f N T mn Gax. Sk | Fe: I IN HARVARD UNIVERSITY ” Library of the — Museum of Comparative Zoology 2 ; 2 / Per 24T 3% u0 un vu s a ; IR u fr N 1 AN FR Dur .g _ ARBEITEN AUS DEM AD0LOGISCH - nt INIITUN WÜRZBURG, HERAUSGEGEBEN \ PROF. DR. GARL SEMPER. SECHSTER BAND. MIT SECHZEHN TAFELN ABBILDUNGEN. WIESBADEN, C. W. KREIDELS VERLAG. E33: 3901008 SKed.el Zell SEEE Inhalt. Seite Sarasin, P. B., Entwicklungsgeschichte der a tentaculata (mit Tafeln I VID) 2. Se 1 Kennel, J. von, Zur Anatomie der Ebnii (mit ara) NND), ME ee) Sarasin, P. B., Ueber drei Sinnesorgane und die Fussdrüse einiger Gastnopoden, (emt- Maren) a m ee 91 Timm, R., Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais, ein Beitrag zur Kenntniss der Fauna Unterfrankens enizBatel’ X und RI 1 ee ea ee 0 Sarasin, C. F., Reifung und ER der Reptilieneier Fi Tafeln XI_xV) He 5) will, Ludwig, Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden (mit Tafel XVI) . . . . .. . 0217 Kennel, J. von, Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad 259 Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. Von P-BESABRASIN. Mit sieben Tafeln Zeichnungen. Den Zoologen, welcher in der letzten Zeit sich nicht eingehen- der mit der Entwicklungsgeschichte der Mollusken beschäftigte, wird es befremden, dass nach einer grössern Reihe vortrefllicher und erst in den letzten Jahren in die Erscheinung getretener Arbeiten ich es von neuem wage, dieses schwierige Gebiet zu betreten; und dem- jenigen, der sich selbst in der letzten Zeit mit diesem Gegenstand _ beschäftigte, wird es schwer verständlich erscheinen, warum . meine Wahl gerade auf die, durch die Undurchsichtigkeit ihrer Keime und Embryonen ihm wohlbekannte Bithynia tentaculata fiel, da ich doch gewiss wissen musste, wie deutlich sich schon am lebenden Embryo unserer Süsswasserpulmonaten gewisse Organe erkennen und in ihrer Entwicklung verfolgen lassen. Der erste Punkt fordert eine Entschuldigung, der zweite eine ‘ Erklärung. Die moderne Richtung der entwicklungsgeschichtlichen For- schungen scheint sich mir zu concentriren in die Frage nach der Entwicklung der einzelnen Organe aus den embryonalen Keimschich- ten, den sogenannten Blättern. Dabei ist die klar gestellte Forderung diese, dass gleich functionirende Organe verschiedener Thierklassen morphologisch nur dann einander gleichgestellt werden können, wenn Arbeiten a. d. z00l.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VI. 1 9 P. B. SARASIN: ihre Entwicklung aus der Eizelle überall genau denselben Weg durch- läuft. Damit ist aufs engste die Frage verknüpft, ob die bei den Wirbelthieren so klar sich zeigenden Keimblätter auch bei den Wirbel- losen sich auffinden liessen. Auf Grund sorgfältiger Untersuchungen wurde auch ihre Existenz bei den letztern bald behauptet und als höchst wahrscheinlich erwiesen. Grössere Schwierigkeiten zeigten sich aber, als man es unternahm, die einzelnen Organe auf ihre erste Entwicklung zu untersuchen, und in dieser Hinsicht ging es nicht in allen Gruppen gleich gut vorwärts. So zeigten sich beson- ders bei den Mollusken eigenthümliche Schwierigkeiten. Indem ich von den Cephalopoden, über die ich kein Urtheil habe, absehe, möchte ich besonders auf die beständige Rotation des Embryos im Ei hinweisen, welche die Beobachtung des lebenden Keimes, und auf die Asymmetrie der Organe, welche das Verständniss der Durch- schnitte so sehr erschwert, welche durch mittelst Reagentien gehär- tete Embryonen gelegt wurden. Doch während die erste Schwierig- keit der wissenschaftlichen Erkenntniss eine nur zu frühe Schranke setzte, war dies mit der letzteren nicht der Fall; sie musste über- wunden werden können und so wandte sich auch N. Bobretzky zu- erst mit Ausdauer und Erfolg der Aufgabe zu, vermittelst Schnitten die Entwicklung der Organe aus den Keimblättern aufzufinden. Zu wie bedeutsamen Resultaten aber auch dieser glückliche russische Forscher gelangte, so blieb denselben doch der Charakter einer ge- wissen Unsicherheit, da uns Bobretzky wohl Quer- und Längsschnitte vorlegte, aber es unterliess, lückenlose Serien anzufertigen und aus ihnen die Organe in ihrer Entwicklung sich zu construiren. H. Fol förderte die Kenntniss der Molluskenentwicklungsge- schichte höchst erheblich durch drei grössere, in den letzten Jahren erschienene Arbeiten; aber, obgleich er zahlreiche Schnittserien durch Embryonen von Planorbis angefertigt hatte, auch einige Schnitte ab- bildete, hielt er sich doch hauptsächlich an die Untersuchung des lebenden Embryos. C. Rabl versuchte bei Planorbis vermittelst Schnitten die Ent- wicklung des Nervensystems zu verfolgen. Er blieb jedoch dabei stehen, constatirt zu haben, dass an der von ihm als Scheitelplatte bezeichneten Stelle das Ectoderm nach innen wuchere und ver- zichtete auf eine weitere Verfolgung dieses Gegenstandes. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 3 Bei der so liegenden Unsicherheit der zum Theil auf Durch- schnitte gegründeten Angaben über die Entstehung der Organe schien mir eine erneute und consequent auf lückenlose Längs- und Quer- schnittserien gestützte Untersuchung dieser Fragen nicht nur erlaubt, sondern dringend geboten. Mein hochverehrter Lehrer, Herr Professor Semper, ermunterte mich höchlich zu diesem Vorhaben und dies gab mir Muth, einer Aufgabe mich zu unterziehen, an welche ich, wie den Sachkundigen wohlbegreiflich, nur mit Beklommenheit und mit Zweifeln in meine Kräfte herantrat. Die erste Schwierigkeit, die mir begegnete, war die Wahl des Objektes. Was zunächst die Pulmonaten betrifft, so war die ziemlich bedeutende Durchsichtigkeit der Embryonen einiger Arten wohl verlockend, aber die grosse Masse des vom Embryo während der Entwicklung aufgenommenen Eiweisses (Deutoleciths nach Fol) erschwerten das Verständniss der Entwicklung des Darmkanals und der Leber auf Schnitten in so hohem Maasse, dass ich erst dann zu ihnen zu greifen beschloss, wenn die diesbezüglichen Nachforschungen bei den Prosobranchiern ein noch ungünstigeres Resultat wür- den ergeben haben. Am brauchbarsten erschien unter den Pulmo- naten Ancylus, weil dessen geringe Darmwindung eine einfachere Entwicklung dieses Organs hoffen liess und da er mich mit Material genügend versorgte, behielt ich ihn auch zunächst im Auge. Was nun die Prosobranchier betrifft, so musste von Pa- ludina von vornherein abgesehen werden wegen der Unmöglich- keit, die Entwicklung der Embryonen ununterbrochen verfolgen zu können und wegen Mangels an Material. Dasselbe gilt für Neri- tina. Mit der Valvata piocinalis versuchte ich es eine Zeit lang, da mich die Grösse ihrer Eier sehr lockte und eine Anzahl dieser Thiere, welche ich in einem Kellerraum in ein einfaches Glas- becken gesetzt hatte, mir reichliche Eierhäufchen legte. Allein wir haben bei ihr die Schwierigkeit, dass aller Nahrungsdotter in die Eizelle selbst gelegt ist, wodurch der Embryo lange Zeit eine, die Örientirung sehr erschwerende rundliche Form bewahrt. Auch fielen die Schnitte wegen des eingeschlossenen Nahrungsdotters und der von den Keimen nicht loszulösenden festen Hüllhaut, welche dem Eindringen der Reagentien Widerstand entgegensetzte, ungenügend aus. Es bildet diese Eihaut ein schlauchartiges Gebilde, in welchem 1* 4 P. B. SARASIN: eine Eizelle hinter der andern liegt, und welches in ein kugelrundes Käpselchen gehüllt, an feste Gegenstände geklebt wird. So blieb die Bithynia allein übrig mit ihren leicht zu be- schaffenden Eierschnüren, aber undurchsichtigen und kleinen Em- bryonen. Es zeigte sich aber gleich, dass es gerade bei diesem Vorderkiemer nicht allzuschwer ward, gute Schnittserien zu bekom- men, da sich seine Entodermzellen nicht in so störender Weise mit Nahrungsdotter füllen, wie dies bei den Pulmonaten der Fall ist. Die Entodermzellen zeigen sich stets scharf abgegrenzt und von deutlich eylindrischer Form. Ein weiterer Vortheil für die Unter- suchung war das scharf markirte Auftreten des Fussfortsatzes, wo- durch die Orientirung der Embryonen erleichtert wurde. Sie selbst lassen sich überdies leicht aus den Eihüllen befreien, ohne Schaden zu nehmen, und ihre Elemente leiden nicht unter der Behandlung mit verdünnter Chromsäure zur Härtung und Pikrokarmin zur Tinktion. Als vortheilhaft erwies es sich, Härtung, Färbung und Ein- schmelzung in Paraffın in ein und demselben Uhrgläschen vorzu- nehmen, weil das Herausheben mit der Pipette junge Keime oft verletzte, auch mehr Zeit in Anspruch nahm. * Von Mitte Mai bis Ende Juli erhielt ich Eier in grosser Menge; im August spärlicher und im September hörte die Produetion auf. Schon Mitte August entwickelten sich im Freien gelegte Eier nicht mehr normal. Viele Keime kamen nicht, andere zu einer abnormen Entwicklung, welche sich dadurch kundgab, dass der Raum zwischen Ecto- und Entoderm statt mit Mesodermzellen, mit Flüssigkeit sich 'anfüllte und der Embryo sonach Blasenform annahm. Daraus lässt sich doch wohl entnehmen, dass in die zu dieser Zeit abgesetzten Eier nicht mehr genügend Nahrungmaterial zur Ausbildung der Or- gane gelest war. Wegen dieser Hohlräume ergaben solche Em- bryonen oft instruktive Bilder im Hinblick auf die Formentwicklung der nie fehlenden Leber und des Darmkanals. Die Eier werden in ein- bis vierzeiligen Strängen an fremde Gegenstände befestigt, mit den den letztern anliegender flacher, nach aussen sehender convexer Oberfläche. Selten kommt es auch vor, dass die einzelnen Eier, statt in Wabenzellenform einander anzu- liegen, kugelrund bleiben und nur lose aneinander hängen. Ich be- obachtete dies übrigens nur einmal. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 5 Lückenlose Schnittserien durch die Embryonen zu bekommen, gelang mir erst dann, als ich darauf verfiel, den Objektträger schwach zu erwärmen, nachdem ich den noch in Paraffın liegenden Schnitt auf ihn gebracht hatte. So legten sich die stets etwas gerollten Schnitte gut auseinander, und indem ich das Deckglas daraufbrachte, bevor ich Terpentin zufliessen liess, wurden durch den Druck des- selben die Organe und auch frei nebeneinander liegende Körper- stücke verhindert, ihre Lage zu verändern. Was nun die Eintheilung der Arbeit anbetrifft, so halte ich es für zweckmässig, zunächst die Vorgänge bis zum Schluss des Blastoporus abzuhandeln und dann die Entwicklung der einzelnen Organe vorzutragen. Eine Zeit lang hatte ich mir gedacht, mich auf die Entwieklungsgeschichte des Nervensystems, auf die ich am meisten gespannt war, beschränken zu können. Ich sah jedoch bald ein, dass dies unmöglich sein würde, da sich an gewissen Wucher- ungen des Ectoderms nicht voraussehen liess, ob sie zur Bildung des Nervensystems oder anderer Organe dienen sollten. So wurden alle Systeme berücksichtigt mit alleiniger und gänzlicher Aus- schliessung des Geschlechtsapparates, welcher erst postem- bryonal entsteht, wie ich mich hinlänglich überzeugt zu haben glaube. Da mir schon gewisse Punkte seiner Entwicklung zu Gesicht ge- kommen sind, wird sich vielleicht später einmal zur Darstellung seiner Entstehung Gelegenheit bieten. Von den einzelnen Organen werde ich zuerst der Bequemlich- keit wegen die Urnieren und das Velum vornehmen, dann den Darm- kanal mit der Leber, weil von den inneren Organen diese zuerst auftreten und nach der Darlegung ihrer im Verlauf der Entwicklung sich zeigenden Windungen und Verlagerungen die Entstehung der andern Organe leichter verständlich wird. Nach dem Darm sollen das Nervensystem, dann Niere und Herz, dann Museulatur, Mantel- rand und Deckel in ihrer Entwicklung beschrieben und zum Schluss soll einiges wenige über die Keimblätter gesagt werden, wie ich die- selben bei der Bithynia tentaculata vorfand. Die Zeichnungen geben die Präparate so genau wieder, als mir dies zu thun möglich war. Ich vermied es strenge, zu schema- tisiren, um den Leser in seinem Urtheil in keiner Weise zu beein- flussen. Dadurch entbehren aber auch die Bilder jener eleganten Glätte und Sauberkeit, welche man an Abbildungen ähnlicher Objekte 6 = P. B. SARASIN: sonst öfters finde. Wo es nicht anders angegeben ist, sind alle Bilder bei gleicher Vergrösserung mit dem Prisma gezeichnet. Um von der Vergrösserung, welche ich anwandte, eine momentane Vor- stellung zu erwecken, gebe ich in Fig. 124 die Länge an, in welcher ein Millimeter bei der angewandten Vergrösserung erscheint, sodass vermittelst eines Cirkels aus den Abbildungen die absolute Grösse des Objektes leicht erhalten werden kann. Dies bezieht sich jedoch nicht auf die Furchungsvorgänge vor der Keimkugel, da bei der Undurchsichtigkeit des lebenden Keimes und der Nothwendigkeit seiner beständigen Beobachtung mit dem Zeichenprisma nicht gut zu operiren war. . Die vorliegende Untersuchung dauerte von Mitte Mai bis Mitte December. I. Embryonalvorgänge bis zum Schluss des Blastoporus. Die kugelrunde, völlig undurchsichtige, von Farbe goldgelbe Eizelle zeigt vor Ausstossung des Richtungskörperchens eine Eigen- thümlichkeit, indem an einer Stelle der Kugel sich eine Erhöhung zeigt (Fig. 1 u. 2a), welche den Glauben erweckt, es werde an dieser Stelle das Richtungskörperchen zum Vorschein kommen. Dies ist aber nicht der Fall. Wenn sie ihre grösste Höhe erreicht hat, ent- steht am entgegengesetzten Pol des Eies eine kleinere Hervorwölbung, und während die erste wieder zurückgeht, schnürt sich die zweite als ein sehr kleines und deshalb nur schwer erkennbares Richtungs- körperchen ab (Fig. 2 u. 35). Nunmehr tritt die Furchung in vier Zellen ein nach wohlbekannter Weise. Die vier Furchungskugeln liegen zuerst völlig abgerundet neben einander (Fig. 4); allmälig berühren sich in der Mitte je zwei von ihnen und endlich schliessen sich alle vier so eng an einander, dass wir von neuem eine Kugel bekommen (Fig. 6, 7 u. 8). Jetzt zeigt sich am animalen Pol jeder Furchungskugel eine hellere Stelle mit deutlichem Kern, und es schnürt sich von jeder in der Richtung des Uhrzeigers eine kleinere Zelle ab (Fig. 9 u. 10a, b, c, d.). Gleich darauf liefert jede von neuem eine solche, aber in einer, dem Uhrzeigerlauf entgegenge- setzten Richtung (Fig. 10, 1, 2, 3, 4.). Diese acht kleineren, so durch Knospung entstandenen Zellen runden sich jetzt zu Kugeln ab, wodurch der oben noch durchscheinende Keim völlig undurch- . Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 7 sichtig wird (Fig. 11). Allmälig schliessen sich die so gebildeten Zelien von neuem zusammen und die gesammte Kugel wird wieder durchscheinender. Ein deutlicher Kern zeigt sich in jedem Theil- stück (Fig. 12). Jetzt tritt eine kleine Pause ein im Furchungs- process. Diese aufeinanderfolgenden Erscheinungen: rasche Fuurchung, Abrundung zu nebeneinanderliegenden Kugeln, von neuem flaches Sichaneinanderlegen der eben noch kugelrunden Zellen, endlich einige Zeit des Verharrens im erreichten Zustand liessen sich dreimal wahr- nehmen, bis die Keimkugel gebildet war. Es geschah dies in den, durch die Figuren 7, 12, u. 15 repräsentirten Entwicklungsstadien. Nach der Knospung von acht kleinern Zellen und Verfluss einer nur kurzen Ruhezeit (c. '/, h.), tritt eine erneute und leider sehr rasch ablaufende Knospung ein. Sämmtliche neugebildete Zellen runden sich zu Kugeln und bei der dadurch hervorgerufenen Undurchsichtig- keit des Objectes war es unmöglich, zu erkennen, von welchen Zellen die zahlreichen neu entstandenen geliefert worden waren; erst nach Verlauf einiger Zeit war es möglich, das Bild Fig. 13 zu zeichnen. Die vier, von den Furchungskugeln zuerst gelieferten Zellen (ich will sie, da ich einen Namen für sie haben muss und gegenwärtig keinen besseren finden kann, die Polzellen nennen) a—d blieben deutlich. Eigenthümlich war, dass an der auf Fig. 13 mit x be- zeichneten Stelle die neugebildeten Zellen langsam auseinanderwichen und ein dunkler Fleck sich zeigte, den ich zuerst für eine Oeffnung zu halten geneigt war; allein bald erschien diese Stelle heller und es trat ein Kern in ihr. auf; noch etwas später rundete sich das Ganze zu einer mit einem Kern versehenen Kugel ab (Fig. 14, x). Zu gleicher Zeit zeigte sich zwischen den, durch ihre goldgelbe Färbung scharf markirten Polzellen a —d ein heller Raum, in dem allmälig drei Kerne auftraten, (Fig. 14, a, ß, y). Es hatten sich drei Zellen gebildet, vermuthlich aus den Polzellen, vielleicht aber auch von untenher durch weitere Knospung der Furchungskugeln. Ich konnte über ihre Herkunft nicht ganz ins klare kommen. Nach diesen Vorgängen schlossen sich die zuvor abgerundeten Zellen wieder zu einer Kugel zusammen (Fig. 15). Die Polzellen ce u. d (Fig. 14), welche, wenn ich mich nicht versah, durch die neu entstandenen Zellen zuvor von einander getrennt waren, rücken wieder aneinander und jetzt war auch das ganze Bild von grosser Klarheit (Fig. 15). In a, ß, y (Fig. 15), traten zuerst zwei Kerne auf an Stelle des 8 P. B. SARASIN: einen (Fig. 14) und nach ihrem Auftreten zeigten sich auch Theilungs- wände (Fig. 15, a, ß, y)-. — Damit waren die Theilungsvorgänge am animalen Pol nicht zu Ende. Die Kerne der vier Polzellen fingen an, sich in die Länge zu strecken und in ihrer Mitte einzuschnüren - (Fig. 16). Auch in der Zelle x, deren Entstehung wir auf Fig. 13 sahen, zeigten sich zwei Kerne. Darauf theilten sich die Polzellen a—c, indem sich zuerst zwei runde Kugeln bildeten (Fig. 17, ce), die sich wieder an einander legten. Nach dieser Zweitheilung trat Vier- theilung ein, sodass nunmehr an Stelle der ursprünglichen Polzellen a— c