«*%=>: s ! •*".< %.** Ä«J, FSV" • >J ,t V«. JjL^ GLENDOWER EVANS BORN MARCH 2 3 18öf. DIED MARCH2818B6 I Let knowledgH grow froni moreto nioro, Bnt uiore of n:\>:ieiiMi|; DER UNIVERSITÄT UND VORSTAND DES ZOOLOÜ1SOH-VERJL.-ANATOA11SUHKN INBTITU'l D1RECTOR DER ZOOLOUISUHEN STATION IM TRIEST. TOM. II. Mit 23 Tafeln und 2 Holzschnitten. WIEN, 1879. ALFRED HOLDER, K. K. HOF- UND ÜNIVERSITÄTS -BUC H HÄNDLER, Rothentliurmstrasse 15. Alle Rechte vorbehalten. / 3 27 Untersuchungen aber den Bau eines Microcephalen-Hirnes. Von Josef Victor Rohon. (Mit 2 Tafeln.) liegen stand der nachfolgenden Abhandlung ist die anatomische Bearbeitung des Gehirnes eines microcephalen Knaben , welcher im November 1871 — vierzehn Tage nach der Geburt — in Wien starb. Der Leichnam gelangte alsbald in den Besitz des Herrn Prot. Dr. Carl v. Patruban und wurde behufs näherer Unter- suchung sorgfältig injicirt, das Gehirn aus der eröffneten Schädel- höhle herausgenommen und im Weingeiste aufbewahrt. ETerr Prof. v. Patruban hat dieses merkwürdige Gehirn drin zooleg. - vergl. - anatomischen Institut behufs mikroskopischer Untersuchung überlassen und mir einige interessante Angaben über die allgemeinen anatomischen Verhältnisse desselben micro- cephalen Kindes zur Verfügung gestellt, welche ich mit dem Aus- druck innigen Dankes meinen Beobachtungen voraussende. Neben der hochgradigen Synostose sämmtlicher Schädelnähte bildete die Dura mater an der oberen convexen Fläche drei Abtheilungen . wovon die vordere ohne Spur einer Bildung des Processus falciformis major das Vorderhirn, die mittlere das vom Vorderhirn vollkommen unbedeckt gebliebene Zwischen- hirri und endlich die letzte Abtheilung das in seinem Oberwurm- theile verhältnissmässig kräftig entwickelte Hinterhirn umschloss. Am Schä delgrund zeigten sich die Impressiones d i g i t a t a e sehr markirt, die Crista g.alli war kurz und abgeflacht, der Clivus B lu nie nbachii verhältnissmässig breit, die Proces- sus des Hinterhauptbeines traten stark hervor. Die Beuge des Hirnstammes war kaum angedeutet. Claus, Ailii-it.ii aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 1 (l) 2 J. V. Eohon; Die Untersuchung der Sensoriell, der Organe der Brust-, Bauch- und Beckenhöhle ergab normale Verhältnisse. Im arteriellen Gefässsysteme krümmte sich der Arcus aortae statt linkerseits über den Bronchus der rechten Seite. Die linke Carotis und Subclavia entsprangen symmetrisch von einem Trunc u s b ra ckioceph alicus , und zwar so, dass zwei sich vollends correspondirende Arteriae anonymae vor- handen waren. Linkerseits entsprang zwischen der Carotis und Subclavia sin., die Arteria vertebralis sin., welche indess erst am fünften Halswirbel in den Canal der Querfortsätze einlief. Die Spalt ung der Aorta abdominalis fand an der Cartilago i n t e r v e r t e b r a 1 i s zwischen dem dritten und fünften Lendenwirbel statt. Die Arteria umbilicalis der rechten Seite war doppelt so stark, als die der linken. Die Vena cava superior fehlte, indem zwei Venae anonymae in den rechten Vorhof einmündeten. Der Ductus venosus Arantii war auffallend stark entwickelt. Das Knochen- und Muskelsystem war mit Ausnahme des an der linken Seite sich gebildeten Pes b albus vollkommen normal beschaffen. Das Kind selbst kam als reife Frucht in der Beckenendlage zur Welt, jedoch ohne manuelle Beihilfe, und starb an allgemeiner Körpersch wache , zufolge der mangelhaften, von der milcharmen Mutter dargereichten Nahrung. Die vierzigjährige Mutter war gänzlich normal gebaut und vollkommen gesund. Unter ihren sieben Kindern nimmt der Microcephalus die sechste Stelle ein. Alle Geschwister des. microcephalen Kindes sind normal ausgebildete Menschen. Der 50jährige, mit einer massigen Skoliose behaftete Vater litt seit zwei Jahren , in Folge einer chronischem Periostitis, an Nekrose der Vorderarmknochen der linken Seite. Die Geistesanlagen der Eltern, welche dem Kleingewerbe angehören, entsprachen ihrem Bildungsgrade und ihrer socialen Stellung. Was nun meine Untersuchungen des Gehirnes selbst betrifft, so erlaube ich mir hierüber einige Bemerkungen vorauszusenden. Vorerst wurden die sichtbaren und injicirten Gefässe genau verfolgt und in natürlicher Grösse und Lage abgebildet, vorsichtig präparirt, alsdann die Gewichts- und Massverhältnisse des ganzen Gehirnes bestimmt. Obwohl ich von vorne herein überzeugt war, Untersuchungen über Jen Bau eines Microcephalen-Hirnes. 3 dass die Messung unter den gegebenen Umständen nur von höchst untergeordnetem Wertlie sein würde, umsomehr , als eine Zerglie- derung des Gehirnes im Hinblick der vorgefassten Zerlegung des- selben in durchsichtige Querschnitte unzulässig erschien, so habe ich dieselbe doch dem herkömmlichen Gebrauche gemäss ausgeführt. Beim Abwägen des Gehirnes ergaben sich 17-2 Gramm als Gesammtgewicht. Für die Massverhältnisse l) resultirten folgende Zahlen : Der Längsumfang des ganzen Gehirnes betrug 12 Centimeter. D.jr grösste Umfang in der Quere des Vorderhirnes ergab 9'9 Centi- meter. Der Längsdurchmesser des ganzen Gehirnes stellte 5-7 Centi- meter, der Querdurchmesser des Vorderhirnes in der Gegend seines grössten Umfanges 3'5 Centimeter und der Querdurchmesser des Hinterhirnes 4 Centimeter. Die Durchmesserzahlen können an den Figuren 3 und 4 der Tafel I — welche der natürlichen Grösse des Gehirnes entsprechen — nachgemessen werden. Es ist weiterhin selbstverständlich , dass durch die länger andauernde Einwirkung des Weingeistes in dem Gewebe Ver- änderungen entstanden sind, die namentlich einer genaueren Durch- prüfung der histiologischen Elemente in den einzelnen Regionen des Gehirnes sehr hinderlich in den Weg treten mussten , ich habe mich daher in dieser Beziehung bei Aufnahme der Unter- suchungen keinen Illusionen hingegeben. Im Grunde wollte ich aber auch dem Eingehen auf das feinere Detail ferne bleiben, denn mir schien die Erkenntniss der Besonderheiten in Lage und Gestaltung der Gangliengruppen und der nach verschiedenen Richtungen hinziehenden Fasersysteme, wie auch das Verhalten derselben zu einander in den einzelnen Gehirnabtheilungen , als die wichtigste Aufgabe dieser Untersuchung. Von den Präparaten ist wohl wenig zu bemerken, da die- selben nach der allgemein üblichen Carmin-Methode behandelt und die Querschnitte in successiver Reihenfolge mittelst eines Mikrotomes verfertigt wurden. Die Präparate nahm Herr Pro- fessor Dr. C. Claus in seine Präparatensammlung auf. Die Abbildungen anlangend, so ist die grössere Anzahl der- selben bei schwacher Vergrösserung den entsprechenden Präpara- ten entlehnt worden, indem das Zeichnen ganzer Querschnitte bei ') Ich legte das Mass am Ende des Nachhirnes an und führte dasselbe in der Mediane des Gehirnes längs seiner ganzen dorsalen oder oberen Fläche, am vorderen Vorderhirnrinde vorüber, dann längs der ganzen ventralen oder unteren Flache dieselbe Bichlung einhaltend, bis zu dem Ende des Nachhirnes zurück. 1 * (3) 4 J. V. R o h o n : halbwegs stärkerer Vergrösserung wohl kolossale Figuren geboten, aber das Verständniss eher gestört als gefördert haben möchte. Allerdings wurden mehrere der wichtigsten Verhältnisse mit stär- kerer Vergrösserung in die einzelnen Figuren eingetragen, diese finden sich jedoch in der Tafelerklärung mit der Angabe der Ver- grösserung jedesmal hervorgehoben, so dass also der Orientirung kein Eintrag geschieht. Die Arbeit habe ich mit Hilfe der Mittel des zoologisch- vergleichend-anatomischen Institutes der Universität Wien aus- geführt und betrachte es als meine vornehme Pflicht, für die mir gütigst erwiesene Unterstützung meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Carl Claus, auch an dieser Stelle den innigsten Dank zu sagen. Beschreibung der Beobachtungs-Ergebnisse. Zur Bezeichnung der einzelnen Gehirnabschnitte wählte ich die von Karl Ernst v. Baer1) in die Wissenschaft eingeführte Nomenclatur: Vorderhirn, Zwischenhirn, Mittelhirn, Hinterhirn und Nachhirn. 2) Diese Bezeichnungsweise dürfte im vorliegenden Falle um so zweckmässiger sein, als die zwei ersten Abtheilungen unseres Gehirnes sich mehr den indifferenten Zuständen des in fünf Bläschen abgegliederten Gehirnes nähern, und demnach mit Gross- hirn-Hemisphären und Thalami optici nicht benannt werden können. Das Vorderhirn geht quantitativ allen übrigen Abthei- lungen voran , während nach bisherigen Erfahrungen bei den er- wachsenen Microcephalen gerade ein umgekehrtes Verhältniss stattfindet. Bezüglich des Verhaltens der dorsalen oder oberen Vorderhirnfläche, darf ich zum Verständniss der Beschreibung auf die Figur 3 der Tafel I verweisen. Man sieht das Vorderhirn ') Karl Ernst v. Baer, Ueber Entwicklungsgeschichte der Thiere. Zweiter Theil. Königsberg, L837, pag. 107. 2) v. Mihalkovics ändert „aus Gründen der deutlicheren Beschreibung des embryologischen Vorganges" diese allgemein angenommenen Benennungen der Gehirnabschnitte in folgender Weise. (Entwicklungsgeschichte des Gehirns Leipzig, 1877. pag. 34): Secundäres Vorderhirn — (prosencephalon secundarium) , primäres Vorderhirn — (prosencephalon primitivum) , das Mittel-, Hinter- und Nachhirn- bläschen. Es wird aber späterhin gezeigt, dass derjenige Entwieklungsvorgang, welcher v. Mihalkovics zur Aufstellung seiner Nomenclatur veranlasste, im Wesentlichen schon v. Ha er bekannt war. Ausserdem braucht man blos den Ver- such von Gustav Fritscli (Untersuchungen über den feineren Bau des Fisch- gehims etc., Berlin 1878, pag. \2 und 13) zu berücksichtigen, um die Unzweck- mässigkeit einer solchen Bezeichnungsweise in morphologischer Beziehung ein- zusehen. Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 5 (V) gleich einer der Quere nach gestellten Bohne, vor -dem Zwi- schenhirn (Z) liegen. Die bei dieser Ansicht den Umfang des Vorderhirnes umschreibende Linie schliesst im Grunde zwei Ränder ein, von denen der erstere als die Convexität des ganzen Gehirn- abschnittes nach vorn frei endigt und nur links von der Mittel- linie durch ein hervorragendes Läppchen (1) abgegrenzt wird, der zweite aber als Concavität eine an der Berührungsstelle von Vorderhirn- und Zwischenhirnmassen minder tiefe und zweimal wellig gebogene Furche (z) bildet. Diese Furche ist es nun, welche die einzige Andeutung von einer äussern Trennung des Vorderhirnes vom Zwischenhirn herstellt, nennen wir sie die Grenzfurche. Parallel mit derselben Grenzfurche verläuft eine bedeutend tiefere und mehr in der rückwärtigen Gegend des Vor- derhirnes gelegene Querfurche (x) , vor welcher wiederum, mehr dem vorderen Vorderhirnrande genähert, drei kleine Furchen auf- treten, unter denen namentlich die mittlere (lf), die Gestalt einer abgebrochenen Pfeilspitze annimmt ; sie sind meiner Meinung nach alle drei in der Entwicklung zurückgebliebene Längsfurchen. Zwischen den Furchen verbreitet sich die Vorderhirnmasse mit einer gleichmässig glatten Oberfläche , die jedoch eine unregel- mässige und halbkreisähnliche Wölbung bildet , deren Höhepunkt so ziemlich in der Mittellinie liegt, während die tiefen Punkte in den lateralen, gegen die ventrale Fläche des Vorderhirnes ziehen- den Linien zu suchen sind; daher ist, wie gesagt, die Gestaltung der dorsalen und der lateralen Vorderhirnmassen einer quergela- gerten, zugleich aber mit den beiden Endpolen nach abwärts ge- krümmten Bohne zu vergleichen. Eine seitliche Ansicht des ganzen in Pede stehenden Gehirn- abschnittes (Taf. I, Fig. 5 V) gestattet drei Abschnitte der ge- wölbten Vorderhirnfläche zu unterscheiden. Der erste, zugleich niedrigste Theil trägt die drei unlängst bezeichneten unentwickel- ten Längsfurchen und stösst mit dem nach auf- und vorwärts- tretenden Läppchen (1) zusammen, der zweite, als der höchste, erhebt sich zwischen den vorangehenden Längsfurchen und der besonders linkerseits ziemlich tief herabreichenden Querfurche (x), während endlich der dritte Abschnitt, welcher einen etwas niede- reren Wulst vorstellt, zwischen der Querfurche (x) und der Grenz- furche (z) liegt. Von Gefässen zeigt die dorsale Vorderhirnfläche ebensowenig, wie die lateralen Flächen irgend welche Spur. An der ventralen oder unteren Seite erscheint das Vorder- hirn in nahezu ebener Fläche abgeplattet. Es muss aber bemerkt ß .1. V. Rohon: werden, dass diese Gestaltung keineswegs eine natürliche sein dürfte, wenn man die Wirkung des Weingeistes und Momente mechanischer Natur, wie z. B. die durch eigene Schwere des viel- leicht während der Aufbewahrung auf seiner ventralen Fläche gelegenen Gehirnes entstandene Formveränderungen nicht un- berücksichtigt lassen will. Das Vorderhirn zeigt an der unteren, mehr plattgedrückten Fläche zwei vollkommen verschiedene Bildungen , von denen die eine rein cerebraler Natur ist und der eigentlichen Vorder- hirnsubstanz zugehört, die andere dagegen eine fibröse Masse dar- stellt. In Form eines Hufeisens nimmt der cerebrale Theil die ganze Randpartie der ventralen Vorderhirnfläche ein (Taf. I, Fig. 4 V), und wird nach innen zu von dem fibrösen Theil durch eine seichte Furche (t) abgegrenzt, seine Oberfläche ist glatt und nur sehr unbedeutend gewölbt; auch wird dieser Theil des Vor- derhirnes in der Mitte und nach vorn von einem Läppchen (1) bedeckt. Wurde dieses Läppchen, welches frei da lag, ein wenig mehr von der Vorderhirnsubstanz abgehoben, so zeigten sich an der früher bedeckten Stelle mehrere ballenähnliche An- häufungen von Vorderhirnbestandtheilen, die indess nur äusserlich getrennt, hingegen innerlich mit den Vorderhirnmassen innig ver- einigt waren. Das schon mehrmals genannte Läppchen (1) ist blos das frei liegende vordere Ende des fibrösen Theiles der unteren Vorderhirnfläche, dessen Ausbreitung zwischen die früher bezeichnete und beiderseits bestehende Furche (t) bis zu dem Chiasma nervorum opticorum (ch) und noch ein wenig lateralwärts vom Chiasma fällt. Nur die Region zwischen dem Chiasma und den Pedunculi cerebri (p) bleibt von diesem Lappen völlig unberührt. Die ziemlich zahlreichen, bald grösseren, bald kleineren Lücken, welche man an der Lappenfläche äusserlich bemerkt, stellen zum Theil Räume für die eintretenden Gefäss- stämmchen, zum Theil aber zufällige Bildungen vor. Ueber die injicirten, an der ventralen Vorderhirnfläche vor- kommenden Arterien knüpfe ich an die Beschreibung der Vor- derhirnoberflächen Folgendes an. Zu beiden Seiten des Chiasma nervorum opticorum (Taf. I, Fig. 2 ch) bemerkt man die inneren Carotiden (aci). Die linke Carotis beschreibt in ihrem Verlaufe die Form eines lateinischen „S" , nächst ihres vorderen Endes bemerkt man ein kleines Stämmchen mit zwei sehr kurzen und ziemlich spitzen Ausläufern. Sodann beobachtet man, dass die linke Carotis ohne irgend eine weitere Abzwei- Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 7 gung in toto als A r t e r i a c ommunicans p o s t e r i o r in die linke Arteria profunda cerebri (apc) übergebt. Die rechte Carotis verhält sich dagegen zu der rechten Profunda cerebri wie unter normalen Umständen, indem sie durch die Arteria communicans posterior (amp) mit der rechte n Profunda cerebri (acp) anastomosirt. Nicht weit von dem nächst der Furche (t) gelegenen Ende der rechten Carotis ent- springen drei zarte und kurze Gefässstämmchen. Ferner fehlt dem Gehirn eine Communicans antica, womit das Offenbleiben des zum Theil auch in unserem Falle an- nehmbaren Circulus arteriosus Willisii zusammenhängt. Durch den Ausfall der eben genannten Communicans antica, sowie der Communicans p o s t i c a , bleibt auch bei normalen Verhältnissen des ausgebildeten Gehirnes nicht selten der Cir- culus arteriosus Willisii ungeschlossen. Zu dem inneren Baue des Vorderhirnes übergehend , bitte ich zunächst die Fig. 7 auf Tafel I im Auge zu behalten , denn sie stellt die sogleich zu besprechenden Structurverhältnisse möglichst naturgetreu dar. Vorerst möchte ich indessen einige allgemeine Bemerkungen voraussenden. Vor Allem fällt der vollständige Mangel jeglicher Spur von Höhlen , oder — wie dies mit Rücksicht auf die ein- heitliche Masse des ganzen Vorderhirnes zu erwarten wäre — einer Höhle auf, dann die wenig ausgesprochene^Sonderimg von Ganglienzellen und Nervenfasern , wie auch die vielleicht damit im Zusammenhange stehende Erscheinung , dass mehr als zwei Drittel von der ganzen Vorderhirnsubstanz aus einer homogenen, bald molekularen, bald gestreiften Masse besteht, in der wiederum zahlreiche Kerne bunt durcheinander zerstreut liegen. Anderseits interessirt die fast vollkommen durchgeführte bilaterale Massen- vertheilung im Vorderhirne, wenn man sich die Medianebene an unserer Figur 7 gezogen denkt. Weist nun die zuerst erwähnte Thatsache ohne Zweifel auf eine Verbildung, oder, wenn man will, auf eine Missbildung des Vorderhirnes hin , so ist der letztere Umstand — die bilaterale Vertheilung der inneren Massen — meiner Meinung nach geradezu eine sehr merkwürdige Erscheinung , deren Bedeutung von selbst in die Augen springt. Ueber die Structur des Vorderhirnes beschränke ich mich auf nachfolgende Angaben. Ich habe oben gezeigt, wie sich bei einer seitlichen Ansicht (7.» 8 J. V. Kohon: des Vorderhirnes (Taf. I, Fig. 5 V) drei Abschnitte der sich wölbenden Oberfläche unterscheiden lassen , und ich darf jetzt hinzufügen, dass eine solche Dreitheilung des Vorderhirnes auch auf den inneren Bau übertragen werden kann. Der erste Abschnitt zeigt auf Querschnitten eine centrale Masse (Fig. 7 x') , welche sich in der ganzen Länge des Vorder- hirnes von vorn nach rückwärts und bis zu den Zwischenhirn- massen erstreckt. Im Zusammenhange mit dem geringen Umfange des Vorderhirnes, oder eigentlich dessen ersten Drittels , ist auch die centrale Masse, wie ich sie bezeichnen will, weniger mächtig, als in den nachfolgenden zwei Abschnitten vertreten. Ihrem Baue nach charakterisirt sich dieselbe als eine mit un- gewöhnlich zahlreichen Kernen versehene molekulare Masse, welche Gefässröhrchen verschiedenen Kalibers , Nervenfaserbündel und spärlich Ganglienzellen enthält. Bei den Kernen kann man zweier- lei Formen, grössere und kleinere, mit Carmin intensiv imbibirte, aber dennoch insgesammt als klein zu bezeichnende Gebilde unter- scheiden , sie sind fein gekörnt , und an den grösseren von ihnen konnte auch ein mittelständiges kleines Kernkörperchen wahr- genommen werden. Die verhältnissmässig in grösserer Anzahl vorhandenen Ge- fässe waren an den Querschnitten grösstentheils in der Länge getroffen , die Breite derselben zeigte verschiedene Dimensionen, von den feinsten bis zu ziemlich starken , jedoch normalen Capil- laren. Die in kurzen Strecken dichotomisch sich abzweigenden Stämmchen schlagen die Richtung gegen die Peripherie des Vor- derhirnes ein, wo die quer-, schräg- und längsgeschnittenen stärksten Gefässstämmchen zum Vorschein kommen. Der Lauf der Vorder- hirn-Capillaren ist in vielen Fällen durch eine spiralige Linie be- zeichnet. Die wenigen, in der centralen Masse auftretenden G a nglien- zellen stimmen ihrer Grösse nach so ziemlich mit den kleinen Pyramidenzellen der Grosshirnrinde überein, ihre Gestalt ist bald die einer Pyramide , bald einer kleinen Spindel , der Kern wird bei vielen ganz deutlich sichtbar, seltener dagegen das Kern- körperchen. An der unteren Fläche des ersten Vorderhirnabschnittes treten ballenartige Anhäufungen der Vorderhirnsubstanz auf, die durch das bereits früher erwähnte Läppchen (1) bedeckt wird , es ist das ein Theil derjenigen Masse, auf welcher die centrale Substanz längs der ganzen unteren Vorderhirnpartie aufruht, sie ist der Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 9 letzteren ähnlich gebaut, nur unterscheidet sie sich durch den fast völligen Mangel der Ganglienzellen und bildet entweder überall dort , wo der fibröse Lappen sich ausbreitet , die Mittelmasse zwischen diesem und der centralen Masse , oder wo dies nicht mehr der Fall ist, wie z.B. in der Gegend des Chi'asma, bleibt sie die äusserste Partie der Vorderhirnsubstanz ; auch ist dieser Theil der Vorderhirnsubstanz hie und da mit dem fibrösen Lappen verschmolzen , wie man es an unserer Figur 7 links bei 1 abge- bildet sieht. In der Mittellinie besteht durch die ganze Länge der cen- tralen Masse, in allen drei Vorderhirnabschnitten, eine senkrechte Spalte (Fig. 7 s') , die nichts anderes sein kann, als eine durch den mehrjährigen Einfluss des Weingeistes in dem Gewebe be- wirkte Trennung, also ein Artefact. Für eine solche Deutung sprechen namentlich die zickzackförmigen Umrisse derselben, welche jedweder epithelialen Bekleidung entbehren. Unmittelbar auf der centralen Masse lagert mantelartig und eng sich anschliessend, eine Schicht der Vorderhirnsubstanz, welche von jener Masse durch eine dünne , jedoch nicht überall gleich- massig entwickelte Kernlage geschieden wird. Die Elemente der Kernlage (Fig. 7 k) imbibiren sich intensiv roth mit Carmin und sind mit jenen die Grundsubstanz grösstenteils aufbauenden Kernen gleichzustellen. Aus der näheren Untersuchung dieser mantelartig in den dorsalen oder oberen und den lateralen Vorderhirnoberflächen sich ausbreitenden Vorderhirnsubstanz ergibt sich, dass dieselbe die Anlage einer unregelmässigen und in der Entwicklung zurück- gebliebenen Vorderhirn- oder Grosshirnrinde (Fig. 7 Cr) vorstellt. Eine bei stärkerer Vergrösserung abgebildete Dar- stellung der Verhältnisse von der in Rede stehenden Vorderhirn- rinde bietet die Figur 12 auf der Taf. II, an der man mit Leich- tigkeit und mit ziemlicher Sicherheit 4 Schichten von einander unterscheiden kann. Die erste oder äussere Schicht (1) charak- terisirt sich vor Allem durch den völligen Mangel von Nerven- körpern — die wenigstens nicht bestimmt nachzuweisen sind — und besteht aus molekularen , mitunter gestreiften homogenen Massen mit vereinzelt zerstreuten Kernen und sehr wenigen Ge- fässen; sie wird am normalen Grosshirn im Sinne Virchow's die Neuroglia genannt. Die nächstfolgende zweiteSchicht(2) enthält Capillaren in verhältnissmässig grösserer Anzahl, wo- runter auch stärkere, hie und da miteinander anastomosirende (gf) 10 J. V. Rohon: vorkommen, in denen dann bisweilen auch noch die Blutkörperchen in ziemlich wohl erhaltenem Zustande angetroffen wurden. Ausser den Elementen der vorhergebenden Rindenschicht treten in der zweiten kleine, pyramidenähnliche Zellen mit je einem basalen Fortsatz (zweite Schicht Meynert) auf, an denselben (Taf. II, Fig. 15 a, b) beobachtet man ein fein- körniges Protoplasma, einen deutlichen, central gestellten Kern mit Kernkörpereben. Die dritte Schicht (3) setzt sich aus dichtgedrängten Kernen zusammen und entspricht wahrscheinlich der vierten Schicht, der K örfter Schicht (M eynert) des normal ausgebildeten Cortex cerebri. Endlich unterscheidet sich eine innerste oder die vierte Schicht (4) von den vorigen durch den Besitzthum einer grösseren Zahl pyramidenähnlicher Zellen, die fast insgesammt von einem lichten Hofe umgeben sind, fein- körniges Protoplasma und durchschnittlich einen deutlichen Kern mit Kernkörpereken besitzen. Bei diesen Ganglienzellen habe ich jedoch keinen Basalfortsatz erblicken können. Bei einigermassen schräger Schnittführung kamen zwischen den Pyramidenzellen der vierten Schicht auch deutliche Spindelzellen mit zwei Fortsätzen und feinkörnigem Protoplasma mit Kern und Kern- körperchen zur Erscheinung, — solche Ganglienzellen zeigt die Figur 16 auf der Taf. II a, b, c. Im Uebrigen muss bemerkt werden , dass alle in unserem Gehirne vorkommenden und unter starker Vergrösserung von mir beobachteten Ganglienzellen , — so weit die Beurtheilung solcher Verhältnisse auf Grund der über- mässigen Einwirkung durch die Conservirungsflüssigkeit als zu- lässig erscheint — hüllenlose Zellen waren. Die beiden folgenden Vorderhirnabschnitte , von denen der erstere die mittlere, der letztere die hintere, an das Zwischenhirn stossende Abtheilung des Vorderhirnes bilden, behalten die in erstem Abschnitte von einander wohl unterscheidbaren Massen- d. h. die Vorderhirnrinde und die centrale Masse. Es differiren aber die zwei letzteren Abschnitte, sowohl untereinander, als auch von dem ersten Abschnitte, indem es einerseits im zweiten Abschnitte Theile gibt, die weder der erste, noch der letzte besitzt, und anderseits aber dem dritten Vorderhirnabschnitte Gebilde zu- kommen , die in den zwei vorangehenden nicht vorhanden sind. So findet man an Querschnitten des zweiten Vorderhirnabschnittes, der zwischen den drei unentwickelten Längsfurchen und der Querfurche der dorsalen Vorderhirnfläche (Taf. I, Fig. 3 x) seine Ausbreitung nimmt, dass drei neue Gebilde auftreten, welche (101 Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 11 zwischen die centrale Masse und die Vorderhirnrinde sicli ein- schieben. Zuerst bemerkt man eine halbmondförmige dunkle Masse, die rechts und links von der oberen Partie der centralen Masse zum Durchbruch gelangt (Taf. I, Fig. 7 z'). Dieselbe be- steht aus ziemlich grossen und zahlreichen quer getroffenen Ner- venfaserbündeln, die durch schräg ziehende Fasern von einander geschieden werden ; auch Gefässe und die bekannten zahlreichen Kerne treten daselbst auf. Die Herkunft und die Endigungsweise dieser Nervenlängsbündeln blieb mir unklar, wenngleich ich die successive folgenden Querschnitte auf diesen wichtigen Umstand hin geprüft habe ; nur so viel steht fest, dass dieselben Nervenbündel im Bereiche des zweiten Vorderhirn- abschnittes in ihrem ganzen Umfange zum Vorschein kommen, das ganze Vorderhirn von da an in einer und derselben Richtungs- ebene durchsetzen, um schliesslich mit den Endmassen des dritten Abschnittes im Vorderhirne das Ende zu erreichen. AVeiterhin findet man eine zweite , mehr kolbenförmig ab- gegrenzte und an die vorige sich anlehnende Masse (Fig. 7 y'), welche sich in ähnlicher "Weise, wie die vorhin besprochene aus quer getroffenen Längst as er bündeln zusammensetzt; dabei sind die Faserbündel wohl etwas dunkel, aber viel weniger als die auf ihrem oberen Pole liegenden, quer durchschnittenen Fasern. Auch diese Art von Bündeln beginnt mit einer mir gleichfalls unbekannten Ursprungsweise im zweiten Vorderhirnabschnitte, durchbricht dann den dritten Abschnitt, und geht ferner mit einer geraden Verlaufsrichtung in das Zwischenhirn über, von da in das Mittelhirn, um hierselbst die Elemente für die Mittel hir n arme (Vierhügelarme ) und die hinteren Längs- bündel der Haube, Meynert, abzugeben. Von der grössten Bedeutung für den ganzen Gehirnbaii bleibt dieses Längsfaser- system, denn es bildet einzig und allein die directe und con- ti n u i r 1 i c h e F a s e r v e r b i n d u n g zwischen dem Vorderhirn und den übrigen G e h i r n a b t heil u n gen, das Hinterhirn ausgenommen. Auf beiden Seiten wird nunmehr zwischen die Vorderhirn- rinde und das eben besprochene Längsfasersystem, eine den zweiten und auch den dritten Vorderhirnabschnitt charakterisirende, mehr rundlich sich abhebende Masse (Fig. 7 n) eingeschaltet, die ausser ihrer optischen Differenz, auch dadurch von den übrigen Massentheilen sich unterscheidet, dass eine ziemlich grosse Anzahl von Ganglienzellen auftritt, während die Nervenfasern bei den 12 J. V. Rohon: meisten Querschnitten sehr spärlich werden ; ausserdem enthält dieselbe vorwiegend homogene Grundmasse und jene zukommenden Kerne. Gehen wir zur Betrachtung des dritten Vorderhirnabschnittes über, der an seinen Querschnitten mehr von einer elliptischen Ge- stalt ist. Derselbe ist nicht nur dem Umfange nach unter allen drei Abschnitten der mächtigste , sondern auch die complicirteste und zugleich morphologisch die interessanteste Gegend des ganzen Gehirnes. Unsere Fig. 7 (Taf. I) , welche uns bislang bei der Besprechung des inneren Vorderhirnbaues leitete , stellt einen Querschnitt dieses Abschnittes dar. Ausser den bereits besproche- nen Gebilden tritt vor Allem eine von ihrer Umgebung deutlich sich abscheidende Masse (g') auf. Dieselbe präsentirt sich als einheitliches Gebilde, man kann sie indessen mit gleichen Antheilen beiden Hälften des Vorderhirnes zuweisen, vorausgesetzt, dass man sich die senkrechte Mittellinie in der Fortsetzung der Spalte (s') bei unserer Figur vorstellt. Beziehentlich der topographischen Lage ist hervorzuheben , dass die Masse in der oberen Seite von der Vorderhirnrinde bedeckt wird, abwärts liegt dieselbe auf der centralen Masse (x') und in ihren beiden Seiten fügen sich die halbmondförmigen Querschnitte des mächtigen und dunkel pigmen- tirten Längsfasersystems (z') , wie auch die homogene, in ihren Dimensionen an den Querschnitten wechselnde Grundmasse , an. Ich habe diese Masse wegen des compacten Auftretens der Gang- lienzellen in ihrem Innern als Ganglienmasse des Vorder- hirnes bezeichnet. Die einzelnen ihrer Ganglienzellen gehören in die Kategorie derjenigen Nervenkörper, mit denen wir schon in der vierten Schicht der Vorderhirnrinde bekannt geworden sind. Nur wenige Nervenfasern und Gefässe treten in der Ganglien- masse auf. Sodann erblickt man im dritten Gehirnabschnitte eine an Querschnitten lappenähnliche Substanzlage (n'), welche beiderseits zwischen den wichtigen , quer getroffenen Längsfaserbimdeln (y') und der centralen Masse liegt. Ihre Entstehung kann nur in der Weise erklärt werden, dass durch das Eindringen einzelner Längs- bündel, welche sich von der übrigen Fasermasse (z'j losgelöst haben, die centrale Masse (x') lateralwärts getheilt wird. In der letzteren verlaufen gerade von der Theilungsstelle aus in schräger Richtung nach aufwärts längs getroffene Nervenfaser- bündel (nf), ob diese, wie ich vermuthe, den quer durchschnittenen Faserbündeln angehören und nur einzelnen von diesen ablenkenden (121 Untersuchungen über den Bau eines Microceplialen-Hirnes. 13 Bündeln entsprechen, mag freilich dahingestellt bleiben, denn an Querschnitten können ähnliche Verhältnisse gewiss nicht mit Sicherheit erwiesen werden. Einer besonderen Erwähnung verdient auch die Stelle (f), welche den eben in Rede gestandenen Theil der Vorderhirnsubstanz von ihrer nach aussen gerichteten Nachbarmasse (y') trennt und der Länge nach geschnittene Querfasern enthält. Beiläufig durch die Mitte dieser Querfasern zieht sich eine blattähnliche Lage von Gra nglienz eilen , die eine mehr schlanke und spindelige Gestalt haben. Von Nervenfaserzügen werden im dritten Vorderhirnabschnitte auch folgende drei Gruppen angetroffen. 1 . Fast oberflächlich bemerkt man an unserer Abbildung (Fig. 7) beiderseits, von oben ein wenig gebogene weisse Streifen herabziehen (cl), es sind Nervenfaserbündel und kommen von den äussersten Punkten der Mittellinie bei unserer Figur (cl), zum Theil in der Vorderhirnrinde fortlaufend , zum Theil aber auch in die inneren Vorderhirnmassen einbrechend ; sie verlieren sich alle nach ziemlich kurzem und nur wenig gebogenem Ver- laufe, schon in den oberen, also dorsalwärts gelegenen Massen des Vorderhirnes. Dabei machen die Faserbündel in der Mitte ihres Zuges, d. h. in der obersten Partie von der Mittellinie an unserer Abbildung, verschiedene Biegungen, ohne jedoch an irgend einer Stelle einzeln oder bündelweis sich zu kreuzen. Dass alle diese Fasern eine, die beiden symmetrischen Hälften des einheitlichen Vorderhirnes verbindende Commissur herstellen, ist kaum zu bezweifeln , weshalb ich diese Fasergruppe, unter gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer topographischen Lage, als ein Gebilde deute, das an den Balken (Corpus callosum) erinnert. 2. Nicht minder interessant als das vorgehende, verhältniss- mässig mächtige Fasersystem, zeigt sich im Vorderhirne, und zwar der ventralen oder unteren Vorderhirnflüche sehr genähert, ein (|uei' f a s e r s y s t e m ( Fig. 7 cma) , das schwach entwickelt, seiner Lage nach aber nichts anderes als eine Commissur (vor- dere? ist. Ich füge noch hinzu, dass die Lage dieser Commissur — wie sie unsere Abbildung zeigt — sofern eine schematische ist, als dieselbe dem zweiten und nicht dem dritten Vorderhirn- abschnitte angehört, und nur wegen nothwendigerweise eingetre- tener ßeduction in den Abbildungen der Figur 7, sonst in richtiger topographischer Stellung beigefügt wurde. 3. Zu den schwierigsten Verhältnissen hinsichtlich des Ver- 14 J V. Rohon; ständnisses gehören an unserem Gehirn, die der Nervi optici. Wenn wir nämlich die Sehnervenwurzeln (Fig. 7 ow) mit dem Chiasma nervorum opticorum (Fig. 4 ch) , dessen innerer Bau mir leider wegen Unzulänglichkeit der Präparate un- bekannt geblieben, und die Schnittrichtung von der Figur 7 (Tat. I., Fig. 6, 7) miteinander vergleichen, so ergibt sich folgendes Bild. An der ventralen oder unteren Vorderhirnfläche treten die sehr kurz abgeschnittenen Nervi optici augenscheinlich zu dem mit Rücksicht auf die ganze Vorderhirnmasse ziemlich weit nach rückwärts verschobenen Chiasma zusammen, welch' letzteres ohne Dazwischenkunft der Tracti optici an die Vorderhirn- substanz — knapp an der Grenze der untersten Zwischenhirn- masse — sich vollkommen anschmiegt: fast in senkrecht zu dieser Stelle gedachter Ebene treten die SehnervenwurzeJn rechts und links im Vorderhirne auf (Fig. 7 ow), und zwar erscheinen die Opticus würz ein in jeder Vorderhirnhälfte als einfaches Ner- venbündel , das bei aufsteigender Verlaufsweise in zwei Bündel zerfällt, die wiederum nicht auf beiden Seiten des Querschnittes gleich mächtig entwickelt sind und ganz nahe der zweitangeführ- ten Längsfasern des Vorderhirnes (y') endigen. So viel konnte ich aus den mir vorgelegenen Präparaten über die Opticuswurzeln in Erfahrung bringen. Ich sagte, dass die Sehnervenwurzeln im Vorderhirne zum Vorschein kommen, was Angesichts der dies- bezüglichen entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen einen vollen Widerspruch zu enthalten scheint und trotzdem , dass diese Be- hauptung durch ein anatomisches Präparat begründet wird, klingt das ganze Verhältniss nichts weniger als paradox, — ich komme jedoch später noch einmal hierauf zu sprechen. Zum Schlüsse unserer Betrachtung über das Vorderhirn er- übrigt noch eine kurze Besprechung des f i b r ö s e n L a p p e n s, welcher fast in der ganzen mittleren Partie der ventralen Vorder- hirnfläche besteht. Mit Ausnahme seines am vorderen Ende des Vorderhirnes ganz frei liegenden Theiles (Fig. 4 1) erscheint der ganze Lappen an Querschnitten als ein, in der Gegend der Mittel- linie dünnes , lateralwärts aber als ein bedeutend dickeres und flächenhaft ausgedehntes Gebilde. Bei einer näheren Besichtigung der inneren Structurverhältnisse erkennt man sofort seine zum grössten Theile fibröse Natur. Namentlich sind es die dünneren Präparate, welche zeigen, wie zahlreiche, deutlich ausgeprägte, scbleifenälmlich gesammelte Fasern, in denen je einzelne der Fa- sernlänge nach gestellte, spindelförmige Kerne liegen, den ganzen Uli Untersuchungen über deu Bau eiues Microcephalen-Hirnes. 15 Lappen meistens quer und wellenförmig durchziehen. Man sieht ferner, dass ziemlich zahlreiche Capillargefässe verschiedenen Ka- libers, in allen möglichen Richtungen, das Fasergelage durchflechten und bei der Bildung des Lappens einen ziemlich bedeutenden An- theil nehmen. Die Beziehungen des Lappens zu der eigentlichen Vorder- liirnsubstanz ordnen sich in der Weise, dass fast überall das Lappengebilde von demjenigen Massentheil , auf welchem die centrale Masse (Fig. 7 x') lagert, und wo auch späterhin nach rückwärts die Opticus wurzeln und die Elemente der Commissur liegen, getrennt bleibt und nur stellenweise durch hinüber und herüber laufende Capillaren mit der eigentlichen Vorderhirnsub- stanz in eine directe Verbindung gebracht wird. Auf Grund dieses Befundes wird man genöthigt, diesen Lappen nur als ein accessorisches Gebilde zu beurtheilen. Freilich macht sich an mehreren Stellen der Querschnitte eine vollkommene Verschmelzung der Lappen- und Vorderhirnsubstanz bemerkbar (Fig. 7 1 links), was wiederum im Gegensatze zu den früheren Zuständen auf ein inniges Zusammengehen der beiden Substanzformen hindeutet, Zu- dem tritt noch der wichtige Umstand hinzu , dass selbst der Lappen zu einem nicht unbedeutenden Theil eine Masse in seinem Innern bewahrt, welche optisch bald ein molekulares, bald ein gestreiftes Aussehen zeigt und von zahlreichen , mit Carmin in- tensiv roth gefärbten runden Kernen erfüllt wird , ein Umstand, der den Lappen mit der Vorderhirnsubstanz in Uebereinstimmung bringt, zumal auch die letztere, nach dem früher Gesagten, gröss- tenteils aus einer solchen Masse besteht. Die Fig. 7 der Tafel I zeigt in 1 die quer getroffenen Aus- läufer von dem fibrösen Lappen am Vorderhirn , in der Gegend der Opticuswurzeln, beziehungsweise in der Gegend des C h i a s in a n e r v o r u m opticorum. Das Zwischen Hirn. Der zweite Gehirnabschnitt (Taf. I, Fig. o , 4, 5 Z ) ist der zu allen übrigen Gehirnabtheilungen ver- hältnissmässig am unbedeutendsten entwickelte Gehirntheil ; seine. makroskopisch unterscheidbara Begrenzung lässt sich mit wenigen Worten bestimmen. An der dorsalen oder oberen Fläche wird das Zwischenhirn nach vorn durch die uns schon bekannte G reu z- furche (Fig. 8 z) von dem Vorderhirn, nach hinten gleichfalls durch eine, indessen bedeutend tiefere als die vorgehende Furche (Fig. 3 und 5 y), von dem Mittelhirn geschieden. Dagegen kann man die Grenzlinie an der ventralen oder unteren Fläche des 16 .T. V. Rohon: Zwischenhirnes nur ans den combinirten Querschnitten entnehmen. Es ist also eine mehr ideale Bestimmung der Grenzstellen, welche gewonnen wird, indem man einmal hinter demChiasma eine vor- dere Querlinie zieht, und sodann eine hintere, welche die äusseren Ränder der Pedunculi cerebri (p) mit ihren Enden dort berührt, wo der Anfang von den letzteren sichtbar geworden ist. An der Seitenfläche kann überhaupt von einer Abgrenzung des Zwischen- hirnes vom Vorderhirn und Mittelhirn gar keine Rede sein , weil hier die Massen aller dreier Gehirnabschnitte , besonders in der mittleren Gegend , um die central gezogene Längsaxe herum , in continuo aufeinander folgen, und es genügt eben ein einziger Blick auf die Figur 5 (Taf. I V Z M_), um eines solchen Eindruckes be- wusst zu werden. Von dieser Continuität der Masse macht nur ein Theil des Zwischenhirnes eine Ausnahme, indem eine wulst- förmige Erhebung an der vorderen Z wisch enhirnpartie hervortritt, welche von einer accessorischen Masse herrührt und das Zwischen- hirn in seinen beiden Flanken bogenähnlich umklammert (Fig. 5 g) ; da diese accessorische Masse sich nur oberflächlich ausdehnt , so wählte ich für dieselbe die Bezeichnung : Gürtel desZwischen- hirnes. Derselbe erscheint makroskopisch mit dem Zwischenhirn innig verbunden und ist von derselben grauen Färbung und Glätte * wie alle Partien der Zwischenhirnoberfläche , verschwindet aber gänzlich an der dorsalen (Fig. 3 g) und ventralen (Fig. 4 g) Ober- fläche des Zwischenhirnes. Für den zweiten Gehirnabschnitt werden die Gefässe von den beiden Arteriae profundae cerebri (Fig. 2 acp und apc) ab- gegeben , und besonders zahlreiche Gefässstämmchen entspringen von der rechten Profunda, begeben sich dann insgesammt in das Innere des Zwischenhirnes, an dessen Querschnitten, selbst tief in die Substanz hinein, die Injectionsmasse in den Capillar- gefässen vortritt. Zu der Besprechung des inneren Baues übergehend , ist her- vorzuheben, dass die gesammten aus dem Zwischenhirn gewonnenen Querschnitte eine rundliche Gestalt annehmen und ihrem inneren Ansehen nach, vom Anfang bis zum Ende des Zwischenhirnes, dieselben Structurverhältnisse bieten , sonach lässt sich auch ihre Schilderung in Kürze wiedergeben. Die Fig. 11 auf der Taf. 11 stellt die Abbildung von einem solchen Querschnitte aus dem Zwischenhirn vor. Zuerst tritt uns eine kleine Höhle in der oberen Zwisehenhirn- masse entgegen, es ist der dritte Ventrikel (v3) , welcher (16) Untersuchungen über den Bau eines Microcepaalen-Hirnes. 17 an allen Querschnitten dieselben Umrisse beibehält und die Form einer Birne besitzt. Die Höhlung selbst wechselt auf den Quer- schnitten in den Umrissen ihres Lumens sehr oft, so dass fast jeder Querschnitt ein anderes Bild erzeugt. Es bestehen nämlich in der mit einer bindegewebigen Lamelle von der Zwischenhirn- substanz getrennten Gehirnkammer ganze Knäuel von Gefässen verschiedenen Kalibers, ferner den Gefässlumina ähnliche Räume, deren Begrenzung keine besonderen Wandungen besitzt; wahr- scheinlich sind diese Räume nichts anderes als Blutsinus, die blos von einer bindegewebigen Masse eingeschlossen werden. In dem- selben Masse, wie eine Zunahme oder Abnahme solcher, allenfalls durch eine Wucherung in den Ventrikel gelangter fremder Ele- mente stattfindet, wird auch die Lichtung des dritten Ventrikels, welche immer mit deutlichem Cylinderepithel besetzt ist, bald er- weitert, bald aber verengert, Von der Umgebung der dritten Gehirnkammer ist, wie im Vor- derhirne, die charakteristische Masse hervorzuheben (V). Dieselbe besteht aus homogener, fein molekularer, gestreifter Substanz, in welcher verhältnissmässig zahlreiche Capillaren und wenige ein- o-estreute Kerne liegen. Ich betrachte diesen Theil der Z wisch en- hirnsubstanz nach der Uebereinstimmung des Baues mit der centralen Masse im Vorderhirne (Fig. 7 x') als die directe Fortsetzung der letzteren, zudem bildet sie ebenso wie für das Vorderhirn, die Hauptgrundlage auch für das Zwischenhirn. Unterhalb des dritten Ventrikels sammeln sich zahlreiche Ganglienzellen in einem optisch von den benachbarten Mas- sen ziemlich deutlich abgetrennten Gebiete und bilden eine charakteristische Partie in dem Zwischenhirn. Durch ihre um- schriebene Anhäufung werden die Ganglienzellen sozusagen zu der Ganglienmasse des Zwischenhirnes emporgehoben, wess- halb ich diese Region des Zwischenhirnes nach dem Vorgange beim Vorderhirn gleichfalls als G-anglienmasse (g') bezeichnete. Ihre einzelnen G-anglienz eilen sind denen der Ganglienmasse des Vorderhirnes vollkommen ebenbürtig und sind alle in die Grund- masse eingebettet , zeigen aber sehr wenige und stellenweise fast gar keine Nervenfasern in ihrer nächsten Umgebung. Lateralwlirts von der den dritten Ventrikel umgebenden Grundmasse (x') und der darunter ausgebreiteten Ganglien- masse (gO zeigt sich ein Gebilde (y') von der Form eines ge- krümmten Kolbens, dessen massives Ende gegen die dorsalen Theile der Grundmasse vorrückt, dagegen das andere mit einer Clans. Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Ton. II. ~ ( '■ '■ 18 J. V. Rolion: Spitze auslaufende Ende den mehr ventralwärts gelegenen Zwischen- hirnmassen zuschreitet , wo es auch dann endigt. Aus einer ein- gehenderen Verfolgung dieses Gebildes geht hervor, dass es aus denselben quer getroffenen Längsfaserbündeln besteht, welche sich aus dem Vorderhirn (Fig. 7 y') in das Zwischenhirn fortbewegen und nur dadurch eine Modification in ihrer Gestaltung erleiden, dass ihre einzelnen Bündelreihen von zahlreichen schleuderähnlich verlaufenden queren Nervenfasern in der ganzen Breite durch- brochen werden. lieber die Herkunft der letzteren könnten auf Grund der geprüften Präparate höchstens nutzlose Vermuthungen aufgestellt werden. Ausserdem wird unterhalb des unteren Endes der Längsfasergruppe noch eine zweite beobachtet, die von der ven- tralen Zwischenhirngegend, möglicherweise aus der Ganglienmasse selbst hervorgeht, einen bogenähnlichen Weg nach aufwärts derart einschlägt, dass sich die Nervenfasern in zwei Bündel theilen (m') welche Bündel an ihrer Theilungsstelle den untersten Ausläufer von der Längsfasergruppe zwischen sich fassen und sodann in ihrem Weiterlaufe zwei verschiedene Richtungen nehmen. Während das eine derselben nach aussen von dem Querschnitte der Längsfasern bis oberhalb seines dorsal gelagerten massiven Endes aufwärts schreitet und sich dort auflöst , wendet sich das andere Bündel der zwischen der Ganglienmasse (g') und der Längsbündel-Region (y') ziehenden Strasse zu, um auf derselben die Ganglienmasse (obenan auf beiden Seiten unserer Abbildung) bogenähnlich zu umfassen und die Gegend des dritten Ventrikels mit seinem eigenen Ende aufzusuchen. Noch muss ferner einer Betrachtung die Gürte lmasse (g) des Zwischenhirnes unterworfen werden. Dieselbe ist in ihren inneren Verhältnissen mit dem fibrösen Lappen des Vorderhirnes (Fig. 7 1) vollkommen verwandt, und setzt sich auch demnach aus zweifacher Substanz zusammen, indem sie einerseits zum grössten Theil aus starken Fasern, welche dichtgedrängt, meistens von bogenähnlichem Verlauf und mit zahlreichen Bindegewebskörper- chen versehen sind, anderseits aus jener überall im Gehirn auf- tretenden, bald molekularen, bald gestreiften, mit den runden kleinen Kernen vermengten Masse besteht. Wie man an der Figur 1 1 (g) bemerkt, ist unsere Gürtelmasse selbstständig, d. h. sie bildet keinen directen Bestandtheil von der Zwischenhirnmasse, obschon hinzugefügt werden muss, dass sie nicht nur öfters durch Gefässe, sondern in manchen Fällen auch durch brückenartig zu ihr übertretende Zwischenhirnsubstanz mit dem Zwischenhirn (18) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 19 zusammenhängt. Man wird also, von den Structur Verhältnissen aus- gehend, nicht fehl gehen, wenn man die Identität mit Rücksicht auf die Entstehung und Bedeutung beider Gebilde annimmt. Zahlreichen Capillargefässen begegnet man sowohl in allen Partien des Zwischenhirnes, als auch in der Gürtelmasse; Von der Commissura posterior und der Zirbel habe ich am hinteren Ende des Zwischenhirnes nichts gesehen. Das Mittelhirn. Waren die vorbesprochenen ersten zwei Gehirnabschnitte nicht im Entferntesten den gleichnamigen Ab- theilungen eines normalen Gehirnes analog gebaut, so beginnt merkwürdiger Weise der wohlgeordnete Bau unseres Gehirnes bei dem dritten Abschnitte , bei dem Mittelhirn. Indessen ent- sprechen auch hier die einzelnen Theile den normal gebildeten, selbst bei Berücksichtigung des jugendlichen Alters unseres micro- cephalen Kindes nicht ; denn einmal weichen schon die Oberflächen der dorsalen Mittelhirnmassen von der gewöhnlichen Bildung ab, und anderseits zeigen sich einige Theile der inneren Mittelhirn- massen in ihrem Verhalten von den normalen ganz verschieden. Nicht nur, dass die vier Höcker, denen das Mittelhirn an seiner dorsalen Fläche den Namen des Corpus quadrigeminum ver- dankt , gar nicht existiren , sondern es manifestirt sich auch die Bildung des Aquaeductus Sylvii, überhaupt der Vierhügel- region und der Pedunculi cerebri in einer von der normalen abweichenden Weise. Mit diesen wenigen Worten ist die Charak- teristik des Mittelhirnes den natürlichen Umständen entsprechend, bezeichnet. Die Untersuchung der Mittelhirnoberfläche führt zur Erkennt- niss folgender Verhältnisse : Von der dorsalen oder oberen Aussenseite aus betrachtet bildet das Mittelhirn lateralwärts (Taf. I, Fig. 5 M) eine gewölbte Erhebung , gleichsam einen einzigen , von vorn nach hinten anhal- tenden Höcker, dagegen bleibt das Mittelhirn in der Mitte der- selben Seite flach (Taf. I, Fig. 3 M) und lässt somit keine Quer- furche, aber auch keine Lüngsfurche erkennen, indem die Vier- hügelganglien nicht zur Entwicklung gelangten. Die Mittelhirn- massen sind ferner bei dieser Ansicht glatt und werden nach vorn von der schon früher bezeichneten Grenzfurche (Fig. 3 y) von dem Zwischenhirn und nach hinten vom Hinterhirn (Fig. 3 M H) getrennt, von dem letzteren nicht im Mindesten bedeckt. Bei seitlicher Ansicht (Fig. 5 M) verschmilzt das Mittelhirn mit dem Zwischenhirn, und nach den Vierhügelarmen sucht man 2* (19) 20 J. V. Rohon: vergebens, denn sie existiren makroskopisch nicht einmal in der geringsten Andeutung. An der ventralen oder unteren Mittelkirnfläche bemerkt man die Pedunculi c e r e b r i (Fig. 4 p), ans deren Massen weit von der Mediane entfernt, in abnormer Weise, die Nervi oculo- motorii (III) entspringen. Der Raum, welcher sich zwischen den Pedunculi nach vorn gegen das Zwischenhirn erweitert, beschränkt sich blos auf die nächste Umgebung, und dringt weder in das Innere zwischen die Pedunculi, noch in das Zwischen- hirn hinein. Ueber das makroskopische Verhalten der Processus cere- belli ad cerebrum und der Valvula cerebelli vermag ich nichts Näheres anzugeben , da das Gehirn an diesen Stellen so consistent war, dass eine Verschiebung jener Theile zur Unmög- lichkeit wurde. Nach den Ergebnissen der an den Querschnitten vorgenom- menen Beobachtung präsentirt sich der dritte Gehirnabschnitt, mit wenigen Ausnahmen , im Allgemeinen seiner inneren Zusammen- stellung nach weit mehr geordnet , als dies von seiner Oberfläche gesagt werden konnte. Wir finden hier alle die Detailverhältnisse, welche man bislang durch die mikroskopischen Untersuchungen des normal ausgebildeten Gehirnes kennen lernte. Die Region des vorderen Zweihügels charakterisirt sich vor- züglich durch die Entsendung der Oculomotoriuswurzeln und durch den an seiner Basis erscheinenden Gehirns ch enkel- fuss (Pes pedunculi). Die Region des hinteren Zweihügels dagegen durch die Kreuzung der Bin de arme, durch die Be- förderung der Trochleariswurzeln nach aussen und durch den Uebertritt des Gehirnschenkelsystems in die Varol'sche Brücke. Nur scheinbar befinde ich mich in einem Widerspruche, wenn ich von zwei Vierhügel-Regionen spreche, obwohl ich angab, dass die Vierhügelganglien nicht bestehen. Da jedoch dieselben Re- gionen dem inneren Baue nach unterscheidbar sind, so habe ich wegen der leichteren Orientirung auch makroskopisch die Bezeich- nung beider Gegenden beibehalten. I. Di e Verhältnisse im Innern des vor der en Zwei- hügels. Dort, wo die Querschnittebenen des Zwischenhirnes nahe der hinteren Begrenzungsfurche (Fig. 5 y) ihr Ende erreicht hüben, zeigt sich plötzlich auch die Region des vorderen Zwei- hügels mit ihren charakteristischen Verhältnissen, wie sie in Fig. 17 Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. ül der Taf. JI gezeichnet sind. Ohne ein genau markirtes Ueber- gangsstadium sind die Massen des Zwischen- und Mittelhirnes hart aneinander gerückt , und man könnte nicht mit Sicherheit entscheiden , ob räumlich der Massentheil an dem gemeinsamen Berührungsorte dem Zwischenhirn oder dem Mittelhirn angehört. In der Fortsetzung derjenigen horizontalen Ebene , welche wir uns durch den dritten Ventrikel, beziehungsweise durch dessen Rudiment im Zwischenhirne gelegt denken, erscheint der sich an die eben genannte Höhle anschliessende and mannigfach umge- wandelte A 4 u a e d actus S y 1 v i i (A\ Der vorderste Theil des- selben zeigt nur eine sehr geringe Spur von einer mit Cylinder- epithel bekleideten Höhlenwandung und wird im Uebrigen in voll- kommen ähnlicher Weise, wie es in der dritten Gehirnkammer geschah, von Gefässknäueln und bindegewebiger Masse erfüllt. Der mittlere Theil enthält zwar dieselben fremden Elemente wie der vorige, aber daneben auch eine spaltenähnliche , freie und regelmässig in ihrem ganzen Umfange mit Cylinderepithel besetzte Höhl ung. Diesen Zustand des A q u a e d uetus S y 1 v i i stellt unsere Fig. 1 7 (A) dar. Der hinterste ist der am meisten normal entwickelte Theil von der Sylvisclien Wasserleitung, der sich jedoch erst in der hintersten Partie des vorderen Zweihiigpls fortsetzt (Fig. 8 A) , einem aufrecht stehenden lateinischen „T-' ähnlich sieht und mit regelmässigem Cylinderepithel be- kleidet ist. Die nächste Umgebung des Aquaeduct wird von dem ihn eng einschliessenden centralen Höhlen grau, Meynert (A') gebildet, das sich wie ein breiter Ring durch intensivere rothe Färbung bei Behandlung mit ammoniakalischer Carminlösung von der übrigen Zweihügelsubstanz unterscheidet. Unter dem Aquaeduct, d. h. in dessen Bodengrau liegen gleich anfangs Ganglienzellen -Anhäufungen , welche die Oculo- motorii-Trochleareskerne1) (III) liefern. Obwohl jeder- seits quantitativ gleichmässig vertheilt , stossen dieselben in der Mediane so zusammen, dass man nur hie und da an manchen Präparaten zwei von einander völlig getrennte Kerne beobachten ') An meinen Präparaten konnte ich einen gesonderten Trochleariskern nicht auffinden, halte demgemäss, entgegen der Behauptung von Forel (für St i Hing) (Untersuchungen über die Hanbenregion und ihre oberen Verknüpfungen im Gehirne des Menschen und einiger Säugethiere, mit Beiträgen zu den Methoden der Gehirn- untersuchung. Archiv für Psychiatrie. Bd. VII), die Angaben von Theodor Mey- nert aufrecht. (■iu 22 J- V. Kokon: kann. Die Ganglienzellen in diesen Kernen haben, wie man das an normal ausgebildeten Vierhügeln sieht, eine multipolare Gestalt, und bestehen aus feinkörnigem Protoplasma, deutlich wahrnehm- barem bläschenförmigen Kerne mit Nucleolus. Gleich unterhalb der 0 c u 1 o m o t o r i i- T r oc h 1 e a r e s k e r n e breiten sich, gleich quer durchschnittenen Schleifen, die hinte- ren Längsbündelder Haube (L) aus. Dieselben zerfallen in einzelne Bündel, welche durch zwischen ihnen ziehende Fasern und zum Theil auch von den 0 c u 1 o m o t o r i u s w u r z e 1 n durch- brochen und auf solche Art von einander geschieden werden. Die hinteren Längsbündel beider Zweihügelhälften verschmelzen mit einander in der Mittellinie und sitzen haubenähnlich auf den oberen Partien der rothen Kerne der Haube (Rk) auf. Aus zahlreichen rothbräunlichen, dichtgedrängten Nervenkörpern be- stehend, bilden diese Kerne den mächtigsten Theil der Hauben- region. Wenig gebogen, strahlen ziemlich zahlreich von der Mitte oberhalb des Aquaeductus Sylvii, die gekreuzten Fasern der Arme des vorderen Zweihügels herab ; Tl), sie sind alsdann die Elemente der Schleife des vorderen Zweihügels, und lösen sich während ihres Verlaufes in der Haubensubstanz auf, welche jeder- seits von den rothen Kernen der Haube nach aussen liegt. Dabei durchstreifen viele von den Fasern die äusserste Partie der rothen Kerne. Weiter unten von den schräg geschnittenen Ausläufern der- selben Fasern, und in ziemlicher Entfernung unterhalb der rothen Kerne zeigt sich die Substan tia Sümmeringii nigra (SS), welche, flächenhaft sich ausbreitend , die Grenze zwischen der Haubenregion und der P e d u n c u 1 u s r e g i o n herstellt und, wie immer bei dem kindlichen Gehirn, aus pigmentlosen, an einzelnen Stellen mit Carmin sehr wenig gefärbten Zellen besteht. Die Zellen erscheinen bedeutend dicht aneinander gedrängt und meistens von der Form kleiner Dreiecke. Geht man noch weiter nach abwärts von der Sömme- ringischen Substanz, so befindet man sich im untersten Theile der ventralen Mittelhirnmasse. Hier trifft man den unent- wickelten Ge h i rn gehenkelt us s (Pp) an. Er besteht aus einer feinkörnigen Masse, welcher zugleich kleine Kerne und kleine rundliche Nervenkörper beigemengt sind. Fasern, welche in dieser Gegend mitunter auftreten, gehören der Haubenregion an. Bei einer Verfolgung der 0 c ulomoto r ins würze In (III') C>2) Untersuchungen über den Bau eines Hicrocephalen-Hirues. 23 in den einzelnen Präparaten, ergab sich Folgendes. Die meisten Oculomotorius wurzeln — nnd ist ihrer verhältnissmässig eine sehr grosse Anzahl — treten bündelweise aus den Oculo- motorius-Trochlearis kernen hervor, begeben sich alsbald, die hinteren Längsbündel durchschreitend , grösstenteils- in die rothen Kerne, wo sie einen stark nach aussen gewendeten bogenähnlichen Weg beschreiben und beim Verlassen der rothen Kerne abermals nach einwärts gegen die Mittellinie einlenken, um den Gehirnschenkelfuss zu passiren und endlich peripherisch in den Nervenstamm einzutreten. Die anderen Oculomotorius- wurzeln , wie sie unsere Fig. 17 (III') versinnlicht , wenden sich aber, nachdem sie zwischen den hinteren Längsbündeln hindurch- traten, keineswegs den rothen Kernen zu, sondern bleiben wie ursprünglich der Mediane genähert, und erst weiter unten folgen dieselben der Richtung von den unteren Theilen der rothen Kerne, um vor ihrem peripherischen Austritte aus dem Gehirnschenkel- fuss abermals nach innen einzubiegen. Es bliebe noch zu erörtern, wie sich die Ganglien und die Raphe des vorderen Zweihügels verhalten, — allein hierüber ist sehr wenig zu sagen ; an beiden Stellen , wo sonst bei nor- mal ausgebildetem Gehirn die Ganglienmasse und die durch gerade und quere Fasern besonders charakteristische Raphe auftreten, rindet man in den Präparaten unseres vorderen Zweihügels nur eine feinkörnige, mit kleinen runden Kernen besetzte Masse. 2. Die Verhältnisseim Inner en des hinteren Zwei- hügel s. Sowie die Bündel der Arme des vorderen Zweihügels, so sind auch die Bündel der hinteren Zweihügelarme in der Mitte, über der Sylvischen Wasserleitung vollständig gekreuzt (Taf. I , Fig. 8 B) , und indem ihre Einstrahlung mit einer schön gebogenen Richtung nach abwärts in die Haubenregion geschieht, bilden sie daselbst das zweite Schleifenblatt oder die Schleife (S) des hinteren Zweihügels. Wir haben somit an unserer Abbildung (Fig. 8) die beiden Schleifenblätter ver- treten. Das aus den Bündeln der Arme des vorderen Zweihügels entstandene hochliegende Schleifenblatt (m) befindet sich diesmal mit seinen beim Schneiden schräg getroffenen Bündeln, gleichsam einen Grenzcordon bildend, zwischen der obersten Ponsmasse (pV) und der Haubenregion , gehört jedoch der letzteren an, während das Blatt des hinteren Zweihügels (S), die äusserste Substanz- partie der Haube durchwandert und hierselbst an Querschnitten auch verbleibt. (23) 2-4 J. V. Rohon: Unterhalb der Kreuzungsstelle der hinteren Zweihügelarme bemerkt man den Aquaeductus Sylvii (A), der liier, im Gegen satze zu der vorangehenden Vierhügelgegend, eine normale Bildung erfährt. Von seinem centralen Höhl eng ran (A') bleibt nur noch der eigentliche Bodengrautheil übrig, und auch dieser weist nmvnoch wenige Ganglienzellen des Oculomotorio-Trochlearis- kernes auf. Dagegen kommt eine ziemlich deutliche Bildung der Raphe in dem hinteren Zweihügel zu Stande. In der zweiten Hälfte des hinteren Zweihügels treten zu beiden Seiten der Sy 1 vi- schen Wasserleitung beträchtliche, fortsatzreiche und im Gegensatze zu dem gewöhnlichen Verhalten bei Neugeborenen, pigmentirte Zellen, die dicht gedrängt sich in continuo von da an bis in^die vierte Gehirnkammer erstrecken (Fig. 8 SF). Die Raphe (R) macht sich ausschliesslich durch die in ihrer ganzen Höhe senkrecht verlaufenden geraden Fasern (Fibrae rectae) bemerkbar. An ihrem oberen, an das Bodengrau des Aquae- duct anstossenden Ende, verschmelzen die hinteren Längs- bündel der Haube (L), welche das Ansehen zweier verkehrt liegender Dreiecke bieten. Am unteren Ende der Raphe erhebt sich die [Kreuzung der Bindearme (BA), und indem die rothen Kerne der Haube im hinteren Zweihügel nicht mehr bestehen, so erklärt sieh auch das mächtig entfaltete und frei gebliebene Gebiet jederseits von der Raphe, welchem die Marksubstanz der Haube innewohnt. Eines sehr wichtigen Gebildes muss noch gedacht werden. Schon an den Querschnitten vom vorderen Zweihügel bestehen jederseits nach aussen von dem centralen Höhlengrau der Sylvischen Wasserleitung zwei grosse aufrechtstehende und bogenähnliche Querschnitte (5') von den mächtigen absteigenden Quin tus wurzeln, während deren Bestandes an Vierhügelquer- schnitten in ihrer Begleitung, und zwar an der inneren concaven Seite ganze Gruppen von Ganglienzellen erscheinen. Die letzteren sind bedeutend grösser als die übrigen im Vierhügel auftretenden Nervenkörper und haben eine blasenähnlich aufgedunsene Form, femkörniges , etwas bräunlich pigmentirtes Protoplasma und einen bläschenförmigen Kern mit sehr kleinem Kernkörperchen. Der Nervus T r o c h 1 e a r i s konnte mit seinen an normalen Gehirnen in der rückwärtigen Partie des unteren Zweihügels peripherisch entspringenden Wurzeln nicht beobachtet werden, vielleicht, weil die in jene Querschnittebenen fallenden Präparate Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Himes. Xö kein günstiges Beobachtungsterram hiefür abgaben, oder, weil dieser Nerv überhaupt fehlte. a) Das Hinterhirn. Im Allgemeinen zeigt sich schon dem freien Auge der vierte Gehirnabschnitt von einer normalen Bauart. Allein eigenthümlich erscheint es auf den ersten Blick , dass die H i n t e r h i r n h e mi s p h ä r e n in ihrer Massenentfaltung (Fig. 3 H), weit hinter dem verhältnissmässig mächtig entwickelten Ober- wurm (W zurückbleiben. Trotzdem kann man das Hinterhirn so ziemlich mit dem Cerebellum auf gleiche Stufe stellen. Untersucht man die Oberfläche desselben — so weit es seine freiliegende Lage gestattet, — so bieten sich folgende Eigentüm- lichkeiten in den einzelnen Partien dar. .Halten wir uns zunächst an die dorsale Aussenseite (Fig. 3 H), und zwar von vorn nach hinten vorschreitend. Der ganze vordere Hinterhirnrand besteht aus dem Lobulus centralis (lc) und den Alae lobuli centralis (alc). Längs der hinteren Partie dieser Gebilde zieht sich die ziemlich tiefe Incisura margi, nalis snperior (ims) , alsdann entfaltet sich in der Mitte die breite Wurmmasse (W), Vermis superior, daraufhin erstreckt sich jederseits von demselben der Lobus superior anterior seu qu ad r angularis (lsa), nach rückwärts von ihm läuft eine zweite tiefe Furche, derSulcus horizontalis magnus (shm), der gleich jener vorhin bezeichneten Incisur in continuo die beiden Hinterhirnhemisphären und den zwischen ihnen liegenden oberen Wurm durcheilt. Etwas weiter nach rückwärts von der horizontalen Furche bemerkt man die Incisura marginalis inferior imi) , welche dieselbe Verlaufsrichtung wie die beiden früheren einschlägt. Endlich erscheint zwischen den beiden letz- teren Furchen der Lobus superior posterior seu semi lunaris (lsp). Ausserdem zerfällt die Hinterhirnmasse an dieser Aussenseite in die zahlreichen, dem Cerebellum charakteristischen parallelen Furchen und in die zwischen diesen befindlichen schmalen Windungen. Auch an seiner ventralen Aussenfläche zerfällt das Hinter- hirn (Fig. 4 H) in dieselben zahlreichen , parallelen Furchen und Windungen, hierbei lassen sich aber keine anderen bemerkens- y) Vergl. August Förster. Die Missbildungen des Menschen. Jena 1861. pag. 73. Carl Wedl. Mikrokephalus bei tin'm Neugeborenen. Medizinische Jahr- bücher. Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien. II. u. III. Heft. Wien 1863. pag. 151. .25) 26 J. V. Rohon: wertlien Furchen oder Lappen, mit Ausnahme der verhältniss- mässig schwach entwickelten Tonsillen (T) unterscheiden, und es werden die eigenthümlich gestalteten Flocken ebenfalls vermisst. Eine spezielle Erwähnung verdienen die an der freien ven- tralen Aussenf! äche hervortretenden Hinterhirnstiele : Processus cerebelli ad pontem (pcp) und Pedunculus cerebelli (pc). Die Stellang des ersteren lässt auf beiden Seiten den unmittel- baren Zusammenhang mit vorderen Partien der Hinterhirnhemi- sphären erkennen, während die Pe dune ul i cerebelli mehr den mittleren und hinteren Partien derselben Hinterhirntheile zu- gehören. Die Gefässe , welche auch das Innere des Hinterhirnes mit Capillaren reichlichst versorgen, sind nicht an beiden Gehirnhälften vollzählig vorhanden, indem die Arteriae cerebelli inferio- res (Fig. 2 aebi), von denen die vordere aus der A r t e r i a b a s i- laris (Fig. 2 ab), die hintere von der rechten Arteria verte- bralis (av) entspringt, nur auf der rechten Seite bestehen. Da- gegen entspringen auf beiden Seiten die Arteriae cerebelli superiores (Fig. 1 acs) gleichmässig von der Basilaris. Von den zwei differenten Gebieten , d. h. von der grauen und weissen Masse ausgehend, lässt sich der innere Bau des Hinterhirnes am zweckmässigsten besprechen. Als Grundlage für die weitere Beschreibung dient die Fig. 18 der Taf. II. 1. Die graue Masse zerfällt in zwei verschiedene Theile : in die auf der ganzen Oberfläche des Hinterhirnes sich mantel- artig ausbreitende Rinde (Cortex cerebelli), und in die im Innern der Marksubstanz eingebetteten Nuclei den tat i. a) Die Hinterhirnrinde zeigt neben einer sogleich her- vorzuhebenden Eigenthümlichkeit im Ganzen genommen vier Schich- ten , welche freilich nicht mit denen des Cortex cerebelli, wenigstens nicht durchgehends , harmoniren. Man braucht nur unsere Figur 14 der Taf. II, die eine vom senkrecht geführten Schnitte bei stärkerer Vergrößerung (Hartnack VIII) entnom- mene Abbildung darstellt, mit der entsprechenden Abbildung von Th. Meynert1) (Fig. 259, pag. 793) zu vergleichen, und man nimmt den Unterschied sofort wahr. Die erste oder die äusserste Schicht (Fig. 14, 1) bei un- ') Vom Gehirne der Säugethiere. Stricker's Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen nnd der Thiere. IV. Lieferung. Leipzig 1870. (2G) Untersuchungen über den Bau eines ÄLicrocephalen-Hirnes. 27 serer Hinterhirnrinde besteht aus ziemlich massenhaften und dicht aneinander gedrängten runden Kernen, welche zwar alle feinkörnig, aber nicht bei Anwendung ammoniakaliscker Carminlösung gleich- massig intensiv roth gefärbt erscheinen. In dieser Anhäufung von Ker- nen erblickte Ob er st eine r a) im foetalen und im Kleinhirn der Neugeborenen ein constantes Vorkommen von ßildungszellen, aus denen sich später die innersten Fasern der Pia bilden sollen, während neuerdings Denissenko2) dieselben für die Zellen der künftigen molekularen Schichte erklärte. An der Fig. 18 (Taf. II) findet man die allgemeine Verbreitung derselben in dem äussersten dunklen Streifen bei Cc ausgeprägt. Die zweite Schicht (2), welche unter allen die stärkste ist, entspricht der ersten Schicht der Vorderhirnrinde (Fig. 12, 1) und besteht aus einer molekularen, zuweilen gestreiften Substanz, mit wenigen eingestreuten feingekörnten Kernen; von Nervenkörpern macht sich daselbst gar nichts bemerkbar. Die dritte S ch i c h t (3) enthält die P u r k i n j e's dien Ganglienzellen in nur spärlicher Anzahl. Die Gestalt der- selben ist die eines Kolbens, dessen breiteres Endstück sich zwischen die Elemente der vierten Schicht (4) , meistens in senk- rechter Stellung hineinsenkt, so dass das dünnere obere Endstück nach aufwärts in die vorangehende Schicht (2) hineinragt. Auf- gebaut werden die Purkinj e'sch en Nervenkörper von fein- körnigem Protoplasma, bläschenähnliehen Kernen und sehr kleinen Kernkörperchen. Ihre hirschge weih artig sich verästelnden Fort- sätze konnten leider nicht beobachtet werden, wie dies aus dem bedeutend zusammengeschrumpften Habitus der einzelnen Zellen bei unserer Abbildung (Fig. 14, 3) erhellt. Es haben eben die histologischen Elemente der Hinterhirnrinde unter der Einwirkung des Weingeistes besonders stark gelitten. Die vierte Schicht (4} besteht aus mächtigen Anhäufun- gen von feingekörnten und dicht aneinandergedrängten Kernen mit punktähnlichen Kernkörperchen . Auf diese letzte Schicht der Hinterhirnrinde folgt zu innerst die Markleiste (ms), welche aus parallel verlaufenden Nerven- fasern, runden und spindelförmigen feingekörnten Kernen zusam- mengesetzt wird. ') Untersuchungen über die Rinde des kleinen Gehirnes. Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wissensch. "Wien 1870. -) Zur Frage über den Bau der Kleinhirnrinde bei verschiedenen Klassen von Wirbelthieren. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XIV. pag. 2\'i. (27) 28 J. V. Rohon: b) Der Nucleus dentatus. Derselbe repräsentirt in jeder Hinterhirnhälfte (Fig. 18 Nd) ein dicht geschlängeltes und zwei- oder dreifach gefaltetes graues Blatt, dessen Oeffnung nach innen zu , der geschlossene Theil nach aussen gerichtet ist, und dessen Elemente von zahlreichen, kleinen Dreiecken ähnlichen Nervenkörpern gebildet sind. Er liegt nicht nahe der Unterfläche des Hinterhirnes , wie in normalen Fällen , sondern in der Mitte der Marksubstanz , so dass er von allen Partien der Oberfläche des Hinterhirnes gleich weit entfernt ist. Ein sehr charakteristi- sches Merkmal besteht ausser seiner verhältnissmässig zu den übrigen Hirfterhirntheilen mächtigen Massenentwickluug auch in seiner Ausdehnung. Während nämlich der Nucleus dentatus bei ausgebildetem Kleinhirn an Querschnitten aus dem ersten vorderen Drittheil sichtbar gemacht werden kann, zeigte sich der- selbe stets in unserem Falle an den meisten Querschnitten, aus- genommen derjenigen , welche von der vordersten und der hinter- sten Hinterhirnpartie gewonnen waren. Den Nucleus dentatus accessorius, Meynert und den Dachkern, Stillin g fand ich weder in der einen, noch in der anderen Hinterhirnhälfte vor. 2. Die weisse Masse. Von dieser Hinterhirnmasse habe ich nur Weniges zu berichten. Dieselbe bildet weitaus den gröss- ten Theil unseres Gehirnabschnittes und charakterisirt sich haupt- sächlich dadurch , dass sie meistens aus der Grundmasse mit kleinen runden Kernen besteht und weniger Nervenfasern enthält. Ausserdem mündet die weisse Masse mit einem ihrer Theile als Dachmasse (Cbl) in den vierten Ventrikel (4) frei hinein. Soweit ich die Nervenfasern verfolgen konnte, Hessen sich zweierlei Arten in ihrem Verlaufe verfolgen. Erstens Quer- fasern, welche vom Dache der vierten Gehirnkammer in die beiden Hinterhirnhälften einstrahlten (r'), zweitens abermals Quer- fasern , welche dagegen die oberen mit den unteren Hinterhirn- massen zu verbinden schienen (q') und bogenähnlich verliefen. Die ersteren sammeln sich zum grössten Theile in ein aus feinen Fasern bestehendes Bündel, die letzteren sind viel dickere Fasern und bilden mehrere mit einander parallel und bogenähnlich ziehenden Bündel, von denen sich einzelne auf dem Wege des Processus cerebelli ad pontem (pcp) ununterbrochen in die Ponsmasse (pV' hineinbegeben. Endlich traten öfters an Querschnitten verhältnissmässig sehr weite Grefässlumina i'gtT) in der Marksubstanz auf. (28) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 29 Bevor icli zu der Beschreibung des fünften Gehirn - abschnittes, des Nachhirnes übergehe, möge mir eine kurz gefasste Besprechung des Pons Varoli gestattet sein. Der Hirnknoten (Fig. 4 pV) ist, mit den übrigen .Gehirn- theilen verglichen , ziemlich wohl gebildet. Seine Aussenfläche zeigt eine auffallende und zwar dadurch bewirkte Asymmetrie, dass die von der Injectionsmasse strotzende A r t e r i a basilaris, welche von dem hinteren Rande der Brücke (Fig. 2 ab) nach dem vorderen und von rechts nach links einen zierlichen Bogen be- sehreibt , in ihrer ganzen Verlaufsrichtung während der Conser- virnng die Ponsmasse eindrückte. Daher erklären sich auch die beiderseits von derRaphe(R) befindlichen Erhebungen als Kunst- producte. Noch mehr aber als dieser Umstand fällt weiterhin die verhältnissmässig zu der Ponsmasse mächtige Entwicklung der Processus cerebelli ad pontem (pcp) auf. Es scheint dies auf eine directe Beziehung der Brückenarme zu der Massenent- faltung des Hinterhirnes hinzuweisen, während die Ponsmasse auch von der quantitativen Entwicklung der Pedunculi cerebri abhängig gemacht wird. Da nun diese letzteren blos zu einer sehr schwachen Entfaltung gelangten , so konnten sie selbstver- ständlich an der Vermehrung der Ponssubstanz in diesem Falle keinen Antheil nehmen. Die Nerven, welche von der Brückenmasse und ihrer nächsten Umgebung peripherisch entspringen , treten bei unserem Gehirn durch die Brückenarme, also in abnormer Weise, hervor. Der vorderste unter ihnen ist Nervus trigeminus (V), er ent- springt jederseits von der Mitte der Brückenarme mit einem ein- fachen und ziemlich starken Stamme. Nahe dem hinteren Brücken- rande entspringen gleichfalls von den Brückenarmen , je mit ein- fachem, gleichmässig dickem Stamme, und zwar nach aussen der Nervus acusticus (VIII), nach innen zu und neben dem vorigen, der Nervus facialis (VII). An der linken Hälfte unserer Abbildung bemerkt man nur mehr den, dem Trigeminus sich nähernden Acusticus, indem der Facialis beim Prä- pariren der Gefässe und Hirnhäute am Gehirn nicht erhalten werden konnte. Die Durchmusterung der mikroskopischen Querschnitte ergab über den inneren Bau der Brücke Folgendes (Taf. I, Fig. 8 pV). Zunächst erfüllen ganze Gruppen von Ganglienzellen und Nervenbündeln in dicht gedrängter Anordnung alle Schichten der (29) 30 J. V. Bohon: Ponsmasse, deren grösster Theil in ganz ähnlicher Weise, wie in den übrigen normalen Gehirnpartien, ans der Grundmasse besteht. Von den Nervenbündeln ist hervorzuheben, dass sie alle dem Querfasersystem zugehören und ausschliesslich aus dem Hinterhirn vermittelst der Processus cerebelli ad pontem hierher zogen. Schleifenähnlich und in horizontaler Verlaufsweise durchsetzen die aus zahlreichen, zarten Nervenfasern sich sammeln- den Bündel alle Regionen der Brücke , nur an zwei Stellen weicht ihre Richtung von dem horizontalen Verlaufe ab ; in der obersten Partie, wo ihr Zusammenhang mit dem bogenförmig auf- steigenden und mit kräftigen Faserzügen versehenen Brückenarm (pcp) ersichtlich ist, und in der untersten Brückenschicht, wo sie ebenfalls und vollständig bogenförmig jederseits den Brückenarm anstreben. In gleicher Weise charakteristisch ist für alle in der Brücke auftretenden Nervenbündel, dass sie ihren Weg ausnahmslos durch die Raphe nehmen, ohne dass dabei ein Unterschied zwischen solchen Fasern gemacht werden könnte , welche von der linken Brückenhälfte in die rechte, oder aber umgekehrt gelangt wären. Ziemlich regelmässig liegen zwischen den Faserzügen die Ganglienzellen -Gruppen. An den Ganglienzellen lassen sich mehrere Grössen unterscheiden ; die grössten von ihnen sind etwas kleiner als die Nervenkörper des Oculomo tor ius- Trochleariskernes, und finden sich mehr einzeln innerhalb der zwischen den oberen Faserzügen der Brückensubstanz gelagerten Gruppen zerstreut, die übrigen massenhaft auftretenden Zellen sind klein zu nennen , sie verbreiten sich in der ganzen Ponsmasse. Die erstgenannten Ganglienzellen haben ein feinkörniges Proto- plasma , ebensolche grössere und kleinere Kerne und Kern- körperchen, ihre Gestalt ist durchschnittlich eine bläschenförmig aufgedunsene. Dagegen blieb mir die Bedeutung der zahlreichen kleinen Nervenkörper trotzdem , dass ich ihre runde Form und ihr feinkörniges Protoplasma , Kern mit Kernkörperchen deutlich erkannte, ziemlich unklar. Neben diesen Elementen treten sehr viele und sowohl zwischen die Nervenkörper-Gruppen, als auch in und zwischen den Faser- bündeln eingelagerte, schon oftmals erwähnte kleine runde Kerne auf, welche keiner erneuerten Besprechung mehr bedürfen. Von den Gefässen will ich nur bemerken, dass sie zahlreich in allen Richtungen die Brückensubstanz im Inneren durchsetzen und alle von der Arteria basilaris, öfters auch mit stärkeren Stämmchen entspringen. Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 31 Ich wende mich zu der Schilderung der äusseren und inneren Verhältnisse des fünften Gehirnabschnittes. Das Nachhirn kann im Grossen und Ganzen seiner Bildungsstufe nach in jeder Hinsicht den Anspruch auf die aus- gebildete Medulla oblongata erheben. In makroskopischer Beziehung kommt hauptsächlich die ven- trale Fläche des Nachhirnes (Fig. 4 N) in Betracht. Mit zwei symmetrischen, durch den in der Mediane verlaufenden Sulcus longitudinalis anterior (sla) getheilten Hälften grenzt das Nachhirn nach oben oder vorne dem hinteren Rande der Var ol'- schen Brücke an und hängt lateralwärts von derselben Begren- zungsebene auf beiden Seiten mit dem Hinterhirn, durch die freilich an der dorsalen Nachhirnfläche dahinziehenden Peduncu li cere- belli (pc), zusammen. Sehr bald unter dem hinteren Brücken- rande und un weit von dem Sulcus longitudinalis anterior (sla) treten die proportionell zu der Nachhirnmasse gewiss ziemlich stark entwickelten Olivenkörper (0) auf; ihre ursprüngliche Form hat gewissermassen eine Beeinträchtigung erlitten , indem theilweise die Arteria basilaris, theilweise die A r t e r i a e vertebrales an ihrer Vereinigungsstelle zur Basilaris (vergl. Fig. 2 ab, av), die Spuren von Eindrücken zurückliessen. Zwischen den beiden Oliven und jederseits von dem Sulcus longitudinalis anterior erstrecken sich nicht einer Erhebung, sondern einer Vertiefung gleichende Stellen der als Fortsetzung von den Pedunculi cerebri in der Medulla oblongata bestehenden Pyramiden (P), deren unentwickelter Zustand also schon makroskopisch gekennzeichnet ist. Andere hervorzuhebende Merkmale lassen sich bei dieser Ansicht am Nachhirn nicht erkennen. Was die wichtigen an dieser Fläche der Medulla oblon- gata peripherisch entspringenden Nerven anbelangt, so gilt von denselben Folgendes. Der Nervus abducens (VI) entspringt zwischen dem hinteren Brückenrande und dem oberen oder vorderen Rande des Nachhirnes , und zwar jederseits mit einfachem Stamme ; an der rechten Hälfte unserer Abbildung (Fig. 4) fehlt der bei Loslö'sung von Hirnhäuten und Gefässen in Verlust gerathene zweite Abdu- cens. Rechterseits an derselben Abbildung bemerkt man lateral- wärts von der oberen Partie der Olive zwei sehr kurze 'und einfache Nervenstämme, die von allen bislang benannten Gehirn - nerven am schwächsten sind. Der erstere Stamm repräsentirt den (31) 32 J. V. Rohon: Nervus gloss ophary ngeus (IX), der letztere den Nervus vagus (X). Beide Nerven werden auf der linken Hälfte unserer Abbildung, aus den bei den vorhergegangenen ähnlichen Fällen angeführten Ursachen vermisst. Für das makroskopische Verhalten des Nervus hypoglossus und Accessorius Willisii ver- mag ich gar nichts vorzuführen, — ich fand dieselben nicht vor. Gleich wie die ventrale Fläche des Nachhirnes, so erscheint auch die dorsale (Fig. 3 N) ganz glatt und ohne jede nennens- werthe Erhebung, ohne furchenähnliche oder sonstige Vertiefung, ausgenommen den Sulcus longitudinalis posterior (slp), welcher nach vorne in den vom Hinterhirn vollkommen bedeckten Ventriculus c e r e b r i q u a r t u s ( v 4) einmündet. In Betreff der Verhältnisse des letzteren wird erst in der Folge verhandelt werden, da die Zergliederung aus den schon früher angedeuteten Gründen unterlassen werden musste. Daher blieb auch die makros- kopische Einsicht in diese Verhältnisse verschlossen. Die grosse Anzahl der das Nachhirn ernährenden Gefässe stammt vorwiegend in der oberen oder vorderen Nachhirnpartie von der Basilaris und theilweise auf der rechten Seite von der vorderen Arteria cerebelli inferior (Fig. 2 ab und acbi), in den mittleren von den Arteriae vertebrales (Fig. 2 av) und in der hintersten Partie von der Arteria spinalis antica (Fig. 2 asa), rechterseits auch von der hinteren Arteria cerebelli inferior (acbi). Inner erBau desNachhirnes. Die Darlegungen, welche ich beziehentlich des Baues der Medulla oblongatazu machen habe , finden ihren Ausgangspunkt in dem mittleren Areale der Figur 18 (N) auf der Tafel II. Allerdings werden wir hierselbst nicht zu der Uebersicht der Structurverhältnisse im vorderen Theil des Nachhirnes, sondern vielmehr in die Querschnittsebene durch die mittlere Queraxe des Sinus rhomboidalis geführt. Bevor ich indessen in die Schilderung der Einzelheiten an unserer Ab- bildung eingehe , scheint es mir von einiger Wichtigkeit , die centralen Verhältnisse des Nervus trigeminus, welche zum grössten Theile in die Querschnittsebenen der vorderen, unterhalb der Fovea anterior der vierten Gehirnkammer und oberhalb des Pons Varoli sich ausbreitenden Nachhirn theiles hineinfallen, in aller Kürze zu berühren. Die Durchmusterung der einschlägigen Präparate führte zu folgendem U eberblick der Trigeminuswurzeln. 1. Absteigende Quintus wurzeln , Meynert. Die- selben nehmen ihren Ursprung aus jenen grossen blasigen Zellen, (32) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 33 deren Erwähnung schon im Corpus quadrigeminum geschah , und deren Beginn in einer halbmondförmigen Gruppirung beiderseits und nach aussen vom centralen Höhlengrau (Meynert) des Aquae- ductus Sylvii schon im oberen Zweihügel erfolgte, um sodann am Innenrande des sehr schwach ausgebildeten Processus cerebelli ad cerebrum herabschreitend im Gebiete des Trigeminusaustrittes zu endigen. Zu dieser Art von Quintuswurzeln gesellen sich ferner die aus den Zellen der Substantia ferruginea hervorgegangenen Fasern: dieselben sammeln sich als horizontal gelagerte, halb- mondförmige Querschnitte längs der beiden seitlichen Winkeln der Fovea anterior des vierten Ventrikels , um sodann in die grosse sensorische Wurzel einzustrahlen. Die Zellen der Substantia fer- ruginea erschienen, im Gegensatze zu denen der embryonalen und kindlichen Gehirne, als braun pigmentirte Nervenkörper, grössten- theils von spindelförmiger, mitunter aber auch von bläschenartig aufgedunsener Gestalt. Die Ausbreitung dieser pigmentirten Sub- stanz in der Medulla oblongata entsprach einerseits dem Locus coeruleus der Fovea anterior, anderseits dem Dache der vierten Gehirnkammer, an welcher Stelle sie bei ausgewachsenen Gehirnen die Substantia ferruginea superior darstellt. Als drittes Glied von den absteigenden Quintuswurzeln bil- deten sich Fasern derart heran , dass sie als Fibrae rectae aus dem obern Ende der Raphe hervorkamen und unterhalb des grauen Bodens des Ventrieulus quartus verlaufend, sich an die vorherge- nannten Wurzelfasern angeschlossen haben. Die Herkunft dieser Wurzeln leitet bekanntlich Theodor Meynert11) mit höchster Wahrscheinlichkeit von den Längsbündeln der vordem Brücken- abtheilung (Fuss des Hirnschenkels, Pes pedunculi) her. 2. Aufsteigende Quintuswur zel. Diese Wurzel em- pfängt ihre Fasern in beträchtlicher Menge von der gelatinösen Substanz oder vom Kopfe des Hinterhornes der Medulla spinalis (Taf. I, Fig. 10 G"). An Querschnitten von der Medulla oblongata steigt sie zu beiden Seiten des motorischen Querschnittsfeldes als halbmondförmiges Areal , das wiederum in seiner Concavität die Zellen der gelatinösen Substanz einschliesst (Taf. I, Fig. 9, Taf. H, Fig. 18 S', G). Die ganze Wurzel lenkt endlich in der Höhe der Austrittsebenen des Quintus in dessen Wurzelbündel ein. 3. Wurzeln aus dem motorischen Kern. Die von der l) o. c. pag. 776. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. o (33) 34 ' .T. V. Rohon; hintern Gegend der Fovea anterior entnommenen Querschnitte zeigten eine beiderseits nach aussen des motorischen Querschnitts- feldes eingebettete, nicht sehr lange Zellengruppe, welche aus dichtgedrängten multipolaren Nervenkörpern bestand, und nichts anderes als den motorischen Quintuskern vorstellte. Aus diesem Kern strahlten die zu einem starken Faserbündel gesammelten Wurzeln aus, zu denen ich Ursprungsfasern hinzutreten sah, die aus dem obern Theile der Rapke kamen und auf dem von ihnen beschriebenen Wege theilweise das hintere Längsbündel, theil- weise das motorische Querschnittsfeld durchbrachen. Selbst der motorische Kern erhielt in dieser Weise Fasern aus der Raphe. Von den aus dem Kleinhirn und möglicher Weise noch aus anderen Gebieten entspringenden Quintuswurzeln konnte ich mich nicht vollends überzeugen. Aus der eben kurz gefassten Schilderung der centralen Aus- breitung des Trigeminus in Verbindung mit dem oberflächlichen Anblick der vorhin angedeuteten Abbildung (Taf. II, Fig. 18), beziehungsweise deren mittleren Partie, wie auch der Figuren 9 und 10 (Taf. I), ergibt sich für das Nachhirn und Rückenmark der regelmässige Bau noch in einem viel höheren Grade, als dies im Mittelhirne der Fall war. Darum eben findet auch in diesem Falle die allgemeine Erfahrung ihre Bestätigung, nach welcher diese Theile am centralen Nervensystem bei den Microcephalen durch- gehends wohlgebildet sind. Und nur mit Ausnahme des Vorder- hirnes und Zwischenhirnes trifft auch auf unsern Fall bezogen das Urtheil von Theile1) zu: „Wir ersehen daraus, dass sich die Medulla oblongata beim Microcephalus noch genau an die Medulla spinalis anschliesst, und im Ganzen auch noch das Cere- bellum, dass dagegen der das Rückenmark mit dem Grosshirn in Verbindung setzende Hirnschenkel eine höchst auffallende Ver- kümmerung erfahren hat, die sich, wenn gleich weniger stark ausgesprochen, auch am ganzen Grosshirne kundgibt." Ich kehre zu den Verhältnissen des Nachhirnes an der Ab- bildung 18 (N) zurück, bei deren Besprechung ich mich , mit Rücksicht auf deren allgemeine Kenntniss , von einer möglichst prägnanten Kürze leiten lasse. Das Bodengrau der vierten Gehirnkam m er (4) folgt in seinen Bildungsnuancen den weiterhin zur Sprache kom- menden Formveränderungen derselben Kammer und zeigt eine, ') Fr. W. Theile. Ueber Microcephalus. Zeitschrift für rationelle Medicin von II e nie und Pfeufer. Bd. XI. Leipzig und Heidelberg 1861. pag. 210. Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 35 dem obern Ende der Raphe näher gerückte Zellenanhäufung, welche aus multipolaren Nervenkörpern zusammengesetzt ist und den F a c i a 1 i s- A bdacenskern, S t i 1 1 i n g (7') repräsentirt. Rechter- seits an unserer Abbildung entspricht seiner Lage eine etwas breitere Wölbung der Bodengrau-Oberfläche , wogegen sich der bogenförmige Contour linkerseits weit über sein gewöhnliches Gebiet ausdehnt und in die durch den Herausfall eines stärkeren Gefässes verursachte Spalte ausläuft. Die meistens von der innern Partie dieses Kernes entspringenden Wurzeln sammeln sich in Verbindung mit solchen aus der Raphe(R)als Fibrae rectae hervortretenden und das hintere Längsbündel (L) durch- flechtenden Fasern zu einem an den Querschnitten mit der Raphe parallel verlaufenden, das motorische Feld (MF), wie auch die Region der vorderen Schleife (m) nach abwärts durcheilenden Bündel, den Abducens-Wurzeln (6). Das siebente Nervenpaar bezieht seine Wurzeln von der Raphe als Fibrae rectae, welche hier rechterseits die äussersten Theile des Bodengraus durchstreifen, das Facialis knie (G') und den Facialis- Abducenskern umkreisen, um als absteigende Facialis-Wurzel (7), einen bis in den Nervenstamm (linker- seits VII), vorüber und nach innen von der aufsteigenden Quintus- wurzel (S') und der gelatinösen Substanz (G) herabreiche nden zierlichen Bogen zu beschreiben. Ferner entstehen die Wurzeln für den Facialis im Facialis- Abducenskern (links), im untern Facialis kern, Meynert (72), der aus fortsatzreichen Nerven- zellen besteht, und mehr nach aussen von dem motorischen Quer- schnittsfelde und oberhalb der oberen Olive (0') liegt. Die centrale Ausbreitung des achten Gehirnnervenpaares an- langend, so kann ich, da meine Beobachtungen sehr spärlich waren, sehr geringe Angaben machen. Ich konnte nämlich an den Präpa- raten aus dieser Gehirngegend blos so viel erblicken , dass der A c u s t i c u s (VIII) in zweifacher Richtung seine Wurzeln erhält : 1. aus der Raphe, 2. aus dem innern Acusticuskern, Still in g (81), welcher Kern beiderseits an unserer Abbildung bis zu den lateralen Winkeln des vierten Ventrikels hinreicht, unmittelbar mit der Marksubstanz des Hinterhirnes verschmelzend. Nachdem die Acusticuswurzeln ihre Ursprungsstätte verliessen, durchbrechen sie mit einem sehr geringen Antheil (linkerseits) die aufsteigende Quintuswurzel mit der gelatinösen [Substanz und sammeln sich frühzeitig zu einem compacten Bündel, das dann am Kleinhirnstiel (Pedunculus cerebelli SFC, MFC) 3 * (35) 36 J. V. Rohon : nach innenwärts vorüberschreitend die Medulla oblongata ver- lässt. Einen äussern und mittleren Acusticuskern konnte ich ebensowenig, wie die im Cerebellum entstehenden, auf mehrfachen Wegen zum Acusticusstamm gelangenden Wurzeln (Meynert) auffinden. Desgleichen will ich an dieser Stelle einige Bemerkungen über die Gestaltungsverhältnisse des vierten Ventrikels vorbringen. An Schnitten, die den Querebenen der Fovea anterior entlehnt waren, erschien der Ventrikel vielmehr breit als lang, dabei aber öfters etwas unsymmetrisch dislocirte Massen sowohl seines Boden- graus als auch seiner Dachmassen begrenzend. Hieran scbliesst sich überhaupt der besonders hervorzuhebende Umstand an, dass nicht nur diese räumliche Ausdehnung, sondern auch die, die- selbe Ausdehnung einschränkenden und den Ventrikel umgeben- den Massen von einer wesentlich entsprechenden Entwicklung in die Länge bedeutend zurückwichen, als wären sie gleichsam durch Hemmnisse mechanischer Natur hievon abgehalten worden. Vollends abnormer Art ist indessen in unserem Falle die Bildungsweise des Ventriculus quartus hinterwärts, wo er sich plötzlich ohne eine Bildung des Calamus scriptorius zum Centralcanal ab- schliesst. Der Canalis centralis, den ich leider ebensowenig wie den Rückenmarkscanal wegen der Unzulänglichkeit des Materials verfolgen konnte, bestand an allen Präparaten aus der kritischen Gegend der Umwandlung der Medulla oblongata zum Rückenmark aus zwei übereinander gestellten Lichtungen (Taf. I, Fig. 10 cc^, von denen die obere eine kleine, mit Cylinderepithel bekleidete Lücke, die untere eine längliche gleichfalls mit Cylinderepithel umsäumte Spalte darstellen. Das Verbindungsstück zwischen beiden voll- kommen offenen Lichtungen stellte sich als eine bindegewebige Masse heraus, welche sehr wahrscheinlich in ähnlicher Weise, wie in der oben besprochenen SylvTschen Wasserleitung, auf dem Wege secundärer Processe entstanden sein mochte und demnach auch mit den eigentlichen primären genetischen Vorgängen gar nicht zusammenhängen dürfte. Es erübrigt mir noch eine flüchtige übersichtliche Darstellung der Verhältnisse an den Abbildungen Fig. 9 und Fig. 10 (Taf. I). . An der ersteren Figur tritt uns obenan zunächst das Bodengrau der vierten Gehirnkammer entgegen, und zwar als ein lichtes, die Oberfläche von unserer Figur bildendes Areal, dessen Begrenzungs- linie von aussen her keineswegs die sonst in dieser Gegend an VOll- Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 37 kommen ausgebildeten Gehirnen auftretenden symmetrischen Diffe- renzirungen in Nervenkerne aufweist. Vielmehr konnten die ent- sprechenden Nervenkerne nur bei Verfolgung der die einzelnen Zellen- gruppen unseres Bodengrau's verlassenden Nervenwurzeln topogra- phisch bestimmt werden. So entspricht der am oberen Ende der Raphe R^ und zu beiden Seiten der hinteren Längsbündel (L) befindliche Antheil des Bodengrau's dem Hypo gl ossus kern, welcher ganz deutlich einen inneren und einen äusseren Knaul (Th. Meynert) *) von vielstr ahligen Nervenkörpern (Taf. II, Fig. 13 a, b) und Nervenfasern darstellt. Von der unteren Partie des Hypoglossus- kernes brechen die Wurzeln für das zwölfte Gehirnnervenpaar in mehrere zarte Bündel gesammelt hervor (XII), alsbald ziehen die Hypoglossus-Wurzeln sehr nahe der Raphe und mit ihr parallel, die innere Abtheilung des motorischen Feldes (M F J) und das viel- strahlige Mark der unteren Olive durchbrechend nach abwärts, um an die Peripherie der Medulla heran zu treten. Die untere Olive (0), welche auswärts von dem Stratum zonale (z") bogenförmig umgeben wird, ist in analoger Weise, wie dies mit dem Nucleus dentatus des Hinterhirnes der Fall war, ein im Verhältniss zu ihrer Umgebung mächtiges Gebilde, das nach oben und aussen an die äussere Nebenolive (Oe), nach oben und innen an die innere Nebenolive (Oi) angrenzt und aus zahlreichen , kleinen Dreiecken ähnelnden Zellen aufgebaut ist. Zwischen den beiden unteren Oliven und am unteren Ende der Raphe breitet sich in einer kurz begrenzten Strecke die unent- wickelte Pyramide (P) aus. Nach aussen von dem Hypoglossuskern erscheint das Gebiet der als zweifache Nervenkörper-Gruppe unterscheidbaren o b e r e n Vaguskerne (X ') , welche die Wurzeln für das zehnte Kopf- nervenpaar (X) in zarten Bündeln derart entsenden , dass diese innenwärts sehr nahe an der gemeinsamen aufsteigenden Wurzeides seitliche n gemischten System es, Meynert, W') (solitäres Bündel, Stilling) vorbeistreifen, in bogenähnlicher Verlaufsweise die äusserste Abtheilung des motorischen Quer- schnittsfeldes (MFE) durcheilen, indem sie gleichzeitig zu ihrer äivsseren Seite, die innere Abtheilung (SFC) und die äussere Abtheilung (MFC) des Kleinhirnstieles (Pe- d u n c u 1 u s c e r e b e 1 1 i) , hingegen zu ihrer inneren Seite die aufsteigende Quintuswurzel (S') mit der Substantia ') o. c pag. 792. 38 J. V. Rolion: gelatinosa (Gr) Hegen lassen; rechterseits an unserer Abbildung treten die Vagus wurzeln mehr in einer schräg senkrechten Pach- tung durch die gelatinöse Substanz und die aufsteigende Trige- minus wurzel heraus. Mittelständig im motorischen Felde besteht zuletzt ein kleiner rundlicher Querschnitt, der aus multipolaren Nervenzellen zusammengesetzte u nt e r e V a g u s k er n (X 2), welcher die Faserelemente für die vorderen Vaguswurzeln liefert. Zu der Figur 10 übergehend, so begegnen wir daselbst schon dem definitiven Gestaltungsprocess des sich in das Rückenmark transformirenden Nachhirnes. Wir sehen den abgeschlossenen Centralcanal (cc), um ihn herum die Gruppirung der grauen Masse, und zwar nach unten und seitlich den Kopf (Cn) mit dem Processus lateralis des Vor derhornes (Hypoglossus- und der seitliche motorische Kern), nach oben und etwas seitwärts vom Centralcanal denHalsdesHinterhornes (Vago-Accessorius- kern, HG), über diesem noch mehr nach aussen den Kopf des Hinterhornes (aufsteigende Quintus wurzel mit der gelatinösen Substanz, G"). Die weisse Masse, welche beider- seits zwischen den Sulcus longitudinalis posterior (slp) und den Sulcus longitudinalis anterior (s 1 a) eingeschaltet ist, wird von den Elementen des Hinterstranges (H'), des Seiten- stranges (1/) und des Vorderstranges (Vs) gebildet. Ihren Theil an der Darstellung und besondere Berücksich- tigung fordern die Verhältnisse der deutlichen Pyramiden-Kreu- zung (D) , ein Umstand , der neben dem klaren Anblick der Er- scheinung , welche die sich kreuzenden Fasern bieten , noch vor- zugsweise im Hinblick auf die Entstehung der Pyramiden unsere Aufmerksamkeit fesselt. Während einerseits , wie wir das früher sahen , der Gehirnschenkelfuss im Mittelhirne und in der Brücke, dann die Pyramiden im Nachhirne gar nicht zur Entwickelung gelangten, tritt uns die untere Pyramiden-Kreuzung mit voller Deutlichkeit entgegen. Wie soll nun diese widerspruchsvolle und dennoch unbestreitbare Thatsache ihre Erklärung finden? Diese Frage beansprucht namentlich deshalb ein höheres Interesse , weil Paul Flechsig in neuerer Zeit eine Theorie über die Bildung der Pyramiden entwickelte, für welche seine umfangreichen und mit grossem Fleisse geführten entwickelungs- geschichtlichen Untersuchungen mit grosser Wahrscheinlichkeit eintraten. Flechsig schreibt1): „Alle Räthsel scheinen sich uns *) Paul Flechsig. Die Leitungsbahnen im Gehini und Rückenmark des Menschen u. s. w. Leipzig 1876. pag. 202. (38) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 39 auf eine befriedigende Weise zu lösen, wenn wir annehmen, dass die Pyramiden und Pyramidenbahnen von oben nach abwärts sich bilden. Mag nun diese Bildung geradezu so erfolgen, dass sich Fasern mit freien Enden nach abwärts weiter schieben, oder so, dass sich an solchen Enden immer neues Bildungsmaterial anlagert: jede neugebildete Strecke muss in ihrer Lagerung ab- hängig sein von der nächst älteren. Ein neuer Abschnitt kann sich an irgend welcher Stelle nur in unmittelbarem Anschluss an den alten bilden ; dieser ältere Abschnitt ist der eigentliche Bil- dungsmittelpunkt für den neuen. Die Massen würden sich von oben nach unten weiter schieben, wie wir wohl annehmen müssen, in Form dicker Bündel, welche bereits den grössten Theil der Pyramidenfasern führen etc." Für das Zustandekommen der Pyramiden-Kreuzung sieht sich Flechsig zu einer mechanischen Erklärung veranlasst, in- dem er die Widerstände1) hervorhebt, wie die stumpfwinkelige Knickung des Medullarrohres , wodurch eine Bucht entsteht, die das Weiterziehen und Einhalten derselben Richtung seitens der Pyramiden verhindern. „ Erwägt man, — fährt Flechsig fort ») — dass sich in der ganzen Länge derOblongata und des Rücken- markes ausser an der angegebenen Stelle einer an der Vorder- fläche des Medullarrohres von oben nach unten wachsenden Faser- masse nirgends ähnliche Widerstände entgegenstellen, so er- scheint es wohl gerechfertigt, den Umstand, dass die Pyramiden- bündel gerade hier Richtung und Lage zu ändern pflegen — sich einerseits in die Seitenstränge einsenken, andererseits sich kreuzen — mit diesen localen Verhältnissen in Beziehung zu bringen. Die von oben in der Form zweier getrennter Bündel herabkommenden Pyramiden mischen sich solange nicht , als sie nicht durch Widerstände gezwungen werden, ihre Richtung zu ändern. Dass dies aber geschehen könne und müsse, wenn sie in diese Bucht eingedrungen sind, und dass diese Richtungsänderung auch zu einer Kreuzung führen könne, bedarf wohl keines wei- teren Beweises." Nachdem endlich Flechsig solche Fälle beobachtete, wo eine Pyramiden-Kreuzung gar nicht zu Stande kam, so betrachtet er die V ariabili t ä t als die n a t u r g e m ä s s e E r s c h e i n u n g. 3) ') ibid. pag. 203. 2) o. c. pag. 203. 3) o. c. pag. 205. 40 I. V. Roh on : Ich glaube aber, dass sich unser Autor gerade an dieser Stelle in einem Widerspruche zu seiner Erklärung im Sinne der mechanischen "Wirkungen befindet. Denn es entsteht die Frage: wie ist es möglich geworden, dass in einigen Fällen die Knickung des Medullarrohres und die hiedurch entstandene Bucht eine Pyramiden-Kreuzung verursachen konnten, und in anderen Fällen nicht? Sollte es etwa in den letzteren Fällen zu keiner Knickung des Medullarrohres gekommen sein? Ueberdies stellt sich das Erscheinen der Pyramiden-Kreuzung in unserem Falle diametral der F 1 e c h s i g'schen Theorie von der Ent- stehung der Pyramiden entgegen. Hier beweist mit aller Bestimmt- heit die Pyramiden-Kreuzung eine Bildung der Pyramiden- Bahnen vom Rücken marke nach aufwärts, also nicht von oben nach abwärts, sondern von unten nach aufwärts, gerade das G-egentlieil von dem, was Flechsig behauptet hat. Hingegen tritt hier der völlig unentwickelte Zustand der Pyramiden weiter oben in der Medulla oblongata, des Gehirnschenkelfusses in der Brücke und im Mittelhirne mit dem Ausfall der Grosshirn-He- misphären-Bildung in Beziehung, was seit jeher in ähnlichen Fällen beobachtet wurde. Somit eröffnet sich in unserem Falle zur Frage von der Pyramiden-Entwickelung folgende Ansicht. I m V e r 1 a u f e normaler E n t w i c k 1 u n g s - P r o c e s s e bildet sich einTheil d e r P y r a m i d e n f a s e r n v o m R ü c k e n m a r k e nach aufwärts, der andere Theil vom Grrosshirn nach abwärts, beide Theile verwachsen später mit einander, um ein continuir lieh es Fasersystem herzustellen. Beurtheilung der Untersuchungs-Ergebnisse. Seit mehreren Decennien beschäftigt sich die anatomische Forschung mit der morphologisch und physiologisch gleich inter- essanten Verkleinerung des Schädels und Hirnes (Microcephalie, Micrencephalie). Indem sie in jeder Verkleinerung oder Vergrös- serung irgend eines Körpertheiles eine Abweichung von der nor- malen Bildungsweise erblickte , so lag es überaus nahe , sowohl die Verkümmerung des menschlichen Kopfes in die Reihe der unter verschiedenen Formen in der organischen Welt häufig vorkommen- den Missbildungen zu stellen , als auch nach der Frage von den bei Entstehung solcher Bildungen wirksamen Einflüssen oder Ur- sachen zu forschen. JDie von den Autoren aufgestellten Ansichten lassen sich im Allgemeinen in zwei Classen theilen : „nach der einen — schrieb Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 4L Rokitansky1) — liegt die Ursache der Missbildung in einer ursprünglichen Missbildung des Keimes , nach der anderen wird die Missbildung durch verschiedene , den Keim während seiner Entwicklung treffende Einflüsse verursacht." Nur die zweite Ansicht , insbesondere durch die Schriften Joh.Fr. Meckel's, namentlich das Handbuch der pathologischen Anatomie 2), zur Geltung gebracht, hat zur Beurtheilung des vor- liegenden Falles Bedeutung, Sämmtliche, diese Ansicht vertretenden Autoren haben , von den embryologischen Erfahrungen geleitet, jede Missbildung für eine Bildungshemmung erklärt , die Vorstellungen über deren Ent- stehung jedoch in verschiedener Weise zum Ausdruck gebracht. So bezeichnete Caspar Friedrich Wolff3) die abweichende Thätigkeit der vis essentialis , Blumenbach die abweichende Thätigkeit des Bildungstriebes, Heule4) die Abweichung von der Idee der Gattung, Bischoff5) die Lebenskraft, organische Kraft, und endlich Andere die Vegetations- oder vegetative Kraft als die Entstehung der Missbildungen bewirkende Ursachen. Neben diesen mehr allgemein formulirten Umschreibungen, welche unrichtiger Weise als Bezeichnungen der Ursachen hin- gestellt wurden, versuchte SerreslV) ein spezielles Gesetz zu be- stimmen. Nach S er res soll nämlich die Entwicklung eines Or- ganes von der Entwicklung des Gef ässsystemes , namentlich der Arterien, derart abhängig sein, dass mit dem Mangel oder mangel- hafter Entwicklung irgend einer Arterie, auch der Mangel oder mangelhafte Entwicklung des von der entsprechenden Arterie ver- borgten Orgar,es einherschreitet. Ein zweites und dem vorigen ähnliches Gesetz fährte Tiede- m a n n 7) vor. Nach diesem Forscher würden die missgebildeten ') C. Rokitansky. Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Erster Band. Wien 1855. pag. Hl. 2) Joh. Fr. Meckel. Handbuch der pathologischen Anatomie. 2 Bände. Leipzig 1812—1818. s) C. F. Wolff. Nov. Commentar. Petrop. T. XVII. 4) J. Henle. Allgemeine Anatomie. Leipzig 1811. pag. 219. 5) Th. L. W. Bisch off. Entwicklungsgeschichte mit besonderer Berück- sichtigung der Missbildungen. Handwörterbuch der Physiologie von Rudolph Wagner. Erster Band. Braunschweig 1842. pag 895. 6) Serres Anatomie du cerveau. Tom. I Paris 1824- 7) Fr. Tiedemann. Anatomie der kopflosen Missgeburten. Landshut 1813. (40 42 .1. V. Rohon: Theile nicht wie nach Serres von den Gelassen, sondern von der directen Beziehung zum Nervensystem abhängig gemacht. Endlich stellte Geoffroy Saint Hila ire \) bezüglich der aus übersichtlicher Belfrbeitung der Missbildungen hervorgegan- genen Regeln sein „principe du balancement des organes" auf (Corre- lation der Organe), wonach wiederum die übermässige Entwick- lung eines Theiles durch die Beeinträchtigung eines anderen erfolgt. Unzweifelhaft kann jede von den angeführten Ansichten, wie dies allgemein angenommen wird , bei vorsichtiger Anwendung viele Missbildungen einigermassen verständlich machen, doch wird keine von ihnen die Ursache von der Entstehung der Missbildun- gen , nicht in einem einzigen Falle , zur Entscheidung bringen. Alle diese Ansichten bildeten sich eben als die nothwendige Con- secpuenz jener- Bestrebungen, welche zu einer wissenschaftlichen Erklärung solcher in das organische Leben tief eingreifenden Ver- hältnisse drängten, und vermöge der Forschungsmethode und deren Vervollkommnung, zu verschiedenen Zeiten, selbstverständlich auch in verschiedener Weise entstanden waren. Sie alle wurden aber trotz ihrer rein hypothetischen Natur von grosser Bedeutung. zumal wir auch bei Behandlung der Microcephalie auf die Hypo- these , dass dieselbe eine Hemmungsbildung sei , zurückzugreifen genöthigt sind, ohne dass wir bislang im Stande gewesen wären. die Zeit mit einiger Sicherheit zu bestimmen , in welcher der Schädel mit dem Gehirn den Beginn ihrer Entwicklungshemmung erleiden. Freilich treten uns hier fast unüberwindliche Schwierig- keiten entgegen , um nur einige zu erwähnen , das causale Ver- hältniss zwischen Schädelkapsel und Gehirn , das karge Unter- suchungsmaterial und besonders der Mangel an foetalen und jugend- lichen Microcepkalen. Darum eben lag es in der Natur der Sache, wenn R u d o 1 p h Virchow2) in neuerer Zeit auf einem anderen Wege an die Lösung derselben schwierigen Frage herantritt. Der berühmte Forscher verfolgte die Entstehung der Microcephalie vermittelst seiner entwicklungsgeschichtlichen Studien über den Schädelgrund, deren Resultate in dem Schlussatze gipfelten : dass die Micro- cephalie eine Verkürzung oder Hemmung in der Entwicklung des '_) Isid. Geoffroy St. Hila ire. Histoir gen. des Anomalies de 1'organi- sation. Paris 1832—1830. 2) Vergl. auch Vir chow's Mittheilungen von Synostosen des Keilbeinkörpers, in seinen gesammelten Abhandlungen zur wissenschaftlichen Medizin. Frank- furt 1856. (4-n Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes, -13 Schädelgrundes , speziell der Wirbelkörper des Tribasilarbeines bedeute, zu welchem Vorgang wahrscheinlich die vorzeitige Syno- stose der nächste Grund sei. Ganz anderer Art ist die Ansicht, welche späterhin Carl Vogt entwickelte, als er, auf einseitige Verwerthung des Materials an Schädeln und deren Ausgüssen gestützt, die Microcephalie auf Atavismus zurückführen wollte. „Wir behaupten" — sagt Vogt *),' „dass die Microcephalie eine partielle atavistische Bildung ist, welche in den Gewölbtheilen des Gehirnes auftritt und als not- wendige Folge eine Ablenkung der embryonalen Entwicklung nach sich zieht, die in ihren wesentlichen Charakteren auf den Stamm zurückführt, von welchem aus die Menschengattung sich entwickelt hat." Der Stamm aber sei der allen Primaten gemeinschaftlich zukommende ; somit ist der Microcephalen-Schädel ein Affen-Menschen- schädel, das Microcephalen-Hirn ein Affen-Menschenhirn. Während Vogt seine atavistische Theorie auf das Vorkom- men des stärker entwickelten Siebbeinschnabels, auf den Mangel des unteren gemeinsamen Stammes der Fossa Sylvii und endlich auf die gleichmässige Verkümmerung aller Grosshirnlappen stützte, genügte die Untersuchung zweier Microcephalengehirne , um jene Theorie über den Haufen zu werfen. Julius Sander-) war es, der nachzuweisen vermochte, dass nicht selten bei sonst normal ausgebildeten Gesammtverhältnissen ein stärker entwickelter Sieb- beinschnabel vorkomme, dass die Fossa Sylvii am Microcephalen- Hirn ebenso in der Gestalt eines schiefgestellten Y, wie beim normalen Menschen und nicht wie bei anthropomorphen Affen er- scheine, und dass die besonders hervorzuhebende Bildung des sehr dünnen Splenium corporis callosi geradezu mit der mangelhaften Bildung der Hinterhauptlappen (R u d o 1 p h W a g n e r) in Zusammen- hang gebracht werden müsse. Sander sieht das Microcephalen- Hirn als ein fehlerhaft entwickeltes Gehirn an und kommt im Wesent- lichen zu der von Rudolph Wagner längst vertretenen Ansicht zurück. Aber R. Wagner sagte 3): „Ein Microcephalus bleibt theilweise ein embryonaler Hydrocephalus. Auch die embryonalen J) C. Vogt. Ueber die Microcephalie oder Affenmenschen. Archiv für Anthropologie. Zweiter Band. Braunschweig 1867. pag. 270. 2) J. Sander. Beschreibung zweier Microcephalengehirne mit einigen Be- merlnmgen. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten von W. Griesinger. I. Band. Berlin 1868-69. pag. 304. s) R. "Wagner. Ueber die Hirnfunctionen mit besonderer Beziehung zur allgemeinen Zoologie. Tro sc hel's Archiv für Naturgeschichte. Berlin 1861. pag. 176. 44 J. V. Rohon: Verhältnisse einzelner Schädelknochen sprechen für diese Ansicht. Aber wie bei allen Bildungshemmungen oder richtiger Hemmungs- bildungen , ist es nicht ein Stehenbleiben auf einer früheren Bil- dungsstufe; die Windungen und Lappen wachsen vielmehr, nur in geringerem Grade, und die Verkümmerung zeigt sich am stärk- sten in denjenigen T heilen , welche in der Genesis die am wenig- sten entwickelten waren." Auch v. Mierjajevsky x), der vor einigen Jahren das an Gewicht bislang bedeutendste (369,053 Gramm) Microcephalen- Hirn untersuchte und auch Angaben über die inneren Structur- verhältnisse desselben Microcephalen-Hirnes machte , konnte nicht mit der Vogt'schen Theorie übereinstimmen. Vom Gesichtspunkte einer weitblickenden Beurtheilimg wendet sich ferner gegen die atavistische Theorie Rudolph V i r c h o w - ) : „Mein Haupteinwand gegen Vogt ist aber der, dass er ein schlechthin krankhaftes Verhältniss mit gesetzmässigen Entwick- lungs-Verhältnissen in eine Reihe stellt. Dies ist auch vom Stand- punkte eines erklärten Descendenz-Theoretikers aus nicht anzu- erkennen. Denn die Entstehung neuer Arten und Spielarten hat nur dann einen Sinn, wenn die einzelnen Individuen dieser Arten oder Spielarten für eine selbstständige Existenz, wenn möglich auch für einen Kampf um das Dasein zweckmässig eingerichtet sind. Es kann aber nicht füglich eine Art oder Spielart existiren, wenn ihre einzelnen Individuen so hilflos sind, dass sie für ihre eigene Erhaltung gar nichts zu thun im Stande sind , wenn sie nicht einmal ein regelmässiges parasitisches Verhältniss herzu- stellen vermögen. Dies ist bei den Mikrocephalen der Fall. Ihr Blödsinn hindert sie irgend eine Art von selbstständiger Arbeit, welche auf Selbsterhaltung gerichtet wäre, zu leisten; sie sind auf die Ernährung durch die Familie, durch die Gesellschaft angewiesen. Ganz abgesehen von ihrer Unfähigkeit zur Fort- pflanzung, also zur thatsächlichen Herstellung einer Art oder Spielart, ist ihr geistiger Zustand oder ihr Gehirn so mangelhaft, dass eine solche Art oder Spielart, auch wenn sie entstände, ohne allen Kampf um das Dasein sofort zu Grunde gehen würde. Wenn auch ihr Verstand dem manches Affen nahe kommt, so ') Johannes v. Mierjajevsky. Ueber einen Fall von Microcepbalie. Ver- handlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Zeitschrift für Ethnologie. Vierter Band. Berlin 1872. 2) R. Virchow. Menschen- und Affenschädel. IV. Band, Heft 96 der geniein- wissenschaftlichen Vorträge. Berlin 1870. pag. 31. (14) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 45 fehlt ihnen doch der Instinct , welcher schon bei den neugeborenen Affen in wunderbarer Weise wirksam wird und ihn zu Leistungen befähigt, welche ebenso zweckmässig als überraschend sind. Da- von ist bei dem microcephalen Blödsinnigen nichts wahrzunehmen : sein Zustand ist wesentlich der des Hirnmangels, der des Leidens, ohne dass ihm dafür ein Ersatz gewährt ist. Er ist ein durch Krankheit theil weise veränderter Mensch, aber kein Affe." In einem grösseren Werke , in welchem uns die erste und genaue anatomische Beschreibung eines 8jährigen microcephalen Mädchens gegeben ist, unterzog v. Bischoff die Vogt'sche Theorie einer eingehenden Kritik und gelangte zu Resultaten, welche die- selbe ebenso entschieden zurückweisen, v. Bischoff1) spricht sich über das Gehirn der Helene Becker; welches der Bildung und der Grösse nach dem von Sandifort2^ beschriebenen und auf der 64. Tafel, Vol. IV abgebildeten Gehirn eines 20jährigen Jünglings sehr ähnlich sieht, folgendermassen aus: „Dieses Gehirn ist vollkommen wohlgebildet, trägt weder an seinem Aeusseren noch in seinem Inneren irgend welche Spuren eines pathologischen Processes oder einer Zerstörung an sich. Vielmehr sieht es äusser- lich durchweg dem normal gebildeten Gehirne irgend eines Säuge- thieres und zwar unleugbar dem eines grösseren Affen von der Grösse eines Cynocephalus ähnlich. Auch bei genauerer Betrach- tung und Untersuchung hat dasselbe unzweifelhaft in vielen Punkten eine grosse Affenähnlichkeit." Allein v. Bise ho ff fand an demselben Gehirn eine Asym- metrie der Windungen und schliesst aus derselben, da eine solche Asymmetrie an normalen Menschen- und Affengehirnen nicht vor- kommt, auf eine abnorme Bildung des Gehirnes, die „höchst wahr- scheinlich in einer sehr frühen Zeit, am Ende des dritten Monates begann, wo von einer Schädelkrankheit als Ursache derselben gar keine Rede sein konnte." 5) Nur insoferne stimmt v. Bise hoff mit Vogt überein, als er gegen Rudolph Virchow in der Synostose der Schädelnähte keine mögliche Ursache , sondern mit ') Bischoff v. Anatomische Beschreibung eines microcephalen 8jährigen Mädchens, Helene Becker aus Offenbach. Abhandlungen der mathematisch- physikalischen Classe der königlichen baierischen Akademie der Wissenschaften. Elfter Band. München 1874. pag. 103. 2) Sandifort. Museum Auatomicum Academiae Lugduno-Bataviae. Volumen quartana, pag. 88 und 89. s) o. c. pag. 174. Vergl. B. Wagner, o. c. pag. 170. (45) 46 J. V. Rohon: C r u v e i 1 h i e r J) die Folge von der Verkümmerung des Hirnes bei Microcephalie erblickt, was Carl Vogt2) direct an den bekannten Schädeln von den Kindern Moegle nachzuweisen im Stande war. Endlich betrachtet v. Bise hoff die Microcephalie als eine Hemmungsbildung und ist der Meinung 3) , dass der Schädel und das Gehirn von derselben störenden Ursache getroffen werden. Ich glaube im Vorstehenden so ziemlich das Wichtigste aus der Literatur angeführt zu haben , und darf wohl hinzufügen, dass uns bislang jedwede positive Angabe, sowohl rücksichtlich der Ursachen, als auch rücksichtlich des Wesens von der Ver- kleinerung des Schädels und Hirns fehlen. Nur so viel kann als feststehend gelten, dass wir es in allen ähnlichen Fällen mit einer Bildungshemmuhg zu thun haben, für welche wir jedoch in jedem einzelnen zur Untersuchung gelangenden Falle die den- selben bestimmenden morphologischen Belege erst zu suchen haben werden. Demgemäss wird es aber in erster Linie auf die Bestim- mung der Zeitverhältnisse von der Entwicklungshemmung an- kommen , während die Discussion der bei Entstehung von Microcephalie wirkenden Ursachen in weitere Ferne rückt. Mit diesem Gesichtspunkte trete ich an die kritische Bespre- chung des Untersuchungsobjectes heran. Betrachtet man die G-estaltungs- und Grössenverhältnisse des vorliegenden Gehirnes, so drängt sich uns der Vergleich des- selben mit dem Hirn der Cyclöpia 4) unwillkürlich auf. „Diese Miss- bildung — schreibt Förster 5) — ist äusserlich dadurch charakteri- sirt, dass an einem Fötus mit übrigens meist wohlgebildetem Kör- per und Kopfe Augen und Nase an ihren normalen Stellen fehlen, und dagegen in der Gegend der Nasenwurzel ein einfaches Auge sitzt, über welchem meist ein rüsselförmiges Nasenrudiment her- vorragt." Zudem kommen noch manche andere Umstände in Be- tracht, welche scheinbar zu Gunsten eines solchen Vergleiches sprechen möchten, wie z. B. die zusammengeflossenen Sehhügeln, die Verkleinerung der grossen Hirnschenkeln, der Ausfall des vierten Gehirnnervenpaares u. s. w. Indessen abgesehen davon, dass die blosse Aehnlichkeit niemals ') J. Cruveilhier. Tratte d'Anat. path. gen. Paris 1849, 1852. ) o. c. pag. 195. '■'') o. c. pag. 168. *) Vergl. August Förster, o. c. Taf. XIII, Fig. 11—16. B) o. c. pag. 73. HG) Untersuchungen über den Bau eines Microeephalen -Hirnes. 47 bei morphologischer Beurtlieilung entscheidet , brauchen wir nur einen flüchtigen Blick auf den anfolgenden Holzschnitt zu werfen. und die in der Einlei- tung oberflächlich be- rührten anatomischen (xesammt - Verhältnisse zu berücksichtigen, um sofort zu der Ueberzeu- gung zu gelangen, dass diesfalls die auf einer tiefen Entwicklungs- stufe stehen gebliebene Microcephalie vor uns liege. Untersuchen wir nunmehr , in welcher Weise die Entwick- lungsstörung an den Gehirnabschnitten und zwar zunächst am ersten, dem Vorderhirne, ent- standen sein mochte. K. E. v. Baer's berühmtes Werk enthält folgende wichtige Stelle *) : „Sie (die drei primären Hirnbläschen) sind sehr früh kenntlich , gleich nach dem Schlüsse der Rücken- rinne , ja vor erreichtem Schlüsse. Aus dem vorderen dieser primären Bläschen sieht man das Auge, aus dem hinteren das Ohr sich hervorstülpen. Etwas später ist auch hier das vordere Bläschen in zwei Abtheilungen getheilt, von denen die vordere zue'rst nur wie ein stumpfer Zapfen vor- ragt, dann durch eine mittlere Einsenkung ge- theilt wird und nach unserer Benennung, trotz ihrer Kleinheit, als Vorderhirn betrachtet werden mus s." V. v. Mihalkovics, der die Entwicklungsgeschichte des Gehirnes der höheren Vertebraten neuerdings eingehend verfolgte, äussert sich über die Bildung des von Baer*schen Vorderhirnes Gypsabgusa in halber natürlicher Grösse abgebildet. ') o. e. pag. 303 und 30-1. 48 J. V. Rohon folgendermassen l): „Das secundäre Vorderhirn entsteht durch einen Vorstülpungsprocess aus dem Stirnrande des primären Vor- derhirnbläschens. Hier wächst während der Abschnürung der Augenblasen eine neue grosse Blase aus , welche anfangs keine bestimmten Grenzen gegen das primäre Vorderhirn hat. Ist aber die Blase ganz ausgebildet, dann entsteht eine von oben nach unten und vorn gerichtete sichelförmige Einschnürungsfalte an der Seitenwand , und theilt das primäre vom secundären Vorder- hirnbläschen." 2) Aus diesen beiden Citaten resultirt für unseren Fall der überaus wichtige Satz, dass das Hemisphärenbläschen ursprünglich als ein ungetheiltes Gebilde aus dem vordersten der primären Gehirnbläschen hervorgegangen ist. An diese entwicklungsgeschichtliche Thatsache anknüpfend, wird es sehr wahrscheinlich , dass das in Rede stehende Vorder- hirn, als einfache Blase auf der ursprünglichen Entwicklungsstufe zurückbleibend, keine weiteren morphologischen Stadien durchlief, wobei dessen quantitative Ausbildung blos auf Kosten der in seinem Innern weiter schreitenden DifFerenzirungen histiologischer Elemente geschah. In erster Linie sprechen zu Gunsten dieser Ansicht zwei Momente : 1. Der Ausfall einer Bildung des Processus falciformis major; 2. die Structur des Vorderhirnmantels. Von der Bedeutung des ersteren Umstandes bei der Hemisphärenbildung haben wir durch die Untersuchungen von Mihalko vics eine bestimmte Kenntniss erlangt, darnach3) „die Zweitheilung der Hemisphären durch die embryonale Sichel erfolgt ist". Ich darf wohl noch weiter gehen und sagen, dass wir in dem Ausfalle der Sichelbildung zugleich einen positiven Nachweis von der Ursache erhalten , welche vorzüglich neben gewiss noch anderen , gleich hervorzuhebenden secundären Verhältnissen, die in unserem Falle bestehende merkwürdige Microcephalie zur Folge hatte. Was dann das zweite Moment anbetrifft , so hat schon die früher gegebene Beschreibung vom Vorderhirnmantel dargethan, dass hier , wenngleich mit geringen Schwankungen , eine zwar mangelhaft entwickelte , aber denn doch continuirliche , bis zur ') o. c. pag. 37. '-) v. Mihalko vi es hat die eben angeführte Stelle v. Baer's mit keinem Worte erwähnt, scheint also dieselbe gar nicht zu kennen, oder aber fasst er sie in einem von seiner Angabe gänzlich abweichenden Sinne auf. 3) o. c. pag. 165. (48) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 49 Hirnbasis liinabreickende Grosskirnrinde vorliege, deren besondere Unterbrechung oder nachträgliche Verschmelzung nirgends an den entsprechenden Stellen sichtbar ward. Aber auch die Andeutungen von Längsfurchen und Windun- gen widersprechen nicht im Mindesten der aufgestellten Behaup- tung. Dass eine ausgebildete Furche überhaupt auftritt! und blos in der Richtung der Queraxe einen deutlichen Ausdruck erhält, das lässt sich durch die interessanten Untersuchungen von R vi- di nger1) hinreichend erklären. Vornehmlich sind es zwei Sätze aus denselben, welche hier klärend eingreifen, 1. dass die erste Bildung der Windungen nickt an eine bestimmte Zeit geknüpft ist, und hier aus unbekannten Gründen individuelle Schwankungen stattfinden; 2. dass mit der schon vor der Geburt vorhandenen Form des Kopfes, die Verschiedenheit in der Stellung der Hirn- windungen Hand in Hand gehe , so dass beim Brachycephalen 2) die Windungen mehr quer , beim Dolichocephalen mehr schräg stehen. Der letztere Satz erhält noch in einer anderen Beziehung besonderen Werth, nämlich hinsichtlich der allgemeinen Beurthei- lung des vorliegenden Gehirnes. Alle Gehirnabschnitte weisen ein Gedrängtsein in der Richtung der Längsaxe auf, namentlich sind die ersten drei Abschnitte (Vorder- , Zwischen- und Mittel- hirn) sozusagen ineinander gepresst, was entschieden zu Gunsten der oben angeführten Theorie R. Virchow's sprechen würde, wenn die Ursache der Verkürzung, besonders mit Rücksicht auf die niedere Entwicklungsstufe des Vorder- und Zwischenhirnes, diesfalls im Gehirne selbst nicht gesucht werden müsste. Andererseits entstehen grosse Schwierigkeiten für meine Be- hauptung aus dem Mangel jedweder Höhlung und Epithelialbildung im Innern des Vorderhirnes. Man wird mir gewiss mit Recht entgegenhalten , dass , wenn auch das Vorderhirn auf der Ent- wicklungsstufe eines Bläschens stehen blieb, unter allen Umständen eine Höhle oder eine Stelle aufweisen muss , wo die Höhle möe:- ') N. R ü d i n g e r. Vorläufige Mittheilungen über die Unterschiede der Grosshirnwindungen nach dem Geschlecht beim Fötus und Neugeborenen, mit Be- rücksichtigung der angeborenen Brachycephalie und Dolichocephalie. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Baierns, I. Band. München 1877. -) Die Kurzköpfigkeit beim Menschen hängt wohl mit derjenigen Schädel- modification (der sogenannten Mopsbildung) zusammen , welche ihre extremen Repräsentanten in dem Niata-Rind der südamerikanischen Pampas und dann in unseren Hausthieren (Hund, Schwein, Schaf, 'Ziege) besitzt. Vergl. C. Claus. Grundzüge der allgemeinen Zoologie. 4. Auflage. Marburg 1378. pag. 144. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 4 (49) 50 J. V. ßohon; licher Weise verwachsen ist. leb habe dagegen schon oben mit Nach- druck hervorgehoben, dass ich von Beiden nicht einmal eine Spur auffinden konnte und muss gestehen , dass ich mir diesen unleug- baren Mangel nur durch die inneren Structurverhältnisse des Vor- derhirnes erklären kann. Wie wir nämlich schon früher gesehen haben , bestehen da- selbst nebeneinander, die zu einem Klumpen zusammengeschmolzene Ganglienmasse (Fig. 6 gl) , welche dorsal wärts gelagert ist, unter- halb derselben eine centrale Masse , die zum grossen Theile den Inhalt des Vorderhirnes bildet und mit einem von der Basis des Vorderhirnes in das Innere desselben eindringenden Lappen in Verbindung tritt, der wiederum als accessorischer Theil hinsicht- lich der Hirnmasse und als directer Bestandtheil hinsichtlich der Gebilde des Mesoderms erscheint. Denkt man sich nun, dass der- selbe Lappen im Laufe des späteren Fötallebens dem , im Sinne der Untersuchungen von Hensen1), erst nachträglich mit den Gefässen in das Mark des centralen Nervensystems eingewanderten Bindegewebe gefolgt war , so ist immerhin möglich , dass der immer weiter in's Innere des Vorderhirnes hineinwuchernde Lappen und die Differenzirung der nervösen Elemente zu einer vollstän- digen Ausfüllung der Vorderhirnhöhle führten , und zwar der- massen , dass die Vorderhirnhöhle nur noch als ein Rudiment im Zwischenhirne übrig blieb. Eine Unterstützung erhält diese Auf- fassung durch den innigen Zusammenhang des Vorderhirnes mit dem Zwischenhim, und durch das Auftreten eines anfangs dorsal- wärts gelegenen und offenen , später hingegen abgeschlossenen Höhlenrestes im Zwischenhirne. Allerdings kann die Bildung des Lappens für das Product eines von der Basis cranii ausgegangenen pathologischen Processes erklärt werden, über dessen Wesen und eigentliche Bedeutung nur die eingehende Untersuchung des Schädelgrundes möglicher Weise ein Licht zu verbreiten vermocht hätte ; das zu thun war ich leider nicht in der Lage , weil ich den Schädel nicht besass. Jedenfalls ist das ganze Lappengebilde blos von einer seeundären Bedeutung und wird auch deshalb die besagte Behauptung über die Entstehung der Entwicklungshemmung des Vorderhirnes , wie ') Victor Hensen. Beobachtungen über die Befrachtung und Entwicklung des Kaninchens und Meerschweinchens. Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungs- geschichte. Bd. I. Leipzig 1877. ■ 5(1) Unters nchun gen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 51 ich glaube , nicht im Geringsten alteriren. Wenigstens vermag ich mir keine andere Vorstellung über das Vorderhirn zu bilden. Was weiterhin die Beurtheilung des Zwischenhirnes an- belangt , so erscheint es ebenfalls zweckentsprechend , die Ent- wicklungsvorgänge , wie sie am normalen Hirn ablaufen , zum Ausgangspunkte zu wählen. Nach Kölliker1) sind die dies- bezüglichen Vorgänge folgende : „Der zweite Abschnitt des embryo- nalen Hirnes, das Zwischenhirn oder die Sehhügelblase ist ursprüng- lich eine hohle dünnwandige Blase, in weiter Verbindung mit dem Mittelhirne und dem Vorderhirne. Im weiteren Verlaufe verdickt sich die Wand von den unteren seitlichen Theilen und von der Seitenwand her und spaltet sich zugleich die Blase in der oberen Mittellinie. In der Fig. 103, welche das Gehirn von einem etwa sieben Wochen alten Embryo darstellt, war die Sehhügelblase noch ungespalten, in der Fig. 114 dagegen von einem dreimonat- lichen Embryo sehen Sie dieselbe gespalten bis auf einen kleinen Rest ganz hinten , aus welchem die Commissura posterior und die Zirbel sich entwickelt." Sucht man den Stützpunkt durch Uebertragung der soeben angeführten Verhältnisse auf das Zwischenhirn in unserem Falle zu gewinnen, so lässt sich die Annahme des dritten Monates, als desjenigen Zeitpunktes , wo die Hemmung in der Entwicklung begann, aus der äusseren und inneren Gestaltung desselben Hirn- abschnittes , in einer mehr denn wahrscheinlichen Weise begrün- den. Der Vorgang wäre dieser. Nachdem sich die Zwischenhirn- blase oben in der Mittellinie gespalten, mochte die Differenzirung der histologischen Elemente , von den verdickten Seitenwänden und der ungespalten gebliebenen unteren Wand ausgehend, immer mehr und mehr ihre Ausbreitung genommen haben , und zwar in solchem Masse, dass die Spalte fortwährend eine kleinere und nach oben und vorn gegen das Vorderhirn verdrängte geworden ist. Dort, wo ein Theil von ihr überbrückt wird (Taf. II, Fig. 11), wuchsen die Theile der gespaltenen Zellwandung abermals zu- sammen und bildeten so die Elemente der mittleren Commissur, wie dies namentlich durch Schmidt2) und v. Mihalkovics3) ') A. Kölliker. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1861. pag. 240. 2) Fr. Schmidt. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Zeit- schrift für wissenschaftl. Zool. 11. Bd. Leipzig 1862. pag. 59. s) o. c. pag. 71. 4 * (51) 52 J. V. Roho n: beobachtet ward *) , während es zur Differenzirung der Commissura posterior und der Zirbel unter den bestehenden niederen Ent- wicklungsverhältnissen gar nicht kommen konnte. Indessen übt bei der Beurtheilung des Zwischenhirnes einen sehr störenden Einnuss das unbestimmbare Verhältniss desselben zum Vorderhirn einerseits, und anderseits der Umstand, dass das Chiasma und die Wurzeln der Sehnerven nur mit dem Vorderhirn in Verbindung bleiben ; denn es zeigten , wie ich früher ganz be- sonders hervorhob , die Querschnitte vom eigentlichen Zwischen- hirn nicht die geringste Spur einer Beziehung dieses Gehirn- abschnittes zu den Opticus wurzeln. Da es aber Angesichts der bisherigen entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen ganz und gar nicht angeht, die Sehnerven aus dem Vorderhirn hervorgehen zu lassen, so ist nur die einzige Möglichkeit einer Erklärung dieses morphologisch total verschobenen Verhältnisses darin geboten, dass man die Trennung der Opticuswurzeln vom Zwischenhirn, als durch die histologischen Vorgänge im Vorderhirne verursacht, annimmt , wodurch die Sehnervenwurzeln entsprechend der Lage des Chiasma nun einmal in abnormer Weise, in das Bereich der Vorderhirnmassen hineinfielen. Selbstverständlich ist* dies nur eine Vermuthung, über deren Werth ja nach dem eingenommenen Gesichtspunkt verschieden geurtheilt werden mag. Beziehentlich der Gürtelmasse des Zwischenhirnes (Fig. 7 g) gilt im Ganzen das, was von dem fibrösen Lappen an der Vorder- hirnbasis gesagt worden ist. ') Neuerdings bezweifelt Ehlers (die Epiphyse am Gehirn der Plagiostomen. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XXX. Suppl. , pag. 623) diese übereinstimmende Beob- achtung und verwickelt sich selbst in Widersprüche, wenn er die Tubercala inter- media der Selachier für die homologen Theile der Thalami optici erklärt. Abge- sehen davon, dass dieselbe Deutung schon von Stieda (Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. 18. Leipzig 1860) auf- gestellt wurde, übersah Ehlers bei seinem Homologisiren die zwei morphologisch wichtigsten Factoren : 1. dass diese Gebilde gar keine Beziehungen zu den Seh- nervenwurzeln haben , und 2. dass dieselben vor dem Chiasma der Optici gelagert sind. Auch seine Behauptung (pag. 630), dass die Stellung der Epiphyse am Hirn für die Bestimmung der Homologien einzelner Gehirnabtheilungen (Owen) sicheren Anhalt gäbe , ist eine durchaas irrige. Wie kann ein Organ, dessen Wesen weder morphologisch, noch physiologisch bislang aufgeklärt, ferner dessen Existenz bei Cyclo- stomen sehr fraglich ist (ganz abgesehen vom Amphioxushirn), in solch' wichtiger Frage massgebend sein, zumal die Hirnnerven diesfalls die entscheidenden Factoren bieten? Vergl. K. E. v. Baer (o. c, pag. 308) und C. Gegenbaur, Ueber die Kopfnerven von Hexanchus und ihr Verhältniss zur Wirbeltheorie des Schädels, lenaische Zeitschr. Bd. 6. Leipzig 1871. pag. 513. (52) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 53 Das Mittelhirn. In einem minder ausgedehnten Masse wurde der dritte Hirnabschnitt von der Entwicklungshemmung getroffen, wie dies schon aus dessen Beschreibung im vorigen Ab- schnitte dieses Aufsatzes hervorgeht. Trotzdem lässt sich aber auch hier an der äusseren Gestalt die Störung von der Weiterentwick- lung deutlich erkennen. Es zeigte sich ja , dass die Oberfläche des Mittelhirnes und zwar an seiner dorsalen Seite ganz glatt blieb, ohne die Bildung von den charakteristischen Hügeln. Ueber die Entwicklung des Mittelhirnes sagt K ö 1 1 i k e r x) : „Die Oberfläche ist lange Zeit glatt, abgesehen von einer, wie es scheint, nicht constanten Längsfurche, die später schwindet. Erst im sechsten Monate bildet sich eine bleibende Längsfurche an der Oberfläche aus, zu der dann im siebenten Monate auch eine Quer- furche kommt , während zugleich die zwischen den Furchen gele- genen Theile sich wölben ; so dass dann das Organ im Wesent- lichen ausgebildet ist. Aus den Basaltheilen des Mittelhirnes entwickeln sich die Hirnstiele." Selbstverständlich ist die Ent- wicklungshemmung im Vergleich zu den eben angeführten Angaben des dritten Hirnabschnittes auf den sechsten Monat zu verlegen, also auf eine viel spätere Zeit als dies bei den vorangehenden zwei Gehirnabschnitten der Fall war, daher erklärt sich auch der mehr ausgebildete und normale Bau im Innern des Mittelhirnes im besprochenen Falle. Im Hinblick auf die zwei letzten Abschnitte, Hinterhirn und Nachhirn, habe ich an dieser Stelle nichts mehr, als was hierüber der beschreibende Abschnitt gebracht, anzuführen. Zum Schlüsse meines Aufsatzes mögen mir noch einige Sätze gestattet sein. Die Microcephalie im eben behandelten Falle ist das Product einer Bildungshemmung (Autoren). Die Hemmung in der Ent- wicklung-) begann in sehr früher Zeit und zwar am Vorderhirn 1) o. c. pag. 243. 2) Chr. Aeby hat sich in seinem Vortrage: „Ueber das Verhältnis^ der Microcephalie zum Atavi-mus" (Tagblatt Nr. 5 der deutschen Naturforscher und Aerzte, Cassel 1878), sowohl gegen die atavistische Bildung der Microcephalie, als auch gegen „das Stehenbleiben auf fötaler Entwicklungsstufe1' (pag. 117) < rklärt. Aber wenn Aeby auch sehr richtig bemerkte, diss das Freibleiben der Iusula Reil noch immer nicht ein hinreichendes Zeugniss für den fötalen Charakter des Gehirnes abgäbe, so ist andererseits sein Standpunkt, den er in dieser Frage einnimmt, zum mindesten einseitig, wenn nicht völlig unrichtig, denn sein Urtheil steht in vollem Widerspruche mit den Resultaten vorliegender Untersuchung. Aeby sagt (pag. 118 und 119): „Die Microcephalie gehört somit zu einem patho- :53) 54 J. V. Rohon: gleich am Anfang seiner ursprünglichen Bildung, als eines einfachen Hirnblä schens , verursacht durch den Ausfall der Bildung des Processus falciformis major. Am Zwischen- und Mittelhirn fällt dagegen die Entwicklungsstörung in eine viel spätere Zeit ; für das erstere in den dritten Monat , für das letztere in den sechs- ten Monat der Entwicklung. Erst in zweiter Linie entstand während der Entwicklung für das Vorder- und Zwischenhirn der hemmende Einnuss und zwar wahrscheinlich durch einen patho- logischen, von der Basis cranii ausgegangenen Process (Virchow, H. Mu eller1), Gebrüder Wenzel2), Autenrietb. s) Somit ergibt sich diesfalls für die Microcephalie eine Combination von ursprünglich physiologischen , an den Gehirnblasen in den ein- zelnen Fällen selbstverständlich verschieden ablaufenden Ent- wicklungsvorgängen, sodann in die Entwicklung erst später eingrei- fenden, möglicher Weise pathologischen, durch Mesoderm-Bildungen bedingten Processe. Es erscheint demgemäss die Verkleinerung der Schädelkapsel als die Folge (C r u v e i 1 h i e r , V o g t) der Ent- wicklungshemmung des Gehirnes. Von einem atavistischen Rück- schlag (V o g t) existirt nicht die geringste Spur. Selbstverständlich wird hiermit nicht gesagt, dass der Mensch nicht das compli- cirteste Endglied der höheren Vertebraten sei. Aber für seine möglicher Weise in der Tertiärzeit aufzusuchenden Urahnen haben wir ebensowenig positive Belege, als für den Affenmensch von Carl Vogt. Wien, im August 1878. logischen Fornienkreise. Ihr liegen, wie es zuerst Klebs in bestimmter Weise aus- gesprochen hat, wahrscheinlich vor der Geburt waltende abnorme Druck Verhältnisse zn Grunde. Erwahrt sich dies, so beansprucht sie wesentlich den Charakter einer Druckatrophie, bei der gelegentlich noch entzündliche und anderweitige krankhafte Vorgänge eine Rolle spielen mögen." !) Heinrich Mu eller. Ueber die sogenannte fötale Rachitis als eigenthüm- liche Abweichung der Skeletbildung und über ihre Beziehungen zu dem Cretinismus bei Thiereu , sowie zu der Bildung von Varietäten. Würzburger medicinische Zeit- schrift. Erster Band. Würzburg 1860. pag. 261. 2) Ueber Cretinismus. Wien 1802. pag. 31 und 222. 3) Autenrieth. Supplementa ad historiam Embryonis. Tubingiae 1797. Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 55 Erklärung der Abbildungen.*) Taf. I. Fig. 1. Das Gehirn im äusseren Umrisse, mit den Gefässen, von der dorsalen Fläche gesehen und in natürlicher Grösse abgebildet. V = das Vorderhirn, Z = das Zwischenhirn, M — das Mittelhirn, H = das Hinterhirn, N = das Nachhirn, acs = arteriae cerebelli superiores. Fig. 2. Das Gehirn mit den Gefässen, von der ventralen Fläche gesehen, und in natürlicher Grösse abgebildet. Y = das Vorder him, 1 = der fibröse Lappen cli = chiasma nervoruni opticorum, III = nervns oculomotorius, R = die Raphe, pV = pons Varoli, H = das Hinterhirn, N = das Nachhirn , aci = arteria carotis interna, amp = arteria communicans posterior, ape = arteria profunda corebri sinistra , aep = arteria profunda cerebri dextra, ab = arteria basilaris, abei = arteriae cerebelli inferiores, av = arteriae vertebrales, asa = arteria spinalis antica. Fig. 3 Das Gehirn von der dorsalen Fläche gesehen und nach Ablösung der Gefässe in natürlicher Grösse abgebildet. V = das Vorderhirn, Z = das Zwischen- hirn, M = das Mittelhirn, H = das Hinterhirn, N = das Nachhirn, 1 = der vor- ragende fibröse Lappen, x = die Querfurche des Vorderhirnes, lf = eine in der Entwicklung zurückgebliebene Längsfurche . z = die Grenzfurche zwischen dem Vorder- und Zwischenhirn, y = die Grenzfurche zwischen dem Zwischen- und Mittel - hirn, g = der Gürtel des Zwischenhirnes, cqa = der vordere Zweihügel, cqp = der hintere Zweihügel, alc = alae lobuli centralis, lc = lobalus centralis, ims = in- cissura marginalis superior, lsa = lobus superior anterior seu quadrangularis, "W = vermis superior, shm = sulcus horizontalis magnus, lsp == lobus superior *) Mehrere Abbildungen zeigen zum Theil vöhrenähnliche Gebilde, zum Theil dunkle Striche, welche in verschiedener Verlaufsweise und Dimension bei schwacher Vergrösserung abgebildete Gefässe darstellen. Sie haben in der detaillirten Erklä- rung einzelner Abbildungen keine nähere Bezeichnung erhalten. (55) 56 J. V. Rohon: posterior seu semilunaris, imi, = incisura niarginalis inferior, slp = sulcus longitu- dinalis posterior, pc = pedunculus cerebelli, v4 = ventriculus cerebri quartus. Fig. 4. Das Gehirn von der ventralen Fläche gesehen und nach Entfernung der Gefässe in natürlicher Grösse abgebildet. V — das Vorderhirn, 1 = der fibröse Lappen, t = eine furchen ähnliche Einbuchtung der Vorderhirnsubstanz, ch = chiasiua nervorum opticorum, h = der Hypophysisstiel, III = nervus oculomotorins, g = der Gürtel des Zwischenhirnes, p = pedunculus cerebri, pV = pons Varoli, R = die Raphe, V = nervus trigeminus, pcp = processus cerebelli ad pontem, H = das Hinterhirn, N = das Nachhirn, VI = nervus abducens, VII = nervus facialis, VIII = nervus acusticus, IX = nervus glossopharyngeus, X = nervus vag.is, T = die Tonsille, P = die Pyramide, 0 = die Olive, pc = pedunculus cerebelli, sla = sul- cus longitudinalis anterior. Fig. 5. Die Ansicht von der rechten Seite des in natürlicher Grösse abge- bildeten Gehirnes. V = das Vorderhirn, Z = das Zwischenhirn, M = das Mittelhirn, H = das Hinter hiin, N = das Nachhirn, 1 = der vorragende fibröse Lappen, x = die Q .erfurche des Vorderhirnes, z = die Grenzfurche zwischen Vorder- und Zwischen- hirn, g = der'Gürtel des Zwischenhirnes, y = die Grenzfarche zwischen dem Zwischen- und Mittelhirn, III = nervus oculomotorius, p = pedunculus cerebri. Fig. 6. Die seitliche Ansicht des Gehirnes contourirt und mit Linien ver- sehen. Jede von den gezogenen Linien zeigt die Schnittrichtung je einer mit iden- tischen Zahlen bezeichneten Abbildung, welche auf beiden Tafeln ihre Plätze einnehmen. Fig. 7. Que schnitt von dem Vorderhirn, in der Gegend seines grössten Um- langes, dreimal vergrössert. g' = die Ganglienmasse, x' = die centrale Masse, in deren Mittellinie eine während der Härtung des Gewebes gebildete Spalte s' besteht, z' = ein quer durchschnittenes Längsfasersystem, cma = commissura anterior (?), nf = schräg verlaufende Nervenfaserbündel, ow = die Opticuswurzel , cl — corpus callosum, Cr = cortex cerebri, k = die Kernlage, 1 = der fibröse Lappen, n = ein Theil der centralen Masse, y' = die Querschnitte vou Bündeln eines Längsfasersystems (hinteres Längsbündel, Meynert), t =■ eine furchenähnliche Einbuchtung, n' = .gleichfalls ein Theil der centralen Masse, f = eine blattartige Lage von Ganglien- zellen und Querfasern, gfl = Gefässlumina. In diese Abbildung sind cl, cma, ow, nf und f mit der Vergrösserung: Hartnack Oc. 3, Syst. 5 eingetragen worden. Fig. 8. Querschnitt von der rückwärtigen Gegend des hinteren Zweihügels; dreimalige Vergrösserung. A = aquaeductus Syl vii , mit dem ihn umgebenden cen- tralen Höhlengrau A', BX = die Kreuzung sstelle der Arme des hinteren Zwei- hügelf, m = das hochliegende Blatt der Schleife (lemniscus) aus dem vorderen Zweihügel, S = die Schleife des hinteren Zweihügels, R = die Raphe, L = das hintere Längsbündel der Haube, Meynert, pV = pons Varoli, 5' = die ab- steigende Quintuswurzel , SF = substantia ferruginea, BA = die Kreuzung der Bindearme, pcp = Fasern aus dem processus cerebelli ad pontem. BX, BA, Sund 5' entsprechen den Vergrösserungen von Hartnack: Oc. 3, Syst. 5 und Oc. 3, Syst. 8. Fig. 9. Querschnitt von dem Nachhirn in der Gegend des Vagus- Ursprunges; viermal vergrössert. P= die Pyramide, 0 = die untere Olive, mit dem Stratum zonale z", Oi und Oe = die innere und äussere Olive, R = die Raphe, G = die gelatinöse (56) Untersuchungen über den Bau eines Microcephalen-Hirnes. 57 Substanz , S' = die aufsteigende Quintuswurzel , MFC = die äussere Abtheilung des Hinterhirnstieles' (corpus restiforme), X = nervus vagus, SFC = die innere Abtheilung des Hinterhirnstieles, MFJ = die innere Abtheilung des motorischen Feldes (Vorderstrang), MFE = die äussere Abtheilung des motorischen Feldes (Seitenstrang), XII = die Hypoglossuswurzeln, X = die "Vaguswurzeln, W = die aufsteigende Wurzel des seitlich gemischten System-', Meynert (Stilling's solitäres Bündel)-, L = das hintere Läugsbündel der Haube, VIII = der Acusticuskern und X' = der Vaguskern in dem Bodengrau der vierten Gehirnkammer, gfl = Gefässlumina, X2 = der vordere Vaguskern. W, X, X2, 0, Oe, Oi, XII und z" wurden mit der Vergrösserung von Hartnack: Oc. 3, Syst. 5 und Oc. 3, Syst. 8 abgebildet. Fig. 10. (Querschnitt von dem Nachhirn in der Gegend der Pyramiden- Kre azung ; fünfmalige Vergrösserung. cc = der Centralcanal , P = die Pyramide in ihrer Autlösung. D = die Pyramidenkreuznng , Vs = der Vorderstang, L = der Seitenstrang, H' = der Hinterstrang, G" = der Kopf des Hinterhornes, Cn = der Kopf des Vorderhornes, HG = der Hals des Hinterhornes, sla = sulcus longitudi- nalis anterior, slp = sulcus longitudinalis posterior. Den Vergrösserungen von Hartnack: Oc. 3, Syst 5 und Oc. 3, Syst. 8 entsprechen bei dieser Abbildung, P, D, Cn, H, G" und H'. Taf. II. Fig. 11. Querschnitt von dem Zwischenhirn; dreimalige Vergrösserung. v3 = der dritte Ventrikel, erfüllt von Gefässknäueln. g = der Gürtel, y' = quer getroffenes Längsfasersystem (hinteres Längsbündel der Haube, Meynert), g' = die Ganglien- masse, x' =. die centrale Masse, m' = aufsteigende Nervenfaserbündel, gfl = Ge- fässlumina. Fig. 12. Senkrechter Querschnitt durch die Rinde des Vorderhirnes; Ver- grösserung: Hartnack Oc. 3, Syst. 8. 1 = die äussere mit sehr wenigen Nerven- körpern bevölkerte Schicht, 2 = die Schicht der kleinen pyramidenförmigen Ganglien- zellen und anastomosirende Capillaren gf, 3 = die Schicht der dichtgedrängten Körnerzellen, 4 = die Schicht der grösseren Pyramidenzellen. Fig. 13. a und b = Ganglienzellen ans dem Hypoglossuskern, n = nucleus, nl = nucleolus, fs = der Zellenfortsatz. Vergrösserung: Hartnack Oc. 3, Imni. 15. Fig. 14. Senkrechter Querschnitt durch die Hinterhirnrinde; Vergrösserung: Hartnack Oc. 3, Syst. 8. 1 = die äusserste aus dicht gedrängten Kernen be- stehende Schicht, 2 = die von einzeln zerstreuten Nervenkörpern bevölkerte Neuroglia, 3 = die Schicht der Purkinj'schen Zellen, 4 = die mächtige Körner- schicht, ms = die Markleiste, gfl = ein Gefässlumen. Fig. 15. a und b ■= kleine Pyramidenzellen von der Rinde des Vorder- hirnes, n = nucleus, nl = nucleolus, bf = der Basalfortsatz. Vergrösserung: Hartnack Oc. 3, Imm. 15. Fig. IG. a, b, c = spindelförmige Zellen von der Rinde des Vorderhirnes, n = nucleus, nl = nucleolus, f s = der Zellenfortsatz. Vergrösserung: Hartnack Oc. 3. Imm. 15. Fig. 17. Querschnitt von dem vorderen Zweihügel: dreimal vergrössert. A = aijuaeductus S y 1 v i i, mit dem ihn umgebenden centralen Höhlengrau, Meynert, A', III = der Oculomotorio — Trochleariskern , IIP = die Oculomotoriuswurzeln, (57) 58 J. V. Rohon; Untersuchungen über den Bau eines Microceplialen-Hirnes. L = das hintere Längsbündel der Haube, Tl = die Schleifenschicht der Haube, Rk = der rothe Kern der Haube, Pp = pes pedunculi, SS = Substantia nigra Sömmeringii. Fig. 18. Schräger Querschnitt durch das Hinterhirn (H), Nachhirn (N) uad pons Varoli (pV); viermal vergrössert. Die rechte Hälfte der Abbildung stellt eine etwas höher gelegene, d. h dem Vorderhirn mehr genäherte Schnittebene als die linke dar. W = der obere Wurm, Ms = die Marksubstanz, Nd = Nucleus dentatus, q' = die oberen mit den unteren Hemisphärenmassen verbindenden Nerven- faserbündel, r' = quer verlaufende Nervenfaserzüge, Cbl = die Hinterhirnmasse als Dach des, vierten Ventrikels, MF = das motorische Feld, R = die Raphe, G' — das Facialisknie , L = das hintere Längsbündel der Haube, G = die gela- tinöse Substanz, S' = die aufsteigende Quintuswurzel, 8' = der innere Acusticus- kern, 7l = der hintere (obere) Facialiskern (Facialis-Abdncenskern Still ing), 72 = der vordere (untere) Facialiskern, 7 = die Facialis wurzel , 6 = die Abdncens- Wurzel, 4 = der vierte Ventrikel, gfl = ein Gefässlumen, Cc = cortex cerebelli, 0' = die obere Olive , SFC = die innere Abtheilung des Hinterhirnstieles, MFC = die äussere Abtheilung des Hinterhirnstieles (corpus restiforme), m = die Schleife (lemniscus), VII = nervus facialis, VIII = nervns acusticus, pcp = Pro- cessus cerebelli ad ponteni. 7\ T, 0', pcp, 6, 7, VII, VIII, MFC, SFC, Nd, q' und r' entsprechen den Vergrösserungen von Hartnack: Oc. 3, Syst. 5 und Oc. 3, Syst. 8. (58) Der Organismus der Phronimiden. Dr. C. Claus. Mit Tafel I bis VIII. Wenn wir den reichen Inhalt der vielgestaltigen Hyperinen systematisch zn ordnen , die zahlreichen Gattungen und Arten derselben in natürliche Gruppen zu bringen versuchen, so werden wir immer noch am besten nach dem Vorgange von M i 1 n e Edwards verfahren und die merkwürdigen, durch den ausge- prägten Geschlechtsdimorphismus sowie durch die zickzackförmig zusammengelegten Antennen des Männchens ausgezeichneten Ty- phi den oder Platyseeliden (Hyperines anormales) den Hype- rinen mit normal gebildeten Antennen gegenüberstellen. Im Kreise der erstem werden wir die Familien1) der Ty- phiden, Sceliden, Pronoiden, Lycaeiden und Oxy ce- phaliden, innerhalb der letzt ern die Familien der Phronimiden Hyperiden und Vibiliden unterscheiden. Im letztern Kreise sind die Vibiliden leicht an der Gammariden ähnlichen Körper- form, der geringen Grösse des Kopfes und der Augen, sowie an den kurzen kolbig angeschwollenen Vorderantennen zu erkennen, während sich die grossköpfigen Hyperiden und Phronimiden minder leicht in scharfer Grenzlinie abheben. Während Dana zur Charakterisirung der letztern vornehmlich die Gestaltung der Thora- calbeine des 5. und 6. Paares berücksichtigte, welche bei den Hyperiden nicht auffällig vergrössert und von dem nachfolgenden Extremitätenpaare nicht wesentlich verschieden sind, bei den Phro- nimiden dagegen durch ihre bedeutende Stärke oder Länge, sowie durch die Umgestaltung zu Greiforganen hervortreten, hat neuer- dings Spence-Bate mit vollem Recht auf die Bildung der ') Nach eingehenden noch nicht veröff entlichten Untersuchungen des Verf. 151») 2 Dr. C. Claus: Antennen einen grössern Werth gelegt, aber auch noch die Be- waffnung des 5. Beinpaares mit einer Greifzange als Charakter der Phronimiden verwerthet. Indessen besitzt dieser letztere Charakter keine grössere Bedeutung, da es Phronimiden ohne Greif- zange am 5. Beinpaare gibt und an Uebergangsformen sämmtliche Beinpaare nach Art der Hyperiden gestaltet sein können (Para- phronima). Mit grösserem Rechte würde man im Allgemeinen die kräftigere Entwicklung einzelner Beinpaare, sowie das Auftreten von Greifzangen am Ende derselben, zugleich aber auch die Gestal- tung des Magendarms als Merkmal der Phronimiden hervorheben können. Bezüglich der in erster Linie verwerthbaren Antennenform ist zu bemerken, dass Spence-Bate die Männchen der Phroni- miden nicht genügend zu berücksichtigen vermochte, da ihm solche nur von der Gattung Anchylomera bekannt waren. Daher beschränkte er sich denn auf die den Antennen entlehnte Charak- terisirung der Phronimiden , auf die Angabe „Inferior antennae obsolete, in one sex at least", während er für die Hyperiden beide Antennen x) — wenn auch nicht erschöpfend — für beide Ge- schlechter berücksichtigte. Es würden sich unter Bezugnahme auf die hervorgehobenen Gesichtspunkte beide Familien etwa in folgender Weise charakte- risiren lassen. Hyperidae. Kopf von bedeutender Grösse, mehr oder minder kuglig gewölbt, mit grossem, fast über die ganze Kopf- fläche ausgedehntem Augenpaare. Die Antennen in beiden Ge- schlechtern mit mehrgliedrigem Schaft, beim Weibchen ohne oder mit rudimentärer, beim Männchen mit langer, vielgliedriger Geissei. Gnathopoden häufig mit schwacher Greifhand bewaffnet, die übri- gen Thoracalbeine enden mit einfacher Klaue und sind einander ähn- lich gestaltet (Hyperia), die des fünften (Themisto) und sechsten Paares (Cyllopus, Cystosoma) sind zuweilen bedeutend verlängert, die des siebenten oder letzten Paares ausnahmsweise (Cyllopus) rudimentär. Phronimidae. Kopf von bedeutender Grösse, meist mit stark prominirender Schnauze und getheiltem, fast über die ge- sammte Oberfläche des Kopfes ausgedehntem Augenpaare. Die Vorderantennen mit mehrgliedrigem Schaft, beim Weibchen kurz und ohne Geisse], beim Männchen lang mit vielgliedriger Geissei. ') „The superior antennae are fornied with a distinct pedimcle aud flagellum; the formes consists of three joints, the latter ir variable. The inferior antennae consists of a pedimcle and flagellum.'' (60) Der Organismus der Plnonimiden. 3 Die Antennen des zweiten Paares beim Männchen denen der Hyperiden ähnlich, beim Weibchen auf das mit dem Kopfintegu- ment verschmolzene Coxalglied mit der Antennendrüse reducirt. Die Thoracalbeine theilweise (vornehmlich das 5. Paar), mit kräftiger Greifzange bewaffnet, oft von verschiedener Form und Grösse. Am "Magendarm fehlen langgestreckte nach hinten gerichtete Leber- schläuche. Bereits Dana theilte die Phronimiden in mehrere Unter- familien, von denen nach Ausschluss der zu den Typhiden zu stellenden Phorcinen, die Subfamilien der Phroniminae und Ph rosin in ae im Anschluss an Spence-Bate aufrecht zu er- halten und in folgender Weise zu charakterisiren sein dürften. 1. Phrosininae. Korperform breit und gedrungen. Die drei hintern Pleopodenpaare (TTropoden) breitblättrig, mit flossen- förmigen Aesten. Ausser dem mächtig entwickelten fünften Bein- paare der Brust (Primno Guer), sind meist auch das dritte und vierte (Anchylomera Edw. = Hieraconyx Guer), sowie das sechste (Phrosina Risso = Dacty 1 o cer a Latr.) Beinpaar mit mächtiger Greifhand bewaffnet. 2. Phroniminae. Körper schlank und gestreckt, mit lang- gezogenem hintern Thoracalsegment. Die drei hintern Pleopoden- paare stilförmig verlängert, mit schmalen lanzetförmigen Aesten. Thoracalbeine überaus verschieden, die des fünften Paares oft mit dicker oder mehr langgestreckter (zusammengesetzter) Greifzange bewaffnet. So lange P h r o n i m a die einzig bekannte Gattung der Unter- familie war, konnte die von Dana in den Vordergrund gestellte Gestaltung des fünften Beinpaares zur Charakterisirung derselben Verwerthung finden. Als aber später als zweite Gattung Phro- nimella bekannt ward, zeigte es sich, dass der Charakter der didaktylen Scheerenhand am Ende jener Gliedmasse lediglich als Gattungsmerkmal für Phronima Bedeutung habe. Und nun nach- dem ich in der mediterranen und atlantischen Fauna abermals neue Phronimidengattungen aufgefunden habe, ergibt sich eine noch grössere Mannigfaltigkeit in der Gestaltung der Thoracalbeine inner- halb dieser Unterfamilie, während die Antennen und Uropoden relativ constante Formverhältnisse bewahren. Auch für die zwei neuen Gattungen Paraph ronima und Phr onimopsis, sowie für die Phrosininengattungen Phrosina und Primno habe ich inzwischen die Männchen aufgefunden, sowie über den inneren Bau derselben eine Reihe von Beobachtungen gemacht, durch welche unsere (61) 4 Dr. C. Claus: Kenntniss vom Organismus der Phr onimide n eine nicht un- wesentliche Bereicherung erfahren dürfte. Bevor ich zur Besprechung der Organisation übergehe, scheint es zweckmässig, die neuen Formen, welche ich im Laufe dieses Frühjahrs in Messina entdeckte, im Anschluss an die bekannten Gattungen Phronima und Phronimella zu beschreiben und zum besseren Vergleiche die Diagnosen der beiden bekannten Gattungen vorauszuschicken. Phronima Latr. Körper gestreckt, mitstark verjüngtemundlang- gezogenem Endsegment der Brust, mit drei Paar wohlentwickelter stilförmiger Uropoden. Kopf kurz, aber hoch mit sehr verlängerter Scheitelmundachse. Vorder an tennen des Weibchens zweigliedrig. Basal- glied des hintern Antennenpaares im weiblichen Geschlecht kuglig gewölbt und mit kurzer Borste besetzt. Die Mandibeltaster fehlen auch dem Männ- chen. Unterlippe (M axillar fusspaar) stark compri- mirt, mit lanzet förmig zugespitzten Laden und conischer Zunge. Die beiden Gnathopoden paare1) schmächtig, mit schwacher zusammengesetzter Greifhand, fünftes Beinpaar mit mächtiger (zusam- mengesetzter) Scheerenhand bewaffnet. Drei Paare von Kiemenschläuchen am 4., 5. u 6. Thoracalsegment. Die als Phr. sedentaria Forsk, custos Tusso, Atlan- tic a Guer und White (Borneensis) unterschiedenen Arten schei- nen nur nach Oertlichkeit, Alter und Grösse abweichende Zu- stände derselben Art zu sein. Das Weibchen lebt mit seiner Brut in glashellen Tönnchen (ausgefressenen Pyrosomen). Das Männ- chen wurde bislang nur freischwimmend (Mittelmeer) angetroffen. Phronimella Cls. Körper sehr gestreckt, überaus pell u cid, mit nur 2 Paar stilförmiger Uropoden. Kopf kurz, mit hohem, gewölbtem Scheitel, Scheitelmundachse sehr ver- längert. Die zwei vordem Brustsegmente ohne Grenzen verschmolzen. Mandibeltaster fehlen auch dem Männchen. Zunge der Unterlippe (Maxillar- fusspaar) auf einen warzenförmigen Höcker redu- cirt. Die beiden G-n a thop o denp aar e schmäch- ') Die Beinpaare der beiden vordem Brustsegmente. (62) Der Organismus der Phronimiden. 5 t ig mit schwacher (zusammengesetzter) Greifhand. Das clritteBeinpaar etwas weniger, das vierte stark verlängert. Das fünfte Bein paar endet mit sehr langgestreckter (zusammengesetzter) Grreifhand. Drei Paare von Kiemen schlauchen am 4, 5. und 6. Brustring e. Die einzige bislang bekannte Art, Ph. elongata, ist in dem atlantischen Ocean und im Mittelmeer gefunden worden, und scheint in beiden Geschlechtern frei umherzuschwimmen. Phronimopsis n. g. (Fig. 1 — 3). Körper zoea ähnlich, mit gedrungenem, fast kug- ligem Vor der leib, schmalem, langgestrecktem Ab- domen und 3 Paar langer stilförmigerUropoden. Kopf kurz und hoch. Die beiden vordem Brustsegmente ohne Grenzen verschmolzen. Vorderantennen des Weibchens zweigliedrig, relativ lang, hintere Anten- nen mit Stachel. D a s M ä n n c h e n mit dreigliedrigem Mandibeltaster. Zweites Gnathop odenpaar dick und stark, mit vollkommener Sc heere bewaffnet. Die fünf nachfolgenden Beinpaare des Thorax dünn und langgestreckt, sämmtlich mit schwacher langgezo- gener Greifhand endigend. Die Ur opodenäste schmal und griffeiförmig, fast so lang als das stilförmig gestreckte Basalglied. Von dieser höchst bizarr gestalteten Phronimidengattung kenne ich nur eine einzige mediterrane Art in beiden Geschlechtern. Männchen und Weibchen sind nahe gleichgross, etwa 21/2 Mm. lang und ähneln einer Zoealarve so auffallend, dass man sich mit einiger Phantasie eine Mimikry beider Typen vorstellen könnte. Dem fast kugligen gedrungenen Vorderleib schliesst sich ein schmales, langgestrecktes Abdomen an, welches während der Schwimmbewegung hin und wieder nach der Bauchseite umge- schlagen wird. Dazu kommen noch die Stacbelfortsätze an dem Basalstück beider Antennenpaare, welche als Merkmale der Species gelten können. Die Vorderantennen des Weibchens sind nur zweigliedrig wie beiPhronima, zeichnen sich jedoch durch die Länge des dünnen die Riechborsten tragenden Endgliedes aus. Am zweiten Antennenpaare, das beim Weichen auf das Basalglied reducirt ist, tritt unterhalb des langen Stachels ein zapfenförmiger Fortsatz mit der Oeffnung der gewundenen Drüse hervor. Im männlichen Geschlecht tragen beide Antennen auf mächtigem 6 Dr. C. Claus: mehrgliedrigen Schaft eine lange vielgliedrige Geissei, die jedoch an dem einzigen mir zu Gebote stehenden Exemplar noch nicht das volle Mass der Gliederung erreicht haben möchte (Taf. I, Fig. 3). Auch die Oberlippe läuft an ihrer obern Grenze in einen spitzen Stachelfortsatz aus (Fig. 3 OL). Die Mandibel trägt im mäunlichen Geschlecht einen dreigliedrigen, am vorliegenden Exem- plar wohl auch noch nicht vollkommen ausgebildeten Taster. (MdT). Charakteristisch ist die Gestaltung der kräftigen Gnathopo- den, von denen das vordere Paar mit behaartem Klauenglied endet, während das zweite Paar mit einer umfangreichen Scheere und unterhalb derselben mit einem stabförmigen Ausläufer des vor- ausgehenden Gliedes bewaffnet ist. Das dritte und vierte Beinpaar sind verhältnissmässig dünn und kurz und zeichnen sich durch drei Dornen am Innenrand des Carpalgliedes aus. Sie enden ebenso wie die drei nachfolgenden viel längern Beinpaare mit langgestreckter zangenförmiger Greif- hand. Auffallend gestreckt ist dieselbe am letzten Beinpaare der Brust, welches auch in Stachelfortsätzen am Ende des Femo- ralgliedes und des darauf folgenden knieförmigen Abschnittes eine charakteristische Auszeichnung besitzt. Das Abdomen, welches dem vorausgehenden Vorderleib an Länge mindestens gleichkommt, endet mit drei stilförmig verlän- gerten Uropodenpaaren, deren Aeste griffeiförmig ausgezogen sind und fast die Länge der Stilglieder erreichen. Als Merkmale der einzigen mir bekannt gewordenen als Ph. spinifer benannten Art, von der ich leider nur ein Exemplar männliches und ein weibliches in Messina auffand, hebe ich die zahlreichen rothbraunen sternförmigen Pigmentflecken an den Seiten der Brustsegmente, die Stachelfortsätze der Antennen und Oberlippe und die winklige Krümmung des Femoralgliedes beider Gnathopodenpaare hervor. Paraphronima n. g. (Vergl. Fig. 4 — 10.) Körper ziemlich stark comprimirt, massig ge- streckt, mit nur schwach verjüngtem, wenig verlän- gertem Endsegment der Brust, mit 3 Paar stilförmi- ger Uro p öden. Kopf sehr umfangreich, in Seite nsicht fast quadratisch, mit gewölbtem Scheitel. Vorder- antennen des Weibchens viergliedrig, mit kurzen Zwischengliedern. Hinter antenne des Weibchens rudimentär, griffeiförmig. Mandibeltaster fehlen auch dem Männchen. Laden derUnterlippe(M axillar- Der Organismas der Phronimiden. 7 fusspaar) breit, lamellös. Das vordere Gnathop ode n- p a a r endet mit schwach ausgeprägter (doppelt zu- sammengesetzter) Greif band und bleibt ebenso wie das z weite Gnathop ode np aar kurz. D ie nachf o lgen- den Beine gestreckt und wie bei Hyperia unter ein- ander gleich gebildet. Vier Paare von Kiemenschläu- chen am 3. bis 6. Brustringe. Von dieser neuen Gattung sind mir zwei Arten bekannt ge- worden. Die eine P. gracilis n. sp. (Fig. 4) in einem ausgebil- deten Weibchen von 8 Mm. Länge aus dem atlantiseben Ocean, die andere P. crassipes in einem noch jugendlichen Weib- chen von 7 Mm. Länge (Fig. 10) aus dem Mittelmeer. Von der letztern Art aber habe ich auch unter Weingeistexemplaren atlantischer Phronimiden das Weibchen und ein junges Männchen von 5 Mm. Länge (Fig. 6) aufgefunden. Vornehmlich wird der Habitus der Körperform durch den mächtigen, in seitlicher Lage beinahe quadratisch erscheinenden Kopf bestimmt , dessen vorn abgerundete Scheitelfläche von dem Scheitelauge vollständig eingenommen wird. Auffallend erscheint sowohl am Scheitelauge wie am Wangenauge der weite Abstand der Krystallkegel , welche fast in parallelen Reihen angeordnet sind. Die Antennen des Weibchens wiederholen im Allgemeinen die Form der entsprechenden Gliedmassen von Phronima. zeigen jedoch die beiden Zwischenglieder gesondert , welche dort wenig- stens im weiblichen Geschlecht nicht zur Abgrenzung kommen. Das jugendliche Männchen (P. crassipes) trägt kurze, mächtig angeschwollene Vorderantennen, welche, von ihrem grössern Um- fang abgesehen , mit den weiblichen noch auf gleicher Stufe der Gliederung stehen (vergl. die Entwicklung der Vorderantennen des Pkronima-Männchens) , während die hintern Antennen auf viergliedrigem Schaft eine lange Geisselanlage tragen, die jedoch auch noch der Gliederung entbehrt. Besonders bemerkenswerth sind die kurzen griuvlförmigen hintern Antennen im weiblichen Geschlecht. An den schnauzenförmig prominirenden Mundwerkzeugen treten vornehmlich die breiten lamellösen Seitenlappen der Unterlippe (des verschmolzenen Maxillarfusspaares) als charakteristische Unter- schiede von P h r o nima und Phronimella hervor. Die Mandibeln des Männchens bleiben auch bei Paraphronima tasterlos. Von den Gliedmassen der Brust sind die beiden vordem Paare, welche ich wegen ihrer häufigen Beziehung zur Nahrangs- aufnahme mit SpenceBate als Gnathopoden bezeichne, schwach Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. 5 (65) 8 Dr. C. Claus: und bedeutend verkürzt. Nur das vordere Paar besitzt an dem kurzen verbreiterten Tibial- (Fig. 7 [4]) und Carpalglied (Fig. 7 [5]) mit Dornen besetzte Vorsprünge nach Art einer schwachen Greifhand, während die gleichwertigen Abschnitte des zweiten Gnathopodenpaares derselben entbehren (Fig. 8). Die nachfolgenden viel stärkern Beinpaare der Brust stimmen unter einander in Form und Bau überein und endigen sämmtlich mit starker Klaue (Fig. 9), jedoch ohne eine Scheerenhand zu bilden. Das Abdomen ist langgestreckt und von mächtigem Umfange. Die vordem Segmente besitzen stark vortretende Seitenflügel. Am hintern verkürzten Abschnitte entspringen wie bei Phronima drei stilförmig verlängerte Uropodenpaare, von denen das letzte Paar am meisten prominirt. Die beiden Endäste, welche dem lan- gen Mitgliede aufsitzen, sind kurze breitlanzetförmige Blätter mit gezähneltem Rand. Nur an einem kurzen und schmalen Aste des vordem Uropodenpaares fehlt dem Rande die Zähnelung. Die vordem Abdominalsegmente, welche das mittlere und hintere Uropodenpaar tragen, sind wie bei Phronima und bei sämmtlichen Hyperiden unter einander verschmolzen. Ein ganz kurzes zugespitztes Telson beschliesst das Abdomen. Die beiden Arten unterscheiden sich vornehmlich durch die Grösse des Kopfes, welche bei P. gracilis viel bedeutender ist, sodann durch die Form der Thoracalbeine, die bei der auch im Mittel- meer auftretenden P. er assip es eine viel kräftigere und gedrun- gene ist. Offenbar bildet Paraphronima den Uebergang der Phro- nimiden zu den Hyperiden. In der That wird man vielleicht mit noch grösserem Rechte, zumal mit Berücksichtigung der schlauch- förmigen am lebenden Thiere von mir leider nicht näher beachteten Leberanhänge des Darmes, die Aufnahme dieser Gattung unter den Hyperiden befürworten können. Körperbau und Organisation der Phronimiden. Sowohl durch den Vergleich der oben beschriebenen neuen Phronimiden mit den bisher bekannten Arten der Gattungen Phro- nima und Phronim ella als durch eine nochmalige bei dieser Ge- legenheit angestellte Untersuchung über die Organisation der letztern im lebenden Zustande gelangte ich zu Ergebnissen, welche unsere seit- herige Kenntniss vom Organismus der Phronimiden und Hyperiden überhaupt in einigen nicht unwesentlichen Punkten vervollständigen. (Ö6) Der Organismus der Phrcnimiden. 9 Zu einer völlig erschöpfenden Behandlung des äussern und innern Baues dieser Crnstaceengruppe reichen freilich die Ergebnisse meiner Beobachtungen keineswegs aus , ich beschränke mich daher unter Bezugnahme auf das bisher bekannt Gewordene und insbesondere auf meine frühem Beiträge zur Kenntniss der Phro- nimiden eine ergänzende Darstellung folgen zu lassen, in der ich den allgemeinen Körperbau und die Bildung des Integuments als hinreichend bekannt voraussetzen darf. Gliedmassen. Um den Bau und die Gliederung der Vorderantennen richtig zu verstehen, haben wir nicht nur die .Jugendformen und die spätem, von einander verschiedenen Zustände beider Geschlechter, sondern die auch in andern ETyperidenfamilien auftretenden Antennenformen zu berücksichtigen. Es wird alsdann klar, dass wir vor einem einfachen cylindrischen Segmentanhang ausgehen müssen, welcher sich schon frühzeitig am Embryo in zwei Glieder sondert. An ganz jungen Phronimalarven, deren Brustbeine noch überaus gleichmässig gestaltet sind, unterscheidet man schon im Endglied der cylindrischen Antenne den Zellenhaufen, welcher sich zu einem kleinen Ganglion differenzirt und findet an der abgerundeten Spitze eine Borste und einen Riech- faden. Später tritt noch ein zweiter Riechfaden, und wenn das Endglied eine merkliche Verlängerung erfahren hat, ein dritter und vierter hinzu. Nunmehr ist das terminale Ganglion des Antennennerven, welches die vier Riechfäden innervirt, deutlich als solches erkenn- bar. Erst von diesem Stadium an, welches, wie es scheint, allen Hyperiden gemeinsam ist, gestaltet sich die Fortentwicklung in beiden Geschlechtern verschieden. Bei den jugendlichen Weibchen verlängert sich das Endglied noch beträchtlich und erzeugt unterhalb der terminalen Riechtädengruppe paarweise geordnet eine Anzahl neuer Riechfäden, während bei vielen andern Hyperiden an der Basis dieses Abschnitts noch ein oder zwei kurze Zwischenglieder und am Ende ein Geisseirudiment (Platysceliden, Hyperi- den) zur Sonderung gelangt. Bei dem jungen Männchen wird das Endglied viel dicker und bauchig aufgetrieben, die Gruppe der Riechfäden verliert bald ihre terminale Lage, indem die Vor- derseite des Gliedes zapfenförmig über jene hinauswächst, Später sondern sich an der Basis des keulenförmig aufgetriebenen Gliedes zwei kurze Zwischenglieder, und auch das zapfenförmige Endstück beginnt als Anlage der Geissei sich zu gliedern. (Vergl. Nr. 12, Fig. 6 und 7.) An dem ausgebildeten Männchen endlich, welches 10 Dr. C. Claus : bei P h r o n i m a und allen Phronimiden eine vielgliedrige lange Geissei trägt, hat die Vorderfläche des bedeutend vergrößerten Schaftgliedes einen dichten buschigen Besatz langer haarförmiger Riechfäden gewonnen, welche auf regelmässigen Querreihen von Porenringen der Antennenfläche aufsitzen. Dieser dichte Wald von langen Spürhaaren an dem mächtig verdickten Schaftglied ist im Vergleich mit der weiblichen Antenne eine Neu- bildung und eine Auszeichnung sämmtli c her H y p e- rinen. auch der Platy sceliden, deren Antennengeissel sich auf ein zweigliedriges .Rudiment reducirt. Was die zarten schlauch- förmigen, als Riechfäden in Anspruch genommenen Cuticulargebilde anbetrifft, so entsprechen dieselben genau den bekannten, von Leydig „Riechzapfen" genannten Gebilden der Gammariden, welche in fast allen Crustaceengruppen in sehr ähnlicher Gestalt wieder- kehren. Wie diese bestehen dieselben aus einem kurzen dunkel- randigen Stiel, welcher sich auf dem Porus der Cuticula erhebt, und aus dem blassen Schlauch, dessen Spitze mit einem glänzenden, hier und da ringförmigen, wie durchbohrten Knöpfchen endet. Der blasse, im Leben zartstreifige, nach dem Tode gerinnende und mit Vacuolen erfüllte Inhalt dürfte., wie ich schon vor vielen Jahren für die Riechfäden der Copepoden *) zu zeigen versuchte, nervöser Natur und als Endausstrahlung der eintretenden Nerven aufzufassen sein. Auch bei den Phronimiden ist es nicht schwer, die aus dem Ganglion zu den einzelnen Anhängen heran- tretenden Nervenfibrillen zu verfolgen , indessen wird hier die Schärfe des Bildes durch die dicht gestellten subcuticularen Matrixzellen wesentlich beeinträchtigt. Daher wird es nicht mög- lich , das Verhältniss der Matrixelemente zu den Nervenfasern und deren Ganglienzellen etwa in ähnlich präciser Weise klar zu legen, wie solches an den Tastborsten der Daphniden2) und ') Vergl. C. Claus, Die frei lebenden Copepoden. Leipzig 1863, pag. 52—55. 2) Yergl. C. Claus. lieber die Entwicklung, Organisation und System. Stellung der Arguliden. Leipzig 1875, pg. 25, Taf. 18, Fig. 51 und 52. Wenn neuer- dings Leydig in einer Schrift über Ampbipoden und Isop öden (Zeitschrift für wiss. zool. Tom. XXX Supplementbd. pag. 230) bezüglich dieses von mir bei S i d a und Lranchipus nachgewiesenen Verhältnisses die Bemerkung macht: „Auch will ja Claus bei andern Crustaceen einen nervösen Achsenfaden zwischen den Matrixzellen hindurch in die Borsten verfolgen. So lange freilich ein zur Borste tretender Nerv nicht zu erkennen ist. mag es sich um eine fadige Verlängerung protoplasmatischer Substanz handeln, welche von den Zellen der Matrix aus sich in den Canal der Borste erhebt. Ich verweise zur Erläuterung auf die Fig. 11 der Tafel 1 meiner Schrift über die Daphniden", so beweist der genannte Forscher nur, dass er anstatt (68) Der Organismus der Phronimiden. 11 Phyllopoden ohne grosse Schwierigkeit ausführbar ist. Aehn- lich wie hier die Achsensubstanz der Borste als Ausläufer der von Ganglienzellen kommenden Nervenfasern erscheint, welche am Grunde der Borste zwischen deren Matrixzellen hindurch in die Achse der Borste eintreten, wird auch der centrale feinstreifige Inhalt des schlauchförmigen Riechfadens als Endausstrahlung der herantretenden Nervenfaser zu deuten sein. Die in dichtgestelltem Büschel entspringenden Spürfäden der männlichen Phronimiden unterscheiden sich von den spärlichen Anhängen an der Antenne des weiblichen Thieres durch ihre viel bedeutendere Länge, sowie schmale haarförmige Gestalt und treten erst mit der vollen Reife des geschlechtlich entwickelten Thieres an der Vordertläche des grossen Schaftgliedes hervor , wahrend bis dahin ausschliesslich die spärlichen , an der hintern Fläche entspringenden schlauchförmigen Anhänge als Spürorgane fungiren. Diese stimmen nach Grösse und Form so ziemlich mit den breitern und kurzen Riechfäden des Weibchens überein, ebenso einige wenige kurze Schläuche , welche an den unmittelbar nachfolgenden Glie- dern der Geissei entspringen können , an welcher jedoch immer noch eine grosse Zahl blasser fadenförmiger Anhänge von winziger Grösse sich erheben. Junge Männchen x) , wenn auch mit langer, bornföimig gebogener und selbst schon gegliederter Antennen- geissel, entbehren des Büschels der haarförmigen Spiiranhängc die betreffende Stelle auf pag. 24 und 25 meiner Arguli denschrift zu lesen, sowie die Fig. 51 auf Taf. XVIII derselben sieb näher anzusehen, lediglich sein älteres Daphnidenwerk, dessen Fig. 11 er merkwürdigerweise zum Beweise der Unsicherheit meiner Deutung heranzieht, im Auge hat. Falls ersieh meine von ihm freilich citirte Arbeit, die gerade in diesem Punkte eine Correctur seiner früheren Angaben enthält, überhaupt näher angesehen hätte, so würde sich L. bei Betrachtung der Fig. 51 sofort überzeugt haben, dass der zur Borste tretende Nerv in bestimmtester Weise als solcher erkannt und dargestellt wurde und dass die fadige Verlängerung protoplasmatischer Substanz, welche von den Zellen der Matrix ans sich in den Canal der Borste er- hebt, von den Nerven auf das Schärfste auseinander gehalten wurde. Leydig's Kritik passt somit nur auf seine eigenen älteren und von mir corrigirten Beobach- tungen. Ebenso würde sich Leydig überzeugt haben, dass die von C. G robben unter meiner Leitung und gerade mit Bezugnahme auf das Verhalten der Tastborsten von Sida angestellten Beobachtungen über die Tastborsten der Ptychoptera- Larve keineswegs „die Grenze bezeichnet, bis zu welcher unsere Kenntnisse über die einschlägigen Verhältuisse vorgedrungen sind" , da in diesem Falle zwar Ganglienkugeln und umgebende Matrixzellen genau auseinander gehalten sind , der Nerv aber nur bis zur Basis der Borste und nicht in die Achse derselben verfolgt werden konnte, wie dies in den Tastborsten der Phyllopoden möglich war. ') Vergl. auch die Abbildung des jungen Männchens von Phronimella (Nr. 11, Taf. VI, Fig. 11). (69) 12 Dr. C. Claus : noch vollständig, indem diese erst im Zustande der Geschlechts- reife hervortreten. Die hintere Antenne hat insofern eine systematische Bedeu- tung für die Phronimidengruppe , als sie lediglich im männ- lichen Geschlechte zur vollen Ausbildung gelangt , beim Weib- chen aber meist eine so bedeutende Heduction erfährt , dass man bislang den vollständigen Mangel derselben für Phronima und Phronimella angab. In der That fehlt hier sowohl der dreigliedrige Schaft als die lange vielgliedrige Geissei des Männchens, gleichwohl ist wenigstens — von dem zweigliedrigen Stummel der Gattung Paraphronima abgesehen — überall das Grundglied vorhanden, wenn auch mit dem Integument der Kopf- fläche so vollständig verwachsen, dass dasselbe nur als kuglige mit schwacher Borste (Phronima) oder stärkerem Dorn (Phro- nimopsis) besetzte Vorwölbung oberhalb der Kieferregion nach- weisbar erscheint. Dass es sich in derselben um das Antennen- rudiment handelt, ergibt sich mit Sicherheit aus dem Drüsengang, welcher die "Wölbung ausfüllt und auf einem kürzeren oder län- geren zapfenförmigen Vorsprung mit weitem Porus (Taf. III. Fig. 20 A" Dr.) ausmündet. Wie bei den Gamm ariden, auf deren Anten- nendrüse zuerst Leydig in seinem bekannten Daphnidenwerk auf- merksam gemacht hat, besteht der schleifenförmige Drüsengang aus einer structurlosen Stützmembran und einem derselben anliegenden innern Epithel, dessen feinkörnige Zellen mit flacher Wölbung in das weite Lumen vorspringen und eine ausserordentliche Aehn- lichkeit zwischen dem Bilde dieser Drüse und dem der Schalen- drüse veranlassen (Taf. II. Fig. 12). Die übereinander geschlungenen Windungen der Drüse sind ebenso wie bei den übrigen Hyperiden nicht leicht zu entwirren und im vollen Zusammenhang zu übersehen. Indessen gelingt es an günstigen Objecten sich zu überzeugen , dass der weite Drüsen- gang bei Phronima und Phronimella nur zwei ganz kurze aber scharf gebogene Windungen beschreibt, welche grossentheils vom terminalen schlauchförmigen Blindsack überlagert werden (Fig. 20 A" Dr.). Derselbe hält so ziemlich die longitudinale Lage ein und endet am Vorderrande , während seine TJmbiegung in den zweiten untern Schenkel der ersten Schleife der Scheitel- iiäche (Fig. 11, Seh. Fl.) des Kopfes zugewendet liegt. In Fig. 12 sieht man die obere Hälfte des Antennen wulstes , welche durch einen der Stirnfläche (Fr. Fl.) parallel geführten Schnitt von der untern getrennt wurde, von der durch die Windung hin- Der Organismus der Phronimiden. 