten. Das Neuri- lemm , welches das Gehirn sammt dem Aiigenganglion umhüllt, überzieht auch die Hauptbündel sammt ihren Verzweigungen und lässt blos eine aus feinen Bündeln bestehende Schichte (Fig. 15 f) frei, welche sich an ihrem Ende noch einmal in je zwei kurze Aeste theilen. Die Nervenbündel sind von einem schwarzen Pigment umhüllt , welches nur an den Hauptbündeln in geringerer Menge vorhanden ist. Die nächste Schichte, die Körnerschichte (Fig. 14 und 15, k s> enthält rundliche Kerne (Fig. 16, a), welche sich mit Carmin in- tensiv färben und einen grobkörnigen Inhalt einschliessen. Fort- sätze konnte ich an keinem derselben wahrnehmen. Die Moleculär- (183) 12 E. Berger: schichte (m s), welche nach innen von der vorigen liegt , lässt ausser den sie durchziehenden Nervenfasern nur noch jene eigen- thümliche feinkörnige Masse, wie bei der Libellenlarve, erkennen. In der hierauf folgenden, der Ganglienzellenschichte (g s), konnte ich hier ebenfalls Ganglienzellen (Fig. 16, b) mit grossem Kerne nach- weisen. An einer grossen Zahl derselben konnte ich Fortsätze beobachten ; nach der Anzahl derselben zu schliessen , scheint ein grosser Theil derselben bipolar zu sein. Ausserdem konnte ich auch noch Kerne (Fig. 16, c), welche vollkommen denen der Kör- nerschichte gleichen, auffinden. Ein eigenthümliches Verhalten zeigt der Rindenbeleg des Angenganglions zu den drei Innenschichten der Retina , wie an einem Horizontalschnitte durch dasselbe (Fig. 15) am deutlichsten hervortritt. Man kann hier nämlich keine Grenze zwischen dem Rindenbelege einerseits , der Körner- und Ganglienzellenschichte andererseits, wahrnehmen. Es sieht so aus, als würde der Rinden- beleg sich gabelförmig theilen und zwischen diese Theile eine dritte neue Schichte (die Moleculärschichte) aufnehmen. Nachdem die Nervenfasern die Retina verlassen haben durchkreuzen sie sich vollständig (Fig. 14, ak) auf dieselbe Weise wie bei der Libellenlarve. Dann ziehen die nach aussen liegenden Fasern zum Rindenbelege (rg), die inneren durch das keilförmige Ganglion (kg) zum äusseren Marklager (am), einzelne direct zum äusseren Marklager, an dessen innerem Ende eine Lage von Ganglienzellen (zs) sich befindet. Man sieht nun die Fasern, nach- dem sie das äussere Marklager verlassen haben , sich abermals durchkreuzen (ik) und zum inneren Marklager (im) gehen, das durch einen Faserzug (a) in 2 Theile gespalten ist. Die innere Kreuzung liegt hier nicht an der unteren Seite des Augen- ganglions, wie bei der Libellenlarve, sondern erscheint etwas nach aufwärts verschoben. Die aus dem inneren Marklager zum Gehirn ziehenden Nervenfasern bilden den auch makroskopisch erkenn- baren Sehnerven. Der Ansicht Dietl's, welcher, wie ich zu Anfang erwähnt, bei Carabus den pilzhutförmigen Körper in das Augenganglion verlegte, kann ich, meiner obigen Darstellungsweise entsprechend, nicht beistimmen. Seiner Abbildung nach zu schliessen, ist es das äussere Marklager und der neben demselben befindliche Rinden- beleg, die ihn zu dieser Deutung verleiteten. Ich muss viel- mehr andere Gebilde als den pilzhutförmigen Körpern analog erklären. (184) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Retina d. Arthropoden. 13 Von den oben beschriebenen, hinten und oben gelegenen Partien des Rindenbeleges . die sich mit Carmin viel intensiver als der übrige Rindenbeleg färben, erwähnte ich schon, dass die- selben viel kleinere Elemente enthalten. Isolirt zeigen dieselben (Fig. 17) einen grossen, mit Carmin stark gefärbten Kern, um- geben von einem nur sehr schwach sich färbenden körnigen Proto- plasma. Aus jedem dieser Abtheilungen des Rindenbeleges, die ich den pilzhutförmigen Körpern der Biene, Werre u. s. w. ver- gleichbar halte, entspringt je ein Stiel von Nervenfasern, somit jederseits je ein äusserer (Fig. 18, ast) und ein innerer (ist). Beide Stiele ziehen jederseits nach vorn und unten und vereinigen sich mit einander zu einem Bündel (gst) , welches dieselbe Rich- tung eine kurze Strecke beibehält. Dann theilt sich der gemein- same Stiel in zwei Theile, einen äusseren, der nach vorn und oben .zieht und an der Hirnoberfläche schwach kolbig angeschwollen endet, und einen inneren Theil ; i st) , welcher winklig umbiegt, nach innen unterhalb des weiter unten zu besprechenden fächer- förmigem Gebildes (fg) sich begibt und mit dem gleichartigen Faserbündel der anderen Hirnhälfte in der Medianebene zusammen- trifft. Beide zeigen hier abgerundete Enden, die sich gegenseitig berühren, jedoch keinen Faserübertritt von einem Faserbündel in das andere erkennen lassen. Leydig1) hat dieselben ebenfalls wahrgenommen und als Endkolben , welche „in der Mittellinie hart aneinander liegen, jedoch nicht ineinander übergehen", beschrieben. Das fächerförmige Gebilde erscheint sowohl im Horizontal- (Fig. 19, fg). als auch im Frontalschnitte (Fig. 18, fg) linsen- förmig. In beiden genannten Schnittrichtungeu sieht man dasselbe von bogenförmigen, an der Periphere desselben ziehenden Faser- zügen von Nerven umgeben, zwischen welche eine Menge von Kernen eingelagert ist. An Frontal- und an Horizontalschnitten konnte ich einzelne Fasern aus diesen Faserzügen in das fächerförmige Gebilde einbiegen und in sagittaler Richtung eine Strecke weit in demselben verfolgen. Besonders lehrreich für die Structur des fächerförmigen Gebildes war ein Horizontalschnitt durch dasselbe (Fig. 19). Ich sah hier einen Faserzug in frontaler Richtung in das fächerförmige Gebilde eintreten, von welchem wieder Fasern ebenso, wie ich es von den peripher liegenden erwähnte, theils in den vorderen, theils in den rückwärtigen Theil desselben umbiegen und eine Strecke weit meist in sagittaler Richtung in dasselbe >) 1. c. pag. 239. (185) 14 E. Berger: hinein ziehen. Auch aus einem in der vorderen Medianebene ge- legenen Theile (rz) des Rindenbeleges entspringende Fasern konnte ich in das fächerförmige Gebilde ziehen sehen. Zu dem Vergleiche mit einem Fächer berechtigt noch am meisten der Frontalschnitt, wo die Richtungen der das fächerförmige Gebilde durchziehenden Fasern nach abwärts convergiren. Da an Sagittal- schnitten durch dasselbe , wie ich auch bei der Libellenlarve beobachten konnte, in verschiedener Richtung, meist bogenförmig verlaufende Fasern sich finden, mir andererseits nur selten an in anderer Richtung geführten Schnitten gelungen ist, von peripher um dasselbe liegenden Fasern solche, welche in dasselbe einbiegen, bis in die Nähe der entgegengesetzten Peripherie zu verfolgen,, halte ich es, wenigstens für einen grossen Theil solcher Fasern, welche aus der Peripherie in dasselbe einbiegen, für wahrschein- lich, dass dieselben ihre Richtung abermals ändern, um zu einem anderen Faserzuge an einem anderen Theile der Peripherie zu gelan- gen. Es wäre demnach das fächerförmige Gebilde ein Ort, in welchem eintretende Faserzüge sich auflösen, um denselben in verschiedenster Richtung zu ver- lassen. Oberhalb des fächerförmigen Gebildes fand ich hier ebenfalls eine in der Medianebene liegende Kreuzung von Nervenfasern,, jedoch gelang es mir hier nicht, Fasern aus der Schlundcommissur in dieselbe zu verfolgen. Die Schlundcommissur lässt an ihrer Uebergangsstelle in das Gehirn eine Anschwellung erkennen, welche von einer Fortsetzung des Rindenbeleges vom Gehirn auf den oberen Theil derselben herrührt. In diesem Zellenbelege der Schlund- commissur sah ich einen Theil von Fasern der letzteren entspringen. Die verhältnissmässig unbedeutend entwickelte Antennen- anschwellung (Fig. 18, a a) ist von einer Lage grosser Ganglien- zellen umgeben. Die ungemein feinen Fasern, die im Innern der- selben vorhanden sind , scheinen hier wenigstens kein Netzwerk zu bilden, im Gegentheil schien es mir, als würden sich dieselben blos durchflechten. Aus der Antennenanschwellung sah ich Fasern hervortreten, welche zu einem nach innen von den pilzhutförmigen Körpern gelegenen Theile des Rindenbeleges ziehen und in den Ganglienzellen desselben enden. In ihrem bogenförmigen Verlaufe nach aufwärts kreuzen sich dieselben mit dem inneren Stiele der pilzhutförmigen Körper. Begleitet werden dieselben von Fasern (Fig. 18, fa), welche aus der Antennenanschwellung sich zum fächerförmigen Gebilde begeben. (186) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Eetina d. Arthropoden. 15 Ueber das Verliältniss der aus dem Sehnerven kommenden Fasern zum Bindenbelege konnte ich hier keine Besultate erhalten, wohl aber sah ich sie auch hier an der Unterseite des Hirns von dem Sehnerven der einen Hirnhälfte in den der anderen Fasern com- missurenartig übergehen. Ich gehe nun dazu über, das Gehirn der Seh meis sf liege ( Musca vomjtoria\ der Goldfliege (M. Caesar) und der Stuben- fliege (M. domestica) gemeinsam einer Besprechung zu unter- ziehen. Die Lage des Gehirns in der Schädelkapsel hat mit der bei den Hymenopteren einige Aehnlichkeit ; doch bestehen auch zwischen diesen , namentlich was die Lage des unteren zum oberen Schlundganglion betrifft, Verschiedenheiten. Man kann sich dieselbe am besten versinnlichen, wenn man sich vorstellt, dass der ganze Kopf um eine horizontale Axe um 90° gedreht worden sei, so dass das untere Schlundganglion, wie es Fig. 20 darstellt, oberhalb des oberen Schlundganglions zu liegen kömmt. Beide sind durch eine kurze, massige Commissur mit einander verbunden (Fig. 2 und 20, sc), so dass nur ein enges Lumen für den hindurch- tretenden Oesophagus (Fig. 2, o e) zwischen beiden bleibt. Nach unten und hinten liegt die verhältnissmässig beträchtliche An- tennenanschwellung ( Fig. 20 und 20, aa). Der Bindenbeleg, welcher den eigenthümlichen kleinzelligen Charakter, wie bei den Hyme- nopteren, besitzt, überzieht die ganze Oberfläche des Gehirns und lässt blos die inneren Flächen der Antennenanschwelluno-en frei. O Vom Gehirn setzt er sich auf die Schlundcommissur und von dieser auf das untere Schlundganglion fort, welches, wie alle Bauch- strangsganglien, blos an seiner, hier nach hinten gelegenen Basis eine Ansammlung von Ganglienzellen (Fig. 20, ru) besitzt. Dem veränderten Verhältnis« der Lage des Gehirns zum übrigen Körper entsprechend , musste ich , um die Theile des Augenganglions in einer den bei den früher besprochenen Gehirnen analogen Schnittrichtung zu studiren, Horizontalschnitte von dem- selben anfertigen. Vor Allem fällt bei Betrachtung eines solchen (Fig. 21) auf, dass die Retina durch einen Nerven vom übrigenGehirne losgetrennt erscheint. Man kann diesen Nerven als Analogon des nervus opticus der Wirbelthiere auf- fassen. Dieselbe Thatsache habe ich auch bei anderen Dipteren, einer Syrphide und bei der Bremse (Tabanus bovinus) beobachtet. In der Retina findet man die von früher her bekannten Schichten. Nahe dem äusseren Rande der Sehstabschichte (ss) sieht man zwischen den Sehstäben eine Anzahl von Kernen (s k) , welche als (187) 16 E. Berg er: Reste derjenigen Zellen, ans denen letztere entstanden sind, auf- gefasst werden. Die Sehstabschichte ist durch eine Membran (1 e), welche die Fortsetzung der matrix chitinogena darstellt, und welche die älteren Autoren als Sclerotica bezeichneten , von der hierauf folgenden Nervenbündelschichte getrennt. Letztere (n bs) besteht nicht, wie bei den früher untersuchten Insecten, aus Bün- deln von Nerven, sondern aus kurzen, dicht aneinander liegenden, parallel verlaufenden Fasern. Ich behalte dennoch die oben ange- führte Bezeichnung für diese Schichte bei, indem sie diejenige Form bezeichnet, die dieselbe dort, wo sie zu einer grösseren räumlichen Entwicklung gelangt, charakterisirt. Zwischen der letztgenannten Schichte und der Körnerschichte findet man abermals eine von durchtretenden Nervenfasern, ebenso wie die früher genannte, siebförmig durchlöcherte Membran (li). Dieselbe ist die Fortsetzung der das Neurilemm hier ebenso, wie bei den Hymenopteren , vertretenden Tracheenblase, welche um das Gehirn eine Hülle bildet. Von der Körnerschichte (ks) ist ein Theil (ks,) in das Innere der Moleculärschichte (ms) hinein- geschoben. Ich halte es nicht für gerechtfertigt , diesem Theile der Körnerschichte die Bedeutung einer selbstständigen Schichte bei- zulegen. Für die beiden letztgenannten Schichten und die Ganglien- zellenschichte (gs), deren Elemente hier ungemein klein sind, gilt im Uebrigen das, was ich bei der Libellenlarve und dem Schwimm- käfer über dieselben erwähnte. Die aus der Retina kommenden Fasern, welche den Seh- nerven (no) bilden, durchkreuzen sich in demselben. Nachdem dies geschehen ist , treten die Fasern desselben theils in den Rinden- beleg (rg) ein, theils in das keilförmige Ganglion (gk), welches sie durchziehen, um zu dem mehrfach geschichteten äusseren Mark- lager (am) zu gelangen. Einzelne Fasern ziehen aus dem Seh- nerven zwischen dem Rindenbelege und dem keilförmigen Ganglion direct in das äussere Marklager , an dessen innerer Fläche eine dünne Schichte von Ganglienzellen zu finden ist. Die Nerven- fasern, welche das äussere Marklager durchziehen, convergiren nach der Innenfläche desselben zu und bilden dann die innere Kreuzung (i k). Der Faserverlauf in derselben ist, soweit ich ent- nehmen konnte, folgender. Ein Theil von Fasern (a), welche ungefähr der Mitte des äusseren Marklagers entstammen, zieht nach innen und vorn und theilt das innere Marklager (im) in einen vorderen und einen rückwärtigen Theil. Von diesen Fasern geht ein Theil zum vorderen Rindenbelege des Augenganglions (m) und einzelne (188) Untersuchungen üb. d Bau d. Gehirns u. d. Retina d. Arthropoden. 17 Fasern direct ins Gehirn, ein anderer Tlieil biegt in den rück- wärtigen Theil des inneren Marklagers ein. Die vom vorderen Theile des äusseren Marklagers kommenden Nervenfasern ung bezüglich jenes Epithels, dessen beiderlei Ele- mente als Stützzellen und Nervenzellen mir in der That bereits bekannt waren, wie die drei genannten Herren bezeugen werden, berechtigt also keineswegs zu der Folgerung, als sei mir das Verhältniss derselben zu den Nerven entgangen. Die Schwierigkeit in der Beurtheilung der Beziehungen seiner Elemente zu den tiefer liegenden Ganglien- zellen, deren Existenz 0. und R. Hertwig mit Unrecht bestreiten, war der Grund. dass ich mich auf die kurze Erwähnung eines verdickten Epithels beschränkte. (242) Ueber Charybdea marsupialis. 23 als Achsenstrang bezeichnete Gebilde, so erhält man ein ähnliches Bild, jedoch ohne die senkrecht absteigenden und die Längsfibrillen durchkreuzenden Faserzüge. Wie man sich dann zur Controle an feinen Querschnitten (Fig. 19) überzeugt, ist der Achsenstrang scharf begrenzt und enthält ausschliesslich zarte Längsfibrillen in einer hellen Zwischensubstanz. Es handelt sich dem entspre- chend, da ich die Fibrillenzüge des hellen Nervenstranges von den Nervenfibrillen der Umgebung nicht zu unterscheiden vermag, wahrscheinlich um ein Commissurensystem zwischen den verschie- denen Sinnesorganen des Medusenkörpers. Der Querschnitt führt uns auch ein in anderer Beziehung lehrreiches Bild vor. Man gewahrt an demselben zunächst die durch eine starke Verdünnung der Stützlamelle erzeugte rinnenförmige Vertiefung, in welche der Nervenring eingelagert ist und — im Gegensatz zu den sich leicht abhebenden Muskelstraten der Umgebung — vermittelst der Stütz- fasern seiner Elemente sehr fest an der Skeletlamelle haftet. Rechts und links vom Nervenring heben sich die grossen, mit heller Flüssigkeit gefüllten Blasen ab , von deren Natur als Zellen ^B z) der regelmässig eingelagerte , von Plasmafäden ge- tragene Kern Zeugniss gibt. Was die Nervenelemente selbst betrifft, so gewahrt man zunächst den Durchschnitt des Achsenstrangs (ASt), welchem an einzelnen Stellen ein länglich ovaler , auch an Längsschnitten nachweisbarer Kern anlagert. Der Inhalt desselben markirt sich in Form punktförmiger , in heller Zwischensubstanz eingelagerter- Körperchen, welche die Fibrillenquerschnitte darstellen. In gleicher Weise markiren sich die Querschnitte der seit- lichen Fibrillenstränge innerhalb alveolärer, von den Stützfasern begrenzter Bäume. Dazu kommen einzelne tiefliegende Ganglien- zellen und die Kernzone des Nervenepithels mit einzelnen mehr oberflächlich gelagerten Kernen, welche zu den Stützzellen gehören dürften. Uebrigens sieht man auch zahlreiche, quer über den Achsenstrang hinziehende Fibrillen, die schon bei schwacher Ver- grösserung an Flächenpräparaten sehr deutlich hervortreten und die beiden Fibrillenstränge mit einander in Verbindung setzen (Fig. 21). Eine bedeutende Verstärkung erfährt der Nervenring unter- halb der Basis der Randkörper, wo die obere der Glockenhöhlung zugewendete Fasermasse durch Aufnahme einer Menge von Ganglien- zellen eine Art Ganglion darstellt , welches seiner Lage nach als Radialganglion bezeichnet werden mag (Fig. 41, 43, R G). In der Tiefe des kleinzelligen Epithels liegen zahlreiche grosse Ganglien« (213). 24 Dr. C. Claus: zellen mit rundlichem Nucleus und grossem Nucleolus wie in helle Räume eingebettet. Der Plasmakörper im Umkreise des mehr excentrisch gelagerten Kernes scheint meist mehr als zwei Aus- läufer zu bilden, welche hie und da als stärkere Fasern in dem Fibrillennetze verfolgbar sind (Fig. 44). Das Ganglion als das sensibele Centrum eines Quadranten der Glocke in Anspruch zu nehmen und mit dem Sinnesorgane des zugehörigen .Randkörpers in Verbindung zu bringen, dürfte sowohl wegen der bedeutenden Grösse der Ele- mente, als wegen der von den Nerven des Randkörpers getrennten Lage etwas gewagt sein. Die in den Basalabschnitt des Randkörpers eingetretenen Par- tien des Nervenrings enthalten ausser einer Fortsetzung des hellen Achsenstrangs vornehmlich Faserzüge, welche dem unteren Fibrillen- strang zugehören und von jeder Seite aufwärts in den Rand- körperstiel einstrahlen (Fig. 43), wenn allerdings auch an der Basis transversale Fibrillen die Verbindung mit dem an der Subum- brella zurückgebliebenen oberen Fibrillenstrang und dem Radial- ganglion herstellen. Vielleicht steht das Ganglion in näherer Beziehung zu dem peripherischen Nervenplexus der subumbrellaren Muskelbekleidung und repräsentirt ein reflectorisches Centrum, durch welches die sensoriellen und sensiblen Eindrücke mit der Muskelthätigkeit in Verbindung gesetzt werden. Auch die peripherischen Theile des Nervensystems bestehen aus Nervenfasern und Ganglienzellen, welche die des Nervenrings an Grösse und Stärke übertreffen. Die vom Nervenringe abgehen- den Faserzüge bleiben fast überall isolirte Fibrillen, welche freilich an zahlreichen Stellen hervortreten, auf die benachbarten Muskeln der Subumbrella übergehen und in ihrem Verlaufe zu Ganglien- zellen anschwellen. Nur unterhalb der Randkörperbasis markiren sich Bündel von Fibrillen, welche theils durch die Gallertsub- stanz der Subumbrella in die Basis des Randkörpers gelangen und als Sinnesnerven zu dem Sinnesorgane des Randkörpers in Beziehung treten, theils einen aufwärts im Schwimmsack empor- steigenden Nerven, den wir als Radialnerven bezeichnen, zusammen- setzen (Fig. 43, RN). Die peripherische Ausbreitung von Nerven und Gangliennetzen ist aber eine ausserordentlich reiche und dürfte kaum der entsprechenden der Acalephen an Complication nachstehen. Am besten übersieht man dieselbe an dünnen Theilen der Musculatur oder wie bei Chrysaora an solchen Stellen, an welchen die Musculatur unterbrochen ist. Wie ich bereits für Chrysaora dargestellt habe, verlaufen die grossen als motorische gedeuteten (244) lieber Charybdea marsupialis. 25 Ganglienzellen mit ihren langen fibrillären Ausläufern unter dem Epithel der Musculatur. Für die Craspedoten haben inzwischen O. und R. Hertwig das Verhältniss dieser Elemente in wesent- lich derselben Weise sorgfältig dargestellt, und ich kann ein Gleiches auch für Charybdea constatiren. Zum Nachweis der grossen Ganglienzellen und zur Verfolgung ihrer im weiteren Ver- laufe sich mehrfach theilenden fibrillären Ausläufer erscheint das Muskelepithel der Schirmanhänge nach Osmiumbehandlung beson- ders geeignet. Man sucht zu diesem Zwecke Partien mit zarten dicht gelagerten Muskelfasern aus und findet dieselben als- bald hier und da von starken und feinen Fibrillen quer gekreuzt, in deren Verlaufe sich eine gestreckt ovale Ganglienzelle ein- schiebt (Fig. 17, Gz). Der Inhalt der letzteren hebt sich von dem der oberflächlichen Myoblasten durch den grossen intensiv tingirten Kern mit glänzenden Kernkörpereken, sowie durch die dunklere bräunliche Färbung des meist nur spärlich vorhandenen Plasmas ab, welches sich an beiden Enden direct in die beiden, anfangs dicken Nervenfasern fortsetzt. Nicht selten findet man wohl auch zwei Kerne in einer einzigen Ganglienzelle , oder zwei Zellen zuweilen von ungleicher Grösse liegen neben einander. Seltener trifft man Ganglienzellen mit drei oder mehr Ausläufern ; die spindelförmig gestreckten bipolaren Zellen wiegen bei weitem vor. Mit Hilfe starker Vergrösserung überzeugt man sich leicht von dem Vorhandensein einer flachen anfliegenden Epithelzelle, deren Kern häufig die scharfe Umgren- zung der Ganglienzelle stört. Uebrigens scheinen einzelne Ganglien- zellen mit bauchiger Auftreibung bis in die oberflächliche Lage der Myoblasten hineinzureichen, ähnlich, wie solches 0. und R. Hertwig für Zwischenformen grosser Sinneszellen und Ganglienzellen dar- gestellt haben. Was den Verlauf der verschieden starken, sehr langen Fibrillen anbetrifft, welche mit Muskelfasern nicht zu verwechseln sind, so fällt derselbe nur selten mit dem der Muskelfasern zusammen ; fast immer kreuzen sich mit diesen die Nervenfasern unter verschiedenen Winkeln und gehen durch wiederholte Theilung in feinere Fibrillen über, die sich schliess- lich nicht mehr von den Grenzlinien der polygonalen Epithel- zellen unterscheiden lassen und wahrscheinlich mit ihren fein- sten Ausläufern in der Substanz der Myoblasten enden. Ana- stomosen zwischen Fibrillen benachbarter Ganglienzellen habe ich nicht mit Sicherheit nachgewiesen, obwohl die Existenz der- selben kaum zu bezweifeln ist. Oft aber entsteht der Anschein von Verbindungen benachbarter Nervenfasern dadurch, dass zu- (245) 26 Dr. C. Claus: sammentretende Fibrillen über kürzere oder längere Strecken dicht neben einander verlaufen , bevor sie wieder auseinanderweichen. Auf diese Weise entstehen förmliche Netze von Nervenfasern mit eingeschobenen Ganglien, die jedoch auch durch Anastomosen von Fibrillenausläufern unter einander verbunden sein möchten. Ungleich dichter erscheinen die Fibrillenplexus mit ihren Ganglien an dem subumbrellaren Randkörperfelde, in dessen untern vorderen Abschnitt die Längsmuskelfasern des Velumbandes, fächer- förmig auseinander weichend, einstrahlen. Zwar ist das Feld auch in seinem mittleren und seitlichen Abschnitte nicht ganz von Muskeln frei, indem hier die Endausläufer jener und der angren- zenden Ringfasern der Subumbrella äusserst feine Faserzüge bilden. Dieselben liegen jedoch in der Tiefe des Epithels und stören das. Bild der mehr oberflächlich gelegenen, sich nach allen Richtungen kreuzenden und zu stärkeren Faserbündeln zusammentretenden Nervenfibrillen nicht im Geringsten (Fig. 18, Gz). Es war mir sehr auffallend, an der Musculatur des Velums Ganglienzellen in nur spärlicher Zahl auffinden zu können, obwohl doch hier gerade eine besonders reiche Entwicklung dieser Elemente hätte erwartet werden müssen. Unter solchen Umständen halte ich es für sehr wahrscheinlich-, dass der Ganglienplexus am subum- brellaren Randkörperfeld zum Nervenapparat des Volums gehört,, dessen Fibrillenzüge auch auf die mächtigen Muskelzüge der Frenula übergehen. Uebrigens findet man die motorischen Ganglienzellen nebst Fibrillennetzen sowohl an dem zarten Muskelepithel der Mund- arme und der subumbrellaren Lamelle des Magens , als auch, an der mächtigen Muskulatur des eigentlichen Schwimmsacks überaus leicht auf. An dem letzterm treten nicht nur die als Radialnerven bezeichneten, von grossen spindelförmigen Ganglien- zellen durchsetzten Faserbündel auf, welche in die hellen Felder der Radialmuskeln eintreten , sondern eine grosse Zahl vereinzelt oder in schwächeren Zügen die Ringmuskeln quer durchkreuzender und mit Ganglien verbundener Fibrillen , welche freilich wegen der Stärke der quergestreiften Muskelfasern und der Höhe des Muskelepithels ebenso wie am Verum, nicht so deutlich an Flächen- bildern hervortreten. Schwieriger gestaltet sich die Beurtheilung des Verhaltens von Nerven und Muskeln an den Randtentakeln, deren Muskel- zellen in Räumen der Gallertsubstanz eingeschlossen liegen. Man erwartet demgemäss auch die Ganglien und Fibrillen zwischen lieber Charybdea marsupialis. 27 den Längsfasern der Gallertcanäle und findet in der That auch auf Quer- und Längsschnitten hier und da grössere Kerne, als die der Myoblasten. Leider war es mir jedoch nicht möglich. Sicher- heit über die Natur derselben zu erlangen, und es möchte kaum anders als an Isolationspräparaten gelingen, die beiderlei Zell- elemente nebst zugehörigen Fibrillen scharf gesondert darzustellen. Auch an der Uebergangsstelle des Schirmlappens in die Tentakel, wo die Längsmuskelfasern und leistenförmigen Längsfalten die noch frei in der Tiefe des verdickten Ektoderms liegenden Stütz- lamellen bekleiden, habe ich nicht mit Sicherheit die Nervenplexns nachweisen können. Sinnesorgane. Was die Sinnesorgane der Charybdeiden betrifft, so wird man neben den als Seh- und Gehörorgane aufzufassenden Randkör- perchen berechtigt sein, den über den Nervenring ausgebreiteten Belag von Nervenzellen als Sitz einer feineren Gefühls- und Tast- empfindung zu deuten. Vielleicht sind aber auch noch über andere Stellen , wie z. B. an dem subumbrellaren Randkörperfelde Sinnes- zellen zerstreut. Eine der Trichterplatte der Acalephen an die Seite zu stellende als Geruchsorgan zu deutende Differenzirung habe ich nicht beobachtet. Das Plattenepithel der Randkörper-Nische und ihrer zungenförmigen Deckplatte ist von dem gewöhnlichen Ektoderm nicht eben verschieden, und wenn auch die Bekleidung am Boden jener Nische sehr' kleinzellig wird, so habe ich dock keine Anhaltspunkte gefunden, welche berechtigten , dasselbe als Sinnesepithel zu deuten. Von besonderem Interesse, aber auch keineswegs so einfach und leicht eruirbar ist die Art und Weise, wie die Faserzüge des Nervenringes in den flachen schief conischen Basalabschnitt des Rand- körpers, welcher sich doch an der oberen Umbrellartläche erhebt, hineingelangen. Da der Nervenring, zwischen der Muskulatur ein- geschaltet, der Subumbrella aufliegt, so sollte man a priori erwarten, dass die Nervenelemente des Ringes, um zum Ektodermbelag des Randkörpers zu gelangen, sämmtliche Gewebe der Glockenwandr. also die Stützlamelle der Subumbrella, die beiden eventuell zum Gefässkäutchen verwachsenen Entodermschichten und schliesslich die Gallertsubstanz der Umbrella durchsetzen müssten. In Wahrheit aber stellt sieh das Verhältniss , zu dessen Feststellung man Serien von Quer- und Längsschnitten nöthig hat, viel ein- facher heraus. Die Faserzüge nebst eingeschalteten Ganglienzellen (247) 28 Dr. C. Claus: treten lediglich durch die Stützplatte hindurch , um sogleich im "Winkel des oben beschriebenen Nischenraumes zu dem Epithelial- belag an der unteren Fläche der Randkörperbasis zu gelangen. Zum richtigen Verständniss dieses Verhaltens ist es nothwendig vorauszuschicken, dass der Boden der Gefässnische, dessen Unter- fläche, das subumbrellare Randkörperfeld, der umbrellaren Gallert- substanz durchaus entbehrt , lediglich aus der einfachen , nach dem Ursprung des Frenulum stark verdickten Stützplatte der Subumbrella besteht , an der Aussenseite freilich vom Ektoderm überkleidet wird , welches sich direct in das Epithel der Seiten- wand und Decke des Nischenraumes fortsetzt. In der Flächen- sicht nimmt man von der unteren oder subumbrellaren Seite aus zwei breite, schwach bogenförmig geschwungene Streifen wahr, die unterhalb der Muskelausstrahlung des Velumbandes zusammen- laufen und das Randkörperfeld zierlich umrahmen (Fig. 41, V St). Es sind das zwei seitliche Verwachsungsstreifen , in welchen das Entoderm des Gefässraumes zu einem dünnen Gefässhäutchen ver- schmolzen und die Gallertsubstanz der Umbrella mit der Stütz- lamelle der Subumbrella verkittet ist. Für die Richtigkeit dieser Deutung liefert der Querschnitt den sichersten Beweis; man beobachtet die Gefässlamelle und die aufliegende Umbrellargallerte, welche an der Gefässseite von der umbrellaren Entodermlage bekleidet ist , an der entgegengesetzten freien Oberfläche das Ektodermepithel der seitlichen Nischenwand trägt. (Fig, 40 und 40'.) Vorn vereinigen sich beide Gefässplatten zur Bildung des unpaaren , bis zum Rande verlaufenden Verwachsungsstreifens, durch welche der marginale Abschnitt der Gefässtasche in zwei Hälften geschieden wird (Fig. 12, G L). Im Grunde der Nische aber scheinen beide Verwachsungsstreifen zu den Seiten des in den Rand- körper eintretenden Gefässes mit breiter Wölbung abzuschliessen. Zwischen den breiter vorgewölbten Rändern beider Ver- wachsungsstreifen entsendet die Gefässtasche eine weite trichter- förmige Vorstülpung in die Basis des Randkörpers, welche mehr dorsalwärts im Nischengrunde am Anfang der Gallertdecke ent- springt. Die Gefässausstülpung steigt nach der Umbrella zu aufwärts empor und bedingt eine tiefe, faltenartige Einbuchtung der Subum- brella am Rande des in die Glockenhöhle flach convex vorspringen- den Randkörperfeldes (Fig. 41 F). Somit kommt der Gefässfortsatz in einen flachen sich vorn conisch verjüngenden Vorsprung an der Unter- seite der Gallertdecke zu liegen, welcher nichts anderes als der Basal- abschnitt des Randkörpers ist und seiner Entstehung nach auf den (248) Ueber Charybdea marsupialis. 29- hinteren im Winkel der Nische gewissermassen emporgezogenen Abschnitt des subumbrellaren Nischenbodens zurückzuführen ist, welcher durch die obere Wand des Gefässes und die dasselbe um- rahmende Fortsetzung der Verwachsungsstreifen (Fig. 41, 43, VSt'} von der dorsalwärts anliegenden Gallertsubstanz der Umbrella vollständig gesondert ist. Dem entsprechend aber wird es klar, dass der von jeder Seite in die Basis des Randkörpers eintretende Theil des Nerven- rings lediglich die einfache Gallerte der Stützplatte zu durchsetzen hat, um zu dem aufliegenden Ektodermbelage derselben zu gelangen, und dass es lediglich die untere, dem Nischenboden zngekehrte Seite des Basalabschnitts der Randköper sein kann, an welcher der Bogen des Achsenstranges (Fig. 43), sowie die ausstrahlenden Fibrillenzüge ihre Lage haben. Entfernt man das subumbrellare Randkörperfeld und mit ihm den Nischenboden, so gewinnt man ein übersichtliches und zusammenhängendes Flächenbild von dem Durchtritt des Nervenringes und dem weiteren Verlauf seiner Faser- zage unter dem Ektoderm der freigelegten unteren Fläche des basalen Randkörperabschnitts, dessen Stützsubstanz nicht etwa einer Fortsetzung aus der umbrellaren Gallerte entspricht, sondern als Theil der subumbrellaren Stützlamelle zu betrachten ist. Die zur Aussenseite derselben hervorgetretene Partie des Nervenringes würdfr somit der Lage nach dem oberen Nervenring am Schirmrande der Craspedoten zu vergleichen sein, von dem 0. und R. Hertwig für Carmarina und die Geryoniden nachgewiesen haben, dass Faserzüge desselben die am Ursprünge des Velums auch hier von der umbrellaren Gallerte freie Stützlamelle durchsetzen und mit dem unteren Nervenring in Verbindung treten. Die Abweichung der Charybdea würde also im Grunde die sein, dass sämmtliche Faserzüge des oberen Nervenringes in den Radien der Randkörper zu dem unteren Nervenring hindurchtreten und daher von jenem nur vier kurze Bog-enstücke an der Aussenfläche der Stützlamelle erhalten bleiben. Demnach wird es zugleich in hohem Grade> wahrscheinlich, dass die weite Entfernung des Nervenrings und der Randkörper vom Schirmrande kein primärer Charakter ist, sondern in gleicher Weise wie die gesammte, denCharybdeiden eigen- artige Conformation des Scheibenrandes den Werth einer secundär erworbenen Eigenthümlichkeit besitzt. Die Randkörper, deren Bau mit denen der Schirmquallen so nahe verwandt ist, werden sich auch nach Lage und Ursprung auf den gleichen Ausgangspunkt zurückführen lassen müssen, und es gewinnt in dieser Beziehung (24'J) 30 Dr. C. Claus: meine schon vor Jahresfrist versuchte Zurückführung der Rand- lappen auf Abschnitte eines gespaltenen, von Gefässfortsätzen durchzogenen Velums neue Anhaltspunkte. lieber die Form und Gestaltung des Randkörpers, an welchem wir ausser dem besprochenen basalen Träger an der Nischendecke einen schlanken Stiel und ein kopft'örmig aufgetriebenes Endstück mit den eingelagerten Sinnesorganen unterscheiden, haben bereits Gegenbau r und Fr. Müller eine allgemeine Beschreibung gegeben und übereinstimmend einen engen Stielcanal dargestellt, welcher aus dem trichterförmigen Gefäss des Basalstücks hervor- geht. Querschnitte durch den Randkörperstiel zeigen an der unteren, dem Boden der Nische zugekehrten Stielfläche eine mächtige Ver- dickung, welche auf die starken, mit Ganglienzellen untermischten Fibrillenzüge der Randkörpernerven zurückzuführen sind. An der Ursprungsstelle des Stieles sind die beiden durch einen schmalen Streifen getrennten Nerven noch stark der Skeletgallerte einge- lagert, von der man hier nur die Grenze nach dem Entoderm zu als scharfe Linie erkennt. Nach der mittleren und oberen Partie des Stiels zu wird die Ektodermbekleidung auch an den Seiten des Stiels beträchtlich höher und gewinnt das Aussehen des hohen Geisseihaare tragenden Nervenepithels am Randkörperstiel der Acalephen. Dazu kommt, dass sich an diesen Theilen des Stiels die Nervenfasern mit untermischten Ganglienzellen auch über die Seiten nach der oberen Fläche hinaus breiten und unter- halb jenes Cylinderepithels eine tiefe fibrilläre Lage bilden (Fig. 45). Die Skeletgallerte wiederholt ganz Aussehen und Verhalten der sub- umbrellaren Stützsubstanz und ist nun auch an der unteren Seite des Stiels bis auf ein ihr eingelagertes Fibrillenbündel (Fig. 45, F b) nachgewiesenermassen von den Nervenfasern scharf abgehoben, freilich noch stark verdünnt. Wie der hohe Entodermbelag des Stielcanals und dessen ampullenförmiger Erweiterung im End- abschnitt des Randkörpers Cilien trägt, so scheint auch die Ober- fläche der hohen Ektodermbekleidung im lebenden Zustand zu wimpern. Wahrscheinlich ist jede Ektodermzelle mit einem Geissel- haar besetzt , da es mir an einem gut gehärteten Exemplare gelang , Reste der Geisseihaare an der Oberfläche des Epithels nachzuweisen. Nach Gegenbau r soll der Stiel des Randkörpers beweg- lich und contractu sein, wir würden alsdann wohl eine Lage von Muskelnbrillen an der Oberfläche des Skeletsrohrs zu erwarten und einen Theil der Elemente des Epithels als Myoblasten zu (250) Ueber Charybdea marsnpialis. 31 betrachten haben. In der That nimmt man am Querschnitt auf der Stützlamelle eine Reihe feiner Punkte wahr, die als Querschnitte von Muskelnbrillen gedeutet werden könnten. Den Kopf des Randkörpers beschreibt Gegenbau r „als von unregelmässig viereckiger oder ovaler Gestalt und schräg ge- stellter Längsachse". In der That ist derselbe am Ende des Stieles meist schräg und zwar bald nach links, bald nach rechts gestellt, bei jüngeren Exemplaren aber ziemlich genau in der Verlängerung der Längsachse des Stieles gerade nach vorne ge- richtet. Es weisen diese Lagenverschiedenheiten auf eine Lagen- verschiebung des Kopfes am Ende des Stieles hin, welche mit der Beweglichkeit und Contractilität des letzteren im Zusammen- hange stehen würde. Der Gefässraum ist der bedeutenden Auftreibung des kopfförmigen Eudabschnittes entsprechend ampullenförmig auf- getrieben, dagegen die Mesodermlage ausserordentlich verdünnt und zu einer zarten Stützmembran reducirt, andererseits die Ektoderm- wand, besonders an den Theilen, welche zu Ocellen umgestaltet sind, mächtig verdickt. Trotz der scheinbaren Unregelmässigkeit in der Form , die theils auf die wechselnde Lage, theils auf Grösse und Altersverschiedenheiten zurückzuführen ist, zeigt der Kopf- theil des Randkörpers eine ziemlich bestimmte, beinahe vollkommen symmetrische Gestalt. Man kann an demselben eine kurze obere, eine langausgedehnte untere und zwei ziemlich gleichartige Seitenflächen unterscheiden. An der ersten liegt die Eintritts- stelle des Stieles in einer ringförmigen Vertiefung, während die untere Wand durch die Vorragungen der zwei unpaaren Haupt- augen und an dem nach oben umgebogenen aufwärts gerichteten Ende durch die des Krystallsacks bezeichnet wird. An grossen Exemplaren erscheinen allerdings die beiden Hauptaugen mit ihrer Linse ein wenig nach der einen, der Krystallsack stärker nach der ent- gegengesetzten Seitenfläche verschoben , so dass die Symmetrie eine geringe Störung erfährt. Den Seitenflächen aber liegt jederseits ein grösseres, langgezogenes1) und ein kleineres, kürzeres Nebenauge auf, die sichbeide also rechts und links gleichmässig wiederholen (Fig. 42). Wenn Gegenbaur ausser den beiden grossen Augen noch ein drittes *) Ein auch Gegenbaur und Graeffe bekannter Pignientfleck. Vergl. Ed. Graeffe, Beobachtungen über Eadiaten und "Würmer von Nizza. Zürich 1858, pag. 34, Taf. Till, Fig. 2 y. Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass schon Dr. Graeffe aus der Complication der Sinnesorgane die Notwendigkeit der Existenz von Nerven ableitete, darin aber irrte, dass er das Stielgefäss für den Eandkörpernerven ausgab. (251) 32 Dr. C. Claus: kleineres Auge mit langem Pigmentstreifen und mehrere Pigment- flecken erwähnt, deren Gestalt und Lagerung durchaus unbeständig sei, und diese Unbeständigkeit sogar für die beiden grösseren Augen hervorhebt, so dass sich von den 8 Randkörpern der zwei von ihm untersuchten Exemplare von Charybdea marsupialis „kein völlig gleich zusammengesetztes Paar" gefanden habe, so muss ich dem gegenüber hervorheben, dass ich sämmtliche Randkörper nach Form, Zahl und Lage der 6 Augen im Wesentlichen übereinstim- mend fand (Fig. 42 a b c d). Ueber den bruchsackähnlich vorstehenden Krystallsack, dessen Inhalt man dem Otolithen der Hörblasen an die Seite stellt, habe ich bei Charybdea Beobachtungen gemacht, welche von denen über Acalephen in einigen Stücken abweichen. Nach dem, was mir über die Entstehungsweise der gleichen Gebilde bei Aurelia und Chrysaora bekannt geworden ist, glaube ich nicht zu irren, wenn ich die Krystalle als Bildungen von Entodermzellen und den vermeintlichen Sack, welchem das hier aus Plattenzellen bestehende Ektoderm auflagert, als Fortsetzung der Stützlamelle betrachte. Für die Acalephen lässt sich dies Verhältniss — und meine Be- obachtungen befinden sich in vollständiger Uebereinstimmung mit den von 0. und R. Hertwig für Nausithoe gemachten An- gaben — sehr bestimmt nachweisen. Man verfolgt nicht nur die Fortsetzung der Stützlamelle als zartes Häutchen über die Krystall- masse hinaus, sondern überzeugt sich auch an Ephyren und Jugend- formen von Aurelia, dass jeder Kr y st all in einer Zelle entsteht, die nach Einwirkung von sehr verdünnter Osmiumsäure im Umkreis des mehr und mehr schwindenden Krystalls als kern- haltiges Bläschen hervortritt, ganz ähnlich wie auch bei den Craspedoten, z.B. Aequorea und Tima, jedes Concrement des Randbläschens in einer freilich dem Ektoderm entstammten Zelle der Bläschenwand seine Entstehung nimmt. Bei Charybdea handelt es sich aber in der That um einen wahren Sack, welcher auch nach dem Gefässraume zu durch eine structurlose Wand, um welche sich das Entoderm zurückschlägt, vollkommen abgeschlossen ist (Fig. 42 d). Dazu kommt, dass der Inhalt des Sackes nicht wie bei den Acalephen aus unzählig kleinen, dicht gehäuften Krystallen besteht, sondern eine feste zusammenhängende krystalli- nische Masse von concentrisch strahligem , radiär geklüfteten Ge- füge darstellt. Der mächtige Otolith ist demgemäss als einheit- liche Bildung aufzufassen , dessen auseinander gesprengte Theil- stücke allerdings unregelmässige oder trigonale Begrenzungsflächen 252 > Ueber Charybdea marstipialis. 33 bieten, aber nicht selbstständige Krystalle sind. Auch chemisch unterscheidet sich derselbe von den Krystallen in den Randkörpern von Aurelia, Chrysaora etc. durch das Verhalten gegen Säuren , indem er von schwachen Säuren, wie Essigsäure, Osmium- säure nicht angegriffen, dagegen von concentrirter Salpetersäure unter Gasentwicklung gelöst wird. Ueber die Nervenelemente, welche zu dem E'.rystallsack in Beziehung stehen, bin ich zu keinem sicheren Ergebnisse gelangt. Die vorgewölbte Fläche ist bis auf die ringförmig eingeschnürte Basis von grossen Plattenzellen über- lagert; nur am Grunde werden die Zellen höher und wahrschein- lich sind es diese zu Sinneszellen umgestalteten Ektodermzellen, welche die Perception einer von der Wirkung des Krystallsacks beeinflussten Sinnesenergie vermitteln. Dass durch den freilich nur wenig angeschwollenen Endabschnitt des Acalephen - Rand- körpers dieselbe Sinnesperception vermittelt wird, kann bei dem ähn- lichen Bau nicht bezweifelt werden, und wenn ich für diese seither die Function der Krystallanhäufung ausschliesslich im Zusammen- hang mit der anliegenden Pigmentanhäufung beurthetlt und das Randkörperchen von Aurelia schlechthin als Auge gedeutet habe, so zeigt wiederum Charybdea, deren Randkörper mehrere wohl gesonderte, mit eigenen lichtbrechenden Körpern versehene Augen tragen, dass wir den Krystallsack mit dem zunächst an- grenzenden Nervenepithel des Ektoderms als selbständiges Sinnes- organ zu betrachten haben. Viel klarer stellt sich das Verhältnis.* der Nervenelemente an den als Augen zu deutenden Pigment-Einlagerungen heraus, an deren Oberfläche eine lichtbrechende Linse, tief in das Innere der Pigmentmasse eingesenkt, eine stark convexe Vorwölbung veranlasst. Wie am Krystallsack, so wird auch der Ektoderm- überzug der Linse aus dünnen Plattenzellen gebildet, im Gegensatz zn den relativ hohen und kleinen Zellen, welche die übrigen Partien der verdickten Wandung bekleiden und nach der partiellen Bewimperung zu urtheilen , welche die Oberfläche des Rand- körperkopfes am lebenden Thiere zeigen soll, Geisseihaare tragen. Die bedeutende Dicke dieser ektodermalen Lage wird aber zum guten Theil durch die tiefer liegenden Fibrillenzüge und Ganglien- zellen veranlasst, die sich an verschiedenen Stellen zur Bildung förmlicher Ganglienkerne anhäufen. Dazu kommt, dass jedes Auge auf eine becherförmige Einstülpung der Ektodermwand zurückzu- führen ist , in welcher wenigstens an den grossen Hauptaugen eine Linse einwucherte. Von dem speciellen Verlauf der in den Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 1° 34 Dr. C. Claus: Randkörperkopf' eintretenden Faserzüge, welche nach verschiedenen Richtungen durcheinanderlaufen und eine Reihe von sich kreuzen- den Faserbündeln zusammensetzen, ist es schwer, eine genaue Vorstellung zu gewinnen. So viel aber lässt sich alsbald feststellen, dass auch für den Verlauf der Fibrillenzüge an beiden Seitenflächen eine gewisse Symmetrie zur Durchführung kommt, wenngleich an einer und zwar der rechten Seitenfläche, welche bei auffallendem Lichte heller (Fig. 42b) als die linke (Fig. 42c) erscheint, die Faser- masse im Vergleich zu den Ganglienzellen vorzuwalten scheint. Die sechs Augen, welche im Ektoderm des Randkörperkopfes eingelagert sind, stimmen nach Bau und Structur im Wesentlichen überein und lassen sich auf gruben- oder becherförmige Einstül- pungen des stark verdickten Ektoderms zurückführen, deren Raum peripherisch von einer hellen, lichtbrechenden Substanz, dem Glas- kör p e r , im Centrum aber von einer mächtigen Linse erfüllt wird. Dieselbe ragt mit convexer Fläche nach aussen hervor und wird hier von dem dünnen Plattenepithel überkleidet, weit stärker aber ist ihre hintere Fläche gewölbt. Nach dem angrenzenden, die Zwischenfelder der Augen bekleidenden Epithel , welches zum grössten Theil die Eigenschaften eines Nervenepithels besitzt, ist jedes Auge scharf abgegrenzt , und lassen sich wenigstens die beiden grossen, stark vorspringenden Augen, deren Linsenachsen unter einander einen nahezu rechten Winkel bilden , als grosse kugelige Körper isoliren. Da auch die lichtbrechenden Medien der kleineren paarigen Seitenaugen nach beiden Seiten symmetrisch verschiedenen Richtungen zugekehrt sind, und zwar die vorderen langgestreckten Seitenaugen schräg nach vorn gerichtet sind, die kleineren hinteren dagegen mehr die Flächenstellung einhalten, so erhalten wir einen aus sechs Abschnitten zusammengesetzten Augencomplex , der um so bestimmter einem einheitlichen Seh- apparat entspricht , als die zugehörigen Ganglienzellen ^an die Ganglienzellen in der Retina der Vertebraten erinnernd) einem gemeinsamen bogenförmigen Ganglienkerne angehören , welcher in dem stark vorspringenden Hinterwulste seine Lage hat (Fig. 42 d H. W. Fig. 43, B g k). Die betreffenden Ganglienzellen zeichnen sich durch die bedeutende Grösse ihres rundlichen Kernes mit glänzenden Kernkörperchen aus und liegen wie die grossen ganz ähnlichen Ganglienzellen des Radialganglions in hellen Räumen eingebettet (Fig. 46, G z). Der feinkörnige Protoplasmakörper lässt mehr oder minder deutlich mehrere Ausläufer erkennen , so dass es sich wohl grösstenteils um multipolare Ganglienzellen (254) Ueber Charybdea marsupialis. 35 handelt. Zwischen denselben aber finden sich auch kleine, mehr spindelförmige Ganglienzellen mit ebenfalls bläschenförmigem Kern, die, wie es scheint, nur zwei Fortsätze entsenden. Endlich ist zwischen dem bogenförmigen, seitwärts bis in die Gegend des hinteren kleinen Augenpaares herabreichenden Ganglien- kerne und dem hinteren Medianauge unterhalb des Epithels eine höchst eigenthümliche Ausfüllungsmasse von Zellen gelagert, welche an die Parenchymzellen von Plattwürmern erinnern, jeden- falls nicht mit Ganglienzellen verwechselt werden können (Fig. 43 und Fig. 48, F M). Die Bedeutung dieser grossen, schön begrenzten Zellen, deren grobgranulirtes Plasma einen verhältnissmässig kleinen Kern umschliesst, erscheint nicht vollkommen klar. Wenn wir jedoch in's Auge fassen, dass die als Stützzellen unterschiedene Formation von Ektodermzellen in der Substanz des gehirnartig angeschwollenen, so complicirt differenzirten Nervencentrums eine grosse Rolle spielt, indem sie durch die Dicke des Ektoderms eine Menge von Fasern entsendet, welche wenigstens physiologisch als eine Art ektodermaler Stütz- oder Bindesubstanz betrachtet werden können, so werden wir vielleicht geneigt sein, auch den Zellen der Füllungsmasse eine ähnliche Bedeutung beizulegen, zumal es lediglich eine theoretische, in Wahrheit unbewiesene Voraussetzung ist, dass Gewebsformen vom Werthe der Binde- .substanz ausschliesslich als Mesodermbildungen entstanden sein könnten. Höchst complicirt aber sind die Faserzüge, welche zum Theil von den erwähnten Ganglienzellen aus, in der Tiefe des Nervenepithels schräg sich kreuzend, nach den verschiedenen Augen hin verlaufen und dann im Umkreise der letzteren als eine Art Retina in die radiär gestellten Stäbchenzellen einstrahlen. Um eine Vorstellung von der für den Organismus einer Qualle in der That erstaunlichen Complication dieses mächtigen Nerven- apparates zu geben, habe ich ein Bruchstück von einem schrägen Querschnitt durch die Gegend der beiden Seitenaugen des Rand- körpers abgebildet, ohne zur Zeit im Stande zu sein, das Detail derselben ausreichend erklären zu können (Fig. 46). Dazu kommt noch die mächtige, von kleinen Ganglienzellen durchsetzte Fibrillen- masse , welche die wenngleich minder hochgewölbte Auftreibung an der oberen Randkörperfläche (Fig. 48, OW) veranlasst. Wahrscheinlich strahlen die aus dem Stiel eintretenden Nervenfasern grösstenteils in diesen obern und in den bogen- förmigen Gangiienkern ein, und laufen von da zu Bündeln in ver- schiedenen bestimmten Richtungen sowohl nach den Endapparaten 18* <2551 36 Dr. C. Claus: der Sinnesorgane als zu dem oberflächlichen Nervenepithel. In diesem aber scheinen auch wieder die Stützzellen eine grosse Rolle zu spielen, deren Ausläufer zu derben Fasern sich verlängern, welche, wie oben erwähnt, in dem complicirten Nervenapparat gewissermassen die Rolle der Bindesubstanz spielen und wohl auch die schärfere Umgrenzung der die grossen Ganglienzellen bergenden Räume veranlassen möchten. Jedenfalls werden zahlreiche systematisch ausgeführte Schnittreihen in Verbindung mit Zerzupf- und Mace- rationspräparaten noth wendig sein, um ein endetaillirten Einblick in Verlauf und Zusammenhang der Fasersysteme zu ermöglichen. Betrachten wir den Bau und die histologische Structur der Einzelaugen , so werden wir wiederum durch eine Complication überrascht, die nicht nur weit über das hinausgreift, was bislang von entsprechenden Sinnesorganen auf dem Coelenteratengebiete bekannt war, sondern geradezu die wesentlichsten Theile des Auges höherer Thiere wiederholt. Einfacher als die beiden grossen Medianaugen und gewissermassen die Entstehungsweise jener er- läuternd, erscheinen die paarigen Seitenaugen (Fig. 46, 0 und 0')r welche auf der Stufe der becherförmigen Einstülpung stehen ge- blieben sind, indem sie als Füllung des Becherraumes eine licht- brechende , nach aussen vorragende Gallertsubstanz enthalten, dagegen keine wahre Linse gebildet haben. Bezüglich der Elemente, welche die "Wandung des flachen Bechers bilden , so bestehen dieselben aus Pigmentzellen und Stäbchenzellen , welche wie Stützzellen und Nervenzellen des Epithels mit einander wechseln. Ganz entsprechend halten die ersteren eine mehr oberflächliche Lage ein und sind breite , mit braunrothen Pigmentkörnern gefüllte Cylinderzellen , die nur den vorderen Abschnitt der Nervenzellen umlagern. Diese viel län- geren Stäbchenzellen bilden eine hohe, unter die Pigmentregion herabreichende Zellenlage, deren rundlich ovale Kerne in mehrere Reihen geschichtet über einander liegen. Ich bezweifle auch nicht,, dass die tieferen Kerne einer von der Oberfläche ganz gesonderten Schicht kleiner Ganglienzellen angehören , in welche zunächst die anliegenden Fibrillen der Nervenfaserschicht eintreten. Auch die kleinen Augen von Lizzia besitzen nach 0. und R. Hertwig tiefere Ganglienzellen , die an Macerationspräparaten als kleine sternförmige Zellen mit zahlreichen feinen Ausläufern nachgewiesen wurden und „an der Basis der Sehzellen zu liegen scheinen". An den ungleich grösseren Medianaugen dagegen hat sich die Vorderwand der Einstülpung geschlossen und nicht nur eine (256) Ueber Charybdea raarsupialis. 37 äussere epitheliale Bekleidung von dünnen, zarten Plattenzellen, sondern unterhalb dieser eine mächtige Linse erzeugt, welche in die ausgeschiedene Substanz des Glaskörpers eingewachsen, die Hauptmasse zur Füllung der tief ausgehöhlten Becherwand liefert (Fig. 48). Ich war im hohen Grade überrascht, sowohl einen dünnen Zellenbelag als äussere Bekleidung der Linse und der vorde- ren Becherwand, als auch eine zellige Structur an der Substanz der Linse zu finden, da der linsenartige Körper im Auge von Lizzia und Nausitlioe nach 0. und R. Hertwig als Ausscheidung entsteht und als Verdickung des cuticularen Saumes, welcher die Zellen des Auges bekleidet, betrachtet wird. Es würde sich hier also um ein Verhältniss handeln, welches morphologisch dem der kleinen Seitenaugen von Ckarybdea an die Seite zu stellen wäre. In der That ist die Linse der beiden Medianaugen nicht nur aus Zellen gebildet, sondern diese sind zu langen Fasern ausgezogen und zeigen eine Anordnung, welche an die Zusammensetzung der Yertebratenlinse erinnern. Aeusserlich von einer feinkörnigen, ziemlich dicken Kapsel umschlossen, liegen sie im Umkreis der Achse in meridionaler Richtung der Art angeordnet, dass die peripherischen Zellen die bei weitem grösste Länge erreichen, die centralen mit der Annäherung an die Axe kürzer werden und -einen geringeren Bogen beschreiben. Die grossen Kerne dieser langen, zugleich etwas gedrehten Zellprismen liegen theils peri- pherisch , theils in der Tiefe (Fig. 48, L s). In dem hintern Auge wird die Substanz der Linse von einer knopfförmigen Verdickung des Mesoderms gestützt, welches nebst einem Divertikel des Ge- fässraumes die Wand des Auges durchsetzt (Fig. 48). Im conservirten. Zustande zeigt die Substanz der Linsenzellen eine feinstreifig granu- lirte Beschaffenheit und ein ziemlich starkes Lichtbrechungs- vermögen. Mit Carmin färbt sich dieselbe ebenso wie die wohl durch Ausscheidung der Linsenzellen erzeugte Substanz der Linsen- kapsel. Noch schwächer tingirt sich die gelbliche, mit zahlreichen Tröpfchen erfüllte Substanz des Glaskörpers (Glk), welche in ähn- licher Weise als Ausscheidungsproduct der unterliegenden Zellen entstanden ist und als solches von den Pigmentzellen aus Pigment- streifen in grosser Zahl mit aufgenommen hat (Fig. 48, Pg). Die Wand des Augenbechers verhält sich im Wesentlichen wie die der kleinern Seitenaugen, doch bildet der obere Abschnitt derselben einen hohen scharf begrenzten Saum , welcher lediglich aus Pigmentzellen besteht und über den Rand der Linse hinaus- ragend, geradezu einer Iris verglichen werden kann. (257) 38 Dr. C. Claus: Wenn die Charybdeiden in der Bildung des Nervensystems an die Hydroidmednsen anschliessen, so vermittelt andererseits der Bau der Randkörper, welche wie die der Acalephen auf modi- ficirte , zu Sinnesorganen umgestaltete Tentakeln zurückzuführen sind , eine nahe Beziehung zu dem Organismus dieser letzteren grossen Medusengruppe. Bezüglich der Lage der Randkörper in überdachten, vom Schirmrand weit entfernten Nischenräumen haben wir bereits abzuleiten versucht, dass diese Differenz von den Acalephen im Grunde keine so wesentliche Bedeutung hat, da die Ursprungsstelle der Randkörper auch bei Charybdea der Subumbrellarseite des Schirmrandes angehört. Dem Baue nach entsprechen die ebenfalls von Lappenfortsätzen der Schirmsubstanz überwachsenen Randkörper der Acalephen durchaus denen der Charybdea, welche freilich eine weit höhere Differenzirung des Nerven- und Sinnesapparates zur Ausbildung gebracht haben.. Auch an dem in einen Nischenraum eingetretenen Randkörper der Aurelia, Pelagia, Rhizostoma unterscheiden wir 1 . den auf der oberen Mäche angewachsenen, schräg kegelförmigen Basal- abschnitt , 2. den freien Stiel , 3. den freilich nur wenig ange- schwollenen Endkopf mit dem Krystallsack und dem freilich ein- fachen, einer lichtbrechenden Linse entbehrenden Augenfleck. Auch histologisch treffen wir am Querschnitt dieselben Gewebsschichten, und zwar die Elemente des verdickten Ektoderms in mehr gleich- massiger einfacher Gestaltung an. Oberhalb der relativ starken, auf der Stützplatte gelagerten Fibrillenschichte beobachten wir ein sehr hohes Geisselepithel, dessen Elemente an Grösse hinter den ent- sprechenden der Charybdea weit zurückstehen, dieselben jedoch wiederum der Zahl nach bedeutend übertreffen. Von den Stützzellen abgesehen, die eine mehr oberflächliche Lage einhalten, liegen die klei- nen Kerne der hohen, in zarte Stäbchen ausgezogenen Nervenzellen in mehreren Reihen geschichtet. Indessen gehören die theilweise durch bedeutendere Grösse ausgezeichneten tiefen Kerne nicht mehr den Stäbchenzellen, sondern besonderen von der Oberfläche herab- gerückten Ganglienzellen an, wie wir sie auch am Randkörperstiel der Charybdea, wenngleich mehr in dieFibrillenschicht selbst herab- gerückt kennen gelernt haben. Es handelt sich hier um ein Verhält- niss, in dessen Beurtheilung ich den Ansichten 0. und R. Hertwig's entschieden gegenüberstehe. Während diese beiden Forscher sämmt- liche Kerne des geschichteten Nervenepithels auf die Zellen des- selben beziehen und demgemäss das Nervensystem der Acraspeden lediglich aus Sinneszellen und der dicken Schicht feinster Nerven- (258) Ueber Charybdea marsupialis. 3;> fibrillen bestehen lassen, so dass sich die Nervenfaserschicht nur aus den Ausläufern der Epithelzellen zusammensetze, sind nach meinen Beobachtungen, wie bei den Craspedoten, so auch hier eine Menge allerdings relativ kleiner, tief liegender Ganglienzellen vor- handen. Nicht nur der erstaunliche Reichthum von grossen moto- rischen Ganglienzellen, welche sich als Theile des peripherischen Nervensystems ganz ähnlich denen von Charybdea und der Craspedoten an der Musculatur ausbreiten, auch eine Menge kleiner, mit den Sinnesorganen in näherer Beziehung stehender Ganglienzellen beweisen für das Nervensystem der Craspedoten eine ähnliche histologische Differenzirung und keineswegs eine so viel tiefere, sondern lediglich eine auch im Zusammenhang mit der viel bedeutenderen Grösse modificirte Entwicklungsstufe. In Wahr- heit scheint nicht nur der motorische, sondern auch der sensible Ganglienapparat der Acalephen jenen Beobachtern entgangen, und fallen demgemäss auch die Schlüsse, welche aus der vermeintlich einfacheren Gestaltung des Nervensystems auf die viel niederere Entwicklungsstufe der Acalephen den Craspedoten gegenüber ab- geleitet wurden. Jedenfalls sind die Charybdeen für das Verständ- niss des Nervensystems der Acalephen im Vergleich zu dem der Craspedoten höchst bemerkenswerth , repräsentiren aber eine un- gleich höher ausgebildete Entwicklungsstufe und stehen durch diese am höchsten unter allen Medusen. Das Stützgewebe. Die Gallertsubstanz der Charybdea entbehrt trotz der relativ zähen Consistenz ebenso wie die Schirmgallerte der Cyanea, Pelagia, Chrysaora etc. jeglicher Zellenelemente, wie schon Kölliker1) berichtet hat. Jene ovalen oder stern- förmigen Zellen, welche in so reicher Menge die Schirmgallerte von Rhizostoma, Aurelia und Discomedusa durchsetzen und wie ich hinzufügen kann, im lebenden Organismus unter leb- haften amöboiden Bewegungen ihre Lage verändern und an manchen Stellen nach eingezogenen Eortsätzen in Propagation und Theilung begriffen sind, fehlen hier durchweg. Um so reicher wird die Gallerte von feinen, an elastische Fasern erinnernden Fibrillen durchsetzt, welche, als Verdichtungen in der Grundsubstanz entstanden, die Rigidität der letzteren wesentlich erhöhen und auch in den festeren Partien derselben am reichsten zur Entwicklung kommen. Netze und membranöse ') A. Kölliker, Icones histiologicae, 2. Abth., 1. Heft, pag. 99. (259> 40 Dr. C. Claus: Platten, wie wir sie bei Rhizostoma , Cephea u. s. w. an- treffen, treten hier nicht auf. Die Fibrillen sind überall senkrecht ausgespannt und theilen sich in einiger Entfernung von der ektodermalen Oberfläche der Gallertsubstanz in zwei oder drei feine auseinander weichende Endfasern, an denen sich jedoch oft die Theilung wiederholt. Häufig erscheinen die Fibrillen in Folge der Schrumpfung (in starkem Alkohol), beziehungsweise Faltung der Grundsubstanz wie gedrillt oder regelmässig spiral gedreht, im natürlichen Stande sind dieselben dagegen wie straffe Fäden ausgespannt. Am dichtesten gehäuft treten sie unterhalb der Längsfurchen auf, welche sowohl an der äusseren Oberfläche der Schirmsubstanz (Kantenfurchen) als an der entoder- malen Seite derselben (Gefässf lirchen) zur Erscheinung kommen. An diesen Stellen convergiren die dichten Fibrillenziige nach der Richtung der Rinne, welche auf eine Zusammenziehung in der Substanz der Gallerte zurückzuführen sein möchte. Unter der rinnenförmigen Vertiefung, in welche sich' die Randkörpernische der Umbrella fortsetzt, markirt sich sogar nach der Tinction mit Carmin ein viel intensiver gefärbter, bis zur Mitte der Gefäss- lamelle reichender Verdichtungs-Streifen der Gallert (Fig. 12, GS), welcher an diesem Orte die Fibrillenziige fehlen. Man sieht also, dass die äussere und innere Configuration des Medusenkörpers *) durch besondere Abänderungen in der Beschaffenheit des Gallert- skelets mit bedingt wird. Als verdichtete Grenzlage haben wir auch die oberflächliche structurlose Membran aufzufassen, die sich in gleicher Weise viel intensiver färbt, sich auch leicht von der Gallerte abtrennen und isoliren lässt. Uebrigens findet sich auch an der entodermaien Fläche eine ähnliche, wenngleich zartere Grenzmembran , die sich zwar nicht so leicht gesondert darstellen lässt, aber nach der Tinction als intensiver gefärbter Saum scharf abhebt. Ungleich dichter und fester als die hohe , relativ wasser- reiche Gallerte der Umbrella erscheint die Stützplatte der Subum- brella und ihrer Fortsetzung, des Velums. Während hier die elastischen Fibrillenziige der Schirmgallerte durchaus fehlen, markirt sich auf circulären, dem Verlaufe der quergestreiften Ringmuskeln parallel ausgeführten Querschnitten (Fig. 23, 27), in der dichten, ') Ganz Aehnliches wiederholt sich an den Faltenbildungen von Chrysaora. Hier markiren sich an der umbrellaren Wand des Magens und der Magentaschen eine Ringfalte und 16 Radialfalten, die lediglich durch die starken Fibrillenziige der Gallertsubstanz veranlasst werden. (260) Ueber Charybdea raarsupialis. 