drei aus vier Zellen bestehende Häufchen lagen (Fig. 17, ab). Bemerkenswerth war dabei, dass die Polzelle d in dieser Theilung zurückblieb, obschon auch in ihr zwei Kerne aufgetreten waren (Fig. 16 u. 17, d). Bevor sie sich in vier theilte, gab sie zwei kleinere Zellen ab an die Seite von «. Da diese zwei letztern ver- muthlich den mit «—y bezeichneten gleichwerthig sind, bezeichnete ich sie mit ö auf Fig. 18. Jetzt zerfiel auch die Polzelle d in vier Stücke. — Dies waren die Vorgänge am animalen Pol, die sich in einer Zeit von ca. 12 Stunden abgewickelt hatten. So seltsam die Bilder 13— 18 erscheinen mögen, so waren sie bei auffallendem Licht doch sehr klar zu sehen und wurden zugleich an drei Eiern beobachtet, die sich in der Folge zu normalen Embryonen entwickelten. Die Polzellen blieben noch zehn Stunden durch ihre gelbe Farbe deutlich erkennbar. Nur über die Herkunft der Zellen —y kam ich wegen der Undurchsichtigkeit des Keimes nicht ganz ins Klare. . Es wurde nun auch wichtig, zu erfahren, was denn aus den vier Furchungskugeln wird. Dies-hat seine ganz besonderen Schwierig- keiten, da sich der Keim immer so drehte, dass die animalen Zellen oben lagen, weswegen ein immerwährendes Umdrehen der Eier noth- wendig wurde. Es hatte dies zweifellos seinen Grund in der relativ grösseren Schwere der spätern Entodermzellen. Es liess sich aber doch unschwer constatiren, dass die Furchungskugeln durch unaus- gesetzte Knospung immer kleiner werden, bis sie als solche nicht mehr erkennbar waren. Schon vom animalen Pole aus waren solche Knospungen zu sehen und die so neu gebildeten Zellen theilten sich meistens von sich aus wieder (Fig. 17, y, y). Am vegetativen Pol werden die Furchungskugeln immer kleiner, indem sich ein Zellen- ring um den andern um sie bildet (Fig. 19 u. 20). In Fig. 20 sehen wir den Beginn der letzten Theilung. Damit ist die Keimkugel Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. ) fertig. In ihrem Innern ist ein mit Flüssigkeit erfüllter Hohlraum, unten von hohen cylinderförmigen, oben von niedern mehr platten- förmigen Zellen umschlossen. Von diesem Stadium an begann ich die Embryonen successive in Schnittserien zu zerlegen. Es erlaubte weder die Ungunst des Materials, noch lag es über- - haupt im Zweck dieser Untersuchung, auf Kernfiguren und feinere Details bei der Furchung des Eies einzugehen. Dafür wären die Eier von Ancylus fluviatilis unendlich günstiger gewesen; es söllte vielmehr nur constatirt werden, dass die vier ursprünglichen Furchungs- kugeln völlig in Zellen zerfallen durch regelmässige Abgabe kleinerer Theilstücke, wodurch eine normale Keimkugel zu Stand kommt, welche dann zur Gastrule sich einstülpt. Durch die Keimkugel erhielt ich drei brauchbare Schnitt- serien. Da sich die Kugel immer so dreht, dass die Entodermzellen nach unten zu liegen kommen, ist die Orientirung leicht. Ich bilde in Fig. 21 den mittleren Schnitt einer Serie ab, welche durch eine sich schon abflachende Keimkugel ging. Wir sehen unten die grossen Entoderm-, oben die kleineren Eetodermzellen. In den Eetodermzellen finden wir aufs deutlichste zwei grössere eingeschaltet (grz u. grw), deren eine Cilien trägt. Wir haben hier vielleicht die erste Spur des Velums vor uns, doch muss ich bemerken, dass an Schnitten durch die eingestülpte Blase diese Zellen nicht zu beobachten waren, sowie auch nicht an der später zu beschreibenden Pseudokeimkugel. An der Uebergangsstelle der Ecto- zu den Entodermzellen liegen einige von der äusseren Lage abgeschnürte Zellen (Fig. 21, zl u. zw), welche die ersten Mesodermzellen sein mögen; doch will ich gleich bemerken, dass aus ihnen keineswegs das ganze Mesoderm durch Theilung derselben hervorgeht, sondern die mesodermalen Elemente haben bei der Bithynia einen ganz anderen Ursprung. Bei ein (Fig. 21) zeigt sich eine kleine Einbuchtung, die auch bei lebenden Keim- kugeln zu beobachten ist. Wie ich nach anderen Beobachtungen vermuthen kann, beginnt hier die Einstülpung zur Bildung der Gastrula. Im centralen Hohlraum der von der Keimkugel gebildeten Blase (warum ich die Keimkugel nicht Keimblase nenne, wird später er- klärt werden) liegen durch die Reagentien geronnene Tröpfchen. Diese Tröpfchen, die im geronnenen Zustand als ziemlich stark licht- brechende Kügelchen erscheinen, finden sich ausnahmslos in den Entoderm- und den späteren Leberzellen und geben einen vortreff- 10 P. B. SARASIN: lichen Wegweiser ab zur Erkennung der ursprünglichen Entoderm- zellen. Es sind die Fol’schen Deutoleeithtropfen. Sie finden sich _ immer auch in den von den Entodermzellen umschlossenen Hohl- räumen und so auch in den späteren Leberlappen, worauf ich zurück- kommen werde. Durch die Gastrula erhielt ich nur eine lückenlose Serie, aber diese war tadellos. Der mittlere Schnitt ist im Fig. 22 abge- bildet. Die Höhle der Keimkugel ist völlig verschwunden. Die En- todermzellen zeigen sich gegen einander scharf abgegrenzt, nicht aber in gleichem Maasse die des äusseren Blattes. Am Umstülpungs- rande vom zeigt sich Kernvermehrung der Ectodermzellen. Während der Durchmesser der Keimblase 0,4 mm. betrug, so ist der der Gastrula 0,41 mm. Die Dicke der Entodermzellen der Gastrula ist geringer, als die der Keimkugelentodermzellen, was eine Folge der Theilung der letzteren ist. Dass dies nicht blose Annahme ist, beweist eine in der Entodermzelle krn der Keimkugel deutlich sichtbare Kernfigur. Die Gastrula schliesst sich nun vollständig, so dass wir wieder eine complete Kugel bekommen, die einer ächten Keimkugel täuschend ähnlich sieht und leicht zu Verwechslungen Anlass geben kann (Fig. 23). Schnittserien zeigen, dass die Kugel völlig solid ist, ohne Spur einer Oeffnung gegen aussen, ohne inneren Hohlraum, nur mit einer Eetodermverdiekung an der einen Seite, die vielleicht der Schlussstelle des Blastoporus entspricht, da sich ja an dessen Lippen das Ectoderm auch verdickt zeigte. (Vgl. Fig. 22 vom). Die Schnitte durch diese solide Kugel, die ich Pseudokeimkugel nennen will, weil ich auf dieses Entwicklungsstadium noch einige Male zurück- kommen muss, sehen sehr wenig charakteristisch aus. Fig. 23 zeigt uns emen Mittelschnitt, in dessen Centrum noch die ursprüngliche Einstülpungshöhle als ein sehr kleiner Hohlraum hl zu sehen ist. Um denselben sind die Entodermzellenkerne kreisförmig angeordnet, und von ihm gehen in die Entodermmasse Strahlen aus, welche vielleicht die Grenzen der sich hier zuspitzenden Entodermzellen bezeichnen. Das Ectoderm ist nicht als deutliches Blatt vom Mesoderm abge- grenzt, sondern beide bilden nur eine einzige, vielkernige Lage ec. Oben war dieser, sowie der in Fig. 24 abgebildete Schnitt zerrissen. Das Ectoderm sollte dort als einfache Zellenlage hinüberziehen. Bevor ich über die Litteratur einige Worte sage, will ich noch kurz die Entwicklung der äusseren Form des Embryos in ihren ersten Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 11 Stadien besprechen. An der verdickten Stelle der Pseudokeimkugel treten zwei solide Fortsätze auf (Fig. 24 sdf u. fs), deren einer eine leichte Einbuchtung (os) erhält. Lebhafte Kernwucherung findet an Stelle okv im äusseren Blatte statt. Die Entodermhöhle ist ganz verschwunden. Die Einbuchtung os wird, wie ein Mittelschnitt durch das folgende Stadium lehrt, zum definitiven Mund. Vom Velum ist nichts wahrzunehmen. Dieses zeigt sich aber deutlich m dem durch Fig. 25 repräsentirten Stadium (Fig.'25, vel) als zwei bewim- perte Eetodermzellenreihen. Auch jetzt ist in der Entodermmasse keine Höhlung vorhanden. Der Fortsatz sdf zeigt lebhafte Kernwucherung im Eetoderm sdw, was die Entstehung der Schalendrüse ankündigt. Er wird zur Ectodermkappe des Eingeweidenucleus. Der Fortsatz fs wird zum Fuss. Die Mundeinsenkung os ist etwas tiefer geworden. An der Stelle dec wird das zuvor einschichtige Ectoderm mehrschichtig. Da der Durchschnitt des Embryos die gleiche Höhe zeigt wie im vorhergehenden Stadium, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Stelle ecein sich durch Einstülpung vertiefte, wodurch dann die beiden Fortsätze deutlicher zum Vorschein kamen. Dieser Einstülpung folgt eine ebensolche der Entodermmasse. Das Velum wird später eingehender besprochen werden, wobei dann auch zur Sprache kommen wird, was mich berechtigt, den Fortsatz fs als Fuss und seine Einstülpung als Mund anzusehen, da er doch ebensowohl den Schalendrüsenfortsatz mit der Schalendrüse repräsentiren könnte. Dabei wird auch die Erklärung folgen, warum ich das beschriebene Stadium Fig. 25 Pseudogastrula nenne. Es ist bekannt, dass eine grosse Verwirrung in den Ansichten über das Verhältniss des definitiven Mundes zum Blastoporus herrscht. Die früher allgemeine Annahme ging dahin, dass der Blastoporus in den definitiven Mund übergehe und so die Entodermhöhle der Gastrula direct zum Darm des Thieres werde. Die Richtigkeit dieser Ansient wurde zwar vielfach behauptet, aber meistens ohne Bei- bringung schlagender Beweise. Es dauerte auch nicht sehr lange, so wurde das Gegentheil behauptet, nämlich dass der Blastoporus in den After des fertigen Thieres übergehe. Ebenso wurde die An- sicht vertreten, dass er sich schliesse. Was die Mollusken betrifft, so kam die Ansicht auf, die auch Fol vertritt, dass alle drei Fälle neben einander existirten und dass es gleichgiltig sei, ob der Blas- toporus in den Mund oder den After übergehe. Nun aber scheinen 12 P. B. SARASIN: alle diese Beobachtungen doch nicht auf sehr sicheren Füssen zu stehen. Die von Ray Lankester aufgebrachte (On the coineidence of the Blastopore and Anus in Paludina vivipara. Quart. Journ. of _ mier. sc. 1876) und von Bütschli (Entwicklgesch. Beiträge Z. f. w. 2. t. XXIX 1877) bestätigte Ansicht, dass der Blastoporus von Palu- dina in den definitiven After übergehe, weist Rabl entschieden zurück. (Entwicklung der Tellerschnecke. Morpholog. Jahrbuch t. v.) Die bestimmte Behauptung von Fol, dass bei Bithynia der Blastoporus in den definitiven Mund übergehe, wird durch meine Schnittreihen widerlegt. (F'ol, Devel des Heteropodes. Archives de Lacaze-Duthiers t. v. pg. 148). Dass Fol’s Angabe auf einem Versehen beruht, er- scheint um so begreiflicher, als die Undurchsichtigkeit der Bithynia- Embryonen und die täuschende Aehnlichkeit der Pseudokeimkugel mit der wirklichen auch den besten Beobachter irren führen musste, wenn er nicht vermittelst Schnitten über diesen Punkt sich Klarheit schaffte. Man wird es mir also kaum verargen können, wenn ich alle Angaben so lange für unbewiesen halte, als ihre Richtigkeit nicht durch Schnitte constatirt ist. Dass dieser Fordernng Genüge zu leisten ist, zeigte schon Bobretzky. Er legte Schnitte durch die Keime der Natica und fand, dass der Blastoporus sich schliesse und an seiner Stelle der definitive Mund entstehe. Von Fusus behauptet er direkten Uebergang des Blastoporus in den definitiven Mund, be- weist es aber nicht durch Schnitte. (Bobretzky, Studien über d. embryo- nale Entwickelung ete. Archiv für mikrosk. Anat. 1877). Ich halte es für wahrscheinlich, dass sich bei allen Gasteropoden der Blas- toporus schliesst und stütze diese Ansicht durch die Thatsache, dass die Schliessung constatirt wurde, wo Schnitte durch diese Stadien gelegt worden waren, nämlich bei Natica und Bithynia. Das weitere Schicksal unserer Pseudogastrula werden wir bei Gelegenheit der Entwickung der Leber und des Darmkanals erfahren. II. Velum und Urnieren (Ansae.) . Zur Zeit, da der Embryo das Stadium der Fig. 115 erreicht hat, sehen wir die definitive Mundeinsenkung o s schon gebildet. Der Schalendrüsenfortsatz sd, f übertrifft jetzt den Flussfortsatz fs an Mächtigkeit bei Weitem; auch ist die Schalendrüse sd schon ge- bildet. Sonst ist die Form des Embryos noch ziemlich die gleiche, Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 13 wie die der Pseudogastrula und so bleibt es im wesentlichen, bis die Windung des Darms und mit ihm des gesammten Eingeweide- nuclens beginnt. Die Abbildung Fig. 115 ist nach einem in Canada- balsam aufbewahrten Embryo entnommen. Wir beobachten an ihm folgendes wichtige: Beidseits des Mundes ragen zwei buckelartige Fortsätze hervor spl, aus denen später die Tentakeln werden. Zwischen ihrer Spitze und dem Fussende erheben sich auf jeder Seite zwei Stränge durchsichtiger, blasiger Zellen mit Cilien und grossem Kern (A). Nennen wir die Seite des Embryos, wo der Fussfortsatz sitzt, die ventrale, so gehen die Stränge jeder Seite auf dem Rücken des Embryos ineinander über. Wo sie sich an den Seiten des Mundes inseriren, ragen sie henkelförmig vor (lA) und weil sie, wie sich zeigen wird, bei der Bithynia zwei Functionen erfüllen, die des Velums und die der Urnieren, will ich sie mit dem Namen AnsAäae bezeichnen. Um später die Entwicklung der inneren Organe nicht unterbrechen zu müssen, will ich gleich jetzt den Bau und das Schicksal dieser Zellenstränge abhandeln. Auch hier werden uns Schnitte am sichersten führen. Dabei will ich gleich bemerken, dass die Cilien, welche am lebenden Embryo deutlich erkennbar sind, an conservirten Em- bryonen sich nur sehr selten erhalten haben. So fehlen sie denn auch den meisten, hier abgebildeten Schnitten. Ich gebe in Fig. 26—31 eine Serie von Schnitten, die durch einen jüngeren Embryo als der eben besprochene gelegt wurden und zwar in folgender Weise: Der Embryo ist auf dem Fussfortsatz stehend gedacht, und so kommt der Eingeweidesack senkrecht auf den nach unten gerichteten Mund zu stehen. Nach oben, jetzt schon etwas nach der linken Seite zu liegend, nachdem sie doch ursprünglich median lag, sieht die Schalendrüse (Fig. 27 sd). Sie bildet eine tiefe, enge, nach aussen trichterförmig sich öffnende Höhlung. Später wird sie weiter (Fig. 33 sd) und zuletzt Nacht sie sich zum Schalen- bette ab, wie ich die Ectodermlage nennen will, welche die Schale trägt. Der erste Schnitt der Serie war ein Flachschnitt und wurde deshalb nicht abgebildet. Er zeigte die Verbindungsstelle der Ansae an der Vorderseite des Nuclens, unterhalb der Schalendrüse, das Thier in obiger Weise orientirt gedacht. Auf dem folgenden Schnitt (Fig. 26) sehen wir die grossen Ansaezellen Az sich dem Munde nähern. Sie zeigen aber hier noch, in der Mitte des Körpers, gegen innen zu keine Verdickung. Dies wird anders etwas weiter gegen unten zu, 14 P. B. SARASIN: wo sie am Embryo auf jeder Seite eine Hervorragung bilden. Hier sehen wir nach innen zu ein ganzes Paket von ähnlich beschaffenen Zellen auftreten, wie Fig. 27 Az dies für die linke, Fig. 28 ;A2 für die rechte Seite des Embryos zeigt. Die buckelförmigen Ecto- dermwucherungen, welche zwischen den beschriebenen Zellenballen und der Mundöffnung liegen (Fig. 26—29 spl) und von denen schon gesagt wurde, dass sie in der Folge zu den Tentakeln auswachsen, werden wir bei Gelegenheit der Entwicklung des Nervensystems näher ins Auge fassen. Weiter gegen den Mund zu bilden die Ansae wieder eine einfache Zellschicht ohne Verdickung gegen das Innere und setzen sich in die kleinen Eetodermzellen fort. Wir haben somit in den Ansae die Figur eines Hufeisens mit nach vorn und oben laufenden einschichtigen, aus zwei neben einander liegenden Zellenreihen bestehenden Verbindungsbogen und mit hinter den oben erwähnten Eetodermbuckeln liegenden vielzelligen, verdickten Enden. Ausser eingelagerten kleinen Körnchen ist übrigens an den blasigen, mit grossem Kern versehenen Ansaezellen nichts auffallendes zu sehen. Anders wird dies m einem kurz darauf folgenden Stadium, von dem ich in Fig. 32—34 drei aufeinanderfolgende Frontalschnitte (denn so will ich hinfort die in dieser Weise gefällten Schnitte nennen) abbilde. Hier sehen wir in den Zellen der Ansae auffallend grosse Coneretionen auftreten, die auch nach längerer Einwirkung des Carmins auf den Embryo sich nur hellrosa färben und durch ihre unregel- mässigen Gestalten und ihre Eigenthümlichkeit der Lichtbrechung sofort auffallen. Sie finden sich in allen äusseren Zellen der Ansae, auch in den Verbindungszellen auf der Vorderseite des Embryos, sie fehlen aber den nach innen gelegenen Zellen beidseits des Mundes. In Fig. 32 a bilde ich eine Zelle der rechten Ansae stärker vergrössert ab, welche die Coneretion ganz besonders klar zeigte. Wichtig scheint mir, dass um die hellgefärbte Concretion herum (Fig. 32 a, con) sich sehr häufig eine sich dunkel färbende Schale befand mit un- regelmässigen Anschwellungen. (Fig. 32, dR). In andern Fällen bildete diese dunkler gefärbte Substanz die Hauptmasse und es waren ihr mehrere. Öoncretionen eingelagert (Fig. 33 OrA). Die Bilder erinnern einigermaassen an die Secretbläschen in den Nierenzellen erwachsener Schnecken. Eine einzige Ansazelle kann auch mehrere frei neben einanderliegende Concretionen enthalten (Fig. 32 pri). Mit dem Wachsthum oder der Vermehrung der Concretionen wird Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 15 auch die Mutterzelle immer grösser und dabei blasig aufgetrieben. Während der Kern zu Anfang in ihrer Mitte sass und die Zelle mit Protoplasma erfüllt war (Fig. 27, 28 aAz ete.) wird er beim Wachsen der Concretionen mit dem Plasma nach der Wand der Zelle ge- drängt (Fig. 34 Az),.in weiterer Entwicklung scheint das Plasma zu schwinden (Fig. 33 prA) und in vielen grossblasigen Zellen waren weder Kern noch Plasma mehr aufzutreiben, so Fig. 32 prlz und viele ‚andere. Auffallend ist, dass in spätern Entwicklungsstadien das Vor- kommen grosser Concretionen nicht mehr