13 durch gehenden Schnittfläche aus dargestellt. Man sieht in das Lumen des Endschlauches hinein, dessen Wandung durch Gruppen von Faserbündeln — ähnlich wie auch die der unteren Partien des Drüsengangs — in der Art am Integumente befestigt erscheint, dass zwischen Körper und Drüsenwand weite canalartige Blut- lacunen zurückbleiben, in denen eine regelmässige Blutströmung stattfindet (Fig. 12, Bl. R ). Die zweite Umbiegung liegt an der Aussenseite des Antennenwulstes und führt in den schräg einwärts nach -vorne gerichteten Endtheil des Ganges, aus welchem freilich in winkligerUmbiegung das kurze engeAusführungsröhrchen hervorgeht. Selbstverständlich wird man diese Drüse, welche der grünen Drüse des Flusskrebses entspricht, nicht dem in der Schale der Phyllopoden gelegenen Drüsengang gleichsetzen und, wie solches von Leydig ohne Berücksichtigung des von mir längs klarge- legten Verhältnisses noch immer geschieht, schlechthin als „S c k a 1 e n- drüse" bezeichnen dürfen. Dieser Name hat doch gewiss für die in der Antennenbasis gelegene Drüse keinen Sinn, sondern passt ledig- lich für das in die Schale gerückte Drüsenpaar der Phyllopo- den, welches der Ki eferregion angehört. Das der Schalendrüse entsprechende Drüsenpaar fehlt aber bei allen ausgebildeten Mala- costraken vollständig und ist bislang nur während des Larvenlebens bei Sergestes und Euphausia1) nachgewiesen worden, wäh- rend umgekehrt bei den Phyllopoden2) und vielen anderen Ento- mostraken die der grünen Drüse des Flusskrebses gleichwertige Antennendrüse lediglich im Larvenzustand besteht, nachher aber vollständig rückgebildet wird. Der Bau der Mundwerkzeuge weicht im Grossen und Ganzen nicht wesentlich von den bei den Hyperidengattungen Hyperia Cy 11 opus etc. etc. auftretenden Verhältnissen ab. Auffallender- weise entbehren jedoch die Mandibeln mit Ausnahme von Phroni- mopsis (Taf. I, Fig. 3) im männlichen Geschlecht der dreigliedri- gen Taster. Fast mandibelähnlich gestalten sich die grossen plattenförmigen Kauladen des ersten Maxillenpaares (Taf. III, Fig. 18), hinter welchem die des zweiten Paares an Umfang beträchtlich zurückstehen. Am meisten treten die Differenzen hervor, welche die Abschnitte des als Unterlippe verwendeten Maxillarfusses be- treffen, so dass sich aus denselben verwerthbare Gattungsmerkmale ableiten lassen. Bald erscheinen die Seitenlappen als breite Blätter ') Nach eigenen noch nicht publicirten Beobachtungen. -) Vergl. C. Claus, Zur Kenntniss des Baues und der Entwicklung von Branchipus stagnalis und Apus cancriforinis. Göttingen 1873. (71) 14 Dr. C. Claus: (Paraphronima), bald als lanzetförmige, stark comprimirte Lamellen (Phronima) (Fig. 19), während die mittlere als Zunge bezeichnete Erhebung als beilförmiger, etwas gebogener Zapfen her- vortritt oder auch zu einem kleinen warzenförmigen Rudiment verkümmert (Phronimella). Es liegt nicht im Plane der Arbeit, auf die zahlreichen Details in der Gestaltung der Mundwerkzeuge näher einzugehen, welche in frühern Arbeiten für Phronima (Nr. 7, Nr. 12) und Phronimella (Nr. 10) bereits beschrieben wurden, dagegen bedürfen mehrere bisher übersehene , jedoch für das Verständniss der Kieferfunction überhaupt bedeutungsvolle Einrichtungen der Erwähnung. Dieselben betreffen erstens die Beziehung der Mandi- beln und Paragnathen (wie ich das bei allen Malacostraken und ebenso auch bei den Entomostraken vorhandene Lappenpaar unterhalb der Mandibeln bezeichne) zur Herstellung eines wohl begrenzten oralen Atriums und zweitens das Auftreten von mäch- tigen, wahrscheinlich die Function der Speicheldrüsen unterstützenden Drüsengruppen in Maxillen und Maxillarfuss (Unterlippe). Die Verhältnisse des Atriums werden bei Besprechung des Darm- canales und der Nahrungsaufnahme dargestellt werden, und mögen hier nur insoweit berührt werden , als mit denselben die eigen- thümliche Insertion der Mandibeln am Stirnrand zu den Seiten der schmalen überaus reducirten Oberlippe in Verbindung steht. Bei Phronima wie Phronimella erscheint die langgestreckte Mandibel, welche mit ihrer angeschwollenen Basis an der Wangen- gegend des Kopfes entspringt, in ganzer Länge dem Stirnrande angeheftet, so dass nur der äusserste Endtheil mit schräg abge- stutzter messer förmiger Schneide unterhalb der rudimentären Ober- lippe frei bleibt (Taf. IV, Fig. 23) und nur zu beschränkten, aber sehr kräftigen Bewegungen gegen die fest anliegende Schneide der ander- seitigen Mandibel befähigt sein kann. An der innern, dem oralen Vorraum zugekehrten Mandibelfläche erhebt sich aber noch eine schräg gestellte, beilförmig vorspringende Leiste, deren freier Rand mit mehreren Reihen von zahnähnlichen Höckern und Borsten bewaffnet ist (Fig. 23. S P.). Dieselbe gehört jedoch lediglich dem vordem Abschnitt der Mandibel an und bildet gewissermassen die schräg abfallende bewegliche Seitenwand des Atriums, dessen Boden durch die Paragnathenlappen (Pg.) hergestellt wird. Dass die untere beilförmige Zahnleiste der Mandibel bei den Bewegungen der letztern zugleich als wahre Kieferplatte fungirt, scheint mir überaus wahrscheinlich. Sicher wirken als solche die kräf- Der Organismus der Phronimiden. 15 tigen und frei vorstehenden Maxillarplatten , welche mit dem zweiten Maxillenpaare und dem zu einer Art Unterlippe ver- schmolzenen Paare von Maxillarfüssen einen schnauzenförmig vor- springenden Apparat zum Betasten und Zerkleinern der Nahrungs- körper zusammensetzen. Die Maxillen des zweiten Paares mit ihren zwei kegelförmig zugespitzten schwachen Laden scheinen weit mehr als Tastorgane zu fungiren, während die beim Kaugeschäfte wesentlich betheiligte vordere Maxille (Fig. 18, KDr.), sowie die Unterlipe (Fig. 19, Mf Dr.) nicht nur mechanisch, sondern zugleich durch das Secret ihrer zahlreichen rosettenförmigen Drüsengruppen, welche durch lange und enge cuticulare Ausführungsröhrchen am Rande der Kanlappen nach aussen münden, auf die NahrungsstofFe einwirken. Diese im Basaltheil der beiden Gliedmassenpaare angehäuften Drüsen wiederholen genau den Bau der später zu beschreibenden mächtigen Speicheldrüsen, welche oberhalb und zu den Seiten des Schlundes (Fig. 17, 20, SpDr.) gelagert sind und stimmen in gleicher Weise mit den merkwürdigen Drüsen der Thoracalbeine (Fig. IG und Fig. 11) überein. An den Beinpaaren der Brust, deren besondere Gestaltung nacli Gattung und Art mannigfach wechselt, fällt auf den ersten Blick die um das Coxalglied reducirte Gliederzahl auf. Es fehlen d ie Epim er al stücke, welche bei den Gammari- den so häufig als umfangreiche Platten an den Seiten der Brust- segmente hervorstehen. Indessen klärt sich diese Abweichung bei näherer Betrachtung und unter Hinzuziehung embryonaler und jugendlicher Stadien dahin auf, dass das Coxalglied der Anlage nach auch hier vorhanden ist, jedoch ähnlich wie das Basalglied am zweiten Antennenpaar in die Oberfläche des Segmentes gewissermassen eingezogen wird. An den beiden vordem als Hilfsorgane der Nahrungsaufnahme modificirten Beinpaaren , den Gnathopoden, ragen beiPhronima die betreffenden Segmentabschnitte, freilich ohne gelenkig abgesetzt zu sein, als ansehnliche coxale Fortsätze über die Oberfläche hervor. Bei Paraphronima trifft das gleiche sogar für sämmtliche Beinpaare (Fig. 11) zu, während die ent- sprechenden Stücke dieser Extremitäten bei Phronima und Phronimella nur wenig an den Segmenten hervortreten. Somit erklärt sich auch die eigenthümliche Lage der Kiemensäcke, welche bei Phronima und Phronimella in beträchtlichem Abstand hinter dem vierten, fünften und sechsten Beinpaare, ebenso wie im weiblichen Geschlechte die Brutsack-Blätter hinter dem zweiten 16 Dr. C. Claus: bis fünften Paare unmittelbar an der Oberfläche des Segmentes ent- springen. Da das Coxalglied mit dem Segmente verschmolzen ist, folgt sogleich der kräftige Oberschenkel J) (femur), sodann ein kurzes Kniesegment (genu), auf dieses bei den Phronimiden das stark verkürzte, bei den meisten Gammariden jedoch langgestreckte Schienbein (Tibia) , endlich der dreigliedrige, an manchen Beinen zum Greifen umgestaltete Hand- oder Fussabschnitt, dessen Stücke ich als Carpus (Tarsus), Metacarpus (Metatarsus) und Dactylus unterscheide. Je nachdem der Carpus das Handglied repräsentirt , gegen welches der Metacarpus und Dactylus fingerähnlich beziehungs- weise nach Art einer Scheere gegen einen unbeweglichen Fortsatz eingeschlagen wird, oder das Metacarpusglied als Handglied, oder auch beide, Carpus und Metacarpus, in dieser Weise Ver- wendung finden, ergeben sich am terminalen Gliedercomplex eine Reihe von Modificationen, die wir als zusammengesetzte, einfache oder doppelte Greifhand , beziehungsweise Scheere unterscheiden. Ein besonderes Interesse nimmt wegen seiner Umgestaltung als Greifapparat das fünfte Beinpaar in Anspruch, welches wenigstens bei Phronima und Phronimella, dort mit fast scheerenähn- licher, hier mit sehr langgestreckter, zusammengesetzter Greifhand endet. Ueber die allmälige Entwicklung dieser an Embryonen überhaupt noch mangelnden Greifeinrichtung, sowie über die ab- weichende Gestaltung derselben im verschiedenen Lebensalter darf ich auf frühere Arbeiten (Nr. 7, 10, 12) verweisen. Dagegen bedarf der merkwürdige Complex von Drüsenzellen, welchen ich bereits vor Jahren im Carpalglied der männlichen Phronima entdeckte, damals jedoch lediglich nach Weingeistexemplaren und daher unvollstän- dig beschrieb, einer eingehenderen Darstellung.2) Es handelt sich um grosse feinkörnige Drüsenzellen , welche oberhalb des kräftigen Adductor so ziemlich in einer Längsreihe neben einander lagern ') SpenceBate und Westwood (Nr. 9) bezeichnen die sieben Glieder am Bein der Amphipoden als Coxa (lj , Basos (2), Jschium (3), Meros (4), Carpus (5), Propodos (6), Dactylos (7). Vergl. Nr. 9. 2) Inzwischen wurden diese Drüsen von P. Mayer näher untersucht und beschrieben. Vergl. Paul Mayer, Carcinologiscbe Mittheilungen. Ueber die Drüsen in den Beinen der Phronimid'-n. Mittheilungen aus der zool. Station in Neapel, Tom. I 1878. Mit den in dieser Arbeit enthaltenen Angaben stimmen die Resultate meiner grossentheils schon früher unabhängig angestellten Beobachtungen im Wesentlichen überein, nur in einigen Puncten ergeben sich b •nierkenswerthe Abwei- chungen. (74) Der Organismus der Phronimiden. 17 und, was mir früher entgangen war, durch eine Anzahl langer cuticularer Ausführungscanälchen in den drei vorspringenden Zähnen des Carpalrandes ausmünden. Untersucht man den Drüsencomplex unter starker Vergrösserung, so beobachtet man , dass sich die Driisenzellen in ganz bestimmten Gruppen um den Ursprung der Ausfiihrungscanälchen vertheilen, indem fast regelmässig zwei grosse seitliche und eine sehr kleine mittlere Zelle zu je einem ausführenden Canälchen gehören. Bei jungen Thieren finden sich stets vier solcher Drüsengruppen , von denen drei in einer Ebene linear aneinan- derliegen und ihre drei Ausführungscanälchen nach den vorspringen- den Zähnen entsenden. In dem distalen, später als Index der Scheere fungirenden Zahnfortsatz tritt aber regelmässig noch ein zweites Canälchen ein, zu welchem die vierte an der innern (der Median- ebene des Körpers zugekehrten) S;jite gelegene Drüsengruppe gehört (Taf. II, Fig. 13, 14. Ind.). Die beiden distalen , d. h. vom einschlagbaren Finger am meisten entfernten Zellgruppen, deren Ausführungscanälchen neben einander an der Spitze des Index ausmünden, sind bei weitem am umfangreichsten, ihre Kerne erreichen eine bedeutende Grösse; umgekehrt sind die proximalen Drüsen die kleinsten und offenbar noch in weiterer Entwicklung begriffen. Auch bilden sich mit dem Wachsthum der Greifhand und der fortschreitenden Ausbildung des gezähnten Randes derselben neue Gruppen von Drüsenzellen an der Proximalseite der Drüsenreihe , so dass die Scheerenhand erwachsener Männchen vielleicht sechs bis sieben, die grosser Weib- chen neun bis zehn Drüsencomplexe mit einer gleichen Zahl von Ausführungsgängen umschliesst. Ein überaus zierliches Bild bietet der Ursprung des Ausführungsganges an dem Drüsencomplex. Zahlreiche verästelte Sammelröhrchen sind im Protoplasma der beiden grossen Hauptzellen eingelagert und münden innerhalb der kleinen Zelle in den etwas aufgetriebenen Basaltheil der Haupt- röhre, auf dessen Erzeugung sich wohl die Function der kleinen Centralzelle beschränkt (Fig. 16). Im weiteren Verlaufe liegen, jedoch dem Ausführungsgang noch kleine Kerne an, welche auf eine Umkleidung von Bindesubstanz zu beziehen sein möchten (Fig. 15). Offenbar wird das Secret aus dem Plasma der beiden Haupt - Drüsenzellen in dem dichten Netz feiner Sammel- röhrchen aufgenommen und dem Hauptcanal zugeführt. So gut als dieser besitzen auch die feinen verästelten Sammelröhrchen der Drüsenzellen eine besonders zarte Cuticularwand und sind nicht etwa, wie P. Maver in seinen kürzlich veröffentlichten 18 Dr. C Claus: carcinologischen Mittheilungen darstellt, wandungslose Aushöhlun- gen des Plasmas. Dass die Grenzen derselben bei Zusatz von Kali spurlos verschwinden, kann nicht im entferntesten als Beweis für den Mangel einer Wand in Betracht kommen , sondern eben nur die zarte Beschaffenheit derselben darthun, welche sich sehr schön im gut conservirten Alkoholexemplare an aufgehellten Präparaten direct demonstriren lässt. Wir haben es vielmehr in diesem zarten Netze von Cuticularröhrchen mit denselben Bildungen zu thun, welche wenn auch in einfacherer Form schon seit langer Zeit an Drüsen- zellen von Insecten bekannt geworden sind. Uebrigens variirt die Form und Grösse des gesammten Complexes von Drüsengruppen nach Alter und Geschlecht. Während in kleinen jugendlichen Exemplaren die wohl regelmässig in vierfacher Zahl auftretenden Drüsengruppen von einander gesondert sind und bei Phronimella (Fig. 15) auch im spätem Alter bleiben , erscheinen dieselben an altern Phronima- weibchen zu einer länglich ovalen Masse verpackt, aus welcher die langen Ansführungscanäle der vier primären sowie der inzwi- schen an der Proximalseite neugebildeten Drüsengruppen hervor- treten. Beim Männchen ist diese Verschmelzung minder vollstän- dig, jedoch die Zahl der Drüsengiuppen, wenn auch minder beträchtlich, vermehrt (Fig. 14). Ueber die Function des Drüsen- apparates ist es schwer eine bestimmte Ansicht auszusprechen, zumal sich ganz ähnlich gestaltete Drüsengruppen nicht nur in sämmtlichen Beinen, sondern auch in den Kiefern und Speichel- drüsen wiederholen. Die von P.Mayer ausgesprochene Annahme, nach welcher der Drüsensaft bei der Aushöhlung der Tonnchen die Rolle einer zersetzenden , die Gewebe auflösenden Flüssigkeit spiele, scheint mir der Beachtung werth, obwohl die nicht in Ge- häusen lebenden Männchen beider Gattungen den Drüsencomplex der Greif h and in gleich umfangreichem Grade entwickelt zeigen (Fig. 14 und 15). Wir werden später bei Besprechung der Drüsengruppen im Umkreis des Oesophagus auf die Function der Kiefer- und Bein- drüsen zurückkommen. Zum morphologischen Verständniss der mächtigen Carpal- drüse erscheint es geboten, die Carpalglieder der übrigen Brust- beine älterer und jüngerer Individuen zu vergleichen und auf Reste ähnlicher Drüsengruppen zu untersuchen. In der That findet sich auch am untern Ende des langgestreckten Carpus bei- der vorausgehender Beinpaare (des dritten und vierten Brustseg- mentes) freilich nur eine einzige Drüsengruppe von gleichem Bau (76) Der Organismus der Phronimiden. 19 und demgemäss wohl auch gleicher Function Fig. 11) mehr in der Längsachse des Beingliedes. Bei Paraphronima erfüllen grosse drüsenähnliche Zellen die Achse des langgestreckten Carpal- gliedes sämmtlicher Brustfüsse (Fig. 9), freilich ohne zur specifi- schen Gestaltung jener Drüsengruppen gelangt zu sein. Dem An- scheine nach sind es aber die morphologisch gleichwerthigen Elemente welche sich in diesem Falle im Innern des aus einem doppelten Blatte zusammengesetzten Septums ergeben , durch welche so der Leibesraum des Beines abgetheilt und dem entsprechend der arterielle von dem venösen Blutstrom geschieden wird. Da das Septum das ganze Bein durchsetzt, liegt es nahe, auch in andern Beingliedern nach ähnlichen Drüsenzellen, beziehungsweise Drüsen- gruppen zu suchen , zumal Drüsenzellen, wie ich bereits in einer früheren Arbeit mittheilte, in den Beinen der Hyperiden ausser- ordentlich verbreitet sind. In der That finden sich wenigstens bei P h r o n i in a und Phronimella noch umfangreichere Drüsen in den Femoralglie- dern der Thoracalbeine, mit Ausschlus des fünften Beinpaares, in welchem sie fehlen. Ton diesen Drüsen gelangen im Schenkel der vier vordem Beinpaare nur eine einzige, im Schenkel des sechsten und siebenten Beinpaares' zwei hintereinander liegende Gruppen zur Aus- bildung. Schon an jedem Weingeistexemplar von P h r o n i m a, welches man unter schwacher Vergrößerung mustert, fällt sofort die dunkle Drüsenmasse auf, welche das Schenkelglied der beiden letzten Bein paare füllt. Zum Studium weit geeigneter sind lebende, be- sonders jugendliche Exemplare, sowie Osmium - Carminpräparate derselben. Man überzeugt sich an solchen mittelst Glycerin oder Nelkenöl aufgehellten Präparaten , dass jede Drüsengruppe zwei Zellen mehr als in den beschriebenen des Carpalgliedes enthält, indem im Umkreis der kleinen Mittelzelle, von welcher der Aus- führungsgang ausgeht, vier grosse Drüsenzellen mit einem feinen Netze von Zuleitungsröhrchen nahezu rosettenförmig gruppirt lie- gen. An jugendlichen Exemplaren sind die grossen Kerne der Drüsenzellen rundlich oval und ziemlich homogen. Bei altern Individuen erfahren dieselben jedoch mit dem Wachsthum der Zelle eine fortschreitende Zerklüftung, welche an den Zerfall des Nucleus conjugirter Infusorien erinnert und die Kernsubstanz schliesslich in eine unregelmässigere Masse zusammenhängender Stränge überführt. Länger als in den hintern Beinen erhalten sich die Kerne in den Drüsengruppen der vier vordem Beinpaare unverändert. Der Lage nach entspricht die hier in einfacher Zahl 20 Dr. C. Claus: vorhandene Drüse der distalen untern oder zweiten Drüsengruppe der hintern Beinpaare, indem die der Anlage nach auch hier vor- handene obere Drüse überall frühzeitig zu Grunde geht. Dafür aber findet sich als Ersatz bei Phronima in dem mit dem Segmente ver- wachsenen Epimeralglied wenigstens des dritten und vierten Bein- paares die gleiche Drüsengruppe wieder, mit der Besonderheit, dass die beiden dem Schenkel zugewendeten Drüsenzellen ausserordentlich klein geworden sind, beziehungsweise ganz fehlen. Mit ihrem völligen Schwunde würde das normale J) Verhältniss der Drüsengruppen im Carpus des fünften Beinpaares hergestellt sein , die wir demnach lediglich als eine Vereinfachung der vierstrahligen Rosettenform zu betrachten haben. Was die Lage der Drüsen im Schenkelgliede anbe- trifft, so fallen dieselben in den septalen Zellenstrang hinein, welcher die ganze Länge des Gliedes quer von rechts nach links durchsetzt. Bei normaler Lage der Extremität sieht man auf die schmale Fläche des septalen Stranges und beobachtet von jeder Zellengruppe lediglich die beiden Zellen der zugewendeten Seite, während die unterliegen- den der andern Seite verdeckt sind. Erst wenn man das Schenkel- glied der Extremität auf die vordere oder hintere Fläche wendet und somit das Septum in der Flächenlage vor sich hat , liegen die fünf Zellen jeder Gruppe in Flächensicht vor. Man überzeugt sich dann leicht, dass die kleine Centralzelle mit dem Ausführungs- canal an der Beugeseite des Knies — dem Nerven gegenüber — also an den beiden hintern Extremitäten der Hinterseite, an den übrigen der Vorderseite zugekehrt liegt. Der gesammte Verlauf jedes Ausführungscanais ist schwer zu verfolgen und es ist mehr der negative Befund einer im Schenkel oder in den zwei nächsten Gliedern gelegenen Ausmündung als der positive Nachweis, welcher mich die Ausmündung am Ende der Extremität vermuthen liess. Paul Mayer hat inzwischen in der That nachgewiesen, dass die beiden Ausführungsgänge am Klauenglied ausmünden. Durch diese morphologischen Anhaltspunkte wird jedoch die physiologische Bedeutung der merkwürdigen Beindrüsen wenig aufgeklärt, Bei Phronimella habe ich die gleichen Drüsengruppen ausschliesslich in dem hintern Beinpaare des Weibchens, und viel schwächer entwickelt in den Gnathopoden des Männchens auf- gefunden, womit die von Paul Mayer gemachten Beobachtungen im Wesentlichen übereinstimmen. ') Audi im Carpus linden sich gelegentlich Drüsengruppen, welche nicht 2, sondern 3, ja selbst 4 Drüsenzellen enthalten , so dass an der Richtigkeit der von mir gegebenen Zurückfuhrung nicht zu zweifeln ist, (78) Der Organismus der Phronimiden. 21 Die Pleopoden der Phronimiden mit ihren zweiästigen, von langen Schwimmborsten besetzten Rnderästen zeigen keine als Familienmerkmale verwerthbaren Besonderheiten und schliessen sich auch darin den entsprechenden Gliedmassen der übrigen Hyperiden an , dass sie im männlichen Geschlechte weit umfangreicher sind als beim Weibchen und zugleich durch den Besitz einer entspre- chend stärkern Musculatur die raschere Locomotion der auch in ihrer Lebensweise selbstständigern Männchen ermöglichen. Auch die U r o p o d e n wiederholen die bekannten Verhältnisse anderer Amphipoden. Im Gegensatz zu der Phr osini dengrup pe er- scheinen sie bei den Phronimiden schmal, lanzetföimig, ja oft stabförmig verlängert. Das vordere Paar gehört dem vierten Abdominalsegmente an , das mittlere und das hintere Paar ent- springen wie bei allen Hyperiden an einem gemeinsamen , durch Verschmelzung des fünften und sechsten Abdominalsegmentes her- vorgegangenen Abschnitte. Bei Phronimella bleibt jedoch das vorletzte Uropodenpaar auf ein kurzes warzenförmiges Rudiment reducirt , welches sich leicht der Beobachtung entzieht, jedenfalls erst bei genauer Untersuchung als Gliedmassenstummel erkannt wird. Darmcanal und Anhangsdrüsen. Der Eingang in den Verdauungscanal liegt im Grunde des bereits beschriebenen oralen Vestibulums, welches dorsalwärts von den mächtigen Mandibelplatten, sowie der rudimentären Oberlippe, seitlich von den absteigenden Zahnplatten der Mandibeln, ventral- wärts von den beiden , nach Art einer Unterlippe vereinigten Paragnathen begrenzt wird. Durch die letztere erscheint der Vor- raum des Mundes von den nachfolgenden Kopfgliedmassen , den Maxillen mit ihren vorspringenden Kopfplatten und dem Kiefer- fusspaare abgesetzt. Wie auch bei anderen Hyperidengattungen bleibt die Oberlippe auffallend verkümmert und auf ein kurzes, asym- metrisch ausgebuchtetes Plättchen reducirt, dessen linke Hälfte über- aus kurz ist , während die rechtseitige zungenförmig prominirt (Taf. IV, Fig. 23, 24, 25 OL.). Auch läuft die lange Sehne des oberflächlichen, unmittelbar unter dem Integumente gelegenen Lippenmuskels nicht in die mediane Ausbuchtung, sondern links- seitig in den kurzen Lippentheil aus (Fig. 26 Ml.). Uebrigens entgeht das dünne rudimentäre Doppelplättchen gar leicht der Beobachtung, zumal an seiner Unterseite die grossen schneidigen Vorderkanten beider Mandibeln in einer Weise auseinanderstehen, 22 Dr. C. Claus: dass man beim ersten Blick geneigt ist, die Mandibeln für die Hälften einer winkelig ausgeschnittenen Oberlippe zu halten. In der That ist diese irrthümliche Auslegung bislang die herrschende gewesen. Die Seiten wand des Atriums wird vornehmlich durch die schräg absteigenden Zahnplatten der Mandibeln gebildet (Fig. 23 SP.). Mit grösserem Rechte als die oberen schräg horizontal liegen- den Schneiden der Mandibel wird man diese abwärts gerichteten einander gegenübergestellten Platten als Kauwerkzeuge betrachten dürfen. Seitlich werden dieselben, wenn auch nur wenig, von den aufwärts gebogenen Lappen der Paragnathen überragt, welche durch eine ansehnliche, von Chitinspangen gestützte Querbrücke vereint, einer zweilappigen Unterlippe ähnlich, den Vorhof des Mundes nach unten abschliessen. Den Grund des so begrenzten Vorraumes nimmt die Mundöffnung ein und zwar als mediane Längsspalte, welche von zwei papillenförmigen Vorsprüngen (Fig. 22) an der Basis der Oberlippe bis zur Basis eines unpaaren zungenformigen Läppchens (Hp.) an der Innenseite der labialen Querbrücke reicht. Die dicht mit Härchen und Spitzen besetzten Seitenränder der Längsspalte liegen fest geschlossen aneinander und gehen unmittelbar in die mit Reihen feiner Spitzen bekleidete Chitinhaut des oralen Vorraumes über (Fig. 21 bis 24). Bei dem ausserordentlich geringen Umfang der Oberlippe kann es nicht auffallen, dass die in allen Crustaceengruppen wie- derkehrenden Drüsengruppen der Oberlippe durch tiefer liegende, in die Kopfhöhle gerückte Drüsen ersetzt werden, welche sich oberhalb und zu den Seiten des Oesophagus ausbreiten. Der Lage nach haben wir es unzweifelhaft mit Speicheldrüsen zu thun, deren besondere Wirkung freilich nicht ohne weiteres der normalen Function von Speicheldrüsen an die Seite gestellt werden kann. Bei Phronimella sind dieselben minder umfangreich und liegen veiter seitlich oberhalb der Dilatoren des vordem Schlundstücks (Fig. 26 u. 34, Sp. Dr.). Bei Phronima dagegen gewinnen sie eine ungleich mächtigere Ausdehnung und erstrecken sich über und zu den Seiten des mittlem Schlundabschnitts (Fig. 20, Sp. Dr.) bis unmittelbar vor die Gehirnlappen. Histologisch verhalten sich diese Drüsen wie die bereits beschriebenen Drüsen der Beine und Kiefer, indem sie rosettenförmige Gruppen von vier grossen Drüsenzellen und einer kleinen, die erweiterte Basis des Ausführungsröhrchens erzeugenden Mittelzelle bilden (Fig. 17). Die langen zarten Aus- führungsröhrchen wenden sich sämmtlich oralwärts, sind jedoch in ihrem weitern Verlaufe überaus schwer und kaum in continuo Der Organismus der Phronimiden. • 23 bis zur Mündungsstelle zu verfolgen. Einzelne Oett'nungen der langen Drüsengänge scheinen an der Oberlippe zu liegen, indessen ist die Zahl derselben nicht bedeutend genug, um die Wahrschein- lichkeit auszuschliessen, dass nicht auch an benachbarten Theilen des Vorraums einzelne Drüsengänge ausmünden. In der That lässt sich nachweisen , dass ein guter Theil der Drüsengänge in die Maxillen des ersten Paares eintritt. Für die Würdigung der Function dieser mächtigen Speichel- und Kieferdrüsen scheint mir ein bedeutungsvolles Moment in der später noch näher zu begründenden Thatsache gegeben , dass im Verlaufe des Darmtractus keinerlei Driisenelemente auftreten, welche das die Eiweisskörper verdauende Enzym bereiten könnten. Die gesammte Innenfläche der Magenwandung mit ihrer kurzen als Leber betrachteten Aussackung ist mit einem hohen , dem Dünndarmepithel entsprechenden Zellenbelag bekleidet, während das langgestreckte engere Darmrohr ein ziemlich Haches gross- zelliges Epitel trägt. Von Zellen oder Zellencomplexen drüsiger Natur habe ich im gesammten Tractus keine Spur entdecken können und werde daher zu der Annahme gedrängt, dass der Nahrung schon bei ihrem Eintritt in den Schlund die zur Verdauung der Eiweissstoffe dienenden Secrete beigemengt sein müssen. Bei dem Ausschluss anderweitiger Drüsen werden wir auf die besprochenen mächtig entwickelten Drüsengruppen hingewiesen als auf diejenigen Elemente, welche die verdauenden Enzyme secerniren. Von diesem Gesichtspunkte aus würde auch die Bedeutung des in den Spitzen der Thoracalbeine ausfliessenden Secretes zu beurtheilen sein, obwohl sich dasselbe in der That auch zugleich auf die Aushöhlung der Tönnchen beziehen könnte. Der Munddarm von Phronima stellt einen ziemlich com- plicirt gestalteten Zuleitungsapparat dar, an welchem sich trotz seiner relativen Kürze unter Ausschluss des Vormagens drei Ab- schnitte als Mundhöhle, Schlundkopf und S c h 1 u n d r o h r oder Oesophagus unterscheiden lassen. Der vordere als Mundhöhle bezeichnete Abschnitt besitzt die grösste Höhe und Weite und wird an seiner obern , in einen zapfenförmigen Muskelvorsprung auslaufenden Wand durch zwei breite schräg aufsteigende Muskel- massen befestigt (Fig. 25 , 26 , M o s.). Dieselben entspringen rechts und links am vordem Stirnrand oberhalb der Mandibeln und müssen im Zustand der Contraction die Mundhöhle sowohl vor- ziehen als zugleich etwas seitlich auseinander bewegen, somit zu- o-leich die Function der seitlichen Dilatoren unterstützen (Mda.), Claus, Arbeiten au* dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. <> (si) ^4 Dr. C. Claus: welche rechts und links als schmale querlauf ende Muskel bänder herantreten und sich an einer vorspringenden Kante (Fig. 24, C r.) der Seitenwand inseriren. Dem vordem schrägen Schlundmuskel wirkt ein hinteres, schmales, aber langes Muskelband entgegen (M o r.), welches schräg nach vorn und innen verläuft und sich an dem erwähnten hintern Muskelfortsatze der Mundhöhlendecke befestigt. Dieser Muskel wird die Mundhöhle nach hinten ziehen und gleich- zeitig wohl auch etwas erweitern. Dazu kommt noch an der hintern Grenze eine Gruppe von Pharyngealmuskeln mit longitudinal und schräg verlaufenden Faserzügen (Fig. 22 und 25, Mph.). Dieselben verbinden das Mittelstück des Schlundes, den eigentlichen Schlund- kopf, mit der Seiten wand der Mundhöhle und werden bei ihrer Contraction eine ringförmige Faltung der von ihnen bedeckten Partie der Schlundwand veranlassen. Zwischen den Faserzügen dieser Muskelgruppe inseriren sich jederseits noch zwei Dilatoren (Fig. 25, Md.) in einiger Entfernung hinter dem bereits erwähnten vordem Dilator (Mda.). Im Gegensatz zu der geräumigen Mundhöhle, welche vor- nehmlich durch die Wirkung der beschriebenen Dilatoren nach den Seiten hin erweitert, sowie durch die schrägen Muskeln der Decke nach vorn und hinten gezogen wird, sind an dem Mittel- stück, dem Schlundkopf, ringförmig angeordnete Muskelfasern vor- wiegend. Freilich setzen sich auch in der hintern Gegend dieses Abschnitts zwei Paare schräger, von der Kopfwand entspringender Muskeln an (Mop., Mdp.), welche, wenn auch minder exclusiv, als Dilatoren fungiren. Das dorsale Paar (Mop.) wiederholt den Verlauf des hintern schiefen Muskels oder Retractors der Mundhöhle, con- vergirt jedoch unter minder spitzem Winkel als dieser. Umgekehrt verläuft das vordere Paar schräg aufwärts (Mdp.), um sich merk- lich tiefer an der Seiten wand des Pharynx anzuheften. Die als Abschnitte einer circulären Muskelmasse zu deutenden Schlund- muskeln erscheinen an Boden und Decke des Schlundes als Quer- muskeln , während sie an der Seitenwand desselben Pfeilern ähn- lich einen dorsoventralen Verlauf einhalten. (Fig. 3-1, 35.) Im Allge- meinen kann man die Schlundwand als vierseitig bezeichnen. Boden und Decke bleiben jedoch verhältnissmässig schmal und bilden seit- lich vorspringende Kanten, welche als Muskelfortsätze zur Insertion der queren und dorsoventralen Muskelzüge dienen. Die erstem bleiben daher kurze Faserzüge mit theilweise sich kreuzendem Faserverlauf (Mdph). Dagegen besitzen die seitlichen Muskeln, welche sich über die Aussenfläche der hohen Seitenwände aus- Der Organismus der Phronimiden. 25 spannen, eine bedeutende Länge (Fig. 22. Mlph.). Hinter der Insertionsstelle des vordem schiefen Muskels (Mdp.) folgt endlich noch ein schmaler, seitlicher Muskel (Fig. 25 Mlph.), durch dessen Lage die hintere Grenze des Pharynx bezeichnet wird. Weiter abwärts verengert sich dann der Munddarm plötzlich, um als Schlundröhre oder Oesophagus den engen Raum zwischen Gehirn und unterm Schlundganglion zu passiren. Dieser Abschnitt bleibt soweit muskelfrei. Erst ziemlich am Ende des Oesophageal- rohres unmittelbar hinter der Schlundcommissur treten quer gestellte Dilatoren an die Seitenwandung desselben heran, um diese beim Durchgang der Speisetheile auseinander zu ziehen und das Lumen zu erweitern (Taf. V., Fig. 30 Mdoe.). Endlich unmittelbar hinter der Uebergangsstelle der Speiseröhre in den bedeutend erweiterten Vormagen spannt sich an der Ventralseite desselben ein ziem- lich langgestreckter und, wie später gezeigt werden soll, für die Lagenstellung der Chitinfalten wichtiger Quermuskel aus (Fig. 30, M. tr.). Wenn wir den erweiterten End abschnitt des Munddarms so- wohl bei Thoracostraken als Arthrostraken von den Autoren meist als Kaumagen bezeichnet finden , so geziemt es- mit Bezug auf diese offenbar den Decapoden entlehnte Terminologie nicht aus dem Auge zu verlieren, das.? für die Amphipoden die Kaufunction des Vormagens bislang keineswegs bewiesen worden ist. In der That scheint sich die Bedeutung der ver- meintlichen Kanplatten wenigstens bei den Phronimiden auf einen Verschluss- beziehungsweise Reusenapparat zu beschränken, durch welchen die in den Vormagen eingetretenen Speisetheile ein- mal vor dem Rücktritt in den Oesophagus geschützt, andererseits von dem raschen Uebergang in den weiten im Umkreis des Vor magens entfalteten Magendarm zurückgehalten wird. Morphologisch möchte dieser complicirt gebaute Vormagen der Arthrostraken schon in dem einfachen Schlundvorsprung vor- bereitet sein, welchen bei manchen Entomostraken der Oesophagus in den Magenraum entsendet. Beispielsweise erinnere ich an den langgestreckten frei in den Magen hineinragenden Schlundtrichter von Argulus1), welcher sich zurückführen lässt auf eine Chitin- hautfalte am Ende des Schlundes. ') Claus, Ueber die Entwicklung, Organisation und systematische Stellung von Argulus etc. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Tom. XXV, 1875- Taf. XVII. Fig. 29 H. T. 6 * (83) 26 Dr. C. Claus: Bei den Amp hipo den gliedern sich nun die Chitinfaltungen der Vorstülpung in mehrfache Abschnitte und veranlassen die Entstehung eines in seinen Einzelnheiten nicht leicht verständ- lichen Behälters. Bei Phronima tritt vor Allem eine sehr lang- gestreckte , zungenförmige und zugleich löffelähnlich gebogene. (Fig. 27 30, Df.) Dorsalfalte hervor, welche sich längs der Rücken- decke und Seitenwand des Magendarms ausdehnt und erst im Grunde desselben endet. Dazu kommen am Eingang des Magens zwei seitliche Ventraltaschen (V T.) , deren weite Oeffnung nach aufwärts gewendet ist, jedoch durch die convexe Basis der dorsalen Chitinfalte , welche an der Innenseite der äussern Lamelle einer jeden Ventraltasche entspringt, bedeckt wird. Der ventrale Theil der chitinigen Magenwand , welcher zwischen den beiden Seitentaschen zurückbleibt, ist verhältnissmässig schmal und scheint in geringer Entfernung hinter dem bereits er- wähnten Quermuskel mit bogenförmigem scharfen Chitin rande zu enden. Indessen ergibt die nähere Untersuchung, dass von dem- selben noch eine oralwärts nach vorn gerichtete Aussackung ent- springt, welche den vordem Raum des Magendarms zwischen den beiden ventralen Leberschläuchen einnimmt. Innerhalb des Magen- darms mit seinen beiden Paaren von sog. Leberschläuchen findet sich somit ein complicirt gestalteter, von Faltungen der vorspringenden Chitinhaut begrenzter Taschenraum, welcher mittelst langgestreckter Oeffnung mit dem ventralen Theil des Drüsenmagens communicirt und in der Regel mit halbverdauten Nahrungsstoffen prall gefüllt ist. Der chitinige Vormagen dürfte diesem Befunde gemäss in erster Linie die Bedeutung eines Behälters haben, in welchem sich die Verdauung ohne d i r e c t e n C o n t a c t mit der Wan- dung des Magendarms, gewissermassen im Endab- schnitt des Schlundes, vollzieht, und zwar unter Ein- richtungen , welche den Rücktritt der Speisetheile in den Oeso- phagus und Schlundkopf verhindern. Diese Einrichtungen sind sowohl durch Lage und Configuration der beiden ventralen Taschen- räume und deren innerer schräg aufwärts gerichteter, am freien Rande kammförmig bezahnter Faltenplatte als durch den eigenthümlichen Muskelapparat des chitinigen Vormagens bestimmt. Indem die hohe Chitinfalte, welche die innere, der Medianebene zugekehrte Wand jeder Tasche bildet, klappenartig vorspringt und zugleich an ihrem freien obern Rande nach Art eines Bürstenkammes endet , dessen fein behaarte Querbürstchen in lange medianwärts vorstehende spitze Zinken auslaufen (Fig. 29), bildet sie für die bereits in die Seiten - (84) Der Organismus der Phronimiden. 27 sacke, sowie in den Fundns der löffeliörmigen, schwachgewölbten Dor- salfalte eingetretene Nahrung eine Art Reusenapparat, welcher wohl die Aufnahme von Nahrungskörpern vom Schlünde her, nicht aber den Rücktritt derselben in den Schlund gestattet. Diese Function wird offenbar durch den Muskelapparat, welcher sich an der Chitin- wand des Vormagens anheftet, wesentlich unterstützt. Des Quer- muskels (Fig. 30 und 36, M. tr.), welcher sich gürtelförmig vorne an der ventralen Magenwand ausspannt, wurde bereits oben Er- wähnung gethan. Augenscheinlich hat derselbe die Bedeutung, beide kammförmig bezahnten Faltenplatten nach der Seite zu ziehen. Zu diesem transversalen Magenmuskel kommen noch drei , be- ziehungsweise vier Muskelpaare von mehr longitudinalem Verlauf. Zunächst ein Paar sehr langgestreckter bandförmiger Muskel (Fig. 20 , 30 , Ml s) , welche hoch oben an der Scheitelfläche des Kopfes entspringen und medianwärts vom Scheitelauge herablaufen, seitlich die Kopfaorta fast in ganzer Länge begleiten und sich etwa im Niveau des hintern Endes der Ventraltaschen an der Dorsalwand des Vormagens auf besondern höckrigen Vorsprüngen derselben (Fig. 24, Tu p.) anheften, freilich um am vordem Ende dieser Vorsprünge in einen breiten, etwas schräg nach auswärts und vorn gewendeten Muskel überzugehen, welcher, wenigstens theilweise von den dorsalen Leberschläuchen (L") bedeckt, ganz der Dorsalwand des Vormagens angehört und in der vordem Seitengegend desselben endet (Fig. 30). Die Wirkung der beiden Muskelpaare wird sich analog den Muskeln (Mor.) der Mundhöhle und des SchlundUopfes (Mop.) als Hebung des Vormagens nach dem Scheitel hin, beziehungs- weise unter gleichzeitiger Querfaltung der dorsalen Magenwand äussern müssen. Die beiden andern Muskelpaare entspringen am Integument des vordem oder oralen Kopftheiles und dürften somit den Vormagen vom Scheitel abwärts nach der Mundgegend herab ziehen. Das bei weitem stärkere vordere Muskelpaar (M 1 a.-) ent- springt vom Stirnrand und verläuft nur wenig convergirend seit- lich von der Schlundcommissur nach der vordem Seite des Vor- magens, um sich an der Wandung desselben und zwar am äussersten Ende der Ventraltasche an einem kleinen Vorsprung der Chitinhaut (Fig. 24, Tu a., Fig. 30) zu inseriren. Die Wirkung dieses vordem Längsmuskels wird sich in dem Vorziehen des Magens eventuell bei gleichzeitiger Contraction des obern Längsmuskels in einer Spannung der Wandung desselben äussern müssen , mit welcher die Aufrechtstellung der kammförmigen Faltenplatten, somit die (85) 28 Dr. C. Claus: Erweiterung der Spaltöffnung beider ventralen Magentasehen ver- bunden sein möchte. Viel schmächtiger bleiben die zwei lateralen Muskeln (Fig. 30, M. 1.), welche oberhalb der ventralen Leber- schläuche schräg convergirend , nach den Seiten der Magenwand verlaufen und sich hier etwas unterhalb der dorsalen Muskelbän- der des Magens anheften. Dieselben dürften die beiden Ventral- taschen seitlich auseinanderziehen und den Raum derselben er- weitern. Es bedarf wohl kaum einer besondern Erwähnung, dass der derben chitinigen Intima des gesammten Schlundes und Vormagens als Matrix eine Zellenlage anliegt, auf welche erst die membrana propria und die äussere Muskelbekleidung folgt (Fig. 35). An allen Theilen des Munddarmes ist die zellige Matrix als ein Epithel mit wohlbegrenzten kernhaltigen Zellen nachweisbar, welche besonders an der Wand des Vormagens und dessen zungenförmiger Dorsalfalte eine ansehnliche Grösse erreichen (Fig. 31 a). Natürlich wiederholt sich dasselbe an sämmtlichen Faltenplatten dieses Abschnitts und daher an der Wandung der Ventraltaschen in doppelter Lage, wovon man sich sowohl am optischen Querschnitt des Randes (Fig. 31b.), als bei höherer und tieferer Einstellung des Flächenbildes überaus leicht überzeugt. Von besonderem Interesse aber erscheint die feinere Sculptur der Cuticularmembran an den verschiedenen Abschnitten des Vormagens. Während die derbe Intima des Schlundes — von den feinen Spitzenreihen am Eingang der Mundhöhle abgesehen — überall glatt bleibt, ist dieselbe an der zungenförmigen Dorsalfalte (ZP.) mit zahlreichen unregel- mässigen Gruppen überaus feiner Höckerchen bedeckt, welche einigermassen an das Bild einer Reibplatte erinnern (Fig. 31, b. c). Jede Gruppe entspricht dem Territorium einer Matrixzelle, über welcher sich die Cuticularmembran in schwacher Vorwölbung erhebt, so dass die beiden Seiten der Hautfalte eine unebene wellen- förmige Oberfläche darbieten. Auch an der äussern Wandung der Ventraltaschen kehrt das gleiche Bild wieder, während die dorsale Decke in der Gegend der Muskelinsertionen durch eine an den Hautpanzer zarter Daphniden erinnernde rautenförmige Sculptur der Chitinmembran bezeichnet wird. An der Seitenwandung beider Ventraltaschen gewinnen die cuticularen Erhebungen einen abermals andern Charakter. Wäh- rend dieselben an der dem Taschenraum zugekehrten Seite der innern Falte parallele dichtgestellte Reihen von feinen Spitzen darstellen, vergrössern sich die Spitzen an der gegenüberliegenden Der Organismus der Phronimiden. 29 Taschenfalte zu starken zahnförmigen Papillen, welche dacbziegel- förmig übereinanderliegend nach dem hintern Ende des Magens gerichtet sind (Fig. 31, d.) und einigermassen dem Papillenbesatz im Schlünde der Seeschildkröten vergleichbar erscheinen. Die grösste Stärke erreichen diese Erhebungen (Fig. 24, P b.) an der etwas gegen den Taschenraum vorgewölbten Aussen wand in der Gegend, in welcher der kammförmige Besatz (Fig. 23 k B.) der gegen- überstehenden innern Falte endet und mittelst einer tiefen Aus- buchtung von dem platten hintern Abschnitt des freien Falten- randes abgesetzt erscheint. (Fig. 28, B.) An dem Vormagen von Phronimella wiederholt sich der für Phronima dargestellte Bau, indessen bleiben sämmtliche Chitinfaltungen auf weit geringern Umfang beschränkt. Sowohl die dorsale zungenförmige Faltentasche als insbesondere der kamm- förmige Besatz am freien Rande der medialen Falte beider Ven- traltaschen bleiben schmächtiger, in gleicher Weise der Muskel- apparat, welcher sich in allen seinen Abschnitten nach Lage und Verlauf der Magenmusculatur von Phronima anschliesst. Der Magendarm, von welchem der chitinige Vormagen mit seinen Taschenbildungen zum grossen Theile umschlossen wird, bildet einen ziemlich weiten , durch den Kopf und die beiden vordem Brustringe schräg aufsteigenden Sack (Fig. 11, Ma, Fig. 27.), dessen Vorderende kurze dorsale und ventrale, als Leberschläuche bezeichnete Ausstülpungen entsendet. Diese Gestaltungsweise des Magens mit nach vorn gerichteten kurzen aber weiten An- hangsschläuchen *) im Kopfraum möchte im Gegensatz zu anderen Hyperiden als wichtiger Charakter der Phronimiden zu verwerthen sein. In frühem Jugendzustand hat der Magendarm eine weit grössere Ausdehnung und nimmt als blasig ausgedehnter Behälter einen guten Theil des Thorax ein. Auch liegt derselbe noch ziem- lich genau in der Längsachse und setzt sich ohne winklige Beuge in den langgestreckten Dünndarm fort, welcher bei ausgewachsenen Thieren schon am Ende des zweiten Brustringes beginnt. Die noch unter Brutpflege des Mutterthieres befindlichen Jungen schliessen sich somit in der Magenform, und Gleiches gilt von Darm- und ') Ob derselbe freilieb aueb für Paraphronima Geltung bat, vermag icb leider nicht zu sagen, da icb versäumte, das einzige lebend beobaebtete Exemplar auf den Magen näher zu untersuchen. Die übrigen in Weingeist conservirten Exemplare waren leider zu schlecht erhalten, um mit Hülfe derselben zur Gewissheit zu gelangen. (87) 30 Dr. C. Claus: Körpergestaltung, weit mehr an die Gattung Hyperia an, welche dem indifferenten Ausgangspunkt der Hyperidenfamilien am nächsten stehen dürfte. Das Vorderende des weiten Magensackes bildet an der Rücken- seite eine weit nach hinten zurückgreifende Ausbuchtung, durch welche die beiden Seitenhälften als weite, nach vorn vorspringende Schläuche (Fig. 30, L'), die obern seitlichen Leberschläuche , von einander abgesetzt werden , während zwischen denselben zugleich die dorsale Wand des Vormagens, die Decke der beiden Ventral- taschen , mit den sich an derselben befestigenden Muskelgruppen ihre freie Lage bewahrt An den beiden obern Anhängen heben sich noch zwei der Medianebene zugewendete Schläuche ab, welche an grössern Individuen vielfach Ausbuchtungen gewinnen und als mediale Leberschläuche (Fig. 20, L") unterschieden werden können. Viel weiter oralwärts" bis über die vordere Grenze des Gehirnes hinaus erstrecken sich die beiden, ebenfalls vielfach ausgebuchteten ventralen Leberschläuche (Fig. 27, 30 und 3(3, L), vor deren Eingang die beiden chitinigen Ventraltaschen des Vormagens liegen. Bei P h r o n i m e 1 1 a , deren Magendarm eine schlankere und ge- strecktere Form zeigt, bleiben alle diese Ausstülpungen ausser- ordentlich reducirt. Das hintere oder Pförtnerende des Magens verengert sich in beiden Gattungen und erscheint durch eine doppelte Einschnürung bulbusartig abgesetzt, nach dem stark ver- jüngten Anfangstheil des Dünndarms zugleich durch den in das Lumen vorspringenden hohen Zellenbelag schärfer begrenzt (Fig. 27). Histologisch ist der als Magendarm bezeichnete Abschnitt des Mitteldarms in gleicher Weise wie die als Leberschläuche unter- schiedenen Aussackungen desselben durch den Besitz eines hohen Epithelialbelages charakterisirt. Die Elemente des Epithels sind hohe Cylinderzellen mit feinkörnigem Plasma und einem ovalen, mehrere Kernkörperchen umschliessenden Kerne. An der freien, dem Lumen zugewendeten Oberfläche jeder Zelle fällt ein dicker, feinstreifiger Saum auf, unter welchem gewöhnlich eine grössere oder auch mehrere kleinere Vacuolen im Plasma eingelagert sind (Fig. 32). Sowohl an feinen Querschnitten als an optischen Durch- schnitten gewinnt man zuerst den Eindruck, als sei an der Innen- seite des Epithels eine zusammenhängende schwachglänzende Cuti- cularmembran ausgeschieden. Bei näherer Untersuchung aber über- zeugt man sich, dass jede Zelle ihren gesonderten, vorgewölbten feinstreifigen Saum trägt, der mit dem der benachbarten Zellen das Bild eines zusammenhän senden Belags entstehen lässt. ich Der Organismus der Phronimiden. 31 muss gestehen, dass mich der Besitz eines solchen an das Dünn- darmepithel der Vertebraten erinnernden Epithels im Magen der Phronima in hohem Grade überrascht hat, indem dasselbe die Deutung des letzteren als drüsigen, das Verdauungssecret liefern- den Abschnitt zurückweist, dagegen die Beziehung desselben zur Resorption wahrscheinlich macht. Freilich müssten in diesem Falle die reichen Drüsengruppen der Kiefer, sowie in der Umgebung des Oesophagus das verdauende Secret liefern, welches zugleich mit den Nahrungsstoffen in den chitinigen Vormagen gelangte. Es würde alsdann nicht nur die weit nach vorn gerückte Lage des resorbirenden Darmabschnitts höchst auffallend erscheinen, sondern die Bedeutung des nun folgenden sehr langen Dünndarms nicht recht einleuchten, dessen Bekleidung von einem ausserordentlich zarten und flachen Plattenepithel gebildet wird. Man sieht leicht ein , wie wenig die morphologischen Befunde an sich zur richtigen Deutung der Organe ausreichend sind, und wie nothwendig in Zukunft chemisch physiologische Untersuchungen mit anatomisch histologischen Arbeiten verbunden werden müssen, um befrie- digende Vorstellungen über die Function der Organe auch auf dem Gebiete der Wirbellosen zu gewinnen. Bei Phron iniella ist übrigens der Epithelialbelag der Magenwand aus minder hohen, dagegen viel breitern Zellen gebildet , die eine höchst regel- mässige Mosaik zusammensetzen. Nach aussen von dem Cylinderepithel folgt eine bindegewebige Stützmembran , welche sich leicht von jenem abhebt , dagegen in unmittelbarem und festem Verbände mit der aufliegenden Muskelbekleidung steht. Die letztere besteht aus schmalen, band- förmigen Fibrillenbündeln , welche in circulärem Verlaufe, durch breite Intervalle getrennt , reifenartig den Magensack umgürten. Zu denselben kommen aber noch sowohl an der Bauchfläche wie an der Rückenfläche des Magens, der Medianlinie genähert, schmale Muskelzüge von longitudinalem Verlauf hinzu, so dass an diesen Theilen der Magenwand ein Netz von nahezu rechtwinklig sich kreuzenden Fibrillenzügen hervortritt. Diese Längsmuskel- fasern sind den Ringmuskeln aufgelagert und treten mit ihren Fibrillen in jene über. An dem mehr oder minder bulbös abge- setzten Endabschnitt des Magens bilden die Ringmuskel- rlbrillen in dichter Lagerung einen fest geschlossenen Muskelbelag, welcher sich wiederum am verschmälerten Anfangstück des Dünn- darms in gesonderte , reifenartige Fibrillenbündel auflöst. Sowohl die Längs- als Ringmuskeln der Darmwand entsprechen (89) 32 Dr. C. Claus: einzelnen Muskelzellen, wie man mit grosser Bestimmt- heit an ganz jugendlichen Exemplaren nachzuweisen vermag. Die zu den Ringmuskelzellen gehörigen, von körnigem Protoplasma umschlossenen Kerne liegen in der dorsalen Mittellinie (Fig. 41, M nu.) des Darmes in einer ziemlich regelmässigen Längsreihe hintereinander und weichen nur an dem verengerten Endabschnitt des Magendarms, der dichten Aufeinanderfolge ihrer Muskelzellen entsprechend, nach den Seiten auseinander, so dass hier das Bild mehrerer unregelmässiger Kernreihen entsteht. Am Dünndarm, dessen Ringmuskeln sich wieder in weiterem Abschnitt entfernen, wird alsbald die einfache dorsale Kernreihe wieder hergestellt. An der Ventralseite des Magens bleiben die Enden der reifen- artigen Muskelzellen von einander getrennt, so dass hier in der Medianlinie eine mediane, nicht genau longitudinale, sondern etwas zickzackförmig gestaltete sehnige Naht hervortritt, ähnlich wie wir sie als dorsalen und ventralen Medianstreifen am Herzen wiederfinden. Der aus dem Magen hervorgehende Dünndarm, welcher sich im Thorax allmälig etwas erweitert , im Abdomen dagegen wie- der merklich verengert, charakterisirt sich durch den Besitz eines flachen , grosszelligen Epithels , dessen sechsseitige , meist in der Längsrichtung stärker gestreckte Plattenzelien (Fig. 33) die innere Bekleidung bilden. Auf diese folgt eine zarte Stützmembran mit einem Belage ringförmiger Muskelreifen, welche regelmässige, wenn auch nur schwache Einschnürungen der Darm wand veranlassen. Hier und da, besonders an der Bauchseite , weichen die Fibrillen des zugehörigen Muskels schleifenförmig auseinander und nähern sich den benachbarten Schleifen , mit denen sie jedoch nur ganz ausnahmsweise sich vereinigen. Auch bemerkt man einzelne schräge oder longitudinale Fibrillenziige , welche jedoch nur über geringe Strecken verlaufen und mit ihren Enden in Ringfaserbündel eintreten. Auf den Muskelbelag folgt aber noch an der Seite des Darmes eine streifige, langgestreckte Kerne einschliessende Binde- gewebslamelle, welche mit dem nachher zu besprechenden, gross- zelligen Bindegewebsseptum der Leibeshöhle durch Fortsätze und Fasern verbunden ist. Erst im sechsten Abdominalsegment geht das langgestreckte Darmrohr in den Afterdarm über, dessen Wand durch zahlreiche Gruppen der bekannten Dilatoren des Mastdarms an das Integu- ment befestigt wird. Die beiden am Anfang des Mastdarms bei Gammariden auf- tretenden Anhänge, welche als kurze, gegen vorn gerichtete Schläuche Der Organismus der Phronimiden. 33 nach Lage und vielleicht auch Function den Malpighischen G-e- fässen der Tracheaten entsprechen möchten, habe ich bei Phro- nima und Verwandten verrnisst und bislang überhaupt noch bei keinem näher untersuchten Hyperiden wiedergefunden. Man könnte daher vermuthen, dass die Function derselben durch die Wandung des Dünndarmendtheils- besorgt würde und in gewissen Zellen derselben wie bei freilebenden und parasitischen Copepoden (Ler- naeen) Concremente von AusscheidungsstoiTen abgelagert seien. Indessen habe ich nach solchen bislang ebenfalls vergeblich gesucht. Von besondern nicht mit dem Darme verbundenen Drüsen der Körperhaut würde noch ein der Nackendrüse der Phyllo- poden entsprechendes Organ wenigstens im Jugendzustand oder in den spätem Phasen der Embryonalentwicklung zu erwarten sein, um so mehr, als dieselbe ja auch bei den nahe verwandten G a m m a r u s embryonen *) in ansehnlicher Grösse auftritt. Die auf gleichem Entwicklungsstadium befindlichen Phroniraa embryonen ') Ich will hier die Bemerkung einschieben, dass das Nackenorgan, welches der Nacken drüse der Phyllopoden entspricht, nicht nur an den Embryonen der Gammariden, sondern in gleicher Weise an denen der Isopoden auftritt. Dasselbe ist jedoch von den bekannten blattförmigen Anhängen der Asselembryonen wohl zu unterscheiden, ein Verhältniss, welches weder Fr. Müller, noch Fr. Leydig be- kannt zu sein scheint. Es ist vollkommen richtig, wenn Fr. Müller in seiner Schrift „Für Darwin" dem bei den Amphipoden zuerst als Mikropyle beschriebenen Dräsenrudiment ein Organ an die Seite stellt , welches auch bei Asselembryonen an gleicher Stelle die Verbindung mit der Larvenhaut unterhält. Ich habe diese Nackendrüse der Cymothoideen näher verfolgt, an dessen Embryonen sie eine be- deutende Grösse erreicht und sogar ein mit cuticularer Inthna bekleidetes Lumen enthält, um welches sich die Drüsenzellen strahlenförmig anordnen. Diese Nacken- drüse darf aber nicht, wie es Fr. Müller thut , mit dem blattförmigen Anhang am Rücken von Asellus zusammengeworfen werden, welcher ein paariges, von der Mittellinie merklich entferntes Organ ist und von seinem Entdecker Rathke als embryonale Kieme betrachtet, später von Leydig ganz ohne Grund als Homo- logon der grünen (an der Antennenbasis mündenden) Drüse des Flusskrebses gedeutet wurde. Fr. Müller hat nun, ohne das paarige kiemenähnliche Organ zu kennen, welches ja von der ihm bekannten Nackendrüse ganz verschieden ist, Ley dig's Deutung eine unglückliche genannt, wie denn in der That schon die totale Lagenverschiedenheit beider Gebilde ausreichend ist, um ihre Gleich werthigkeit zurückzuweisen Wenn nun neuer- dings Leydig gegen Fr. Müller 's Bemerkung seine frühere Deutung aufrecht zu erhalten sucht mit den Worten: „ja es will mir scheinen, als ob es mit Müller 's Kenntniss fraglicher Organe (der paarigen Anhänge) etwas bedenklich stehe; wie wäre es sonst, abgesehen von Anderem, möglich zu sagen, dasselbe sei ein unpaares Gebilde, in der Mittellinij des Rückens, während es paarig ist und seitwärts an- gebracht", so gibt uns Leydig einen Fingerzeig, dass ihm wiederum das Rudiment der unpaaren Nackendrüse bei Asselembryonen ganz unbekannt geblieben ist, wel- ches Fr. Müller ausschliesslich kannte und mit den Rückenanhängen verwechselte. (91) 34 Dr. C. Claus: haben jedoch bereits das Nackenorgan eingebiisst, welche somit schon in weit früheren Stadien der Embyonalentwicklung rück- gebildet sein muss. Herz, Gefässsystem und Kreislauf. Seit meiner älteren Darstellung des Phronimaherzens (Nr. 10) habe ich dasselbe mehrmals von Neuem untersucht, und mit den Herzbau zahlreicher anderer Hyperiden verglichen. Es gelang mir einige neue nicht unwesentliche Verhältnisse, die mir damals ent- gangen waren, festzustellen. Wie bei allen mir durch eigene Unter- suchung näher bekannt gewordenen Hyperiden reicht das hinter dem Kopf beginnende Herz der Phro nimiden bis etwa zur Mitte des sechsten Brustsegmentes, um hier in die hintere oder abdominale Aorta überzugehen, welche die beiden letzten Brustringe sowie die drei vordem Abdominalsegmente durchsetzt, und dann un- mittelbar am Darm mit freier Oeffnung endet. (Taf. I, Fig. 1 C, Taf. II, Fig. 11 C.) Bei Phronima, sowie bei allen auf das Herz näher untersuchten Hyperiden ist die Zahl der seitlichen Ostien auf drei, beziehungsweise auf zwei Paare reducirt, welche dem zweiten, dritten und vierten, eventuell nur dem dritten und vierten Brustsegmente angehören. Zwar kann bei einzelnen Hyperiden auch der nachfolgende Abschnitt des Herzschlauches im 5. und 6. Segmente kammerähnlich erweitert sein, indessen fehlen demselben dann stets die seitlichen Ostien. Vergleichen wir die am Hyperidenherzen beobachtete Ge- staltung mit derjenigen, welche für das Herz der naheverwandten Gammariden beschrieben wurde, so ergeben sich scheinbar höchst auifallende Unterschiede, die jedoch grossentheils auf Differenzen in den Angaben der Autoren zurückzuführen sind. Während von Frey und Leuckart1) am Herzen von G a m m a r u s, Talitrus, Isaea etc. sieben Ostienpaare beschrieben wurden, eine Zahl, welche sich auch in Gegenbaur's Handbuch der vergleichenden Anatomie wiederfindet, hat G. 0. Sars 2) für Ga m- marus sechs Paare von Spaltöffnungen dargestellt. Ich selbst hielt seither die Angaben des letztern Forschers für die rich- tigen, obwohl mir bekannt war, dass La Valette fürNiphar- *) H. Frey und R. Leuckart, Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere etc. Braunschweig 1847, pag 107. '-') G. 0. Sars. Iiistoire naturelle des crustaces d'eau douce de Norvege. 1 Livr. Les Malaeostraces. Cristiania 181)7. Taf. VI, Fig. 19. (!)2) Der Organismus der Phronimiden. 35 gus und Fr. Müller r) für die G a m m a r i d e n überhaupt die Existenz von nur drei Ostienpaaren im 2., 3. und 4. Brustsegmente behauptet haben. Durch selbständige Beobachtungen habe ich nunmehr die Angaben Fr. Müller's durchaus bestätigen können, In allen seither von mir untersuchten Gammaiidengattungen, ebenso bei Caprella und Verwandten finde ich die 3 Ostien- paare des Hype ridenh er z en s im 2., 3. und 4. Brust- segmente wieder, während der vorausgehende und nachfolgende Herzabschnitt seitlicher Spaltöffnungen entbehrt. Nun kann allerdings bei manchen Hyperiden eine Rückbildung der vordem Herzpartie eintreten, der Art, dass die Kopfaorta schon im ersten oder im zweiten Brustsegmente entspringt, und demgemäss der Anfang des Herzens weiter zurück liegt. Das Extrem dieser verkürzten Herzform findet sich bei den breiten Platysceliden oder Typhi den, deren hinterer Herzabschnitt im 5. und 6. Segment, obwohl ohne seitliche Spaltöffnungen, doch kammerähnlich erweitert ist. Während bei allen auf die Herz- bildung näher untersuchten Platysceliden die Zahl der Ostien- paare auf zwei herabsinkt, indem die Spaltöffnungen im 2. Brust- segmente hinwegfallen, besitzen die Phronimiden mit Ausnahme der Gattung Paraplironima die drei typischen Paare, wenigstens regelmässig im weiblichen Geschlecht. Beim Männchen scheint dagegen nicht selten das vordere Ostienpaar verschwunden. Die Wandung des langgestreckten Herzschlauchs , dessen histologischen Bau ich später erörtere, wird durch paarige Faser- züge, sowie durch ein transversales, der Ventralwand des Herzens anhaftendes bindegewebiges Septum am Integument befestigt. Vor- nehmlich markiren sich die Faserzüge, welche in der Umgebung der Ostien divergirend an die Herzwand herantreten und in der Flächenlage (besonders schön bei den Typhi den) das Bild drei- eckiger Vorräume veranlassen. Diese auch an dem hintern Herz- abschnitt (Taf. VI, Fig. 46) wiederkehrenden Faserbündel scheinen grossentheils bindegewebiger Natur zu sein und keine Beziehung zur diastolischen Ausdehnung des Herzens zu besitzen. Die Ostien stimmen im Wesentlichen mit den Spaltöffnungen am Herzen der Phyllopoden und Copepoden überein und sind schlitzförmige Spalten der Herzwand, deren vorderer und hinterer sichelförmig umgrenzter Randsaum während der Systole lippenartig in das Lumen des Herzens, wenn auch kaum merklich vorspringt Die beiden Lippen entsprechen den in anderen Fällen viel stärker l) Fr. Müller. Für Darwin, Leipzig 1864, pag. 26. (93) 36 Dr. C. Claus: ausgeprägten Randklappen der Ostien. Dieselben sind als Theile der Herzwand aufzufassen, wiederholen auch gieren Strnctur genau, und enthalten einen oder zwei Kerne (Fig. 44). Noch ausgeprägter als an den venösen Seitenspalten erscheinen die Klappeneinrichtungen am Eingang der beiden Aorten, welche Taschenklappen vergleichbar, während der Systole den ßÄick- fluss des Blutes aus den Grefässstämmen in das Herz verhindern und dem entsprechend ihre, wenn auch geringe Cavität dem Aortenlumen zukehren. (Fig. 46 und 47.) Mit Ausnahme der Phyllopoden, deren Herz (Clado ceren) lediglich ein vorderes Aortenostium besitzt, und dieses durch eine einzige Fallthür-ähnliche Klappe schliesst, kehren die seitlichen, durch den Besitz eines oder zweier Kerne ausgezeichneten Klappen an den Aorten der anderen Crustaceenordnungen wieder. Selbst das Copepodenherz besitzt an der Aortenöffnung eine rechte und linke Taschenklappe. Zu meiner Ueberraschung findet sich jedoch an beiden Enden des Herzens bei Phronima und demgemäss wahrscheinlich auch bei den übrigen Hyperiden nicht ein einfaches Ostium mit einem Klappenpaar , sondern zwei Spalten , welche rechts und links in den Eingang der vordem und der hintern Aorta führen (Fig. 47) mit je einem Klappenpaare. Nach Lage und Gestaltung der Doppelostien und ihrer Klappen kann es kaum zweifelhaft sein, dass dieselben zwei seitlichen, am terminalen Herzabschnitt nahe aneinander ge- rückten, schräg longitudinal gestellten Ostien entsprechen, welche gewissermassen die Spaltenpaare der Endkammern repräsentiren. Jeder häutige Klappensaum enthält einen randständigen ovalen Kern, sowie in der Nähe desselben einen zweiten rundlichen Kern, der dem Muskelbelage der zarten Klappen zugehört. Der randstän- dige, mehr längliche Kern dürfte entsprechend dem Verhalten der übrigen Kerne der Herz wand auf den bindegewebigen Antheil der Klappe zu beziehen sein. Ventralwärts divergiren die beiden Ostien am Hinterende des Herzens beträchlich, während ihre dorsalen Enden fast zusammen stossen. Zwei Faserstränge, welche sich an die divergirenden Ostienenden befestigen und auf dem nachher zu beschreibenden bindegewebigen Querseptum nach dem letzten Kiemenpaare hin verlaufen, scheinen in Muskeln überzugehen. Von den beiden Aorten bleibt die hintere , an der dorsalen Seite des Darmes bis zum Ende des dritten Abdominalsegmentes herablaufende Aorta ein einfaches Grefäss, während sich die vordere im Kopfe in mehrere Aeste spaltet. Ich habe diese Veräste- lung allerdings nicht bei Phronima beobachtet, wohl aber (94) Der Organismus der Phronimiden. 37 unter den Platysceliden für die Gattung Oxycephalus, deren Kopfarterie ein ganzes Netz weiter Gefässe erzeugt, constatiren können. Indessen gestaltet sich auch das arterielle Gefässsystem der Phronimiden und wie ich hinzufügen kann, überhaupt der Hyperi den weit complicirter, als man seither angenommen hat, indem noch ganz allgemein zu den Aorten an der Ventralseite des Herzens zwei oder drei mehrfach verzweigte Arterienpaare hinzu- kommen, demgemäss also auch bei den Amphipoden ein ähn- liches Verhältniss besteht , wie es im Kreise der Isopoden J) schon längst bekannt geworden ist. Auffallender Weise blieben die arteriellen Gelasse allen seit- herigen Beobachtern unbekannt. Die einzige auf seitliche Arterien der Hyperiden bezügliche Angabe wurde von mir selbst in den Bemerkungen über die Organisation von Phronima gemacht, in welchen ich die beiden Gefässpaare im dritten und vierten Brust- ring als zarte Stränge 2) beschrieb , und bei mangelndem Nachweis eines Lumens als solide Suspensorien zu deuten geneigt war. Hätte ich es damals nicht versäumt, zur Controle auch grössere Phronima- Exemplare lebend zu untersuchen , so würde mir die Bedeutung der vermeintlichen Stränge als Arterienpaare unmöglich entgangen sein, da es hier gar nicht schwer fällt, das Lumen und die Com- munication derselben mit dem Lumen des Herzens, sowie den Eintritt und die Fortbewegung von Blutkörperchen im Lumen nachzuweisen. Auch bei den übrigen Phronimidengattungen. finden sich die zwei Paare von Gefässen in denselben Segmenten wieder, doch kommt bei Parap hronima, und Gleiches gilt für Phrosina, Oxycephalus, Hyperia, Vibilia und die Platysceliden, noch ein drittes Arterienpaar im fünften Brust- segment hinzu, welches an Umfang und Ausdehnung hinter den ersteren keineswegs zurückbleibt und sich aus seinen oft (Oxy- cephalus und Platysceliden) reichen Verzweigungen an Darm und Leber ausbreitet. Die Enden der Gefässe führen, an die später ') Vergl. ausser einer russischen Abhandlung von Kowalewsky über das arterielle Gefässsystem von Id otea (1864) : N. Wagner, Rechercb es snr le Systeme circulatoire et les organes de la respiration chez le Porcellion elargi (Porcellio di- latatus Brdt.). Ann. des. sciences natur. V. Ser. Tom. IV. 1865. 2) C 1 au s, 1. c. : „Man ist allerdings anfangs versucht, diese Stränge für Arterien zu halten, vermisst aber in denselben eine Bewegung von Blutkörperchen, so dass von einem Lumen und einer Communication mit dem Herzen wenigstens in diesem Lebensalter nicht die Rede sein kann." (90) 38 Dr. C. Claus: zu beschreibenden septalen Bind ege websplatten befestigt, durch freie Mündungen in das perienterische Canalsystem der Leibeshöhle. Histologisch besteht die Wand der Arterien , an deren Ursprung ebenfalls zwei kleine membranöse Klappen (Fig. 42) nachweisbar sind, aus einer glashellen bindegewebigen Membran, welcher, wie dies auch für die Aorta der Copepoden zutrifft, ovale Kerne einlagern. An der Herzwand kommt zu der gleichen bindegewebigen Membran mit lang gestreckten, hier und da unregelmässig geformten Kernen, eine Lage quergestreifter Muskelfasern von circulärem Verlauf hinzu, deren Action den rhythmischen Wechsel von Systole und Diastole unterhält. Diese zarte Muskelschicht des Herzens ist jederseits auf eine einfache Lage von Muskelzeilen zurückzu- führen , deren Grenzen freilich nicht mehr erhalten sind, wenn auch die Zellterritorien im Allgemeinen noch durch die rundlichen, schwach ovalen Kerne bezeichnet werden. Die Kerne sind von den gestreckt ovalen Kernen der unterliegenden Membran sehr wohl zu unterscheiden. Die überaus zarten Muskelfasern verlaufen meist als schmale Bündel von zwei bis vier dicht aneinander- gelagerten Fibrillen durch schmale, hier und da breitere Intervalle von feinkörnigen Protoplasma getrennt, reifenförmig, vorwiegend in circulärer Richtung. Indessen treten auch an vielen Stellen schräg verlaufende Fibrillen aus dem einen in das andere Bündel über. Aehnlich wie am Phyllopodenherzen, dessen Entstehung aus zwei symmetrischen Hälften ich früher für Branchipus beschrieben habe, wird die Herzmuscnlatur an der dorsalen sowie ventralen Seite, durch einen medianen, schmalen Sehnenstreifen, eine Art Raphe, unterbrochen , in welchen die Fibrillen beider Hälften gruppenweise wirteiförmig einstrahlen (Fig. 43 R). Wenn schon diese beiden longitudinalen Streifen , die wir als Nahtlinien bezeichnen können, darauf hinweisen, dass das Herz durch Verwachsung einer rechten und linken Hälfte entstanden ist , so beseitigt die Untersuchung ganz junger Individuen oder zum Ausschlüpfen reifer Embryonen jeden Zweifel über diese Entstehungsweise und gestattet zugleich den Nachweis, dass jede Hälfte nur aus einer einzigen Reihe von transversal ausgezogenen, als Halbreifen quer über die bindegewebige Intima gelagerten Muskelzellen gebildet wird, deren Kerne in einer ziemlich regel- mässigen Seitenreihe , ähnlich wie am Daphnidenherzen , hinter- einander liegen. (Taf. VI, Fig. 42.) Um sich von dieser Thatsache zu überzeugen, schneidet man an einem in Weingeist gehärteten jugendlichen Exemplare mittelst Der Organismus der Phronimiden. 3i) eines kleinen Scalpells die Rückenwand, soweit sie das Herz umlagert, ab und breitet dieselbe auf dem Objectträger flächenhaft aus, so dass die Ventralfläche des Herzens mit der noch näher zu beschrei- benden grosszelligen Bindegewebs])] atte nach oben gewendet ist. Nach Behandlung mit Carmin, absolutem Alkohol und Terpentinöl gestattet das in Dammarlack eingelegte Präparat die eingehendste Untersuchung unter sehr starker Vergrößerung (Hartn. Syst. IX). Man unterscheidet ausser den rundlichen, schwach tingirten Kernen der oberflächlichen Zellenplatten die blassen, schmalen und lang- gezogenen Kerne der Bindegewebshäute des Herzens (B nu) und an jeder Seite die Reihe grosser , rundlicher Kerne der Muskel- zellen (Mnu,), welche sich durch ihre intensivere Tinction sowie durch ihren körnigen Inhalt so scharf von den beiden ersten Kernformen abheben, dass eine Verwechslung nicht gut möglich ist. Dazu kommt die Uebereinstimmung mit den Kernen anderer Muskeln und insbesondere mit denen der medianen Kernreihe, welche an der Dorsalseite des Darmcanales von entsprechend jungen Thieren durch die gleich intensive Färbung hervortritt und zu den in einer ventralen Nahtlinie verbundenen Ringmuskelzellen der Darm wand gehört (Fig. 41). Am vordem und hintern Ende des Herzschlauches nehmen die in der Nahtlinie zusammenlaufenden Fibrillen einen mehr schrägen, ja selbst longitudinalen Verlauf (vgl. das Daphnidenherz), und bilden auf diese Weise zugleich einen Mechanismus zum sicheren Verschluss der ( )stien. Höchst charakteristisch gestaltet sich die Gruppirung der Fibrillen im Umkreis der venösen Ostien, welche in der Richtung der Ringmuskelfasern die Herzwand spaltförmig durchbrechen (Fig. 44 Os.). An jedem Ende des Schlitzes laufen Bündel von Ringfasern in einen Knotenpunkt zusammen, von welchem wiederum kurze Faserbündel abwärts in schräg longitudinalem Verlauf ausstrahlen, um sich mit den angrenzenden Bündeln von Ringfasern zu vereinigen. Ferner treten aus dem Knotenpunkte gewissermassen als Fort- setzung der in ihrem Verlaufe unterbrochenen Ringfasern, Fibrillen- bündel aus, welche bogenförmig den Spaltenrand umsäumen und die Musculatur der sichelförmig umgrenzten Lippen . der Klappen der Spaltöffnungen, veranlassen. Auch an der Aussenseite der zarten Muskelschichte des Herzens findet sich eine überaus zarte, wie es scheint structur- lose Grenzmembran, so dass die Muskelfibrillen mit ihrem fein- körnigen Protoplasma zwischen zwei zarten Häuten einge.bettet Claus. Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 7 40 Dr. C. Claus: liegen (Fig. 46). An die äussere Hülle befestigen sich die binde- gewebigen Faserziige, welche die Fixirung des Herzens, sowohl am Querseptum als an der Körperwand unterhalten. In der Mittellinie des Rückens verläuft an der Herzwand eine kleine Gruppe von feinen Längsfasern, zwischen welche an mehreren Stellen grosse spindelförmige Zellen eingelagert sind (Fig. 43 F B). Möglicherweise repräsentiren diese Gebilde den Nerven- apparat des Herzens, zumal die Zellen (GZ) mit ihrem grossen Kern und Kernkörpern, Ganglienzellen nicht unähnlich erschei- nen. Leider habe ich das Faserbündel nicht an lebenden Thieren verfolgt, sondern erst bei der Nachuntersuchung von Weingeist- exemplaren am isolirten Herzen regelmässig aufgefunden. Die bindegewebigen Faserziige und Membranen, welche als Mesenterien die Befestigung von Herz , Darmcanal und Nerven- system an der Leibeswand vermitteln , haben neben dem "Werthe von Suspensorien noch eine zweite , nicht minder wichtige Func- tion, der man bislang umsoweniger eine nähere Würdigung zu Theil werden lassen konnte , als die ausserordentlich reiche Ent- faltung und regelmässige Ausbreitung dieser im Leibesraume aus- gespannten Bindegewebshäute gar nicht gekannt war. Durch diese bindegewebigen Häute wird aber der Leibesraum in weite mit- einander communicirende Perivisceralcanäle zerlegt, in denen das an zelligen Elementen (Fig. 52) reiche Blut nach seinem Aus- tritt aus den GefässöfFnungen weiter strömt. Nicht in wandungs- losen Lacunen der Leibeshöhle, sondern in wohlbegrenzten Canälen, in welche die Leibeshöhle durch Bindegewebshäute geschieden wird, vollzieht sich der regelmässige Kreislauf des Blutes, welches durch Löcher der bindegewebigen Scheidewände aus dem einen Canalbezirk in den anderen an bestimmten Stellen übergeführt wird. Am mächtigsten entwickelt ist eine horizontale Lamelle, welche zwischen Herz und Darmcanal , der ventralen Wand des Herzens unmittelbar anliegend, quer durch den Leibesraum aus- gespannt liegt. Dieses Septum tritt schon, wenn auch in minder vollständiger Ausbildung, bei den Phyllopoden auf und erklärt uns bei diesen Thieren die Möglichkeit entgegengesetzt gerichteter Blutströme am Rücken und an der Bauchseite des Darmcanals (vergl. meine citirte Arbeit über Daphniden). Bei Phronima und Verwandten reicht dieselbe rechts und links etwa bis zur medianen Grenze der Gliedmasseninsertion (Taf. V, Fig. 37, 38), so dass die Bluträume im Innern der Der Organismus der Phronimiden. 41 Thoracalbeine dem dorsalen Canalsystem (DC) der Leibeshöhle zugehören würden, wenn sich nicht durch eine schräg aufsteigende Lamelle von dem mächtigen mittleren Dorsalcanal zwei seitliche Blutcanäle (SC) abgrenzten, mit welchen die Bluträume der Ex- tremitäten communiciren. Der dorsale Canal (D C) hat offenbar vornehmlich die Bedeutung eines pericardialen Sinus, setzt sich aber noch über beide Enden des Herzens , so weit die Aorten reichen, in Kopf und Abdomen fort. Dem entsprechend hat die Querscheidewand auch nach Lage und Befestigung eine directe Beziehung zum Herzen , welches derselben unmittelbar auflagert und durch bindegewebige Faserzüge, sowie selbst Muskelfasern mit derselben verbunden ist. Histologisch erweist sich die Scheidewand als eine aus endothelähnlichen platten Zellen zusammengesetzte Membran (Fig. 40, 42). Nach Osmiumbehandlung treten Kerne und Zellgrenzen ausserordentlich schön und scharf hervor. Freilich sind es nicht überall geradlinige, scharfe Contouren, sondern oft dichter gelagerte dunklere Körnchengruppen, welche in der flachen Membran die Grenzen der Zellen bezeichnen. Einzelne Kerne besitzen eine unregelmässig gestreckte, nicht selten bisquitförmig eingeschnürte Form , welche auf Theilungsvorgänge hinweisen und das Vorhan- densein mehrerer Kerne in den vergrößerten Plattenzellen er- klären dürfte, wie sie häutig in dem Septum ausgebildeter Formen zu beobachten sind (Fig. 40). An ganz jungen Exemplaren findet man regelmässig nur einen einzigen Kern in jeder Plattenzelle (Fig. 42 Z). Zu der cardialen Scheidewand der Leibeshöhle tritt noch eine zweite, wenngleich zartere Bindegewebslamelle hinzu, welche der unteren oder ventralen Wand des Darmes fest anliegt und sich über die seitliche Grenze des Darmes hinaus ebenfalls horizontal unterhalb der ersteren Scheidewand ausspannt, der sie sich bald früher bald später anlegt, um von der seitlichen Befestigungsstelle aus ventral wärt s umzubiegen und die Bauch wand des Leibes auszukleiden. Auf diese Weise wird ein mittlerer Blutcanal zwischen Herz und Darm (J C), sowie ein grosser ventraler Canal (VC) abgegrenzt, welchem die Ganglienkette eingelagert ist. In dem hinteren Thoracalsegment verschwindet freilich der mittlere Canal bis auf seitliche Räume rechts und links vom Darmcanal, indem die Aorta abdominalis und mit ihr die zugehörige Septal- lamelle der dorsalen Darmwand oft in ganzer Breite anhaftet. Im vorderen Abdominalsegmente gehen auch die Seiten-Darmcanäle verloren und nur die seitlichen grossen Bluträume mit der ein- 7 * (09) 42 I'i- ö. Gl au 8: gelagerten bindegewebig begrenzten Musculatur bleiben neben dem dorsalen (DG) und ventralen (VC) Blutcanal zurück (Fig. 39). Den Kreislauf habe ich in einer früheren Arbeit (Nr. 10) bereits im Allgemeinen beschrieben. Das durch die venösen Ostien in das Herz einströmende Blut wird durch die Contractionen der Herz wand zum Theil nach vorn in die vordere Magenarterie und in die Kopfaorta , theils rückwärts in die hintere Herzregion mit den hinteren Magengefässen und der Aorta abdominalis getrieben. Es theilt sich also der Blutstrom wie bei allen Arthropoden mit vorderer und hinterer Aorta in zwei nach entgegengesetzten Richtungen divergirende Bahnen, von denen die eine den Kopf und Vorderleib, die andere den Hinterleib versorgt. Aus der Oeffnung der abdominalen Aorta bewegen sich die Blutkörperchen theils nach der Bauchseite bis zum Ende des Abdomens fort, und steigen dann vom ventralen Blutcanal aus nach Abgabe von Stromschlingen in die Pleopoden wiederum dorsalwärts auf, theils kehren sie unmittelbar von der Gefässöffnung in dem dorsalen Blutcanal unterhalb der Körperwand über und zur Seite der Aorta nach den hinteren Ostien des Herzens zurück. Die in die Kopf- aorta eingetretenen Blutkörperchen bewegen sich in der Umgebung des Gehirns nach dem dorsalen, andere nach dem seitlichen und ventralen Theil des Kopfes. Die ersteren kehren direct nach dem vorderen venösen Ostienpaare zurück , die anderen aber strömen, durch die aus den Magengefässen hervorkommenden Blutmengen verstärkt, an der Bauchseite in der Umgebung der Ganglien- kette und an der Seite des Magens und Darms im Thorax herab, um sich grossentheils schon im vierten , fünften und sechsten Thoracalsegmente nach der Rückenseite umzuwenden und in das Herz zurückzuströmen. Die noch weiter abwärts gelangten Blut- theile wenden sich im ersten Abdominalringe bogenförmig nach der Rückseite um und folgen dem dorsalwärts aufsteigenden Blutstrom. Aus den im Thorax absteigenden Blutbahnen zweigen sich überall regelmässige Stromschlingen in Beine und Kiemen ab, um direct nach dem Herzen umzubiegen. In den vier vorderen Extremitäten, sowie in sämmtlichen Kiemen bewegt sich das Blut in einer hinteren Lacune absteigend und in einer zweiten an der Vorder- seite der Extremität aufsteigend. Umgekehrt verhält sich die Stromschlinge in den drei hinteren Beinpaaren , indem hier das Blut an der Vorderseite herabÜiesst und längs des hinteren Ran- des aufsteigend zurückkehrt, ein Unterschied , welcher durch den Der Organismus der Plironirnülen. 43' Gegensatz in der Lage dieser Extremitäten, sowie in der Winkel-; Stellung der Knie- und Handbeuge seine Erklärung findet. Die drei hinteren Beinpaare haben den vier vorderen gegenüber gewisser - massen eine Drehung um einen Winkel von 180 Grad erfahren. Nervensystem und Sinnesorgane. Gehirn- und Ganglienkette von Phronima sind bereits in früheren Arbeiten (Nr. 7, 10) nach Form und Gliederung im Allgemeinen beschrieben worden. Dieselben Verhältnisse kehren bei Phronimella und den übrigen Phronimidengattungen ziem- lich unverändert wieder. Ebenso trifft für dieselben meine Be- richtigung der Angabe Pagen st ech er's in Betreff der Gang- lienzahl zu, indem überall auf das Gehirn nicht 11, sondern nur 10 Ganglienpaare folgen. Auch das Bauchmark von Hyperia besitzt im Wesentlichen die gleiche Gestaltung, jedenfalls dieselbe Ganglienzahl, die freilich bei anderen Hyperidengattnngen dadurch verringert erscheinen kann, dass die beiden letzten schon bei den Phronimiden unmittelbar hintereinander liegenden Thoracalganglien (Simorhynchus) völlig verschmelzen, eventuell auch noch das letzte, die Uropoden versorgende Abdominalganglion in das voraus- gehende eingezogen wird und als selbstständiges Ganglion hinweg- fällt. In solchen Fällen kann auch bei Hyperiden die Ganglien- zahl der Bauchkette auf 9 oder gar 8 Paare herabsinken. Uebri- gens sind auch bei Phronima (Fig. 11) und Verwandten die entsprechenden Ganglien einander so bedeutend genähert, dass die Concrescenz derselben, wie sie in einzelnen Hyperidengattnngen auftritt, lediglich als eine höhere Stufe der Zusammenziehung aus jener ableitbar ist, Das erste oder untere Schlundganglion (Taf.VI, Fig.53) erscheint durch Verschmelzung einer ganzen Reihe von Ganglien entstanden, welche als mehr oder minder deutliche Abschnitte nachweisbar bleiben und als solche an der Vertheilung der Ganglienzellen (Ganglien- lager) erkannt werden. Dies gilt besonders für die Ganglienlager, welche zu den Nerven der beiden Gnathopodenpaare gehören, also den aufgenommenen Ganglien der beiden vorderen Brustsegmente entsprechen. Aber auch die vorausgehenden Ganglienlager der Kiefersegmente sind, wenn auch minder deutlich, als quere Ab- theilungen erkennbar. Somit würde die untere Schlundganglien- masse auf sechs, beziehungsweise sieben ida wir auch die Nerven des 2. Antennenpaares auf ein infraösophageales Centrum beziehen) (101) 44 Dr. C. Claus: verschmolzene Ganglien zurückführbar sein. Das gleiche trifft auch für andere Hyperiden zu, nur dass hier das infraösophageale Ganglion wie' bei Oxycephalus etc. einen viel langgestreckteren Abschnitt darstellen kann. Die Kiefernerven entspringen bei Phronima, weit aufwärts emporger tickt, erst im Verlauf der aufwärts gekrümmten Schlundcommissur (Fig. 53 N. Md.). Auf das im Kopfe gelegene infraösophageale Ganglion folgen dann fünf Paare von Ganglienknoten der Brust, von denen das letzte unmittelbar unter dem vorausgehenden noch im sechsten Brust- segment liegt und seine seitlich austretenden Nervenstämme in das siebente Segment zum siebenten Beinpaar entsendet. Von dem vorderen dieser Ganglienpaare, welches an der Grenze des zweiten Brustsegmentes liegt, wird das dritte, von dem zweiten das vierte, von dem dritten das fünfte und von dem vierten das sechste Beinpaar versorgt. (Fig. 11.) Da von jedem Ganglion rechts und links nur ein Nerven- stamm hervorgeht, so müssen Zweige desselben auch die Muskeln der zugehörigen Segmente innerviren. Aus den Längscommissuren der Thoracalganglien kommen bei Phronima keine Zwischen- nerven hervor, wie sich solche regelmässig bei den Oxycepha- 1 i d e n finden. Dagegen bemerkt man den Austritt von Seitennerven an den Längscommissuren der Abdominalganglien, und zwar ver- sorgen diese Nerven dorsalwärts aufsteigend die Musculatur der Abdominalsegmente. Da das vordere Abdominalganglion am Ende des ersten Abdominalsegmentes seine Lage findet, so muss der Com- missurenabschnitt, welcher jenes und das letzte Brustganglion ver- bindet, eine ausserordentliche Länge erreichen. Das vierte, unmittel- bar dem vorausgehenden angelagerte Abdominalganglion entsendet die Nerven für die Uropoden und die Musculatur der entsprechenden hinteren Schwanzregion. An Embryonen repräsentirt dasselbe noch einen dreigliedrigen, in den drei hinteren Segmenten gelege- nen Strang, welcher sich unter Verschmelzung der beiden letzten Glieder verkürzt, um schliesslich nach abermaliger Verschmelzung des Endstückes mit dem vorausgehenden Gliede als kleines Ganglion bis zum Hinterrand des dritten schwimmfusstragenden Segmentes vorgezogen, einer Cauda equina vergleichbar, in die Nerven der drei hinteren Extremitätenpaare (Uropoden) auszustrahlen. Das letzte kleine Ganglion, mit welchem die Bauchganglien- kette endet, entspricht demnach drei reducirten und mit einander verschmolzenen Ganglien , welche den drei hintern Abdominal- segmenten und deren Uropodenpaaren zugehören. (102) Der Organismus der Phronimiden. 45 Auch für die Untersuchung des feineren Baues , für die Be- stimmung des Faserverlaufes in den Nervencentren und des Ver- haltens der Nervenfasern zu den Ganglienzellen erweisen sich die Phronimiden als höchst geeignete Objecte. Besonders empfehlen sich zu solchen Studien grosse Exemplare von Phronima. So weit ich mich selbst auf die Verfolgung der Structurverhältnisse der Bauchganglien eingelassen habe, bin ich zunächst in der Lage, manche vornehmlich durch Leydig's1) Untersuchungen für das Bauchmark der Arthropoden gewonnenen Ergebnisse zu bestätigen, in anderen Punkten allerdings die allgemeine Geltung derselben zurückzuweisen. Vor allem ist es der Ursprung der peripherischen Nerven wurzeln, bezüglich dessen ich zu diametral entgegengesetzten Resultaten gelangt bin. Die äussere Umhüllung der Ganglienkette ist eine feste glas- helle Bindegewebsscheide, welche sich fast überall von dem Nerven- gewebe in weitem Abstand abhebt und an vielen Stellen unregel- mässige Faltungen bildet. Zu derselben kommt noch eine sehr zarte interne Hülle hinzu. Die äussere Nervenscheide, an welcher nur hier und da ver- einzelte Kerne hervortreten, steht mit der bindegewebigen Zellen- haut , welche sich an der unteren Fläche als Septum ausspannt und von beiden Seiten nach der Bauchdecke des Leibesraumes umschlägt, in Verbindung, der Art, dass die gesammte Ganglien- kette ventralwärts von dieser Membran umlagert, in den weiten Blutcanal der Bauchfläche aufgenommen wird. Was den Bau der Ganglien betrifft, so bilden die Ganglienzellen einen oberflächlichen Rindenbelag derselben, während der centrale In- halt aus feinen Nervenfibrillen, beziehungsweise aus der sogenannten Punktsubstanz Leydig's besteht, welche die centrale Füllung der beiden Hälften jedes Doppelganglions darstellt. In dichter, mehrschich- tiger Häufung liegen die Ganglienzellen an den Seiten des Ganglien- paares zwischen der Eintritts- beziehungsweise Austrittsstelle der Läugscommissur und den hervortretenden Seitennerven, so dass man rechts und links ein vorderes (Fig. 35, V Gl) und hinteres (H Gl) Ganglienlager unterscheiden kann. Dazu kommen noch an der Medialseite jedes Ganglions oberhalb der verbindenden Querbrücke beider Ganglien ein vorderes (M Gl') und ebenso unterhalb derselben ein hinteres mediales (M Gl") Ganglieh- lager, welche untereinander und mit den seitlichen Ganglienlagern ') Leydig, Vom Bau des thierisehen Körpers, Handbuch der yergl. Ana- tomie. Tübingen. 1864. (103) 46 Dr. 0. Claus: durch eine oberflächliche Lage von Ganglienzellen an der unteren, der Bauchdecke zugekehrten Fläche des Doppelganglions in Continuität stehen ' Taf. VII, Fig. 54) , an der dorsalen Seite dagegen durch die hier oberflächlich zu Tage tretenden fibril- lären Züge getrennt bleiben. Erst in der Tiefe, der schwach gewölbten ventralen Fläche des Doppelganglions genähert, markiren sich bei entsprechender Einstellung die beiden Centren der sog. molekularen Substanz, welche bei Phronima hinter den deutlich ausgeprägten Fibrillenziigen bedeutend zurücktreten. Nach Leydig sind die beiden den Kern jedes Ganglions (Ganglienhälfte, wenn man mit Leydig das Ganglienpaar oder Doppelganglion einfach als Ganglion bezeichnet) bildenden Centren von Punktsubstanz stets durch eine mächtige Quercommissur verbunden. Nun sind quere Verbindungsfasern gewiss überall zwischen beiden Centren vor- handen, ebenso gewiss aber stehen bei weitem die meisten der in jener Commissur enthaltenen flbrillären Züge mit der Punktsubstanz in keiner weitern Beziehung, sondern haben die Bedeutung selbst- ständiger, von benachbarten Ganglienzellen kommender, sich schräg kreuzender Nervenfasern, welche durch die Punktsubstanz hindurch in die Nerven des Doppel- ganglions übertreten. Diese Beziehung lässt sich an der Bauchkette von Phronima, in deren Ganglion die sogenannte Punktsubstanz auf Kosten der bestimmt ausgeprägten Züge von Nervenfibrillen bedeutend zurücktritt, mit Bestimmtheit nach- weisen, so dass die bislang herrschende und noch neuerdings von D i et 1 *) sehr entschieden unterstützte Anschauung L e y d i g's , nach welcher die Fibrillen („streifige Substanz") der peripherischen Nerven lediglich aus den centralen Herden von Punktmasse her- vorgehen, gegen welche sich die Stiele der Ganglienzellen richten, um ihre fibrilläre Substanz dort beizumengen, unhaltbar erscheint. Betrachten wir zunächst die näheren Verhältnisse der Gan- gliengruppen und ihrer Elemente, so ist zunächst hervorzuheben, dass die bei weitem grössere Mehrzahl der Ganglienzellen multi- polare Ganglienzellen sind. Im Allgemeinen besitzen die- selben eine bedeutende mittlere Durchschnittsgrösse und einen ') M. J. Dietl, die Gewebsei eme rite des Centralnervensystems bei wirbel- losen Thieren. Innsbruck 1878, pag. 22, 23. Dietl stellt noch dazu für die wirbel- losen Thiere überhaupt die Behauptung auf, dass niemals Ausläufer von Ganglien- zellen direct in die Bahnen der peripherischen Nerven übertreten , dass sich viel- mehr überall erst aus der netzartig tibrillären ..Marksubstanz" die Faserzüge der peripheren Nerven sammeln. 