41 mittelst Osmium dunkler gefärbten Stützsubstanz eine eigenthüm- liche, senkrecht zum Verlaufe der Muskeltibrillen gerichtete, höchst ausgeprägte Streuung. An manchen Stellen und gerade da, wo die Wirkung der Ringmusculatur eine beschränktereist, wie unterhalb des Nervenringes und der Radialfasern, fehlt die Streifung ganz oder tritt doch nur undeutlich hervor, dagegen nimmt man hier in der Substanz der Lamelle eine durch zickzackförmige Streifen markirte horizontale Schichtung (Fig. 23) wahr, die weniger deutlich auch in den durch senkrechte Streifung bezeichneten Partien der Stütz- platte wiederkehrt. An Flächenbildern treten an Stelle der senk- rechten Streifen longitudinale. untereinander parallel, zu den Ring- muskelfasern rechtwinklig verlaufende Linien auf, welche regel- mässigen kantigen Vorsprüngen der Substanz zu entsprechen scheinen, nach denen sich die horizontale Schichtung in zikzak- förmigen Streifen wiederholt. Es handelt sich somit wohl um eine unter dem Einfluss der Muskelwirkung durch Druck veranlasste Faltung der geschichteten Theilchen. Auch fehlt diese Faltung in der Substanz der senkrechten Erhebungen Frenula ) und insbesondere der Septen i^Fig. 27, Sp) der Stützlamelle, welche in den Radien der Kanten wülste durch schmale Gefässplättcken (G p) mit der umbrel- laren Gallert verschmolzen sind und die vier Verwachsungsstreifen erzeugen. Ebenso bleibt die Stützplatte des Segels von derselben frei , höchstens dass die dem Muskelbelage zugewendete Lamelle unterhalb der Velumgefässe Andeutungen derselben darbietet. Es ist überaus bemerkenswerth , dass die hohe Gallerte der Umbrella am Rande der Glocke nicht etwa direct in die Sub- stanz der vereinigten Stützlamelle von Velum und Subumbrella übergeht. Vielmehr erhebt sich die Fortsetzung der letzteren noch über den Glockenrand hinaus auf die obere Fläche (Fig. 40). Färbt man mit Osmium und Carmin , so erscheinen beide ver- schieden tingirbaren Substanzen nicht nur der Färbung nach ge- sondert, es bildet auch ein schmaler, ringförmiger Parenchym- streifen , welcher die Gallert senkrecht vom Ektoderm bis zum Entoderm durchsetzt, eine Art Scheidewand. Ihrer Entstehung nach ist dieselbe nichts anderes, als eine verwachsene Gefässfalte, also eine Art Verwachsungstreifen , welcher am Ursprung der Velumgefässe in diese bogenförmig vorspringt und möglicherweise das Rudiment eines obliterirten Ringgefässes vorstellt. Ausläufer der subumbrellaren Stützsubstanz erstrecken sich in die Magenfilamente und in die Genitalplatten. An den letzteren bilden sie eine regelmässige Reihe von kegelförmigen Zapfen, (261) 42 Dr. C. Claus: mittelst deren jede Genitalplatte wie durch eine Reihe von Stiften am Septnm suspendirt ist. Wiederum verschieden verhält sich die Gallertsubstanz der Schirmlappen. In der Umgebung des Gefässcanals stark verdickt und von zäher Consistenz, sowie von einem dichten verzweigten Fibrillenwerk durchsetzt , wird sie in beiden dünnen Segellappen nach dem Rande zu zarter und an Fibrillen ärmer, dagegen nimmt dieselbe an den Tentakeln mehr die Beschaffenheit der subum- brellaren Stützsubstanz an, färbt sich intensiver und erzeugt keine den Fasern der Schirmgallerte ähnlichen Fibrillen. Die Querringe, die man an der Tentakeloberfläche beobachtet, werden von ring- förmigen Lamellen gestützt, in welchen sich die Wand des die Längsmusculatur umschliessenden Mesodermrohres erhebt. Aber auch an der Innenfläche werden ringförmige Blätter erzeugt , um welche sich das Entoderm faltet. Am Längsschnitt (Fig. 25) überzeugt man sich mit Bestimmtheit, dass an der Aussenfläche höhere und niedere Ringfalten ziemlich regelmässig alterniren und dass auch die ringförmigen Verdickungen der Innenseite paarweise zusammengehören. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass diese so mächtig hervortretenden Erhebungen zum guten Theil Folge des Contractionszustandes sind, in welchem der Ten- takel des conservirten Objectes zur Untersuchung gelangt, wäh- rend im Leben, wenn sich der Tentakel zu so ausserordentlicher Länge streckt, die äusseren und inneren Ringfalten flacher werden, beziehungsweise ganz verschwinden. Entoderm. Als Entodermbildungen haben wir ausser der gesammten Epithelialbekleidung der Magenhöhle und der Gefässräume, sowie der unteren oder oralen Fläche der Mundarme das zarte, beide Gallert- lagen vereinigende, als Gefässplatte bezeichnete Zellenhäutchen, sowie das Epithel der Gastralfilamente und der Genitallamellen, endlich das Keimlager im Innern dieser zu betrachten, letzteres freilich unter der Voraussetzung, dass nicht während der Gallert- ausscheidung ektodermale Zellgruppen als Anlagen der Keimzellen in Entodermfalten eingedrungen sind. Die Beschaffenheit des Entodermepithels wechselt je nach der besonderen Oertlichkeit ausserordentlich. Im Allgemeinen kann man hervorheben, dass bei den Craspedoten die obere, der Umbrella anliegende Entodermlage aus flachen Zellen, die untere oder subumbrellare Bekleidung aus Cylinderzellen besteht, (262) Ueber Charybdea marsupialis. 43 ein Unterschied, der zuerst von E. H a e c k e 1 für die G e r y o n i d e n und Aeginiden beobachtet wurde. Relativ am wenigsten mar- kirt erscheint der Entodermbelag der Gefässtaschen. Die Zellen sowohl des flachen Umbrellarbelages als der höheren Bekleidung der subumbrellaren Stützlamelle enthalten ein körnchenreiches Plasma und sind wohl ausnahmslos Geisselzellen. Zwischen denselben rindet man in grosser Zahl helle, bauchig aufgetriebene Becherzellen, welche an manchen Stellen blasig hervorragen und den blasigen Becherzellen im Ektoderm überaus ähnlich sehen. Dieselben sind mit einer hellen, körnchenhaltigen Flüssigkeit gefüllt, die hier und da an der offenen Mündung hervortritt. Von besonderem Interesse sind die Abänderungen, welche das Epithel an den Verwachsungsstellen erfährt, an welchen die Sub- stanz der Schirmgallerte mit der subumbrellaren Stützlamelle in feste Verbindung tritt, und somit der gastrale Raum zur Obliteration kommt. Im Gegensatze zu den Acalephen und Craspedoten sind die Verwachsungsstellen überaus schmale Streifen und daher die den radiären Gefässen der übrigen Medusen entsprechenden Räume, ähnlich wie bei Lucernaria, sehr breite Gefässtaschen, deren distaler Abschnitt aber wiederum unterhalb des Randkörper- ursprungs durch einen bis zum Glockenrande reichenden, etwas breiteren Verwachsungsstreifen in zwei Hälften gesondert wird. Wir haben es hier, freilich in höchst beschränkter Ausdehnung, mit genau denselben Geweben zu thun, welche bei den Acalephen als ein ausgedehntes Zellennetz (Kölliker) in der Ebene der Gefässe zwischen denselben in der Gallerte ausgespannt liegt und die Grenze zwischen dieser und der Stützlamelle der Umbrella bildet, bei den Hydroidmedusen oder Craspedoten aber als eine die Unter- seite der Umbrella bekleidende Lage von Plattenzellen beschrieben und als unteres Epithel der Umbrella gedeutet werden konnte. Dass dieses zarte Zellenhäutchen eine Entodermbildung ist und als „Gefässlamelle" den beiden aneinander gepressten Zellenlagen entspricht, habe ich sowohl für die Acalephen unter Hinweis auf Agassiz"s Auffassung dargethan, als später für die Siphono- phoren und Craspedoten x) an Knospenquerschnitten direct be- wiesen, indem ich zeigte, dass aus dem ursprünglichen Hohlbecher- raum der polypenförmigen Medusen nicht durch Ausstülpung, son- ') C. Claus, üeber Haiistemma tergestinum. 1. c. pag. 29—32, Taf. 1. Fig. 10-17. (263) 44 Dr. C. Claus: dem durch Obliteration intermediärer Abschnitte der G-efässapparat der Meduse zur Sonderung J) gelangt. Während man auf Querschnitten älterer Medusenknospen und selbst junger, noch festsitzender Medusen beide Entoderm- lagen der Gefässplatte bestimmt erkennt, scheint freilich im aus- gebildeten Zustande dieser Nachweis schwieriger. Man glaubt viel- mehr eine einfache Schicht von flachen unregelmässigen Zellen zu sehen. An der schmalen Gefässlamelle von Charybdea aber gelingt es nicht schwer, sich zu überzeugen, dass in den unregel- mässig polygonalen Feldern an vielen Stellen zwei Kerne neben einander oder schräg übereinander liegen, die zumal bei der ver- schiedenen Höhe ihrer Lagerung darthun , dass es sich um zwei dünne, aufeinander gepresste Zellenlagen handelt. Ein höchst zierliches Bild (Fig. 31 und 32) bieten die eigenthümlichen , Tra- cheennetzen vergleichbaren Figuren, durch welche die polygonalen Felder, wenngleich nur an manchen Stellen vollständig begrenzt werden. Es sind zahlreiche stiftchenähnliche Verdickungen, welche von der Zellwandung in eine schmale Zwischensubstanz eingreifen, die in der Höhe der aufeinander gepressten Zellenplatten beide Gallertschichten gewissermassen als Kitt verbindet und selbst nichts als intercelluläre Stützsubstanz ist (Fig. 32). Auf den Flächen der Zellplättchen fehlen diese Gebilde durchaus. Für die Acalephen wurde die Gefässplatte, wie bereits erwähnt, von Kölliker2) als „ein dichtes Netz sternförmiger Zellen" oder als „ein System von Canälchen mit Kernen an Ver- bindungstellen" beschrieben, welches zur Ernährung der wichtigen Muskel- und Nervenelemente an der unteren Scheibe in Beziehung stehe. Da jedoch für die in einfacher Schicht gelegenen Elemente keine offene Verbindung mit den angrenzenden Gefässen nach- gewiesen werden konnte, trug Kölliker Bedenken, dasselbe geradezu als eine Art von Capillargefässen für den Nahrungssaft zu betrachten. Meine eigenen Beobachtungen haben jedoch darge- than , dass eine solche directe Verbindung mit den Wandungen der anstossenden Gefässe besteht , und dass bei Chrysaora3) ') Wie ich sehe, sind inzwischen auch 0. und R. Hertwig für die Hydroid- quallen zu gleicher Auffassung gelangt, weichen aber in der Deutung des Ring- gefässes ab, welches sie irrthümlicli als persistireuden Theil der primären Höhle betrachten, während sich in der That das Lumen desselben erst später secundär ausbildet. 2) Icones histiologicae, Part. II, pag. 109. 3) C. Clau s, Studien über Polypen und Quallen derAdria, Taf. XX., Fig. -10, 4L. (264) Ueber Charybdea marsapialis. 45 in der Tliat förmliche Gefässnetze vom Lumen der Ge f äs sta sehen aus in die doppelschichtige 6e fäss- platte hinein wuchern. Höher noch als an der subumbrellaren Fläche der Gefäss- taschen wird der Entodermbelag im. Centralgefäss der Schirm- lappen, sowie in den Gefässen des Velums (Fig. 22, Ent). Auch hier kehren an manchen Stellen die grossen blasigen Becherzellen wieder, nur spärlich aber kommen Cnidoblasten vor, die sich in grösserer Menge nur an der entodermalen Bekleidung der Gastrallilamente finden. Eine ganz andere Beschaffenheit zeigt das Epithel an der subumbrellaren Magenwand, die sich durch bedeutende Dicke und trübkörniges Aussehen , wie durch ihre runzlige Faltung schon dem unbewaffneten Auge abweichend darstellt. Hier sind die Entodermzellen hohe , palissadenförmig nebeneinander gereihte Cylinderzellen mit deutlich ausgeprägtem glänzenden Grenzsaum am freien Ende. Der Inhalt dieses Cylinderepithels besteht aus dicht gehäuften gröberen Körnern, welche das Licht stark brechen, nach Osmiumzusatz sich intensiv bräunen und bei Carminbehand- lung sehr stark färben (Fig. 34). Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass es sich um aufgenommene Eiweiss- körper handelt, und dass das hohe Cylinderepithel der subum- brellaren Magenfläche ähnlich wie das Dünndarmepithel höherer Thiere die Eiweisstoffe resorbirt. Die Zellenelemente selbst sind keineswegs überall von gleicher Stärke und Form. Manche Zellen erscheinen in ihrem vorderen körnchenfreien Abschnitt stark verjüngt und führen zu den Ele- menten hin, welche in den Radien der Mundarme die tiefen Magen- furchen und deren Umgebung bekleiden. Auf diese "Weise ent- stehen die vier dunkel umgrenzten schmalen Felder der untern Magenfläehe, welche von Fritz Müller für verästelte Drüsen erklärt wurden. In Wahrheit aber beruht der Schein der Ver- ästelung lediglich auf Faltenbildung der Wand. Diese überaus schmalen Entodermzellen werden in den vier Radien durch eine viel dickere, auch fibrillenhaltige Gallertlage gestützt (Fig. 33) und sind stäbchenförmig gestreckte, an Sinnes- epithel erinnernde Cylinderzellen, mit einer höher oder tiefer ge- legenen Auftreibung, welche den oval gestreckten Kern umschliesst (Fig. 35 a). Dadurch , dass die Kerne der benachbarten Zellen in verschiedene Ebenen fallen, entsteht der Schein einer Schichtung (265) 46 Dr. C. Claus: (Fig. 35 d), wie denn auch E. H a e c k e 1 r) für die G-eryoniden, deren Magenepithel ein ähnliches Verbältniss zu bieten scheint, ein geschichtetes Cylinderepithel als Auskleidung der Magenhöhle be- schreibt. Nur am Boden der Furche werden die Zellen sehr niedrig. Am freien Pole endet jede Zelle mit stark glänzendem Saume, welcher das lange Geisselhaar trägt nnd vielleicht einer ver- dichteten Plasmaschicht entspricht. Von der Fläche betrachtet, nimmt man die Saumscheibchen als mosaikförmig nebeneinander gelagerte Körnchen wahr, zwischen denen hier nnd da kreis- förmige Zwischenräume als Ausdruck einer besonderen Zellform, der bauchig aufgetriebenen Becherzelle hervortreten (Fig. 35 e, Bz). Diese letzteren in grosser Menge über die Magenfläche verbreitet, nehmen sich im Längsschnitt zwischen jenen schmalen Cylinder- zellen wie interstitielle, mit heller Flüssigkeit gefüllte Räume aus, entsprechen in Wahrheit jedoch, wofür auch das Bild des Querschnittes spricht, hohen Becherzellen , deren schleimiger Inhalt an manchen Stellen in Form einer mittelst Carmin sich schwach tingirenden Auflagerung hervortritt. Auch gelingt es hier und da an Zerzupfungspräparaten isolirte Zellen aufzu- finden, welche wahrscheinlich jungen Becherzellen mit beginnen- der Verflüssigung des Protoplasmas entsprechen möchten (Fig. 35 c). Mit Rücksicht auf die mächtige Entwicklung des auch an Weingeistexemplaren wohl erhaltenen Geisseiwaldes, welchen die zahlreichen dicht gestellten Zellen der vier radialen Magenfelder tragen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass hier die Strömung der Säfte besonders lebhaft wird. Nach der Peripherie der Magenhöhle zu enden die canal- ähnlichen Magenfurchen in einiger Entfernung von der Ansatz- stelle des Frenulums blind. Ob es sich bei diesem lebhaft flimmernden Magenabschnitt um ein Excretionsorgan im Sinne Fr. Müller's handelt, „durch welches eine feine, dunkle Körnchen führende Flüssigkeit nach aussen befördert wird", oder ob derselbe umgekehrt zur Verdauung der durch den Mund aufgenommenen Nahrungsstoffe in Beziehung steht, wage ich nicht zu entscheiden , da ich lebende Charybdeen nicht beobachtet habe. Indessen ist nicht nur hervorzuheben, dass wir es keineswegs, wie Fr. Müller darstellt, mit einem Canal zu thun haben, welcher die Gallerte durchsetze, dann noch innerhalb 1) E. Haeckel, Die Familie der Rüsselquallen, Leipzig 1865, pag. 78, Fig. 73 k i. Ebenso irrthümlich wird hier die Gallertlage als circuläre Muskelfasersckicht beschrieben. (266) Ueber Charybdea marsapialis. 47 des Magenraumes ausmünde und von da in die Rinne des Mund- trichters leite, sondern nur mit einer tiefen Furche der Magen- wand, welche mit unregelmässigen, durch die Faltungen dieser veranlassten Seitenfurchen in Verbindung steht. Dazu kommt, dass überall die Rinnen der Mundarme nicht ableitende, sondern zuleitende Wimperbewegungen ihres Epithels zu vermitteln scheinen. Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass die Nahrungs- stoffe, welche bereits durch das reichliche Secret des Mundtrichters verändert sind, in breiig-flüssiger Form durch die Rinnen des Mundtrichters in die Furchencanäle des Magens strömen und von da durch die seitlichen Xebenfurchen auf der Magenfläche in die Blindtaschen der Magenfilamente geführt werden, welche bei Charybdea von den Grenitalorganen völlig getrennt sind und ihrer Lage nach wie bei keiner anderen Acalephe ihre ausschliess- liche Beziehung zur Verdauung klar hervortreten lassen. Wahrscheinlich stehen jedoch die beiden beschriebenen Zellen- formen des die Magenhöhle auskleidenden Entoderms weder morpho- logisch noch physiologisch in unvermitteltem Gegensatz. Nicht nur, dass sich an der Magenfläche überall zwischen breiten, mit Eiweisskörnern gefüllten Cylinderzellen einzelne blasse, stäbchen- förmige Zellen zerstreut finden, auch Uebergangsformen beider werden hier und da angetroffen, wie denn wiederum besonders in der Peripherie des drüsenähnlichen Radialfeldes kleine Körnchen in der Basis der Stäbchenzellen leicht nachzuweisen sind. An den centralen Partien der Magenwand , da wo dieselbe in den niedrigen zu einer vierseitigen Scheibe ausgebreiteten Mund- trichter übergeht, nimmt der Entodermbelag in ganzer Ausdeh- nung den Charakter blasser schmaler Geisseizeilen an, welche nur kleine Körnchen und vereinzelte grössere Eiweisskörper enthalten und den granulirten, in jenen Zellen der ersten Form verdeckten Kern leicht erkennen lassen. An der Fläche des Mundtrichters selbst, dessen entodermale Bekleidung dem Epithelialbelag an der innern oder oralen Fläche der Mundarme entspricht, fehlen die Eiweisskörnchen vollständig. Die schmalen blassen Zellen sind jedoch niedriger als die Stäbchen- zellen der radialen Magenfelder und schliessen zwischen sich eine grosse Menge von tonnenförmigen Becherzellen ein, welche einen blassen, feinkörnigen Schleim enthalten. Von der Fläche aus (Fig. 36') sieht man wieder im Umkreise der grossen dicht ge- drängten Schleimzellen (Tz), die zierliche Mosaik der freien Zellenenden mit glänzenden Knöpfchen, der Ansatzstelle der (2G7) 48 Dr. C. Claus: geschrumpften Geissei, die sogar hier und da noch nachweisbar bleibt. Auch die Oberfläche der tonnenförmigen Schleimzelle zeigt einen solchen Vorsprung, der wohl im gleichen Sinne als Geissel- insertion zu deuten sein möchte. Der Kern dieser und der um- gebenden schmalen Zellen liegt überall am basalen Ende (Fig. 36), dessen Plasma dichter und körnchenreicher ist. Aber auch die freie Endfläche der Zelle erscheint als dichterer Grenzsaum, in dessen Mitte sich hier und da eine dellenartige Einbuchtung markirt. Noch eine dritte Zellform tritt im Epithel der Mundscheibe und besonders zahlreich in der Nähe des Randes auf, an welchem auch die tonnenförmigen Zellen am dichtesten gehäuft liegen. Es sind Cylinderzellen mit kolbig verbreiterten Enden und concav ausgeschweifter Seitenfläche, deren körnchenreicher Inhalt an der Oberfläche hügelartig hervorquillt und ein mit Carmin sich intensiv färbendes Drüsensecret darstellt (Fig. 36 und 37, k z). Physiologisch handelt es sich wahrscheinlich um die Abson- derung eines vielleicht fermentähnlich wirkenden Stoffes , durch dessen Einfluss die Verdauung schon an der Wandung des Mund- trichters eingeleitet wird. Dieser zwischen den Mundarmen ein- geschlossene, vor der sogenannten MundöfFnung gelegene Trichter, welcher sich zu einer Scheibe abflachen kann , würde somit in Wahrheit einem Abschnitt des Magens entsprechen, wäh- rend der Magencavität physiologisch zugleich die Functionen des Dünndarms zukommen, ein Verhältniss , welches auch den bei den Acalephen und insbesondere Rhizostomeen beobachteten Er- scheinungen vollkommen parallel geht. Der Entodermbelag der umbrellaren Magenfläche besteht aus viel flacheren , aber relativ breiteren und blasig vorspringenden Zellen , welche einen grossen rundlich ovalen Kern und ein körniges , vacuolenreiches Proto- plasma enthalten. Auch das umbrellare Epithel bildet kleine warzige Erhebungen und netzförmige Faltungen nach dem Magen- raum, enthält aber niemals die für das hohe subumbrellare Cylinder- epithel so charakteristischen Eiweisskörner. Die wurmförmigen Gastralfilamente endlich tragen auf solider fester Achse von Stützsubstanz ein hohes körnchenreiches Drüsenepithel, in welchem hier und da, besonders dicht aber an dem freien verjüngten Endabschnitt Cnidoblasten eingelagert sind. Von der Stützplatte, welche von Gegenbau r für einen Hohlraum gehalten, von Fr. Müller dagegen riehtig als solide Achse erkannt wurde, will ich zur Ergänzung hinzufügen, dass dieselbe keine cylindrische Form hat , sondern , wie man sich am Quer- (268) Ueber Charybdea marsnpialis. 49 schnitt überzeugt, eine dünne breite Lamelle darstellt, die als Fortsetzung der subumbrellaren Gallertsubstanz entstammt, wie ja die gesammte Filamentgruppe der subumbrellaren Magen wand angehört. An der Oberfläche des Epithels, dessen Flimmerhaare nach Fr. Müller am lebenden Thiere eine lebhafte nach der Spitze gerichtete Strömung erzeugen, lagern die Producte der Ausscheidung als unregelmässige Häufchen feinkörniger, hier und da Bläschen und grössere Körner einschliessender Substanz , die an manchen Stellen eine fast continuirliche Bekleidung bildet (Fig. 38, K H). Die Zellen selbst sind hohe , überaus schmale Geisselzellen mit länglich ovalem Kerne und körnchenreichem Protoplasma. Die Greisselansätze markiren sich als regelmässig gelagerte Reihen stark lichtbrechender Körnchen. Uebrigens sind die Elemente des Filamentepithels sehr schwer intact zu isoliren. Soweit mir solches möglich war, vermochte ich neben feinen stäbchenförmigen Zellen breitere, mehr cylindrische oder bauchig aufgetriebene Zellen, welche den Drüsen entsprechen dürften, zu unterscheiden (Fig. 38, Dz). Die Nesselkapseln, welche unter der Oberfläche zerstreut liegen, sind oval, an beiden Polen zugespitzt und nach Grösse und Form von den übrigen entodermalen Nessel- organen kaum verschieden , während sie den ähnlich geformten des Ektoderms an Umfang nachstehen. Die Geschlechtsorgane. Die Genitallamellen, in der bereits oben beschriebenen Weise am oberen Winkel der subumbrellaren Septen dicht unter- halb des Verwachsungsstreifens (Fig. 27, Gp) befestigt , werden in ganzer Ausbreitung von einem hohen cylindrischen Epithelbelag des Entoderms überkleidet. An den Befestigungsstellen, welche durch zapfenförmige, in das Gewebe der Genitalplatte eintretende Ausläufer der septalen Stützsubstanz bezeichnet werden (Fig. 27, 29), erzeugt der entodermale Zellenbelag an vielen Stellen Cnidoblasten, mit Nesselkapseln, die vielleicht erst im Zustande der Geschlechts- reife zur vollen Ausbildung gelangen. Die Stützsubstanz selbst betheiligt sich wie auch bei den Acalephen am Aufbau der Gewebe des Geschlechtsorgan es, indem sie im weiblichen Geschlecht als Fortsetzung jener Zapfen eine ziemlich flache faserige Achsenplatte (Fig. 27, 28, Ap) , bei männ- lichem Thiere dagegen ein unterhalb des Entodermbelages ausge- breitetes peripherisches Gerüst erzeugt (Fig. 30, Cu), welches Claus, Arbeiten aus dein Zoologischen Institute etc. iy (269) 50 Dr. 0. Claus: durch verticale Ausläufer ein Fachwerk langgestreckter Gänge bildet. So erhält man bei Betrachtung von der Oberfläche (Fig. 2d) das bereits von Fr. Müller dargestellte Bild von einer Lage langer Fächer, die nieist regelmässig parallel verlaufen, hier und da aber durch Vereinigung der Fächer auf kurze, zellenähnliche (länge reducirt sind oder gar „in mäandrischen Windungen verschlungen und mannigfach ausgeb lichtet sein" können. Erst der Querschnitt (Fig. 30) belehrt uns über Bau und Entstehung dieser Canäle und Gänge, in welchen das aus dicht gedrängten Spermatoblasten be- stehende Keimepithel eingelagert ist. Im Gegensatz zu dem das Gerüst überkleidenden Entoderm epithel, welches aus hohen, hier und da Nesselkapseln (Nk) umschliessenden Cylinderzellen gebildet wird (Fig. 30 Ent.), sind die Spermatoblasten kleine, zackige Zellen mit spärlichem , in feine Erhebungen ausgezogenem Plasmahof und grossem granulirten Kern. Die reifen Samenkörper werden möglicherweise an den früher beschriebenen Lücken (L) , welche zwischen den Befestigungsstellen des Septums bleiben , entleert, vorausgesetzt , dass nur hier und nicht auch in der Länge der Fächer durch Dehiscenz der Wandung OefFnungen entstehen. Ganz anders nimmt sich das Gewebe der Ovarien aus , an deren Befestigungsrand die Reihen von Zapfen und Lücken in ganz übereinstimmender Weise auftreten. Hier nimmt das Mesoderm eine mehr faserige , lamelläre Structur an und erfüllt die Achse der Ovarialplatte , so dass das Keimlager von beiden Flächen der Stützsubstanz aufliegt. Die Entodermzellen (Fig. 27 \ Ent) zeichnen sich durch ihren verdickten Grenzsaum und stark licht- brechenden, einem Eiweisskörper ähnlichen Kern aus. Wahrscheinlich spielen dieselben eine wesentliche Rolle bei der Dotterbildung und dem Wachsthum der unterliegenden Eier. Am basalen Ende laufen sie in auffallend lange Stützfasern aus , welche bis zur Meso- dermplatte zu verfolgen sind, in die sie ohne Grenze überzugehen scheinen (Fig. 28). Die zwischen gelagerten Zellen des Keimlagers liee:en auch der Mesodermachse auf und rücken mit fortschrei- tender Grössenzunahme auf Kosten der epithelialen Bekleidung der Oberfläche zu. Indem die anliegenden Entodermzellen sich ober- halb der wachsenden Eier mehr und mehr verdünnen , werden im Umkreis der letzteren follikelähnliche Räume gebildet, deren Wan- dung zuletzt wahrscheinlich an der Oberfläche dehiscirt, so dass das Ei nach aussen gelangen kann. Die jüngsten in der Tiefe gelegenen Eikeime sind kleine Zellen mit spärlichem Plasmahof und grossem homogenen Kern (Fig. 27 l, Ez). Mit fortschreitender (270) Ueber Charybdea marsupialis. 51 (xrössenzunahme wird das Protoplasma körnchenreicher, während sich der Kern in Keimbläschen und Keimfleck differenzirt. Für die grosse Contractilität des plasmareichen Dotters spricht die ausserordentliche Mannigfaltigkeit der Formen, welche jüngere und ältere Eizellen darbieten; überall aber finde ich, dass die dem Epithel zugewendete Plasmapartie des Dotters durch stärkere Lichtbrechung und intensivere Tinction ausgezeichnet ist, ein Verhältniss, welches unmittelbar darauf hinweist, dass die Zufuhr von Substanz unter Vermittlung des auflagernden Entoderm von der Oberfläche erfolgt. Was endlich die systematische Stellung der Charybdea anbetrifft, so stehen die Ergebnisse dieser Untersuchungen mit den Ansichten in vollem Einklang, welche ich bereits früher in meiner Abhandlung über Polypen und Quallen der Adria entwickelt habe. Ich kann mich daher an diesem Orte darauf beschränken , den Leser auf jene Erörterungen hinzuweisen, in denen freilich die mangelnde Kenntniss von den Entwicklungsvorgängen der C h a r y b d e i d e n und Lueernarideii eine grosse, durch spätere Untersuchungen auszufüllende Lücke zurücklässt. iy * {211) 52 Dr. C. Claus: Erklärung der Abbildungen. Die Buchstaben haben überall folgende Bedeutung: Bz Blasenförmige (Becher-) Zellen. Mw' Subumbrellare Fläche der Magenwand. C g Comnmnicationsgang zwischen deu N b Bogen am Nervenring. Gefässtaschen und dem Tentakelcanal. N f Nervennbrillen. E kt Ektoderm. Ent Entoderm. Fg Filamentgruppe. F r Frenulum des Magens. Fry Frenulum des Velums. G Genitalorgan. G c Gefässcanal. GF Gefässfurche (Gefässfalte). GL Gefässlamelle oder Gefässhäutchen. GT Gefässtasche. G S Gallertsubstanz. G S t Gallertstreifen. Gz Ganglienzelle. KF Kantenfurche. K w Kantenwnlst. LM Längsmuskeln. M Muskeln. MF Magenfurche. M T Magentasche. Mw Umbrellare Fläche der Magenwand. NR Nervenring. R Rinne oder Furche der Randkörper- nische. R G Radialganglien. Rk Randkörper. Rn Radial nerv. R f Subumbrellares Randkörperfeld. S Schwimmsack. SF Seitenfurche. S G Schirmgallert. SL Schirmlappen. S w Seitenwulst. Stl Stützlamelle. T Tasche des Schwimmsacks. Te Tentakel. Tkl Taschenklappe. T r Trichterförmiger Raum unterhalb des Schirmlappens. Vel Velum. V St Verwachsungsstreifen. Taf. I. Fig. 1. Charybdea marsupialis in natürlicher Grösse, von einer der vier Seitenflächen dargestellt, mit abgeschnittenen Randtentakeln. Fig. 2. Dieselbe von einer der vier Kanten aus dargestellt. Fig. 3. Die Scheitelfläche der Glocke von der Aussenseite betrachtet. Man sieht in der Tiefe den Magenraum und das Mundkreuz mit den Mundarmen, a End- punkte der bogenförmigen Verwachsungsstreifen. Fig. 4. Der Scheitel- Abschnitt der Glocke durch einen Querschnitt von der grösseren unteren Glockenhälfte getrennt , von der Mundseite aus betrachtet. Man sieht in die vier weiten Räume der Gefässtaschen, in deren Grund die Eckzipfel des Schwimmsacks an den Enden (a) des bogenförmigen Verwachsungsstreifens taschen- förmig (T) vorspringen. Im Centrum die Mundwülste und Mundarme des Glockenstiels. Fig. 5. Derselbe Glockenabschnitt in gleicher Lage , von einem kleineren Exemplare, etwas vergrössert. Die vier Streifen an der Magenwand und der Ver- längerung des Mundkreuzes, sowie die in gleichen Radien liegenden Längsmuskel- streifen (LM) an der Subumbrella treten scharf hervor. Fig. (J. Unterer oder Randabschnitt der Glocke mit dem Velum (Vel) und den vier Randkörpernischen, mittelst Querschnitts vom oberen Glockentheil getrennt. (272) Ueber O'harybdea marsupialis. 53 Fig. 7. Der obere (apicale) Abschnitt einer Gefässtasche durch einen Quer- schnitt isolirt, um das Frenulum (Fr) des Magens, den Taschenraum (MT) des letzteren und die lamellüse Klappe (Tkl) am Eingang in die Gefässtasche zu zeigen. Ent. Entodermverdickungen in der Tiefe der Gallertleisten, welche in der Ver- längerung der Mundarmkanten über die Subumbrellarwand hinziehen. Schwache Loupenvergrüsserung. Fig. 8. Eckstiick des Glockenrandes, von der äusseren Velumseite betrachtet nach Entfernung des Schirmlappens, und Tentakel. Man sieht den trichterförmigen Raum (Tr) zwischen Schirmlappenbasis und Velum , die kurzen Communieations- canäle (C g) zweier Gefässtaschen mit dem Anfang des Schirmlappencanals (G c), sowie die Gefässgruppen des Velums b, b' Gefässe des Velums. Fig. 9. Längsschnitt durch das Endstück eines Kantenwulstes, um den Ur- sprung des Schirmlappencanals zu zeigen. Starke Loupenvergrösserung. Fig. 10. Längsschnitt durch die Mitte eines Seitenwnlstes mit Raudkörper (Rk) und Randkörpernische, nebst dem Frenulum (Fr') des Segels. Vel. SL Sub- umbrellare Lamelle der Gefässtasche (GT) mit der Schwimmsackmusculatur. Starke Loupenvergrösserung. Fig. 11. Randstück der Glocke von der subumbrellaren Fläche nebst Velum , nach Durchschnitt des entsprechenden Frenulums (Fr') , flächenhaft ausge- breitet, um die Verhältnisse des Nervenrings (NR) zu zeigen, Rf Randkörperfeld, Rn Radialnerv, VSt Verwachsungsstreifen. Man sieht die Musculatur des Velums und der Subumbrella. Starke Loupenvergrösserung. Fig. 12. Querschnitt durch die Nischenfurche und das Frenulum Veli. GS. Verdichteter Streifen in der Gallert, GT Gefässtasche, GL Gefässlamelle. Taf II. Fig. 13. Eckpartie der Magenhöhle mit der Filamentgruppe , nach herab- geschlagener Magenwand. Fg. Mw Umbrellares Entodermblatt , Mw' Subumbrellare gefaltete Entodermlamelle des Magens mit dem hohen Driisenepithel. Starke Loupen- vergrösserung. Fig. 14. Dieselbe Partie zugleich in Verbindung mit dem angrenzenden Theil der Subumbrella. Die subumbrellare Magenwand ist in natürlicher horizontaler Lage quer durchschnitten. LM Längsmuskelfasern des hellen Radialfeldes mit dem Frenulum, VSt Verwachsungstreifen, G Geschlechisorgane, Tkl Taschenklappe. Fig. 15. Muskelgetlechte im hellen Radialfeld. Fig. 16. Ektodermepithel der Umbrella. Hart. Syst. VIII, Oc. 3. Fig. 17- Grosse Ganglienzellen mit Nervenlibrillen am Muskelepithel des Schirmlappens. Gz Ganglienzellen, LM die unter denselben verlaufenden Längs- muskelfasern. Hart. Syst. VIII, Oc. 3. Fig. 18. Epithel des subumbrellaren Randkörperfeldes mit den grossen Gan- glienzellen und den Nervengeflechten. Gleiche Vergrösserung. Fig. 19. Querschnitt durch den Nervenring nebst Stützlamelle und Entoderm. ASt Achsenstrang, M Querschnitte der hohen Muskelfasern, Bz Blasenzellen, Nz Nervenzellen. Gleiche Vergrösserung. Fig. 20. Längsschnitt durch den Nervenring. Nf Nervenfibrillen des Längs- strangs, Nz Nervenepithelzellen , Gz tiefe Ganglienzellen, St Stützlamelle der Subumbrella, Ent Entodermzellen. Fig. 20'. Wahrscheinliches Verhalten der Stützzellen und Nervenepithelzellen. Stz Stützzelle mit dem basalen Ausläufer. (273) 54 Dr. C. Claus: Fig. 21. Nervenring von der Oberfläche betrachtet unter schwacher Ver- grösserung. Hart, Syst. V, Oc. 3. e. T. Bz Blasenzellen, A St Achsenstrang, UN un- terer Theil des Nervenringes, ON oberer Theil des Nervenringes, M Angrenzende Ringmuskeln der Subumbrella. Taf. III. Fig. 22. Querschnitt durch ein Velunigefäss, mit dem höheren Epithel an der unteren, dem Muskelepithel ME zugewendeten Seite. Hart. Syst, VIII, Oc. 3. Fig. 23. Querschnitt durch die Subumbrella unter sehr starker Vergrösse- rung, Hart. Syst. IX, Oc. 3. EM quergestreifte Ringmuskelfasern, StL Stützlamelle mit der eigenthümlich geschichteten, ziekzackförinig gestreiften Structur. Fig. 24. Stück eines Querschnittes durch den Randtentakel. Hart Syst. VIII, Oc. 3 e. T. M Querschnitte der in Räumen der Stützsubstanz eingelagerten Längs- muskeln, iL innere Ringlamelle der Stützsubstanz, äL äussere Lamelle derselben, Nk Anlagen von Nesselkapseln. Fig. 24'. Querschnitt durch die mit Längsmuskeln gefüllten Räume der Stützsubstanz, um die Kerne der Muskelzellen zu zeigen (k). Hart. Syst. IX, Oc. 3. Fig. 25. Längsschnitt durch den Randtentakel. Hart, Syst. V1I1, Oc. 3 e. T. Fig. 26. Cnidoblasten und deren Producte. a Rundliche, an beiden Polen zugespitzte Nesselkapsel in ihrer Nesselzelle aus einem Nesselwulst der Oberfläche, a' jugendliche Cnidoblasten mit der Anlage der Nesselkapsel im Innern der Zelle. Hie Anlage ist eine ovale, helle Flüssigkeitsansammlung, in welcher ein homogener, allmälig grösser werdender Körper auftritt, der zuletzt einen guten Theil der ersteren füllt (Fig. 21, N k) und zum Nesselorgan wird, b Grosse ovale Cnido- blasten mit reifem Nesselorgan und Cil nebst den 6 zur Fixirung dienenden Strängen, welche sich an die membranöse Hülle befestigen, c. Kleine ovale Nesselkapsel b und c von der TentakeloberÜäche. Fig. 27. Querschnitt durch einen Verwachsungsstreifen der Gefässtasche mit dem Gefässplättchen Gp. Man sieht, wie die Stützlamelle (StL) der Subumbrella sich zu einem verticalen Septum erhebt, von dessen Seite Fortsätze entspringen, welche in das Ovarium eintreten. Ap faserige Achsenplatten derselben, welchen das Keimepithel aufliegt. Hart. Syst. VII, Oc. 3. Fig. 21'. Zellelemente aus dem Ovarium. Ez Eizellen, Ent Zellen der epithelialen Bekleidung, deren faserige Ausläufer durch das Keimlager bis zur Achsen- platte hindurch treten. Hart. Syst. IX, Oc. 3 Fig. 28. Querschnitt durch die Ovariallamelle. Hart. Syst. VIII. Ap Achsen- platte. Die Eier stecken in Höhlungen unterhalb der verdünnten Entodermzellen. Fig. 29. Ein Stück der beiden Hodenlamellen des männlichen Geschlechts- organes in der Länge des Verwachsungsstreifens V st, von der Fläche aus dar- gestellt. Man sieht zu beiden Seiten des letzteren die conischen Fortsätze der Stütz- substanz von Entodermzellen und unreifen Cnidoblasten bekleidet, zwischen diesen zur Befestigung der Blätter dienenden Fortsätzen die langgestreckten Lücken (L) und rechts und links die transversalen, mit Spermatoblasten gefüllten Fächer des Hodens (H), Fw Fächerwandung. Hart. Syst. VII, Oc. 3 e. T. Taf. IV. Fig. 30. Querschnitt durch eine Hodenlamelle und die transversalen mit Sperma- toblasten (Sp) gefüllten Fächer derselben. Cu cuticulare Wand derselben (Stütz - Substanz). Nk Nesselkapsel im Entoderm. Hart. Syst. IX, Oc. 3 e. T. (274) [Teber Ckarybdea marsupialis. 55 Fig. 31. Die Zellen des Gefässhäutchens (Verwaclistingsstreifen) mit körnigen oder stäbchenförmigen Verdickungen der Cnticula und der intercellnlären Gallerte. Man sieht an vielen Stellen die Kerne beider verschmolzener Zellenblätter dicht nebeneinander. Hart. Syst. VIII, Oc. 3 e. T. Fig. 32. Ein kleineres Stück des Gefässhäutchens unter stärkerer Ver- grösserung. Hart. Syst. IX, Oc. 3. Fig. 33. Querschnitt durch die Magenfurche in einem Radius des Mundkreuzes mit dem nach aussen vorspringenden Gallertwulst, welcher sich in die Kante dos Mundarmes fortsetzt. MF Magenfurche. Fig. 34. Cylinderepithel der subumbrellaren Magenwand mit Eiweisskörperchen gefüllt. Hart Syst. IX, Oc. 3- Fig. 35. Hohes Geisseiepithel von stäbchenförmig gestreckten Zellen mit grossen eingelagerten Becherzellen (B z) aus der Region der Magenfurchen, a Stäb- chenförmige Zelle mit Geisselhaar. b Breitere , mehr cylindrische Zelle, c Ver- grösserte Zelle mit Vacuole (beginnender Verflüssigung des Inhalts), wahrscheinlich junge Becherzelle, d Epithelstück frei von Becherzellen im Längsschnitt, e Solche mit Becherzellen. Hart. Syst. IX, Oc. 3 e. T. Fig. 36. Entodermepithel aus der Gegend des Mundtrichters und der Arm- scheibe im Längsschnitt. Die Kerne liegen in einer einzigen Schicht an der Basis der Zellen, Tz tonnenförmige Becherzelle mit hellem schleimigem Inhalt, Kz schmale nach beiden Enden verbreiterte Drüsenzellen mit körnigem, intensiv tingirbarem Inhalt, der an der Oberfläche hügelartig hervorragt. Fig. 36'. Ein Stück dieses Epithels in Flächensicht. Ausser den beiden Formen von Drüsenzellen markiren sich die Grenzsäume der schmalen Cylinder- zellen (Geisselzellen), welche den Rand der Becherzellen bedecken. Hart. Syst. IX, Oc. 3. Fig. 37. Die zu einer Scheibe ausgebreiteten Mundarme , von denen drei dorsalwärts umgeschlagen sind. Man sieht die Armrinnen AR des Mundarmes MA, sowie die vier Mundlippen ML. Fig. 37'. Entodermepithel aus der Randgegend der Armscheibe. Die beiden Drüsenelemente wiegen den schmalen Cylinderzellen gegenüber bei weitem vor; in Flächensicht und optischem Durchschnitt. Fig. 38. Von dem Endabschnitt eines Magenfilamentes. Sts Stützsubstanz der Axe, KH Körnchenhaufen an der Oberfläche, aus den Drüsenzellen Dz, die in grosser Zahl zwischen den stäbchenförmigen Geisselzellen verbreitet sind , aus- geschieden, Nk Nesselkapseln. Hart. Syst. IX, Oc. 3. Fig. 39. Radialschnitt durch den Schirmrand. StL Subumbrellare Stütz- lamelle von Velum und Schwimmsack, Gs Gallertsubstanz der Umbrella, PI Paren- chymlamelle (Entodermfalte), welche beide oberhalb des Glockenrandes abgrenzt, ME Muskelepithel, M Querschnitte der Ringfasern, Ent Entoderm der Gefässtasche. Hart. Syst. VIII, Oc. 3. Fig. 40. Querschnitt durch das vordere , von der Muskelausstrahlang des Frenulums bekleidete Randkörperfeld. B Boden der Randkörpernische , aus der verdickten subumbrellaren Stützlamelle gebildet, Sw Seitenwand der Nische aus umbrellarer Gallertsubstanz, welche den Seitentheilen jener mittelst der Gefäss- lamelle GL aufliegt, GT Gefässtasche, Ent. Entoderm derselben. Fig. 40'. Querschnitt von der vordem Partie des Randkörperfeldes. Nur ein seitliches Stück ist dargestellt. Die Stützlamelle ist bedeutend dünner als in der vorderen Gegend. (275) 56 Dr. C. Clans: üeber Charybdea marsupialis. Fig. 41. Randkörperfeld (Rf) von der subumbrellaren Fläche betrachtet. VSt Verwachsungsstreifen an jeder Seite des Feldes, RM Ringmuskeln, V St' Ver- wachsungsstreifen (Gefässhäutchen) an der Randkörperbasis, MFr' Muskeln des Velumzügels, RG Radialganglion, F Falte am Anfang des Randkörperfeldes. Schwache Vergrösserung. Taf. V. Fig. 42. Der Kopfabschnitt des Randkörpers mit den 6 Augen und dem etwas asymmetrischen Krystallsaek von verschiedenen Flächen aus betrachtet, unter schwacher Vergrösserung. a) Von der unteren Fläche aus dargestellt. Krs Krystallsaek, 0 Vorderes Seitenauge, 0' hinteres Seitenauge, VA vorderes Medianauge, HA hinteres Medianauge. b) Die linke, bei auffallendem Lichte dunkle Hälfte ist dem Beschauer zugewendet. c) Die rechte Fläche mit dem hellen Felde nach oben gekehrt, z zipfelförmige Erhebung an der rechten Seite des Krystallsacks. d) Medianer Längsdurchschnitt durch den Randkörper, OW Wulst der oberen Wand, HW hintere untere Wand. Fig. 43. Randkörper im Zusammenhang mit dem Nervenring und der Sub- umbrella von der ventralen Fläche aus dargestellt. Rf abgeschnittenes Randkörper- feld, RG Radialganglion, Rn Radialnerv, Ent Entodermepithel ; im Basalabschnitt des trichterförmigen Gefässraumes, VS' Verwachsungsstreifen, welcher denselben umrahmt , St Stiel des Randkörpers mit Ektoderm , Gallertlamelle und Entoderm- hekleidnng des Gefässcanals. Man sieht einen Theil des Nervenrings durch die Stützplatte an die Ventralseite aer Randkörperbasis emporgerückt, der Achsen- strang beschreibt einen flachen Bogen, die Nervenfasern steigen rechts und links aufwärts zum Randkörperstiel empor. Hart. Syst. V, Oc. 3 e. T. Fig. 44'. Grosse Ganglienzellen des Radialganglions in der Tiefe eines klein- zelligen Epithels. Hart. Syst. IX, Oc. 3. Fig. 45. Querschnitt durch den obern Abschnitt des Randkörperstiels. Das Ektoderm ist ein hohes einschichtiges Nervenepithel, unter welchem die von der Ventralseite ausgehenden Nervenfibrillen mit Ganglienzellen Gz verlaufen. Die Gallertsubstanz ist jetzt an der Ventralfläche von der Nervenlage scharf gesondert, bis auf ein in der Gallert gebliebenes isolirtes Bündel von Fibrillen. (F b). Fig. 46. Schräger Querschnitt durch die Gegend der beiden seitlichen Augen. 0 vorderes, 0' hinteres Seitenauge, Gz grosse Ganglienzellen des bogenförmigen Ganglions, Ret f Retinafasern des vorderen Seitenauges in die Körner- und Stäbchen- schicht umbiegend, StL Stützlamelle, Ent Entodermbekleidung. Hart. Syst. IX, Oc. 3. Fig. 47. Elemente des Seitenauges. Pz Pigmentzellen, Nz Stäbchenzellen, Gz kleine Ganglienzellen (Körnerschicht) in die Fibrillen umbiegend. Hart. Syst. IX, Oc. 3. Fig. 48. Längsschnitt durch den Kopf des Randkörpers. A w Augenwand, Ir Irisartiger Pigmentsaum derselben, Ls Linse, Lk Linsenkapsel, Glk Glaskörper, Pgs Pigmentstreifen in demselben, FM Füllungsmasse grosser Zellen zwischen dem bogenförmigen Ganglion und dem hinteren Medianauge. (27Ö) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Ein Beitrag zur Morphologie der Bilaterien. Yon Dr. Berthold Hatschek. Mit 8 Tafeln und 10 Holzschnitten. Der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit lag in theore- tischen Betrachtungen , die sich zunächst an meine erste Arbeit über Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren knüpften. Ich habe diesen Fragen, welche sich zumeist auf die Bedeutung des meta- merischen Baues und auf die morphologische Erkenntniss und Vergleichung der einzelnen Organe der metamerischen Thiere bezogen, einige eingehendere Untersuchungen gewidmet. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen — von denen die erste über Entwicklungsgeschichte von Criodrilus im Jahre 1876 in Linz a. d. Donau, die zweite über Metamorphose von Polygordius in den ersten Monaten des Jahres 1877 in Triest vorgenommen wurde — sind in dem ersten Theile dieser Arbeit in rein descrip- tiver Weise behandelt. So wie theoretische Betrachtungen den Ausgangspunkt dieser Arbeit gebildet haben, so sind wieder theoretische Folgerungen und neue Gesichtspunkte das wesentliche Ergebniss derselben. Den theoretischen Betrachtungen ist in dem zweiten Theile dieser Arbeit eine Reihe von Capiteln gewidmet. Einige derselben ent- halten Auseinandersetzungen, die sich direct an die zu An- fang der Untersuchung aufgeworfenen Fragestellungen knüpfen. Andere wieder behandeln Fragen, die erst im Verlaufe der Unter- suchung sich entwickelt haben, es sind Folgerungen aus neu beobachteten Thatsachen, die oft unerwartet und überraschend genug sich darboten. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 20 (2?7) V5 2 Dr. B. Hat sehet:: I. Theil. Beobachtungen. A. Ueber Entwicklungsgeschichte von Criodrilus. Die Cocons von Criodrilus fand ich in grosser Menge am überschwemmten Ufer stehender Gewässer, welche abgeschnürten Donauarmen ihre Entstehung verdanken. Die sehr bedeutende Anzahl der Cocons , verglichen mit der Häufigkeit der Würmer, lässt mich vermuthen , dass ein Wurm viele Eikapseln während kurzer Zeit producirt. Die Cocons von Criodrilus zeichnen sich durch ihre bedeu- tende Grösse vor denen aller anderen Oligo diäten aus. Sie be- stehen wie jene aus einer pergamentartigen Hülle, welche in Farbe und Beschaffenheit der Hülle der Nephelis cocons sehr ähnlich ist, und aus einem eiweissartigen Inhalt, in welchem sich die einzelnen Eier eingebettet finden. Die Gestalt der Cocons ist langgestreckt spindelförmig; an dem einen Ende, welches sich rasch verjüngt, ist die Wandung zu einem kurzen platten Ende zusammengedrückt, welches wie abgebissen scharf abschliesst; das andere Ende des Cocons ist in einen langen, immer dünner werdenden, unregel- mässigen Faden ausgezogen , der kein Lumen mehr enthält ; mit letzterem sind sie meist an Wasserpflanzen befestigt. Die Cocons sind oft von Federspuldicke und erreichen ohne den fadenförmigen Fortsatz bis 5 Centimeter Länge. Die einzelnen Cocons enthalten eine grössere Anzahl, wohl meist über 30 Eier; von diesen kommen nicht alle zur Entwicklung; doch enthalten die meisten Cocons in den weiteren Stadien über 5 Embryonen, man findet aber auch solche mit blos einem und dann ungewöhnlich grossen Embryo neben abgestorbenen anderen Entwicklungsstadien, andere wieder, die bis 20 junge Criodrilen enthalten. Die Eier von Criodrilus ähneln in Bezug auf ihre Grösse und die Beschaffenheit ihres Protoplasmas denjenigen von Lum- bricus. Auch die Furchung und Keimblätterbildung verläuft in ähnlicher Weise. Leider habe ich eine genauere Untersuchung der ersten Entwicklungsperiode nicht vorgenommen. Ich hatte in Mitte des Juni 1876 die Cocons in grösserer Menge gefunden, und wendete mich sogleich demjenigen Theil der Entwicklung zu, der mein besonderes Interesse erregte. In der Hoffnung die ersten Stadien auch später noch in genügender Menge zu erhalten, ver- säumte ich hiervon genügende Abbildungen anzufertigen. Zu Ende des Juni konnte ich aber keine frühen Stadien mehr auffinden. (278) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 3 Aus diesem Grunde verzögerte ich die Veröffentlichung meiner Untersuchung, in der Hoffnung, im nächsten Sommer die Lücken derselben auszufüllen. Ich ward aber im Sommer 1877 insbeson- dere durch andere Untersuchungen hieran verhindert. So umfasst die vorliegende Untersuchung nur einen Theil , freilich , wie mir dünkt, den interessantesten dieser Entwicklungsgeschichte und auch gerade denjenigen , welcher durch besondere Eigenthümlich- keiten der Entwicklungsweise der Untersuchung die günstigsten Verhältnisse darbietet. Ich will aber hier in Kurzem einige Bemerkungen über die erste Entwicklungsperiode voranschicken. Die Furchung ist eine inäquale. Das Ei zerfällt zuerst in eine grössere und eine kleinere Eurchungskugel. Das nächste Stadium besteht aus 3 Eurchungskugeln , die alle in der Grösse untereinander verschieden sind. Auch in den weiteren Stadien, Welche eine Furchungshöhle enthalten, ist die eine Seite durch geringera Anzahl grösserer Zellen von der anderen kleinzelligeren Seite zu unterscheiden. Schon im Szelligen Stadium konnte ich eine bilateral-symmetrische Anordnung der Elemente constatiren. In späteren Stadien sind die schon zahlreicheren Zellen noch immer in einfacher Schicht um die Furchungshöhle gelagert , nur zwei Zellen liegen nach innen zu , von der Oberfläche ausge- schlossen. Diese Zellen scheinen mir die Mesodermanlage zu bilden. Die Lageveränderung der Mesodermzellen , das Hinein- rücken von der Oberfläche in die Tiefe geht der als Gastrula- bildung zu bezeichnenden Einstülpung des Entoderms der Zeit nach voran; es ist deshalb sehr schwierig zu entscheiden, von welchem der sogenannten zwei primären Keimblätter das Meso- derm abstamme, da dieselben im Stadium der Mesodermbildung weder in ihren Lagebeziehungen , noch in ihren Grössen Ver- hältnissen genügende Anhaltspunkte zur Unterscheidung bieten. Wenn dann nach Ablauf eines Processes, der zwischen Einstülpung und Umwachsung die Mitte hält, durch die Differenz der Lage- beziehungen der eine Theil der Zellen als Ectoderm , der andere als Entoderm sich erweist, so sehen wir, dass gerade die drei grössten Zellen der embryonalen Anlage dem Ectoderm angehören. Man kann sich nun über die Verhältnisse des Embryo in Bezug auf die späteren Körperseiten ganz gut orientiren. Das Vorderende wird von den drei grossen Ectodermzellen gebildet, hinter denselben liegen die Zellen des Entoderms an der Bauch- fläche frei zu Tage , während die Rückenfläche und die Seiten- flächen vom Ectoderm bedeckt sind ; am Hinterende liegen zwischen 20* <279) 4 Dr. B. Hatschek: Ectoderm und Entoderm in der Tiefe die zwei Zellen des Meso- derms, je eine de'r rechten und linken Körperseite angehörend, und in der Medianebene einander berührend. In den weiteren Stadien überwachst das Ectoderm, von hinten nach vorne vor- schreitend, allmählich das Entoderm. Die ursprünglich weite Gastrulamündung , welche die ganze Bauchfläche eingenommen hatte, schliesst sich allmählich bis zu ihrem vorderen Rande hin, der von den drei grossen Ectodermzellen gebildet wird. Die Ento- dermzellen sind nun in einer einfachen Schichte um einen centralen Punkt angeordnet, ein Darmlumen ist aber nicht vorhanden. Auch das Ectoderm ist eine durchwegs einfache Zellschicht. Alsbald aber wird von der den Embryo umgebenden eiweissartigen Flüssig- keit ins Innere desselben aufgenommen, und es werden hiedurch wesentliche Veränderungen bewirkt. Die Aufnahme der Nahrung erfolgt durch eine OefFnung, welche sich an der ventralen Fläche befindet und nach vorne von den drei grossen Ectodermzellen begrenzt wird. Diese Oeffnung entspricht also der Lage nach vollkommen dem letzten Reste des Gastrulamundes ; ob sie neu entstanden oder direct von ersterer abzuleiten ist, ist schon deshalb schwer zu entscheiden, weil diese OefFnung selbst bei älteren Embryonen im Zustande der Contrac- tion sich der Beobachtung entzieht. Von dieser OefFnung aus dringt die Nahrung bis in die Mitte des Embryo, wo die Ento- dermzellen spaltförmig auseinanderweichen. Zugleich fällen sich die Entodermzellen mit einer Menge feiner Eiweisströpfchen. Schon während der Schliessung des Gastrulamundes haben die zwei Mesodermzellen begonnen, sich zu vermehren und haben jederseits eine einfache Reihe von Zellen geliefert, die, in den Seitenth eilen des Embryo gelegen, bis zu den drei grossen vorderen Ectoderm- zellen sich erstrecken. Durch weitere Nahrungsaufnahme wird das spaltförmige Darmlumen bald zu einer rundlichen Höhlung ausgedehnt, um welche die Entodermzellen in einer einfachen Schichte regelmässig angeordnet sind. Wir wollen den Embryo auf diesem Stadium (Fig. 1 u. 2) genauer in's Auge fassen. Das Ectoderm besteht noch aus grossen, nach aussen rundlich vorspringenden Zellen. Drei grosse Ectodermzellen (Ec), die am Vorderende des Embryo liegen, zeichnen sich durch ihre hervorragende Grösse und ihre Beschaffenheit vor den anderen Ectodermzellen aus. Von diesen 3 grossen Ectodermzellen sind die zwei ventralen symmetrisch zu beiden Seiten der Mittellinie die unpaare dorsale in der (280) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 5 Mittellinie selbst gelegen. Die zwei ventralen Zellen begrenzen unmittelbar die Mundöffnung , sie bilden deren vordere Begren- zung, während die hintere Begrenzung von den kleineren Ectodermzellen gebildet wird. Die Mundöffnung, die nach aussen von einem Kranze von Ectodermzellen umgeben ist , auf welchen nach innen sogleich ein Kranz von Entodermzellen folgt, führt unmittelbar in die Darmhöhle. Die Anordnung des Mesoderms wird unsere Aufmerksamkeit besonders in Anspruch nehmen. Wir sehen dasselbe in zwei Zellreihen angeordnet, welche symmetrisch in den Seitentheilen zwischen den primären Keimblättern des Embryo liegen. Diese Zellreihen sind nach hinten durch die zwei grossen Mutterzellen oder Urzellen des Mesoderms abgeschlossen. Diese liegen am hinteren Ende des Embryo und berühren einander in der Medianebene ; sie haben ihre Lage von dem Stadium der Einstülpung an beibehalten. Die Mesodermzellreihen erstrecken sich bis in das vordere Ende des Embryo, wo sie an die zwei seitlichen der drei grossen Ectodermzellen stossen. Die reihen- weise Anordnung der Mesodermzellen leitet die Bildung von zwei langgestreckten Mesodermstreifen ein , welche später in die Ur- segmente des Mesoderms zerfallen. Ich will die Mesodermzell- reihen schon jetzt als „Mesodermstreifen" bezeichnen. In der bisherigen Terminologie spielte die Bezeichnung „Keimstreifen" eine grosse Rolle; man verband aber ganz will- kürlich sehr verschiedene Begriffe mit diesem Namen ; das einemal wurden die Mesodermstreifen des Embryo, so genannt, dann wieder die Anlage des Bauchstranges , der Bauchganglienkette (des Me- dullarrohres bei den AVirbelthieren) , oder gar auch Mund und oberes Schlundganglion mit einbezogen, so dass in einem Falle nur bestimmte Organanlagen des Embryo, in dem anderen Falle alle wesentlichen Organe des Rumpfes , oder gar des gesammten Leibes , mit einbegriffen waren. Ich halte es deshalb für das beste, den Terminus „Keimstreifen" ein- für allemal ganz fallen zu lassen. Ich werde von Mesodermstreifen, Ursegmenten, Medullar- platten etc. reden. Bei jenen Thieren, wo die wichtigsten Organe des Embryo auf eine streifenförmige Anlage zusammengedrängt sind, während die übrigen Theile membranös verdünnt oder gar in Embryo- nalhüllen umgewandelt erscheinen, will ich die Bezeichnung „Embryo- nalstreifen" anwenden, da ich auch hier den älteren Ausdruck „Keim- streifen", womit man ja auch anderes bezeichnete, vermeiden will. Sobald die charakteristischen Lagebeziehungen der Keim- blätter durch den Einstülpungsprocess hergestellt sind , beginnt (281) Dr. B. Hatschek: auch die histologische Differenzirung derselben sich immer mehr geltend zu machen. — Die Ectodermzellen nehmen während der Schliessung des Gastrulamundes eine immer mehr abgeplattete Form an. Dabei werden sie heller, die Körnchen des Protoplasmas werden kleiner und spärlicher, besonders gegen die Peripherie der Zellen zu. Die vorderen drei grossen Ectodermzellen aber, welche, wie weiterhin erörtert werden wird, für eiweissschluckende Embryo- nen der 0 1 i g o c h ä t e n und Hirudineen charakteristisch zu sein scheinen, enthalten ein von gröberen Körnchen erfülltes, dunkleres Protoplasma. Die besondere Beschaffenheit des Protoplasmas scheint mit einer besonderen Function dieser Zellen Hand in Hand zu gehen. Es wird nämlich durch das Verhalten dieser Zellen zu dem Munde und in den weiteren Stadien zum Oesophagus des Embryo sehr wahrscheinlich gemacht, dass diese Zellen die Function des Eiweissschluckens versehen. Ich halte diese Zellen für con- tractile Organe des Embryo , wenn ich auch die Contractilität direct am lebenden Objecte nicht mit Sicherheit beobachten konnte. In den Zellen des Entoderms, welche sich nach Beginn des Eiweissschluckens mit einer Menge feiner Eiweisströpfchen füllen, sammeln sich diese bald zu einer zusammenhängenden Masse, welche das Centrum jeder Zelle einnimmt, während das Protoplasma gegen die Peripherie der Zelle gedrängt wird. Der Zellkern nähert sich zugleich der dem Lumen des Darmes zuge- wendeten Peripherie der Zelle. Die Scheidung des wandständigen Protoplasmas von dem centralen Eiweisstropfen wird immer schärfer (Fig. 4), und die Entodermzellen ähneln in den weiteren Stadien (vergl. Fig. 18) sehr den blasigen Entodermzellen der Cölenteraten. Das wandständige Protoplasma der Entoderm- zellen erscheint durch zahlreiche Tröpfchen und Körnchen ver- dunkelt. — Während die Ectoderm- und Entodermzellen sich durch histologische Differenzirung von der ursprünglichen Structur der Furch ungszellen entfernt haben, zeigen die Mesoderm- z eilen eine Beschaffenheit, welche nicht wesentlich von derjenigen der Furchungskugeln abweicht; namentlich an den am Hinterende des Embryo gelegenen Urzellen des Mesoderms kann man sehr- gut die den Furchungskugeln eigenthümliche Protoplasmabeschaffen- heit erkennen; das Protoplasma ist mit zahlreichen dunkeln Körnchen ziemlich gleichmässig erfüllt. Die Mesodermzellen be- halten gerade so wie bei Unio und Pedicellina und auch bei L u m b r i c u s , die ursprüngliche Beschaffenheit der Furchungs- kugel oder in letzter Instanz der Eizelle. (2S2) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 7 Unter fortwährender Aufnahme von Eiweiss wächst der Embryo rasch heran. Betrachten wir nun die Veränderungen , die an einem etwas älteren Stadium (Fig. 5 u. 6) sich zeigen. — Das grössere Volumen des Embryo ist wesentlich auch durch die Ver- grösserung des Darmlumens bedingt; es erscheint deshalb der Embryo in seiner hinteren Hälfte wie aufgebläht. Es hat aber auch eine Vermehrung der Zellen stattgefunden. Die Ectoderm- zellen haben sich etwas mehr abgeplattet, mit Ausnahme der Schluckzellen; auch die Anzahl der letzteren erscheint vermehrt. — Die Protoplasmawände der grossblasigen Entodermzellen bilden von der Fläche gesehen ein sehr auffallendes Netzwerk (Fig. 5). Auch die Anzahl der Mesodermzellen hat zugenommen, wahr- scheinlich durch Vermehrung von den Urzellen aus. Die Urzellen des Mesoderms haben, indem sie sich von der Medianebene ent- fernten, ihren gegenseitigen Contact aufgegeben. Die übrigen, in den Seitentheilen des Embryo gelegenen Mesodermzellen sind noch immer in einer einfachen Reihe angeordnet. Bei genauerem Studium des Embryo können wir die Anlage des Oesophagus in demselben wahrnehmen. Schon in Fig. 3, welche den optischen Durchschnitt von Fig. 2, eines etwas älteren Stadiums als Fig. 1, darstellt, kann man sehen, dass unterhalb der Schluckzellen zwei kleinere Ecto- dermzellen des Mundrandes nach innen vorwachsen (in Fig. 3 ist blos die Zelle der linken Seite zur Darstellung gekommen), so dass ein ganz kurzes Ectodermrohr als erste Andeutung des Oeso- phagus schon in diesem Stadium besteht. Die Oesophagusbildung ißt im Stadium der Fig. 5 weiter vorgesehritten, indem sich das Ectodermrohr verlängerte. In Fig. 7 ist ein optischer Durchschnitt dargestellt , dessen Ebene etwas näher zur Bauchfläche gelegen ist, als die von Fig. 6. Wir sehen hier, dass die vordere "Wand des Oesophagus durch die grösseren Schluckzellen , die hintere Wandung durch kleinere, von aussen her nach innen vorgerückte Ectodermzellen gebildet wird. Ich füge noch die Bemerkung hinzu, dass die innere Mündung des Oesophagus ausschliesslich von einem Kranze der kleineren Ectodermzellen gebildet wird. In den nächstfolgenden Stadien findet man den Embryo schon ausserhalb der Eimembran frei im Eiweiss des Oocons. Er nimmt jetzt viel reichlichere Eiweissmassen in seinen Darm auf und sein Wachsthum schreitet um so beschleunigter vorwärts. Durch bedeutende Ausdehnung des Darmlumens bläht er sich zu einer Hohlkngel auf, deren Wandung von den Keimblättern (283) 8 Dr. B: Hatschek: gebildet ist. Die wesentlichsten Veränderungen, denen der Embryo zugleich unterliegt, sind folgende. Die Mesodermstreifen , die in Fig. 6 noch von einfachen Zellenreihen gebildet waren . werden allmählich mehrreihig, und zwar beginnt diese Veränderung der Mesodermstreifen von vorne her (schon in Fig. G sehen wir an dem vordersten Ende des Mesodermstreifens der einen Seite zwei Mesodermzellen nebeneinander liegen). Der Vermehrungsprocess schreitet immer weiter nach rückwärts vor, so dass zuletzt nur noch das hinterste Ende der Mesodermstreifen einreihig bleibt (Fig. 8). Während der G-rössehzunahme des Embryo wachsen auch die Mesodermstreifen bedeutend in die Länge . und es ist auch eine relative Lageveränderung derselben zu bemerken. Er- stens rücken die Urzellen des Mesoderms , welche das Hinterende der Mesodermstreifen bilden, noch mehr auseinander, dann aber rücken die Mesodermstreifen, die ursprünglich in den Seitentheilen des Embryo gelegen waren, immer mehr gegen die Bauchfläche. Dies wird dadurch bewirkt , dass die Rückenkälfte des Embryo sich viel mehr ausdehnt als die Bauchhälfte. Die Ectodermzellen der Rück entfache sind daher auch mehr abgeplattet als die der Bauchfläche (Fig. 8). Die Schluckzellen werden an ihrer Oberfläche allmählich von den kleineren Ectodermzellen umwachsen; der Be- ginn dieses Processes ist schon in Fig. 5 wahrzunehmen. Aber auch von der Begrenzung des Oesophagus werden sie ausgeschlossen, indem sich die Halbrinne der kleinen Zellen. (Fig. 7) zu einem voll- kommenen Rohre schliesst. Das Resultat aller dieser Veränderungen sehen wir in Fig. 8 und 0 vor uns. Ich besitze eine ganze Reihe von Präparaten, an welchen ich diese Veränderungen in allen Stadien studiren konnte. Ich habe die Zwischenstadien aus ökonomischen Rücksichten nicht abgebildet. Der in Fig. 8 abgebildete Embryo ist wohl um das Drei- fache des Durchmessers herangewachsen (die Vergrösserung von Fig. 8 ist 'f, die der vorhergehenden Figuren aber 4*"). Bei schwa- cher Vergrösserung und bei flüchtiger Betrachtung erscheint der- selbe als eine bräunliche, an ihrer Oberfläche mit einem polygonalen Netzwerk bedeckte Kugel. Diese bräunliche, kugelförmige Masse ist nun nichts anderes, als die das Darmlumen und die Entoderm- zellen erfüllende Eiweissmasse , welche durch die Verdauungsvor- gänge bräunlich gefärbt wird. Die polygonale Zeichnung der Oberfläche ist durch die Protoplasmawände der Entodermzellen hervorgebracht: das sehr durchsichtige Ectoderm und Mesoderm (284) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 9 ist optisch sehr wenig auffallend. In Fig. 8, welche den Embryo von der Seite gesehen darstellt, ist die polygonale Zeichnung wiedergegeben, welche von den Protoplasmawänden der Entoderm- zellen herrührt. Am Ean.de sehen wir sowohl den optischen Durchschnitt des grossblasigen Entoderms, als auch der darüber- liegenden Ectodermschichte. An der Flächensicht ist auch der Mesodermstreifen dargestellt; derselbe besteht aus einer mehr- fachen Zellreihe und ist im vorderen Dritttheil sogar zweischichtig, weiter nach hinten nimmt seine Breite ab und an seinem Hinter- ende folgt nach einer kurzen einfachen Zellenreihe die grosse Ur- zelle des Mesoderms. Der Mesodermstreifen hat an seinem vor- deren Ende eine weitere Entwicklungsstufe erlangt, während sein Hinterende, wo die einfache Zellreihe und die grosse Urzelle des Mesoderms persistirt, den ursprünglichen einfachen Bau bei- behalten hat. Nach vorne zu erstrecken sich die Mesodermstreifen zu den Seiten des Mundes bis an die Schluckzellen hin. Der Oeso- phagus zeigt Verhältnisse, die das Resultat der oben beschriebenen Vorgänge sind ; er ist ein ziemlich langes, dünnwandiges Ectoderm- rohr, das nach dem Rücken zu verläuft und zwischen der Entoderm- schichte und den ihm auflagernden Schluckzellen gelegen ist Fig. 9). Wie die Abbildung zeigt, sind die Schluckzellen nach aussen gänzlich von den kleineren Ectodermzellen überwachsen. Das Ectoderm erweist sich im Uebrigen auf der Bauchseite, d. h. in der Region zwischen den Mesodermstreifen etwas dicker und ist dort mit zarten Flimmerhaaren bedeckt. Zu beiden Seiten der Mund- öffnung zeigt es sich besonders verdickt. In Fig. 10 ist die Mund- region eines Embryo von ähnlichem Stadium ausgebreitet und von der Fläche gesehen dargestellt. Es ist das Verhältniss von Ecto- derm, Entoderm, Oesophagus mit Mundöffnung, innerer Mündung und Schluckzellen wahrzunehmen. Bevor noch die Bildung der Ursegmente aus dem Materiale der Mesodermstreifen beginnt, also am ungegliederten Embryo, sind noch einige weitere Entwicklungsvorgänge zu beobachten. Vorerst kommt der Oesophagus zur weiteren Entwicklung; er wächst in die Länge und die Schluckzellen bleiben hiebei an seinem hinteren Ende, welches mit weiter Mündung in das Lumen des Mitteldarmes sich öffnet (Fig. 11). Das Eiweiss wird durch die Flimmerbewegung der Oesophaguszellen in demselben fort- bewegt, und es ist demnach die Function der Schluckzellen von geringerer Bedeutung als in den früheren Stadien. Ueberdies beginnt sich auch der Mundwulst schärfer auszuprägen, und es 285) 10 Dr. B. Hatscliek: beginnen sieh an demselben histologische Veränderungen zu zeigen, die wir in ihrer weiteren Ausbildung in den späteren Stadien näher besprechen wollen, Vor der Mundöffnung, nur in geringer Entfernung von dem vorderen Mundrande , entsteht durch rege Zellvermehrung eine quergestellte längliche Verdickung des Ecto- derms ; diese jetzt noch einschichtige Zellanhäufung ist die Scheitel- platte , von welcher ans die Differenzirung des oberen Schlund- ganglions beginnt. Wir sehen ferner, dass das vorderste Ende der Mesodermstreifen in diesem Stadium nicht mehr die frühere Anordnung