constatirt werden konnte, sondern statt ihrer zeigten sich nur äusserst kleine Körnchen in den ‚Zellen der Ansae. Es würde auch der Verdacht, es könnten diese Concretionen künstlich entstandene sein, einigermassen gerechtfertigt erscheinen, wenn nicht eine Längsschnittserie durch einen gleich- altrigen Embryo genau dasselbe Resultat ergeben, wenn ferner sich an irgend einer anderen Stelle des Embryos ähnliches vorgefunden und wenn nicht Bobretzky ähnliche Concretionen in den Urnieren seiner Prosobranchier gefunden hätte (l. c. siehe seine Abbildung Fig. 79). Wir sehen also jetzt schon deutlich, dass Zellen der Ansae, die, wie schon ausgesagt wurde, am lebenden Embryo bewimpert sind, zwei Funktionen erfüllen, die des Velums und die der Urnieren. In der weiteren Entwicklung verändern sich die Ansae in nicht wenig auffallender Weise. Zunächst verändern sie insofern ihre Lage, als die rechte Ansa ihren Platz unten rechts verlässt und so nach oben und hinten wandert, dass sie fast in die Mitte des Nackens zu stehen kommt. Die linke nähert sich vielleicht etwas mehr der Unterseite, doch verlässt sie ihre ursprüngliche Stelle jedenfalls bei weitem nicht so sehr, wie die rechte. Diese Verlagerung des ge- sammten hufeisenförmigen Zellenstranges aus der medianen Lage nach links erklärt sich zunächst durch eine in dieser Richtung sich voll- ziehende Torsion des vorderen Theils des Eingeweidesackes, eine Torsion, die wir später bei Gelegenheit der Darmentwicklung des nähern erörtern wollen. Um den Bau der Ansae in ihrer vollsten Entwicklung zu zeigen, habe ich in den Figuren 35 — 38 vier auf einander folgende Schnitte durch einen um ein gutes weiter ent- wickelten Embryo, als der in den Fig. 32 —34 besprochene war, abgebildet. In diesem zeigen sich schon die ersten Anlagen des Nervensystems (Fig. 35 n) und der Vorderdarm zeigt schon eine wohl- ausgeprägte bewimperte Höhlung (Fig. 36 vd). Was nun die Ansae 16 - P. B. SARASIN: betrifft, so will ich hier gleich bemerken, dass ich nur durch einen Zufall zum Verständniss ihres Baues gelangte, indem es mir möglich ward, durch einen Embryo, der sie im Stadium us. besten Ent- wicklung zeigte, drei aufeinanderfolgende Schnitte von — mm. Dicke zu führen. Es sind dies — Schnitte Fig. 36, 37 und 38. Fig. 35 hat noch die Dieke von ——- mm., eine Dicke, bei der ich stets lücken- lose Serien erzielte, as, "für andere Organe meistens ausreichend war. Es wurde mir selbstverständlich leicht, auf allen andern guten Schnittserien, die _ mm. Dicke hatten, den Bau der Ansae zu er- kennen, nachdem ich durch die hier abgebildeten Schnitte darüber aufgeklärt worden war. Es sind nun diese nicht in der gleichen Richtung durch den Embryo geführt, wie die in Fig. 26—34 abgehan- delten, sondern die Schnittebene wurde senkrecht auf den Mund ge- richtet und war der unteren Fläche des Fussfortsatzes gleich- laufend. Ich will die Richtung in der Umrisszeichnung (Fig. 118) eines bedeutend jüngeren Embryos andeuten. Da von vorn nach hinten geschritten wurde, ist, wie es auch auf Fig. 26—34 der Fall war, auf dem Bilde rechts, was am Thiere links ist und umgekehrt. Wir sehen nun in diesem Stadium innerhalb der beiden seitlich gelegenen Zellenballen der Ansae eine Höhlung auftreten und zwar zwischen der.äusseren Zellenlage und den inneren Zellen (vergl. Fig. 27 und 28 aAz und iA2). Fig. 35 zeigt uns beiderseits die untere, etwas nach vorn schauende Spitze der Ansahöhle (IhA und rhA). Der Schnitt 36 war rechts zerrissen, links zeigte sich die nunmehr ziem- lich geräumige Höhle sehr klar (IhA). Die äusseren, die Höhlung umkleidenden Zellen sind in diesem Stadium sehr gross mit deut- lichem Kern an ihrer Basis und mit sehr kleinen Körnchen besetzt. In Fig. 37 sind wieder beide Ansae getroffen, wobei besonders die rechte (rh A) höchst deutlich war. Der folgende Schnitt (Fig. 38) zeigt uns nun die merkwürdige Ausmündung der Hohlräume. Die äusseren Ansazellen ZA bilden eine Art Gewölbe über dem Hohl- raum, und dieser öffnet sich auf jeder Seite mit zwei neben- einander liegenden Oeffnungen, welche stark bewimpert sind. Auf der linken Seite (rechts im Bild) ist. nur die eine, nach unten und vorn liegende Oeffnung quer getroffen und dabei die nach innen geschweifte, die Oeffnungen trennende, völlig bewimperte Brücke (Fig. 38 wpo) sichtbar. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 17 Die rechte Ansa war wegen ihrer Umlagerung anders ge- troffen. Für sie war der Schnitt 38 ein Flachschnitt, der die Wimper- brücke (wbr) von oben zeigt und die beiden Oeffnungen ofa und ofb nebeneinander liegend. Die folgenden Schnitte waren zu sehr beschädigt, als dass ich sie mit Fug hätte abbilden können; aber sowohl aus ihnen, als aus andern erfuhr ich, dass die Höhlung in gleicher Weise nach oben sich zuspitzt, wie dies nach unten zu der Fall war. Es laufen also der mittleren Höhlung zwei Kanäle zu, der eine unten, der andere oben beginnend, und die Höhlung selbst mündet mit zwei übereinander liegenden, stark bewimperten, nur durch eine schmale und gegen innen ausgeschnittene Brücke getrennten und offenbar den beiden Kanälen entsprechenden Oeff- nungen nach aussen. Ich würde keinen Moment anstehen, dieses Organ die Urniere der Prosobranchier zu nennen, wenn es nicht zugleich von den Velar- zellen gebildet wäre. Dass diese äusseren Zellen bewimpert sind, zeisten auch diese Schnitte nicht; wohl aber war dies auf andern klar zu sehen. Ich hielt es aber nicht für nothwendig, nur um ihretwillen sie abzubilden. Immerhin weise ich auf die Schnitte 67 und 68 durch einen nur wenig jüngeren Embryo, als der besprochene war, hin, wo die Wimpern an den mit wpAz bezeichneten Zellen mit voller Klarheit zu sehen waren. Der die Cilien tragende Aussen- rand dieser wohlconservirten Zellen zeigte sich als ein dunkel ge- färbter Streifen, eine Beobachtung, die ich auch an andern bewim- perten Zellen machte (cf. Fig. 65 wpm, 23 wpm). Dass die Cilien besonders an den zarten, blasig aufgetriebenen Velarzellen leicht verloren gehen durch die Behandlung mit Reagentien, ist leicht be- sreiflich, wenn wir uns an die starken endosmotischen Strömungen erinnern, welche beim Ueberführen der Embryonen aus Spiritus in die Farbe, oder aus absolutem Alcohol in Terpentin zu Stande kom- men. In den meisten Fällen wurden auch durch diese Bewegung die Velarzellen völlig zerrissen und zerfetzt. Was das schliessliche Schicksal der Ansae anbetrifft, so waren sie noch in einem Stadium zu bemerken, wo die Sinnesorgane schon gebildet waren. Während sich dann später die linke Ansa noch ziemlich lange erhielt, ging die rechte bald völlig verloren. Die linke zeigt sich in ihren letzten Stadien als ein bewimperter, mit unregel- mässigen Höhlungen versehener Zellenhaufen. (Fig. Si, 95, 96, 2 Arbeiten a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VI. E4 18 P. B. SARASIN: 97 1A). Von diesem Häufchen liefen noch einige grosse Zellen über den Nacken des Embryos (Fig. 93, 94 1A). Die Höhlungen machten den Eindruck, als würden die Zellen von innen aus aufgelöst. Nachdem oben gezeigt worden war, dass die Ansae zusammen einen hufeisenförmigen Strang von Zellen bilden mit zwei grösseren Anhäufungen seitlich vom Mund hinter den, später zu den Tentakeln werdenden Ectodermbuckeln, ist nun auch klar, dass die Stelle des in Fig. 25 abgebildeten Embryos, die ich mit sdıw bezeichnete, nicht zum Munde werden kann, sondern die Schalendrüse ergiebt; denn die Ansae schliessen sich nicht direct oberhalb des Mundes, sondern ihre Schlussstelle liegt direet unterhalb der Schalendrüse.. Warum ich dieses Stadium (Fig. 25) Pseudogastrula nenne, hat fol- genden Grund: An lebenden Embryonen sieht man, dass die Ansae schon jetzt seitlich vom Mund kleine Buckel bilden, welche beidseits über den tiefsten Punkt der Einsenkung zwischen den beiden Fortsätzen sdf und fs hervorragen und zwar etwa bis zur halben Höhe der Fortsätze. Da in diesem Stadium der Embryo noch wenig grösser ist als die ächte Gastrula, wie aus den Bil- dern 22 und 25 zu ersehen ist, da er ferner in diesem Stadium noeh sehr undurchsichtig ist, man auch dieses Stadium aus einem völlig runden, einer Keimkugel täuschend ähnlich sehenden Gebilde der Pseudokeimkugel sich entwickeln sieht, so glaubte ich zu An- fang nicht anders, als die ächte Gastrula vor mir zu haben. Erst Schnitte haben mich in der Folge über das wirkliche Verhältniss aufgeklärt. Uebrigens wurde es mir auch später am lebenden Em- bryo nie möglich, mit Sicherheit anzugeben, ob ich die ächte, oder die Pseudokeimkugel, die ächte oder die Pseudogastrula vor mir hatte. Bei der Beschreibung der Ansae wird es dem Leser sogleich aufgefallen sein, dass das mittlere Entwieklungsstadium ihrer beiden seitlich vom Mund gelegenen Zellenhaufen, deren Höhlung mit der Aussenwelt durch Wimperöffnungen communieirt, identisch ist mit den von Bütschli beschriebenen Urnieren von Paludina. (Entw. Beitr. p- 225). Er sah zwei solide, aus wenigen Zellen bestehende Körper an den Seiten des Embryos allmälig sich aushöhlen und durch eine Wimperöffnung mit der Aussenwelt communiciren. Sonst fand Bütschli bei Paludina nichts, was sich als Urnieren hätte deuten lassen. Bei Nassa und Fusus fand Bobretzky symmetrisch jeder- seits der Fussanlage zwei kleine Gruppen von Ectodermzellen, die Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 19 mit ihrer Weiterentwicklung immer mehr über die Körperoberfläche vorragen und die Bobretzky, nachdem er Concretionen in ihnen ge- funden hatte, als Urnieren deutet. Sie liegen bei Nassa relativ weit hinter dem hinteren Umbiegungsrand des Velums. (ef. Studien zur Entw. G. ete. pag. 125, 132, 134.) Bei Fusus liegen sie dem hinteren Velumrande direct an. Bütschli macht nun die interessante Angabe, dass er bei Lim- naeus und Planorbis drei sehr grosse, unbewimperte Zellen am hin- teren Umbiegungsrand des Velums fand. Diese entsprechen der Lage nach den von ihm bei Paludina, von Bobretzky bei Nassa, Fusus und Natica gefundenen Urnieren und den von mir bei Bithynia gefundenen verdickten Stellen der Ansae. Auch Fol sah die von Bütschli bei Planorbis und Lym- naeus beschriebenen Urnierenzellen bei Planorbis genau und auch er hält sie für excretorisch, unter Umständen mit den längst be- kannten weiter zurück liegenden Urnieren der Süsswasserpulmonaten in enger Verbindung stehend. (Dövel. des Gasterop. pulmon.) Rabl tritt Bütschli entgegen, was die Deutung der von letzte- rem Forscher bei Planorbis und Lymnaeus vorgefundenen grossen Zellen betrifft und bringt sie direct in Zusammenhang mit dem Velum. Rabl wird erst dann Bütschli und Fol gegenüber Recht behalten, wenn er die Richtigkeit seiner Ansicht durch Schnitte dargethan hat, die hier allein zum Ziele führen können. Ebenso weist Rabl Bobretzky’s Prosobranchier Urnieren zurück, indem er auch sie für einen Bestandttheil des Velums hält. Bobretzky's Abbildungen sollen zu klein sein und die von ihm vorgefundenen Concremente sollen nichts beweisen. Was das erstere anbetrifft, so scheinen uns die Abbildungen in der Grösse völlig zu genügen, um die Concremente zu zeigen und da diese auf so kleinem Bilde schon so gross er- scheinen, finden wir Rabl entgegen, dass der Grund, sie für Ur- nieren zu halten, ein sehr triftiger war. Die Sache liegt nun nicht sehr einfach. Nach den Erfahrungen von Bobretzky, Bütschli und mir liegt auf jeder Seite der Proso- branchier-Embryonen ein Häufchen grosser Ectodermzellen, das bei Paludina und Bithynia mit Wimperöffnung nach aussen mündet. Nach Bütschli und Fol finden sich dieselben bei Planorbis. Ist dies richtig, so haben die Süsswasserpulmonaten zwei Organpaare, die als Urnieren zu deuten sind, ein vorderes und ein hinteres Paar; 2* o0 P. B. SARASIN: letzteres mit der interessanten grossen Secretionszelle..e Hat Rabl recht, dass die von BDütschli zuerst gefundenen grossen Zellen bei Planorbis und Lymnaeus zum Velum gehören, so sind wahrschein- lich die von Bütschli und mir bei Paludina und Bithynia gefundenen Organe den hintern Urnieren der Süsswasserpulmonaten homolog. Dies wird nun noch des weiteren zu untersuchen sein. Speciell bei der Bithynia fand ich die weitere Complication, dass die Wimpern der Velarzellen zugleich als Urnieren funktioniren. Sie sind in der charakteristischen Form des zweireihigen Velums angeordnet, tragen Wimpern, wie mir Schnitte beweisen, sind aber zugleich blasig aufgetrieben und enthalten Concretionen, in einem gewissen Stadium dann die beiden seitlichen Organe. Diese Ver- schmelzung der beiden Funktionen in ein Organ nöthigte mich, sie mit dem Namen Ansae (Henkel) zu bezeichnen und ich wählte mit Absicht eine vollständig neutrale Benennung, weil denn doch ihr Wesen noch nicht vollständig aufgeklärt erscheint. Ausser den Ansae . fand ich kein Organ bei der Bithynia, das den hintern Urnieren der Süsswasserpulmonaten hätte entsprechen können und ich glaube kaum, dass ich es übersehen hätte, wenn es wirklich doch existirte. ‘ Nachdem nunmehr aus rein praktischen Rücksichten die ersten Entwicklungsstadien des Embryos und die Ansae abgehandelt sind, gehe ich jetzt zur Entwicklungsgeschichte der Leber und des Darm- kanals über, womit auch die der äusseren Körperform eng verknüpft sein wird. II. Entwicklungsgeschichte der Leber und des Darmkanals. Wir haben oben gesehen, dass der Blastoporus sich völlig schliesst und so eine von Ectodermzellen umgebene, solide Entoderm- kugel zu Stande kommt. An einer Stelle, vielleicht an der ursprüng- lichen Schlusslinie des Blastoporus, ist die Ectodermschale stark ver- diekt (Fig 23 ec), und nun entstehen hier zwei grössere und zwei kleinere Buckel, zwischen denen eine trichterartige Vertiefung bleibt. Die kleineren sind die Ansae, von den grösseren ergiebt der eine den Fuss, der andere den Eingeweidenuclens mit der Schalendrüse. (Fig. 24 u. 25 sdf, fs). Das ganze Gebilde nannte ich die Pseudogastrula. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. al Eine wichtige Frage ist nun die nach der Orientirung des Embryos. Sobald die definitive Mundeinstülpung sich kundgibt, haben wir auch das vordere und das hintere Ende charakterisirt. Die ver- dickte Stelle (Fig. 23 ec, Fig. 24 und 25 sdf u. fs) müssen wir als die Bauchfläche der sich nunmehr bildenden Trochosphaera (Bay-Lankester, Semper) ansehen, wie sich besonders aus der Entwick- lung des Nervensystems ergeben wird. Da dies aber nun um ein gutes später entsteht, während vor der Hand nur der Darmkanal mit der Leber sich bildet, würden wir einen Fehler begehen, wenn wir diese Eetodermverdickung jetzt schon dem Keimstreif der Annelidenlarve identifieiren wollten. Wir werden hinfort auf die Wucherungen des Ectoderms unser immerwährendes Augenmerk zu richten haben. In dieser Hin- sicht war die Bithynia ein besonders günstiges Objekt; denn bei ihr kam der Erkennung der Ectodermwucherungen der glückliche Umstand zu Hilfe, dass sich stets die Kerne aus den lebhaft wuchern- den Stellen heller färbten und zwei Kernkörperchen führen, statt eines einzigen, was sie vor anderen sofort auffallen liess. Ich ver- suchte meist, dies mit dem Stifte anzudeuten, obgleich die Deutlich- keit des gefärbten Bildes dadurch keineswegs genügend wiederge- geben wird. Es muss uns diese Auszeichnung lebhaft wuchernder Ectodermstellen um so wichtiger sein, als es sonst oft zweifelhaft bleiben könnte, ob an solchen Stellen. das Ectoderm als einzellige geschlossene Schicht sich zeige oder nicht. Ueberdies werden wir sehen, dass in beliebigen Entwicklungsphasen an beliebigen Stellen kleine Ectodermwucherungen stattfinden zur Bildung von Bindege- webe, Muskel- und Drüsenzellen. Dies werde ich bei Gelegenheit der Besprechung der Keimblätter im letzten Abschnitte zu zeigen haben. Ich habe des ferneren vorauszuschicken, dass ich erst dann von einer Wucherung des Ectoderms zu sprechen wagte, wenn auf Quer- und Längsschnittserien durch dasselbe Stadium das Verhält- niss sich als richtig erwies. Von vornherein schon darauf verzichtend, die Entwicklungs- geschichte des Darmkanals nur an lebenden oder conservirten ganzen Embryonen zu verfolgen, verliess ich mich auf Längs- und Quer- schnittserien, die ich ecombinirte und von denen ich einige hier ganz abbilde, um das Verhältniss der Organe dem Leser klar zu demon- 22 P. B. SARASIN: striren und ihm so leichter zu einem Urtheil über die Resultate zu verhelfen. In den Fig. 24 u. 25 bemerken wir an der Stelle vkw und ecein eine lebhaftere Kernvermehrung. Diese nehme ich in Anspruch für die beginnende Darmbildung. Die in Fig. 24 noch runde Ento- dermkugel en hat im folgenden Stadium (Fig. 25) ihre Form inso- fern verändert, als ihre Unterfläche concav wurde, indem diese Ein- buchtung der Ectodermeinstülpung ecein folgte. Dadurch zerfällt der Entodermkörper jetzt schon in zwei Parthien, eine gegen die Schalendrüse schauende obere und hintere (den Embryo auf der Sohlenfläche des Fussfortsatzes stehend gedacht!) und eine gegen den Mund schauende vordere und untere (Fig. 25 vent und hent). Mit vom verdriesslichsten, was mir in der vorliegenden Unter- suchung begegnete, war, dass ich durch einen bösen Zufall die kurz auf das beschriebene folgenden Stadien nicht unter das Messer be- kam und der folgende Embryo schon die Grösse hatte, wie Fig. 43 als Mittelschnitt sie versinnlich. Der Grund lag darin, dass ich, eifrig mit der Untersuchung des Nervensystems beschäftigt, die erste Entwicklung des Darmkanals längere Zeit bei Seite