001) Der Organismus der Phronimiden. -!7 relativ sehr grossen, meist mehrere Kernkörperehen einschliessen- den Kern, welchen der membranlose Zellleib mantelartig umlagert. Nur an den ungewöhnlich vergrösserten Ganglienzellen, welche ganz constant in jedem vorderen und hinteren lateralen, sowie in dem hinteren medialen Ganglienlager auftreten , erscheint der Proto- plasmakörper der Zelle ausserordentlich verstärkt und mächtig ent- wickelt (Taf. VII, Fig. 55 und 57). In der Regel gelingt es in jeder Gruppe zwei solcher, freilich nicht gleich grosser Riesenzellen nachzuweisen; indessen treten sie in dem vorderen Ganglienlager (Fig. 55, V Gl) zahlreicher auf, doch so , dass eine derselben die übrigen an Umfang bedeutend übertrifft. Sucht man die Ner- venzellen an völlig intacten und vollkommen aufgehellten Präpa- raten (Osmium, Alkohol, Picrocarmin) , in welchen die Theile in ihrer natürlichen gegenseitigen Lage unverändert erhalten sind, ihrer Form und Begrenzung nach genau zu bestimmen , so findet man allerdings an den unregelmässig eckigen, hie und da polygo- nalen Zellen fast regelmässig nur einen einzigen Nervenfortsatz, ist jedoch in günstigen Ausnahmefällen im Stande, einen zweiten, beziehungsweise dritten und vierten ungleich zarteren Ausläufer zu entdecken. Solche Bilder können nicht etwa auf künstlich erst durch die Untersuchungsmethode hervorgehobene Veränderun- gen des Protoplasmas zurückgeführt werden , da die Fortsätze viel zu langgezogene Fäden sind, auch jegliche Bindegewebshülle fehlt, von welcher sich etwa das geschrumpfte Protoplasma unter Zurücklassung peripherischer Stränge zurückgezogen haben könnte. Vielmehr wird umgekehrt, sobald für eine Anzahl solcher Ganglien- zellen die Existenz mehrerer fibrillärer Protoplasmaausläufer neben dem stärkeren Nervenfortsatz mit Bestimmtheit erkannt wurde, der Mangel ähnlicher Ausläufer an den Ecken der übrigen Zellen auf eine abnorme Veränderung, auf Unterbrechung der Continuität peripherischer Fortsätze mit dem Zellleib zurückzuführen sein. Unter solchen Umständen wage ich nicht nur die grössere Mehr- zahl der Ganglienzellen von Phronima als multipolare im Sinne der multipolaren Zellen aus dem Rückenmark der Vertebraten zu deuten, sondern das Vorkommen unipolarer Zellen zu bestreiten, jedenfalls für höchst unwahrscheinlich zu halten. Die zarten, als protoplasmatische zu bezeichnenden Ganglienfortsätze würden wohl zu dem sehr feinen Netzwerk der sogenannten Punkt Substanz auch bei den Arthropoden in gleicher Beziehung wie bei den Vertebraten stehen. Jedenfalls repräsentirt das ver- meintliche Netzwerk der Punktsubstanz nicht die Centren, aus (105) 48 Dr. C. Claus: welchen dip peripherischen Nerven hervorgehen , sondern könnte nur das Communicationssystem der centralen Herde der Nerven- erregung, der Ganglienzellen sein, deren Nervenfortsätze als Wurzeln in die peripherischen Nervenbahnen über- geh en. Wahrscheinlich aber handelt es sich in der Punktmasse zum grösseren Theile um eine bindegewebige der Neuroglia der Verte- braten vergleichbare Substanz, zu der die kleinen ovalen Kerne gehören, welche im Innern der Marklager auftreten. Eine zweite Form von Ganglienzellen, deren Auftreten bei Wirbellosen von keiner Seite bestritten wird, ist die bipolare Nervenzelle. Dieselbe wird auch in dem Ganglion von Phronima vornehmlich in dem oberen medialen Ganglienlager und in dem ventralen epithelähnlichen Belage von Ganglienzellen leicht aufge- funden. Die bipolaren Zellen (Fig. 56, b) gehören vorwiegend zu den kleineren Ganglienzellen und sind rundliche bis spindelförmig verlängerte Körper mit grosser Kernblase und zwei untereinander wie es scheint gleichwerthigen Nervenfortsätzen an den beiden wohl meist gegenüberliegenden Polen der dünnen Protoplasmawand. Es liegt nahe, einen Theil derselben auf Centren der sympathi- schen Nerven zu beziehen, und da bei Phronima und verwand- ten Ga mm ariden von den Bauchganglien abgesetzte gesonderte Eingeweideganglien nicht existiren , so erscheint die Vermuthung berechtigt, dass die entsprechenden Centren innerhalb der Scheide des mächtigen Baucbganglions in diesem selbst enthalten sind und ihre Fasern den breiten seitlichen Nervenstämmen hinzugesellen. Die sympathischen Fasern würden dann in einzelnen der bipo- laren Ganglienzellen wurzeln, welche gerade an denjenigen Stellen auftreten , an welchen bei den Hexapoden gesonderte sym- pathische Ganglien ihre Lage haben (vergl. Leydigl. c. Taf. IX Fig. 2, Ganglion von Carabus). Allerdings ist bislang selbst über das anatomische Verhalten des Sympathicus im Kreise der Arthrostraken wenig bekannt, was über die von Leydig1) für Oniscus, Porcellio , Asellus etc. gemachten Angaben hinausreicht. Doch werden wir im Organismus der Amphipoden schwerlich an der Existenz von sympathischen Nerven zweifeln können, welche den Schlund und Magen, den Darm, sowie die Herzmusculatur versorgen. Ob freilich der von mir bei Besprechung des Herzens be- schriebene dorsale Fibrillenstrang mit seinen grossen , Ganglien ähnlichen Zelleinlagerungen wirklich nervöser Natur ist, mag vor- ') Vergl. Leydig 1. c. pag. 206. (IOC) Der Organismus der Phronimiden. 49 läufig dahingestellt sein, sicher verläuft auf der Dorsamäche des Oesophagus und Magens ein unpaarer medianer Nerv . wie man sich leicht an jedem gelungenen Querschnitte überzeugen kann. Wahrscheinlich entspringt auch dieser Schlundnerv direct dem Gehirn , da ich vergeblich nach einem unpaaren Stirnganglion suchte, welches nach L erdig bei den Isopoden in der That vor- handen sein soll. Den unpaaren Schlundnerven findet man aber auch an der untern Gehirnfläche als medialen Nerven wieder. Was nun den Faser verlauf im Bauchmark anbetrifft, so lässt, sich zunächst mit grosser Bestimmtheit die Thatsache nachweisen, dass die longitudinalen Fasern der sogenannten Längs- commissuren zum grossen Theil als breite dorsale Fibrillenstränge das nachfolgende Ganglion in gerader Richtung durchsetzen, während allerdings die äussersten Fibrillenbündel in der vorderen Hälfte des Ganglions auswärts umbiegen und in die Seitennerven einstrahlen. Eine Trennung von oberen (dorsalen) und unteren (ventralen) Strängen im Sinne Newport's, von denen die erstem motorisch, die letztern sensibel sein sollen , vermochte ich eben so wenig für Phronimä, wie Le yd ig für andere Arthropoden zu constatiren, wenngleich ich durchaus für wahrscheinlich halte, dass die Fibril- lenzüge an der ventralen Fläche des Bauchstranges in der That die centripetalen sensiblen Elemente sind. Dagegen habe ich wiederum eine Auflösung von tiefer liegenden Fibrillen dieser beiden Marksäulen in die reticuläre Punktsubstanz nicht bestätigen, beobachten können, so dass ich zunächst nur als feststehend betrachte, 1. dass ein Theil der Längsfasermasse das Ganglion vollständig durchsetzt und zur nächsten Commissur geht . und 2. dass ein kleiner Theil von Fasern nach aussen umbiegt und in die Seitennerven einstrahlt. Der bei weitem grössere Theil der Faserzüge, welche in den Seitennerven eintreten, wurzelt in den Elementen des Ganglions selbst, aber nicht in der molekularen oder reticulären Punktsubstanz, sondern in den Nervenfortsätzen der Ganglienzellen, welche keines- wegs wie gestielte Kugeln der centralen Punktsubstanz aufsitzen, sondern ihre Nervenfortsätze als ein doppeltes System sich kreuzender Querfasern nach der entgegengesetzten Hälfte des Doppelganglions in die Seitennerven ent- senden. Diese, wie mir scheint, bedeutungsvolle Thatsache von dem gekreuzten Ursprung zahlreicher Nervenbahnen in den Gan- glien der Bauchkette lässt sich an glücklichen Präparaten mit aller Sicherheit constatiren (Fig. 55). In der vorderen Hälfte (107) 50 Dr. C. Claus : der commissurenähnlichen Q,uerbrücke jedes Ganglions kreuzen sich die schräg herabsteigenden Fasersysteme der vorderen seit- lichen Ganglienlager, in der unteren Hälfte derselben die ent- sprechenden Faserzüge der hinteren seitlichen Ganglienlager, so dass der Nervenstamm der linken Seite vom Ganglienlager der rechten einen guten Theil seiner Fasern empfängt. Zwischen dem vorderen und hinteren Systeme der sich kreuzenden Fasern ver- laufen noch rein transversale Fibrillenzüge , welche mit grösserem Rechte auf Quercommissuren beider Ganglienhälften bezogen wer- den könnten , indessen wohl zum grossen Theile als tiefere Fasern beider Kreuzungssysteme zu betrachten sind. Immerhin aber be- stehen transversale Verbindungsfasern zwischen beiden Ganglien- hälften, welche die Bedeutung einer Quercommissur haben. Nun aber mengen sich den Faserzügen jedes Seitennerven zahl- reiche Fibrillen aus Ganglienzellen der gleichen Hälfte ein, indem die Nervenfortsätze aus den seitlichen Ganglienkernen sogleich in bogenförmigem Verlaufe nach aussen biegen und in die Nerven- stämme eintreten. Zu diesen ungekreuzten Faserzügen gehören auch die aus den grossen Riesenzellen entspringenden breiten bandför- migen Nervenfasern, welche sich sehr deutlich von den umgebenden zarteren Fibrillen abheben (Fig. 55, Fig. 57) und bis in den vor- deren Abschnitt des seitlichen Nervenstammes verfolgen lassen. Zu diesen ungekreuzten Nervenbahnen gehört auch ein Theil der aus dem vorderen medialen Ganglienlager und dem angrenzenden ven- tralen Zellenbelage hervortretenden Fibrillen, während umgekehrt die Zellen des hinteren medialen Ganglienlagers dem gekreuzten Fasersysteme angehören und auch die „Stiele" der oberflächlichen Ganglienzellen an der unteren Hälfte des Doppelganglions grossen- theils schräg aufwärts nach der Medialseite gerichtet sind (Fig. 54). Endlich wird man auch in der aus dem Ganglion austreten- den Längsfasermasse. welche sich als Längscommissur zum näch- sten Ganglion erstreckt, eine Anzahl selbstständig aus den Centren des Ganglions entsprungener und den durchtretenden Faserzügen beigemengter Nervenfibrillen zu erwarten haben, da der Durch- messer der Fibrillensäule beim Austritt aus dem Ganglion keines- wegs so bedeutend vermindert ist, wie solches bei dem directen und indirecten Uebergang der seitlichen Faserbündel in die Seiten- nerven ohne den Hinzutritt neuer Fasern der Fall sein müsste; In der That weist man an günstigen Präparaten schräg abstei- gende, tiefe Faserzüge nach, welche aus den vorderen Ganglien- lagern jeder Seite in die beiden Hälften der Längscommissur ein- (108) Der Organismus der Phrouiniiden. 51 treten. Auch scheinen aus den hinteren Ganglienlagern bogen- förmig umbiegende Fasern unter Kreuzung in die Längscommissur herabzusteigen. Um über die physiologische Bedeutung der verschiedenen Fasersysteme und Gangliengruppen eine bestimmtere begründete Vorstellung zu gewinnen, möchten die spärlichen, nur im Grossen und Ganzen die Fibrillenbahnen bezeichnenden anatomischen Beob- achtungen nur höchst beschränkte und wenig sichere Anhaltspunkte ergeben. Immerhin wird, zumal ein Vergleich zu den freilich auch noch höchst mangelhaft bekannten Detailverhältnissen des Rücken- markes der Vertebraten wünschenswerth erscheint und vielleicht zur Aufstellung einiger Gesichtspunkte führt, der Versuch einer physiologischen Ergänzung des gewonnenen Bildes gestattet sein. Wenn wir an die Auffassung der Autoren, wie Newport und Helm ho ltz anknüpfend, die tieferen, das heisst der Bauch- decke zugekehrten Faserzüge als sensible, die höheren dorsalen als motorische betrachten, so würde diese Deutung nicht nur der morphologischen Beziehung von Vertebraten- und Articulatenleibern vollkommen entsprechen, sondern auch gut zu dem ventralen Be- lag von Ganglienzellen stimmen, in welchem die gewissermassen im Gentium zurückgebliebenen Aequivalente der Spinalganglien zu suchen wären. Die grossen Ganglienzellen und ein Theil der multipolaren Elemente aus den seitlichen Ganglienkernen würden als motorische , die Ganglienzellen mit den tiefer liegenden , sich kreuzenden Faserzügen als reflectorische Centren in Frage kommen, zu denen endlich die am tiefsten ventralwärts verlaufenden mit dem oberflächlichen Belage von Ganglienzellen in Verbindung stehenden Faserzüge als vorwiegend sensibler Natur hinzukommen. Die in den Sehlundcommissuren zu den Langscolumnen des Bauchstrangs absteigenden Fibrillenbündel würden die centralen Leitungswege repräsentiren , welche mit dem obersten Gliede des Projectionssy stemes, dem Sitze der Empündung und des Willens in con- tinuirlicher oder durch Internodien von zwischengeschobenen Ganglien vermittelter, indirecter Verbindung stehen. In welchemTheile des Ge- hirnes wir jenes System von Ganglienzellen zu suchen haben, wird sich bei Besprechung des letztern mit Wahrscheinlichkeit ergeben. Im Allgemeinen stimmen die einzelnen Ganglienpaare der Thoraxsegmente nach Lage und Anordnung der Ganglienzellen, sowie nach Faserverlauf untereinander überein , auch die beiden hinteren bis zur Verschmelzung aneinander gerückten Brustknoten zeigen bei merklich reducirter Grösse die gleichen Verhältnisse, 52 Dr. C. Claus: jedoch mit der Modification , dass die hinteren Ganglienlager des vorletzten und die vorderen des letzten Ganglions im Umkreis der verkürzten Längscommissuren ohne Grenzen in einander über- gehen. Das letzte Ganglion, dessen Nerven das. 7. Brnstsegment nebst zugehörigem Gliedmassenpaare versorgen , erscheint zudem schmäler und weit mehr gestreckt, indem die Austrittsstelle der Seitennerven an das hintere Ende , unmittelbar neben die aus- tretenden schmächtigen Längscommissuren , gerückt ist , deren Fasermenge eine beträchtliche Reduction erfahren hat. Auch das aus Verschmelzung von 6, beziehungsweise 7 Ganglien ent- standene untere Schlundganglion, welches wir nach Werth und Bedeutung dem Bauchmark gleichsetzen, immerhin aber mit Ley- dig als untere Gehirnportion bezeichnen und dem Nachhirn nebst Kleinhirn der Vertebraten vergleichen können, zeigt durch- aus die gleichen Faserzüge und Ganglienlager, letztere freilich auf zusammenhängende seitliche und mediane Reihen von Nerven- zellen zusammengezogen. Die vergrösserte Zahl der Commissuren und der sich kreu- zenden queren Fibrillenzüge in der untern Schlundganglienmasse gibt einen Ausdruck für die Zahl der verschmolzenen Ganglienpaare, von denen wir die beiden letzteren mit ihren vereint austretenden Seitennerven ohne Weiteres als die Ganglien der beiden vorderen, die Gnathopoden tragenden Thoracalringe erkennen. Für die vier (fünf) vorausgehenden Ganglienpaare ergibt sich freilich eine viel innigere Concrescenz, welche darin ihren eigenthümlichen Charakter erhält, dass die entsprechenden, zu den Mundesglied massen (und zur 2. Antenne) gehörigen Nerven, den Fasern der Schlundcommissur beigemengt, erst im Verlauf derselben zum Theil kurz vor ihrem Eintritt in das Gehirn als Nerven1) hervortreten (Taf. VI, Fig. 53). So erscheint es auch begreiflich, dass sich der Ganglienbelag über die Commissur bis zum Uebergang in die Stammlappen des Gehirns fortsetzt, und dass an der Eintrittsstelle derselben in das untere Schlundganglion eine mächtige Lage schlingenförmig ') Ich betrachte diese bei Phroiiima für die Nerven der Kiefer gefundene Thatsache als einen interessanten und wichtigen Beleg für die bereits früher (C. Claus. Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen Grundlage des Crustaceensystems, Wien, Gerold 1876) von mir vertretene Auffassung, dass die Nerven für die 2. Antennen nicht im Gehirn, sondern in der unteren Schlundganglieninasse wuizeln aus der sie bei Daphnidenund Phyllopoden noch direct hervortreten, während bei anderen Formen ihre Austrittsstelle in die Commissur und endlich in das Ge- hirn verlegt wird. (110) Der Organismus der Phronimiden. 53 umbiegender, an jeder Seite aufwärts emporsteigender Nervenfasern, welche gekreuzten Faserzügen entsprechen, bemerkbar wird. Die Schlundcommissur repräsentirt mit anderen Worten zum guten Theil den vorderen Abschnitt des infra-ösophagealen Ganglions selbst. Ein ganz besonderes Interesse auch mit Bezug auf den dar- gestellten Bau der Ganglien dürfte die feinere Structur des Ge- hirns beanspruchen , dessen breitgezogene Form bereits von A. Pagenstecher (Nr. 7) und neuerdings von Oscar Schmidt '-') im Allgemeinen beschrieben und zutreffend abgebildet worden ist. Die beiden medialen , durch ein queres Commissurensystem ver- bundenen Anschwellungen scheinen nach Bau und Gestalt ein < Gan- glion der Bauchkette zu wiederholen, verlängern sich jedoch nach dem Scheitel zu in zwei conisch erhobene, vornehmlich im männ- lichen Geschlecht hervortretende Zipfel, welche durch einen band- förmigen Fortsatz ihrer Bindegewebsscheide am Kopfintegument üxirt sind (Fig. 58 Li'). Der vordere frontale Abschnitt des pri- mären Hirnganglions endet mit kolbig vorgewölbten Lobi , dessen Form nach Alter und Grösse innerhalb gewisser Grenzen variirt. Beide Vorderlappen sind nur durch eine sanfte mediane Einbuch- tung getrennt und nehmen an ihrer unteren, dem Oesophagus auf- liegenden Fläche die Fasermasse des Schlundrings auf, welche wir nach dem beschriebenen Faserverlauf des Bauchmarks von vorn- herein geneigt sind, dem Grosshirn-Schenkels^^stem der Vertebraten zu vergleichen. An der äussern Seite des Vorderlappens entspringt dorsal- wärts der lange , schräg über das Gehirn rücklaufende Nerv für die vordere Antenne (A' N). Ventralwärts an der Uebergangs- stelle der Commissur wurzelt ein sehr schmächtiger , beim Männ- chen etwas stärker entwickelter Nerv , den ich als zur zweiten Antenne, beziehungsweise deren Rudiment, gehörig betrachte. Einen besondern frontalen Sinnesnerven habe ich nicht nachweisen können, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass ein zarter medialer Zweig, welcher an einer durch Einlagerung von Ganglienzellen verbreiterten Stelle des mächtigen Antennennerven entspringt, auf das leider auch nicht aufgefundene frontale Sinnesorgan Be- zug hat. An der Aussenseite des mittleren , als primärer Gehirnab- schnitt zu betrachtenden Doppelganglions erhebt sich eine umfang- a) 0. Schmidt. Die Form der Krystallkegel im Arthropodenauge. Zeit- schrift für wiss. Zool. Tom. XXX. Supplementband 1878. (in) 54 Dr. C. Claus: reiche Anschwellung (Äg), deren Bedeutung als Augenganglion umsoweniger zweifelhaft sein kann, als dieselbe das Fasersystem der Augennerven entsendet. Das Augenganglion hat eine unregel- mässig kugelige Form, erscheint aber stets an seiner Vorderfläche in einen medianwärts schräg vorspringenden Höcker ausgezogen, welcher zur Seite des Vorderlappens eine tiefe, länglich ovale Einbuchtung veranlasst (Fig. 58 J.). Etwas stärker prominirt eine Erhebung in der Mitte der Vorderfläche, sowie eine dritte weiter nach auswärts gelegene Vorwölbung an der hinteren, das heisst dem Scheitel zugekehrten Fläche. Die beiden vordem Vorsprünge sind durch einen verdickten Ganglienzellenbelag, dessen angeschwollene Enden sie darstellen, verbunden und bilden gewissermassen eine schräg gestellte kappen- förmige Gangliendecke, welche die Vorderfläche des später näher zu berücksichtigenden innern Marklagers umgrenzt. Die hintere knieförmig vorspringende Anschwellung ist ebenfalls eine Häufung von Ganglienzellen, welche mit den hintern Gehirnlappen durch ein langgezogenes Lager von Ganglienzellen in continuirlicher Verbindung steht. Schon im Augenganglion vollzieht sich die Sonderung der zu den Sehorganen gehörigen Nervenbahnen in zwei völlig ge- trennte Faserzüge, welche nach ihrem Austritt einen oberen, dem Ganglion aufliegenden und einen seitlichen, zum Wangenauge ge- hörigen Fasercomplex bilden. Die Bedeutung des letzteren als Sehnerv (Opt.) ergibt sich unmittelbar, da das seitliche Ende des- selben in den ganglionären Theil der Retina (Fig. 58 R) übergeht, welcher sich in die Retinafasern und relativ kurzen Nervenstäbe (N St) des verhältnissmässig breiteren Augenkegels fortsetzt Schwieriger ist der dem Augenganglion aufliegende Faser- complex zu analysiren, aus welchem die Retina des grossen Schei- telauges hervorgeht. Derselbe entspringt dem hinteren, dem Scheitel zugekehrten Abschnitt des Augenganglions und setzt sich aus einer breiten aber flachen Lage schräg nach vorn conver- girender Fibrillen zusammen, die nach Aufnahme bipolarer Ganglienzellen in die Retinafasern zu den langen Nervenstäben um- biegen. Die letzteren sind in Form eines langgestreckten spitzen Kegels zusammengedrängt, dessen Basis sich der Scheitelfläche zugekehrt, während die Spitze desselben, dem convergirenden Verlaufe der Opticusfasern entsprechend, nach vorn gerichtet ist und mittelst eines strangförmigen aus der Hülle des Auges her- vorgehenden Bandes (Fig. 58 Li") vorn am Integumente des Der Organismus der Phronimidea. 55 Kopfes, einwärts vom Ursprung der 2. Antenne befestigt wird (Fig. 20). Die feste bindegewebige Membran , welche gewisser- massen als eine Art Sclera das Scheitelauge , sowie auch das Seitenauge der Wangengegend umhüllt, geht als direete Fort- setzung aus der äusseren meist weit abgehobenen Neryenscheide des Gehirnes hervor. Was die Gewebselemente anbelangt, welche im Gehirn auf- tre ten , so wiederholen sich dieselben Formen von Nervenzellen, deren bereits bei Be?prechung der Ganglien des Bauchstrangs gedacht wurde. Insbesondere kehrt der einschichtige Ganglien- zellenbelag wieder, welcher die obere (mit Rücksicht auf die Lage zur Stirn) frontale Oberfläche des primären Hirnabschnitts bedeckt und der ventralen Bekleidung jener Ganglien entspricht, zu denen der primäre Gehirnabschnitt — von den ihm ausschliesslich zu- kommenden, auf bewusste Empfindung und Willensäusserung bezüg- lichen Elementen abgesehen — ein entsprechendes, wenn auch nicht völlig homologes Glied für das vordere oder Antennen- segment1) des Kopfes repräsentirt. Beträchtlich vergrö'sserte ') Es bedarf bei dem gegenwärtigen Stande unserer Erfahrungen überhaupt .keiner weiteren Erörterung, dass von einem Augensegment im Sinne eines Meta- mers mit seinem Gliedmassenpaare weder bei sitzäugigen, noch bei stieläugigen Arthropoden die Rede sein kann. Wenn aber das Nervencentrum für das zweite Antennenpaar nebst zagehörigem Segmente in den Gehirnpartien der Commissur oder gar in dem untern Sehlundganglion zu suchen ist, so wird klar, dass das so mächtig entwickelte Gehirn, in welchem sich die Centren des Sensoriums concen- triren, in seinem primären Abschnitt lediglich ein einziges Segmentganglion enthält. G. Bellonci hat daher nicht das Richtige getroffen, wenn er in seiner Abhand- lung „Morfologia del sistema nervoso della Squilla Mantis" (aus den Annali del museo civico di storia naturale di Genova 1878) die Ansicht begründen zu können glaubt, nach welcher das Gehirn von Squilla aus drei Ganglien paaren hervorgegangen sei. Dagegen vergleicht Berger mit besserm Rechte das Gehirn einer Raupe mit einem dorsalwärts umgewendeten Bauchganglion. Im Vergleiche mit den Anneliden und der Lovenschen Larvenform entspricht der primäre Gehirnabschnitt mit seinem paarigen oder dreitheiligen (Copepoden-) Stirnauge nebst Antennenpaar der S ch ei t elplatt e welche die Uranlage des supraösophagealen Nervencentrums der Güederthiere , be- zifhungsweise das Ganglienpaar des primären K o p f ab schnit t s repräsentirt. In diesem Punkte vertrete ich vollkommen die von Hätschele ausgesprochene Auffassung. Dagegen ist das Augenganglion ein mit der Entwicklung des Seiten- auges seeundär hinzugetretener Gehirntheil. Andererseits ist es klar, dass der primäre Gehirnabschnitt ebensowenig ein dem Segmentganglion vollkommen homologer Theilabschnitt des Nervensystems ist, als der zugehörige Kopftheil einem Körper- segmente complet gleichwertig sein kann, da er aus der speeifisch organisirten, prä- valirenden Vorderregion eines ursprünglich ungegliederten Körpers hervorgegangen ist, dessen nachfolgendem Abschnitt die Segmente als untereinander gleichwerthige Theilstücke vom Werthe suboidinirter Individuen entsprungen sind. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. IL (n3) 55 Dr. C. Claus: Ganglienzellen vertheilen sich auf mehrere paarig gelagerte Gruppen, von denen die vordere hinter der Austrittsstelle des mächtigen Antennennerven liegt (Fig. G2, G Gz'). Eine zweite Gruppe findet sich mehr medialwärts , aber auch an der obern dorsalen Gehirnfläche an der Basis des hutförmigen Hinter- lappens (G Gz"). Tiefer und mehr der ventralen , dem Schlünde aufliegenden Fläche genähert liegt eine mediale Gruppe sehr grosser Ganglienzellen an dem tiefen hintern Hirnausschnitt zwischen den beiden hutförmigen Hinterlappen (G Gz"7), sodann findet sich eine reihenförmig geordnete Gruppe solcher Nervenzellen (G Gz"") seitlich am Hinterrande in dem langgezogenen seitlichen oder Grenzganglienlager, welches die Verbindung zwischen Gehirn und Augenganglion herstellt (Gr. Gl.). Endlich kommen Gruppen grösserer Nervenzellen an der medialen Grenze des Augenganglions, sowohl an der obern frontalen, als an der untern Oberfläche vor, welche letztere bis auf wenige Stellen des Belages von Ganglien- zellen entbehrt und verschiedene Systeme von Faserziigen, unter ihnen insbesondere die hintere mächtige Quercommissur unterhalb der Bindegewebsscheide frei zu Tage treten lässt. Selbstverständlich liegt es mir fern, die Function der erwähnten Gangliengruppen mit Rücksicht auf die bedeutende Grösse der Elemente gleichartig zu beurtheilen und in denselben Aequivalente der wahrscheinlich zu motorischen Faserzügen gehörigen Riesenzellen des Banchmarks zu vermuthen. Es würde eine solche Gleichstellung a priori um so weniger zulässig erscheinen, als ja auch im Bereich der Centren im Vertebratengehirn grosse Ganglienzellen auftreten und sodann in unserm speciellen Falle nur sehr spärliche Muskelelemente (der vordem Antenne) vom Gehirne aus ihre Nervenfasern erhalten. Weder an den grössern noch an den kleinern Ganglienzellen des Gehirns habe ich mit derselben Bestimmtheit wie an denen des Bauchmarks den Eindruck von multipolaren Zellen gewinnen können und vermag daher die Vorstellung nicht ganz zurück- weisen , dass unter denselben auch unipolare Elemente enthalten sein möchten. Eine besondere Formation sehr kleiner granulirter Nerven- zellen, wie sie an den Bauchganglien vermisst werden, gehört dem Augenganglion an, welches vornehmlich an seiner obern Fläche bis auf ein halbmondförmiges Feld über dem medialen Theile des innern Marklagers (Fig. 62) von einem ziemlich dichten Belag dieser kleinen Nervenzellen bedeckt wird. Derselbe ver- stärkt sich aber an den beschriebenen, winklig vortretenden Höckern Der Organismus der Phronimiden. 57 zu ganz ansehnlichen kappenförmigen Ganglienlagern , von denen das hintere und in geringerm Masse das seitliche Ende des vor- dem Lagers zwischen die Markmasse keilförmig einspringen und durch diese innern Ausläufer die Enden einer Bogenlinie bezeich- nen, welche die Grenze eines innern und äussern bereits von E. Berger unterschiedenen Marklagers darstellt (Fig. 58 JM1 und AMI). Dazu kommt noch eine mächtige Häufung von Ganglien- zellen an der Austrittsstelle, besonders des seitlichen Sehnerven, die wohl zum Theile dem keilförmigen Ganglion , welches Berg er1) bei Decapoden und Insecten zwischen Opticus und äusserm Marklager des Augenganglions unterschieden hat, gleich- werthig sein möchte. Centrale, im Innern des Gehirns gelagerte Gangliengruppen, sogenannte „Ganglienkerne", sind nicht vorhanden, und wenn wir von einzeln zweifelhaften Zellen absehen , welche an der Grenze beider Marklager des Augenganglions zwischen den sich kreuzenden Fasern eingelagert sind, so dürften die kleinen, vor- wiegend ovalgestreckten bis spindelförmigen Kerngebilde im Innern des Gehirns durchwegs bindegewebiger Natur sein. Es wurde früher schon hervorgehoben, dass wie bei andern Arthropoden ausser der festen in unserem Falle weit abgehobenen Scheide noch eine innere zarte, durch kleine schmale Kerne bezeichnete Binde- gewebshülle vorhanden ist, von welcher das in das Innere eintre- tende bindegewebige Fasergerüst nebst den zugehörigen ovalen bis spindelförmigen Kernen abzuleiten sein dürfte. Den bei weitem vorwiegenden Antheil an der Bildung des centralen, vom gangliösen Rindenbelag und den gehäuften Ganglien- lagern umgebenen Hirnmarks nimmt die fibrilläre Nervensubstanz, welche theils in Form sehr regelmässiger, verschieden sich kreu- zender Faserzüge , theils als bestimmt begrenzte Lager sog. molecularer Punktsubstanz, oder, um Dietl's Bezeichnung zu ge- brauchen, „Marksubstanz" zur Erscheinung kommt. Die letztern erweisen sich aber an günstigen Präparaten bei Anwendung sehr starker Vergrösserungen mehr oder minder deutlich als dichte Lager verschlungener und sich kreuzender Fibrillenmassen, zu denen man in der Regel den Ein- und Austritt der zügehörigen Fibrillenbündel nachweisen kann. Eine besondere, von den Fibrillen verschiedene moleculare Substanz ist nur in beschränktem Masse ') E. ßerger, Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Arbeiten aus dem zool. Institut etc. Tom. I. Wien 1878. 8 * (115) 58 Dr. C. Claus: in den Marklagern des primären Gehirns zu constatiren. In reich- licherm Masse sind von derselben lediglich die beiden als äusseres und inneres zu unterscheidenden Marklager des Augenganglions erfüllt. In diesen handelt es sich um eine überaus feine Molecular- masse, durch welche die sich in verschiedenen Richtungen kreu- zenden Nervenfibrillen hindurchtreten. Von den Marklagern, welche bei Durchmusterung des auf- gehellten Gehirns schon unter schwachen Vergrösserungen bemerk- bar werden , sind folgende hervorzuheben : Das vordere oder das Marklager der Antennenanschwellung (VM1), das hintere Mark- lager (H Ml) der hutförmigen Hinterlappen , das seitliche Mark- lager (SM1) zwischen dem letztern und dem Augenganglion, endlich das innere (IM1) und äussere Marklager (AMI) des Augen- ganglions (AG). Untersucht man das aufgehellte Gehirn mittelst stärkerer Vergrößerung (Hart. Syst. VI bis IX), so findet man noch deutlich umgrenzt ein kleineres mediales Marklager (M M 1) an der Basis der Hinterlappen und endlich den unpaaren Centralkörper (C K), welcher wohl mit der von D i e 1 1 x) als fächerförmiges Gebilde bezeichneten Differenzirung identisch ist (Fig, 59). Der letztere bildet die Ausfüllung eines centralen Raumes zwischen höherer (IB') und tieferer (IB") Faserschichte des innern Balkens und nimmt rechts und links Faserbündel aus der Schlundcommissur auf, welche wieder in die hintern medialen Marklager eintreten. Eine schwierig zu entscheidende aber um so wichtigere Frage ist die nach der Art und Weise, wie die unterschiedenen Ganglien- systeme sowohl untereinander, als mit den Marklagern in Verbindung stehen und wie sich die aus ihnen hervorgehenden Fasersysteme zu einander und zu den Fasercolumnen der Schlundcommissur verhalten. Man sollte von vornherein glauben, dass die Schwierig- keiten , welche der Lösung einer solchen Aufgabe am Gehirn der hochorganisirten Decapoden , wie Flusskrebs und S quill a, sowie der Insecten 2) entgegenstehen und seither auch nicht an- nähernd überwunden werden konnten , an einem kleinern und ein- ') M. J. Dietl, Die Organisation des Arthropodengehirns. Zeitschrift für wiss. Zool. Tom. XXVII. 1876, pag. 498. 2) Vgl. ausser Du j ardin, Leydig, Dietl, Berger und Bellonci I.e. noch die Arbeit von Rabl-Rückhardt, Studien über Insectengehirn, Archiv für mikrosk. Anatomie 1875, sowie Dietl, Untersuchungen über die Organisation des Gehirns wirbelloser Thiere. Stzb. d. k. Akad. d. Wissensch. 1878. J. H. L. Flögel, Ueber den einheitlichen Bau des Gehirns in den verschiedenen Insectenordnungen. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie Tom. XXX. Supplemeutband. 1878. (116) Der Organismus der Phronhniden. 59 fachet organisirten Crustaceengelrirn mit Hilfe systematisch durch- geführter Schnittreihen zu bewältigen sein möchten und dass das Gehirn von Phronima zu diesem Behufe ein besonders günstiges Object sei. Wenn nun auch das letztere unbedingt zutrifft, so ergeben sich doch bei näherm Eingehen auch hier so ausserordent- lich verschlungene und complicirte Verhältnisse, dass die Hinder- nisse einer befriedigenden Einsicht mit dem fortschreitenden Ein- gehen in das Detail immer grösser werden. Immerhin gelingt es wenigstens im Grossen und Ganzen, die Hauptfaserzüge und Verbindungen zu eruiren und zwar nicht so- wohl mit Hilfe von Schnittreihen , als durch die Gunst der Con- figuration und Gestaltung des Gehirns selbst, welches in toto aufgehellt, unter starken Vergrösserungen durch seine ganze Dicke in verschiedenen Ebenen — von der dorsalen bis zur ventralen Ober- fläche hin — verfolgt werden kann. Zieht man dann noch zur Con- trole der auf diese Weise gewonnenen Ergebnisse sagittale und tran- versale Schnitte heran, so wird es wenigstens möglich, über einige der wichtigsten Punkte bemerkenswerthe Aufschlüsse zu gewinnen, welche sich wahrscheinlich in detaillirtem Specialstudium noch viel weiter ausführen lassen möchten. Bestimmt und deutlich markiren sich im Innern des primären Gehirnabschnitts mächtige in die Augenganglien einstrahlende Quercommissuren. Zwischen den vordem Gehirnanschwellungen tritt eine aus sehr dichten Zügen zarter Nervenfibrillen gebildete vordere Commissur (C a) auf, sodann an der untern dem Oesophagus aufliegenden Seite ein breites aber relativ flaches Band von vor- wiegend starken dicken Fasern, welches als hinterer oder basaler Balken (HB) bezeichnet werden mag, und endlich eine innere, den Centralkörper umgebende transversale Fasermasse von ähn- licher Beschaffenheit, aber mit complicirterem Verhalten ihrer Faserzüge, der innere Balken (IB). Es kann nach der licht- brechenden Beschaffenheit der breiten Bandfasern und der an manchen Stellen eingelagerten spindelförmig ovalen Kerne kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass diese als „Balken" bezeichneten Querfaserzüge zum guten Theil die Bedeutung eines bindegewebigen Gerüstes haben, welches den zahlreichen, oft so verschlungenen Zügen von zarten Nervenfibrillen zur Stütze dient. Indessen verlaufen zwischen denselben vertheilt und denselben auf- oder untergelagert, auch zahlreiche feine nervöse Fasern , welche als Commissuren identischer Bezirke sowohl beider Hälften des Gehirnstocks (primären Gehirnabschnitts), als besonders der 60 Dr. C. Claus: Augenganglien zu betrachten sein möchten, da in die letztere nach- weisbar zarte Fibrillenzüge beider Balken einstrahlen. Das Fasersystem des hintern Balkens beginnt dicht an dem hintern Ausschnitt zwischen den hutförmigen Hinterlappen und reicht über die Mitte der Hirnlänge hinaus, während seine Seitenarme in ausgesprochenem Bogen nach vorne ziehen und dem entspre- chend in die vordere Hälfte der Augenganglien auslaufen. Umge- kehrt beschreibt das Fasersystem des innern Balkens einen nach hinten offenen Bogen, dessen fächerartig ausstrahlende Seitenarme in den mittlem und hintern Abschnitt des Augenganglions ein- treten (Fig. 58 und 62). Von besonderer Bedeutung erscheint das Verhalten der in den Hirnstamm eintretenden Fasermasse der Schlundcommissur, deren Ausstrahlung sich wenigstens den Hauptzügen nach mit einiger Sicherheit verfolgen lässt. An dem optischen Querschnitt der sammt Schlundcommissur abgeschnittenen Vorderanschwellung des Gehirns gelingt es nachzuweisen , dass ein breites oberfläch- liches Faserbündel medialwärts vom Marklager der Antennen- anschwellung unter der Ganglienrinde aufwärts (Fig. 59, A Fz) bis in die Hinterlappen emporsteigt. Wahrscheinlich treten viele dieser Fasern in die oberflächlichen Ganglienzellen direct ein. Medial- wärts markirt sich ein tieferes, mit dem entsprechenden der andern Seite gekreuztes Faserbündel , um in das hintere Marklager der entgegengesetzten Seite überzugehen (Fig. 59, G Fb). Dieses Bündel gekreuzter Fasern tritt ausserordentlich scharf hervor und ist leicht an jedem Präparate zu constatiren, so dass die von Berger für das Gehirn der Libelle gemachten Angaben von dem Vor- handensein gekreuzter Faserzüge hier Bestätigung finden. Ein kleiner Theil der tiefer gelegenen Fasern gesellt sich den Faserzügen der vordem Commissur bei, während der Hauptstamm nach Abgabe eines breiten medialen Bündels (M Fb) für den Centralkö'rper nach Bildung eines schlingenförmigen Bogens schräg nach hinten zieht und auswärts vom gekreuzten Faserbündel in das hintere Mark- lager eintritt. Ein äusserer breiter Zweig dieses mächtigen Faser- zuges , welcher wahrscheinlich als Aequivalent des Stieles von dem pilzhutförmigen Gebilde (Flögel's Becher) am Gehirne höherer Arthropoden zu betrachten ist, schlägt die Richtung in das seitliche Marklager ein, zu welchem der Belag des Grenzganglions gehört. Aus Sagittalschnitten [Fig. 60) aber ergibt sich, dass von dem in das hintere Marklager eintretenden Hauptstamm durch die untere tiefere Abtheilung des innern Balkens eine schwaohe obere Faser- (118) Der Organismus der Phi'onimiden. 61 schlinge abgehoben wird , während die Hauptmasse der Fasern in der Tiefe verläuft. Das in den Centralkörper eingetretene mediale Nervenbündel nimmt ans jenem seinen Weg nach dem kleinen medialen Mark- lager, um ans diesem nach dem innern oder medialen Belag des hutförmigen Hinterlappens zu ziehen. An Sagittalschnitten er- kennt man ferner, dass die Nervenfibrillen aus der Peripherie des hintern Marklagers, dem Stabkranz vergleichbar, in die ober- flächlichen Ganglienlager einstrahlen (Fig. 60, Cr). Nach diesen Befanden kann es kaum zweifelhaft sein, dass der mächtige hut- fö'rmige Hinterlappen, in dessen Ganglienzellen so zahlreiche vor- nehmlich ungekreuzte Faserzüge aus der Schlundcommissur über- gehen, einen sehr wesentlichen Gehirnabschnitt repräsentirt und als Sitz der Empfindung und Willenserregung zu betrachten ist. In diesem Sinne würde er wohl auch die Elemente der pilzhut- förmigen Gebilde, welche am Gehirne von grössern Arthropoden bekannt geworden sind und zu der gleichen Deutung Anlass gegeben haben (Leydig, Berger, Bellonci etc.\ in sich ent- halten. Hierfür spricht auch die Uebereinstimmung in dem Auf- treten kleiner Ganglienzellen, die freilich in unserm Falle noch mit zahlreichen Ganglienzellen mittlerer Grösse untermischt sind. Indessen erscheint die Grenze der als Projectionscentrum zu deutenden Ganglienlager nach oben und vorne nicht näher be- stimmbar. Wahrscheinlich gehört ein guter Theil des oberfläch- lichen Ganglienzellenbelages überhaupt , ebenso wie das seitliche Grenzganglienlager in die gleiche Kategorie., und nur einzelne, vor- läufig nicht näher abzugrenzende Zellenbezirke dürften eine ähn- liche Bedeutung von Internodien wie die Ganglienkerne im Vor- derhirn der Vertebraten (Streifenhügel und Linsenkern) haben. Andererseits möchten die gekreuzten Faserzüge — und es gehören zu denselben ausser den erwähnten beiden Faserbündeln noch verschiedene, den Centralkörper des Gehirns durchsetzende Faser- züge, welche theils aus den Schlundcommissuren , theils , wie es scheint, aus dem Marklager der Antennenanschwellung stammen und vielleicht den gekreuzten Faserzügen der Haubenregion vergleich- bar sind — zu Ganglienbezirken führen, welche ähnlich wie die Gang- lien der Thalami, der vordem Kniehöcker und der Vierhügel eben- falls die Bedeutung von Internodien besitzen. Inwieweit dieselben möglicherweise mit den verschiedenen Gruppen grosser Ganglien- zellen zusammenfallen, wird später ein eingehenderes Studium zu entscheiden haben. (119) 62 Dr. C. Claus: Die als Antennenwulst zu unterscheidende Erhebung, welche an der obern äussern Seite jeder Vorderanschwellung des primären Gehirnabschnitts liegt und das vordere Marklager als Kern um- schliesst, steht mit ihrem Ganglienbelage keineswegs in directer Beziehung zu dem hervortretenden Antennennerven. Die Fasern desselben strahlen vielmehr lediglich aus ihrem centralen Mark- lager aus, in welches Faserbündel sowohl aus der vordem Com- missur als aus den Hinterlappen eintreten. Auch schien es mir an mehreren Präparaten , als wenn gekreuzte Faserzüge , wenn auch in spärlicher Zahl, vom Hinterlappen durch den Centralkörper nach dem Marklager der Antennenanschwellung zögen. Complicirter noch und schwieriger eruirbar als das bisher im Allgemeinen beschriebene Verhalten von Ganglienlagern und Nervenbahnen des primären Gehirnabschnitts zu den Faser- columnen der Schlundcommissur erscheint das Verhalten jener Centren zu den mächtigen Angenganglien und zu den aus denselben hervorgehenden Sehnerven. Zum leichtern Verständniss der Dar- stellung glaube ich am besten von den Faserzügen der beiden Sehnervenpaare auszugehen, welche aus den seitlichen Hälften des Augenganglions entspringen, oder wenn wir an ihre centripetale Function anknüpfen, in die Seitenanschwellungen des Ganglions einstrahlen. Beide Faserbündel kreuzen sich am äussern Theile des Augenganglions schiefwinklig in einer Weise, welche an die äussere Faserkreuznng J) der Opticusfasern am Insecten- und Krebsauge erinnert. Die Eigentümlichkeit würde, falls diese mor- phologische Parallele richtig ist , in unserm Fall darauf beruhen, dass die gekreuzten Faserbündel anstatt ausserhalb des Sehgang- lions zu einem Stamme vereinigt zu werden, als gesonderte Nerven für zwei rechtwinklig gekreuzte Augenkegel des Scheitels und der Seitenfläche .selbstständige Netzhautflächen erzeugen. Die Fasermasse des seitlichen Opticus gehört der vordem Hälfte des Augenganglions an ; ihre peripherischen Züge strahlen in das mächtige seitliche Ganglienlager (Fig. 62 und 63), die centralen Fasern in die vordere Hälfte des innern Marklagers ein. Der minder massige, mehr flächenhaft ausgebreitete Sehnerv des Scheitelauges läuft schräg medialwärts an der obern Fläche des Augenganglions in dessen knieförmig vortretenden hintern Ab- schnitt ein und gelangt so theils zu der äussern Hälfte des hin- tern Gano-lienlaffers , theils durchsetzt er den hintern Abschnitt l) Vgl. Berger 1. c. C20) Der Organismus der Phrommiden. 63 des äussern Marklagers. Zwischen beiden von reichlicher Mole- cularsubstanz erfüllten Marklagern, welche, wie der Querschnitt (Fig. 63) lehrt, unter einem nach oben geöffneten Winkel neben- einander liegen , kommt eine abermalige Kreuzung der aus dem äussern Marklager (AMI) in das innere (JM1) eintretenden Faser- züge zu Stande, zu deren richtiger Beurtheilung man Flächen- bilder mit Bildern des Querschnittes combiniren mnss. Die sich kreuzenden Faserzüge (Fig. 63 G Of) füllen diesen Winkelraum, in welchem an dem Grenzsaum beider Marklager spindelförmige Bindegewebskerne eingelagert sind, ziemlich voll- ständig aus. Diese der innern Kreuzung im Augenganglion ent- sprechende Faserkreuzung vollzieht sich in der Weise, dass die aus der vordem und mittlem Gegend des äussern Marklagers kommenden Fasern schräg von oben nach unten und etwas rück- wärts herabsteigen und fächerartig in das innere Marklager ein- strahlen, um wiederum an dessen Medialseite durch das angren- zende seitliche Marklager des Gehirns in das quere Commissuren- system überzugehen, welches durch die tiefere Faserlage des innern (I B") und des hintern Balkens (H B) bezeichnet wird. Denselben gesellt sich auch ein aus dem hintern Ende des innern Mark- lagers hervorstrahlendes Faserbündel hinzu (Fig. 62 S Fb), welches schlingenförmig die gewölbte Medialseite jenes umgreift, um dann unter plötzlicher Veränderung der Richtung in die transversale Bahn des innern Balkensystems einzubiegen. Ferner treten in diese mächtige Fasermasse zahlreiche Ner- venfasern ein, welche ans dem obern oder dorsalen Ganglienzellen- belage des Augenganglions entspringen, das innere Marklager durchbohren und schlingenförmig umbiegend medialwärts in das seitliche Marklager übertreten. Umgekehrt verhalten sich die den hintern Abschnitt des äussern Marklagers fächerartig durchsetzenden Faserzüge des zum Scheitelauge gehörigen Sehnerven. Diese convergiren in dem Winkelraum medialwärts und treten hier wie es scheint theil- weise in den dorsalen Zellenbelag des Augenganglions ein, theil- wreise aber durchsetzen sie die oberflächliche dorsale Partie des innern Marklagers und folgen dem entsprechend bei ihrem Eintritt in den primären Hirnabschnitt dem Commissurensystem der obern Abtheilung des innern Balkens (I B'j. Somit gelangen eine reichliche Menge von Sehnervenfasern sowohl des seitlichen wie des Scheitelauges theils direct, theils erst durch die Internodien der eigenthümlichen kleinen Zellen- (121) 64 Dr. C. Claus: formation des Augenganglions in die entgegengesetzte Hirnhälfte, an deren Oberfläche die zugehörigen Projectionscentren liegen. Immerhin mag ein Theil der Jetztern Faserzüge lediglich die Bedeutung von Commissuren zwischen identischen Zellengebieten beider Augenganglien besitzen. Aber auch ein ungekreuztes Fasersystem verbindet die kleinen als internodiale Centren zu betrachtenden Ganglienlager des Augenganglions mit Gehirntheilen der gleichen Hälfte. Ein solches breites schräges Commissurenband besteht sowohl an der dorsalen Seite zwischen dem oberflächlichen Belage des Augengang- lions und dem Grenzlager (Gr. Gl.) von Ganglienzellen, welches dem seitlichen Marklager anliegt (Fig. 62 V Fz), als mehr vorn und in der Tiefe der benachbarten Gehirnregion, in welcher ein minder breites , aber immerhin mächtiges Faserbündel aus der vordem Ganglienkappe des Augenganglions schräg einwärts nach dem Hinterlappen zieht. Dazu kommen endlich noch oberflächliche und tiefe Faserbahnen , welche in schräg bogenförmigem Verlaufe den vordem und hintern Ganglienbelag desselben Augenganglions miteinander verbinden. Wenn in der kleinzellig granulären Ganglienformation, welche den Belag, sowie die kappenförmigen Wülste des Augenganglions ausmachen , ähnlich wie auch bei Insecten und höhern Krebsen (Berger), ein internodiales Glied für die Sehempfindung vorliegt, so wird man sich auch für die durch den Antennennerven ver- mittelte Sinnesempfindung nach einem Zellenlager von entspre- chendem Werthe umsehen, welches etwa nach Art eines Tractus oder Bulbus Olfactorius dem primären Gehirnabschnitt anlagert. So sicher nun auch die Antenne mit ihrem an den zarten Cuticular- fäden vorliegenden Endapparat eine specifische Sinnesempfindung vermittelt, die immerhin mit Leydig am nächsten der Geruchs- function höherer Thiere zu vergleichen sein dürfte, so vergeblich wird man das entsprechende internodiale Centrum am Gehirne selbst nachzuweisen suchen. Dasselbe liegt vielmehr als ein kleines oder mächtiges (Männchen) Ganglion in der Antenne selbst, und erweist sich als ein dicht gehäuftes Lager derselben kleinen Ganglienzellen - Formation , welche wie die des Augenganglions — dem primären Gehirnabschnitt gegenüber — als eine mit der Entwicklung des Sinnesorganes hinzugetretene secundäre Bildung aufzufassen sein möchte. Dann aber würden wir noch eine , den Ganglienzellen der Retina entsprechende dritte Gruppe von Zellen , deren Nervenfibrillen in die Substanz der (122) Der Organismus der Phronimiden. C5 Cutieularanhänge eintreten, in der Peripherie des Ganglions zu erwarten Laben. Bezüglich des zweiten Antennennerven und dessen Ursprungs- stelle, welche bekanntlich bei den Cladoceren eine subösophageale Lage hat, erlaube ich mir noch anhangsweise eine kurze Erläute- rung zuzufügen , um der Meinung zu begegnen , als hielte ich das Verhalten der Cladoceren für das ursprüngliche des Arthropoden Stammes überhaupt. Im Vergleiche mit der L o v e n'schen Larve und den aus derselben hervorgehenden Wurm- formen betrachte ich die Region des zweiten Antennenpaares dem Mundsegment des Annelidenkopfes gleichwerthig , dessen Nerven- centrum in dem Ganglienzellenbelag der Schlundcommissur liegt. In den Fällen einer noch indifferenten Gestaltung des Bauchstrangs, wie bei den Gephyreen, sehen wir den Ganglienzellenbelag des Bauchstrangs in gleicher Weise über den Schlundring aus- gebreitet, der nichts als ein in seinen Hälften auseinandergelegter Theilabschnitt des Bauchstrangs ist. Man weist dies besonders zutreffend an E chi um s- Larven nach. Mit anderen Worten, es sind die beiden von der Scheitelplatte ausgehenden langgestreckten Hälften des Schlundrings unterhalb des Schlundes zu dem Anfang des Bauchstrangs zusammengelegt, dessen Ganglienzellen hier wie dort jederseits in Form von Knoten gehäuft dicht aufeinanderfolgen. (Vorläufer von Metameren oder Ganglien der Bauchkette, ver- gleichbar den Hingen im Umkreis der Chorda von Chimaera als Vorläufer von Wirbelkörpern oder den integumentalen Ringen der Hirudineen.) Scheitelplatte und obere Partie des langen noch ectodermalen Schlundrings entsprechen dem Gehirn , die untere dem Schlünde anliegende Partie des Schlundrings gehört zur Region des Mundabschnitts am Larvenkörper. Erheben wir uns zu den Gliederwürmern mit Ganglienkette, bei denen sich Ganglien als Metameren gesondert haben, so scheint ersichtlich, dass das entsprechende Stück des Mundsegments, wenn nicht ausschliesslich, so doch vornehmlich in dem Ganglien- zellenbelag der Schlundcommissur zu suchen ist, ohne dass es zu der Entstehung eines wahren Ganglienknotens für diesen Kopfabschnitt kommt. Die Schlundcommissur ist also keineswegs ursprünglich als eine in ihren Hälften auseinander- gewichene intersegmentale Längscommissur zweier Ganglien auf- zufassen , sondern als der in seinen Hälften getrennte Central- abschnitt der zugehörigen Region, gewissermassen das getheilte Ganglion des Mundsegmentes selbst (vergl. Branchipus), von (123) 66 Dr. C. Claus: welchem aus nach DifFerenzirung intersegmentaler Nervencommis- suren (offenbar ein erst später erfolgter secundärer Vorgang) die Ganglienelemente sich auf die untere Schlundportion concentrirt (Cladoceren) , in anderen Fällen aber auch mit dem Gehirn sich vereinigt haben können. Die mannich faltigen Gestalt- veränderungen und Bewegungen, welche die Ganglien der Bauch- kette im Laufe der Metamorphose erfahren können (Crustaceen, Schmetterlinge etc.) , illustriren nach einer andern Richtung die Möglichkeit eines solchen Verhältnisses, nach welchem dies Aequivalent des Ganglions für Mundsegment und primäre Mundgliedmasse, die zweiten Antenne, ursprünglich in dem Ganglienbelage der Schlundcommissur gelegen ist, ein für sich isolirtes Doppelganglion aber gar nicht zur Ent- Das Auge. Die merkwürdige Theilung des Hyperidenauges in zwei völlig gesonderte, verschiedenen Sehfeldern entsprechende Augen- abschnitte erreicht wohl bei den Phronimiden, bei denen sie das Auftreten eines hohen mächtigen Scheitelauges und eines breiten aber niedrigen Seitenauges der Wangengegend bedingt, ihren Höhepunkt. Wie bereits aus der Beschreibung des Gehirns ersichtlich, wird diese Duplicität dadurch herbeigeführt, dass die Opticus- fasern in der Gegend der äussern Faserkreuzung des Angen- ganglions als zwei gekreuzte Faserbündel hervortreten, von denen das tiefer liegende aus der vordem Abtheilung des Augengang- lions entspringt und in transversaler Richtung zum Seitenauge zieht, das obere dagegen ans der hintern Abtheilung jenes Ganglions heivorgeht und in schräg nach vorn convergirendem Verlaufe seiner Fasern die etwas abgeflachte untere Seitenwand eines dem Ganglion aufliegenden Hohltrichters darstellt, dessen Innenraum die Masse der pigmentirten Nervenstäbe ausfüllt. Die langgestreckten Nervenstäbe kehren ihre das Krystall- kegelende aufnehmenden, kernhaltigen Anschwellungen der Scheitel- flache zu, welche somit der breiten Basis des langen Kegels ent- spricht. Ihre verjüngten den Retinafasern zugewendeten Enden sind in entgegengesetzter Richtung nach vorn gewendet, liegen aber keineswegs, wie man nach den entsprechenden kurzen Nerven- stäben des sehr breiten und flachen seitlichen Augenkegels er- warten sollte , in der vordem durch das erwähnte Ligament (Li") (124! Der Organismus der Phronimiden. 67 an der Kopfwand befestigten Spitze auf eine schmale quergestellte Fläche zusammengedrängt, sondern oberhalb der durch die Aus- breitung der Sehnerven bezeichneten Fläche des Kegelmantels ver- theilt. Dieser schräg zu der Achse des Augenkegels gestellten Ebene entspricht auch die Lige des ganglionären Theils der Retina (Fig. 64 Gz R), welcher aus einer einzigen Schichte von bipolaren Ganglienzellen besteht, in welche die nach vorn gerichteten Enden der ungleich langen Opticusfasern übertreten. Die aus den Ganglien- zellen hervortretenden Fasern biegen hakenförmig , je nach ihrer Lage stärker oder schwächer gekrümmt, nach hinten (der Scheitel - fläche) um (Fig. 64) und setzen sich mit dem vordem verjüngten Ende der Nervenstäbe in Verbindung. In der Peripherie wird der Sehnerv sammt Retina und Augenkegel von einer glashellen bindegewebigen Haut umlagert, die sich als Fortsetzung der äussern Nervenscheide des Gehirns erweist und hier und da grosse ovale Kerne umschliesst, welche nicht mit den kleineren spindelförmigen Kernen des interstitiellen Bindegewebes zu verwechseln sind. Diese setzen sich auch vom Augenganglion aus durch die Sehnerven in die Retina und zwischen die Schicht der Nervenstäbe fort, zwischen denen hier und da langgezogene Bindegewebskerne zuweilen in reichlicher Zahl auf- treten. Der als Ligament (Li") bezeichnete strangförmige Fortsatz der Augenscheide enthält regelmässig an der Innenseite der äussern Bindegewebshülle eine dichte Lage bandförmiger Längs- fasern, welche mit ihren länglichovalen Kernen auf eine besondere DifFerenzirung der innern Schicht der starken Bindegewebsscheide zu beziehen sind. Diese Längsbänder treten von dem Ligament aus in den medialen Theil der Augenscheide über , den sie fast bis in die Scheitelgegend begleiten (Fig. 63). Viel regelmässiger und mit den normalen Lagenverhältnissen übereinstimmend gestalten sich die homologen Abschnitte des seitliehen Augenpaares, dessen langgestreckter Sehnerv an seinem distalen Ende eine knopfförmige Anschwellung, den ganglionären Theil der Retina, bildet. In diese strahlen die Sehnervenfasern unter starker gleichmässiger Divergenz ein, um die eingelagerten bipolaren Ganglienzellen zu durchsetzen ; die aus dem Ganglien- lager der Retina wieder hervortretenden , der Nervenbündel- schichte im Auge der höhern Arthropoden entsprechenden Fasern convergiren wiederum und bilden an der distalen Seite der knopf- förmigen Anschwellung einen Faserkegel, dessen verjüngte Spitze mit dem schmalen Endfeld des Stäbchenkegels zusammenfällt. An (125) 68 Dr. C. Claus: der Grenze beider, an ihren abgestutzten Spitzen verbundenen Kegel tritt die interstitielle Bindesubstanz, in welcher sich die bekannten spindelförmigen kleinen Kerne wiederfinden, in reichem Masse auf. Auch ist an der Grenze der Retinafibrillen die zarte durchlöcherte Membran, wie sie an der gleichwerthigen Stelle im Auge der Insecten und Decapoden schon von Max Schultze1) beschrieben wurde , am Phronima äuge mit Sicherheit nach- weisbar. Die grösste und bislang keineswegs gelöste Schwierigkeit bereitet die Frage über das Verhältniss der von den Ganglien- zellen der Retina (Max Schultze nennt diesen Augentheil Ganglion opticum) ausgehenden Nervenfasern (der Nerven- bündelschichte) zu den Sehstäben, welche bekanntlich der genannte Forscher im Anschluss an J oh. Müller als nervöse Gebilde betrachtet. Durch die bislang freilich nur in kurzem Auszug ver- öffentlichten Untersuchungen Gr enacher's 2) über das Arthro- podenauge scheint diese Auffassung eine wesentliche Stütze gewonnen zu haben. Jeder Sehstab oder nach Gr enacher's Be- zeichnungsweise Retin ula bildet einen Complex mehrerer der Länge nach aneinander gelegter Zellen, deren Innenseite je ein cuticulares Stäbchen anliegt. Bei den euconen, das heisst mit Kry stall kegeln versehenen Facettenaugen sind die Stäbchen jedes Zellencomplexes zu dem bekannten stark lichtbrechenden Achsen- gebilde des Sehstabes, welches Grenadier als Rhabdom bezeich- net, verschmolzen. Bei Phronima und den Hyperiden 3) über- haupt setzen stets fünf Zellen mit gelb pigmentirtem feinkörnigen Protoplasmainhalt den Körper je eines Sehstabes zusammen, dessen Rhabdom ein fünfseitiges, genau in die Verlängerung der Krystall- kegelachse gelegenes Säulchen darstellt. An dem die verjüngte Krystallkegelspitze aufnehmenden Vorderende erscheint der Sehstab in Folge der kernhaltigen Anschwellungen seiner fünf Zellen als fünf- blättriger Wulst aufgetrieben , auch hat an diesem Theile das Rhabdom eine bedeutendere Stärke, als in dem allmählich verjüngten proximalen Abschnitt, welcher dem ganglionären Theile der Retina zugewendet liegt. Uebrigens variirt die Länge der Sehstäbe und ') Max Sigmund Schultze, Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insecten. Bonn 1868. Taf. I, Fig. 11. 2) H. Grenacher, Untersuchungen über das Arthropoden- Auge im Aus- zuge mitgetheilt. Eostock 1877. s) Vergleiche die Abbildung Grenacher's von der Eetinula nebst Rhabdom und Krystallkegel aus dem Auge einer Hyperia. 1. c. pag. 31, Fig. 20—22. (126) Der Organismus der Phronimiden. 69 mit derselben im Zusammenhang auch die Form derselben inner- halb relativ weiter Grenzen, weniger in dem langgestreckten Scheitelauge, als in dem mit viel kurzem und breitern Sehstäben, sowie Krystallkegeln versehenen Seitenauge. Wie haben wir uns nun die Endigungsweise der Retinafasern in Bezug zu den Sehstäben zu denken, deren Substanz auch von G r e n a c h e r als das Medium betrachtet wird, in welchem sich die Lichtbewegung in Nervenerregung umsetzt? Sind die fünf Zellen des Seh stabkörpers die empfindenden Elemente , auf welche das Stäbchen x) die Lichtbewegung überträgt, und steht in diesem Falle die Basis jeder Zelle mit je einer Nervenfibrille in Verbindung, oder liegt das Nervenende in der Achse des Rhabdoms, bezie- hungsweise an dessen Basis, also genau in der Verlängerung der Krystallkegelachse, durch welche der senkrecht auffallende Licht- strahl zur Retina gelangt. Eingehende vergleichende Untersuchun- gen werden hoffentlich die erwünschte Entscheidung dieser wich- tigen Frage bringen, auf welche sich in dem bislang mitgetheilten Auszuge von Grenacher's Studien keine- ausreichend überzeu- gende Antwort findet. Allerdings vertritt Grenadier, worauf auch schon die Bezeichnung des Sehstabes „Retinula" hin- weist, vornehmlich gestützt auf die morphologische Reihe der einfachen Stemmata sowie der aconen und euconen Augen, die erstere Meinung, indessen vermissen wir für dieselbe den notwen- digen histologischen Beweis. Und so scheint vorläufig der zweite an sich theoretisch nicht unwahrscheinliche Fall keinsewegs wider- legt, nach welchem das empfindende Element nicht in den Zellen der Retinula, sondern in der Achse des Rhabdoms gelegen sei, welches wenigstens beiPhronima und den Hyperiden kein solider Stab, sondern eine fünf se itige Röhr e ist. Wäre das Rhabdom ein solider Stab in der verlän- gerten Achse des Krystallkegels , so würden gegen die von dem einfachen Punktauge auf das zusammengesetzte acone und von diesem auf das eucone Auge übertragene Anschauung, nach wel- cher das Rhabdom dem cuticularen Stäbchen entsprechend die Function habe , die Lichtbewegung in Nervenerregung im Innern der Substanz der 5 oder 7 zugehörigen Retinula -Zellen umzuwan- deln, minder erhebliche Bedenken vorliegen, von dem Einwände ') Das cuticulare Stäbchen kann desshalb aber nicht schlechthin als per c i- pirendes Element bezeichnet werden, wie dies Grenacher thut , da es als Cuticulargebilde ausserhalb der nervösen Substanz liegt und nur eine Form der Bewegung in eine andere überleitet. (127) 70 Dr. C. Claus: abgesehen, dass die für die cuticularen Stäbchen in Anspruch genommene Function noch Hypothese ist. Nun aber erscheint das Rhabdom bei den Hyperiden als ein relativ weiter fiinfkantiger Hohlkörper, dessen Wandung von den senkrecht durchgehenden, die Achse durchsetzenden Lichtstrahlen gar nicht getroffen wird. Gern gestehe ich zu, daSs im Hinblick auf die durch Gre- nacher's morphologisch so schön durchgeführte Ableitung die Möglichkeit von dem Vorhandensein eines in der Rhabdomaxe gelegenen Nervenendes in den Hintergrund tritt, halte jedoch zu ihrer vollen Beseitigung den directen Nachweis von dem Eintritt der Fibrillen der Nervenbündelschicht in die Retinulazellen für unumgänglich. Indessen ist noch eines scheinbar gewichtigen , in der That aber hinfälligen und nicht schwer zu widerlegenden Einwurfs zu gedenken, welchen neuerdings Oscar Schmidt in seinem bereits citirten Aufsatz über das Phronimidenauge erhoben hat, des Ein- wurfs, dass mit Rücksicht auf die Unregelmässigkeiten, welche die langen fadenförmig ausgezogenen Krystallkegel des Phronimiden- auges darbieten, das musivische Sehen und mit demselben die Per- ception eines Bildes für das Auge der glashellen Phronima und der Hyperiden überhaupt ausgeschlossen sei. 0. Schmidt findet seine Schlussfolgerung sogar so einfach und unabweislich , dass er- für die Zoologen, welche sich vor ihm mit dem gleichen Gegenstande beschäftigten und natürlich auch die nichts weniger als regel- mässig conischen, fadenkolbigen Krystallkegel vor Augen hatten, annehmen zu können glaubt , es habe sich keiner von ihnen die Frage vorgelegt, wie sich mit dieser Krystallkegelform die gangbare Theorie der Bildperception vertrage. Für mich selbst trifft nun diese Voraussetzung nicht zu, da ich schon seit einer Reihe von Jahren gerade aus der Gestaltung des Phronimidenauges die Unwahrscheinlichkeit der Gottsche-Schultze'schen Auffassung zu Gunsten der Müller'schen Lehren vom musivischen Sehen ableiten zu können glaubte. Auch mir sind die von jenem Forscher beschrie- benen Unregelmässigkeiten der Krystallkegelform, ebensowenig die häufigen Spaltungen und Gerinnungen in der Krystallkegelsub- stanz unbekannt geblieben, indessen schenkte ich denselben von vorne herein einfach aus dem Grande keine weitere Beachtung, weil ich diese Erscheinungen für secundäre, erst post mortem entstandene Abnor- mitäten zu deuten Anlass hatte. Und ich muss gestehen, dass ich auch jetzt noch nach eingehender Prüfung des Sachverhaltes, auf welchen 0. Schmidt die Aufmerksamkeit lenkte, meine seitherige 028) Der Organismus der Phronhniden. 71 Auffassung für durchaus zutreffend halte, um so bestimmter, als es bei zweckmässiger Behandlung der lebenden Phronima mit schwacher Osmiumlösung gelingt , der Entstehung jener Unregelmässigkeiten in der Krystallkegelform vorzubeugen. Dazu kommt noch die höchst reguläre mosaikförmige Anordnung der Krystallkegel , welche wie in den Radien einer Kugelfläche auf- geflanzte Nadeln eine höchst bestimmte und regelmässige Lage zu der empfindenden Retina einhalten. Jedenfalls ist für die mittlere Region beider Augen — ich abstrahire von der peripheri- schen Randzone der erst im Wachsthum und in der Entwicklung begriffenen Elemente — kein Grund ersichtlich , weshalb nicht die senkrecht auf die Krystallkegel fallenden Strahlen durch die gradgestreckte Achse des starren Gebildes ungebrochen bis zu den das Pigment tragenden Nervenstäben gelangen und von den ner- vösen Elementen der Retina als gesonderte einfache Lichteindrücke zur Perception gebracht werden sollten, dass also den Bedingungen des musivischen Sehens, wie sie die Müller'sche Lehre fordert, durch die vorhandene Einrichtung nicht vollständig entsprochen wäre. Wenn auch die Vorderfläche der Krystallkegel beziehungsweise der Fadenkolben im Scheitelauge nicht dem Segmente einer Kugel entspricht und bei den einzelnen Krystallkegeln Verschiedenheiten bietet, so erscheint dieser Umstand für das Schicksal der senk- recht einfallenden Lichtstrahlen — und nur diese kommen in Be- tracht — ebenso irrelevant als die relative Lage der Krystallkegel- flächen zu der Oberfläche der zarten integumentalen Cuticula, von welcher wir bei ihrem geringen Lichtbrechungs vermögen, welches den Brechungsindex des umgebenden Mediums, des Wassers, nicht übertrifft, bei der Verfolgung der einfallenden Lichtstrahlen voll- kommen abstrahiren müssen. Dass es sich aber bei der Müller'schen Theorie vom musivischen Sehen lediglich um die Perception der senkrecht auffallenden Strahlen handelt , welche beim Uebergang aus schwä- cher in stärker brechende Medien ihre Richtung nicht ändern, scheint 0. Schmidt nicht gehörig gewürdigt zu haben, wenn er weiterhin den Umstand als Einwand benutzt, dass die Kegel aus einer härtern dichteren Rinden- und einer weichern Binnen- substanz bestehen. Bestünde auch wirklich dieser Unterschied in der Dichtigkeit der Substanz, so würden doch die senkrecht durch- fallenden Lichtstrahlen in ihrem Wege nicht abgelenkt werden. Auch die von 0. Schmidt hervorgehobene Thatsache, dass die Kegel verschieden lang , nicht regelmässig conisch , sondern Claus', "Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 9 (129) 72 Dr. C. Claus: gegen das verdünnte Ende hin spindelförmig angeschwollen sind, vermag für unsere Frage ebensowenig als Gegengrund in Betracht zu kommen, als die doch nur oberflächlich durchgeführte Ver- gleichung der Lebensweise von Decapoden und Hyperiden für die Ansicht eine Entscheidung geben kann , dass die letztern nicht wirklich Bilder sehen, sondern nur verschiedene Lichtgrade und Farben wahrnehmen könnten. Gewiss wild jeder, welcher Eremiten- krebse und Krabben beobachtet hat, die ausserordentliche Orien- tirungsfäbigkeit, das vollkommene Sehvermögen und die psychisch hohe Entwicklungsstufe dieser Thiere bewundern, die weit über derjenigen der Hyperiden stehen mag. Dagegen ist es zu weit gegangen und einer willkürlichen Deutung gleich zu erachten, von den letztern schlechthin zu sagen, dass sie „offenbar auf's Gerade- wohl daher rudern, sich an einer der zahllosen ihnen in den Weg kommenden Quallen festsetzen und von da an das Bedürfniss zu sehen nicht mehr fühlen". Meine biologischen Beobachtungen würden eher die entgegengesetzte Ansicht unterstützen. Einen besseren Anhaltspunkt der Beurtheilung scheint mir dagegen die hohe Organisation und Gliederung von Gehirn und Sehganglien, sowie die wunderbar regelmässige Stäbchenmosaik. im Auge abzugeben (Fig. 63), welches alle wesentlichen Elemente — von den relativ untergeordneten Corneafacetten abgesehen — mit dem der höhern Malacostraken theilt. Und demgemäss stimme ich auch vollkommen mit Grenacher's Aeusserung überein, dass, wer einmal die Augen der Hyperiden gesehen und lebend beobachtet hat , diese Thiere nicht für schlecht sehend erklären könne. "Wie bei allen mir bekannten Hyperiden1) sind es auch bei Phronima und verwandten Gattungen lediglich zwei Längs- segmente, welche jeden Krystallkegel zusammensetzen, und dem entsprechend finden sich an der Vorderfläche desselben in den feinkörnigen Plasmaresten der zugehörigen Matrixzellen immer nur zwei Semper'sche Kerne vor (Fig. 50). 0. Schmidt lässt die peripherische Wand dieser Zellen in die Cuticula übergehen, eine irrthümliche Angabe, welche einer ungenauen Prüfung entspricht, indessen im Anschlnss an die schon von Claparede vertretene und allgemein verbreitete Anschauung leicht entstehen konnte, nach ') Ich habe diese Thatsache bereits in frühern Mitteilungen über den Bau und die Verwandtschaft der Hyperiden (Oxycephaliden) mitgetheilt. Göttiuger gelehrte Anzeigen 1871, pag. 151. (130) Der Organismus der Phronimiden. 73 welcher die Bildungszellen der Krystallkegel stets zugleich die Matrixzellen der Chitinhaut seien , oder was dasselbe ist , die Bildungszellen der Krystallkegel zugleich die subcuticulare Zell- schicht repräsentiren. Auch in der neuesten Arbeit von Grenacher finde ich diese Auffassung aufrecht erhalten, die jedoch lediglich für die Facettenaugen derjenigen Arthropoden Geltung zu haben scheint, welche im ausgebildeten Zustande keine Häutungen mehr erfahren, für die Crustaceen dagegen, welche auch im geschlechts- reifen Zustande ihre Cuticula abstreifen , bei denen auch mit dem Wachsthum des Leibes das Auge sich vergrössert und eine Zunahme seiner Elemente erfährt, schon a priori höchst unwahrscheinlich sein muss. In der That lässt sich an geeigneten Objecten, an Phronima und anderen Hyperiden — ich zweifle nicht auch an den übrigen Crustaceen mit Facetten- augen — nachweisen , dass die sechsseitige facettenähnliche Fel- derung, welche durch den optischen Querschnitt der paarigen Krystallkegelzellen veranlasst wird, die chitinige Cuticula gar nicht berührt (Fig. 48 und 49 Cu). Vielmehr breitet sich zwischen dieser und jenen eine continuirliche Lage von klein ernplattenHypo- dermiszellen aus, welche die Matrixzellen der glatten Cuticula sind (MaZ). Dagegen folgt unmittelbar unter dieser Hypodermis noch eine besondere peripherische Begrenzungshaut des Auges, welcher die rundlich sechsseitigen Felder angehören (Fig. 48). Bei genauer Beobachtung nimmt man an jedem Felde zwei länglich ovale, ganz flache Kerne (B nu) zwischen dem Semper'schen Kernpaare (Kr nu) wahr , welche den beiden Krystallkegelzellen nahe anliegen und der bindegewebigen Begrenzungshaut des Auges angehören. 0. Schmidt hat diese Gebilde zwar gesehen, merkwürdiger Weise aber nicht einmal als Kerne erkannt, sondern „als zwei elliptische dunkle Stellen bezeichnet, deren Ursprung und Beschaffenheit ihm nicht deutlich geworden sei". Die Be- deutung dieser Kerne in dem angegebenen Sinne kann jedoch umsoweniger in Frage kommen, als es gar nicht schwer fällt, am Längsschnitte die Einlagerung der flachen Kerne in der Um- hüllungshaut direct zu constatiren. (Fig. 49 B nu). Wenn man die oberflächlichen Theile des grossen Scheitelauges einstellt, so findet man, dass die langen fadenkolbigen Krystall- kegel nach dem Augenrand continuirlich schmächtiger werden. Man trifft endlich am äussersten Umkreis sehr feine und winzig kleine Krystallfäden, deren Kegel, erst im status nascens begriffen, aus der Doppelzelle ausgeschieden zu werden beginnen (Fig. 51). 9* (131) 74 Dr. C. Claus: Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dass das Auge mit der Grössenzunahme des Thieres bei jeder Häutung an Umfang zunimmt und zwar lediglich durch Neubil- dung peripherischer Elemente. Zur Annahme einer inter- stitiellen Einschiebung neuer Elemente habe ich, wie a priori zu er- warten stand, keinerlei Anhaltspunkte gefunden. WasP a genstech er zu der Ansicht von der Vermehrung der Stäbchenelemente veranlasst hat, war lediglich die so häufig wahrzunehmende Spaltung des Kegels in seine beiden Seitenhälften, deren Beziehung als normale Längsglieder ihm völlig unbekannt blieb. Aber auch 0. Schmidt ist es so ergangen , wenn er die von Pagen Stecher auf- geworfene Frage von der Vermehrung der Krystallkegel durch Spaltung ernstlich in Prüfung zieht und sich nur nicht davon über- zeugen kann, „dass die Spaltung den ganzen Krystallkegel betrifft, was der Fall sein müsste, wenn auf diese Art die Zahl der Kegel sich vergrössern könnte". Ohne Frage sind jedoch die Spaltungen ebenso wie die Rauhigkeiten und Höcker der Oberfläche lediglich Folgezustände der während der Beobachtung rasch eingetretenen Veränderungen in der Krystallsubstanz , denen selbstverständlich keinerlei weitere Bedeutung beigelegt werden kann. Die an der Vorderfläche des Auges erwähnte Umhüllungs- haut, an welcher durch die Anheftung der Krystallkörperzellen die regelmässigen facettenähnlichen Felder mit je zwei gestreckt ovalen Kernen erzeugt werden, setzt sich als stramme Hülle über die gesammte Fläche des mächtigen Augenkegels fort und bildet gewissermassen der Sclera vergleichbar das äussere Gerüst des Auges, das freilich nicht der Stärke und Rigidität seiner Wan- dung, sondern seiner strammen Anspannung die Eigenschaft einer formbestimmenden Umhüllung verdankt. Es handelt sich hier lediglich um die schon oben erwähnte Augenhülle , welche an der Basis beider Augenpaare als unmittelbare Fortsetzung aus der äussern bindewebigen Scheide des Gehirns hervorgeht. Das die Spannung bedingende Moment ist durch das Vor- handensein einer hellen, eiweisshaltigen Flüssigkeit gegeben, welche die ansehnlichen Zwischenräume der Krystallfäden erfüllt und ihrer Natur nach im Wesentlichen mit dem Blutplasma übereinstimmen möchte. Dieselbe tritt besonders im Scheitelauge in reichlicher Menge auf und lässt sich schön an Osmiumpräparaten in den Lücken der Krystallkegel als eine dunkle, mit feinen schwarzen Körnchen er- füllte Punktsubstanz nachweisen, von ganz ähnlichem Aussehen, wie es das geronnene Blutplasma im Herzen und Kiemen darbietet (132) Der Organismus der Phronimiden. 75 (Fig. 51, Gr). Gelegentlich traf ich im Innern des Auges auch Blutkörperchen an, zweifle jedoch nicht, dass dieselben erst nach dem Tode oder während der Präparation hineingekommen sind. Da es mir nicht glückte, Löcher oder Lücken in der Hüllhaut des Auges nachzuweisen, scheinen lediglich auf endosmotischem Wege flüssige Theile des Blutplasmas zur Ernährung in die Lücken und Zwischenräume der Krystallkegel gelangen zu können. Geschlechtsorgane. Die Ovarien von Phronima und Verwandten erscheinen im Gegensatze zu denen der Gammariden, im Zusammenhang mit der Lage des sackförmigen Magendarms , an dessen dorsaler Seitenwand sie durch Bindegewebsfäden befestigt sind, auffallend weit nach vorne gerückt, so dass sie sich schon im zweiten oder dritten Brustsegment zum Anfangsstück des Eileiters verjüngen (Fig. 11 Ov). Ihrer Gestalt nach gleichen sie einem ziemlich flachen, an beiden Enden zugespitzten, in der Mitte winklig gebogenen Schlauch (Fig. 67) , dessen dicke structurlose Wand ein schön- gekerntes Epithel trägt. Die Zellen desselben sind freilich meist nur undeutlich begrenzt und mehr oder minder abgeflacht. Das Lumen des Schlauchs birgt die grossen noch membran- losen Eier, welche, wie man sich an Querschnitten überzeugt, in nur einfacher Schicht nebeneinander lagern. Schon an ganz jungen Larven und ebenso an altern noch von den Eihüllen umschlossenen Embryonen wird das Ovarium an jeder Seite des noch langgestreckten Magendarms als ein rundlich birnförmiger Körper leicht erkannt, welcher anfangs vier , später sechs oder acht grosse Eizellen birgt und sich in einen hintern soliden , mit Kernen durchsetzten Strang, die Anlage des Oviductes, fortsetzt (Fig. 68). Man gewinnt an solchen Bildern die Ueberzeugung, dass das die Eizellen umgebende Epithel des Ovariums von jenen scharf zu scheiden ist , welche ursprünglich wahrscheinlich nur durch eine einzige Zelle vertreten, durch fortgesetzte Theilung die übrigen Eikeime erzeugt haben. Niemals gelingt es , auch nicht an den Ovarien grösserer Exemplare, Uebergangsformen zwischen den kleinkernigen Zellen der Ovarialwancl und den stets durch auf- fallend grosse Kernblasen charakterisirten Eizellen aufzufinden. Nur an einer Stelle, nämlich an der winkligen Bucht, durch welche das ältere Ovarium gewissermassen einen vordem und hintern (133) 75 Dr. C. Claus: Schenkel gewinnt , bleibt stets ein Ballen kleinerer in der Ent- wicklung begriffener Eizellen nachweisbar, welche dem Keimlager (Fig. 67 Kl), d. h. dem ursprünglichen, in fortgesetzter Propagation begriffenen Ovarialabschnitt entspricht, in dessen Umgebung die Eizellen zu gleichmässig grossen, nahezu reifen Eiern herange- wachsen sind. Der Oviduct (Ovd) des zur Brutproduction reifen Thieres wird ebenfalls aus einer structurlosen Membran und einem die- selbe bekleidenden Epithel gebildet, welches eine helle, stark licht- brechende Substanz in das Lumen des Ganges absondert. Wenig- stens findet man an solchen Exemplaren , aus deren mächtig angeschwollenem Ovarium die reifen Eidotter noch nicht in den Oviduct eingetreten sind, das Lumen des Oviductes mit einer an die Substanz der sog. Kittdrüsen der Entomostraceen erinnernden lichtbrechenden Masse erfüllt, die man dem entsprechend geneigt ist, als ein zur Bildung von Eihüllen in Verwendung kommendes Secret aufzufassen. Da die Phronimiden keine Eiersäckchen bilden, vielmehr die von dicken Eihüllen umschlossenen Eier in dem bekannten Brut- raum unter dem Thorax bis zum Ausschlüpfen der Embryonen bergen, so wird es sich lediglich um die Bildung der Schalen- hülle handeln können, welche dann einer Art von Chorion gleich- zusetzen wäre. Der Oviduct , dessen Wand continuirlich aus der des Ova- riums hervorgeht und der Muskelbekleidung durchaus entbehrt, steigt schräg abwärts bis zum vorletzten Brustsegment herab, in welchem er durch einen fadenförmigen Ausläufer (von gleicher Structur als die Anlage des Oviductes) an der Wandung befestigt wird. Dieser Faden scheint demnach lediglich als Suspensorium zu dienen. Der hintere Abschnitt des Ganges, welcher ein Lumen und Epithel besitzt, biegt von der Uebergangsstelle in den Faden unter spitzem Winkel nach vorne um, umgreift einen schräg abstei- genden Muskel und bildet noch einen ansehnlichen Endtheil, welcher unter Erweiterung zu einem ovalen sackförmigen Behälter, im fünften Brustsegmente an der Innenseite der zum Coxalglied des fünften Beines gehörigen Brutplatte ausmündet (Fig. 69). Wahr- scheinlich dient der sackförmige Endabschnitt als Receptaculum seminis. Indessen traf ich in demselben niemals Samenfäden an, dagegen fand ich gewöhnlich, auch da wo der Oviduct schon mit einer Reihe von Eiern erfüllt war, dieselbe zähe lichtbrechende Substanz, welche im Lumen des Eileiters auftritt. Wahrscheinlich (134) Der Organismus der Phronimiden. 77 wurde das ovale aufgetriebene Endstück des umbiegenden Oviductes schon von Pagenstecher beobachtet. Wenigstens weist hierauf die Bemerkung dieses Autors hin: „Nahe der Mündung des Eilei- ters hängt mit dem Eileiter ein Schlauch zusammen , der die Bedeutung eines Receptaculum seminis zu haben scheint." Darin aber irrte Pagenstecher, dass er den Schlauch, welcher das Endstück des umgebogenen Oviductes darstellt, für einen Anhang des letzteren hielt. Die männlichen Geschlechtsorgane von Phronima wurden schon in einer frühern Arbeit nach Form und Gliede- rung näher beschrieben (Nr. 12, pag. 335, Taf. XXVII, Fig. 4). Indem ich auf die dort gegebene Darstellung verweise, beschränke ich mich an diesem Orte auf eine kurze Darstellung des jugend- lichen Hodens, durch welche die histologischen Verhältnisse einiger- massen klargestellt werden (Fig. 70). Die samenbereitende Drüse und der die Spermatophoren auf- nehmende Ausfiihrungsgang sind ebenso wie am geschlechtsreifen Thiere nicht scharf abzugrenzen. Der vornehmliche Unterschied in beiden Zuständen beruht darauf, dass der Samenleiter des jugend- lichen Thieres kürzer ist und nur einen einzigen, noch unfertigen Spermatophorensatz umschliesst, während der des geschlechtsreifen Männchens in seinem untern Abschnitt eine zweite vollkommen reife Spermatophore birgt. In beiden Fällen aber liegt im obern Ende des Schlauches zur Seite des Keimlagers (Kl) von Sperma- toblasten (Spb) ein ovaler Ballen von in der Entwicklung be- griffenen Samenzellen, die Anlage eines neuen Satzes zur Bildung einer zweiten, beziehungsweise dritten etc. Spermatophore (Sp), deren Hülle von dem grosszelligen , ovale Kerne enthaltenden Epithel (Ep) des Samenleiters erzeugt wird. Die reifen Samen- körper sind sehr lange Fäden, welche in dem gestreckten Sper- matophorenschlauch der Länge nach aneinander liegen. Ob zwischen den grossen, durch rundliche granulirte Kerne aus- gezeichneten Spermatoblasten ßeste eines Keimepithels bestehen, liess sich mit Hilfe des spärlichen noch dazu wenig gut erhal- tenen Untersuchungsmaterials nicht mit Sicherheit entscheiden, da die kleinen, zwischen den Spermatoblasten zerstreuten Kerne auch auf ein einfaches Epithel der Follikelwand bezogen werden können. 78 Dr. C. Claus: Parasiten. Die zarthäutigen Phronimiden sind nicht selten von ver- schiedenen Schmarotzern behaftet. Ueberaus häufig, ja fast als constanter Parasit findet sich am Magendarm sowohl von Phro- nima als Phronimella, frei oder encystirt, eine kleine ovale Gregarine, deren gewölbter, durch ein Septum getrennter Kopf- vorsprung in einen kurzen conischen Zapfen ausläuft (Fig. 66). Seltener hat man Gelegenheit , im Leibesraum von Phronima Em- bryonen von Echinorhynchen , dann aber meist in grosser Menge zu finden, so dass nicht nur die perienterischen Bluträume, sondern auch die Cavität der Extremitäten und selbst des Herzens ein- zelne Embryonen enthalten. Endlich ist das Vorkommen eines jugendlichen Nematoden zu erwähnen, welcher, spiralig zusammengerollt, einer kapsel- losen Muskeltrichine ähnlich, seinen Sitz in der Marksubstanz des Gehirnes aufschlägt und gelegentlich in mehrfacher Zahl an- getroffen wird. Die vornehmlichsten Ergebnisse der Untersuchung. 1 . Die beiden neuen Phronimidengattungen Phronimopsis und Phronimella beweisen, dass der Bewaffnung des 5. Bein- paares mit Scheerenhand lediglich der Werth eines Gattungsmerk- mals zukommt. 2. Auch die Weibchen der Phronimiden besitzen ein Rudiment des 2. Antennenpaares, das sich meist auf das kuglig vorgewölbte, die gewundene Antennendrüse enthaltende Coxalglied reducirt. 3. Vor dem Munde liegt ein Oberlippenrudiment, ein von den Seitenplatten der Mandibeln und den Paragnathen begrenztes Atrium , in welches bei der Nahrungsaufnahme das Secret mäch- tiger Drüsen miteinfliesst. 4. Diese Drüsen sind Complexe von vier Drüsenzellen mit langen Ausführungsröhrchen und liegen theils im Umkreis des Oesophagus, theils in den Kiefern, in denen sie nach Form und Structur die Beindrüsen wiederholen. 5. Die Function dieser Drüsen ist die Bereitung der Amylum und Eiweisskörper verdauenden Enz3^me, welche der Nahrung bei ihrem Eintritt in den Oesophagus beigemengt werden. 6. Der Darmcanal entbehrt jeglicher Form von Drüsenzellen. Auf den musculösen, mit chitiniger Intima bekleideten, complicirt gebauten Oesophagus folgt der in den Magendarm hineinragende (130 Der Organismus der Phronimiden. 79 Schlundmagen mit zwei Nebentaschen. In demselben vollzieht sich die Verdauung. Der umgebende, im Kopf und in den 2 vordem Brust- ringen gelegene Magendarm ist ebenso wie seine beiden nach vorn gerichteten Paare von sog. Leberschläuchen mit einem hohen Cylinderepithel bekleidet, welches die Structur des Dünndarm- epithels wiederholt und zur Resorption dient. Das enge Darm- rohr ist von einem polygonalen Plattenepithel bekleidet und geht im sechsten Abdominalsegment in den kurzen, mittelst Dilatoren am Integument befestigten Afterdarm über. 7. Die Ringmuskeln des Darmrohres entsprechen einzelnen Muskelzellen, deren Kerne in einer medialen Reihe an der Dorsal- seite des Darmes aufeinanderfolgen. 8. Das Herz erstreckt sich von der Kopfgrenze bis zur Mitte des 6. Brustringes und besitzt neben den drei mit Klappen ver- sehenen Ostienpaaren und den beiden Aorten zwei Paare von seitlichen Arterien. 9. Jede Arterie entspringt oberhalb einer länglichen , von zwei Seitenklappen begrenzten Spaltöffnung, während an der Basis jeder Aorta zwei schräggestellte Ostien mit je einem Klappen - paare liegen. 10. Die schräg transversalen Muskelreifen des Herzens sind aus zwei seitlichen Zellenreihen entstanden, zwischen denen eine dorsale und ventrale Medialnaht erhalten bleibt. 11. Unterhalb des Herzens, der ventralen Herzwand ange- lagert spannt sich ein aus grossen Zellenplatten zusammengesetztes Septum quer durch die Leibeshöhle. Zu demselben kommt ein zweites Septum, welches die gleiche Lage zum Darm einhält, so dass der Leibesraum in drei bindegewebig umgrenzte Blutcanäle, welche durch bestimmte Oc-ffnungen miteinander communiciren, geschieden wird. Ausser diesen Hauptcanälen, welche sich in den Kopf hin- ein fortsetzen, existiren eine Menge mehr peripherischer, ebenfalls bindegewebig begrenzter Nebencanäle, welche die Blutbahnen des regelmässigen Kreislaufes darstellen. 12. Die Bauchganglienkette enthält mit Ausschluss der sub- ösophagealen Ganglienmasse 9 Ganglien, von denen b dem Thorax, 4 dem Abdomen angehören. Das letzte Thoracalganglion, eben- so wie das letzte Abdominalganglion folgen dem zunächst voraus- gehenden Ganglion unmittelbar. Das letzte Abdominalganglion ist durch Concrescenz von drei im Embryo gesondert angelegten Ganglien für das 4., 5. und 6. Abdominalseo-ment entstanden. 80 Dr. C. C aus: 13. Die subösopliageale Ganglienmasse entspricht 6, mit Be- zugnahme auf das den Commissuren angehörige Gangliencentrum für die Nerven der 2. Antenne, 7 Ganglienknoten. Ausser dem 2. Antennennerven treten auch sämmtliche Kiefernerven aus der Schlundcommissur hervor , auf welche sich ihre Ursprungsstelle verschoben hat. 14. Die peripherischen Nerven wurzeln nicht in der sog. Punktsubstanz , sondern beziehen ihre Fasern aus Ganglienzellen theils des entsprechenden Ganglions — und zwar sowohl gekreuzt als ungekreuzt — theils des vorausgehenden Ganglions, theils vom Gehirne aus. 15. Die in das Gehirn eintretenden Faserzüge der sog. Schlundcommissur treten theils zu den Ganglienlagern der gleichen Hirnhälfte, theils in gekreuztem Verlauf zu solchen der entgegen- gesetzten Seite. Im Gehirn besteht ein mächtiges Commissuren - System , von welchem Theile seitlich in die mächtigen Augen- ganglien hineinreichen. IG. Die Ganglienzellenlager sind Verdickungen des oberfläch- lichen Belages. Innere Ganglienkerne existiren nicht. Die klein- zellige Ganglienformation des hutförmigen Hinterlappens entspricht dem pilzbutförmigen Gebilde am Gehirn der höheren Krebse und Insecten. 17. Die Opticusfasern des Seitenauges und des Scheitelauges verlaufen in nahezu rechtwinklig gekreuzten Ebenen. 18. Jedes Auge ist von einer festen Hüllhant, der Fort- setzung der äussern Nervenscheide des Gehirns, umlagert, welche sich auch über die Vorderfläche hinüberschlägt und vor jedem Complex von zwei Krystallkegelzellen zwischen deren rundlichen Kernblasen zwei flache ovale Kerne enthält. 19. Die cuticulare Cornea wird nicht von den Krystallkegel- zellen, sondern von einem besondern, von jenen durch die Augen- scheide getrennten Hypodermisbelag abgeschieden und bei der Häutung erneuert. 20. Das Auge nimmt mit dem Wachsthum des Leibes durch Bildung neuer peripherischer Elemente continuirlich an Umfang zu. 21. Der auf dis Krystallkegelform gegründete Einwurf gegen die Möglichkeit des musivischen Sehens ist durchaus hinfällig. 22. Am Ovarium findet sich ein besonderes Keimlager. Der knieförmig gebogene Endabschnitt des Oviductes endet sackförmig erweitert mit einer Samentasche. Der Organismus der Phroniniiden. 81 Literatur über Phronimiden. 1. P. Forskäl, Descriptiones animalium in itinere orientali observ. Havniae 1775. (Cancer sedentarius.) 2. P. A. Latreille, Hist. nat. des Crustaces Tom. III. 1803. 3. Risso, Histoire des Crnstaces des environs de Nice. Paris 1816. 4. G-nerin Meneville, Iconographie dn regne animal etc. Crustaces, sowie Magazin de Zoologie VII. 1836. 5. Milne Edwards, Histoire naturelle des Crustaces Tom. III. Paris 1840. 6. Dana, The Crustacea of the United states exploring ex- pedition etc. Philadelphia 1852 und 1854. 7. Ag. Pagenstecher, Phronima sedentaria. Archiv für Naturg. Tom. XXVII. 1861. 8. C. Spence Bäte, Catalogue of the specimens of Amphi- podous Crustacea in the collection of the Museum. London 1862. 9. C. Spence Bäte and Westwood, A. history of the British Sessile Eyed Crustacea. Tom. I 1863. Tom. II 1868. 10. C. Claus, Bemerkungen über Phronima sedentaria Forsk. und elongata nov. sp. Zeitschr. f. wissensch. Zool. Tom. XII. 1862. 11. Derselbe, Ueber Phronima elongata Cls. Würzburger naturw. Zeitschr. Tom. III. 1862. 