der Zellen zeigt , da dieselben namentlich in Bezie- hungen zum Mund und Oesophagus getreten sind. Bei den weiteren Entwicklungsvorgängen wollen wir vor- nehmlich auf einige wichtige Punkte unsere Aufmerksamkeit richten: Erstens die Ausbildung des Gegensatzes von Kopf- region und metamerisch gegliedertem Rumpfe , zweitens die Ent- wicklung des Kopfes mit seinen charakteristischen Organen, und drittens die Entwicklung des metamerischen Baues des Rumpfes und die Entwicklung einiger metamerischer Organe. Die Ausbildung des metamerischen Baues beginnt mit Ver- änderungen, welche nicht etwa den ganzen Embryonalleib, sondern nur eines seiner Primitivorgane , die Mesodermstreifen nämlich, betreffen. Die Mesodermstreifen zerfallen in gleichartige, der Reihe nach hintereinander liegende Abschnitte, es sind das die Ursegmente des Mesoderms. Dieser Process tritt in solcher Weise auf, dass zuerst die vordersten Ursegmente entstehen und die nachfolgenden Ursegmente successive von dem hinteren ungegliederten Mesoderm- streifen sich abschnüren. In der Reihe der Ursegmente sind dem- nach die vordersten die ältesten, auf diese folgen die anderen Ursegmente in abgestufter Altersreihe bis zum hintersten jüngsten, an dieses aber schliesst sich noch ein ungegliedertes Stück des Mesodermstreifens , welches immer neue Ursegmente producirt. In der Region der vorderen Ursegmente beginnen sich allmählich die einzelnen Organsysteme als Muskelfasern, Leibeshöhle , Disse- pimente, Segmentalorgane, Borstensäcke, Medullarplatten , Blut- gefässsystem auszubilden, während im hinteren Theile des Embryo von den ungegliederten Mesodermstreifen aus noch immer neue Ursegmente gebildet werden. Man kann demnach alle Ausbil- dungsstufen der metamerischen Organe an einem einzelnen Stadium des Embryo beobachten. Während die vordersten Segmente schon Segmentalorgane. Borstensäcke etc. zeigen, sind an dem hinteren Ende des Embryo die ungegliederten Mesodermstreifen noch in (286) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 11 ihrem ursprünglichen Baue erhalten, sie gehen nach hinten in eine einfache Zellreihe über und an dem hintersten Ende der- selben liegen noch die grossen Urzellen des Mesoderms; wir wer- den weiterhin sehen, dass diese durch fortgesetzte Theilung an dem fortdauernden Längenwachsthum der Mesodermstreifen wesent- lichen Antheil nehmen. Dem metamerisch gebauten Rumpfe lässt sich das abweichend gebaute Vorderende des Embryo als Kopfsegment gegenüber- stellen. Wir sahen , dass schon am ungegliederten Embryo das vordere Ende der Mesodermstreifen , zum Mundwulst und Oeso- phagus in Beziehung tretend , die regelmässige Anordnung der Zellen verloren hatte. Es gehen diese Zellen zumeist in die Bildung von Muskelfasern ein, welche dem Oesophagus und Munde und dem späteren Stirnlappen angehören. Das erste Ur- segment entsteht weiter hinten, in der Gegend hinter dem Mund- wulste, ist aber nach vorn zu gegen die eben besprochenen Meso- dermzellen nicht scharf abgegrenzt. Der vor dem ersten Ursegmente gelegene Theil des Embryo, den wir als Kopf bezeichnen, unter- scheidet sich von dem als Region der Ursegmente zu charakteri- sirenden Rumpfe nicht nur durch die abweichende ursprüngliche Lagerung der Mesodermzellen , sondern überhaupt dadurch , dass er ganz andere Organe besitzt als die Segmente des Rumpfes. Wir unterscheiden demnach am gegliederten Embryo zwei Abschnitte. Erstens den vorderen Abschnitt oder Kopf, welcher Region ent- wicklungsgeschichtlich Mund , Oesophagus und oberes Schlund- ganglion angehören, und zweitens den hinteren Abschnitt oder Rumpf. Der Rumpf besteht aus einer Reihe von Metameren und aus einem hinteren ungegliederten Abschnitte, von welchem aus eine fortwährende Neubildung von Metameren vor sich geht. Wir wollen vorerst die Entwicklungsgeschichte des Kopfes und seiner charakteristischen Organe besprechen. Wir hatten die Kopfregion an den letzten Stadien des un- gegliederten Embryo in Fig. 11 kennen gelernt. In den jüngsten Stadien des gegliederten Embryo , in welchem erst einige wenige Ursegmente gebildet sind, zeigt die Kopfregion noch im Wesent- lichen dieselben Verhältnisse. Wie schon erwähnt wurde , setzt sich bei Bildung der Ursegmente das Mesoderm der Kopfregion nicht scharf gegen das hinter der Mundregion gelegene erste Ur- segment ab. Trotzdem prägt sich der Gegensatz zwischen Kopf und erstem Rumpfsegment später durch die in letzterem auf- tretenden Metamerorgane (Leibeshöhle, Anlage des Segmental- (287) 12 Dr. B. Hatscliek: organs, Borsten, Bauchstrang etc.) genügend scharf aus. Der Kopfregion gehört der Mundwulst und Oesophagus an, und auch ein Tlieil des Entoderms (Mitteldarm), welches unterhalb der Ectodermgebilde ausgebreitet ist. "Wir werden aus dem weiteren Verlaufe der Entwicklung ersehen, dass die vor dem Munde ge- legene Ectoderm verdickung , die Scheitel platte , dem vorderen Körperpole entspricht. Derjenige Theil des Oesophagus , welcher in dem flächenhaft ausgebreiteten, in Fig. 11 abgebildeten Prä- parate noch weiter nach vorne zu liegen kommt, gehört also schon der Rückenregion des Embryo an. Das Verhalten des Oesophagus wird auch aus den halbschematischen Darstellungen älterer Embryonen (Fig. I und II, Taf. III) ersichtlich werden. Der Oesophagus geht unterhalb der Scheitelplatte nach dem Rücken zu und mündet auf der Rückenfläche des Entodermsackes in das Lumen desselben ein. Im weiteren Stadium, wo in den vordersten E'örpersegmenten schon Leibeshöhle und Segmentalorgane angelegt sind, können wir wesentliche Veränderungen der Kopfregion (Fig. 12) consta- tiren. Die Ausbildung der Scheitelplatte ist weiter vorgeschritten ; diese, jetzt schon eine mehrschichtige Ectodermverdickung, bildet einen quergestellten, nach den Seiten zu verbreiterten Streifen. Zwischen Moni und Scheitelplatte liegt ein ziemlich kleinzelliges Ectodermfeld, jenseits der Scheitelplatte beginnen die flächenhaft sehr ausgedehnten, aber abgeplatteten, dünnen Ectodermzellen der Rückenfläche. Am Mundwulste gehen sowohl Formveränderungen , als auch histologische Veränderungen vor sich. Der früher nach hinten offene Wulst wird durch Vereinigung der Seitenhälften geschlossen. Die Zellen des Mundwulstes vergrössern sich und erhalten ein dunkleres , körnchenreiches Protoplasma , welche Veränderungen schon im Stadium der Fig. 11 sich zu bilden begannen. Wieder andere Veränderungen gehen am vorderen Mimdrande vor sich ; es beginnt eine Faltung des Ectoderms einzutreten, die vom vor- deren, äusseren Mundrande ausgeht und die Ausbildung einer Flimmerrinne einleitet, die dort beiderseits in die Mundöffnung führt. Es flimmern zwar die gesammten Ectodermzellen der Kopf- region, aber die zum Munde führenden Flimmerrinnen zeichnen sich durch besonders starke Flimmerhaare aus. Auch die platten, dünnen Zellen des immer länger aus wach- senden Oesophagus sind mit Flimmerhaaren bedeckt, und es ist vornehmlich die Flimmerbewegung, die in diesem Stadium die (288i Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 13 Zuleitung der Ei weissmassen in den Mitteldarm bewirkt. Die Schluckzellen am inneren Ende des Oesophagus sind sowohl ihrer Lagerung als histologischen Beschaffenheit nach sichtlich in Zer- fall begriffen. In dem vorliegenden Stadium ist eine durch Auseinander- weichen von Haut und Darmblatt entstandene Höhle zur Ausbil- dung gekommen, welche wir als Kopfhöhle bezeichnen wollen. Der Oesophagus bleibt hiebei dem Darmblatte anliegend (vergl. Fig. I, Tafel III, welche zwar einem etwas späteren Stadium ent- spricht). Die Kopfhöhle unterscheidet sich von der segmentalen Leibeshöhle des Rumpfes durch ihr Verhältniss zu den Keimblät- tern. Die Kopfhöhle ist durch Auseinanderweichen von Ectoderm und Entoderm entstanden, welche beide Blätter ursprünglich unmittelbar an der Begrenzung dieser Höhle theilnehmen, während die segmentale Leibeshöhle des Rumpfes durch Spaltung des Mesoderms entsteht und allseitig von Mesodermzellen begrenzt ist. Während die Kopfhöhle als eine unpaare Höhle am Vorderende des Embryo entsteht, ist die Leibeshöhle jedes Rumpfmetamers ursprünglich in zwei vollkommen getrennten Hälften, einer rechten und einer linken, angelegt. — Die Mesodermzellen des Kopfes haben sich zum Theil in einzellige, langgestreckte Muskelfasern umgewandelt, welche geringe Gestaltveränderungen des Kopfes bewirken können. Betrachten wir die Kopfregion eines weiter vorgeschrittenen Stadiums (Fig. 13). Die Scheitelplatte, die sich im Verlaufe der Weiterentwick- lung immer mehr verdickt, beginnt sich von den Seitentheilen aus mit zwei Schenkeln gegen die Mundöffnung hin auszubreiten und nimmt so eine hufeisenförmige Gestalt an. Die seitlichen Schenkel der Ectodermverdickung breiten sich immer weiter nach hinten aus, zuerst bis zu den Seiten des Mundwulstes und dann bis in die Rumpfregion hin, wo sie als Medullarplatten die seit- lichen Anlagen des Bauchstranges bilden. Auch am Rumpfe wachsen sie immer weiter nach hinten (Fig. 13, dasselbe Stad. in Fig. 17). Die hufeisenförmige Scheitelplatte beginnt sich an ihrem hinteren, dem Munde zugekehrten Rande scharf abzusetzen, indem sich die tiefere Lage des Ectoderms, wulstförmig in die Kopfhöhle vor- springend, hier zuerst zur Bildung des oberen Schlundganglions abzulösen beginnt. Auch reihen sich an diesem hinteren Rande schon Mesodermzellen zur Bildung des Neurilemms dem Scheitel- plattenwulste an. (289) 14 Dr. B. Hatschek: So beginnt sich das obere Schlundganglion vom Ectoderm abzulösen , während seine hintersten Ausläufer , die später die Schlundcommissur bilden, noch mit dem Ectoderm innig zusammen- hängen. Auch die Entwicklung von Mundwulst und Flimmerrinnen hat bedeutende Fortschritte gemacht. Das "Wachsthum der Flim- merrinnen schreitet an dem Ende derselben immer weiter fort; sie sind im Stadium der Fig. 13 schon bedeutend länger geworden und beginnen jetzt nach vorne und dem Rücken zu umzubiegen ; auch sind sie, als tiefe, von einem vorderen und hinteren Wulste begrenzte Rinnen, zu schärferer Ausprägung gekommen. Der vordere Wulst geht in den vorderen Mundrand direct über , der hintere Wulst verliert sich in der oberen Oesophagus-Wandung, in welcher sich die Rinne noch eine Strecke weit fortsetzt. Von der vorderen Hälfte des Mundrandes, die von diesen Faltensystemen gebildet wird , setzt sich die hintere Hälfte, der Mundwulst, als eine halbmondförmige verdickte Masse sowohl der Form, als auch der histologischen Beschaffenheit nach scharf ab. Die Ausbildung der sehr eigenthümlichen histologischen Verhältnisse ging allmählich, schon vom Stadium der Fig. 11 an , vor sich. Die Zellen des Mundwulstes erhielten , wie schon erwähnt , ein dunkelkörniges Protoplasma , ferner begannen Vacuolen in einzelnen Zellen auf- zutreten, die den Zellkern gegen die Peripherie der Zelle drängten. In Fig. 13 sehen wir endlich die Zellen meist von keulenförmiger Gestalt radiär im Mundwulste angeordnet ; die gegen den Oeso- phagus gewendete Hälfte der Zellen ist eine strangförmige dunkle Protoplasmamasse, während die äussere, meist durch eine Vacuole aufgeblähte Hälfte den Zellkern enthält. Dieses eigenthümliche Ectodermgewebe scheint mir contractiler Natur zu sein und Schluck- bewegungen des Mundes zu ermöglichen. Seine Ausbildung nimmt in dem Masse zu, als die am hinteren Ende des Oesophagus ge- legenen Schluckzellen rückgebildet werden. Doch auch dieser Mundwulst ist ein provisorisches Organ und erleidet späterhin, wenn die Oesophagusmusculatur zur Ausbildung kommt , seine Rückbildung. Der Oesophagus ist im Wesentlichen von demselben Baue, wie in Fig. 11 und 12; von der Mundöffnung an sich rasch verdünnend besteht er in dem grössten Theile seiner Ausdehnung aus sehr platten, dünnen Zellen; Mesodermelemente liegen ihm nur in seinem Anfangsstücke an. Er hat sich beinahe um das Doppelte verlängert. Die Schluckzellen an seinem hinteren Ende sind immer mehr in Auflösung begriffen; sie beginnen sich all- ^90) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 15 mählich — schon im Stadium der Fig. 12 — mit feinen Fetttröpfchen zu füllen und zerfallen , nachdem auch die Kerne zerklüftet und undeutlich geworden sind, in viele kleine, unregelmässige Theil- stücke , die sich allmählich in der Kopfhöhle zerstreuen und da resörbirt werden. In weiteren Stadien , in welchen der Embryo bereits seine kugelige Form verliert und sich an seinem vorderen und hinteren Ende zuzuspitzen beginnt — in den vorderen Rumpfs egmenten sind auch schon die Borsten durchgebrochen — finden wir die morphologischen Verhältnisse des Kopfes schärfer ausgeprägt. (Fig. 15. ; — Das zugespitzte vordere Körperende entspricht der früheren Scheitelplatte. Das obere Schlundganglion ist aber schon vollkommen scharf vom Ectoderm der Oberfläche, der Epithel- schichte, gesondert: doch findet es sich noch an seinem Entstehungs- orte , also im vordersten Körperende (dem Kopflappen), der Haut unmittelbar anliegend. Nach rückwärts steht dasselbe durch die Schlundcommissur mit dem ebenfalls schon vom Ectoderm geson- derten Bauchstrang in Verbindung. Die früher flache Kopfhöhle hat sich vergrössert und zeigt eine im Durchschnitte mehr dreieckige Form vergl. den schema- tischen Längsschnitt Fig. II, Tafel III). — Den Mundwulst finden wir beinahe ganz vom vorderen Mundrande überdeckt. — Die Flimmerrinnen haben eine noch mächtigere Ausbildung erlangt, sie erstrecken sich, schon weit gegen den Rücken hin. In weiteren Stadien kommen sie in der Mittellinie des Rückens zur Ver- schmelzung, und bilden dann eine, den Kopf nahe an seinem hin- teren Rande kreisförmig umziehende Flimmerrinne , die an der Bauchseite in die Mundöffnung mündet. — Dieser embryonale Apparat ist noch an solchen Stadien zu linden, die schon sämmt- liche Organe (mit Ausnahme der Geschlechtsorgane) und die wurm- förmige Gestalt besitzen , und wird demnach erst in den letzten Entwicklungsstadien rückgebildet. Schon am ungegliederten Embryo (Fig. 8) hatte die Bauch- seite eine geringere Ausdehnung als die Rückenseite, wodurch die Mesodermstreifen gegen die Bauchseite zu scheinbar zusammen- rückten. Dieser Process schreitet nicht nur während der Bildung der Ursegmente fort, sondern auch in weiteren Stadien, wo die Organe in den Ursegmenten sich differenziren ; in diesen späteren Stadien kommt noch hinzu, dass die Mesodermplatten gegen die Bauchseite zu schneller vorwachsen als gegen die Rückenseite, und überdies findet auch eine wirkliche Zusammenziehung und (290 16 Dr. B. Hatschek: dadurch Verschmälerung der Bauchfläche statt. Da sich auf Kosten der Ursegmente die Muskelfelder, die Dissepimente , die Segmentalorgane und Borstensäckchen entwickeln, und auch das Ectoderm in der G-egend der Mesodermsegmente verdickt ist, während es am Rücken eine sehr dünne abgeplattete Zellschicht bildet, und in den weiteren Stadien die dem Ectoderm .angehören- den Medullarplatten als Anlagen des Bauchstranges selbstver- ständlich in der Bauchregion entstehen, so finden wir sämmtliche wesentlichen Organanlagen des Rumpfes auf einem verhältniss- mässig schmalen Streifen des kugelförmig aufgeblähten Embryo zusammengedrängt. Wir wollen diesen Streifen mit Einbeziehung des am Vorder- ende gelegenen Kopfes (Mund- und Scheitelplattenregion) als Embryonalstreifen bezeichnen , da wir die bisherige Bezeichnung Keimstreifen, wie schon oben auseinandergesetzt wurde, ganz ver- meiden wollen. — Durch die bedeutende Ausdehnung der Rücken- fläche ist das Darmlumen zu einem grossen, mit Nahrungsmaterial gefüllten Hohlraum geworden, analog dem Dottersacke der Wirbel- thiere. Es ist sehr leicht, diese Embryonen, deren eigentlicher Leib als eine dünne Wandung , den sehr grossen centralen , eiweiss- erfüllten Raum umgibt, zur Untersuchung zu präpariren. Wenn man die Embryonen, nachdem sie durch härtende Reagentien eine grössere Consistenz erlangt haben, am Rücken spaltet, so gelingt es leicht, die centrale Eiweissmasse zu entfernen und sodann den Embryonalstreifen auf dem Objectträger flach auszubreiten. Man kann das Präparat noch färben und in Canadabalsam oder anderen Conservirungsmitteln dauernd aufbewahren. Solche Präparate ge- statten einen sehr guten Einblick in den Bau des Embryonal- streifens, da man bei der grossen Dünne und Durchsichtigkeit des Objectes Zelle für Zelle daran studiren kann. Trotzdem ist zum Studiren vieler Verhältnisse auch hier die Anwendung der Schnittmethode unumgänglich nothwendig. Wir hatten schon oben erwähnt, dass in solchen Stadien, wo die vordersten Rumpfsegmente schon alle wesentlichen Organ- anlagen zeigen , im hinteren Theile des Embryonalstreifens noch immer neue Ursegmente von den Mesodermstreifen aus gebildet werden. Man kann an einem solchen Embryonalstreifen alle Sta- dien der Metamerentwicklung und auch noch am Hinterende die Mesodermstreifen in ihrem ursprünglichen Baue beobachten. Wir wollen die Entwicklung der Metameren des Rumpfes an solchen (292) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 17 Embryonalstreifen, von welchen wir zwei verschiedene Stadien in Fig. lii und 17 bei schwacher Vergrößerung abgebildet sehen, näher studiren. Gehen wir von der Betrachtung des noch unseg- mentirten Theiles des Mesodermstreifens aus. Wir finden die Mesodermstreifen in ihrem hinteren Theile noch von irenau dem- selben Baue, den wir an denselben in jenen Embryonal Stadien kennen gelernt hatten , wo noch überhaupt keine Ursegmente zur Entwicklung gekommen waren. Nur an ihrem Vorderendr haben die Mesodermstreifen eine weitere Differenzirung angenommen. Diese nach vorne zu fort- schreitende Differenzirung findet sich, wie in der Ausbildung der Segmente, so auch im ungegliederten Mesodermstreifen ausgeprägt. Wir können , von hinten nach vorn vorschreitend , an dem Meso- dermstreifen sämmtliche Stadien seiner Entwicklung vorfinden. Wir lernten die Entwicklung des gesammten Mesoderms aus blos zwei Urzellen oder Mutterzellen kennen. Diese Urzellen finden wir in ihrer ursprünglichen Grösse und Beschaffenheit — zu der sie sich nach jeder Theilung regeneriren — am hintersten Ende der Mesodermstreifen (vergl. die Urzelle in Fig. 18, welche das Hinterende des Mesodermstreifens von Fig. IT darstellt, mit den in Fig. 2, 3 und 6 abgebildeten Stadien). Weiterhin sahen wir die Urzellen eine einfache Zellreihe, das ursprünglichste Stadium der Mesodermstreifen, produciren. Auch in Fig. 17 und 18 sehen wir diesen ursprünglichen Zustand der einfachen Zellreihe nach vorne von der Urzelle folgen. Wir sahen dann den Mesoderm- streifen mehrreihig und endlich mehrschichtig (zweischichtig) wer- den. Dieselben Stadien der Entwicklung folgen hier (Fig. 18) noch weiter nach vorne. Die Urzellen des Mesoderms sind immer in reger Theilung begriffen. Man rindet sehr häufig an den Präparaten Theilungs- erscheinungen (spindelförmige Kerne , Körnchenradien im Proto- plasma) dieser Zellen vor. Die Theilung ist eine charakteristische, mit Regelmässigkeit sich fortwährend in derselben Weise wieder- holende. Die ovoide Urzelle liefert stets an ihrem dem Mesoderm- streifen zugekehrten Ende durch eine ungleiche Theilung eine viel kleinere Zelle . welche sich der Mesodermzellenreihe anschliesst. Nach jeder Theilung kehrt die Urzelle zu ihrer ursprünglichen Beschaffenheit und durch Wachsthum zu ihrer ursprünglichen Grösse zurück. In der Mesodermzellenreihe sieht man die kleinste Zelle am Hinterende unmittelbar an der Urzelle liegen und beobachtet eine Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 21 (293^ 18 Dr. B. Hatschek: continnirliche Steigerung der Grösse der Zellen nach vorne zu. Erst dort, wo der Mesodermstreif mehrreihig wird , werden die Zellen plötzlich kleiner. Das rührt daher, dass die kleinen von der Urzelle aus durch Theilung entstandenen Zellen zuerst heran- wachsen, ohne sich zutheilen; wenn endlich ihre Theilung erfolgt, so geschieht dies in der Längsrichtung, so dass dadurch der Meso- dermstreif sogleich mehrreihig wird. Während demnach an dem vorderen Ende die Zellreihe (in welcher die hinterste Zelle die jüngste, die vorderste die älteste ist) durch Theilung fortwährend mehrreihig wird , wird sie an ihrem Hinterende durch Theilung der Urzelle fortwährend regenerirt, verlängert. Je reger die Theilung der Urzelle ist , desto länger ist die einfache Zellreihe. An den ältesten unsegmentirten Embryonal- stadien (Fig. 8) findet man die einfache Zellreihe sehr kurz , an älteren Embryonen (Fig. 1(3, 17), wo das Wachsthuni sich progres- siv gesteigert hat, ist sie wieder viel länger. Doch ist ihre Länge, wie auch das Wachsthmn der Embryonen, variabel; manchmal ist die Zellreihe beinahe doppelt so lang, als die in Fig. 18 abgebildete. In den vorliegenden Stadien (Fig. 10, 17) ist die Mesoderm- zellenreihe stets in einer Bogenlinie nach aussen (gegen den Rücken zu) gekrümmt. Die Wachsthumsrichtimg des Mesodermstreifens ist hier, am Hinterende, direct gegen die Mittellinie des Bauches gekehrt, weiter nach vorne zeigt derselbe unter Veränderung seiner Richtung eine sanftere Convergenz gegen die Bauchlinie. Es lässt sich hier derselbe Vorgang, wie früher an den gesammten Meso- dermstreifen, constatiren — das Zusammenrücken derselben gegen die Bauchlinie lässt sich hier am Hinterende, welches gleichsam in fortwährender Neubildung ist. noch fortgesetzt beobachten. Die Mesodermstreifen zeigen nach vorne zu, wo sie zuerst mehrreihig und dann mehrschichtig werden , eine unregelmässige seitliche Begrenzung. Noch weiter nach vorne werden sie unter steter Vermehrung der Zellen breiter und ihre seitliche Begrenzung wird regelmässiger , zugleich nähern sie sich hier noch mehr der Bauchlinie. Das Ectoderm ist in der Gegend der Mesodermstreifen , bis gegen die Urzellen hin , aus kleinen kubischen , wie es scheint in reger Theilung begriffenen Zellen gebildet, und nimmt an den Wachsthumserscheinungen der hinteren Region des Embryonal- streifens entsprechenden Antheil. Eine kurze Strecke hinter den Urzellen beginnen schon die grossen, stark abgeplatteten Ectoderm- zellen des Rückens. Stadien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 19 Der Process der Ursegmentbildung geht von dem vordersten Ende der ungegliederten Mesoderm streifen und auf Kosten der- selben vor sich. Die Ursegmente entstehen, indem sich die Meso- dermstreifen an ihrem Vorderende in hintereinander liegende Zell- gruppen zu sondern beginnen ; allmälig wird die Abgrenzung der Zellgruppen immer deutlicher und endlich sind sie durch ganz scharfe Linien von einander geschieden. Diese Linien sind das Ergebniss der am vorderen und hinteren Rande des Ursegmentes geradlinigen Anordnung der Zellen. Die Abgrenzung der Ur- segmente erfolgt so allmälig , dass es schwierig wäre , an einem Präparate das letzte Ursegment zu bezeichnen. Die Ursegmente sind kleine, viereckige, mehrschichtige Zell- plättchen. Ihre kürzere Seite entspricht der Längsrichtung des Embryonal Streifens; mit der längeren Seite grenzen die benachbarten Ursegmente aneinander (Fig. 19). Auf den unsegmentirten Keimstreifen folgen also die jüngsten Ursegmente, und je weiter man die Ursegmente nach vorne ver- folgt, de^to weiter findet man dieselben in der Entwicklung vor- geschritten. Bald nachdem sich die Ursegmente scharf von einander abgegrenzt haben , beginnt die Bildung der Leibeshöhle. Die unterste , dem Entoderm anliegende Schichte beginnt sich als Darmfaserplatte von der übrigen Zellenmasse des Ursegmentes abzuheben. Der entstehende Spaltraum ist die segmentale Leibes- höhle. Die Darmfaserplatte besteht aus einer einfachen Lage ziemlich platter Zellen. Die segmentweise auftretende Leibeshöhle nimmt immer mehr an Ausdehnung zu , so dass die Leibeshöhlen der einzelnen Segmente nur durch dünne Scheidewände, die Disse- pimente, getrennt bleiben. Die Dissepimente bestehen aus zwei Zellenlagen, von denen eine dem vorderen, die andere dem hinteren Segmente angehört, die ursprüngliche Ursegmentgrenze geht in die Grenze der zwei Zellenlagen des Dissepimentes über. Bei Betrachtung jüngerer Segmente fallen ausser den Disse- pimenten noch andere unregelmässige Zellengruppen des Mesoderms ins Auge. Es sind dies Verdickungen der Hautmuskelplatte. Wir können sehen, wie diese Zellenanhäufungen des Mesoderms in den vorderen Segmenten sich immer bestimmter gruppiren und endlich die wohl abgegrenzten Anlagen der Segmentalorgane und Borsten- säckchen bilden (Fig. 16 u. 17). Wir wollen die Entwicklungsgeschichte dieser Organe einer genaueren Betrachtung unterziehen. Die Segmentalorgane entwickeln sich aus Zellgruppen der 21* '295) 20 Dr. B. Hatschek: Hautmuskelplatte, welche unmittelbar unter dem Ectoderm liegen und von der Leibeshökle durch endothelartige Zellen der Haut- muskelplatte getrennt sind. Sobald in den Segmenten die Leibes- höhle deutlich zu werden beginnt, bilden sich schon die ersten Längsmuskelfasern - und zwar gehören dieselben , wie die weitere Entwicklung zeigt , dem ventralen LängsinuskelfeLle an. Xach aussen von diesen Muskelfasern liegt die Linie, in welcher die Segmentalorgane (und auch die ventralen Borstenreihen; entstehen. Anfangs lassen sich die Mesoderm verdickungen, welchen die Seg- mentalorgane ihren Ursprung verdanken, wenn auch nicht scharf abgegrenzt, so doch deutlich längs dieser Linie (der Seitenlinie) als continuirliches Gebilde durch eine Reihe von Segmenten ver- folgen (Fig. 17). In den weiter nach vorne liegenden Segmenten finden wir schon den Beginn der Abgrenzung der einzelnen Segmental- organe. Wir sehen nämlich in dieser Region des Embryo in jedem Segmente dicht vor dem hinteren Dissepimente eine grössere Meso- dermzelle in der Hautmuskelplatte liegen ; diese bezeichnet das Vorderende eines Segmentalorganes (Fig. 20). Eine Zellen reihe, welche sich nach rückwärts an dieselbe anschliesst und sich in das nachfolgende (hintere) Segment erstreckt, ist zuerst lose angeordnet und nach hinten gegen die benachbarten Mesodermverdickungen, welche die ventralen Borstensäcke zu bilden bestimmt sind, nicht scharf abgegrenzt. In den Segmenten, die weiter nach vorne liegen, sehen wir die einfache Zellreihe durch inniges Aneinanderlegen der einzelnen Zellen einen cylindrischen Zellstrang bilden, die Anlage des Segmentalorganes. Dieser Zellstrang verläuft aber nicht in einer geraden Linie, er ist in S-förmiger Krümmung gebogen. Das Vorderende des Zellstranges mit der grossen Zelle liegt im nächst vorderen Segmente, das Hinterende etwa in der Mitte des Seg- mentes , welchem das Segmentalorgan zugehört (oder eigentlich zugezählt wird). Das ganze Gebilde liegt unmittelbar unter dem Ectoderm ; bei noch tieferer Einstellung sieht man die Dissepimente und die die Leibeshöhle epithelartig auskleidenden Mesoderm- zellen. Weiterhin geht dieser Zellenstrang Veränderungen ein, welche erstens seine Form , zweitens seine zellige Zusammensetzung und drittens seine Lagerung betreffen. In Bezug auf die Form ist zu erwähnen, dass sich die vordere Krümmung des S allmälig streckt, und am Hinterende noch ein ebenfalls gerades Endstück sich ab- setzt. Die Segmentalorgananlage besteht sodann aus 3 Stücken, einem Anfangsstücke, welches in das nächstvordere Segment sich Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 21 erstreckt, einem sehlingenförmigen Mittelstücke und einem wieder gerade verlaufenden Endstücke. Die Schlinge biegt sicli nach aussen (gegen den Rücken) zu. Die grosse vordere Zelle geht durch mehrfache Theilung in kleinere Zellen auf, aber auch die anderen Zellen zerfallen in kleinere Elemente, die sich um die centrale Achse des Zellstranges anordnen. Während dieser Ent- wicklungsvorgänge geht zugleich eine Lageveränderung der Seg- mentalorgananlage vor sich. Das schlingenförmige Mittelstück be- ginnt, und zwar zuerst mit der Umbiegungsstelle, in die Leibeshöhle vorzurücken (Fig. 20). Es nimmt dabei einen Peritonealüberzug mit, welcher beide Schenkel der Schlinge gemeinschaftlich über- zieht. In den weiteren Stadien, wo die Segmentalorgane in der Leibeshöhle gelegen sind, finden wir demnach immer einen Perito- nealüberzug an denselben. Der schlingenförmige Theil des Seg- mentalorgans dreht sich allmählich um 90 Grade derart, dass bei Ansicht von der Bauchseite der eine Schenkel, und zwar derjenige, welcher an das Anfangsstück des Segmentalorgans sich anschliesst, den andern Schenkel bedeckt (Fig. 21). Alsbald entsteht in dem Segmentalorgane ein deutliches, scharf begrenztes Lumen, m welchem am lebenden Objecte eine lebhafte Flimmerbewegung wahrzunehmen ist. Das Lumen setzt sich durch eine feine Oeffnung im Ectoderm bis nach aussen fort. Ueber die Entstehung der inneren Trichteröffnung bin ich zu keinem sicheren Resultate gekommen. Im Gegensatz zur Darstellung Kowalewsky's, welcher die Segmentalorgane in der Leibeshöhle von den Dissepimenten aus entstehen und erst secundär mit der Haut in Verbindung treten lässt, sehen wir also, dass die Segmentalorgane dicht unterhalb des Ectoderm s entstehen und erst secundär in die Leibeshöhle rücken, dass sie ferner von Anfang an vom vorderen Segmente bis gegen die Mitte des Segmentes reichen, welchem sie angehören ; sie erstrecken sich schon in der ersten Anlage bis zur späteren Ausmündungsstelle hin. Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass Kowalewsky das schlingenförmig gebogene Organ für einen einfachen blind endigenden Canal gehalten hat. Die Segmentalorgane entstehen in allen Rumpfsegmenten mit Ausnahme des ersten. Doch auch im ersten Rumpfsegmente findet man (Fig. 1(3 und 17) genau an der Stelle des Segmentalorganes eine Mesodermanhäufung. die erst in späteren Stadien verschwindet; ich deute dieselbe als Rudiment des ersten Segmentalorganes. Gleichzeitig mit den Segmentalorganen bilden sich die Borsten- säckchen durch schärfere Abgrenzung aus den Mesodermverdickun- (297) 22 Dr. B. Hatschek: gen der Hautmuskelplatte; auch diese rücken in die Leibeshöhle und erhalten dabei einen Peritonealüberzug. Die Borsten ent- stehen schon sehr frühe (in Stadien, die wenig älter sind, als das in Fig. 17 abgebildete) in den Borstensäckchen. Sie kommen als- bald, indem sie in die Länge wachsen , zum Durchbruche, und es bahnt sich von den 3 Borsten, die in jedem Säckchen zuerst auf- treten, jede ihren besondern Weg durch das Ectoderm. Die Borsten sind Mesodernigebilde und sind demnach als innere Skelettbildungen zu betrachten. Ich bin in dieser Ansicht durch wiederholte Prü- fung meiner Präparate immer mehr bestärkt worden; ich will über diesen Punkt ein anderes Mal noch genauer berichten. Ich will hier noch erwähnen , dass schon im Stadium der Fig. 17, wo der Embryonalstreifen noch eine verkältnissmässig schmale Zone einnimmt, sich schon ein weitmaschiges Netz von sehr feinen, äusserst langen, aber doch einzelligen Muskelfasern an der ganzen Rückenfläche gebildet hat; dasselbe ist aus Meso- dermzellen entstanden, welche vom äusseren Rande des Embryonal- streifens als Wanderzellen gegen den Rücken hin sich ausbreiteten. Man kann leicht alle Uebergangsstadien der Bildung dieser Muskel- fäden beobachten. Auf die weitere Entwicklung von Criodrilus will ich hier nicht näher eingehen. Der Uebergang des Körpers zur cylindrischen Form geht ganz ähnlich vor sich, wie dies von Kowalewsky für Lumbricus beschrieben wurde. Beim Uebergang in die cylindrische Form wird der Durchmesser des Querschnittes ein viel kleinerer, indem sich die ausgedehnte Rückenhaut bedeutend zusammenzieht. Die kreisförmige adorale Flimmerrinne wird erst sehr spät, lange nach Ausbildung der Blutgefässe, rückgebildet. B. Ueber Entwicklungsgeschichte von Polygordius. Die hier mitgetheilten Beobachtungen betreffen die Entwick- lungsvorgänge, die an der pelagisch lebenden Larve von Polygordius vor sich gehen. Die Metamorphose der Poly go r diuslarve ist in Bezug auf die wesentlichsten äusseren Verhältnisse durch Schneider be- kannt geworden. Er war es, der die Zugehörigkeit der schon früher beschriebenen Larven zu dem von ihm entdeckten Poly- gordius sichergestellt und die früheren unrichtigen Vermuthungen zurückgewiesen hat. Ich will seine eigenen Worte anführen : „Die Larve von Polygordius ist schon längst bekannt, es ist die (208) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 23 ■berühmte Loven'sche l) Annelidenlarve, über deren .Schicksal so viele Vernmthungen aufgestellt worden sind. Wie Loven selbst, so haben auch die späteren vermuthet , dass ein borstentragender Ringelwurm daraus hervorgehen müsse. In neuester Zeit nur hat Alex. Agassiz2") eine mit der Loven'schen nahe verwandte Larve beschrieben , die sich zu einer Turbellarie entwickeln soll. Alle diese Vermuthungen mussten die Wahrheit verfehlen, da eben der erwachsene Polygordius vollkommen unbekannt war." ) Ich schliesse mich der Ansicht Schneider's vollkommen an, und nachdem ich die Poly go r di us larven aus eigener Anschauung kennen gelernt habe, halte ich es für sicher, dass sowohl Loven, als auch Alex. Agassiz diese Larve in Händen gehabt haben. Ich habe die Entwicklungsgeschichte des Polygordius van der ungegliederten Larve bis zu jenem Stadium, welches die wesent- lichen Charaktere des entwickelten Thieres trägt, verfolgt, und namentlich auch die Entwicklung der inneren Organisation berück- sichtigt. Der Uebersichtlichkeit halber theile ich^lie^IIetainorphose in 6 Entwieklungsperioden ein. Erste Entwicklungsperiode. Als erste Entwicklungsperiode fasse ich die ungegliederten Stadien der Larve zusammen. Das ungegliederte Stadium, welches den Ausgangspunkt der ganzen Untersuchung bildet, wollen wir einer eingehenderen Betrachtung unterziehen. Die kleine durchsichtige, pelagisch lebende Larve (Fig. 22; ist von rundlicher Gestalt; der äquatoriale Durchmesser ist etwas bedeutender, als der vom oberen zum unteren Pole gezogene. Die obere Hälfte der Larve ist sanft abgeflacht : das unterste Ende ist schwach kegelförmig ausgezogen. In der äquatorialen Zone sind zwei parallel verlaufende Wimperkränze gelegen , ein mäch- tiger präoraler und ein zarter postoraler. Zwischen den beiden Wimperkränzen liegt auf der vorderen (der Bauch-) Seite die Mundöffnung; dieselbe führt in einen kurzen Oesophagus , dieser wieder in einen weiten, kugelförmigen Mitteldarm, der sich nach unten in einen kurzen, trichterförmigen Enddarm fortsetzt; dieser mündet in der am unteren Pole gelegenen Afteröffnung nach aussen. 1) S. Loven, Beobachtungen über die Metamorphose von Anneliden. Wieg- maan's Arch. 15-42, pag. 302. (Uebersetzt aus den K. Veten kamps Academiens Handliugar 184 I.) 2) Annais Lyceuin. Nat. bist, of New-York. Vol. VIII. June 13o6, pag. 303. 3) A. Schneider: Ueber Bau und Entwicklung von Polygordius. Müller's Arch. 1838. (299) 24 Dr. B. Hatschek: Am oberen Pole ist die Larve mit zwei symmetrisch gelegenen Angentlecken versehe i j . Gehen wir nun genauer auf den Bau der einzelnen Organe der Larve ein. Die Hautschichte der Larve ist nicht überall von derselben Beschaffenheit, sondern zeigt in verschiedenen Regionen des Körpers mannigfache Differenzirungen, Vom morphologischen Standpunkte (der durch die späteren Entwicklungsvorgänge be- gründet wird) können wir die Regionen folgendermassen unter- scheiden. Den grösseren Theil der Larve, und zwar den oberen sphäroidischen Theil bezeichnen wir als Kopf, den kleineren, un- teren, kegelförmigen Abschnitt als Rumpf. Demnach werden wir von nun an den Scheitelpol als vorderen, den Afterpoi als hinteren Pol bezeichnen. Am Kopfe selbst werden wir drei Regionen nach ihrem verschiedenen Baue unterscheiden: Erstens die vordere Region, welche nach hinten vom präoralen Wimperkranze begrenzt wird; wir werden dieselbe als Scheit elf el d bezeichnen, welches an dem vorderen Pole eine mit den Augentlecken versehene Ver- dickung die Scheitel platte trägt; zweitens die mittlere Kopf- region oder die Region der oralen Wimperkränze und drittens die hintere oder" postorale Kopfregion. Die Haut besteht überall aus einer äusserst dünnen Cuticula — nur an der Basis des präoralen "Wimperkranzes zeigt sich die- selbe wesentlich verdickt — und aus einer darunter liegenden Zellschichte. Am besten lässt sich die Cuticula durch Maceration mit sehr verdünnter Essigsäure oder Ueberosmiumsäure darstellen (Fig. 46). Den zelligen Bau der unteren Schichte kann man an dem äusserst durchsichtigen und optisch homogenen lebenden Objecte nicht erkennen, wohl aber nach Behandlung desselben mit Reagen- tien.1) (Taf. V.) Die Zellschichte besteht in der Rumpfregion aus einer einfachen Lage epithelartig angeordneter, zwar nicht hoher, aber doch beinahe cubischer Zellen, an der Bauchseite sind dieselben ein wenig schmäler und höher als am Rücken; in der Kopfregion aber verhält sich die Zellschichte nicht so gleichmässig, sondern ist zu verschiedenen Organen differenzirt. In dem grössten Theile der Kopfregion, nämlich im Scheitelfelde und in der postoralen Kopf- ') Ich habe zum Zwecke der histologischen Untersuchung der Larve meist Präparate auf folgende Art angefertigt: Einwirkung von 1% Ueherosmiumsäure (1 bis 2 Minuten), sodann 40°/0, dann 90% Alkohol, hierauf mit Pikrocarmin ge- färbt, dann 40°/0, 9Ü°/0 absoluter Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. Die ganze Procedur wird auf dem Objectträger vorgenommen und nimmt kaum mehr als fünf Minuten in Anspruch, rsoo) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 25 reeion finden wir mit er der Cuticula nur eine sehr dünne Proto- plasmaschichte, in welcher in weiten Abständen die stark ab- geplatteten Kerne eingebettet sind. Zellgrenzen konnte ich hier bei der angewendeten Präparationsmethode nicht nachweisen. Viel complicirtere Differenzirungen zeigt das Ectoderm in der Region der Wiraperkränze und in der augentragenden Scheitel- platte. Wir wollen uns vorerst der Region der Wimperkränze zu- wenden. Es werden hier selbst die Detailverhältnisse unsere Auf- merksamkeit in Anspruch nehmen, denn wir werden späterhin (im zweiten Theile dieses Aufsatzes) sehen, dass diese Bildungen von grosser Wichtigkeit für die Erkenntniss der Morphologie einer sehr umfangreichen Gruppe von Thieren sind. Der präorale Wimperkranz besteht aus einer doppelten Reihe von langen Flimmergeissein x), welche einem ringförmigen , stark vorspringenden, dunkler pigmentirten Zellwulste eingepflanzt sind. Bei näherer Untersuchung sieht man leicht, dass den zwei Reihen von Geisseln zwei Reihen von Zellen als Geisseiträger entsprechen. Diese Zellen sind von sehr regelmässigem Bau und Anordnung. In Fig. 37, wo ein Stück der Wimperkranzregion in der Flächen- ansicht nach einem gefärbten Präparate abgebildet ist, sehen wir, dass die scharf viereckigen Zellen eine regelmässige Doppelreihe bilden ; die Zahl und Grösse der Zellen in der oberen Reihe stimmt vollkommen mit der der unteren, ja sogar die cpueren Zell- grenzen stimmen genau überein. Jede der länglich viereckigen Zellen trägt eine Anzahl reihenweise angeordneter Geissein, ein Bruchstück der Geisseireihe. Die einzelnen Zellen haben eine sehr regelmässige, rechtwinklig prismatische, scharfkantige Form. Sie besitzen ein dunkles, grobkörniges Protoplasma und einen kugeligen Kern mit Kernkörper (Fig. 39). An ihrer Oberfläche sind diese Zellen mit einer sehr dicken, homogenen Cuticula ver- sehen , welche von einer Reihe von Porencanälen durchsetzt ist, in welche die Geisseireihe eingepflanzt ist. Die Porencanäle zeigen in der Mitte ihres Verlaufes eine kleine, scharf ausgeprägte An- schwellung, deren Inhalt mit Carmin stärker tingirbar ist, als die übrigen Theile der Geissei. Am vorderen Rande ist diese doppelte Zellreihe der Geisseiträger von einer Zellenmasse begleitet, die an der Bildung des piäoralen Ringwulstes mit theilnimmt, Diese ') Der doppelte vordere und einfache hintere Flimmerkranz sind schon von Schneider angegeben worden, 1. c. pag. 58. (301) 26 Dr. B. Hatschek: Zellen, die ebenfalls eine ansehnliche Dicke besitzen, sind unregel- mässiger angeordnet ; Zellgrenzen konnte ich hier nicht mit Sicher- heit unterscheiden ; sie besitzen ein dunkles Protoplasma und runde kleinere Zellkerne. Ihre charakteristische histiologisshe Eigen- tümlichkeit besteht darin , dass sie eine grosse Anzahl stark lichtbrechender Kugeln enthalten. Dieselben sind zum Theil wahr- scheinlich Fettkugeln; tbeilweise aber bestehen sie aus einer Sub- stanz, welche durch Carmin tingirbar ist und auch in ihrem opti- schen Verhalten eine grosse Aehnlichkeit mit Eiweissmassen besitzt, wie solche z. B. in den EntodermzeLen der eiweissschluckenden Annelidenembryonen (Lumbricus, Criodrilus, Xephelis) sich linden. Jedenfalls scheint es mir zweifellos zu sein, dass diese Ectoderm- zellen aufgespeichertes Nahrungsmateriale nach Art von Fett- gewebe enthalten. Dasselbe ist wahrscheinlich zur Ernährung der benachbarten Geisseiträger bestimmt, welche bei ihrer bedeuten- den Function , als beinahe ausschliessliche Bewegungswerkzeuge der Larve einer besonderen Ernährungseinrichtung bedürfen. Auch ein Kranz von gelben Pigmentflecken, die aus kleineren gruppen- weise vereinigten hellgelben Fetttropfen bestehen , gehört dieser Zellmasse an. Der hintere postorale Wimperkranz besteht aus einer ein- fachen Reihe viel zarterer Flimmerhaare, die auch einer einfachen Zellreihe angehören. Diese Zellen sind viel niedriger, als die des präoralen Flimmerkranzes ; sie haben eine nur schwach verdickte Cuticula, die von einer Porenreihe, zum Durchtritt der Wimper- haare durchbohrt ist. Der Zwischenraum zwischen dem präoralen und postoralen Wimperkranze hat die Form einer seichten Rinne, die von dünnen platten Zellen gebildet ist. Diese Rinne ist an ihren beiden Rän- dern mit sehr zarten Flimmerhaaren bedeckt (Fig. 38). Die Bewegung dieser Flimmerhaare führt bauchwärts zur Mundöffhung. In der Umgebung des Mundes sind die Zellen höher, dichter angeordnet und mit kräftigeren Wimperhaaren versehen (Fig. 35). Während die mächtigen Greissein des präoralen Wimperkranzes vornehmlich zur Fortbewegung der Larve dienen , scheint der hintere Flimmerkranz und die Flimmerrinne zur Nahrungsaufnahme in näherer Beziehung zu stehen. Ich muss hier noch eines morphologisch wichtigen Verhält- nisses in Betreff der Wimperkränze erwähnen. Die Wimper- kränze sind nämlich an ganz jungen Larven nicht vollkommen geschlossen, sondern in der Rvickenlinie unterbrochen (Fig. 41). (3.2) Stadien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 27 Hier gehen dieselben jederseits in einen Wulst von indifferenten Zellen über. Man kann sich überzeugen, dass von diesem Zellen- wulste aus das Wachsthum der Flimmerapparate erfolgt. Man sieht von hier aus sämmtliche Zellreihen sich differenziren ; nament- lich an den Zellen des präoralen Wimperkranzes kann man gut beobachten, wie sie hier kleiner und kürzer (in Bezug auf ihre in der Längsrichtung des Wimperkranzes gelegene Dimension), gegen die Bauchseite zu immer länger werden. Nachdem sich die Wimperkränze durch Vereinigung geschlossen haben, gleicht sich die Grösse der Zellen durch Wachsthum der jüngeren Zellen des Rückens wieder aus. Die augentragende Scheitelplatte ist die Anlage des vor- deren Kopfganglions (oberes Schlundganglion). Trotzdem sie von dem Stadium an, welches wir hier betrachten, noch eine bedeu- tende Weiterentwicklung durchzumachen hat . ist dennoch nicht daran zu zweifeln, dass die Scheitel platte schon in diesem Sta- dium als centrales Nervensystem der Larve fungirt. Die Scheitelplatte ist hier eine querovale Ectoderm verdickung, die aus kleinen Zellen, mit rundlichen oder etwas eckigen Kernen und feinkörnigem Protoplasma, besteht, die in der mittleren Region der Scheit elplatte in mehrfacher, gegen den Rand zu in einfacher Schichte angeordnet sind. In der untern der Bauchseite angehören- den Hälfte der Scheitelplatte zeigt sich eine hellere, umschriebene Stelle (Fig. 36), die bei genauerer histologischer Untersuchung sich als jene charakteristische, helle, mit Carmin wenig tingirbare Ner- venfasersubstanz erweist, die in den Nervencentren der Wirbellosen öfters als „Leydig'sche Punktsubstanz " bezeichnet wird. Der Scheitelplatte eingelagert finden wir die zwei mit lichtbrechenden Körpern versehenen Augenflecken. Die Pigmentflecken bestehen aus dunklen , schwarzbraunen Pigrnentkörnchen , die in dünner, einfacher Schichte die inuere Hälfte der Oberfläche der kugel- förmigen, lichtbrechenden Körper bedecken (Fig. 55). Wegen der ihn umgebenden dunkeln Pigmentkörnchen ist es schwierig den lichtbrechenden Körper genauer zu untersuchen. Doch scheint es mir nach Untersuchung einiger günstigerer Präparate, dass er aus hellen, prismatischen, mit kleinen blassen Kernen versehenen Zellen zusammengesetzt sei. Ich kann nicht entscheiden, ob die Pigmentkörnchen den Zellen des lichtbrechenden Körpers oder den umgebenden Zellen der Scheitelplatte angehören. Die Bedeutung der Scheitelplatte als centrales Nervensystem wird dadurch unzweifelhaft sichergestellt, dass ein vielverzweigtes (303) 28 Dr. B. Hatschek: peripherisches Nervensystem von derselben seinen Ursprung nimmt (Fig. 51). Das periphere Nervensystem liegt in seinem ganzen Verlaufe — vom Ursprung an der Scheitelplatte bis zu den feinsten Verzweigungen hin — dem Ectoderm überall dicht an. Von der Scheitelplatte gehen 6 Nervenstämme aus, von denen, wie es der symmetrische Bau der Larve fordert, 3 der rechten und 3 der linken Körperseite angehören. Der mächtigste der 3 Ner- venstämme geht von der seitlichen Begrenzung der Scheitelplatte aus, und lässt sich am Scheitelfelde in geradlinigem Verlaufe bis zum präoralen Wimperkranze hin verfolgen. Dieser Nerv besteht aus einer einfachen, sehr zart contourirten Faser, in deren Ver- lauf 4 grosse Ganglienzellen eingelagert sind, am Wimperkranze endet sie mit einer 5tcn Anschwellung , die von einigen kleineren Zellen gebildet ist. Von den 4 eingeschalteten Ganglienzellen nehmen ventrale und dorsale Ausläufer ihren Ursprung, die die weitere Verästelung des Nerven vermitteln. Jede dieser 4 Gan- glienzellen hat demnach 4 Ausläufer , von denen 2 , den Haup't- nervenstamm zusammensetzend, die Verbindung der Ganglienzellen untereinander und mit dem Centr-alnervensystem herstellen, während die 2 anderen, nach der Bauch- und Rückenseite gerichteten Aus- läufer die peripherische Verästelung besorgen. Die Ganglienzellen zeigen an den gefärbten Präparaten (Fig. 53) das charakteristische feinkörnige Protoplasma und einen schönen runden Zellkern ; eine besondere constante Eigenthümlichkeit desselben sind doppelte Kernkörperchen. Die Ganglienzellen liegen, wie das gesammte peripherische Nervensystem, der Hautschichte unmittelbar an. Die peripherischen Ausläufer der Ganglienzellen verlaufen in sanfter Krümmung parallel dem Seitenrande des Scheitelfeldes und dem- nach auch parallel zu einander, so dass sie 4 concentrische Bogen- linien bilden. In ihrem Verlaufe geben sie einzelne Nervenfasern ab, die, sich weiter verästelnd, in den Ectodermenzellen des Scheitelfeldes endigen. Gegen die Peripherie des Scheitelfeldes zu lösen sie sich in immer reichere Verästelungen auf; diese bilden zum Theil Anastomosen zwischen den benachbarten Hauptästen, zum grössten Theile aber streben die zahlreichen, feinen Aestchen nach der Peripherie des Scheitelfeldes dem präoralen Wimper- kranze zu. Ausser den zwei Hauptnerven entspringen noch 4 andere viel dünnere Nerven, 2 an der ventralen Peripherie der Scheitel- platte, die ventralwärts, 2 an der dorsalen Peripherie, die dorsal- wärts in ziemlich geradlinigem Verlaufe ziehen (Fig. 51), und (3C4) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 29 sich nur in eine geringere Anzahl von Aestchen auflösen. — Die Zahl der Verästelungen des gesammten peripherichen Nerven- systems ist ausserordentlich bedeutend. Schon diejenigen Zweige, die zu den Zellen des Scheitelfeldes ziehen, sind so zahlreich, dass bei der verhältnissmassig geringen Anzahl der Zellen, auf jede Zelle wie mir scheint, eine Nervenendigung entfällt. — Bei stärkeren Vergrößerungen kann man wahrnehmen, dass die Zellen des Scheitelfeldes und auch die der Scheitelplatte mit äusserst dünnen und dabei ziemlich langen, büschelweise über jedem Zell- kerne eingepflanzten Flimmerhaaren versehen sind. Diese Büschel bilden auf der Scheitelplatte, wo die Zellen sehr dicht angeordnet sind, einen förmlichen Wald von Flimmerhaaren (Fig. 43), während sie sonst am Scheitelfelde (Fig. 42) in weiten Abständen von einander stehen. Die FJ immerhaare zeigen nur seltene und schwache active Bewegungen und es scheint mir sehr wahrschein- lich, dass ihre Function eher in einer Sinnesempfindung, als in einer Bewegungsleistung bestehe. — Die feinsten Nervenveräste- lungen am Scheitelfelde lassen sich bis unter die Insertionsstelle der Flimmerbüschel, also bis in die Gegend der Zellkerne , ver- folgen (Fig. 45 . — Die weit zahlreicheren gegen den Rand des Scheitelfeldes zustrebenden Nervenverästelungen lassen sich bis gegen den präoralen Wimperkranz hin verfolgen , sie sind der Zahl nach gleichmässig im ganzen Umkreise vertheilt. Es ist kaum zweifelhaft, dass diese Verästelungen zur Innervirung der grossen geisseltragenden Zellen bestimmt sind, die ja das Bewe- gungsorgan der Larve bilden und auch in ihrer Bewegung der Willkür unterworfen zu sein scheinen. Leider Hessen sich die Nervenendigungen nicht direct bis in die Geisseizellen verfolgen, da die Geisseizellen gegen das Scheitelfeld zu von den oben er- wähnten, mit Fetttropfen erfüllten Ectodermzellen verdeckt sind, die hier alle feineren Details dem Anblicke entziehen. Die Hauptstämme des peripherischen Nervensystemes wurden schon von Schneider1) (an älteren Larvenstadien) gesehen; da er aber die Verästelungen übersah, hielt er dieselben für Muskel- fasern. Er schreibt denselben Contractilität zu und sagt, dass das Scheitelfeld durch dieselben ringförmig eingeschnürt werde. Diese Meinung ist eine irrthümliche. Die Einschnürungen beruhen nicht auf einer Contractilität der Fasern. Wenn nämlich die Scheitel- platte durch die später zu erwähnenden Längsmuskeln etwas ein- ') 1. c. (305) 30 Dr. B. Hatschek: gezogen wird, so erleidet das Scheitelfeld zuweilen Faltungen, die sieh oft in ihrem Verlaufe an die Hauptnervenstämme halten, da die letzteren gleichsam rippen artige Verdickungen der dünnen Leibeswand bilden. In späteren Stadien, wo der Kopf der Larve zu bedeuten- derer Grösse heranwächst , werden namentlich die gegen den Wimperkranz zustrebenden Verästelungen und deren Anastomosen noch viel reicher. Auch schieben sich dort neue Ganglienzellen in den Verlauf der Nerven ein (Fig. 52). Nach den Lagerimgs- verhältnissen ist es am wahrscheinlichsten, dass die Bildung dieser neuen Ganglienzellen von den unmittelbar darüberliegenden Ecto- dermzellen abzuleiten sei. — Dies sowohl, als auch die ganz innige Anlagerung des gesammten peripherischen Nervensystems an die Hautschichte, lassen mich vermuthen, dass dieses peripherische Nervensystem gerade so wie das centrale (Scheitelplatte) seinem Ursprünge nach auch dem Ectoderm angehöre. Während ich am Scheitelfelde ein so reich ausgebildetes Nervensystem fand, konnte ich in den übrigen Theilen der Larve keine Spur von Nervenfasern nachweisen. Ich will nun zur Beschreibung der Mesodermgebilde über- gehen. Ich fasse hier eine Anzahl von Bildungen zusammen, deren Deutung als Mesodermgebilde nicht nur durch ihre Lagerung und Beschaffenheit, sondern auch namentlich durch Vergleichung mit den Embryonen der Oligochaeten eine sichere Stütze erhält. Da wir die Mesodermgebilde im Rumpfe in einem wenig differenzirten Zustande antreffen, während sie im Kopfe von einer Anzahl func- tionirender Organe repräsentirt sind, so wollen wir mit den ersteren beginnen. Zu beiden Seiten des kegelförmigen Rumpfes , etwas mehr der Bauchseite genähert , zeigen sich zwei schmale verdickte Streifen der Leibeswand. Diese Verdickungen sind dadurch ge- bildet, dass an jenen Stellen unterhalb des Ectoderms (der Haut- schichte) eine zweite, scharf abgegrenzte Schichte gelegen ist — die in zwei Zellstreifen angeordnete Mesodermschichte (Fig. 57 und 58). Diese Mesoderm streifen bestehen in jüngeren Individuen (Fig. 57) aus einer einfachen Zellschichte. Sie sind, namentlich in diesen früheren Stadien, vorne breiter, während sie am Hinter- ende aus einer einzigen Reihe von Zellen bestehen, welche sich bauch wärts krümmt, um dicht vor dem After mit einer auffallend grossen Mesodermzelle abzuschliessen. Die beiderseitigen zwei <:iOG) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 31 grossen Mesodermzellen liegen dicht vor dem After, wo sie in der Medianebene der Larve mit einander in Berührung stehen. Die Mesodermstreifen liefern im weiteren Verlaufe der Ent- wicklung die Ursegmente, aus welchen sich sodann alle Mesoderm- gebilde der Rumpfsegmente entwickeln. Die Uebereinstimmung dieser Mesodermstreifen mit denen der Oligochaeten ist augen- fällig. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass die am Hinterende der Mesodermstreifen in der Medianlinie aneinanderliegenden, grossen Mesodermzellen, die Urzellen des Mesoderms repräsentiren, von welchen wie bei den Oligochaeten v) (und auch bei Unio 2) und Pedicellina 3) das gesammte Mesoderm seinen Ursprung nahm. Die Mesodermstreifen stehen ausschliesslich mit dem Ectoderm in Contact , von dem Darmcanale sind sie durch die geräumige Leibeshöhle der Larve getrennt. (Vergl. Fig. 82 und 83.) In älteren Stadien (Fig. 58) der noch ungegliederten Larve haben die Urzellen ihren Contact in der Medianebene verloren, die Mesodermstreifen sind an ihrem Hinterende nicht mehr so stark verschmälert; in ihrem vordersten Abschnitte bestehen sie nicht mehr aus einer einfachen, sondern aus einer doppelten Zellenlage. Ausser den Mesodermstreifen finden wir noch einige diffe- renzirte, functionirende Mesodermzellen im Rumpfe; es sind dies einige zarte Muskelfäden, die zwischen Hinterdarm und Leibeswand ausgespannt sind. Von den Mesodermgebilden des Kopfes fallt vor Allem jeder- seits ein grosser, starker Muskelfaden auf, der vom Vorderende des Mesodermstreifens frei durch die Leibeshöhle zur Scheitelplatte hinzieht, an welcher er, dicht unter dem Augenflecke seine In- sertion findet. Dieser Muskel besitzt die Form eines cylindriscken Fadens. An seiner Insertionsstelle ist er etwas verbreitert; bei starker Vergrössernng kann man an diesem Muskelfaden eine stärker lichtbrechende, und, wie es scheint, consistentere Rinden- schichte und eine innere Marksubstanz unterscheiden. Bei sehr starken Contractionen des Muskels legt sich die Rindenschichte in feine Querrunzeln , so dass man bei schwacher Vergrösserung einen quergestreiften Muskel zu sehen glaubt. Der Muskelfaden l) Kowalewsky, Embryolog. Studien. 2j Rabl. Ueber die Entwicklungsgeschichte der Maleraiuschel, .len. Zeitschr. f. Naturw., X. Bd., 3. Hft. 1876. 3) B. Hatschek. Embryonalentwicklung und Knospung der Pedicellina ehinata, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXIX, pag. 502. 