schob und erst dran sing, als das Material schon seltener wurde. Uebrigens ist der Unter- schied in der Grösse zwischen den Fig. 25 und 43 nicht so bedeutend, dass Zwischenstadien lebend leicht hätten erkannt werden können. Mit Hilfe des beigegebenen Maasstabes (Fig. 124) wird man sich von der relativ geringen Zunahme des Körperdurchmessers überzeugen können. Es gibt ferner meinen weiteren Angaben noch dieser Umstand eine festere Basis, dass der Entodermsack — denn ‚ein solcher ist die Entodermkugel nun geworden — mit der Höhlung des Mitteldarms noch in keiner Verbindung steht. Wir wollen jetzt die weiteren Entwicklungsvorgänge an Hand einer Längs- und Querschnittserie durch dieses Stadium eingehender betrachten. Um das Verhältniss der Leber und des Darmkanals zu erfahren, wollen wir uns zunächst die aufeinanderfolgenden Schnitte 39—43 näher ansehen, die von der rechten nach linken Seite des Embryos laufen. Schnitt 39 ist ein Flachschnitt, der die rechte Ansa (r A) zeigt und kundgibt, dass an der rechten Seitenwand des Embryos keinerlei Oeffnaung existirt. “Wichtigeres zeigt uns der folgende Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 23 Schnitt (40). Bei ecmd sehen wir lebhafte Wucherung des Ecto- derms, von welcher Stelle sich ein dichter Strang von Kernen nach unten und vorn (ecvd) und nach oben und innen fortzieht, wo dann die Kerne sich um einen Hohlraum gruppiren (md), der gegen aussen blind endigt, wie Fig. 39 zeigte und dessen Wandung seitlich in das lebhaft wuchernde Eetoderm übergeht. Auf dem folgenden, bei zz zerrissenen, sonst aber wohl brauchbaren Schnitte (41) sehen wir die Stelle ecmd in lebhafter Wucherung. Der Kernstrang ecvd ist deutlich und fällt besonders an den gefärbten Schnitten sehr in die Augen. Um das Verhältniss des Darmkanals und der Leber in diesem Stadium der Entwicklung möglichst klar zu machen, gehe ich zu- nächst an den Schnitt 43, der uns das Verhältniss des Entoderms deutlich macht. Die in Fig. 24 u. 25 noch solide Entodermmasse en hat nunmehr einen Hohlraum gewonnen (Fig. 43 enh), der aber noch allseitig geschlossen ist. Fig. 41 ren zeigt uns seine rechte, undurchbohrte Wandung. Diesem Entodermsack sehen wir in Fig. 43 hent einen soliden Fortsatz ansitzen. Er entspricht demselben Fort- satz hent der Entodermmasse en der Fig. 25. Die rechte Seitenwand des Fortsatzes hent sehen wir in Fig. 41 mit rıwh und rwh, bezeichnet. Die mit rıwh, bezeichnete Stelle der Aussenwand des Entodermfort- satzes ist nicht unmittelbar von Kernen des Ectoderms bedeckt, wie die Stelle rırh, sondern dieselben gruppiren sich um diese Stelle (rwh,) in Form eines unregelmässigen, nicht geschlossenen Kreis- bogens (Fig. 41, md), so dass auf Sehnitt 41 die Stelle rw, völlig blos liegt. Betrachten wir den Schnitt 40, welcher etwas mehr nach der rechten Seite des Embryos zu liegt, so sehen wir an Stelle des ziemlich geräumigen Kreisbogens (Fig. 41 md) nur noch eine kleine Spalte (Fig. 40 md) und diese endigt blind gegen die äussere Eeto- dermlage, wie Fig. 39 zeigt. Der so von Ectodermzellen umgebene und der rechten Aussenwand des Entodermsackfortsatzes (Fig. 41 rıch,) mit relativ breiter Basis aufsitzende, gegen aussen rechts aber rasch sich verschmälernde Hohlraum zeigt ungefähr die Form eines Hohl- kegels, dessen Basis nach innen und dessen Spitze nach aussen schaut. Ich werde ihn hinfort kurz den Eetodermhohlkegel nennen. Fig. 41 zeigt nunmehr, dass dieser Eetodermhohlkegel dem Entoderm- fortsatz nur an der Stelle aufsitzt, wo der letztere dem Entoderm- sack ansitzt (Fig. 43 stl). Wir sehen an dieser Stelle eine ziemlich 94 P. B. SARASIN: lebhafte Kernvermehrung der Entodermzellen. An der unteren Stelle des auf Schnitt 40 u. 41 mit ecvd bezeichneten Kernstranges liegt, wie Fig. 42 os zeigt, die schön ausgebildete Mundeinstülpung, aussen mit Wimpern besetzt. Sie zeigt in der Richtung der Fulsspitze einen Fortsatz, die Zungenscheide (Fig. 43 zns). Senkrecht darauf sieht ein zweiter Fortsatz nach oben, der Beginn des Vorderdarms (Fig. 43 vda). Indem ich diese Serie beschrieb, hatte ich in etwas vorgegriffen. Der in Querschnitte zerlegte Embryo 26 — 31 zeigt ein etwas jüngeres Stadium; aber um die Verhältnisse des Darmkanals zu demonstriren, sind Querschnitte weit weniger instructiv, als Längsschnitte. Ich konnte in diesem Stadium noch keinen Ectodermhohlkegel finden und die mediane Ectodermwucherung ecmd (40 u. 41) fiel auf den letzten Flachschnitt (Fig. 31). Ich bildete diese Schnitte ab zur Demon- stration der Schalendrüse, der Ansae und der später zu betrachten- den Sinnesplatten. Von einem nur wenig späteren Stadium, als dem in Fig. 39 — 43 repräsentirten, bilde ich in Fig. 44 einen Schnitt ab, der in der Lage ungefähr dem Schnitt 41 correspondirt, nur fiel er insofern etwas schräg, als noch ein Stück der Mundeinstülpung getroffen wurde. Er zeigt, dass der Kernstrang ecvd (Fig. 40 u. 41), der zuvor noch keine präcise Form hatte, zu einem soliden Cylinder wird, der unten an die Mundeinstülpung, oben an die Stelle sich in- seriert, wo der Ectodermkegel dem Entodermsack aufsitzt. Er wird zum Vorderdarm, der Ectodermkegel zum Mitteldarm, seine nach aussen schauende, ins Ectoderm sich verlierende Spitze zum Enddarm. Schon in Fig. 43 sehen wir an der Stelle st!, wo vom ge- schlossenen Entodermsack ein solider Fortsatz nach hinten geht, leb- haftere Kernvermehrung stattfinden. Diese führt zu einer Theilung des vordern Stückes vom hintern. Es erschien mir unnöthig, Zwischenstadien abzubilden, und ich gehe gleich zur Beschreibung des in den Fig. 45—49 in Längs- schnitte zerlegten Embryos über, dessen innere Organe sich im Ver- hältniss zu seinem relativ grossen Volumen noch sehr wenig ver- ändert haben. Auch diese Serie ist von rechts nach links geschnitten. Der äusserste Schnitt rechts sagte nur aus, dass der Enddarm noch nicht durchgebrochen war, was übrigens erst beim Ausschlüpfen des Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 95 Embryos aus dem Eie zu geschehen scheint. Der zweite Schnitt (Fig. 45) zeigt uns den sehr kurzen Enddarm hd, die Aussenwand des Mitteldarms md und den unten noch soliden, oben vom Mittel- darm aus bis zur Stelle aus schon durchbohrten Vorderdarm vd. Der vordere Entodermsack rlw zeigt seine rechte Wandung. Auf dem Schnitt 46 md sehen wir die Höhlung des Mitteldarms und ausser der Wandung des vorderen Entodermsackes auch die des hinteren (Fig. 46 rhLlw), ursprünglich soliden, jetzt aber, wie Fig. 47 hLI zeigt, schon ausgehöhlten Entodermfortsatzes. Das Bild Fig. 47 lässt nun auch aufs klarste erkennen, dass der vordere Entoderm- sack vL! zum vorderen, der hintere AL! zum hinteren Leber- lappen wird. Beide münden in den Mitteldarm. Der Schnitt Fig. 48 zeigt noch die Seitenwand des hinteren Leberlappens (lhLlw) und noch die Höhlung des vorderen (vZ/), ebenso die Mundeinstülpung (os). Auf dem letzten Schnitt ist auch die Seitenwand des vorderen Lappens (Fig. 49 IvLlw) getroffen. Wir sehen also auf klare Weise die Leber aus den unteren Zellen der Keimkugel (Fig. 21 en) hervorgehen, die sich zur Gastrula einstülpten, (22 en), dann in der Pseudokeimkugel eine solide Kugel bildeten (Fig. 23 en), in der Pseudogastrula eine Einschnürung er- hielten (Fig. 25 en). So bildeten sich zwei ungleiche Theile, oder besser eine Entodermkugel mit einem gegen hinten schauenden kleinen Fortsatz. Letzterer blieb noch solid, während der vordere Theil schon inwendig hohl und mit Flüssigkeit erfüllt war. Dann Trennung beider, Aushöhlung nun auch des hinteren Fortsatzes und Einmün- dung in den aus dem Ectoderm gebildeten Mitteldarm. Ueberall setzten sich die Leberzellen von denen des Darms aufs schärfste ab. Der gesammte Darmkanal legte sich aus dem Ectoderm an, während der Entodermsack noch allseitig geschlossen war. Es kommt auch öfters vor, dass die beiden Leberlappen sich nicht ganz und gar von einander trennen, sondern dass sie mit ihrer, dem Mitteldarm entgegengesetzten Wand zusammenhängen bleiben, sodass sie einen einzigen wurstförmigen Sack bilden, der an einer Stelle in den Mitteldarm sich öffnet. Ob an der Uebergangsstelle der Lebersack- und Mitteldarmwand, wenigstens bei Gelegenheit der Abschnürung der beiden Leberlappen von einander, ectodermale und entodermale Elemente sich mischen und somit doch ein kleines Stück 96 P. B. SARASIN: Mitteldarm vom Entoderm gebildet werden könnte, vermag ich nicht zu entscheiden, halte aber die Sache für unwesentlich. Ich will nun die weitere Entwicklung des Darmkanals im Zu- sammenhang vorführen. Ein sicheres Bild von den nun folgenden Verlagerungen dieses Organs können wir wieder nur mit Hilfe von Quer- und Längsschnitten bekommen. Dies wurde mir zur mühe- vollen Arbeit und erforderte viele Geduld. In den Fig. 50—58 gebe ich acht aufeinanderfolgende Quer- schnitte durch ein wenig späteres Stadium, als das oben besprochene. Da die Schnitte von vorn nach hinten gelegt wurden, so ist im Bilde links, was im Thiere selbst rechts ist. Schon aus Fig. 47 ist er- sichtlich, dass der vordere Leberlappen sehr weit nach vorne reicht. Rechts neben ihm läuft der Vorderdarm nach hinten (Fig. 45 vd), um am hinteren Ende des Lappens mit dem Mitteldarm sich zu ver- binden. So finden wir denn in Fig. 50 den vorderen Leberlappen vLi quer geschnitten und ihm zur rechten Seite den schon durchbohrten Vorderdarm vd. Da sein Lumen äusserst eng ist und er auf Quer-- schnitten bei seinem Zuge nach hinten und oben oft flachgetroffen wurde, gab er zu mannigfachen Täuschungen über Eetodermwucher- ungen etc. Anlass. Hatte ich doch zu Anfang immer erwartet, ihn vom Mund aus direct in den für den Mitteldarm gehaltenen vorderen Leberlappen mündend zu finden. Auf Schnitt 51 u. 52 sehen wir noch beide Lumina (vZl und vd) neben einander. Bei 53 ist das hintere Ende des vordern Leberlappens erreicht und der Vorderdarm tritt hier mit dem Leberlappen in den auf Schnitt 54 getroffenen Mitteldarm md, welcher etwas geronnenen Schleim enthielt. Indem er durch Schnitt 55 u. 56 läuft, öffnet sich im folgenden Schnitt (57) der hintere Leberlappen in ihn (hL!), dessen vordere Wand im Schnitt 56 (LI), die hintere in 58 (AL!) getroffen wurde. In Schnitt 58 sehen wir den Mitteldarm in den Enddarm sich rasch verengern, welcher dann nach rechts und hinten an das Ectoderm tritt (58, hd). Da auffallenderweise mehrfach der gänzliche Abschluss des End- darmes gegen das Ectoderm betont wurde, will ich nur bemerken, dass nichts klarer ist, als die völlige Verschmelzung seiner Spitze mit den Zellen des Ectoderms, welches an dieser Stelle eine sofort kenntliche Wucherung nach innen bildet, aus welcher der Enddarm hervorgeht und die zugleich zahlreiche Muskelzellen liefert, was später noch eingehender besprochen werden soll. Die- Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 27 selbe Eetodermwucherung zur Bildung des Enddarms ist auf Schnitt 60 deutlich zu sehen, bei dem die rechte Seite des Bildes auch der- selben des Thieres entspricht, da von hinten nach vorn geschnitten wurde (Fig. 60 hd). Der Embryo ist ein weniges älter, als der Fig. 50—58 abgebildete. Zu bemerken ist noch, dass der hintere Leberlappen (Fig. 57, AL!) hinten links liegt und gegen vorne zu nach rechts in den Mitteldarm ausmündet. In einem frühern Stadium (Fig. 47 hLl) lag er noch in der medianen und mündete direkt von hinten nach vorne. Um das weitere Schicksal des Darmes und der Leber zu er- fahren, gehen wir gleich zu einem ziemlich bedeutend weiter vor- seschrittenen Stadium, da die Beschreibung mittlerer Stadien nur unnöthig aufhalten würde. Ich habe es auch auf vielen, anderen Verhältnissen gewidmeten Zeichnungen unterlassen, Leber und Darm genauer auszuführen, da dies zu nichts genützt hätte. Gehen wir die Längsschnitte eines späteren Stadiums durch, in welchem sich durch Ueberwölbung des Mantels von der linken und hintern Seite her schon eine Kiemenhöhle gebildet hat, so erfahren wir folgendes: Die Serie von Längsschnitten, wie ich eine solche dem Leser in den Fig. 106—112 vor Augen führe, ist von der linken nach der rechten Seite gelegt und der erste brauchbare Schnitt (Fig. 106) zeist uns die linke Seitenwand des vorderen Leberlappens vLi ange- schnitten, sowie die des Mitteldarms md. Auf dem folgenden Schnitte zeigt sich schon die Höhlung von vZl angeschnitten, sowie die des Mit- teldarms md. Die Höhlung des vorderen Leberlappens finden wir ganz getroffen in Fig. 108.(vL!), wo zugleich seine Einmündung in den Mitteldarm md erfolgt, dessen Höhlung sich hier in ihrer ganzen Ausdehnung zeigt. In dieser Figur ist nun auch die Mundeinstülpung mit der Zungenscheide zu sehen. Die Mundöffnung (os) ist mit sehr zierlichen, stark wimpernden Zellen besetzt. Der Fundus der Zungen- scheide (zns) bildet eine Hohlkugel, von der ein enger Ausführungs- sang im rechten Winkel abbiegt und senkrecht nach oben läuft, um in die Mundhöhle einzumünden. In diesem Stadium ist in ihr noch keine beginnende Radulabildung zu constatiren. Ich möchte besonders darauf hinweisen, wie weit der zungen- förmige Leberlappen vLl nach vorne reicht. Wir treffen ihn so bei Querschnittserien schon auf den ersten Schnitten. Vorn ist er etwas kolbenförmig aufgetrieben. An der Stelle Ad des Mitteldarms 98 Ä P. B. SARASIN: (Fig. 108) geht wie Fig. 109 hd zeigt, der Enddarm ab. Dem zungen- förmigen Leberlappen vL! auf der rechten Seite dicht anliegend läuft der Vorderdarm von der Mundhöhle zum Mitteldarm, wie der für dies Verhältniss sehr günstig getroffene Schnitt 109 (vd) demonstrirt. Er öffnet sich in den Mitteldarm genau oberhalb der Einmündung des vorderen Leberlappens »L!. In Fig. 108 ist die Stelle mit vd bezeichnet. Den Einmündungen des Vorderdarms und des vorderen Leberlappens gegenüber sehen wir nun den hinteren Leberlappen LI einmünden (Fig. 109—112), der sich von seiner Einmündungsstelle (Fig. 109 AL/) etwas nach hinten rechts und oben zieht. Seine Achse bildet zu der des vorderen Leberlappens v»L/ einen stumpfen Winkel. Die beiden Schenkel dieses Winkels sind nach oben, die Spitze gegen unten zu gerichtet. Vom vorderen Lappen läuft nun auch ein kleiner Fortsatz dem hinteren Leberlappen parallel laufend nach der rechten Seite des Embryos; er ist aber unbedeutend (Fig. 110 u. 111 vZ!). Der Enddarm hat in diesem Stadium einen eigenthümlichen Verlauf. Von der Einmündung des Vorderdarms in den, nur die Fortsetzung des Enddarms bildenden Mitteldarm, läuft er in einem Bogen zuerst direkt nach der linken Seite des Embryos und dann senkrecht nach oben, um dann nach der rechten Seite des Embryos zu ziehen und am Ectoderm zu endigen. Ueber die Bezeichnung Mitteldarm sind noch einige Worte zu sagen. Ich bezeichnete bis jetzt dasjenige Darmstück damit, wo die beiden Leberlappen einmünden. Bei jüngeren Embryonen war diese Bezeichnung brauchbar, weil diese Darmstelle relativ gross er- schien. Dies ist bei älteren nicht mehr der Fall. Die Entfernung der Leberlappeneinmündungsstellen ist im weiteren Wachsthum des Embryos fast = 0, so dass es später erscheint, als mündeten beide Lappen an der gleichen Darmstelle. Von dieser Stelle an aber weitet sich der Enddarm stark aus und sein weitestes Stück bildet später den nach der linken Seite des Embryos laufenden Theil des von ihm gebildeten Bogens. Gegen seine Ausmündungsstelle ver- engert sich dann der Enddarm immer mehr. Seine bauchig aufge- triebene Stelle wird zum späteren Magen des Thieres. Haben wir nun so auf Längsschnitten die jetzige Form des Darmkanals und der Leber erfahren, so werden uns auch Quer- schnitte leichter verständlich werden. Da ich mir denke, dass eine Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 29 kurze Beschreibung einer solchen Serie einem späteren Bearbeiter dieses Gebietes die Orientirung der Schnitte erleichtern dürfte, halte ich es nicht für unnöthig, eine solche durch einen nur um weniges jüngeren Embryo, als der eben beschriebene, kurz durchzusprechen. Dazu kommt noch ein anderer Grund, den ich bald erwähnen werde. Wir haben eine solche Querschnittsserie in den Fig. 93—105 vor uns. In Fig. 119 tab. VII ist die Richtung angegeben, in welcher die Schnitte fielen. In Fig. 93 sehen wir in vZ! den vorderen Leberlappen, in vd den die Mundhöhle verlassenden Vorderdarm, in hd den im Mantel von hinten nach vorn und unten rechts ziehenden Enddarm. Dies geht auf den folgenden Schnitten so weiter. Schnitt 94 zeigt uns die Mündungsstelle der Zungenscheide in die Mundhöhle (zns). Der senkrecht nach unten laufende Abschnitt der Zungenscheide liegt in der Dicke des Schnittes 95 selbst; in zns sehen wir die Oeffnung derselben in die Endblase (Fig. 96 u. 97 zns). Die Schnitte 98 u. 99 zeigen uns den nach der rechten Seite des Embryos laufenden Fortsatz des Leberlappens vL!. (Vgl. Fig. 110 u. 111 vZ2). Seine hintere Wandung ist mit der des hinteren Leberlappens (Fig. 101 bis 104 AL!) verschmolzen oder beide liegen sich doch so an, dass sie auf einem Querschnitte nicht auseinander zu halten waren. Ich habe aus dem folgenden, ferneren Grund diesen Embryo zur Beschreibung der Darmverhältnisse gewählt, weil sich hier die Abweichung kund gibt, welche schon oben erwähnt wurde, dass sich ursprünglich der hintere Leberlappen vom vorderen gar nicht völlig loslöste, sondern mit dem vorderen zusammen einen einzigen Lebersack bildet, der sich mit einer im gegenwärtigen Stadium sehr grossen Oeffnung in den Mitteldarm öffnet. Wir könnten auf Schnitt 100 die Stelle voL! als die Einmündung des vorderen Leberlappens betrachten und das auf den Schnitten 101—104 mit hLI bezeichnete Lumen als den Hohlraum des hinteren Leberlappens. Wir sehen, wie die ihn umschliessenden Entodermzellen in die des vorderen Leberlappens direkt übergehen. Von zwei Leberlappen kann also hier eigentlich nicht gesprochen werden. Der Enddarm ist jeweilen mit hd bezeichnet. Wir sehen wie sein Lumen immer weiter wird, je mehr er sich der Einmündung der Leber nähert. Betrachten wir nun das Schicksal der Leber und des Darmes im Zusammenhang. 