12. Derselbe, Zur Naturgeschichte der Phronima sedentaria Forsk. Zeitschr. für wissensch. Zool. Tom. XXII. 1872. Erklärung der Abbildungen. Taf. I. Fig 1. Phroniniopsis Zoea, Weibchen von 3 Mm. Länge in seitlicher Lage. 2. Gp Scheere des zweiten Gnathopodenpaares, K Kiemenanhang, A' vordere Antonne, A" Grundglied des zweiten Antennenpaares, mit Stachel und Zapfen für die Ausmündung der Antennendrüse, Ao' Kopfaorta, Ao" Abdominale Aorta, C Herz mit 3 Spaltenpaaren. Fig. 2. Scheere des zweiten Gnathopodenpaares, stark vergrössert. Fig. 3. Die Kopfgliedmassen des Männchens in seitlicher Lage, stark ver- grössert. Dr Antennendrüse mit ihrem Ausführungsgang am Zapfen des Grundgliedes. MdT Mandibeltaster, OL Oberlippe, M'x Vorderes Kieferpaar. Fig. 4. Paraphronima gracilis, Weibchen von 7V2 Mm. Länge, unter massig starker Lupenvergrösserung, in seitlicher Lage, ßl Brutlamellen (Atl. Ocean). Fig. 5. Die viergliedrige vordere Antenne desselben. Fig. 6. Paraphronima crassipes, junges Männchen von 5'/2 Mm. Körperlänge, unter starker Lnpenvergrösserung (Atl. Ocean). Fig. 7. Der auf den Schenkel folgende Abschnitt des vorderen Gnathopoden- (4) viertes, (5) fünftes, Glied = Carpus. Fig. 8. Der gleiche Abschnitt des zweiten Gnathopoden. Fig. 9. Die drei Endglieder des siebenten Beinpaares mit einer Reihe von Drüsenzellen im Carpus. Taf. II. Fig. 10. Paraphronima crassipes, Weibchen, 7 — 8 Mm lang, von Messina, Os Ostium am Herzen, Ov Ovarium. An den drei Arterienpaaren Ar sieht man die Klappen. Fig. 11. Phronima sedentaria, Weibchen. Grosses Exemplar, unter starker Lupenvergrösserung , mit dem Drüsenapparat Dr in Mundwerkzeugen und Brustbeinen, Ma Magen, Ov Ovarium, Ovd Oviduct, SchFl Scheitelfläche, FrFl Frontalfläche. Fig. 12. Rudiment der hintern Antenne eines Phronima -Weibchen, mit der gewundenen Drüse, circa 350fach vergrössert, P Porus derselben, B1R Blutraum, Zm Matrixzellen. Fig. l'd. Drüsengruppe im Carpus des fünften Beinpaares einer jungen Phro- nima, unter gleich starker Vergrösserung. Fig. 14. Carpus der männlichen Phronima, mit den Drüsengruppen Dr. Ind Index, mit doppelten Ausführungsröhrchen. Fig. 15. Die gleichen Drüsengruppen im Carpus des fünften Beinpaares der männlichen Phronimella elongata. (140)) Der Organismas der Phronimiden. 83 Taf. III. Fig. 16. Das System der verzweigten cuticnlaren Röhrchen, welche aus den Drüsenzellen in den Ausführungsgang führen, Pikrocamiin-Präparat aus dem Carpus einer weiblichen Phronima , Nu Kern der Zelle. Ag Ausführungsgang Hartnack, Syst. VIII, Oc. 3. Fig. 17. Rosettenförmige Driisengruppen der Speicheldrüse von Phrouima. Hartnack, Syst. VII, Oc. 3. Fig. 18. Maxille des ersten Paares mit der Kieferdrüse KDr und deren Aus- führungsgängen Ag. Hartnack, Syst. V, Oc. 3. Fig. 19. Maxillar-Fnsspaar mit der eingelagerten Drüse MfDr und deren Ausführungsgängen, von denen zwei in den unpaaren Lobus eintreten und an der Spitze desselben aasmünden, die übrigen bündelweise in den Aussenladen Le verlauten. Fig. 20. Kopf einer weiblichen Phronima, von der Stirnfläche ans betrach- tet. Le', Le" die beiden dorsalen Leberechläuche des Magendarms , an dessen Ventralfläche die Chitinplatten ChP des Vormagens sich erheben. A' Antenne des ersten Paares mit dem vom Gehirnlappen abgehenden Antennennerven, 0' Seiten- auge, 0" Scheitellauge, A"Dr Antennendrüse, SpDr Speicheldrüse oberhalb und zu den Seiten des hintern Schlundabschnitts. Man sieht den vordem, höhern, aber etwas engen Abschnitt des Oesophagus durch seitliche Muskeln (Dilatoren) an der Kopf- wand befestigt. Mls Oberer Längsmuskel des Magendarms, Md Mandibeln, Mx' Maxillen des ersten Paares. Hartnack, Syst. IV, Oc. 3. Fig. 21. Vorraum des Mundes mit der verticalen Mundspalte Msp, dem als Unterlippe fungirenden Paragnathenpaar Pg, vordem Dilator der Mundhöhle (Mda) und den zwei vorspringenden Papillen (H) am obern Winkel der Mundspalte, Chp Chitin- platte. Hartnack, Syst. IV, Oc. 3, e. T. Taf. IV. Fig. 22. Mundhöhle, Schlundkopf und Oesophagealrohr von Phronima in seitlicher Lage, Hp zungenförmiges Läppchen (Hypopharynx) an der Innenseite der Ouerbrücke zwischen beiden Paragnathen Pg, P Papillen am obern Ende der langen geschlossenen Mundspalte, Mda vorderer Dilator der Mundhöhle, Mph Pharyngeal- muskeln, Pd Dorsalfortsatz des Chitinskelets am Ende der Mundhöhle, au welchem sich die zwei schiefen Retractoren (Mor) inseriren, Mlph seitliehe Pharyngeal- muskeln, Mdph dorsale Pharyngealmuskeln , Mvph , ventrale Pharyngealrnuskeln, Mop hinterer schiefer Muskel oder Retractor des Pharynx. Fig. 23. Wandung des Mundatriums von Phronima in seitlicher Lage, von der linken Seite betrachtet. OL Oberlippe, Md Mandibel, SP absteigende bezahnte Seitenplatte derselben, ZP Zahnplatte der linken Mandibel, Pg Paragnathen, Po Porus der Antennendrüse. Fig. 21. Chitinskelet des gesammten Schlundes und vordem Abschnitts des Vormagens zum Theil schräg, von der Ventralseite dargestellt, etwa 90fach ver- grössert. Msp Mundspalte, OL Oberlippe, Md Mandibel, SP Seitenplatte derselben, Hp Hypopharynx mit seinem Chitinskelet, Cr Crista am Chitinskelet der Mundhöhle zur Pjefestigung des vordem Dilators (Mda), Pd Dorsalfortsatz zur Insertion des Retractors der Mundhöhle (Mor), Ph Chitinskelet des Schlundkopfs, Sr Schlundröhre oder Oesophagus, am Eingang in den Vormagen quer gefaltet, Tua vorderes Höcker- paar des Magenskelets zum Ansatz der langen Vorzieher des Magens (Mla) Tup hinteres Höckerpaar zur Insertion der langen Retractoren. Fig. 25. Mundhöhle und Schlund von Phronima, in seitlicher Ansicht von der rechten äussern Seite dargestellt, mit allen an dieselben sich inserirenden Muskeln, (141) 84 Dr. C. Claus: (Mph, Mlph, Mop, Mda), Mos obere Muskelplatte zur Befestigung der Dorsalwand der Mundhöhle am Kopfintegument , wie in Fig. 22, Mor schiefer Eetractor der Mundhöhle, Md die beiden hintern Dilatoren derselben, Mdp hinterer Dilator des Schiandkopfs. Fig. 26. Die Musculatur der Mundhöhle und des Schlundkopfs von Phro- nimella, von der Eückenfläche in natürlicher Lage (circa lOOfach vergrössert), SpDr Speicheldrüsen, Ml Muskel der Oberlippe. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 22 und 25. Fig. 27. Schlundmagen im Innern des Magendarms von Phronima, von der linken Seite betrachtet. DrM Wandung des Magendarms, Dd Anfang des Dünndarms, Df Dorsalfalte des Vormagens, welche zu einer schaufelähnlich gebo- genen, zungenförmigen Platte ZP mit breiter, langgestreckter Oeffnung wird, VT Ventraltaschen, L ventraler Leberschlauch, L' dorsaler Leberschlauch Fig. 28. Das Chitinskelet des Vormagens, stärker vergrössert. 1VT linke Ventral- tasche , rVT Ventraltasche der rechten Seite , a Rand der äussern Wand (Falte), b freier Rand der innern (medialen) Wand (Falte), B Ausbuchtung derselben, auf welche der kammförmige Besatz KB am basalen Abschnitt derselben folgt, a' b' die entsprechenden Falten der rechten Tasche. Fig. 29 Ein Stück des kammförmigen Besatzes dieser Platte. B Bucht am Ende desselben. Hartnack, Syst. XIII, Oc. 3. Taf. V. Fig. 30. Magendarm im Zusammenhang mit dem Vormagen (Schlundmagen) und dessen Musculatur, etwas schräg von der Rückenfläche aus gesehen. Die Decke des Magendarms ist nicht vollständig dargestellt worden, so dass man in das Lumen des- selben sieht. Mls Hinteres Längsmuskelpaar des Vormagens, Mla Vorderes Längsmuskel- paar desselben, Ml seitlicher Muskel, Mdoe Dilator der Schlundröhre, Mtr, ventraler Quermuskel des Vormagens, Gioe Ganglion infraoesophageum, N Nervenstämme für die beiden Gnathopodenpaare , L, L', ZP, VT wie in den früheren Figuren, circa 80fache Vergrösserung. Fig. 31. Cuticularbekleidung des Vormagens nebst Matrixepithel, a dieselbe von der zungenförmigen Faltenplatte (ZP) in Flächensicht, an der einen Hälfte mit dem unterliegenden Epithel, b optischer Längsschnitt vom Rande der zungenförmigen Faltenplatte, c Cuticula dieser Region mit den zahlreichen Höckercken der sechs- seitigen, den unterliegenden Matrixzellen entsprechenden Felder, in Flächensicht, d Zahubesatz der Cuticula an der äussern Falte der ventralen Vormagentasche. Hartnack, Syst. IX. Oc. 3 e. T. Fig. 32. Cylinderzellen des Magendarms und dessen Leberschläuchen mit ihrem dicken, streifigen Grenzsaum und unterliegenden Vacuolen. Hartnack, Syst. IX, Oc. 3. Fig. 33. Ein Stück Darmwand mit dem platten grosszelligen Epithel , der Tunica propria, Ringsmuskelbändern und äusserer Bindegewebschicht, Nu spindel- förmiger Kern in derselben. Fig. 34. Querschnitt durch den Schlund und dessen Umgebung in der hintern Region der Mundhöhle. B1R Bluträume unterhalb und zu den Seiten des Schlundes. SpDr Kranz von Speicheldrüsenzellen. Hartnack, Syst. V, Oc. 3. e. T. Fig. 35. Querschnitt durch die vordere Region des Schlundkopfs, etwas stärker vergrössert. Man siebt die dicke Cuticularbekleidung und ihr mächtiges Matrixepithel. Buchstabenbezeichnung wie in Fig. 25 und 34. Fig. 36. Senkrechter Querschnitt durch den Vormagen und dessen Umgebung, in der Region des ventralen Quermuskels Mtr. Ao' Aorta über der freiliegenden (142) Der Organismus der Pkronimiden. 85 Decke des Vormagens, VT Ventraltaschen desselben, L, L', L" die Leberschläuche mit ihrem Epithel und der etwas abgehobenen Muskelhaut. Die übrigen Buchstaben wie in früheren Figuren. Fig. 37. Querschnitt in der Region des dritten Brustsegmentes, schwach ver- grössert. DM Bückenmusculatur , M Beinmuskeln im Coxalabschnitt des Segments, G Ganglion, C Herz mit der quer ausgespannten Septallamelle an seiner Ventral- seite, Da Darmcanal mit seiner quer ausgespannten Septallamelle, DC dorsaler oder pericardialer Blulcanal, SC seitlicher Blutcanal, VC ventraler Blutcanal , JC inter- septaler Blutcanal. Fig. 38- Querschnitt durch das siebente Brustsegment. N die beiden Längs- stämme der Bauchkette, mit dem unteren, die Innenfläche des Integuments beklei- denden Blatt des Darm-Septum?, von der Bauchhaut abgerissen, der emporgezogenen Darmwand anliegend, Ao" Aorta. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 37. Fig. 39. Querschnitt durch das erste Abdominalsegment. M. Muskeln. Fig. 4U. Die Zellenplatten der Septallamellen. Hartnack, Syst. IX. Oc. 3 e. T. Taf. VI. Fig. 41. Muskelhaut vom Ende des Magendarms und vom Anfang des Dünn- darms einer sehr jungen Phronima. Mz Muskelzellen der Ringfaserlage, M nu longi- tudiDale Kernreihe der Ringmuskelzellen in der dorsalen Medianlinie des Verdauungs- canais. Hartnack, Syst. IV. Oc. 3. e. T. Mit Hilfe der Camera lucida gezeichnet. Fig. 42. Die hintere Partie des Herzens mit dem Anfange der hintern Aorta in seitlich ventraler Lage. Z Plattenzellen der septalen Lamelle an der untern Fläche der Herzwand, Q Querschnitt derselben, Os Linksseitige Spaltöffnung des 3. Ostienpaares , Mnu, Mnu' die beiden Längsreihen der Muskelkeine an der linken und rechten Seite des Herzens, Ao" hintere Aorta mit ihren beiden Klappen- paaren, Ar" die Seitenarterien des zweiten Paares mit ihren Klappen am Ursprung, Vnu Kerne derselben, Bnu Kerne von Bindegewebszellen. Vergrösserung wie Fig. 41. Fig. 43. Stück der Muskelhaut des Herzens einer ausgewachsenen Phronima. DR Dorsale Naht zwischen den Zelleuterritorien beider Herzhälften , Bnu Binde- gewebskerne, MF Muskelfibrillen , FB longitudinales Faserbündel nahe der dorsalen Raphe, Gz grosse Zelle in demselben, in jedem Kammersegmente der Herzwand wiederkehrend. Hartnack, Syst. VIII. Oc. 3. Fig. 44. Seitliches Ostium (im 2. Brustsegmen!e) mit dem zugehörigen Klappenpaare und den umgebenden Muskelfibrillen. Hartnack: Syst. VII. Oc. 3. Fig. 45. Anfangsstück einer seitlichen Arterie Ar mit der Spaltöffnung und den beiden dieselbe umgrenzenden Klappen. Fig. 46. Endstück des Herzens in seitlicher Lage mit beiden Klappenpaaren der Aorta. Hartnack, Syst. V. Oc. 3. Fig. 47. Die beiden Klappenpaare am Herzende von der Rückenfläche aus betrachtet, V Klappen. Fig. 48. Ein Stück von der Oberfläche des Scheitelauges nach Entfernung der Krystallkegel. Einstellung auf die Kerne der Krystallkegelzellen Kr nu. Man sieht 7 facettenartig begrenzte Felder (Fa), welche die an die bindegewebige Um- hüllungshaut des Auges angehefteten Endabschnitte der hohen, die Krystallkegel bildenden Doppelzellen bezeichnen. B nu die ovalen Kerne der Umhüllungshaut. In der Tiefe das polygonale Epithel der Cuticula, die Matricalzellen (Ma Z) der Haut. Hartnack, Syst. IX. Oc. 3. (143) 86 Dr. C. Claus: Fig. 49. Stück von der Peripherie des Auges im optischen Längsschnitt. Ca Cuticula, MaZ zellige Matrix demselben, Bnu Kerne der bindegewebigen Um- hüllungshaut, welche sich auch um die vordere Fläche des Auges herumschlägt und mit den Endflächen der paarweise vereinten Krystallkegelzellen fest verbindet, Kr nn Kerne der letztern (Semp er'sche Kerne), Kr Krystallkegel Hart na. ck, Syst. VII. Oc. 3. Im natürlichen Zustande liegt die Umhüllungshaut der Hypo- dermis dicht an. In dem Präparat war sie in weitem Abstand abgehoben. Fig. 50. Ein 2gliedriger Krystallkegel mit den zugehörigen Zellen, deren Vorder- fläche an der bindegewebigen Hüllhaut haftet. Die Membran der Doppelzelle um- schliesst ein helles feinkörniges Protoplasma im Umkreis der beiden runden Kerne und verliert sich am Grunde des angeschwollenen Endabschnitts, da wo der faden- förmige Theil des Krystallkegels beginnt. Hartnack, Syst. VIII. Oc. 3. Fig. 51. Krystallkegelgruppe mit der geronnenen feinkörnigen Zwischen- substanz (Gr) aus der Peripherie des Auges. Hartnack, Syst. V. Oc. 3. Fig. 52- Blutzellen von Phronima (Weingeistexemplar mit Osminmcarmin- behandlung) Hartnack, Syst. VIII. Oc 3. Fig. 53. Unteres Schlundganglion mit dem Schlundring von Phronima , von der Ventralseite dargestellt, schwach vergrössert. NGn Nerven für die beiden Gnathopodenpaare, SC Schlundcommissur, NMd Nerven der Mundtheile, NA" Nerv der zweiten Antenne, NA' Nerv der vordem Antenne am Vorderende des primären Gehirnabschnitts austretend. Taf. VII. Fig. 54. Doppelganglion des vierten Brustsegmentes einer weiblichen Phro- ^hima, von der Bauchseite dargestellt. Hartnack, Syst V. Oc. 3. Mit Hilfe der Camera sind sämmtliche Zellen des Rindenbelages naturgetreu eingezeichnet. Rz die ver- einzelten Riesenzellen der seitlichen Ganglienlager, Bnu Nuclei, welche zur Nerven- scheide gehören. Fig. 55. Dasselbe bei tieferer Einstellung im optischen Durchschnitt, schwächer vergrössert, VG1 vorderes seitliches Ganglienlager, HG1 hinteres seitliches Ganglien- lager, MGI mediales Ganglienlager. Man sieht die vordem und hintern Systeme gekreuzter Fasern , sowie die seitlich umbiegenden Fasern der Riesenzellen (Rz) in die seitlichen Nervenstämme (SN) eintreten, LN die Längscolumnen der Längs- commissuren , deren Fasern zum kleinen Theile in die Seitennerven der gleichen Seite einbiegen, zum grössten Theile dorsal wärts über das Ganglion hinziehen. Fig. 5ü. Nervenzellen des Gauglienbelags. a multipolare, b bipolare Ztdlen. Hartnack, Syst. VIII. Oc 3. Fig. 57. Eine Riesenganglienzelle aus einem der seitlichen Ganglienlager. Hartnack, Syst. VIII. Oc. 3. e. T. Fig. 58. Gehirn und Augenganglien in übersichtlicher Darstellung von der obern oder frontalen Fläche aus betrachtet, bezüglich der Marklager und Faserzüge im optischen Durchschnitte dargestellt. VA vordere, HA hintere Anschwellung des primären Gehirnabschnitts oder Stammganglions, Ag Augenganglion, VM1 vordere Marklager, HM1 hintere Marklager oder Marklager des hutförmigen Hinterlappens, dessen Spitze mittelst eines Ligaments Li' an der Haut befestigt ist. Von den Commis- surensystemen sieht man den innern und untern Balken, sowie die gekreuzten Faserbündel GFb, I seitliche Incisur zwischen der vordem oder Antennenanschwellung und dem Augenganglion, A'N Nerv der vordem Antennen, IM1 inneres, AMI äusseres Mark- lager des Augenganglions, SM1 seitliches Marklager mit dem anliegenden Grenz- ganglienlager Gg, Opt' Opticus des Seitenauges 0' mit der zugehörigen Retina R' (114) Der Organismas der Phronimiden. 87 uebst Nervenstabschicht NSt' , 0" Aufliegendes Scheitelauge mittelst ligamentösen Bandes Li" vorn an der Stirnfläche befestigt, NSt" die zugehörige Stäbchenlage, Gioe Ganglion infraoesophageuin. Fig. 59. Vorderfläche des Gehirns nach Entfernung des Ganglienbelages, die linke Hälfte bei tieferer Einstellung im optischen Querschnitt. Sc Eintrittsstelle des Fasersystems der Schlundcommissur, AFz oberflächlich aufsteigende Faserziige des- selben, GFb das gekreuzte Faserbändel, HFz schliugenförmig umbiegende Faser- züge, welche in das hintere Marklager ziehen, SFz seitlicher Nebenzweig für das seitliche Marklager, MFb mediales Faserbündel, welches nach Durchsetzung des Ceutralkörpers Ck in das kleine hintere mediale Marklager eintritt, VM1 Marklager der Antennenanschwellung, JB' obere oder dorsale Fasermasse des inneren Balkens, JB" tiefere Faserschichte desselben, von jeuer durch den Centralkörper getrennt. Hartnack, Syst. VI. Oc. 3. Fig. 60. Sagittalschnitt in der Eichtung des vordem und hintern Mark- lagers. HB Querschnitte von Fasern des hintern Balkens, Cr Strahlenkrone der nach dem Rindenbelage ausstrahlenden Fasern des hintern Marklagers, HL Hinterlappen, Bnu Bindesubstanzkerne. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 59. Fig. 61. Sagittalschnitt etwas schräg durch die Mitte des Gehirns, GGz'" Gruppe grosser Ganglienzellen an der innern Grenze des Hinterlappens, GFb Ende des gekreuzten Faserbüudels, Ca Commissur zwischen den vordem Anschwellungen. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 59. Taf. VIII. Fig. 62. Gehirn und Augenganglion einer weiblichen Phronima von mittlerer Grösse. Die rechtsseitige Hälfte ist bei oberflächlicher Einstellung der obern (fron- talen) Fläche nach Durchschneidung der Opticusfasern des Scheitelauges, die links- seitige bei tiefer , der untern Fläche genäherten Einstellung dargestellt , A'N Antennennerv mit Seitenzweig, FrN fiir das Frontalorgan (?), VM1 vorderes Mark- lager , aus welcher der Nerv entspringt , GGz', GGz" , GGz' " die erste , zweite und vierte Gruppe grosser Ganglienzellen. Die dritte Gruppe ist nicht dargestellt, dagegen tritt an der entsprechenden Stelle der mittlere Abschnitt des basalen Balkens HB hervor. HL hutförmiger Hinterlappen, Gz Gl (Gg) Grenzganglienlager, VFz verbindende Faserziige an der Oberfläche, Opt Opticus des Seitenauges, DFz durchbohrende Faserzüge im innern Marklager, SFb schleifenförmiges Faserbündel an der Medialseite desselben, GFb gekreuztes Faserbündel, MM1 mediales Mark- lager hiuter der tiefern Abtheilung des innern Balkens , vor welcher der Central- körper mit gekreuzten Faserzügen sichtbar ist. Fig. 63. Verticaler Querschnitt durch den rechtseitigen Theil von Gehirn und Auge, rechtwinklig zur Richtung der Scheitelmundachse des Kopfes geführt. Bnu Bindegewebskerne in der äussern vom Gehirn und Augengauglion weit abge- hobenen Nervenscheide BSch, SM seitliches Marklager, Bnu' die kleinen Kerne der interstitiellen Bindesubstanz von Gehirn und Retina, R' , R" ganglionärer Theil der Retina des seitlichen und Scheitelauges, Opt', Opt" Opticusfasern beider Augen, NSt Nervenstäbe im Längsschnitt, StM Stäbchenmosaik im Querschnitt, Fb Faser- bänder an der Innenseite der Bindewebshülle des Scheitelauges, GOf gekreuztes Fasersystem in dem winkligen Raum an der obern Fläche beider Marklager (IM1, AMI), DFz durchbohrende Faserzüge. Fig. 64. Sagittaler Längschnitt durch den Retina- und Stäbchentheil des Scheitelauges. GzR Ganglienzellen der Retina. Die übrigen Buchstaben haben die- selbe Bedeutung wie in Fig. 63. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. IL 10 88 Dr. C. Claus: Der Organismus der Phronimiden. Fig. 65- Querschnitt durch die Stäbchenmosaik des Scheitelauges. Hartnack, Syst. VIII. Oc. 3. Fig. 66. Gregarine aus der Wandung des Magendarms von Phronima. Fig. 67. Ovarium von Phronima etwa 120fach vergrössert. Ep Epithel, Ovz Eierzellen, Kl Keimlager, Ovd Oviduct. Fig. 68. Dasselbe aus dem Körper eines Embryos. Fig. 69. Oviduct einer Phronima mit dem blasenförmig erweiterten, wahrscheinlich als Receptaculum fungirenden Endabschnitt (Rc) , Li ligamentöse Verlängerung der Wand. Fig. 70. Hoden und Samenleiter eines noch jugendlichen Männchens, Ep Epithel des Samenleiters, Kl Keimlager des Hodens, Spb Spermatoblasten, Sp" in der Entwicklung begriffene Samenzellen, welche den Satz zu einer neuen Sperma- tophore bilden , Sp' die im Samenleiter gelegene , früher entstandene Spermatophore in fast fertigem Zustande. Die Zeichnungen zu den Figuren 41, 42, 54, 63 und 70 wurden von Herrn Dr. C. Grobben ausgeführt. Die Gattungen und Arten der Platysceliden in systematischer Uebersicht. Von Dr. C. Claus. bchon seit Anfang dieses Decenniums habe ich dem Orga- nismus der aberranten Hyperi den, der Platysceliden , meine Aufmerksamkeit zugewendet und mich in kürzeren oder längeren Intervallen mit der Untersuchung eines reichen Materiales von Weingeistexemplaren beschäftigt, welches mir im Frühjahr des Jahres 1871 von Herrn Dr. Bolau, Vorstand des Hamburger Museums, in liberalster Weise zum Studium mitgetheilt worden war. Es zeigte sich bald, dass die vorliegenden systematischen Hilfsmittel zur Bestimmung der Formen völlig unzureichend waren, aber auch, dass der Organismus dieser interessanten, sowohl durch den merkwür- digen Augenbau, als durch die oft bizarren Körperformen und den ausgeprägten Sexualdimorphismus zur Untersuchung einladenden Hyperien höchst mangelhaft bekannt ist. Die zu systematischen Zwecken erforderliche Untersuchung des morphologischen Baues führte mit Notwendigkeit zum Studium der gesammten inneren Organisation , und diese gab wiederum Veranlassung, der Voll- ständigkeit des Vergleiches halber die Familien der Hyperiden und Phronimiden nicht unberücksichtigt zu lassen. In diesem Zusammenhang ist die bereits a) veröffentlichte Arbeit über den Organismus der Phro nimiden entstanden, welche mit Rück- ') Arbeiten aus dem Zool. Institute der Universität Wien. Tom.II. Heft 1. 1879. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 11 (147) 2 Dr. C. Claus: sieht auf die geringe Zahl ihrer Formen eine verhältnissmässig kurze Behandlung gestattete. Das viel mannigfaltigere und reich- haltigere Material der Platysceliden erfordert eine ungleich um- fassendere, mehr monographische Bearbeitung, zu deren Vollen- dung bei der grossen Zahl der zugehörigen Abbildungen noch einige Zeit verstreichen' dürfte. Im Wesentlichen aber ist die Arbeit bereits ausgeführt, und als systematisches Resultat eine Ueber- sicht der natürlichen Gruppen gewonnen, über die ich im Nach- folgenden eine Zusammenstellung der grössern Arbeit voraus- zuschicken mir erlaube. Ueber die Modiflcationen , welche die innern Organe in den einzelnen Familien und Gattungen zeigen, habe ich nur sehr spärliche Angaben verwerthet, da die Abweichungen innerer Körpertheile als systematische Merkmale den äussern Form- unterschieden gegenüber in den Hintergrund treten. Indessen wurden mehrfache besonders leicht constatirbare Eigenthümlich- keiten wie z. B. Beschaffenheit und Lage der Beindrüsen , wenn auch nicht bei allen, so doch bei der grossem Mehrzahl der Gattungen mit in die Beschreibung aufgenommen. Bei einzelnen Formen schloss der mangelhafte Erhaltungszustand sichere Er- gebnisse über diese Drüsen aus. Ueber die Beschaffenheit der Augen, welche keineswegs überall als Seitenauge und Scheitel- auge gesondert sind, habe ich nur gelegentlich ganz allgemeine Bemerkungen, ebenso über Nervensystem, Gehörbläschen und Darmcanal den Gattungsmerkmalen hinzugefügt. In der äusseren Gestalt zeigen die Platysceliden die ausgreifendsten Gegensätze von den breiten walzenförmigen Typhi den bis zu den überaus gestreckten stabformigen Oxy- cephaliden (Rhabdosoma), zwischen denen alle möglichen Zwischenglieder vertreten sind. Ueberall aber finden wir als gemeinsamen Zug die gleichen Eigenthümlichkeiten im Bau der männlichen Antennen und in der Gestaltung des fünften und sechsten Beinpaares beider Geschlechter mehr oder minder ausgeprägt wieder, während hingegen in der Bildung der bislang kaum beachteten Mund- werkzeuge grosse Verschiedenheiten bestehen. Beide Antennen- paare liegen unter dem Kopfe eingeschlagen, in Nischen und Rinnen des Integuments versteckt. Die vordere Antenne des Männchens zeichnet sich durch den stark aufgetriebenen, mit Tausenden von langen Spürfäden buschig besetzten Schaft und die ganz rudi- mentäre , weniggliederige Geissei aus. Die Vorderantennen des Weibchens bleiben schmächtig, besitzen jedoch meist dieselbe (US) Die Gattungen und Arten der Platvsceliden. Gliederzahl. Die hinteren Antennen des Männchens sind fast überall sehr lang, fünfgliedrig und — von seltenen Ausnahmen (Pronoe, Lycaeopsis) abgesehen — nach Art eines Meter- stabes zickzackförmig drei- bis viermal zusammengelegt; die ent- sprechenden Gliedmassen des Weibchens bleiben kurz und gerad gestreckt oder erfahren ähnlich wie bei den Phronimiden eine Rückbildung. Die Femoralglieder des fünften und sechsten Bein- paares erscheinen zu grossen Platten umgebildet, welche die ven- trale Körperfläche, Thierfliigeln vergleichbar, zuweilen in Verbin- dung mit dem ventralwärts umgeschlagenen Abdomen bedecken und schützen. Die ausserordentliche Variabilität, welche die übrigen Anhänge und Organe erfahren, macht die Aufstelluno- von fünf Familien nothwendig, deren Verhältnisse aus nach- folgender Tabelle ersichtlich wird. A) Körper breit und ( gedrungen , das stark ver- schmälerte Abdomen nach der Brustseite umschlagbar. Die Femoralplatten des fünften und sechsten Brust- fusspaares sind breite Plat- ten, welche Thierfliigeln ähn- lich die Brustseite bedecken. ' Bj Körperform mehr oder minder comprimirt, ge- streckt. Abdomen lang ge- streckt, nur unvollkommen oder überhaupt nicht um- schlagbar. Femoralplatten mehr gestreckt und ver- schmälert. 1. Abdomen merklich verkürzt, vollkommen umschlagbar, Mundtheile breit und gedrungen . T yp h i d a e. 2. Abdomen minder verkürzt, ge- streckt, nicht immer so vollkommen umschlagbar, Mundtheile lang aus- gezogen , schnabelförmig verlängert Scelidae. 3. Körperform mehr oder minder comprimirt, Cre vett inen - ähnlich, mit mächtig entwickeltem, halb umschlag- barem Abdomen Die Femoralplatte des fünften Beinpaares massig, die des sechsten Paares bedeutend ver- breitert Pronoidae. 4. Körperform Hyperia-ähnlich, doch gestreckter, mit mächtig entwickel- tem, halb umschlagbarem Abdomen. Femoralplatte des fünften und sechsten Beinpaares triangulär, einander ähn- lich Lycaeidae. 5. Körperform langgestreckt, mit umfangreichem, nicht umschlagbarem Abdomen und stiel förmig ausgezogenen Uropoden. Femoralplatten des fünften, sechsten und siebenten ßeinpaares triangulär, dünn, aber meist umfang- reich . . . . Oxycephalidae. 1 1 * (149) 4 - Dr. C. Claus: 1. Familie. Typhidae. Vorderkörper breit und gedrungen, walzenförmig, meist etwas dorso ventral zusammengedrückt, Abdomen beträchtlich schmäler und merklich verkürzt, vollkommen umschlagbar. Femoralplatten des fünften und sechsten Beinpaares breit , Thierflügeln ähnlich, die Brustfläche bedeckend. Die des siebenten Paares schmal, säbelförmig gekrümmt , ohne oder mit bläschenförmigem Bein- anhang. Die hinteren Antennen des Weibchens sind vier-1) bis fünfgliedrige schmächtige Stäbe. Oberlippe helmförmig gewölbt. Mandibeln dick und kräftig. Die Maxillen sind grosse breite Kauladen. Die beiden Endglieder der hin- teren männlichen Antenne stark ver- kürzt. Die Laden der Unterlippe am Innenrand schwach ausgebuchtet. 1. Eutyphis. Beide Gnathopodenpaare enden mit zusammenge- setzter Scheere, die beiden Endglieder der hinteren männlichen Antennen be- deutend kürzer als die vorausgehenden. Das vordere Gnathopoden- paar endet ohne , das hin- tere mit ganz rudimentärer Scheere. Die beiden End- glieder der hinteren männ- lichen Antenne von mitt- lerer Länge Die beiden Endglieder der hin- teren männlichen Antenne lang, immer- hin noch merklich kürzer als die beiden vorausgehenden Glieder. Die Laden der Unterlippe am Innenrand tief aus- k gebuchtet . . 2. H e m i t y p h i s. 3. Par atyphis. Beide Gnathopodenpaare enden zangenförmig , die beiden Endglieder der hin- teren männlichen Antenne so lang oder nahezu so lang als die vorausgehenden. Die Zange einfach. Femoralplatte des sechsten Beinpaares ohne taschen- förmige Grube . . 4. T e t r a t h y r u s. Die Zange doppelt und zusammen- gesetzt. Die Femoralplatte des sechsten Beinpaares mit grosser taschenförmiger Grube . . . 5. Amphithyrus. ') Bei der Angabe über die GliederzaH des zweiten Antennenpaares ist stets das in das Kopfintegument eingeschmolzene, die Antennendrüse umfassende Grund- glied (Coxalstück) ausgeschlossen. (150) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 5 I. Eutyphis = T y p h i s x) Risso (T hyr opus Dana, Sp. Bäte o" = Dithyrus Dana 9, Platyscelus Sp. Bäte 5). Kopf kurz und breit, querwalzig mit grossen Augen und kurzem spitzen Schnabel. Mittelleib bedeutend verbreitert, Hinter- leib schmäler, nach hinten stark verjüngt. Vordere Antennen sechs- bis siebengliedrig, des Männchens mit dickem, umgebogenem, buschig behaartem Schaft und kurzer dreigliedriger Geisse!. Hin- tere Antennen des Männchens fünfgliedrig , sehr lang, zickzack- förmig zusammengelegt, mit kurzen Endgliedern, des Weibchens vier- bis fünfgliedrig , viel kürzer und geradgestreckt. Mandibeln scharfrandig mit oberem Zahnfortsatz (die Mandibel der linken Seite mit subterminalem Nebenzahn), beim Männchen mit drei- gliedrigem Taster, beim Weibchen tasterlos. Aeussere Maxillar- platten ziemlich breit und lang, mit vier Häkchen am Innenrand. Innere Kieferplatten fast helmförmig eingebogen, obere breit halb- rinnenförmig. Unterlippe mit grossen ausgeschweiften Aussenladen und kurzer breiter Zunge. Die beiden Gnathopodenpaare enden mit grosser zusammengesetzter Scheere. Drüsen im Schenkel der Gnathopoden und im Schenkel und Schienbein des dritten und vierten Beinpaares. Die Fernoralglieder an den Beinen des fünften und sechsten Paares zu grossen flügelfö'rmigen Platten verbreitert. Femoralfliigel des sechsten Beines besonders umfangreich, mit gestreckter Längsspalte an der Aussenfläche oberhalb der scharf randigen Crista des stark gewölbten Unterlandes. Siebentes Bein- paar auf das säbelförmig gekrümmte Femoralglied nebst rudimen- tärem Beinanhang reducirt. Die drei Paare von Uropoden (Caudal- griffeln) flossenförmig verbreitert. Schwanzplatte mit dem voraus gelegenen Doppelsegmente verschmolzen. Risso2), welcher zuerst die Aufmerksamkeit auf eine Nizzaer Art dieser Gattung richtete und dieselbe als Typhis ovo i des beschrieb, benützte als Charaktere die rundlich ovale Körperform, den breiten Kopf und das bauchwärts umgeschlagene Abdomen, die scheerenförmige Bewaffnung der vorderen Beine und die Umgestaltung der beiden hinteren Beinpaare zu grossen Platten. Die Antennen sollten ebenso, wie die Augen, sehr klein sein. Uebri- *) Der Name Typhis, unter welchem Risso das Männchen (?) dieser Gattung beschrieb, war bereits früher von Montagu für eine Molluskengattung vergeben. 2) A. Risso, Histoire naturelle des Crustaces des environs de Nice. Paris 1816, pag. \2>, PI. 2 Fig. 9. 6 Dr. C. Claus: gens war die Untersuchung der merkwürdigen Hyperide seitens R i s s o's eine höchst mangelhafte ; nicht einmal die Zahl der Beinpaare war bestimmt, von denen eines der Gnathopodenpaare sowie das siebente Paar dem Beschreiber ganz entgangen war. Immerhin lässt die Abbildung , welche Risso von der Nizzaer Typhis gab, die so häufig von späteren Beobachtern wieder gefun-' denen Hyperide wiedererkennen. Da aber sowohl über die Mund- werkzeuge als über die Besonderheiten der Antennen Angaben fehlen , so bleibt es. zweifelhaft , ob Riss o's Beschreibung ein männliches oder weibliches Thier zum Grunde lag. Ich vermag demnach nicht recht einzusehen, wie Sp. Bäte die Behauptung begründen will, dass sich Riss o's T. ovoides auf eine männ- liche Form beziehe. M. Edwards1) beschrieb später zwei neue kleinere Typhis arten aus dem Atlantischen Ocean als T. ferus und T. rapax. In seiner freilich ebenfalls unvollständigen und zum Wiedererkennen der Arten kaum ausreichenden Darstellung finden sich Angaben über Antennen und Mandibeln, aus denen unzweifel- haft hervorgeht, dass M. Edwards nur männliche Formen der wahrscheinlich auf die Gattung He rai typhis zu beziehenden Art kannte. Weibchen von T. ferus2) blieben jenem Forscher unbe- kannt. T. rapax aber gehört nach der Gestalt der Gnathopoden zu urtheilen , zu einer ganz anderen Gattung (vielleicht Schizo- s c e 1 u s). Eine ausführlichere Charakterisirung unserer Gattung erhalten wir erst in M. Edwards1 Crustaceenwerke. 3) Freilich werden hier wiederum ausschliesslich die Eigenthümlichkeiten der männlichen Antennen berücksichtigt und zur Begründung der Hyperines anormales verwerthet. Die Mundwerkzeuge bleiben ganz unbeachtet. Für die Gattung Typhis insbesondere wird auf die ') M. Edwards, Extrait des Recherches pour servir ä l'histoire naturelle des Crustaces amphipodes. Annales des seiences naturelles Tom XX, 1830, pag. 395, Taf. Xr, Fig. 8. '-) Die Abbildungen, welche S p. Bäte in dem Catalogue der Brit. Amphi- poden, Taf. 52, Fig. 8, von Thyropus ferus entwirft, dessen Beschreibung er M. Edwards wörtlich entlehnt, passen üicht zu derselben und beziehen sicli auf eine weibliche Form, wie die beiden Antennenpaare F i g. 8 b u. 8 c beweisen. Auch wird unrichtigerweise D a n a's T h. diaphanus mit T h. ferus identi- ficirt , obwohl die vorderen Gnathopoden in beiden Abbildungen wesentlich abwei- chen. Jedenfalls beweist hier die Uebereinstimmung des Fundorts gar nichts; im TJebrigen aber sind die Anhaltspunkte beider Beschreibungen znr näheren Verglei- chung überhaupt unzureichend. 3) M. E d w a r d's , Histoire naturelle des Crustaces tom. III. Paris 1840, pag. 94. (152) Die Gattuugen und Arten der Platysceliden. 7 BewafFnungsweise des vorderen Gnathopodenpaares kein besonderer Werth gelegt, dagegen die scheerenförmige Endigung des zweiten Gnathopodenpaares als Charakter in den Vordergrund gestellt. Als Arten werden T. ferus, r apax und o voides unterschieden, indessen nur die erste Art wird einigermassen befriedigend be- schrieben. Auch Dana1), der in seinem grossen Crustaceenwerke die Hyperinen eingehend behandelt, legt auf die Faltbarkeit der hin- teren Antennen einen grossen Werth, indem er dieselbe nicht nur als Familienmerkmal der Typhiden (entsprechend dem Tribus der Hyperines anormales), sondern auch nach den Besonderheiten zur Charakterisirung von Typhis und der neu aufgestellten nächst verwandten Gattungen Dithyrus und T h y r opus benutzt. Für Typhis nahm Dana auffallender weise einen Differential- charakter der hinteren Antenne auf, der weder aus der Beschrei- bung von Risso, noch aus denen von M. E d w a r d s abgeleitet war und überhaupt unrichtig ist. Der Charakter „Antennae 2dae biplicatae, articulo lmo longiore quam 2dusu passt jedenfalls nur in seiner zweiten Hälfte auf die weibliche Typhisform. Dagegen charakterisirte Dana die Gattung Thyropus in der bisher für Thyphis giltigen Weise durch die vierfache Einfaltung der Antenne, „Antennae 2dae 4 — 5 plicatae , thoracis latere celatae, articulo lmo multo breviore quam 2dus" und beschrieb als einzige Art Th. diaphanus. Endlich wurde für die neben Thyropus aufgestellte Gattung „Dithyrus-' die Kürze der nicht zickzack- förmig eingefalteten hinteren Antenne , deren Grundglied länger als das zweite sei, sowie der Mangel der Beinreste an den beiden Plattenpaaren als Charakter hervorgehoben. Dieser Mangel besagt aber nichts Anderes, als den zufälligen Verlust der leicht hinfälligen Beinanhänge dieser Gliedmassen, während Dithyrus der Beschaf- fenheit der hinteren Antenne nach mit Typhis zusammenfällt. Da diese Charaktere aber ausschliesslich das weibliche Geschlecht kennzeichnen, so kann gar kein Zweifel bestehen, dass Dithyrus und Typhis beiDana lediglichals weibliche Formen zu Thyropus als dem m ännlichen Typus zu b ez iehen sind. Die Uebereinstimmung von Thyropus Dana und Typhis Risso hat bereits auch Spence Bäte 2) in seinem ausführlichen ]) Dana, United States Explor. Expedition, pag. 100S, pl. 169. *) Spence Bäte, Catalogue of the specimens of Amphipodous crustacea the collection of 1he British Museum, London 1862. 053) 8 Dr. C. Claus: Kataloge der Amphipoden des britischen Museums hervorgehoben und die Bezeichnung T y p h i s mit Rücksicht auf die von Montagu bereits früher in gleicher Weise benannte Molluskengattung be- seitigt. Ohne Zweifel gibt Spence Bäte eine vollständigere und bessere Charakterisirung unserer Gattung als jeder seiner Vorgänger, ohne freilich die Thatsache klar erkannt zu haben, dass das Merkmal der langen, zickzackförmig gefalteten Antenne die weibliche Form ausschliesse. Als Thyropusarten werden von ihm Th. ovoides Risso , Th. ferus Edw. Th. rapax Edw. aufgeführt , die beiden letzten mit den Diagnosen ihres Autors, die erstere Art mit einer eingehenden, auf eigene Be- obachtungen gestützten Beschreibung. Diese bezieht sich freilich nicht auf Nizzaer Exemplare, sondern auf 1/2 Zoll lange, an der Südwestküste der Azoren gesammelte Männchen, deren Artidentität mit den von Risso beschriebenen Formen nicht erwiesen ist. Der E d w ar ds'schen Beschreibung von Th. ferus aber fügt Spence Bäte Abbildungen bei. die auf jene Beschreibung gar nicht passen und den Antennen nach weiblichen Formen ent- lehnt sind, ohne dass dieser Unterschied von Spence Bäte bemerkt worden wäre. Unrichtigerweise identificirt er Dana's Th. diaphanus mit derselben Art und sucht die einzige (?) nicht in Uebereinstimmung zu bringende Angabe jenes Autors, dass der Endabschnitt der vorderen Antenne vielgliedrig sei, auf ein Miss- verständniss Dana's zurückzuführen. Um jedoch die Verwirrung zu einer vollständigen zu machen, stellte Spence Bäte, ohne Dana's Gattung Dithyrus aufzu- heben, nach dem W eibchen von Typhis eine neue Gattung „Platy- s c e 1 u s " auf, deren Abweichungen von Thyropus wesentlich auf der Gestalt der beiden Antennenpaare und der Mandibeln beruht. Die vorderen Antennen sind kurz und nicht buschig behaart, die hinteren viergliedrig und nicht zickzackförmig gefaltet, der Mandi- beltaster fehlt , alles, wie wir sehen werden, ausschliesslich Eigen- thümlichkeiten des weiblichen Geschlechtes. Dass übrigens Spence Bäte selbst dem Gedanken nicht ferne stand, die Gattung auf die weibliche Form von Thyropus begründet zuhaben, geht aus einer Bemerkung hervor, welche am Schlüsse der Diagnose bei- gefügt ist. „II appear to be not improbable, that Platyscelus may prove to be the female of Typhis, from which it differs only in the form of the superior and length of the inferior antennae." Bei diesem Stande der Erkenntniss aber, der zu der Ueberzeugung hätte führen müssen, dass bereits schon Dana's Diagnose der (154) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 9 Gattung Typhis dem weiblichen G-eschleelit entspreche, hätte Spence Bäte wohl Veranlassung gehabt, die Geschlechtsver- hältnisse der verschiedenen Formengruppen sorgfältig zu prüfen. Jedenfalls aber lag Grund genug vor, die Gattung nach Erkennt- niss ihrer Unhaltbarkeit einzuziehen. Von den beiden auf Platy- scelus bezogenen Arten scheint PI. Rissoinae trotz ihrer bedeutenden Grösse T. ovoides mindestens sehr nahe zu stehen, die als PI. serratus unterschiedene Form aber mit der mittel - meerischen Art zusammenzufallen. Nicht nur Grösse und Körper- form, sondern die specielle Form beider Paare von Femoralplatten wiederholen die Eigenthümlichkeiten der Typhisart von Nizza und Messina. Die Untersuchung einer grossen Anzahl kleinerer und grösserer Typhiden aus sehr verschiedenen Meeren hat mich davon über- zeugt, dass die Charahterisirung der Gattungen auch nach Be- seitigung der durch die sexuellen Verschiedenheiten veranlassten Irrthümer viel specieller gehalten werden muss, und dass in der E d w a r d'schen Gattung T y p h. i s , dem Dan a: sehen T h y r o p u s, eine Reihe von Gattungen enthalten sind. Da D a n a's Bezeichnung Thyropus ausschliesslich auf das männliche Geschlecht Bezug hat, deren zugehörige Weibchen als D i t h y r u s sowie Platyscelus gesondert wurden , so habe ich dieselben nicht aufrecht erhalten, dagegen den ursprünglichen Rissoischen Namen, welchem jeden- falls die Priorität gebührt, in der zui Unterscheidung der gleich- namigen altern Molluskengattung ausreichenden Modification als Eutyphis wieder aufgenommen. 1. E. ovoides Risso. Typus ovoides. Risso, Hist. des Crustaces de Nice, p. 122. PI. 2, Fig.9; ferner, bist. nat. de TEurope meridionale t 5, p. 94. Desinarest. Considerations geniales etc. Paris 1S25. l>. 82, PI. 46, Fig. 5- Milne Edwards, bist. nat. des Crustaces. Tom III, p. 97. Platyscelus serratus. Spence Bäte, On the Morpbologie on tome Amphipoda of the Division Hyperina. Ann. and Mag. of nat. bist. III. Serie, tome VIII, pag. 4, Taf. II, Fig. 3 u. 4. Catalogue on the speeimens. of Amphipodous Crustacea in the Collection of the Brit. Museum 18ö 2, p. 330, Taf. 52, Fig. 10 u. 11 (9). Thyropus ovoides. Spence Bäte, ibidem p. 327, (c?) Taf. 52, Fig. 7. Körper im eingerollten Zustande nahezu eiförmig, 14 — 24 Mm. lang, mit dickem, 6 — 8 Mm. breitem Kopf und noch breiterem Thorax, dessen Epimeralstücke als schwache Wülste vorspringen. Die vordere Antenne des Männchens mit tiefer Einbuchtung am Schaftende zwischen einem dicken Fortsatz des Schaftgliedes und 10 Dr. C. Claus: dem bauchig aufgetriebenen Grundgliede der dreigliedrigen Greissei. Die vordere Antenne des Weibchens sechsgliedrig, mit langgestreck- tem Basalglied, auf welches zwei kurze, schräg aufwärts gestellte Mittelglieder und das längere Endglied des Schaftes nebst zwei- gliedriger Geissei folgen. Die hinteren Antennen des Männchens fünfgliedrig. Basalglied derselben etwa 2/3 so lang als das zweite und dritte Glied; viertes und fünftes Glied, unter einander gleich lang, kaum den dritten Theil der Länge des dritten Gliedes erreichend. Die hinteren Antennen des Weibchens viergliedrig, mit langem, schwach säbelförmig gekrümmtem Basalglied und kurzem griffeiförmigem Endglied. Rückenrand des Metacarpus beider Gnathopodenpaare gesägt, Scheerenfortsatz am Carpus derselben sehr umfangreich und an beiden Rändern gesägt. Femoralplatte des fünften und sechsten Beinpaares schwach schaufeiförmig ge- bogen; das vordere Ende des ersten Plattenpaares spitzwinklig auslaufend, Vorderrand desselben sanft ausgeschweift und fein gesägt , das zweite Plattenpaar stark verlängert und vorn ver- schmälert, am Vorderrande fein gesägt, Firste am Unterrande desselben bauchig vorgewölbt. Schlitz an der Aussenfläche des- selben ziemlich lang. Endglied des sechsten Beinpaares finger- förmig, fast 2/3 so lang als der vorausgehende Carpus. Femoral- glied des siebenten Beinpaares säbelförmig gekrümmt, mit kurzem, warzenförmigem Anhang. Die Aeste der Pleopoden sind fünfzehn- bis siebenzehngliedrig, die der Uropoden breit und blattförmig. Nur der Aussenast des letzten Paares schmal und stark verkürzt, Fundort : Mittelmeer (Nizza, Messina) und Atlantischer Ocean. Ausser mehreren weiblichen Exemplaren von Nizza, die der Art nach unzweifelhaft mit R i s s o's Form übereinstimmen, habe ich eine Anzahl ebenfalls weiblicher Exemplare von Messina vergleichen können. Mit denselben zusammengehörig erweisen sich Typhi den aus der Sammlung des Herrn Godeffroy, welche an der West- küste Südamerika^ gesammelt worden waren. Unter ihnen fand sich ein Männchen. Auch die als PI a t y s c e 1 u s s e r r a t u s S p e n c e Bäte beschriebene Typhide von unbekanntem Fundort betrachte ich als das Weibchen von Th. ovoides, mit dem sie nicht nur in Grösse und Körpergestalt, sondern vornehmlich in Gestalt und Bewaffnungsweise der Gnathopoden, sowie der Femoralplatten des fünften und sechsten Beinpaares so ziemlich übereinstimmt, 2. E. armatus n. sp. Körper ziemlich gedrungen, 10 — 16 Mm. lang, mit dickem Kopf, minder gewölbtem Rücken und kantig vorspringenden Epime- (166) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 11 ral stücken des Thorax, von denen sich die des fünften Beinpaares meist in eine dreieckige Platte ausziehen. Augenpigment braunroth, mächtig entwickelt. Die vorderen Antennen des Männchens ohne den terminalen Fortsatz an der Spitze des gestreckten Schaft- gliedes. Hintere Antennen des Männchens ähnlich wie beiE. ovoides, doch sind sowohl das Basalglied als die beiden Endglieder relativ kurz. Hintere Antennen des Weibchens fiinfgliedrig, mit gerad- gestrecktem langen Grundglied und sehr kurzem Endglied. Aussen- rand des Metarcarpalgliedes beider Gnathopoden glatt, nur der Innenrand desselben gesägt. Femoralplatte des fünften Beinpaares gedrungen, lanzetformig und flach, Vorderrand desselben schuppen- förmig sculpturirt, mit kleinen, weit abstehenden Spitzen. Femoral- platte des sechsten Beinpaares ziemlich flach, vorn minder ver- schmälert und mit geradlinig gestreckter Firste am Unterrand. Schlitz an der Aussenfläche derselben kurz , über dem hinteren Ende der Firste. Endglied des sechsten Beinpaares sehr kurz und klauenförmig, kaum x/s so lang als der vorausgehende Carpus, Femoralglied des siebenten Beinpaares nur schwach gekrümmt, mit zwei- bis dreigliedrigem Endzapfen. Die Aeste der Pleopoden bestehen aus 13 bis 15 Gliedern, die der Uropoden sind einfache, lanzetförmige Blätter. Aussenast des letzten Paares fast so lang als der innere. Schwanzplatte minder stark zugespitzt. Fundort : Atlantischer und Indischer Ocean. Küste von Chili und Zanzibar. Eine sehr verbreitete Art, die in zahlreichen Grössenvarietäten auftritt. AufFallenderweise scheinen umgekehrt wie beiE. ovoides die Männchen häufiger als die Weibchen zu sein. 3. E. serratus n. sp. Körper breit, walzig, 4—6 Mm. lang, mit grossem Kopf, kurzen, in scharfen Kerben abgesetzten Brustringen und relativ umfangreichem Abdomen. Die dicke Chitinhaut von dicht gestellten Gruben und feinen Porengängen durchsetzt. Schnabel langgestreckt, dreiseitig. Vordere Antennen des Männchens mit kolbigem Terminal- fortsatz des gestreckten Schaftes und sehr dünner Geissei, die des Weibchens sechsgliedrig. Die beiden Endglieder der zweiten Antenne des Männchens beinahe 2/ü so lang als das vorausgehende dritte Glied. Der Scheerenfortsatz am Carpus der vordem Gnatho- poden reicht nicht bis zur Spitze des Metacarpus. Femoralplatte des fünften Beinpaares oval gestreckt. Femoralplatte des sechsten Beinpaares mit geradliniger Firste am Unterrand und langem, 12 Dr. C. Claus: fast linearen Schlitz. Metacarpus sehr klein, krallenförmig. Femur des siebenten Beinpaares schmal, säbelförmig gekrümmt, mit rudi- mentärem einfachem oder zweigliedrigem Beinanhang. Pleopoden- äste neun- bis eilfgliedrig. Hinterer Abschnitt des Abdomens mit den Uropoden ziemlich gestreckt. Aussenast des letzten Uropoden- paares schmal und stark verkürzt. Schwanzplatte länglich zungenförmig. Fundort: Ind. Ocean, Zanzibar und Mittelmeer (Messina). 4. E. globosus. n. sp. Körper breit, fast kugelig, mit grossem, breiten Kopf und kurzem Abdomen, 3—4 Mm. lang. Die dicke Chitinhaut von kleinen, minder dicht gestellten Gruben besät. Schnabel ungleich breiter und kürzer als bei E. serratus. Der Scheerenfortsatz am Carpus der vorderen Gnathopoden reicht nahezu bis zur Spitze des Meta- carpus. Brustbeine dicker und gedrungener. Die Gruben an den Femoralplatten des fünften und sechsten Beinpaares durch grössere Zwischenräume getrennt. Femoralplatte des sechsten Beinpaares mit längerem Vorderrand und kurzem Schlitz oberhalb der Firste des Unterrandes. Metacarpus nahezu so lang als das mit Zähn- chen besetzte Carpalglied. Siebentes Beinpaar säbelförmig ge- krümmt, mit viergliedrigem, schlauchförmigen Beinanhang. Pleo- podenäste sieben- bis neungliedrig. Aussenast des letzten Uropoden- paares schmal und winzig klein. Fundort: Mittelmeer (Messina). 2. Hemityphis. Körpergestalt und ebenso die Bewaffnung der Gnathopoden wie bei Eütyphis. Die beiden Endglieder der hinteren Antennen des Männchens sehr lang, nur wenig kürzer als die beiden voraus- gehenden Glieder. Die Seitenladen der Unterlippe durch eine tiefe Ausbuchtung getrennt. Subterminaler Zahn der linken Man- dibel sehr gross und gezähnelt. Drüse im Schenkel der Gnatho- poden und in der Tibia des dritten und vierten Beinpaares. Fe- moralplatte des sechsten Beinpaares mit kleiner, kurzer Grube oberhalb der Firste des Unterrandes. 1. H. tenuimanus n. sp. Körper ziemlich gedrungen , mit umfangreichem Abdomen, 4—7 Mm. lang. Schaft der vorderen Antenne des Männchens ge- streckt mit kolbigem Terminalfortsatz. Geisselglieder sehr ungleich. Viertes Glied der hintern männlichen Antennen mehr als 2/3 so (158) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 13 lang, wie das vorausgehende dritte Glied, das Endglied merklich kürzer. Greifhand der beiden Gnathopodenpaare verhältnissm'ässig schmal und gestreckt. Scheerenfortsatz am Carpus beider Paare kürzer als der Metacarpus und nur schwach gesägt. Epimeral- stück des fünften Beinpaares mit Zahnfortsatz an der Innenseite, Epimeralstück des siebenten Beinpaares in eine kantige spitze Leiste ausgezogen. Femoralplatte des fünften Beinpaares am oberen Rand stark ausgebuchtet, schuppig sculpturirt, Femoral- platte des sechsten Beinpaares hinggestreckt mit gradliniger Firste am Unterrand. Das siebente Beinpaar auf die relativ breite, säbelförmig gekrümmte Femoralplatte beschränkt. Die Pleopoden- äste bestehen aus 10 bis 12 Gliedern. Die Uropodenäste breit lanzetförmig. Der Stiel des vorderen Uropodenpaares mit stark vorspringendem, gesägten Aussenrand. Aussenast des letzten Uropodenpaares schmäler, aber nur wenig kürzer als der Innenast. Fundort: Atlantischer Ocean und Cap der guten Hoffnung. 2. H. crustulum n. sp. Körper dem von H. tenuimanus ähnlich, circa 4 bis 5 Mm. lang, mit dickem, incrustirtem , pflasterförmig gefeldertem Chitinpanzer. Pigmentkörper des Auges braunroth. Die Scheeren der Gnathopoden viel gedrungener und dicker, Scheerenfortsatz am Carpus des zweiten Gnathopodenpaares vollständig, über das Ende des Metacarpus hinausragend. Femoralplatte des fünften Beinpaares ohne Einkerbung am Ende des Vorderrandes, die des sechsten Paares minder langgestreckt als die der ersteren Art, mit viel grösserer Grube der Aussenseite. Femoralplatte des siebenten Beinpaares vorn kaum verschmälert, mit bläschenförmigem zweigliedrigen Beinanhang. Pleopodenäste acht- bis zehngliedrig. Hinterer Abschnitt des Abdomens nebst Uropoden und Schwanz- platte den gleich werthigen Theilen von H. tenuimanus ähnlich. Fundort: Zanzibar. 3. Paratyphis. Körpergestalt ganz ähnlich wie bei Hemityphis. Die beiden Endglieder der hinteren Antenne des Männchens lang. D i e vordem Gnathopoden ohne, die des zweiten Paares mit kurzem und schwachem Scheerenfortsatz des Carpus. Drüse im Schenkel der Paragnathen und im proxi- malen Abschnitt von Tibia und Carpus des dritten und vierten Beinpaares. Femoralplatte des fünften Beinpaares schlank und 14 Dr. C. Claus: gestreckt. Femoralplatte des sechsten Beinpaares mit grosser taschenförmiger Grube oberhalb der Firste des Unterrandes. 1. P. maculatus n. sp. Körper mit grossem, langgestreckten Abdomen, circa 3 Mm. lang. Stielglied der vorderen Antennen des Männchens mit breitem kolbigen Terminalfortsatz. Das Basalglied der hinteren Antennen des Männchens mindestens halb so lang, das vierte etwa zwei Drittel so lang, als das zweite und dritte Glied, das End- glied etwas kürzer. Femoralglied des vorderen Gnatkopodenpaares gestreckt, etwas eingeschnürt, des zweiten Grnathopodenpaares sehr lang und geradgestreckt. Carpus des ersten Gnathopodenpaares ohne , des zweiten mit kurzem , dreieckigen Scheerenfortsatz. Die Epimeren an sämmtlichen Segmenten bilden stark vorspringende Firsten , die des fünften Beinpaares mit Zahnfortsatz. Femoral- platten des fünften und sechsten Beinpaares langgestreckt, die letzteren mit tiefer, taschenähnlicher Grube oberhalb der linearen Firste am Unterrand. Femoralglied des siebenten Beinpaares massig breit, blattförmig gekrümmt, mit ganz rudimentärem, un- gegliederten Anhang. Aeste der Pleopoden sieben- bis neungliedrig. Uropodenäste lanzetförmig oval. Aussenast des letzten Paares sehr klein und schmal. Fundort: Cap und Atlantischer Ocean. 4. Tetrathyrus. Kopf breit und kurz mit dreieckiger Stirn. Körpergestalt wie bei Eutypkis. Die beiden Endglieder der hintern männ- lichen Antenne mit den vorausgehenden nahezu gleich lang. Ober- lippe helmförmig erhoben und seitlich umgebogen. Seitenblätter der kahnförmig gekrümmten Unterlippe über die Zunge und Ober- lippe hinausragend. Mandibel relativ kurz und geradgestreckt. Die beiden Gnathopodenpaare enden mit kleiner einfacher Zange. Drüse im proximalen Theil der Tibia des dritten und vierten Beinpaares. Femoralplatte des sechsten Beinpaares massig lang und hoch, ohne spaltförmige Grube der Aussenfläche. Sie- bentes Bein auf die langgestreckte Femoralplatte reducirt. 1. T. forcipatus n. sp. Körper circa 2V3 Mm. lang, walzig. Schaftglied der vor- deren männlichen Antennen gestreckt; ohne terminalen Fortsatz; Mittelglied der dreigliedrigen Geissei stark und länger als das Endglied. Basalglied der hinteren Antennen kaum gekrümmt, fast (ICO) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 15 ein Drittel so lang als die nachfolgenden Glieder. Greifzangen der Paragnathen sehr kurz. Hakenfortsatz am Epimeralstücke des fünften Segmentes breit und kurz. Femoralplatte des fünften Beinpaares oval gestreckt, des sechsten Beinpaares hoch und vorn schräg abgestutzt , mit wenig vortretender Leiste am Unterrand. Tibialstück am Innenrand in einen starken Fortsatz ausgezogen, und ebenso wie das Carpalglied gezähnt. Metacarpus und Klauen- glied wohl gesondert. Femoralstück des siebenten Beinpaares schmal, langgestreckt und vorne sichelförmig ausgebuchtet , ohne Beinanhang. Die Pleopodenäste sind sieben- bis neungliedrig. Uropoden mit relativ grossem Stiel und lanzetförmigen Aesten. Aussenäste derselben schmal und kürzer als die inneren. Schwanz- platte dreiseitig gerundet, ziemlich schmal und gestreckt. Fundort : Atlantischer Ocean, Cap. 5. Amphithyrus. Körpergestalt ähnlich wie bei Eutyphis. Mundwerkzeuge kegelförmig vorgestreckt. Mandibeln kurz und gedrungen. Die beiden Endglieder der hinteren männlichen Antennen mit den vor- ausgehenden nahezu gleich lang. Beide Gnathopo denpaare enden mit zusammengesetzter Zange. Drüsen im proxi- malen Abschnitt von Femur und Tibia des dritten nnd vierten Beinpaares. Femoralplatte des fünften Beinpaares gestreckt ei- förmig, die des sechsten Beinpaares relativ kurz und hoch, mit hoher taschenformiger Grube an der Aussenfläche. Stiel des ersten und zweiten Uropodenpaares gestreckt. 1. A. bispinosus n. sp. Körper massig gestreckt, mit dickem, wellig sculpturirten Chitinpanzer, circa 2Va ^m- lang. Die drei Geisseiglieder der vor- deren männlichen Antenne ziemlich gleich lang. Basalglied der hinteren männlichen Antennen kurz und dick , kaum ein Drittel so lang, als jedes der vier nachfolgenden Glieder. Zangenfort- satz am Carpus des vorderen Gnathopodenpaares kürzer als der am zweiten Paare. Epimeralstück des fünften Beinpaares in einen langen nach hinten gerichteten Stachel ausgezogen. Dorn an der Innenseite desselben kräftig und hakig gebogen. Femoralplatte de3 fünften Beinpaares oval gestreckt, des sechsten Beinpaares unregel- mässig geformt, mit zapfenförmig vorspringendem Vorderende. Femoralstück des siebenten Beinpaares schmal und etwas gebogen, ohne Beinanhang. Die Pleopodenäste sechs - und siebengliedrig. (161) 16 Dr. C. Claus: Die Uropoden lang gestreckt mit schmalen lanzetförmigen Aesten. Schwanzplatte dreieckig, in eine scharfe Spitze ausgezogen. Fundort: Atlantischer Ocean. 2. A. sculp.turatus n. sp. Körper breit, ziemlich gedrungen, circa 4 bis 5 Mm. lang, mit dickem, pflasterförmig sculpturirtem Chitinpanzer und wulstig erhobenen Epimeralstücken des fünften und sechsten Tkoracal- segmentes. Das Basalglied der hinteren männlichen Antennen kurz und dick, kaum ein Viertel so lang als die nachfolgenden Glieder. Die beiden Endglieder merklich kürzer als das dritte Glied, unter- einander fast gleichlang. Index am Carpus der beiden Gnathopoden- paare ziemlich gleich. Fünftes Beinpaar auffallend dick und kräftig. Femoralplatte oval gestreckt, die des sechsten ßeinpaares hoch, vorne fast gerade abgestutzt, etwas ausgebuchtet, Femoralglied des siebenten Beinpaares schmal und gestreckt, mit kurzem schlauch- förmigen, aber viergliedrigen Beinanhang. Pleopodenäste sechs- und siebengliedrig, Stielglied des vorderen Uropodenpaares sehr lang. Die Aeste der Uropoden kurz, lanzetförmig mit stark gesägtem Rand. Schwanzplatte breit und kurz, am Ende gerundet. Fundort: Atlantischer Ocean. 3. A. similis n. sp. Körper circa 3 Mm. lang, massig gestreckt, mit minder dickem , aber in gleicher Weise sculpturirten Integumental- panzer , der vorausgehenden Art sehr ähnlich. Index am Carpus und Metaearpus beider Gnathopodenpaare weit weniger promini- rend. Die Tasche am Femoralglied des sechsten Beinpaares von relativ grösserem Umfang. Segmente und Gliedmassen mit runden carmoisinrothen Pigmentflecken. Pleopodenäste sechs- und siebengliedrig. Stielglied des vorderen Uropodenpaares nur wenig länger als die Aeste desselben. Fundort: Mittelmeer (Messina). 2. Familie. Scelidae. Körpergestalt und Antennenform ähnlich wie bei den Typhi den. Bauchfläclie jedoch meist stark abgeflacht. Abdomen relativ viel grösser und gestreckter als dort, umschlagbar. Mundtheile mehr oder minder schnabelförmig aus- gezogen. Mandibeln schmal und gestreckt. Femoralplatte des fünften Beinpaares eiförmig, die des sechsten Beinpaares viel länger und gestreckter, siebentes Beinpaar schmächtig, aber meist ^oliz (1C2) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 17 Beide Gnathopodenpaare enden mit zusammengesetzter Scbeeie. Femoralplatte des sechsten Beinpaares ohne Spalte . . . 1. Euscelus. Das vordere Gnathopodenpaar endet klauenfürmig, das hintere mit zusammenge- setzter Scheere. Femoralplatte des sechsten Beinpaares mit langer sichelförmig gebogener Längsspalte 2. Schi z ose eins, ( Femoralplatte des sechsten Bein- paares sehr lang gezogen und vorn verschmälert mit taschenförmiger Grube der Aussenfläche. Endglied der hinteren männlichen Antenne kurz. Uropodenäste nossenförmig verbreitert 3. Tanyscelus. ' Beide Gnatho poden- paare enden klauen- förmiff. Femoralplatte des sechsten Bein- paares relativ kürzer und ohne Grube an der Aussenfläche. Endglied der hintern männlichen Antenne von mitt- lerer Länge. Uropodenäste relativ schmäler, fast lanzetfö'rmig . . . . 4. P ar as celu s. 6. Tanyscelus. Körper breit und gestreckt, ventral wärts abgeflacht, Kopf spitz ausgezogen. Unterlippe breit, schnabelförmig vorspringend. Endglied der hinteren männlichen Antennen nur halb so lang als das vorausgehende vierte Glied. Mandibeln stark verlängert mit schmalem Kaustück. Maxillarplatten mit vier kammförmigen Zahnfortsätzen am äussersten Ende. Die beiden Gnathopoden- paare enden klauenförmig und sind von den nachfolgenden Bein- paaren nur durch ihre kürzere und gedrungenere Form verschieden. Hintere Femoralplatte auffallend gestreckt und vorn verschmä- lert, mit taschenförmiger Grube abseits von der Firste des Unterrands. Siebentes Beinpaar fast vollständig ausgebil- det, mit langer Femoralplatte. 1 . T. sphaeroma n. sp. (Thyropus diaphanus Dana?) Körper gestreckt, massig verbreitert, 6 — 7 Mm. lang, im umgeschlagenen Zustand des umfangreichen Abdomens einer Roll- assel vergleichbar, an den Seiten mit rothen Pigmentpunkten geziert. Kopf breit und verhältnissmässig flach, mit breiter aus- gezogener Stirn und scharfkantigem Seitenrand. Schaft der vorderen männlichen Antennen vorn verjüngt, ohne Fortsatz. Die Claus. Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tora. II. 12 (!63) 18 Dr. C. Claus: dreigliedrige Geissei mit verlängertem Mittel- und Endgliede. Bas Basalglied der hinteren männlichen Antennen kurz, kaum ein viertel so lang als die beiden nachfolgenden Glieder. Endglied kaum halb so lang, als das lange vorausgehende Glied. Die drei Glieder der Mandibeltaster ziemlich gleich lang, Endglied am kürzesten. Die beiden weit nach vorn vorgestreckten Gnathopoden- paare mit langgestrecktem Carpus und Metacarpus und klauenförmiger Endkralle. Epimeralglied des fünften Beinpaares mit langem, stachelförmigem Griffel an der Innenseite. Femoralplatte massig gestreckt, oval. Die Femoralplatte des sechsten Beinpaares vorn stark verjüngt und sehr langgestreckt, mit rundlich-fünfseitiger Tasche. Bein ohne Fortsatz am gezähnelten Innenrande des Tibialgliedes , mit gesondertem Metacarpus und Finger. Femoralplatte des siebenten Beinpaares schmal , blatt- förmig , mit langem , schlauchförmigem , aber gegliedertem Bein- anhang ohne Endkralle, Die Aeste der Pleopoden sieben- und acht- gliedrig. Uropoden flossenförmig mit schmalen Aussenlamellen. Schwanzplatte sehr kurz und abgerundet. Fundort: Zanzibar, Ombaistrasse. 7. Parascelus. Körper massig breit und gewölbt, doch mit abgeflachter Bauchseite, ähnlich wie bei Tanyscelus. Scheitelauge und Seiten- auge vereinigt. Ober- und Unterlippe schnabelförmig vorspringend. Erstere mit zungenförmig vorstehendem Epipharynx. Mandibeln schmal, fast stiletförmig ausgezogen. Vordere Antennen ähnlich wie bei Tanyscelus. Beine sehr schlank , mit sehr langem Schenkelglied. Die Gnathopoden enden klauenförmig, Carpus derselben mit kleiner höckerförmiger Erhebung als An- deutung eines Scheeren-Fortsatzes. Zwei Drüsenzellen im Carpus des dritten und vierten Beinpaares. Femoralplatte des fünften Beinpaares gedrungen eiförmig. Femoralplatte des sechsten Beinpaares langgestreckt, vorn verschmälert, ohne taschenförmige Grube; siebentes Beinpaar vollständig aus-, gebildet. Die Aeste der Uropoden sind schmale Flossenblätter, von denen das innere des zweiten Paares an Grösse prävalirt. 1. P. Edwardsii n. sp. Kopf breit, ziemlich abgerundet. Körper ähnlich dem von T. sphaeroma, doch höher und gewölbt, 4 — 5 Mm. lang. End- glied der vorderen männlichen Autennen mit etwa fünf sehr langen Härchen an der Spitze. Das Basalglied der hinteren männlichen Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 19 Antennen ein Dritttheil so lang wie das nachfolgende Glied. Endglied nur wenig kürzer als das vorausgehende. Carpns nnd Metacarpus der Gnathopoden merklich gedrungener als bei T. sphaeroma. Dorn am Epimeralstück des fünften Beinpaares breit und kräftig. Femoralplatte desselben ohne Querfirste am distalen Ende. Femoral- platte des sechsten Beinpaares langgestreckt, am distalen Abschnitt beträchtlich verschmälert. Siebentes Bein paar mit bauchig verbreitertem Femoralglied und kleiner Endklaue des vollzählig gegliederten Beinanhangs. Pleopodenäste sieben- und achtgliedrig. Die Uropodenblätter ziemlich gestreckt, ebenso der hintere Abschnitt des Abdomens und die Schwanzplatte. Stiel des zweiten und dritten Uropodenpaares kurz. Innerer Ast des zweiten Paares massig vergrössert. Aussenast des dritten Paares etwa von halber Länge des inneren Astes. Fundort: Atlantischer Ocean. 2. P. typhoides n. sp. Körper breiter und gedrungener, im umgeschlagenen Zustand des stark verjüngten Abdomens fast kuglig, Typhis ähnlich, 4 bis 5 Mm. lang. Hautpanzer sehr stark, mit dicht gestellten Gruben und mehr vereinzelten Porencanälen. Stirnvorsprung ver- schwindend klein. Leibessegmente seitlich mit je zwei dorsalen und zwei seitlichen runden Pigmentflecken. Das vorletzte Glied der weiblichen Antenne nicht viel kürzer als das vorausgehende, drei- bis viermal so lang als das Endglied. Femoralplatte des fünften Beinpaares unregelmässig eiförmig, mit schräger Firste am distalen Ende. Femoralplatte des sechsten Beinpaares in der distalen Hälfte minder verschmälert, mit conisch verjüngtem Ende. Schenkel- glied des siebenten Beinpaares schmal und lang- gestreckt, nicht bauchig aufgetrieben. Basalstück der Pleopoden mit je zwei Pigmentflecken, Aeste derselben acht- und neungliedrig. Innenblatt des zweiten Uropodenpaares sehr umfangreich. Auf den ersten Blick unterscheidet sich diese im Mittel- meere sehr verbreitete Parascelusart von der nahestehenden Form des Atlantischen Oceans durch die breitere und gedrungenere Körperform, sowie durch die stärkere poröse Cuticula, wozu noch die Gestalt beider Femoralplatten und insbesondere des Schenkel- gliedes vom siebenten Beinpaar hinzukommt. Im jugendlichen Alter freilich treten diese Unterschiede grossentheils so vollstän- dig zurück, dass man beide Arten erst nach sorgfältiger Prüfung zu sondern vermag. Leider sind mir vollkommen ausgebildete 12 * (i iiö> 20 Dr. C. Claus: Männchen unserer Art nicht bekannt geworden, doch dürfte, nach jungen, vor der letzten Häutung stehenden Männchen zu schliessen, das erste Glied der zweiten Antenne eine bedeutendere Länge erreichen. Fundort: Messina und Neapel. 3. P. p arvus n. sp. Körper massig gestreckt, circa 3 Mm. lang (im weiblichen Geschlecht). Beide Fühlerpaare des Weibchens fünfgliedrig, lang- gestreckt. Die vorderen mit langem Basalgliede und langer drei- gliedriger Geissei; das vorletzte Glied der hinteren Antenne unge- fähr halb so lang als das vorausgehende und von mehr als doppelter Länge des Endgliedes Der Innenrand des Carpus beider Gnathopodenpaare bildet einen kurzen Vorsprung in Form einer schwachen welligen und behaarten Erhebung. Femoralplatte des fünften Beinpaares ohne Firste am distalen Endabschnitt, die des sechsten Beinpaares mit hoher Basis und schmalem Mittel- und Endtheil. Leiste des Unterrandes mit zahlreichen langen Haar- bürsten besetzt, ebenso der innere Rand des fünften und sechsten Beinpaares. Femoralglied des siebenten Beinpaares schmal und langgestreckt, ungefähr so lang als alle nachfolgenden Beinglieder. Die Aeste der Pleopoden sieben- bis achtgliedrig. Hinterer Ab- schnitt des Abdomens breit und gedrungen, mit kurzer gerundeter Schwanzplatte. Die Aeste der Uropoden lanzetförmig. Stiel des zweiten und dritten Uropodenpaares kurz. Aussenast des dritten Uropodenpaares sehr schmal, etwa halb so lang als der innere. Nur ein weibliches Exemplar wurde beobachtet. Fundort : Atlantischer Ocean. 8. Schizoscelus. Körper breit und gewölbt, mit verhältnissmässig dünnem, gestrecktem Abdomen. Mundtheile schnabelförmig ausgezogen. Die beiden Endglieder der hinteren männlichen Antennen mit den vor- ausgehenden beinahe gleich lang. Die vorderenGnathopoden enden klauenförmig, die hinteren mit zusammen- gesetzter Scheere. Ein Drüsenpaquet mit sechs cuticularen Längscanälen erfüllt das Femoralglied des dritten und vierten Bein- paares. Die Femoralplatte n des s echsten Beinpaares mit langem, halb sichelförmigem Schlitz. Der Bein- anhang entspringt fast am vorderen Ende der Platte. Siebentes Beinpaar vollständig ausgebildet. Die Uropodenäste flossenförmig verbreitert. Der Innenast des zweiten Paares besonders vergrössert. Die Gattungen uud Arten der Platysceliden. 21 1. Sch. ornatus n. sp. Körper stark aufgetrieben, mit schlankem, dünnem Abdomen circa 2Va Mm. lang. Integument mit Grubenreihen am Vorder- rande der Segmente und an der Aussenfläche der Femoralplatten. Stirn kurz zugespitzt, an der Unterseite des Kopfes vortretend. Vordere Antennen des Männchens ohne Fortsatz am Endgliede des Stammes. Das untere Glied der Geissei dick, mit fächerförmig gestellten Riechfäden, die beiden folgenden dünn und lang. Basalglied der hinteren männlichen Antennen gekrümmt und etwa von halber Länge der nachfolgenden Glieder, die beiden End- glieder nur wenig kürzer als die vorausgehenden. Die hinteren Antennen des Weibchens grätenförmig. Oberlippe und Unterlippe zu einer Art Saugröhre zusammengelegt. Kiefer lang ausgezogen. Endglied der dreigliedrigen Mandibeltaster etwas länger als die vor- ausgehenden Glieder. Endklaue der Gnathopoden hakig gekrümmt, am zweiten Paare über die gezähnte Spitze des Carpusfortsatzes hinausgreifend. Stachelfortsatz am Epimeralglied des fünften Brust- segmentes kolbig abgerundet. Femoralplatte des sechsten Bein- paares langgestreckt , mit kurzen Borsten am Vorderrande. Femoralplatte des siebenten Beinpaares gross, stark ausgeschweift und vorne verjüngt, beim "Weibchen schmal. Die Aeste der Pleopoden sind sieben- und achtgliedrig. Erstes Uropodenpaar mit langem, nach aussen zu gekrümmtem Stiel und lanzetf'örmigen, fast gleielilangen Aesten. Stiel des zweiten und dritten Uropoden- paares sehr kurz. Innenast des zweiten sehr umfangreich, viel länger als der schmale Aussenast, fast bis an das Ende der Schwanzplatte reichend. Drittes Uropodenpaar ähnlich wie das zweite gestaltet, aber beträchtlich kleiner. Fundort: Atlantischer Ocean. Von dieser schönen und leicht unterscheidbaren Art habe ich nur ein weibliches und ein männliches Exemplar zergliedern können. Das "Weibchen mit lanzetförmigen Matricalblättern an den Brustfüssen zeigt in der Gestaltung der beiden Antennenpaare die charakteristischen Sexualmerkmale. Die vorderen Antennen desselben zeichnen sich durch den auffallend dicken Stiel und die Grösse des unteren Geisselgliedes aus, welches ebenso wie bei Männchen eine fächerförmige Gruppe von Riechhaaren trägt, die hinteren Antennen sind dünn und grätenförmig ; letztere waren am dritten Gliede abgebrochen, so dass die Beschaffenheit der Spitze nicht festgestellt werden konnte. Auch das siebente Beinpaar ist beim W^eibchen durch die schmale gestreckte Form des Feinoral- 22 Dr. C. Claus: gliedes von den entsprechenden Gliedmassen des Männchens ver- schieden. 9. Euscelus. Körper massig breit und gewölbt. Auge auffallend kurz, hoch, oval. Mundtheile und Gliedmassen Schizoscelus ähnlich. Kopf ziemlich gestreckt, mit tief ausgehöhlter Stirngrube. Vordere Antennen des Männchens mit dreigliedriger Greissei. Mundtheile schnabelförmig ausgezogen. Mandibeln fast stiletförmig gestreckt, vorne hakenförmig gekrümmt. Beide Gnathopoden paare enden mit zusammengesetzter Scheere. Eine Reihe grosser Drüsenzellen erfüllt das Femoralglied des dritten und vierten Beinpaares. Femoralplatte des fünften Beinpaares ge- drungen, oval. Femoralplatte des sechsten Beinpaares langgestreckt und vorne verschmälert, ohne Schlitz oder Grube der Aussenfläche. Siebentes Beinpaar schmächtig, mit ovaler Femoralplatte und voll- zählig gegliedertem Beinanhang. Der breite, plattförmige Innenast ist am zweiten und dritten Uropodenpaare . mit dem Basalglied verschmolzen. Aussenast des Uropodenpaares breit, blattförmig, am zweiten und dritten Paare lanzetförmig. 1. E. robust us n. sp. Körperform ziemlich plump und kräftig, mit dickem Integu- mentalpanzer, circa 6 Mm. lang. Die beiden Endglieder der zweiten männlichen Antenne etwa 2/3 so lang als die vorausgehenden. Index am Carpalgliede der Gnathopoden kräftig bezähnt. Brust- füsse mit starken Endklauen. Pleopodenäste gestreckt, zehn- bis zwölfgliedrig. Stiel des vorderen Uropodenpaares fast so lang als die blattförmigen Aeste , am zweiten und dritten Paare sehr kurz. Schwanzplatte seitlich ausgeschweift. Fundort : Zanzibar. Das Weichen blieb unbekannt. 3. Familie. Pronoidae. Kürperform minder breit, zuweilen seitlich comprimirt, gam- maridenähnlich , mit mächtig entwickeltem, halb umschlagbaren Abdomen. Stirnschnabel sehr kurz und kaum bemerkbar. Die Femoralplatten des fünften und sechsten Beinpaares sind minder umfangreich und decken die Brust unvollständig; siebentes Bein- paar rudimentär. Beide Antennenpaare des Weibchens vorhanden. Maxillarplatten mächtig entwickelt. Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 23 Beide Gnathopodenpaare enden klauenförmig, vordere Antennen des Mannchens mit zweigliedrigem Geissel- anhang. Hintere Antennen kurz, nur ein- oder zweimal gefaltet ,. 1. Pronoe. Das hintere Gnathopoden- f Doppelsegment des Abdomens (5 und 6) relativ kurz. Aeste des letzten Uropodenpaares sehr lang , flossen- förmig 2. Eupronoe. paar endet mit zusammen- gesetzter Scheere , vordere Antennen des Männchens mit dreigliedrigem Geissel- anhang. Hintere Antennen lang , zickzackförmig ge- faltet, mit sehr kurzem Endo-lied Doppelsegment des Abdomens unge- wöhnlich verlängert. Aeste des letzten Uropodenpaares kurz. 3. Parapronoe. 10. Pronoe Guerin, Mag. de Zool. VII. 1836, PI. XVII. Mi Ine Edwards, Hist. nat. des Crustaces Tom. III. Dana, United States Expl. Exped. Crustacea. Spence Bäte, Catalogue of Auiphip. etc. Körper gestreckt, seitlich stark comprimirt, mit grossem triangulärem, nach vorn stark verjüngtem Kopf. Vordere Antennen des Männchens mit kolbig gestrecktem Schaft und zweigliedriger Geissei ; hintere Antennen desselben fünfgliedrig , mit kurzem Mittelglied, nicht zickzackförmig zusammengelegt. Beide Gnathopodenpaare enden monodaktyl (ohne Scheere oder Zange). Fünftes Beinpaar sehr kräftig und lang, mit gestreckter Femoralplatte. Sechstes Beinpaar sehr dünn und schmächtig, mit hoher unregelmässig ausgedehnter Femoralplatte. Siebentes Bein- paar rudimentär, auf die hohe Femoralplatte mit warzenförmigem Anhang reducirt. Die Stilglieder der Uropoden verlängert, die des zweiten und dritten Paares etwa so lang als die flossenförmig verbreiterten Aeste derselben. Schwanzplatte ganz reducirt. Der von Guerin aufgestellten Gattung Pronoe liegt eine wenngleich unvollständige , so doch richtige und zumal bei der charakteristischen und in der Abbildung gut wiedergegebenen Körperform zum Wiedererkennen ausreichende Beschreibung zum Grunde, in welcher neben der Gestaltung der drei hinteren Bein- paare des Thorax die Form der Antennen, sowie die monodaktyle Endigung der beiden Gnathopodenpaare in Betracht kommt. 24 Dr. C. Claus: Sowohl M. Edwards, als Dana und Spence Bäte haben daher mit Recht die Gattung aufgenommen , freilich unter ein- facher Adoptirung der von Guerin hervorgehobenen Charaktere und ohne selbständige Untersuchung der zu Grunde liegenden Art. (Pr. capito Guerin). Im anderen Falle würde Dana zweifelsohne erkannt haben, dass die von ihm unterschiedene Pr. brunnea generisch zu sondern ist, und ebenso würde Sp. Bäte wohl Anlass gefunden haben, die Auffassung Dana1 s zu ver- bessern und nicht einfach zu reprodnciren. Der Körper von Pronoe ist langgestreckt und besonders nach der Rückenfirste zu stark comprimirt. Der schmale , ganz vom Auge erfüllte Kopf verjüngt sich nach dem Vorderende zu allmälig und endet abgerundet ohne Stirnvorsprung. Der Thorax, dessen Segmente scharf abgesetzt hervortreten, trägt abgerundet- quadranguläre Epimeralglieder und steht an Umfang dem schwach bauchwärts gekrümmten Ahdomen bedeutend nach , dessen zwei hintere Uropodenpaare auf mittellangem Stiele fiossenförmig ver- breiterte Aeste tragen. Aus der flachen Stirngrube stehen die buschigen Vorder- fühler vor, die rücksichtlich ihrer morphologischen Entfaltung insofern den Charakter der jugendlichen Platysceliden -Antenne bewahren, als die Sonderimg des unteren Geisselgliedes unterbleibt, und das kolbig gestreckte, mächtig verdickte Schaftglied, welches die Rieehfädenbüschel trägt, keine winklige Umbiegung erfährt. Der Geisselanhang bleibt somit zweigliedrig, während das lang- gestreckte kolbige Schaftglied mittelst zweier schuppenartig über- einandergreifender Zwischenschienen mit dem Basalglied verbunden ist. Guerin hat den Geisselanhang gar nicht gekannt und lässt unrichtigerweise die Vorderfühler aus drei Gliedern bestehen. Leider vermag ich über die Beschaffenheit der weiblichen Fühler nichts auszusagen, da sämmtliche von mir verglichene Exemplare Männchen waren. Auch die hinteren Fühler bieten Eigenthüm- lichkeiten , welche die Gattung vor allen anderen Platysceliden auszeichnen und ebenfalls auf einer Annäherung an jugendliche Zustände beruhen. Zwar sind dieselben füufgliedrig , indessen bleiben die Glieder relativ kurz und schlagen sich nicht in der Weise eines Meterstabes zusammen, bilden vielmehr nur zwei oder drei knieförmige Gelenke. Auffallen der weise ist das Mittelglied am kürzesten , während das Endglied dem vorletzten an Länge kaum nachsteht. Scharf abgesetzt erscheint das umfangreiche vieleckige Basalstück mit dem Porus des Drüsengangs. Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 25 Die Mundwerkzeuge liegen in einem schnauzenförmig vor- stehenden Mundkegel zusammengedrängt , welchen die schildför- mige, ausgebuchtete Oberlippe von vorn begrenzt. Die grossen, fast rechtwinklig gebogenen Mandibeln mit langem Wurzelfortsatz und relativ kurzem Kaustück zeichnen sich durch die lange, fein- geriefte Schneide des Kaurands aus, an dessen Ende ein Zahn hervortritt. Dazu kommt eine subterminale kurzgez ähnelte Leiste an der Innenseite, die fast über die ganze Breite des Kau- stüeks hinzieht. -An dem dreigliedrigen Taster tritt das Basal- glied durch seinen bedeutenden Umfang vor den schmächtigen, hakig gebogenen Endgliedern hervor. Die Unterlippe besitzt relativ kurze aber breite, helmförmig gebogene Seitenladen und eine kleine Zunge. Zwischen Mandibeln und Unterlippe vereini- gen sich die Maxillen zur Herstellung eines eigentümlichen Saug- und Stechapparats, an welchem die helmförmige, seitlich herab- gebogene obere Platte den oberen, die innere rinnenförmig gefaltete Lade den unteren Abschnitt des Sipho's zusammensetzt, während die gestreckte zweizackige Kieferlade dazwischenliegt. Die Thoracalbeine erreichen mit Ausnahme des fünften Paares eine nur massige Länge. Beide Gnathopodenpaare enden monodaktyl, jedoch das vordere mit halb ausgebildeter, vom Meta- carpus gebildeter Greifhand. In den Carpalgliedern des dritten, vierten und fünften Beinpaares liegt eine umfangreiche lang- gestreckte Driisenmasse. Die Femoralglieder beider Paai^e sind, relativ hohe und gedrungene Platten, die des fünften und sechsten Beinpaares differiren untereinander sehr auffallend, die vordem sind gestreckt, die hinteren ausserordentlich hoch, fast sackförmig, das den ersteren zugehörige Bein zeigt eine bedeutende Stärke und Länge , während das letztere dünn und schmächtig bleibt. Das siebente Beinpaar wird durch eine hohe Femoralplatte mit kleinem warzenförmigem Anhang repräsentirt. Die Kiemen sind einfache, aber umfangreiche Säcke. Am Abdomen bleibt die Schwanzplatte ganz verkümmert. 1. Pr. capito Guerin 1. c. etc. PI. 17. Pr. capito M. Edwards, Histoire nat. des Crust. Tom. III, pag. 98. Sp. Bäte, Catalogue of Araphip. Crust., pag.. 337. Körper massig gestreckt, stark comprimirt, 10 — 14 Mm. lang. Vordere Antenne mit kurzer cylindrischer Geissei. Schaft derselben ähnlich wie bei Vibilia. Mandibeltaster mit plattenförmig ver- (170 26 Dr. C. Claus: breitertem Basalglied. Fingerglieder der beiden Gnathopodenpaare lang und schwach gekrümmt. Metacarpus des vorderen Paares mit gezahnter Firste an der Innenseite und mit Borsten am oberen Hände. Femoralplatte des sechsten Beinpaares wie sackförmig aufgetrieben, die des siebenten Paares fast quadrangulär ; ge- streckt, mit aufgetriebener Basis. Hinterer Abschnitt des umfang- reichen Abdomens kurz. Stielglied des vorderen Uropodenpaares so lang als die Flosse , das der beiden nachfolgenden Paare merk- lich kürzer. Inneres Flossenblatt derselben breiter und grösser als das äussere und glattrandig, das des letzten Paares endet abgerundet. Schwanzplatte schmal, triangulär, kaum den dritten Theil so breit als das vorausgehende Doppelsegment , und kürzer als der Stiel der hinteren Uropoden. Die, wie es scheint, sehr verbreitete Art wurde an der Küste von Zanzibar, im Indischen Meere, in der Ombaistrasse (Molukken), sowie an der Küste von Chili (Guerin) gefangen und scheint in der Grösse überaus zu variiren. Auffallender "Weise sind bis- lang nur Männchen beobachtet worden. II. Eupronoe (Pronoe Dana e. p.\ Körperform Pronoe-ähnlich, doch nur wenig comprimirt, mit kürzer gewölbtem Kopf. Die vorderen Antennen des Männchens siebengliedrig, mit dreigliedriger Geissei, des Weibchens sechs- gliedrig. Die hinteren Antennen des Männchens zickzackförmig zu- sammengelegt, mit sehr langem Grundglied und kurzem fast klauen- förmigem Endglied, die des Weibchens schmächtig, viergliedrig. Mandibeln gedrungen , mit hoher von zwei Zähnen begrenzter Schneide. Sämmtliche Kieferplatten wohl ausgebildet. Unterlippe mit schmächtiger kurzer Zunge und tief ausgebuchteten bewimperten Seitenladen. Die vorderen Gnathopoden enden mit zusammen- gesetzter Greifhand, die des zweiten Paares mit zusammengesetzter Scheere. Eine mächtige Drüse erfüllt den Carpus des dritten, vierten und fünften Beinpaares. Fünftes Beinpaar besonders lang und kräftig, mit grosser oval gestreckter Femoralplatte. Femoral- platte des sechsten Beinpaares höher und umfangreicher, trigonal nach vorne verjüngt, mit ausgeschweiftem Vorderrand. Siebentes Beinpaar auf ein dreiseitig zugespitztes Femoralblatt und einen bläschenförmigen Anhang reducirt. Stiel der Uropoden massig verkürzt, der des letzten Paares sehr kurz. Die Aeste der beiden letzten Paare sind lange , dünnhäutige Flossenblätter, welche die mittelgrosse Schwanzplatte um vieles überragen. Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 27 Nach Form und Körperbau schliesst sich diese , wie es scheint, artenreiche Gattung zwar der Gattung Pronoe an, erscheint aber doch bei näherer Betrachtung so wesentlich ver- schieden, dass es schwer zu verstehen ist, wie Dana eine offenbar hierher gehörige Art auf die immerhin erkennbar charakterisirte Pronoe beziehen konnte. Im Vergleich zu jener Form ist der Leib mehr cylindrisch oder doch nur wenig comprimirt , der Kopf kürzer, stärker gewölbt und abgerundet. Ganz verschieden aber verhält sich der hintere Leibesabschnitt mit den Uropoden, dessen Stiele weit kürzer bleiben, während sich die Aeste der beiden letzten Paare als dünnhäutige, lange Flossenblätter dar- stellen. Ganz besonders kurz ist der Stiel des letzten Uropoden- paares , über welchen die grosse trigonale Schwanzplatte weit hinaus reicht. Ebenso abweichend verhalten sich die beiden Antennenpaare des Männchens; das vordere in tiefer Stirnbucht inserirt, mit dreigliedriger Geissei und grossen Zwischengliedern des stark . aufgetriebenen Schaftes ; das hintere zickzackförmig gefaltet, mit sehr langem Stielglied und äusserst kurzem, fast klauenförmigem Endglied. Im weiblichen -Geschlecht, dessen Eigentümlichkeiten ich nur nach einer einzigen, P r. arm ata am nächsten stehenden Form bestimmen konnte, sind die vorderen Fühler sechsgliedrig, die hinteren grätenförmig, viergliedrig. Auch die Mund Werkzeuge differiren in wesentlichen Punkten von denen der ei steren Gattung. Die Mandibeln sind , wie dort , kurz und fast rechtwinklig gekrümmt und enden mit langer , von zwei Zähnen begrenzter Schneide und gezähnter subterminaler Neben- firste. Dagegen bewahren die Maxillarblätter eine der Typhiden ähnliche Gestaltung, die äusseren Maxillen sind schmal und ge- streckt und besitzen am oberen Ende des Vorderrandes die vier charakteristischen Zahnfortsätze. Die Unterlippe trägt eine sehr klein rundliche Zunge und ziemlich breite , am ausgebuchteten Innenrande mit Wimpern besetzte Aussenladen. Auch die Beinpaare des Thorax bieten mehrfache, zur Unter- scheidung verwerthbare Eigenthümlichkeiten. Die vorderen Gna- thopoden enden mit zusammengesetzter Greifhand und zeichnen sich durch einen knieförmigen, von einer trichterförmigen Einbuch- tung begleiteten Höcker des Schenkelgliedes aus. Die hinteren Gnathopoden enden mit zusammengesetzter Scheere. Die Femoral- platten des fünften langgestreckten und am Innenrande gezäh- nelten Beinpaares sind gestreckt oval , die des sechsten kürzeren, aber ebenfalls gezähnelten Beinpaares weit höher und von mehr 28 Dr. C. Claus: trigonaler Form, mit ausgebuchtetem, vorn übergreifendem Vorder- rand. Relativ umfangreich sind die gestreckt trigonalen Femoral- platten des siebenten auf einen bläschenförmigen Anhang reducirten Beinpaares, dessen Brustsegment auch durch ungewöhnliche Grösse hervortritt und dem vorausgehenden kaum nachsteht. 1. E. maculata n. sp. Körper gestreckt, 10 — 12 Mm. lang, mit grossen ramificirten Pigmentflecken. Kopf ziemlich lang und vorn merklich verschmä- lert. Der proximale eingekrümmte Abschnitt am Femoralgliede des vorderen Beinpaares so lang als der nachfolgende verbreiterte Theil. Scheerenfortsatz am Carpus des zweiten Beinpaares so lang als das Metacarpalglied. Distaler Theil des Femoralgliedes keulen- förmig angeschwollen, Carpalglied des sechsten Beinpaares ohne Fortsatz. Femoralplatte des siebenten Beinpaares viel kürzer als die des vorausgehenden Beinpaares. Schwanzplatte trigonal am hinteren Ende verjüngt, lanzetförmig zugespitzt. Fundort: Zanzibar. 2. E. arm ata n. sp. (Pronoe brunnea Dana?) Körper massig gestreckt, punktirt , circa 7 — 8 Mm. lang, mit grossem, gerundetem Kopf. Der proximale eingekrümmte Theil vom Femoralgliede des vorderen Beinpaares merklich kürzer als der zweite Abschnitt. Scheerenfortsatz am Carpus des zweiten Beinpaares weit kürzer als das Metacarpalglied. Fünftes Beinpaar verhiiltuissmässig dick und umfangreich, die ovale Femoralplatte am Vorderrande mit zahnförmigen Zacken wie gesägt, Femoral- platte des sechsten Beinpaaves am Vorderrand mit drei Zacken, Carpalglied desselben kurz, mit starkem Fortsatz. Bläschen- förmiges Rudiment am siebenten Beinpaares dick und kurz. Schwanzplatte trigonal. Fundort: Atlant. Ocean, Zanzibar, Ombaistrasse. Eine von den Lagos stammende weibliche Eu pronoe steht dieser Art ausserordentlich nach , ist jedoch kaum 4 Mm. lang und entbehrt der kreisförmigen Einkrümmung an den vorderen Gnathopoden. 3. E. m inuta n. sp. Körper ziemlich gedrungen. 4 Mm. lang, mit sehr grossem, gerundetem Kopf. Proximaler Abschnitt am Femoralglied des vor- deren Beinpaares nur wenig eingebogen , mit nur wenig vortre- tendem Kniehöcker. Scheerenfortsatz am Carpus des zweiten Bein- paares am Grunde winklig gebogen, fast so lang als das nach- (174) Die Gattungen und Arten der Plalysceliden. 29 folgende Matacarpalglied. Fortsatz am Tibialglied des sechsten Beinpaares sehr breit und lang. Carpus lang und mit kurzem Fortsatz. Bläschenförmiges Rudiment am siebenten Beinpaare gestreckt. Peopodenäste neun- und zehngliedrig. Schwanzplatte trigonal. Fundort : Südsee. 