1877. (307) 32 Dr. B. Hatschek: besteht aus einer einzigen Zelle; den Zellkern findet man in seiner Anschwellung, mit welcher er an der Scheitelplatte sich inserirt. — Ausser diesem Muskelfaden inserirt sich noch ein zweiter, ebenfalls paarig vorhandener , ventralwärts von demselben an der Scheitelplatte; er erstreckt sich frei durch die Leibeshöhle zum Oesophagus hin, an welchem er seine zweite Insertion findet. Er hat eine ähnliche Structur, wie der erstere, ist aber bedeutend dünner. Der Effect, den diese Muskelfäden bei ihrer Contraction üben , besteht hauptsächlich darin , dass sie die Scheitelplatte trichterförmig nach innen ziehen ; dies erfolgt gewöhnlich bei Er- schütterung oder sonstiger Insultirung der Larve. Der Längs- muskel, der im schlaffen Zustande sich lose zu beiden Seiten des kugeligen Darmes krümmt, schnürt diesen, indem er bei seiner Contraction geradelinig wird, in der Mitte ein. Loven1), der die Larven in diesem Zustande sah, beschrieb 2 Magenkammern. Wir finden noch andere Muskeln von abweichendem Baue im Kopfe vor. Erstens eine paarig vorhandene grosse Mesoderm- zelle in der Rückenhälfte des Kopfes ; diese besitzt die Form einer verästelten Bindegewebszelle , sie zeigt in ihrem mittleren, spindelförmig verdickten Theile den Zellkern ; von diesem spindel- förmigen Theile strahlen zahlreiche dünne , auch verästelte Fort- sätze nach vorne und hinten zu und finden ihre Insertion vorne an der Rückengegend des Scheitelfeldes und hinten am Vorder- rande der Rumpfwand. Diese Ausläufer der Zelle zeigen eine viel geringere Contractilität als die vorhin beschriebenen Muskelfäden. Unterhalb des präoralen Ringwulstes finden sich im ganzen Umkreise spindelförmige Mesodermzellen gelagert, die wahrschein- lich befähigt sind, geringe Gestaltveränderungen des Ringwulstes herbeizuführen. Wir finden im Kopfe ferner noch einige zarte Muskelfäden, die zwischen Oesophagus und benachbarter Leibeswand ausge- spannt sind und als Dilatatoren des Oesophagus fungiren ; sie inseriren sich am Oesophagus mit einer kleinen Anschwellung, in welcher sich der Zellkern befindet, nach der anderen Seite, an der Leibeswand befestigen sie sich mit einigen zarten Ausläufein. Sie sind symmetrisch zu beiden Seiten angeordnet. iFig. 34.) Ausser den hier beschriebenen Muskelzellen habe ich in einigen meiner Skizzen noch einzelne andere verästelte Mesoderm- zellen gezeichnet, die ebenfalls am Ectoderm ihre Insertion haben. ') 1. c Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 33 Wir haben nun noch ein Organ zu erwähnen, welches seiner Entstehung nach wahrscheinlicher Weise ebenfalls dem Mesoderm angehört. Es ist dies ein hohler flimmernder Excretionscanal, der, an dem Längsmuskel des Kopfes angeheftet, in der Leibeshöhle des Kopfes sich befindet Dieser zarte, flimmernde Canal verlauft in der hinteren Hälfte des Kopfes parallel mit dem L'ings- muskel, an dessen dorsaler Seite, bis zum hinteren Ende desselben, wo er ihn kreuzt und ventralwärts von dessen Insertion ss teile am vorderen Rande des Rumpfes nach aussen mündet (Fig. 65). Der Excretionscanal steht an seinem vorderen Ende vermittelst eines offenen Trichters mit der Leibeshöhle in directer Verbindung. Der zierliche Trichter ähnelt einer offenen Blumenkrone; er be- steht aus einer dünnen Membran , welche durch Längsrippen, ähnlich den Spangen eines Regenschirmes gestützt wird. Der Trichter, der oft — wie die Flimmertrichter der Rotatorien — in zitternder Bewegung ist, ist an seiner inneren Oberfläche mit feinen Wimperhärchen bedeckt; er führt in das etwas erweiterte Anfangsstück des dickwandigen Excretionscanals ein. In dem Lumen des Canales bringt die lebhafte Flimmerung die bekannte Erscheinung einer sich gegen die äussere Mündung fortbewegenden Wellenlinie hervor. Die Wandung des Excretions canales ist mit feinen Secrettröpfchen erfüllt. An den gefärbten Präparaten (Fig. 49), kann man eine Anzahl von Zellkernen in dem fein- körnigen Protoplasma des Excretionsorgans erkennen. Von den Kernen entfallen etwa 4 auf die Länge des Canals, dem Trichter kommen l bis 2 Kerne zu. Wenn man annimmt, dass jeder Kern einer Zelle angehört — es war mir zwar nicht möglich Zell- grenzen zu unterscheiden — so kann man den Trichter aus blos 1 bis 2 Zellen zusammengesetzt auffassen, während der Canal aus etwa 4 hintereinanderliegenden durchbohrten Zellen besteht, wie wir solche nach den Untersuchungen von Claparede x) , namentlich aus den Segmentalorganen von Lumbricus kennen. Dieser Excretionscanal geht schon im ungegliederten Stadium eine Weiterentwicklung ein , indem sich an ihm ein dor- saler Querast , längs der vorderen Rumpfgrenz e der Leibes- wand anliegend, entwickelt, der ebenfalls mit einem Flimmer- trichter von demselben Bau, wie der erste, versehen ist. Das gemeinschaftliche Endstück des zweiästigen Excretionsorganes ') Claparede, Histiplogische Untersuchungen über den Regenwurm. Zeitsehr. f. wiss. Zool., 1869. Claas, Arbeiten aus dem Zoologi i hen Institute etc. 22 34 Dr. B. Hatschek: verläuft dorsoventral in der Richtung des secundären Astes (Fig. 68)1). Der Darmcanal der Larve besteht, wie schon erwähnt, aus 3 Abtheilungen, welche in Bau und histologischer Beschaffenheit scharf von einander gesondert sind. Es ist wahrscheinlich, dass nur der Mitteldarm vom Entoderm gebildet ist, Oesophagus und Hinteidarm aber als secundäre Ectodermeinstülpungen entstanden. Der Oesophagus (vergl. Fig. 34) beginnt mit ziemlich weiter, trichterförmiger Mundöffnung und zeigt an seinem hinteren Ende, wo er in den Magen mündet , eine Verengerung seines Lumens durch einen diaphragmaartig vorspringenden Wulst. Die Wan- dung des Oesophagus besteht aus einem einfachen, mit kräftigen Flimmercilien versehenen Cylinderepithel; an der inneren Mün- dung sind die Zellen etwas höher und bilden so den diaphragma- arfigen Wulst. Die Zellen dieses Wulstes tragen an ihrem gegen die Magenhöhle gerichteten Rande einen Kranz von eigenthüm- lichen , langen , kräftigen , winkelig gebogenen Wimpern. Diese Wimpern, die an ihrer Insertionsstelle beweglich sind , aber sonst wenig ihre starre Form verändern, bilden eine Art Reussenapparat, der den Nahrungstheilchen den Eintritt in die Magenhöhle gestattet, den Rücktritt in den Oesophagus aber verhindert. Von den am Oesophagus sich inserirenden Muskeln , die bei der Nahrungsauf- nahme den Oesophagus erweitern, war schon oben die Rede. — Die Nahrung gelangt nun in den weiten hohlkugelförmigen Magen, in welchem sie von den feinen Wimpern der Entodermzellen roti- rend umhergetrieben wird. Die Entodermzellen des Magens zeigen überall eine ziemlich gleichmässsige Dicke, nur in der Region an der Bauchseite, dicht hinter der inneren Oesophagus- mündung sind sie etwas höher als in der übrigen Magenwandung. Sie sind im lebenden Thiere von ziemlich stark lichtbrechender Beschaffenheit und enthalten öfters auch noch Tropfen von stärker lichtbrechender Substanz in ihrem Innern. Man kann schon am lebenden Objecte die unregelmässig verlaufenden Zellgrenzen walir- :) Als ich in den älteren Stadien der ungegliederten Larve den zweiästigen Excretionscanal auffand, tauchte mir die Frage anf , ob ich nicht bei den jüngeren Stadien den queren Ast übersehen hätte ; ich konnte aber die jüngeren Stadien nicht wieder zur Untersuchung erhalten. An den conservirten Präparaten Hess sich die Frage nicht mit vollkommener Sicherheit entscheiden, doch bestärkte mich die Untersuchung der Präparate in meiner alten Anschauung, die auch der obigen Dar- stellung zu Grunde gelegt ist. Diese Anschauung wird auch dadurch gestützt, dass sich (wie wir sehen werden; im weiteren Verlaufe der Entwicklung die Zahl der Flimmertrichter noch weiter vermehrt. (310) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 35 nehmen, wenn auch nicht immer mit derselben Deutlichkeit. Es scheint dies von den verschiedenen Verdauungsauständen abzu- hängen. An geiärbten Präparaten gewinnt man einen noch besseren Einblick in die Structur dieser Zellen. Man erkennt dann , dass das Protoplasma der Zellen an der Peripherie derselben dichter angeordnet ist, im Innern aber, von einer helleren Substanz und von zahlreichen kleinen hellen Tröpfchen durchsetzt , ein reti cil- iares Gefüge besitzt. Der etwas abgeflachte Kern der Entoderm- zelle liegt an der inneren, dem Darmlumen zugekehrten Peri- pherie, Die unregelmässigen Zellgrenzen sind manchmal nur schwer wahrzunehmen, in anderen Fällen treten sie wieder mit grösster Deutlichkeit hervor. In diesem Falle scheinen mir aber nicht blosse Zellgrenzen vorzuliegen, sondern die sehr breiten körnchenreichen Contouren scheinen mir durch die Anhäufung des Protoplasmas an den Zellgrenzen bedingt , es sind dies demnach eigentlich nicht die Zellgrenzen, sondern die Protoplasmawände, die hier zur Anschauung kommen. Diese Entodermzellen bieten uns principiell dieselben Er- scheinungen, die wir bei vielen eiweissaufnehmenden Embryonen, (von Lumbricus, Criodrilus, Nephelis, Gastropoden undHeteropoden,) viel schärfer ausgeprägt finden. Fol x) deutete hier diese Er- scheinungen als Aufspeicherung von eiweissartigen Massen in den Entodermzellen der Embryonen. Wir sehen nun, dass auch bei der freilebenden Larve eine ähnliche, wenn auch nicht so hochgradige Aufspeicherung umgewandelter Nahrungsstoffe in den Entoderm- zellen stattfindet. Es scheint mir, dass dies auf ursprüngliche Eigen- thiimlichkeiten des histologischen Baues und der Function zurückzu- führen sei, welche dem Entoderm einer uralten gemeinschaftlichen Stammform eigen waren ; auch die Verhältnisse des Coelenteraten- Entoderms lassen sich hierauf zurückführen. Der Mitteldarm besteht allseitig aus einer einfachen Ento- dermzellschicht, mit Zellen des Mesoderms steht er nirgends in Verbindung ('Fig. 34). Der Hinterdarm besteht aus hohen Cylinderzellen, die lange Wimperhaare tragen; mit diesen zum Theil noch in die Höhle des Mitteldarms hineinragenden Wimpern macht der Hinterdarm den Eindruck eines grossen Wimpertrichters. Meist ist seine ') Fol, H., Etudes sur le developpement des mollusques. See. meni. Sur le developpement embryonnaire et larvaire des üeteropodes. Archives de Zoologie experimental etc. Vol. V. 22* (MU 36 Di\ B. Hatschek: Wandung etwas gefaltet und sein Lumen unregelmässig spalt- förmig verengt. Beim Auswerfen der Nahrangsreste wird der Hinterdarm durch die an seiner AussenÜäche sich iiiserirenden Muskelfasern ausgedehnt. Zweite Entwicklungsperi o de. (Fig. 23 und 24.) Die zweite Entwicklungsperiode ist charakterisirt : durch das Auftreten der Ursegmente und durch Ausbreitung des Mesoderms bis zur Bauch- und Rückenlinie des Rumpfes; zu Ende dieser Periode tritt ein zarter Flimmerkranz am hinteren Körper- ende auf. In Betreff der Veränderungen der äusseren Form ist ausser dem allgemeinen Wachsthum ein überwiegendes Zunehmen des Rumpfes zu constatiren; seine stumpf kegelförmige Form ver- wandelt sich durch überwiegendes Längenwachsthum Steine spitz kegelförmige mit abgestumpftem Afterende. — Bei dieser Längs- streckung der Larve nimmt auch der Mitteldarm eine gestrecktere Form an. Auch in Beziig auf den inneren Bau betreffen die wesent- lichsten Veränderungen den Rumpftheil und wir wollen diese zu- nächst der Betrachtung unterziehen. Vor Allem sind es hier die Veränderungen an dem Meso- dermstreifen, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken werden. Schon im ungegliederten Stadium begannen die Mesoderm- streifen, zuerst an ihrem Vorderende, zweischichtig zu werden; dieser Process schreitet immer weiter nach hinten fort. Die zwei Schichten entsprechen der späteren Hautmuskel- und Darm- faserplatte. — v Ferner beginnen die Mesodermstreifen sich zu ver- breitern und ihr Wachsthum schreitet hiebei gegen die Bauch- seite rascher vor, als gegen die Rückenseite. — Alsbald differen- ziren sich die Mesodermstreifen von vorne angefangen zu Urseg- menten. Die Ursegmente sind kurze, durch scharfe Contouren von einander abgegrenzte , hintereinanderliegende Abschnitte , in welche die Mesodermstreifen zerfallen (Fig. 59). Die scharfen Contouren sind dadurch bedingt, dass dort die Zellen des Meso- derms längs einer geraden Linie angeordnet sind , während die Zellgrenzen im Innern der Ursegmente unregelmässig verlaufen. In Fig. 60 sehen wir optische Längsschnitte durch die Leibes- wand in der Gegend der Ursegmente. Am lebenden Objecte (Fig. 60, B) sehen wir die scharfe Abgrenzung der Ursegmente ; wir nehmen auch in jedem Ursegmente eine zarte Contour wahr, die (312) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 37 Grenze zwischen Darmfaser und Hautmuskelplatte. An den ge- färbten Präparaten (Fig. 60 A) kann man sich über den zelligen Bau der Ursegmente orientiren: die dickere Hautmuskelplatte besteht gerade so, wie die dünnere Darmfaserplatte aus einer ein- fachen Zellenlage ; durch Einwirkung der Reagentien ist zwischen den beiden Schichten in jedem Ursegmente ein kleiner Hohlraum aufgetreten. Während sich die Mesodermplatten immer weiter am Rumpfe ausbreiten, schreitet auch die Differenzirung der Ursegmente immer weiter nach hinten fort. Es bleibt aber noch ein unsegmentirter Theil der Mesodermstreifen übrig, an dessen Hinterende noch immer die grossen Mesodermzellen sich finden. - Wir unterscheiden demnach an dem Rumpfe eine Reihe von Ursegmenten, von welchen das vorderste das älteste, das hinterste das jüngste ist; am Hinter - ende persistirt aber immer noch ein Rest des ungegliederten Meso- dermstreifens , der nach vorne zu immer neue Ursegmente diffe- renzirt, während er sich im hinteren Theile durch Wachsthum fortwährend regenerirt. Die Ausbreitung der Mesodermplatten schreitet rasch fort und zwar gegen die Bauchseite rascher als gegen die Rückenseite. Da die Ursegmentbildung in den beiderseitigen Mesodermstreifen gleichen Schritt hält, und die beiderseitigen Ursegmente auch in ihrem weiteren Wachsthum sich gleichmässig verhalten, so stossen dieselben bei ihrem Zusammentreffen auf der Bauchseite genau zusammen und verwachsen hier mit einander. Es ist zu erwähnen, dass die Ursegmente nicht in ihrer ganzen Ausdehnung zweischichtig sind, sondern sich sowohl ventral- wärts als dorsalwärts zu einer einfachen, dünneren Schichte ver- flachen. Bei der Verwachsung in der Bauchlinie ist demnach das Mesoderm dort nur einschichtig. Noch mehr ist das Mesoderm in der gegen den Rücken vorwachsenden Partie abgeflacht. Es be- steht dort aus einer einfachen Schichte sehr abgeplatteter Zellen ; die Grenzen der Ursegmente sind in dieser dünnen Schichte nicht zu verfolgen, sie reichen also nicht bis zur Rückenlinie hin. Der zweischichtige Theil der Ursegmente , in welchem sich die spalt- förmige Segmenthöhle zu bilden beginnt, ist nur auf eine schmale Region beschränkt, die nicht bis zur Bauchlinie reicht und nur ein wenig auf die Rückenfläche übergreift. Schon während der Bildung der Ursegmente beginnt das Ectoderm an der Bauchseite des Rumpfes sich zu verdicken ; diese Verdickung macht während der Ausbreitung der Mesodermplatten (313) 38 Dr. B. Hatschek: sowohl in ihrer Mächtigkeit als auch in ihrer Ausdehnung gegen das Hinterende zu , stete Fortschritte. Wir werden auf diese Bildung späterhin , bei Schilderung der Querschnitte genauer eingehen. Im Kopftheile der Larve sind in dieser Entwicklungsperiode nur geringfügige Veränderungen vor sich gegangen. Die Scheitelplatte hat sich unter Vermehrung ihrer Zellen etwas verdickt und bildet einen schwach vorspringenden Wulst. Am wesentlichsten sind noch die Entwicklungsvorgänge am Excretionsorgane , an dessen Leistungsfähigkeit durch die Ver- größerung des Gesammtorganismus erhöhte Anforderungen gestellt sind. Das Excretionsorgan , oder , wie wir dasselbe kurzweg nennen wollen, die K o p f n i e r e , hat nicht nur an Grösse zuge- nommen, sondern es ist an derselben auch eine Vermehrung der Wimpertrichter eingetreten. Die neuen Trichter entstehen dicht neben den alten , wie es scheint durch Theilung derselben , viel- leicht auch manchmal durch Neubildung. ]) Man findet im extremsten Falle die Trichter des vorderen Astes auf 2 , die des hinteren auf 3 vermehrt, also 5 Trichter an der Kopfniere jeder Körper- seite, welches Verhältniss in noch älteren Entwicklungsperioden der Larve das constante ist. In anderen Fällen finden sich vorne 2 und hinten 2, oder vorne 1 und hinten 2 oder 3 Trichter. Das Verhältniss kann selbst in der rechten und linken Seite ver- schieden sein. — In den ältesten Stadien dieser Entwicklungs- periode beginnen noch andere Veränderungen am Excretionsapparate aufzutreten, die eigentlich den Rumpf der Larve betreffen, da sie die Bildung der Segmentalorgane einleiten. Ich werde diese Ent- wicklungsvorgänge im Anschlüsse an die nächste Entwicklungs- periode besprechen. Dritte Entwicklungsperiode. (Fig. 25 und 26.) In dieser Entwicklungsperiode kommen die wesentlichen Or- gananlagen des Rumpfes zur Differenzirung. Aeusserlich ist diese Periode charakterisirt : Durch die Um- wandlung des Rumpfes von der kegelförmigen zu beinahe cylin- drischer Form, unter gleichzeitiger steter Längenzunahme desselben; ') Die meisten, von mir beobachteten Verhältnisse lassen mich einen Theilungs- process der Trichter vermuthen ; einzelne Bilder — wie z. B. in Fig. 70, wo in einer noch geschlossenen Trichteranlage eine selbststäudige flimmernde Vacuole beobachtet wurde — möchten für Neubildung sprechen. (314) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 39 und durch Auftreten zweier warzenförmiger Erhebungen an der Scheitelplatte, welche die Anlage der Tentakeln bilden. Wir wollen wieder die Bildungsvorgänge am Rumpfe zuerst der Betrachtung unterziehen. ' Wie schon erwähnt, wächst der Rumpf, unter gleichzeitig- fortdauernder Neubildung von Segmenten, in die Länge und nimmt unter Verbreiterung des Hinterendes allmählich eine mehr cylin- drische Gestalt an. Die Umwachsung des Mesoderm's wird insofern eine voll- kommenere , als die Mesodermschichte auch am Rücken sich all- mälig verdickt und auch die Grenzen der Mesodermsegmente bis dahin vorrücken. Die Segmenthöhlen sind im Stadium der Fig. 25 noch immer zum grössten Theile auf die Bauchseite beschränkt, ohne aber die Bauchlinie zu erreichen. Hier, in der Gegend der Segmenthöhlen, sind die Dissepimente ins Auge fallend. während gegen die Rückenfläche zu nur die Ursegmentgrenzen zu sehen sind. Im Stadium der Fig. 26 haben sich die Segmenthöhlen schon weiter gegen den Rücken hin ausgebreitet, erreichen aber auch jetzt noch weder Rücken- noch Bauchlinie. Zu beiden Seiten der Bauchlinie zeigt die Hantmuskelplatte starke Verdickungen. Den Bau dieser Verdickungen kann man nur auf Querschnitten genauer erkennen: wir wollen hierauf später zurückkommen. Wir wollen uns jetzt anderen wichtigen Entwicklung s Vor- gängen zuwenden, welche am lebenden Objecte zu beobachten sind: der Entwicklung der Segmentalorgane. — Wie schon nach den allgemeinen Entwicklungsverhältnissen des Rumpfes vorauszusetzen ist, entstehen die Segmentalorgane zuerst in den vordersten, ältesten Segmenten und allmälig in den hinteren jüngeren Seg- menten. Schon in den letzten Stadien der zweiten Entwicklungs- periode beginnt in dem vordersten Rumpfsegmente die Entwick- lung des ersten Segmentalorganes. Wir sehen in solchen Stadien, wo die Segmenthöhlen in den vordersten Segmenten in Form von engen Spalten aufgetreten sind, von der Kopfniere aus, und zwar von jener Stelle, wo sich die beiden Aeste derselben vereinigen, einen feinen, flimmernden Canal nach hinten in die Hautmuskel- platte des ersten Segmentes sich erstrecken, in schwach gegen den Rücken zu gekrümmter Biegung bis nahe an das Hinterende des Segmentes verlaufen und dort blind endigen. (Fig. 70.) Das sehr enge Canälchen ist nur durch die zarte Flimmerbewegung wahr- nehmbar, die in seinem Innern von der Kopfniere aus gegen das (315) 40 Dr. B. Hatschek: blinde Ende zu verläuft. Es lässt sich keine distincte, gegen das übrige Mesoderm abgegrenzte Wandung des Canälchens erkennen. — In ganz ähnlichen Larvenstadien findet man schon weitere Ent- wicklungszu stände dieser ersten Segmentalorgan-Anlage. Zu dem Canälchen , das noch mit der Kopfniere in offener Verbindung steht, ist eine neue Bildung hinzugetreten, ein Flimmertrichter, der dasselbe mit der Leibeshöhle des Kopfes in directe Verbin- dung setzt ; ferner ist das blinde Ende durch eine Oeffnung im darüberliegenden Ectoderm nach Aussen durchgebrochen. Zugleich beginnt sich die Wandung des Caiiälchens durch Veränderung ihrer Structur von dem übrigen Mesoderm abzugrenzen. (Fig. 71.) Der Entstehungsort dieses ersten und auch der nachfolgen- den Segmentalorgane entspricht der Seitenlinie des entwickelten Polygordius, in welcher auch die äusseren Mündungen der Seg- mentalorgane liegen. — In weiteren Stadien sehen wir, dass die Communication des ersten Segmentalorganes mit der Kopfniere aufgehört hat. (Fig. 72.) Gleichzeitig sehen wir von diesem Seg- mentalorgane des ersten Rumpfsegmentes die Bildung des nächst- folgenden ausgehen. Von dem hinteren Ende des ersten Segmen- talorganes , dicht vor seiner äusseren Mündung geht ein zweiter Canal aus, der, in der Hautmuskelplatte verlaufend, bis nahe an das Hinterende des zweiten Segmentes vordringt und dort blind endet. Das zweite Segmentalorgan ist demnach durch weiteres Vordringen des ursprünglichen Canälchens entstanden. Nach demselben Principe geht die weitere Entwicklung der Segmentalorgane vor sich. In einer Larve von ungefähr demsel- ben Stadium, wie die in Fig. 25 abgebildete, sehen wir (Fig. 73) auch das zweite und dritte Segmentalorgan selbstständig nach aussen münden, vom dritten aus aber verläuft ein geschlängelter Flimmercanal continuirlich durch 6 weitere Segmente. Die Seg- mentalgänge entstehen sodann durch Zerfall dieses einfachen, die Segmente continuirlich durchsetzenden Flimmercanals. In Fig. 74 sehen wir die Anlage der Segmentalorgane der vordersten Rumpf- segmente schon weiter entwickelt , jedes mit seiner besonderen äusseren Mündung. Nur das Segmentalorgan des ersten Rumpf- segmentes besitzt , wie schon erwähnt , einen wohlausgebildeten Flimmertrichter, an den nächstfolgenden ist noch nichts von einem Trichter zu sehen. Es schliesst sich jedes Segmentalorgan noch dicht an das nächst vordere an, wenn auch ein directer Zusammen- hang des Lumens nicht mehr stattfindet. — An ihrem hinteren Ende sind die Segmentalgänge scharf gegen den Rücken zu Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 41 gekrümmt. — Das vorderste Segmentalorgan zeichnet sich durch lebhaftere Flimmerung und durch deutlich abgegrenzte Wandung ans; an den nachfolgenden kann man eine gegen die übrigen Mesodermelemente abgegrenzte Wandung kaum unterscheiden. Von solcher Ausbildung zeigten sich die Segmentalorgane bis in das hintere Viertel des Rumpfes, an das letzte derselben schloss sich ein flimmender Canal an, der sich continuirlich durch zwei weitere Segmente erstreckte und dann blind endigte. In den hinteren Segmenten geht demnach die Weiterbildung der Segmen- talore-ane auf gleiche Weise vor sich wie früher in den vorderen. In weiteren Stadien, die zwischen dem Stadium der Fig. 29 und 30 stellen, haben sich die Segmentalorgane vollkommen von einander isolirt und sind mit Wimpertrichtern versehen , welche sich in die segmentalen Hohlen öffnen. (Fig. 75.) Diese Trichter weichen in ihrer Form von dem des ersten Segmentalorganes ab, sie sind einfache, kolbige, mit einer trichterförmigen Erweiterung in die Segmentalhöhlen mündende Anschwellungen der Segmental- gänge. Ihre Entstehung konnte ich nicht beobachten. Sicher ist, da ss sie — sowie der Trichter des erst en -Segment al- organes — secundär, später als die Segmentalgänge entstehen. Die Verdickung des Ectoderms an der Bauchseite des Rumpfes nimmt auch in den Stadien der dritten Entwicklungs- periode noch wesentlich zu. Sie bildet die Anlage des Bauch- stranges, welcher das Centralnervensystem des Rumpfes repräsen- tirt. Wir werden den Bau und die Entwicklung des Bauchstran- ges erst bei Betrachtung der Querschnitte genauer kennen lernen. Im Kopfs egmente gehen während dieser für die Entwicklung des Rumpfes so bedeutungsvollen Periode nur sehr unbedeutende Veränderungen vor sich. — Die Kopfnieren behalten, nachdem sich ihre 5 Trichter entwickelt haben , ihre Ausbildung bei. — Eine Anzahl verästelter Mesodermzellen, die sich wahrscheinlich vom vorderen Rande des ersten Ursegmentes loslösten , beginnt sich an der Hantschichte des Kopfes auszubreiten. — Die wich- tigsten Neubildungen am Kopfe sind zwei neu auftretende Sinnes- organe. Schon im Stadium der Fig. 25 beginnt sich in der Mitte der Scheitelplatte jederseits der Mittellinie innerhalb einer seich- ten Vertiefung eine warzenförmige Erhebung zu bilden , welche mit feinen starren Sinneshärchen besetzt ist. Diese soliden Wärzchen , die dem Centralnervensystem unmittelbar aufsitzen, sind die Anlagen der Antennen. — Bald darauf im Stadium der (317) 42 Dr. B. Hatschek: Fig. 26 erscheint zu beiden Seiten der Scheitelplatte, etwas nach dem Rücken zu , je eine Flimmergrube von länglicher , spindel- förmiger Gestalt. Es sind einfache Vertiefungen der etwas ver- dickten Hautschichte , welche mit kurzen , aber starken und äusserst beweglichen Flimmerhaaren versehen sind. (Fig. 54.) Man kann zu den Flimmergruben je einen Nerven verfolgen, der ge- meinschaftlich mit dem dorsalen Nerven des Scheitelfeldes von einer an der dorsalen Peripherie der Scheitelplatte gelegenen Ganglienzelle seinen Ursprung nimmt und sich bis zu dem dor- salen spitzen Winkel der Flimmergrube verfolgen lässt. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass die Flimmergruben als Sinnesorgane (Geruchsorgane") fungiren. Vierte Entwicklungsperiode. (Fig. 27 — 29.) Die vierte Entwicklungsperiode ist dadurch charakterisirt, dass die Kopfblase hier den Gipfelpunkt ihres Wacksthums erreicht und der Rumpf eine wurmförmige Gestalt annimmt. Die Organe des Rumpfes waren schon in den zuletzt be- schriebenen Stadien im Wesentlichen angelegt; es beziehen sich daher die Veränderungen desselben in der vierten Periode haupt- sächlich nur auf die weitere Ausbildung der definitiven Formver- hältnisse und auf histiologische Differenzirung. Der Durchmesser des Rumpfes wird ein geringerer, während zugleich noch der Bauchstrang und die zu den Seiten desselben liegenden Anschwellungen der Hautmuskelplatte sich noch bedeu- tend verdicken ; daraus resultirt , dass die Leibeshöhle (die den Darmcanal umgebende, primäre) sich im Rumpfe sehr stark ver- engert. — Auch zeigt sich derjenige Theil des Mitteldarmes, der sich durch den langgestreckten Rumpf hinzieht, sehr verschmälert, so dass er im Gegensatze zu dem vorderen, im Kopfe gelegenen, blasenförmi- gen Abschnitte eine enge, cylindrische Röhre darstellt, die sich nach hinten in der Region der jüngsten Segmente wieder etwas erweitert. Eine wesentliche Veränderung, die sich in den Stadien, welche zwischen denen der Fig. 26 und 29 liegen, im Rumpfe vollzieht, besteht darin, dass das Darmfaserblatt — welches ganz getrennt von dem Darme entstand und von demselben durch die primäre, mit der Kopfhöhle in Zusammenhang stehende Leibeshöhle ge- trennt war — sich an das Darmdrüsenblatt anlegt , wobei die primäre Leibeshöhle vollkommen verdrängt wird. — Wir wollen diesen Process genauer betrachten. Die Segmenthöhlen, die noch im Stadium der Fig. 26 auf die Seiten des Rumpfes beschränkt (318) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 43 waren, dehnen sich zuerst bis zur Rückenlinie, dann auch bis zur Bauchlinie aus. Es sei hier bemerkt, dass es zu einer Ver- schmelzung der rechten und linken Segmenthöhle nicht kömmt, sondern dass dieselben am Rücken und Bauche durch ein dorsales und ventrales Mesenterium getrennt bleiben. Wenn wir die Schichtenfolge des Rumpfes auf dem optischen Längsschnitte ins Auge fassen (Fig. 27), so finden wir zu äusserst Ectoderm, dann Hautmuskelplatte, Segmenthöhle, Darmfaserplatte, primäre Leibes- höhle und Entoderm. — Die Darmfaserplatte, die nur aus einer ein- fachen Lage dünner, abgeplatteter Zellen besteht, beginnt sich nun zuerst mit jener Stelle , wo sie mit den Dissepimenten zu- sammenhängt , an das Darmdrüsenblatt anzulegen ; zugleich sah ich von den Zellen der Darmfaserplatte feine, verästelte Ausläufer durch die primäre Leibeshöhle zum Darmdriisenblatte ziehen. — Bei Reizung der Larve, wie z. B. Druck des Deckgläschens, treten lebhafte Contractionen des Rumpfes ein, wobei er sich in seinem vorderen Theile segmentweise einschnürt (Fig. 29); zugleich kann man eine interessante Beobachtung am Darmfaserblatte machen. Dieses contractile Blatt legt sich nämlich unter Verdrängung der primären Leibeshöhle — die Leibeshöhlenflüssigkeit wird, wie es scheint, in die Kopfhöhle getrieben — vollkommen an das Darm- drüsenblatt an. Zugleich wird der Darm dort, wo die Dissepi- mente sich ansetzen, durch stärkere Contraction ringförmig ein- geschnürt, so dass er ganz dieselbe Form zeigt, welche in den späteren Stadien zur definitiven wird. In dem vorliegenden Sta- dium kann man aber noch immer, bei geeignetem Druck mit dem Deckgläschen, das Entodermrohr innerhalb des Darmfaserrohres zur Verschiebung bringen. In dem hinteren Theile der Larve, in der Region der jüngeren Segmente ist der Darm nicht ringförmig eingeschnürt; aber auch hier ist die primäre Leibeshöhle ver- drängt, und das Mesoderm liegt dem Darmdriisenblatte unmittelbar an, doch scheint der Darm auch hier innerhalb des Mesoderm- rohres verschiebbar zu sein; die jüngsten Segmente, die Anfangs zu den Seiten des Hinterdarmes liegen, erhalten später jedes seinen Mitteldarniantheil. Schon vom Studium der Fig. 26 an beginnen sich allmälig zuerst die ventralen, dann die dorsalen Muskelfelder auszubilden und sie haben im Stadium der Fig. 29 schon eine ziemliche Breite erlangt. In diesem Stadium beginnen sich auch die Quermuskel- fasern zu zeigen, die von dem Bauchstrange zur Seitenlinie ziehen. Mit der Ausbildung der Muskeln erreicht der Rumpf eine bedeu- (319) 44 Dr. B. Hatschek: tende Contractilitat und Beweglichkeit. Die queren segmentweisen Einschnürungen, welche die Larve in ihrem vorderen Rumpfabschnitte hervorbringen kann, scheinen mir auf folgende Weise zu entstehen. Der Rumpf wird durch die Längsmuskeln verkürzt und legt sich in Querfalten, und diese Falten werden durch die Contractilitat der Dissepimente meist an die Segmentgrenzen verlegt. In den späteren Stadien , wo die Leibeswand durch Verdickung der Cu- ticula eine grössere Festigkeit erhält, sind die segmentweisen Einschnürungen nicht mehr zu beobachten. Im Ectoderm entstehen im Stadium der Fig. 29 Segment- grenzen als feine Contouren, welche sich auf eine geradlinige An- ordnung der Ectodermzellen zurückführen lassen. Die Kopfblase erreicht in dem vorliegenden Stadium ihre bedeutendste Ausdehnung. Sie nimmt eine ellipsoide Gestalt an, ihr Längsdurchmesser wird von dem Durchmesser der äquatoria- len Zone weit übertroffen. Diese Zone hat eine elliptische Form an Genommen. Sie dient mit ihren bedeutend vergrößerten Dirnen- sionen den oralen Wimperkränzen zur Ausbreitung, die auch in diesem Stadium den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht haben: Im Uebrigen hat sich am Kopfabsclmitt nicht viel ver- ändert. Die Scheitelplatte hat sich verdickt, die Anlagen der Ten- takeln sind in die Länge gewachsen und die Kopfnieren haben entsprechend dem Gesammtwachsthum der Larve an Grösse zu- genommen. Es ist noch zu erwähnen, dass auch der hintere Wimper- kranz jetzt seine volle Ausbildung erreicht hat. Er besteht aus einer einfachen Reihe starker , langer Wimpergeissein. Die Be- schaffenheit seiner Zellen erinnert an die der Geisseizeilen des präora- len Wimperkranzes. Sie zeichnen sich vor den benachbarten Ec- todermzellen durch bedeutendere Grösse, grossen runden Zellkern, dunkelkörniges Protoplasma und durch die verdickte Cuticular- schichte aus, welche von einer Porenreihe zum Durchtritt der Geissein durchbohrt ist. (Fig. 48.) Die Larve schwebt — wie auch in den früheren Stadien — mit ihren Wimperkränzen sich langsam fortbewegend , lothrecht im Wasser. Wir haben im Vorhergehenden in die Entwicklungsvorgänge des Rumpfes nur insoweit Einblick erlangt , als es die Unter- suchung der Larven im lebenden Zustande und an gefärbten Präparaten gestattete. Zur genaueren Erkenntniss der Verllält- O^O) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 45 nisse ist aber die Anwendung der Schnittmethode geradezu un- entbehrlich. An den jüngsten Larven kann man die sehr ein- fachen Schichtungsverhältnisse des Rumpfes bei geeigneter Lage des Objectes — die bei der rundlichen Körperform leicht zu erzielen ist — ganz ausreichend an optischen Schnitten studiren. Bei späteren Stadien muss man notwendigerweise zum Messer greifen. Der Uebersicht halber wollen wir von der ersten Entwick- lungsperiode beginnen und die optischen Durchschnitte des Rumples der ungegliederten Larve betrachten. In dem hintersten Ende der Larve sehen wir an der Bauchseite zwischen Haut und Hin- terdarm die zwei grossen Urzellen des Mesoderms, in der Median- linie einander berührend liegen. (Fig. 81.) Etwas weiter vorne (Fig. S2, optischer Durchschnitt von demselben Präparate) sehen wir die concentrischen Wandungen des Mitteldarmes (Entoderm > und der äusseren Haut (Ectoderm), zwischen beiden die geräumige pri- märe Leibeshöhle. Die Zellen des Ectoderms sind an der Bauchseite etwas höher als an der Rückenseite. Zu beiden Seiten, etwas mehr der Bauchfläche genähert, sehen wir dem Ectoderm je drei Mesodermzellen anliegen, die Durchschnitte der Mesodermstreifen. In weiter entwickelten Larven beginnen die Mesodermstreifen an ihrem Vorderende zweischichtig zu werden. In Fig. 83 sehen wir einen optischen Durchschnitt durch die vorderste Rumpf- region einer noch ungegliederten Larve. Die Mesodermstreifen zeigen eine äussere Schichte dickerer Zellen, eine innere Schichte mehr abgeplatteter Zellen, die beginnende Sonderung von Haut- muskel- und Darmfaserplatte , die demnach schon früher auftritt, als die Segmentirung des Mesodermstreifens. In den nachfolgenden Stadien tritt die Differenz irung der Mesodermstreifen in Ursegmente ein; die Ursegmente breiten sich gegen Bauch und Rücken zu aus und die Segmenthöhle beginnt sich zu bilden. Zugleich tritt die Verdickung des Ectoderms an der Bauchseite auf. Da die Differenzirung am Rumpfe von vorne nach hinten vorschreitet, so können wir die- selben Verhältnisse, nur in etwas compacterer Anordnung, auch an den hinteren Segmenten des nächst älteren Stadiums beobach- ten. Betrachten wir demnach einen Querschnitt aus der Region der hintersten Ursegmente des Stadiums der Fig. 25. Wir sehen hier (Fig. 84) die Querschnitte der zweischichtigen Ursegmente in mächtigerer Ausdehnung. Eine wichtige Erscheinung sehen wir an dem verdickten Ectoderm der Bauchseite; wir linden hier 321) 46 Dr. B. Hatschek: eine mediane Einstülpung des Ectoderms in der Entstehung be- griffen. Man kann diese Einstülpung anch bei Betrachtung des Rumpfes von der Barichfläche ans an Präparaten der Larve vom Stadium der Fig. 2H an der Anordnung der Zellen erkennen. Die Cuticula scheint an dieser Einstülpung nicht Theil zu nehmen, sondern über den Einstülpungsspalt geschlossen hinwegzugehen. In dem Schnitte Fig. 85 , welcher etwas weiter nach vorne geführt ist — durch ein Segment, dessen Entwicklung etwa der der vordersten Segmente des Stadiums der Fig. 24 entspricht — sehen wir vor Allem die segmentale oder definitive Leibeshöhle auf- treten; zu gleicher Zeit besteht noch neben derselben zwischen Darm und Darmfaserblatt die primäre Leibeshöhle. Die Zellen der Darmfaserplatte sind noch dünner, die der Hautmuskelplatte noch höher geworden. Besonders hohe, cylindrische Zellen zeigt dieselbe an der Bauchseite zu beiden Seiten der Bauch verdickung des Ectoderms. In der Bauch- und Rückenlinie ist das Meso- derm noch einschichtig. Die Verdickung des Ectoderms an der Bauchseite ist weiter vorgeschritten; der Einstülpungsspalt ist noch tiefer geworden, die Einstülpung scheint durch Verschiebung der Zellenmassen weiter fortzuschreiten. Man sieht ferner den mittleren Theil der Bauchverdickung durch zwei scharfe Grenzen, die von der inneren Fläche des Ectoderms bis nahe an die äussere Fläche ziehen , von dem übrigen Ectoderm abgegrenzt. Diese mittlere abgegrenzte Masse ist die Anlage des Bauchstranges. Betrachten wir nun einen Querschnitt, der noch weiter nach vorne durch die am weitesten entwickelten Segmente des Stadiums Fig. 25 geführt ist (Fig. 86). Der Bauchstrang, der noch weiter entwickelt ist, springt beträchtlich nach innen vor. Im mechani- schen Zusammenhang mit dieser Erscheinung scheint mir eine wichtige Differenzirung zu stehen, welche hier an dem ventralen Theil der Hautmuskelplatten zu beobachten ist. Schon in Fig. 85 sahen wir eine Gruppe von Zellen der Hautmuskelplatte zu bei- den Seiten des Bauchstranges, die eine höhere cylindrische Form besitzen und sich radiär um eine kleine Ausbuchtung der Seg- menthöhle anordnen. Diese Ausbuchtung sehen wir nun in Fig. 86 spaltförmig vertieft; dadurch ist eine Anhäufung von Zellen entstanden, welche später das ventrale Muskelfeld liefern; wir sehen diese Zellen regelmässig um den spaltförmigen Hohl- raum angeordnet, welcher mit der Segmenthöhle in directem Zu- sammenhange steht. Nach aussen von dieser Zellmasse sehen wir eine kleinere Zellmasse, von einigen, radiär um einen feinen Hohl- 322 Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 47 räum angeordneten Zellen gebildet; es ist dies der Querschnitt der Segmentalorgananlage. Dorsalwärts von dieser Zellgruppe ist die Hautmuskelplatte von einer einfachen Schichte cubiscker Zellen gebildet. Wir wollen die weitere Entwicklung des Rumpfes an Schnitten kennen lernen, die durch eine Larve vom Stadium der Fig. 29 geführt sind. Fig. 87 stellt einen Schnitt aus dem hinteren Dritt- theil des Rumpfes dar; dessen Verhältnisse entsprechen ungefähr denjenigen eines vorderen Segmentes der Larve vom Stadium der Fig. 26. — Der Bauchstrang ist hier mächtig verdickt und es treten in demselben die Nervenfaserstränge auf. Es sind dies zwei Längsfaserstränge , welche den Bauchstrang in seiner ganzen Länge durchziehen. Sie sind in dem dorsalen, dem Darme zuge- kehrten Theile des Bauchstranges zu beiden Seiten der Mittel- linie gelegen und durch eine schmale Brücke von queren Nerven- fasern mit einander verbunden. Diese Querfaserstränge sind in diesem Stadium nicht auf allen Schnitten der Schnittreihe zu beobachten, da sie nur segmentweise auftreten. Die Nervenfaser- stränge scheinen durch fibrilläre Differenzirung (fibrillären Zer- fall^ der Zellen zu entstehen : wenigstens spricht dafür das massige Auftreten derselben. l) — Der schmale Einstülpungsspalt des Bauchstranges zeigt an seinem inneren Ende eine kleine Erweite- rung. Ueber den Segmentalorganen zeigt das Ectoderm eine be- deutende Anschwellung, welche schon in Fig. 86 sich angedeutet fand. Es ist dies die Seitenlinie, in welcher auch segmentweise die Ausmündungen der Segmentalorgane liegen. Im Mesoderm sind die wesentlichsten Veränderungen an der ventralen Hälfte der Hautmuskelplatten vor sich gegangen. Die Hautmuskelplatte hat sich hier in zwei Theile gesondert, die sich sowohl ihrer Lage , als auch ihrer Structur nach von einander unterscheiden : Erstens eine Zellenmasse , welche zu den Seiten des stark nach innen vorspringenden Bauchstranges gelegen ist • die Zellen derselben sind von cylindrischer Gestalt und radiär um den spaltförmigen centralen Hohlr aum angeordnet : die Zell- kerne liegen in der dem Hohlraum zugekehrten Hälfte der Zellen, das Protoplasma ist in der Umgebung der Kerne von Picrocar- min dunkler gefärbt, als in der äusseren Hälfte der Zellen. In einigen dieser Zellen — der ganze Zellencomplex ist bestimmt, ') Vergl. Hatschek, Beitr. z. Entw. d. Lepidoptern. Jen. Zeitschr. für Nat. 1877, Sep. Abdr. Pag. 12. (323) 48 Dr. B. Hätschelt: das ventrale Muskelfeld zu liefern — sind schon die ersten Muskelfasern in Bildung begriffen : wir sehen an der äussersten Peripherie der Zellen, in der helleren Substanz also , stark licht- brechende Körperchen eingelagert; es sind dies die Querschnitte der ersten in Bildung begriffenen Längsmuskelfasern. Der spaltfö'rmige Hohlraum steht mit der segmentalen Leibes- höhle gar nicht mehr im Zusammenhange. Er wird von derselben durch die zweite Schichte der ventralen Hautmuskelplatte ge- trennt. Diese Schichte besteht aus unregelmässigen, rundlichen Zellen und erstreckt sich, die Leibeshöhle ventral wärts begrenzend, vom Bauch sträng bis zur Seitenlinie hin, wo sie auch die Seg- mentalorgane gegen die Leibeshöhle zu bedeckt. In der dorsalen Region ist die Hautmuskelplatte, wie früher, von. einer einfachen Zellenlage gebildet, die Zellen sind aber höher cylindrisch ge- worden und beginnen sich in ihrer Structur zu verändern ; die Kerne der Zellen rücken nämlich gegen die innere , der Leibes- höhle zugekehrte Seite ; in der Umgebung derselben ist das Proto- plasma durch Picrocarminfärbung dunkler tingirt, als in der nach aussen gekehrten Hälfte der Zellen. Diese Zellen, welche das dorsale Muskelfeld zu liefern bestimmt sind, zeigen dieselben histologischen Veränderungen , wie jene Zellenmassen , die dem ventralen Längsmuskelfelde den Ursprung geben. — Die Segment- höhle oder secundäre Leibeshöhle ist bis zur Rücken- und Bauch- linie vorgerückt, wo sie aber durch die zweischichtigen Mesen- terien in eine rechte und linke Hälfte getrennt bleibt. Die primitive Leibeshöhle ist hier (Fig. 87) durch die Con- traction der Darmfaserplatte verdrängt. Das Darmdrüsenblatt ist durch diese Contraction der Darmfaserplatte an einigen Stellen in Falten gelegt. An den Schnitten , welche weiter nach vorne durch die älteren Segmente des Stadiums der Fig. 29 geführt sind (Fig. 88), finden wir im Wesentlichen dieselben Verhältnisse. Nur die wei- tere Ausbildung der Muskelfasern fällt uns in's Auge, die als reihenweise angeordnete, stark lichtbrechende Körper dem peri- pherischen Theile der cylindrischen Zellen des dorsalen und ventralen Muskelfeldes eingelagert sind. — Wenn wir in der Betrachtung der Schnittreihe von hinten nach vorne vorschreiten, so können wir sehen , dass die einzelnen Muskelfasern , anfangs von viel kleinerem Querschnitt , stetig an Masse zunehmen. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung nehmen diese Längsmuskel- fasern an Höhe zu , so dass sie zu plattenartigen Gebilden (324) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 49 werden, die senkrecht zur Hautfläclie stehen, je mehr die Ausbil- dung der Muskelsubstanz zunimmt, desto mehr verringert sich die Protoplasmamasse der Zellen, auf deren Kosten sie entstehen. Die Muskelfasern lassen sich als continuirliche Gebilde durch eine grosse Zahl von Segmenten — ja in den späteren Stadien vom Kopfe bis in das Hinterende des Rumpfes — verfolgen. An dem Aufbau einer solchen langen Muskelfaser nimmt eine grosse Zahl hintereinander liegender Zellen Antheil. — Wenn wir das Verhältniss der Muskelfasern zu den Zellen auf dem Querschnitte betrachten , so sehen wir , dass die Anzahl Muskelfasern viel grösser ist, als die der Zellen. Auch an der Flächenansicht der Hautmuskelplatte (Fig. 62) sehen wir , dass der Quere nach mehrere Muskelfasern dem Bereich einer Zelle angehören , wäh- rend der Länge nach sich viele Zellen an dem Aufbau einer Muskelfaser betheiligen (Fig. 61). Die Muskelfibrillen entstehen demnach durch Umwandlung des Protoplasmas im Innern von zusammenhängenden Zellreihen. In Fig. 88 sehen wir auch Muskelfasern gebildet, welche von der Seitenlinie zum Bauchstrang ziehen; es sind einzellige spindelförmige Muskelfäden, welche in der Tiefe der ventralen Endothelplatten entstehen. Fünfte Entwicklungsperiode (Fig. 30 — 32). Die Veränderungen, welche die fünfte Entwicklungsperiode charakterisiren, sind: Umbildung der grossen Kopfblase zur defi- nitiven Form des schlanken Kopfzapfens unter gleichzeitiger Rückbildung der Wimperkränze; Verdickung der Cuticula, die wohl Schlängelungen des Rumpfes nach Bauch- und Rückenseite und in lateraler Richtung erlaubt, nicht aber Einschnürungen der starr cylindrischen Leibeswand zulässt. Wir wollen vor Allem die Veränderungen am Kopfe ein- gehender betrachten. — Die bedeutenden Formveränderungen des Kopfes lassen sich im Wesentlichen auf zwei Factoren zurück- führen : Verdickung und kegelförmiges Auswachsen der Scheitel- platte — Zusammenziehung der übrigen Leibeswand des Kopfes ; die flächenhaft ausgebreiteten , dünnen Ectodermzellen verdicken sich unter bedeutender Verkleinerung ihrer Flächenausdehnung, es nimmt die eine ihrer Dimensionen auf Kosten der anderen zu. In dem Stadium der Fig. 30 sehen wir die Kopfblase viel kleiner geworden. Sie hat eine kugelige Form angenommen, nach- dem sie Stadien durchlaufen hat, die in Bezug auf die äusseren Claus, Arbeiten aus dem Zoologiscben Institute etc. 23 '325) 50 Dr. B. Hatschek: Umrisse dem Kopfe des früheren Stadiums Fig. 24 ähnelten. Die mächtig verdickte Scheitelplatte hat die Form eines stumpf kegel- förmigen Aufsatzes angenommen. Die Ectoderraschichte der Kopf- blase ist sowohl in ihrem zelligen Theil , als auch in Bezug auf die Cuticula verdickt. Auch der Ringwulst, welcher den präoralen Wimperkranz trägt , ist bei seiner viel kleineren Ausdehnung viel dicker ge- worden. Die Geisseizellen haben eine schmälere, hochcylindrische Form angenommen. Merkwürdiger Weise kommt jetzt, wo der Wimperkranz in Rückbildung begriffen ist, ein Ringmuskel an der inneren Fläche desselben zur Ausbildung; in jenen Stadien, wo die Verkleinerung der Kopfblase beginnt, erscheinen die ersten Muskelfibrillen desselben und in dem Stadium der Fig. 30 besteht das Ringmuskelband schon aus etwa 5 Muskelfibrillen , welche nach innen zu die ganze Breite der Geisselzellen bedecken. — Die Mesodermzellen breiten sich immer zahlreicher an der Leibes- wand der Kopfregion aus, besonders in der hinteren Kopfhälfte, wo sie schon eine continuirliche Schichte bilden. Wir finden hier, dass sich in der Mesodermschichte dem Längsmuskel des Kopfes entlang, im Anschluss an das ventrale Muskelfeld des Rumpfes und als directe Fortsetzung desselben , ein ventrales Muskelfeld des Kopfes ausbildet ; die Muskelfibrillen, die continuirlich in die- jenigen des Rumpfes übergehen, schreiten in ihrer Entwicklung nach dem Vorderende zu fort ; in dem Stadium der Fig. 30 reichen sie schon bis in die Gegend der Wimperkränze. — Die früheren einfachen Muskeln des Kopfes sind daneben noch in voller Aus- bildung geblieben. Auch die Kopfniere besitzt noch im Wesent- lichen den früheren Bau , nur ist sie noch mächtiger ent- wickelt und die Trichter haben sich, auf selbstständigen Zwei- gen des Excretionscanales sitzend , mehr von einander gesondert (Fig. 79). Immer weiter schreitet das Wachsthum der kegelförmigen Scheitelplatte und die Verkleinerung der Kopfblase fort ; in Fig. 31 sehen wir ein weiteres Stadium dieses Processes dargestellt. — Zuletzt bildet der Kopf im Verhältniss zum Rumpfe nur mehr eine birnförmige Anschwellung. Das Scheitelfeld und der post- orale Theil des Kopfes haben sich da schon zu einer ganz schmalen Zone zusammengezogen. Nun beginnt die Rückbildung der Wimperkränze. Die Wimpern verschwinden und die Geisselzellen, die zu sehr schmalen hohen Cylinclerzellen sich umgebildet hatten, werden allmälig niedriger und nehmen den Charakter der anderen (326) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 51 Epithelialzellen an. l) Nur bleiben sie noch eine Zeit lang als dunkler pigmentirter Ring kenntlich. Schon vom Stadium der Fig. 29 an beginnt sich vor dem hinteren Wimperkranze ein Kranz von Papillen zu bilden ; es sind dies solide Ectodermgebilde, die in ihrem Innern zwei helle, läng- liche Zellkerne zeigen (Fig. 47) , an dem hinteren Rande ihres abgestutzten Endes tragen sie einige feine starre Sinnes- härchen. Schneider2) gibt an, dass diese Wärzchen dem ent- wickelten Thiere zur Anheftung dienen. Auch am übrigen Rumpfe finden sich schon im Stadium der Fig. 29, wie auch Schneider angibt, in weiten Abständen zerstreute Sinneshärchen. Von peripherischen Nerven des Rumpfes konnte ich aber weder in diesem Stadium noch in den nachfolgenden irgend etwas sehen, obzwar sowohl die Sinneshärchen , als auch das ausgebildete Muskelsystem und weit differenzirte Centralnervensystem des Rumpfes das Vorhandensein von peripherischen Nerven ver- muthen lassen. Bald nachdem die vorderen Wimperkränze verloren gegangen und die Kopfanschwellung schon beinahe verschwunden ist, wird auch der hintere Wimperkranz rückgebildet. Sechste Entwicklungsperiode, der junge, wurm- förmige Polygordius (Fig. 32 — 33). Ich habe in den Aquarien aus den ältesten pelagisch ge- fischten Larven junge, wurmförmige Polygordien gezogen von jener Form, wie sie auch Schneider beschrieben hat. Der Kopf hat nun auch in seinem hinteren Theile eine schlank cylindrische Form angenommen, die sich dem cylindrischen Rumpfe gleichmässig anschliesst. Wir untercheiden an dem Kopfe einen postoralen cylindrischen Abschnitt und einen präora- len kegelförmigen Abschnitt , den Vorderkopf. Dieser besteht aus einem vorderen Theil, der aus der Scheitelplatte entstanden ist, und aus einer schmalen hinteren Zone, die aus dem Scheitelfelde und dem präoralen Ringwulste hervorgegangen ist. — Die Fühler ragen zu beiden Seiten des vordersten Körperendes vor ; während sie früher in einer Vertiefung der Scheitelplatte eingepflanzt waren' ') In einigen Fällen, sah ich zwar, dass ganze Gruppen der Geisselzellen von den Larven abgestossen wurden , wobei nach der Ablösung die Geissein ihre Bewegung fortsetzten. Ich halte diese Vorgänge aber für pathologische Erscheinun- gen , vielleicht durch den Druck des Deckgläschens hervorgebracht. -) 1. c. 23* <327> 52 Dr. B. Hatschek: (vergl. Fig. 56), erheben sie sich jetzt mit breiter Basis von der Oberfläche; sie sind, wie früher, mit starren Sinneshärchen be- setzte, solide Fortsätze des Ectoderms. — Die Scheitelplatte hat sich am Kücken von der oberflächlichen Ectodermschichte losge- löst nnd steht nur mehr am Vorderende und an der Bauchfläche mit derselben in directem Zusammenhange. Die Höhlung, die dadurch dorsalwärts vom Kopfganglion entsteht, erfüllt sich mit sternförmigen Mesodermzellen, und in den ältesten Stadien , die ich beobachtete, reichen die Fibrillen des Bauch- und Rücken- muskelfeldes bis dort hinein. Die Augen liegen an den Seiten des Kopfzapfens, mehr der Bauchfläche genähert — welche Lage sie ja von Anfang an hatten (vergl. Fig. 36) — in der Scheitelplatte eingebettet. Die Flimmergruben liegen am Rande der Scheitelplatte, und zwar mehr der Rückenfläche genähert. Während der Verkleinerung des Kopfes hat sich eine Verdickung des Ectoderms an der Bauch- fläche, zuerst im hinteren Kopfabschnitte, gebildet, welche vom Bauchstrange aus bis zur MundÖfFnung vorschreitet und endlich zu den Seiten derselben nach vorne zu in die Scheitelplatte über- geht. Wir werden diese Bildung an den Querschnitten als Schlundcommissur erkennen. Die Mundöffnung hat sich zu einem sehr engen quergestellten Spalt verkleinert; sie scheint aber sehr erweiterungsfähig zu sein. Der Oesophagus krümmt sich während der Umwandlung des Kopfes allmälig nach rückwärts und reicht, indem sich der Mittel- darm vollständig in das Bereich des ersten Rumpfsegmentes zurückgezogen hat, bis an das Hinterende des Kopfes. Das Dissepi- ment, welches die Kopfhöhle 'von der vordersten Segmenthöhle trennt, befestigt sich in der Einschnürung zwischen Oesophagus und Mitteldarm. Durch eine schwache, mittlere Einschnürung gliedert sich der Oesophagus in zwei Abtheilungen. Ich will hier noch einiger besonderer Eigenthümlichkeiten des ersten Rumpfsegmentes gedenken, die sich schon in früheren Stadien bemerkbar machten. Das erste Rumpfsegment zeichnet sich schon in frühen Stadien durch überwiegende Länge vor den anderen Rumpfsegmenten aus ; zudem ist zu bemerken, dass es nach vorne zu nicht scharf vom Kopfsegmente abgegrenzt ist. Der vorderste Rand des ersten Mesodermsegmentes scheint sogar eigentlich dem Kopf- abschnitte zugehörig zu sein. Erstens breiten sich von dort aus Mesodermelemente im Kopfe aus; ferner würde auch die Ent- (328) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 53 Stellung des Trichters des vordersten Segmentalorganes zu dieser Deutung führen. Jedes Segmentalorgan besteht aus zwei Theilen, dem Flimmercanale , der (zum grössten Theil) aus dem Materiale des Segmentes entstanden ist, in welchem das betreffende Seg- mentalorgan nach aussen mündet, und dem Flimmertrichter, der seiner Lage und Entstehung nach dem nächst vorderen Segmente angehört. Von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich den vor- deren Rand des ersten Mesodermsegmentes, von welchem der erste Segmentaltrichter seinen Ursprung nimmt, als dem Kopfabschnitte zugehörig betrachten. — Obwohl im ersten Rumpfsegmente auf Querschnitten derselbe Schichtenbau sich beobachten lässt, wie in den nachfolgenden Segmenten, so ist doch die Segmenthöhle des- selben noch im Stadium der Fig. 29 nicht deutlich wahrzunehmen, das Darmfaserblatt legt sich noch nicht an das Darmdrüsenblatt an. Es erfolgt dies etwas später als in den anderen Segmenten: die definitive Verwachsung mit dem Darmdrüsenblatte scheint erst dann zu erfolgen, wenn sich der Mitteldarm aus dem Kopfe ganz zurückgezogen hat. so dass dann das vorderste Dissepiment in der Furche zwischen Oesophagus und Mitteldarm sich befestigt. Diese Abweichungen in der Entwicklung des ersten Rumpfsegmentes sind davon abzuleiten, dass dasselbe in Beziehungen zum Kopfe getreten ist , von welchem es auch im entwickelten Thiere nicht scharf abgegrenzt ist. Die Kopfniere konnte ich im Stadium der Fig. 32 nur sehr schwer wahrnehmen und nicht in ihrem ganzen Verlaufe ver- folgen Fig. 80^; sie ist darum schwer zu sehen, weil die Flim- merbewegung im Innern der Canäle aufgehört hat. Auch m sämmtlichen Segmentalorganen hat die Flimmerbewegung aufge- hört, und ich konnte dieselben, die auch sonst nur schwer und nur mit Hilfe von Immersionssystemen zu verfolgen sind, über- haupt nicht wahrnehmen, obzwar mir die Stelle, wo sie zu suchen sind, sehr genau bekannt war. *) Auch im Mitteldarme, dessen Lumen sich zu einem spalt- förmigen Räume verengert hat, konnte ich keine Flimmerbewegung constatiren. Die Wandung des Mitteldarms war mächtig verdickt ') Es ist wohl möglich, dass dieser flimmerlose Zustand der Seguientalorgane ein vorübergehender ist; bei Polygordius flavopunctatus soll aber nach Uljanin auch im entwickelten Tbiere keine Flimmerbewegung in den Segmentalorganen wahrzunehmen sein. (Protokolle der Sitzungen der Section für Zoologie und vergl. Anatomie der V. Versammlung russischer Naturforscher und Aerzte in Warschau im September 1878.) (3291 54 Dr. B. Hatschek: und die Zellen derselben von jener stark lichtbrechenden, fett- ähnlichen Substanz (Deutolecith, Fol) erfüllt; der Zellkern hatte sich gegen die Mitte des Zellkörpers zurückgezogen. Es machten mir alle diese Verhältnisse den Eindruck, als ob der junge Poly- gordius sich nach abgelaufener Metamorphose jetzt in einem Ruhe- zustand befinde, bevor er sich an die neue Lebensweise anpasst. In Fig. 89 sehen wir einen Querschnitt durch den Rumpf eines jungen Polygordius vom Stadium der Fig. 32. Wir finden hier im Wesentlichen die schon in Fig. 88 vorhandenen Verhältnisse. Es persistirt noch der Einstülpungsspalt des Nervensystems; die Faserstränge des Nervensystems sind zu einem einzigen, zwei- lappigen, in der Medianlinie gelegenen Strange verschmolzen. Die Mesodermgebilde zeigen noch dieselbe Anordnung wie früher, nur sind die Muskelfibrillen auf Kosten des Protoplasmas der Zellen viel mächtiger geworden. Auch die einzelligen Muskeln , die vom Bauchstrang zur Seitenlinie ziehen, haben sich weiter ausgebildet. Sie sind von den Zellen der ventralen Endothelplatte bedeckt. Auf Schnitten, die zwischen zwei Quermuskeln geführt sind, findet man an deren Stelle nur die grossen rundlichen Zellen der ven- tralen Endothelplatte. Wir wollen nun zur genaueren Kenntniss des Kopfes einige Schnitte, die durch die Kopfregion desselben Individuums geführt sind, betrachten. Fig. 90 stellt einen Schnitt dar, welcher durch das vorderste Ende des Kopfes, dicht hinter den Tentakeln geführt ist. Man kann eine oberflächliche Ectodermschichte , mit flachen Kernen, von der centralen Masse, die von gangliösen Zellen und Nerven- fasern gebildet ist, unterscheiden. Die zwei kleinen, seitlichen Zellgruppen sind augenscheinlich Gangliengruppen für die Ten- takeln, die genau vor ihnen wurzeln. Gehen wir in der Betrachtung der Schnittreihe weiter und betrachten einen Schnitt, der dicht hinter den Augen geführt ist, Fig. 91 , rechterseits ist noch die Pigmentschichte des Auges getroffen. Wir sehen hier die Scheitelplatte blos auf die Bauch- iläche bechränkt ; an ihrer inneren , dorsalen Hälfte sehen wir eine mächtige Masse von Fasersubstanz. Die dorsale Hälfte des Schnittes nimmt eine Höhle ein , die von verästelten Mesoderm- zellen erfüllt ist. Auf der linken Seite des Schnittes — der Schnitt ist etwas schief geführt — sieht man schon die Muskel- fibrillen des ventralen Muskelfeldes. In Fig. 92, einem Schnitte, der durch den vorderen Mund- (330) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 55 rand geführt ist, sehen wir die Fasermasse der Scheitelplatte sich in zwei Faserstränge fortsetzen, die in zwei Ectodermverdickungen eingelagert sind, welche dicht nach aussen von der Mundöffnung liegen. Wir sehen in diesem Schnitte sowohl das ventrale, als auch das dorsale Muskelfeld. In Fig. 93 ist ein Schnitt aus dem hinteren postoralen Theile des Kopfes dargestellt. Die ventrale Ectodermverdickung, die Fortsetzung des Bauchstranges der Rumpfsegmente, erscheint als eine mehr aus- gebreitete Anschwellung, in welcher die Faserstränge vollkommen getrennt verlaufen. Im Uebrigen ist an diesem Querschnitte eine grosse Aehnlichkeit mit den Querschnitten der Rumpfsegmente zu erkennen. Wir finden hier nicht nur die dorsalen und ventralen Muskelfelder und die Seitenlinie, sondern auch sogar die Quer- muskeln, die von der ventralen Ectodermverdickung zu den Seiten- linien ziehen. Allerdings fehlen, wie dies der heterogenen Ent- wicklung entspricht, das dorsale und ventrale Mesenterium. In der Leibeshöhle, die von der primitiven Leibeshöhle direct abzu- leiten ist, liegt der Oesophagus , der sowie die Leibes wand von einer continuirlichen Mesodermschicht bekleidet ist. Demnach ist jetzt auch die Kopfhöhle allseitig von Mesodermelementen begrenzt. Ich habe durch eine pelagisch gefischte Larve mit stark rückgebildetem Kopfe, die aber, noch die Flimmerkränze besass, eine Querschnittserie angefertigt, und die hier vorgefundenen Ver- hältnisse des Rumpfes scheinen mir ncch eine weitere Differenzirung zu zeigen, als bei den jungen in den Aquarien gezüchteten Polv- gordien, die schon die Flimmerkränze verloren hatten. In Fig. 94 ist ein Querschnitt aus dem Rumpfe dieses In- dividuums abgebildet. Die Entodermzellen, obzwar von hochcylin- drischer Form, zeigen doch eine Beschaffenheit, die sich an die der früheren Stadien anschliesst; die Kerne liegen der inneren Peripherie genähert. In allen übrigen Theilen aber zeigt dieser Querschnitt Verhältnisse, die als weiter differenzirt zu betrachten sind, als jene in Fig. 89. Die Zellen des Ectoderms sind bedeu- tend abgeflacht. Auch am Bauchstrange kann man eine ober- flächliche Ectodermschichte mit abgeflachten Kernen von der tie- feren Schichte, dem eigentlichen Bauchstrang, unterscheiden, deren Zellen (Ganglienzellen) runde Kerne besitzen. Der Einstülpungs- spalt ist verschwunden ; nur ein feiner Canal, den ich wenigstens auf einer Anzahl von Schnitten dicht über dem Faserstrang sehen konnte , scheint von ihm übrig geblieben zu sein. Die Anlage des Bauchstranges stimmt in diesen Stadien (331) 56 Dr. B. Hatschek: histologisch und morphologisch mit der Anlage des Bauchstranges bei anderen Meeresanneliden (Nereiden, Sabellen), die ich zur Ver- gleichung untersucht habe, überein. Es ist mir demnach nicht zweifelhaft, dass der gesammte Bauchstrang, wie Perrier1) ver- muthete, und nicht blos die Längsfaserstränge , wie Uljanin2) angibt, als Centralnervensystem des Rumpfes zu betrachten sind. Die Differenzirung der Muskelfibrillen der Längsmuskelfelder ist weiter vorgeschritten: von den Zellen, auf deren Kosten sie entstanden, ist nur eine dünne Schichte abgeplatteter Zellen übrig geblieben, die einen Endothelbelag der Leibeshöhle bilden. Diese Endothelzellen sind aber viel weniger zahlreich, als man nach den früheren Stadien vermuthen sollte. Es scheint daher eine grosse Anzahl von Zellen bei der Muskelbildung ganz aufgebraucht worden zu sein, doch bin ich über deren Schicksal nicht in's Klare gekommen. An einigen Präparaten schienen mir einige Zellkerne zwischen den Muskelfibrillen zu liegen, auch glaubte ich Zellkerne in einigen Muskelfibrillen eingeschlossen zu sehen ; doch konnte ich mich von der Zuverlässigkeit dieser Bilder nicht überzeugen. Die ventralen Quermuskeln haben sich von den ventralen Längsmuskelfeldern abgehoben und liegen , mit einem Endothel- überzuge versehen, frei in der Leibeshöhle. Man kann sich über- zeugen, dass diese Muskelfasern gänzlich von einander gesondert sind. In Fig. 63 sehen wir die Quermuskeln eines weit vorge- schrittenen Stadiums bei gestreckter Lage des Körpers und bei Seitenansicht desselben abgebildet; sie verlaufen hier ganz parallel zu einander. An solchen Präparaten aber , wo die Thiere eine nach den Seiten hin gekrümmte Lage annehmen (natürlich muss man sie in diesem Falle von der Bauchseite betrachten), zeigen sich die Quermuskeln an der concaven Seite der Krümmung relaxirt und oft auseinanderweichend (Fig. 64) , und man kann dann sehen, dass jede Muskelfaser ganz frei verläuft.3) ') Edm. Perrier. Sur un nouveau type intermediaire du sous-embranche- ment des vers. Comptes rendus, seance du 19 Avril 1875. — Vergl. unten Anm. 3. '-) Uljanin 1. c. pag. 390- H) Dies stimmt mit den Angaben, welche Schneider (1. c.) über die Quer- muskeln macht, auch mit denen von Uljanin, der sich äussert: „Diese Bündel liegen dicht aneinander und bilden zwei gitterförmige Scheidewände, welche sich dt r Körperachse entlang hinziehen und eben die Scheidung der Körperhöhle in die erwähnten Fächer bedingen." (1. c. pag. 390.) Es scheint mir demnach die An- gabe von Perrier hierin nicht ganz zutreffend: „Sur une coup transversale, on voit tont le long de la ligne mediane ventrale un eppaissement, qui parait au (332 Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 57 Die ventrale Enclotkelplatte ist aber nicht ganz in den Endothelbelag der Quermuskeln aufgegangen. Zwischen diesen und den ventralen Längsmuskelfasern liegt zu beiden Seiten des Bauchstranges eine Anhäufung von rundlichen Zellen, die nach meinem Dafürhalten von der ventralen Endothelplatte abstammen. Es sind dies die einzigen Mesodermzellen, von allen, die wir auf den Querschnitten finden, welche keine histologischen DitFe- renzirangen eingegangen sind, sondern die ursprüngliche Structur der Zellen des Mesodermstreifens beibehalten haben. Wir würden schon ans theoretischen Gründen vermuthen , dass diese Zell- anhäufungen zur Bildung der Geschlechtsproducte dienen werden. Und in der That wird diese Vermuthung durch die Angaben von Uljanin über die Lage der Geschlechtsorgane gestützt: „Die untersuchten Formen von Polygordius waren Hermaphroditen. Die weiblichen Geschlechtsorgane befinden sich in sämmtlichen Körper- segmenten, während die männlichen nur in den hinteren, nämlich den zehnten bis dreizehnten Segmenten enthalten sind. Die weib- lichen Organe liegen seitlich vom Bauchmesenterium und stellen sich dar in Form von unregelmässigen, mit Bindegewebe über- zogenen Lappen, von denen jeder mehrere, sich entwickelnde Eier enthält. — Die männlichen Organe bestehen aus einer Ansamm- lung von Zellen, in denen die Spermatozoen sich entwickeln, die- selben liegen in der Nähe der Ausführungsgänge der Segmental- organe." ') Vom Blutgefässsysteme konnte ich an den jungen, von mir untersuchten Polvgordien noch nichts nachweisen. Premier abord continu avec Thypoderme, mais qu'une analyse plus minitieuse montre avoir une Constitution plus complexe. J'ai des raisons de penser que fest lä le Systeme nerveux, mais ce point reclame encore quelques recherches. Du sommet de cet epaissement partent obliquement deux cloisons symetri- ques par rapport au plan vertical , inolinees ä 80 degree l'une sur lautre et abou- tissant lateralement anx teguments. Ces cloisons s'etendent dans tont l'etendue de l'anneau etc." (1. c pag. 1 L03.) ') 1. c. pag. 392. (3331 58 Dr. B. Hatschek: II. Theil. Theoretische Erörterungen. I. Capitel. Ueber das System der Anneliden. Es kann kein Zweifel mehr über die Annelidennatnr von Polygordius herrschen. Schon nach der ersten, von S chneider *) gegebenen Beschreibung wurde die Verwandtschaft des Polygor- dius mit den borstentragenden Anneliden allgemein anerkannt, obwohl Schneider noch nicht einmal das Nervensystem von Polygordius erkannt hatte. Durch die weiteren Aufschlüsse über die Organisation von Polygordius , und namentlich durch die Auffindung des Kopf- ganglions und Bauchstrangs , sind wir zu der Erkenntniss ge- kommen, dass Polygordius in allen Organsystemen den typischen Bau der Anneliden zeigt. Polygordius ist, wie schon Uljanin'2) bemerkt, „von den Chaetopoden nur durch die Abwesenheit der Borsten wesentlich unterschieden". Polygordius zeigt in seinem Baue durchwegs für die Anne- liden typische Verhältnisse , die Ausbildung seiner Organe steht aber auf einer niedrigeren Stufe, als bei allen anderen Anneliden. Schon in der Gliederung des Polygordius ist ein ursprüng- licheres Verhalten durch die vollkommene Homonomie der Rumpf- segmente ausgeprägt. Dadurch unterscheidet sich Polygordius selbst von den niedrigsten ihm sehr nahe stehenden Chaetopoden (Saccocirrus Bobretz.). Während nämlich bei allen Chaetopoden der Oesophagus, welcher seiner Entstehung nach dem Kopfseg- mente angehört, secundär in die vordersten Rumpfsegmente rückt und dadurch Veränderungen in dem inneren Bau derselben bedingt, bleibt bei Polygordius der Oesophagus auf das Kopfsegment be- schränkt und es bleibt eine vollkommen homonome Ausbildung der Rumpfsegmente bestehen. Die Segmentirung des Polygordius ist ferner in der äusseren Körperform noch nicht zur Ausprägung gekommen , sie ist nur auf die innere Organisation beschränkt. Auch hierin erkennen wir ein ursprünglicheres Verhalten, denn die Segmentirung tritt ') Schneider, Ueber Bau und Entwicklung von Polygordius, Müller's Archiv 1868; eine frühere aber ungenauere Mittheilung über Polygordius findet sich in Schnei de r's Monographie der Nematoden. 2) Protokolle der Sitzungen d. 5. Verssammlung russischer Naturforscher, mitgetheilt v. Prof. Hoyer, Zeitschr. f. wiss. Zool. XXVIII. Bd , 1877. (334) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 59 bei allen Anneliden auch ontogenetisch zuerst nur als eine innere, anfangs nur das Mesoderm (Ursegmente) betreffende, auf, und erst später erstreckt sie sich, auch auf die äussere Form des Körpers. Auch bei den einzelnen Organen von Polygordius finden wir vielfach Verhältnisse als bleibende vor , welche bei den meisten Chaetopoden als vorübergehende Entwicklungsstadien durchlaufen werden. Das Centrarnervensystem von Polygordius liegt noch in seiner ganzen Ausdehnung dem Ectoderm unmittelbar an. l) Das obere Schlundganglion — eigentlich sollte es vorderes oder Scheitelganglion heissen — liegt bleibend im vordersten Korper- ende, während es bei den meisten Chaetopoden, von diesem seinem Entstehungsorte nach hinten rückend , auf die Dorsalseite des Oesophagus zu liegen kommt. — Das Centrarnervensystem des Rumpfes wird von einem einfachen Bauchstrange gebildet, welcher sich gleichmässig , nicht etwa in eine Ganglienkette differenzirt, durch alle Rumpfsegmente erstreckt. Diese Form des Nervensystems wird ontogenetisch bei allen Chaetopoden durchlaufen. Die Bauchganglienkette entwickelt sich nicht nur bei den Oligochaeten 2) , sondern auch bei den Meeres- anneliden durch Differenzirung eines einfachen Bauchstranges, wie ich mich durch Untersuchung einer Reihe von Annelidenlarven (Nereiden und Tubicolen) überzeugen konnte. Der einfache Bauchstrang ist demnach sowohl ontogenetisch, als phylogenetisch die ursprüngliche Form des Centralnerven- systems des Rumpfes der' Anneliden und von dieser Urform aus haben die Bauchganglienkette und das Strickleiterbauchmark sich secundär differenzirt. 3) Die Anordnung der Rumpfmusculatur — dorsales und ven- trales Längsmuskelfeld und ventrale Quermuskeln — stimmt, wie J) Ein ähnliches Verhalten findet sich nach Claparede und Semper auch hei manchen Chaetopoden, und bei Saccocirrus nach Bobretzky und Marion. 2) Vergl. Hatschek, Beiträge zur Morpholog. u. Entw. d. Anneliden, Sitzungsb. d k. Akad. d. Wissensch. Wien, 1870. 3) Es ist mir unverständlich, wie Semper (Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere, II. Bd., pag. 149, Separatabdruck der Arb. aus dem zool.