30 P. B. SARASIN: Was zunächst die Leber betrifft, so sahen wir, dass sie der direkte Abkömmling des Entoderms ist; ihre Zellen bewahren wäh- rend des ganzen Embryonallebens den Charakter der ächten Ento- dermzellen, - welche durch die Fol’schen Deutoleeithtropfen ausge- zeichnet sind. Auf diese möchte ich die Aufmerksamkeit des Lesers hinlenken. Sie werden nämlich mit dem Wachsthum der Leberzellen selbst immer grösser, und indem sie allmälig den gesammten Raum der Zelle erfüllen, drängen sie den Kern und das Protoplasma gegen die Aussenwand. Ferner: je mehr sie sich in den Zellen anhäufen, um so mehr schleimartige Substanz sammelt sich im dem vom Leber- sack umschlossenen Hohlraum an. Um diese Substanz herum sammeln sich genau dieselben Tröpfchen an, wie sie in den Zellen sich zeigen und verschmelzen allmälig mit ihr. Betrachten wir Fig. 32, so sehen wir im Innern des noch allseitig geschlossenen Lebersacks solchen Schleim mit um und in ihm liegen- den ganz ebensolchen Tröpfehen wie wir sie in dem Entoderm des Embryos bemerken. Sie können nur den Entodermzellen selbst ent- stammen, da ja dieses überall geschlossen ist. So fand ich es auch noch bei anderen Embryonen dieses Alters. Dasselbe zeigt sich in späteren Stadien; so möchte ich auf die Fig. 82, 83, 84 »vLI, 104 hLi, 109, 110, 111 »ZL! hinweisen. Sehr deutlich wurde diese Aus- scheidung in noch späteren Stadien, wie ich eines in dem Schnitt 113 repräsentiere. Hier erscheinen die höchst grossen und regel- mässig gebauten Leberzellen von solchen Tropfen, die wie zierliche Kugeln aussehen, ganz erfüllt. An ihrer Spitze sitzen ganz gleiche, welche von den nachfolgenden gegen die Mitte der Höhlung gedrängt werden und dort zu einer gemeinsamen Masse verschmelzen. Durch die Coagulation scheint diese Masse sich leicht contrahirt zu haben, so dass man ganz deutlich die Eindrücke sieht, welche die ihr direkt anliegenden Tröpfchen an ihrer Oberfläche zurückgelassen haben. Was den Kern und das Protoplasma der Entodermzellen be- trifft, so liegt der erstere anfänglich fast im Centrum der Zelle und das Protoplasma füllt sie ganz aus. (Vgl. Fig. 22 en, 47 vL]). Dies ändert sich mit dem massenhafteren Auftreten der Deutoleeith- tropfen; Kern und Plasma werden dem äusseren Zellrande zugedrängt; das letztere übrigens erst nach dem Kern. (Vgl. Fig. S1, 82, 83 u. a.) Ist auch das Protoplasma an den Rand gedrängt, so bekommen wir das Bild der Fig. 113, wo der grösste Raum der Zelle von den "Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 31 Tropfen erfüllt ist und der Kern in einer Ecke der Aussenwand der Zelle im Protoplasma liegt (Fig. 113 prot und kr). Es kann nun nach dem Angegebenen kaum zweifelhaft er- scheinen, dass jene Tropfen ein Secret der schon von früh an funetio- nirenden Leberzellen sind. Da sie schon in den Entodermzellen der Keimkugel vorhanden sind, brauchten diese somit ihre Natur gar nicht zu verändern, um zu Leberzellen zu werden. Das Material zu ihrem Wachsthum und zur Bildung dieser Tropfen nahmen sie durch das Ecetoderm des Embryos aus dem denselben umgebenden Eiweiss auf. Nachdem wir den ganzen Darm aus dem Ectoderm haben entstehen sehen, hat diese Ernährung nichts auffallendes mehr. Fehlte das äussere Nahrungseiweiss völlig, wie bei der Valvata u. a., so war es von Anfang in die Entoderm- oder Leberzellen selbst gelegt. Die beiden Leberlappen, die anfangs fast kuglig waren, strecken sich mit dem Wachsthum des Embryos sehr in die Länge und werden nicht nur relativ, sondern auch absolut immer schmaler, wie sich aus der Vergleichung der beigegebenen Figuren leicht ergibt. Während ferner der vordere Lappen anfangs bis zum Nervensystem reichte, kommt er später durch das Auswachsen des Kopftheils sehr zurück zu liegen. — Wir kommen nun zu einem schwierigen Abschnitte, nämlich der Klarlegung der im Lauf der individuellen Entwicklung vollführten Darm- und Körperwindung des Embryos. Dabei fassen wir zunächst allein den Darm ins Auge. Wie schon oben bemerkt, gelang es mir nicht, die Entwicklung des Darms auf eine völlige mediane bauch- ständige Lage zurückzuführen; aber die Annahme einer solchen Ent- stehung ist immerhin gerechtfertigt in Anbetracht, dass eine mediane Wucherung der Pseudogastrula und die Thatsache zu eonstatiren war, dass der Darm in der That allmälig von rechts unten nach oben und links rückt, wobei er dann eine Schleife bildet, die besondere Eigen- schaften zeigt. Zudem dürfen wir nicht erwarten, schon in der medianen Lage einen ausgebildeten, d. h. mit einem Lumen ver- sehenen Darm zu finden. Dieses tritt erst viel später auf. Es kann sich nur um eine Anhäufung ectodermaler Zellen handeln, die ent- weder an der linken oder der rechten Seite der Entodermkugel nach oben drängt. Dann tritt in ihr ein Hohlraum auf, der nach vorn und hinten ziemlich rasch fortschreitet. So bekommen wir dann 99 | P. B. SARASIN: das in Fig. 45 dargestellte Resultat: einen vorn und hinten befes- tigten, in der Mitte ausgeweiteten, im stumpfen Winkel gebogenen Schlauch. Beide Enden schauen nach entgegengesetzter Rich- tung. Da der Schlauch mit Flüssigkeit erfüllt ist, ist er auch als solider Strang zu betrachten. Die weitere Entwicklung ergibt nun, dass die, die beiden Enden verbindende Ectodermwand des Embryos nicht mit gleicher Raschheit in die Länge wächst, wie der an ihr mit seinen beiden Enden befestigte Zellenstrang (Darm) oder, anders ausgedrückt, die beiden Enden des Darms nähern sich relativ einander. So kommt es, dass der Darm zwischen seinen Anheftungs- punkten die schon oben in ihrer Lage beschriebene Schleife bildet, deren Fundus an die linke Seite des Embryos, ganz ans Ectoderm zu liegen kommt und zugleich sich ziemlich stark ausweitet. Mit dieser Schleifenbildung ist noch ein anderes wichtiges Phänomen verbunden: der Vorderdarm macht eine Drehung nach der linken Seite des Embryos, der Hinterdarm nach der rechten. Der Dreh- ung des Vorderdarms folgen die Leberlappen, ja dieser Drehung folgt der gesammte Eingeweidenuclens mit allen seinen Organen. ‚ Diese Drehung lässt sich auf eine höchst einfache Weise mechanisch erklären. Wir brauchen dazu nichts anderes, als einen elastischen Schlauch, besser aber einen soliden elastischen Strang. Wollen wir mit einem solchen den beschriebenen Wachs- thumsvorgang nachahmen, so bezeichnen wir an ihm durch zwei parallele Striche eine dorsale und eine ventrale Linie. Sein gleich- mässiges Weiterwachsen bei Fixirung seiner beiden Enden ahmen wir dadurch nach, dass wir seine Enden anfassen und, ohne die Hände aus ihrer gegenseitigen Lage durch Seitwärtsdrehen etc. zu bringen, nähern wir sie langsam einander. Anfangs wird der Strang einen Bogen bilden, dessen dorsale Linie (denn so will ich hinfort die obere nennen) einen Druck nach unten, dessen ventrale einen ebensolehen nach oben ausübt. Nähern wir die Enden einander noch mehr, so wird die so erzielte Spannung erhöht, und es bildet sich in einem Augenblicke eine Schleife, welche durch die Ausglei- chung dieser Spannung zu Stande kam. Es ist Zufall, ob die Schleife nach der linken oder der rechten Seite hin entsteht. Die Schleife selbst hat nun die auf Fig. 117 tab. V dargestellten Eigenschaften. Die rothe Linie stellt die dorsale, die blaue die ventrale Linie des ; Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 33 Stranges dar. Jede vollführt nun bei der Bildung der Schleife eine Drehung von 180° und so werden die oben erwähnten Spannungen aufgehoben. Während beim einfachen Bogen die von jeder Linie durchlaufene Distanz ungleich gross war, ist sie jetzt gleich gross, in Folge dieser Drehung. Nenner wir das Ende a das vordere und das Ende b das hintere (Fig. 117), ferner die hier dargestellte Schleife eine rechtsgewundene Schleife, so dreht sich die dorsale Linie bei a um 180° nach links hinunter, während dieselbe bei b sich um 180° nach rechts hinunter dreht. Die ventrale läuft bei a um 180° rechts hinauf, bei db um 180° links hinauf, und ihnen parallel alle anderen Linien. Ich fasse den Satz so: Ein gleich- mässigin die Länge wachsender elastischer Strang wird, wennseine beiden Endpunkte fixirt sind, durch Dreh ung um 180° eine Schleife bilden, bei weleher Spannungen aus- geglichen sind, die ohne eine solche entstanden wären. Ich will dieses Gesetz das Torsionsgesetz nennen und wir werden sehen, dass durch dasselbe nicht nur die Körperform der Schnecken mit der Umlagerung ihrer Organe sich auf einfache, ich möchte sagen, mechanische Weise erklären lässt, sondern noch einige Erscheinungen an Organen aus anderen Thiergruppen, die mit den Schnecken ab- solut nichts zu thun haben. Ich wage es auszusprechen, dass bei Kenntniss des urprünglichen Entstehungsortes der Organe in der noch ungedrehten Gastropodenlarve die Umlagerung derselben a priori auf dem Papier construirt werden kann, weil dieselbe mit mecha- nischer Nothwendigkeit erfolgen muss. Ich werde bei der Entwicklung der einzelnen Organe auf dieses Torsionsgesetz jeweilen zurückkommen müssen. Für jetzt haben wir nur den Darmkanal abzuhandeln und einen Blick auf die äussere Form zu werfen. Den Körper der Schleife selbst bildet der ausgeweitete Theil des Enddarms, der zum späteren Magen wird. Der Vorderdarm, dessen hinteres Ende die Einmündung der beiden Leberlappen be- zeichnet, ist gleich zu Anfang erheblich länger, als der Enddarm. Er dreht sich und mit ihm die beiden Leberlappen und zwar folgen- der Gestalt: Während der Darm beim Beginn der Torsion erst einen leichten Bogen nach vorn bildet (Fig. 45), mündet der vordere Lieberlappen beinahe direkt von vorn nach hinten in ihn ein und umgekehrt der hintere Lappen von hinten nach vorn (Fig. 47). Beschreibt nun der Darm die nach obigem Gesetz zu fordernde Arbeiten a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VI. 3 34 PB. SARASIN: Schleife, so müssen in der Folge die beiden Leberlappen sich so drehen, dass ihre Einmündung nunmehr von unten erfolgt und wäh- rend sie ursprünglich seitlich und über dem Vorderdarm lagen, muss ihre Einmündungstelle jetzt unter den Darm zu liegen kommen. Sie selbst verlieren ihre ursprüngliche kugelige Gestalt und werden zu zungenförmigen Lappen, deren ihrer Ausmündungsstelle entgegen- gesetzte Enden ihre ursprüngliche Lage beibehalten und deren Kör- per sich um den unterdessen in die Länge gewachsenen Vorder- darm nach links und unten herumwenden und in dieser Lage in den in gleichem Sinn gedrehten Darm einmünden. Man vergleiche, um sich diese Umlagerung klar zu machen, Fig. 45—47, welche die Lage des Darmkanals rechts vom Embryo und die der Leberlappen klar zeigt, mit den Fig. 106—110, welche uns zunächst zeigen, dass der Mitteldarm (md) von der rechten Seite vollständig zur linken übergelagert ist. Sein Vorderende, das ursprünglich die Einmün- dung der Leberlappen von oben und links aus aufnahm, hat sich nach links und unten gewendet, so dass jetzt der Lappen vLl ganz zu unterst und völlig median in die eine weite Höhlung bildende Mitteldarmschleife eintritt. (Fig. 108 voLl). Ferner lässt sich aus den beigegebenen Abbildungen leicht erkennen, dass der vordere Leberlappen vL! eine Windung bildet, die vorn median über der Mundhöhle beginnt (Fig. 109 vL!), dann links seitlich vom Vorder- darm nach unten zieht (Fig. 108 vL!), um median unterhalb des Vorderdarms einzumünden. Dass dieser jetzt über dem Leberlappen liegt an seinem hinteren Ende, sehen wir aus Fig. 108, wo seine linke Wand getroffen ist (vd) und 109. Auch der hintere Leber- lappen wird etwas zungenförmig ausgezogen. Seine Achse, die ur- sprünglich von hinten nach vorn lief, geht jetzt von hinten nach vorn und links zu und mündet dem vorderen Lappen gegenüber. Fig. 109 bis 111 AL]. Durch das Wachsthum des gesammten Darms in die Länge bei mit seinem Längenwachsthum nicht Schritt haltender Entfernung seiner beiden an das Eetoderm fixirten Enden kommt es, dass, während der Anus dem Mund ursprünglich entgegengesetzt war, er sich demselben relativ nähert und der Enddarm sich nach vorn und etwas nach rechts aussen richtet. Dies hat seine Ursache im Ver- halten der ganzen Körperform, das wir jetzt näher ins Auge fassen wollen. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 35 Wir haben gesehen, dass in Folge der Schleifenbildung der weitaus grössere Theil. des Darms mit den Leberlappen eine Drehung nach links unten macht. Dieser Drehung nach links folgt der ge- sammte Körper des Embryos. So wird zunächst die Schalendrüse nach links verlagert. Dies schon zu einer frühen Zeit, wo erst das anfänglichste zur Bildung der Schleife geschehen war. Am Embryo Fig. 25 sehen wir bei sdw eine Zellenwucherung, aus der die Schalen- drüse wird oder an deren Stelle sie doch entsteht, für welche An- sicht ich schon oben die Gründe entwickelte. Eine fernere Zellen- wucherung findet bei ecein statt, welche doch wohl das erste Material zur Bildung des Darmkanals abgeben wird. Nehmen wir nun an, dass die Entodermkugel oben und die stark verdickte Ectodermschale unten diesen nach innen wuchernden und zweifelsohne einen gewissen Druck auf die umgebenden Organe ausübenden Zellen mehr Wider- stand entgegensetzen, als die von einer dünnen Ectodermschicht ge- dildeten Seitenwände des Embryos; nehmen wir ferner an, dass die Entodermkugel nicht eine mathematisch runde sei, sondern auf einer Seite mehr Raum lasse, als auf der andern, so werden die von unten einwuchernden Zellen sich in diesen Raum eindrängen und allmälig auch die immer in die Länge wachsende und sich aus- höhlende Entodermkugel gewissermassen zur Seite schieben oder bes- ser die eine Seite des Embryos (bei den rechtsgewundenen Schnecken die rechte und umgekehrt) auftreiben, wodurch dann der Längen- durchmesser der rechten Seite grösser, als der der linken erscheinen und so nothwendiger Weise die Schalendrüse auch auf die linke Seite zu liegen kommen muss. Ich sprach schon oben mein Bedauern darüber aus, dass das Material bereits auf die Neige ging, als ich an die allererste Ent- wicklung des Darmkanals treten konnte. So ist auch die vorge- tragene Ansicht nur eine durch die hier beigegebenen Abbildungen schwach zu stützende Hypothese. Die Serie Fig. 26—31 kann nicht beigezogen werden, da zwei Schnitte (23 u. 29) an doch immerhin wichtigen Stellen zerrissen sind. Besser sind die drei aufeinander- folgenden Schnitte 32—34 durch einen nur wenig älteren Embryo zu brauchen. Wir sehen hier den Entodermsack en stark nach der linken Seite gedrängt (Fig. 33 u. 34) und an seiner rechten Seite eine bedeutende Ecetodermzellenanhäufung (ec). Dabei ist die Schalen- drüse noch mehr nach der linken Seite verrückt, als beim vorigen 36 P. B. SARASIN: Embryo. Von jetzt ab tritt die Höhle des Mitteldarmes auf und die eingewucherten Ectodermzellen ordnen sich zu einem Strange, der vom Mitteldarm nach vorn läuft. Es erscheint begreiflich, dass die Stelle des Darms, wo die Schleife sich bildete, durch die Lage der Leberlappen bestimmt war. Es war nicht möglich, dass die Schleife, wenn sie überhaupt zu Stande kommen konnte, an einem anderen Orte sich hätte bilden können, als am Anfangsstück des Enddarms, da eine Schleifenbildung am Vorderdarm wegen des links von ihm gelegenen vorderen Leberlappens nicht möglich gewesen wäre. So kam die Schleife nicht völlig in die Mitte des Darm- tractus zu liegen, sondern ziemlich weit nach hinten zu und der ganze Embryo führte eine Drehung aus von rechts nach links, ohne doch in seiner Gesammtheit eine Schleife zu bilden, wie dies hätte zu Stande kommen müssen, wenn der Entodermsack dies nicht ge- hindert hätte. Die Folgen der Drehung des Körpers werden wir bei Gelegenheit der Entstehung des Nervensystems und der Niere deutlich sehen. Was die Schalendrüse betrifft, so flacht sie sich zum Schalenbette ab, das, wie wohl bekannt, an seinem Rand auf- gewulstet ist und allmälig von links hinten nach rechts vorn über den gedrehten Schneckenkörper wachsend, eine Mantelhöhe bildet, welche auf ihrer Aussenfläche die Schale trägt und auf der Innen- fläche die Keime treibt. Durch die nun gegebene Drehung des Körpers nach der linken Seite wird beim Weiterwachsen eine Auf- rollung der Eingeweide erzielt, welche bei einigen Gastropoden früher, bei anderen später zum definitiven Abschluss kommt, deren Win- dungen ferner bei einigen weiter, bei anderen enger sind, was bei den einzelnen Gattungen und Arten seine besonderen, speciell zu untersuchenden Ursachen haben mag. Dieser Aufrollung folgt Schritt vor Schritt die Ueberwölbung der Mantelfalte. Der Wendung des Körpers folgen nun auch die Ansae, deren rechte später fast völlig nach vorn zu liegen kommt (Fig. 37 rA), obschon sie ursprünglich ganz auf der rechten Seite lag. (Fig. 26—31). Die besonders in der Mitte ihrer Entwicklung sehr weiten Mün- dungsgänge der Leber, die den Charakter von Gängen noch gar nicht tragen, da die Lebersäcke sich sogar etwas erweitert in den Mitteldarm öffnen, schnüren sich später zu den engen Gallengängen ein, ein Vorgang, den ich durch wichtigere Punkte gefesselt, nicht näher untersucht habe. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 37 Wenn wir vermittelst eines elastischen Stranges uns die be- schriebene Schleifenbildung klar zu machen suchen, werden wir gleich sehen, dass es nur Sache des Zufalls ist, ob sich die Schleife nach der linken oder nach der rechten Seite schlägt, und wir sollten so- mit fordern, dass dies nun auch bei den Schnecken Zufall sein müsse, wonach wir bei derselben Species ebensoviele linksgewundene, als rechtsgewundene Individuen finden würden. Dass dies nicht der Fall ist, mag seinen Grund in der bei den einzelnen Gattungen auf- tretenden Vererbung irgend einer kleinen, nach unten links (bei rechtsgewundenen) oder nach unten rechts (bei linksgewundenen) auftretenden Erhebung des soliden Entodermkörpers haben, wodurch der medianen Zellwucherung des Ectoderms von vornherein eine bestimmte Richtung ertheilt wird und worauf die weitere Schleifen- bildung des Embryos nach dem Torsionsgesetz erfolgen kann. Eine solche Vererbung anzunehmen, scheint gewiss um so weniger kühn, als sie ihre Ursache einem untergeordneten Zufalle verdanken kann, der schon darum als sehr untergeordnet erscheinen muss, als ja von ganz nah verwandten Gattungen die einen links, die anderen rechts gewunden sind. So Physa und Limnaeus, Ancylus lacustris und fluviatilis, welch’ letztere man erst neuerdings in zwei Gattungen gespalten hat, ferner Clausilia und Helix u. a m. Dass aber den- noch zuweilen der Zufall noch Geltung hat, sehen wir an dem, so viel mir bekannt, bei allen häufigeren Schnecken beobachteten Vor- kommen, dass sich unter sonst rechts gewundenen selten auch links sewundene finden, welcher bis jetzt so räthselhafte Vorgang durch das Torsionsgesetz seine Erklärung findet. Nachdem ich nun hoffe, dass es mir geglückt sei, den Bau der Gastropoden mit aufgerolltem Eingeweidenucleus auf einfache Weise zu erklären, wird nun die Frage auftauchen, wie es sich nun aber mit den vielen andern verhalte, welche keinen gewundenen Ein- geweidesack auf dem Rücken tragen. Ich muss diese Frage so lange unbeantwortet lassen, als ich diese Verhältnisse nicht selbst eingehender untersuchte; denn die bis jetzt vorhandenen Untersuch- ungen gewähren uns in die feineren Windungsverhältnisse keinen Einblick, da sie nicht auf Schnittserien beruhen. Es kann sich aber immerhin vermuthen lassen, dass bei ihnen für Darm und Leber das Torsionsgesetz zur Geltung kam, während dies für die Körperwandung und die in ihr liegenden Organe (Niere und Herz) nicht der Fall war. 98 P. B. SARASIN: Gleichmässiges Wachsthum eines elastischen Stranges in die Länge bei Fixirung seiner beiden Endpunkte erklärte uns die Bil- dung des so complieirt aussehenden Schneckenkörpers. Es musste somit nichts näher liegen, als sich umzusehen, ob bei anderen Er- scheinungen im Thierreich dasselbe Gesetz seine Anwendung finden könne. Da aber, wie leicht begreiflich, in den bisherigen Unter- suchungen auf solche Schleifenbildungen wenig geachtet worden war, weil die Bildung einer solchen Schleife nichts zu erklären schien, auch ihre Eigenschaften unbekannt waren, kann ich für viele Fälle nur Vermuthungen aufstellen, wie sie nunmehr Jedem bald zu Sinne kommen werden, wenn er die Darmwindungen eines Sipunculus oder einer Bonellia, die des Seeigels und anderer Echinodermen, die der Pteropoden, Heteropoden und Cephalopoden betrachtet, oder wenn sein Blick auf die Darmwindungen gewisser Aseidien oder Insekten fällt; allein ich halte es für verfrüht, mich des weiteren darüber auszulassen. Nur möchte ich über die Darm- und Herzentwicklung bei den Wirbelthieren ein Kleines beifügen. Was den Darm betrifft, so genügt ein Blick auf die von Kölliker in seiner Ent- wicklungsgeschichte pag. 841 gegebenen Schemata behufs Darlegung der Drehung des Dickdarms um den Dünndarm. Hat diese so ge- bildete Schleife die Eigenschaften der von mir oben beschriebenen, so muss sie nach dem Torsionsgesetz sich gedreht haben und mit ihr die dem Darm anhaftenden Organe. Ist dies der Fall, so be- kommen wir gerade so wie bei den Schnecken, deren rechts ge- wundene Arten auch links gewundene Individuen aufweisen können und umgekehrt eine mechanische Erklärung des Situs inversus viscerum. Dasselbe gilt für das Herz der Wirbelthiere. Gerade bei ihm fällt die charakteristische Schleifenbildung sofort auf und lässt sich vom ursprünglichen geraden Schlauche aus leicht verfolgen. (Man vgl. die Abbildungen in Kölliker's Entw. gesch. pag. 901). Die ursprünglich einander entgegengesetzten Enden des geraden Herzschlauchs nähern sich während der individuellen Entwicklung relativ einander und aus der Schleife bilden sich die Kammern und Vorhöfe. Auch der Situs inversus cordis findet durch das Torsionsgesetz befriedigende Erklärung. Weiter wage ich auf diese Verhältnisse nicht einzutreten. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass es nicht allzuschwer fallen dürfte, die nächstliegenden Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 39 mechanischen Hindernisse für ein ruhiges sich in die Länge dehnen des ursprünglich geraden Herzschlauches an Hand einer vergleichen- den Embryologie aufzudecken. Ich lasse es aber bei diesen Andeutungen bewenden, indem ich hoffe, dass dieser mein Versuch, vermittelst des Torsionsgesetzes ein mechanisches Prineip in die Entwicklungs- geschichte hineinzutragen, von den Forschern mit Wohlwollen auf- genommen werden möge. — Ich darf dieses Capitel der Bildung des Darmeanals und der Leber nicht verlassen, ohne einige Worte über die Litteratur zu sagen. Es sind naheliegende Gründe, die mich veranlassen, nur mit denjenigen Forschern abzurechnen, die durch Schnitte ihre Resultate stützten, da ein Blick in die vorhandene Litteratur genügen musste, um zu erfahren, dass der feineren Erkenntniss der Organentwicklung am lebenden Embryo unüberwindliche Hindernisse entgegen standen. - Bobretzky (l. e.). gibt bei der Nassa mutabilis an, dass an der Stelle der als Blastoporus zu deutenden Oeffnung sich Mund und Vorderdarm bilden. Den Mittel- und Enddarm leitet er vom Ento- derm ab und stützt seine Behauptung durch die Beobachtung, dass die Zellen, welche die Magenhöhle ventral begrenzen, charakteristische Darmdrüsenzellen, d. h. mit vielen kleinen Dotterbläschen versehen seien. Nach hinten verlängert sich der Mitteldarm in einen kurzen blind geschlossenen Anhang, den Enddarm, dessen Entstehung somit auch entodermal ist. Sein hinteres Ende liegt dem Eetoderm eng an. Was Bobretzky anfangs als Magensack betrachtete, wird nach ihm später grösstentheils zur Leber. Wie sich aber diese beiden Organe entwickeln, ist nicht mit der nöthigen Klarheit auseinander- gelegt. Aehnlich ist nach ihm die Darmentwicklung von Fusus; aber auch hier finden: wir die beiden Organe Darm und Leber nicht senügend auseinandergehalten. Die Höhlung des Lebersackes und des Mitteldarms sind zusammengeworfen und dies macht die Ent- wicklung beider Organe aus ihren Blättern, wie Dobretzky sie uns gibt, unklar. Ich könnte wohl das eine oder andere Bild im Sinn meiner Ergebnisse bei Bithynia deuten, aber da uns Bobretzky nicht Schnittserien durch successive aufeinander folgende Stadien gab, wird jeder Vergleich unsicher. Auch bei Natiea scheint mir Bobretzku aus den schon erwähnten Gründen die Entstehung des Mittel- und Enddarms aus dem Entoderm nicht bewiesen zu haben; ja es erweckt zuweilen den Eindruck, als hätte Dobretzky auf die Entwicklung 40 | P. B. SARASIN: dieses Darmabschnittes auch aus dem Eetoderm fallen müssen, wenn ihm dies nicht von vornherein als unwahrscheinlich erschienen wäre. Auf eine Besprechung der Resultate, zu denen kay-Lankester, Fol, Rabl u. a. kamen, muss ich Verzicht leisten, da sie durch Schnitte entweder nicht oder zu wenig gestützt sind. In einem fernern Abschnitte denke ich mich darüber auszusprechen, inwiefern von Ecto-, Meso- und Entoderm bei der Bithynia überhaupt meiner Er- fahrung nach gesprochen werden darf. Was die Windungsverhältnisse des Schneckenleibes und seiner Organe betrifft, so hat schon J. @. Carus dieselben aus der Rotirungs- richtung des Embryos zu erklären versucht, wie ich aus v. Jhering’s Entwicklungsgeschichte von Helix (Jenaische Zeitschr. t. IX) er- fahre. v. Jhering selbst legte sich auch die Frage nach der Ursache der Windungsverhältnisse der Schneckenschale vor und kam zum Schluss, dass dieselbe in der ungleichen Vertheilung der Eingeweide und der dadurch bedingten Asymmetrie des Körpers liege. Was seine Erklärung der Kreuzung der Visceralganglien bei den Prosobranchiern betrifft, so werde ich darauf im folgenden Abschnitte kurz zurück- kommen. ‘IV. Entwicklungsgeschichte des Nervensystems. Die ersten Anfänge der Entwicklung des Nervensystems zeigen sich zu einer Zeit, da der Embryo das in den Schnitten 45—49 repräsentirte Stadium erreicht hat, das jetzt allgemein als Trocho- sphaera bezeichnet wird. Die Eigenschaften der Trochosphaera der Bithynia sind folgende: Der Körper bildet eine leichte Auswölbung nach der linken Seite, die Vorbereitung zur Torsion.e Der Darm ist leicht nach vorn gebogen und liegt rechts. Der Vorderdarm ist ausgehöhlt und mit der Mundeinstülpung in Verbindung. Der Hinter- darm sitzt dem Eetoderm an. Die Ansae stehen stark vor; beide Leberlappen sind ausgehöhlt. Vergleichen wir den Embryo mit dem eines Anneliden, z. B. einer Hirudinee, so zeigt sich folgendes: Das Vorderende der Larve ist durch den Mund, das Hinterende durch die Schalendrüse oder besser den Endpunkt des Darms bezeichnet. Da der letztere noch ungefähr direkt von vorn nach hinten verläuft, kann er mit dem der Annelidentrochosphaera unbedenklich homologisirt werden. Er setzt uns auch in den Stand, an der vorliegenden Bithynienlarve eine ventrale und dorsale Fläche zu unterscheiden. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 41 Die ventrale ist dadurch ausgezeichnet, dass sich an ihrem Vorder- ende ein Fortsatz erhebt, der im Lauf der Entwieklung immer an- sehnlicher wird und auf dessen gegen vorn schauender Fläche sich der Embryo später erhebt und sie als Kriechsohle benutzt. Es ist der Fussfortsatz. Feiner ist die ventrale Fläche der Trochosphaera durch die hintere Fläche des Eingeweidenuclens des späteren Thieres bezeichnet. In Fig. 48 ist diese ventrale Fläche der Trochosphaera mit ven bezeichnet. Aus ihr hatte sich zuerst der Darm hervor- gebildet, wie wir gesehen haben. In ihr tritt nun nach Ablösung des Darms eine zweite mediane Wucherung auf zur Bildung eines Theiles des Nervensystems. Ich habe diesen Verhältnissen, die sich als die schwierigsten erwiesen, meine ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet, weil einestheils über die Entstehung des Nervensystems grosses Dunkel herrschte und weil andrerseits sich es hier zeigen musste, ob wir in den Gastropoden den Typus des Gliederwurms vor uns haben oder nicht. Bevor ich an die Beschreibung der Entwicklung des Nerven- systems trete, muss ich einige Worte über das ausgebildete Nerven- system der Bithynia sagen. Dies würde nicht nothwendig sein, wenn dasselbe genau denselben Bau zeigte, wie er von Cyelostoma durch Claparede, de Lacaze-Duthiers und v. Jhering, von Paludina durch Leydig und v. Jhering bekannt wurde; allein die Bithynia zeigt einige Modificationen, die erwähnt werden müssen. Dabei bemerke ich gleich, dass zur Erkennung dieser Verhältnisse auch die sorgfältigste Präpa- ration mit Scheere und Nadel nichts leistet, weil ein besonderer Umstand hier jede Aussicht auf Erfolg vernichtet. Schneiden wir einer im heissen Wasser getödteten Bithynia sorgfältig die Nackenhaut auf und legen wir sie auseinander, so fällt eine um den Schlund und hinter dem Schlundkopf liegende, genau wie Fett aussehende stark licehtbrechende Masse auf von unregelmässiger Form. Diese liegt zwar an der Stelle, wo das Cerebralganglienpaar sich finden muss, bietet aber doch einen ganz andern Anblick dar, als den wir z. B. bei der Präparation eines Cyelostoma elegans bekommen, wo alles so eminent klar zu Tage zu bringen ist. Man könnte sich noch am Ende be- ruhigen, wenn in der besprochenen Masse drei Ganglienpartieen sich unterscheiden liessen, oder wenn nach hinten zwei Nervenstränge abgingen, der eine zum Supra-, der andere zum Subintestinalganglion. Dies ist aber absolut nicht zur Anschauung zu bringen, und wir 42 P, B. SARASIN: sind sonach einzig und allein auf die Schnittmethode verwiesen, welche denn auch folgende Resultate ergab. Die Erkennung der Beschaffenheit des Nervensystems vermittelst Präparation war darum unmöglich, weil das ganze Organ in ein dickes Polster von Kalkkugeln gehüllt war, welches im frischen Thier das Bild einer Fettmasse hervorrief. Die ganze Kalkmasse stellt ein Doppelpolster dar mit zwei seitlichen Verdickungen, welch letztere über den Cerebralganglien liegen und deren engerer Verbindungs- strang die Cerebraleommissur von oben her bedeckt. Auch um die Pedalganglien herum ist viel Kalk abgelagert. Die Kalkkugeln liegen so dick aufeinander, dass die innersten von Pikrocarmin nicht mehr gefärbt waren. Ganz dasselbe Verhältniss finden wir bei der Valvata, deren ganzer Körper von Kalkkugeln überreich durch- setzt ist. Da sich einzeln liegende Kugeln mit Pikrocarmin sehr schön färben, gewähren sie zusammen ein überaus zierliches Bild. Die Masse der Kalkkugelpolster übertrifft die der Ganglien bei weitem und so mag sie den letztern zum nicht geringen Schutze dienen. Was nun die Anatomie des Nervensystems selbst betrifft, so ver- weise ich auf die beigegebenen Schemata, welche ich durch Combi- nation von Längs- und Querschnitten gewann. F Fig. 122 Tab. VII zeigt das Nervensystem von oben mit Weg- lassung der Pedalganglien und ihrer Commissuren. Mit Spengel (Ge- ruchsorgane und Nervensystem der Mollusken Z. f. w. Z. t. 35) nenne ich die früher Commissuralganglien genannten Ganglien Pleural- ganglien, mit v. Jhering (vgl. Anat. d. Nervensystems und Phylo- genie der Mollusken) das obere (rechte) Visceralganglion Supra- intestinal-, das untere (linke) Subintestinalganglion. Dem Vorgehen Spengel’s ferner folgend nenne ich die Nervenstränge, welche die Ganglien einer Seite unter einander verbinden, Connective die Verbindungsstränge gleiehnamiger Ganglien beider Seiten Com- missuren, eine von H. de Lacaze-Duthiers aufgebrachte practische Bezeichnung. Vor allem ist nun bei der Bithynia hervorzuheben, dass die Pleuralganglien mit den Cerebralganglien völlig verschmolzen sind, so dass eine einzige Masse entsteht (Fig. 122, C. PI.), eine Cerebropleuralmasse, deren vorderer Cerebraltheil eine Com- missur über den Schlund nach der anderen Seite schickt, die Cere- bralecommissur (Fig. 122 Ce). Nach dem unten liegenden Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 43 Pedalganglion laufen von der Cerebropleuralmasse zwei Connective, die von einander nur etwa =, mm entfernt sind und somit nur auf Schnitten erkannt werden konnten. Das vordere ist das Cerebro- pedalconnectif (Fig. 123 C p), das hintere das Pleuropedal- connectif (123 P p). Der vordern Spitze der Üerebropleural- masse liegt jederseits das Buccalganglion an, dessen Connectiv zum Cerebralganglion sich an dessen unterer Fläche inserirt (Fig. 123 be). Beide Buccalganglien sind durch eine Commissur verbun- den, die unter dem Schlund durchläuft. Die Buccalganglien liegen der hinteren Fläche der Mundmasse an, welch’ letztere im Lauf der postembryonalen Entwicklung enorm an Grösse zunimmt, während sie in der ersten Entstehung nicht grösser als die Buccalganglien war. Gegen hinten zu geht die Cerebropleuralmasse in die Visceral- ganglien über und zwar fast ohne sich gegen sie scharf abzusetzen. Wir ‘betrachten zunächst das Supraintestinalganglion, in welches die rechte Cerebropleuralmasse sich fortsetzt. Es liest genau über dem Darm (Fig. 122 Spi). Von ihm geht nach der linken Seite ein Nervenstrang ab, der im linken Kiemenhöhlenwinkel zu einem ziemlich grossen Ganglion anschwillt, dem Lacaze’schen Organ oder ganglion olfactorium (Spengel) (Fig. 122 gol). Weiter liess sich der Strang nicht verfolgen beim erwachsenen Thiere. Das Sub- intestinalganglion ist mit der Cerebropleuralmasse der linken Seite noch enger verschmolzen, als das Supraintestinalganglion mit der der rechten Seite (Fig. 122 Sbi). Von ihm läuft ein Nerven- strang weit nach hinten; anfangs liegt er unter dem Darm, dann biegt er nach rechts aus, aber nur in leichtem Bogen, endlich schwillt er zu einem starken Ganglion an am Fundus der Kiemenhöhle, unter- halb der Niere, dem Abdominalganglion (abd). Eine Ver- bindung dieses Ganglions mit dem Supraintestinalganglion kann ich bis jetzt nicht constatiren; doch kann ich an ihrer Existenz nicht zweifeln, da sie bei den andern auf das Nervensystem untersuchten Prosobranchiern nachgewiesen wurde. Die Pedalganglien sind durch eine sehr kurze Commissur mit einander verbunden. Sie ent- lassen einen Hauptnerven nach vorn und einen nach hinten in den Fuss. Der vordere schwillt an seiner Basis zu einem besondern scharf abgesetzten Ganglion an von der Grösse des Buccalganglions ; es mag Propedalganglion heissen (Fig. 123 Ppg). Wir sehen also, dass alle Ganglien des Schlundringes bei der 44 P. B. SARASIN: Bithynia eng mit einander verwachsen sind und ein Freiliegen der einzelnen sich keineswegs kundgibt, wie bei