12. Parapronoe. (Amphipronoe Spence Bäte?) Körper Pro noe- ähnlich, doch weniger stark comprimirt, mit mehr gerundetem Kopf und gekrümmtem, mit seinem hinteren Ab- schnitte meist umgeschlagenem Abdomen. Antennen und Mund- werkzeuge denen von Eupronoe* ähnlich; letztere jedoch weit länger und gestreckter. Das vordere Gnathopodenpaar endet ein- fach klauenförmig, das hintere mit zusammengesetzter Scheere. Femoralplatte des fünften Beinpaares hoch und von ovaler Form, die des sechsten Beinpaares von grösserem Umfang, trigonal, vorne verjüngt und abgestutzt, mit kurzer Längsfirste. Femoralglied des siebenten Beinpaares von geringerem Umfang, mit einfachem oder zweigliedrigem , rudimentärem Beinanhang. Hinterer Abschnitt des Abdomens durch die Längsstreckung seines Doppelsegments (ö und 6) ausgezeichnet. Letztes Uropodenpaar mit sehr kurzem Stiel und kurzen mehr oder minder flossenförmigen Aesten. Die Gattung Parapronoe schliesst sich an Eupronoe am nächsten an, ist aber trotz mancher Uebereinstimmung von der letzteren scharf zu sondern. Der Leib ist langgestreckt und im Gegensatz zu Eupronoe seitlich comprimirt ; das mächtige Ab- domen wird in gekrümmter Haltung angetroffen, den hinteren Abschnitt in scharfem Winkel nach vorne vorgestreckt. Der Kopf erscheint in der Stirngegend nur wenig verjüngt, vollkommen abgerundet, seine Fläche wird wie bei jenen Gattungen bis auf einen schmalen Medianstreifen von dem grossen, gelb bis braun pigmentirten Auge fast vollständig eingenommen. Das Integnment ist dick, hart und spröde, wie incrustirt und mit zahlreichen Pig- mentpunkten übersät. Beide Antennen haben die gleiche Gliederung wie die von Eupronoe, doch ist der Schaft des vorderen Fühlerpaares schlanker und gestreckter , das vorletzte Glied der hinteren Antennen relativ kürzer, indem es kaum den dritten Theil des vorausgehenden Gliedes erreicht. An der Basalplatte dieser Glied- massen springt die Ausmündungsstelle des Drüsenganges zapfen- förmig vor. (175) 30 Dr. C. Claus: Die Mundtheile zeichnen sich durch ihre bedeutende Längs- streckung aus. Die Mandibeln sind sehr lang und enden mit hakig vorspringendem Zahn und langgestreckter, messerförmiger Schneide, nebst gekrümmter Sabterminalfirste. Kaustück und Wur- zelabschnitt folgen in gerader Richtung. Das Stielglied des Tasters ist beinahe doppelt so lang als der hakig gekrümmte zweigliedrige Endtheil. Die oberen Maxillarplatten sichelförmig gebogen, mit spitzem Ende, die unteren und inneren, breit und umfangreich, schräg, dachförmig gestellt. Die Aussenladen schmal und langgestreckt, Endtheil über die vier zapfenförmigen Zähnvorsprünge weit heraus- ragend. Die Unterlippe schmal und gestreckt, kaknförmig, mit massig grosser Zunge und langen, ausgebuchteten Aussenladen. Die Region des Thorax erscheint bedeutend gestreckt, die beiden vorderen Segmente und das letzte Segment stehen den übrigen Brustringen an Umfang wenig nach, die Epimeralstücke springen als flügeiförmige Platten weit vor. Die Kiemenanhänge gewinnen durch die grosse Zahl der seitlichen Nebenräume einen complicirteren Bau. Das vordere Gnathopodenpaar endet mit ein- facher Klaue, zeichnet sich aber durch die Auftreibung des Carpal- gliedes aus, so dass man dasselbe durch den Besitz einer zusammen- gesetzten Greifhand charakterisiren könnte. Das zweite Paar endet dagegen mit einer zusammengesetzten Scheere. Spence Bäte beschreibt eine Gattung Amphipronoe und hebt für dieselbe den Besitz von zusammengesetzten Scheeren am vorderen Gnathopodenpaare als charakteristisch hervor. Für den Fall, dass hier eine Verwechselung des ersten mit dem zweiten Gnathopodenpaare tmtergelaufen sei , wäre die Identität von Amphipronoe mit Parapronoe möglich. Indessen ist die Charakterisirung der Gattung auf eine so unvollständige und un- genaue Untersuchung gestützt und neben der völligen Unzulänglich- keit offenbar noch mit so unrichtigen Angaben behaftet, dass wir von dieser Frage vollständig absehen können, da es unmöglich ist, nach Spence Bate's Diagnose eine Bestimmung auszuführen. Die Femoralplatte des fünften Beinpaares ist ziemlich hoch, ge- drungen, oval, die des sechsten Paares trigonal, mit stark convexem Hinterrande und gerade gestutztem, gespaltenem Vorderrande. Auch hier sind beide Beinpaare am Innenrande der Glieder fein bezähnt , das Schienenglied des sechsten Paares läuft in einen langen Fortsatz aus. Das siebente Beinpaar reducirt sich auf die massig grosse Femoralplatte und einen rudimentären , einfachen oder zweigliederigen Anhane;. Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 31 Das Abdomen mit grossen, flügeiförmigen Seitenstücken ist überaus kräftig entwickelt, sein hinterer Abschnitt winklig, nach vorne gebogen und durch die Längsstreckung des Doppelsegments ausgezeichnet. Die Stiele der zwei vorderen Uropodenpaare sind mittellang, die Aeste mehr lanzetförmig als flossenförmig, von massiger Breite und an ihren Rändern fein gezähnt, beziehungsweise (Anssenrand vom Aussenast des zweiten Paares) blattähnlich ge- kerbt. Der Stiel des dritten Uropodenpaares bleibt sehr kurz, seine Aeste sind etwas breitere, mehr oder weniger flossenf örmige Blätter. 1. P. crustulum n. sp. Körper mit sprödem, fast incrustirtem Integument , fein punktirt, meist mit bauchwärts eingekrümmtem Abdomen, circa 14 bis 16 Mm. lang. Kopf im Profil fast rund. Scheerenfortsatz am Carpus des zweiten Gnathopodenpaares so lang als das Metacarpal- glied. Femoralplatte des siebenten Beinpaares breit und bauchig aufgetrieben. Aeste der Pleopoden dreizehn- bis fünfzehngliedrig. Die Blätter des letzten Uropodenpaares wie der vorausgehenden Paare lanzetförmig zugespitzt und am inneren Rande gezähnelt. Schwanzplatte trigonal gestreckt, fast so lang als das letzte Uropodenpaar. Fundort : Atlantischer Ocean, Lagos, Zanzibar. 2. P. parva n. sp. Körper mit runden und sternförmigen Pigmentflecken dicht punktirt und 5 — 6 Mm. lang. Kopfprofil nach vorne merklich verjüngt. Scheerenfortsatz am Carpus des zweiten Beinpaares viel kürzer als das Metacarpalglied und mehr abgerundet. Femoralplatte des siebenten Beinpaares gestreckt und vorne fast trigonal verschmälert. Pleopodenäste eilf- bis dreizehngliedrig. Die Aeste des letzten Uropodenpaares sind breite, ovale, kurze Blätter ; das innere Blatt mit glattem Rande, das äussere an dem Innenrand gezähnelt. Schwanz- platte schmal und sehr kurz, abgerundet. Fundort: Zanzibar. 4. Familie. Lycaeidae. Körper minder breit, Hyperia- ähnlich, beim Weibchen gedrungener. Abdomen mächtig entwickelt, halb umschlagbar. Die Femoralplatten des fünften und sechsten Beinpaares relativ klein und triangulär, einander ähnlich, nur einen Theil der Brust- fläche verdeckend. Siebentes Beinpaar schmächtig, aber vollzählig gegliedert. Im weiblichen G-eschlecht sind die hinteren Antennen meist vollkommen riickgebildet, Maxillen reducirt. Zwei Otolithen- blasen vorhanden. U77I 32 Dr. C. Claus; Beide Gnathopodenpaare enden mit zusammengesetz- ter gezackter Sclieere. Beide Gnathopodenpaare enden mit scharfrandiger zu- sammengesetzter Scheere. Das vordere Gnatko- podenpaar endet einfach klauenförmig , das hintere mit halber Scheerenhand. Stiel des ersten Uropodenpaares kaum länger als die Aeste. Fünftes Beinpaar mit dem sechsten ziemlich gleich lang . . . 1. Thamyris. Das erste Uropodenpaar stielför- mig verlängert, mit kurzen Aesten. Fünftes Beinpaar stark verlängert 2. Lyc aea. Stiel des ersten Uropodenpaares so lang als die Aeste. Fünftes Bein- paar nur wenig verlängert 3. Simorhynchus. Fünftes Beinpaar ungefähr so lang als das sechste. Stiel des ersten Uro- podenpaares lang , zwei- bis dreimal so lang als die Aeste, siebentes Bein- paar mit breiter Femoralplatte, unge- wöhnlich gross und vollzählig geglie- dert . . . . 4. Pseudolycaea. Beide Gnathopodenpaai enden einfach klauenförmig. I Fünftes Beinpaar stark verlängert. Stiel des ersten Uropodenpaares so lang als die Aeste. Siebentes Beinpaar mit dünnen , gebogenen Femoralplatten und rudimentärem Anhang 5. Paralycaea. Sechstes Bein paar stark verlän- gert, siebentes Beinpaar dünn und gestreckt, vollzählig gegliedert 6. Lycaeopsis. 13. Thamyris, Spence Bäte. Brach yscelus. Spence Bäte (9). Spen ce B ate, Annais and Mag. of nat. hist. III. ser. Tom. VIII. 1861. pag. 7. Derselbe Catalogue of the specimens of Amphip. Crustacea etc. 1863, pag. 333 und 335. Sclinehagenia. C. Claus, Untersuchungen über den Bau und die Ver- wandtschaft der Hyperiden. Götting. Anzeigen 187^, pag. 157. Körper gammaridenähnlich, mit dickem, vorne gerundetem Kopf, massig breitem Thorax und schmälerem, langgestrecktem Abdomen. Hintere Antennen des Männchens mit langem Schaft und kurzem Die Gattungen und Arten der Platyscelideu. 33 Endglied beim Weibchen auf das Coxalstück reducirt. Thoracal- beine kurz, mit flügeiförmig vorspringenden Epimeralstücken. Beide G-nathopodenpaare mit zusammengesetzten, gezackten Scheeren und sehr dickem, helmförmig aufge- triebenem Carpus. Grosse Drüsenzellen im Femur, Tibia und Carpus der drei mittleren Beinpaare. Die Femoral platten des fünften und sechsten Beinpaares verhältnissmässig klein, triangulär und ziem- lich gleichgestaltet. Siebentes Beinpaar ähnlich gestaltet, aber viel schmächtiger. Pleopodenäste sehr langgestreckt und vielgliedrig. Stiel des ersten und zweiten Uropodenpaares gestreckt, fast gleich- lang. Aeste des letzten Uropodenpaares flossenförmig verbreitert. Spence Bäte hat seiner neu aufgestellten Gattung Tha- myris eine so wenig zureichende und zum Theil so fehlerhafte Diagnose ') gegeben, dass es wohl entschuldigt zu werden verdient, wenn ich früher zwei zu derselben gehörige Formen als Arten einer vermeintlich neuen Gattung „Schnehagenia" beschrieb. Zudem ist es nicht einmal ein geschlechtsreifes Thier , sondern ein noch jugendliches Männchen gewesen, auf welches Spence Bäte die im Sinne seiner Beschreibung völlig unhaltbare Gattung gründete. Mit derselben ist nun aber auch die Spence Bate'sche Gattung Brachyscelus identisch, die deshalb unser besonderes Interesse auf sich zog, weil es jenem Autor gelungen war, die Jungen im Brutraum zu beobachten und deren Metamorphose nach- zuweisen. Brachyscelus ist nichts anderes als die weibliche Geschlechtsform von T h a m y r i s , deren siebentes Beinpaar nicht wie an dem von Spence Bäte untersuchten Exemplar der letzteren Form bis auf die Femoralplatte ausgefallen, sondern vollständig erhalten war. Dass freilich Spence Bäte auf Grund dieses einzigen zufälligen Unterschiedes — die übrigen Ab- weichungen beziehen sich auf Sexualmerkmale — Brachyscelus und Thamyris als Gattungen sondern konnte, stimmt völlig zu den auch an anderen Orten wiederkehrenden wenig gründlichen Determinationen desselben Autors. Die Körperform ist der von Simorhynchus einigermassen ähnlich, doch etwas mehr comprimirt. Der Kopf erscheint vorne ') Die Diagnose der Gattung ist folgende: „Superior antennae short , three jointet. Inferior antennae obsolete. Posterior pair of pereiopoda represented by a basos in the form of inembranous Scale only." Säinmtlicke Merkmale sind, wie man sieht, falsch. Dei Vergleich mit den beigegebenen Abbildungen, sowie die Bezugnahme auf Brachyscelus, welche das Weibchen von Thamyris ist, macht jedoch die Identität von Thamyris und Schnehagenia unzweifelhaft. Claus , Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 13 (179) 34 Dr. C. Claus: gerundet, wie umgebogen und entbehrt des Stirnvor Sprungs. Der Thorax ist massig breit und durch die zackigen Vorsprünge der Epimeralstücke ausgezeichnet, das Abdomen schlank und gestreckt, von ansehnlicher Grösse. An der Unterseite des Kopfes entspringen in schmaler nischenförmiger Grube die beiden vorderen Antennen einander sehr genähert ; beim Weibchen fünfgliedrig und mit zwei- gliedriger Geissei, wiederholen sie fast genau die Form der jungen männlichen Antenne, die uns zugleich den Schlüssel zur Ableitung beider Antennenformen aus derselben Grundgestalt gibt. Man überzeugt sich unmittelbar, dass die schmächtige weibliche Antenne mit ihrer reducirten Zahl von Riechfäden der ursprünglichen ein- facheren Antennenform nahe steht und später keine weitere Ver- änderung erfahren hat, während sich beim Männchen das dritte Schaftglied zu viel bedeutenderem Umfang entwickelte, im Zu- sammenhang mit der starken Verdickung eine winklige Krümmung erfuhr und den spitzen Endabschnitt als neues Glied zur Sonde- rung brachte. Die ausgebildete männliche Antenne besitzt somit wie die Antenne fast aller Platysceliden (Pronoe ausgenommen) eine dreigliedrige Geissei auf einem drei (vier-)gliedrigen Schaft. Für die Geissei erscheint die Länge und Stärke des unteren Geisseigliedes charakteristisch, welches mit 4 bis 5 Büscheln von Riechfäden besetzt ist. Die Antennen des zweiten Paares fehlen im weiblichen Ge- schlecht bis auf das eingeschmolzene Grundglied, während sie beim Männchen die zickzackförmige, für die Platysceliden charakteristische Gestaltung wiederholen. Bemerkenswerth ist ebenso die Grösse des Stielgliedes, welches den nachfolgenden Gliedern an Länge nicht nachsteht, wie die ausserordentliche Kürze des Endgliedes. Die Mundwerkzeuge treten in Form eines starken Kegels hervor, an dessen Bildung die starkgewölbte Oberlippe wie die mächtige Unterlippe den grössten Antheil hat. Die gedrungenen Mandibeln enden scharf zugespitzt und sind am oberen Rande grossentheils angewachsen, daher nur an dem scharf schneidenden spitzen Endtheil verschiebbar. Im männlichen Geschlecht tragen sie einen langgestreckten Taster, auf dessen grosses Basalglied die beiden kürzeren Endglieder hakenförmig gekrümmt folgen. Von den Maxillarplatten scheinen nur schwache Rudimente vorhanden zu sein, während die Unterlippe kahnförmig gewölbt, mit schmaler Zunge und langgestreckten Seitenlappen hervorsteht. Der Thorax, so ziemlich von derselben Höhe und nur wenig breiter als der Kopf, zeichnet sich durch die niedrigen, aber langen, Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 35 nach vorne und hinten flügeiförmig vortretenden Epimeralstücke aus. Die Extremitäten desselben bleiben verhältnissmässig kurz, die Femoralglieder des fünften und sechsten Beinpaares bilden Blätter von massigem Umfang. Sehr charakteristisch ist die Ge- stalt der beiden mit zusammengesetzter Scheere bewaffneten Gnathopodenpaare, ferner die gewölbte, helmartig aufgetriebene Form ihres Carpus , dessen Innenrand ebenso wie das Metacarpalglied eine langgezackte, sägezähnige Schneide bildet. Die beiden Femoral- platten des fünften und sechsten Paares sind untereinander von ziemlich gleicher Grösse und Form , doch ist das hintere Paar etwas höher und fast triangulär zugespitzt, das zugehörige Bein an der Innenseite seiner Glieder kräftig gezähnt. Das siebente Bein- paar wiederholt die vorausgehenden Paare im Kleinen und ist eine wohl ausgebildete Extremität mit triangulärer Femoralplatte, vollständig gegliedertem Beine und hufeisenförmig gekrümmter Endklaue. Das Abdomen, nur wenig verschmälert und von mächtigem Umfang, wird nur unvollständig gegen den Thorax umgeschlagen. Die Seitentheile seiner Segmente springen stark flügeiförmig vor. Wie bei sämmtlichen Platyscelidengattungen sind auch hier das fünfte und sechste (nicht wie Spence Bäte angibt, das vierte und fünfte) Abdominalsegment zu einem umfangreicher, zwei Uropoden- paare tragende Abschnitt verschmolzen , mit welchem wiederum die Schwanzplatte ohne Abgliederung verwachsen ist. Die vorderen Uropodenpaare sind massig verlängert , ihre Stiele etwa so lang als die ziemlich breit lanzetförmigen seitlich gezähnelten Aeste. Dagegen bleibt der Stiel des letzten Uropodenpaares kurz, während die Aeste desselben breite flossenartige Blätter bilden, welche über das Ende der breiten halbovalen Schwanzplatte hinausreichen. Auch die innere Organisation von Thamyris bietet mancher- lei Besonderheiten. Die umfangreichen Augen mit ihrem grossen, vierseitigen Pigmentkörper (mit den Sehstäben) lassen am Scheitel nur einen schmalen Medianstreifen frei und erstrecken sich auch auf die Seiten der unteren Kopffläche. Unmittelbar vor dem Gehirnlappen sitzen die beiden Gehörblasen an. Die Ganglien- kette stimmt ziemlich genau mit der von Simorhynchus über- ein, ist jedoch etwas gestreckter, das Ganglion des siebenten Brustsegments erscheint beinahe gesondert. Auch der Darmcanal mit seinen mächtigen, knotig angeschwollenen Leberanhängen hat mit dem Verdauungsapparat der erwähnten Gattung grosse Aehn- lichkeit. Das Herz bildet mehrere sackartige, durch tiefe Ein- 13 * (181) 3(3 Dr. C. Claus: schnürungen abgesetzte Kammern vom zweiten bis sechsten Thoracal- segmente. Die Kiemensäcke erreichen einen relativ bedeutenden Umfang und stülpen sich wie die von Änchylomera fächer- förmig in seitliche Nebenräume aus. 1. Th. rapax. Cls. Scknekagenia rapax Cls. C. Claus, Untersuchungen über den Bau etc. 1871. Körper massig gestreckt, fleischfarbig, mit braunen Pigment- flecken, circa 10 Mm. lang. Augenpigment braunroth. Stielglied der hinteren männlichen Antenne merklich kürzer als das nach- folgende Glied. Helmfortsatz am Carpus des vorderen Gnathopoden- paares stark verlängert. Tibialglied eigenthümlich eingeschnürt. Am unteren Rande des Carpus finden sich acht bis neun Zahn- zacken mit Zwischenzähnchen. Sechstes Beinpaar nur am Innen- rande von Carpus und Metacarpus gezähnelt. Die Femoralplatten des fünften und sechsten ßeinpaares sehr hoch. Femoralplatte des siebenten Beinpaares trigonal zugespitzt, so lang als der Bein- anhang. Pleopodenäste zwölf- und dreizehngliedrig. Die lanzet- förmigen Aeste der vorderen Uropodenpaare etwas länger als die zugehörigen Stielglieder. Schwanzplatte breit abgerundet. Fundort: Cap. 2. Th. globiceps n. sp. Körper etwas gedrungener, mit kurzem, kugelig abgerundetem Kopf, bis 12 Mm. lang. Stielglied der hinteren männlichen An- tenne so lang als das nachfolgende Glied. Tibialglied der vorderen Gnathopoden kaum eingeschnürt, Carpus mit ganz kurzem, helm- förmigem Auswuchs und wenigstens beim ausgewachsenen Männchen mit zehn bis zwölf gezackten Zahnzinken. Sechstes Beinpaar merk- lich verkürzt, Femoralplatte mit stark übergreifendem Vorderrand, ausgeprägt trigonal, auch das Tibialglied des Beines ist am Vorderrand gezähnelt. Femoralplatte des siebenten Beinpaares länger als der Beinanhang. Pleopodenäste dreizehn- und vierzehn- gliedrig. Die Aeste der vorderen Uropodenpaare kaum länger als der zugehörige Stiel, des hinteren Paares flossenförmig verbreitert, pfeilförmig zugespitzt. Schwanzplatte mehr triangulär, zugespitzt. Fundort : Zanzibar. Ein weibliches Exemplar einer freilich viel kleineren, wohl als Art zu sondernden Form habe ich auch in Neapel beob- achtet und näher untersucht. ObdieSpence Bäte 'sehe Thamyris antipodes, sowie die im weiblichen Geschlecht bekannt ge- wordene Th. (Brachysclus) crustulum besonderen Arten (182 Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 37 entsprechen, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Wahrscheinlich ist jedoch nur die letztere *fA Zoll grosse Form eine besondere Art. 14. Lycaea Dana. Dana, United States Exploring Expedition etc. pag. 1017. Spence Bäte, Catalogue of the Specimens etc. pag. 335. Körper Hyperia-ähnlich, mit grossem dickem Kopf, im männ- lichen Geschlecht gestreckt, mit mächtigem Abdomen, im weib- lichen kürzer und gedrungen. Vordere Antennen in tiefer Stirngrube versteckt, beim Männchen mit dreigliedriger Geissei und dickem, lang ausgezogenem Schaft, beim Weibchen fünfgliedrig. Die hintere männliche Antenne sehr lang, zickzackförmig gefaltet, mit kurzem Stiel , sehr langem vierten Glied und äusserst kurzem Endglied. Mundkegel dick und kurz, mit gedrungener Mandibel und ver- kürzten Maxillarplatten. Beide Gnathopodenpaare enden mit zusammengesetzter Zange. Eine langgestreckte Drüse mit centralem Cuticulargang erfüllt die Tibia des dritten, vierten und fünften Beinpaares. Die Femoralplatten des fünften und sechsten Beinpaares gestreckt, relativ wenig hoch. Fünftes Beinpaar stark verlängert, ebenso wie dasbeträchtlich kürzere sechste Paar mit verstärktem Schenkelgl i e d. Siebentes Beinpaar mit hober Femoralplatte , relativ klein aber vollständig gegliedert. Stielglied des vorderen Uropodenpaares bedeutend ver- längert. Aeste der Uropoden lanzetförmig. Schwanzplatte lang- gestreckt Innenast des dritten Uropodenpaares mit dem Stiel verschmolzen. Die von Dana aufgestellte Gattung Lycaea wurde von ihrem Autor so wenig zureichend und mit so allgemein gehaltenen Merkmalen1) charakterisirt, dass bereits Spence Bäte, welcher die Diagnose Dana's aufnahm, die Unnahbarkeit der Gattung für wahrscheinlich hielt, da der einzige Unterschied von Pronoe in der halbscheerenförmigen Gestaltung der vorderen Beinpaare liege, demnach eine ähnliche Beziehung von Lycaea zu Pronoe, wie von Metoecus (Kroyer) zu H y p e r i a anzunehmen sei. Ich glaube jedoch kaum fehl zu gehen, wenn ich auf Grund einiger in den Abbildungen Dana's gegebener Anhaltspunkte die volle Berechti- gung von Lycaea als selbstständige Gattung aufrecht erhalte. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass mehrere von mir näher ') „Pigmenta oculorum grandia. Antennae 2dae sub capite celatae et replicatae et fiagello longiusculo confectae. Pedes 4 antici subcheliformes , reliqui mediocres, 2 Ultimi breviores ; coxae 6 posticae angustae. Abdomen in ventrem se non flectens." (183) 38 Dr. C. Claus: untersuchte und wohl geschiedene Arten in den Typus dieser Gattung gehören, die von Pronoe ganz verschieden ist. Schon der dicke gerundete und mit tiefer Stirngrube aus- gebuchtete Kopf lässt keine Verwechselung mit andern Formen zu. Dazu kommt, dass Thorax und Abdomen mehr cylindrisch und seitlich nicht comprimirt sind. Das Weibchen merklich verkürzt und gedrungener, erinnert seiner Form nach fast an H y p e r i a. Die vorderen Antennen bei beiden Geschlechtern in der Stirnbucht ver- steckt, sind beim "Weibchen schlank und fünfgliedrig, beim Männ- chen trägt der stark aufgetriebene, gekrümmte Schaft eine drei- gliedrige Geissei. Am zweiten Antennenpaare, das dem weiblichen Geschlecht vollständig abgeht, ist das Stielglied auffallend kurz, das vierte Glied aber fast so lang als der vorausgehende, während das Endglied wieder ganz kurz bleibt. Hiemit stimmt so ziemlich D an a's Abbildung überein, wenn auch in derselben das Endglied nicht zur Darstellung kommt Die Mundwerkzeuge bilden einen starken, schnauzenförmigen Vorsprung, an welchem die grosse langestreckte Oberlippe einen bedeutenden Antheil nimmt. Die Oberkiefer sind kurz und gedrungen. Das obere Ende ihres schneidigen Kaurands an dem abgesetzten End- theil der Oberlippe eingefügt. Die Maxillarplatten zeigen eine nur geringe Entwicklung, und treten besonders die unteren als rudimentäre Zapfen ganz zurück. Dagegen gewinnt wiederum die Unterlippe einen mächtigen Umfang und bedeckt mit ihren Seitenlappen die vorausgelagerten Kiefer vollständig. Die Zunge bleibt klein, an der Basis eingeschnürt, vorne abgerundet. Beide Gnathopodenpaare enden mit zusammengesetzter Scheerenzange , an der sowohl die messerförmige Firste am Innenrande des Metacarpalstückes als der dornförmige Ausläufer am Carpusglied charakteristisch ist. Sämmt- liche Kiemenanhänge zeigen einen complicirten Bau, indem sie durch fächerförmige Ausbuchtungen seitliche Nebenräume gewinnen. Das fünfte und sechste Beinpaar treten durch die Stärke und den Umfang ihrer Glieder, besonders des langgestreckten Metacarpus, hervor, und zwar überwiegt das erste derselben bedeutend. Ihre Femoralplatten sind ziemlich gleich gross, die des sechsten Bein- paares meist merklich höher aber kürzer. Das siebente Beinpaar auf eine verhältnissmässig umfangreiche Femoralplatte und einen sehr schmächtigen , aber vollzählig gegliederten Beinanhang mit Endklaue reducirt. Der dicke, kräftig gebaute Hinterleib trägt massig starke Pleopoden mit acht- bis eingliedrigen Schwimmfussästen und läuft (184) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 39 in eine grosse, am abgerundeten Ende verjüngte Schwanzplatte aus. Von den Uropoden ist das vordere Paar sehr charakteristisch gestaltet, indem das dicke, ausserordentlich verlängerte Stielglied kurze, lanzetförmige Aeste trägt. Auch das Stielglied des zweiten Paares ist lang, dass des dritten jedoch sehr kurz und mit der lanzetförmigen Innenlamelle continuirlich verschmolzen. 1. L. nasuta n. sp. Körper (des Männchens) gestreckt, circa l}j2 Mm. lang, fleischfarbig, mit nasenförmig vorstehendem Stirnfortsatz. Stiel- glied der zweiten Antenne ausserordentlich kurz und gekrümmt. Klauenglied der Gnathopoden und nachfolgenden Beinpaare ziem- lich kurz. Drittes und viertes Beinpaar kräftig aber kurz. Fünftes Beinpaar im Verhältniss zu denselben ausserordentlich verlängert, mit oval gestreckter Femoralplatte. Femoralplatte des siebenten Beinpaares blattförmig, Beinanhang relativ dick und kurz, mit sichelförmiger Endklaue. Pleopodenäste zehn- und eilfgliedrig. Stiel des ersten Uropodenpaares sehr lang. Aeste auffallend kurz, etwa :/4 so lang als der Stiel. Innenast des zweiten und dritten Uro- podenpaares vom Stiel nicht abgesetzt. Fundort: Zanzibar. 2. L. similis n. sp. Körper dem der vorigen Art ähnlich, doch mit kaum vor- tretendem Stirnfortsatz, der des Männchens circa 6 Mm. lang, des Weibchens viel gedrungener, mit schmächtigem Abdomen. Stiel- glied der zweiten männlichen Antenne von massiger Länge, kaum gekrümmt. Drittes und viertes Beinpaar ziemlich dick und kräftig. Klauen sämmtlicher Beine langgestreckt. Pleopodenäste des Männ- chens neun- und zehngliedrig. Stielglied des vorderen Uropodenpaares kaum dreimal so lang als die Aeste. Innenast des zweiten Uropodenpaares vom Stiel gesondert, die des dritten Paares mit dem Stiel continuirlich verschmolzen. Fundort: Lagos. 3. L. serrata n. sp. Körper des Männchens ziemlich gedrungen , mit zackig vor- springendem Dorsalrand der Segmente , circa 8 Mm. lang. Kopf gross und kugelig, mit kaum bemerkbarem Stirnfortsatz. Stielglied der hinteren Antenne von ansehnlicher Länge , fast halb so lang als das zweite Glied. Scheerenhand der beiden Gnathopodenpaare mit sehr langer Klaue. Drittes und viertes Beinpaar dünn und schmächtig. An dem mächtigen fünften Beinpaare sind die zwei auf die (185) 40 Dr. C. Claus: gestreckt ovale Fem oralplatte folgenden Glieder bauchig aufgetrieben. Am siebenten Beinpaar ist der Beinanhang winzig klein im Verhältniss zu der hohen Femoralplatte. Pleopodenäste zehn und eilfgliedrig. Stiel des vorderen Uropodenpaares nur ungefähr doppelt so lang, als die Aeste. Innenast des zweiten Uropodenpaares vom Stiel beweglich abgesetzt. Fundort : Bengalen. 4. L. robusta n. sp. L. pulex Marion (?) A. F. Marion, Animaux inferieuis du Golfe de Mar- seille. Taf. II Fig. 2. Annales des sciences naturelles Ser. VI, Tom I 1S74, Junges |. Körper gestreckt, vom Habitus der Gattung Thamyris,. circa 7 Mm. lang. Drittes und viertes Beinpaar ausserordentlich stark und kräftig. Das fünfte Beinpaar im Vergleich zu den vor- ausgehenden nur wenig umfangreich. Pleopodenäste acht- und neungliedrig. Stielglied des vorderen Uropodenpaares etwa dreimal so lang als die Aeste. Innenast des zweiten Uropodenpaares beweglich abgesetzt. Fundort: Mittelmeer (Neapel und Messina). 15. Paralycaea n. g. Der Körperform nach gewissermassen Zwischenglied zwischen L y c a e a und Eupronoe. Vordere Antennen in tiefer Stirngrube versteckt, beim Männchen ähnlich wie bei Lycaea. Hintere An- tennen des Männchens mit kurzem dicken Basalglied und sehr langem Endglied. Mundkegel stark vorstehend , mit gedrungener Mandibel und weit getheilter Unterlippe. Beide Gnatkopoden- paare enden klauen form ig und sind lang gestreckt. Fünftes Beinpaar verlängert, mit oval gestreckter Femoralplatte. Sechstes Beinpaar stark verkürzt, mit hoher fast trigonaler Femoral- platte. Siebentes Beinpaar auf ein schmales gekrümmtes Femoral- plättchen reducirt, auf welches der hakig gebogene Gliedmassen- stummel folgt. Stiel des ersten Uropodenpaares lang und breit, der des zweiten Paares etwas kürzer, von dem blattförmigen Innen- ast nicht gesondert. 1. P. gracilis n. sp. Körper ziemlich schlank und gestreckt, circa 4 bis 5 Mm. lang. Gnathopoden dünn und schmächtig. Tibia des sechsten Bein- paares mit bezahntem Fortsatz, die Endklaue der Beine stark und spitz. Pleopodenäste sechs- und siebengliedrig. Seh wanzplatte gestreckt, triangulär. Fundort unbestimmt. Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 41 16. Fseudolycaea h. g. Auge über die ganze Kopffläche ausgebreitet. Mundgegend scknauzenförmig vorgestreckt, mit kurzem Mundkegel. Mandibeln kurz , gedrungen. Hintere Antennen des Weibchens fehlen. Die Lobi der Zunge breit und umgeschlagen. Die Gnathopoden einfach klauenförmig mit dickem, gedrungenem Carpus. Thoracalbeine kurz und gedrungen. Grosse Drüsenzelle im proximalen Abschnitt des Femur der drei mittleren Beinpaare. Fünftes und sechstes Be in paar ziemlich gleichlang. DieFemoralplatten derselben oval, ziemlich gleichgestaltet , mit starker geradliniger Leiste an der Unterseite, die des siebenten Paares nur wenig kleiner und schmäler, mit schmächtigem, vollständig gegliedertem Beiu- anhang. Abdomen ähnlich wie bei L y c a e a. Stiel des zweiten Uropodenpaares lang , jedoch merklich kürzer als der des ersten Paares. Aeste desselben breit lanzetförmig. Die Gattung wurde mir nur im weiblichen Geschlecht bekannt. 1. P. pachypoda n. sp. Körper des Weibchens Parapronoe ähnlich, jedoch gedrun- gener, 4 bis 5 Mm. lang. Vordere Antenne des Weibchens fünf- gliedrig. Die Gnathopoden kurz mit dickem , gedrungenem Carpus und Metacarpus. Tibialglied des sechsten Beinpaares sehr hoch, Carpus und Metacarpus mit fein gesägtem Rande. Matricalblätter kurz und breit oval. Femoralplatte des siebenten Beinpaares etwa doppelt so lang als der nachfolgende Beinanhang. Schwimm- fussäste der Pleopoden langgestreckt, acht- bis zehngliedrig. Stiel- glied des ersten Uropodenpaares ungefähr 21j2msl so lang wie die beiden gleichgrossen Aeste. Aussenast des zweiten und dritten Uropodenpaares schmal und kurz. Schwanzplatte zungen- förmig, so lang als das letzte Uropodenpaar. Ein weibliches Exemplar aus dem Hafen von Messina, ein zweites etwas grösseres von Zanzibar. 17. Lycaeopsis n. g. Körperform Lycaea ähnlich, mit sehr dickem Kopf, gestrecktem Thorax und Abdomen. Vordere Antenne des Weibchens fünfgliedrig , mit schmalem, griffeiförmigem Endglied. Hintere Antenne fünfgliedrig, kurz und h akig geb ogen, in beiden Geschlechtern gleichgestaltet. Die Augen über die gesammte Kopffläche ausgedehnt, mit grossem Pigmentkörper. (187) 42 Dr C. Claus: Gnathopoden mit hakenförmigem Endglied, die des zweiten Paares bedeutend dünner und gestreckter. Drüsen im Femur der Gnatho- poden, sowie des dritten und vierten Beinpaares. Femoralplatten des fünften und sechsten Beinpaares verhältnissmässig schmal und gestreckt. Sechstes Beinp aar kräftig und fast doppelt so lang als das fünfte Bein paar. Der Carpus ebenso wie der Metacarpus bedeutend verlängert und mit bezahntem Rand. Siebentes Beinpaar lang gestreckt, mit stielförmigem Femoralglied, vollzählig gegliedert. Stiel des ersten Uropodenpaares so lang als die blattförmigen Aeste. 1. Lycaeopsis themistoides n. sp. Körper schlank und gestreckt, durch die verlängerten Fuss- abschnitte des sechsten Thoracalbeines an Themisto erinnernd, 5 bis 6 Mm. lang, die grossen Pigmentkegel des Seiten- und Scheitelauges braunroth. Femur der vordem Gnathopoden stark aufgetrieben und mit mächtigen Drüsenzellen erfüllt. Schwimm- fussäste der Abdomin alfüsse fünf- und sechsgliedrig. Schwanzplatte schmal und rudimentär. Fundort : Mittelmeer. Im Hafen von Messina häufig. 18. Simorhynchus Cls. C. Claus, Untersuchungen über den Bau und Verwandtschaft der Hyperiden. Nachrichten der K. Gott. Societät, 1871, pag. 156. Körper gedrungen, mit breitem Kopf, dessen Unterseite bei weitem Abstand der stark prominirenden Ränder schaufeiförmig ausgehöhlt erscheint. Schnabel kurz und breit, schräg abfallend, daher der Kopf im Profil ähnlich dem Kopf eines Nagethiers. Vordere Antennen mit dreigliedriger Geissei. Hintere Antennen des Männchens sehr lang, fünfgliedrig. Stielglied stark gekrümmt und viel kürzer als das der drei nachfolgenden Glieder. Endglied kurz. Mandibeltaster kurz, Basalglied nur wenig länger als die nachfolgenden Glieder. Maxillen verkümmert. Seitenblätter der Unterlippe umfangreich, Mittellappen oder Zunge birnförmig, mit Zahn. Vordere Gnathopoden ohne Scheere. Das zweite Gnathopodenpaar en det s üb cheliform. Drüse im Femur der drei mittleren Beinpaare. Fünftes und sechstes Beinpaar mit breiten mächtigen Femoralplatten. Siebentes Beinpaar klein, mit breiten, vorn verschmälerten Femoralplatten und schmächtigem, aber vollkommen gegliedertem Bein. Die Kiemen sind grosse zusammengesetzte Schläuche. Abdomen ausserordentlich dick, mit stark vorgewölbten Seitenflügeln seiner Segmente. Hinterer (188) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 43 Abschnitt desselben kurz und gedrungen. Die beiden hinteren Uropodenpaare scheerenförmig , mit verwachsenem Innenast und beweglichem, fingerförmigem Aussenast Ganglien der Bauchkette sehr dicht gedrängt, mit kurzen Längscommissuren. Leberschläuche breit, mit secundären Ausstül- pungen. Rückengefäss ungewöhnlich weit. 1. S. antennarius Cls. Stiel der vorderen Antenne mit langem vorspringendem Hakenfortsatz. Unteres Geisseiglied breit, die beiden nachfolgenden bedeutend verschmälert. Die unteren Antennen sehr lang, das zweite Glied reicht fast bis zum Abdomen. Augenpigment gelb. Coxal- platten der Brust stark gewölbt und vorstehend. Seitenstücke der Abdominalsegmente zu ovalen Flügeln vergrössert, unbewaffnet. Pleopodenäste langgestreckt, neun- bis eilfgliedrig. Stielglied der Uropoden kaum länger als die ziemlich breiten Janzetförmigen Aeste. Innenglied des hinteren Paares stark ausgebogen , doppelt so lange als das bewegliche Aussenglied der Scheere. Schwanz- platte triangulär. Körperlänge des Männchens 7 Mm. Fundort: Küste von Zanzibar und Grosser Ocean. 5. Familie. Oxy cephalidae. Körper mehr oder minder seitlich comprimirt und langge- streckt, mit Stirnschnabel , umfangreichem Abdomen und stielför- migen Uropoden. Femoralplatte des fünften und sechsten Bein- paares wenig hoch und relativ schmächtig. Siebentes Beinpaar sehr schmächtig, aber oft in vollständiger Gliederung erhalten. Die hin- teren Antennen des Weibchens rückgebildet. Maxillen verkümmert. Zwei Otolithenblasen vorhanden. Körper massig gestreckt , Stirn- schnabel nicht merklich länger als der Kopf, die Femoralstücke des fünften und sechsten Beinpaares sind ziemlich hohe Platten . 1. Oxy cep halus. Beide Gnathopodenpaare enden mit Zusammengesetz- < ter Scheere. Körper stabförmig verlängert, Stirnschnabel zu einem langen Stachel ausgezogen; ebenso die Uropoden- paare. Die Femoralglieder des fünften und sechsten Beinpaares dünn und gestreckt, denen der vorausgehenden Beine ähnlich . 2. Rhabdosoma. 44 Dr. C. Claus: 19. Oxycephalus Edw. Mi Ine Edwards. Extrait de Kecherclies pour servir ä l'histoire naturell de« Crnstaces amphipodes. Ann. des scienc. nat. Tom. XX. 1830, pa?. 396. Milne Edwards, Histoire naturelle des Crustaces 1840. Tora III, pag. 99. Spence Bäte, Catalogue of tlie spee. of Amphipodous Crustacea in the Collection of the Brit. Museum. 1362. Körper langgestreckt, im weiblichen Geschlecht mit erwei- terter Brustregion. Kopf in einen ansehnlichen triangulären Schnabel ausgezogen, dessen Basis in tiefer grubenförmiger Aus- buchtung an der Ventralfläche die Vorderfühler aufnimmt. Von dieser erstreckt sich eine flache Rinne an der Unterseite des Kopfes bis zu den Mnndtheilen zur Aufnahme des langen, zickzackförmig zusammengelegten zweiten Antennenpaares. Die vorderen Antennen enden mit einer kurzen, zwei- bis dreigliedrigen Geissei und sind im männlichen Geschlechte stark aufgetrieben, schwach gekrümmt und mit dicht gestellten Riechhaaren buschig besetzt. Die hinteren Antennen des Männchens sind fünfgliedrig, zickzackförmig zusam- mengelegt und enden mit kurzem Terminalgliede; im weiblichen Geschlecht fehlen dieselben vollständig. Mandibeln kräftig, mit scharfer , zahnförmig vorspringender Schneide , am Rande der wulstig vorspringenden Oberlippe eingelenkt. Im weiblichen Ge- schlecht tasterlos , tragen sie beim Männchen einen stabförmig verlängerten, bis zu den vorderen Antennen reichenden Taster. Die zwei oberen Glieder desselben liegen winklig gekrümmt und bilden eine Art hakenförmiges Endstück. Maxillen fehlen. Das Kieferfusspaar stellt eine dreiblättrige Unterlippe dar. Die beiden kurzen vorderen Beinpaare (Gnathopoden) enden mit zusammen- gesetzter Scheere; die Scheere des vorderen Paares ist kürzer, gedrungener und mit scharfrandiger breiter Schneide des Finger- gliedes bewaffnet. Eine langgestreckte Drüsengruppe in der Tibia des dritten, vierten, fünften und siebenten Beinpaares , sowie im proximalen Abschnitt vom Carpus des dritten, vierten und fünften Beinpaares. Die Femoralplatte des fünften und sechsten Beinpaares von ansehnlicher Grösse. Das siebente Beinpaar in verschiedenem Umfang reducirt, aber vollzählig gegliedert, mit triangulärer Femoralplatte. Caudalgriffel mit zwei lanzetförmigen Aesten. Schwanzplatte triangulär. 1. Oxycephalus piscator Edw. 0. piscator Milne Edwards, Annales des sciences natur. Tom. XX. 1830. Derselbe, Histoire naturelle des Crustaces. Tom III 1840. O. oceanicus. Guerin. Magazin de Zool. VII. 1836. 0. piscator Spence Bäte, Catalogue of the specimens ete. London 1862. 0. tuberculatus Spence Bäte, Ebend. (190) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 45 Offenbar die häufigste und, wie es scheint, im Ocean und Indischen Meere weit verbreitete Art, welche M. Edwards zur Charakterisirung der Gattung ausschliesslich vorlag. Der stark aufgetriebene Kopf setzt sich in einen triangulären spitzen Schnabel von geringerer Länge fort. An den Brustseg- menten erheben sich flache Tuberkeln sowohl am Rücken als an den Seiten. Die Seitenflügel der grossen Abdominalsegmente vorne- stark gewölbt und in der Mitte sowie am Ende mit einer haken- förmigen Spitze bewaffnet. Viertes Abdominalsegment etwa halb so lang als das nachfolgende Doppelsegment mit dem zweiten und dritten Uropodenpaar ; letztes ungefähr so lang als die trigonale Schwanzplatte. Die Aeste der beiden hinteren Uropodenpaare nur wenig kürzer als das Basalglied und am Rande feingezähnelt. Die vorderen Fühler, nach beiden Geschlechtern bedeutend verschieden, bestehen aus einem dreigliedrigen Schaft mit kurzem Mittelgliede und einer kurzen und dünnen, beim Weibchen zwei- gliedrigen, beim Männchen dreigliedrigen Geissei. Zum Verständ- niss der sexuellen Abweichungen in der Antennengestaltung ist es nothwendig, jugendliche Formen zur Vergleichung heranzuziehen, an denen die Geschlechtsunterschiede noch nicht zur vollen Aus- bildung gelangt sind. An jungen männlichen Thieren nähern sich die vorderen Fühler den weiblichen um so mehr, je weiter man in der Entwicklung zurückgreift, so dass man zu einem gleich- artigen indifferenten Ausgangspunkt gelangt, von dem sich aller- dings die weibliche Antennenform nur wenig entfernt hat. Im frühen Jugendalter ist der Schaft überall dünn und schmächtig und besteht nicht aus drei, sondern aus vier Gliedern, indem neben dem kurzen persistirenden Mittelgliede noch ein zweites auftritt, welches später seine Selbstständigkeit aufgibt. Dazu kommen zwei verschmälerte Geisselglieder , die vom Schaft winklig ab- stehen. Erst später mit der Verschmelzung des oberen Mittel- gliedes beginnt im männlichen Geschlecht die bauchige Auftreibung des Antennenschafts, dessen Innenseite allmälig eine stärkere und längere Curvatur gewinnt und an Formen von 15 — 20 Mm. Länge zum Uebergang in die Form des Geschlechtsthieres vorbereitet ist. Junge Männchen mit solch' unentwickelten Antennen wurden von Guerin Meneville als einer besonderen Art zugehörig, als 0. oceanicus beschrieben. Erst mit der nachfolgenden Häu- tung gewinnt die Antenne die für das geschlechtsreife Männchen charakteristische Gestalt , indem sich an der inneren stark con- vexen Fläche des grossen Stammgliedes eine grosse Zahl in Quer- (191) 46 Dr. C. Claus: reihen gestellter Riechhaare entfaltet , während der äussere Rand eine entsprechend tiefe Einkrümmung erfährt. So gewinnt die männliche Antenne, wie bei allen Platysce- liden, erst mit der letzten Häutung durch die erstaunliche Fülle der aus demlntegument hervor- getretenen Riechhaare ihr buschiges Aussehen. Indem sich zugleich das obere verschmälerte Endstück des Schaftes als Glied sondert , wird die Geissei dreigliedrig. Die weibliche An- tenne dagegen b ewahrt denHabitus der Jugendform; der Schaft streckt sich zwar bedeutend , bleibt jedoch schmal und linear gestreckt und trägt ausschliesslich am Aussenrande eine spärliche Zahl von Riechhaaren , die in gleicher Weise auch an der männlichen Antenne auftreten. Die G-eissel bleibt zweigliedrig. Die Riechhaare sind lange, haarformige Schläuche mit glänzendem Endknö'pfchen und feinstreifigem Inhalt, in welchen der Ausläufer einer Gangliehzelle eintritt. Der grossen Menge dieser Cuticular- anhänge entspricht die dichte Häufung der Ganglienzellen im Innern des Antennenschafts. Während im weiblichen Geschlecht nur ein einziges lineargestrecktes Ganglion längs des Antennennerven zur Ausbildung kommt , tritt beim Männchen ein zweites , viel umfangreicheres Ganglion längs der gewölbten Medialfläche der Antenne hinzu , welches die längeren in Querreihen gestellten Cuticularfäden der Innenseite versorgt. Das weit abwärts in der Mundregion eingelenkte zweite Antennen- paar tritt nur im männlichen Geschlecht auf und ist ein langer fünf- gliedriger Stab mit ganz kurzem Terminalglied. Die vier voraus- gehenden Glieder schlagen sich zickzackförmig zusammen und können in die Kopfrinne eingelegt werden. Das Basalglied reicht mit seinem keulenförmig verdickten Ende weit nach vorne bis über die Antennengrube des Kopfes. An ganz jungen Männchen sind die hinteren Antennen kurze , undeutlich viergliedrige Schläuche, mit deren fortschreitendem Wachsthum sondern sich die Glieder schärfer, strecken sich bedeutend und schlagen sich zickzackförmig zusammen. Die Mundwerkzeuge bilden einen stark vorspringenden Auf- satz , an welchem der vollständige Mangel der beiden Maxillen- paare auffällt. Die obere dachförmige Platte desselben, die Ober- lippe, mit einer Längsfirste besetzt, erscheint am unteren Rande wulstig aufgeworfen und als quer ovale Scheibe abgesetzt , an deren Seiten die beiden Mandibeln mit zackigem Vorsprung ihrer oberen Kante befestigt sind. Dieser untere Abschnitt scheint durch (192) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 47 zwei Muskelbündel der Oberlippe emporgehoben werden zu können. Die Mandibeln , durch die doppelte Einfügung an der Basis und am oberen Rande in ihren Bewegungen beschränkt, besitzen unter- halb eines kurzen Zahnfortsatzes einen scharfen, fein gekerbten Kaurand , der offenbar zum Einschneiden in zarte thierische Ge- webe dient , und tragen im männlichen Gescklechte einen langen dreigliedrigen Taster. Im jugendlichen Alter erhebt sich derselbe als kurzer einfacher Schlauch , der mit fortgesetzter Streckung undeutlich dreigliedrig wird. Im ausgebildeten Zustand ist das Basalglied stabförmig verlängert, während die beiden kurzen End- glieder in knieförmiger Biegung einem kurzen Haken ähnlich sind. Die Unterlippe, welche dem zum Kopf herangetretenen ersten Brustfusspaar entspricht und daher ebenso wie bei den Gammariden auch als Kieferfuss bezeichnet werden kann, ist drei- lappig und in der Medianlinie zu einer kammartigen Firste erhoben, welche sich über den kurzen Mittellappen hinzieht. 2. 0. similis n. sp. Körperform der von 0. piscator ähnlich, doch schmäch- tiger und gestreckter, ohne die starken warzenförmigen Erhebungen des Rückens, 16 — 20 *) Mm. lang. Scheeren der Gnathopoden mit dicht gestellten Borsten besetzt. Thoracalbeine ungleich zarter und schmächtiger. Letztes (siebentes) Beinpaar mit triangulärer Schenkelplatte , unverhältnissmässig kleiner und schmächtiger als das von 0. piscator. Seitenflügel der drei vorderen Abdominal- segmente stark vorgewölbt, ohne mittleren Stachelvorsprung. Fundort: Messina. 3. 0. latirostris n. sp. Eine etwas kleinere Art mit spateiförmig verbreitertem, langem Schnabel und sehr langgestrecktem Kopf. Antenne des Weibchens mit sehr langem Schaft. Greifhand des ersten und zweiten Beinpaares gestreckt, an der Innenseite von Carpus und Finger sägeartig gezähnt. Beine schlank und dünn. Siebentes Beinpaar auffallend gross, fast so lang als das vorausgehende Paar. Seitenflügel der Abdominalsegmente ohne mittlere Haken- spitze, nur am hinteren Ende in eine Spitze auslaufend. Nur in einem vollkommen entwickelten Weibchen von 16 Mm. Körperlänge bekannt geworden. Fundort: Lagos. *) Was die in Mm angegebenen Masse anbetrifft, so kann es sich bei den- selben nur um durchschnittliche Werthe handeln. Bei manchen Arten gibt es ausserordentlich grosse und wiederum auffallend kleine Exemplare. (193) 48 Dr. C. Claus: 4. 0. tenuirostris Cls. C. Claus, Untersuchungen über den Bau und die Verwandtschaft der Eyperideo. Nachrichten der Gütiinger Societät 1871, pag. J 55. Körper schlank und glatt, circa 10 Mm. lang, Schnabel über- aus dünn und gestreckt, ungefähr so lang als der eigentliche Kopf. Nackengegend verengert und tief eingebogen. Antennen des Männ- chens mit hakenförmigem Zapfen am Ende des Stammes, die des Weibchens von massiger Länge. Die Antennen des zweiten Paares ausserordentlich verlängert. Beine dünn und schlank, das letzte Paar klein. Die beiden vorderen Paare mit stark gezähnter Greifhand. Die Seitenflügel der Abdominalsegmente unbewaffnet. Das Caudal- doppelsegment stabförmig gestreckt, drei bis viermal so lang als die schmale Schwanzplatte. Ebenso sind die Basalglieder der beiden vor- deren Uropodenpaare stabförmig verlängert und vier- bis fünfmal so lang als ihre lanzetförmigen Endäste (Annäherung anRhabdosoma). Gefangen vom Capitain Schnehagen, in der Gilolo -Passage. 5. 0. porcellus n. sp. Körper ziemlich gedrungen, mit glattem, starkem Integument, circa b Mm. lang. Schnabel massig lang und schnauzenförmig. Beine minder gestreckt., mit langen Krallen bewaffnet. Die Greif- hände der beiden vorderen Paare kurz und gedrungen. Letztes Beinpaar mit sehr schmächtiger Platte, dünn und gestreckt. Die vorderen stark gezackt, die hinteren feingezähnelt. Abdomen sehr kräftig, glattrandig. Das Caudaldoppelsegment kurz , merklich kürzer als die Schwanzplatte. In nur einem noch dazu nicht voll- ständig ausgewachsenen weiblichen Exemplar von 8 Mm. -Länge bekannt geworden. Fundort: Zanzibar. 6. 0. longiceps n. sp. Kopf sehr lang, mit dem rüsselförmigen Schnabel fast so lang als der Mittelleib. Pigmentkörper des Auges sehr gestreckt, fast quadrangulär. Beine schlank und dünn. Die Greifhand der beiden vorderen Beinpaare mit scharfem, gezähneltem Rande und einfacher, langer Endspitze. Siebentes Beinpaar klein. Schwimm- füsse dünn und schmächtig. Integument glatt und ziemlich dünn. Seitenflügel der Abdominalsegmente unbewaffnet. Das Caudal- doppelsegment nur wenig länger als die Schwanzplatte, ebenso die Stielglieder der Uropoden nicht viel länger als die Aeste. Nur in einem jungen männlichen Exemplare von 6 Mm. Länge bekannt geworden, im ausgebildeten Zustande sicher mehr als von doppelter Länge. Fundort: Zanzibar. (191) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 4Ü 7. 0. typhoides n. sp. Körper massig comprimirt, mit einem Paar von Seitenstacheln an den Epimeren des fünften Thoracalsegments. Kopf kugelig auf- getrieben, mit sehr tiefer Antennengrube und spitzem , ziemlich kurzem Schnabel. Nackengegend stark verengert. Die vorderen Antennen des Männchens gross, mit stumpfem Zahnfortsatz an dem sehr gestreckten Schaft. Zweites Antennenpaar sehr lang, mit stark ausgebogenen Gliedern und kurzem Endgliede. Greif- hand der vorderen Beinpaare mit ungezähntem, in eine lange Spitze ausgezogenem Rand. Die Schenkelplatten des fünften und sechsten Beinpaares sind breite, mächtig vergrösserte Scheiben , von fast birnförmigem Umrisse und liegen wie bei E u ty p h i s ( T h y r o p u s) klappenartig der Bauchseite an. Siebentes Beinpaar gross und lang , mit umfangreicher , am Hinterrande lang ausgezogener Schenkelplatte. Aussenfläche der letzteren mit langer Firste und zwei Gruben. Die Seitenflügel der Abdominalsegmente ziehen sich in einem langen spitzen Fortsatz aus. Das Caudaldoppelsegment mehr als zweimal so lang wie die kurze Schwanzplatte. Letztes Uropodenpaar sehr kurz. Männchen und Weibchen circa 8 — 9 Mm. lang. Fundort: Zanzibar, Mittelmeer (Hafen von Messina). 20. Rhabdosoma White. Rhabdosoma White. Sir E. Belcher's voyage of the Samarang, pag. 63. Macrocephalus Spence Bäte, Annais of nat. Hist. 3 Ser. I, pag. 362. Oxycephalus M. Edwards, Histoire nat. des Crust, Tom. III, pag. 101. Rhabdosoma Spence Bäte, Catalogue of the specimens etc. Die bedeutende Streckung des seitlich comprimirten Körpers, die stabförmige Verlängerung des Schnabels, sowie die Caudal- griffel und Schwanzplatte würde an sich nicht ausreichen, die generische Selbstständigkeit gegenüber der Gattung Oxyce- phalus zu begründen , und in der That wird man die von Spence Bäte gegebene Gattungsdiagnose eher als Bestätigung der Ansicht von M. Edwards betrachten können, nach welcher die einzige bislang bekannt gewordene Rhabdosoma mit Oxy- cephalus zu vereinigen sei. Indessen ergibt die genauere Unter- suchung des Baues ausreichende Unterschiede auch in der Gestal- tung der Antennen und Gliedmassen. Der untere Abschnitt des Kopfes ist stabförmig gestreckt und schwillt vorne zu der stark verbreiterten Augenregion an, welche sich in den langen Stirnstachel fortsetzt. Die vordere Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 1-4 (195) 50 Dr. C. Claus: Antenne, in eine tiefe Grube eingeschlagen, endet im männlichen Geschlecht mit einfachem Greisseiglied, welches beim Weibchen hinwegfällt; dagegen ist das dritte Schaftglied der weiblichen Antenne bauchig aufgetrieben und mit zahlreichen Biechfäden besetzt. Die Antenne des zweiten Paares verhält sich ganz ähn- lich wie bei Oxycephalus, und ist fünfgliedrig, ihr Terminal- glied überaus klein und winzig. Der dreigliedrige Mandibel- taster des Männchens ist stabförmig verlängert und reicht bis zur vorderen Antenne. Im Uebrigen verhalten sich die Mund- theile wie bei Oxycephalus, nur dass der bewegliche Theil der Oberlippe schildförmig vorspringt, und dass die mit schneidigem Kaurand bewaffneten Mandibeln bedeutender verkürzt sind. Die vorderen Beinpaare bleiben kurz und enden mit zusammen- gesetzter Scheere. Drüsen in den Thoracalbeinen wie bei Oxy- cephalus. An dem fünften und sechsten Beinpaare bleiben die Schenkelglieder stabförmig gestreckt, nur das Schenkelglied des siebenten Beines ist eine hohe Platte von birnförmiger Um- grenzung, an der ich die nachfolgenden Extremitätenglieder stets vermisste. AufFallenderweise tragen beim Männchen ausschliess- lich das fünfte und sechste Beinpaar Kiemenschläuche , während beim Weibchen auch die Kiemen der vorausgehenden Paare erhalten sind. Auch noch ein anderer beim ersten Blick in die Augen fallender Sexualunterschied markirt sich an den Extre- mitäten des Thorax , von denen besonders das dritte und vierte Paar des Weichens viel stärkere und dickere Schienen- und Schenkelglieder tragen. Die drei vorderen Abdominalsegmente sind sehr umfangreich und mindestens von der Länge des ganzen Thorax. Die zugehörigen Schwimmfüsse im männlichen Geschlecht zeichnen sich durch die Dicke und Stärke ihres Stammes aus, der beim Weibchen schmächtiger und schlanker bleibt. Der nachfol- gende hintere Abschnitt des Abdomens stabförmig gestreckt, im weiblichen Geschlecht weit mehr verlängert. Die Eier entwickeln sich im Brutraume der Brust zwischen den Seitenflügeln der Thoracalsegmente geschützt. Die Jungen besitzen anfangs eine ziemlich gedrungene Gestalt, mit nahezu gleich- massig gebildeten Brustfüssen, von denen freilich schon das siebente Paar an Länge bedeutend zurücksteht. Die Greifhände der beiden vorderen Paare sind noch nicht erkennbar. Anstatt des Schnabels findet sich ein kurzer warzenförmiger Stirnvorsprung , an dessen Unterseite die dreigliedrige Antenne entspringt. Die sechs Beinpaare des Abdomens sind gleichgeformte, zweiästige Schläuche, von denen (196) Die Gattungen und Arten der Platysceliden. 51 die beiden letzten Paare dem verschmolzenen Doppelsegments zugehören. Von Spence Bäte wurden die beiden so bedeutend diffe- renten Geschlechter für zwei verschiedene Arten gehalten. Rh. armatnm Edw. Oxycephalus armatus. M. Edwards, Hist. nat. des Crustaces. Tom III. pag. 101. Rhabdosoma armatum (?) White. Sir E. Belcher's Yoyage of the Samaraug pag. 63. Rhabdosoma armatum (?) Spence Bäte, Catalogue of the specimens etc. pag. 344. Rhabdosoma Whitei (|) Spence Bäte Ebend. pag. 343. Rhabdosoma armatum C. Claus, Untersuchungen über den Bau und die Verwandtschaft der Hyperiden. Nachrichten der Göttinger Societät 1871 pag. 155. Schnabel etwa halb so lang als der nachfolgende Körper. Kopf ungefähr so lang als der Thorax. Der verengerte hintere Kopfabschnitt kaum IVa so lang als die bohnenförmig erweiterte Angenregion. Das Basalglied der hinteren Antennen des Männchens reicht bei ausgewachsenen Thieren bis zur Grube der vorderen Antenne. Die beiden vorderen Beinpaare kurz und schmächtig. Greif hand des ersten Paares gedrungen, mit Nebenspitze des Fingers. Carpus breit, mit starkem, trigonalem Fortsatz. Greifhand des zweiten Paares gestreckt, mit schmalem und etwas gekrümmtem Hakenfortsatz des Carpal- gliedes. Seitenflügel der Thoracalsegmente mit ausgeschweiftem Rande. Drittes und viertes Beinpaar beim Weibchen mit sehr dünnen, kräftigen, beim Männchen mit schmächtigen Tibial gliedern. Die Femoralplatte des siebenten Beinpaares ist eine kleine Scheibe von birnförmigem Umriss. Seitenflügel des entsprechenden Thoracal- segmentes stark ausgebogen und hakig prominirend. Die Seiten- flügel der Abdominalsegmente mit stark vortretender Hakenspitze, welche am dritten Segmente nach hinten gerichtet ist. Die Caudal- griffel stabförmig verlängert , mit dreikantigem Stiel. Die zwei nach aussen gewendeten Kanten der CaudalgrifFel stärker gezähnt. Schwanzplatte zu einem langen am Ende lanzetförmig verbrei- terten und ventralwärts gebogenen Stiel verlängert. Sp. Bäte hat das Männchen als besondere Art (Rh. Whitei) beschrieben. Das Grössenverhältniss der einzelnen Abschnitte variirt nach dem Geschlechte, minder nach Alter und Körpergrösse, wie die beifolgende Tabelle zeigt : 14* (197) 52 Dr. C. Claus: Die Gattungen und Arten der Platysceliden. Länge des meist abgebro- chenen Schnabels (Stirn- stachels) 15 Kopf Thorax Die drei vorderen Abdominal- segmente Viertes Caudalsegment . . Das Doppelsegment (fünftes und sechstes Segment) Caudalplatte (siebentes Seg- ment) Erster Caudalgriffel . . . Zweiter Caudalgriffel . . Dritter Caudalgriifel . . Die Gesammtlänge des Körpers, wegen des fast regelmässig abgebrochenen Stirnstachels nur im Allgemeinen zu bestimmen und beim ausgewachsenen Weibchen auch wegen der stärkeren Verlängerung der hinteren Caudalregion viel bedeutender , beläuft sich auf circa 2x/2 — 3a/2 Zoll. Fundort: Südsee und südl. Atlantischer Ocean. 5 18 20 36 24 28 6V, 8 8 9 10 11 63/4 9 9 9V2 9 11 7Vi 91/. 91/« 10 10 12 3 4 33/* 21/* 3 31/2 3V2 4V2 4\/4 3V2 4 5 6 9 8 10 18 23V. 6 8 7 Vi 8 10 11 4V2 5V2 5Vi 3 4 6 8 7 Vi 9 18 Agalmopsis Utricularia, eine neue Siphonophore des Mittelmeeres. Von Dr. C. Claus. (Mit Tafel I.) Obwohl sich in den letzten Decennien zahlreiche Forscher mit der mediterranen Siphonophoren-Fauna eingehend beschäftigt haben, nicht mir um die Organisation und feinere Structur der häufigem und zur Untersuchung günstigen Arten näher zu erfor- schen , sondern auch um das gesammte Formengebiet faunistisch festzustellen, so gibt es doch immer noch einzelne kleinere und seltene Formen, welche sich dem Blicke der seitherigen Beobachter entzogen haben. Eine solche kaum spannlange, aber überaus reizende, unzweifelhaft zu den schönsten Physophoriden gehörige Form ist die in nachfolgenden Zeilen zu beschreibende Agal- mopsis, welche ich vor Jahresfrist während eines mehrwöchent- lichen Aufenthaltes in Messina mehrmals im dortigen Hafen fischte. Dieselbe hat ihren auffallendsten Charakter in dem Besitze grosser Blasen am Ende der Nesselknöpfe , welche den blasenför- migen Anhängen der Utricularia vergleichbar, hervorragen. Fig. 1. Als wenn es sich um hydrostatische Apparate handelte, sind die relativ sehr umfangreichen Endblasen der Nesselknöpfe sämmtlich aufwärts nach der Oberfläche gerichtet und halten den geschlän- gelten Fangfaden, der sich bei andern Siphonophoren abwärts senkt, in horizontaler Lage. Dazu kommt ein Kranz von 8 langen Nesselfäden , welche an der Basis jeder Blase entspringen und wie Arme eines Kronleuchters in der Peripherie hervorstehen. Mittelst dieser nach allen Seiten hin ausgestreckten Fäden wird im Umkreise des Siphonophorenstöckchens gewissermassen ein Netz ausgebreitet, von welchem alles, was von kleinern Organismen in diesen Kreis gelangt, aufgefangen und als Beute den Polypen- leibern zugeführt wird. (19'.» ) 2 Dr. C. Claus: Die nähere Betrachtung des beim ersten Blick so eigenartig erscheinenden Nesselknopfes belehrt uns, dass es sich im Grunde nur um eine Modification der für die Gattung Agalmopsis charakteristischen Nesselknopfform handelt , dessen Endblase bei anderen Arten wie A. Sarsii ungleich schmächtiger bleibt und nicht von acht, nur von zwei Angelfäden umgeben wird (Fig. 2 und 3). Dazu kommt die viel bedeutendere Länge des röthlich pig- mentirten, von der Mantelhülle umschlossenen Nesselbandes, welches in sieben bis acht Spiralwindungen aufgerollt liegt. Von denselben sind nur die vier bis fünf oberen Windungen transversal gestellt, die nachfolgenden schräg vertiCal gerichtet. Auch die Nessel- kapseln zeigen nach Grösse und Form charakteristische Verhält- nisse. Die grossen säbelförmigen Kapseln (Fig. 4 a1) bleiben hinter denen von A. Sarsii an Länge bedeutend zurück, sind aber in viel grösserer Menge vorhanden und erstrecken sich über die vier bis fünf vorderen Spiralwindungen des Nesselbandes, während sie bei A. Sarsii auf die vordere Windung beschränkt bleiben. Wenn schon aus der Gestaltung der Nesselknöpfe die Zuge- hörigkeit der neuen Physophoride zur Gattung Agalmopsis in hohem Grade wahrscheinlich gemacht ist , so wird dieselbe durch Bau und Gliederung des gesammten Stammes mit seinen übrigen Anhängen vollends erwiesen. Unterhalb des apicalen Luftbehälters folgt die zweizeilige, etwa aus 18 bis 19 Schwimm- glocken zusammengesetzte Schwimmsäule. Dieselben wiederholen im Allgemeinen die auch für Agalmopsis charakteristischen Gestaltungsverhältnisse , wie ich eingehend an den Schwimm- glocken von Haiistemma J) beschrieben habe, unterscheiden sich aber von A. Sarsii durch die bedeutende Dicke des Gallert- mantels und die geringe Höhe der beiden oberen Seitenfortsätze (Fig. 5). Auch hier erhebt sich zwischen den beiden Keilfortsätzen (KF) der Dorsalfläche ein medialer Wulst der Mantelsubstanz, welcher sich an der oberen Fläche der Schwimmglocken in einen ansehnlichen Zapfen (Z) fortsetzt. Die Configuration der Ventral- fläche wird durch ähnliche Kanten bestimmt, wie sie auch bei Haiistemma auftreten. Eine mediale und seitliche (Vk') Längskante, welche in paarig-symmetrischem Verlaufe an den Seiten der Schwimmsackmündung zusammenlaufen, theilen die ') C. Claus, Ueber Haiistemma tergestinum etc. Arbeiten aas dem zool. Institut etc. Tom. I. Wien 1878. Agalmopsis Utricularia, eine neue Siphonophore des Mittelmeeres. 3 Ventralfläche in ein schmales , auf die breite obere Fläche über- tretendes Medialfeld mit dem ventralen Radiärgefäss und in zwei weit stärker vorgewölbte Paare von Seitenfeldern, von denen das äussere durch die scharf vorspringende Seitenkante von dem seit- lichen Felde der Dorsalfläche, durch einen unteren transversalen Ausläufer (Tk) jener Kante von der unteren die Schwimmsack- mündung umschliessenden Fläche der Schwimmglocke abgegrenzt wird. Das dorsale Seitenfeld, dessen Fläche zu der des seitlichen Ventralfeldes einen nahezu rechten Winkel bildet, ist eine lang- gestreckte, fast ebene Facette, die oberhalb der unteren Schwimm- glockenfläche ihren Abschluss findet. Besonders scharf treten die kantigen Erhebungen und die von denselben begrenzten facettenähnlichen Felder an jungen Schwimmglocken hervor, während an altem durch eine relativ bedeutende Verbreiterung bezeichneten Schwimmglocken die Felder stärker vorgewölbt und die Kanten abgeschwächt erscheinen. In der Configuration sowohl des Stammes als seiner Anhänge ergeben sich keine sehr wesentlichen Abweichungen von der näher bekannten Ag. Sarsii. Auffallend sind die langen Stiele der Nähr- polypen und die relativ breiten, im Einzelnen mannichfach ab- ändernden , bald 2- , bald ozipfligen Deckstücke (Fig. 6 a b c). Zwischen je 2 Nährpolypen erheben sich am Stamm etwa 6 bis 9 Tentakeln mit Genitalknospen, von denen die männlichen, wenn vollkommen zur Reife gelangt, fast die Grösse der Nesselknopf- blasen erlangen und von einer deutliehen Mantelumhüllung um- lagert sind. (201) Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Oberes Stück des der Schwimmglocken und Deckstücke beraubten Stammes von Agalmopsis Utricularia unter massiger Lupenvergrösserung. An den Senkfäden erheben sich die grossblasigen Nesselknöpfe mit ihren 8 Endfäden. Fig. 2. Nesselknopf unter starker Lupenvergrösserung. Fig 3. Ein solcher circa lOOfach vergrössert. Involucrum des Nesselbandes. TB terminale Blase, Ef Endfaden. Fig. 4. a' die seitlichen Nesselkapseln am Nesselband von A. Utricularia, a" dieselben von A. Sarsii in dem gleichen Grössenmass. Fig. 5. Schwimmglocken von A. Utricularia. a eine der oberen Schwimm- glocken von der Bauchseite, b von der Rückenseite dargestellt, c eine der unteren Schwimmglocken von der Bauchseite, d dieselbe von der unteren und ventralen Fläche, e dieselbe von der oberen und dorsalen Fläche dargestellt, f dieselbe in seitlicher Lage. Sk Seitenkante, Dk dorsale Kante, Vk' mediale Ventralkante, Vk" seitliche Ventralkante, Uk untere Kante, Tk Transversalkante, KF keilförmiger Fortsatz, VG ventrales Radialgefäss , Z Zapfen zwischen den keilförmigen Fort- sätzen, DF dorsales Seitenfeld. Fig. 6. Kleinere und grössere Deckstücke, schwach vergrössert. Die Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. Zugleich ein Beitrag zur Kenntniss der Anatomie der Phyllopoden. Von Dr. C. Grobben. Privatdocent und Assistent am zoolog. Institute der Universität Wien. Wenngleich die C 1 a d o c e r e n sehr häufig Gegenstand anatomi- scher Untersuchung gewesen sind, und die bezügliche Literatur bereits einen ansehnlichen Umfang angenommen hat, ist über die Entwicklungsgeschichte derselben wenig bekannt geworden. Aller- dings gibt es eine Anzahl von Angaben über die Entwickelung der Cladoceren, doch stammen dieselben fast alle aus älterer Zeit , beziehen sich daher nur auf die Veränderungen in der äusseren Gestalt des Embryos und beginnen somit meist erst mit dem Hervorsprossen der Extremitäten. Wenn auch die Bildung des Blastoderms beschrieben wurde , — so ward doch in keinem Falle genauer auf die Furchung und Keimblätterbildung .Rücksicht genommen. Es blieb daher in dieser Hinsicht eine Reihe von Fragen zu beantworten übrig, die erst durch die neueren Gesichts- punkte , welche sich in den letzten Jahren durch die embryologi- schen Arbeiten ergeben haben, gestellt wurden. Uebrigens haben sich aus dem Studium der Entwickelungs- geschiente von Moina neue Ausgangspunkte auch für das Ver- ständniss einiger Eigenthümlichkeiten im Baue der erwachsenen Cladoceren sowohl, als auch der Branchiopoden ergeben, welche , soweit ich die Literatur verfolgte , bis jetzt unbekannt oder doch wenigstens unverstanden geblieben sind. Auch diese sollen im Anhange an die Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Moina berücksichtigt werden. 2 Dr. C. Grobben: Ohne auf eine ausführliche Aufzählung alles bisher auf dem Gebiete der Entwicklungsgeschichte der Cladoceren Geleisteten eingehen zu wollen , was ich bei Besprechung der eigenen Be- obachtungen thun werde, möchte ich dennoch einen kurzen Ueber- blick über die Literatur vorausschicken. Die ersten Mittheilungen über die Entwickelung der Cladoceren stammen von Jurine1), welcher an Daphnia pulex immerhin die gröbsten Veränderungen am Ei und Embryo beobachtete, dessen Beobachtungen jedoch trotzdem wegen der unzureichenden Hilfs- mittel, mit denen sie angestellt wurden, nur mehr ein historisches Interesse beanspruchen können. Viel eingehender sind die Unter- suchungen von Z a d d a c h 2) , der hauptsächlich die Entstehung der Gliedmassen beschrieb und zuerst die Beobachtung machte, dass im Embryonalzustande der Daphnien auch ein zweites Maxillar- paar angelegt wird, welches später der Rückbildung anheimfällt. Diesen Angaben fügte später Leydig3) einige neue, welche auch auf die Bildung des Blastoderms Bezug nehmen , hinzu. Im Anhang an seine Studien über die Entwickelungsgeschichte der Insecten theilte Metschnikoff 4) Einiges über die Bildung der Keimhaut bei Daphnia mit. Im Jahre 1868 beschrieb P. E.Mülle r 5) die Entwickelung der Sommereier von Leptodora h y a 1 i n a ; zum ersten Male wurde dabei eine Häutung während des Embryonallebens festgestellt und das Vorhandensein der Ovarien in einem Stadium, wo die Schale noch nicht angelegt ist, be- obachtet. Zwei Jahre darauf theilte Dohrn6) seine Beobachtun- gen über die Entwickelung der Daphnia longispina mit, welche sich auf die Beschreibung einiger Entwickelungsstadien beschränkt. Indessen ist seine Mittheilung deshalb von Werth, weil zum ersten Male ein Naupliusstadium in der Entwickelung der Cladoceren constatirt wurde. Das Vorhandensein dieses Sta- diums wurde denn auch später von C. Claus7) nebst einigen ') Histoire des Monocles. Gentsve 1820. pp. 112 und 113. 2) Untersuchungen über die Entwickelung und den Bau der Gliederthiere. Berlin 1854. 3) Naturgeschichte der Daphniden. Tübingen 1860. 4) Embryologische Studien an Insecten. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XVI. 1866. :) Bidrag til Cladocerernes fortplantningshistorie. Naturhistorisk Tidsskrift. 3 R. S B. Kjöbenhavn, 1868. B) Untersuchungen über Bau und Entwickelung der Arthropoden. 3. Die Schalendrüse und die embryonale Entwickelung der Daphnien. Jenaische Zeitschr. für Medic. u. Naturw. V. Bd. 1870. 1) Zur Kenntniss der Organisation und des feineren Baues der Daphniden und verwandter Cladoceren. Zeitschr. f. Aviss. Zool. XXVII. Bd. 1876. (2C4) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 3 anderen entwickelungsgesckichtlichen Thatsachen für Moina bestätigt. Um die Lücke in der Kenntniss der Cladoceren auszu- füllen, gleichzeitig aber theoretische Betrachtungen sind die Ver- anlassung zur Untersuchung der Entwickelungsgeschichte von Moina gewesen. Von der Untersuchung der Wintereier wurde von Anfang an Abstand genommen , da nicht nur die Beschaffenheit derselben, sondern auch die Bedingungen, die zu ihrer Entwickelung nöthig scheinen, für die Untersuchung wenig günstig sind. Da sich aber auch die Sommereier der meisten Cladoceren wegen ihres grossen Nahrungsdotters für das Studium der am Ei zum Ab- lauf gelangenden Vorgänge nicht sehr eignen, musste es mir daran gelegen sein, einer der wenigen Daphni den habhaft zu werden, welche durchsichtige Sommereier produciren. Es bot sich da M o i n a als ein geeignetes Object, welches ich mir in den Sommer- ferien während meines Aufenthaltes in meiner Vaterstadt Brunn (in Mähren) aus einem in der nächsten Nähe der Stadt gelegenen Tümpel in grosser Menge verschaffen konnte. Die Moinaart, welche mir zur Beobachtung diente, ist Moina rectirostris Baird. Doch lieferte auch M. paradoxa Weis- mann l) Embryonen , welche in vorliegender Arbeit nur dann be- nutzt wurden, wenn das Material von M. rectirostris nicht ausreichte. Wo es nicht ausdrücklich bemerkt wird, ist immer von M. rectirostris die Rede. Leider trat bald unter den Thieren eine Krankheit (ein Pilz) auf, welche mich des Materiales ganz beraubte, und ich wäre wahrscheinlich nicht im Stande gewesen, die Arbeit so bald voll- enden zu können, wenn ich nicht von Herrn Prof. Brauer Schlamm mit Moina eiern erhalten hätte. Ich fühle mich daher verpflichtet, Herrn Prof. Brauer für die gütige Ueberlassung von Schlamm an dieser Stelle meinen besten Dank zu sagen. — So konnte die Arbeit wenigstens in ihren wichtigsten Punkten voll- endet werden, was im hiesigen zoologisch-vergleichend-anatomischen Institute geschah. Der Sammlung des genannten Institutes ent- nahm ich auch die Br anchiopoden, welche ich auf einige Punkte hin untersuchte, und spreche ich dem Vorstande derselben, Herrn Prof. Dr. C. Claus, für die gütigst gestattete Untersuchung auch der selteneren Phyllopoden meinen tiefgefühltesten Dank aus, !) A. Grub er und A. Weismann, lieber einige neue oder unvollkommen gekannte Daphniden. Verhandlungen der naturf. Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. VII. 1877. (205) 4 Dr. C. Grobben: den ich ihm auch noch für freundliche Unterstützung mit Literatur schulde. I. Die Entwickelungsgeschichte von Moina rectirostris. A. Beschreibender Theil: Ehe ich zur Darstellung der Eientwickelung schreite, will ich Einiges vorausschicken. Was die Eierablage anbetrifft, so habe ich jedesmal, so oft ich Weibchen beim Legen beobachtete, gefunden, dass der Ei" abläge eine Häutung vorausgeht. Das Thier hört plötzlich auf, herumzuschwimmen, verhält sich ruhig und sogleich darauf be- merkt man, dass die Schale in der Gegend des Fornix einen Riss erhielt. Das Thier macht einige heftige Bewegungen, um sich von der alten Schale zu befreien, aus welcher es endlich durch den dor- salen Spalt herausschlüpft. Bald darauf treten die Eier aus beiden Ovarien vor der Verschlusseinrichtung des Brutraumes in diesen aus. Während der Eiablage bleibt das Thier ruhig und erst kurze Zeit nach beendetem Legegeschäft hüpft es wieder umher. ') Die Sommereier von Moina durchlaufen wie die aller Daphnien ihre Entwicklung in dem Brutraum, welcher durch die Rücken- wand des Thieres und die Schale begrenzt wird. Bei Moina erfahren diese Theile, sowie die zum Verschlusse des Brutraumes vorhandenen Einrichtungen eine grössere Complication, welche von A. Weis mann2) ausführlich beschrieben wurde. Als Folge dieser Differenzirungen ergibt sich eine Filtration von Blut in den Brutraum. Das Vorhandensein einer eiweissreichen Flüssigkeit in letzterem lä'sst sich leicht bei Zusatz von 1 °/0iger Ueberosmium- sänre nachweisen, wodurch jene gerinnt. Auch findet man häufig an den dem Brutraum entnommenen Eiern und Embryonen diese geronnenen Eiweissklümpchen haften, welche ihre eiweissartige Natur auch durch ihr starkes Tinctionsvermögen mit Carmin be- kunden. Im Zusammenhang mit dieser Nahrungszufuhr , welche dem Sommerei während dessen Entwicklung zum Embryo zu Theil wird, ist das Ei, wenn es gelegt wird, sehr klein (0*095 — 0*112 Mm.), und wächst nach der Bildung der Keimblätter beträchtlich (der J) Dieses Verhalten des Thieres bei der Häutung und Eiablage, sowie das Keissen der Haut in der Gegend des Fornix, finden wir auch von Jurine (1. c. p. 111 u. p. 117) trefflich für Daphnia pulex beschrieben. 2) Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. Zeischrift für wiss. Zool. XXVIII. Bd. 1877. (20S) Entwickelungsgeschichte der Moina rectrirostris. 5 reife Embryo misst 0*45 — 052 Mm.) , so dass , wie We ismann1) beobachtete, das junge Thier aus dem Sommerei sogar grösser ist, als das aus dem grossen Winterei, welches keine Nahrungszufuhr von aussen erfährt. AVas die Zahl der Eier anbelangt , welche mit einem Male abgelegt werden , so schwankt dieselbe zwischen ziemlich weiten Grenzen. Ich sah im besten Falle bei Moina rectirostris 22 Eier, im schlechtesten ein einziges Ei ; zwischen diesen beiden Extremen fand ich alle möglichen Zahlen. Bei Moina paradoxa beobachtete ich einmal 30 wohlentwickelte Embryonen im Bratraum. Auch die Grösse der Eier schwankt und ist die Verschieden- heit in derselben wohl hauptsächlich auf die reichere oder weniger reiche Ausstattung mit Nahrungsmaterial zurückzuführen. Man beobachtet oft genug, dass das Fett in schlecht ausgestatteten Eiern bis auf wenige Tröpfchen ganz fehlt. Aus der verschiedenen Grösse des Eies wird sich nun auch verstehen lassen , dass die reifen Embryonen in ihrer Grösse zwischen 0*45 — 0"52 Mm., nach Weis mann sogar zwischen 0-43 — 0*65 Mm. Länge schwanken, sonach zuweilen klein sind, zuweilen eine bedeutende Grösse erlangen, wenn wir noch weiters in Betracht ziehen, dass die schlechter ausgestatteten Eier auch schlechter von aussen ernährt werden, indem die Ausstattung des Eies von der Beschaffenheit des Mutterthieres abhängt. Wie leicht einsichtlich , hängt die geringere oder grössere Fruchtbar- keit der Weibchen einestheils von dem Alter, anderntheils von den Ernährungsbedingungen ab. Ich beobachtete stets , dass jüngere Weibchen mehr Eier legten als alte , gutgenährte mehr als schlechtgenährte. Wie nöthig die gehörige Versorgung der Embryonen mit Nahrung von Seite des Mutterthieres ist, beweist auch die That- sache, dass man häufig im Brutraum Klumpen rindet, welche kaum noch als degenerirte Embryonen zu erkennen sind. Offenbar hat eine plötzlich eingetretene schlechte Ernährung der Mutter die genügende Versorgung der Embryonen nicht ermöglicht, die in Folge dessen verkümmerten. Die verschiedene Grösse der Eier und Embryonen muss ich nochmals aus einem anderen Grunde hervorheben. Es betrifft dies meine Zeichnungen, in denen die Eier verschieden gross sind, oft die nachfolgenden Stadien kleiner als die vorhergehenden. l) 1. c. p. 192. 6 Dr. C. Grobben: Dies findet nur in Berücksichtigung der verschiedenen Grösse der Eier seine Erledigung, nachdem ja die Zeichnungen nach Präpa- raten verschiedenen Weibchen entnommener Eier angefertigt wurden. Dasselbe gilt für die weiteren Entwickelungsstadien , respective Schnitte durch dieselben. Die bedeutendere Grösse der von Moina paradoxa abgebildeten Schnitte hängt mit der ansehnlicheren Grösse der Embryonen zusammen. Die Eier wurden theils frisch untersucht, theils im präpa- rirten Zustande. Die Furchung wurde gleichfalls am frischen im Brutraum befindlichen Ei beobachtet, da ein Ei, einmal dem Brut- raum entnommen, sofort quillt. Ausserdem wurden die Furchungs- stadien, ebenso die Embryonen präparirt. Die Präparation wurde so vorgenommen, dass das Weibchen mit den Eiern im Brutraum auf einen Objectträger gebracht wurde. Sodann entzog ich demselben das Wasser und be tropfte es mit l°/0iger Ueberosmiumsäure. Unter diesem Reagens wurde der Brutraum geöffnet und die Embryonen , die demselben ent- schlüpften, einige Zeit in der Osmiumlösung gelassen, dann aus- gewaschen, mit Picrocarmin gefärbt, wieder ausgewaschen und in verdünntes Glycerin gelegt, das allmälig concentrirter zugesetzt wurde. Zur Untersuchung der ganzen Embryonen empfiehlt sich das Aufhellen in Glycerin. Zur Anfertigung von Schnitten jedoch wurden die Embryonen nach dem Färben durch Alkohol, der anfangs verdünnt , später immer concentrirter angewendet wurde, entwässert, sodann in absoluten Alkohol gelegt, mit Nelkenöl aufgehellt und so eingebettet. Als Einbettungsmasse verwendete ich die Calb erla'sche Masse (wobei die Embryonen aus Glycerin eingelegt wurden), vor der ich jedoch einer Mischung von Wachs und Oel, die ich später ausschliesslich verwendete, den Vorzug geben muss. Meine eigenen Beobachtungen über die Embryonalentwicke- lung will ich in zwei Abschnitten besprechen. Im ersten Abschnitt soll von der Furchung bis zur Trennung der in der Blastosphaera vorhandenen Organanlagen gehandelt, im zweiten die weitere Ver- wendung dieser Organanlagen zum Aufbau des Embryo bis zu dessen Ausschlüpfen dargestellt werden. Erste Entwickelungsperiode. Das Ei von Moina rectirostris (Taf. I, Fig. 1) ist, wie schon erwähnt wurde, im Momente der Ablage klein. Es misst 0*095 —0-112 Mm. Es besteht aus Protoplasma, das aber nicht (208) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 7 überall dieselbe Beschaffenheit zeigt. An dem Pole, welcher sich ans dem Folgenden als der animale ergeben wird, schien mir der Dotter feinkörniger zu sein als an dem entgegengesetzten. Aller- dings ist der Unterschied in der Grösse der Körnchen nicht be- deutend, immerhin aber unter starker Vergrösserung bei genauerer Untersuchung bemerkbar. Im Inneren des Eies, etwas näher dem animalen Pole, liegt der Kern (fk), ausserdem aber am animalen Pole ein zapfenförmig in den Eidotter vorspringender Körper (R). Derselbe ist, von der Seite gesehen, bald mehr halbkugelig, bald mehr langgestreckt, von oben (Taf. II, Fig. 24) betrachtet, meist kreisförmig. In seiner Umgebung finden sich eine Anzahl grösserer glänzender Körnchen. Dieser Körper, welcher O009 Mm. misst, tingirt sich mit Carmin heftig roth wie Kernsubstanz. Ich halte ihn auch deshalb für einen Theil des Eikernes, von welchem jener sich abtrennte und an die Oberfläche rückte. Derselbe ist also, womit auch seine Lage am animalen Pole des Eies übereinstimmt, ein Richtungskörper. der sich hier nur nicht vom Ei abgetrennt hat, sondern in der Oberfläche desselben haften blieb. Die glän- zenden Körnchen, die diesen vermeintlichen Richtungskörper um- geben, dürften mit der Abtrennung des Kernes an die Oberfläche mitgerissene Deutoplasmatheile sein. Wenn ich diesen Körper als Richtungskörper anspreche, so geschieht dies auch aus dem Grunde, weil ich für denselben eine andere Deutung nicht zu geben vermag. Zum sicheren Nach- weise seiner Natur als Richtungskörper wäre allerdings nöthig, die Abstammung desselben vom Eikern aus zu beobachten. Dieser Process läuft aber schon im Ovarium ab, da das eben gelegte Ei den genannten Körper immer bereits an der Oberfläche trägt.1) Wie bereits erwähnt und wie besonders aus den folgenden Furchungsstadien hervorgeht, haftet dieser Körper in der Eiober- fläche und gibt ein gutes Mittel ab, den animalen Keimpol des Eies wenigstens in den ersten Furchungsstadien zu erkennen. Ausserdem besitzt das Ei aber auch einen Nahrungsdotter ^Fig. 1 Ndr). Derselbe besteht aus zwei verschiedenen Substanzen. Wir finden zunächst einige wenige stark glänzende, fast farblose, 1) Es mag nicht unerwähnt bleiben, dass Leydig (1. c. p. 145) bei den Eiern von Daphnia longispina während deren Zusammenziehungen „„einige blasse Kügelcheu an dem einen Pol ausserhalb der Eischale"" auftreten sah, „„ganz vom Charakter jener unter dem Namen „Richtungsbläschen" beschriebenen Gebilde"". Ich kann jedoch mit Rücksicht auf meine Beobachtungen bei Moina nicht umhin, zu bezweifeln, ob es sich da in der That um Richtungskörperchen handelte. (20!)) 8 Dr. C. Grobben: mir wenig gelblich gefärbte Kugeln, welche sich mit Osmiumsäure schwärzen und durch Nelkenöl aufgelöst werden. Ebenso ver- halten sich zahlreichere kleine Körnchen, welche zwischen den sogleich zu besprechenden Kugeln liegen. Diese Reactionen ge- statten den Schluss, dass diese Theile des Nahrungsdotters aus Fett bestehen. Die grössere Masse des Nahrungsdotters wird jedoch aus Kugeln verschiedener Grösse gebildet; diese sind im lebenden Ei schwach lichtbrechend und, falls das Ei gefärbt ist, die Träger der Färbung. Sie sind entweder roth , violett oder kornblau gefärbt. Diese Kugeln gerinnen auf Zusatz verdünnter Essigsäure und quellen dann auf, bräunen sich mit Ueberosmium- säure und tingiren sich mit Carmin ziemlich intensiv. Wir haben es in diesen Kugeln somit mit einem Eiweisskörper zu thun. Schon Leydig1) bemerkte, dass in den Eiern von Daphnia brachiata „der Dotter fast lediglich aus einer eiweissstoffigen Masse besteht'' und „nur einige wenige kleine Fetttropfen bei- gemischt sind." Ich will hier auch einschalten, dass der grosse Nahrungs- dotter der Sommereier von Daphnia pulex und Sida cry- stallina auch aus Fett, zum grössten Theile jedoch aus einem Ei- weisskörper besteht, der hier gelbgrün gefärbt ist. Was die Anordnung des Nahrungsdotters im Ei anbelangt, so ist dieselbe wohl am besten als schalenförmig zu bezeichnen. Die Wand dieser Schale ist an der vegetativen Eiseite am dicksten und schliesst daselbst auch den grössten Theil des Fettes ein. Von da gegen die animale Eiseite hin verschmälert sich der Nahrungs- dotter und ist am animalen Eipole der Dotterring unterbrochen. Wie schon in der Einleitung einmal bemerkt wurde, sind die Eier verschieden reich mit Nahrungsdotter ausgestattet; ich sah Eier , wo das Fett bis auf einige kleine Körnchen ganz fehlte, während andere Eier einen ausserordentlichen Fettreichthum auf- wiesen. In der Menge der Eiweisskugeln bemerkte ich keine be- deutenden Unterschiede, ohne dass ich deshalb behaupten wollte, dass in der That solche Schwankungen nicht vorkämen. Nachdem das Ei in den Brutraum gelangt ist, scheidet es an der Oberfläche ein dünnes glänzendes Häufchen (Fig. 1 dh) ab, ein Dotterhäutchen , welches keine besondere Structur zeigt. Bald darauf beginnt die Furchung. Dieselbe wird durch eine Kerntheilung eingeleitet. Der Kern theilt sich senk- ') 1. c p. 171. (210) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 9 recht zu der Furchungsebene, welche parallel mit der Linie geht, durch welche der Eikern und Richtungskörper mit einander ver- bunden werden. Der Eidotter wird aber nicht durchgefurcht, sondern nur eine seichte Einschnürung an der Oberfläche des Eies bezeichnet die erste Furchungsebene , welche mit Rücksicht auf die beiden Eipole als meridional zu bezeichnen ist (Taf. I, Fig. 2). Schon bei dieser ersten Dottertheilung beginnt der Nahrungsdotter in das Centrum des Eies zu rücken, indem er sich kantenartig, besonders von unten her, wo seine Hauptmasse liegt, zwischen die beiden ersten Furchungskugeln erhebt. Der Rich- tungskörper bleibt an der einen Furchungskugel, und zwar nach der Zeichnung an der linkseitigen. Die nächste Furchung (Fig. 3) geht auch meridional, aber senkrecht zur ersten Theilungsebene vor sich. Auch jetzt wird der Dotter nicht durchgefurcht, wenn auch die Furchen tiefer als in der ersten Dottertheilung greifen. Der vor der ersten Fur- chung peripherisch gelegene Nahrungsdotter rückt nun bei der Viertheilung des Eies ebenso wie früher in die Mitte zwischen die beiden neuen Furchungskugeln, so dass dieses Stadium von einem der beiden Pole betrachtet denselben in Kreuzform im Ei angeordnet zeigt (Fig. 4). Auch noch in diesem Stadium kann man deutlich beobachten, dass der Nahrungsdotter mit seinem grössten Theile der vegetativen Eihälfte angehört. Indem der letztere aber schon jetzt zum grössten Theile in das Centrum des Eies gerückt ist, verschwindet mit der nächsten Furchung diese polare Anordnung des Deutoplasmas. Während bis jetzt zwischen den vier Furchungskugeln kein merklicher Grössenunterschied besteht, beginnt mit der nächsten Furchung sich ein solcher zwischen den Producten derselben auf- fallend zu documentiren. Es theilt sich vor Allem diejenige von den vier Furchungskugeln, welcher der Richtungskörper angehört, und zwar in einer äquatorialen Ebene (Fig. 5). Die beiden End- producte dieser Furchung sind jedoch an Grösse sehr verschieden; die obere, dem animalen Keimpole des Eies zu gelegene Fur- chungskugel, welche auch den Richtungskörper enthält, ist klein, die untere dagegen etwa dreimal grösser. Bald darauf theilen sich in derselben Ebene auch die übrigen drei Furchungskugeln, aber in zwei ziemlich gleich grosse Abschnitte. Während dieser Furchung ist der Bildungsdotter bereits ganz in der Peripherie angelangt; er umschliesst eine Höhle, welche von dem central- Claus , Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 15 (21 1) 10 Dr. C. Grobben: wärts gerückten Nahrungsdotter erfüllt ist, der nur mehr kleine Fortsätze zwischen die Furchungskugeln entsendet. Die Furchung des Moina-Eies ist somit unter die super- ficiale (E. Ha e ekel) einzuordnen. Es ist nicht richtig, wenn Metschnikoff1) für die D a p h n i d e n eine totale Segmen- tation des Dotters angibt; auch bei Daphnia pulex, wo ich die Eier nach der Ablage bis zum ersten Auftreten der Blasto- dermzellen in der Eiperipherie beobachtete, konnte ich von einer totalen Furchung ebenso wenig sehen, wie bei Moina; die Fur- chung ist offenbar auch hier superficial. — Schon Leydig2) hat bei Moina ganz richtig beobachtet, dass der centrale Theil des Eies „von der Furchung unberührt bleibt". Eine ungleichmässige Furchung sah der eben genannte Forscher bei den Eiern von Poly phemus. Die Kerne der Furchungszellen sind Abkömmlinge des Keim- bläschens, eine Thatsache, die Metschnikoff zuerst constatirt zu haben, das Verdienst hat. Es theilt sich sodann jede der sieben grossen Furchungs- kugeln in einer meridionalen Ebene in zwei gleichgrosse Theile; dabei sehreiten die der animalen Eiseite, wenn auch um ein Geringes , voran , wie aus der Fig. 6 auf der ersten Tafel erhellt. Die kleine Furchungskugel, welche den Richtungskörper enthält , theilt sich bald darauf äquatorial in zwei gleich grosse Kugeln. Mit dieser Theilung verschwindet der Richtungskörper von der Oberfläche des Eies, da er offenbar in die Tiefe der oberen Furchungskugel gelangt. Es folgen nun die anderen 14 Furchungs- kugeln nach , sich in einer Aequatorialebene zu theilen , wobei wieder die der animalen Seite voranschreiten (Fig. 7). Betrachten wir das Ei nach dieser letzten Furchung von der vegetativen Seite aus (Fig. 8), so bemerken wir 17 Zellen. Von diesen fällt sofort die in der Mitte gelegene (g) durch ihren grobkörnigen Inhalt auf; der Kern dieser Zelle ist gross und enthält neben einem grossen einige kleinere Kernkörper. Die unter dieser Zelle gelegene (en) zeigt eine Kernspindel ; ihr Inhalt ist feinkörnig, ebenso der der übrigen Zellen, welche uns mit zahlreichen kleinen Kernkörpern versehene Kerne zeigen, die in Grösse dem Kerne der centralen Zelle nachstehen. ') Enibryologische Studien an Insecten. Zeitschr. f. Wissenschaft!. Zoologie. Bd. XVI. 1866. p. 484. 