-zoot. Inst, in Würzburg, Bd. III.) zu der Ansicht kommen kann, dass bei den Anneliden zwei Typen der Entwicklung des Bauchmarks neben einander vorkommen, von denen der eine z. B. durch Chaetogaster, der andere durch Nais vertreten sei; bei so nahe verwandten Gattungen eine typische Verschiedenheit ! Es müsste daraus notwendigerweise eine polyphyletische Abstammung der Anneliden gefolgert werden, die einen Riss durch die natürlichsten Gruppen der Chaetopoden bedingen würde. (335) 60 Dr. B. Hatschek: schon Schneider gezeigt hat, mit dem für Anneliden typischen Verhalten überein. In dem einfachen Bau der Muskeln und in dem Mangel der Ringmuskelschichte — nach Perrier1) soll übrigens bei einer Polygordiusart schon eine Ringmuskelschichte vor- kommen — sehen wir ebenfalls durch Polygordius das einfachste und ursprünglichste Verhältniss unter den Anneliden repräsentirt. Der Darm des Polygordius ist in den Rumpfsegmenten mit einem dorsalen und einem ventralen Mesenterium versehen, welche beide ontogenetisch für die Anneliden charakteristisch sind, aber den meisten Chaetopoden im entwickelten Zustande fehlen. Auch das Blutgefässsystem von Polygordius zeigt nach Uljanin2N) die für die Anneliden charakteristische Anordnung bei sehr reducirter und einfacher Form. Aus den hier angeführten Verhältnissen ergibt sich, dass Polygordius nicht etwa eine durch Rückbildung vereinfachte, sondern die ursprünglichste, der gemeinschaftlichen Stammform der Anneliden am nächsten stehende Gattung repräsentirt. Bei jeder Auseinandersetzung über die phylogenetischen Be- ziehungen der einzelnen Annelidengruppen zu einander, sowie bei jeder Betrachtnng über die Verwandtschaftsverhältnisse der An- neliden zu den anderen Hauptgruppen der Bilaterien müssen wir auf Polygordius, als die ursprünglichste Annelidenform, zurück- kommen; diesen Gesichtspunkt, den wir als gesicherte Basis ge- wonnen haben, werden wir festhalten, und von diesem Ergebniss müssen wir stets ausgehen. So wie Polygordius als Repräsentant einer Ordnung, welche die Stammgruppe der gesammten Anneliden bildet, anzusehen ist, so ist wieder unter den Chaetopoden eine Gattung, welche Polygordius sehr nahe steht, für die Morphologie dieses engeren Kreises von grösster Wichtigkeit. Es ist dies die Gattung Saccocirrus. Wir verdanken Bobretzky nicht nur die Entdeckung dieser Form , sondern sind auch über den Bau derselben durch seine schöne Untersuchung genauer unterrichtet. 3) Saccocirrus zeigt in seinem Bau, wie schon Bobretzky hervorgehoben hat, eine grosse Uebereinstimmung mit Polygordius. Aber nicht nur durch ') Perrier, 1. c. -) Uljanin, 1. c. 3) A. F. Marion et N. Bobretzky, Etüde des Annelides du golfe de Marseille. (336) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 61 die niedrige Ausbildung seiner Organisation, durch welche er sich nahe an Polygordius anschliesst. erweist sich Saccocirrus als eine sehr ursprüngliche Chaetopodenform , es finden sich bei ihm auch, namentlich im Bau der Geschlechtsorgane, Charaktere vereinigt, welche den beiden Abtheilungen der Chaetopoden, den Oligochaeten und Polychaeten, eigenthümlich sind. Wir können in Anbetracht dessen Saccocirrus als Vertreter einer besonderen Ordnung an- sehen, welche als Stammgruppe allen anderen Chaetopoden gegen- überzustellen ist. Das Centralnervensystem von Saccocirrus zeigt dieselben ursprünglichen Verhältnisse, wie bei Polygordius, es ist vom Ectoderm noch nicht scharf gesondert , und liegt daher ausserhalb der .Muskelschichte. l) Bei Saccocirrus findet sich, wie bei Polygordius, noch ein dorsales und ventrales Mesenterium des Darmes vor. Auch in der Ausbildung der Sinnesorgane (einfache Ten- takeln des Kopflappens, Flimmer gruben) schliesst sich Saccocirrus nahe an Polygordius an. Saccocirrus erweist sich aber durch den Besitz von Borsten als echter Chaetopode , und er zeigt auch in der schon auf die äussere Körperform sich erstreckenden Segmentirung und in der Lagerung des Oesophagus, welcher bis in die vorderen Rumpf- segmente hineingerückt ist, Verhältnisse, die mit denen der an- deren Chaetopoden übereinstimmen. Die Anordnung der Borstenbüschel bei Saccocirrus wird unser besonderes Interesse in Anspruch nehmen, denn wir sind berechtigt , nachdem wir schon aus den anderen Organen die niedere Stellung des Saccocirrus unter den Chaetopoden erkannt haben, auch hierin ein ursprüngliches Verhalten bei demselben anzunehmen. Die Borstenbüschel von Saccocirrus wiederholen sich gleich- massig in allen Rumpfsegmenten. In dem sogenannten Mund- segmente, welches, wie wir durch die Entwicklungsgeschichte (Polygordius) erfahren haben, nicht einem Rumpfmetamer gleich- zusetzen ist, sondern nur den hinteren Abschnitt des Kopfes bildet, finden sich keine Borstenbüschel vor. Dieses Verhalten, welches wieder für den Gegensatz von Kopf und Rumpfsegment von wei- terer Bedeutung erscheint, ist, wie ich glaube, gesetzmässig für l) Marion und Bobretzky haben, ähnlich wie Uljanin bei Polygordius, blos die Längsfaserstränge des Bauchmarks als Nervensystem des Rumpfes aner- kannt. Doch wird wohl diese Deutung, ebenso wie die Uljanins, zu berich- tigen sein. (337) 62 Dr. B. Hatschek: alle Anneliden. In jenen Fällen, wo dem „Mundsegmente" Borsten zugeschrieben werden, scheint mir nur eine Verschmelzung des ersten Rumpfsegmentes mit dem Mundsegmente vorzuliegen. Die Borstenbündel sind bei Saccocirrus einzeilig angeordnet, wir finden nicht ein Rücken- und ein Bauchborstenbündelpaar, sondern nur ein einziges in der Seitenlinie gelegenes Borsten- bündelpaar (in jedem Rumpfsegmente) vor. welches kurzen retrac- tilen Fussstummeln zur Stütze dient. Die Borstenbüschel sind bei Saccocirrus. wie bei allen Cliae- topoden, in dem hinteren Theile des Segmentes, hinter der äusseren Oeffnung des Segmentalorganes, gelegen. Das Vorkommen eines einzigen in der Seitenlinie gelegenen Borstenbündelpaares in jedem Rumpfsegmente repräsentirt jeden- falls das ursprüngliche Verhalten bei den Chaetopoden. Bei jenen weiter differenzirten Chaetopodenformen, welche zwei Paar Reihen von Borstenbündeln besitzen, entsprechen die ventralen Borsten- bündel ihrer Lage nach vollkommen den einfachen Borstenbündeln von Saccocirrus ; die Frage aber , ob die dorsalen Borstenbündel sich secundär selbstständig entwickelt haben, oder ob sie von dem ursprünglichen, einfachen Borstenbündel (in der phylogenetischen Entwicklung) sich abgegliedert haben , ist bei unseren jetzigen Kenntnissen noch nicht zu entscheiden. Wir werden die Ordnung der Saccocirriden , zu welcher nebst Saccocirrus auch die Gattungen Polyophthalmus und Ophelia beizuziehen sein werden, den anderen Ordnungen der Chaetopoden, den Polychaeten und Oligochaeten , als gleichwerthig gegenüber- stellen. Wir wollen hier nicht näher auf die Systematik und Orga- nisation der Polychaeten eingehen, den Oligochaeten aber werden wir einige weitere Auseinandersetzungen widmen müssen. Die Oligochaeten erweisen sich insbesonders durch die sehr ausgesprochene Heteronomie der Rumpfsegmente , welche nament- lich in den complicirt gebauten, auf wenige Segmente beschränkten Geschlechtsorganen zum Ausdruck gekommen ist, und auch durch viele andere Organisationsverhältnisse als weiter von dem ursprüng- lichen Typus der Chaetopoden entfernt, als manche Polychaeten- formen. In Bezug auf gewisse Organe (Sinnesorgane , Bewegungs- werkzeuge) zeigen die Oligochaeten eine niedrigere Stufe der Ausbildung, welche wohl zum Theil als secundäre Rückbildung zu erklären ist (338) Stadien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 63 Das Mundsegnient ist bei den Oligochaeten stets mit dem ersten Rumpfsegmente verschmolzen. Die Segmentalorgane zeigen bei den Oligochaeten — im Gegensatz zu dem einfacheren Verhalten bei den Saccocirriden und Polychaeten — stets einen complicirteren Bau. Die schleifen- fö'rmige Anordnung der Excretionscanäle ist für die Oligochaeten charakteristisch. Es mag nunmehr gestattet sein, zu der durch charakteristische Eigenthümlichkeiten wohl abgegrenzten Annelidengruppe der Hiru- dineen überzugehen und namentlich die Verwandtschaftsbeziehungen derselben zu erörtern. Die Ansicht, dass die Hirudineen als eine Uebergangsgruppe zwischen Trematoden und Anneliden aufzufassen seien , ist wohl jetzt schon allgemein fallen gelassen. Die Form des Bauchmarkes, welches bei den Hirudineen durch eirie wohl differenzirte Ganglienkette repräsentirt ist, be- weist, dass sich die Hirudineen auch nicht einmal an die nie- dersten Anneliden (Polygordius), sondern an viel weiter entwickelte Annelidenformen anschliessen. Wir wollen vor Allem den Umfang der Ordnung der Hiru- dineen genauer präcisiren. Von besonderer Wichtigkeit für die Morphologie der Hiru- dineen ist die Ausbildung des hinteren Saugnapfes, welcher durch Umwandlung der Bauchnäche einer Anzahl der hintersten Rumpf- segmente entstanden ist und von einem aus den Ganglien mehrerer Segmente zusammengezogenen Schwanzganglion innervirt wird. Von diesem Gesichtspunkte aus sind eine Anzahl von Formen von der Ordnung der Hirudineen auszuschliessen , die bisher zu der- selben gerechnet wurden , so die borstentragende Gattung Acantho- bdella, deren After in der Mitte des „Saugnapfes" liegt, Ma- lacobdella x) und wahrscheinlich auch Histriobdella und vielleicht auch noch andere der weniger genau gekannten Gattungen. Als unzweifelhafte Hirudineen bleiben die Familien der Branchiobdelliden, Rhynchobdelliden und Gnathobdelliden bestehen. Die so begrenzte Ordnung der Hirudineen wird von Formen ') Nach Semper (1. c.) ist Malacobdella eine Nemertine. Die Bedeutung, die Gegenbaur (Vergleichende Anatomie) dem Nervensystem von Malacobdella für die Morphologie des Bauchmarkes den Anneliden zuschrieb, ist demnach beseitigt. (339) 64 Dr. B. Hatschek: gebildet , welche durchwegs von dem ursprünglichen Typus der Anneliden weiter entfernt sind, als die Chaetopoden. Die Organisationsverhältnisse der Hirudineen sind auf den Typus der Anneliden zurückzuführen , sie sind aber zweifellos durch Anpassung an die parasitische Lebensweise vielfach umge- bildet und auch rückgebildet. Um einen Anhaltspunkt für die Erkenntniss der Verwandt- schaftsbeziehungen der Hirudineen zu den anderen Anneliden zu gewinnen, werden wir jene Hirudineenform berücksichtigen müssen, bei welcher der typische Annelidenbau am reinsten und am wenigsten verändert erhalten ist. Es ist dies die Gattung Bran- chiobdella. Branchiobdella besitzt ein geschlossenes Blutgefässsystem, und die ursprüngliche Leibeshöhle , welche durch Dissepimente in metamere Abschnitte zerfällt. Der complicirte Geschlechtsapparat zeigt unzweifelhafte Beziehungen zu dem Geschlechtsapparat ge- wisser limnicoler Oligochaeten. Es ist uns dadurch ein Finger- zeig gegeben, dass die complicirten, zwitterigen Geschlechtsorgane aller Hirudineen auf die Verhältnisse der Oligochaeten zurückzu- führen sind. Die Verwandtschaft der Hirudineen mit den Oligochaeten ist auch in dem Bau der Segmentalorgane ausgeprägt. Wir haben schon oben erwähnt, dass die Segmentalorgane der Oligo- chaeten sich durch die charakteristische schleifenförmige Anord- nung der Canäle auszeichnen ; dieselbe schleifenförmige Anordnung finden wir bei den Hirudineen. In den besonderen Eigenthümlich- keiten der Eilage (Coconbildung) stimmen die Hirudineen ebenfalls mit den Oligochaeten überein. Auch durch die Entwicklungsgeschichte, auf welche wir späterhin zurückkommen werden , wird die Ansicht unterstützt, dass die Anneliden mit den Oligochaeten in nächster Verwandt- schaftsbeziehung stehen. Wir können annehmen, dass die Hirudineen sich unter theil- weiser Rückbildung der Organisation (Borsten und Blutgefässe) und theilweiser Umbildung (Sangnäpfe, Muskelsystem etc.) aus einer oligochaetenähnlichen Stammform entwickelt haben. x) — Wir ') Der Saugnapf der Hirudineen, welcher aus einer Anzahl umgewandelter Rumpfsegmente entstanden ist, und also morphologisch nicht mit dem der Trema- toden übereinstimmt, kann um so weniger für diese vermeintlichen Verwandtschafts- beziehungen geltend gemacht werden , da wir Saugnäpfe in den verschiedensten Thierclassen selbstständig auftreten sehen. Die Aehnlichkeit des Muskelsystems (340) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 65 werden daher die Ordnung der Hirudineen im System den Oligo- chaeten zunächst stellen. Die Gephyreen schliessen sich unzweifelhaft durch viele Eigentümlichkeiten ihrer Organisation und Entwicklung den An- neliden an. Unsere Kenntnisse über den Bau und die Entwicklungs- geschichte der Gephyreen sind zwar noch nicht genug vorge- schritten, um diese Verwandtschaftsbeziehungen klar zu präcisiren, viele morphologische Verhältnisse, z. B. die des Excretionsappa- rates, sind noch ganz unverstanden, da aber die Lagerung der Organe und auch der Bau derselben in den meisten Punkten das für die Anneliden typische Verhalten zeigt und auch Andeutungen des metamerischen Baues nicht fehlen — namentlich ist hier der Bauchstrang der Echiuriden zu erwähnen1) — so scheint mir die Berechtigung vorzuliegen, die Gephyreen der Classe der Anneliden einzuverleiben. Die Borstenpaare, die sich bei den chaetiferen Grephyreen in der Nähe der Geschlechtsöffnung finden, möchten vielleicht sogar auf eine nähere Beziehung zu den Chaetopoden hinweisen. Wir werden obigen Erörterungen gemäss folgende Ordnungen der Anneliden aufstelllen: 1. Ordnung. Polygordiidae (Archiannelides). 2. Ordnung. Chaetopodes. 1. Unterordnung. Saccocirridae (Archichaetopodes). 2. Unterordnung. Polychaetae. 3. Unterordnung. Oligochaetae. o. Ordnung. Hirudineen. 4. Ordnung. Gephyrei. Diese Ordnungen sind , wie aus den früheren Auseinander- setzungen hervorgeht, im Sinne der Phylogenie nicht gleichwerthig, sondern zum Theil einander übergeordnet. Es möge dies nach- folgendes Schema versinnlichen : der Hirudineen mit dem der Trematoden ist eine durch die gleichen Anpassungsver- hältnisse bedingte Analogie. Bei der Branchiobdella , die noch einen rundlichen Querschnitt des Körpers zeigt, finden wir sowohl die Leibeshöhle, als das Muskel- system in der für die Anneliden typischen Anordnung. Es ist leicht begreiflich, wie durch die Anpassung an den Parasitismus unter Abplattung des Körpers eine theilweise Rückbildung der Leibeshöhle und Umbildung des Muskelsystems sich entwickelte. x) Vergl. Salensky, Ueber die Metamorphose des Echiurus, Morphologisches Jahrbuch 1876 (Taf. XXII). Claus. Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 24 l34l) 66 Dr. B. Hat sehe k: Anneliden 1. Ord. Polygordiiden 2. Ord. Chaetopoden 1. Unterord. Saccocirriden 2. Unterord. Polvchaeten 3. Unterord. Olig-ochaeten 4. 0 r d. G-ephyreen 3. 0 r d. Hirudineen Die Ordnung der Polyehaeten dürfte wohl einer schärferen Kritik nicht Stand halten und soll nur als eine provisorische Aufstellung betrachtet werden. Es ist eine allgemein verbreitete Erscheinung, dass die im Meere lebenden Thiere aus den verschiedensten Thierclassen auf einer viel früheren Stufe der Entwicklung das Ei verlassen, als die im Süsswasser lebenden Vertreter derselben Classen. Die im Meere lebenden Formen durchlaufen demgemäss meist eine com- plicirte Metamorphose , während ihre Verwandten , die das Süss- wasser bewohnen, oft erst in ausgebildeter Form ihr freies Leben beginnen. Es lässt sich regelmässig nachweisen, dass die Metamorphose der ursprünglichere, die directe Entwicklung der seeundäre Ent- wicklungsmodus ist. Auch bei den Anneliden finden wir dasselbe Verhalten vor. Während die Meeresbewohner, die Polyogordien, Saccocirriden, Polyehaeten und Gephyreen, alle eine Metamorphose durchlaufen, zeigen die Süsswasserbewohner , die Oligochaeten und Hirudineen, eine directe Entwicklung. Der Nachweis, dass die Metamorphose auch hier der ur- sprünglichere Entwicklungsmodus ist, wird dadurch begründet, dass erstens die niedrigsten Annelidenformen (Polygordius) die typische Metamorphose durchlaufen, ferner dadurch, dass sich dieselbe Larvenform in den verschiedensten Gruppen der Anneliden erhalten hat, und endlich auch dadurch, dass diese charakteristische Larve sich durch ihre Beziehungen zu den Larvenformen anderer Thiertypen als eine uralte Form erweist. — Es ist überdies leicht, die Vorgänge bei der directen Entwicklung auf diejenigen der Metamorphose zurückzuführen. Die Larvenformen der Anneliden zeigen in ihrer äusseren Form und in ihren Larvenorganen eine grosse Mannigfaltigkeit. Trotz dieses Formenreichthums ist es doch leicht, durch Ver- (342) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 6 7 gleichung der gemeinschaftlichen Charaktere den ursprünglichen Larventypus aufzufinden, auf welchen die mannigfaltigen Larven- formen zurückzuführen sind. l) Dieser Urtypus der Annelidenlarven, welcher, wie schon er- wähnt, auch Beziehungen zu den Larvenformen anderer Thier- classen zeigt, findet sich nicht nur bei Polygordius, der ältesten Annelidenform , sondern auch bei Vertretern anderer Anneliden- ordnnngen (Chaetopoden , Gephyreen) ganz rein erhalten. Es ist dies die Loven'sche Larve. Bei der directen Entwicklung der Oligochaeten und Hiru- dineen kennen wir zwei verschiedene Entwicklungstypen. Nach dem einen Typus, welcher sich bei Lumbricus, Criodrilus, Hirudo, Nephelis findet, entwickeln sich die Embryonen aus kleinen Eiern, die wenig Nahrungsdotter enthalten. In einem frühen Stadium beginnen die Embryonen sich durch Schlucken der in dem Cocon abgelagerten Eiweissmasse zu ernähren und wachsen auf Kosten derselben bedeutend heran. — Bei dem anderen Typus, welcher z. B. durch Euaxes, Tubifex, Clepsine vertreten ist, ist schon im Ei eine bedeutende Menge von Nahrungsdotter aufgespeichert. Die Ent- wicklung zeigt hier Modificationen, analog jenen, welche bei Mol- lusken und Wirbelthieren durch den im Ei angehäuften Nahrungs- dotter bewirkt werden. Es ist sicher , dass der erste Entwick- lungstypus, derjenige der eiweissschluckenden Embryonen, der ur- sprünglichere ist, da er mit dem Urtypus der freien Entwicklung der Larve viel mehr übereinstimmt. Wir wollen diesem Typus der eiweissschluckenden Embryonen hier einige vergleichende Betrach- tungen widmen. Die Entwicklungsgeschichte von Criodrilus stimmt im Wesent- lichen mit der von Lumbricus2) überein. Die Embryonen von Criodrilus sind nur durch die massenhafte Eivveissaufnahme noch bedeutender aufgebläht als bei Lumbricus. Ich will hier erwähnen , dass die Schluckzellen, die eine beson- dere zur Eiweissauf nähme dienende embryonale Einrichtung bilden, nicht etwa blos für Criodrilus charakteristisch sind. Sie finden sich ebenso bei Lumbricus , selbst auch in den späteren Stadien, wo sie dem hinteren Oesophagusende aufgelagert sind. 3) ') „Eine sehr geringe Abweichung in den Lebensverhältnissen ist oft genügend, um die Verschiedenheit der Larven zu erklären." Claparede und Metschni- koff , 1. c. p. 16- 2) Kowalevsky, 1. c. 3) Diese Zellen wurden schon von d'Udekem abgebildet (Developpement du 24 * (343; 63 Dr. B. Hatschek: DieUebereinstimmung in denEigenthümlichkeiten der Entwick- lung von Hirudo und Nephelis mit den genannten Oligochaeten ist sehr auffallend. Schon Claparede und Aletschnikoff äussern sich hierüber : „Die Oligochaeten bieten eigentlich eine viel grössere Aehnlichkeit mit den Egelembryonen als mit den Ent- wicklungsstadien der Polychaeten, eine Thatsache , die — in Be- tracht der vielen Verwandtschaftspunkte zwischen Oligochaeten und Bdelliden — nicht zu wunderbar scheinen darf." x) Die Bildung der Keimblätter scheint bei Nephelis und Hirudo ganz ähnlich vor sich zu gehen, wie bei Criodrilus. Auch hier sind drei grosse Ectodermzellen zu beobachten , die in frühen Stadien eine grosse Rolle spielen 2), später aber in die Leibes- höhle gerathen und durch Zerfall zu Grunde gehen. 3) — Auch die weiteren Entwicklungsvorgänge zeigen, sowohl in allgemeinen Zügen, als auch in besonderen Eigenthümlichkeiten , so viele Ueber- einstimmung, dass die Annahme von Verwandtschaf tsbe Ziehungen zwischen Oligochaeten und Hirudineen auch durch die Entwick- lungsgeschichte wohl begründet erscheint. Lombric terrestre. Mein, couronn. de l'Acad. roy. de Belgique. Tom. XXVH. 185(3), aber irrthümlicher Weise für die Anlage des oberen Schlundganglions gehalten. Kowalevsky hat in den betreuenden Stadien (1. c. Taf. VII Fig. 17) nicht nur diese Schluckzellen, sondern auch den ziemlich langen Oesophagus, der längs des Rückens hinzieht, übersehen. ') 1. c Freilich schreibt Cl. und M. weiterhin : „So z. B. weisen die Oligo- chaeten-Embryonen, die durch Rathke bei Clepsineembryonen bekannt gewordenen „colossalen Zellen", welche bekanntlich Leuckart für Urnieren in Anspruch nimmt, beständig auf, während sie bei Polychaeten in dieser Form wenigstens nicht wiederzukehren scheinen." Diese colossalen Zellen, welche wir, durch die Unter- suchungen Kowalevsky' s an Lumbricus als Urzellen des Mesoderms erkannt haben, kommen entgegen der Vermuthung Cl. und M.'s, allen Anneliden (und auch anderen Bilaterien) zu. Wir haben sie im ersten Theil dieser Arbeit bei Polygor- dius kennen gelernt und ich habe sie auch bei verschiedenen Polychaetenlarven gefunden, z. B. bei den Larven und Embryonen von Sabella lucullana. 2) Vergl. Robin, Memoire sur le developpement embryogenique des Hiru- dinees, Memoires de l'academie des sciences de l'institut de France. PI. V u. PI. VI (Fig. 111 u. 113) und PI. XII. (Fig. 190 u. 191.) Tome XL. Nr. 9. 3) Die Darstellung Bütchli's über die Entwicklung von Nephelis (Entwick- lungsgeschichtliche Beiträge, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIX) scheinen mir wenig zutreffend zu sein. Bütschli hat wohl die Zugehörigkeit der drei grossen Zellen zum Ectoderm erkannt, — während Kowalevsky (1. c.) irrthümlicher Weise das Mesoderm von denselben ableiten wollte , — und auch den späteren Zerfall dieser Zellen beobachtet. Aber die Angaben Bütschli's über die Entstehung des Meso- derms sind incorrect. Er erkannte nicht einmal die Wichtigkeit der am Hinterende der Mesodermstreifen gelegenen grossen Urzellen des Mesoderms. — Ebenso sind seine Angaben über die Entwicklung des oberen Schlundganglions nicht ganz zutreffend. (344 Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 69 Die Entwicklungsstadien der eiweissschluekenden Embryonen lassen sich leicht auf die der freischwimmenden Larven zurück- führen. Es ist dies schon aus dem beschreibenden Theile dieser Arbeit ersichtlich. Die wichtigsten Unterschiede sind folgende: Die primäre Leibeshöhle der Larve, die ja im Rumpfe nur vorübergeliend besteht, ist bei der directen Entwicklung redu- cirt und nur durch die Kopfhöhle repräsentirt. — Der Leib der Embryonen ist durch die Eiweissaufnahme aufgebläht, und hier- aus resultiren Veränderungen der Entwicklung, die insbesonders in der Bildung des Embryonalstreifens sich ausprägen. Die Larvenorgane , die für die freie Entwicklung charakteristisch sind doch auch hier sind zuweilen die Wimperkränze rückge- bildet), sind bei der directen Entwicklung reducirt. Immerhin findet sich bei Criodrilus das wichtigste Larven- organ, das der oralen "Wimperkränze, in etwas veränderter Form, aber unzweifelhaft homologer Bedeutung (wie weiterhin pag. 82 erörtert wird) als adorale, von zwei Flimmerwülsten begrenzte Flimmerrinne vor. Dies weist darauf hin, dass wir in Criodrilus eine sehr alte Oligochaetenform zu suchen haben; doch könnte der Nachweis hiefür erst durch nähere Untersuchung der Organi- sationsverhältnisse dieser G-attung geführt werden. II. Capitel. Die Gliederung des Körpers und die morphologische Bedeutung der Metameren. Die Erörterungen, welche in diesem Capitel ihren Platz fin- den sollen, beziehen sich vornehmlich auf jene Typen der Bilaterien, deren Körper eine metamerische Gliederung zeigt , doch müssen auch die ungegliederten Typen mehrfach in den Kreis dieser Betrachtungen gezogen werden. Wir wollen zunächst auf die Verhältnisse der Anneliden eingehen und dann erst die der ande- ren Typen vergleichend betrachten. Die Gliederung des Anneliden - Körpers. Der Anneliden-Körper ist in eine Anzahl hintereinander lie- gender Abschnitte gegliedert. Diese Abschnitte sind 1. das Kopfsegment (Kopflappen und Mundsegment), 2. eine Reihe (wenig- stens ursprünglich) gleichwerthiger Rumpfsegmente oder Meta- meren, o. das Endsegment.1) ') Meine Auffassung der Gliederung des Annelidenkörpers ist von derjenigen Semper's (1. c.) sehr abweichend. Sem per fasst eine Reihe der vordersten Kör- persegmente als Kopfsegmente auf. die ich nur als metamorphosirte Rumpfsegmente betrachte. — Die Dentung des hinteren Abschnittes der Knospungsregion der Naiden (345) 70 Dr. B. Hätschele: Das Kopfsegment ist weder seinem Bau noch seiner Entwick- lung nach einem Metamer gleichwerthig. Dasselbe besitzt Organe, oberes Schlundganglion und Oesophagus, die dem Metamer fehlen. Die Kopfhöhle ist direct von der einfachen primitiven Leibeshöhle ableitbar, während die Leibeshöhle der Metameren als seeundäre, aus zwei, durch die Mesenterien vollkommen getrennten, sym- metrischen Hälften bestehende Höhlung entsteht. Die Bedeutung der Metameren ist vor allem durch ein über- aus wichtiges Organsystem charakterisirt , das dem Kopfsegment stets fehlt : die Geschlechtsorgane. Die Metameren sind, wenigstens ursprünglich und der Entwicklung nach, gleichwerthige Geschlechts- segmente. Das Endsegment ist ebenfalls dem Metamer nicht gleich- werthig. Während aber das Kopfsegment durch die Verschieden- heit der Organe von den Metameren sich unterscheidet, ist das Endsegment seiner Bedeutung nach , wie die Entwicklungs- geschichte beweist , auf eine niedrigere Entwicklungsstufe des Metamers zurückzuführen. Es persistirt als ein undifferenzirter Theil des Rumpfes , welcher während der Entwicklung1) durch Theilung Metameren erzeugen kann. — Allerdings besitzt das Endsegment auch ein besonderes Organ , den Hinterdarm ; doch ist dieser vielleicht nicht einmal einem bestimmten Segmente strenge zuzurechnen , da er , der weniger differenzirten Rückenfiäche des Rumpfes angehörend, bei manchen Formen im Verlaufe der Entwick- lung weit nach vorne rücken kann. Bei der weiteren Differenzirung erhält das Endsegment auch oft äussere Anhänge und Papillen als besondere Organe. Die typische Gliederung des Anneliden - Körpers findet sich viel klarer noch, als am ausgebildeten Individuum , während der Entwicklung ausgeprägt. Es ist hier nicht nur der Gegensatz zwischen Kopfsegment und Metameren des Rumpfes viel augen- fälliger, es tritt hier auch noch ein anderes Verhältniss mit Deut- lichkeit hervor: die Altersfolge der Metameren. Die Metameren sind ihrer Entwicklung nach nicht gleichaltrig , sondern das vor- als Kopfanlage ist ganz ungerechtfertigt und durch die Embryonalentwicklung der Anneliden wird die Semper'sche Ansicht durchaus nicht bestätigt. Um so ge- wagter erscheinen die weitgehenden, auf diese falsche Voraussetzung gegründeten Schlussfolgerungen. l) Bei Nais ist auch am entwickelten Thiere noch Metamerenbildung von dem Endsegment aus im Zusammenhang mit der Knospung zu beobachten. (Semper, 0. Fr. Müller.) I.S46) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 71 derste , an das Kopfsegment grenzende Metamer ist das älteste, die nachfolgenden sind der Reihe nach jünger, und auf das hin- terste, jüngste Metamer folgt noch ein nndifferenzirter Theil des Rumpfes Endsegment), der, auf einer früheren Entwicklungsstufe verharrend, durch Theilung immer neue Metameren zu liefern befähigt ist. — In diesem Bau des Embryo liegt der Typus der Gliederung der Anneliden klar vor unseren Augen. Die Entwicklung des gegliederten Baues der Anneliden. Bei der Ausbildung der Körperabschnitte tritt zuerst der Gegensatz von Kopf und Rumpf auf.1) Bei dem ursprünglichen Typus der Entwicklung, bei Polygordius, ist dieses Verhalten klar und scharf ausgeprägt. Doch auch die Verhältnisse bei den anderen Anneliden, selbst bei der directen Entwicklung der Oligo- chaeten, lassen sich auf diejenigen des ursprünglichen Typus zurück- führen. Wir wollen aber der Kürze halber uns hier nur an die Verhältnisse der PohTgordiuslarve halten. Worin prägt sich der Gegensatz von Kopf und Rumpf an der Polyg ordiuslarve aus? — Wir finden an den jüngsten — im ersten Theil dieser Arbeit beschriebenen — Polygordiuslarven im Kopfsegmente schon die wesentlichsten Organe ausgebildet, wäh- rend der hintere Abschnitt, der später zu den Metameren des Rumpfes sich entwickelt, noch auf einer viel niedrigeren Entwick- lungsstufe steht. Während im Kopfsegmente schon die Scheitel- platte, periphere Nerven, Muskelfasern und Nierencanäle ausgebildet sind, zeigen sich im Rumpfe noch wenig histiologische Veränderungen ; wir finden hier noch die Keimblätter aus undifferenzirten Zellen zusammengesetzt ; die Differenzirung der Organe erfolgt hier erst viel später als im Kopfsegmente. Die Gliederung in Metameren erfolgt vom Vorderende des Rumpfes aus. Es gliedert sich hier das erste Metamer ab und es beginnt in demselben die Differenzirung der Organe. Der hintere Abschnitt des Rumpfes aber verbleibt auf der früheren Entwick- lungsstufe. Die Bildung des 2., 3., 4. Metamers u. s. w. geht auf ganz dieselbe Weise, immer auf Kosten des undifferenzirten Rumpf- abschnittes vor sich, der sich stets durch Wachsthum regenerirt, um immer neue Metameren durch Theilung- zu liefern. ') Es stimmt dies nicht mit der Semper 'sehen Ansicht überein, daSemper mit der Bezeichnung Kopf einen andern Begriff verbindet, als wir es hier auf Grund der Entwicklungsgeschichte thun. (347) 72 Dr. B. Hatschek: Die Analogie der Metamerenbildung mit dem Knospungs- pröc'ess ist ganz auffallend. Es erfolgt z. B. bei der Kiiospenent- wicklung von Pedicellina1) in einem frühen Stadium der Entwick- lung eine Theilung des primären Individuums; der eine Th eil nun o-eht der weiteren individuellen Entwicklung entgegen, während der andere auf der niederen Stufe der Entwicklung verharrt, bis er selbst sich zu einem neuen Theilungsprocess anschickt u. s. w. Ganz ähnlich wie dieser undifferenzirte Theil verhält sich das Endsegment der Anneliden. Die Gliederung des Rumpfes tritt nicht gleichzeitig in allen drei Schichten (Keimblättern! des Rumpfes mit gleicher Schärfe auf: die Gliederung nimmt vielmehr von einem Keimblatte, dem Mesoderm, ihren Ausgang.2) Später erst, bei der weiteren Aus- bildung der Organe, macht sich auch am Ectoderm die Gliederung geltend. Das Entoderm verhält sich am längsten der Gliederung gegenüber indifferent, es wird erst dann vom metamerischen Baue beeinflusst, wenn es zum Mesoderm in nähere Beziehung tritt. Der metamerische Bau kommt zuerst durch Wiederholung der inneren Organe zum Ausdruck. Bei Polygordius bleibt er auf dieser Stufe der Entwicklung stehen, bei den anderen Anneliden beginnt sich die Gliederung auch in der äusseren Körperform, durch segmentweise Einschnürungen und durch die äusseren Anhänge und Gliedmassen, auszuprägen. Die morphologische Bedeutung der Gliederung des A n n e 1 i d e n k ö r p e r s. Die Auffassung des Annelidenkörpers als Thierstock ist wohl gegenwärtig die verbreitetste. Das- Metamer wird als einem unge- gliederten Thiere gleichartiges Individuum angesehen. Man niüsste von diesem Standpunkte aus das Kopfsegment als das älteste sterile Individuum, die Metameren als die Geschlechts- individuen des Stockes betrachten. Die Entwicklung der Gliederung , welche so auffallende Analogie mit dem Knospungsprocesse zeigt, würde im allgemeinen diese Auffassung unterstützen. Um aber diese Auffassung zu 1 B. Hatschek. Embryonalentwicklung und Knospung der Pedicellina echinata. Zeitsehr. f. Wiss. Zool. Bd. XXIX. 1877. 2) Ick konnte das Auftreten der Ursegmente, lange bevor sich die äussere. Gliederung ausprägte, bei verschiedenen Polychaetenlarven beobachten. Bei den OHgochaeten und Hirudineeu ist dasselbe Verhalten schon von Rathke und Leuckart beobachtet und namentlich durch Kowalevsky klargelegt. !'48) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 73 begründen, müsste man die Organisation des Metamers und die des Kopfsegmentes auf denselben Grundtypus zurückführen können, man müsste nachweisen, dass beide aus derselben Urform entstan- den seien. Sind wir nun im Stande diesen Nachweis zu führen? Es lassen sich allerdings eine Reihe von Thatsachen hiefür geltend machen, so die Uebereinstimmung in der Anordnung der Musculatur im Kopfsegment und Metamer, die Aehnlichkeit in Bau und Lagerung der Excretionscanäle des Metamers (Segmental- organe) mit der Kopfniere. — Auch in Bezug auf die Leibeshöhle zeigen die Metameren ursprünglich dasselbe Verhältniss, wie das Kopfsegment, ihre abweichende definitive Leibeshöhle entwickelt sich erst secundär. — Der Mangel von Mund und Oesophagus könnte als Rückbildung gedeutet werden, die sich ungezwungen durch die Centralisation des Thierstockes zu einem Individuum höherer Ordnung erklären Hesse. Die bedeutendste Schwierigkeit bietet aber die Vergleichung des Centralnervensystems des Kopfes mit dem Bauchstrang der Metameren. Es ist sehr zweifelhaft, ob der Bauchstrang des Metamers auf das typische Scheitelganglion des Kopfsegments zurückgeführt werden könne.1) Es scheint vielmehr eine Ver- schiedenheit der Lagerung vorzuliegen, die einen Vergleich aus- schliesst. So lange dieser Widerspruch nicht beseitigt ist, kann man eine ursprüngliche Gleichwertigkeit des Kopfsegments und Metamers nicht annehmen. Es wird dadurch eine andere Auffassung der Gliederung nothwendig. Wenn wir Kopfsegment und Metamer nicht auf die- selbe Grundform zurückführen können , so ist mit diesem Gegen- satze die Auffassung des Annelidenkörpers als Thierstock unhalt- bar geworden. Kopf und Metamer stellen dann nichts anderes als verschiedene Körpertheile dar; es ist das Kopfsegment dem metamerisch gegliederten Rumpfe gegenüberzustellen. Wie können wir uns aber in diesem Falle den metamerischen Bau des Rumpfes erklären? Lässt sich derselbe als eine höhere Differenzirung eines ursprünglich ungegliederten Rumpfes deuten ? Ich möchte dies verneinen. Die Thatsachen, die uns in der Entwicklungsgeschichte des metamerischen Baues vorliegen, sprechen unzweideutig für das Vor- ') Von der S emp er 'sehen ganz unrichtigen Auffassung des oberen Schlund- ganglions kann natürlich nicht die Rede sein. (349 74 Dr. B. Hatschek: handensein eines Knospungsprocesses. Wenn die Auffassung des Annelidenkörpers als Thierstock nicht zulässig ist, so muss diese Knospung noth wendiger "Weise als Knospung eines Körpertheils auf- gefasst werden, welche zur Vervielfältigung desselben führt. Es würde demnach bei den Anneliden eine Vervielfältigung des Rumpfes durch Knospung vorliegen, deren wesentliches Ergeb- niss in der Vervielfältigung eines bedeutenden dem Rumpfe ange- hörenden Organsystems liegt — in der Vervielfältigung der Gene- rationsorgane. Es würde hier die Wiederholung eines Körpertheiles zu dem- selben Zwecke führen, den wir bei weit differenzirten Thierstöcken erreicht finden, wo nämlich die Geschlechtsindividuen physiologisch lediglich den die Fortpflanzungsorgane bergenden Körpertheilen gleich werthig sind. Die Wiederholung eines Körpertheiles durch Knospung ist nach mancherlei Analogien als möglich und begreiflich anzusehen. — In den Entwicklungsvorgängen der Anneliden an sich fände diese Deutung keinen Widerspruch. Zur fes.en Begründung dieser Ansicht ist aber die Erfor- schung der ungegliederten Stammform der Anneliden unbedingt erforderlich. — Ich will hier einen der wesentlichsten Punkte, der durch Vergleichung zu prüfen wäre, hervorheben. Wir sahen an der jüngsten Poligordiuslarve im Kopfe alle wesentlichen Organe : Centrales und peripheres Nervensystem, Muskeln , Excretionsapparat schon weit entwickelt , während im Rumpfe noch weder die histiologische, noch die anatomische Diffe- renzirung der entsprechenden Organsysteme begonnen hatte. Es müsste — wenn wir Kopf und Rumpf nur als Abschnitte des Körpers auffassen — auch bei der ungegliederten Stammform sich die fundamentale Thatsache wiederholen , dass die Organe des Rumpfes sich anatomisch und histiologisch später entwickeln als die des Kopfes. Wir werden weiterhin nachweisen, dass die Anneliden von einer Rotatorien-ähnlichen Stammform abzuleiten sind. Es wäre daher in der Entwicklungsgeschichte der Rotatorien der Schlüssel zu dem Verständniss der Annelidengliederung zu suchen. Ich halte es bei dem jetzigen Stande der Kenntnisse noch nicht für möglich , zu entscheiden , welche von den beiden hier entwickelten Theorien der Annelidengliederung die richtige ist. Sollte es gelingen, die hervorgehobenen Schwierigkeiten zu beseitigen und das Kopfsegment und Metamer auf dieselbe Grund- oso) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 75 form zurückzuführen , so möchte die erste Theorie , die Auffas- sung des Annelidenkörpers als Thierstock, sich als berechtigt erweisen ; könnte man aber nachweisen, dass schon bei den Rota- torien ein ähnliches Folgeverhältniss der Entwicklung von Kopf und Rumpf besteht wie bei den Anneliden, dann wäre eine sicherere Begründung der zweiten Theorie gegeben. Die Segmentirung bei anderen Ordnungen des Wurm typ us. Viele Rotatorien zeigen eine Gliederung des Körpers in eine Anzahl hintereinanderliegender Abschnitte. Es wurde schon oft- mals, von verschiedenen Forschern, diese Gliederung als Vorläufer der Segmentirung der Anneliden angesehen. Viel ausgesprochener als bei den Rotatorien zeigt sich diese Gliederung bei der, früher meist zu den Nematoden gerechneten, von Bütschli aber mit Recht in die Nähe der Gastrotrichen gestellten, merkwürdigen Gattung Echinoderes. Die Gliederung ist bei Echinoderes , wie bei den Rotatorien, nur durch Einschnürungen des Integuments und diesen entspre- chende Gruppirung der Muskeln ausgeprägt. Die durch diese Einschnürungen abgegrenzten Abschnitte des Integuments zeigen namentlich bei Echinoderes ein Verhalten , welches sehr an die Segmentirung der Anneliden erinnert. Der vorderste Abschnitt, welcher die Mundöffnung trägt (Kopfsegment), weicht in seinem Baue von den nachfolgenden , eine Reihe gleicbgestalteter Seg- mente (Metameren) bildenden Abschnitten ab, und zuletzt folgt wieder ein abweichendes Endsegment. Eine Wiederholung der inneren Organe, und namentlich der Ge- schlechtsorgane, welche für das Wesen der Annelidensegmentirung charakteristisch ist, findet sich aber weder bei Echinoderes noch bei den Rotatorien. Ich schliesse mich deshalb der Ansicht Bütschli's vollkommen an, der die Gliederung der Rotatorien und des Echinoderes für typisch verschieden von der Segmentirung der Anneliden hält. x) Die Gliederung ist bei den Rotatorien und Echinoderes nur eine äussere; sie ist auf eine durch Anpassung an die Bewegung entstandene Differenzirung zurückzuführen. Dasselbe , was über die Gliederung des Echinoderes gesagt ') Bütschli, Untersuchungen üher freilebende Nematoden und die Gattung Chaetonotus. Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XXVI. 1876. (351) 76 Dr. B. Hatscliek: wurde, lässt sich auf die Segmentirung der sonderbaren Nemäto- denformen Desmoscolex und Trichoderma anwenden. Ganz anders gestalten sich aber die Verhältnisse bei den in ihrer Gliederung oft mit den Anneliden verglichenen Cestoden. Hier wiederholen sich in den einzelnen Gliedern die Organe und namentlich die Geschlechtsorgane mit vollkommener Regelmässig- keit. — Die Bildung der Metameren geht bei den Cestoden (wie bei den Anneliden) von einem undifferenzirten Körpertheile aus, wie dies für die Knospung charakteristisch ist. — Es reihen sich daher die Metameren in regelmässiger Altersfolge von dem Knospungspunkte aus aneinander. Es wird auch bei den Cestoden die Frage gestellt werden, ob die Metameren den Werth eines Individuums oder blos eines durch Knospung sich wiederholenden Körpertheils besitzen? Bei Berücksichtigung der ungegliederten Formen Ligula und Caryopkyllaeus möchte die letztere Ansicht wahrscheinlicher sein. Während bei den Anneliden die Bildung der neuen Meta- meren am Hinterende vor sich geht, erfolgt dieselbe bei den Cestoden an jenem Körperende , welches bisher stets als Vor- derende aufgefasst wird. Es ergibt sich also eine fundamental verschiedene Anordnung der Metameren. Aber auch abgesehen von diesem Unterschiede könnte man die Metamerenbildung der Cestoden und Anneliden keineswegs als homolog im strengen Sinne der Hornophylie gelten lassen, da bei der grossen Verschiedenheit in der Organisation an eine Ab- leitung der Anneliden und Cestoden von einer gemeinschaftlichen gegliederten Stammform nicht gedacht werden kann. Die Metamerenbildung ist vielmehr in beiden Ordnungen selbststiindig erworben. Auch bei den Nemertinen scheint ein metamerischer Körper- bau vorzuliegen, denn es ist eine Wiederholung der Geschlechts- organe und ein gleichmässiger Bau der entsprechenden Körper- abschnitte nachgewiesen. J) Wir können , wie bei den Anneliden, ein abweichendes Kopfsegment , in welchem keine Geschlechts- organe sich finden, den Metameren des Rumpfes , die in der Wie- ') Vergl. von neueren Publicationen : Hub recht, Untersuchungen über Nemertinen ans dem Golf von Neapel, niederländ. Archiv f. Zool. Bd. II. Heft 3. Ferner Barrois, Memoire sur l'enibryologie des Neinertes , Paris 1877. Auch hat Semper (I.e.) mehrfach den metamerischen Bau der Nemertinen mit Entschieden- heit betont. (352) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 77 (lerholung der Geschlechtsorgane ihren Ausdruck finden, gegen- überstellen. Der metamerische Bau ist hier ebensowenig, wie bei den niedrigsten Anneliden (Polygordius) , in der äusseren Körper- form ausgeprägt. Ueber die Entwicklung der Metameren bei den Nemertinen besitzen wir noch keine ausreichende Kenntniss. Doch ist es wahrscheinlich, dass die Bildung derselben von dem undifferenzirten Hinterende des Körpers ausgeht und zu derselben regelmässigen Altersfolge, vom hintersten jüngsten bis zum vordersten ältesten Metamer, führt, wie bei den Anneliden. Wenn diese Vermnthung sich bestätigen sollte, dann würde der metamerische Bau der Xemertinen in seinem Wesen als vollkommen übereinstimmend mit dem der Anneliden anzusehen sein. Doch auch hier könnte der übereinstimmende metamerische Bau allein nicht als beweisend für die Verwandtschaft zweier Gruppen betrachtet werden. Wir werden auf die Frage des Verwandtschaftsverhältnisses der Anneliden und Nemertinen weiterhin zurückkommen. Die Segmentirung der Arthropoden. Bei den Arthropoden ist die Segmentirung durch die weit- gehende Differenzirung des Gesammtorganismus grossen Verände- rungen unterworfen. In weitaus den meisten Gruppen ist aber schon äusserlich eine auffallende Heteronomie der Segmente bemerkbar. Es ist eine Theilung der Arbeit eingetreten , so dass die Segmente in den verschiedenen Regionen des Körpers verschiedene Functionen über- nommen haben. Bei den ursprünglichsten Arthropoden , den Phyllopoden, ist die (äusserliche i Homonomie der Segmente noch am wenigsten gestört. Auch die Entwicklungsgeschichte beweist, dass die Segmente (des Rumpfes) ursprünglich von homonomer Bedeutung sind. Die Erscheinungen , die wir bei der Entwicklung der Gliede- rung der Arthropoden beobachten , lassen sich auf jene Verhält- nisse zurückführen, die wir bei den Anneliden kennen gelernt haDen. — Wir unterscheiden am Embryo oder der Larve der Arthropoden ein Kopfsegment (s. str.), eine Anzahl ursprünglich gleichwerthiger Rumpfsegmente, in regelmässiger Altersfolge vom vordersten ältesten bis zum hintersten jüngsten, und einen un- (353) 78 Dr. B. Hatschek: differenzirten Endabschnitt, von welchem aus die Bildung neuer Rumpfsegniente vor sich geht. x) Die Arthropoden sind, wie weiterhin bei Berücksichtigung der anderen Organisationsverhältnisse erörtert werden soll , ihrer Abstammung nach von den Anneliden abzuleiten. — In ihrer Segmentirung zeigen sich Verhältnisse, welche demgemäss von jenen der Anneliden ableitbar, aber jedenfalls viel weiter differenzirt und von dem ursprünglichen Typus (Polygordius) viel weiter entfernt sind. Die Gliederung , die bei den ursprünglichsten Anneliden (Polygordius) in der äusseren Körperform noch nicht zur Aus- prägung gekommen ist, macht sich bei den Polychaeten sowohl durch segmentale Einschnürungen des Integuments , als auch durch die weit differenzirten segmentalen Körperanhänge be- merkbar; bei den Crustaceen, bei welchen die Extremitäten eine noch viel bedeutendere Rolle spielen, ist die Differenzirung in dieser Richtung noch viel weiter gediehen. Der ursprünglich aus continuirlichen Längsmuskelfeldern zusammengesetzte Haut- muskelschlauch ist, im Zusammenhange mit dieser Differenzirung, in einzelne kürzere Muskelbündel zerfallen , welche die Extremi- täten und die Segmente des Integuments bewegen. Die Heteronomie in der äusseren Gestaltung der Segmente ist schon bei den ursprünglichsten der bekannten Crustaceen, den Phyl- lopoden, in der Umgestaltung der vordersten Rumpfsegmente und ihrer Extremitäten aufgetreten. Die Umbildung der vorderen Rumpf- segmente ist aber bei den anderen Gruppen der Crustaceen und bei den Tracheaten noch viel weiter vorgeschritten und es treten diese Rumpfsegmente mit dem Kopfsegmente (s. str.) in nähere Be- ziehung. Viel früher aber als die äusserliche Heteronomie muss die innere Heteronomie der Segmente aufgetreten sein; sie zeigt sich nicht nur in der Ausbildung des Darmcanales, auch jene Wieder- holung der Geschlechtsorgane, die ursprünglich für die Segmen- tirung charakteristisch war , ist bei den Arthropoden nirgends mehr zu beobachten. Wie bei den Oligochaeten unter den Anne- liden, so sind auch bei den Arthropoden die Geschlechtsorgane auf eine engere Region des Körpers beschränkt , es fungiren nicht mehr alle Rumpfsegmente als Geschlechtssegmente. ') Die Altersfolge der Metameren bei den Crustaceen ist schon vor Jahren zuerst für die Copepoden, später für die Phyllopo den, neuerdings auch, älteren Angaben von Fritz Müller gegenüber, für die Malacostraken, von Claus als übereinstimmend mit den Verhältnissen der Ajineliden dargethan. i. : J54) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 79 Die Segmentirung, deren wesentliche Bedeutung ursprünglich in der Wiederholung der Geschlechtsorgane lag, hat bei der weiteren Differenzirung in der vollkommeneren Bewegungsleistung des segmentirten Körpers ihre Verwerthung gefunden , wobei der Fortpflanzungsapparat auf eine beschränkte Region des Körpers concentrirt wurde. Die Segmentirung der Wir b eltliiere. Die Gliederung des Wirbelthierembryo zeigt dieselben cha- rakteristischen Verhältnisse , welche wir bei den Anneliden kennen gelernt haben. Wir unterscheiden einen Kopfabschnitt, eine Reihe von Metameren, von welchen das vorderste das älteste, das hinterste das jüngste ist, und einen undifferenzirten End- abschnitt, von welchem die Bildung neuer Metameren ausgeht. Allerdings ist mehrfach behauptet worden , dass auch vor dem ältesten Metamer neue Metameren entstehen. Doch sind diese Angaben noch nicht sicher bewiesen, und sie können mit Recht in Zweifel gezogen werden , da , wie bei dem Annelidenembryo, das Fortschreiten des Differenzirungsprocesses am Embryo von vorne nach rückwärts so klar vorliegt. *) Die Uebereinstimmung des metamerischen Baues der Wirbel- thiere mit dem der Anneliden ist auch darin ausgeprägt , dass die Segmentirung zuerst als eine innere auftritt. Die Genitalplatte, die sich durch alle Rumpfsegmente erstreckt, kann als gleich- werthig den segmentalen Geschlechtsorganen der Anneliden ange- sehen werden. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung tritt stets eine heteronome Ausbildung der Metameren auf, die mit dem Grade der Differenzirung der verschiedenen Wirbelthierclassen gleichen Schritt hält. Die Entwicklung des Kopfabschnittes, der bei seiner wei- teren Ausbildung eine Wiederholung von Organen (Nervensystem) zeigt, lässt es wahrscheinlich erscheinen, dass hier eine Anzahl von Metameren mit dem Kopfsegment in nähere Beziehung ge- treten und so innig mit demselben verschmolzen sind, dass selbst in der Entwicklungsgeschichte die Abgrenzung ihrer Urwirbel !) Wenn auch die vordere Grenze des vordersten Urwirbels später entsteht, nachdem schon einige nachfolgende Urwirbel gebildet sind (Kölliker und andere Aut.), so muss dies nicht notwendiger Weise zu der Deutung führen, dass der vorderste Urwirbel jünger wäre, als die unmittelbar nachfolgenden, sondern Hesse sich vielleicht auch anderweitig erklären. (355) 80 Dr. B. Hatschek: verwischt wurde , und dass die Segmentirung erst in der Aus- bildung des Nervensystems wieder hervortritt. Oder sollte der Kopfabschnitt von einem einfachen unge- gliederten Kopfsegment abgeleitet werden können? Dies würde gar sehr sowohl mit der älteren G-öthe- Oken'scken, als auch mit der neueren Gegenb au rschen Schä- deltheorie im Widerspruche stehen, die freilich beide die Ent- wicklungsgeschichte nicht berücksichtigt haben. III. Capitel. Trochophora. Wir haben die Bedeutung der Loven 'sehen Larve für die Ontogenie der Anneliden schon hervorgehoben. Doch die Bedeu- tung dieser Form reicht noch weit über die Classe der Anneliden hin- aus. Durch die Beziehungen zu den verschiedensten Thierclassen und zu deren Larvenformen erweist sich der Loven'sche Typus als eine viralte Form , die nicht nur von ontogenetischer, sondern auch von phylogenetischer Bedeutung ist. In der Loven'schen Larve ist, wie wir darlegen werden, eine uralte Stammform, von welcher eine grosse Reihe von Thier- classen abzuleiten ist, in annähernder Reinheit wiederholt. Wir wollen zunächst das Stadium , welchem wir unsere Betrachtung widmen wollen , näher präcisiren. Es ist dies das jüngste Larvenstadium , welches wir von Polygordius beschrieben haben, die ungegliederte Larve. Wir wollen dieses Stadium, welches in der Ausbildung seiner mannigfachen Organe und in der Anordnung derselben einen wohl charakterisirten Typus bildet, als Trochophorastadium oder kurz als Trochophora bezeichnen.1) Diese Form ist wohl vollkommen rein nur bei den Anneliden- larven erhalten. Auf dieselbe Grundform lässt sich aber sogar eine noch jetzt lebende Thierclasse zurückführen , deren Bau in den wesentlichsten Zügen mit der Trochophora übereinstimmt. Es ist dies die Classe der Rotatorien. Diese Uebereinstimmung einer entwickelten Thierform mit dem Larvenstadium einer anderen Classe — eine für die Entwick- lungstheorie bedeutungsvolle Erscheinung — geht hier so weit, dass r) Ray - Lankester bezeichnete diese Form als Trochosphaera, welche Benennung auch Semper angenommen hat. Da aber S e m p e r schon früher eine Rotatoriengattung — die mit dieser Larvenform durchaus nicht identisch ist, sondern vielfache weitere und besondere Differenzirungen zeigt — Trochosphaera genannt hatte, so möchte ich einen anderen Namen, Trochophora, für die Larve wählen. (356) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 81 man die Trochophora der Anneliden, wenn sie auf dieser Entwick- lungsstufe geschl echtsreif würde , der Classe der Rotatorien ein- ordnen müsste. Mit gleicher Sicherheit sind die Larven der Mollusken und zwar der Bivalven, Gastropoden und Pteropoden auf die Trocho- phora zurückzuführen. x) Auch zu anderen Thierc lassen steht die Trochophora in mehr oder weniger klaren Beziehungen. "Wir wollen uns zunächst zur Vergleichung der Trochophora- form in den drei Gruppen der Anneliden, Rotatorien und Mollus- ken wenden, wobei die Morphologie dieser Form einer eingehenden Erörterung unterzogen werden soll. Wir werden in dieser Auseinandersetzung die einzelnen Organ- systeme in Bezug auf ihren charakteristischen Bau und ihre typische Lagerung behandeln. A. Der Apparat der oralen "Wimperkränze. Den Apparat der oralen Wimperkränze finden wir in seiner ursprünglichsten Form bei der Polygordiuslarve und vielen anderen Annelidenlarven erhalten. Ich will hier nochmals die wesentlich- sten Punkte in Betreff des Baues, der Function und der Entwick- lung dieses Apparates hervorheben. Der Apparat der oralen Wimperkränze besteht in seiner ursprünglichsten, bei der Polygordiuslarve erhaltenen Form aus folgenden Theilen: 1. Einem präoralen, doppelreihigen Wimperkranz, welcher dicht vor der Mundöffnung gelegen ist, und das vordere Körper- ende (Scheitelfeld) umsäumt. 2. Einem einreihigen , postoralen Wimperkranz , der dicht hinter der Mundöffnung gelegen ist. 3. Einer Wimperrinne, die zwischen beiden Wimperkränzen verläuft und sich direct in die wimpernde Mundöffnung fortsetzt. Der vordere Wimperkranz dient namentlich der Bewegung während der postorale Wimperkranz und die Wimperrinne zur Nahrungsaufnahme in näherer Beziehung stehen. In Betreff der Entwicklung dieses Apparates ist zu bemer- ken , dass derselbe nicht sogleich als kreisförmig geschlossener J) Huxley war der erste, der diese für die Verwandtschaftsbeziehungen der Bilaterien überaus wichtige Vergleichung aufgestellt hat; ilim haben sich Gegen- baur, Ray - Lankester , Bütschli, Semper u. a. angeschlossen. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 25 1 3Ö7 > o2 Dr. B. HatscLek: Wimperapparat auftritt, sondern zuerst an der Bauchseite auf- tritt und von da aus in seiner Entwicklung gegen den Rücken fortschreitet . um schliesslich erst , am Kücken verwachsend , zur kreisförmig geschlossenen Ausbildung zu gelangen. In ganz ähnlicher Ausbildung wie bei Polygordius findet sich der orale Wimperapparat bei vielen anderen Annelidenlarven, so bei Echiurus und bei vielen Polychaeten (Nephtys). Bei Mitraria, bei Sabella- und Nereidenlarven konnte ich beobachten , dass der präorale Wimperkranz von zwei Zellreihen gebildet wird. Unter den Oligochaeten findet sich nur bei den Embryonen von Criodrilus der orale Wimperapparat vor. Doch ist er hier so reducirt, dass nur die adorale Wimperrinne übrig geblieben ist; die präoralen und postoralen Geisseireihen sind rückgebildet. Die Homologie des Apparates von Criodrilus mit dem Wimperapparate der Trochophora ist durch die Entwicklung bewiesen. Die secun- däre Verwachsung des Apparates in der Rückenlinie ist bei Criodrilus , wo die Umwachsung durch die Aufblähung des Em- bryo verlangsamt ist, sehr leicht zu beobachten. In derselben typischen Ausbildung, in welcher er den Anne- lidenlarven zukommt, findet sich der Wimperapparat auch bei den Rotatorien. Der präorale Wimperkranz , welcher das Scheitelfeld um- säumt und dicht vor der ventral gelegenen Mundöffnung hinzieht, ist lange schon als das für die Rotiferen charakteristi sehe Räder- organ bekannt. Dieses Räderorgan erfährt in den verschiedenen Gruppen der Rotatorien die mannigfachsten Differenzirungen und Umänderungen. Alle diese Modificationen Find aber auf die Grundform des präoralen Wimperkranzes zurückzuführen. Ausser dem präoralen Wimperkranz besitzen aber die meisten Rotiferen auch , gerade so wie die Trochophora der Anneliden, einen viel zarteren posturalen Wimperkranz und eine zwischen den beiden Wimperkränzen gelegene adorale Flimmerrinne. Schon im Jahre 1771 hat der Pastor Johann Conrad Eich- horn J) bei Lacinularia jenen zarten postoralen Wimperkranz abgebildet, Auch J. C. Seh äff er scheint schon (1755) 2) diesen Wimperkranz bei Melicerta ringens gesehen zu haben. — Der zweite Wimperkranz wurde viel später erst wieder genauer be- *) Beiträge zur Naturgesch. d. kleinsten Wassertkiere, Berlin u. Stettin 1671. 2) J. C. Schaff er, Die Blunienpolypen des süssen Wassers, Regensburg 1755, Tab. I, Fig. 3. (358) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 83 schrieben und zwar von Huxl ey (1852) x) und Leydig (1851) 2) bei Lacinularia, von Williamson bei Melicerta 3), Leydig bei Pterodina nnd Hydatina. 4) hey&ig, der eine genaue Beschrei- bung des Flimmerapparates gibt , beschreibt auch die Flimmer- rinne bei Lacinularia. Auch Schmarda5) hat einen doppelten Flimin erreif bei Diplotrocha beschrieben. Cl aparede6) wies nach, dass der zweite Wimperkranz typisch für die Rotatorien sei, da derselbe in den verschiedensten Rotatoriengruppen sowohl bei Schizotrochen , als bei Zygotrochen vorkommt. Claparede war auch der erste, der die physiologische Bedeutung des zweiten Wimperkranzes und der Flimmerrinne her- vorgehoben hat. Während der präorale Wimperkranz , wenigstens bei den nicht festsitzenden Rotatorien , vornehmlich zur Locomotion des Thieres dient, besorgt der postorale Wimperkranz und die Flimmer- rinne die Zuleitung der Nahrungstheilchen in die Mundöffnung. Auch bei der interessanten , von Semper beschriebenen Trochosphaera aequatorialis 7) findet sich ein rudimentärer post- oraler Wimperkranz. Weitere interessante Beiträge zur Kenntniss des Wimper- apparates der Rotatorien verdanken wir Grenadier. 8) Besonders schön ist die doppelte Function der Wimperkränze nach Gre- nadier bei Microdon clavus ausgeprägt. Der Wimperapparat der Rotatorien zeigt demnach in seinem Baue und seiner Function die auffallendste Uebereinstimmung: mit jenem der Trochophora der Anneliden. Aber auch in der Ent- wicklung finden wir typische Uebereinstimmung. Die Differenzirung des Räderapparates schreitet (nach S a 1 e n s k y) 9) von der Mund- ') Huxley, A Contribution to the Anatomy and Physiology of the Rotifera. Quarterly Journal of Microscopical Science of the M. Society of London 1852. 2) Leydig, Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Lacinularia socialis. Zeitschr. f. Aviss. Zool. 1851. 3) William, On the Anatomy of Melicerta ringens. Quarterly Journal etc. 1853. 4) Leydig, Ueber den Bau und die systematische Stellung der Räderthiere. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VI, 1854 5) Schmarda, in d. Denkschriften der Wiener Akad. d. Wissensch. VII. Bd. ") E. Claparede, Miscellanees zoologiques. Ann. des sciences nat., Tom. VIII. 1867. 7) Semper, Trochosphaera aequatorialis. Zeitschrift f. wiss Zool. Bd. XXII. 8) Grenadier, Einige Beobachtungen über Räderthiere. Zeitschr. f. wiss. Zool. T. XIX, 1869. *) "W. Salensky, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Brachionus urceolaris. Zeitschr. f. wiss. Zool. Tom. XXII. 1872. 25 * (359) 84 Dr. B. Hätschelt: region gegen den Rücken vor. es erfolgt erst secundär die kreis- förmige Schliessung des Organes. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen dem Wimper- apparat der Rotiferen und dem der Polygordiuslarve besteht darin , dass der präorale Wimperkranz bei den Rotatorien nur von einer einfachen Geisseireihe (und auch von einer einfachen Zellreihe) gebildet wird , während er bei der Polygordiuslarve (und anderen Annelidenlarven) doppelreihig sich findet. Vielleicht wird dieses ursprünglichere Verhalten von den Rotatorien in der Ontogenie wiederholt, oder es findet sich vielleicht gar noch bei irgend einer Form erhalten. Die Homologie der Wimperapparate der Rotatorien und der Tro- chophora der Anneliden ist durch die Lage, den Bau, die Function und die Entwicklungsgeschichte dieser Organe unzweifelhaft erwiesen. Mit derselben Sicherheit lässt sich das Velum der Mollusken auf den Wimperapparat der Trochophora zurückführen. Doch ist das Velum nur eine reducirte Form des ursprünglichen Apparates. Das Velum entspricht nämlich nur dem präoralen Wimperkranze, es umsäumt das Scheitelfeld und zieht dicht vor dem Munde hin. Der präorale Wimperkranz ist sogar im Velum noch in reinerer Form erhalten, als bei den Rotatorien, denn er besteht hier, wie wenigstens für Paludina vivipara unter den Grastropoden und bei mehreren Pteropoden nachgewiesen ist, aus einer doppelten Reihe von Wimperzellen. Die typische Eigenthümlichkeit der secundären Verwachsung am Rücken ist wenigstens bei einigen Formen sicher erkannt , so z. B. bei Nassa, Natica, Fusus, Murex. *) Die secundäre Schliessung des Velums ist überhaupt bei solchen Formen am leichtesten zu beobachten, wo die Umwachsung durch Aufblähung des Embryo (in diesem Falle durch Nahrungsdotter bedingt) eine verlangsamte ist. Bei manchen Gastropoden bleibt das Velum überhaupt am Rücken offen, so z. B. bei den Süsswasserpulmonaten, wo Rabl2) und Ray-Lankester 3) das Velum ganz richtig erkannt haben. 4) *) N. Bobretzky, Studien über die embryonale Entwicklung der Gastro- poden. Archiv f. mikroskop. Anatom. XII. Bd. 1877. 2) Rabl, Ontogenie der Süsswasserpulmonaten. Jenaische Zeitschr. f. Natur- wissenschaften Bd. IX, 1875. 3) Ray-Lankester, Developpement of the Pond-snail. Quart. Journ. Mic. Sei. 1878. 4) Ihering (lieber die Entwicklungsgeschichte von Helix, Jenaische Zeitschr. f. Nat. IX. Bd. 1875), welcher die Deutung Ray-Lankester's bezweifelt, beweist, dass ihm Begriff des Velums ganz unklar ist. (360) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 85 Da der Wimperapparat bei den Molluskenlarven nur zur Locomotion dient, so ist es begreiflich, dass bei ihnen nur der präorale Wimperkranz, dem ja diese Function typisch zukommt, erhalten ist; der postorale Wimperkranz und die Flimmerrinne sind rückgebildet. Das Velum , welches bei den Bivalven , den Gastropoden, Heteropoden und Pteropoden wesentlich dieselben Verhältnisse zeigt, ist dem präoralen Wimperkranze der Annelidenlarven ho- molog zu setzen. B. Scheitelplatte. In der Mitte des vom präoralen Wimperkranze umsäumten Scheitelfeldes liegt die Scheitelplatte. Die Scheitelplatte liegt genau am vorderen Pole des Kör- pers und in einiger Entfernung von der ventral gelegenen Mund- öffnung. Ich habe die Scheitelplatte nicht nur bei der Polygor- diuslarve, sondern auch bei vielen anderen Annelidenlarven gefunden. Sie tritt stets früher auf, als alle anderen Theile des Centralnervensystems, und bildet die Anlage des oberen Schlund- ganglions. Auch bei den Oligochaeten findet sich die Scheitel- platte in derselben typischen Entwicklung. Ich konnte sie ebenso auch bei Nephelis nachweisen. 1 So wie bei den Anneliden entwickelt sich auch bei den Ro- tatorien und den Mollusken das obere Schlundganglion aus der in der Mitte des Scheit elf eldes gelegenen Scheitelplatte. Es kann auch bei letzteren kein Zweifel hierüber sein, wenn man die Ab- bildungen von Ray-Lankester und Fol mit denj enigen der Polygordiuslarve vergleicht. Bobretzky hat dagegen auf seine negativen Befunde ganz ungerechtfertigten Werth gelegt. — Die hierauf basirten phylogenetischen Schlussfolgerungen Bobr etzky's 2~i sind vollends der Beweis einer sehr oberflächlichen Anschauung. Die doppelten Augenflecken der Scheitelplatte finden sich, wie bei der Polvgordiuslarve, so auch bei den Larven der Rota- ') Ganz falsch hat Bütschli die Entstehung des oberen Schlundganglions von Nephelis beschrieben, da er dasselbe von einer Zellenwucherung am Mundrande ableitet. Die Scheitelplatte, die morphologisch das Vorderende des Embryo bildet, liegt bei Nephelis scheinbar auf dem Rücken; dies wird von der starken Ausbil" düng des zapfenförmig vorspringenden Mundwulstes bedingt; die Scheitelplatte, aus welcher das obere Schlundganglion sich entwickelt , liegt an der Basis dieses zapfenförmig vorspringenden Wulstes als eine ziemlich breite Ectodermverdickung. 