2) Naturgeschichte der Daphniden. p. 172. (212) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 11 Die grobkörnige, central gelegene Zelle liefert, wie ich schon jetzt erwähnen will, die Geschlechtsorgane ; mit Rücksicht darauf bezeichne ich sie als Genit alz eile. Was die anderen Zellen anbelangt, so muss ich mit Hinzuziehung der folgenden Furchungs- stadien und in Anbetracht der Constanz, in der ich diese eine Spindel nach dieser Furchnng beobachtete, diejenige Zelle, welche die Kernspindel enthält, als die Entodermzelle in Anspruch nehmen. Der Einwurf, dass die Kernspindel eine noch zur letzten Furchung gehörige sei, fällt hinweg durch die Beobachtung, dass die Zahl der Zellen, welche sich aus der letzten Furchung ergab, vollständig ist, wenn die mit der Kernspindel versehene Zelle als eine Furchungskugel dem Alter nach gleichstehend mit den übrigen Furchungskugeln angesehen wird. Was die Randzellen anbelangt, welche um die Genitalzelle herumliegen, so ist nach den späteren Stadien wohl mit Sicherheit zu schliessen, dass sie Mesoderm- theile enthalten. Ob alle oder wie viele von diesen Zellen Theile des späteren Mesoderms enthalten, vermag ich nicht zu sagen, ebensowenig, als ich anzugeben vermag, von welcher Furchungs- kugel die Genitalzelle abstammt, wenn es mir auch wahrschein- lich scheint, dass sie mit der Entodermzelle eine Furchungskugel bildete. Die übrigen Zellen und diejenigen Theile der Randzellen, welche nicht Mesoderm sind, stellen uns das Ectoderm dar. Wir finden somit in diesem Stadium bereits die Genital- anlage getrennt, überdies eine Zelle, welche höchst wahrscheinlich das Entoderm liefert. Sämmtliche Zellen fahren fort sich zu theilen. Von grösserem Interesse ist jedoch diejenige Seite des Eies , an welcher das Entoderm liegt, weshalb ich auch diese immer abgebildet habe. Betrachten wir das nächstfolgende Stadium (Fig. (J) , so linden wir sämmtliche Zellen abermals in zwei getheilt , nur die Genitalzelle und die Abkömmlinge der Entodermzelle noch in Theilung. Schon in diesem Stadium spricht sich deutlich die bilaterale Symmetrie am Ei aus, welche man auch im vorher- gehenden Stadium nachweisen kann und die sich mit den folgen- den Stadien immer deutlicher ausprägt. Im folgenden Stadium (Fig. 10) stellt sich das Entoderm aus 8 Zellen gebildet dar; die Entodermzellen sind von jetzt an leicht an ihren Kernen zu erkennen, welche kleiner als die der Ectodermzellen sind und im Innern zahlreiche, aber kleine Kern- körperchen besitzen. — Während die übrigen Zellen sich getheilt haben, sind die Genitalzellen ungetheilt geblieben. Ich kann hier 15* (213) 12 Dr. C. Grobben: nicht verschweigen, dass es möglich ist, dass schon in diesem Stadium die Randzellen, welche um die Genitalzellen liegen, aus- schliesslich Mesoderm enthalten, so dass wir schon jetzt alle Keimblätter getrennt in der Keimblase fänden. Nach abermaliger Theilung (Fig. 11) besteht das Entoderm aus 16 Zellen, die Genitalzellen haben sich gleichfalls getheilt, so dass sie jetzt in der Vierzahl vorhanden sind. Im nächstfolgenden Stadium (Fig. 12) besteht das Entoderm aus 32 Zellen. Die Genitalzellen sind noch in der Vierzahl vor- handen. Die zwölf Zellen (ms) , welche die Genitalzellen bogen- förmig umstehen, stellen, wie aus dem Folgenden sich ergeben wird, die Anlage desMesodevms dar. Alle übrigen Zellen gehören dem Ectoderm an; doch sind nicht alle Zellen desselben gleich gross, sondern an der Rückenseite, und zwar dem späteren vor- deren Körperende finden wir eine Anzahl grösserer, welche gleich- falls bilateral-symmetrisch angeordnet sind und aus denen die Scheitelplatte sich differenzirt. In diesem Stadium erfolgt die örtliche Trennung der Keim- blätter. Es ist dasselbe daher nach der Begriffsbestimmung C. R a b 1 's x) als Blastosphaera zu bezeichnen. Bereits in der Blastosphaera finden wir somit nicht nur alle Keimblätter, sondern auch die Geschlechtsorgane angelegt, und die Scheitelplatte in ihrer Lage und Form angedeutet. Es können indessen in der Ausbildung der Genitalanlage und Scheitelplatte kleine Unregelmässigkeiten vorkommen, insofern, als die Genitalzellen sich abermals in Theilung befinden können, und die Scheitelplatte mehr oder minder stark in ihrer späteren Form schon in der Blastosphaera entwickelt sein kann. Nun rücken zuerst die, wenigstens in dem abgebildeten Falle, zwölf Randzellen, welche in einem Bogen die Genitalzellen um- geben, in die Tiefe (Fig. 12 ms). Sie liefern das Mesoderm. Ich sah immer nur diese einzige Reihe von Zellen die Anlage des mittleren Keimblattes bilden. Gleich darauf stülpt sich das Ento- derm ein, womit das Ei in das Gastrulastadium getreten ist. Von der Bauchseite betrachtet, zeigt die Gastrula (Taf. II, Fig. 14) den Gastrulamund weit offen, von längsovaler Form, in der Tiefe das Entoderm. Vor dem Entoderm liegen, den Gastrula- mund vorn begrenzend, die vier Genitalzellen und unter diesen in ') lieber die Entwickehvngsgeschichte der Malermuschel. Jenaische Zeitschr. BJ. X. p. 325. Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 13 einem Bogen um das Entoderm das Mesoderm, welches bereits aus zahlreichen Zellen besteht. Auf der Rückenseite der Gastrula (Fig. 15) tritt uns eine Gruppe grosser Zellen in bilateral-symmetri- scher Anordnung entgegen. Jede dieser Zellen besitzt einen grossen Kern mit einem einzigen grossen Kernkö'rperchen. Diese Zellgruppe ist die Scheitelplatte , die Anlage des oberen Schlundganglions. Schon im vorhergehenden Stadium konnte sie in ihrer Lage und allgemeinen Form erkannt werden , tritt aber deutlich erst jetzt hervor. Ein optischer Schnitt durch die Gastrula (Fig. 13) zeigt das sich einstülpende Entoderm aus hohen C3Tlinderzellen gebildet; hinten geht es in das Ectoderm über ; vorn stossen zwei Genitalzellen an dasselbe. Unterhalb dieser liegen fünf Zellen, welche dem Mesoderm angehören. Unter den Ectodermzellen tritt dem Meso- derm gegenüber eine Anzahl durch ihre bedeutendere Höhe und grossen Kerne, welche je einen grossen Kernkörper enthalten. hervor. Diese Zellgruppe ist der Querschnitt durch die Scheitel- platte. In der Furchungshöhle liegt der Nahrungsdotter, der sich in Folge der Präparation etwas von den Zellen des Blastoderms zurückgezogen hat. Der Gastrulamund schliesst sich wahrscheinlich vollständig; bald darauf rücken die acht Genitalzellen, welche durch Theilung aus den vieren hervorgegangen sind, in die Tiefe und legen sich unter das Entoderm. Betreffs des Nahrungsdotters will ich noch hervorheben, dass, nachdem derselbe vollkommen im Inneren der Keimblase sich be- findet, die zahlreichen Fettkügelchen desselben fast alle zu einer einzigen grossen Kugel zusammenfliessen , welche an die centrale grosse Fettkugel der Eier von Daphnia pulex und Sida erinnert. (Vgl. Fig. 18 u. f. cftt.) Mit dem in die Tiefe rücken der Genitalzellen ist die erste Entwickelungsperiode zu Ende. Ich muss jedoch zum Schlüsse erwähnen, dass ich nicht sicher bin, ob die Orientirung , welche ich den Stadien von Fig. 8 — 13 gegeben habe, die richtige ist. Ich konnte nicht mit voller Sicher- heit entscheiden, ob das Mesoderm am vorderen Rande des Gastrulamundes entsteht, da es unmöglich ist, in den betreffenden Stadien Rücken und Bauch sicher zu unterscheiden. Manche Präparate Hessen in mir den Gedanken aufkommen, dass das Mesoderm möglicherweise am hinteren Rande des Gastrulamundes entsteht. Unterstützt wurde dieser Gedanke dadurch, dass ich (215) 14, Dr. C. Grobben: bei einer Brauch ipuslarve, der einzigen, welche ich fand, jeder- seits am Ende des Mesodermstreifens eine grössere Zelle beobachtete (Taf. V , Fig. 55 rasz) , wodurch es höchst wahrscheinlich wird, dass bei Branchipus das Mesoderm in Form zweier Zellen an- gelegt wird, die, nach den Anneliden zu schliessen, am hinteren Rande des Gastrulamundes gelegen sind. Eine Beobachtung am lebenden Objecte , wie sie zur Ent- scheidung dieser Frage bei Moina nothwendig wäre, ist wegen der Lage der Eier im Brutraum nicht gut möglich. Ich habe daher , weil bei Moina die Frage betreffs des Ortes der Ent- stehung des Mesoderms nicht zum Austrag gebracht werden konnte, die Entwickelungsstadien in Uebereinstimmung mit den bisherigen Beobachtungen bei Arthropoden orientirt, und verschiebe es, bei einem günstigeren Objecte die schwebende Frage zu beant- worten. Zweite Entwickelungsperiode. Wir haben erfahren, dass es unmöglich ist, Bauch und Rücken an der G-astrula zu unterscheiden. Von der Entscheidung dieser Frage hing nicht nur die Entstehung des Mesoderms am hinteren oder vorderen Rand des Gastrulamundes ab, sondern weiter noch, dass im ersteren Fall das Mesoderm nach vorn zu das Entoderm umwachsend die Mesodermgebilde des Kopfes liefert , während nach hinten zu es den Mesodermstreifen zur Anlage der Segmente bildet , im letzteren Falle dagegen theilweise nach vorn wächst, und, nach hinten das Entoderm umwachsend, den Mesoderm- streifen für die Segmentbildung liefert. Ich erwähne dies nur deshalb so ausführlich, um zu zeigen, dass das Endresultat dasselbe bleibt, ob das Mesoderm vorn oder hinten am Gastrulamund entsteht, so dass aus dem nun zu be- schreibenden Stadium, an welchem Bauch und Rücken leicht unter- schieden werden können, nichts für den Ort der Entstehung des mittleren Keimblattes gefolgert werden kann. Bis jetzt hat das Ei nicht an Grösse zugenommen ; von nun an beginnt es jedoch zu wachsen. Hiebei kommt sowohl der Nahrungsdotter des Eies als Nahrungsmaterial in Betracht, als ganz besonders die an Eiweiss reiche Flüssigkeit, welche vom Mutterthier in den Brutraum filtrirt wird. Die äussere Gestalt des nächsten Entwickelungsstadiums (Taf. II, Fig. 18) ist im Ganzen ellipsoidisch, wobei die Längsaxe des Körpers mit der des Ellipsoids zusammenfällt ; die Bauchseite ist etwas abgeflacht und besitzt in der Mitte eine seichte Ver- <21Gj Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 15 tiefung. An dieser Stelle entsteht die spätere Mundöffnung. Konnte im vorigen Stadium nicht entschieden werden, ob der Gastrulamund sich vollkommen schliesst, ob also die definitive Mundöffnung aus dem Gastrulamund hervorgeht, so kann doch viel sicherer behauptet werden, dass der definitive Mund an dem Ort entsteht, wo sich der Gastrulamund schliesst. Eine Stütze für diese Angabe findet sich darin, dass das Entoderm , welches man jetzt nur an den etwas grösseren Kernen erkennen kann, an dieser tiefsten Stelle sein vorderes Ende erreicht (Fig. 16 m). Von hier erstreckt sich das Entoderm, etwas breiter werdend, gegen hinten bis zur Umbiegungsstelle der Bauchseite des Embryos in die Hinterseite. Was die Scheitelplatte anbelangt, so hat diese ihr Aussehen verändert (Fig. 17). Von den grossen Zellen, welche dieselbe zusammengesetzt haben, behielten nur die am meisten lateral gelegenen ihre ursprüngliche Grösse bei. Diese finden wir in zwei concentrischen Kreisbogen um einige kleinere nach vorn zu gelegene Zellen angeordnet. Die übrigen Zellen der Scheitelplatte haben sich getheilt und aus ihnen sind die zwischen den beiden aus grossen Zellen bestehenden Gruppen sowie die innerhalb der letzteren gelegenen kleinen Zellen hervorgegangen. Aber auch die übrigen Zellen des Ectoderms sind nicht gleich geblieben; die an der Bauchseite und dem Hinterende des Embryos haben eine ansehnliche Höhe erreicht, während die auf der Rücken- seite niedrig sind (Fig. 18). Am lebhaftesten haben sich die Zellen des Mesoderms ver- mehrt; in Folge dessen ist dasselbe nicht nur nach vorn bis unter die Scheitelplatte hin gewachsen, sondern erstreckt sieh auch seitlich über die ganze Bauchseite zu Seiten des Entoderms und nach hinten bis auf den Anfang des Rückens. Die Zellen des- selben nehmen, wie aus Fig. 16 hervorgeht, von vorn nach hinten successive an Grösse zu und sind am Hinterende am grössten. Die Genitalzellen liegen unterhalb des Entoderms ; sie bilden eine bilateral-symmetrische Zellenplatte, welche auch in den späteren Stadien diese Stelle innehält. Bald tritt am Embryo die erste Einfurchung auf, wodurch derselbe in zwei Abschnitte zerfällt (Fig. 19). Der vordere Ab- schnitt wird zum Kopfsegment, der hintere stellt die Anlage des Rumpfes dar. An dem Kopfsegment wächst jederseits oberhalb der Einschnürung ein ohrförmiger Fortsatz hervor, welcher die Anlage der zweiten Antenne darstellt (a"). Zwischen den beiden (217) 16 Dr. C. Grobben: Antennen, etwas nach vorn, liegt eine kleine Einsenkimg, der Mund (m). Die Scheitelplatte (schp) ist, verglichen mit dem vorigen Stadium, unverändert geblieben; auch am Entoderm zeigt sich keine wesentliche Veränderung. Das Mesoderm hat sich weiter über die Darmanlage (en) hinaus erstreckt und reicht mit den hintersten Zellen bis auf die Rückenseite hinüber (Fig. 20). Am Ende des Mesoderms, welches uns den Mesodermstreifen x) dar- stellt, findet sich eine Gruppe von grösseren Zellen, die wahr- scheinlich Reste der ersten Mesodermzellen sind und als das Ende des Mesodermstreifens das Längenwachsthum desselben besorgen. Die bilaterale Symmetrie des Mesoderms, welche schon bei der ersten Anlage dieses Keimblattes hervortrat, prägt sich von jetzt an auch äusserlich am Rumpfe des Embryos aus. Besieht man nämlich den Embryo von der Bauchseite , so fällt in der Mittellinie längs der ganzen Ventralseite eine Reihe von Ectodermzellen durch ihre Anordnung in einer Linie auf. Rechts und links von dieser mittleren Zellreihe liegen noch je eine parallel laufende , während sonst im Ectoderm eine reihen- förmige Anordnung der Elemente nicht zu bemerken ist. Diese reihenförmige Anordnung der mittleren drei Zellreihen halte ich für den Ausdruck eines rechts und links streng bilateral-symme- trischen Wachsthumes besonders des mittleren Keimblattes, welches, wie C. Rabl2) zuerst betonte, der Träger der bilateralen Sym- metrie ist. Die mediane Zellreihe ist auch die erste Andeutung der später auftretenden mittleren Furche , der „Primitivfurche" (Hatschek3), (vergl. Taf. V, Fig. 43 F), zu deren Seiten rechts und links niedere Wülste, die „Primitivwülste", sich befinden. Die Genitalanlage ist auch ein wenig gewachsen und bildet eine im Ganzen dreieckige Zellplatte. Die Grenzen zwischen den Zellen derselben sind, wenigstens an manchen Präparaten, deut- lich zu erkennen , während sie später nicht zu beobachten sind. Schon Ed. van Beneden4) hob bei den Crustaceen einen *) Diese Bezeichnung hat Hatschek (Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arbeiten aus dem zool. Inst, zu Wien. I. Bd. Wien, 1878) zuerst angewendet. 2) Ueber die Entwickelungsgeschichte der Malermuschel. Jenaische Zeitschr. Bd. X. 1876. 3) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Lepidopteren. Jenaische Zeitsch. Bd. XI. 1877. p. 8. 4) Becherches sur l'Embryogenie des Crustaces. II. Developpement des Mysis. Bullet, de l'Acad. roy. de Belgique. 2. ser. t. XXVIII. p. 239 besonders aber in (218) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 17 aus zwei Segmenten, Kopfsegment und Schwanzsegment, bestehen- den Entwickelungszustand als erste Embryonalform hervor. Van Beneden betonte die Wichtigkeit dieses Stadiums, indem er das- selbe der ersten Larvenform der "Würmer homolog setzte. Indessen müssen wir schon ein früheres Stadium mit der ersten Larvenform der Anneliden homologisiren , wie später gezeigt werden wird. Uebrigens hat van Beneden die Grenze zwischen Kopfsegment und Schwanzsegment nicht richtig gezogen. Als „sillon primor- dial" bezeichnet van Beneden eine Furche oberhalb der ersten Antenne, welche nur den vordersten Theil des Embryos abgrenzt. Diese Furche entspricht aber nicht der ersten Segmentfurche, sondern bezeichnet wahrscheinlich nur den Theil , welcher die Scheitelplatte trägt. Der hintere Abschnitt dieses zweisegmentigen Embryos wächst nun in die Länge und bringt an seinem vorderen Ende ein neues Segment zur Abschnürung, an dem auch ein Gliedmassenpaar, die Mandibel (mdb) , sich anlegt. Damit ist der Embryo in das Naupliusstadium getreten (Fig. 21 — 23). Es sind indessen nicht nur die zweiten Antennen (a") ge- wachsen und haben sich am Ende in zwei Aeste gespalten, son- dern es hat sich auch an der Aussenseite der Scheitelplatte eiu kleiner Höcker gebildet, die Anlage der ersten Antenne (a'). So- wohl die beiden Antennen als die Mandibel wachsen von innen nach aussen , eine Eigentümlichkeit, deren regelmässige Giltig- keit für alle Crustaceen E d. vanBeneden1) hervorgehoben hat. Ich sehe mich hier, wenigstens für die Mandibel, das Wachs- thum von innen nach aussen hervorzuheben noch aus einem anderen Grunde bemüssigt. Mit der eben erwähnten Anlage der Mandibel charakterisirt sich dieselbe auch bei den Cladoceren 2) in ihrer ersten Form als Schwimmbein, und wie ich schon hier erwähnen will, entwickelt sich die Kaulade erst später an der Innenseite des Beins, welches als Taster einige Zeit während des Embryonal- lebens nachweisbar ist. — Ich brauche hier wohl nicht hervorzu- heben, dass sich an der Bildung aller Gliedmassen sowohl das Ectoderm als das Mesoderm betheiligen. III. Developpement de Foeuf et de l'embryon des Sacculines. ibid. t. XXIX. p. 105—106. — IV. Developperuent des genres Anchorella, Lerneopoda, Brachiella et Hessia. ibid. t. XXIX. p. 233—234. ') a. a. 0. II. p. 242. 2) Auch bei Daphnia pul ex und Sida crystallina wachst die Man- dibelanlage von innen nach aussen. (219) 18 Dr. C. Grobben: Zwischen beiden hinteren Antennen hat sich der Oesophagus (oes) von der Mundöffnung aus dem äusseren Keimblatte zu bilden begonnen. Er ist jedoch noch kurz und stösst blindgeschlossen an das Entoderm. Von den übrigen Ectodermgebilden erscheint die Scheitel- platte nicht viel verändert, ist nur ein wenig in die Länge ge- streckt, besteht jedoch noch immer aus einer einzigen Zellschichte. In Folge des stärkeren Wachsthums der Bauchseite ist der Embryo dorsalwärts gekrümmt. An der Ventralseite ist auch das Ectoderm bedeutend höher als auf dem Rücken und zeigt die bedeutendste Höhe über dem Ende des Keimstreifens, wo offenbar das lebhafteste Wachsthum stattfindet (Fig. 22). Auch die reihenförmige Anord- nung der medianen, vorn in einer seichten Rinne gelegenen drei Zellreihen an der Bauchseite tritt in diesem Stadium deut- licher hervor. Vom Keimstreifen ist nur zu bemerken, dass seine Zellen an Grösse von vorn nach hinten zunehmen und am Ende wieder die aus grossen Zellen gebildete Gruppe nachweisbar ist (Taf. V, Fig. 54 mse). An Schnitten und auch bei genauerer Untersuchung der Embryonen in toto rindet man einige Mesodermzellen, welche den Nahrungsdotter durchwachsen. Sie sind zumeist auf der Dorsalseite des Embryos gelegen und werden zum Fettkörper des Thieres (Taf. V, Fig. 42, 43, 47, 49 fz). Das Entoderm (en), die Anlage des Mitteldarmes, hält nicht gleichen Schritt mit dem Längenwachsthum des Embryos. Es reicht von dem Ende des Oesophagus bis zur Genitalanlage , so dass wir an Querschnitten durch das Hinterende des Nauplius nur Ectoderm und Mesoderm treffen (Taf. V, Fig. 42). Ein Lumen ist im Mitteldarm an Querschnitten nicht nachzuweisen. Die Wand desselben wird nur aus wenigen Zellen , die bereits eine radiäre Anordnung erkennen lassen, gebildet (Taf. V, Fig. 43 en). Das Vorhandensein eines Naupliusstadiums in der Entwicke- lung der Daphniden wurde zuerst von Dohrn]N! festgestellt. Später bestätigte C. Claus2) diese Angabe. P. E. Müller3) sah in einem späteren Stadium den Embryo von einer Haut um- hüllt, welche er als verschieden von der Eihaut anzusehen nicht ansteht. Dohrn machte zuerst darauf aufmerksam, dass bei ') Die Schalenilrüse und die embryonale Entwicklung der Daphnien etc. p. 284. 2) Zur Kenntniss der Organisation und des feineren Baues der Daphni- den etc. p. 393. 3j 1. c. p. 347. <220) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 19 Daphnia longispina im Naupliusstadium diese neue Cuticula angelegt, die Eihaut gesprengt wird und der Embryo in der Naupliushaut die weitere Entwickelung durchläuft. Ich habe mich von der Richtigkeit dieser Angabe Dohrn's nach eigenen Beob- achtungen an Sida und Daphnia pul ex überzeugt. Indess bei Moina gelang es mir nicht, eine solche Häutung zu beobachten. Es scheint hier die Eihaut den Embryo bis zum Ende der Embryonal- entwickelung zu umgeben, im Naupliusstadium sich nur eine äusserst zarte, sich nicht als Cuticula abhebende Grenzschichte zu ent- wickeln. Diese Abweichung von den übrigen Daphniden findet vielleicht ihre Erklärung in den Bedingungen, unter denen das Ei von Moina die Embryonalentwickelung durchmacht. Es schwimmt, wie schon erwähnt, in Eiweiss. Die Eihaut wird dadurch wahr- scheinlich nicht so spröde, sondern bleibt dehnbar, wird daher mit dem Wachsthum des Embryos nicht gesprengt. Würde nun noch eine zweite Cuticula unter derselben angelegt, so könnte dem Embryo nicht so leicht das Eiweiss zugeführt werden; es scheint daher die Naupliushaut unterdrückt 1. in Folge des Nachtheiles, der dem Embryo durch mangelhafte Eiweisszufuhr erwüchse; 2. weil möglicherweise schon der stete Contact des Embryos mit der eiweissreichen Flüssigkeit des Brutraumes eine solche Cuticular- bildung unterdrückte. Mit der weiteren Ausbildung des Embryos finden wir, dass von vorn nach hinten zunächst die beiden Maxillarsegmente, dann die des Thorax angelegt werden. Ich gehe, da sonst grössere Ver- änderungen am Embryo nicht zu bemerken sind, zu einem Stadium über , in dem schon zwei Brustsegmente angelegt sind. Ein Embryo in diesem Entwickelungszustand (Taf. III, Fig. 25—26) zeigt die erste Antenne bereits ansehnlich entwickelt, ebenso die zweite Antenne , welche mit ihren beiden Endästen ziemlich weit nach hinten reicht; auch die Mandibel ist stark gewachsen und bei n förmig gestaltet. Von den Maxillen ist noch keine ange- legt, obgleich die betreffenden Segmente vorhanden sind. Hinter den Maxillarsegmenten (mxr) folgen zwei Thoracalsegmente mit kleinen Anlagen der zugehörigen Beinpaare (f u. f"), welche als breite Querwülste hervorwachsen. Schon Z ad dach1) hat aus- führlich die Entstehungsweise der Schwimmfüsse der Daphnien beschrieben. Hinter diesen beiden Segmenten findet sich ein drittes angelegt, ist jedoch noch nicht deutlich vom Endsegmente ab- gesetzt. l) 1. c p. 76. } L (221) 2Q Dr. C. G robben: Was die Bildungen des Ectoderms anbelangt, so ist zunächst von der Scheitelplatte hervorzuheben, dass sie sich nach der Tiefe zu verdicken begonnen hat; sie besteht in diesem Stadium aus zwei Zellschichten (Fig. 25 schp). Ueberdies scheint sich dieselbe etwas nach hinten ausgedehnt zu haben. Lateralwärts zeigt sie eine leichte Einschnürung, wodurch sie in zwei Abschnitte zerfällt. Der Oesophagus ist länger geworden, endet aber noch immer blindgeschlossen. Der an denselben stossende , aus dem Entoderm hervor- gegangene Mitteldarm (en) hat bereits eine deutlich cylindrische Form; er erstreckt sich jedoch kaum über die G-enitalanlage hin- aus. Die Stelle, wo der Enddarm entsteht, ist durch eine seichte Vertiefung am hinteren Körperende angedeutet (Fig. 26 af). Die Genitalanlage, welche zwischen zweites Maxillar- und erstes Thoracalsegment zu liegen kommt, hat ihre dreieckige Form, welche sie früher besessen hatte, aufgegeben, sich quer gestreckt, und zeigt in der Mitte eine Einschnürung (Fig. 25 g). Diese letztere bezeichnet den Beginn zur Theilung der unpaaren Genitalanlage in zwei symmetrisch gelagerte Hälften. Im nächstfolgenden Stadium, welches ich beschreiben will, sind vier Thoracalfüsse angelegt (Taf. III, Fig. 27—28). Der Embryo ist in Folge des stärkeren Wachsthums der Bauchseite dorsalwärts gekrümmt. Betreffend die Gliedmassen, so hat die erste Antenne durch eine sanfte Einschnürung sich etwas deut- licher vom Kopfe abgesetzt; die zweite Antenne ist stark ge- wachsen und reicht bis zum ersten Thoracalsegmente. An ihrem Stamm ist an der Aussenseite ein Höcker (Fig. 27 t) aufgetreten, welchen ich nur mit der Entwickelung der am erwachsenen Thiere an gleicher Stelle befindlichen Tastborsten in Verbindung bringen kann. Die Mandibel hat die Form eines kleinen Beines, welches in gleicher Flucht mit der zweiten Antenne liegt. In keinem Stadium tritt die Anlage der Mandibel als Bein (Schwimnifuss) so klar wie in dem eben besprochenen hervor. Die beiden Maxillarsegmente , welche in eine Region vereint sind , haben noch keine Segmentanhänge. Dagegen sind vier Thoracalfüsse als breite Querwülste angelegt, das vierte (fIV) erst schwach entwickelt. Wir haben schon im vorigen Stadium gesehen, dass die Scheitelplatte seitlich eine leichte Einschnürung zeigte, in Folge dessen sie in zwei Abschnitte zerfiel. Dies tritt jetzt noch deut- licher hervor, zumal sich auch an zwei Stellen, entsprechend diesen Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 21 beiden Abtheihmgen, die Scheitelplatte stärker verdickt. Ans dem vorderen Abschnitte (Fig. 28 gh') geht das Gehirn hervor , ans dem hinteren (gh") die Retina des zusammengesetzten Auges (secundärer Hirntheil). Die Hirnhälften beider Seiten sind von einander getrennt und bleiben es lange. Auch hat sich, nach dem folgenden Stadium zu schliessen, schon die Schlundeommissur zu entwickeln begonnen; selbe ist eine Verdickung des Ectoderms, welche am Gehirn beginnt und sich rechts und links zu Seiten des Mundes herabzieht, um sich in den Bauchstrang fortzusetzen. Wie weit dieser reicht, habe ich an Schnitten nicht genauer untersuchen können, da ich von diesem Stadium wenig Material hatte. Ich will daher beim nächsten Stadium das Nervensystem besprechen. Von den übrigen Bildungen, die aus dem Ectoderm entstehen, ist noch zu erwähnen, dass der Oesophagus sich etwas verlängert hat. Oberhalb der Mundöffnung zeigt sich ein medianer Wulst, die Anlage der Oberlippe (ob). Der After und Enddarm sind deut- licher als im vorhergehenden Stadium durch eine kleine Vertiefung am hinteren mehr dorsal gelegenen Körperende bezeichnet. Ober- halb des Afters behndet sich eine Gruppe sehr hoher Zellen, welche gleichfalls eine Vertiefung umgeben ; diese ist die erste Anlage der grossen hinteren Fühlborsten (Fig. 28 hf >. Auch die Schale (seh) tritt in ihren ersten Anfängen in diesem Stadium auf. Von vorn betrachtet, erscheint sie als kleine flache Ausbreitung nach rechts und links , eine Duplicatur des Rückeninteguments in der Maxillarregion. Von der Seite gesehen zeigt sie sich als eine Hervorwölbung, welche aus höheren Zellen gebildet ist. Das Entoderm, der Mitteldarm, welches in dem vorhergehen- den Stadium noch bis zur Genitalanlage reichte, ist längs der Bauchseite bis zum hinteren Körperende gewachsen. Die Genitalanlage ist bereits paarig geworden , indem die schon früher angedeutete Trennung der unpaaren Anlage zu Stande kam. Die beiden Geschlechtsorgane nehmen nicht mehr die Bauch- seite ein, sondern sind in die Seiten des Embryos gerückt. Die auffallenderen Veränderungen, welche im folgenden Ent- wickelungsstadium (Taf. III, Fig. 29) auftreten, betreffen zunächst die Schale. Diese, eine Duplicatur der Maxillargegend, ist deutlich paarig angelegt, wie schon C. Claus1) erkannt hat. Was die Extremitäten anbelangt, so ist hervorzuheben, dass an der Innenseite der Mandibeln der Kauladen hervorzusprossen ') 1. c. p. 399. (223) 22 Dr. C. Grobben: beginnt; auch ist die erste Maxille (mx1) als kleiner Hocker an- gelegt, An den vier vorderen Thoracalfüssen tritt eine Diffe- renzirnng in den Aussenast (e) und Innenast (fi), sowie das Branchial- säckchen (br) ein, welche sich im folgenden Stadium deutlicher ausprägt. Das fünfte Beinpaar (fv) ist erst angelegt. In diesem Stadium finden wir ausser dem Gehirn die Schlund- commissur weit entwickelt. An einem Querschnitte (Taf. V, Fig. 49)1), welcher gerade durch den Mund geht und auch den Oesophagus (oes) in seiner ganzen Länge getroffen hat, erkennt man die Schlund- comraissuren als ansehnliche Verdickungen des Ectoderms (sc). Es ist aber auch schon der Bauchstrang angelegt. Dieser bildet sich als Fortsetzung der Schlundcommissuren aus zwei Verdickun- gen des Ectoderms in den Primitivwülsten, welche nahe aneinander in der Mittellinie des Bauches herablaufen. Aus diesen Ver- dickungen gehen die „Seitenstränge" (Hatschek2) hervor. Von den beiden Primitivwülsten begrenzt, findet sich in der Median- linie eine Furche, die „Primitivfurche", welche als seichte Ver- tiefung schon in den vorhergehenden Stadien nachweisbar war. Die Verdickungen in den Primitivwülsten stehen durch die Schlundcommissur mit dem Gehirn in Zusammenhang. Dieses letztere besteht aus zwei getrennten Hälften. Eine Ablösung desselben von der Haut hat nicht stattgefunden. Von den übrigen Organen will ich nur erwähnen, dass der Enddarm schon gebildet ist. Der Embryo im nächstfolgenden Entwickelungszustand (Taf. III, Fig. 30—32) ist stark dorsalwärts gekrümmt. Die besonders im vorletzten Stadium vorhandene Beugung des Vorderkopfes gegen den Rücken hin ist jetzt ziemlich geschwunden und zeigt sich der Vorderkopf mehr aufgerichtet. Im Zusammenhange damit ist auch der Oesophagus aus seiner früheren Richtung von vorn und oben nach hinten und unten in die von vorn und unten nach hinten und oben übergegangen. Damit rückte aber auch die Oberlippe mehr bauchwärts , und da sie zugleich etwas gewachsen ist. wird die Mundöifnung von der Ventralseite aus nicht mehr sichtbar. Die erste Antenne hat sich vom Kopf deutlich abgesetzt, die zweite , welche die Längsrichtung des Körpers einhaltend diesem anliegt, zeigt die ersten Spuren der Gliederung ihrer beiden Aeste. An der Mandibel ist der Laden stärker vorgewachsen: die erste Maxille ist vollkommen entwickelt und auch eine zweite wird an- ') Der abgebildete Schnitt stammt von einem Embryo von Moina paradoxa. -) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. p. 8. (224) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 23 gelegt, wie zuerst Zaddach1) beobachtete. Diese fehlt nach den bisherigen Angaben den erwachsenen D a p h n i d e n. Indessen lässt sich ein Rudiment derselben bei der erwachsenen Moina nachweisen, worauf ich später zurückkomme. Alle fünf Thoracalfüsse sind entwickelt und zeigen schon die relativen Grössenverhältnisse wie beim erwachsenen Thiere. An allen ist das Branchialsäckchen deutlich zu erkennen, welches sich auch durch grössere Zellen seiner Wand auszeichnet. An den vier hinteren Extremitäten hat sich auch ein Aussenast von einem breiten Innenaste geschieden; an dem letzten Thoracalfüsse ist diese Trennung undeutlich. Dagegen kommt an dem ersten ein Aussenast nicht zur Entwicklung , und entspricht somit der einzige Ast des Beines dem Innenaste. Es bestätigt so die Ent- wickelungsgeschichte die von C. Claus2) gegebene Deutung be- treffs dieses Beinpaares. Die beiden Duplicaturen des Rückens, welche die erste An- lage der Schale bildeten, haben sich in der Mittellinie vereint, so dass die Schale jetzt am ganzen Rande frei ist und in Gestalt eines Mantels überhängt. Nahe am Ursprung der Schale in der Höhe der Mandibel tritt eine Gruppe höherer Zellen hervor, welche sich durch körnige Beschaffenheit ihres Protoplasmas und den Besitz grösserer Kerne auszeichnen. Sie bilden die Kackendrüse Fig. 31 und 32 N und Tafel V, Fig 46). Die Schalendrüse finden wir in diesem Stadium bereits ent- wickelt. Auf einem Querschnitte durch den Embryo in der zweiten Maxille (Taf. V, Fig. 47) beobachten wir dieselbe sich unter dem Ectoderm von der Maxille bis auf den Rücken hinziehen (schd). Die sie zusammensetzenden Zellen sind in Reihen angeordnet, was auf eine bereits erfolgte Bildung der Schleifen hinweist. Da in diesem Stadium die Schale noch wenig entwickelt ist , liegt die Schalen- drüse auch noch nicht in die Duplicatur eingelagert, von der sie ihren Namen erhalten hat. Eine Mündung nach aussen besitzt die Schalendrüse nicht; weil an der Stelle, wo sie später aus- mündet, nichts darauf hinweist, dass das Ectoderm etwa durch Einstülpung der Schalendrüse den Ursprung gegeben hat, dasselbe vielmehr glatt über das Ende der Schalendrüse hinüberzieht, so ergibt es sich, dass sich die Schalendrüse aus dem Meso- derm entwickelt. ') a. a. 0. p. 97. 2j 1. c. P... 369. (225) 24 Dr. C. Grobben: Was das Nervensystem anbelangt, so ist das eigentliche Gehirn noch nicht von der Haut abgelöst, während der secundäre Hirn- theil sich von dem Epithel deutlich abgehoben hat. Oberhalb dieses Gehirntheiles entwickeln sich die Epithelzellen zu ansehn- licher Höhe (Fig. 31 und 32 za). Diese bilden die erste Anlage des zusammengesetzten Auges , welches , wie sich auch aus den Abbildungen ergibt, ursprünglich paarig ist; beide Anlagen stossen jedoch in der Mittellinie zusammen. Dass das zusammengesetzte, am erwachsenen Thiere unpaare Auge paarig angelegt wird, davon habe ich mich nicht nur bei Moina, sondern auch beiDaphnia pulex und Sida cry- stallina überzeugt, und kann demnach die diesbezüglichen An- gaben Zenker's1) und Leydig's2) bestätigen. Die beiden mit dem Gehirn durch die Schlundcommissuven in Verbindung stehenden Verdickungen in den Primitivwülsten haben sich bereits bis zum fünften Thoracalsegmente hin erstreckt. Was die übrigen Organe anbelangt, so ist vom Mitteldarm zu erwähnen, dass er von Mesodermzellen umgeben ist, welche seine Musculatur liefern ; ein Lumen in demselben ist nicht vorhanden (vergl. Taf. V, Fig. 47 en). Oberhalb des Afters sind in zwei Säckchen die bei Moina sehr grossen hinteren Fühl- borsten (hf) bereits angelegt. Im folgenden Stadium i Taf. IV, Fig. 33) ist über dem Gehirn bereits ein deutliches Epithel entwickelt, somit eine Ablösung des Gehirns von der Haut erfolgt. Beide Gehirnhälften , zwischen welchen bisher eine Verbindung nicht beobachtet werden konnte, stehen, wie ich an Schnitten constatirte, jetzt in der Mitte durch eine schmale Brücke mit einander in Verbindung. Das Ectoderm in den Primitiv wülsten ist stark verdickt. Die Seitenstränge haben sich aber noch nicht von der Haut abgelöst, sondern sind mit derselben noch in Zusammenhang. An dem auf Taf. V, Fig. 50 abgebildeten Längsschnitte durch einen Embryo von Moina paradoxa ist der eine Seitenstrang der Bauchganglienkette im Zusammenhang mit der Schlundcommissur (sc) und einem Theile des Gehirns getroffen. In dem Seitenstrange erkennt man acht stärker hervortretende Stellen, an denen mit Ausnahme einer auch eine eigenthümliche bogenförmige Anordnung der Zellkerne be- obachtet werden kann. Diese acht Stellen zähle ich als ebenso- ') Physiologische Bemerkungen über die Daphniden. Müller "s Areh. 1851. p. 113. 2) 1. c. p. 36. (226; Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 25 viele Ganglien, was mit der Zahl der Gliedmassen und Segmente (das Kopfsegment nicht gerechnet) übereinstimmt. Das erste Gang- lion ist das Mandibularganglion (gl1), dann folgt das Ganglion des ersten Maxillarsegmentes (gl11) , auf dasselbe eine breite einge- schobene Zellgruppe (gl[U). Diese sehe ich als das Ganglion des zweiten Maxillarsegmentes an , welches , da die zweite Maxille, wie sich bei Besprechung des folgenden Stadiums zeigen wird, rückgebildet wird und seitlich rückt, wie ich glaube, im Begriffe steht, mit dem ersten Maxillarganglion zu verschmelzen. Auf dieses folgen noch fünf Ganglien für ebensoviel Thoracalsegmente (gltv-gpui). In dem Schnitte ist auch der Darmcanal getroffen. Am vorderen Ende des Mitteldarmes haben sich die Leberhürnchen (L) entwickele. Der Mitteldarm (en), dessen grosse Zellen mit ansehn- lichen Kernen versehen sind, setzt sich scharf gegen den klein- zelligen Enddarm (end) ab. Ein Lumen ist im Mitteldarm , wie aus Querschnitten hervorgeht, um diese Zeit vorhanden. Vor dem Darm liegt eine Gruppe Zellen (ms) , welche ich für Mesodermzellen halte, aus denen die vor dem Darm gelegenen Muskeln der Ruderantennen hervorgehen. Dorsalwärts von der Augenanlage , deren Zellen sich ver- mehrt haben, erhebt sich eine Falte der Haut (Taf. V Fig. 46 ft). Von dieser wird das Auge , wie sich in späteren Stadien zeigen wird, vollständig überwachsen. Bei Moina paradoxa, wo ich die zu besprechenden Ver- hältnisse genauer als bei Moina rectirostris verfolgen konnte, hat die Geschlechtsanlage bedeutende Dimensionen angenommen, und ist von Zellen mit kleinen Kernen eingeschlossen (Taf. V, Fig. 48). Diese kleinen Zellen sind zweifelsohne Mesodermzellen, welche die Genitalzellengruppe umwachsen haben. Die Geschlechts- anlage liegt auch nicht mehr quer zwischen zweitem Maxillarsegment und erstem Thoracalsegment, sondern ist nach hinten gewachsen. Sie erstreckt sich bei Moina paradoxa bis in das zweite Thoracalsegment hinein. In der Oberlippe finden wir bereits die grossen Drüsenzellen, ebenfalls symmetrisch angelegt. Endlich ist noch zu erwähnen, dass in diesem Stadium der ursprüngliche Mandibular f us s als Taster (Taf. IV, Fig. 33 und Taf. V, Fig. 45 mdbt) an der nach innen sprossenden Kaulade (mdbl) am deutlichsten hervortritt. Claus, Arbeiten aus deai Zoologisehen Institute etc. Tom. II. 16 (227) 26 Dr. C. Grobben: Das Hinterende des Körpers beginnt jetzt bauchwärts vorzu- wachsen und sich so die Endfurca anzulegen. Im nächsten Stadium (Taf. IV, Fig 34—35) ähnelt der Embryo in seiner ganzen Erscheinung bereits dem erwachsenen Thier. Er ist nicht mehr dorsalwärts gekrümmt, sondern geradgestreckt. Damit ist die Oberlippe noch mehr auf die Bauchseite gerückt; sie ist auch stark gewachsen und hängt als ein ansehnlicher Sack mit ihrem etwas verjüngten Ende bis zwischen die ersten Maxillen hinab. Rechts und links neben ihr finden die ersten Antennen ihre Insertion ; sie haben eine langgestreckte Form angenommen und sind durch eine sanfte Einschnürung in zwei Abschnitte getheilt. An ihrer Spitze ist das Ectoderm eingestülpt, was mit der Entwickelung des daselbst vorhandenen Sinnes- apparates, der Eiechborsten, im Zusammenhang steht. Die zweite Antenne ist gleichfalls bedeutend gewachsen und reicht über das zweite Thoracalbein hinaus. Ihre beiden Aeste sind deutlich gegliedert und die grossen Borsten an der Spitze sowohl als an den Enden der Glieder in der Entwickelung be- griffen. An der Mandibel bemerkt man noch eine Einschnürung ; der aussen von dieser Einschnürung gelegene Theil ist ein Rest des Tasters. Die nun folgende Maxillarregion ist stark verkürzt. Die beiden ersten Maxillen haben sich medianwärts genähert, während die zweiten Maxillen sich von einander entfernt haben und nach unten und aussen von den ersten gerückt sind. An ihrer Spitze (mx") findet sich eine Oeffnung, die Ausmündung der Schalendrüse, was ich auch bei Daphnia pulex und S i d a beobachtete. Die Mündungsstelle der Schalendrüse liegt somit bei den Daphniden an derselben Gliedmasse, wie bei den übrigen Crustaceen x), welche eine Schalendrüse besitzen. An den folgenden fünf Thoracalfüssen sind die Borsten be- reits zur Entwickelung gelangt. Das Furcalende ist stark bauch- wärts gewachsen ; damit hat der Enddarm seine frühere Richtung geändert und ist auch die bisher dorsal gelegene Afteröffnung bauchwärts gerückt. *) Sieb deshalb: C. Claus. Ueber den Körperbau einer australischen Limnadia und über das Männchen derselben. Z. f. wiss. Zool. XXII. Bd. 1872. — C. Claus. Ueber die Entwickelung, Organisation und systematische Stellung der Arguliden. ibid. Bd. XXV. p. 45. Derselbe. Die Schalendrüse der Copepoden. Sitzgsber. d. k. Akad. d. Wiss. 1876. Derselbe. Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen Grundlage des Crustaceensystems. Wien 1876. (228) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 27 Die Schale reicht mit ihrem hinteren Ende zum dritten Thoracalfuss. Aber nur die Seitentheile sind soweit vorgewachsen, in der Mittellinie hat die Schale erst das zweite Thoracalsegment erreicht. Es ist dies noch eine Folge der frühzeitigeren Ent- wickehmg der Seitenhälften derselben. Gehen wir zum zusammengesetzten Ange (za.] über, so ist dieses mit dem Aufhören der dorsalen Krümmung an das Vorder- ende des Kopfes gerückt. Die bereits im vorhergehenden Stadium angelegte halbmondförmige Falte (ft) hat das Ange von hinten her fast bis zur Hälfte, von den Seiten über das Drittel um- wachsen. In diesem Stadium erscheint das Herz (h) in seiner ersten Anlage. Von den übrigen Organen sind besondere Veränderungen nicht hervorzuheben. Ich gehe deshalb sogleich zu dem folgenden Entwickelungsstadium über. Was die Form des Embryos (Fig. 36) anbelangt , so nähert sie sich bereits sehr derjenigen des erwachsenen Thieres ; auch die Gliedmassen werden in ihrer Gestaltung denen des ausgewachsenen Thieres ähnlicher. An der ersten Antenne ist jetzt in der Ein- schnürung aussen eine langeBorste, eineTastborste (pt), sichtbar, während die Riechkolben noch nicht nach aussen getreten sind. Ich erwähne dies hier bloss, da ich später auf diese Borste nochmals zurückkomme. Die Mandibel hat die Einschnürung verloren, die erste Maxille die Borsten zur Entwickelung gebracht. Die zweite Maxille ist noch weiter seitwärts gerückt, und nur bei tiefer Einstellung zu sehen, da sie von der Mandibel und dem ersten Thoracalfuss fast ganz verdeckt wird. An den Thoracalfüssen sind die Borsten stärker ausgebildet. Das Furcalende ist stark vorge wachsen; an seiner Spitze finden sich bereits die beiden grossen Endkrallen angelegt. Hinter denselben liegt die spaltförmige AfteröfFnung. Die Augen sind vollkommen von der halbmondförmigen Falte überwachsen. Indem sich die beiden Wände dieser Duplicatur mit denen einer entgegenkommenden vereinten, liegt das früher die Oberfläche einnehmende Auge von zwei Membranen eingeschlossen, von denen die innere mit dem Auge in Zusammenhang stehende (im.) demselben eng anliegt. In dem paarig angelegten Auge tritt auch das Pigment auf, und zwar entsprechend der Paarigkeit der Anlage gleichfalls paarig. Betrachtet man einen Embryo in diesem Stadium von der 1 6 * (229) 28 Dr. C. Grobben: Bauchseite , so bemerkt man an dieser eine tiefe Furche (F) in der Medianlinie verlaufen, welche zwischen den Mandibeln schmal beginnt und sich nach hinten immer mehr verbreitert, dabei aber seichter wird. Querschnitte belehren uns, dass diese tiefe Furche der Ausdruck einer Einstülpung des Ectoderms zwischen beiden Seitensträngen (S) ist. Wie aus den drei in den aufeinander- folgenden Segmenten geführten und auf Taf. V, Fig. 51—53 ab- gebildeten Schnitten hervorgeht, ist die Einstülpung vorne tief und die Einstülpungsspalte schmal, während nach hinten zu die Einstülpung seichter wird, die Einstülpungsspalte dagegen breiter, was schon die Ansicht der Bauchfläche zeigte. Dieser eingestülpte Theil des Ectoderms geht, wie Hatschekbei Bombyx chrysorrhoea zeigte, in die Bildung des ßauchstrangs mit ein. Hatschek bezeichnete diesen median eingestülpten Theil des Ectoderms als „Mittelstrang" (M). Querschnitte 'zeigen aber auch, dass die Seitenstränge vom Ectoderm sich bereits abgelöst haben (Taf. V, Fig. 44) ; dieselben findet man zum grössten Theil aus Zellen gebildet Nur in der Mitte, etwas mehr der Rückenseite genähert, fällt zwischen den carminroth gefärbten Zellen und Kernen eine ungefärbt gebliebene Stelle auf. Diese wird offenbar aus Fasermasse gebildet, welche in der Schlundcommissur bereits ansehnlicher entwickelt ist. Was die übrigen Organe anbelangt, so kommt man auch hier am besten mit Querschnitten zum Ziele. Ein Querschnitt x) in der Gegend, wo die Schale entspringt (Fig. 44), zeigt uns den Darm aus hohen Cylinderzellen gebildet, welche ein ansehnliches Lumen begrenzen. Rechts und links vom Darme sind die Querschnitte der Geschlechtsorgane, ventral das bereits besprochene Nerven- system. Neben letzterem liegen Gruppen von Mesodermzellen, welche die Musculatur der Beine liefern. Dorsal vom Darme liegen zu der Medianlinie geordnet rechts und links eine Gruppe von langgestreckten Mesodermzellen , die Anlage des Herzens (h). Zwischen dem Herzen und den Geschlechtsorganen springt die Haut jederseits nach innen vor und besteht an dieser Stelle aus höheren Zellen. Von diesem Punkte aus ziehen bauchwärts an der Innenseite der Geschlechtsorgane die grossen Stützbalken, welche die Leibeshöhle des Thieres durchsetzen. Auf der gegebenen Ab- bildung sind diese Balken nicht eingezeichnet, da sie nicht in den Schnitt fielen. ') Der besprochene Schnitt stammt von einem Embryo von Moina paradox a. 1230) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 29 Zwischen den Seitensträngen des Nervensystems und den Geschlechtsorganen, ebenso vor der Anlage des Herzens, finden sich die Reste des Nahrungsdotters (Ndr), welche zum Fettkörper des Thieres geworden sind , indem einige Mesodermzellen die Reste des ersteren umschlossen haben. Die Vertheilung des Fett- körpers in der Länge des Thieres geht am besten aus dem späteren Entwiekelungsstadium hervor, welches ich in Fig. 37 abgebildet habe. Dieser Rest des Nahrungsdotters, welcher zum Fettkörper des Thieres geworden ist, liegt in der Leibeshöhle. Nur in Leydig1) findet sich die Angabe, dass derselbe „in die Höhle des Nahrungscanales zu liegen komme", was jedoch unrichtig ist. Wichtigere Veränderungen erleidet der Embryo jetzt nicht mehr. Das in Fig. 37 abgebildete junge Thier, welches noch im Brutraum liegt, unterscheidet sich von dem erwachsenen nur noch wenig. Vielleicht der am meisten in die Augen springende Unter- schied ist der, dass der Kopf noch mehr aufrecht steht, während er später etwas bauch wärts sich neigt , und dass die rückwärts von dem zusammengesetzten Auge befindliche Einbuchtung der Haut nicht vorhanden ist. Das Auge und Gehirn liegen noch knapp unter der Haut. An der ersten Antenne sind auch die Riechkolben vorhanden, daneben besteht die lange Tastborste, welche die Spitze der Antenne weit überragt. Die übrigen Extremitäten besitzen bereits die Form, welche sie beim erwachsenen Thiere haben. Die Schale umhüllt fast den ganzen Leib des Thieres und wächst nur noch um weniges mehr. Die Schalen drüse besitzt auch schon ihre spätere Form. Die Geschlechtsorgane sind bis zum fünften Beinpaare gewachsen. Das Herz ist vollkommen ent- wickelt und schlägt. In diesem Stadium macht das Thier bereits heftige Be- wegungen. Es erfährt im Brutraum nur noch einige unbedeutende Veränderungen. Wenn es ausschlüpft , ist der Kopf etwas mehr nach der Bauchseite gebeugt , und die Einbuchtung der Haut rückwärts vom Auge vorhanden , das letztere sowie das Gehirn von dem Integument entfernt. Die Schale ist noch ein wenig ge- wachsen. Die Geschlechtsorgane reichen weiter nach hinten. Von den dieselben bildenden Zellen sind die hintersten die kleinsten und bilden den Keimstock, während die übrigen Zellen sich sofort zur Reife entwickeln (Fig. 38j. Das Nackenorgan ist in Rückbildung ') 1. c. p. 133. (231) 30 Dr. C. Grobben: begriffen. Das ausschlüpfende Junge stimmt in seiner Form fast vollkommen mit dem Mutterthiere überein, von dem es sich nur durch den Mangel der secundären Geschlechtscharaktere unter- scheidet. Beim Männchen wächst später die erste Antenne zu einem mächtigen Greifapparat aus, und auch das erste Beinpaar erhält den bekannten kräftigen Klammerapparat. Beim Weibchen bildet sich der Nährboden und die Verschlussfalte des Brut- raumes aus. Die Daner, welche der Embryo zu seiner Entwickelung B. Theoretische Betrachtungen. 1. Das Ei, die Furchung und Keimblätterbildung. Nachdem ich meine Beobachtungen mitgetheilt habe, will ich noch einige Erörterungen folgen lassen , welche an die oben mitgetheilten Funde anknüpfen. Es tritt dabei zuerst die Aufgabe heran, das der super- ficialen Furchung unterliegende Ei mit den Eiern zu vergleichen, welche den übrigen von E. Ha e ekel unterschiedenen Furchungs- arten unterliegen, sowie das Verhältniss der superficialen Furchung zu den anderen Furchungsarten darzulegen. Was .zunächst das M o i n a - Ei anbelangt, welches der super- ficialen Furchung unterliegt, so finden wir, dass es wie alle Eier polar differencirt ist. Diese polare Differencirung spricht sich zunächst in der Lage des Richtungskörpers aus, dessen constante Lage am animalen Pole des Eies bisher ausnahmslos feststeht. Auch glaube ich mich überzeugt zu haben, dass der Bildungs- dotter des Eies in dem dem animalen Pole zugewendeten Theile eine feinkörnigere Beschaffenheit als in dem dem vegetativen Pole zugekehrten zeigt. Uebrigens ergibt sich dieser am Ei sehr schwer zu constatirende Unterschied aus den Stadien nach der Gastrula- tion viel leichter, indem man an einem solchen, wenn durch Druck die Elemente auseinander gedrängt werden, sich leicht überzeugen kann, dass der Inhalt der Mesoderm- und Entodermzellen viel grob- körniger ist, als der der Ectodermzellen, ganz abgesehen von der grobkörnigen Beschaffenheit des Zellinhaltes der Genitalzellen. — Aber auch der Nahrungsdotter ist nach den beiden Eipolen an- geordnet und zwar so, dass seine grösste Masse gegen den vege- tativen Pol hin liegt und nur ein kleiner Theil mondsichelförmig gegen den animalen Pol hinzieht; er zeigt somit im Ganzen und (232) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 31 Grossen eine Anordnung, wie sich dieselbe bei allen mit Nahrungs- dotter versehenen Eiern vorfindet. Die polare Differencirung am Ei ist somit offenbar und man kann nicht mit E. Haeckel1) eine concentrische Differencirung am Ei mit superficialer Furchung unterscheiden, in dem sich das peripherische Protoplasma von dem centralen Deutoplasma „wie die hyaline Rindenschicht (Exoplasma) und die granulöse Mark- masse (Endoplasma) bei vielen anderen Zellen verhalten". Schon Hatschek2) behauptete aus theoretischen Gründen, dass eine polare Differencirung auch für die Eier mit superficialer Furchung gilt , gesteht daneben aber eine concentrische Differencirung zu, sieht die letztere jedoch als wahrscheinlich accessorisch an. E. Haeckel zog bei der Annahme einer concentrischen Differencirung im Ei mit superficialer Furchung die Vertheilung des Nahrungsdotters im Ei besonders in Betracht. Und ich glaube Hatschek's Ansicht recht zu deuten, wenn ich annehme, dass er bei der Annahme einer concentrischen Differencirung wohl aus- schliesslich die Anordnung des Nahrungsdotters im Auge hatte. Allerdings ist der Nahrungsdotter bei den Eiern mit super- ficialer Furchung nicht ausschliesslich der dem vegetativen Pole zu gelegenen Eihälfte angehörig, sondern erstreckt sich auch auf die animale Eiseite hin. Insofern hat man ein Recht, von einer concentrischen Differencirung zu sprechen. Indessen hat es sich aus der Beobachtung der Eier von Moina ergeben, dass auch hier der Nahrungsdotter seiner grössten Menge nach der vegeta- tiven Eiseite angehört, was weiterhin zu der Annahme berechtigt, dass wohl in allen Eiern mit superficialer Furchung diese An- ordnung beibehalten ist, wegen der grossen Menge des Nahrungs- dotters jedoch nicht so in die Augen fällt, zumal damit die Lage des Keimbläschens , welche hier zunächst bestimmend ist, verborgen bleibt. Uebrigens kann ich nicht unerwähnt lassen, dass die „polare Differencirung" des Eies die Bezeichnung für eine qualitative Verschiedenheit der Eitheile an den beiden Polen ist, wäh- rend der Nahrungsdotter nach den Polen nur quantitativ verschieden ist, wir somit die Vertheilung des Dotters nach den Eipolen als „polare Anordnung" bezeichnen sollten. Diese ') Biologische Studien. 2. Heft. Studien zur Gastraeatheorie Jena, 1877. II. Die Gastrula und die Eifurchung der Thiere. p. 106. 2) Embryonalentwicklung und Knospung von Pedicellina. Zeitsch. f. wissen- schaftl. Zoologie. Bd. XXIX. p. 524—525. (233) 32 Dr. C. Grobben: polare Anordnung des Nahrungsdotters ist natürlich von der polaren Differencirung scharf zu trennen , wenn man auch nicht leugnen kann, dass sie mit der polaren Differencirung in enger Bezie- hung steht. Wir werden von den Eiern mit superficialer Furchung somit sagen können : dieselben sind polar differencirt, zeigen dabei aber neben der polaren noch eine concentrische Anordnung des Nah- rungsdotters. Sehen wir von den in erster Linie zu verwertenden Beob- achtungen ab, so ist man zur Annahme der polaren Differencirung der sich superficial furchenden Eier schon aus theoretischen Gründen gezwungen, welche auch Hat schek bestimmten. Denn mit der Annahme einer concentrischen Differencirung des Eies mit superficialer Furchung wären wir gezwungen, einen ganz anderen Bau der Eizelle, als ihn sonst die Eier haben, anzunehmen. Auch geht die polare Differencirung dieser Eier schon daraus hervor, dass in allen Gruppen der Arthropoden , denen die superficiale Furchung wahrscheinlich ausschliesslich eigen ist, mit Ausnahme der Myriopoden und Insecten auch sich discoidal furchende Eier vorkommen. Und zwar sehen wir, dass in allen Fällen, wo der Nahrungsdotter grösser wird, die superficiale Furchung in die discoidale übergeht. Solche Fälle sind innerhalb der Ordnungen bei nahe stehenden Familien bekannt. So finden wir in der Ordnung der Copepoden bei den freilebenden Formen nach C. Claus1) eine anfangs totale, nach P. H oek -) eine schon frühzeitig (ob auch in den ersten Furchungs- stadien, konnie nicht festgestellt werden) superficiale Furchung; ebenso furchen sich unter den parasitischen Formen die Eier von Chondracanthus nach Ed. van Beneden und Bessels 3) superficial, während die Eier der übrigen parasitischen Copepoden nach den ausgedehnten Untersuchungen von van Beneden und Bessels4), besonders aber des ersteren, der diseoidalen Furchung unterliegen. Unter den Isopoden furchen sich die Eier von l) Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Copepoden. Archiv für Naturgesch. 1858. -) Zur Embryologie der freilebenden Copepoden. Niederländ. Arcb. f. Zool. IV. s) Eesumü d*un memoire sur le mode de formation du Blastoderme dans quelques groupes de Crustaces. Acad. roy. de Belgique. Bullet. 2. ser. t. XXV. 1868. 4) In der eben citirten Abhandlung sowie: Ed. van Beneden, Reclierches f-ur l'Embryogenie des Crustaces. IV. Developpement des genres Anchorella, Lerneo- poda, Brachiella et Hes«ia. Bullet, de lAcad. roy. de Belgique 2. ser. t. XXIX. 1870. (284) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 33 As eil us a qua ticus nach van Ben eden J) superficial, dagegen die von Oniscus nach B obre tzky 2) discoidal. Unter den Schizopoden wies der zuerst genannte Forscher3) bei Mysis eine discoidale Furchung des Eies nach, während man bei der so voll- kommenen freien Metamorphose, welche Euphausia zeigt, für die Eier dieses Schizopoden eine superficiale Furchung erwarten darf. Bei den nächstverwandten Dekapoden findet, soweit be- kannt, durchgehend superficiale Furchung statt. 4) In der Classe der Arachnoideen furchen sich die Eier der Milben, ebenso die der Spinnen superficial; dasselbe gilt für die Eier des Chelifer, während die des Scorpions eine dis- coidale Furchung erfahren. Bei den Myriopoden und Insecten ist bis jetzt eine discoidale Furchung nicht nachgewiesen. Ob wir eine inäquale Furchung (im Sinne Haeckel's) bei den Arthropoden finden, steht bis jetzt nicht fest. Doch scheint sich eine solche bei Hemioniscus nach Buchholz5) vorzu- finden. Indessen gestatten weder die Beschreibung noch die Ab- bildungen wegen ihrer Mangelhaftigkeit irgend einen bestimmten Schluss zu ziehen. — Die ungleichmässige , scheinbar inäquale Furchung bei den Eiern von Polyp hemus ist, nach den Angaben Leydig's") zu urtheilen, eine superficiale. Wir sehen, dass die superficiale Furchung am leichtesten in die discoidale Furchung übergeht. Wenn aber feststeht, dass bei den Eiern mit discoidaler Furchung der Nahrungsdotter im Ver- hältniss zum Bildungsdotter, verglichen mit den den übrigen Furchungsarten unterliegenden Eiern, den mächtigsten Umfang erreicht hat, so ergibt sich aus dem früheren Satze der Schluss, dass bei den Eiern mit superficialer Furchung das Verbältniss des Nahrungsdotters zum Bildungsdotter ein relativ sehr grosses, ja grösseres ist als bei der inäqualen, da im letzten Falle eine voll- ') I. Observations sur le developpement de TAsellus aquaticus. Bullet etc. t. XXVIII. 1869. 2) Embryologie von Oniscus murarius. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV. 3) II. Developpement des Mysis. Bullet, etc. t. XXVIII. 4) Nach Bobretzky, Zur Embryologie der Arthropoden. Aufzeichnungen der Kiewer Gesellsch. d. Naturf. Bd. III. 1873 (russisch). Nach P. Mayer (Zur Entwiekelungsgeschichte der Dekapoden. Jenaische Zeitschr. XI. Bd 1877. p. 212) ist die Furchung der Eier von Eupagurus Prideauxii anfangs total. 5) lieber Hemioniscus, eine neue Gattung parasitischer Isopoden. Zeitschrift f. wissenseh. Zoologie. Bd. XVT. 1866. 6) Naturgeschichte der Daphniden. p. 240. (235» 34 Dr. C. Grobben: ständige Bewältigung des Nahrungsdotters durch den Bildungs- dotter während der Furchung stattfindet. Es geht aber auch aus der Thatsache, dass bei einigen Arthropoden primordiale Furchung (nicht gerade im Sinne E. Haeckel's) vorkommt (Branchiopoden), sowie daraus, dass die superficiale Furchung anfangs häufig total ist und dass unter nahe verwandten Formen bei der einen totale, der anderen superficiale Furchung vorkommt (Gammarus) , hervor, dass die superficiale Furchung phylogenetisch von der primordialen aus entstanden ist. Dass dieselbe auch aus der discoidalen hervorging, wie E. Haeckel annimmt, scheint mir nicht wahrscheinlich. Ein weiterer Beweis für die polare Differencirung im Ei ist der, dass die Furchung ungleichmässig ist. Während bis zur Viertheilung die Furchung gleichmässig vorschreitet, beginnt sie in dem nächsten Stadium unregelmässig zu werden und es steigert sich diese Unregelmässigkeit mit jeder Furchung. Während der animale Pol bei der Furch ung in den ersten Stadien vorangeht, bleiben später die Zellen an diesem Pole gross und bilden die Scheitel- platte ; dabei aber fahren die übrigen Zellen sich zu theilen fort. Welchem Keimblatte bei Moina die Genitalzelle angehört, lässt sich nicht bestimmen. Wenn es auch sehr wahrscheinlich scheint, dass die Genitalzelle ein Theilproduct jener Furchungs- kugel ist, deren zweite Hälfte die von mir als Entodermzelle aufgefasste Zelle darstellt, so wäre es gewiss verfehlt, die Genital- zelle etwa vom Entoderm ableiten zu wollen. Es scheint in Berücksichtigung der übrigen Beobachtungen über die Entstehung der Geschlechtsorgane bei den Bilaterien am besten, die Genitalzelle als Mesodermproduct zu betrachten, und zwar so , dass man annimmt , es habe bereits im Mesoderm eine Differencirung stattgefunden in Keimzellen und die Zellen, welche die übrigen Mesodermproducte liefern. :) Zu dieser Annahme berechtigt ferner erstens, dass wir das Mesoderm bei Moina nicht in seiner ursprünglichen Form durch zwei Zellen angelegt finden, und zweitens, dass bei Branchipus, nach den Beob- achtungen von C. Claus2) zu schliessen , der Geschlechtsapparat aus dem Mesoderm stammt. 'J Diese Differencirung lässt sich mittelst der von E. Eay Lankester (Notes on the Embryology and Classification of the Animal Kingdom. Quarterly Journ. of mikr. science. vol. XVII. 1877. p. 411) aufgestellten Hypothese der „precocions segregation" erklären. 2) Zur Kenntniss des Baues und der Entwicklung von Branchipus stagnalis (230) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 35 Ich muss aber auch auf ein anderes Moment bei der Genital- anlage aufmerksam machen. Es hat sich gezeigt, dass die Genital- anlage anfangs unpaar ist und erst später paarig wird, indem sich dieselbe in zwei symmetrisch gelagerte Abschnitte theilt. Diese Thatsache stimmt mit der Ansicht C. Gegenbaurs T), dass wir „die Grundform des (Geschlechts-) Apparates (der Arthro- poden) in einer einheitlichen Keimdrüse zu erkennen" haben. Dieser Ansicht Gegenbaur's gegenüber habe ich mich in einer früheren Arbeit 2) dahin ausgesprochen , dass „es mir wahrscheinlicher dünkt, dass bei bilateralen Thieren auch die Geschlechtsorgane bilateral angelegt sind". Der Ausdruck „bila- teral" ist damals von mir nicht gut gewählt worden und wäre besser durch „paarig" zu ersetzen gewesen. Durch die Entwickelungsgeschichte der Geschlechtsorgane bei Moina scheint diese letzte Ansicht zurückgewiesen. Dazu käme noch, dass bei Aphis nach Metschnikof f a) die Genital- anlage anfangs gleichfalls unpaar ist und erst später sich in zwei Hälften theilt. Trotzdem glaube ich , meine Ansicht aufrecht erhalten zu können. Denn bei Branchipus, dem ältesten Phyllopoden, von dem erst in weiterer Linie durch die Estheriden die Clado- ceren abstammen, wird der Geschlechtsapparat nach C. Claus4) paarig angelegt. Nun zeigt Branchipus gewiss das ursprüng- lichere Verhalten; erstens gehurt er zu den Stammformen der Cladoceren und zweitens habe ich an einer jungen Branchip us- larve jederseits am Ende des Mesodermstreifens eine grössere Zelle beobachtet, welche es zusammen mit der Paarigkeit und der weiten Entfernung der beiden Mesodermstreifen von einander an ihrem Ende sehr wahrscheinlich macht, dass das Mesoderm hier durch zwei Zellen angelegt wird, somit in seiner primitiven Form erscheint, Die Paarigkeit des Mesodermstreifens macht es unter Hinzuziehung des bisher über die Entwickelungsgeschichte der Geschlechtsorgane Bekannten umgekehrt wieder sehr wahrschein- lich, dass der Geschlechtsapparat paarig angelegt wird. und Apus cancrifornris. Abhandlgn. d. kgl. Gesellsch. d. Wissenschaften zu Göttingen. XVIII. Bd. 1873. p. 14. l) Grundriss der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl.. Leipzig. 1878. p. 308. '-') C. G robben. Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechtsorgane der Dekapoden. Arbeiten aus d. zool. Inst, in Wien. I. Bd. 1. H. Wien. 1873. p. 20. s) 1. c. p. 458. *) a. a. 0. (237) 36 Dr. C. Grobben: Allerdings möchte ich zugestehen, dass das unpaare Verbin- dungsstück in den Geschlechtsorganen derjenigen Arthropoden, welche ein solches besitzen, häufig in der unpaaren Anlage der Genitalien seinen Grund hat. Damit kann aber nicht bewiesen sein, dass die Unpaarigkeit des Geschlechtsapparates für die Arthropoden den phylogenetisch älteren Zustand repräsentirte ; wir werden eher anzunehmen ge- zwungen sein , dass dieselbe mit der superficialen Furchung und der damit zusammenhängenden unpaaren Anlage des Mesoderms in Connex stehe, somit secundär ist. Möglich, dass dieselbe aus- schliesslich damit in Verbindung steht, dass die Anlage der Geschlechtsorgane durch eine einzige Zelle erfolgt, wie auch bis jetzt nur in solchen Fällen die anfängliche Unpaarigkeit der Ge- schlechtsanlage beobachtet wurde. 2. Die weitere Entwickelung des Embryos. Aus der Untersuchung hat sich ergeben, dass wir am Körper von M oin a zu unterscheiden haben : ein Kopfsegment, eine Anzahl von Rumpfsegmenten (acht) und ein Endsegment. Kopfsegment und Endsegment müssen den Rumpfsegmenten gegenübergestellt werden und stimme ich hierin B. Hatschek1) vollständig bei. Dem Kopfsegmente gehören beide Antennenpaare an , was bereits B. Hatschek2) aus der Lage der letzteren vollkommen richtig erschloss. Das Mandibularsegment ist das erste Rumpf- segment; die Zugehörigkeit des ersten Ganglions der Bauchkette zu diesem Segmente, sowie das Auftreten eines Gliedmassenpaares beweisen dies, wie ich glaube, zur Genüge. Von den Rumpfseg- menten vermag jedes ein Gliedmassenpaar zu erzeugen, wenn auch nicht immer wirklich ein solches erzeugt wird. Dagegen besitzt das Endsegment niemals eine Gliedmasse. Es documentirt so wieder den Rumpfsegmenten gegenüber seine isolirte Stellung. Es besteht daher jedes Recht , das Endsegment bei den Malakostraken als Telson den übrigen Abdominalsegmenten entgegenzustellen. Es tritt jetzt die Frage heran, haben wir bei Moina in der Entwickelung ein Trochophorastadium zu verzeichnen? Mit diesem Namen bezeichnete B. Hatschek3) die LoveVsche Larve der Anneliden, welche eine phyletische Larvenform ist. ') Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arbeiten des zool. Institutes zu Wien. I. Bd. 3. Heft. Wien. 1878. •2) 1. c. p. 112. 3) Studien über Entwickelungsgeschichte dar Anneliden, p. 80. (238) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 37 Einen Rest des für die Trochophoraform der Anneliden eigen- thümlichen Organs, des zweizellreihigen Wimperreifens , werden wir trotz der Wichtigkeit dieses Organs für die Trochophora, bei den Arthropoden vergebens suchen, wie schon Hatschek erwähnte, da Wimperepithelien bei den Arthropoden vollständig fehlen. Sieht man also davon ab, so kann man das in Fig. 16 — 18 abgebildete Stadium dem Trochophorastadium homolog setzen. Wir finden alle Organe, welche die Trochophoraform besitzt, vor, nur in einer Ausbildung, welche mit der directen Entwicklung der Moina im Zusammenhange steht: den Darmkanal, die Mund- öffnung schwach angedeutet, die Scheitelplatte und den Mesoderm- streifen. Nur die Kopfniere ist nicht nachzuweisen; denn von der Antennendrüse *), die höchst wahrscheinlich der Kopfniere der Würmer homolog ist, ist auch in späteren Stadien nichts aufzu- finden. Vielleicht existirt die Anlage dieses Organs in späteren Stadien, welches ja bei den Naupliusformen der Branchiopoden so mächtig entwickelt ist, bei Moina auch in diesem Stadium nicht nachgewiesen werden kann, in einer Zellgruppe, die sich aber für keinen Fall den übrigen Theilen des Mesoderms gegenüber, welchem sie entstammen dürfte , genügend deutlich hervorhebt, um als solche erkannt zu werden. Ed. van Beneden hat unter dem damaligen Stande der Kenntnisse, wie schon erwähnt, ein aus zwei Segmenten bestehen- des Entwickelungsstadium der Crustaceen als den jüngsten Wurm- larven homologes bezeichnet. Demgemäss müsste erst das folgende Stadium (Fig. 19) als Trochophorastadium bezeichnet werden. In- dessen wäre dies nicht zutreffend, da in diesem Falle der Embryo schon aus zwei Segmenten besteht, während die Trochophora eine ungegliederte Larvenform ist. B. Hatschek hat sich dahin ausgesprochen, dass möglicher- weise der Nauplius auf das Trochozoon, die phylogenetische Stammform der Trochophora, zurückzuführen sei. Er stützt sich dabei auf das Resultat, zu welchem er gelangte, dass der Nauplius eine ungegliederte Form sei. Auch Semper2) hält den Nauplius für eine ungegliederte Larvenform. Ich muss im Gegentheil den Nauplius im Anschluss an die ') Diese und nicht die Schalendrüse, wie Hatschek (1. c. p. 112) meinte, •würde der Kopfniere der Anneliden entsprechen. Die Schalendrüse gehört einem viel späteren Segmente, dem zweiten Maxillarsegmente an. 2) Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. II. Bd. Hamburg 1S76, p 294. i239 38 Dr. C. Grobben: herrschende Auffassung als eine bereits gegliederte Larvenform bezeichnen. Der Nauplius besteht aus dem Kopfsegment mit den beiden Antennen , einem Rumpfsegmente , dem Mandibularsegment und dem Endabschnitt, aus welchem die weiteren Rumpfsegmente im Laufe der Entwickelung hervorgehen. Der Nauplius ist somit von der ungegliederten Form des Trochozoon noch weiter entfernt, als Hatschek anzunehmen geneigt ist. Die Segmente und Gliedmassen entstehen in der Regel in der Reihenfolge von vorn nach hinten. Scheinbar im Widerspruche damit steht, dass bei Moina die älteren Segmenten angehörigen Gliedmassen , die Maxillen , erst zu einer Zeit entstehen , wo das einem viel jüngeren Segmente angehörende Extremitätenpaar (das 5. Beinpaar) bereits in Entwickelung begriffen ist. Doch ist eine zeitliche Verschiebung der Extremitätenentstehung, und zwar bei zahlreichen sich frei metamorphosirenden Krustern bekannt ; dieselbe findet hier ihre Erklärung in den Lebensbedingungen und als Folge davon in dem grösseren und geringeren Nutzen der einen oder der anderen Extremität während des Larvenlebens. Diese Erklärung ist bei Moina ausgeschlossen, da Moina selbst keine freie Metamorphose durchmacht und bei den Stammformen, den Branchiopoden, die Extremitäten von vorn nach hinten entstehen. Es bleibt dann noch die Erklärung, welche bereits Z a d da c h l) gegeben hat , dass das Erscheinen einer Gliedmasse auch von ihrer Grösse abhängig ist; Z ad dach sagt, „dass diejenigen Gliedmassen eines Abschnittes zuerst sich aus den Keimwülsten erheben, die später eine grössere Länge und Stärke erhalten sollen". Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass dies bloss bei der directen Entwickelung gilt und nur in denjenigen Fällen , wo die zeitliche Verschiebung der Gliedmassenanlagen direct sich ent- wickelnder Formen nicht auf eine in Folge freier Metamorphose erlangten Verschiebung bei den Vorfahren zurückzuführen ist. Während bei der Metamorphose die Leistung einer Extre- mität, somit ein physiologisches Moment, ihr früheres oder spä- teres Erscheinen, als es Regel wäre, bedingt, ist es bei der directen Entwickelung mit der erwähnten Ausnahme die Gestalt und Grösse, ein morphologisches Moment, welches das Erscheinen einer Glied- masse beschleunigt oder verzögert. l) 1. c. p. 94. Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 39 Betreffs der ersten Antenne will ich einige Bemerkungen einfügen. Wir haben gesehen, dass an der ersten Antenne bei Moina zuerst eine einzige Tastborste vorhanden ist, noch ehe die Riech- kölbchen entwickelt sind (Fig. 36 pt). Diese Tastborste, welche am Embryo weit über das Ende der ersten Antenne hinausragt, ist beim erwachsenen Thier auch noch vorhanden, jedoch relativ viel kürzer. Untersucht man eine junge D aphn ia pulex einige Zeit vor dem Ausschlüpfen auf ihre erste Antenne, so findet man neben einer Gruppe von Riechborsten eine lange gekrümmte Borste, welche die dreifache Länge der Riechborsten besitzt (Taf. VI, Fig. 60 pt\ Beim erwachsenen Thier ist diese Borste im Verhältniss zu den Riechborsten rudimentär, ist etwa so lang wie diese. Bei Sida crystallina erhält sich diese Borste beim erwachsenen Thiere in ansehnlicher Grösse. Hier ist sie es auch, welche von allen Sinnesborsten der ersten Antenne zuerst entsteht. Ein Entwickelungsstadium , an dem die Schale über das zweite Brustsegment hinübergewachsen ist , zeigt an der ersten Antenne frei hervorragend diese einzige Sinnesborste (Fig. 59 pt). Die bedeutende Grösse dieser Borste bei Daphnia pulex während des Embryonallebens, sowie der Umstand, dass bei Moina und Sida crystallina diese Borste zuerst auftritt , lassen die Frage aufwerfen, ob es sich hier nicht um ein für die Cladoceren phyletisches Organ handelt. Und in der That findet sich beim Nauplius von E s t h e r i a und Limnadia1), Stammformen der Cladoceren , an der nur als kleinem Hügel vorhandenen ersten Antenne eine einzige Sinnesborste. Ich glaube daher berechtigt zu sein, diese erste Borste der vorderen Antenne bei den Daphniden als die primäre Sinnesborste dieser Antenne in Anspruch nehmen zu können, und derselben den Werth eines phyletischen Organes zuerkennen zu dürfen. Auch bei dem Nauplius und den späteren Larvenstadien von Apus cancriformis ragt unter den zuerst in der Zweizahl, später Dreizahl vorhandenen Borsten der ersten Antenne eine, und zwar die äusserste, hervor , welche die beiden anderen an ') C. Claus. Ueber den Körperbau einer australischen Limnadia und über das Männchen derselben. Zeitscbr. f. wiss. Zool. XXII. Bd. 1872. p. 359 und G. F ick er. Zur Kenntniss der Entwicklung von Estheria ticinensis. Sitzgsb. d. k. Akad. d. Wiss. zu Wien. Bd. LXXIV. Jhrg. 1876. (241) 40 Dr. C. Grobben: Grösse bedeutend übertrifft l) ; diese halte ich der einzigen Tast- borste der ersten Antenne von Esther ialarven homolog. Auch unter den drei neben den Riechborsten bestehenden Sinnesborsten der ersten Antenne von Branchipus larven ist nach C 1 a u s (1. c. Fig. 1 L ) und nach eigener Beobachtung eine Borste über die anderen an Grösse hervorragend; auch hier ist es wie bei Apus die äusserste. Viel deutlicher als bei Branchipus beobachtete ich an Larven von Artemia, dass unter den drei Fühlborsten der ersten Antenne eine die beiden anderen an Länge bedeutend übertrifft. Es soll damit nicht behauptet sein, dass die erste Antenne bei allen Phyllopoden früher nur eine Borste besessen hätte, ob- gleich dies immerhin sehr wahrscheinlich ist. Dies gilt nur für den engeren Kreis der Estheriden und deren Abkömmlingen, der Cladoceren. Das obere Schlundganglion der Insecten besteht , wie H a t- schek2) zuerst nachwies, aus einem primären und einem secun- dären Hirntheil. Bei Bombyx bildet sich der letztere separat als besondere Einstülpung. Auch bei Moina lassen sich zwei Theile am oberen Schlund- ganglion unterscheiden, ein primärer Hirntheil und ein secundärer, der den ganglionären Theil der Retina des Auges liefert. Ich konnte bei Moina nicht beobachten, dass dieser secundäre Hirn- theil separat entstünde ; meine Beobachtungen weisen vielmehr darauf hin, dass derselbe aus einer Vergrösserung der Scheitel- platte hervorgeht. Dies ist vielleicht als das ursprünglichere Verhalten anzusehen. Hatschek hat gewiss vollkommen Recht, wenn er den secundären Hirntheil erst im Zusammenhange mit der Entstehung der zusammengesetzten Augen ableitet. Das zusammengesetzte, beim erwachsenen Thier unpaare Auge ist paarig angelegt. Davon habe ich mich nicht nur bei Moina, sondern auch bei Daphnia pulex und Sida crystallina über- zeugt, und kann somit nur die diesbezüglichen Angaben Zenker 's?) und Leydig's4) bestätigen. Was das Naupliusauge anbelangt, so wurde dessen bei Dar- stellung der Entwickelungsgeschichte nicht Erwähnung gethan. 1) Sieh Claus: Zur Kenntniss des Baues und der Entwickelung von Branchipus etc. 2) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte d. Lepidopteren p. 14. 3) Physiologische Bemerkungen über die Daphniden. Müller 's Arch. 1351. p. 113. 4) Naturg. d. Daphniden etc. p. 36. ( .'42) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 41 Es kommt jedoch dasselbe bei Moina rectirostris zeit- lebens, aber nur in rudimentärem Zustande vor. Auf beistehen- dem Holzschnitte ist dasselbe abge- bildet. Es liegt in der Mittellinie auf dem Gehirn an gleicher Stelle, wo sonst das Naupliusauge liegt, und hängt durch einen Strang mit der Haut zusammen. In demselben erkennt man drei glän- zende Gebilde. Pigment ist keines vor- handen, und wird auch im Embryonal- zustand nicht entwickelt , wie schon Leydig1) angab. Es ist daher das Naupliusauge bei den Embryonen nicht zu erkennen. Es lässt sich somit bei Moina nicht feststellen, ob das Nau- pliusauge paarig angelegt wird und ob das Pigment in demselben früher er- scheint als im zusammengesetzten Auge. Die Beantwortung dieser letzten Frage hat insofern Interesse, als es sich darum handelt, ob sich in der Entwickelungsgeschichte der Cladoceren das Nauplius- auge noch als das ursprünglichere Sehorgan manifestirt. Auf diese Fragen hin untersuchte ich Daphnia pul ex und S i d a , und da zeigte es sich, dass das Naupliusauge paarig an- gelegt wird, wie gleichfalls schon Leydig beobachtete. Dagegen vermag ich diesem Forscher nicht beizutreten, wenn er dasselbe gleichzeitig mit dem zusammengesetzten Auge entstehen lässt, Wenn nach der Bildung des Pigments geschlossen werden kann, was ja statthaft ist, übrigens der einzige Anhaltspunkt, der sich bei Entscheidung dieser Frage bietet, so entsteht das Nauplius- auge früher; denn die Pigmentbildung schreitet im Naupliusauge der im zusammengesetzten Auge voran , und hat Zenker2) hier vollkommen richtig beobachtet. Die Schalendrüse entsteht aus dem Mesoderm , stimmt ihrer Entstehungsweise nach somit mit den Nieren der Anneliden über- ein, wo Kowalevsky3) und Hatschek4) deren Entstehung aus dem mittleren Keimblatte nachwiesen. Die Entwickelungs- geschichte gibt daher einen weiteren Anhaltspunkt dafür, die 2) 1. c. p. 172. -) 1. c P. 114. a) Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. Petersburg 1871. 4) Studien über Entwickelungsgeschichte der Anneliden. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 1« C-43) 42 Dr. C. Grobben : Schalendrüse mit einem Schleifencanale der Gliederwürmer zu homologisiren. Sie stimmt rücksichtlicli ihrer Entstehung aus dem Mesoderm auch mit den Nieren in anderen Thierclassen, den Verte- braten und Mollusken (Gastropoden) überein, bei welch letzteren nach Beobachtungen C. Rabl's1) an Planorbis sowohl die Ur- nieren als die definitive Niere aus dem mittleren Keimblatte stammen. Die Untersuchung der Embryonen von Moina führte mich auch darauf, die Schalendrüse der erwachsenen Daphniden zu untersuchen, und will ich meine betreffenden Beobachtungen hier einfügen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die hintere Schlinge der Schalendrüse noch einen nach abwärts gebogenen Abschnitt besitzt, welcher bis in die Gegend des Herzens reicht und der in gleicher Weise beim erwachsenen Thier vorhanden ist (Taf. IV, Eig. 39) ; die Windungen dieser dorsalen Nebenschleife habe ich mit a" und a'" bezeichnet. Auf die übrigen Windungen der Schalendrüse gehe ich nicht ein, da ich nur wiederholen müsste, was bereits C. Claus2) beschrieb , dessen Angaben ich sonst vollkommen bestätigen kann. In den Abbildungen habe ich auch für die Bezeichnung der Schlingen die von C. Claus gewählten Buchstaben beibehalten. Diese dorsale Nebenschleife ist bei M o i n a kurz, dagegen von ansehnlicher Länge bei Daphnia pulex, wo sie besonders am jungen Thier leicht beobachtet werden kann (Fig. 40) , dagegen an ausgewachsenen Exemplaren wegen der rautigen Zeichnung der dicken Schale schwer zu sehen ist ; dieselbe ist aber, wie ich mich überzeugte , auch hier vorhanden. Von mächtiger Ausdehnung ist die dorsale Nebenschleife bei Daphnia sima (Fig. 41) ; auch bei Spiritusexemplaren von Daphnia magna konnte ich eine in die Herzgegend gehende Schleife beobachten. Bei Daphnia similis wies C. Claus3) eine Umbiegung der hinteren Schleife nach. Auch bei Ceriodaphnia quadrangula ist eine solche vorhanden , wie aus der Fig. 7 in der Abhandlung von C.Claus hervorgeht. Klunzinger4) beschrieb und bildete ') Nach freundlichst niitgetheilten Untersuchungen. 2) Die Schalendrüse der Daphnien. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXV. 3) Zur Kenntniss der Organisation u. d. feineren Baues d. Daphniden etc. 4) Einiges zur Anatomie der Daphnien, nebst kurzen Bemerkungen über die Süsswasserfauna der Umgegend Cai'ro's. Zeitschr. f. wiss. Zool. XIV. Bd. 1864. p. 170 u. Fig. 9 auf Taf. XX. (244) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 4:-i eine solche bei einer egyptisch en als Daphnia longispina bestimmten Daphnide ab ; auch Dohr n 1) beobachtete bei D a p h n i ä longispina diesen geknickten Theil der Schalendrüse. Es scheint sonach der Besitz einer dorsalen Nebenschleife an der Schalendrüse eine eigentümliche Bildung aller der Sub- familie der Daphniden angehörigen Cladoceren zu sein. Die Ausmündung der Schalendrüse erfolgt an der zweiten Maxille in vollkommener Uebereinstimmung mit den Phyllopoden und den übrigen Crustaceen , wo sie gleichfalls an der zweiten Maxille oder der homologen Gliedmasse stattfindet. Die rückgebildete Maxille ist bei vor dem Ausschlüpfen be- findlichen Embryonen von Daphnia pul ex leicht nachzuweisen; bei den erwachsenen Daphniden dagegen gelang es bisher nur A. "Weis mann2) bei Leptodora, und C.Claus3) beiLepto- dora, Bythotrephes, Sida und Daphnia magna die Schalendrüse bis zu ihrer Mündungsstelle zu verfolgen. Bei der erwachsenen Moina paradoxa vermochte ich jedoch auch die rückgebildete zweite Maxille nachzuweisen. Betrachtet man das Thier von der Bauchseite, so ist es nicht schwer, zwischen der ersten Maxille und dem ersten Brust- fusse einen Zapfen zu erkennen, an dessen Spitze die Schalen- drüse ausmündet. (Vergl. den nebenstehenden Holzschnitt. ) Wahrscheinlich ist in gleicher Weise auch ein Zapfen bei den übrigen Cladoceren befindlich. Ich bin jedoch nicht in der Lage, darüber Auskunft zu geben, da ich mir seit der Beobachtung dieses Zapfens bei Moina die übrigen hier vorkommenden Cladoceren nicht ver- schaffen konnte. rndb — ') 1. c. p. 290 und Fig. 6 u. 7. -) lieber Bau und Lebenserscheinungen von Leptodora hyalina. Zeitsch. f. wiss. Zool. 24 Bd. 1874. p. 392. 3) Zur Kenntniss des Baues und der Organisation der Polyphemiden. Denk- schriften d. k. Akad. der Wiss. in Wien. XXXVII. Bd. 1877 und: Die Schalendruse der Daphnien a. a. 0. (■■lv 44 Dr. C. Grobben: 3. Die frühzeitige Anlage der G-eschlechtsproduct e und ihr Zusammenhang mit der Parthenogenese. Es ist gewiss sehr auffallend, dass die Anlage der Ge- schlechtsorgane schon so frühzeitig, im fünften Furchungsstadium, differencirt ist. Diese frühe Trennung der Genitalanlage steht aber nicht allein bei Moina fest, sondern ist auch schon von Metschnikoff1) bei Miastor und Aphis beobachtet worden. Nun fällt dabei sofort auf, worauf bereits Metschnikoff hinwies , dass sowohl die Sommereier der Moina, als die Eier von Aphis und Miastor, welche der eben genannte Forscher untersuchte, sich parthenogenetisch entwickeln. Der Gedanke liegt somit nahe , anzunehmen , dass vielleicht ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen der parthenogenetischen Eientwickelung und der frühzeitigen Sonderung der Genitalanlage bestehe. Diese Annahme ist vollends berechtigt, wenn auch noch Beobachtungen über andere parthenogenetisch sich entwickelnde Eier fehlen und bei Aspidiotus nerii nach Metschnikoff die „Polzellen" 2) nicht vorhanden sind. Es entsteht dabei zunächst die Frage : Ist die frühe Ent- wicklung der Geschlechtsorgane Ursache , dass sich bei den be- treffenden Thieren Parthenogenese ausbildete , oder ist die frühe Entwickelung der Geschlechtsorgane erst Folge der auf anderem Wege erworbenen Parthenogenese. Im ersten Momente wäre man vielleicht geneigt, das erstere anzunehmen ; doch ergibt eine sorgfältige Prüfung der übrigen einschlägigen Thatsachen, dass das letztere gilt. Ausschlaggebend bei Beantwortung dieser Frage sind zu- nächst die Fälle von exceptioneller Parthenogenese, wie sie bei vielen Schmetterlingen und bei einer Blattwespe 3) beobachtet wurde, welche sich sonst zweigeschlechtlich fortpflanzen. Am Ei der Schmetterlinge und Hymenopteren tritt aber, soweit bis jetzt bekannt, eine so frühzeitige Trennung der Geschlechtsproducte nicht ein. So gelangen wir zu dem Schlüsse, dass die frühzeitige Entwickelung der Geschlechtsproducte nicht Ursache der Ent- stehung der Parthenogenese ist. Es führt aber auch eine andere Erwägung zu diesem Resultate. ]) 1. c p. 469. -) So nennt Metschnikoff nach ihrer Lage am unteren Eipole die Zellen, welche zu den Geschlechtsorganen werden. 3) Sieh die Zusammenstellung Gerstaeck er 's in Bronn 's Classen und Ordnungen des Thierreichs. V. Bd. 4. Lfg. p. 164 u. f. (246) Entwickelungsgesetichte der Moina rectirostris. 45 Die Geschlechtsorgane entstehen sonst zwar nicht zuletzt, doch niemals so frühe, wie in den Fällen der regelmässigen Parthenogenese; sie treten aber erst in Function, wenn das Thier sämmtliche übrigen Organe entwickelt hat, die es benöthigt, um die ersteren nicht nur zur Reife zu bringen, sondern um auch den übrigen Forderungen des Geschlechtslebens nachkommen zu können. Es hätte die so frühzeitige Entwickelung der Genitalien für das Thier keinen Vortheil , wäre somit durch die natürliche Zuchtwahl kaum gefördert worden. Erst bei erlangter Parthenogenese konnte die frühzeitige Entwickelung der Geschlechtsorgane für die Vermehrung der Art einen Vortheil bieten, und somit durch natürliche Zuchtwahl er- halten worden sein. Denn bei der Parthenogenese fallen alle jene Forderungen, welche das zweigeschlechtliche Geschlechtsleben stellt, weg und beschränkt sich die ganze geschlechtliche Thätigkeit auf Erzeugung der Keimproducte. Damit ist aber auch die Möglich- keit gegeben, dass die Reifung und die Anlage der Geschlechts- producte in ein früheres Altersstadium verlegt werde, selbst in ein solches, wo das Thier den Genitalien zwar die Bedingungen zu ihrer Reifung und Entwickelung zu bieten vermag, den An- forderungen des digenen Geschlechtslebens jedoch nicht nachkommen könnte. Bei Moin a ist allerdings die unvollständige Ausbildung des parthenogenesirenden Weibchens wenigstens äusserlich nicht be- merkbar wie bei Miastor u. a., von denen später noch die Rede sein soll. Damit sind wir aber zu dem Resultate gelangt, dass die frühzeitige Trennung und Ausbildung der Anlage des Geschlechts- apparates erst eine Folge der Parthenogenese ist, welche auf anderem Wege erlangt wurde. Welche Momente es waren, welche die Parthenogenese ent- stehen Hessen, können wir bis jetzt nicht bestimmen. Dass sie für die Erhaltung und besonders die Verbreitung der Art vorteilhaft ist, müssen wir aus ihrer weiten Verbreitung schliessen, im gegen- teiligen Falle wäre sie durch die natürliche Zuchtwahl nicht erhalten worden. Der Werth der Parthenogenese besteht, wie R. Leuckart1) sagte, darin, „dass durch die spontane Entwickelung der Eier die Zahl der producirten Nachkommen um ein Beträchtliches zunimmt'1. Dass die Parthenogenese leicht möglich ist, geht nicht nur ') Zur Kenntniss des Generationswechsels und der Partkenogenesis bei den Inseeten. Frankfurt a. M. 1858. p. 435. Dr. C. Grobben: aus der weiten Verbreitung, sondern auch daraus hervor, dass Fälle genug bekannt sind, wo unbefruchtete Eier, die sonst der Befruchtung bedürftig sind, die ersten Stadien der Embryonal- entwickelung durchlaufen. Es wird dies nicht auffallen dürfen; denn die Fälle der Parthenogenese zeigen umgekehrt, dass das Ei schon an und für sich das Material und die Fähigkeit besitzt, den Embryo zu entwickeln. Die so äusserst frühzeitige Trennung und Entwickelung der Anlage der Geschlechtsorgane bei Mo ina lässt aber auch leicht ver- stehen, dass, nachdem die Parthenogenese einmal erlangt war, auch Puppen- und Larvenstadien Junge produciren konnten. Besonders für die Larve von Mi a stör ist dies leicht begreiflich. Es ent- fallen, wie bereits erwähnt, bei der Parthenogenese für das Mutter- thier alle jene Forderungen , welche das zweigeschlechtliche Ge- schlechtsleben stellt. Dann aber ist bei erlangter Parthenogenese die Entwickelung des Eies ausschliesslich an günstige Ernährungs- bedingungen geknüpft. Diese bietet das Larvenstadium der In- secten in hohem Masse ; man betrachtet dasselbe ja geradezu als ein Stadium, in welchem Reservestoffe gebildet werden. Es wird daher die Production von Nachkommenschaft im Larvenleben, die Pädogenese C. E. van Baer's, nichts Auffallen- des bieten können. Grleichso wird sich die Erzeugung von Jungen im Puppen- leben, wie sie bei Chironomus beobachtet wurde, leicht ver- stehen lassen. Das Puppenstadium ist dasjenige , in welchem die ReservestofFe das grösste Mass erreicht haben. Aus denselben Gründen, die eben aufgeführt wurden, wird es uns nicht Wunder nehmen können, dass, wie Metschnikoff1) beobachtet hat, bei Aphis noch während des Embryonallebens die Entwickelung der neuen (Enkel-) Generationen anhebt, und dabei soweit fortschreitet, dass bei den zum Gebären reifen Embryonen das untere Keimfach bereits ein Ei mit ganz entwickeltem Blastoderm einschliesst. In diesem Falle bringt nicht einmal das Mutterthier, sondern das Grossmutterthier das Ei zur Reife und zur Ent- wickelung. Ebenso werden nach Beobachtungen von C. Claus2) bei Evadne die Embryonen „schon vor der Geburt trächtig" und bringen „eine Anzahl (4 — 6) in der Furchung begriffener Eier in ihrem Fruchtbehälter mit zur Welt". Der eben erörterte Fall führt dazu, anzunehmen, dass die 1) I. c p. 459. 2) Zur Kenntniss des Baues und d. Organisation der Polyphemiden etc. p. 16. '(248) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 47 eingeschachtelten Generationen von Gyrodactylus, über deren Entstehung so verschiedene Ansichten ausgesprochen worden sind, auch auf parthenogenetischeni Wege aus dem frühzeitig zur Reife gelangten Eie entstehen , und dass nach einer bestimmten Reihe von Generationen die Eier wieder befruchtet werden. So lassen sich wenigstens die verschiedentlichen Angaben leicht vereinigen. Hier wäre es sogar das Urgrossmutterthier , welches den Urenkel zur Entwicklung bringt. 4. Die Parthenogenese und die Sporogonie. Die Parthenogenese ist eine geschlechtliche Fortpflanzung. Die parthenogenesirenden Weibchen sind, wie C. Claus1) für die Aphiden und Cladoceren schon vor längerer Zeit aussprach, echte Weibchen und können nicht als Ammen betrachtet werden. A. Weismann2), welcher sich dieser Ansicht anschloss , be- merkte weiter, dass „überhaupt alle echte Parthenogenese aus der geschlechtlichen Fortpflanzung abzuleiten und keineswegs eine ungeschlechtliche, vielmehr nur eine eingeschlechtliche Fort- pflanzung ist". Auch G. Seidlitz3) rechnete die Parthenogenesis zur digenen Zeugung. Nach den Betrachtungen im vorhergehenden Capitel ergibt sich die Richtigkeit dieser Ansicht von selbst. Eine wichtige Stütze findet dieselbe aber in dem Vorhandensein des Körpers, den ich am gelegten Moina ei fand, und welchen ich nach Lag und Verhalten gegenüber Reagentien nur als Richtungskörper deuten konnte. Das Ausstossen des Richtungskörpers hat sich offenbar erst im Zusammenhang mit der Befruchtung entwickelt , ist also eine Folge der Befruchtung. Wenn wir scheinbar entgegen dieser Ansicht , bei vielen Eiern beobachten , dass schon vor der Be- fruchtung der Richtungskörper ausgestossen wird, so ist diese Erscheinung als Verschiebung der im Eie sonst nach oder bei der Befruchtung eintretenden Vorgänge aufzufassen. ') Generationswechsel und Parthenogenesis im Thierreich. Marburg. 1858. p. 22 und: Beobachtungen über die Bildung des Insecteneies. Zeitsch. f. wiss. Zooi. Bd. XIV. 1864. 2) Ueber die Schmuckfarben der Daphnoiden. Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. XXX, Suppl. p. 266. 3) Die Parthenogenesis und ihr Verhältniss zu den übrigen Zeugungsarten im thierreich. Leipzig, 1872. Die von Seidlitz (p. 9) gegebene Definition von wahrer Parthenogenesis ist verfehlt; im Zusammenhange mit dieser rechnet Seidlitz die Fortpflanzungsweise der viviparen Aphiden, ebenso die von Cecidomyia zur paedogenetischen Sporenbildung. (249) 48 Dr. C. Grobb en : Beobachten wir nun, dass bei Moina ein Richtungskörper am parthenogenetischen Ei auftritt , so ergibt dies, dass das sich so entwickelnde Ei von einem mit Hilfe von Sperma sich ent- wickelnden abzuleiten ist. Scheinbar im Gegensatze zu der Ansicht von C. Claus, Weismann und Seidlitz hat E. Haeckel1) die Partheno- genese zur monogenen Fortpflanzung und zwar als Monosporogonia regressiva zur Sporogonie gestellt. Indessen ist dieser Gegensatz nicht so scharf, da E. Haeckel erstens die Monosporogonia regressiva von der Amphigonie ableitet, und zweitens bei Be- stimmung einer Grenze zwischen ungeschlechtlicher und geschlecht- licher Fortpflanzung, welche E. Haeckel selbst als willkürlich anerkennt , in Anbetracht dessen , dass es unmöglich ist , eine Grenze zwischen Sporogonie und sexueller Fortpflanzung zu ziehen, nur daran festhalten kann , dass das als Ei zu deutende Fort- pflanzungsproduct nicht nur befruchtungsbedürftig ist, die Spore nicht, sondern dass auch das Ei thatsächlich befruchtet wird. Was nun die Spore anbelangt, so halte ich dieselbe über- haupt für ein nicht existirendes Keimproduct. Zwar lässt sich die Spore als ein der Befruchtung nicht nur nicht bedürftiges, sondern derselben sogar unfähiges Fortpflanzungsproduct be- zeichnen; es fehlen indessen Beobachtungen, welche die Befruchtungs- unfähigkeit der Sporen bewiesen. Obgleich nun das Gegentheil gleichfalls unerwiesen ist, so haben sich doch bis jetzt gleichfalls für Sporen angesehene Fortpflanzungsproducte , welche genauer untersucht wurden, als Eier herausgestellt. Weiter ergibt eine Ueberlegung an der Hand der bisherigen Erfahrungen, dass ein Nachkomme nur auf zweierlei Art entstehen kann: 1. aus den Keimblättern der Mutter und 2. aus einer Zelle. Diese Zelle kann aber, wie ich glaube, nur eine Eizelle sein. Ich glaube deshalb auch, dass die Cercarien in den Redien und Sporocysten aus parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern hervorgehen.2) Die Abbildungen , welche von den Sporen der Redien und ihrer Entwickelung zum Embryo existiren , rufen das Bild eines Eies und der Furchung sofort wach. Auch sagt R. Leuckart3) zu einer Zeit, als er die parthenogenesirenden ') Generelle Morphologie. II. Bd. Berlin 1866. p. 55. 2) Damit hört aber der Entwickelungsvorgang der Trematoden auf, Generations- wechsel zu sein, sondern wird zur Heterogonie gestellt werden müssen. 3) Zur Kenntniss des Generationswechsels und der Parthenogenesis bei den Insecten. Frankfurt a. M. 1858. p. 347- Sieh auch Artikel ,.Zengung': in Wagner 's Handwörterbuch der Physiologie. IV Bd. p. 967—968. (250) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 49 Aphiden weibchen noch für Ammen hielt: „Auf dieselbe Weise, wie die jungen Aphiden in den Keimröhren ihrer Mutter , ent- stehen auch die jungen Trematoden in der Leibeshöhle der soge- nannten Sporocysten oder Redien durch Entwickelung einer ur- sprünglich einfachen Zelle." Dass ich auch die Keimzelle, aus der nach v. Siebold der junge Gyr o dacty lus hervorgehen soll, für ein parthenogenetisch sich entwickelndes Ei halte, geht schon aus meiner früheren Be- merkung über die Fortpflanzung dieses Thieres hervor. Die frühere Unterscheidung der beiderlei allein möglichen Arten, auf die ein junges Thier aus dem Mutterthier entstehen kann , muss auch die Basis zur Eintheilung der Fortpflanzungs- arten bilden. Wir werden unterscheiden: 1. Die Fortpflanzung mittelst der Keimblätter des Mutter- thieres : die ungeschlechtliche Fortpflanzung. Hierher gehören a) die Theilung und b) die Knospung. 2. Die Fortpflanzung mittelst einer Zelle , respective unter Zuhilfenahme einer zweiten : die geschlechtliche Fortpflanzung. Hier unterscheiden wir: a) die eingeschlechtliche Fortpflanzung, die Parthenogenese und b) die zweigeschlechtliche Fortpflanzung. Die Sporogonie wird wahrscheinlich ganz wegfallen. Schon Haeckel1) hat in einer Anmerkung diese Eintheilung als möglicherweise passender erklärt , doch in seinen weiteren Ausführungen nicht beibehalten. 5. Das periodische Erscheinen der Männchen in den Fällen der Heterogonie. Durch den regelmässigen Wechsel von Parthenogenese mit der zweigeschlechtlichen Fortpflanzung ist der Entwickelungs Vor- gang charakterisirt, den man als Heterogonie bezeichnet. Auch bei den Daphniden haben wir Heterogonie. Die Männchen erscheinen meist im Herbst oder Anfang des Winters. Indessen gibt es Cladoceren mit mehreren Sexualperioden, wo dann Männchen auch im Frühjahre und Sommer erscheinen , wie wir durch Weismann2) erfahren haben. Es ist leicht begreiflich schon öfter die Frage aufgeworfen worden , welche Momente das Erscheinen der Männchen bedingen. >) 1. c. II. Bd. p. 37. Anmkg. *) Ueber die Fortpflanzung der Daphnoiden. Amtlicher Bericht der 50. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in München. 1877. (251) 50 Dr. C. G r o b b e n : W. Kurz1) kam nach seinen Versuchen zu dem Resultate, dass „bei den Cladoceren erst dann Männchen producirt werden, wenn die Weibchen das Wasser ihres Wohnortes zu ihrem Lebensunter- halte quantitativ und qualitativ unzureichend zu finden anfangen". A.W eis mann (1. c.) dagegen hat hervorgehoben, dass „die Ursachen des Eintritts geschlechtlicher Fortpflanzung indessen nicht in den momentanen äusseren Einflüssen , welche das einzelne Individuum treffen, sondern in den allgemeinen Lebens- bedingungen, welche seit lange alljährlich die Art getroffen haben", liegen. Zum Schlüsse gibt Weismann die Möglichkeit zu, dass „die noch immer dunkle physiologische Bedeutung der Sexual- fortpflanzung" mit im Spiele ist. Ich halte gerade die von Zeit zu Zeit nöthige Befruchtung für das beursachende Moment des Erscheinens von Männchen. Dabei haben die übrigen Lebensbedingungen gewiss mitgewirkt, doch glaube ich, dass diese erst in zweiter Reihe in Betracht zu ziehen sind. Wir kennen allerdings nicht die Bedeutung der zweigeschlecht- lichen Fortpflanzung; doch so viel darf man behaupten, dass für die Erhaltung der Art die zweigeschlechtliche Fortpflanzung die wichtigere ist. Gerade unter den Cladoceren ist ein in dieser Hinsicht inter- essanter Fall bekannt. S a r s 2) machte bei Leptodora die Beobachtung, dass die Jungen, welche aus Winter eiern sich entwickeln, naupliusähnlich sind, einengrossen, als Fuss fungirenden Mandibulartaster besitzen und mit einem Naupliusange versehen sind ; die den Sommereiern entschlüpfenden Jungen sehen den ausgebildeten Thieren gleich, entbehren des Mandibularfusses sowohl als des Naupliusauges. Es schlüpfen somit die den Wintereiern entstammenden Jungen in einer ursprüng- licheren Entwickelungsform aus. Ich mag mich dabei allerdings der Möglichkeit nicht ver- schliessen, dass die fussförmigen Mandibulartaster und das Nauplius- auge aus den wahrscheinlich bei allen Daphnien vorhandenen Anlagen sich abermals secundär im Zusammenhange mit der aus anderen Ursachen wiedererlangten freien Lebensweise eines frühen Entwickelungsstadiums entwickelt haben. ') Ueber androgyne Ausbildung bei Cladoceren. Sitzgsb. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien. LXIX Bd. Jhrg. 1874. p. 6. Anmkg. -) Om en dimorph Udvikling samt Generaiionsvexel hos Leptodora. Vidensk. Selskab. Forhandl. 1873. (252) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 51 Schon R. Leuckart1) hielt es für sehr wahrscheinlich. ,,dass die Fähigkeit der geschlechtlichen Fortpflanzung ein Eigenthum aller Thierarten sei". Die allgemeine Verbreitung der zweigeschlecht- lichen Fortpflanzung führte weiter 0. und R. Hertwig2) zu dem Resultate, „dass die Ursachen zur geschlechtlichen Differencirung schon in den Lebens er schein ungen der Zelle selbst gegeben sein müssen". Es geht damit nicht nur die Wichtigkeit , sondern auch die Notwendigkeit dieser Fortpflanzungsart hervor. Deshalb glaube ich auch nicht, dass es Cladocerenarten ohne Sexualperiode 3) gebe, wie Weismann als möglich hinstellt. Bei den Cladoceren, bei denen die Männchen noch nicht bekannt sind, werden selbe vielleicht sehr selten auftreten, von Zeit zu Zeit jedoch gewiss. Schon der Fall von Psyche helix lässt dies als sehr wahrscheinlich erscheinen. II. Ueber das zusammengesetzte Auge der Phyllopoden. Aus dem Studium der Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris hat sich ergeben, dass die ursprünglich aussen gelegene Augenanlage von einer Falte des Ectoderms vom Rücken her überwachsen wird. Indem die beiden Wände dieser Duplicatur mit einer kleinen von der Ventralseite herkommenden Falte ver- wachsen, wird das Auge vollständig von der Haut abgetrennt. Es ist demnach nach aussen von zwei Membranen überdeckt; von diesen beiden umschliesst die innere (im) mit der Cornea in directem Zusammenhange stehende einen Raum , der vor dem Auge gelegen ist, und welchen ich als Vorraum (V) des Auges bezeichnen will ; die äussere Membran wird von dem Hautüberzug an dieser Stelle dargestellt. Diese beiden Membranen sind nun leicht beim ausschlüpfenden Jungen (Taf. VI, Fig. 57), etwas schwieriger, aber gleichfalls mit voller Sicherheit an der erwachsenen Moina (Fig. 64 > nachzu- weisen. Am schwierigsten ist die innere Membran in dem Theile zu beobachten, welcher knapp unter der Haut mit dieser parallel verläuft. An der lebenden Daphnide scheint eine einzige Membran über das Auge zu ziehen. Behandelt man jedoch die Moina mit etwas verdünnter Essigsäure, so werden die beiden Häute sofort ') Art. „Zeugung", p. 736. -) Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheorie. Jena 1878. p. 36. 3) Auch Seidlitz Ca. a. 0. p. 24) scheint die ausschliessliche Fortpflanzung durch parthenogenetisch sich entwickelnde Eier für möglich zu halten. (253) 52 Dr. C. Grobb en: deutlich , und man erkennt auch unter einer zarten Cuticula eine Matrix aus flachen Zellen. Schon nach der Art der Entstehung muss an der inneren Membran die Cuticula nach innen gelegen sein , so dass die Matrices der beiden Membranen einander zuge- hehrt sind. Wie überall sich bei den Arthropoden zwischen den Wänden der Körperhaut und deren Derivaten die als Connectiv- fasern bezeichneten Stützfäden bilden, so auch hier. Da, wo die obere Wand des Augenvorraumes sich von der Haut entfernt, finden sich diese Stützfasern vor (Fig. 64 cf), so besonders hinten. Von diesem auf eben beschriebene Weise fixirten Theile der inneren Membran geht ein verschiebbarer Theil derselben, welcher gegen den Vorraum des Auges hin eingefaltet ist, zum Auge, direct in dessen Cornea über. An der Uebergangsstelle dieser Membran in die Cornea sind die Augenmuskel J) angeheftet. Besehen wir den Vorraum des Auges bei Mo in a recti- rostris (Fig. 64 V) genauer, so finden wir ihn von einer Menge von Häutchen erfüllt, die parallel mit der Wölbung des Auges liegen. Ueber der Cornea des Auges, mehr gegen vorne, findet sich ein querliegender nach den beiden Enden sich zuspitzender Wulst, welcher wohl gleichfalls aus zusammengerollten Häutchen besteht. Woher die Häutchen stammen, ist leicht zu errathen: es sind die mit jeder Häutung der Moina auch von diesem Theile der Matrix abgestossenen Cuticulae, welche jedoch bei der Ab- geschlossenheit des Augenvorraumes im Inneren desselben liegen blieben. Die Richtigkeit dieser Herleitung der Häutchen ergibt sich daraus, dass bei eben ausgeschlüpften Jungen, die sich seit Schluss des Augenvorraumes noch nicht gehäutet haben, dieser letztere vollkommen leer ist (Fig. 57). Durch diese mit dem Alter sich immer mehr anhäufenden Cuticulae wird das Sehen gewiss nicht verbessert. Dass das Auge durch eine von hinten kommende Falte überwachsen wurde, ist noch an der erwachsenen Moina zu sehen, indem die innere Membran dorsalwärts viel weiter von der Haut absteht als vorne, wo sie eng der letzteren anliegt. Dieses Verhältniss ist am Auge der Sida crystallina (Fig. 63) viel klarer. Hier steht die innere Membran dorsalwärts weit von der Körperhaut ab, schliesst sich jedoch ventralwärts eng an dieselbe an. Trotz dieses engen Anschlusses ist die Innen- membran bei Sida schon am lebenden Objecte deutlich erkennbar, ') Diese sind homolog den Muskeln, welche den Augenstiel bei ßran- chipns bewegen. (254) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 53 nicht nur wegen ihrer bedeutenden Dicke, sondern auch wegen der blauen Färbung, welche an die Matrixzellen dieser Membran gebunden ist. Auch hier ist der Vorraum des Auges mit Häuten gefüllt, welche die abgestossenen Cuticulae der gehäuteten inneren Membran und der Cornea sind. Diese innere Membran sah ich ebenso bei D a p h n i a p u 1 e x und D a p h n i a magna und ist selbe gewiss bei allen Cladoceren vorhanden. Mit Rücksicht auf diese Ueberwachsung der Augen bei den Cladoceren war es nahe liegend, auch die Branchiopoden auf diese Frage hin zu untersuchen. Hiebei sind die mit gestielten Augen versehenen Branchiepoden (Branchipus und Artemia) von vornherein ausgeschlossen und kommen nur die mit rollenden Augen versehenen Estheriden (Est heria, Limnadia und Lim- n e t i s) , sowie Apus in Betracht. Von allen diesen Formen hatte ich fast nur Alkoholexemplare zur Verfügung und musste somit auf die Darstellung der zelligen Zusammensetzung der Theile in* den Abbildungen verzichten. Bloss von Apus lagen mir einige Larvenstadien, von Estheria ein einziges Jugendstadium in lebendem Zustande zu Gebote. Betrachtet man das zusammengesetzte Auge einer jungen Estheria, die gerade in einem am besten als- Cladocerenstadium zu bezeichnenden Entwickelungszustand sich befindet, so trifft man dasselbe in die Tiefe gedrängt durch zwei Hautduplicaturen, von denen die grössere vom Rücken her kommt (Taf. VI, Fig. 58). Durch eine Spalte (oe) communicirt der dem Vorraum des Daphnien- auges entsprechende Raum mit der Aussen weit. Untersucht man eine ausgewachsene Estheria ticinensis ^Taf. VII, Fig. 72), so zeigt sich diese Spalte immer offen. Es geht weiter aber auch deutlich hervor, dass beim späteren Waehsthum des Auges es nur die dorsale Falte der Haut ist, welche das Auge überdacht. In dem Vorräume des Auges finden sich keine Cuticulae angehäuft. Ich fand zwar eine Cuticula darin vor, deute dieselbe jedoch als die letzte, die sich in Folge der langjährigen Einwirkung des Alkohols abhob. Es werden bei Estheria die Cuticulae des Augenvorraumes durch die zeitlebens offene Spalte bei der Häutung offenbar herausgezogen. Diese Einstülpungsspalte besteht ebenso zeitlebens bei Lim- nadia Hermanni und Limnetis brachyurus (Taf. VII, Fig. 71 oe). J.V, i 54 Dr. C. Grobben: Wir finden demnach bei den Esther iden . welche zuerst von C. Claus1) mit vollem Rechte als die Stammformen der Cladoceren angesprochen wurden, einen Zustand in der Ueber- wachsung der Augen zeitlebens erhalten, welcher bei- den Clado- ceren (Moina, Sida) in das Embryonalleben fällt. Aber auch bei Apus sind die Augen von einer Haut- duplicatur überwachsen. Betrachten wir eine Larve, bei der von den paarigen Augen noch nichts zu sehen ist (Taf. VII, Fig. 69 und 70) , so finden wir über dem Naupliusauge eine Vertiefung (oe); an deren Rand rechts und links die Frontalorgane (Fr) stehen. Diese Vertiefung ist am Vorderrande des Schildes , eher etwas ventral gelegen. Gleichzeitig mit der Entwickelung der zusammengesetzten Augen in jener Vertiefung wird letztere stärker ; selbe ist aber auch und damit die Frontalorgane auf die Dorsalseite des Schildes gerückt (Fig. 68). Mit dem Vorwachsen des letzteren rückt die Ein- stülpungsspalte immer mehr vom Schildrand zurück (Fig. 66 oe); sie wird auch im Verhältniss zu der Breite der Augenpartie eng, da sich die Augen mächtig nach hinten und den Seiten ausdehnen. Am Vorderrande der Spalte sind die beiden Frontalorgane nach- weisbar. Dass wir es bei Apus wirklich mit einer Ueber- wachsung der Augen zu thun haben, geht klar aus einem Längs- durchschnitt hervor (Fig. 67), welcher fast in der Medianlinie des Thieres geführt wurde. Diese Spalte scheint zeitlebens offen zu bleiben ; wenigstens fand ich selbe bei einem wahrscheinlich schon geschlechtsreifen Thiere vor (Fig. 65). Den Vorraum des Auges fand ich leer, da die Cuticulae auch hier durch die Spalte heraus- gezogen werden. Das Ueberdecktsein der Augen von zwei Membranen bei den Cladoceren wurde bisher nur selten beobachtet, nie verstanden, da zum Verständniss die Entwickelung dieser Bildung zu kennen nöthig war, oder doch wenigstens dieselben Bildungen bei den E s t h er i d e n bekannt gewesen sein mussten. Bei den Cladoceren war allerdings bekannt, dass vor dem Auge ein Raum vorhanden sei ; ebenso wusste man , dass das Auge eine Kapsel besitze. Unter dieser Kapsel ist jedoch, wie man sich aus dem Vergleich mit den Abbildungen überzeugen kann , stets nur der Corneaüberzug des Auges und die sich an diesen anschliessende faltbare Haut gemeint, weiche die Cornea ') Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen Grundlage des Crustaceen- systems. Wien, 1876. p. 101. (256) Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. 55 mit der inneren Hüllmembran des Auges verbindet. Nur Leydig *) sah in einigen Fällen letztere Membran , wie sieh aus seinen An- gaben und Abbildungen ergibt. Doch hat auch Leydig, wie aus dem Texte seines Daphnidenwerkes hervorgeht, diese Bildung nicht verstanden. So finden wir die Angabe, dass sich das Auge „im Tode oder nach Einwirkung von Reagentien" von der Kapsel „gerne zurückzieht , wobei sich alsdann zwischen der Oberfläche des Augenbulbus und der Innenseite der Kapsel einige binde- gewebige, unter sich verbundene Streifen ausspannen". Diese bindegewebigen Streifen sind nichts anderes , als der faltbare Theil der inneren Hüllmembran , welcher immer dann , wenn das Auge stark zurückgezogen wird , unregelmässig verzerrt wird und das von Leydig beschriebene Bild hervorruft. Dass diese Deutung die richtige ist, geht auch aus einer weiteren Beobachtung Leydig's hervor, wonach sich die Augenmuskeln „keineswegs unmittelbar an die Hornhaut ansetzen, sondern an die eben ge- nannten , zwischen Cornea und Augenkapsel ausgespannten ver- ästigten Fäden". Diese an und für sich richtige Beobachtung ist nur dahin zu moditiciren , dass die Muskeln sich an der Stelle befestigen, an welcher die Cornea in die faltbare Membran übergeht. Ueber die gewebliche Zusammensetzung dieser inneren Hüll- membran des Auges finden wir in Leydig keine bestimmte An- gabe. Loven2), welcher den faltbaren Theil der Membran am Auge von Evadne beobachtete, hält denselben als durch die innere Lamelle der nach seiner Meinung vor dem Auge in zwei Lamellen getheilten Matrix gebildet. Sonst war man eher geneigt, diese Kapsel als eine bindegewebige oder cuticulare, dem inneren Chitinskelet zugehörende Bildung anzusehen. Ebensowenig wie bei den Cladoceren, waren diese Ver- hältnisse bei den Branchiopoden erkannt , wenn auch K 1 u n zinger3) bei einer Estheria beobachtete, dass „sich das Auge in einem freien Raum befindet" und dass es unmittelbar überzogen ist „von einer dünnen Haut, einer Hornhaut, deren Enden oben vorn und hinten in die Matrix zipfelartig übergehend, wahr- genommen werden". ') Naturgeschichte der Daphniden. Tübingen, 1860. p. 37, p". 95, p. 143 und Fig. 14 auf Taf. II, Fig. 27 auf Taf. III, sowie Fig. 44 auf Taf. V. 2) Evadne Nordmanni. Aus dem k. Wetenskaps - Academiens Handlingar 1835 im Arch. f. Naturgesch. 1838. p. 148. 3) Beiträge zur Kenntniss der Limnadiden. Zeitschr. f. wiss. Zool. XIV. Bd. 1864. pp. 159 — 160. (Die von Klunzinger als Limnadia gubernator bezeichnete Estheride gehört der Gattung Estheria an.) (257) 56 Dr. C. Grobben: Von den Augen der Apodiden war bis jetzt das Ueber- waehsensein derselben gleichfalls unbekannt; doch finde ich in (jerstaecker's1) Bearbeitung der Arthropoden die Angabe, dass die Augen der Apodiden „von einem lichteren Hofe umgeben sind". Bei den Larven bemerkte C. Claus2), dass die Frontal- organe an den Seiten einer „taschenförmigen Hautumsäumung" stehen. Das Ueberwachsen der Augen durch eine Hautfalte hat sich wohl zum Schutze des Auges ausgebildet. Wir dürfen erwarten , dass in allen Fällen , wo die Augen nicht gestielt, aber doch beweglich sind, sich ähnliche Bildungen vorfinden, sei es dass die Augen wie bei den Phyllopoden voll- ständig überwachsen, sei es, dass sie bloss tiefer gerückt, an einem festeren Rand durch einen faltbaren Theil der Haut aufgehängt sind. Bei Argulus ist eine Augenkapsel von Jurine3)und 0. Claus4) beschrieben; aus der Fig. 25, welche der letztgenannte Autor auf Taf. XVI gibt , geht hervor, dass wir es auch hier mit einer Integumentduplicatur zu thun haben; ob dieselbe das Auge jedoch vollkommen überdeckt oder ob die zweite von mir früher erwähnte Möglichkeit vorliegt, kann nicht mit Sicherheit erschlossen werden. Wahrscheinlich sind noch andere ähnliche Einrichtungen in der Natur getroffen, durch welche das Auge beweglich an dem Integumente aufgehängt ist. Es werden dieCopepoden, 0 s t r a- coden und Hy dr achniden , wo ungestielte, beweglich ein- gerichtete Augen vorkommen, mit Rücksicht auf diesen Punkt untersucht werden müssen. III. Das Nackenorgan der Phyllopoden und einiger anderer Crustaceen. Eine weite Verbreitung unter den Phyllopoden hat das Nacken- organ, eine Drüse, wie sich nach den letzten Untersuchungen herausgestellt hat. Dieses Nackenorgan wäre nicht so wichtig, wenn sein, wie es sich zeigen wird, sehr weit verbreitetes Vor- kommen nicht fernere Anhaltspunkte böte, die Zusammengehörig- keit der Crustaceengruppe im Sinne der Descendenz zu stüteen. ') In Bronn 's ('lassen und Ordnungen des Thierreichs. V Bd. 18. und 19.Lfg. p. 914. -) Zur Kenntniss des Baues und der Entwickelung von Branchipus etc. p. 32. s) Memoire s>ur l'Ärgule foliacS. Ann. de Museum d'hist. nat. t. VII. 1806. 4) lieber die Entwickelung, Organisation und systematische Stellung der Arguliden. Zeitscb. f. wiss. Zool. XXV. Bd. (258) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 57 Unter den Branchiopoden , welche wir als die Stammformen der Cladoceren anzusehen haben, finden wir das von C. Claus1) als „Nackenschild" bezeichnete Nackenorgan bei den genauer untersuchten Formen, beiBranchipus und A p u s , in mächtiger Entwickelung nicht nur in der Larvenzeit, sondern auch während des ganzen Lebens vor. Bei Artemia fehlt nach Leydig2) diese Drüse im geschlechtsreifen Alter; in der Larvenzeit ist dieselbe jedoch, wie ich mich überzeugen konnte, vorhanden. Bei den Estheriden hingegen ist bis jetzt, ausgenommen bei Limnadia Hermanni, niemals ein Nackenorgan beschrieben worden, obwohl es auch hier sowohl bei Estheria als bei Lim- n e t i s nicht nur am ausgewachsenen Thiere, sondern auch bei den Larven vorkommt. Bei der erwachsenen Limnadia ist das weit hervorragende flaschenförmige Nackenorgan so auffällig, dass es niemals über- sehen wurde; bei den jungen Thieren ist es ausdrücklich nicht beschrieben worden , doch ergibt sich aus der aufmerksamen Lee- türe der sorgfältigen Untersuchung Lereboullet's3) über die Entwickelung der Limnadia Hermanni, dass wahrscheinlich schon im Nauplius- und in allen folgenden Larvenstadien ein Nackenorgan vorkommt. Mit grosser Deutlichkeit kann man ein solches erkennen in der Fig. 5 auf pl. XII , wobei die Ueberein- stimmung mit der von Claus auf Taf. I, Fig. 4' abgebildeten Larve von Branchipus stagnalis mit ihrem grossen Nacken- schild sofort in die Augen fällt. Aber auch bei Estheria habe ich ein Nackenorgan vor- gefunden. Bei einer Larve von Estheria ticinensis(?), der einzigen, welche ich zu Gesichte bekam, liegt dasselbe an der gleichen Stelle wie bei Branchipus. Es hat (Taf. VI, Fig. 58 N) die Form eines grossen Schildes, welches von einer scharfen Leiste begrenzt wird, und besteht aus Zellen mit grossem Kern und grobkörnigem Inhalt. Nachdem ich so mit dem grossen Nacken- schilde der Larve bekannt geworden war, untersuchte ich das erwachsene Thier von Estheria cycladoides. Auch da fand ich ein Nackenorgan vor, welches im Verhältniss zur Grösse des Thieres sehr klein ist (Taf. VII, Fig. 73). Bei Estheria tici- ') Zur Kenntniss des Baues und der Entwickelung von Branchipus etc. p. 4. 2) lieber Artemia salina und Branchipus stagnalis. Zeitsch. f. wiss. Zool. III. Bd. 1851. p. 304. 3) Observations sur la generation et le developpement de la Limnadie de Hermann (Limnadia Hermanni). Ann. d. scienc. nat. 5 ser. t V. 1866. p. 295. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute cto, Tom. II. 18 (259) 58 Dr. C. Grobben: n e n s i s scheint im geschleclitsreifen Alter gleichfalls das Nacken- organ sich zu erhalten , denn ich sah an gleicher Stelle , wo bei Estheria cycladoides das Nackenorgan liegt, die sonst ab- gelöste Matrix fester an der Cuticula haften, welche an dieser Stelle äusserst zart ist, während sie ringsum eine bedeutende Dicke besitzt. Die Details desselben genauer zu studiren war an den Alkoholexemplaren , welche mir ausschliesslich zu Gebote standen, nicht möglieh. Bei Estheria wurde das wahre Nackenorgan bisher über- sehen, dagegen drei grosse Zellen, welche unter der Haut vor dem Nackenschilde zwischen diesem uud dem Auge liegen, von F ick er1) als Nackenorgan gedeutet. Indessen haben diese Zellen mit dem Nackenorgane nichts zu thun, und bleibt vor der Hand dahingestellt, ob sie überhaupt drüsiger Natur sind. Endlich findet sich bei Limnetis brachyurus an der- selben Stelle wie bei Estheria ein ovales Nackenschild vor2) (Taf. VII, Fig. 71); es ist wahrscheinlich auch schon im Larven- leben vorhanden; wenigstens glaube ich die von Grube3) abge- bildete und beschriebene „längsovale Stelle" der Larve, „welche sich von dem Ursprung der seitlichen Kopfstacheln bis nahe vor die Mitte desselben (des Rückenschildes) erstreckt" und die nicht wie die übrige Oberfläche des Rückenschildes „mit winzigen Spitzchen besetzt" ist, als das Nackenschild in Anspruch nehmen zu dürfen. Sehen wir somit sämmtliche Estheride n mit einem Nacken- organ ausgestattet, so wird es uns nicht "Wunder nehmen, das- selbe bei den mit jenen so nahe verwandten Cladoceren in weiter Verbreitung vorzufinden. In manchen Fällen ist dasselbe bei dem geschlechtsreifen Thiere schwach entwickelt, oder fehlt vollständig, erscheint jedoch stets im Embryonalleben. Auch bei der von mir untersuchten Moina rectirostris fehlt das im Em- bryonalzustande vorhandene Nackenorgan dem erwachsenen Thiere, 1) Zur itenntniss der Entwickelung von Estheria ticinensis. p. 11, sowie Fig. 7 auf Taf. IL 2) Es ist dasselbe jedoch nicht identisch mit dem „Mal", das Grube 1. c. p. 86 beschreibt, und welches Dohrn: Die Ueberreste des Zoeastadiums in der onto- genetischen Entwickelung der verschiedenen Crustaceenfamilien. Jenaische Zeitschr. Bd. V. 1870. p. 480 — dem Nackenorgan von Apus homolog scheint. Dieses Mal (Fig. 71 Fr.), welches vor dem Auge liegt, dürfte vielmehr dem Frontalorgan entsprechen. 3J Bemerkungen über die Phyllopoden, nebst einer Uebersicht ihrer Gattungen und Arten, Arch. f. Naturg. 1853. p. 77 und Taf. V, Fig. 14 t'. (260) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 59 und ist schon beim ausschlüpfenden Jungen stark rückgebildet kaum als kleine Gruppe von Drüsenzellen zu erkennen. Bei Moina paradoxa dagegen erhält sich dasselbe zeitlebens. Interessant war es mir, in Erfahrung zu bringen, welches von den Nackenorganen der Sida der Nackendrüse der übrigen Cladoceren entsprechen dürfte, nachdem auch schon C. Claus1) mit Rücksicht auf die Nackenorgane der Sida und auf Grund seiner Beobachtung, dass bei Pleuroxus trigonellus zwei hinter einander gelegene unpaare Nackenorgane vorkommen, be- rechtigten Zweifel erhob, „ob es sich (bei den Haftorganen) überall morphologisch um das gleiche einheitliche Gebilde handelt". Es stellte sich heraus, dass keines der Nackenorgane von Sida dem der übrigen Cladoceren homolog ist, sondern dass jene secundär erworbene Organe sind. — Betrachten wir nämlich die Embryonal- stadien von Sida (Taf. VI, Fig. 59), so finden wir von den Nackenorganen zuerst einen Hügel (N), der an gleicher Stelle wie das Nackenorgan bei den übrigen Daphnien liegt. Er besteht aus grobkörnigen Zellen und setzt sich deutlich gegen die Um- gebung ab. Darüber sehen wir sodann den unpaaren hufeisen- förmigen Haftapparat (N') und dahinter die zwei kleinen Haft- näpfe (N") entstehen. Nach der Lage und Form, sowie nach dem Aussehen der Zellelemente kann nur der mittlere Höcker (N) als das Homologon der Nackenorgane der übrigen Cladoceren ange- sehen werden. Bei der jungen Sida crystallina, welche den Brutraum der Mutter verlassen hat (Fig. 56), finden wir noch alle drei Haftapparate , die beiden definitiven und zwischen denselben den weit vortretenden Höcker. Bald jedoch wird der letztere rückgebildet und erscheint am ausgewachsenen Thiere als ein unter der hufeisenförmigen Nackendrüse gelegener Wulst, den C. Claus als „Hautwulst" unterschied. Diesen Höcker an der jungen Sida crystallina hat schon G. 0. Sars2) gesehen und auch beobachtet, dass derselbe, später schwindet. Indessen ist das Nackenorgan nicht auf die Phyllopoden "beschränkt, sondern tritt auch in anderen Crustaceenordnungen auf. So ist schon lange bei dem Embryo von Gammarus der *) Zur Kenntnias der Organisation und des feineren Baues der Daphniden p. 385 u. 386. 2) Norges ferskvandskrebsdyr. Forste Afsnit Branchiopöda I. Cladocerä ctenopoda. Christiania 1865. p. 32. 18* (261) 66 Dr. C. Grobben: „Mikropylapparat" bekannt, den Fr. Müller1) bei sämmtlichen von ihm darauf untersuchten Ampkipoden (Crevettinen sowohl als Laemodipoden) vorfand. Fr. Müller brachte denselben zuerst in eine Kategorie mit dem Haftorgane der Cladoceren. Später wiesen Dohrn2) und zuletzt C. Claus3) dasselbe Organ auch bei einigen Isopoden nach. Dagegen gelang es bisher nicht, bei den Copep öden und Thor akostraken die gleichen Organe aufzufinden. Selbe kommen jedoch auch unter diesen Krustern vor. So fand ich an der Rückenseite des Maxillarseg- mentes der Larve von Cyclops serrulatus (Taf. VI, Fig. 61) eine scharf umschriebene, querovale Stelle, welche keine andere Deutung als die des Nackenorgan es gestattet. Ihre Zugehörigkeit zu dem Maxillarsegment schliesst ihr Vorhandensein im Nauplius aus , während es in den folgenden naupliusähnlichen Stadien sich stets findet. Ein gleiches Gebilde traf ich bei Ergasilus S i e b o 1 d i (Fig. 62 N) ; es ist hier bisquitförmig gestaltet , und liegt weit vorne über dem Auge. Endlich habe ich eines kleinen Höckers am Rücken der Euphausia Erwähnung zu thun (Taf. VII, Fig. 74 N). Dieser liegt in der Maxillargegend. Ich untersuchte denselben nur an Osmiumpräparaten und möge daher eine unzureichende Darstellung entschuldigt sein. Von oben betrachtet (Fig. 75) erscheint der Höcker als ein aus dunkel gebräunten Zellen gebildetes Feld, in welchem eine ovale lichtere, von einem schwachen, aber deutlichen Contour begrenzte Stelle hervortritt. In dieser, welche den Gipfel des Höckers bildet, findet sich eine Scheibe. Letztere ist aus dunklen Punkten gebildet, die wahrscheinlich die Ausführungs- gänge ebenso vieler Drüsenzellen bezeichnen. Von der Seite (Fig. 76) sehen wir die Cuticula über der mittleren ovalen Stelle verdünnt, unter derselben eine Zellmasse, welche oben einige Streifen zeigt, welche von oben gesehen als die dunklen Punkte erscheinen. Um diese mittlere Zellmasse sind die dunklen Zellen des Höckers sichtbar. Ich beobachtete die eben beschriebene Bildung bei Larven und vermochte dieselbe auch am erwachsenen Thiere nachzuweisen. Ich nehme diesen Höcker als Nackendrüse in Anspruch ; denselben 1) Für Darwin. Leipzig 1864. p. 50. 2) Zur Embryologie der Arthropoden. 1868 (mir nur aus Citaten bekannt). Ferner: Entwickelung und Organisation von Praniza (Anceus) maxillaris. Zeitsch. f. wiss. Zool. XX. Bd. 1870. p. 57. 8) Der Organismus der Phronimiden. Arbeiten aus dem zool. Institut der Universität Wien. II. Bd., 1. Heft. p. 33. Anm. Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 61 etwa als Zoeastachel zu erklären, fehlt jedes Recht, seitdem wir wissen , dass die Zoea keine phyletische Larvenform *) und der Rückenstachel ausschliesslich der Brachyurenzoea eigenthümlich ist. Auf Grund der beiden eben erwähnten Thatsachen und mit Rücksicht auf seine Form glaube ich den Höcker , welchen D öhr n2) am Embryo von Pandalus Narval beschrieb, gleich- falls als Nackenorgan bezeichnen zu können. Vielleicht ist ebenso das „Rudiment des Rückenstachels" an den Embryonen von Palinurus ein Nackenorgan; Dohrn3), welcher dasselbe be- schrieb, sagt selbst: „Das Ganze erinnerte mich sehr an die Ge- stalt des Haftorgans der Daphniden-Embryonen und der Evadne". Desgleichen wird das ebenfalls von Dohrn4) entdeckte Rücken- organ des Embryos von C u m a G o o d s i r i in die Reihe der Nackenorgane zu stellen sein. Wien, den 18. Mai 1879. 1) Vergl. C. Claus. Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen Grundlage des Crustaceensystems. Wien 1876. 2) Beiträge zur Kenntniss der Malakostraken und ihrer Larven. Zeitsch. f. wiss. Zool. XX. Bd. 1870. Dohrn nahm diesen Höcker als Stachelrudiment in Anspruch. Vergl. besonders dessen bereits citirten Aufsatz: Die Ueberreste des Zoeastadiums etc. p. 474. 3) Die Ueberreste des Zoeastadiums etc. p. 475. 4) Ueber den Bau und die Entwicklung der Cumaceen. Jenaische Zeitsch. V. Bd. 1870. p. 56. (263) Erklärung der Abbildungen. Erklärung der Buchstaben. P Primitivfurche. Pr Frontalorgan. L Leberhörnchen. M Mittelstrang. N Nackenorgan. N dr Nahrungsdotter. R Richtungskörper. S Seitenstränge. V Vorraum des Auges. W Primitivwulst. a 1 erste Antenne. an zweite Antenne. af After. br Branchialsäckchen . c f Connectivfasern. cftt centraler Fettballen des Nahrungs dotters. d h Dotterhaut, ec Ectoderm. en Entoderm resp. Mitteldarm, end Enddarm, f : erster Thoracalfuss. fn zweiter Thoracalfuss. fm dritter Thoracalfuss. fIV vierter Thoracalfuss. fv fünfter Thoracalfass. f t Hautfalte, von welcher das Auge über wachsen wird. Sämmtliche Figuren sind mit Hilfe gezeichnet. f z Fettkörperzellen. g Genitalanlage. gh J primäres Gehirn. gh " secundäres Gehirn. g 1 Ganglion. gm Gastrulamund. h Herz. h f hintere Fühlborsten. i m innere Membran der Ueberwachsungs- falte. m Mundöffnung, m d b Mandibel. ms Mesoderm. mx1 erste Maxille. m x n zweite Maxille. n a Nauplinsauge. ob Oberlippe. oe Oeffnung des Augenvorraumes, oes Oesophagus. p t primäre Tastborste der ersten Antenne, r Riechborsten. s c Schlundcommissur. seh Schale, seh d Schalendrüse. seh p Scheitelplatte, t Tastborste der zweiten Antenne. z a zusammengesetzte Augen. der Oberhäuser 'sehen Camera lucida (264) Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris. 63 Taf. I. Vergr. bei allen Figuren f. Fig. 1. Das Ei von Moina rectirostris, nachdem es in den Brutraum gelangt ist, von der Seite gesehen, im optischen Schnitt, fk Furchungskern. Fig. 2. Ei nach der Zweitheilung, von der Seite gesehen, gleichfalls im optischen Schnitt, mit eingezeichneter Furche an der Oberfläche. Fig. 3. Ei nach der Viertheilung, seitliche Oberflächenansicht. Fig. 4. Dasselbe Stadium im optischen Querschnitt, um die Anordnung des Nahrungsdotters zu zeigen. Fig. 5. Ei nach der Achttheilung, seitliche Oberflächenansicht. Fig. 6. Ei nach der nächsten Furchung. Dieselbe Ansicht wie in der vor- hergehenden Fig. Fig. 7. Ei nach abermaliger Furchung. Dieselbe Ansicht wie vorhergehend. Fig. 8. Dasselbe Stadium vom vegetativen Pol aus gesehen. Oberflächen- ansicht, In der Mitte liegt die Genitalzelle (g), unter ihr eine Zelle mit einer Kernspindel, vermuthlich die erste Anlage des Entoderms. Fig. 9. Ei nach abermaliger Theilung der Furchungskugeln, gleichfalls vom vegetativen Pol gesehen; die bilaterale Symmetrie tritt am Ei klar hervor, schon im vorhergehenden, mehr jedoch in den folgenden Stadien. Die Genitalzelle, ebenso die Zellen des Entoderms in Theilung begriffen. Fig. 10. Ei nach nochmaliger Furchung. Dieselbe Ansicht. Die Genital- anlage besteht aus zwei, das Entoderm aus acht Zellen. Fig. 11. Ei im nächsten Furchungsstadium ; gleiche Ansicht. Die Genital- anlage besteht aus 4, das Entoderm aus 16 Zellen. Fig. 12. Die Blastosphaera. Dieselbe Ansicht. In der Mitte die 4 Genital- zellen, sie im Bogen umstehend 12 Zellen, die Anlage des Mesoderms, im Begriffe in die Tiefe zu rocken. Dieselben sind schon zur Hälfte unter den Genitalzellen gelegen. Das Entoderm besteht aus 32 Zellen. Das Ectoderm wurde nicht dargestellt. Taf. II. Vergr. bei allen Fig. y-. Fig. 13. Das Gastrulastadium im optischen Längsschnitte. Fig. 14. Dasselbe von der Bauchseite aus gesehen; Oberflächenansicht. Die Ectodermzellen sind nicht eingezeichnet. Fig. 15. Dasselbe von der Rückenseite aus betrachtet. Oberflächenansicht. Nur die Scheitelplatte ist eingezeichnet. Fig. 16. Trochophorastadium, von der Bauchseite gesehen. Es ist unter das Ectoderm auf das mittlere und untere Keimblatt eingestellt, das Ectoderm am Rande im optischen Schnitt dargestellt. Fig. 17. Vorderansicht desselben Stadiums mit der Scheitelplatte. Fig. 18. Dasselbe Stadium im optischen Längsschnitt; von der Oberfläche ist bloss die Scheitelplatte eingezeichnet. Fig. 19. Das folgende Entwickelungsstadium mit der ersten Einschnürung, in Folge welcher der Embryo in ein Kopfsegment und einen hinteren Abschnitt (Anlage des Rumpfes) zerfällt. Ansicht von der Ventralseite im optischen Schnitt. Fig. 20. Dasselbe Stadium von der Seite gesehen , im optischen Schnitt ; an der Oberfläche die Scheitelplatte und die Anlage der 2. Antenne eingetragen. (355) 64 Dr. C. Grobben: Fig. 21. Das Naupliusstadium von der Bauchseite aus gesehen. Fig. 22. Dasselbe von der Seite im optischen Schnitt. An der Oberfläche Scheitelplatte und Extremitäten eingetragen. Fig. 23. Dasselbe vom Rücken gesehen; in der vorderen Hälfte Oberflächen- ansicht, in der hinteren im optischen Schnitt. Fig. 24. Richtungskörper des gelegten Eies von oben betrachtet. Taf. III. Vergr. bei sämmtlichen Fig. y. Fig. 25. Stadium mit bereits zwei Thoracalfussanlagen. Ventrale Ober- flächenansicht. Die Scheitelplatte ist verdickt (im optischen Schnitt dargestellt) ; die Genitalanlage in der Mitte eingeschnürt. m x r die Maxillarregion. Fig. 26. Dasselbe Stadium von der Seite gesehen. Der hintere Abschnitt des Embryos im optischen Schnitt, wie in der vorhergehenden Fig. Fig. 27. Stadium mit vier Thoracalfiissen und der ersten Anlage der Schale. Ventrale Oberflächenansicht. Die Anlage der Mandibel als Schwimmbein besonders deutlich. Die Genitalanlage hat sich in zwei Abschnitte getheilt Fig. 28. Dasselbe Stadium von der Seite gesehen. Fig. 29. Das nächste Entwickelungsstadium von der Ventralseite aus besehen, alle 5 Thoracalfüsse, ebenso die erste Maxille sind angelegt. e bezeichnet den äusseren Ast, i den inneren Ast der Thoracalfüsse; die bei- geschriebene römische Ziffer die Zugehörigkeit zu dem ersten, zweiten etc. Beinpaare. Fig. 30. Embryo im folgenden Entwickelungszustand. Es sind zwei Maxillar- paare angelegt. Ventrale Oberflächenansicht. Fig. 31. Dasselbe Stadium von der Seite gesehen. Fig. 32. Dasselbe Stadium in der Rückenansicht. Taf. IV. Fig. 33. Das nächstfolgende Entwickelungsstadium, in welchem die ursprüng- liche Anlage der Mandibel als Fuss noch als Taster (mdbt) an dem an der Innen- seite sprossenden Mandibelladen (mdbl) nachweisbar ist. y. Fig. 34. Embryo zur Zeit, in welcher das Auge von der Hautduplicatur (f t) überwachsen wird. An der zweiten Maxille ist eine Oeffnung bemerkbar, die Mün- dungsstelle der Schalendrüse, y. Fig. 35. Dasselbe Entwickelungsstadium von der Seite gesehen. y. Fig. 36. Embryo in dem Entwickelungsstadium , wo die Ueberwachsung der Augen erfolgt ist, und in den letzteren das Pigment sich entwickelt. An der ersten Antenne eine lange Sinnesborste (pt). Die Bauchseite zeigt eine tiefe, hinten sich verbreiternde Furche, y. Fig. 37. Embryo, einige Zeit vor dem Ausschlüpfen; etwas schwächere Ver- grösserung. Fig. 38. Geschlechtsorgan eines ausgeschlüpften Embryos. Fig. 39. Schalendrüse von Moina rectirostris. y. AS ampullenförmiges Ende der Drüse, a vorderer, a1 hinterer Schenkel der Innenschleife, a1Jund am Schenkel der dorsalen Nebenschleife; b hinterer, b * vorderer Schenkel der Aussenschleife ; d Endschleife. Fig. 40. Schalendrüse eines Embryos von Daphnia pulex. y, EntwickeluDgsgeschichte der Moina rectirostris. 65 Die Bezeichnung wie in der vorigen Figur, c und c1 Schenkel der ventralen Neben schleife; bri Branchialsäckchen des ersten Thoracalfusses. Fig. 41. Schalendrüse von Daphnia sima. — , Buchstahenbezeichnnng wie früher. Taf. V. Fig. 42. Querschnitt durch den hinteren Abschnitt des Nauplius von Moina , . 030 rectirostris. r. Fig. 43. Querschnitt durch die Mandibularregion des Nauplius von Moina , ... «so r rectirostris. — • Fig. 44. Querschnitt in der Herzgegend durch einen Embryos von Moina paradoxa aus dem in Fig. 36 abgebildeten Entwickelungszustand. ~. Fig. 45. Querschnitt durch die Mandibel eines Embryos von Moina para- doxa in dem in Fig. 33 abgebildeten Stadium, t- mdbl Mandibelladen, mdbt Mandibulartaster. Fig. 46. Längsschnitt durch die Dorsalwand eines Embryos von Moina paradoxa aus dem Stadium Fig. 33. t- Fig. 47. Querschnitt durch einen Embryo von Moina rectirostris aus dem Stadium Fig. 30. Der Schnitt geht durch das zweite Maxillarsegment. Die Schalendrüse stösst scharfbegrenzt gegen das Ectoderm. ™. Fig. 48. Genitalanlage eines Embryos von Moina paradoxa aus dem Ent- wickelungsstadinm Fig. 33. t . Fig. 49. Querschnitt durch einen Embryo von Moina paradoxa aus dem Stadium Fig. 29. Der Schnitt geht durch den Mund und die erste Antenne, t. Fig. 50. Längsschnitt durch einen Embryo von Moina paradoxa aus dem Stadium Fig. 33. Der Schnitt geht neben der Mittellinie durch den einen Seiten- U30 sträng. , . Fig. 51. Querschnitt durch den Bauchstrang und Darm eines Embryos von Moina rectirostris aus dem Entwickelungsstadium Fig. 36. Der Schnitt geht durch das zweite Thoracalsegment. — . Fig. 52. Desgleichen. Schnitt durch das folgende 3. Thoracalsegment. t- Fig. 53. Desgleichen. Schnitt durch das 4. Thoracalsegment. ~. Fig. 54. Ende des Mesodermstreifens (mse) eines Nauplius von Moina rectirostris. — . Fig. 55. Körperende einer Larve von Branchipus mit dem Ende des Mesodermstreifens , an welchem jederseits eine grössere Zelle (m s z) zu be- obachten ist. — . Taf. VI. Fig. 56. Junge Sida crystallina beim Verlassen des Brutraumes mit den dreierlei Nackenorganen. — . N provisorisches Nackenorgan. N1 unpaares hufeisenförmiges Nackenorgan. N n das paarige Nackenorgan. Nr. 57. Das zusammengesetzte Auge einer ausgeschlüpften Moina para- doxa. Der Vorraum des Auges enthält noch keine Cuticulae. ™. Fig. 58. Der Vordertheil einer Larve von Estheria spec? t- Fig. 59. Ein Entwickelungsstadium von Sida cry stalli na mit der primären Sinnesborste an der 1. Antenne, von der Bückenseite betrachtet. Fig. 60. Die erste Antenne einer vor dem Ausschlüpfen befindlichen Daphnia p u 1 e x. Starke Vergr. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 19 (267) 66 Dr. C Grobben: Entwicklungsgesch. d. Moina rectirostris. Fig. 61. Späteres noch naupliusähnliches Entwickelungsstadiuui von Cyclops s errulatus. — . Fig. 62. Vorderes Körperende von Er g as il u s Si ebo 1 dii. — . Fig. 63. Das zusammengesetzte Auge von Sida crystallina. '—. Fig. 64. Das zusammengesetzte Auge einer erwachsenen Moina rectiro- stris. Im Vorraum des Auges finden sich zahlreiche Cnticulae vor. — . Taf. VII. Fig. 65. Der vordere Theil des Kopfschildes mit den zusammengesetzten Augen eines erwachsenen Apus spec. ? Rückenansicht. — . Sr der vordere Rand des Schildes. Fig. 66. Derselbe Theil des Kopfschildes einer ziemlich weit vorgeschrittenen Larve von Apus. Rückenansicht Y- Fig. 67. Fast medianer Längsschnitt durch die Anlage des zusammengesetzten Auges derselben Larve, -p- Fig. 68. Vorderer Theil des Kopfschildes einer ziemlich jungen Larve von Apus. Rückenansicht. Die zusammengesetzten Augen sind im ersten Entstehen. — . Fig. 69. Vorderer Theil des Kopfschildes einer sehr jungen Larve von Apus. Rückenansicht. V- Fig. 70. Derselbe Theil des Kopfschildes dieser Larve von der Seite gesehen im optischen Schnitt. ", . Fig. 71. Die Rückenseite des Kopfes von Limnetis braehyurus. — . Fig. 72. Das zusammengesetzte Auge von Estheria ticinensis, von der Seite gesehen, -'f. Fig. 73. Der Kopf von Estheria cy clad oi'des? von der Seite ge- sehen, t. Fig. 74. Eine Euphausialarve mit Nackenorgan. , • Fig. 75. Das Nackenorgan derselben Euphausialarve in der Ansicht von , 520 oben. — . Fig. 76. Dasselbe Nackenorgan in der Seitenansicht. — . Die Gattung Lernanthropus. Mit 5 TaiV'hi. Von stud. phil. Carl Heider. Im Jänner 1877 theilte mir Herr Professor Claus mit, dass er das bis jetzt noch nicht bekannte Männchen von Lernanthropus trigonocephalns, sowie an dem Weibchen von L. Gisleri ein ßecepta- culum seminis von besonderer Form gefunden habe, und forderte mich auf, dieses Genus einer eingehenderen Untersuchung zu unter- ziehen. Die Untersuchungen, deren Ergebnisse im folgenden zu- sammengestellt sind, wurden hierauf in den folgenden Monaten im zoologisch-vergleichend-anatomischen Institut der Wiener Univer- sität durchgeführt, und zwar an conservirtem und an lebendem, von Triest zugeschicktem Material und dann im September 1878 an der zoologischen Station zu Triest zum Abschluss gebracht. Ich fühle mich verpflichtet, dem Herrn Prof. Dr. C. Claus für die Anleitung und Unterstützung, welche er mir bei diesen Ar- beiten zu Theil werden Hess, meinen innigsten Dank auszusprechen. Vielen Dank schulde ich auch dem Herrn Dr. E. Gräffe, In- spector der zoologischen Station zu Triest, für die meinen Unter- suchungen durch ihn zu Theil gewordene Unterstützung. Durch die Zuvorkommenheit, mit welcher Herr Dr. Stein- dachner, Director des Wiener Hofmuseums, und Herr Dr. Koelbel, Assistent daselbst, mir die Besichtigung und Unter- suchung der im Wiener Museum aufbewahrten Exemplare von Lernanthropus-Arten gestatteten, wurde es mir ermöglicht, meine Untersuchungen auch auf die fremdländischen Arten dieser Gattung Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. _, 20 (269) 2 Carl Hei der: auszudehnen. Ich erlaube mir daher, auch diesen Herren öffentlich meinen Dank auszusprechen. In gleicher Weise fühle ich mich dem Herrn Custos Dr. Marenzeller, welcher mir bei Beschaf- fung der Literatur seine gütige Hilfe angedeihen Hess, zu lebhaftem Danke verpflichtet. Wenn man auf dem Triester Fischmarkt die Kiemen der vorhandenen Fische aufmerksam absucht und besonders auf Lab- rax lupus, Umbrina cirrosa, Chrysophrys aurata, Corvina nigra und Serranus Scriba Acht hat, so kann man fast stets mit Be- stimmtheit darauf rechnen, einige Exemplare von Lernanthropus zu Gesicht zu bekommen. Am häufigsten findet sich L. Gisleri, seltener L. Kröyeri; L. tr igonocephalus aber ist nur spärlich zu finden. Leider sind die Thiere nicht immer in für die Untersuchung günstigem Zustand. Um lebende Lernanthropen zu erhalten, muss man möglichst frische Fische absuchen. Man bemerkt dann, dass diese Schmarotzerkrebse durchaus nicht so unbeweglich sind , wie viele andere parasitische Copepoden. Hat man die Thiere mittelst eines Pinsels von allem anhängenden Schleim und Schmutz gereinigt und in frisches Seewasser ge- bracht, so kann man sie wohl ein bis zwei Tage darin lebend erhalten, wenn man darauf achtet, dass die Schale, in welcher sie aufbewahrt sind , durch eine Glasplatte vor hineinfallendem Staub geschützt ist. Dann kann man die Thiere beobachten, wie sie ihre Lappen und Zipfel kräftig einziehen und ausstrecken, wegspreitzen und an den Leib anlegen. Reizt man sie mit einer Nadel, so krümmen sie ihren Körper heftig hin und her und schlagen ganz tüchtig herum. Trennt man ein Männchen von dem Weibchen, dem es anhängt, so geberdet es sich sehr unwillig, und kriecht hurtig zum nächsten Weibchen, um sich schnell an dasselbe anzuklammern. Auffallend ist die geringe Zahl, in der sich die Männchen vorfanden. Oft war eine Corvina mit gegen 20 Weibchen von L. Gisleri besetzt und dann fanden sich meist 2, nie über 3 Männchen. An Labrax lupus hingegen fanden sich gewöhnlich nur etwa ein halbes Dutzend Weibchen von L. Kröyeri und 1 bis 2 Männchen. Auch L. trigonocephalus trat meist in geringerer Zahl auf. Wenn man so ein lebendes und frisches Thier in Seewasser unter das Mikroskop bringt und das aufgelegte Gläschen durch zwei Die Gattung Lernanthropus. 3 Korkstückchen unterstützt, so kann man vieles am lebenden Thier untersuchen. Weitere Aufschlüsse ergiebt das Zerzupfen des frischen Thieres unter der Präparationslupe. Vieles aber kann man nur mittelst der Anwendung verschiedener Methoden zu Gesicht bekommen. Als Macerationsmittel wurde 0*05 % Chromsäure und Müller'sche Lösung angewendet. Zur Anfertigung von Schnitten erwies sich einfache Härtung in Alkohol oder nach voraus- gehender Behandlung mit Chromsäure oder Pikrinsäure als vor- theilhaft. Zur Einbettung wurde Parafin oder Eiweiss (nach der von Selenka im I. Band des zoologischen Anzeigers empfoh- lenen Methode) mit Vortheil verwendet. Es gelang nicht, das ganze Thier einer Behandlung mit Farbstoffen zu unterziehen, und so mussten denn die einzelnen Schnitte einer Färbung mit Carmin unterworfen werden, bei welchem umständlichen Verfahren oft die Schnitte selbst wieder zerbröckelten. Die Goldchloridmethode erwies sich als sehr unsicher. Gelang sie aber, so gehörten die angefertigten Schnitte zu den besten und brauchbarsten. — I. Allgemeine Körperform. In den Copepoden liegt uns ein Zweig des Entomostraken- Stammes vor, welcher von den wahrscheinlich ursprünglich im Schlamme der Gewässer und am Grunde des Meeres lebenden Ur- formen (Urphyllopoden) aus sich zu immer freierer Beweglichkeit und zu höher entwickelten Formen durch Anpassung an das pela- gische Leben herausbildete *). Die ganze Gestaltung des Copepoden- Leibes spricht für diese Auffassung. Die meist ellipsoidische, lang- gestreckte Form des Leibes, welche sich nach vorn und hinten verschmälert, das gegliederte und spitz auslaufende, als Steuer- ruder fungirende Abdomen, die Vermeidung aller umfänglichen Hautduplicaturen — Alles das weist auf einen rüstigen Schwimmer hin. Das Gleiche bezeugen die Gliedmassen. Die vordem Antennen erscheinen als Sinnes- und Bewegungsorgane reich gegliedert, die hintern Antennen haben ihre ursprüngliche Function im Wesent- lichen noch beibehalten und während die übrigen zum Kopfe herangetretenen Beinpare sich dem Ergreifen und Zerkleinern der Nahrung zuwendeten, zeigen sich die fünf am Thorax befestigten Paare von Gliedmassen als kräftige, zweiästige, mit langen Borsten ') Claus, Geneal. Grundlage des Crnstaceen-Systems. pag. 75 u. f. 20* (271) 4 Carl Heider: besetzte Ruder. — Während sich so ein Theil der Copepoden Hand in Hand mit der Vervollkommung des Nervensystems und der Sinnesorgane zu immer höher entwickelten beweglichen Formen umbildete, zeigt ein anderer Theil die entschiedene Tendenz, die erlangte Beweglichkeit wieder aufzugeben, sich festzusetzen, die freie Lebensweise mit dem Commensalismus oder Parasitismus zu vertauschen und damit auch zu immer tieferen Lebens- und Ent- wicklungsstufen herabzusinken. Schon Cyclops1) zeigt die Neigung, sich vermittelst der Klammerborsten der zweiten Antenne an Pflanzentheilen zeit- weilig vor Anker zu legen. In der Familie der Corycaeiden finden wir schon t heilweise parasitische Lebensweise vor. Hier beginnt die zweite Antenne die Gestaltung eines Klammerorganes anzunehmen. Diese und verwandte Formen2) führen uns zu den echten parasitischen Copepoden hinüber, welche eine stete Reihen- folge von Rückbildungen aufweisen, bis wir endlich vor Formen stehen, deren Gestalt so sehr verändert ist, dass ihre ersten Be- schreiber zweifelhaft sein konnten, ob sie den Parasiten zu den Würmern oder Arthropoden zu stellen hätten. — Und wie die Copepoden während ihrer Entwicklung als Larven eine stetige Reihenfolge vom Einfachen und Ursprüng- lichen zum Zusammengesetzten und Gegliederten zeigen, so bietet sich uns in den Familien, Gattungen und Formen der Schmarotzer unter den Ruderfüsslern eine stete und ununterbrochene Folge von Rückbildungen, von Entwicklung des Einfacheren aus dem Complicirten, Rückbildungen, welche mit der erstgenannten Reihe in dem Grade gleichlaufend sich darstellen, dass wir bei genauer Betrachtung die Einheit beider Reihen erkennen, von denen die eine in aufsteigender Ordnung vom Nauplius zum freilebenden Copepoden, die andere in absteigender Ordnung von Cyclops und Corycaeus zu Formen verläuft, welche in Folge der schmarotzen- den Lebensweise morphologisch immer mehr und mehr rückgebildet, auf die Organisation der Larvenstadien herabgesunken sind. Diesen Gedanken hat Claus schon 1860 bestimmt aus- gesprochen 3) und durch eine eingehende Besprechung aller Familien der schmarotzenden Copepoden vom vergleichenden Standpunkt begründet. Der besprochene Aufsatz war — meines Wissens — der erste Versuch, alle Familien der Ruderfüssler unter ein gemein- ') Claus. Freilebende Copepoden. pag. 25. -) Ebendas. pag. 81. ') Claus. Zur Morphologie der Copepoden. 272) Die Gattung Lernanthropus. 5 sames Schema zu vereinigen, die Gleichwertigkeit der Glied- massen und Segmente für alle Copepoden darzustellen und die bei den einzelnen Familien sich findenden Abweichungen von einem gemeinsamen leitenden Gesichtspunkte aus zu betrachten. In der erwähnten Abhandlung wurde von Claus aufs Be- stimmteste der Nachweis geliefert, dass die Rückbildung in Folge des Parasitismus genau denselben Weg einschlägt, welchen die Entwicklung der Copepodenlarve in umgekehrter Richtung durch- macht. Wie an der Copepodenlarve die Gliederung von vorne nach rückwärts fortschreitet J), so dass auf das Naupliusstadium, welches wesentlich die Kopfsegmente repräsentirt, Stadien folgen, in denen die Segmente des Thorax und dann successive die des Hinterleibes gebildet werden , and wie bei dieser Entwicklung die Glied- massenpaare in der "Weise hervorsprossen, dass die vordersten Glied- massenpaare zuerst angelegt werden, und die weiter nach hinten gelegenen Paare sich in steter Aufeinanderfolge nach Entwick- lung des vorhergehenden Paares bilden, so sehen wir umgekehrt bei den schmarotzenden Ruderfüsslern, dass die Rückbildung zu- erst die Segmente des Hinterleibes und den Hinterleib als Ganzes erfasst und sich bei weiterem Fortschreiten auf den Thorax und das Kopfbruststück erstreckt, und dass die im Larvenleben zu- letzt angelegten Beinpaare zuerst von der Rückbildung beziehungs- weise Umwandlung erfasst werden. Ein schönes Beispiel hievon zeigt sich uns gerade in der Gattung Lernanthropus. Hier ist der Hinterleib sehr stark verkümmert, als ein kleiner, ungegliederter Anhang das Ende des Leibes bildend und kaum als selbstständiger Theil des Körpers zu unterscheiden (Fig. 29, AbdA Der Thorax hat seine Segmentirung verloren und nur beim Männchen lassen sich die einstmaligen Grenzen der Ringe unterscheiden. Die Thoracalbeinpaare sind aber noch erhalten. Meist finden sich vier Paare , bei einzelnen Species aber lässt sich noch ein fünftes, kleines und letztes Bein- paar am Thorax erkennen. Aber nur die zwei ersten Thoracal- beinpaare zeigen noch annähernd die für die Ruderfüssler be- kannte Gestalt (Fig. 1, Rf1, Rf2). Die zwei oder drei letzten Paare sind umgebildet und in Form von schlauchförmigen Anhängen oder lappigen Gebilden entwickelt (Fig. 29, Rf3, Rf4). Von geringerer Bedeutung sind die Umwandlungen, welche das Köpf- te laus. Geneal. Grundlage des Crastaceen-Systems. pag. 75. Freilebende Copepoden pag. 79 -SO u ff. 6 Carl He i der: bruststück erfahren hat. Noch stellt es sich uns in seiner bekannten, schildförmigen, gewölbten Gestalt dar. Ja die seitlichen Lappen sind sogar bei den Weibchen ziemlich bedeutend entwickelt. Auf- fällig muss es erscheinen, dass der beide Fühlerpaare tragende vorderste Körpertheil von dem übrigen Kopfbruststück durch eine tiefe Furche abgetrennt wird, so dass das Kopf bruststück in zwei Theile getrennt ist, eine Bildung, die vielleicht in der Befesti- gung des Thieres mittelst des zweiten Antennenpaares ihre Be- gründung hat. Die am Kopfbruststück befestigten Beinpaare sind sämmtlich wohl und deutlich entwickelt und zum Zwecke der schmarotzenden Lebensweise umgeformt. Der Körper des Lernanthropus zeigt eine länglich ellipsoi- dische, mehr oder weniger sackförmige Gestalt. Es ist an ihm eine eigentliche regelmässige Gliederung nicht mehr wahrnehmbar, aber er theilt sich durch Querfurchen in eine Anzahl gesonderter Abschnitte. Der vorderste dieser Abschnitte, welcher die beiden Fühler- paare trägt, sondert sich von dem folgenden durch eine deutliche über den Bücken ziehende Querfurche. An der Bauchseite ist dieser erste Abschnitt abgegrenzt durch eine dicht hinter jener Querleiste folgende Furche, an welcher Querleiste sich das zu mächtigen Klammerhaken umgewandelte zweite Fühlerpaar an- setzt. Dieser erste Körper abschnitt trägt ausser den beiden Fühler- paaren (Fig. 1, A', A") noch ein Paar von Erhebungen, welche nicht als Gliedmassen gedeutet werden können (Fig. 1 x, Fig. 29 x, Fig. 67 x). Zwischen den Ursprungsstellen des ersten und zweiten Fühlerpaares entspringt nämlich ein Paar von Fortsätzen mit ver- breiterter , oft knollig aufgetriebener Ursprungsstelle , um jedoch bald in eine fein ausgezogene und spitz zulaufende Verlängerung überzugehen, welche an Länge den Fühlern des ersten Paares gleichkommen kann. — Am Rücken dieses vordersten Körper- abschnittes treffen wir in der Mitte hinter dem Ursprung des ersten Antennenpaares — also in jener Gegend, welche wir den Scheitel nennen könnten — vier ganz regelmässige in einem Trapez gestellte hellglänzende Punkte, welche sich bei genauer Betrachtung als die Ursprungsstellen von vier Tastborsten er- kennen lassen. Der Lage nach wäre (Fig. 29, Fr) ein Vergleich dieser vier Tastborsten mit dem bei anderen Copepoden beobach- teten frontalen Sinnesorgan 2) wohl zulässig. Zwischen diesen vier ') Claus. Freilebende Copepoden pag. 55, Taf. VII (274) Die Gattung Lernanthropns. 7 im Trapez gestellten Tastbörstchen findet sich ein lichter unregel- mässig geformter Streif, welcher vielleicht von einer Verdickung des Chitinpanzers herrührt. Bald hinter dieser Stelle folgt die diesen Körperabschnitt nach hinten begrenzende Querfurche, welche aus einer dünneren Stelle des Panzers gebildet ist. Dieser zartere Ring oder Gürtel ist nach vorne und hinten durch eine Grenze be- zeichnet, durch welche er sich gegen die dickere Körperhaut ab- setzt. In der Mitte des Rückens nun ziehen diese beiden Grenzen nicht mehr, wie sonst überall mit einander gleichlaufend, sondern die vordere macht eine Ausbiegung nach vorne zu , die hintere eine entsprechende Ausbiegung nach rückwärts, so dass dadurch eine Mulde oder Vertiefung entsteht, in welcher ein heller, das Licht stark brechender Stab liegt. Diese Verdickung des Panzers ist meist von länglicher (Fig. 29, Gst) in der Mitte verbreiterter, an den Enden abgestutzter Gestalt und zeigt an ihrem vorderen Ende häufig eine leichte Verengerung, welche den etwas breiteren vorderen Endtheil wie ein kurzer Hals trägt. Die Bedeutung dieses auch bei anderen parasitischen Cope- poden sich findenden Gebildes kann wohl kaum zweifelhaft sein. Es dient offenbar zur festeren und der Richtung nach bestimmteren Einlenkung des folgenden Körperabschnittes in diesen • ersten. Da der gesammte Körper des Thieres mittelst der an diesem ersten Abschnitt befestigten Greifarme an den Kiemen seines Wirthes befestigt ist , so ist es einleuchtend , dass gerade dieses Gelenk von besonderer Wichtigkeit für das Thier sein muss. Durch die beschriebene Einrichtung scheint mir aber das Gelenk so entwickelt, dass eine Bewegung der beiden miteinander ver- bundenen Körpertheile nach der Seite zu und gegen oben oder gegen den Rücken zu möglichst verhindert wird , hingegen eine biegende oder streckende Bewegung des Thieres in jene Ebene ge- richtet wird, durch welche das Thier in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften getheilt wird. Ausserdem scheint mir dieser Gelenksstab eine Drehung der beiden Körper abschnitte in der Längsachse gegen einander in gewissem Sinne zu ermöglichen , bei welcher dann dieser Stab den Drehungsmittelpunkt einnehmen würde. Es dürfte also für dieses Gebilde die Bezeichnung Gelenksstab wohl als eine passende erscheinen. Der nun folgende Körperabschnitt besteht aus den ver- schmolzenen übrigen Kopfsegmenten und dem ersten Thoracalring. — Er ist von ovaler länglicher Gestalt und am Rücken besonders gewölbt , indess die Bauchseite flach ist. Zu beiden Seiten ver- (275) 8 Carl Heider: breitert sich dieser Körpertheil schildförmig durch auf beide Seiten vorragende Verdopplungen der Körperwand (vgl. Fig. 1). Die- selben sind jedoch gegen den Bauch herab gekrümmt und um- geschlagen. An der Bauchseite trägt der Abschnitt die Mund- werkzeuge und das erste zweiästige Ruderfusspaar. Hinter den zu Greifarmen umgewandelten Fühlern des zweiten Paares (Fig. 1, A") folgt ein Paar rundlicher oder knopfförmiger Ausstülpungen (Fig. 1, y). Hinter denselben in der Mitte erhebt sich dann der aus Oberlippe und Unterlippe gebildete Rüssel (Fig. 1 R , Fig. 2 R) , welcher die neben ihm entspringenden schmalen, säbelförmigen Oberkiefer (Fig. 1, Fig. 2, Md) in sich auf- nimmt. Neben dem Rüssel stehen die tasterförmigen Unterkiefer (Mx), worauf nach hinten zwei Kieferfusspaare folgen (Mf1, Mf2). Hinter dem ersten Ruderfusspaare ist dieser Körperabschnitt durch eine Furche abgeschlossen, welche sich auch über den Rücken hinzieht (vgl. Fig. Gl u. 64). Die beiden beschriebenen vorderen Abschnitte des Körpers bilden zusammen das Kopf- bruststück. Es folgt nun ein Abschnitt, welcher die verschmolzenen Glieder des Bruststücks darstellt und an welchen sich der ganz kleine Hinterleib anscliliesst (Fig. 29, Abd). Dieser Abschnitt, an Länge die beiden vorderen übertreffend, zeigt sich von ebenso ovaler, am Rücken gewölbter Gestalt, wie der vordere Abschnitt, doch wird er gegen rückwärts zu allmälig flacher. Er trägt am Bauch noch ein dem vorderen ganz ähnlich gestaltetes Ruder- fusspaar (Fig. 1, Rf2) und dann zwei 'oder drei Paare von umge- wandelten Ruderfüssen (Rf3, Rf*, Rf-), welche in Gestalt von lappenförmigen Fortsätzen auftreten. Schon Gerstäcker1) hat diese Lappeirpaare mit Recht als metamorphosirte Ruderfuss- paare in Anspruch genommen. Hinter dem letzten derselben verschmälert sich der Körper plötzlich und geht allmälig in den kurzen Hinterleib über (Fig. 29 Abd), von dem fast nur mehr jener Tkeil erhalten ist, welcher die Geschlechtsöffnungen (gö) trägt, indem der Körper des Thieres hinter den Geschlechtsöffnungen kurz und abgestutzt abschliesst. Dort setzen sich zwei kleine Fortsätze an, durch welche die für alle Copepoden so bezeichnende Schwanz gabel dargestellt ist. An der Bauchseite am Ende ]) Gerstäcker. Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen im Gebiete der Entomologie während des Jahres 1857. Archiv für Naturgeschichte. 1858 II. Bd. 24. Jahrgang. Seite 472. (276) Die Gattung Lernanthropus. 9 des Hinterleibs, also in der Mitte zwischen den Ursprungsstellen der beiden Gabelfortsätze , liegt der in Form einer Längsspalte sich öffnende After (An). Jener Körperabschnitt , welcher die Ringe des Bruststücks in sich verschmolzen enthält, trägt in der Regel keine seitlichen, schildförmigen Verbreiterungen. Hingegen findet sich beim Weib- chen dieser Gattung eine grosse schildförmige Platte an der Rückenseite dieses Körpertheils vor der Ursprungsstelle des Hinterleibs angefügt , welche aus einer flächenartigen Vorragung der verdoppelten Rückenhaut besteht und pich über den kleinen Hinterleib schildförmig herüberwölbt. Zahlreiche in diesem Rücken- lappen sich findende Blutbahnen machen es wahrscheinlich, dass derselbe — wie die lappenförmig umgewandelten Ruderfüsse — Vergrösserungen der Körperoberfläche zum Zwecke der Athmung darstellt. Andererseits werden wir durch den Umstand, dass der besprochene Rückenlappen sich nur bei den Weibchen vorfindet und sich bei Lernanthropus trigonocephalus so vergrössert , dass er die kurzen Eiersäcke ganz überdeckt , an jene Verdopplungen der Rückenhaut erinnert, welche bei der Familie der Notodel- phyiden den Matricalraum bilden. Jene beiden kurzen Glieder, welche sich an den Hinterleib ansetzen und die Schwanzgabel bilden, sind von Gestalt länglich oval, nach hinten etwas verschmälert, schliesslich etwas abgerundet und tragen an ihrem Ende meist zwei spitzige Fortsätze, sowie auf ihrem Rücken sehr starke Tastborsten , welche auf einer warzenförmigen Verdickung des Panzers aufsitzen. Von den zu den spitzen Endstummeln und zu den rückenständigen Tastborsten tretenten Nervenfasern soll noch später die Rede sein. Die Farbe des lebenden Lernanthropus schwankt zwischen einem dunklen Rothgelb und einem tiefen Rothbraun und wechselt sowohl nach der Art als auch nach den einzelnen Individuen nicht unerheblich. Von den Arten, welche ich lebend untersuchen konnte, ist der kleine, flache L. trigonocephalus am hellsten ge- färbt. L. Kröyeri und L. Gisleri sind bedeutend dunkler. Uebrigens mag die Farbe sehr von Ernährungsverhältnissen abhängig sein, da der rothgelbe Farbstoff vorzugsweise an die Blutflüssigkeit gebunden erscheint. Conservirte Exemplare hatten ihre roth- gelbe Farbe zum Theil oder völlig verloren und waren ganz aus- gebleicht. Ausserdem konnte man am lebenden Thier auch die Umrisse der mit Eiern erfüllten Eileiter bemerken. Dieselben zeigten sich 30 Carl Heider: im durchfallenden Lichte ganz dunkelschwarz; im auffallenden hingegen erschienen sie weiss. Bei den Männchen zeigte sich die Spermatophorentasche als ein deutlicher, durchscheinender Fleck. Gliedmassen. Die Gliedmassen, deren allgemeine Anordnung wir schon im Früheren erwähnt haben, zeigen in allen Einzelheiten den Einfluss der festsitzenden und schmarotzenden Lebensweise. Sie lassen sich aber leicht unter das für alle Copepoden giltige Schema einordnen, besonders wenn wir dieCorycaeiden, welche eine vermittelnde Stellung einnehmen, zum Vergleiche heranziehen. In der That zeigt sich hier die auch an anderen Organen (Geschlechtstheile) sich findende auffallende Gleichheit zwischen Corycaeus und Lern- anthropus in so ausgedehnter Weise, dass wir Gliedmasse für Gliedmasse die Uebereinstimmung beider Formen nachweisen können und beobachten, wie Lernanthropus in jedem einzelnen Falle jene Bildungswege, welche Corycaeus eingeschlagen, in verstärktem Masse zum Ausdruck bringt. Als eine directe Folge des Schmarotzerthums ist es wohl zu betrachten, dass die Gliederung der einzelnen Gliedmassen bei Lernanthropus rückgebildet erscheint, dass alle umfänglichen Haare und Borsten , welche zum Rudern , Strudeln und Fangen dienen, verloren gegangen sind, dass die Mundtheile zu saugenden und stechenden geworden sind, dass manche Gliedmassen gänzlich rückgebildet und andere zu Klammerhaken umgewandelt wurden und dass schliesslich die letzten Ruderfusspaare die Umwandlung zu lappenförmigen Fortsätzen eingingen. Die Fühler des ersten Paares (Fig. 1 A', Fig. 4) zeigen eine für die einzelnen Arten verschiedene Zahl von kurzen, ringförmigen, aneinander gereihten Gliedern, von denen die meisten mit starken Borsten besetzt sind, welche nach oben und aussen wegstehen. Besonders am letzten und vorletzten Fühlergliede finden wir einen starken Besatz mit Tastborsten. Da der erste Fühler wenig Beweglichkeit zeigt, und auch seine Muskeln sehr gering entwickelt sind, so ist es erklärlich, dass bei einigen Arten selbst die Grenzen zwischen den einzelnen Gliedern undeutlich werden. Die Fühler des zweiten Paares (Fig. 1 A", Fig. 16) hingegen sind mächtig in Form von Greifarmen entwickelt und zeigen sich aus zwei Gliedern zusammengesetzt, aus einem mäch- tigen, bauchig aufgetriebenen, kegelförmig gestalteten Hauptgliede Die Gattung Lernanthropus. 11 und aus einer starken, hakenförmig gekrümmten Endklaue. Das nach aussen vorgewölbte Hauptglied lässt aber noch durch Falten und Chitinleisten an seiner Ursprungs stelle die Andeutungen eines mit ihm verschmolzenen und undeutlich erkennbaren, ringförmigen Grundgliedes bemerken , welches wir bei Corycaeus noch er- halten finden. Die Endklaue ist ebenfalls mächtig entwickelt und zeigt nach innen eine bauchige Vorwölbung, an der zwei kurze Fortsätze sitzen, die auch schon bei Corycaeus auftreten1) (Fig. 16 F). Am Hauptgliede findet sich an der Innenseite auf einer kleinen Vorwölbung ein kleiner, oft nur undeutlich erkenn- barer Fortsatz (Fig. 16 F'). Das nun folgende Gliedmassenpaar, die Oberkiefer (Man- dibeln) (Fig. 1, 2 Md) ist in den aus Oberlippe und Unter- lippe (Paragnathen) gebildeten Rüssel eingeschlossen, und bildet mit demselben (Fig. 1, 2 R) einen Stech- und Saugapparat. Oberlippe und Unterlippe sind zwei längliche, nach vorn verschmä- lerte Ausstülpungen der Leibeswand, deren Form die einer Platte ist, welche , an ihrer Grundlinie dem Körper eingelenkt , mit an- fangs ziemlich gleichlaufenden Seiten begrenzt ist, später jedoch sich ziemlich rasch nach Vorne verschmälert, um mit einer abgerun- deten Spitze zu endigen. — An jenem Theil, an welchem die Seiten- ränder schon schräg gegeneinander laufen , besitzt die Unterlippe beiderseits ein nach vorn vorgebogenes und über die Oberlippe geschlagenes Läppchen, wodurch die Oberlippe und Unterlippe fest zu einem Rüssel aneinandergeschlossen werden. Natürlich bleibt bei dieser Einrichtung seitlich zwischen Ober- und Unter- lippe eine Spalte offen, und durch diese Spalte treten die ausser- halb des Rüssels entspringenden Oberkiefer in den Rüssel ein 2). Die Oberkiefer (Mandibeln) bestehen bei Lernan- thropns (Fig. 1 , 2 Md), wo sie zu säbel- oder dolchförmigen Stechwerkzeugen umgebildet sind, aus einem einzigen, gegen vorn zu spitz ausgezogenen Gliede. Am Grunde zeigt diese Glied- masse eine Verbreiterung, welche sich jedoch bald trichterförmig verengt. An dieser Stelle schon biegt sich der Oberkiefer so, dass die hohle Seite seiner Krümmung nach aussen, die gewölbte Seite derselben nach innen zu sieht. Nun behält das Glied diese sanft gekrümmte Richtung bei, bis gegen sein vorderes Ende, wo es sich nach aussen zu abgeknickt zeigt. Das letzte Stück der Glied- ') Claus, Freilebende Copepoden. Taf. XXVIII, Fig. 2, Taf. XXIV. 2) Vgl. C. Claus loc. cit., sowie Kurz. Ueber die Farn. d. Lernaeopodiden. pag. 419 u. 420. \2 Carl Heider: masse, welches nun auf die Knickung folgt, verläuft völlig gerade und zwar so, dass an den beiden Kiefern die inneren gegen ein- ander sehenden Seiten dieses Stückchens völlig einander gleich- laufen und zu einander passen. An dem letzten Stückchen dieses abgeknickten Theils des Oberkiefers sitzen einige kleine nach rück- wärts gerichtete Zähnchen, deren Zahl zwischen 6 und 20 schwanken kann, und zwar sind die am weitesten gegen das Ende gerückten stets etwas grösser, als die weiter unten stehenden. Die Unterkiefer (Maxillen), (Fig. 1, 2 Mx) welche gleich hinter dem Ansatz der Oberkiefer , dem Rüssel dicht genähert, mit ziemlich breiter Grundlage dem Körper aufsitzen, zeigen eine Zusammensetzung aus mehreren Gliedern und eine im Allgemeinen mehr tasterförmige Gestalt. Das Grundglied ist schon in zwei Hälften getheilt, in eine kleinere, dem Rüssel genäherte, und eine grössere, nach aussen zu gelegene. Die kleinere Hälfte trägt nichts als einen kleinen , kegelförmigen Fortsatz (Fig. 2 L), eine kurze, an ihrem Ursprung verdickte, gefiederte Borste. Die grössere Hälfte trägt ein nun folgendes, verlängertes Glied, das am Ende zwei klauenähnliche Fortsätze trägt , von denen stets der eine deutlich grösser ist. Bei Betrachtung dieser Gestalt des Unter- kiefers wird uns die Annahme nahegelegt, dass durch das ver- längerte, mit zwei Endborsten besetzte Glied der Taster des Unter- kiefers vertreten ist , während jener kleine kegelförmige Furt- satz, der auf der kleineren Hälfte des Grundgliedes, dem Rüssel genähert, aufsitzt , die Kaulade des Unterkiefers darstellt. Die nun folgenden beiden Kieferfasspaare (Fig. 1 Mf1, Ml'-), welche — wie die Entwicklungsgeschichte lehrt x) — aus einem einzigen Gliedmassenpaar hervorgegangen sind, zeigen sich ziem- lich übereinstimmend an Gestalt und Gebrauch. Sie sind als Klammerhaken entwickelt und bestehen aus einem starken, bauchig verbreiterten Grundglied , welches mittelst Chitinleisten an den Körper eingelenkt ist, und aus einer aus zwei Gliedern zusammengesetzten, starken und langen Endklaue. Das vordere oder erste Kief erfusspa ar (Fig. 1 Mf1) ist im Allgemeinen kleiner gebaut und schwächer als das zweite- Das Grundglied des ersten Kieferfusses ist schwach bauchig auf- getrieben ; an seinem nach aussen gelegenen Ende ist das zweite Glied dermassen eingelenkt, dass es in seiner normalen Lage gegen das Grundglied eingeschlagen erscheint. Dieses Glied ist ') Claus Freilebende CopepoJen. pag. (280J Die GattuDg Lernanthropus. 13 langgestreckt, fast ebenso lang wie das Grundglied und in seinem Verlauf schwach gebogen. An seinem Ende ist das dritte Glied, die Endklaue, in der "Weise eingesetzt, dass sie meist gegen das zweite Glied abgeknickt erscheint. Dieselbe ist hakenförmig gekrümmt und endet mit einer scharfen Spitze. An der hohlen Seite ihrer Krümmung sind zwei Reihen kleiner Zähnchen oder Widerhäkchen angebracht, welche der Endklaue die Form einer gekrümmten Säge geben. Eine weitere, grössere, zu einem Wider- haken umgebogene Borste findet sich an dem zweiten Glied dieser Gliedmasse, gerade an der Stelle, wo demselben die Endklaue eingesetzt ist, eine zweite kleine Klaue darstellend. Das hintere oder zweite Kiefer fusspar (Fig. 1 Mf-), in Allem mächtiger entwickelt, zeigt ein grösseres, stark bauchig aufgetriebenes Grundglied, welches mittelst eines Geföges mächtiger Chitin leisten an dem Körper befestigt ist. An der inneren Seite dieses Gliedes findet sich bei Männchen dieser Gattung ein starker Besatz von ganz kleinen Spitzchen oder Häkchen , und ausser diesen über den unteren Theil der inneren Seite dieses Gliedes gleichmässig verbreiteten Häkchen auf einer höcker- oder buckeiförmigen Vorragung noch eine dichte An- sammlung solcher Häkchen, ein Vorkommen, welches an die von Vejdovski an Tracheliastes polycolpus Nordm. be- schriebenen Tastorgane erinnert1), auf das wir später noch ausführlicher zurückkommen werden. Das zweite und dritte Glied dieser Gliedmasse vereinigt sich so innig zu einer starken, auffallend gekrümmten, hakigen Endklaue, dass wir die Grenz- linie , welche dieselbe in zwei Glieder trennt , leicht übersehen können. Bei aufmerksamer Untersuchung jedoch wird es uns ganz unzweifelhaft, dass der Endhaken des zweiten Kieferfusspaares aus zwei Gliedern zusammengesetzt ist, welche jedoch innig und un- biegsam ineinandergefügt sind, und zwar auf diese Weise, dass der starke Chitinpanzer des zweiten Gliedes den Anfang des dritten und letzten Gliedes noch um ein Stück überragt. Vor Be- ginn des letzten Gliedes findet sich beim Männchen von L. Gisleri gegen innen zu noch ein kleines Häkchen am vorletzten Gliede eingefügt, wodurch die Formgleichheit dieses Gliedmassenpaares mit dem vorhergehenden eine ganz vollständige wird. Xun folgen zwei Ruderfusspaare (Fig. 1 Rf.1, Rf2), welche ebenfalls untereinander ziemliche Uebereinstimmuno: in J) Vejd ovski. lieber Tracheliastes polycolpus. pag. 27. (Taf. II. Fig. 5, 6). 1231) 14 Carl Heider: ihrer Gestalt zeigen. Doch erscheint im Allgemeinen das erste Ruderfusspaar weniger verkümmert, als das zweite. Diese Rnder- fusspaare zeigen noch deutlich die für die ganze Ordnung der Ruder fü ssler (Copepoden) so bestimmte, zweiästige Form, sind jedoch — wohl in Folge langen Nichtgebrauchs — be- deutend rückgebildet. Das erste Ruderfusspaar gehört noch dem Kopfbruststück an, während das zweite Ruderfusspaar auf jenen verschmolzenen Brustringen aufsitzt, welche vom Kopf durch eine Furche abgetrennt sind, und welche man wohl unter dem Namen „das freie Bruststück" zusammenfassen könnte. Das erste Ruderfusspaar (Fig. 1 Rf1) besteht aus einer unförmlichen, auf einer Chitinleiste eingelenkten Platte, dem Grund- gliede , und zwei ganz kurzen Ruderästen von verschiedener Ge- stalt. Der innere Ruderast besteht aus einem kegelförmig ver- längerten Gliede , an dessen Ende ein mitunter sehr langer, kegelförmig spitz ausgezogener Fortsatz eingelenkt ist. Der nach aussen zu gelegene Ruderast zeigt die Form einer kurzen, quer abgestumpften Platte, an deren breitem Ende meist fünf kurze, stummeiförmige Endglieder (Klauen) in einer Reihe nebeneinander ge- stelltaufsitzen. Die beiden Seitenränder sind jedoch nicht miteinander gleichlaufend, sondern der nach der Mittellinie des Körpers zu gelegene , also innere , zeigt eine Einbiegung , während der Aussen- rand der Platte nach aussen zu ausgewölbt erscheint, so dass die ganze Platte unsymmetrisch wird mit einer kürzeren , inneren hohlen Seite und einer längeren, vorgewölbten, der Aussenseite. — Nach innen von dem zipfelförmigen Ruderast findet sich am ersten Ruderfusspar noch ein kleiner Fortsatz, welcher einfach zipfel- förmig ist, oder eine Borste darstellt. Ein ähnlicher Fortsatz, sowie auch die zu beschreibenden Borsten an der Aussenseite finden sich auch an den Ruderfüssen von Doropygus und Noto- delphys, wie ich aus den Abbildungen von Brady1) ersehe. Nach aussen von dem plattenförmigen Ruderast , dicht neben der Ursprungsstelle desselben , also ganz an der Aussenseite des ersten Ruderfusspaares, finden wir eine verästelte Borste , welche aus einer stark lichtbrechenden Warze entspringt, also das bestimmte Aus- sehen jener wohl dem Tastsinn dienenden Borsten trägt, welche über den ganzen Körper vertheilt sind und von denen noch später die Rede sein wird. l) A Monograph of tlie free and semi-parasitic Copepoda of the British Islands. Die Gattung Lernanthropus. 15 Das zweite Ruderfusspaar (Fig. 1 Rf2) besteht wie das erste aus einem plattenförmigen Grundglied und zwei Ruderästen, von denen der innere, wie am ersten Ruderfusspaar, zipfelförmig ausgezogen ist und aus zwei Gliedern besteht, während der äussere plattenförmige ebenfalls vorne quer abgestutzt ist und einige Klauenstummel trägt. Der innerhalb des zipfelförmigen Ruderastes am ersten Beinpaar sitzende , kleine , kegelförmige Fort- satz fehlt beim zweiten Beinpaar. Hingegen ist die an der Aussen- seite sitzende Tastborste meist sehr mächtig entwickelt. Bei den Ruderfüssen der Weibchen der zu beschreibenden Gattung zeigt der Panzer, der diese Ruderfüsse überkleidet, keine besonderen Eigentümlichkeiten , indess die Ruderfüsse der Männ- chen noch einige Sonderbarkeiten zeigen, welche hier im Anschlüsse an die allgemeine Besprechung der Form und Gliederung der Ruderbeine erwähnt werden müssen. Es ist nämlich bei den Lernanthropus-Männchen die Innenseite der Ruderfüsse dicht mit solchen kleinen Häkchen oder Spitzchen besetzt, wie wir dieselben an dem zweiten Kieferfusspaar beschrieben haben, während sich an der Aussenseite der Ruderfusspaare jene langen, feinen Haare finden , mit denen der ganze Vordertheil des Lernanthropus dicht besetzt ist, wie wir später sehen werden. Jene kurzen, scharfen Spitzchen aber zeigen sich an der Innenseite des Grundgliedes, an der ganzen Innenseite des zipfelförmigen, also inneren, Ruder- armes , und zwar sowohl auf dem unteren Gliede desselben , als auch auf seinem lang fadenförmig ausgezogenen Endgliede und zum Theil auch auf dem plattenförmigen , also äusseren Ruderast. An diesem Ruderast finden sich jedoch Unterschiede zwischen dem ersten und zweiten Ruderfusspaar. An dem ersten Ruderfusspaar, wo sich an dem plattenförmigen Ruderast beim Weibchen regelmässig fünf klauenartige End- stummel finden , sieht man bei den Männchen zwischen je zweien dieser Stummel noch ein kleines Stummelchen eingeschaltet. Ueberdies ist dieser Ruderarm gegen innen zu von jenen schon früher er- wähnten Spitzchen — wenn auch nur massig — besetzt. Ja sogar den innersten der fünf klauenförmigen Stummel fand ich dicht mit solchen Spitzchen bedeckt. Hingegen an dem gleich werthigen Ruder- arm des zweiten Ruderfusspaares — wo wir beim Weibchen von L. Gisleri vier klauenförmige Stummel finden — ist beim Männ- chen die kurz abgestumpfte Endfläche ganz dicht mit jenen spitzen Häkchen besetzt und trägt ausserdem meist nur zwei jener grösseren klauenförmigen Stummel. Ganz besonders dicht angehäuft stehen 16 Carl Heider: jene Spitzchen und Häkchen auf der Endfläche an dem gegen innen zu gelegenen Theil , wo sie auf einem flachen Buckel zu- sammen sitzen, welches Vorkommen einigermassen an das vom Grundglied des zweiten Kieferfusses beschriebene erinnert. Die nun folgenden Gliedmassen , welche noch an diesem freien Bruststück hinter dem zweiten Ruderfusspaare aufsitzen, zeigen eine seltsam und unförmlich vergrösserte und veränderte Gestalt , so dass sie lange Zeit gar nicht für umgewandelte Glied- massen gehalten , sondern für einfache Ausstülpungen des Kürpers erklärt wurden (van Beneden). — Bei den meisten bis jetzt bekannten Männchen der Gattung Lernanthropus finden sich zwei Paare solcher zipf eiförmig ausgezogener und verlängerter Beinpaare, (Fig. 29, 56 Rf3, Rf4) und zwar sind sowohl die Glied- massen des ersten als des zweiten Paares meist zweiästig. Beim Weibchen sind diese zipfelförmig umgestalteten Extremitäten bei den einzelnen Arten verschieden geformt , und es wird hievon bei Beschreibung der einzelnen Arten noch genauer die Rede sein. Das erste Paar (Rf3) ist mehrfach unverästelt und kleiner, das zweite (Rf4) wohl meist lang zweiästig, und bei einigen Arten findet sich hinter diesem zweiten Paar noch ein drittes Paar ( Fig. 53, 62 und 65 Rf5) von einfachen , kleinen und schmalen Ex- tremitäten. Es werden sich demnach bei diesen Arten mit Ein- rechnung der ersten zwei Ruderfusspaare fünf Paare von Brust- beinen vorfinden. Es verdient vielleicht noch besonders erwähnt zu werden, dass jene feinen Häkchen oder Spitzchen, welche wir früher an dem zweiten Kieferfusspaar und an beiden Ruderfusspaaren des Männchens erwähnt haben, sich auch beim Männchen an den zipfelförmigen Extremitäten vorfinden, und zwar besetzen sie an denselben die stumpfen Enden mehr oder minder dicht. Bei einer von mir auf Sargus Salviani gefundenen Varietät von L. Kröyeri sitzen beim Weibchen an den Enden der Zipfel grössere, zer- streute, stummelähnliche Spitzen. — Festes Körpergerüst Der Hautpanzer. Da wir die äussere Gestaltung des Hautpanzers in den beiden vorhergehenden Abschnitten schon besprochen haben, so bleibt es nunmehr noch übrig, auf jene feineren Verhältnisse des Banns einzugehen, von denen bis jetzt noch nicht die Rede war. Der ganze Körper des Lernanthropus ist rings von einem starken Chitinpanzer umkleidet, welcher zwar fest, aber nicht Die Gattung Lernanthropus. 17 unbiegsam ist. Es scheint vielmehr, dass dem Chitin ein ziem- licher Grad von Elasticität eigen ist. An jenen Stellen der Haut, wo eine grössere Beweglichkeit der einzelnen Körpertheile gegen- einander nö'thig war, sind die beiden Theile des Panzers durch eine tiefe Furche getrennt, in welcher die Chitinhaut eine zartere Beschaffenheit zur Verbindung und Einlenkung der festeren Theile zeigt. An den Gliedmassen finden sich sogar sehr complicirt ge- baute Gelenke, durch welche die Glieder unter einander verbunden sind. Dieselben bestehen im Allgemeinen aus einer tiefen Furche zwischen beiden Gliedern und aus an diese Furche anschliessenden Verdickungen der Haut, welche jedoch nicht selten so angeordnet sind, dass eine Verdickung an dem einen Glied in eine Vertiefung des anschliessenden Gliedes einpasst, wodurch dem Gelenk grössere Festigkeit und Bestimmtheit gegeben wird. An anderen Stellen , wo eine grössere Beweglichkeit eines ganzen Panzerabschnittes erforderlich war, ist die Haut von einer Anzahl von Furchen und Falten durchzogen, durch welche der betreffende Körpertheil um Vieles an Beweglichkeit gewinnt. Solche Falten finden sich besonders an den Zipfeln der Brust , wo sie in Form von Querfalten auftreten ; und in der That sind diese Zipfel die beweglichsten Theile des ganzen Lernanthropus-Körpers. Wie schon oben erwähnt, ist die Panzerhaut bei Lernan- thropus im Allgemeinen von einer beträchtlichen Dicke, welche jedoch nach den einzelnen Körperstellen sehr wechselt. Wenn man den Querschnitt der Haut betrachtet, so erkennt man an derselben sehr deutlich ihre Schichtung, welche einen Schluss auf eine Dickenzunahme durch Anlagerung neuer Schichten nahelegen würde. Die Haut zeigt im Allgemeinen jenes sehr starke für alle Chitintheile so bezeichnende Lichtbrechungsvermögen. Doch er- kennen wir leicht Unterschiede des Lichtbrechungs Vermögens ihrer verschiedenen Schichten. Denn abgesehen davon, dass jene Schich- tung, von der wir schon früher gesprochen haben, sich nur durch das Lichtbrechungsvermögen, welches für die einzelnen Schichten verschieden ist, kenntlich macht, daher man auf dem Querschnitt dieselben als blassere und hellere, undeutlich begrenzte Streifen, die dem Aussenrand gleichlaufen, erkennen kann, so lässt es sich auch deutlich erkennen, dass die äusseren Schichten des Panzers ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen haben, als die gegen die Weichtheile zu gelegenen Schichten. So zeichnen sich denn an dem Querschnitt des Panzers die am weitesten nach aussen zu gelegenen Schichten, wie dies schon. Claus, Arbeiten aus dem Zoologischen Institute etc. Tom. II. 'i\ fy 15 C< all MF < ; i /"/' j | i „77 Yerlag vjMfred Hölder.k k Hof- u Universitats- Buchhandlung in Wien .M»trn am dm xodof 'nstitul m Ken RdH.Ecfl 1 TafM Claus. Der Organismus der Plironimtden TafI !'':! " h Verlag v „Alfred Holder.k k Hof-u Unnersilats- Buchhandlung in Wien -. K,l II.Hitt I Tnt:i aniimt/s der fltronimiden Tot'Jl Sehn MtL Ov tlg.tf, • Verlag vjlifred Holder.k k Hof-u Umversitats-Buchhandlung in Wie , ,*,„ Institut in Wen lU.II.HetUTnt.V. Claus Der Organismus ■ JnMul m Wfrn MII.BrftI TnflM. i'faus Drr <>r/,;■. 7 r -XI (iri'l'bfH tt>/mn/./r/.vw*\/i vcnMcwu ,v, /,// / '»-^ Fiff ,3 R . -'"''' n />y ?. /?// (J i . • ,". :• ;'" i V >. . ■ . ■ ■ Wim Bd // /Ml /17h/ XV Grobben /,■/>■<,/./,,■./,■./.,,,■ i/, ,,„/ ,■/< h.„„lu,l .Institut im Wim BdllHefr M.TafXKH . K Hader Du- Gattung LiTfianthinpus Tut IT Vertag vj4lfred Holrfer.k.k Hof-i Mala am dem todqg.Jhstäut m mer, Bdir.Snrm. TafXXM K Hi-lilrr Ü,,'i,„rin,:,/l,rm„a/,',j„f,n Verlag vJUfred Holder Y |. Hof- *W*tt£. Sr*: ^tW^^jP :M H». *•% W?W M 8&S 4^4 \M^m