2) 1. c. Die Mollusken sollen nach Bobretzky mit den anderen Bilaterien nur die Gastrula gemein haben. (361) 86 Dr. B. Hat sehe k: torien. Die Augenflecke der Rotatorien bleiben bei der Abspal- tung des oberen Sehlundganglions vom Ectoderm , meist mit dem ersteren in Zusammenhang, und wenn diese beiden halbkugelförmigen, nach aussen divergirenden Pigmentflecke, wie dies öfters vorkommt, mit einander verschmelzen , bilden sie den „x-förmigen" Augen- fleck der Rotatorien; an demselben ist aber noch die Duplicität der lichtbrechenden Körper zu constatiren. Auch die Augen der Molluskenlarven, welche an der Schei- telplatte sich entwickeln, sind wahrscheinlich den primären Augen der Trochophora homolog. Auch die Tentakeln der Mollusken scheinen mit den primären Tentakeln der Anneliden, welche am Vorderende des Körpers ent- stehen, homolog, d. h. von derselben Urform ererbt zu sein. C. Darme anal. Der Darmcanal ist sowohl bei den Annelidenlarven, als auch bei den Molluskenlarven und den Rotatorien auf dieselbe Grund- form zurückzuführen. Die Lagerung der Mundöffnung auf der Bauchseite und ihre Beziehung zum Wimperapparate sind schon oben hervor- gehoben worden. Der Darmcanal zeigt typisch drei Abschnitte: Vorderdarm, Mitteldarm und Hinterdarm. Der Vorderdarm und Hinterdarm sind vom Ectoderm aus gebildet, der Mitteldarm allein entsteht aus dem Entoderm. Der Wimperreussenapparat , der an der inneren Mündung des Vorderdarms der Polygordiuslarve beschrieben wurde, kommt auch vielen anderen Annelidenformen zu , und scheint mir über- haupt von phylogenetischer Bedeutung zu sein. Die Lage der Afteröffnung ist von besonderer morphologi- scher Wichtigkeit. Der After der Polygordiuslarve liegt hinter den Urzellen des Mesoderms, die am Hinterende der Mesodermstreifen liegen. Ich fasse die Region von der Scheitelplatte bis zu den grossen Mesodermzellen als Bauchfläche auf. Der After gehört demnach der Rückenfläche an, und es kommt vor, dass er sowohl bei An- neliden, als auch bei Mollusken und Rotatorien an der Rücken- fläche ziemlich weit nach vorne rückt. D. Leibesh öhle. Bei der Trochophoralarve der Anneliden und Mollusken und bei den Rotatorien finden wir eine geräumige Leibeshöhle, die in (362) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 87 ihrem Verhalten zu den Organen, sowie in ihrer Entwicklung bei allen diesen Formen übereinstimmt. Diese Leibeshöhle , die wir in gleicher Weise noch bei an- deren niederen Bilaterien und bei vielen Larvenformen entwickelt finden, ist zu unterscheiden von der definitiven Leibeshöhle des Rumpfes bei den Anneliden (Gephyreen) , Arthropoden, Mollusken und Wirbelthieren. Wir wollen sie , im Gegensatze zu den letz- teren Bildungen, nach dem Vorgange von Claus1) als primäre Leibeshöhle bezeichnen. Die primäre Leibeshöhle trennt , als perienterische Höhle, die zwei ineinander geschachtelten Röhren , den Darmcanal und die Leibeswand von einander; sie ist durch keinerlei Dissepimente oder Mesenterien in getrennte Höhlen abgetheilt. Der wesent- liche Charakter der primären Leibeshöhle, durch welchen sie sich von der secundären Rumpfhöhle der höheren Bilaterien unter- scheidet, wird am besten durch die Entwicklungsgeschichte klar- gelegt. Die primäre Leibeshöhle entsteht durch einfache Ab- hebung des Entoderms von den anderen zwei Keimblättern. Das Entoderm der Trochophora und der niedrigen Bilaterien steht mit dem Mesoderm in keiner Verbindung, der Mitteldarm entbehrt der Muskelschichte. Die primäre Leibeshöhle wird dem- nach von dem Entoderm einerseits und vom Ectoderm und Meso- derm andererseits begrenzt. Die Muskeln durchziehen frei die Leibeshöhle, inseriren sich aber alle am Ectoderm , theils an der Leibeswand, theils an dem vom Ectoderm gebildeten Vorder- und Hinter darin. Ganz anders als diese primäre Leibeshöhle verhält sich die secundäre Rumpfhöhle der höheren Bilaterien ; diese entsteht stets durch Spaltung des Mesoderms, sie ist stets zwischen Darmfaser- platte und Hautmuskelplatte gelegen. Sie scheint ferner stets ihrer Entwicklung nach in zwei vollkommen getrennten Hälften, einer rechten und einer linken, zu entstehen , und ist auch oft bleibend durch ein dorsales und ein ventrales Mesenterium des Darmes in zwei vollkommen getrennte Hälften geschieden. In der Entwicklungsgeschichte von Polygordius konnten wir die primäre und secundäre Leibeshöhle zu gleicher Zeit bestehen sehen. Die primäre Leibeshöhle persistirt in reducirter Form als Kopfhöhle des Polygordius (ebenso bei den anderen Anneliden und wahrscheinlich auch bei den Mollusken). ') C. Claus, die Typenlehre oder E. Hack eis sog. Gastraeatheorie. Wien 1874, pag. 17 und 18. (363) Dr. B. Hatschek Fio;. 1. Das ,:Cölom" Häckel's ist demnach, in dem von ihm auf- gestellten Umfang, kein einheitlicher Begriff, und die Eintkeilung der Bilaterien in Acoelomier und Coelomaten ist unhaltbar. E. Die Gebilde des mittleren Keimblattes. Von den Gebilden des mittleren Keimblattes sind es die Muskeln und der Excretionsapparat, die wir vorerst in Betracht ziehen und deren Bau und Lagerung bei der Trochophoraform der Anneliden, Mollusken und Kotatorien wir hier näher erörtern wollen. Wir werden auch bei diesen Gebilden typische Ueberein- stimmung in allen drei Gruppen finden. Wir unterscheiden, ausser den Muskelfasern die am Vorder- und Hinterdarm und am Velum sich inseriren, Längsmuskelzüge, welche zur Bewegung oder Gestaltveränderung des Körpers im Allgemeinen dienen. Diese Längsmuskelzüge lassen sich stets in dorsale und ventrale Längsmuskeln eintheilen ; zwischen beiden, in der Seitenlinie , verläuft der Excretionscanal , der ursprüng- lichste Theil des Excretionsapparates. Das einfachste Verhalten zeigen wohl die Längsmuskelzüge der Trochophora von Polygordius, der dor- sale und ventrale Mus- kel ist da von einer einzigen Zelle gebildet. — Nebenstehend ist ein schematischer Quer- schnitt der Trochophora von Polygordius dargestellt. Die Verhältnisse der Potatorien lassen sich auf dieselbe Grund- form zurückführen , wie aus dem anderen Schema ersichtlich ist. Wir wollen hier noch näher auf die Vergleichung des Niereu- apparates der Trochophoraformen eingehen. Jener Apparat von verzweigten , mit Trichteröffnungen in der Leibeshöhle beginnenden Excretionscanälen , den wir bei der Polygordiuslarve kennen gelernt haben , stimmt in seinem Bau und seiner Lagerung in der Seitenlinie so auffallend mit dem der Rotatorien überein, dass an der Homologie dieser Organe kein Zweifel sein kann. Aber auch bei den Mollusken sind ganz ähnliche Organe bekannt geworden ; sie sind als Urnieren der Süsswasserpulmonaten (364) Si'heinatiseher Quer- schnitt der Trocho- phora von Poly- gordius. Schematischer Ouerschniit einer Rotatorie. Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 89 beschrieben; diese Organe zeigen mit jenen der Trochophora von Polygordius typische Uebereinstimmnng in Bau und Lage. :) Auch in ihrem histologischen Baue stimmen die Excretions- canäle wesentlich überein. Es sind stets flimmernde Canäle , die von einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Zellen gebildet sind; das Vorkommen durchbohrter Zellen scheint bei diesen Or- ganen ein allgemein verbreitetes zu sein. Eine Schwierigkeit der Vergleichung muss ich hier hervor- heben. Die Excretionscanäle münden nämlich bei der Polygordius- und Molluskenlarve ziemlich weit vorne und der Bauchseite ge- nähert nach aussen, bei den Rotatorien erstrecken sich dieselben bis nach hinten und münden in der den Endabschnitt des Darm- canals bildenden Ectodermcloake. — Wie ist nun dieser Unter- schied zu erklären? Es kommen hier verschiedene Fragen in Be- tracht, — Ist etwa nur der Kopfabschnitt der Trochophoralarve einer Rotatorie zu vergleichen , der Rumpfabschnitt aber als Knospenanlage aufzufassen? Dies führt auf die oben auseinander- gesetzte Theorie der Knospung und Individualität des Metamers zurück. Die Entscheidung hängt mit der Entscheidung dieser Theorien zusammen. Oder ist etwa durch die Cloakenbildung der Rotatorien eine so ausgedehnte Ectodermregion (die früher der Oberfläche ange- hörte) mit einbezogen, dass auch die Mündungsstellen der Excre- tionsorgane mit betroffen wurden? Oder ist endlich bei den Rotatorien zu dem ursprünglichen Excretionsapparate, der Kopfniere, eine secundäre Rumpfniere hin- zugekommen und die Ausmündung in der Cloake eine secundär entstandene ? Alle diese Fragen werden wohl durch die Untersuchung der Rotatorienentwicklung ihre Erledigung finden können. Die Homologie des Excretionsapparates der Rotatorien mit jenem der Trochophora der Anneliden und der Mollusken kann bei der sonstigen grossen Uebereinstimmung in Bau und Lage- rung dieser Organe schon jetzt als gesichert angesehen werden. Die Anordnung der Längsmuskeln des Körpers in dorsale und ventrale Züge, zwischen welchen beiden die Excretionscanäle in der Seitenlinie gelegen sind, repräsentirt ein sehr ursprüng- liches Verhalten, welches sich bei allen Bilaterien in mehr oder ') Fol, Sur le developpement des gasteropod. pulm., und Bütschli, Ent- wicklungsgeschichtliche Beiträge etc. (1. c). (365) 90 Dr. B. Hatschek: minder modificirter Form erhalten findet. Auch die Verhältnisse im Rumpfe der Anneliden (und Wirbelthiere) bilden sich im An- schluss an diese primären Verhältnisse der Trochophora aus, sie sind trotz der viel höheren Ausbildungsstufe auf dieselbe typische Anordnung zurückzuführen. Bei Erörterung der Mesodermgebilde müssen wir auch auf die Geschlechtsorgane Rücksicht nehmen. Die Ableitung der Geschlechtsproducte vom Mesoderm wird wohl für alle. Bilaterien giltig sein. Ich glaube diese Ansicht wenigstens durch meine Beobachtungen an Pedicellina und Poly- gordius weiter gestüzt zu haben und ich habe es auch versucht, durch die Histiogenese diese Ansicht theoretisch zu begründen. Die specielle Vergleichung der Geschlechtsorgane bei den ver- schiedenen Trochophoraformen bietet aber die grössten Schwierig- keiten, da nur die Rotatorien auf einer annähernd niedrigen Ent- wicklungsstufe verharren , die Trochophora der Anneliden und Mollusken aber nur eine vorübergehende Larvenform ist. Es müssen zwar auch in der Larve Theile existiren, die den Geschlechtsorganen der Rotatorien entsprechen; ich will nur auf die Mesodermstreifen hindeuten. Ein näheres Eingehen auf diese höchst schwierigen Fragen würde aber bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse zu allzu hypothetischen Betrachtungen führen. - - Ich will nur hervorheben, dass die Geschlechtsdrüsen jedenfalls ur- sprünglich symmetrisch, in doppelter Zahl vorhanden waren; bei den Rotatorien ist durch einseitige Rückbildung nur eine einfache Geschlechtsdrüse zur Ausbildung gekommen. Folgende Thatsache wird vielleicht späterhin als Grundlage einer theoretischen Vergleichung dienen können. Bei den Rotatorien (und auch bei anderen Formen mit pri- märer Leibeshöhle) finden sich geschlossene Geschlechtsdrüsen, in deren Höhlung die Geschlechtsproducte fallen. Bei den Anneliden, wo unter Rückbildung der primären Leibeshöhle der Trochophora eine secundäre Leibeshöhle im Mesoderm entsteht, bilden sich die Geschlechtsproducte unmittelbar an der Wandung dieser Leibes- höhle und gelangen bei ihrer Reife direct in dieselbe. Die secun- däre Leibeshöhle verhält sich wie die Höhle der Geschlechtsdrüse der niedrigeren Formen. F. Entwicklungsgeschichte der Trochophora. Die Annelidenlarve, Molluskenlarve und Rotatorie Hessen sich auf eine gemeinschaftliche Grundform , die Trochophora, (366) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 91 zurückführen. Es ist dies durch die Abstammung dieser drei Gruppen von einer gemeinschaftlichen Urform zu erklären; wir wollen diese phylogenetische Stammform als Trochozoon be- zeichnen. Wir werden erwarten, dass die Entwicklungsgeschichte der Rotatorien, Mollusken und Anneliden bis zu dem Stadium der Trochophora in den wesentlichen Punkten eine grosse Uebereinstimmung zeigen müsse, wenn auch für jede Gruppe be- sondere charakteristische Bildungen auftreten. Wir wollen hier die wesentlichsten Punkte aufzählen , welche wir für allgemeine Eigenthümlichkeiten der Trochophora-Entwicklung halten müssen ; inwieweit die weitere Entwicklung in den drei Gruppen aus- einandergeht und zu verschiedenen Endformen führt, wollen wir späterhin auseinandersetzen. Die polare DifFerenzirung der Eizelle , der Furchungsstadien, und der Blastula halte ich für eine gemeinsame Eigentümlich- keit aller Metazoen. Bei den Bilaterien wird die Blastula einen bilateral sym- metrischen Bau zeigen. Nachdem die Einstülpung der vegetativen Hälfte der Bla- stula in die animale erfolgt ist, tritt die Schliessung des Gastrula- mundes ein. Die Schliessung des Gastrula-Mundes erfolgt , wie ich ver- muthe , bei allen Bilaterien durch Verwachsen der Mundränder längs der Medianlinie, bei den Rotatorien und Mollusken wird wie bei den Anneliden der Schliessungsspalt, Gastrularaphe, der späteren Bauchseite entsprechen. An dem hinteren Rande des Gastrulamundes liegen zwei Zellen, in der Medianebene einander berührend, die eine nähere Verwandtschaft zum Entoderm als zum Ectoderm zeigen ; es sind dies die Urzellen des Mesoderms, die bei der Schliessung des Gastrulamundes durch Umwachsung zwischen die beiden anderen Keimblätter gelangen. Das Vorderende des Gastrulaspaltes entspricht genau der Stelle, wo der seeundäre Mund entsteht. - Die Gastrularaphe entspricht demnach der Linie, welche zwischen dem seeundären Munde und den am Hinterende des Bauches , dicht vor dem After, gelegenen Urzellen des Mesoderms gezogen wird. Der Vorder darm entsteht durch Einstülpung vom Ectoderm aus ; etwas später bildet sich der Hinterdarm ebenfalls vom Ectoderm. (367) 92 Dr. B. Hatschek: ii Die Urzellen des Mesoderms liefern durch Vermehrung zwei Mesodermstreif'en, welche in den Seiten des Körpers , etwas der Bauchseite genähert, und stets dicht am Ectoderm gelegen sind. x) Sie erstrecken sich bis in das Vorderende des Körpers und sind am Binterende durch die zwei grossen Urzellen des Mesoderms abgeschlossen, die noch ihre ursprüngliche Lage beibehalten haben. Da diese Bildung schon sehr frühzeitig auftritt , so werden wir erwarten, diese charakteristisch gebauten Mesodermstreifen , wie sie der Trochophora der Anneliden zukommen, auch bei der Ent- wicklung der anderen Trochophoraformen zu finden. Die Mesodermstreifen beginnen sich von vorne angefangen zu differenziren und liefern die Muskeln des Oesophagus, die ventra- len und dorsalen Längsmuskeln und den in der Seitenlinie gele- genen Excretionscanal. Durch Abhebung des Entoderms von den anderen zwei Blättern entsteht die primäre Leibeshöhle. Die Uebereinstimmung in der Entwicklungsweise des Appa- rates der oralen Wimperkränze haben wir schon hervorgehoben. Die Scheitelplatte, der ursprünglichste Theil des Central- nervensvstems aller Bilaterien (mit Ausnahme der Echinodermen), entsteht als eine Ectodermverdickung , welche genau am Vorder- ende des Körpers , bei der Trochophora in der Mitte des vom Flimmerapparate abgegrenzten Scheitelfeldes liegt. Die Organisation der Trochophora von Polygordius wirft ein Licht auf die phylogenetische Entstehung der Scheitelplatte. Die Ectodermzellen der vorderen Körperhälfte sind durch ein reich verästeltes Nervennetz in Beziehung zu einander gesetzt. Diese Nervenverästelungen streben aber einer besonders ausge- zeichneten centralen Ectodermpartie zu. Wodurch ist diese Ecto- dermpartie, die Scheitelplatte nämlich, vor den anderen Ectoderm- regionen ausgezeichnet? ■ — Die Scheitelplatte , welche das Vorder- ende des Körpers einnimmt, trägt die Sinnesorgane der Larve. — Die Scheitelplatte ist von einer Anhäufung von Ectodermzellen gebildet, welche zum Theil direct in besonders differenzirte Sinnes- organe umgewandelt sind, zum Theil aber eine sensitive Platte bilden, die zu jenen Sinnesorganen unzweifelhaft in physiologischer Beziehung steht. Die Scheitelplatte ist demnach als eine Sinnes- *) Eabl, der zuerst auf die Wichtigkeit der Urzellen des Mesoderms hin- wies ^Üntogenie der Malermiisckel), stellte auch ein ursprünglich aus zwei streifen- förmigen Anlagen bestehendes Mesoderm, als charakteristisch für alle Bilaterien auf. (3fi8) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 93 platte aufzufassen, in welcher die Sinnesfähigkeiten des Ectoderms besonders centralisirt sind. Wie werden wir uns die phylogenetische Entstehung dieser Sinnesplatte vorstellen ? — Durch Theilung der Arbeit ist zuerst eine bestimmte Ectodermstelle zu höherer Sinnesthätigkeit gelangt als die anderen Theile des Ectoderms. Weiterhin kam es in der phylogenetischen Entwicklung zur Ausbildung von Sinnesorganen an dieser Ectodermplatte. — Es war hiemit eine Sinnesplatte entstanden. Durch die Ausbildung einer bestimmten Ectodermstelle zu einer Sinnesplatte ist nun entweder in einem schon vorhandenen Nervennetz, das die Ectodermzellen des Körpers in wechselseitige Beziehung setzte („Beziehungsapparat"), eine Centralisirung nach jenem Punkte hin eingetreten, oder aber es ist erst von dieser Sinnesplatte aus der Apparat der peripherischen Nerven ent- standen. Jedenfalls ist aber die Entstehung des ältesten Theiles des Centralnervensystems der Bilaterien (mit Ausschluss der Echino- dermeni auf die Ausbildung einer Sinnesplatte zurückzuführen. Die Innervirung der Muskeln von der Sinnesplatte aus scheint mir erst secundär entstanden zu sein. — Die phylogene- tische Entstehung des Muskelapparates und Nervensystems durch Differenzirung von Neuromuskelzellen , wie dieselbe in der von Kleinenberg a) aufgestellten und von H ä c k e 1 energisch ver- tretenen Theorie gelehrt wird , findet in den Vorgängen der On- togenie der Bilaterien nicht die geringste Stütze. Aber auch für den engeren Kreis der Cölenteraten ist diese Theorie nicht zu- treffend , wie neuerdings von Claus2) und von Oscar und Richard Hertwig3) erörtert wurde. IV. Capitel. System der Bilaterien. Auf Basis der specielleren Erörterungen, die in den vorher- gehenden Capiteln ihren Platz gefunden , wollen wir zu einer vergleichenden Betrachtung der einzelnen Classen der Bilaterien ') Kleinenberg, Hydra. Eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Unter- suchung. Leipzig 1872. 2) Claus, Studien über Polypen und Quallen dar Adria, Denkschriften der Akad. d. Wissensch. Wien 1877; ferner Claus, Halistemma tergestinum etc., Wien 1878, Separatabdruck aus den Arbeiten des Zoolog. Instituts zu Wien. 3) Oscar Hertwig und Richard Hertwig, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen, Leipzig 1878. (369) 94 Dr. B. Hätschelt: in Bezug auf ihren Bau, ihre Entwicklung und ihre phylogeneti- schen Beziehungen übergehen. Vorerst wollen wir uns aber über die Stellung der Bilaterien zu den anderen Metazoen orientiren. Die Bilaterien zeichnen sich stets durch den Besitz dreier Keimblätter aus. Das mittlere Keimblatt derselben ist eine Bil- dung von ganz charakteristischer Bedeutung, wie zuerst Babl hervorgehoben hat, der die Entwicklung des Mesoderms der Bila- terien aus zwei bilateral angeordneten Ur-Mesodermzellen als den ursprünglichen Typus der Mesodermbildung bei den Bilaterien aufstellte. Die Mesodermgebilde der Nesselthiere (Cölenteraten) sind jenen der Bilaterien nicht homolog. Doch ist auch das Mesoderm der Spongien jenem der Nesselthiere nicht homolog, und es ist die Trennung dieser beiden, in jüngster Zeit meist vereinigten Gruppen schon aus diesem Grunde unabweislich. x) Bei den Nesselthieren (Cölenteraten) ist nicht immer eine Mesodermschichte 2) vorhanden. Die niedrigsten Cölenteraten- formen (Hydroida) sind vielmehr nur zweischichtige Thiere. — Durch DifFerenzirung vom Ectoderm aus entsteht nun (innerhalb der Classe der Cölenteraten) ein Mesodermgewebe , das theils als Muskelgewebe , theils als Stützgewebe fungirt. Gechlechts- producte entstehen bei den Cölenteraten niemals auf Kosten dieses Mesoderms. Das Mesodermgewebe der Spongien scheint stets die Ge- schlechtsproducte zu liefern. Es ist aber zweifelhaft , ob dieses Mesoderm als besondere Körperschichte oder nur als tieferes Stratum des Ectoderms aufzufassen ist. Das Mesoderm der Bilaterien ist von so charakteristischer Entwicklungsweise, dass es als eine besondere, nur dieser Gruppe zukommende Bildung zu betrachten ist. Die Bilaterien haben demnach mit den übrigen Metazoen nur das Gastrulastadium gemeinsam und gehen von der Bildung des Mesoderms an ihre besonderen Wege der Entwicklung. Ich bin zu der Ansicht gekommen, dass auch die Echino- dermen von derselben gemeinschaftlichen Urform abstammen, wie x) Neuerdings hat Bütschli dieselbe Ansicht geäussert (Beiträge zur Kenntniss der Flagellaten und einiger verwandten Organismen , Zeitschr. f. wiss. Zool. XXX. Bd.). 2) Man kann — wie H ä c k e 1 hervorgehoben hat — nur dort von einem Mesoderm reden, wo es als eine besondere Zellschichte sich gesondert hat. (370) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 95 die anderen Bilaterien , und dass sie daher, wenn sie auch allen anderen Classen der Bilaterien gegenüberzustellen sind, dennoch dieser Abtheilung der Metazoen untergeordnet werden müssen. Wir wollen, indem wir zu der specielleren Betrachtung der Bilaterien übergehen, mit der Erörterung der Eehinodermen beginnen. Eehinodermen. Die Mesodermbildung der Eehinodermen geht zwar von einer ähnlichen Stelle der Keimblase aus, wie die Sonderung der Mesoderm-Urzellen bei anderen Bilaterien, aber es ist bisher noch nicht die bilaterale Anordnung des Mesodermkeims der Eehino- dermen beobachtet. Es muss dieser Punkt noch bei künftigen Untersuchungen geprüft werden. Die weitere Entwicklung der Eehinodermen führt zu einer streng bilateral symmetrischen Larvenform, die in ihrem Baue die unzweifelhaftesten Beziehungen zu den anderen Bilaterien zeigt. Von Huxley1) wurde der Versuch gemacht, die Echinoder- menlarve und die Trochophoraform der Annelidenlarve auf dieselbe Grundform zurückzuführen. Seiner Anschauung schliesst sich Gr e g e n b a u r 2) an und neuerdings hat Ray-Lankester3) diese Theorie noch weiter ausgebaut. Auf Basis unserer jetzigen genaueren Kenntniss der Trocho- phoraform wollen wir den Vergleich der Echinodermenlarve mit derselben genauer prüfen. So wie wir für die Annelidenlarven einen ursprünglichen Typus auffinden konnten, von welchem alle abweichenden Anne- lidenlarven abzuleiten sind, so können wir auch bei den Eehino- dermen durch Vergleichung den ursprünglichsten Typus, von welchem alle anderen Larvenformen der Eehinodermen abzuleiten sind, auffinden. Ich halte die Pluteuslarve für jenen ursprünglich- sten Typus. Es wird aber für die morphologische Betrachtung zweck- mässiger sein, uns die reducirte, einfacher gebaute Auricularia vor Augen zu halten. Der Darmcanal der Echinodermenlarve stimmt mit jenem der Trochophora vollkommen überein. Er besteht aus drei Ab- theilungen: Vorderdarm, Mitteldarm und Hinterdarm. Der Vor- ') Huxley 1. c. 2) Gegenbau r , Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 3) Ray-Lankester, Notes on Embryology und Classification. Quarterl. Journ. of Micr. Scienc. 1877. (371) 96 Dr. B. Hatschek: derdarm ist, wie bei der Trochophora, vom Ectoderm aus gebildet. Die Mundöffnung liegt an der ventralen Körperseite> vom Vorder- ende des Körpers ziemlich entfernt. Der Vorderdarm ist etwas nach vorne gerichtet und scharf gegen den nach hinten verlaufenden Mittel darm abgesetzt. An diesen schliesst sich der Hinterdarm , welcher mit der nahe am hinteren Körperpole gelegenen Afteröffnung nach aussen mündet. Es ist zu vermuthen, dass auch der Hinterdarm vom Ectoderm abzuleiten sei. Der Darmcanal stimmt demnach mit dem der Trochophora auffallend überein. Andere Organe aber, deren Ausbildung für die Trochophora charakteristisch ist , fehlen der Echinodermenlarve gänzlich. Es sind dies vor Allem die Scheitelplatte und die Excretionsorgane. — Auch die Vergleichung des Apparates der oralen Wimper- kränze der Trochophora mit der rücklaufenden Wimperschnur der Echinodermenlarve scheint mir nicht stichhältig zu sein , obzwar gerade dieser Vergleich den wesentlichsten Punkt der von Hux- 1 e y aufgestellten und von Gegenbau r und Ray-Lankester vertretenen Theorie bildet. Der Flimmerapparat der Trochophora ist auf eine von zwei Geisseireihen begleitete adorale Wimperrinne zurückzuführen, die eine ganz charakteristische Lage und eine charakteristische An- ordnung der Zellen zeigt. Die Hux ley-Gegenbaur'sche Ableitung dieses Wimper- apparates von der rücklaufenden Wimperschnur ist wohl nicht direct widerlegbar, sie erscheint mir aber unwahrscheinlich. 1) Von Scheitelplatte und Excretionscanälen , welche nicht nur für die Trochophora, sondern auch für alle übrigen Bilaterien typische Organe sind, finden wir bei den Echinodermenlarven keine Spur. Es müssen deshalb die Echinodermen allen anderen Bilaterien gegenübergestellt werden. In Betreff der Mesoderm- bildung und in Bezug auf den charakteristisch gebauten Darm- canal scheint die Echinodermenlarve aber mit den niedrigen Bila- terien (Trochophoralarve) übereinzustimmen. Wir werden sie dem- nach mit den übrigen Bilaterien von einer gemeinschaftlichen ') Ich will liier hervorheben, dass die Darstellung von Claparede und Metschni ko ff (1. c), nach welcher der postorale Flimmerkranz von Neptkys allmählich an das Hinterende der Larve rücken soll , ohne Zweifel unrichtig ist (wie die Vergleichung mit der Polygordiuslarve beweist). (372) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 97 Stammform ableiten, die schon jenen charakteristischen Darm- canal besass. Die Echinodermen nahmen von jener gemeinschaftlichen Stammform ans ihre besondere Richtung , es treten in ihrer wei- teren Entwicklung ganz besondere Organe anf. Die Stammeltern der anderen Bilaterien aber sind durch die Ausbildung der Schei- telplatte und der Excretionscanäle charakterisirt. Die weitere Entwicklung der Echinodermen ist durch die vom Entoderm ausgehende Bildung des vasoperitonealen Appara- tes lind ferner durch die Umbildung der bilateralen in eine schein- bar radiäre Körperform ausgezeichnet. Wir wollen hier nicht noch weiter auf die Ausbildung der Organsysteme eingehen. Die Umbildung der Körperform aber, welche die Echinodermenlarve erfährt, müssen wir noch näher er- örtern und in ihrer phylogenetischen Bedeutung zu erklären suchen. Die Crinoideen galten schon früher, namentlich vom paläonto- logischen Standpunkte aus, für die ältesten Echinodermen. Es ist nun, nachdem neuerdings, besonders durch die schönen Untersuchungen Ludwig's, x) ihre Organisation genauer bekannt geworden ist, kaum mehr zweifelhaft, dass wir die Crinoideen und zwar die festsitzenden Formen derselben als die ältesten und ur- sprünglichsten der jetzt lebenden Echinodermen anzusehen haben. Es sind alle Echinodermen von einer crinoidenartigen , festsitzen- den Stammform abzuleiten. Die Stammeltern der Echinodermen aber haben eben durch die Festsetzung die scheinbar radiäre Ausbildung der Körperform erworben. Wir können es bei vielen bilateral symmetrisch gebauten Thie- ren beobachten, dass die Festsetzung zu einer scheinbar radiären Um- bildung der bilateralen Körperform führt, welche Umbildung vom freien Körperende ihren Ausgang nimmt. Diese Erscheinung ist leicht daraus zu erklären2), dass das festsitzende Thier, welches nach allen Seiten hin gleichen Bedin- gungen in Bezug auf die äusseren Einflüsse und das Erhaschen der Nahrung Rechnung tragen muss, die beschränkte Beweglichkeit durch allseitig gleichmässige Ausbildung äusserer Organe ersetzt. ') H. Ludwig, Beiträge zur Anatomie der Crinoideen, Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. XXVIII. und Zar Anatomie des Rhizocrinus lofotensis , Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. XXIX. 2) Vergl. Bergmann und Leuckart, Anatomisch - physiologische "Ueber- sicht des Thierreichs. Stuttgart 1852, pag. 394. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 26 <373) 98 Dr. B. Hatschek: Diese Anpassung an die durch die Festsetzung bedingte Lebensweise finden wir z. B. bei den Bryozoen , bei festsitzenden Anneliden und festsitzenden Rotatorien. Eine neuerdings von Moseley beschriebene Ascidienart, Octacnemus bythius, zeigt dieselbe Erscheinung in ausgeprägter Weise. Auch bei den fest- sitzenden Infusorien können wir Aehnliches beobachten. Wenn wir uns auch keine bestimmtere Vorstellung über jene phylogenetischen Stadien der Echinodermen machen können, welche sich an die Festsetzung angepasst und die pseudoradiäre Körper- form erworben haben, so wird doch durch die Anwendung dieser physiologisch wohlbegründeten Theorie die Ontogenie der Echino- dermen, wie wir dieselbe vor unseren Augen ablaufen sehen , in ihren allgemeinen Zügen eine Erklärung finden. Bei den Echinodermen hat die pseudoradiäre Umbildung, die wohl ursprünglich nur die peripherischen Organe betraf, schliess- lich auf die meisten Organe sich erstreckt und den gesammten Körperbau tief beeinflusst. In manchen Fällen sehen wir bei festsitzenden Thieren die Umbildung des vorderen Körperendes von der bilateralen zur pseudoradiären Form auf Kosten der einen Körperseite erfolgen, während die andere einer .Rückbildung unterliegt, also durch eine asymmetrische Entwicklung Ein gutes Beispiel hiefür bietet der Tentakelapparat von Spirographis. Vielleicht liegt bei den Echinodermen ein ähnliches Verhalten vor, denn in der Ontogenie derselben sehen wir die Umbildung der bilateralen zur pseudoradiären Form meist durch asymmetrische Entwicklung erfolgen. Ich will nochmals die Hauptpunkte dieser Erörterung über die Echinodermen hervorheben : 1. Die Echinodermen sind den Bilaterien unterzuordnen. 2. Die Verwandtschaft der Echinodermen mit den anderen Bila- terien ist auf jene gemeinschaftliche Stammform zurückzu- führen, welche die bilaterale Körperform, die charakteristische Mesodermbildung und die drei Darmabschnitte besass. In der weiteren Entwicklung zeigen die Echinodermen typische Ab- weichung von den anderen Bilaterien. 3. Die Echinodermen sind auf eine festsitzende Stammform zu- rückzuführen. 4. Die pseudoradiäre Körperform ist durch Anpassung an die durch Festsetzung bedingte Lebensweise erworben worden. Die Theorie Häckel's, welcher die Echinodermen von einer (3741 Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 99 knospenden, annelidenälinlichen Form ableiten will , wird durch die Entwicklung des vasoperitonealen Apparates widerlegt. Die Theorie von Agassiz und Metschnikoff, welche die Echinodermen auf die Ctenophoren zurückführen wollen, ver- nachlässigt die Grundform der Echinodermenlarve und ist daher ebenfalls zurückzuweisen. Trochozoon. Wir hatten bei Erörterung der Trochophora die ontogene- tische Form, auf welche sich die Annelidenlarven, Molluskenlarven und Rotatorien zurückführen lassen, von einer phylogenetischen Stammform , aus welcher sich diese Thiergruppen entwickelten, abgeleitet. Wir haben diese Stammform als Trochozoon bezeichnet. Die Rotatorien stehen in ihrer Organisation jener Stamm- form, dem Trochozoon, noch sehr nahe. Aber auch die anderen niederen ungegliederten Würmer lassen sich in ihrem Bau und ihrer Entwicklung auf wesentlich dieselbe Grundform zurück- führen. Es ist nun bei jenen Formen , die in ihrer Entwicklung den Apparat der oralen Wimperkränze nicht zeigen (Gastro trichen, Nematoden) , die Abstammung vom Trochozoon nicht mit Sicher- heit zu beweisen, wohl aber ist die nahe Verwandtschaft mit dem- selben aus der grossen Uebereinstimmung des Baues und der Lagerung der Organe zu ersehen. Man könnte jene niedrig orga- nisirten, ungegliederten Formen, die in unzweifelhaft naher Ver- wandtschaftsbeziehung zu einander stehen , als Urwürmer oder Vermes archicoelomata bezeichnen, da sie noch die primitive Leibeshöhle besitzen. Die Platoden schliessen sich in ihrer Organisation an diese niedrigsten Formen der Würmer an , wenn sie auch in mancher Beziehung complicirtere Differenzirungen zeigen. Da bei ihnen die Leibeshöhle meist rückgebildet ist, möchte ich sie als Vermes acoelomata der ersten Gruppe gegenüberstellen.1) Die Nemertinen undBryozoen, deren Verwandtschafts- beziehungen zu den anderen Classen der Bilaterien noch nicht klargelegt sind, mag man immerhin noch provisorisch der Gruppe der Vermes einreihen. Die Mollusken, deren Abstammung vom Trochozoon nicht zu bezweifeln ist , werden bei ihrem scharf ausgeprägten Cha- ') "Wir finden wohl bei vielen Platoden noch Reste der Leibeshöhle vor, doch ist eine Rückbildung der Leibeshöhle für diese Gruppe immerhin charak- teristisch. 26* (375) 100 Dr. B. Hatschek: rakter immer den Hang einer gesonderten Gruppe behaupten. Die Brachiopoden , deren Stellung zwar noch nicht gesichert ist, mögen vorläufig als Mölln skoiden eine Anhangsgruppe der Mollusken bilden. Die Anneliden müssen aus demselben Grunde, der für die Mollusken geltend gemacht wurde , von den Würmern getrennt werden und als selbstständiger Typus gelten. Wir werden weiterhin erörtern , dass die Arthropoden und die Wirbelthiere mit den Anneliden von einer gemein- schaftlichen gegliederten Urform abzuleiten seien. Es stammen daher auch diese Gruppen vom Trochozoon ab , welches also als die Stammform aller Bilaterien, mit Ausnahme der Echinodermen, zu betrachten ist. vj Rotatorien. Die Rotatorien stehen unzweifelhaft der uralten Stammform, die wir als Trochozoon bezeichneten, in ihrer Gesammtorganisation noch sehr nahe.2) Die Eigenthümlichkeiten ihrer .Körperform — die äussere Gliederung, der fussförmige Schwanzanhang , der zurückziehbare Vorderkörper — sind keine durchgreifenden Merkmale der Rota- torien, und manche Rotatoriengattungen weichen in der äusseren Körperform nicht wesentlich von den Trochozoon ab (Trochosphaera aequatorialis, Microdon clavus). In Bezug auf die innere Organisation zeigen die Rotatorien mancherlei charakteristische Bildungen, durch welche sie von der Urform, dem Trochozoon, abweichen. Das obere Schlundganglion findet sich stets vom Ectoderm gesondert im Inneren der Leibeshöhle. Im Vorderdarm hat sich ein mit einem Zahnapparat versehener Kaumagen differenzirt ; auch gewisse Anhangsdrüsen des Darmes („Speicheldrüsen") sind für die Rotatorien charakteristisch. Der Erectionsapparat mündet mit dem Hinterdarm gemeinschaftlich in eine Cloake. Die Gattung Seison zeigt vielleicht hierin noch ein ursprünglicheres Verhalten. Dieser unzweifelhaft zu den Rotatorien gehörigen Form fehlt die J) Semper (1. c.) kommt zu einem ähnlichen Schlüsse; doch gilt ihm die Trochosphaera nur als eine Keimblase , an welcher durch innere Knospung der Keimstreif entsteht. Meine Ableitung ist daher von der Semper'schen wesentlich verschieden. 2) Vergl. Huxley 1. c. , Eay-Lankester 1. c, Bütschli, Unter- suchungen über freileb. Nematoden, Semper 1. c, u. a. (376) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 101 Cloake, und die Excretionscanäle scheinen an der Bauchseite zu münden.1) Cephal o tricha. Die Gastrotrichen werden wohl am besten mit den Echino- deren, nach dem Vorschlage Bütschli's zur Classe der Cephalo- trichen vereinigt. Die Verwandtschaftsbeziehungen der Gastrotrichen sind neuer- dings mehrfach erörtert worden. In ihrem Bau ist derselbe Grund- typus ausgeprägt, wie bei den Rotatorien. Nach unseren jetzigen Kenntnissen von dem Bau der Iehthydinen müssen wir diese Gruppe für ursprünglicher und tiefer stehend halten, als die der Rotatorien, namentlich mit Rücksicht auf die niedere Ausbildungs- stufe ihrer Muskulatur. Obwohl in der Entwicklung der Iehthydinen kein Velum nachgewiesen ist, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass auch diese Gruppe und mithin die gesammten Cephalotrichen vom Trochozoon abzuleiten seien. Nematoden. Die unzweifelhaft nahe Verwandtschaft der Nematoden zu den Urwürmern oder Rotatorien ergibt sich am besten aus der Vergleichung des Kör- perquerschnittes. Wir sehen hier dieselbe An- ordnung der Muskula- tur und der Excretions- canäle.DemMitteldarm der Nematoden fehlt die Muskel schichte. Die Leibeshöhle ist dem nach als primäre Lei- beshöhle zu bezeichnen. Wir wollen nun einige Eigentümlichkeiten der Nematoden hervorheben, durch welche sie von der Urform der Würmer, dem Trochozoon, am auffallendsten abweichen. Die Flimmercilien, welche bei dem Trochozoon den Epithelien des Ectoderms und Entoderms, sowie den Zellen der Excretions- canäle zukamen, sind bei den Nematoden gänzlich rückgebildet, Fig. 2. Schematische Querschnitte. A Eines Nematoden. B Einer Rotatorie. ') Claus, Ueber die Organisation und systematische Stellung der Gattung Seison. Aus der Festschrift zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der k. k. zool.-bot. Gesellsch. in Wien, 1876. «77 ) 102 Dr. B. Hatschek: Der Mangel der Flimmerbewegung ist mit einer allgemeinen Ver- änderung der Körperform verbunden. Die Bewegung des Thieres wird durch Schlängelung des gestreckteren Körpers vermittelt, welcher mit einer weiter ausgebildeten Muskulatur und mit einer als elastische Stütze dienenden Cuticula versehen ist. Den Excre- tionscanälen fehlen mit den Flimmercilien auch die in die Leibes - höhle mündenden Flimmertrichter. Eine weitere Eigenthümlichkeit der Nematoden bildet die Lageveränderung des Mundes und des Kopfganglions. Die Mund- öffnung, die morphologisch der Bauchseite angehört, rückt secun- där an das Vorderende, während die Scheitelfläche auf den Rücken umbiegt. Ein ähnliches Verhalten finden wir beispielsweise auch bei Gephyreen (Echiurus). Mit der Lageveränderimg der Mundöffnung steht die Lage- veränderung der Scheitelplatte und des oberen Schlundganglions im Zusammenhang. Die Scheitelplatte liegt ursprünglich, wie bei den Trochophoralarven, am Vorderende des Körpers und erst secundär rückt das Kopfganglion an der Rückenfläche des Darmes weit nach rückwärts.1) "Wir kommen nun zur Frage, ob wir berechtigt sind, die Nematoden vom Trochozoon abzuleiten. Da Flimmercilien den Nematoden auch in der Entwicklungsgeschichte gänzlich fehlen, so können wir auch jene morphologisch wichtigen oralen Flimmer- kränze bei denselben nicht finden. Die allgemeine Uebereinstim- mung im Grundtypus des Körperbaues, mithin die nahe Verwandt- schaft mit dem Trochozoon, ist aber im Uebrigen nicht zu ver- kennen. Es wird daher die Ableitung der Nematoden von jener uralten , so einfach organisirten Stammform , als theoretisch be- gründet angenommen werden können. Die Echinorhynchen, deren Verwandtschaftsbeziehun- gen noch sehr unklar sind, mögen nach wie vor mit den Nematoden als Nemathelmihthen vereinigt bleiben. Vermes acoelomata (Piatode n). Die Platoden erscheinen durch die Ueberein Stimmung der Organisationsverhältnisse, namentlich der complicirten-Geschlechts- ') Ganin, Ueber die Entwicklung von Pelodera teres, in dem Protokolle der Sitzung der Sect. f. Zool. u. vergl. Anat. d. V. Versammlung russischer Natur- forscher u. Aerzte in Warschau 1876, mitgetheilt von Prof. Hoyer in d. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXVIII. Bd , III. Heft. (378) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 103 organe, in allen ihren Unterordnungen als eine wohlbegründete, natürliche Gruppe. Nur die Nemertinen, die bis in die jüngste Zeit dieser Gruppe untergeordnet wurden, möchten wir, nach dem Vorgänge Semper's aus dieser Gruppe ausscheiden. Es sind wohl vielfach Uebergänge zwischen Rhabdocölen und Nemertinen hervorgehoben worden *), doch bleibt die Verwandtschaft immer noch sehr zweifelhaft. Als die ursprünglichsten Formen unter den Platoden sind die Turbellarien und unter diesen wieder die Rhabdocölen zu be- trachten. Wir können, wenn wir die Verwandtschaftsverhältnisse der Platoden zu den anderen ßilaterien erörtern, uns an die Rhab- docölen als Stammgruppe der Platoden halten. Der Bau und die Lagerung der Organe lässt sich trotz mannigfacher charakteristischer Differenzirungen auf denselben Grundtypus zurückführen, den wir bei den Archicölomaten (Rota- torien und Nematoden) vorfanden. Wir finden wieder das charak- teristische Kopfganglion, die ventral gelegene Mundöffnung, die typische Lagerung der Excretionscanäle vor. Die bedeutendste Abweichung von dem Urtypus der Würmer besteht in dem Mangel der Leibeshöhle. Wir werden in Anbetracht dessen, dass un- zweifelhaft tiefer stehende Formen eine wohl ausgebildete Leibes- höhle besitzen, und dass dieselbe bei den Larven (Trochophora) sehr frühzeitig auftritt, diesen Mangel als secundär , und durch die weitere Ausbildung der Mesodermgebilde bedingt, auffassen. Von demselben Gesichtspunkte müssen wir den Mangel der After- öffnung, welche selbst den Ichthydinen und den Echinodermen- larven zukömmt, als Rückbildung betrachten. Durch den Mangel der Leibeshöhle ist die für die Platoden charakteristische Umbildung des Excretionsapparates, Mangel der Flimmertrichter 2) und reiche Verästelung der Excretionscanäle, bedingt. In der Lagerung der Hauptstämme schliesst sich der Apparat an die ursprünglichen Verhältnisse der Urwürmer an. Die complicirt gebauten Geschlechtsorgane sind als charak- teristisch für die ganze Classe der Platoden anzusehen. Die Rhabdocölen lassen sich demnach in den Grundzügen ihres Baues auf die Urform des Trochozoon ganz wohl zurück- führen, und wenn auch in der Entwicklungsgeschichte der Platoden bisher Flimmerkränze nicht beobachtet wurden , so ') Erst neuerdings wieder von Barrois (1. c). 2) Die bei einigen TrematodeDlarven beschriebenen Flimmertrichter harren noch der Bestätigung. (379) 104 Dr. B. Hatschek: ist doch anzunehmen, dass auch diese Gruppe vom Trochozoon abstamme. Vielleicht findet sich noch in der Entwicklung mariner Tur- bellarien die Trochophoralarve reiner erhalten. Nemertinen. In der Organisation der Nemertinen wollen manche Forscher Beziehungen zu den Turbellarien (Rhabdocölen), andere zu den Anneliden finden. Es sind aber die Beziehungen noch nach keiner Seite hin klar gelegt. Ueber die etwaige Verwandtschaft mit den Anneliden, auf welche viele Organis ations Verhältnisse der Nemer- tinen hinzuweisen scheinen, müsste namentlich die Entstehung der Metameren und die Entwicklung der seitlichen Nervenstämme Auf- schluss geben. Sollten hierin die Befunde bei den Nemertinen mit den Verhältnissen der Anneliden sich in Einklang bringen lassen, dann könnte man nicht anstehen , die Nemertinen mit den Anne- liden , als von derselben gegliederten Urform abstammend , zu vereinigen. Die Larvenform der Nemertinen , das Pilidium , liesse sich leicht auf die Trochophoraform zurückführen. Auch die Metamor- phose deV) Pilidium liesse sich auf die Metamorphose der Anneliden zurückführen. Die Faltenbildungen und das theil weise Abwerfen des Larvenleibes kann man der Bildung von embryonalen Hüllen vergleichen. Auffallend ist nur, dass jene Ectodermverdickung des Pili- dium, welche ihrer Lage nach der Scheitelplatte der Trochophora zu entsprechen scheint, bei der Metamorphose mit abgeworfen wird. Das Kopfganglion der Nemertine entsteht aus einer Ecto- dermverdickung , welche wohl vom Scheitelfelde aus , aber unab- hängig von der primären Verdickung sich bildet.1) Bryozoen. Die Verwandtschaft der Bryozoen mit den Bilaterien wurde sonderbarer Weise bis in die jüngste Zeit noch von mancher Seite bezweifelt. Nachdem bei den Bryozoen die charakteristische Meso- dermbildung der Bilaterien beobachtet ist2), kann über ihre Zu- gehörigkeit zu diesem Stamme kein Zweifel mehr auftauchen. Auch die bisher noch vielfach festgehaltene Lehre von der Indi- ') Met sehn ik off, Studien über die Entwicklung der Echinodermen und Nemertinen. Menioiros de l'Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg VII. Serie. Tom. XIV., 1869. 2) Hatschek, Embryonalentw. u. Knosp, der Pedicellina etc. (380,1 Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 105 vidualität des Cystid und Polypid ist als ein arger Missgriff zu bezeichnen, der in die morphologische Auffassung der Bryozoen viele Verwirrung gebracht hat. Nachdem aber durch das Studium der Entwicklungsgeschichte die freischwimmende Larve als das Prototyp des Bryozoenindivi- duums erkannt worden ist. kann man diese Lehre als ein für alle Mal beseitigt betrachten. Die näheren Details der Verwandtschaft der Bryozoen mit den anderen Gruppen der Bilaterien ist aber auch jetzt noch durchaus nicht klargelegt. Wenn wir der Lösung der Frage näher kommen wollen, werden wir logischer Weise nach derjenigen Form suchen, die den Bryozoentypus auf seiner niedrigsten, ursprüng- lichsten Stufe zeigt. Wir können nun als erwiesen erachten, dass die Endoprocten die älteste Gruppe der Bryozoen repräsentiren 1), sie zeigen so- wohl in ihrem Baue, als auch in der Stockbildung die ursprüng- lichsten Verhältnisse. In ihrem Baue stehen sie der typischen Bryozoenlarve näher als die anderen Ordnungen der Bryozoen. Man findet bei den Endoprocten Bryozoen die primäre Leibeshöhle, wie bei den Larven , während bei den anderen Bryozoen durch weitere Differenzirung eine vollkommene Darmfaserschichte sich gebildet hat. Es ist also der Schichtenbau des Körpers bei den Endoprocten einfacher, als bei den Ectoprocten. Ferner ist auch die Tentakelstellung der Endoprocten als die ursprünglichere auf- zufassen. Dafür spricht nicht nur die Entwicklung des Tentakel- apparates der Ectoprocten, sondern auch der Umstand, dass der Tentakelkranz der Endoprocten sich unmittelbar auf den Flimmer- kranz der Larven zurückführen lässt', dem er seiner Lage nach. vollkommen entspricht. Wir kommen bei dieser Betrachtungsweise aber auf eine noch einfachere Form des Bryozoentypus zurück. Dies ist die Bryozoenlarve selbst , denn wir finden , dass in der Larve schon die wesentlichen Charaktere des Typus ausgeprägt sind. Die Larve wird uns also gleichsam als der Urtypus der Bryozoen gelten. Wir werden daher, wenn wir nach der Ver- wandtschaft der Bryozoen mit den anderen Bilaterien forschen, auf die Bryozoenlarve unser Augenmerk richten, und dieselbe zu- nächst mit der Trochophora vergleichen. Diese Vergleichung führt allerdings noch zu keinem endgiltigen Resultate, und es ') Vergl. Vogt, Archives de Zoologie experimentale. Hatschek, 1. c. J. Barrois, Recherches sur l'embryologie des Bryozoaires, Lille 1877. (381) 106 Dr. B. Hatschek: Scbematiscbe Darstellung : A Bryozoenlarve. ß Annelideu-Troobophora. wird weiterer Untersuchungen bedürfen , um zu einem sicheren Schlüsse zu gelangen. Wir finden wesentlich dieselbe innere Or- ganisation, wie bei der Trochophora — die typische Dreitheilung des Darmcanales, pri- märe Leibeshöhle, die A Fis- 3- b charakteristischen Ex- cretionscanäle — wir sind aber über die Homologie der Körper- seiten noch im Unkla- ren. Wenn wir das bekannte Ganglion der Bryozoen als E'.opf- ganglion auffassen,und den Entstehungsort desselben der Scheitelplatte gleichsetzen, dannstösst die Vergleichung der Bryozoenlarve (wir wollen uns hier zunächst an die am ge- nauesten bekannte Larve von Pedicellina halten) mit der Trocho- phora auf die grössten Schwierigkeiten. Namentlich könnte man dann den Flimmerkranz der Bryozoenlarve keinem Theile des Flimmerapparates der Trochophora vergleichen ; aber auch die Lagerung der anderen Organe Hesse sich schwer auf den Typus der Trochophora zurückführen. Wenn wir aber diejenige Körperseite, wo sich das Ganglion der Bryozoen entwickelt, als Bauchseite, dieses Ganglion mithin als Bauchganglion auffassen, dann ergibt sich die grösste Ueber- einstimmung in der Lagerung der Organe — Mund, After, Flimmer- kranz, Excretionscanäle — mit der Trochophora, wie aus dem nebenstehenden Schema zu ersehen ist.1) Eine Schwierigkeit liegt aber darin, dass wir bei dieser Auffassung die Scheitelplatte der Bryozoenlarve nicht nachweisen können. Es ist auch möglich, dass jener Ectodermwulst, den ich an anderem Orte als Homologon der Kittdrüse von Loxosoma gedeutet habe, als eine zum Theile modi- ficirte Scheitelplatte zu deuten sei, da ja in der Umgebung dieses Organes zahlreiche Sirineshärchen sich finden. Solange aber die Scheitelplatte nicht mit Sicherheit nachgewiesen ist, muss unsere Auffassung noch als hypothetisch gelten. Es scheint mir aber, *) Diese Deutung ist nicht identisch mit derjenigen von Ray-Lankester (Notes on Embryology etc.), wenn sie auch in einigen Punkten mit derselben über- einstimmt. (382) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 107 dass dieselbe bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse am meisten Wahrscheinlichkeit für sich habe. Die Ableitung der Bryozoen von der Trochozoonform wird jedenfalls aufrecht erhalten werden, wenn wir auch über die Orientirung der Körperseiten der Bryozoen jetzt noch nicht im Klaren sind. Br achiopoden. Die Theorien über die Verwandtschaftsbeziehungen der Brachiopoden unterlagen namentlich in jüngster Zeit vielfachen Wandlungen. Früher wurden die Brachiopoden allgemein zu den Mollusken gestellt, mit welchen sie in der inneren Organisation viele Uebereinstimmung zeigen. Doch entbehrte die morphologische Vergleichung der Brachiopoden und Mollusken noch der sicheren Begründung. Nach den Untersuchungen Morse's und Kowalewsky's über die Entwicklung der Brachiopoden wurden dieselben vielfach als modificirte tubicole Anneliden betrachtet. Die äussere Aehn- lichkeit der Brachiopoden! arven mit den Larven von tubicolen Anneliden ist gewiss auffallend. Man vergleiche zum Beispiel die Larve von Argiope neapolitana mit der Larve von Pileolaria militaris. Erst kürzlich wurde aber darauf hingewiesen, dass dieser Vergleich nicht stichhältig sei, so lange nicht bei den Brachio- poden wahre Metamerenbildung nachgewiesen ist. x) Die sogenannte Segmentirung der Brachiopodenlarve entspricht keineswegs einer inneren Metamerenbildung , sie ist nur auf Einschnürungen des Körpers zurückzuführen , welche durch die Bildung des Mantels und der Kittdrüse bedingt sind.« Die Ableitung der Brachiopoden von den Anneliden entbehrt also einer ausreich anden Begründung. Viel mehr Berechtigung besitzt die Auffassung Ray-Lan- kester's2), der die Brachiopoden zu den Mollusken stellt, die Arme derselben aber nicht , wie dies bisher geschah , vom Verum ableitet (diese ältere Deutung ist auch durch die Entwicklungs- geschichte vollkommen widerlegt), sondern den Kiemen, zunächst derBivalven, vergleicht. — Die Auffassung Ray-Lankester's, gegen die sich nach unseren jetzigen Kenntnissen kein wesent- licher Einwand erheben lässt, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. l) Semper (1. c). s) Ray -L ankester , Remarks on the Affinities of Rhabdopleura. Quarterl. Journ. of Microsc. Scienc. Vol. XIV. 1874. (383) 108 Dr. B. Hatschek: Scheruatiscker Längs- schnitt einer jungen Argiope Neapolitana (nach Kowalewsky). Ich will hier noch der auffallenden Aehnlichkeit der Brachio- poden und endoprocten Bryozoen Erwähnung thun. Wenn man nebenstehende schematische Darstellung einer jungen Brachiopode betrachtet, so wird man die grosse Aehnlichkeit mit einer endo- procten Bryozoe nicht übersehen können. Sogar die Fünfzahl der Tentakelpaare, die bei den endoprocten Bryozoen die ursprüngliche ist, x) finden wir hier vor. 2) — Wenn man den Vergleich auf die Larven ausdehnen wollte, müsste man den Mantel der Brachiopodenlarve der den Mimmerkranz tragenden Hautfalte der Bryo- zoenlarve vergleichen ; es würde sich dann auch eine grosse Aehnlichkeit der Larven ergeben. 3) Die Berechtigung dieser Auffassung müssen wir aber in Zweifel ziehen. Wenn man den Tentakelapparat der Bryozoen, wie wir dies gethan haben , von dem präoralen Wimperkranz des Trochozoon ableitet, so ist eine Vergleichung desselben mit den Ten- takeln der Brachiopoden nicht möglich. Es erscheint daher zweifelhaft, dass die erörterte Aehnlichkeit der Brachiopoden und Bryozoen auf wirklicher Verwandtschaft beruhe. Der präorale Wimperkranz der Brachiopodenlarven lässt es wahrscheinlich erscheinen, dass dieselben auf die Trochophora zurückzuführen sind, dass demnach die Brachiopoden von der Trochophora abstammen. Dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse wird es am besten entsprechen, wenn wir die Brachiopoden nach dem Vorgange Ray-Lankester's zu den Mollusken ziehen, oder sie denselben als Molluscoiden anreihen. Mollusken. Die Einheit des Molluskenstammes wird durch die Ueberein- stimmung im Bau der Larven und in der ersten Anlage der ') Vergl. Nitsche, Zeitschr. f. wiss. Zool., Suppl.-Bd. zum XXY. Bd. '-) Bei diesem Vergleiche würden die Bryozoen mit den Brachiopoden auf dieselbe Weise verglichen, wie dies von Ray-Lankester geschehen ist; nur basirt hier der Vergleich auf Betrachtung der niedrigsten Formen beider Gruppen, endoprocte Bryozoe, jugendliches Stadium von Argiope, während Ray-Lankester weiter differenzirte Formen: Rhabdopleura (die ich für keine ursprüngliche Form halte) und erwachsene Terebratula zum Vergleiche herbeizieht. 3) Man vergleiche auch die Erörterungen von Barrois (Recherches sur l'embryolog. des Bryoz. pag. 266— 270). (384) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 109 Organe auf das schlagendste bewiesen. x) — Die Ableitung der Mollusken vom Trochozoon , die schon vielfach (von Huxley, Gegen baur, Ray-Lankester und Anderen) hervorgehoben wurde, ist dadurch unzweifelhaft bewiesen, dass alle Mollusken- larven sich auf die Trochophoraform zurückführen lassen. Welche Modifikationen führen nun von der Trochozoonform zur Stammform' der Mollusken ? Die Betrachtung der typischen Molluskenlarve wird uns hierauf die beste Antwort geben. Es ist erstens die Vergrösserung der Rückenfläche Fig. 5. des Rumpfes und die Bildung einer festen Schale an diesem Körpertheile , in welche Kopf und Bauchtheil des Thieres sich zu- rückziehen können, — zweitens die Ausbil- dung des ventralen Rumpfabschnittes zu einem contractilen Bewegungsorgane, dem Fusse — und drittens die Bildung der ventralen Ganglienmasse hervorzuheben, als Eigen- schema einer Mollusken- tllümlicükeiteil) welche die Urform der Mol- lusken charakterisirten. Wir werden die ge- meinschaftliche Abstammung der Mollusken von einer Urform, die beiläufig die Organisation der hier abgebildeten Larvenform besass, annehmen können, da alle Molluskenordnungen sich leicht auf diese Form zurückführen lassen. Es ist nun noch die Frage zu erörtern, ob die Mollusken nicht auch eine nähere Verwandtschaft mit den Anneliden zeigen, die ja auch vom Trochozoon abzuleiten sind und ebenfalls einen ventralen Theil des Centralnervensystems besitzen. Ein metameri- scher Bau des Rumpfes ist bei den Mollusken bisher nicht nach- gewiesen, und nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse scheint es auch nicht wahrscheinlich, dass er vorhanden sei. Die eigen- thümliche „Strickleiterform" des Bauchmarks gewisser Mollusken, welche v. Ihering entdeckt hat, beweist noch durchaus nicht den metamerischen Körperbau. Keineswegs kann diese Form, wie Ihering glaubt, als beginnende innere Gliederung aufgefasst werden , denn die Gliederung nimmt , wie wir oben auseinander- gesetzt haben, von ganz anderen Organen ihren Ausgang. Man könnte aber die Anneliden und Mollusken von einem gemeinschaft- *) Bekanntlich hat neuerdings v. Ihering den Versuch gemacht, die poly- phyletische Abstammung der Mollusken , also die Auflösung dieser Gruppe, darzu- thun. (Man vergl. namentlich: v. Ihering, Vergleichende Anatomie des Nerven- systems und Phylogenie der Mollusken. Leipzig 1877.) (385) 110 Dr. B. Hatschek: liehen ungegliederten Stadium ableiten , welchem schon eine ven- trale Ganglienmasse eigentümlich war. Es müsste aber erst der Nachweis hiefür in der Entwicklungsgeschichte der ventralen Gan- glien der Mollasken gefunden werden. Anneliden. Die Abstammung der Anneliden von der Trochozoonform bietet uns für die phylogenetische Entwicklung derselben einen wichtigen Anhaltspunkt. Ueber die phylogenetischen Stadien, welche zwischen Trochozoon und Urannelid liegen , können wir uns aber bis jetzt noch keine sichere Vorstellung machen. Erst wenn die Erage nach der Bedeutung des metamerischen Baues endgiltig beantwortet sein wird, werden wir über die Phylogenie der Anneliden grössere Klarheit erlangen. Ausser der Gliederung ist es zunächst die Ausbildung der Muskelfelder (Hautmuskel- schlauch) und die Bildung der seeundären Leibeshöhle des Rumpfes — die Entwicklung der Rumpfniere, die im Anschluss an die Kopfniere zunächst als einfacher, die ganze Länge des Rumpfes durchziehender Excretionscanal auftritt und erst später in die Segmentalorgane zerfällt — und die Bildung des Bauchstranges, der phylogenetisch, wie ontogenetisch später sich entwickelt als das Kopfganglion (oberes Schlundganglion), welche die Uranneliden- form charakterisiren. Arthropoden. Die monophyletische Abstammung der Arthropoden kann als eine durch die vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte wohlbegründete Thatsache angesehen werden. Die Beziehungen des Arthropodenstammes zu den Anneliden sind so klar und unzweifelhaft, dass ein verwandtschaftliches Ver- hältniss dieser beiden Gruppen unbedingt angenommen werden muss. Wir haben schon oben die Uebereinstimmung in dem Typus der Gliederung hervorgehoben und erörtert, dass die weiter diffe- renzirten Verhältnisse der Arthropoden auf die ursprünglicheren der Anneliden zurückzuführen seien. Die Uebereinstimmung in der Gliederung würde aber nicht ge- nügen, um die Abstammung der Arthropoden von den Anneliden zu begründen. Bekanntlich findet sich bei den Arthropoden auch dieselbe typische Lagerung der Organe , wie bei den Anneliden. Eine wesentliche Stütze für die Ableitung der Arthropoden von den Anneliden finden wir auch in dem Bau und der Entwicklungs- esse) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 111 geschickte des Centralnervensystems. Das Bauchmark der Arthro- poden zeigt jene charakteristische Form der Ganglienkette, welche wir in ganz ähnlicher Ausbildung schon bei den differenzirteren Annelidenformen finden. Die grösste Uebereinstimmung zeigt sich auch in der Ent- wicklungsgeschichte der Ganglienkette bei Anneliden und Arthro- poden. Zuerst bildet sich, unter Betheiligung einer Einstülpung, ein einfacher, continuirlich durch alle Segmente ziehender Bauch- strang und erst aus diesem entsteht durch weitere Diiferenzirung die Bauchganglienkette. Auf dem Querschnitte zeigt die Anlage des Bauchstrangs bei Anneliden und Arthropoden denselben charakteristischen Bau. Wir können zwei Seitenstränge und einen Mittelstrang beobachten, welcher letztere den tiefen medianen Einstülpungs- spalt zeigt. Auch die ersten Längsfaserstränge des Bauchmarks haben immer dieselbe bestimmte Lagerung.1) Alle diese Verhältnisse beweisen uns , dass die Arthropoden von den Anneliden abstammen. Wir werden erwarten, dass bei den Arthropoden die ent- sprechenden, wenn auch modificirten Entwicklungsstadien sich nachweisen lassen, welche den Anneliden zukommen. Bei der zusammengezogenen directen Entwicklung der höheren Arthropoden finden wir auch wesentlich dieselben Entwicklungs- principien, wie bei den Anneliden. Grössere Schwierigkeiten er- wachsen, wenn wir die Larvenformen der niedersten Arthropoden (Crustaceen) auf die Annelidenlarven zurückzuführen versuchen. Da Flimmerzellen bei den Arthropoden weder im ausgebil- deten Zustande, noch während der individuellen Entwicklung vor- kommen, so würden wir auch bei den Crustaceen vergebens nach jenen charakteristischen Flimmerapparaten der Trochophora suchen. Dagegen sind die Charaktere des Crustaceentypus schon früh- zeitig entwickelt. Schon am Nauplius finden wir die chitinisirte Cuticula, und als Bewegungswerkzeuge fungiren statt der Flimmer- apparate die für den Arthropodentypus charakteristischen Ex- tremitäten. Im Uebrigen Hessen sich die Organisationsverhältnisse des Nauplius wohl mit jenen, der Trochophora vergleichen. Wir finden die Scheitelplatte oder das Kopfganglion , welches die zwei pri- lj Vergl. Hatschek, Entwicklungsgesch. d. Lepidoptern, Jenaische Zeitschr. f. Nat., 1877. (387) 112 Dr. B. Hatschek: mären Augenflecken trägt. Die Lage von Mund und Afteröffnung stimmt mit dem Verhalten der Annelidenlarven überein. Die Schalendrüse scheint der Kopfniere der Trochophora zu entsprechen. Es ist kaum daran zu zweifeln, dass sich auch die Mesodermstreifen (Mesodermanlagen des Rumpfes) in ähnlicher Anordnung finden werden, wie bei den Anneliden. Es wird noch die Frage zu erörtern sein , ob der Nauplius strenggenommen dem ungegliederten Trochophorastadium , oder vielleicht einem weiter vorgeschrittenen Stadium entspreche. — Beide Paare der Antennen gehören, nach ihrer Lage am Embryo und der Larve zu urtheilen, dem Kopfe an. Das vordere Antennen- paar entspricht wahrscheinlich den primären, am Vorderende des Körpers gelegenen Antennen der Anneliden. — Die Zuge- hörigkeit der Mandibeln zum Rumpfe ist wohl wahrscheinlich. Es scheint aber am Rumpfe des Nauplius noch keine Metameren- bildung vorhanden zu sein. Der Nauplius ist daher nach den bis- herigen Ergebnissen der Forschung als eine ungegliederte Form zu betrachten. Nach unserer Ansicht ist also der Nauplius durchaus nicht als eine Form zu betrachten, welche ein phylogenetisches Stadium in annähernder Aehnlichkeit reproducirt , sondern er ist durch weitgehende Modification der ursprünglichen Larvenform der Anneliden entstanden und in letzter Instanz vielleicht auf das Trochozoon zurückzuführen. Das obere Schlundganglion der Arthropoden scheint nicht dem der Anneliden vollkommen zu entsprechen , sondern zu dem primären Theile, welcher dem Kopfganglion der Anneliden homo- log ist, und beim Nauplius die primären Augen trägt, kommt mit der Entwicklung der secundären zusammengesetzten Augen ein secundärer Hirntheil hinzu. Chordonier und Wirbelthiere. Die Abstammung der "Wirbelthiere — ihre Verwandtschafts- beziehungen zu den niederen Bilaterien — bildet eines der schwierigsten Probleme der vergleichenden Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte. Man glaubte der Lösung dieser Frage um vieles näher ge- kommen zu sein, als Kowalewsky im Jahre 1866 durch seine berühmten Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des (388) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 113 Amphioxus l) und der Ascidien 2) die Venvandtschaftsbeziehungen dieser Thiere dargethan hatte. Man erklärte die Ascidien als Uebergangsglied zwischen den Wirbelthieren und den ungeglie- derten Würmern. Weitere Untersuchungen haben die Verwandtschaft des Amphioxus und der Ascidien nur noch sicherer bewiesen. — Wie wenig aber dadurch die Verwandt Schaftsbeziehungen zu den übrigen Ordnungen der Würmer klar gelegt waren , dessen schien man sich nicht bewusst zu sein. Die Beziehungen der Ascidien zu den Würmern waren eben noch durchaus nicht sicher begründet, da die morphologische Vergleiehung der Ascidien mit den Wür- mern ganz im Unklaren lag. Dies kam erst so recht zur Anschauung, als Do hm (1876) die directe Verwandtschaft der Ascidien mit den Würmern ganz in Abrede stellte und die Ascidien, sowie auch den Amphioxus für rückgebildete Fische erklärte. — Dohrn ist jedenfalls in seinen Ausführungen zu weit gegaugen und hat sowohl in vielen morphologischen Deutungen, als auch in der Ableitung der Chor- donier von hochorganisirten Fischen über das Ziel geschossen. In folgenden wichtigen Punkten scheinen seine Ansichten aber wohlbegründet: 1. Die Chordonier haben sich durch eine zum Theil rückschreitende Entwicklung von der Stammform der Wir- belthiere ziemlich w^eit entfernt. 2. Die Ascidien sind von einer gegliederten Stammform abzuleiten. Die Zusammengehörigkeit der Chordonier (Amphioxus und Ascidien) und der Wirbelthiere ist nicht anzuzweifeln ; es werden dieselben auf eine gemeinschaftliche gegliederte Stammform zurück- zuführen sein. Welches sind aber die Beziehungen dieser Urform der Chor- donier und Vertebraten zu den anderen Bilaterien? G-eo-enbaur und Häckel, welche die Ascidien als unge- gliederte Zwischenform betrachten, vergleichen das Medullarrohr der Wirbelthiere dem Kopfganglion (oberen Schlundganglion) der Würmer. Der Wolffsche Gang wird von dem Excretionscanale der ungegliederten Wurmformen abgeleitet. Wir wollen zur Kritik dieser Theorie später zurückkom- men und uns zunächst der Erörterung jener Verhältnisse zu- ') A. Kowalewsky, Entwicklungsgesch. der einfachen Ascidien, St. Peters- burg 1866. 2) A. Kowalewsky, Entwicklungsgesch. des Amphioxus lanc, St. Peters- burg 1866. Claus, Arbeiten ans dem Zoologischen Institute etc. 27 114 Dr. B. Hatschek: wenden, welche für die Verwandtschaft der Anneliden und Wirbel- thiere sprechen, Die Verwandtschaftsbeziehungen der Anneliden zu den an- deren gegliederten Thieren (den Anneliden und Arthropoden), deren Begründung schon in früherer Zeit versucht worden war (Gr e o f f r o y St. H i 1 a i r , L e y d i g), wurden neuerdings von Dohrn1) und Sem per2) auf das lebhafteste vertheidigt. Ich hatte mich dieser Richtung angeschlossen und die Abstammung der Wirbelthiere und Anneliden von einer gemeinschaftlichen Stammform angenommen. 3) In den Details der Theorie und in den Ausführungen über die Morphologie der einzelnen Organsysteme muss ich aber den Ansichten Semper's in vielen und wesent- lichen Punkten widersprechen. 4) Die Theorien, welche die Verwandtschaft der Anneliden mit den Wirbelthieren behaupten, gründen sich auf die Uebereinstim- mung in der Gliederung des Körpers und in dem Bau und der Lagerung der Organe. Hiebei wird aber stets eine Umkehrung der Körperseiten vorausgesetzt, die Bückenseite der Wirbelthiere wird der Bauchseite der Anneliden verglichen. Und in der That, bei dieser Art der Vergleichung ergibt sich die grösste Ueber- einstimmung in der Lagerung und dem Bau der Organe. Nur die Lage des Mundes der Anneliden und "Wirbelthiere kann nicht in Uebereinstimmung gebracht werden. Dohrn hat nun die Theorie aufgestellt, class der Mund der Wirbelthiere eine secundäre Bil- dung sei, wofür auch das späte Auftreten desselben in der Ent- wicklungsgeschichte spricht. Der primäre Mund soll in der Gre- gend des Hirnes seine Lage gehabt haben. Dohrn sucht ihn in der Fossa rhomboidalis nachzuweisen, "auf die Hypophysis cerebri ') Dohrn, Ursprung d. Wirbelthiere etc., Leipzig 1574. 2) Semper, Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. 3) Hatschek, Beiträge zur Entw. der Lepidopteren, Jenaische Zeitschr. 1877. Beitr. zur Entw. u. Morph, der Anneliden, Wiener Sitzungsberichte 1876. 4) Ich werde an diesem Orte umsoweniger eine ausführlichere Widerlegung der Semp er'schen Ansichten anstreben, da ich in den Grundprincipien der Ab- leitung der Wirbelthiere doch diesem Forscher folge; andererseits sind aber viele der Detailfragen durch die weiteren Untersuchungen in neue Bahnen gelenkt und daher eine speciellere Widerlegung der älteren Ansichten nicht nöthig; theilweise aber stehe ich wieder in den Grundprincipien auf einem so verschiedenen Boden (Keimblättertheorie), dass ich eine Polemik , die auf ein sehr ausgedehntes Gebiet übergreifen müsste , vermeiden will. — Ich will daher, ohne näher auf die Semp er'schen Auseinandersetzungen einzugehen, meine eigenen zum Theil über- einstimmenden, zum Theil sehr abweichenden Ansichten ausfuhren. (390) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 115 deutet er nur vermuthungsweise hin. Ich suchte hierauf nachzu- weisen, dass gerade die Hypophysis, als rudimentäres Organ, dem Rest des alten Annelidenmundes und Oesophagus entspreche. Die Basis des Gehirns der Vertebraten ist von der Hypo- physis durchbohrt, sowie das Centralnervensystem des Kopfes der Anneliden vom Oesophagus durchbohrt ist. Bei den Wirbelthieren hat sich aber das Hirn bei seiner weiteren Ausbildung über dem verödeten Schlund (Hypophysis) geschlossen. Im Uebrigen ist die Uebereinstimmung im Bau und in der Entwicklung der Organe bei Anneliden und Wirbelthieren eine sehr weitgehende. Man kann die Anlage des Nervensystemes, des Blutgefässsystems, der Muskelfelder, des Nierenapparates etc. auf denselben Typus zurückführen. Man kann eine gemeinschaftliche Stammform der Anneliden und Wirbelthiere annehmen, die etwas tiefer steht als Polygordius. Von der gemeinschaftlichen Stamm- form aus differenziren sich Anneliden und Wirbelthiere nach ver- schiedenen Richtungen. Bei den Anneliden zerfällt die Rumpf- niere in die Segmentalorgane. Im Uebrigen mag Polygordius, die ursprünglichste der jetzt bekannten Annelidenformen, nicht viel von jener gemeinschaftlichen Stammform der Anneliden und Wirbelthiere abweichen. Die Urform der Wirbelthiere weicht viel mehr von jener ge- meinschaftlichen Stammform ab. Sie ist charakterisirt : durch das Auftreten eines auf Kosten des Entoderms sich entwickelnden Organes , der Chorda dorsalis , welche als Stützorgan bei den Schwimmbewegungen dient, — durch Auftreten des Wirbelthier- nrandes und der Kiemenspalten, — durch Verödung des primären Schlundes. Bei der Voraussetzung, dass die Rückenseite der Wirbel- thiere der Bauchseite der Anneliden homolog sei , ist demnach die Zurückführung beider Typen auf eine gemeinschaftliche Grund- form denkbar. Ich habe nun auch, auf Basis der früheren Ent- wicklungsvorgänge , den directen Nachweis zu führen gesucht, dass der Rücken der Wirbelthiere dem Bauche der Anneliden verglichen werden müsse. Die Gastrulaöffnung der Anneliden und Wirbelthiere (und wahrscheinlich aller Bilaterien) schliesst sich nämlich in der Me- dianlinie. Und zwar entspricht die Schliessungslinie bei den Wirbelthieren der Rückenseite, bei den Anneliden (und den übri- gen Bilaterien) der Bauchseite. Wir müssten demnach die Iden- tität der Rückenseite der Wirbelthiere und der Bauchseite der 27 * (39 1> 116 Dr. B. Hat sehe k: Fig Anneliden behaupten , selbst wenn wir alle übrigen in der wei- teren Entwicklung auftretenden Uebereinstimmungen für blosse Analogien halten wollten. Es wird nun unsere Aufgabe sein, die morphologische Ver- gleichung der Wirbelthiere und Anneliden, die Uebereinstimmung in Bau und Entwicklung der Körperform und der Organsysteme eingehender zu erörtern. Ueber die Gliederung des Körpers haben wir uns schon in einem früheren Capitel ausgesprochen , wir wollen nun auf den Bau und die Lagerung der Organe und auf die Entwicklung der- selben genauer eingehen. a. Nervensystem und Sinnesorgane. Die Scheitelplatte und die Anlage der Schlundcommissur der Anneliden ist, unserer Ansicht nach, dem vordersten Theile der Medullarplatten , aus welchem sich das Gehirn der Wirbelthiere entwickelt, homolog. Bei den Wirbelthieren erreicht namentlich dieser Theil des Centrain ervensystems eine viel weitere Aus- bildung, als bei den Anneliden, er ist in seinem Baue am meisten von dem Verhalten der ursprünglichen Stammform entfernt , und ist daher nur in Bezug auf seine Primitivanlage mit dem entsprechenden Ab- schnitte des Centralnervensystems der Anneliden zu vergleichen. Die Sinnesorgane , die mit dem Gehirn in Zu- sammenhang stehen, scheinen noch von jener gemein- schaftlichen Stammform ererbt zu sein. In neben- stehendem Schema ist die Lage von Geruchsorgan (Ol), Auge (Oc) und Gehörorgan (0) bei Anneliden darge- 1 / stellt. Dasselbe Schema liesse sich auch auf die Wirbelthiere anwenden. Das Nervensystem des Rumpfes entsteht bei den Anneliden, wie bei den Wirbelthieren als ein der ganzen Länge des Rumpfes nach verlaufen- der Strang, der vom Ectoderm aus sich entwickelt. Charakteristisch ist für die ^ Entwicklung desselben die Einstülpung einer medianen Längsrinne. — Von dieser gemein- schaftlichen Urform aus entwickelt sich sowohl das Bauchmark der Anneliden , als das Rückenmark der Wirbelthiere. Es ist (392) Fig. 8. Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 117 Fig. 9. wahrscheinlich, class auch der Faserverlauf, die Gruppirung der Ganglienmassen, die, Nervenursprünge beider Thiergruppen auf einen gemeinschaftlichen Grundtypus zurückzuführen seien, welchen ich in nachstehendem Schema darzustellen versucht habe. b. Mesodermgebilde. Die Differenzirung des Mesoderms zeigt bei den Anneliden und Wirbelthieren die auffallendste Uebereinstimmung. Das Mesoderm theilt sich in eine Hautmuskelplatte und eine Darmfaserplatte, die durch die Mesenterien in einander übergehen. Die Leibeshöhle des Rumpfes besteht bei den Anneliden , wie bei den Wirbelthieren. aus zwei vollkommen getrennten (rechten und linken) Hälften. Die Hautmuskelplatte geht weiterhin complicirte Differenzi- rungen ein. Wir haben hier einen schematischen Querschnitt durch den Rumpf einer Polygor- diuslarve abgebildet, an welchem wir die zu erörternden Verhältnisse gut überblicken kön- nen. Wir finden zu beiden Seiten des Bauch- markes je eine Zellmasse, welche eine cen- trale Höhle einschliesst, die früher mit der Rumpfhöhle in Verbindung stand. Dieselben Verhältnisse finden sich bei den Urwirbel- massen der Wirbelthiere. Gegen die Leibeshöhle zu sind diese Zellmassen jede von einer Zellplatte bedeckt, welche das Bildungsmaterial^ der Ge- schlechtsproducte repräsentirt. Dieselbe Lagerung zeigen die Keimwülste der Wirbelthiere. Zwischen der urwirbelähalichen, ventralen Zellmasse und dem dorsalen Theil der Hautmuskelplatte (welcher der Seiten- platte der Wirbelthiere entspricht) liegt der Excretionsapparat (Rumpfniere}. Derselbe ist bei den Anneliden , wie bei den Wir- belthieren, ursprünglich durch einen einfachen , in der Seitenlinie des Rumpfes gelegenen Excretionscanal vertreten (Wolff scher Gang bei den Wirbelthieren). Dieser Excretionscanal wird von anderen Zellen der Hautmuskelplatte überwachsen, so dass er von der Leibeshöhle wenigstens durch ein Endothelblatt getrennt ist. *) — Mit diesem primären Excretionscanal vereinigen sich *) Wir finden bei den Anneliden die Segmentalorgane, die secundär in die Leibeshöhle rücken, stets von einem Endothelblatt eingehüllt. Ich finde auch an den verästelten Excretionscanälen von Bonellia diesen Endothelüberzug. (39J) 118 Dr. B. Hatschek: secundär entstehende segmentale Wimpertrichter , welche mit freier Oeffnung in der Leibeshöhle beginnen. Insoweit stimmt die Entwicklung des Nierenapparates der Anneliden und Wirbelthiere überein. Der Excretionsapparat zerfällt weiterhin bei den Anneliden in segmentale Abschnitte, die gesondert (in jedem Segmente) nach aussen münden. Bei den Fis. 10. _£» Jf* -P- ~t l | y Y Y Y r t r Schemata des Nierenapparates. 14 5 6. Entwicklungsstadien desselben bei Polygordius. •?. Rotatorien. 3. Mol- luskenlarve. 7. Nemertinen. 8. Urwirbelthier. 9. Chaetopoden. Wirbelthieren aber bleibt der Excretionscanal ungetheilt und sein Hinterende tritt mit dem Darmcanal in Verbindung, um in den- selben auszumünden. 2) 2) Bei Myxine mündet die Niere mit dem Porus genitalis gemeinschaftlich und unabhängig vom Darmcanal nach aussen. -- Bei Gephyreen (Bohellia) finden wir eine ähnliche Ausmündung der Excretioascanäle wie bei den Wirbelthieren. (394) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 119 Die Entwicklungsgeschichte von Polygordius gibt uns den Schlüssel zum Verständniss der Morphologie und phylogenetischen Entwicklung des Nierenapparates. Die zuerst auftretende Kopfniere (Fig. 10, 1] entspricht dem Excretionsapparate des Trochozoon. Von dieser Kopfniere aus entwickelt sich weiterhin der Rumpfhierencanal (Eig. 10,4) (Wolff scher Gang bei den Wirbel- thieren). Später kommen noch die segmentalen Trichter hinzu (Eig. 10,5). Von diesem Stadium aus entwickelt sich einerseits der Nieren- apparat der Uranneliden (Fig. 10, 6), andererseits ist der Nieren- apparat der Urwirbelthiere davon ableitbar (Eig. 10, 8). Das Blutgefässsystem der Anneliden und Wirbelthiere lässt sich leicht auf einen gemeinschaftlichen Grundtypus zurückführen, wie dies schon vielfach von den Autoren erörtert wurde. Semper wollte auch Mund und Kiemenspalten der "Wirbel- thiere bei den Anneliden nachweisen und diese Bildungen demnach von der gemeinschaftlichen Stammform dieser beiden Gruppen ableiten. Semper hält nämlich den Mund der Anneliden für eine secundäre Bildung und sucht den primären Wirbelthiermund bei den Anneliden ( und Arthropoden) in rudimentärer Form nachzuweisen. Aus der Entwicklungsgeschichte der Anneliden geht mit aller Klarheit hervor, dass der Mund und der Oesophagus der Anneliden auf die uralten, schon bei dem Trochozoon vorhandenen Bildungen zurückzuführen ist und mithin im Vergleich zu dem Wirbelthiermund sicher kein secundäres Organ ist. Es erweist sich aber gerade der Wirbelthiermund durch sein spätes ontogene- tisches Auftreten (worauf schon Dohrn hingewiesen hat) als eine jüngere Bildung. Es ist demnach wohl überflüssig, die Un- richtigkeit der Semper'schen Deutungen des rudimentären Wirbelthiermundes bei den Anneliden und Arthropoden : „Horn- plattentasche von Clepsine bi-oculata , dorsale Kopfdrüsen mancher Anneliden, das kugelförmige Organ der Amphipoden, der „cumulus primitif" der Arachniden, das Rückenrohr der Dytiscus, vielleicht selbst die flügelförmigen Anhänge des Rückens von Asellus , den sogenannten Micropylapparat der Krebse"1) noch näher zu erörtern. Semper will auch Kiemenspalten bei den Anneliden nach- gewiesen haben, und behauptet, dass sich stets „Kiemengänge a ') Semper, 1. c, pag. 385. (395) 120 Dr. B. Hatschek: an der Bildung des Vorderdarms der Anneliden betheiligen müssten. Seine Angaben über Sabella können in ihrer Skizzen- haftigkeit noch nicht auf Berücksichtigung Anspruch machen. Seine Deutungen der Entwicklungsvorgänge des Oesophagus bei der Knospung der Naiden halte ich aber für vollkommen irrig. — Jene „Kiemengänge", dieSemperbei der Knospung fand, kommen bei der Embryonalentwicklung nicht vor. — Ich möchte die von Semper beobachteten Bildungen folgendermassen deuten. In der Mitte des Rumpfes einer Nais bildet sich eine Knospungs- region, in welcher für die vordere Hälfte des Thieres ein neues Hinterende, für die hintere Hälfte ein neues Vorderende gebildet wird. — Das alte Bauchmark erstreckt sich durch die Knospungs- region fort , und während die Neubildungen vor sich gehen , ist die vordere und hintere Hälfte noch immer durch das Nerven- system in Verbindung gesetzt. Dieses Bauchmark aber verhindert, dass sich der neue Oesophagus, der vom Ectoderm aus entsteht, auf gleiche Weise wie im Embryo entwickeln kann. Es wird das alte Bauchmark von einer doppelten Ectodermwucherung ^„Kiemen- gänge" Semper's) umwachsen, welche sich über demselben ver- einigt und zur Bildung des Oesophagus dient. — Erst später, nachdem das alte Bauchmark in der Knospungsregion rückgebildet ist, kann der so gebildete Oesophagus in der Medianlinie wieder mit dem Ectoderm sich vereinigen und durch die Mundöffnung nach aussen durchbrechen. Wir müssen jetzt noch auf ein morphologisch sehr wichtiges Organ zu sprechen kommen, die Chorda. Semper hat bei den Anneliden einen Zellstrang gefunden, den er der Chorda der Wirbelthiere homolog setzt. Ich konnte weder bei Polygordius, noch bei den hier be- schriebenen Stadien von Criodrilus irgend eine Spur der Chorda entdecken , obzwar ich der morphologischen Wichtigkeit dieses Organs wegen meine besondere Aufmerksamkeit diesem Punkte zuwandte. Da die Chorda dem ursprünglichsten Annelid, dem Polygor- dius, nicht zukommt, kann ich den von Semper beschriebenen Zell- strang nicht der Chorda der Wirbelthiere homolog halten.. Die Chorda ist demnach eine für die Wirbelthiere charak- teristische Bildung, die der gemeinschaftlichen Stammform der Anneliden und Wirbelthiere noch nicht zukam. x) *) In jüngster Zeit hat namentlich Rabl (Entw. d. Malermuschel) die Wirbel- thiere auf Grund der Chordaentwickiaa,' den übrigen Bilaterien gegenübergestellt. (396J Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 121 Nach den neueren Untersuchungen über die Entwicklung der Chorda ist es wahrscheinlich, dass dieselbe ein Entoderm- gebilde ist. Nach unserer Theorie soll die Chorda phylogenetisch später entstanden sein als der Nierenapparat, den die Wirbelthiere und Anneliden noch der Anlage nach gleichartig besitzen. Bei der sehr zusammengezogenen Entwicklung der Wirbelthiere ist die Aufeinanderfolge in der Bildung der Organe nicht scharf ausge- prägt. Es hat aber den Anschein, als ob die Chorda ontogenetisch allgemein früher entstände, als nach unserer Theorie erwartet werden sollte. — Ich glaube, dass hierauf der gewichtigste Einwand ge- stützt werden kann, der überhaupt gegen die Theorie zu erheben ist. Das frühe Auftreten der Chorda bei den Wirbelthieren ist es also vor Allem , welches gegen die nahe Verwandtschaft geltend ge- macht werden könnte. Wir müssen über diesen Punkt noch weitere entscheidende Untersuchungen abwarten , die , wie ich glaube, die Schwierigkeit beheben werden. Mag man aber gegen die hier erörterte Theorie auch noch so viele Bedenken hegen, so ist sicher die alte Häckel-Gegen- baur'sch'e Theorie damit nicht in ihr Recht eingesetzt, denn es scheint mir festzustehen, 1. dass der Rücken der Wirbelthiere dem Rücken der Würmer nicht homolog ist ; 2. dass das Medullarrohr in seiner Gesammtheit nicht dem oberen Schlundganglion homolog ist, denn jenes entsteht in der ganzen Länge des Körpers, dieses wird aber von der nur dem vorderen Körperpole angehörigen Scheitelplatte aus gebildet; o. dass der Mund der Wirbelthiere nicht dem Munde der Anneliden und der anderen Bilaterien entspricht. Bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse wird wohl unsere oben auseinandergesetzte Theorie als die berechtigteste anzusehen sein. (397) 122 Dr. B. Hatschek: Erklärung der Abbildungen von Tafel I — VIII. Allgemeine Buchstabenbezeichnung. b m ventrales Längsmuskelfeld. bmp Bauchniuskelplatte. Bs Borstensäckcken bei Criodrilus. Bstr Bauchstrang. D Dissepimente. dfp Darmfaserplatte. e c Ectoderm. Ec Ectoderm-Schluckzellen bei Criodrilus. en Entoderm Ep ventrale Endotbelplatte bei Poly- gordius. E 0 Excretionsorgan des Kopfes , Kopf- niere bei Polygordius. F r adorale Flimmerrinne. G S oberes Schlundganglion. hp Hautmuskelplatte. ih Mitteldarmhöhle. lh primitive Leibeshöhle der Larve, so- wie Kopfhöhle der vorgeschritteneren Stadien bei Polygordius und Kopf- höhle bei den Embryonen von Crio- drilus. m Muskelfaser. ms Mesoderm. Ms Die Urzellen des Mesoderms. m str Mesodermstreifen. Mw Mundwulst von Criodrilus. n f fibrilläre Nervensubstanz. o Mund. o e Oesophagus, Vorderdarm. o i Innere Mündung des Oesophagus. q m Quermuskeln der Bauchseite , die zwischen Bauchstrang und Seitenlinie ausgespannt sind, bei Polygordius. R Hinterdarm. rm dorsales Längsmuskelfeld. r m p Rückenmuskelplatte. Sh segmentale Leibeshöhle des Rumpfes. sl Seitenlinie. So Segmentalorgan (-Anlage). Sp Scheitelplatte. Sstr Seitenstränge oder Medullarplatten bei Criodrilus. US Ursegmente des Mesoderms. Wkr pränraler Wimperkranz. wkr postoraler Wimperkranz. (3J8) Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 123 Tafel I— III zur Embryonalentwicklung von Cricdrilus. Taf. I. Säinmtliche Figuren mit Camera lucida nach Präparaten gezeichnet. Fig. 1. Embryo, nach Bildung der Keimblätter und der Darmhöhle, von der Bauchfläche gesehen. Am Hinterende sieht man die 2 grossen Urzellen des Mesoderms 450 (Ms) durchschimmern, -j-, Fig. 2. Optischer Durchschnitt , Frontalschnitt, desselben Embryo. Sämmt- 450 liehe Mesodermzellen des Embryo fallen in diese Schnittebene, j . Fig. 3. Ein Embryo von etwas weiterem Stadium von der Seite gesehen. — . Fig. 4. Optischer Durchschnitt, Medianschnitt, desselben Embryo; in diese Schnittebene fällt eine einzige Mesodermzelle, nämlich eine der grossen Urzellen des Mesoderms. — . Fig. 5. Weiter vorgeschrittenes Stadium, von der Bauchfläche gesehen. Die Protoplasmawände der Entodermzellen schimmern durch die Ectodermzellen hin- durch, t • Fig. 6. Derselbe Embryo im optischen Durchschnitt, Frontalschnitt. Es sind in dieser Abbildung die sämmtlichen , in einfacher Zellenreihe angeordneten Mesodermzellen des Embryo dargestellt, obwohl der vordere Theil der Mesoderm- zellreihe etwas über der Schnittebene, der hintere Theil etwas unter derselben gelegen ist, welches Verhalten auch in der Zeichnung angedeutet ist. t- Fig. 7. Optischer Durchschnitt, Frontalschnitt desselben Embryo, bei etwas 400 höherer Einstellung, um den Oesophagus zu zeigen. : . Fig. 8. Ungegliederter Embryo, von der Seite gesehen. In der Flächen- ansicht sind die polygonal angeordneten Protoplasmawände des Entoderm und der Mesoderm streifen gezeichnet, das Ectoderm ist blos am Rande im optischen Durch- • i j. 120 schnitt gezeichnet. — . Fig. 9. Optischer Durchschnitt, Sagittalschnitt, der vorderen Region desselben 120 Embryo, -y Taf. II. Zur Entwicklungsgeschichte der Kopfregion. Sämmtliche Figuren mit der Camera lucida nach Präparaten gezeichnet ; zur Darstellung der tieferen Schichten ist das Ectoderm zum Theil weggelassen. Fig. 10. Vorderende eines Embryo, von etwas weiterem Stadium als Fig. 8, in der Fläche ausgebreitet. Es sind hier noch beinahe dieselben Verhältnisse, wie in Fig. 8 und 9, zu beobachten. Fig. 11. Kopfregion von einem Embryo, der schon eiuige Ursegmente zeigte. Fig. 12. Kopfregion eines Embryo von demselben Stadium wie Fig. 16. Fig. 13. Kopfregion von einem Embryo von demselben Stadium wie Fig. 17. Die Scheitelplatte beginnt sieb mit ihrem ventralen Rande schon vom Ectoderm (399) 124 Dr. B. Hat seh ek: abzulösen, während sie am dorsalen Bande noch mit dem Ectoderm innig zu- sammenhängt. Fig 14. Elemente, die durch Zerfall der Schluckzellen entstanden, in der Nähe des hinteren Oesophagusendes sich finden. A v, Bt- Fig. 15. Kopfregion eines Embryo von retortenförmiger Gestalt, dessen Bauchfurche schon eingestülpt ist. Die Scheitelplatte ist als oberes Schlundganglion schon zur vollkommenen Abschnürung gelangt, liegt aber noch im vordersten Körperende. Taf III. Fig. 16. Embryonalstreifen von einem Embryo von kugelförmiger Gestalt, an dem schon die Scheitelplatte, nicht aber die Medullarplatten des Bauchstranges angelegt sind. Am Hinterende des Embryonalstreifens liegen die Urzellen des Mesoderms M s, darauf folgen nach vorne zu die einfachen Mesodermzellreihen, dann ein mehrschichtiger, aber ungegliederter Abschnitt des Mesodermstreifens. Noch weiter nach vorne die Region der Ursegmentbildung US — hierauf die Region, in welcher die segmentale Leibeshöhle des Rumpfes zur scharfen Ausprägung gelangt Sh; in den vorderen Segmenten sind die Segmentalorgananlagen S 0 und die Borstensäck- chen B s difierenzirt. V- Fig. 17. Embryonalstreifen eines Embryo von eiförmiger Gestalt. Ausser der Scheitelplatte Sp sind auch die Medullarplatten oder Seitenstränge in dem vorderen Theile des Rumpfes gebildet. Bezeichnungen wie in Fig. Ib. , . Fig. 18. Das Hinterende eines Mesodermstreifens von demselben Embryo, stärker vergrössert (-"-). Das Mesoderm ist auf den grossblasigen Entodermzellen aufliegend dargestellt, die Ectodermschichte ist weggela*.s< n Fig. 19. Ursegmente desselben Embryo bei stärkerer V ergrosserung. —. Fig. 20. Entwicklungsstadien der Segmentalorgane in 5 auf einander folgen- den Segmenten, von einem Embryo vom Stadium der Fig. 16 v. Fig 21. Segmentalorgan, etwas weiter entwickelt als die vordersten Segmental- organe in Fig. 18.T- Tafel IV— VIII zur Entwicklungsgeschichte von Polygordius. Taf. IV. Die Metamorphose der Polygordiuslarve Vergr. ungefähr , . Fig. 22. Larve von ungegliedertem Stadium, von der Seite gesehen. Fig. 22—29. "Weitere Stadien ; Entwicklung des Rumpfes und Vergrösserung des Kopfblase. Fig. 30 — 33. Umwandlung der Larve in die definitive Form. Taf. V. Fig. 34. Ungegliederte Larve, von der Zeite gesehen ; nach einem Präparate gezeichnet, mit besonderer Berücksichtigung des optischen Durchschnittes, doch sind auch ausserhalb der Sagittalebene liegende Gebilde angedeutet, und zwar: der Mesoderm- streif des Rumpfes, die die Leibeshöhle durchziehenden Muskelfasern, der Excretions- (40(0 Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 125 canal, ferner die Zellen der Wimperkränze und die Scheitelplatte in ihrer Fläehenaus- 120 breitung. -,-- Fig. 35. Ungegliederte Larve, nach einem Präparat gezeichnet, vom After- pole gesehen. Flächenansicht, der Darmcanal ist durchschimmernd angedeutet. — • Fi"-. 36. Dieselbe Larve vom Scheitelpole gesehen, Flächenansicht, der Darm- 120 canal durchschimmernd angedeutet. -, . Fig. 37. Ein Stück der Leibeswand aus der Region der Wimperkränze, von der Flache gesehen (von einer Larve vom Stadiuni der Fig. 23). ~r. Fig. 38. Leibeswand aus der Region der Wimperkränze im optischen Durchschnitte, -j-. Fig. 39. Zellen des präoralen Wimperkranzes, von einer Larve vom Stadium der Fig. 35 ; die kleineren Zellen sind aus dem dorsalen Theile des Wimperkranzes. Die hohe Cuticula ist von Porencanälen durchbohrt, die in ihrem Verlaufe eine scharf abgesetzte Anschwellung zeigen. Fig. 40. Zellen des präoralen Wimperkranzes von der Fläche gesehen , um die reihenweise Anordnung der Porencanäle der Cuticula zu zeigen. Fig. 41. Reffion der Wimperkränze von der Rückenlinie einer sehr jungen 1J0 Larve. Did Wimperkränze sind hier noch nicht vereinigt, r- Fig. 42. Optischer Durchschnitt der Leibeswand in der Region des Scheitel- feldes, nach dem lebenden Objecte gezeichnet, oberhalb der Verdickungen, die den Zellkernen entsprechen, sind Büschel von feinen Flimmerhaaren eingepflanzt. Fig. 43. Optischer Durchschnitt durch die Scheitelplatte (Stadium der Fig. 24), nach dem lebenden Objecte gezeichnet, um die Flimmerhaare zu zeigen. Fig. 44. Optischer Durchschnitt der Leibeswand aus der postoralen Region des Kopfes. Fig. 45. Flächenansicht aus der Region des Scheitelfeldes, nach dem leben- den Objecte gezeichnet, n Nervenfaser, die sich gabelt, und deren Aeste unterhalb der durch die Insertions-Flimmerhaare kenntlichen Zellkerne endigen. An der Basis jedes Flimmerhaares ein feines Porencanälchen in der Cuticula. Fig. 46. Optischer Durchschnitt der Leibeswand einer jungen Larve. Die Cuticula durch Maceration von dem Protoplasma der Zellen abgehoben. Fig. 47. Eine jener papillenförmigen Erhebungen der Haut, welche vor dem hinteren Wimperkranze gelegen sind, vom Stadium der Fig. 31, nach dem lebenden Objecte gezeichnet. Fig. 48. Längsschnitt durch die Region des hinteren Flimmerkranzes , nach einem Präparat einer Larve vom Stadium der Fig. 29. t. Fig. 49. Excretionsorgan einer ungegliederten Larve, nach einem Üeberos- mium-Picrocarmin-Präparat gezeichnet. Fig. 50. Entodermzellen (von einer Larve vom Stadium der Fig. 25) nach einem Ueberosmium-Picrocarmin-Präparat gezeichnet. A. Optischer Durchschnitt, B. Flächenansicht. (401) 126 Dr. B. Hatschek: Taf. VI. Fig. 51. Sckeitelfeli mit den Nervenverzweigungen von einer Larve vom Stadium der Fig. 24., nach dem lebenden Objecte gezeichnet. Fig. 52. Nervenverzweigungen und Ganglienzellen aus dem peripherischen Theile des Scheitelfeldes einer Larve vom Stadium der Fig. 29. Nach dem lebenden Objecte, bei starker Vergrösserung. Fig. 53. Ganglienzelle aus dem Seitennerven des Scheitelfeldes (Larve vom Stadium der Fig. 22), Ueberosmium-Picrocarmin-Präparat. 7-. Fig. 54. Scheitelplatte mit Augenflecken und Tentakelanlagen , seitlich von derselben die Flimmergruben. Nach einer lebenden Larve vom Stadium der Fig. 26. Fig. 54 a. Flimmergrube desselben Objectes mit dem Nerven , bei stärkerer Vergrösserung gezeichnet. Am Rande der Flimmergrube sieht man die Cuticula im optischen Durchschnitt. Fig. 55. Augenfleck mit lichtbrechendem Körper, nach einem Ueberosmium- Picrocarmin-Präparat. Fig. 56. Scheitelplatte mit Augenfleck, Tentakelanlagen und Flimmergrube, von einer Larve vom Stadium der Fig. 30, von der Seite gesehen. Fig. 57. Rumpfkegel einer ungegliederten Larve vom Afterpole aus gesehen. Das Ectoderm ist nur durch Schattirung angedeutet, während die Mesodermstreifen in ihrer histologischen Structur dargestellt sind. Camera lucida —. Fig. 58 Rumpfkegel einer etwas älteren Larve, Darstellung wie in Fig. 57. Fig. 59. Rumpf einer Larve mit Ursegmenten , jedoch von etwas früherem Stadium, als Fig. 23, vom Afterpole gesehen, nach dem lebenden Objecte gezeichnet. Vergr. ungefähr V- Fig. 60. Optischer Längsschnitt durch die Leibeswand in der Gegend der TJrsegmente (Larve vom Stadium der Fig. 23) A nach einem Präparate (mit Camera lucida), B nach dem lebenden Objecte gezeichnet. Fig. 61. Längsschnitt durch die Leibeswand, in der Region des Rücken- muskelfeldes aus den vorderen Segmenten des Rumpfes einer Larve vom Stadium der Fig. 29, Camera lucida. — . Fig. 62 Flächenansicht des Hautmuskelblattes aus derselben Region , mn 450 das Vefhältniss der Muskelnbrillen zu den Zellen zu zeigen. — . Fig. 63. Darstellung der Muskelfelder nach einem Präparat von einer Larve von ungefähr dem Stadium der Fig. 31. Seitenansicht, Vergr. ~r. Bstr Bauchstrang, im optischen Durchschnitt gezeichnet, bm Bauchmuskelfeld j rm Rückenmuskelfeld in Flächenansicht, sl Seitenlinie J in der mit * bezeichneten Region ist das Bauchmuskelfeld weggelassen und das tiefere Stratum der queren Bauchmuskeln zur Darstellung gekommen. Fig. 64. Quermuskeln eines etwas weiter vorgeschrittenen Stadiums mit 450 ihrem Peritonealüberzug, bei stärkerer Vergr.' dargestellt. -7-' (402) Studien über Entwicklungsgeschichte der Annelidon. 127 Taf. VII. Znr Entwicklungsgeschichte des Nierensystems von Polygordius. Sämmtliche Figuren sind nach dem lebenden Objecte bei Hartnack Immersion 10 gezeichnet (nur Fig. 76, 77, 78 bei etwas schwächerer Vergrösserung), der Massstab der Zeichnung ist, aber nur etwa v ^ei FiS- 65—73 und Fig. 79, etwas stärkere Vergr. bei Fig. 74, schwächere Vergr. bei Fig. 80. ^' ' Excretionscanal einer jungen, ungegliederten Larve. Fig. 66. J Fig. 67. Trichter und erweitertes Anfangsstück eines Excretionscanales einer ungegliederten Larve. Fig. 68. Zweiästiger Excretionscanal einer noch ungegliederten Larve. Fig. 69. Kopfniere von einer Larve, etwas jünger als die der Fig. 24. 1. 2- 3. Mesoderm Segmente des Rumpfes. Fig. 70. Kopfniere und Anlage des ersten Segmentalorgans , von einem etwas älteren Stadium, als Fig. 24. Fig. 71. Weiteres Entwicklungsstadium des ersten Segmentalorgans, nach einer anderen Larve. Fig. 72. "Weitere Entwicklung des ersten und Bildung des zweiten Segmental- organs. Fig. 73. Die Entwicklung des flimmernden Canales , aus welchem die Seg- mentalorgane entstehen , erstreckt sich bis in das 9. Rumpfsegment. Nach einer Larve von ungefähr dem Stadium der Fig. 25. Fig. 74. Weiteres Entwicklungsstadium der Segmentalorgane, nach einer Larve vom Stadium der Fig. 27. Fig. 75. Segmentalorgane einer Larve von einem Stadium, etwas älter , als das der Fig. 29. Fig. 76. Flimmergang eines Segmentalorgans in eine vacuolenähnliche Er- weiterung mündend, welche dem Ectoderm (Seitenlinie) angehört (Stadium der Fig. 29). Fig. 77. Aelmliche vacuolenförmige Erweiterungen, von der Fläche gesehen. Fig. 78. Seitenlinie mit vacuolenförmigem Endabschnitt des Segmentalorgans, im optischen Durchschnitt. Fig. 79. Kopfniere einer Larve vom Stadium der Fig. 30. Fig. 80. Vorderende eines jungen Polygordius. Kopfniere und das erste Segmentalorgan sind eingezeichnet, insoweit sie noch zu verfolgen waren ; Flimmer- bewegung war in denselben nicht mehr wahrzunehmen. Taf. VIII. Sämmtliche Figuren mit Camera lucida gezeichnet. Vergr. — . Fig. 81. Optischer Querschnitt durch den Rumpf der ungegliederten Larve, dicht vor dem After durch die zwei grossen Urzellen des Mesoderms. Nach dem- selben Objecte, wie Fig. 57 gezeichnet. Fig. 82. Optischer Querschnitt durch die Mitte des Rumpfes, nach demselben Objecte. (403) 128 Dr. B. Hatschek: Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Fig. 83. Querschnitt durch das Vorderende des Rumpfes, Stadium der Fig. 58. Fig. 84. Querschnitt aus dem hintersten Ende (Hinterdarmregion) einer Larve vom Stadium der Fig. 25. Fig. 85. Querschnitt derselben Larve, etwas weiter nach vorne (noch immer durch den Hinterdarm) geführt. Fig. 86. Querschnitt derselben Larve, aus der vorderen Region des Rumpfes. Fig. 87. Querschnitt aus dem hinteren Drittheil des Rumpfes einer Larve vom Stadium der Fig. 29. Fig. 88. Querschnitt aus der vorderen Rumpfregion derselben Larve. Fig. 89. Querschnitt aus dem Rumpfe eines jungen Polygordius, vom Stadium der Fig. 32. Fig. 90. Querschnitt durch das vorderste Ende des Kopfes desselben Indi- viduums. Fig. 91. Querschnitt durch dasselbe Individuum, weiter nach rückwärts geführt. Fig. 92. Querschnitt durch dasselbe Individuum, noch weiter nach rückwärts, dicht vor die Mundöffnung geführt. Die vordere Wandung des Oesophagus ist angeschnitten. Fig. 93. Querschnitt durch die hintere, postorale Kopfregion desselben In- dividuums. Fig. 94. Querschnitt aus der vorderen Hälfte des Rumpfes einer pelagisch gefischten Larve, deren Kopf denselben Bau zeigte, wie Fig. 31. Die Verhältnisse des Rumpfes scheinen nach der mir vorliegenden Schnittserie weiter entwickelt, als in Fig. 89. (404) üeber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. Ton Ludwig Lorenz. (Mit 3 Tafeln.) In den Monaten Mai und April des Jahres 1877 an der k. k. zoologischen Station in Triest mit zoologischen Studien be- schäftigt, fand ich anf den Kiemen von B e 1 o n e vulgaris die als Axine Belones von J. P. van Beneden beschriebene Poly- stomide und hatte Gelegenheit, dieselbe in grösserer Anzahl lebend zn untersuchen. Als ich im Herbste desselben Jahres wiederum mehrere "Wochen an der zoologischen Station arbeitete, gedachte ich die Axine eingehender zu studiren, da in den Arbeiten von van Beneden und van Ben e den und Hesse noch wenige detaillirtere und genaue Angaben über die Anatomie und beson- ders die Geschlechtsorgane derselben niedergelegt sind. Leider aber fand ich diesmal auf keinem einzigen der untersuchten Exemplare von B e 1 o n e den gewünschten Parasiten wieder. Offenbar tritt dieser Wurm nicht zu allen Jahreszeiten auf, wie auch aus den Mittheilungen von Herrn Dr. Gräffe hervorgeht, welcher denselben im Sommer wiederholt vergeblich aufzufinden sich bemühte. Herr Hesse gibt als Zeit seines Vorkommens die Monate December und Mai an. Während der letzten Tage meines zweiten Triester Aufent- haltes gelangte ich in den Besitz von zwei Exemplaren eines anderen Trematoden , einer an den Kiemen von P a g e 1 1 u s mormyrus lebenden Microcotyle. Bei Untersuchung dieses Thieres zeigte sich in der Organisation eine grosse Uebereinstimmung mit Axine, so dass die Unterschiede beider Thiere im inneren Baue nur auf geringen Abweichungen beruhen. Ich durchsuchte dann noch Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 28 (405^ 2 L. Lorenz: 7 Exemplare von P a g e 1 1 u s mormyrüs, von welchen ich wei- tere 5 Exemplare des erwähnten Wurmes erhielt, und das Studium derselben bestätigte mir die Ergebnisse meiner früheren Beobach- tung vollständig. Xach Wien zurückgekehrt, begann ich meine Präparate von Axine und Microcotyle genauer zu studiren und eine Anzahl in Weingeist conservirter Exemplare von Axine aufzuarbeiten. Die mikroskopischen Präparate waren in der AVeise verfertigt, dass ich die Thiere nach vorausgegangener Härtung in Alkohol, mit Pikrocarmin tingirte, dann mit absolutem Alkohol behandelte, in Nelkenöl aufhellte und schliesslich in Damarlack einschloss. Derartige Präparate des ganzen Thieres waren sehr durchsichtig und Hessen alle Details deutlich erkennen. Ausserdem verfertigte ich auch Querschnitte und untersuchte die histologischen Elemente an Zerzupfungspräparaten. Endlich war es mir, im Monat April des laufenden Jahres von Neuem möglich, an der Station in Triest A x i n e - Exemplare frisch zu untersuchen , so dass ich noch über manche Dinge , die mir früher unklar geblieben waren , Aufschluss und Grewissheit erhielt und nunmehr es wagen darf , die Resultate meiner Beob- achtungen im Nachfolgenden zusammenzustellen. Ich hoffe in demselben einen kleinen Beitrag zur Kenntniss der Organisation der Polystomeen liefern zu können, der viel- leicht um so erwünschter sein dürfte, als diese Ordnung im Ver- gleiche zu den übrigen Trematoden , insbesondere den Distomeen noch verhältnissmässig wenig eingehender Untersuchung gewürdigt wurde, und ausser verschiedenen Arbeiten über Diplozoon paradox um, dann den sehr ausführlichen und genauen Arbeiten Zeller's über Polystomum integer riinnrn und einer kürz- lich erschienenen Arbeit über Calicotyle Kroyeri von Wierzejski keine Special-Untersuchungen über diese höchst interessanten Würmer vorliegen. x) Bevor ich zur Behandlung des Gegenstandes selbst übergehe, obliegt mir noch die angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. C. Claus für die Leitung und ') Bereits im Begriffe, mein Manuscript dem Brücke zu übergeben, kam mir die Arbeit von Carl Vogt „lieber die Fortpflanzungsorgane einiger ektoparasitiscker, - mariner Trematoden" , in welcher auch die von mir im Folgenden zu behandeln- den "Würmer Erwähnung finden, gerade noch rechtzeitig zur Ansicht , um dieselbe hier berücksichtigen zu können. 1 6) Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 3 Unterstützung, welche derselbe bei dieser meiner ersten Arbeit mir angedeihen Hess, meinen innigsten Dank hiemit öffentlich auszusprechen. Axine Belones Abildgaard. (Taf. i und 2.) Ausführlichere Angaben über die. Parasiten von Belone Esox finden wir zuerst in P. J. van Beneden's: „Memoire sur les vers intestinaux" x) unter dem oben angeführten Namen, und er- fahren daraus, dass unser Wurm schon gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts (1794) von Abildgaard zuerst beobachtet und benannt, später von Die sing in zwei Arten, Hetera- canthus p e d a t u s und sagittatus gesondert wurde, dass aber dieser Forscher in einer neueren Arbeit wieder zur ursprünglichen Bezeichnung zurückkehrte. Creplin and Duj ardin beschreiben diesen Wurm unter dem Namen Heteracanthus pedatus; Otto, Leuckart, Oken, de Blainville und M o q uin Tandon gedachten desselben in ihren Schriften, ohne jedoch sich auf eigene Beobachtungen stützen zu können. Was die Beschreibung des Thieres selbst betrifft , so führe ich hier an , dass sich die- selbe im Wesentlichen nur auf die äusseren Formverhältnisse bezieht. Ich werde später noch auf die einzelnen Angaben zurück- zukommen mir erlauben. Im Jahre 1863 erschien das Werk von P. J. van Bene- den und C. E. Hesse über Bdelloden und marine Trema- toden2), in welchem ein ectoparasitischer Trematode von den Kiemen von E s o x Belone als Axine orphii Nob. beschrieben und abgebildet ist. Beschreibung und Abbildung passen so ziem- lich auf die Axine Belones Abildgaard's , als welche ich un- seren Wurm erkannt habe , und ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass beide Formen identisch sind. Befremdend erscheint es mir aber, dasselbe Thier unter einem anderen Namen in dem gemeinschaftlichen Werke zweier Forscher als neu angeführt zu sehen , obwohl dasselbe in dem zwei Jahre früher erschienenen Werke des einen dieser Forscher, und zwar schon ausführlicher als hier beschrieben, und die Priorität seiner Entdeckung sowohl, wie seiner Namengebung Abildgaard ausdrücklich zuerkannt worden war. Wahrscheinlich hat Hesse keine der früheren Be- ') Supplement aux comptes rendus des seances de l'academie des sciences ; Paris 1861. 2) Recherckes sur les Bdellodes ou Hirudinees et les Trematodes marins, par P. J. van Beneden et par C. E. Hesse, Brnxelles. 28* Wu7' 4 L. Lorenz: Schreibungen von Axine Belones gekannt und dieselbe für eine neue Art gehalten, ohne andererseits von seinem Mitarbeiter auf dieses Versehen aufmerksam gemacht worden zu sein. Selbstver- ständlich schliesse ich mich in der Benennung der zuerst erwähn- ten Arbeit von P. J. vanBeneden an, sowie ich auch späterhin hauptsächlich auch diese im Auge haben werde, indem die zweit- angegebene Beschreibung nichts Wesentliches enthält, was nicht schon in der ersteren angeführt wäre. Was zunächst die allgemeinen Merkmale und Formenver- hältnisse der Axine Belones (Taf. I , Fig. 1 und 2) betrifft, so erscheint der 4 — 8 Mm. lange Körper am vorderen Theile spitz und schmal, nach hinten zu merklich verbreitert. Seine Farbe ist milch weiss , fast durchscheinend, an den Rändern hell- grau. Sowohl in der Lage seiner inneren Organe, als auch in der äusseren Gestalt ist das Thier höchst unsymmetrisch gebaut. Aeusserlich, indem die eine Längsseite die andere um ein Fünftel an Länge übertrifft, wodurch das Thier an seinem hinteren, plötz- lich flügeiförmig verbreiterten Ende schief abgeschnitten erscheint. Die rechte Seite (in der von der Bauchfläche dargestellten Ab- bildung die linke) stellt sich als die längere dar und ist meist convex gekrümmt, wogegen die linke Seite dann schwach concav ist; jedoch ist der Wurm auch im Stande, sich gerade zu strecken oder nach der anderen Seite sich zu krümmen. Der hintere, schiefe Endrand ist mit einer Reihe von 50 bis 70 schnallenförmigen Haftorganen besetzt (Fig. 2, Hft.). Als ein zur Charakterisirung sicher wichtiges Merkmal führe ich hier gleich die Anordnung und Zahl der die gemeinsame Ge- schlechtsöifnung umgebenden vier Gruppen von Häkchen oder Chitinstäben an. Vorne in der Mitte auf einer kleinen halbkuge- ligen Anschwellung (Taf. I, Fig. 4 h) 8 bis 1 2 zu einem Mittelpunkte zusammenneigende , in einen kleinen Kreis gestellte Häkchen ; jederseits seitlich davon in gleicher Höhe je ein Wulst (h) be- setzt mit einer doppelten Reihe von 12 bis 20 an der Spitze hakenförmig gebogenen Stäbchen und an der Basis des Cirrus ein halbgeschlossener einfacher Kranz von 16 bis 2 4 eben solchen Stäbchen (H). Die beiden Sauggruben zu den Seiten der Mundöffnung, die fast allgemein bei den Polystomeen auftreten , fehlen auch bei Axine nicht. Schon an Präparaten des ganzen Thieres, noch deutlicher aber auf Querschnitten sieht man, dass dasselbe wie alle soge- (408) Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 5 nannten parenchymatösen Würmer wesentlich aus zwei verschie- denen Schichten besteht: dem Hautmuskelschlauche und dem vom ersteren eingeschlossenen Körperparenchyni , in welchem die Er- nährungs- und Fortpflanzungsorgane eingebettet liegen. Die äussere Hülle wird dargestellt durch eine sehr zarte Cuticula, unter welcher sich eine dünne Lage feinkörniger, protoplasmatischer Substanz befindet. Die Haut erscheint an dem vorderen Körper- theile, wenn das Thier nicht etwa gedrückt wird und sich mehr weniger contrahirt, meist quer gerunzelt, während sie gegen das hintere Ende des Körpers stets ganz glatt bleibt und nur hier und da zerstreut kleine wärzchenförmige Erhebungen zeigt, deren Bedeutung ich mir nicht recht zu erklären vermag, da sie weder Kerne der Cuticula darzustellen , noch zu Ausführungsgängen von Hautdrüsen in Beziehung zu stehen scheinen. Die Muskelfasern sind lang, glatt, hellglänzend und färben sich im Vergleiche zu den übrigen Geweben sehr langsam mit Carmin. Den Verlauf derselben kann man bei ganzen und zer- zupften Thieren leicht verfolgen und dabei hauptsächlich zwei Arten von Fasern unterscheiden. Am deutlichsten treten die starken Längsfasern hervor , die an ihren Enden in feine Fäden ausgehen, in der Mitte aber mehr bandförmig erscheinen. Die zweite Form von Muskelfasern wird durch ein Gewebe von viel zarteren fadenförmigen Fibrillen repräsentirt , welche in drei verschiedenen Zügen, nämlich nach der Quere und gekreuzt diagonal verlaufen. Querschnitte zeigen, dass die Längsmuskeln die innere, die zarteren Fasern aber die äussere Lage des Muskelapparates bilden, und dass auch zahlreiche feinere Muskelbündel den Körper in dorsoventraler Richtung durchsetzen. An den Hautmuskelscklauch legen sich zunächst nach Innen zerstreute kleine (0-0ü(5 Mm.) Zellen an, die sich mit Carmin stark roth färben, in der Mitte aber etwas heller bleiben und ein punktförmiges Körperchen erkennen lassen. Ob dieselben vielleicht mit den Muskelfasern in Verbindung stehen , wie Aehnliches S a 1 e n s k y bei A m p h i 1 i n a f o 1 i a c e a x) beschreibt , vermochte ich nicht sicher festzustellen, wenngleich mir dies sehr wahrschein- lich ist. Mit Hilfe des Muskelapparates ist Axine im Stande, ziem- lich unbeholfene kriechende Bewegungen auszuführen, indem das r) Zeitschrift f. Wissenschaft!. Zoologie XXIV. p. 306. Taf. 29, Fig. 7. 109) fi L. Lorenz: Thier zuerst den Vorderleib lang austreckt und dann den Hinter- theil nachzieht oder durch Hin- und Herwinden des ganzen Kör- pers sich von der Stelle fördert. Der ganze hintere schiefe Körperrand ist mit einer grossen Zahl von Haft Organen besetzt (Taf. II, Fig. 8, 9 und 10), die durch besondere Muskelbündel bewegt werden. Dies sind aber keine Saugnäpfe (ventouses), wie van Beneden sie irrthümlich nennt, denn ihre Function ist, wie ich im Folgenden darthun werde, keineswegs eine saugende. Jedes Haftorgan besteht aus einer länglichen flachen Tasche (Fig. 8, 9, 10) , welche an dem freien, vorstehenden Abschnitte schlitzförmig geöffnet ist. Am besten würde der Vergleich mit einer Handtasche zutreffen , zumal die freien Bänder, der Metalleinfassung vergleichbar, durch mehrere zu einem Halborgan vereinigte Chitinstäbe gestützt werden und du ich gelenkige Verbindungen auch ein Auf- und Zuklappen ge- statten. Die natürliche Lage der Haftorgane gestaltet sich so zum Körper des Thieres (Fig. 8), dass der freie Rand (Hr) der- selben mit senkrecht gestelltem Schlitze nach hinten sieht, wäh- rend die eine Wand nach links (1), die andere nach rechts (r) zu liegen kommt. Die freien Ränder werden jederseits von vier Chitin- stäben gestützt, von denen je zwei, welche die stärkeren sind, oben und unten zur Vermittlung der gelenkigen Verbindung (Fig. 9 und 10, o, u), die schwächeren aber paarweise in der Mitte angeordnet erscheinen (Fig. 9, Hr). Von rechts nach links um die Mitte des Sackes ist eine hakig gebogene Chitinlamelle gelegt (Fig. 9, eh), welche rechterseits bis fast an den Rand der Klappe geht (Fig. 8, r), auf der anderen Seite aber nur bis zur Mitte der linken Klappen- wand reicht (Fig. 8, 1). Diese wird dafür durch je eine kleine Spange (Fig. 9, s s) vom oberen und unteren G-elenke aus gespannt erhalten. Dadurch ergibt sich, dass die rechte Klappenwand ganz unbeweglich ist und nur der hintere freie Theil der linken Wand gegen die erstere sich bewegen kann. Man bemerkt auch in der That, dass sich an jener viel mehr Muskeln ansetzen, als an der rechten, so dass die Muskeln der linken Seite hauptsäch- lich das Auf- und Zuklappen der Haftorgane bewirken, während die Fasern der rechten Seite eine Verschiebung des ganzen Haft - organes in verschiedene Lagen veranlassen. Diese Haft- oder Greiforgane zeigen auch zu gleicher Zeit eine zweifache Beweg- lichkeit; es bewegt sich das eine oder andere aus der in Ruhe befindlichen Klappenreihe heraus , indem es mehr oder weniger rasch vorgestreckt und wieder zurückgezogen wird; daneben (4:o) Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle 7 klappen zugleich die Ränder der Tasche auf und zu. Diese Be- wegung wird abwechselnd von der einen oder anderen Klappe ausgeführt, und zwar, wenn das Thier noch lebensfrisch ist, rasch und heftig. Die Thiere haben die Eigenthümlichkeit , sich bis- weilen mit dem Kopfende nach dem hinteren Körperrande zu krümmen und sich dann mit den Haftorganen selbst hineinzu- beissen. Ich habe im Innern der Klappen oft Schleimmassen, die von den Kiemen der Fische herrührten, eingeklemmt gesehen. Die Muskelfasern, welche die Klappen bewegen, sind ziemlich stark und verlieren sich, nachdem sich die einzelnen Bündel nach vorne ausgebreitet und vielfach gekreuzt haben , in dem Gewebe der feineren queren und schrägen Muskelzüge , andere setzen sich direct in die Längsmuskeln fort. Bezüglich der Klappenhaut ist anzuführen, dass dieselbe, wie man im Querschnitte (Fig. 9, k) sieht, aus einer grossen Zahl sehr dicht aneinander gelegter, durch eine Bindesubstanz verkitteter Stäbchen oder kurzer Muskelfasern gebildet ist. Auf die Muskelschichte folgt das z e 1 1 i g - b i n d e g e w e b ig e Körperparenchym, welches am schönsten an jenen Stellen zu untersuchen ist, wo keine anderen Organe in dasselbe einge- lagert sind , nämlich in der Gegend des Halses bis zum oberen Ende der Dotterstöcke, und an dem Schwanzende, wo die Zellen desselben zwischen den zu den Haftorganen ziehenden Muskeln zahlreich zerstreut vorkommen (Fig. S, p). Aber auch in den wenigen Räumen zwischen den verschiedenen Theilen der Ge- schlechtsorgane sind oft einzelne Zellen zu beobachten. Am Kopf- ende sind die Parenchymzellen kleiner und nehmen nach hinten bis zu den weiblichen Geschlechtsorganen an Grösse allmälig zu; am Schwanzanhange finden sich kleinere und grössere Zellen un- regelmässig gemischt. Im frischen Zustande sah ich gewöhnlich nur die Kerne deut- lich, ein vollständiges Bild von denselben gewann ich aber durch die Tinction mit Carmin. Die Parenchymzellen (Taf. I, Fig. 5, 6 und 7) stellen sich dann dar als rundliche oder ovale, von einer feinen Membrane umschlossene Bläschen (0*02 Mm. im grössten Durchmesser), die in der Mitte bisweilen auch wandständig einen ovalen Kern (O008 Mm.) mit doppelt contourirter Hülle und einem (selten zwei) kleinen Nucleolus enthalten. Von jedem Kerne ziehen feine Protoplasma-Fäden strahlenförmig nach der Zell- membrane. An den gefärbten Präparaten sah ich, dass der Zellinhalt L. Lorenz: nicht immer derselbe ist. In dem einen Falle (Fig. 7, a) bleibt der Raum zwischen Kern und äusserer Zellwand hell , ungefärbt und erscheint gleichförmig homogen , während er andererseits (Fig. 7, b) oft wieder von einer dichten , granulösen Masse er- füllt ist, die sich dann stark roth und bisweilen so dunkel färbt, dass der Kern nur schwer zu sehen ist. Beide Modifikationen der Parenchymzellen finden sich oft bei demselben Thiere an ver- schiedenen Stellen des Körpers oder auch bei verschiedenen Thieren an denselben Stellen. In der Nähe des Uterus habe ich die Zellen immer mit körnigem Inhalte gefunden. Für das Nervencentrum halte ich einen bogenförmigen Streifen, der im Innern des Körperparenchyms über der Mitte des Schlundrohres liegt und aus einer gelblichen faserigen und zugleich feinkörnigen Substanz besteht, die durch Carmin gar nicht oder nur sehr schwach gefärbt wird. (Taf. I, Fig. 2, N). Von diesem Bogen kann man auf eine ganz kurze Strecke feine Fasern nach hinten ausstrahlen sehen, die sich aber bald im Parenchynigewebe verlieren, Dieses muthmassliche Nervencentrum ist sehr unschein- bar und ich selbst hatte es längere Zeit ganz übersehen ; nach- dem ich dasselbe aber einmal beobachtet , fand ich es bei allen Thieren in den Präparaten leicht auf. Das Nervensystem der Polystomeen ist eben wegen der besonderen Zartheit seiner Structur noch sehr wenig .gekannt und ich war anfänglich im Zweifel , ob ich den beschriebenen hellen Streifen wirklich als Nervencentrum in Anspruch nehmen dürfe. Ich fand aber bei einer anderen P olystomee, — Trochopus tubiporus, Dies, auf den Kiemen von T r i g 1 a H i r u n d o — die ich auch eingehender untersuchte, dass das unter den hier vorhandenen vier Augen- flecken gelegene unverkennbare Nervencentrum ganz dasselbe Aussehen und dieselbe Structur besitzt. In diesem Falle habe ich an dünnen Querschnitten auch hie und da sehr kleine Zellen mit feinen Ausläufern in unmittelbarer Nähe der körnig-faserigen Masse des Nervencentrums gesehen, die dann als Ganglienzellen zu deuten sein würden ; bei Axine konnte ich nichts Derartiges beobachten, ich darf jedoch annehmen, dass auch hier dieselben Zellen vorkommen, jedoch in den Präpa- raten sich nicht erhalten hatten. Es ist eben auch zugleich die Lage dieses feinkörnigen Streifens über der Mitte des Oesopha- gus , welche für die Bedeutung desselben als Nervencentrum spricht. Uebrigens scheinen mir bis jetzt eigentliche Ganglienzellen U2) Ceber die Organisation der Gattungen Axine nnd Microcotyle. 9 im Nervencentrum der Polystomeen noch gar nicht sicher consta- tirt zu sein. :) Wierzejski beschreibt bei Calicotyle Kroyeri meh- rere Gruppen unterhalb des Schlundkopfes gelegener Zellen2), die er auf Grund der Vergleichung mit den bei anderen Trenia- toden vorkommenden Ganglienzellen auch für selche erklärt. Ich halte aber diesen Vergleich der erwähnten Zellen von Calico- tyle mit den von Walter beschriebenen Nervenzellen von Amphistomum subclavatum und Distom um lanceola- tum nicht für statthaft, da bei diesen immer auch die von den Ganglienzellen auslaufenden Nervenfasern beobachtet wurden. "Wenn Wierz ejski in seiner Arbeit behauptet, dass Zeller bei Polystomum integerrimum auch Ganglienzellen beschrieben habe, so ist dies unrichtig, denn Zeller erwähnt mit keinem Worte einer Ganglienzelle, wohl aber theilt er mit, dass sich in der Nähe des Schlundkopfes Drüsenzellen befinden, mit langen in den Schlundkopf mündenden Ausführungsgängen. Diese Driisen- zellen sind auch abgebildet, keineswegs aber Ganglienzellen. Ich hatte Gelegenheit einige Exemplare von Calicotyle selbst lebend und in Präparaten zu sehen und wurde dadurch in meiner schon früher gehegten Vermuthung bestärkt , dass die in Rede stehenden Zellen derselben lediglich Drüsenzellen seien. Wierzejski erwähnt auch eines von der Geschlechtscloake beiderseits horizontal verlaufenden und am Ende radienförmig auseinandergehenden Bündels von feinen Fasern, die er den Ner- venfasern sehr ähnlich erklärt. 3) Bei so niedrig stehenden Thieren wie die Polystomeen, deren centrales Nervensystem schon so schwer zu erkennen und aufzufinden ist, erscheint es mir jedoch J) In der sonst so eingehenden und ausgezeichneten Arbeit Zeller's finden sich keine ausführlichen Angaben über das Nervensystem des Polystomum inte- gerrimum ; jedenfalls sind auch hier noch keine Ganglienzellen beobachtet worden. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XXII. p. 18. — Zell er hat ausserdem bei dem aus Leucochloridium paradox um sich entwickelnden Distom. macrosto- mum (dieselbe Zeitschrift XXVII. Taf. XL VIII, Fig. 6, k) das Nervensystem als ein feinfaseriges Querband über dem Oesophagus zwischen Mnndsaugnapf und Schlundkopf, welches sich seitlich dann in mehrere Theile verzweigt , abgebildet ; in der Beschreibung habe ich aber keine Angaben über dasselbe gefunden. In der- selben Weise hat Zeller das Nervensystem von Distom. Squamula (dieselbe Zeit- schrift XVII. Taf. XIII) dargestellt. 2) Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. XXIX. p. 553 und 554. Taf. XXX. Fig. 8, g. 3) A. a. 0. p. 551. 10 L. Lorenz: gewagt, oline Angabe triftiger histologischer Gründe oder morpho- logischer Anhaltspuncte des Ursprunges zarte Fasergruppen für Nervenfasern auszugehen. Ueher den Darmcanal vermochte ich folgende Verhältnisse festzustellen : Vor dem Munde (Fig. 2 und 3) findet sich an der Spitze des Körpers eine von der Rücken- zur Bauchseite etwas zusammen- gedrückte, trichterförmige Höhle, in welcher rechts und links je ein Sangnapf gelegen ist. Am Rande derselben befindet sich zu jeder Seite eine Gruppe kleiner, im frischen Zustande stark lichtbrechender, gelblich glänzender Körnchen, die sich mit Carmin sehr intensiv roth färben. Die Saugnäpfe werden von einer musculösen. dicken Haut gebildet, welche von zahlreichen, dicht neben einan- der liegenden, radialen Muskelfasern durchsetzt ist. An die Mund- höhle schliesst sich, durch eine geringe Verengung von dieser ge- sondert, der Oesophagus an und hier liegt in der Mitte desselben eine ovale musculöse Blase, welche deutliche Querstreifung zeigt (Fig. 3, R). Ich hielt das Gebilde anfänglich für einen Bulbus oesophagi. Als ich aber einmal mehrere noch sehr frische Thiere untersuchte, bemerkte ich, dass die Blase an der Rückenseite des Oesophagus durch Muskeln befestigt sei und die Rolle eines vor- streckbaren Schlundrüssels , dem Rüssel der Dendrocölen ver- gleichbar, besitze. Die Thiere führten lebhafte Bewegungen mit dem vorderen Körpertheile aus, schlössen und öffneten die Mund- höhle , indem sie die beiden seitlichen Winkel derselben gegen- einander bewegten oder von einander zogen und zugleich die ovale Blase weit aus dem Munde vorstreckten, um sie dann rasch in den Oesophagus zurückzuziehen. Der Oesophagus (Fig. 2 und 3, 0 e) verläuft als ein einfaches cylindrisches Rohr in der Mitte des Körpers bis unter die ge- meinschaftliche GeschlechtsöfFnung , wo er sich dann in die zwei Darmschenkel (Fig. 2, D) theilt, welche noch durch eine kurze Strecke einfach bleiben ; erst in der Region der Dotterstöcke beginnen sie seitliche, kurze Ausläufer oder Blindsäcke zu ent- wickeln, welche dem Darme (wie es bei sehr vielen Polystomeen der Fall ist) eine dendritische Gestalt verleihen. Die beiden Darmschenkel ziehen sich nun, dicht von den Dotterstöcken um- hüllt , so dass man in seltenen Fällen das Lumen des Darmes selbst unterscheiden kann, längs den Seiten des Körpers nach dem hinteren Ende desselben. Hier erreicht der linke , also auf der längeren Seite des Körpers befindliche Schenkel bereits sein Ende, während der rechte sich noch nach links biegt und parallel zum (4M) Heber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 11 hinteren Rande des Thieres gegen den ersteren, gerade gebliebenen Schenkel hinzieht und so nahe an diesen herantritt, dass man. wenn der Darm nicht mit Inhalt gefüllt, wie es gewöhnlich der Fall, und die Dotterstocksdrüsen ihn dicht umhüllen, eine Wie- dervereinigung der beiden Darmschenkel verinuthen könnte. Van Beneden nimmt auch irrthümlich eine solche Wiedervereinigung an; ich kann aber mit Bestimmtheit versichern, dass die beiden Darmschenkel , obwohl sie mit ihren Enden einander sehr nahe kommen, doch nicht in einander übergehen. Der Darm scheint mir — im Gegensätze zu dem der Distomeen — keine besondere Wand zu besitzen (Stieda1) und Zell er2) geben dasselbe auch von Polystomum integerrimum an) und nur eine Höhle im Körperparenchym zu sein; es ist jedoch die Höhlung durchgehends im Innern mit zahlreichen zerstreuten Pigmentzellen (Fig. 11 . ausgekleidet, die von sehr kleinen dunkelbraunen Körnchen erfüllt sind und in der Mitte oder auch wandständig den Kern als einen hellen Körper erkennen lassen. Diese Pigmentzellen verursachen zugleich mit der etwas dunklen Farbe der Dotterstöcke die blass- graue Färbung an den Rändern des Thieres. Ich habe den Darm meist ganz leer, in manchen Fällen aber mit einer gelbbraunen Masse erfüllt gefunden, die wahr- scheinlich aus verändertem Blute und Schleime der Kiemen be- steht. Ausserdem sah ich darin bisweilen eine Menge von kleinen dunkelbraunen Körnchen, welche sich in lebhafter , mole- eularer Bewegung befanden. Es ist das wohl der aus den ge- borstenen Pigmentzellen ausgetretene Inhalt, wie ja auch bei Polystomum integerrimum von Zeller beobachtet wurde, dass die pigmentirten Zellen des Darmes zerreissen und sich dann das Pigment in dem Speisebrei findet. Der Schluss Zeller's auf eine Beziehung dieser Zellen zur Verdauung, erscheint mir dem- nach sehr berechtigt. Das excretorische G-efässsystem (Fig. 2, Ex) ist bei Axine sehr schön entwickelt und verläuft in Gestalt zweier, im Innern lebhaft flimmernder Längscanäle, parallel mit und über den Darmschenkeln in vielfach geschlängelten Windungen. Jeder der beiden Canäle theilt sich im vordersten Viertheile des Körpers in zwei Aeste. von denen der eine jederseits gegen den Körperrand sich wendet und daselbst auf der Rückenfläche durch eine OeiT- 1) Reichert und Du Boi s - Reynion d's Archiv f. Anatomie. LS7P, p. 664. 2) Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. XXVII. p. 241. (415) 12 L. Lorenz: nung in einer kleinen Papille nach aussen mündet, während der andere nach der vorderen Körperspitze zieht und möglicherweise in die Mundhöhle führt. Die beiden Seitencanäle vereinigen sich am hinteren Körperende in einem Bogen, von dem in der Mitte ein Canal ausgeht und zum hinteren Körperrande führt, wo er sich vielfach vertheilt. Aus diesem hinteren Bogen, etwas mehr nach links von dem zuerst erwähnten Canale, entspringt noch ein zweiter Ausläufer, der sich allmälig verschmälernd bis fast ganz in die äusserste linke Ecke des Körpers erstreckt, Von diesen Hauptstämmen des excretorischen Gefässsystemes entspringen zahl- lose kleine Canälchen, welche sich in das Körperparenchym hin- ein erstrecken und alle intercellularen Räume in demselben zu durchsetzen scheinen. Der männliche Geschlechtsapparat wird gebildet aus einem paarig angelegten Hoden, einem Samenleiter mit Samenblase und dem mächtig entwickelten Cirrus oder Penis. Der Hoden (Fig. 2, t) ist von grosser Ausdehnung ; er be- o-innt o-leich unter dem Keimstocke mit dem zweiten Drittel der Körperlänge und erfüllt den ganzen Raum zwischen den Darm- schenkeln und Dotterstöcken, bis nach dem hinteren Körperende, wo die beiden Darmschenkel sich in einem Bogen wieder nähern ; er ist also nach vorne von dem Eierstocke und nach hinten und den Seiten von den Darmschenkeln beziehungsweise Dotterstöcken unmittelbar begrenzt. "Was den inneren Bau des Hodens betrifft, so wird derselbe aus einer Anzahl von Bläschen oder Kammern zusammengesetzt, welche , da ihr Binnenraum stets mit Samenmutterzellen und Samenfäden erfüllt ist , sich dicht aneinander schliessen und fast alles Körperparenchym zwischen sich verdrängen, so dass sie nur durch dünne Brücken bindegewebiger Fasern von einander ge- trennt sind. Die einzelnen Hodenbläschen liegen alternirend in zwei Längsreihen , so dass die Duplicität der Anlage des ganzen Hodens durch eine mehr weniger zickzackförmige mediane Grenz- linie angedeutet wird. Dass der Hoden paarig sei , erkannte ich ferner daraus, dass ich deutlich aus den vordersten nebeneinander- liegenden Hodenbläschen je einen sehr zartwandigen A u s führungsgang entspringen sah , welcher sich dann mit dem zweiten alsbald zu einem gemeinsamen Canälchen (Fig. 4, V d) vereinigte. Wie die einzelnen Hodenkammern untereinander in Verbindung stehen, konnte ich nicht mit Sicherheit feststellen. Es ist sehr wahrscheinlich , dass dieselben auf jeder Seite durch Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 13 einen gemeinsamen Canal zusammenhängen, wie es beispielsweise von Wierzejski für die Calicotyle Kroyeri dargestellt wird. l) Jede einzelne Hodenkammer ist zunächst mit einer Lage von kleinen (0'0U6 Mm.) Zellen ausgekleidet, die meist ziemlich dicht, ein förmliches Epithel darstellend, aneinander grenzen (Fig. 12). Dadurch, dass sich an den Grenzen zweier Hodenbläs- chen immer eine doppelte Reihe der erwähnten Zellen sehen lässt, wird die Sonderung jener besonders deutlich. Der Inhalt der Hodenbläschen besteht aus einer grossen Menge verschiedenartig aussehender Zellen, welche die Entwick- luno-sstadien des Samens aus den Samenmutterzellen darstellen. Ich befasste mich längere Zeit mit dem Studium der Entwickelung der Samenkörper von Axine und bemühte mich dann über die Entwickelung des Samens bei den Trematoden über- haupt ein möglichst vollständiges Bild zu gewinnen, indem ich vergleichsweise auch den Inhalt der Hodenkammern von Tro- chopus tubiporus und Distomum megastomum unter- suchte. Ich fand hiebei keinen Unterschied zwischen Polystomeen und Distomeen und werde mich daher auf die Darstellung der Samenentwickelung von Axine beschränken. Es war insoferne schwer eine vollständige Reihenfolge von Entwickelungsstadien zusammenzustellen, als die betreffenden Elemente ausserordentlich veränderlich sind und man eine Menge von Formen mit zu sehen bekommt , welche durch den Einfluss verschiedener Umstände künstlich erzeugt werden. Ein Haupterforderniss ist es , den In- halt von ganz frischen lebenden Thieren in reinem Seewasser zu untersuchen, indem sich auf diese "Weise die Zellen am längsten unverändert erhalten. Ich fand, dass sich der ausgetretene In- halt, der meist alle möglichen Entwickelungsstadien zeigt , nach vorheriger Behandlung mit einer 1 — 1 2° 0 Lösung von Osmium- tetroxyd, in verdünntem Carbol-Glycerin sehr gut conserviren lasse. Der Hoden enthält zunächst einzelne kleine Zellen, die mit den von mir als Epithelzellen des Hodens bezeichneten Elementen die grösste Aehnlichkeit haben und auch in der That nur solche losgelöste Zellen sind; dann findet man dieselben Zellen in ver- schiedenen Stadien der Theilung begriffen (Taf. IL Fig. 12' a, b. c), oft noch durch Protoplasmafortsätze zusammenhängend oder zu grösseren Haufen zusammengedrängt (Fig. 12', d). Ferner gewahrt man Zellen, welche grösser als die letzterwähnten sind, von sehr ') A. a 0 P. 556. (417J 14 L. Lorenz: feinkörnigem Protoplasma mit einem ganz hellen Kern. (Fig. 1 2'. e). Es sind das Theilungszellen des Epithels , welche sich von den Hänfen getrennt und an Grösse allmälig zugenommen haben. Wenn dieselben etwa die doppelte oder dreifache Grösse des Durchmessers der Epithelzellen erreicht haben, beginnen sich als- bald in deren Protoplasma die Köpfe der Samenkörper zu bilden, welche zuerst als kleine helle Bläschen oder Kugel chen erscheinen (Fig. 12, f), immer mehr an Zahl zunehmen, bis sie schliesslich das Protoplasma der Mutterzelle ganz erfüllen und den in ihrer Mitte gelegenen Kern verdecken (Fig. 12', g). Die hellen Kiigel- chen drängen sich dann nach der Peripherie der Mutterzelle , so dass diese hiedurch das Aussehen einer kleinen Brombeere er- hält (Fig. 12', h). Wenn man dieses Stadium nach Zusatz von sehr verdünnter Essigsäure unter starker Vergrösser im g betrach- tet, gewinnt man erst ein Bild, welches dessen inneren Bau er- kennen lässt (Fig. 12', i). Der weitere Gang der Entwickelung besteht nun darin, dass das Protoplasma der Mutterzelle überall dort, wo sich bereits ein Köpfchen gebildet und angeordnet hat, in einen anfangs kleinen Fortsatz aus wächst (Fig. 12', k) , der sich dann allmälig zu einem sehr langen Faden, dem Schwänze der Spermatozoen, auszieht (Fig. 12', 1). Sobald mit dieser Ent- wicklungsstufe die Samenkörper zur Reife gelangt sind , quillt das Protoplasma der Mutterzelle in auffallender Weise , und mit dessen Zerfall gewinnen die einzelnen Spermatozoen ihre Selbst- ständigkeit. Wenn man die letzterwähnten Stadien (k, 1) mit schwacher Essigsäure behandelt, so zeigt es sich , dass die Köpf- chen der Spermatozoen nicht aus durchgehends gleicher Masse be- stehen, sondern es wird in der Mitte derselben ein kernähnlicher lichtbrechender Fleck sichtbar. Der Endtheil des männlichen Organes, der C i r r u s oder Penis (Taf. I, Fig. 4, P) ist ein birnförmiger , sehr musculöser Körper, dessen schmäleres Ende, die Spitze, nach vorne gekehrt, während das breite Ende nach hinten gelegen ist. An der Basis desselben tritt der ductus ejaculatorius ein und führt durch eine apicale Oeffnung nach aussen. Den Basaltheil des Cirrus umgreift von der Dorsalseite eine wulstige Verdickung , welche an der Bauchseite 1/3 eines Kreises frei lässt und mit ungefähr 20 hakig gekrümmten Stäbchen besetzt ist (Fig. 4, H). Da der Cirrus mit dem Endtheile der weiblichen Geschlechtsorgane in inniger Ver- bindung steht, so dass dieser gemeinschaftliche Apparat als ein sehr complicirtes Gebilde erscheint, will ich denselben gleich UM Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 15 hier darstellen. Es liegt nämlich der Cirrns innerhalb einer hohlen Blase, einer Art Genitalcloake , in welche dorsal wärt.- auch der Eileiter hineinführt, so dass die Eier durch dieselbe ventrale Oeffnung dieser Blase, durch die zugleich auch der Cirrus ausgestreckt wird, nach aussen gelangen. Im Innern er- heben sich an der Wand dieser Blase die hakentragenden An- schwellungen, welche ich schon früher erwähnt habe , und zwar ventral vom Cirrus das halbkugelige Gebilde mit den kleinen in einen Kreis zusammenneigenden Häkchen (Fig. 4, h), während dorsal die zwei seitlichen Wülste mit den Doppel- reihen von Häkchen (Fig. 4, k') ihre Lage haben. Vom Grunde dieser Geschlechtscloake breiten sich zahlreiche Muskelfasern nach hinten fächerförmig in das Körpergewebe hin- ein aus, welche zur Bewegung des Cirrus dienen (Fig. 4, M). Der weibliche Geschlechtsapparat (Taf. I, Fig. 4 und 4') setzt sich zusammen aus dem Eierstocke (Ovundov mit seinem Ausführungsgange (Od, Od', 0 d") , dem Receptaculum seminis (Rs), der Scheide (Vg) , dem Uterus (Ut) , den paarigen Dotterstöcken (Dst) mit den Ausführungsgängen (Dg und dg), schliesslich der Geburtsöffnung (Gg>. Der Eierstock (Fig. 4, Ov) liegt knapp an dem Dotter- stocke auf der linken Seite des Thieres und biegt sich mit seinem hinteren blinden Ende i^Fig. 4, ov) nach rechts und aufwärts bis zu einem Drittel der Länge des links gelegenen Theiles. Er ist hier in der Mitte schwach eingebuchtet, so dass eigentlich zwei stumpfe Enden vorhanden sind. Auf der den Eierstock umhüllenden Membran sieht man an vielen Stellen, wo die Eier sich nicht dicht an dieselbe anlegen, zerstreute, in's Innere vorspringende Kerne , welche besonders an der Uebergangsstelle dieser Membrane in den Eileiter zahl- reich sind. In dem blinden Endtheile des Ovariums bilden sich die E i- keime, welche hier in dem noch als homogene feinkörnige Masse erscheinenden Protoplasma eingebettet liegen. In dem linksseitigen grösseren Abschnitte des Ovariums aber befinden sich die schon mehr oder weniger reifen Eier , welche aus dem Dotter (-Protoplasma), dem Keimbläschen und dem Keim fleck gebildet sind; letzterer enthält gewöhnlich noch 1 — 3 kleine glän- zende Körperchen. Ich konnte keine die Eizelle umhüllende Membran entdecken. Es herrscht eine bislang noch nicht ausgeglichene Meinungs- 419) 16 L. Lorenz: Verschiedenheit , ob die Eizelle der Trematoden eine besondere umhüllende Membran besitze oder nicht. Edouard van Beneden theilt in seinem Werke über die Ei- bildung mit, dass die Trematoden-Eier keine besondere Hülle um ihren protoplasmatischen Dotter besitzen; auch Wierzejski stellt das Vorhandensein einer solchen an den Eiern von Calico- tyle in Abrede. Hingegen behauptet Zeller in seiner Arbeit über Polystomum integer rimum mit grosser Bestimmtheit hier eine doppelt contourirte Eihaut beobachtet zu haben. Nun liegt es in der Art der Eibildung der Trematoden begründet, dass die Eizelle in den ersten Stadien , in denen die homogene Protoplasmamasse das Keimbläschen umlagert, noch keine besondere Membran besitzen kann , und dass sich diese erst später aus- scheidet. "Wahrscheinlich wird also bei gewissen Arten , z. B. Polystomum integerrimum, die Hülle noch während das Ei im Ovarium liegt, auftreten, in anderen Fällen dagegen (Calicotyle, Axine, Microcotyle etc.) diese Hülle erst erhalten, wenn das Ovulum von den Deutoplasmakugeln um- geben bereits in die Chitinschale eingeschlossen und abgelegt ist. Der Eileiter (womit ich den ganzen Canal bezeichne, den die Eier von ihrem Austritte aus dem Ovarium bis zur Geschlechts- öffnung durchlaufen) zieht anfänglich in derselben Richtung, wie das Ovarium, in einigen schwachen Windungen ein kurzes Stück nach vorne, nimmt seitlich eine Samenblase (Fig. 4, Rs) auf und wendet sich hierauf in einem Bogen nach der linken Seite. Von da geht er, nachdem er noch die Dotterstocks gänge und den Samen gang der Scheide (Fig. 4, Vgl aufgenommen, auf dieser Seite und zugleich ventralwärts wieder in gerader Rich- tung nach hinten (Fig. 4, 0 d') bis kurz vor dem blinden Ende des Ovariums. Hier biegt er plötzlich dorsalwärts und nach vorne um, erweitert sich zu dem bald mehr cylindrischen, bald bauchig erweiterten Uterus (Fig. 4, Ut), um schliesslich in ge- rader Richtung weiter bis zur Geschlecktscloake sich fortzusetzen. Die Wände des Eileiters sind ihrem ganzen Verlaufe nach mit kurzen , lebhaft schwingenden Flimmerhaaren bedeckt , besitzen jedoch an verschiedenen Stellen eine sehr verschiedene Structur. Der erste Abschnitt des Eileiters von seinem Beginne bis zu der Stelle , wo er sich nach rechts wendet , ist von einer derberen Membran gebildet, die eine deutliche Ringelung zeigt (Fig. 4, 0 d). Die Samenblase, häufig mit Sperma erfüllt, ist ziemlich gross und mit flachen Epithelzellen ausgekleidet. Der absteigende Theil (420) Ueber die Organisation der Gattungen Axine nnd Microcotyle. 17 des Oviductes erscheint dagegen zartwandig, structurlos nnd ge- wöhnlich mit zahlreichen Deutoplasmazellen erfüllt. Der Uterus (Fig. 4, Ut) besitzt etwas dickere Wände als der übrige Theil des Oviductes und ist rings umgeben von zahl- reichen kolbenförmigen Zellen, die sich mit dünnen Stielen an die Wand desselben ansetzen. Die Zellen sind sehr klein, mit fein- körnigem Protoplasma erfüllt, in dessen Mitte ein Nucleus mit Nucleolus liegt (Fig. 4, Sdr); es sind das die sogenannten Scha- lendrüsen , welche ihren Inhalt durch die feinen Ausführungs- gänge wahrscheinlich direct in den Uterus ergiessen und das Material zur Bildung der Chitinschale absondern sollen. — Am unteren Theile , also am Beginne des Uterus, habe ich ein sehr merkwürdiges Organ gefunden, wie es meines Wissens sonst noch nicht beschrieben wurde. Gleich oberhalb der Biegung, welche der Eileiter vor dem Beginne des Uterus macht, legt sich näm- lich ein Kranz von sehr kleinen, oben verdickten, unten in eine etwas geschlängelte Spitze auslaufenden Körperchen an, deren Gesammtheit sich wie eine kleine Quaste ausnimmt und durch deren Mitte der Eiergang durchführt (Fig. 4, Q). Ich habe einige Male Gelegenheit gehabt, die Deutoplasmazellen durch die mittlere Oeffriung dieses quastenförmigen Gebildes hindurch- treten zu sehen. Die einzelnen Körperchen, welche den Kranz bilden , setzen sich nur mit ihrem oberen verdickten Ende an die Wand des Eileiters an, während das in eine Spitze auslau- fende freie Ende in's Parenchyni hineinragt. Dieselben sind im frischen Zustande sehr hell, ohne Membran oder Kern, gelblich und lichtbrechend; mit Carmin färben sie sich unter allen Ge- webselementen des Thieres beinahe am stärksten roth und be- halten ihren Glanz dann noch theilweise bei. In einem Falle sah ich ein in der Schalenbildung begriffenes Ei. dessen Schale unten noch nicht geschlossen war (Fig. 17), sich mit seinem unteren offenen Ende knapp an ein solches Organ anlegen, so dass die Schale gleichsam aus der Quaste hervorzuwachsen schien: die Deuto- plasmakugeln bewegten sich in Folge der Contractionen des Thieres durch die Oeffnung der Quaste direct in das Innere der Schale. Die Bedeutung des quastenförmigen Anhanges ist mir völlig unklar: dasselbe dürfte zum Uterus und zur Eibildung in in einer noch nicht näher erkannten Beziehung stehen. Vogt spricht in seiner bereits erwähnten Arbeit über die Ge- schlechtsorgane der Polystomeen von einer sogenannten Schluck- öffnung, welche er stets von strahlenförmig angeordneten Clans, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 29 (421> 18 L. Lorenz: Fasern umgeben abbildet; es ist dieses Gebilde offenbar dasselbe, welches ich soeben beschrieben habe. Aus dem Uterus führt der Eileiter als ganz dünnwandiger, im Innern flimmernder Canal, ohne besondere Windungen in ge- rader Richtung zum Basaltheile der bereits näher beschriebenen Geschlechtscloake, wo dann die Eier über dem Penis durch die- selbe Oeffnung austreten können, durchweiche dieser vorgestreckt wird. Den Austritt der Eier aus dieser Oeffnung habe ich zwar nicht beobachtet, glaube jedoch die Bedeutung derselben als Ge- burtsöffnung aus dem ganzen Sachverhältnisse ableiten zu können. Die Scheide (Fig. 4, Vg) ist bei Axine von höchst eigen- thümlicher Form. P. J. van Beneden hat dieselbe auch schon beobachtet, ohne jedoch deren Bedeutung erkannt zu haben. Er schreibt darüber Folgendes : „A une certaine distance du pore genital (Geschlechtscloake) on apercoit, d'un cöte" du corps seulement, im orifice auquel aboutit im conduit dont les parois internes semblent tapissees de petites plaques en forme de dents. C'est peut-etre l'appareil glandulaire, qui s'ouvre ä cöte des organes sexuels dans les Epib- delles et d'autres genres et dont la signification ne nous est pas connue. Nous n'avons pas encore eu l'occasion d'observer ces Vers en vie." Es wurde seither constatirt a), dass bei anderen Polystomeen eine besondere weibliche Begattungsöffnung mit Zuleitungsgang für das Sperma existirt und ich trage kein Bedenken, auclr dem in Rede stehenden Organe der Axine (obgleich ich das Thier nicht in Copulation gesehen) dieselbe Bedeutung beizulegen. Die Scheide besteht aus drei Abschnitten: Dem seitlich am linken Rande dorsalwärts mit einer trichterförmigen Oeffnung beginnen- den Anfangstheile (Fig. 4, Vg), einem sehr erweiterten, nach der Mitte des Körpers verlaufenden häutigen Räume und einem ab- steigenden engen, dafür aber besonders dick musculösen Canale (Fig. 4, V g'), der an der schon früher bezeichneten Stelle in den Oviduct einmündet. Ich habe im Scheidencanale wiederholt Sperma beobachtet. Innerhalb der trichterförmigen Oeffnung liegt ein mit seiner Spitze nach aussen vorragender, seinem verdickten Theile nach einwärts gerichteter Körper (Fig. 4, St); derselbe ist hohl ') Von Zeller bei Polystoninm integerriinum. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. XXVII. p. 248. (422) öeber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 19 und an der Spitze sowohl wie an der Basis durchbohrt und schliesst den inneren Theil der Scheide von der trichterförmigen Oeffnung ab , so dass das Sperma nur durch denselben in das Innere der Scheide gelangen kann. Dieser Stift hat ein starres chitiniges Ansehen und kann mehr oder weniger vorg estreckt und zurückgezogen werden. Der hierauf folgende weite Theil der Scheide wird von einer in sehr viele Falten gelegten Haut um- schlossen; auf den Faltungen sitzen zahlreiche , hell gelblich glänzende , kegelförmige Knötchen i petites plaques en forme de dents), bei denen ich im frischen Zustande im Innern einen weiss- lichen hellen Fleck gesehen habe. Nach diesem Theile wird der Canal sehr eng, ist auch dicht mit den erwähnten Knötchen aus- gekleidet und von einer mächtig dicken Lage von Ring- (Muskel-) Fasern umgeben. Schliesslich habe ich der bei den Trematoden für die Bil- dung und Entwickelung des Eies so wichtigen sogenannten Dot- terstöcke (Fig. 2, D st) zu gedenken. Dieselben sind in unserem Falle sehr umfangreich und hüllen die Darmschenkel ihrem ganzen Verlaufe nach ein. Im inneren Baue wiederholen sie denselben Typus wie bei den verwandten Polystomeen, indem sie ein System von reichlich verzweigten Canälen bilden, welche in ihren erweiterten blinden Enden mit einem Epithel kugeliger, durch Druck oft polygonal gestalteter membranloser Zellen ausgekleidet sind (Taf. II, Fig. 14). "Wenn diese Zellen eine gewisse Grösse erreicht haben und dann eine auffallende Aehnlichkeit mit den Eizellen besitzen, so dass die Auffassung der älteren Helminthologen , welche die Dotterzellen ursprünglich für die Eizellen hielten, sehr erklärlich erscheint, lösen sie sich von der Wand des Dotterganges los und treten mehr in die Mitte desselben, wo sich dann erst in ihrem Protoplasma die gelben, fettähnlich glänzenden Kügelchen bilden, die ihnen ihr charakteristisches Aussehen verleihen (Fig. 15). Zum Unterschiede von dem das Keimbläschen umhüllenden proto- plasmatischen Dotter schlug Ed. van Beneden für diese zweite Art von Dotter die Bezeichnung Deutoplasma vor 1), deren An- wendung schon vielfache Verbreitung gefunden hat. Bei Axine Belones findet die von mir übrigens auch bei an- deren Polystomeen beobachtete Ausnahme statt , dass nicht zwei, sondern drei Ausführungsgänge für die Zuleitung der Deutoplasma- ') Ed. van Beneden, Recherches sur la composition et la signification de l'oeuf. p. 220. gg* 123) 20 L. Lorenz : kugeln in den Eileiter vorhanden sind. Zwei derselben (Fig. 4, Dg) entspringen nahe dem obersten Ende der Dotterstöcke und mün- den unmittelbar nach ihrer Vereinigung rechts von der Scheide in den Eileiter. Dieselben haben sehr dünne Wände und werden nur deutlich erkannt, wenn sie von den Deutoplasmazellen erfüllt sind. Der dritte unpaare Dottergang (Fig. 4, d g) entspringt unter dem einen paarigen auf der linken Seite und mündet über dem receptaculum seminis in den Oviduct. Dieser Gang ist ausge- zeichnet durch eine feine quere Streifung und ein mehr steifes Aussehen seiner Wandung, so dass er stets deutlich und scharf sichtbar hervortritt. Ich war lange unschlüssig über die Bedeu- tung dieses Canals, glaube jedoch, nachdem ich denselben niemals weiter als in die Deutoplasmadrüsen hinein sich erstrecken sah, noch eine Ausmündung nach aussen , die ich auch vermuthet hatte, nachweisen konnte, dass er auch in der That nichts anderes als ein Deutoplasmagang ist. Ich sah denselben wiederholt dicht mit Deutoplasma erfüllt. Da, wo alle die verschiedenen Canäle (Deutoplasmagänge und Scheidengang) sich in der Mitte des Körpers mit dem Eileiter vereinigen, bemerkte ich oft , sowie auch einige Male in der Scheide, zahlreiche Spermatozoon in leb- hafter Bewegung. Die Bildung des vollständigen Eies geht in der Weise vor sich , wie es bereits für das Trematodenei im Allgemeinen be- kannt ist. Um die von Sperma und zahlreichen Deutoplasmazellen umgebene Eizelle bildet sich im Uterus die Chitinschale. Dieselbe ist von bräunlich gelber Farbe und ihr grössere!' bauchiger Theil entsteht gesondert von dem in eine lange Spitze ausgezogenen Deckelstücke. Ich habe meist nur unfertige Eischalen gesehen, die an ihrem unteren Ende, welches sich an die Quaste anlegte, noch offen waren (Fig. 17); dann sah ich wiederholt schon ganz geschlossene Eier, deren unteres Ende etwas gebogen und knopf- artig angeschwollen war (Fig. 16) und nur in einem Falle be- merkte ich ein solches, welches auch an seinem hinteren Ende in eine lange Spitze ausging (Fig. 18). Es scheint mir die Form der Eischale sehr zu variiren und ich hätte von den vielen Formen, die ich gesehen, nie sagen können, dass ein Ei dem anderen gleiche. Bei Axine Belones bildet sich immer nur ein Ei fertig aus, und erst wenn dieses abgelegt ist , beginnt die Bildung einer neuen Schale. (424) Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 21 Microcotyle Mormyri. (Tafel 3.) P. J. van Beneden und C. E. Hesse haben in ihrem bereits angeführten Werke die G-attnng Microcotyle zuerst aufgestellt und in folgender Weise charakterisirt : *) „Une partie du corps est separee en arriere par im etrangle- ment et porte, des deux cötes du corps un tres-grand nombre de petites ventouses ä crochets. Les oeufs sont munis d'un filament aux deux poles." C. Vogt spricht in seiner jüngsten Arbeit2) die Ansicht aus, dass diese Gattung von Axine nicht getrennt werden könne, leb kann nicht umhin meine entgegengesetzte Anschauung zum Ausdrucke zu bringen, zumal schon nacb den freilieb nicht sehr genauen Beschreibungen und Abbildungen, welche van Beneden und Hesse von Axine und Microcotyle geben, die beiden Gattungen vollkommen berechtigt sind. Ein wesentlicher und leicht in die Augen fallender Unterschied besteht darin , dass Axine der äusseren Form nach schon ganz unsymmetrisch ge- baut erscheint, indem ihr hinterer verbreiteter Körperrand, welcher der Träger der Haftorgane ist , sich schief zur Längsaxe des Körpers stellt, während Microcotyle eine vollkommen sym- metrische Gestalt besitzt, und der vom Vorderkörper durch eine beiderseits gleichmässige Einschnürung gesonderte, in eine Spitze ausgehende Schwanzanhang auf jeder Seite an seinen Rändern mit den Haftorganen besetzt ist. Die Vergleichung der von mir hier gegebenen Beschreibungen und Abbildungen zweier Repräsentanten dieser Gattungen dürfte die auffallenden morphologischen Unter- schiede im Baue derselben als hinlänglich erscheinen lassen, um die Aufrechthaltung beider Gattungen zu billigen; doch möchte ich mir erlauben noch einige wesentliche Punkte, in welchen sich die beiden Thiere verschieden verhalten, gleich hier hervorzuheben : Axine Belones besitzt einen mächtig entwickelten, mit ver- schiedenen Haftorganen versehenen P enis , welcher durch dieselbe Oeffnung, die als Geburtsöffnung für die Eier dient, ausgestreckt wird und im Ruhezustande innerhalb des erweiterten Endes des Eileiters liegt. Microcotyle Mormyri zeichnet sich hingegen durch den Mangel eines Penis aus und der Samen gelangt durch eine vor der mit Haken umgebenen Geburtsöffnung gelegene ') A. a. 0. p. 12. -) Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. XXX. Supplement. (425) 22 L. Lorenz: Mündung direct aus dem Samengange nach aussen. '■ — Axine bat ferner die Mündung der Vagina oder die weibliche Be- gattungsöffnung am Rande des Körpers , wogegen dieselbe bei Microcotyle auf der Dorsalseite in der Mittellinie des Kör- pers gelegen ist ; ausserdem sind diese Organe in ihrer Form bei beiden Thieren vollkommen verschieden. Schliesslich ist es für Axine charakteristisch, dass sich stets nur ein Ei mit Schale im Eileiter findet und dass, sobald die Bildung einer neuen Schale beginnt, das fertige Ei abgelegt wird, während ich bei Microco- tyle Mormyri oft eine grosse Zahl (bis 24) fertiger Eier im Körper vorfand. Van Beneden und Hesse haben von Microcotyle v i e r Arten beschrieben und nach den Fischen bezeichnet , an deren Kiemen dieselben schmarotzen und zwar : 1. Microcotyle Labracis auf L a b r a x L u p u s, 2. M. Donavani auf L a b r u s D o n a v a n i. o. M. erythrini auf Pagellus erythrinus und 4. M. Can- thari auf Cantharus griseus. Den Beschreibungen der ersten zwei Arten sind auch Ab- bildungen sowohl des ganzen Thieres, als auch einzelner Theile desselben beigegeben x) und es besteht kein Zweifel , dass beide von der hier zu beschreibenden Art aus den Kiemen von Pagel- lus mornryrus verschieden sind. Mit schon geringerer Sicherheit lässt sich dasselbe von der dritten Art sagen. Bereits der Wirth dieses Thieres , welcher mit dem Träger unserer Polystomee der- selben Gattung angehört, gibt der Vermuthung Raum , dass die Fische die gleichen Parasiten beherbergen könnten. Doch stimmen mehrere wesentliche Angaben über die Formverhältnisse nicht überein ; denn wenn von Microcotyle erythrini ge sagt wird, dass der Körper von einer gleichmässigen ovalen Linie umgrenzt sei, so trifft dies für unseren Parasiten ebensowenig als die weitere Angabe zu, dass die zwei von einem ursprünglich einfachen, me- dianen schwarzen Streifen ausgehenden , den Körperrand ein- säumenden, schwarzen Bänder sich wieder in dem Schwanzanhange vereinigen. Das Organ aber , welches mir für die systematische Unterscheidung am massgebendsten zu sein scheint, die um die Geschlechtsöffnung liegenden Gruppen von Chitinstäben oder Häkchen2) bietet hinreichende Unterscheidungsmerkmale von der *) A. a 0. planclie XII Fig. 1—11 und Fig. 12—18. -) ..Pore genitale garni de pointes plates, triangalaires , divisees en deux petits groupes en face Tun de l'autre.'- 126) lieber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 23 Microcotyle des Pagellus Mormyrus. Eine etwas weit- läufigere Erörterung der früheren Beschreibungen scheint mir hier nicht zu umgehen, um meine Vermuthung, dass die Microco- tyle des Pagellus Mormyrus eine neue Art sei, zu begründen, zumal ich bei den nicht sehr charakteristischen Angaben über die bereits bekannten vier Arten im Zweifel war, ob nicht die eine oder andere derselben mit der von mir beobachteten identisch sei. Ich gehe gleich zur Beschreibung der Microcotyle Mor- myri über und werde in derselben die Verschiedenheiten dar- legen, die mir zwischen dieser und der M. Canthari zu be- stehen scheinen, deren Beschreibung positiver Merkmale fast gänzlich entbehrt. Microcotyle Mormyri (Taf. III, Fig. 1 und 2) ist 5—8 Mm. lang, von sehr gestreckter Körpergestalt und besitzt zwei seitliche Einschnürungen, die erste ungefähr nach dem ersten, die zweite nach dem dritten Fünftel der Körperlänge. Die zweite Einschnürung greift tiefer als die erste und trennt den eigent- lichen Körper mit dem grössten Theile der Geschlechtsorgane und des Verdauungstractes, von einem schwanzförmigen Anhange, in welchen sich nur die Enden der Darmschenkel hineinerstrecken, welche durch ihre dunkle Pigmentirung hervortreten. Am Rande dieses Anhanges befinden sich beiderseits zahlreiche (130 bis 2j0) Haftorgane, welche vollkommen mit denen von Axine Belones übereinstimmen. Diese Gebilde sind nach vorne etwas grösser und nehmen gegen das Ende des Schwanzanhanges allmälig an Grösse ab. Die Stäbchen im Umkreise der weiblichen Geschlechts- öffnung (Fig. 3, Wg) sind zweierlei Art: 8 — 12 grössere bilden an ihrem unteren Ende einen kleinen Haken, der, nach der Bauch seite gerichtet, aus dem Gewebe frei hervorragt; dieselben sind, in einem Bogen radial nach oben divergirend, vor der weiblichen Geschlechtsöffnung angeordnet (Taf. III , Fig. 3 und Fig. 6, Hj. Dahinter befindet sich dann rechts und links je eine Gruppe von 25—30 halb so grossen Stäbchen, welche mit ihren Haken nach vorne gerichtet sind (Fig. 3 und Fig. 6 h). Van Beneden und Hesse beschreiben die um die Geschlechtsöffnung von Microcotyle Canthari gelegenen in folgender Weise: „Bulbe . . . . oesophagien suivi d:une couronne de crochets tres-longs , tres-minces , aux nombre de trente ä quarante, armes au sommet, d'une griffe crochue." Die Farbe des Wurmes ist weisslich mit hellgrauen Rändern. Im Wesentlichen stimmen die Verhältnisse des innern Baues mit denen von Axine Belones überein, so dass ich mich (427) 24 L. Lorenz: darauf beschränken kann, die unterscheidenden Eigenschaften zu erörtern. Unter der Cuticula liegt der Hautmuskelschlauch, gebildet aus einem Gewebe von longitudinalen , quer und diagonal ver- laufenden Fasern; obwohl dieselben sehr zart sind, lassen sich alle drei Fasergruppen deutlich erkennen. Die Haftorgane sind mit denen von Axine vollkommen gleich ; die an denselben sich inserirenden Muskelfasern sind stark und haben die Parenchym- zellen fast vollständig verdrängt. Die Zellen des Körperparenchyms sind jenen der Axine sehr ähnlich. Der Vorraum des Mundes ist sehr weit (Fig. 3, 0) und enthält in seiner trichterförmigen Höhle jederseits einen Saugnapf, der eine ovale Form besitzt und in der Mitte durch eine Leiste von Fasern in zwei Hälften getheilt wird (Fig. 3, S). Am Rande des Vorraums sitzen drei Häufchen von hellglänzenden gelb- lichen Körnchen (Fig. 3, k) , welche sich mit Carmin stark roth tingiren. Van Beneden und Hesse sagen von diesen Ge- bilden bei M. Canthari : „Bouche...., armee de plusieurs groupes d'une substance granuleuse formee de dents crochues probablement destinees a remplir les fonctions de mächoires." Diese Auffassung der Bedeutung der Körnchengruppen scheint mir nicht richtig zu sein, und ich möchte mich lieber der Ansicht Diesing's an- schliessen, dass derartige Gebilde, wie sie bei vielen Polystomeen vorkommen, Tastorgane darstellen. *) Zwischen und unter ^.en Saugnäpfen liegt eine kugelige Blase, welche wahrscheinlich wie bei A x i n e einen vorstreckbaren Rüssel darstellt (Fig. 3, Bb). Daran schliesst sich der Oesopha- g u s, der unter der Geschlechtsöffnung sich in die zwei Darmschenkel spaltet. Diese werden dann alsbald von den Dotteistöcken eingehüllt und entwickeln ihre seitlichen Ausstülpungen; die dendritische Gestalt des Darmes ist deutlich sichtbar, weil die Dotterstöcke nicht so dichte Trauben wie bei Axine bilden. An der zweiten, den Schwanzanhang abgrenzenden Einschnürung des Körpers enden die Dotterstöcke. Hier gewinnt der Darm zugleich mit seinem Austritte aus deren Umhüllung wieder eine einfache Gestalt und verläuft als ein unverzweigter Blindschlauch bis nahe an das ') Diesing: Vierzehn Arten von Bdelloden. Denkschr. d. kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Wien 1858. (428) Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 25 Schwänzende. Das ganze Lumen des Darmes ist mit zerstreuten pigmentirten Zellen ausgekleidet. Vom excretorischen Gef ässsy steme (Fig. 2, Ex) sah ich jederseits der ganzen Länge des Körpers nach über dem Darme einen geschlängelten Canal verlaufen, der, nach hinten sich allmälig verschmälernd , bis an die Spitze des Schwanz- anhanges sich erstreckt und vorne , seitlich von der Geschlechts - Öffnung, auf einer kleinen Papille nach aussen mündet. Im Innern der Canäle war eine lebhafte Flimmerbewegung deutlich sichtbar. Dass sich dieselben im Hinterende, wie dies Vogt von Micro- cotyle Labracis anfährt , zu gemeinsamer Ausmündung ver- einigen, muss ich nach meinen Beobachtungen bestreiten. Der Hoden (Fig. 2, t) besteht aus einer Anzahl von (16 bis 18) Bläschen, welche sich ähnlich verhalten, wie bei Axine, sie sind aber nicht so dicht aneinander gedrängt und haben daher eine mehr rundliche Form. Dieselben werden auch durch eine breitere Schichte von Bindegewebe und Körperparenchym ge- trennt und liegen nicht in zwei deutlichen Längsreihen. Sie nehmen den ganzen Raum hinter dem Ovarium , zwischen den Dotterstöcken bis zum Beginne des Schwanzanhanges ein. Den Zusammenhang der Hodenbläschen konnte ich nicht herausfinden. Oberhalb derselben bemerkte ich den ductus ej aculatorius (Fig. 4, D e), der in wenigen Windungen direct bis nahe an den Hakenkranz der weiblichen Geschlechtsöffnung zieht, sich daselbst massig erweitert, indem er eine Art Samenblase (Fig. 3, Vs) bildet und unmittelbar, nachdem er sich wieder bedeutend verengt hat, vor den langen Stäbchen, welche die weibliche Geschlechts- öffnung umgeben, nach aussen mündet (Fig. 3 , M g). Es ist in diesem Falle merkwürdiger Weise der Endtheil dieses Apparates nicht musculös entwickelt und gar kein eigentlicher Cirrus oder Penis vorhanden. x) C. Vogt spricht bei Microcotyle Labracis von einem in eine besondere Tasche zurückgezogenen Penis, der mit drei Reihen von Haken besetzt sei. Nach Analogie mit Microcotyle Mor- rnyri dürfte jedoch die Abbildung, welche dieser Forscher vom Geschlechtsaj)parate seiner Microcotyle Labracis (Fig. 4 auf Taf. XVI) gegeben hat und wie die übrigen Zeichnungen Vogt's ziemlich verworren und schwer verständlich ist, so aufzufassen :) P. J. van Beneden führt auch bei Udonella caligc-rum und Octobothrium lanceolatum an, dass der Penis fehle. (429) 26 L. Lorenz: sein, dass Mg zwar der mämilichen Geschlechtsöffnung entspricht, sich jedoch zwischen den Haken P h, welche gar nicht dem Penis angehören, die von Vogt übersehene weibliche Geschlechtsöffnung (Geburtsöffnung) befindet, und dass der über dem Endtheile des Eileiters (irrthiimlich als Penistasche Pt gedeutet) gelegene End- theil des Samenleiters für den eingestülpten Penis gehalten wurde. Sicher ist auch unrichtig, dass der Samengang (SgFig. 4 und 5, Tat. XVI) aus dem sogenannten Ootyp hervorgehen soll. Die weiblichen Geschlechtstheile (Fig. 4) konnte ich am besten (wenn auch nicht so vollständig wie bei Axine) studiren; sie stimmen bei beiden Thieren in Bezug auf das Vor- handensein der einzelnen Abschnitte vollkommen überein. während sie in Form und Lage derselben sehr weit von einander ab- weichen. Das Ovar in m (Fig. 4, Ov und ov) liegt in der Mitte des Leibes und ist ein gewundener Schlauch , der dorsalwärts auf der linken Körperseite mit einem etwas erweiterten Theile be- ginnt (ov). Von da zieht derselbe nach einigen Windungen all- mälig erweitert zuerst nach der rechten Seite , biegt dann zuerst nach aufwärts, nachher wieder nach der linken Seite um, wendet sich endlich mit seinem weitesten Theile nach abwärts , um nahe an der Stelle, wo er begonnen, in den Eileiter überzugehen. Letzterer bildet nach wenigen kurzen Windungen, beträchtlich er- weitert, eine Blase (Fig. 4, Rs), welche, fast stets mit grösseren Mengen von Sperma erfüllt, der in anderen Fällen dem Eileiter besonders angefügten Samen blase gleichwerthig ist. Von hier aus verengt sich der Eileiter wieder und nimmt zugleich einen von links kommenden Dottergang (Fig. 4, dg) auf, der dem unpaaren Dottergange der Axine entsprechen würde. Nach kurzem rechtseitigen Verlaufe wird ein zweiter Dottergang (Fig. 4, D g') aufgenommen , welcher aus der kurz vorher erfolgten Ver- einigung der Ausführungsgänge der beiderseitigen Dotterstöcke entstanden ist. Nun macht der Eileiter alsbald eine scharfe Bie- gung nach vorne, erweitert sich zum Uterus (Fig. 4, Ut) und zieht in gerader Richtung auf der Bauchseite nach vorne zu der in der Mitte zwischen dem Hakenkranze befindlichen weiblichen Geschlechtsöffnung (Fig. 3, Wg). — Es ist hier also keine Geschlechtscloake vorhanden. Die Eizellen , welche einer besonderen Membrane entbehren, nehmen, da sie sehr zahlreich und dicht aneinandergedrängt sind, im Ovarium verschiedene längliche und polyedrische Formen an. (430) Heber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 27 Auch liier findet sich an der Stelle, wo der Eileiter sich vor der Uterus-Erweiterung umbiegt , ein Kranz von glänzenden Körper- chen (Fig. 4, Q), wie ich sie hei Axine ausführlicher beschrieben habe. Um den Uterus liegen zahlreiche Zellen , die ohne Zweifel der Schalendrüse angehören, jedoch nicht so deutlich, wie bei Axine zu verfolgen sind. Die Wände des Eileiters sind sehr dünn, besonders in dem vordersten Theile, wo ich sie kaum zu erkennen vermochte. Dieser letzte Theil des Eileiters erweitert sich vor der sogleich zu beschreibenden Scheide bedeutend: ich habe in diesem Theile einmal 2, ein andermal 14 Eier zusammen angetroffen. Die umfangreichen Dotterstöcke (Fig. 2, Dst) hüllen den ganzen Darmschenkel bis zum Schwanzanhange ein und führen jederseits über dem Eierstocke in einen Ausführungsgang , der sich in einen abwärts- und einen aufwärtssteigenden Canal (Fig. 4, Dg) theilt. Die beiden absteigenden Canäle vereinigen sich ven- tral vom Eierstocke und der gemeinsame Canal mündet dann in den Eileiter. Die beiden aufsteigenden Theile vereinigen sich auch zu einem spitzen Bogen zusammenneigend in einem zur Scheide führenden G-ang (Fig. 4, Dg"). Ein dritter unpaarer Dotter- gang, der im Gegensatze zu dem der Axine eine sehr dünne Wand hat, entspringt unter dem Ovarium auf der linken Seite und mündet an der bereits bezeichneten Stelle in den Oviduct. Die Scheide (Fig. 4, Vg) zeigt bei unserer Microcotyle eine sehr merkwürdige Beschaffenheit. Dieselbe ist eine grosse, dorsal in der Mitte des Körpers gelegene Blase , welche durch eine weite Oeffnung ausmündet. Ihr oberer Theil mit dem Aussenrande ist sehr faltig, steifwandig und bräunlich gefärbt, so dass er chitinig aussieht (V g) ; der untere Theil ist dünn- wandiger und setzt sich an den Canal, der durch die Vereinigung der aufsteigenden Aeste der paarigen Dottergänge gebildet wird (Fig. 4, I)g"). Der oberste Theil dieses Canales war stets reich- lich mit einer gelblichen feinfaserigen Masse erfüllt, die wie Sperma aussah (Fig. 4, Vg') uad an die zahlreichen in demselben Canale liegenden Dotterzellen sich anlegte. An der Stelle , wo sich die Blase der Scheide mit dem Dottergange verbindet , sind zahlreiche feine Muskelfasern zu bemerken , welche auch sonst rund um die Scheide sich strahlenförmig ausbreiten , während zwischen den Fasern zahlreiche kleine Zellen (Fig. 4, z) liegen. Wenn meine Auffassung des Zusammenhanges der Scheidenblase mit den Dottergängen richtig ist, würde hier der sonderbare Fall (431) 28 L. Lorenz: stattfinden, dass das Sperma, welches vom fremden Thiere in die Vagina gelangt, durch die Dottergänge zugleich mit den Dotter- zellen in die Samenblase des Eileiters gelangen müsste. x) Vogt gelang es nicht, den Knäuel, in welchem bei Micro- cotyle Labracis Keimstock, Dottergänge und vordere Hoden- blasen sich über und nebeneinander lagern, zu entwirren. Er hat daher auch die einzelnen Theile des weiblichen Geschlechtsappa- rates so dargestellt, dass wohl Niemand im Stande sein dürfte, über seine Fig. 4, Taf. XVI. in's Klare zu kommen. Der Versuch der Richtigstellung, welche ich aus der Analogie mit Microcotyle Mormyri ableiten zu können glaube, sei mir gestattet. Das Organ nämlich, welches in der genannten Abbildung mit Cl und Vag bezeichnet ist, entspricht offenbar dem dorsal gelegenen , weib- lichen Begattungsorgane (Microcotyle Mormyri Taf. 3, Fig. 4, Vg), während der mit E i g bezeichnete Canal zwar wahrscheinlich den Eigang darstellt, aber dann gar nicht mit Vag und C 1 im Zusam- menhange steht. C. Vogt stellt bei Microcotyle Labracis die Behaup- tung auf, dass alles aus den Hodenbläschen kommende Sperma, möge es zur Begattung oder zur inneren Befruchtung bestimmt sein , durch das Ootyp 2) seinen Weg nehme. Ich bin zwar der Ansicht, dass eine innere Befruchtung bei einzelnen Trematoden vorkomme , obgleich diese interessante Frage noch lange nicht endgiltig entschieden ist. Bei Microcotyle Mor- myri habe ich aber kein Anzeichen dafür entdecken können, ebensowenig wie bei Axine Belones; die Auffassung jedoch scheint mir nicht viel Wahrscheinlichkeit beanspruchen zu können, dass alles aus den Hoden kommende Sperma zuerst direct in die weiblichen Organe sich ergiesse und nur der dann nicht mehr zur ') Bei Polystomum integerrimum münden die Gänge der weiblichen Begat- tungsorgane (sog. Seitenwülste) auch in die Dottergänge , so dass sich der Samen mit den Nahrungsdotterzellen vermengt und dann erst zu den aus dem Ovarium austretenden ovulis gelangt. — Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie XXVII. p. 249. 2) C. Vogt wendet übrigens den Ausdruck Ootyp in einem von der ur- sprünglichen Bedeutung abweichenden Sinne an , wenn er unter demselben „den Vereinigungspunkt, wo Eikeime, Dottermassen und Samen zusammentreffen", be- zeichnet, denn es gibt für die verschiedenen Polystomeen keinen bestimmten, gemein- samen Punkt , in welchem die leitenden Canäle der das Ei zusammensetzenden Elemente sich vereinigen, da dieselben bald näher bald weiter von einander ent- fernt und nacheinander zusammentreten. Nun bezeichnet aber das Wort Ootyp den Ort, wo das Ei beziehungsweise die Eischale fertig gebildet wird, was aber auch nicht (wie van Beneden glaubte) gleich nach der Vereinigung von (432) Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 29 innern Befruchtung verwendbare Rest auf einem anderen Wege, also durch den Samenleiter abgeführt und dann noch bei einer Begattung benützt werde. Es ist bereits durch die vielen .Fälle , in denen ein beson- deres weibliches Begattungsorgan bei den Polystomeen con- statirt wurde, wahrscheinlich gemacht , dass ein solches regel- mässig bei diesen Thieren sich findet. 2) Vogt führt an, dass bei Epibdella und Phylonella der Eigang zugleich als Begat- tungsgang diene. Ich habe zwar keine dieser Formen, wohl aber eine dritte, nahe verwandte, nämlich Trochopus tubiporus sehr genau studirt und gefunden , dass hier neben dem Eileiter ein zweiter Canal vom Körperrande nach Innen zu einer mit den weiblichen Organen in Verbindung stehenden, stets mit Sperma erfüllten Blase führt, welcher nur als Scheide aufgefasst werden kann , und ich bin auch der Meinung , dass der von P. J. v a n Ben e den indessen „Memoire sur les vers intestineaux," PL III. Fig. 1 mit z bezeichnete Canal von Epibdella dem weiblichen Begattungsorgane entspricht. Die Zeichnung, die Vogt von den Eizelle, Sperma und Dotter geschieht. Dieselben müssen vielmehr, wie wenigstens bei Microcotyle Mormyri und besonders bei Axine, noch in einem gemein- samen Canale ein Stück weiter wandern und gelangen erst, nachdem sie die von Vogt passend als Scklucköfinung bezeichnete Stelle passirt haben, in jenen Theil des Eileiters, in welchem unter Mitwirkung des Secretes der Sckalendriisenzellen (welche Vogt gar nicht gesehen hat) die Chitinschale gebildet wird. Zell er hat für diesen Abschnitt des Eiganges den Namen Uterus in Anwendung gebracht und hat darin auch Nachahmer gefunden. Aus dem Gesagten folgt, dass Ootyp und Uterus wenig verschieden sind. Was Vogt Uterus nennt, ist der End- theil des Eileiters, in welchem die bereits mit Schale versehenen Eier vor der Geburt aufbewahrt werden. ') Es ist sehr merkwürdig, dass die Trematoden in den Vorgängen der Begattung und Befruchtung so complicirte und durchaus nicht übereinstimmende Verhältnisse zeigen. Stieda glaubte die ältere Ansicht von Siebold's, dass bei den Distomeen regelmässig eine innere Befruchtung stattfinde, entschieden widerlegt zu haben (Müllers Archiv 1871). hat aber nur gezeigt, dass ein weiblicher Be- gattungsact bei einigen Distomeen vorkomme. Ich selbst konnte bei einer grossen Zahl von Distomeen (namentlich aus Seefischen) , welche ich untersuchte, keinen solchen Canal finden, während ich denselben bei anderen Formen deutlich wahrnahm, bei wieder anderen aber mit Sicherheit einen Verbindungscanal zwischen einem Hoden und dem Eileiter gesehen zu haben glaube. Bei Polystomum integerrimum finden sich besondere weibliche Begattungsorgane und ausserdem ist noch für eine innere Befruchtung gesorgt, wie dies Zeller in sehr zuverlässiger Weise dargethan hat. Bei Calicotyle, Axine, Microcotyle und Trocho- pus ist ein weibliches Begattungsorgan sicher festgestellt , aber für die Möglich- keit einer inneren Befruchtung bislang kein Anzeichen entdeckt. (433) 30 L. L orenz : Genitalien der Phylonella Soleae gibt , ist in mancher Hinsicht wenig deutlich, so dass ich die Ansicht nicht unterdrücken kann, dass Vogt den weiblichen Begattungsgang hier ganz übersehen hat. Die Eischalen (Fig. 5) , deren Entstehung im Uterus ich leider nicht beobachten konnte , sind im Verhältnisse zum ganzen Thiere sehr gross, länglich oval, und gehen nach vorne in einen sich allmälig sehr verdünnenden und an der Spitze gewundenen Anhang aus; hinten besitzen sie einen dickeren aber kürzeren Stiel, der am Ende hakig gekrümmt ist und sich in zwei Theile spaltet. V. Beneden und Hesse geben von dem Eie oder vielmehr seiner Schale, bei M i c r o c o t y 1 e C a n t h a ri Folgendes an : „Oeufs tres petits, fusiformes, presantant, au bout anterieur, une tige courbee en crosse et inferieurement im pedoncule etroit et assez long." Diese Angabe über die Form der Eischalen und die schon früher citirte , welche den Hakenkranz um die weibliche Ge- schlechtsöffnung der Microcotyle Canthari betrifft, scheinen mir mit der Form derselben Gebilde bei der Microcotyle M o r- myri durchaus nicht übereinzustimmen und haben mich zu der Vermuthung geführt, dass die von mir beobachtete Art auch von Microcotyle Canthari verschieden, demnach mit kein er der vier bis- lang bekannten Arten identisch sei. ('434) Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. 3L Erklärung der Abbildungen. D Dannschenkel. ov Anfaugstheil j deg 0variums. De Ductus ejaculatorius. Ov Endtheil J Dg paariger ) -r, Q Quastenförmiges Organ (Schluekö Urning l Dottergang. „„.r, \rn„t\ dg nnpaarer I nach Vogtj. Dst Dotterstöcke (Deutoplasrnadrüsen). R Rüssel. Ex Excretions-Gefässe. Es Receptaculum seminis. Hft Haftorgane. S Sangnäpfe der Mundhöhle, k glänzende Körnchen am Rande der t Hoden. Mundöffnung. Ut Uterus. N Nervencentrum. | V g Vagina (Scheide 0 Mund. 0 e Oesophagus. Od Eileiter. Vs Vesicula seminalis (Erweiterung des dnctus ejaculatorius). Taf. I. Fig. 1. Axine Belones, Abildgaard ; drei Exemplare in natürlicher Grösse. Fig. 2. Dasselbe stark vergrössert. (Die Zeichnung ist nach einem Präparate angefertigt und erscheint daher etwas breiter, als es der Natur entsprechen würde.) G c 1 Geschlechtscloake, m Muskelfasern der Haftorgane. Fig. 3. Das Kopfende von Axine Belones mit den seitlich in der Mundhöhle gelegenen Saugnäpfen und dem in den Oesophagus zurückgezogenen Rüssel. Fig. 4 und Fig 4'. Der ganze weibliche Geschlechtsapparat und die Ausführungs- gänge des männlichen. P Penis. Gg Gemeinschaftliche Geschlechtsöifnung. H Häkchenkranz am Basaltheile des Penis. h Ventral in der Geschlechtscloake gelegene Gruppe von Häkchen, h' Seitlich in der Geschlechtscloake gelegene, mit Häkchen besetzte Wülste. M Muskelfasern zur Bewegung des Penis. St Chitiniger Stift in der Vagina. Sdr Schalendrüse. V d Vas deferens. Fig. 5. Kleine Zellen des Körperparenchyms aus dem Kopfende. Htk. 8. Fig. 6. Grössere Zellen des Körperparenchyms aus der Umgebung der Vagina. Fig. 7. Isolirte Parenchymzellen, a mit hellem Inhalte, b mit feiner, granu- löser Masse erfüllt. Htk. 8. Taf. II. Fig. 8. Drei Haftorgane des hinteren Körperrandes von der oberen, schmalen Seite in natürlicher Lage dargestellt, r rechte und 1 linke Seite, p die zwischen den zu den Haftorganen ziehenden Muskelfasern gelegenen Parenchymzellen. Fig. 9. Ein Haftorgan von der rechten Seite gesehen. Hr bezeichnet den freien hinteren Rand desselben , welcher mit Chitinstäben gestützt ist , die oben und nnten (o und n) gelenkig untereinander verbunden sind ; s s kleine Chitinstäbe, welche von den Gelenken aus die linke , hier in der Zeichnung unten gelegene Klappenwand gespannt erhalten ; ch grosse chitinige Stutzlamelle, für den Sack des Haftorganes; k stellt die Haut der Klappe im Querschnitte dar. Fig. 10. Haftorgan vom hinteren freien Rande (Hr Fig. 9) gesehen. Fig. 11. Pigmentzellen des Darmes. Fig. 12. Ein Hodenbläschen mit Inhalt und Epithelauskleidung : nach einem Quetschpräparate. (435) 32 L. Lorenz: Ueber die Organisation der Gattungen Axine und Microcotyle. Fig. 12'. Entwickelungsstadien der Samenmutterzellen. a und b Losgelöste Epithelzellen des Hodens in der Theilung begriffen. c Dieselben nacb weiter fortgeschrittener Theilung, noch durch feine Protoplasma- fäden zusammenhängend, d Ein noch grösserer Haufen von solchen Theilungszellen. e Einzelne Theilungszellen, durch Wachsthum grösser geworden, f Dieselben in dem Zustande , wo sie Samenmutterzellen zu werden beginnen, indem in ihrem Protoplasma bereits die Köpfe der Spermatozoen in Form kleiner heller Bläschen auftreten g Dieselben, nachdem das ganze Protoplasma bereits mit den erwähnten hellen Bläschen erfüllt ist. h Nächstes Stadium, welches aus dem vorigen durch das Aaseinanderdrängen der Spermatozoenköpfe nach der Peripherie der Mutterzelle entstanden ist. i Dasselbe Stadium wie h nach Behandlung mit Essigsäure. k Das Protoplasma der Mutterzelle beginnt, je einem bereits gebildeten Sperma- tozoenköpfchen entsprechend , in kleine Fortsätze auszuwachsen , welche später die Schwänze der Spermazellen darstellen. 1 Die Schwänze der Spermatozoen sind bereits vollständig entwickelt, m Dasselbe Stadium nach Behandlung mit sehr schwacher Essigsäure. — Man findet diese Formen mitunter in dem noch ganz frischen Hodeninhalte, n Degenerirte Samen mutterzelle , wie man sie nicht selten unter den normalen Eutwickelungsstadien findet. o Zeigt das Freiwerden der Spermatozoen, indem die Mutterzelle nach erlangter Reife quillt und dadurch die in ihrem Protoplasma eingebetteten Sperma- tozoenköpfe herausgedrängt werden. Fig. 13. Eine reife Eizelle. Htk. 8. Fig. 14. Querschnitt durch das blinde Ende einer Deutoplasmadrüse von Trochopus tubiporus. Man sieht hier linkerseits das Epithel der Drüsenwand, wäh- rend in der Mitte die jüngeren, rechts die reifen Deutoplasmazellen liegen. Fig. 15. Eine isolirte Deutoplasmazelle. Htk. 8. Fig. 16. Eischale mit abgehobenem Deckel. Fig. 17. Eischale in der Bildung begriffen , sich mit dem unteren noch offenen Ende an das quastenförmige Organ (Schlucköffuung) anlegend. Fig. 18. Vollständiges Ei. Taf. III. Fig. 1. Microcotyle Mormyri, 2 Exemplare in natürlicher Grösse. Fig. 2. Dasselbe stark vergrössert. (Nach einem Präparate.) E Eier. Fig. 3. Kopfende mit den Mundtheilen und den ausführenden Geschlechts- öffnungen. Mg Ende des Ausführungsganges der männlichen Organe. Wg Weibliche Geschlechtsöffnung (Geburtsöffnung). H Franz grosser Stäbchen über der weiblichen Geschlechtsöffnung. h Gruppen kleiner Stäbchen unter derselben. Fig. 4. Der Haupttheil der weiblichen Geschlechtsorgane und der ductus ejaculatorius. Vg' Mit Sperma gefüllter Theil der Scheide. z Kleine, die Scheide umgebende Zellen. D g' Der durch die Vereinigung der absteigenden Aeste der Dottergänge D g gebildete gemeinsame Dottergang. D g" Der durch die Vereinigung der aufsteigenden Aeste der Dottergänge ent- standene Canal, welcher mit der Scheide Vg in unmittelbare Verbin- dung tritt. Fig. 5. Ein fertiges Ei mit Schale. Fig. 6. H grosse und h kleine, hakig gebogene Stäbchen , welche um die Geburtsöffnung liegen. (436) Nachtrag zu den Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Von Emil Berger. Nachdem der Druck der unter obigem Titel im 2. Hefte der Arbeiten aus dem zoologischen Institute der Wiener Universität veröffentlichten Arbeit schon vollendet war, erschienen mehrere Abhandlungen , welche ein einschlägiges Thema behandeln und dadurch eine nachträgliche Besprechung von meiner Seite erfor- dern. Eine kleine Abhandlung von S p a n g e n b e r g : „Bemerkungen zur Anatomie von Limnadia Herrmanni", war ich in der Lage noch während des Druckes meiner Arbeit berücksichtigen zu können, da mir ein Separatabdruck derselben noch vor dem Er- scheinen des betreffenden Heftes der Zeitschrift für wissenschaft- liche Zoologie vorlag. Zunächst muss ich hier der schönen Arbeit von J. H. L. Flöeiel: „Ueber den einheitlichen Bau des Gehirns in den ver- schiedenen Insectenordnungen" (Zeitschr. f. w. Zool., 30. Bd. Suppl. pag. 556) Erwähnung thun. In den wesentlichsten Punkten finde ich eine erfreuliche Uebereinstimmung der Resultate Flö- 2:el's mit den meinigen. Derselbe constatirt ebenfalls bei allen von ihm untersuchten Insecten das Vorhandensein der pilzhut- formigen Körper (Flügel nennt dieselben Becher), der aus den- selben entspringenden Stiele (Hinteräste Flögel's), dass ein Stiel an der Basis des fächerförmigen Gebildes mit dem der anderen Hirnhälfte in der Medianebene zusammentrifft (Balken Flöge l's), der andere an die Vorderfläche des Gehirns sich begibt (Vorder- horn Flügel's). Das fächerförmige Gebilde Dietl's centraler Claus, Arbeiten aus dem Zoologisehen Institute etc. 30 (437) 2 E. Berger: Knoten und centrales Commissurensystem Leydig!s, Central- körper Flögel's) fand er ebenfalls bei sämmtlicben von ilira untersucliten entwickelten Insecten und bei einer Hymenopteren- larve, während er es bei einer Schmetterlingsraupe vermisste. In vieler Beziehung ergänzen sich die Resultate der Arbeit Flögel's und die der ineinigen. So entnehme ich der Beschreibung Flö- gel's vom Baue des Gehirns der entwickelten Libelle, dass der- selbe im Wesentlichen mit dem der von mir untersuchten Libellenlarve übereinstimmt. Manches mag Flügel vielleicht aus dem Grunde entgangen sein , weil er blos ungemein feine Schnitte zu seinen Studien verwendete. Dem aufmerksamen Leser der beiden Arbeiten wird jedoch nicht entgehen , dass sie in einzelnen, wenn auch unwesentlichen Punkten nicht überein- stimmen. So beschreibt Flögel bei Cossus ligniperda jederseits zwei pilzhutförmige Körper, während ich jederseits blos einen wahrnahm, indem hier, ebenso wie bei der Grille, der innere und der äussere pilzhutförmige zu einem verwachsen sind, wie dies auch Flögel's photographische Abbildung (Fig. 7) zeigt. Ueber die Deutung des Centralkörpers x) sagt Flögel (pag. 586): „Man könnte daran denken, dass er mit der Ausbildung des Facetten- auges zu thun habe; irgendwelcher Zusammenhang mit den aus dem lobus opticus stammenden Faserzügen hat sich aber nirgend nachweisen lassen." Einen Zusammenhang der aus den pilzhut- förmigen Körpern entspringenden Fasermassen mit der Schlund- commissur war Flögel ebensowenig wie Dietl und ich im Stande nachzuweisen, „was der Meinung, es würden die Ganglienzellen alle direct durch eine Faserleitung mit den Organen des Körpers in Verbindung gesetzt, einstweilen leider widerspricht." Klarer sind, wie ich gezeigt habe , diese Verhältnisse bei den höheren Crustaceen. Am meisten Berechtigung scheint mir noch die Ver- muthung zu haben, dass das fächerförmige Gebilde die Verbindung zwischen den Fasern , die von den pilzhutförmigen Körpern ent- springen, und solchen, welche vom Rindenbelege des Gehirns oder der Bauchganglien herstammen, vermittle. Für diese meine Ver- muthung spricht auch der Umstand, dass die inneren Stiele (Bal- ken) stets in unmittelbarer Nähe des fächerförmigen Gebildes zu- sammentreffen. Doch gelang es mir nie Fasern aus den inneren Stielen in das fächerförmige Gebilde zu verfolgen. Das Fehlen ') Dietl glaubt, dass es sieh liier möglicherweise um den unpaaren Ursprung eines Nerven handle. (438) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Retina d. Aithropoden. 3 des fächerförmigen Gebildes bei den höheren Crustaeeen würde ebenfalls für meine Vermuthung sprechen. Eine Arbeit von Dietl: „Die Grewebselemente des Central- nervensystenis bei wirbellosen Thieren" (Berichte des naturw.- med. Vereins in Innsbruck) bringt über die Ursprungs weise der Gehirnnerven eine dem Wesen nach schon von Leydig ausge- sprochene Ansicht (Sep. -Abdruck pag. 24): „Die Ausläufer der Ganglienzellen (des Gehirns) tauchen in die Marksubstanz ein, bilden hier durch eine reiche Zerfaserung zum grössten Theile das Substrat derselben und schliesslich ordnen sich die Fibrillen neuer- dings zu verschieden starken Bündeln , aus denen die peripheren Nervenstämme sich entwickeln." Dieser Ansicht widersprechen sowohl die directen Beobachtungen älterer Autoren , ferner die von Claus über den Ursprung der Fasern des Sehnerven bei den Cladoceren aus Ganglienzellen des Gehirns als auch die von mir in der oben citirten Arbeit niedergelegten. Namentlich der An- tennennerv von Musca vomitoria ist ein schönes Object , um sich von der Ursprungsweise einzelner Fasern aus Ganglienzellen zu überzeugen. Immerhin muss ich es jedoch zugeben und halte es sogar für sehr wahrscheinlich, dass es auch Fasern gibt, welche auf die von Dietl angegebene Weise entspringen. Von demselben Verfasser erschienen vor Kurzem „Unter- suchungen über die Organisation des Gehirns wirbelloser Thiere" (Sitzb. d. k. Akad. d. Wissensch. , Aprilheft 1878). Die zweite Abtheilung (Crustaeeen) derselben enthält eine Beschreibung des Baues des Gehirns von Squilla nebst Bemerkungen über das von Maja, Erysiphe und Palinurus. Auch hier kann ich mit Freude constatiren, dass der Verfasser und ich in einer grossen Anzahl von Beobachtungen mit einander übereinstimmen. Hervorheben will ich nur, dass Dietl (pag. 16) ebenfalls eine Commissur zwischen den beiden pilzhutförmigen Körpern gefunden hat, doch konnte er sich nicht sieher von der nervösen Natur derselben überzeugen. Eine Commissur , welche die beiden Augenstiele mit einander verbindet, wie sie von Walter und von Owsjannikof beschrieben wurde, konnte Dietl nicht auffinden. Wohl- aber beschreibt er ein analoges Gebilde als Sehner vencommissur bei Eledone (I. Abth. Cephalopoden . Tethys. Sep.-Abdr. pag. 14). Bei Squilla fand Dietl im Augenstiele zweierlei Fasern, unge- mein feine, welche am Chiasma sich bei heiligen, und sehr breite. Diese Tbatsaebe bin ich nachträglieh zu liestätigen in der Lage. Von den erstgenannten Fasern glaubt Dietl, dass dieselben direet (439 E. 13 er ff er aus der Retina stammen , während die letzteren die in der Um- gebung des Augenganglions gelegenen Gebilde innerviren sollen. Mit dieser letzteren Ansicht Dietl's kann ich mich mit Rücksicht auf meine Resultate über den Bau des Augenganglions nicht ein- verstanden erklären. Sehr zu bedauern ist, dass Die tl dieses Gebilde nicht einer näheren Untersuchung gewürdigt hat. Diesem Umstände ist es zuzuschreiben, dass Dietl den Stiel des Augen- ganglions für den Sehnerven hält und von einem Chiasma nervorum opticorum spricht. Den pilzhutförmigen Körper bezeichnet Dietl als Sehlappen (lobus opticus) , vor welchem Irrthum ihn die von Rabl-R ückhar d gemachte Beobachtung vom Vorhandensein derselben bei einem von frühester Entwicklung blinden Insecte (Typhlopone) hätte schützen sollen. Was sollte ein entwickelter lobus opticus bei einem Thiere , welchem ein Sehorgan fehlt , be- deuten ? Ungefähr dieselben Ansichten, wie ich sie über die Bedeutung der einzelnen Theile des Arthropodengehirns auseinandergesetzt habe, ünde ich in einer eingehenden Arbeit über das Nervensystem von Squilla von G. Bellonci1) „Morfologia del sistema nervoso della Squilla Mantis" (Annali del museo civico di storia naturale di Genova 1878, pag. 518) ausgesprochen. Der Verf. ist bestrebt, nachzuweisen, dass das Gehirn von Squilla aus der Verschmelzung von 3 Bauchstrangsganglien hervorgegangen sei. Die Ganglien- zellenlager des Gehirns sind die Ursprungsherde der peripheren Nerven ; doch sind die der einzelnen Nerven nicht so strenge loca- lisirt, wie Owsjannikof annimmt, da die Fasern derselben in verschiedenen Richtungen in der fibrillären Masse des Gehirns sich auflösen. Bellonci behauptet, dass die sensiblen Nerven aus kleinen, die motorischen aus verhältnissmässig viel grösseren Ganglienzellen entspringen. Dieselbe Grössenverschiedenheit zeigten nach seinen Untersuchungen die functionell verschiedenen Ganglien- zellen der Bauchstrangsganglien, indem hier der vordere (sensible) Ast der aus denselben entspringenden Nerven aus kleinen, der hintere (motorische) aus grossen Ganglienzellen entspringt. Ich muss jedoch bemerken, dass ich die Allgemeinheit dieser Behaup- tung nicht gelten lassen kann, da sich im centralwärts gelegenen Theile des Augenganglions von Squilla auch grössere Ganglien- *) Der Verf. hat in dieser Arbeit blo.s die Untersuchungen von Owsjanni- kof berücksichtigt. Von der Bearbeitung des Gehirns von Astacus durch Diel 1 scheint derselbe keine Kenntniss gehabt zu haben. (•140) Untersuchungen üb. d. Bau d. Gehirns u. d. Rotina d. Arthropoden. 5 zellen zwischen den kleineren finden. Von den Ganglienzellenlagern des Gehirns gehen Fasern zu den pilzhutförmigen Körpern, welch letztere Bellonci mit den Grosshirnlappen der höheren Thiere vergleicht. „Tutto dunque conduce a credere che le masse late- rali :) del cervello non diano origine directamente a nessun nervo periferico e che le loro fibrille vadano alle altre cellule cerebreli specialraente a quelle della regione anteriore superiore. Cosi questi due centri nervosi sarebbero veramente paragonabili ai lobi cerebrali degli animali superiori" (pag. 533). Im Wesent- lichen stimmt dies mit meiner Deutung als Projectionscentrum erster Ordnung im Sinne Meynert's überein. Das Augen- ganglion hält Bellonci, ebenso wie ich, für einen integrirenden Bestandtheil des Gehirns, und zwar als Bestandtheil des ersten Segmentes (pag. 536). Aus der im Vergleiche zu den übrigen Sinnesanschwellungen des Gehirns kolossalen Masse des Augen- ganglions will Bellonci auf einen präponderirenden Einfluss der mit dem Gesichtssinne empfangenen Eindrücke schliessen. In der Deutung der einzelnen Theile des Augenganglions stimmen Bellonci und ich nicht überein. Ich muss jedoch bemerken, dass der Schnitt, den Bellonci von demselben abbildet, nichts weniger als günstig für das Studium desselben ist und dass die Bedeutung der einzelnen Theile des Augenganglions erst durch vergleichende Untersuchung dieses Gehirnabschnittes bei verschiedenen Thieren gewonnen werden konnten. So entging denn auch Bellonci die innige Zusammengehörigkeit eines Theils des Augenganglions mit dem Auge, ich meine den von mir als ganglionären Theil der Retina beschriebenen. Die Nervenbündelschichte hält Bellonci für den eigentlichen Sehnerven und die Sehstabschichte für die Retina des facettirten Auges. In diesen nachträglichen Bemerkungen habe ich die Beobach- tungen der oben genannten Autoren blos insoweit einer Besprechung unterzogen , als dieselben die meinigen bestätigten oder mit den- selben in Widerspruch waren. Von den vielen Punkten, in denen sich dieselben ergänzen, konnte ich blos die allerwichtigsten hervorheben. Wien, Anfangs November 1878. J) Damit sind die pilzhutförmigen Körper gemeint (441) Out b. Via Hrli I T»r l , Ml "'* • %5^ Vertag v Alfred Ho! !. -'tats-Bucbhandlung in Wien ■;.■. -irm JiviV,; A tüul l>' !*'<'/.' Hill 1 Tnt'll. F14 s im k \ ; & * 3 . MN Verlag v_/Ufred Holdar, l Wuti Jim / Thr.R Clous Über Verlag vjMfred Holder, k.k.Hof-u Umversilats- Buchhandlung in W.en AHmtcfl mu dem iwloq Jnstitiil m Wim Hell I T"I'JT Claus WwrJ/tdütaiunaelc Fvj Z ^?P a,,« ?w -Eni «<, * . V »lf v ,- ' ;• 'f. ■"'"■ Verlag v/lfred Holder, VM Hof-u Univers,tats -Buchhandlung in Wien '.„■ .iiahlul i» Wim Heft 1 Turr dt " HoLuttmma.äi Ky« o i^.y eo ftf 9 Verlag vjMfred Holder, V k.Hof-u.Unjver,„a,s.Bljet,handlling mWl6„ 1 , , ■■-■■■ v, . Tiq 10- K, // *v * ' ■ •'■•■ -..•-':••'.;■:■''• ■ ,lea. JntUlut zu Wien Beftl Taf l'JI. C Grubbtn. Bnlrage zur Ktnnlnih etc Tat H Mfred HölderJd.Hof-u.ljniversiläts- Buchhandlung, Wien Li I n ,4nst ■/ jJ G Bach, Leipj») '■. '•'.■/ !e>>: yW> Fig. '// /'/./?•' Q Q <*> ^ ä . V c/.JnsIltut ut lt.. 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