Cyclostoma. Gleichwohl haben wir auch hier die deutlichste Kreuzung der Visceralganglien, deren rechtes über und deren linkes unter dem Schlunde liegt. Ihre Verschiebung ist aber immerhin viel geringer, als bei Cycelostoma. Diese Verschmelzung erschwerte die Erkenntniss der Entwicklung der einzelnen Ganglienpaare, an die wir nunmehr treten wollen. Wir bemerken schon sehr früh am Embryo links und rechts von der Mundeinstülpung und gegen vorn vom Ansatz der Ansae gelegen zwei Ectodermhöcker (Fig. 26—29 Spl), welche ich aus später zu entwickelnden Gründen die Sinnesplatten nenne. Wie wir an dieser Querschnittserie deutlich sehen, bilden sie beidseits vom Munde eine wohl abgegrenzte Ectodermzellenwucherung. Der erste Schnitt (Fig. 26) gibt uns über sie wenig sicheren Aufschluss, da die Platten hier flach getroffen sind; deutlicher aber zeigen sie sich auf dem folgenden und nachfolgenden. Während auf Schnitt 27 das Ectoderm der rechten Platte gegen innen noch abgegrenzt ist, finden wir auf dem folgenden Schnitte keine Grenze gegen innen zu. Diese tritt erst in Schnitt 30 auf, hier aber in voller Klarheit. Links haben wir das Centrum der Platte in Schnitt 27 und 28 ge- troffen; im folgenden ist auch die linke gegen hinten zu deutlich abgegrenzt. Ebenso war eine deutliche Grenze des Eetoderms gegen vorn in Fig. 26 zu sehen. Ich habe bis jetzt nur die Stelle be- stimmt, wo die Sinnesplatten liegen. Die schon in diesem Stadium hier auftretenden Wucherungen des Ectoderms haben noch keine Bedeutung für das Nervensystem, sondern es entstehen aus ihnen lediglich embryonale Mesodermzellen, die für uns von keiner Bedeu- tung sind; aber schon jetzt ist an dieser Stelle das Ectoderm in Wucherung gegen innen begriffen und die Stelle gibt sich gegen aussen in einem Höcker kund. In Fig. 32 sehen wir wieder die- selben Platten und ihren Abschluss gegen hinten zu (Fig. 34). Die ‚Wucherung des Eetoderms ist hier gering, aber leicht zu constatiren. Auf Längsschnitten bekommen wir hinsichtlich dieser Verhältnisse selbstverständlich keine brauchbaren Bilder, da die Sinnesplatten dann nur tangential getroffen werden. Während sich nun an diesen Platten längere Zeit hindurch keine Veränderung zeigt und sie sich auch im Stadium der Fig. 45—49 noch nicht wesentlich verändert haben, gewinnen sie in einem etwas weiteren Entwicklungsstadium Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 45 ein anderes Ansehen (cf. Fig. 63—67). Die Ecetodermhöcker wer- den höher und geben sich als die zukünftigen Tentakeln zu erkennen. Von ihrer Spitze an bis eine kreisförmig umschriebene Strecke um ihre Basis herum zeigt sich die lebhafteste Kernvermehrung, was man an der helleren Kernfärbung und dem Mangel jeder Abgren- zung des Ectoderms an dieser Stelle sofort erkennt. Die in den Fig. 68—70 abgebildeten Schnitte sind durch das Stadium gelegt, wo die Wucherung der Sinnesplatten völlig deutlich ist. Schon frühere Stadien zeigten sie sehr klar, aber ich hielt es für genügend, die vorliegenden Schnitte allein abzubilden, welche überdies fast mathe- matisch genau durch die beiden Sinnesplatten gefallen waren. Dies war mir für die späteren, schon gewundenen Embryonalstadien nur dieses eine Mal geslückt. Die Fig. 63—69 stellen sieben aufeinander- folgende Schnitte dar, worauf ich drei weitere nicht zeichnete und dann wieder den darauf folgenden elften in Fig. 70 noch abbildete.!) Der Schnitt 63 ist em Tangentialschnitt und darum nur in seinen Umrissen gegeben. Er zeigt, dass in diesem Stadium die von den Sinnesplatten gelieferten Zellenhaufen sich vorne noch gar nicht be- rühren. Darüber später noch einige Worte. Der folgende Schnitt 64 zeist uns nun die Sinnesplatten in lebhaftester Wucherung. Das Eetoderm ist gegen oben und unten als einzellige Schicht abge- srenzt (ec). Dazwischen erscheinen an der wuchernden Stelle spl die sehr kleinen Kerne heller gefärbt. Das Centrum der Wucherung ist in Schnitt 65 getroffen (spl). Auf der linken Seite zeigt sich schon etwas Punktsubstanz in der Mitte des durch Wucherung ent- standenen Zellhaufens. Der folgende Schnitt (66) zeigt uns mitten in diesen Zellenhaufen, etwas nach aussen und oben gelegen, zwei Höhlungen, die ein kleines, ziemlich stark lichtbrechendes Körper- chen enthalten. Es sind dies die Augen (au), deren erste Ent- stehung durch Einstülpung des Ectoderms ich nicht auffand, während dies Bobretzky und Rabl geglückt ist. Ueber die erste Entstehung der Gehörorgane weiss ich gar nichts anzugeben. In Schnitt 67 finden wir das Ecetoderm schon wieder völlig ab- seschlossen gegen innen zu. Es läuft als. einzellige Schicht über die eingewucherten Zellencomplexe hinweg. Der folgende Schnitt traf schon den vorderen Fusslappen fs. Er bezeichnet das hintere !) Die schräge Stellung der Fig. 65—67 rührt vom Lithographen her und hat keinen Sinn. 46 P. B. SARASIN: Ende der gebildeten Zellenhaufen ; denn noch weiter zurück (Fig. 69) erscheint das Zellgewebe bedeutend lockerer und auch die, durch die Sinnesplattenwucherung gebildete Hervorragung des Ectoderms ist hier wieder verschwunden. Eine Eetodermwucherung lässt sich hier nun nicht mehr constatiren; ebenso wenig auf den drei folgenden Schnitten. Schnitt 70 ist nicht wegen der Sinnesplatten abgebildet. Ein etwas weiter vorgeschrittenes Stadium finden wir m den Fig. 71 ff. abgebildet. Die Schnitte waren nicht genau in die Me- dianebene gefallen, sondern in etwas schräger nach hinten links laufender Richtung, sodass die linke Sinnesplatte zuerst getroffen wurde. Wir sehen hier, dass das eingewucherte Material schon ge- wisse Formen gewonnen hat. Fig. 71 zeigt, dass die Einwucherung nur noch an der Spitze der Sinnesplatte stattfindet (Spl), ferner ist das Auge schon deutlich ausgebildet (au) und unter ihm zeigt sich im Umriss schon das künftige linke Cerebralsanglion (lC) mit etwas Punktsubstanz in seinem Innern. Auf dem folgenden Schnitte (72) sehen wir einen soliden Zellenstrang vom Cerebralganglion nach unten laufen, um sich mit dem von ganz anderswo herkom- menden linken Pedalganglion zu verbinden. Schon in Fig. 71 war dieser Strang sichtbar (Cp). Unmerklich geht das Cerebralgang- lion nach hinten in das Pleuralganglion über, was mich so lange be- fremdet hatte, als ich die innige Verschmelzung dieser beiden Gang- lien bei der Bithynia nicht kannte. Ein vom hinteren Theil der Cerebropleuralmasse nach unten gehender Zellstrang (74 PIC) mag das Pleuropedaleonnectiv ergeben. Auf der rechten Seite sind mir die Verhältnisse nicht klar geworden. Ein weiteres Stadium sehen wir in den Fig. 81 ff. Auch hier fielen die Schnitte nicht völlig in die gewünschte Ebene, aber sie gaben doch genügend Aufschluss. Wir betrachten wieder allein die linke Seite, wenn gleich mir die Verhältnisse der rechten hier klar wurden. Das Cerebraiganglion hat jetzt deutlich Nierenform (81 lCpl). Gegen hinten zu verengert sich’s etwas, wie der folgende Schnitt zeigt und entlässt einen Zellenstrang nach unten (82 !CPi), der wohl das Cerebropedaleonnectiv ergibt. Weiter zurück wieder Volumzu- nahme: der Pleuraltheil der Cerebropleuralmasse, ebenfalls mit Zellen- strang nach unten (Pleuropedalconnectiv). Die nach unten führen- den Zellenstränge sind weniger mächtig, als im früheren Stadium. Bemerkenswerth ist jeweilen, wie weit die Cerebropleuralmasse nach Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 47 vorne liegt. Während sie anfangs bis an die Mundeinstülpung des Eetoderms reicht, zieht sie sich allmälig mehr und mehr zurück, sodass sie zuletzt hinter den Schlundkopf zu liegen kommt. Dies hat seinen Grund in. einem Vorwärtswachsen des Schnauzentheils des Thieres, wodurch auch der, ursprünglich hinter der Gehirnmasse liegende Schlundkopf nach vorne rückt. Ein ferneres Stadium liegt uns in den Fig. 93 ff. vor. Die Cerebropleuralmasse zeigt sich auf den Fig. 94 und 95, wo das Cerebropedaleonnectiv nach unten geht und 96, wo das Pieuralganglion sein Pedaleonnectiv nach unten entlässt und gegen innen zu sich mit dem Subintestinalganglion verbindet, was wir später betrachten werden. Fig. 107 zeigt uns die Cerebropleuralmasse desselben Stadiums von der Seite links (CPl), Fig. 111 die der rechten Seite. Wir sehen also, dass aus den Sinnesplatten das Cerebral- und das Pleuralganglion jeder Seite entstehen und wenden uns jetzt zur Entwicklung der Pedalganglien, deren Herkunft bis jetzt in völliges Dunkel gehüllt war. Betrachten wir den Embryo Fig. 45 ff., so fällt uns eine vom Rücken des Fusses ausgehende mediane Ecto- dermwucherung auf (Fig. 47 u. 48 ecp), die in der Mitte am deut- lichsten ist (Fig. 48) und deren Kerne vielfach zwei Kernkörperchen zeigen, was ich in Fig. 48 anzudeuten versuchte. Bei einem andern Embryo gleichen Alters fand ich auch Kernfiguren an dieser Stelle. Die äussersten Zellen dieser Wucherung werden zu embryonalen Muskel- oder Bindegewebszellen. Bedeutend lebhafter wird diese Wucherung in einem wenig ältern Stadium, von der die in den Fig. 50—54 darge- stellten Querschnitte ein getreues Bild geben sollen. Während in Fig. 50 von einer Wucherung noch nichts zu sehen, auch der vom Eetoderm umschlossene Hohlraum von Zellen nur spärlich besetzt ist, sehen wir auf dem folgenden Schnitte von der Stelle her, wo der Fuss- rücken in die hintere Seite des Eingeweidesackes umbiegt, eine sehr lebhafte Kernvermehrung (Fig. 51 ecp), wobei fast alle durch helle Färbung sich auszeichnenden Kerne zwei Kernkörperchen führen. Während sich diese Wucherung am Eingeweidesack nach hinten zu verliert, setzt sie sich am Rücken des Fusses gegen die Fussspitze zu fort (Fig. 52—54 ecp). Wieder werden jeweilen die äussersten Zellen zu embryonalen Muskelzellen. Die Wucherung hält sich übrigens nicht allein genau in der medianen Fläche des Fussrückens, sondern ver- breitet sich noch etwas über die Seitenflächen des Fussfortsatzes, wie aus 48 P. B. SARASIN: den beigegebenen Figuren deutlich zu sehen ist. Diese Wucherung ist auf Längs- und Querschnitten sehr leicht zu bekommen. Auf dem Stadium der Fig. 63 ff. zeigt sich der Raum zwischen den Wucherungen der Sinnesplatten und der medianen schon dichter mit Kernen erfüllt. Fig. 70 zeigt uns einen Schnitt durch die mediane Wucherung des Fussrückens. — In der Folge gestaltet sich nun die Sache so, dass die vom Fussrücken einwuchernde Kernmasse, je weiter sie nach vorne kommt, um so tiefer durch eine von unten nach oben sich bildende Furche eingeschnürt wird. An der Stelle, wo sie auf die Mundeinstülpung trifft, theilt sie sich in zwei Hälften, deren jede sich mit den von den Sinnesplatten gelieferten Zellen- haufen durch einen engeren Zellstrang verbindet. Dies zeigen die Fig. 75 ff., die wir nun aber, des leichtern Verständnisses halber, von hinten nach vorne betrachten wollen. Fig. 80 zeigt uns die noch ungetheilte; median eingewucherte Kernmasse; aber schon der folgende Schnitt zeigt die von unten nach oben einschneidende Furche (Fig. 79 furp), die in Schnitt 78 sehr tief wird. Schnitt 77 zeigt, dass sie von der hintern Spitze der Zungenscheide (Fig. 77 zns) aus ihre Entstehung nahm. Hier trennen sich nun die beiden Schenkel des, gegen hinten zu ungetheilten soliden Zellenstranges von ein- ander und, indem sie auf jeder Seite nach oben biegen, verbinden sie sich durch Commissuren mit der Cerebropleuralmasse. | In der weiteren Entwicklung hört die hintere Fussfläche auf, Material nach innen zu liefern; die solide Kernsäule spaltet sich von vorn nach hinten völlig, und die beiden Schenkel lösen sich von ihrem Mutterboden nach und nach los. Dies sehen wir in den Fig. 83 ft. Sehen wir uns den auf Fig. 83 folgenden Schnitt an, so erblicken wir beidseits der quergeschnittenen Zungenscheide (Fig. 84 zns) die Querschnitte der beiden Pedalsäulen, die auf Fig. 85 u. 86 leicht nach rückwärts zu verfolgen sind. Fig. 87 zeigt nun, wie die linke Säule noch mit dem Eetoderm seitlich verschmolzen ist, und dasselbe zeigt uns von der rechten Säule Fig. 88; kurz darauf erfolgt die völlige Loslösung, wie wir aus den Fig. 95 ff. sehen, und jetzt müssen wir auch von Pedalganglien sprechen und nicht mehr von Kern- säulen. Auf Fig. 98 verjüngt sich das rechte Ganglion zu dem “ nach hinten in den Fuss laufenden Nerven, dessen letzte Spur in Fig. 100 zu sehen ist. Dasselbe geschieht auf der linken Seite von Fig. 100 an. Wir sehen also, dass die Loslösung nunmehr völlig Entwieklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 49 erfolgt ist. Von der Fläche gesehen hat das Pedalganglion jetzt die in Fig. 106 abgebildete Gestalt (ped). Später erst schwillt die Wurzel des von ihm nach vorn abgehenden Nerven in ein Ganglion an, das schon erwähnte Propedalganglion. Die Ablösung der Pedalganglien von ihrem Mutterboden ist in diesem immerhin noch sehr jungen Embryonalstadium (etwa die Hälfte des Embryonallebens), da der Embryo noch nicht die Fähigkeit hatte, sich in die Schale zurück- zuziehen, weil der Spindelmuskel noch nicht gebildet war, eine so vollständige, dass die Herkunft der unteren Schlundganglien noth- wendig so lange dunkel bleiben musste, als nicht Schnittserien durch frühere Stadien gelegt wurden. Ich betone, dass die Produkte der medianen Pedalwucherung von denen der beiden Sinnesplatten ur- sprünglich complet getrennt waren und verweise deshalb nochmals auf Fis. 50. Nur allmälig rückten die Pedalmassen nach vorn und verbanden sich mit den Cerebropleuralmassen. Die Zeit, wann die Commissuren auftreten, weiss ich nicht genau anzugeben. Die beschriebene mediane Wucherung ist nicht die einzige. Schon bei Besprechung der Fig. 50—54 machte ich darauf auf- merksam, dass nach hinten, resp. oben zu an der Ventralseite des Eingeweidenucleus die Pedalwucherung, wie ich sie hinfort nennen will, allmälig sich verliere, und ich hebe hervor, dass dies nicht plötzlich geschieht, sondern hinter ihr zeigt sich das Eetoderm noch erheblich verdickt (Fig. 52—54 ecv); doch zeigt diese Verdickung insofern nichts auffallendes, als sie allmälig in die des Schalenbettes übergeht. Zu der Zeit, da die Cerebropleuralmasse schon beginnt, sich etwas zu formen, zeigt sich auch diese Stelle etwas mehr ver- diekt (Fig. 70 viw). Im eimem weiteren Stadium, da die Pedal- säule sich schon in zwei Schenkel spaltet, beobachten wir folgendes: Die Verdiekung, die eben noch genau median lag, erhält eine Neigung von links unten nach rechts oben, wie dies Fig. 78 zeigt. Mit der Pedalwucherung steht sie vorn in Verbindung; gegen hinten endet sie, indem sie sich zu einem Kernhaufen verjüngt, der von unten her eine kleine Einbuchtung zeigt (Fig. 79 furvi). Ferner beobachten wir, dass von der rechten Seite dieser Wucherung ein Kernstrang direkt nach oben läuft (Fig. 78 verb), wo er an eine Betoderm- wucherung stösst, die oberhalb des vordern Leberlappens median entstanden ist. (Fig. 78 gol). Bei Vergleichung der aufeinander- folgenden Schnitte 74—79 wird man finden, dass diese zweite Arbeiten a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VI. 4 50 P. B. SARASIN: Wucherung an den Pleuraltheil der Cerebropleuralmasse stösst. Diese zweite mediane Wucherung nun (Fig. 78, 79 vw), welche auf die Pedalwucherung nach hinten zu folgt und deren Produkte auch erst dann sich formen, wenn die Pedalganglien schon gebildet sind, ist die Visceralwucherung, und aus ihr gehen hervor das Supra- und Subintestinalganglion. Die mediane Wucherung oberhalb des vorderen Leberlappens ergibt das ganglion olfactorium (Lacaze’sches Organ);!) der Verbindungsstrang (Fig. 78 verb) ergibt den vom Supraintestinalganglion zum Riechorgan verlaufenden Nerven. Nach vorn verbinden sich die Visceralganglien mit der Cerebropleural- masse ihrer Seite. Schon etwas anders liegen die Verhältnisse in dem nun folgen- den Stadium, wo die Visceralganglien sich von ihrem Mutterboden abzulösen beginnen. Wir sehen schon bei den Pedalganglien, dass das rechte sich früher loslöst, als das linke (vgl. Fig. 87 u. 88). Dies scheint auch bei den Visceralganglien der Fall zu sein. Die mediane Wucherung ist noch deutlich auf Schnitt 87 viw, aber gegen rechts zu schon am Erlöschen. Die Neigung der Wucherung von links unten nach rechts oben ist in diesem Stadium um ein weniges bedeutender, als im vorigen. (Man vgl. Fig. 79 u. 87, welche beide das hintere Ende der Wucherung zeigen).”) Nach vorne zu setzt sich der linke Theil der Visceralwucherung in einen Kernhaufen fort (Fig. 86 sbi), welcher an einen Kernstrang stösst (Fig. 85 verbpsb), der nach vorn zum Pleuraltheil der Cerebropleuralmasse läuft. Wir haben also in Fig. 86 sbi das Subintestinalganglion, das mit dem Pleuralganglion der linken Seite sich verbindet. Der rechte Theil der Visceralwucherung setzt sich in diesem Stadium nach vorne nicht mehr fort, wie Schnitt 86 und 85 uns zeigen. Auf Schnitt 84 aber zeigt sich schon wieder der Beginn einer Kernanhäufung bei spi und diese geht in das unregelmässig, fast strangartig geformte Gebilde (Fig. 83 spi) über, das sich in einen nach oben und unten laufenden Kernstrang (Fig. 83 u. 82 verbspi) fortsetzt. Dies ist das mit der Cerebropleuralmasse seiner Seite eng verbundene Supra- !) Ueber den Ort der Entstehung des ganglion olfactorium kam ich nicht ganz in’s Klare. Es könnte auch an der rechten Seite des Embryos in Verbindung mit dem Supraintestinalganglion entstanden und dann nach links hinübergerückt sein. Dafür sprechen einige Schnitte. ?) Die Stellung der Schnitte 85—87 ist der Tafel angepasst. Eigentlich sollte die Fusssohlenfläche in der Horizontalen liegen. Ebenso Fig. 76 u. 77. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata. 51 intestinalganglion. Aus der Vergleichung der Fig. 83 u. 84 erkennt man leicht, dass der von ihm nach oben laufende Verbin- dungsstrang vorne am Darm resp. über ihm nach der linken Seite hinüberläuft. Er endigt in der nunmehr schon etwas nach links verschobenen Ecetodermwucherung, aus der das ganglion olfactorium (gol) wird (Fig. 82). Die Visceralwucherung setzt sich in diesem Stadium nach hinten nicht weiter fort, wie Schnitt 88 zeigt, dessen Lage ebenso geneigt hätte gezeichnet werden sollen, wie die des Schnittes 87. Im fol- genden Stadium liegen die Sachen recht ähnlich. In Fig 93 spi haben wir das Supraintestinalganglion, von dem der Verbindungs- strang zum ganglion olfactorium über dem Darm nach links läuft. (Fig. 95 gol). Dieses ist nun völlig nach links verlagert, und von ihm aus geht ein kleiner Kernstrang nach links unten in die Gegend der Pleuralpartie der linken Cerebropleuralmasse (Fig. 95 ne). Das Subintestinalganglion (sbi) sehen wir deutlich auf Schnitt 96 links mit dem linken Pleuralganglion verbunden, rechts mit der jetzt gleich zu betrachtenden Abdominalwucherung. Fig. 97 zeigt noch einen Tangentialschnitt des Ganglions, während die Visceralwucherung selbst verschwunden ist; denn die in Fig. 98 an dieser Stelle dicht gelagerten Kerne gehören dem hinteren Mantelrande an und haben mit der Visceralwucherung nichts zu thun. Wir kommen nunmehr zur hintersten und zeitlich letzten me- dianen Ectodermwucherung, der Abdominalwucherung. Die Visceralwucherung des Embryos 71 ff. setzte sich gegen hinten in eine allmälig gegen rechts und oben verlaufende Eetodermwucherung fort. Nachdem im darauf folgenden Stadium die Visceralwucherung sich gegen hinten abgegrenzt hatte und das Supraintestinalganglion auch schon von ihr losgelöst war, während das Subintestinalganglion allein noch an ihr haftete, zeigt sich gegen hinten zu eine Wucherung des Ectoderms, die unten rechts begann (Fig. 89 abdw) und sich direkt nach oben zog, wie der folgende Schnitt zeigt (Fig. 90 abdw). Dies ist die fast rechtwinklig zur Pedalwucherung und in einem Winkel von etwas mehr als 45° gegen die Visceralwucherung ge- neigte Abdominalwucherung. Aus ihr geht das im hinteren Winkel der Kiemenhöhle gelegene Abdominalganglion (v. Jhering) hervor (Fig. 91 u. 92 abd). In dem folgenden Stadium sehen wir die untere Partie der Wucherung sich zu einer Art von Ganglion 59 P. B. SARASIN: gestalten (uabd Fig. 96), das mit dem Subintestinalganglion in Ver- bindung tritt und nach oben durch eine lockere Kernstrasse (K'str) mit dem Abdominalganglion verbunden ist (Fig. 97, abd). An letz- teres treten viele embryonale Muskelzellen, und es gewährt so ein eigenthümliches Bild. Dieselben Verhältnisse erkennen wir auf Längsschnitten. Betrachten wir Schnitt 107, so sehen wir, dass das Cerebralganglion vom Pleuralganglion noch ziemlich deutlich abgesetzt ist. Dieses letztere setzt sich auf Schnitt 108 durch eine starke Commissur (verbpsb) fort in das auf Schnitt 109 getroffene Subintestinalganglion (Fig. 109 sbi); dieses setzt sich wieder fort durch eine Commissur (com) auf Schnitt 110 in das untere Abdominalganglion (Fig. 111 uabd) und dieses läuft senkrecht nach oben in das obere Abdominalganglion (Fig. 112 aba). Andererseits geht vom rechten Pleuralganglion (Fig. 111 rpl) eine Commissur (Fig. 111 verbplsp) nach oben zum Suprain- testinalganglion, das auf Schnitt 109 (spi) sich zeigt und sich nun durch eine Commissur (Fig. 108, 107 verbspi) mit dem auf Schnitt 106 getroffenen ganglion olfactorium verbindet (gol). Ueber dem Supraintestinalganglion zieht von links nach rechts eine kleine Furche. Ich muss hier einschalten, dass bei der Untersuchung des Nerven- systems des ausgewachsenen Thieres ich das bei obigen Embryonen so deutliche untere Abdominalganglion völlig vermisste. Ohne weitere Anschwellung läuft vom Subintestinalganglion der Nerv an den Fundus der Kiemenhöhle, wo er auf ein grosses Ganglion stösst. Es ist somit wahrschemlich, dass das von mir sogenannte untere Abdominal- ganglion nur den letzten Rest der Abdominalwucherung bildet, welcher wie auch der der Visceralwucherung verschwindet, nachdem er freilich nur ein einziges Ganglion gebildet hatte. Es gibt übrigens auch Formen, die zwei Abdominalganglien besitzen. Damit sind wir mit dem Nervensystem noch nicht zu Ende. Wir sehen nämlich, dass zur Zeit, da die Sinnesplatten in ihrer lebhaftesten Wucherung begriffen sind, auch die Wandung eines schon gebildeten Organes selbst zu wuchern beginnt, nämlich der Mundeinstülpung, wie sich das an der hellen Färbung und dichten Lagerung der Kerne und dem Mangel jeder Grenz- linie an der Stelle vor und hinter der Mündung der Zungenscheide in den Schlund deutlich zu erkennen gibt. (Fig. 67 u. 68 dew u. Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. zer verschmolzenen Epithel. Auch diese Seitengrübchen trennen Pro- rhynchus nicht mehr von den Rhabdocoelen, seit bei Microstomum, Stenostomum und Turbella Klostermanni!) solche bekannt wurden; es will mir scheinen, als ob diese Organe auch hier wie bei den Dendroeoelen allgemeiner verbreitet sind als man bisher annahm; auch bei einem hier gefundenen Mesostomum, wahrscheinlich M. mon- tanum, Graf, sah ich ähnliche Bildungen. Es erübrigt nun noch die Darstellung der Geschlechtsorgane und des Excretionssystems, um die Anatomie von Prorhynchus in Kürze zu vollenden, wobei ich der Uebersichtlichkeit wegen zunächst die Resultate meiner Untersuchung geben, und dann auf die Schil- derungen der bereits citirten Autoren etwas eingehen will, um die nothwendigen Vergleiche ziehen zu können. Prorhynchus ist, wie die Mehrzahl aller bekannten Rhabdocoelen Zwitter; doch will es mir scheinen, als ob die männlichen Geschlechtsproducte früher reif würden, als die weiblichen; so fand ich trotz fortgesetzten Suchens zu den verschiedensten Jahreszeiten nie ein Exemplar mit einem vollkommen reifen Ei, während die Spermatozoen ausgebildet und die Samen- blase damit angefüllt war. Sicher ist, dass die männlichen Be- gattungswerkzeuge unseres einheimischen Prorhynchus ihre völlige Ausbildung erreicht haben, lange bevor die Eier aus ihren ersten Entwieklungsstadien heraus sind. Das männliche Begattungsorgan, als der am besten verkannte Theil, ist dargestellt in Fig. 1, und zwar in ausgestrecktem Zustande; es ist der „Rüssel* der älteren Autoren, dessen wesentliche Bestandtheile sind: ein zum Vorderende des Thieres vorstreckbarer Stachelapparat, der durch einen dünnen Gang mit einer langgestreckten, stark muskulösen Blase in Verbin- dung steht (de), die ich als ductus ejaculatorius bezeichnen will; dieses Organ steht abermals durch einen zarten, je nach dem Con- tractionszustand des Thieres mehr oder weniger gewundenen Gang mit einer dünnwandigen Samenblase (vs) in Verbindung, welch letztere direct die Erzeugnisse der männlichen Keimdrüsen erhält. Das ganze Organ liegt ventral?) vom Schlund und Pharynx und das Stilet des Penis wird zur Mundöffnung herausgestreckt. ı) L. Graf: Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. XXIV. 2) Durch diese Lage des Penis, ventral von Schlund und Gehirnganglion wird von vornherein jeder Versuch, in dem genannten Organ irgend welche Homo- 78 J. v. KENNEL: Beim ruhigen Kriechen des Thierchens liest der Penisstachel nicht ganz am Vorderende, sondern etwa in der Mitte zwischen diesem und dem Schlundkopf; dann ist der Verbindungsgang mit dem ductus ejaculatorius von etwas grösserem Durchmesser als in Fig. 1 und bei Contractionen des Thieres macht er sogar einige kurze Spiral- windungen, wie man häufig bei Exemplaren sehen kann, die in contrahirtem Zustande getödtet wurden. Der Stachelapparat selbst, ein äusserst complieirtes Gebilde, sitzt einer Verdickung des „Samen- sanges“, wie ich der Kürze wegen den Verbindungscanal mit dem musculösen Ductus ejaculatorius nennen will, wie einem Handgriff als letzte Endigung auf; die Höhlung des verdiekten Samenganges setzt sich in das eigentliche chitinöse!) Stilet fort (Fig. 4 u. 5), die äussere Wandung in einen chitinösen Hohlkegel, dessen distale, enge Oefl- nung dem Stilet zur Führung dient (Fig. 4 u. 5 mt). Aus Fig. 4, die nach einem frischen Präparat unter mässigem Druck des Deck- gläschens gezeichnet ist, ergibt sich auch, dass das Stilet nicht eine einfache Wandung hat, wie etwa eine durchbohrte Nadelspitze, son- dern dass die Spitze dem Basalstück wie eme Kappe aufgestülpt ist, so jedoch, dass erstere als ganz feine Membran bis zur Basis hinunter- läuft.. Mit anderen Worten, die Wand des Stilets ist doppelt, und zwar ist im Basaltheil die innere, in der Spitze die äussere Membran die diekere. Zwischen beiden liegen denn auch, wie Fig. 5 (einem horizontalen Längsschnitt entnommen) zeigt, Zellkerne (k), wohl den Bildungszellen des Stilets angehörig; ausserhalb davon, zwischen Stilet und „Mantel“, sowie an der Spitze des letzteren sind ebenfalls grosse Kerne sichtbar (kı kı), durch deren Zellen wohl die chitinöse Umhüllung geliefert wurde. Ferner finden sich noch einige Zellkerne an der erweiterten Basis des Stilets. Dass die äussere Umhüllung des Stilets wirklich ein Hohlkegel und nicht „ein Paar Stützstäbehen* oder ähnliches sind, geht ein- mal aus Querschnitten, dann aber auch daraus hervor, dass sowohl auf horizontalen wie verticalen Längsschnitten dasselbe Bild entsteht, logie mit dem Rüssel der Nemertinen zu sehen, ausgeschlossen; mag man das Thierchen drehen und wenden, wie man will, die relative Lage des Prorhynchus- Penis zu den Gehirnganglien bleibt eine total andere, als die des Nemertinen- Rüssels. 1) Das Wort „chitinös“ soll nur das physikalische Verhalten, keineswegs die chemischen Eigenschaften bezeichnen. Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. 79 und dass man das isolirte Stilet nach allen Seiten unter dem Deck- glase rollen kann, ohne eine andere Ansicht zu erhalten. Die doppelte Wandung des Umhüllungsmantels in Fig. 4 rührt davon her, dass man bei einem derartig gepressten Präparat im optischen Durch- schnitt leicht auch noch da, wo das Object das Deckgläschen und den Objeetträger berührt, eine schwache zweite Linie erblickt; Fig. 5 ein wirklicher mit der Camera bei starker Vergrösserung entworfener Längsschnitt gibt den wahren Verhalt richtig wieder. Aus dieser Beschreibung und der gegebenen Abbildung geht klar hervor, dass das Stilet in einem chitinösen Mantel nicht selbständig vorgestreckt werden kann; es muss vielmehr beim Vorwärtsstossen der ganze Apparat mit allem; seinen Theilen in ihrer festen gegenseitigen Lage- rung bewegt werden. Der durchbohrte, wahrscheinlich en Basaltheil des Stachelapparates verengt sich plötzlich, und geht in den je nach der Contraction mehr oder weniger dünnen Samengang über, dessen Wandung man an gut tingirten Präparaten Zellkerne anliegen sieht (Fig. 1). Hinter dem Gehirn, in gleicher Höhe mit dem Beginn des Pharynx, geht dieser Kanal über in den viel weiteren Ductus eja- eulatorius, der wiederum zwei Abtheilungen im Inneren erkennen lässt. Die dieke Wandung besteht aus zwei in entgegengesetzter Richtung spiralig umeinander aufgewickelten Lagen ziemlich starker Muskelfasern; eine Epithelauskleidung habe ich vergeblich gesucht. Während die hintere Hälfte des Organes immer ein freies Lumen zeigt, ist die vordere völlig eingeengt durch kleine dichtstehende, helle Papillen, die mit ihrem freien Ende nach hinten gerichtet sind, und so einen Verschluss herstellen, der nur durch kräftige Muskel- contraction von hinten nach vorn überwunden werden kann, wodurch dann das Sperma mit Kraft ausgespritzt wird. An eine sehr feine Oeffnung im hinteren stumpfen Ende des Ductus ejaculatorius setzt sich ein sehr zarter, gewundener Kanal an, der sich bald m die rundliche dünnwandige Samenblase er- weitert; diese, fast immer mit reifem Sperma gefüllt, liegt beim gestreckten Thiere hinter dem Ductus ejaculatorius (Fig. 1, s), beim contrahirten dagegen zwischen letzterem und dem Pharynx (Fig. 6) ihre Wandung wird gebildet durch eine feine Membran mit ein- gestreuten Kernen; gegen den Ausführungsgang zu ist sie etwas dicker. ‚80 J. v. KENNEL: Vergleicht man nun diese Darstellung und meine Abbildungen mit den von den früheren Untersuchern von Prorhynchen gelieferten, so wird man zugeben, dass die Zeichnungen von Schultze und Leydig ausser Betracht bleiben können, da wegen ihrer Kleinheit von der Darstellung der Einzelheiten gar nicht die Rede sein kann. Die Fig. 7 von Fedschenko stimmt fast genau mit meiner auf dieselbe Weise erhaltenen Fig. 4 überein, so dass auch der penibelste Kritiker keinen specifischen Unterschied constatiren dürfte, wenn die Fig. 8 desselben Forschers mit derselben Genauigkeit das natürliche Verhalten wiedergibt, so könnte das nur ein Beweis für die Variabilität auch dieses Organes sein, eine Bemerkung, die sich mir auch bei Vergleichung meiner Präparate aufdrängte. Die von Schneider publieirte Fig. 2, welche den ganzen Be- gattungsapparat freipräparirt darstellt, weicht in manchen Punkten von meiner Schilderung ab, so dass hier eine nähere Untersuchung geboten erscheint. Zunächst ist offenbar dem Stilet und seiner Um- gebung nicht die Sorgfalt zugewendet, die nöthig gewesen wäre, um ohne Erklärung im Text eine genaue Anschauung des Organes zu verstatten; wenn man jedoch öfter solche Präparate gemacht, und gesehen hat, wie beim Druck des Deckgläschens der chitinöse Mantel des Stilets sich in mehrere Längsfalten legt, so kann man leicht das gegebene Bild auf den wahren Sachverhalt beziehen, und völlige Uebereinstimmung finden. Der Samengang ist ebenfalls in Folge des Druckes breiter als normal, die Samenblase mit ihrem Ausführungs- gang stimmt völlig überein, und es bleiben als bedeutendste Abwei- chung die zahlreichen Drüsen, die in den vorderen Theil des Ductus ejaculatorius münden sollen. Wenn dieselben bei den von ZLieberkühn untersuchten Thieren wirklich vorhanden waren, so würde dieser Forscher es allerdings mit einer anderen Art zu thun gehabt haben, als sie mir vorliegt, und jeder Versuch einer Identificirung wäre ver- gebens, denn der hiesige Prorhynchus hat entschieden keine Spur davon. Ich glaube jedoch, dass Lieberküähn sich getäuscht hat. Zerquetscht man nämlich einen Prorhynchus, so bleibt der ganze Begattungsapparat in der Regel ziemlich intact, höchstens reisst die Samenblase ab; dann aber hängt um den „Samengang“ und Anfangs- theil des Ductus ejaculatorius gewöhnlich eine Gewebemasse, aus Fasern und Zellen bestehend, die nur schwer davon loszupräpariren ist, und aus diesem Grunde leicht als wesentlich dazugehörig be- trachtet und dann nur als Drüsengewebe gedeutet werden kann. Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. Si Zum Theil ist es das umgebende Bindegewebe des „Körperparenchyms“, das die Organe fest umschliesst, zum Theil aber auch Stücke der seitlichen Ganglien, die sich ebenfalls loslösen und durch das Binde- gewebe mit jenen Organen zusammenhängen. Dergleichen Bilder erhielt ich oft genug, und hätte ich nicht an Quer- und Längsschnitten genaue Controlle geübt, so hätte ich leicht verleitet werden können, jene ebenso zu deuten, wie Lieber- kühnm. Allerdings müsste nach dieser Auslegung die von Schneider veröffentlichte Abbildung als wesentlich idealisirt erklärt werden, was ich ohne Bedenken, in Rücksicht auf die vielen Präparate, die ich auf verschiedenste Weise anfertigte, ohne so schön klare Bilder zu erhalten, mir zu thun erlaube. Ich halte mich um so mehr zu diesem Ausspruch berechtigt, als eine Vergleichung der beiden Fig. 1 u. 2 bei Schneider eine auffallende Incongruenz in den Grössenverhält- nissen zeigt. In Fig. 2 sind die fraglichen einzelligen Drüsen von einer Grösse, dass ihr Durchmesser der Hälfte desjenigen der Samen- blase gleichkommt, während sie in Fig. 1 dieser gegenüber als ganz kleine Pünktchen gezeichnet sind; ist letzteres Verhältniss richtig, so stimmen die „Drüsenzellen“ in der Grösse ziemlich genau mit den Bindegewebs- und Ganglienzellen meiner Präparate und Zeich- nungen überein. Dann aber sind dieselben Gebilde in Fig. 2 in viel zu grossem Verhältniss gegenüber den scheinbar zugehörigen Organen gezeichnet, woraus sich unwillkürlich die Ansicht bilden muss, dass die „Zellen“ erst beim herausgequetschten Penis gesehen, als Drüsen gedeutet, schön deutlich gezeichnet wurden, und dann auch in der Totalansicht des Thierchens eingetragen wurden. Wären sie in der That so gross und deutlich, so wäre nicht wohl anzu- nehmen, dass Schultze, Leydig und Fedschenko sie übersehen hätten. Die beiden französischen Autoren Darrors und Hallez standen bei ihren Untersuchungen des Prorhynchus offenbar unter dem Ein- fluss der Lieberkühn’schen Zeichnung; ich halte es geradezu für un- möglich, an einem lebenden oder getödteten Prorhynchus alles das zu sehen, was Barrois in seiner Fig. 161 darstellt; und wie leicht man durch die an gepressten Thierchen erzielten Bilder getäuscht und irre geführt werden kann, beweist schon der Umstand, dass alle bisherigen Forscher den „Rüssel“, resp. Penis des Prorhynchus, trotz aller scheinbar äusserst genauen Detaildarstellungen immer neben oder über dem Schlunde liegend zeichnen und beschreiben, während Arbeiten a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VI. 6 Bam J. v. KENNEL: 4 er doch factisch genau unter demselben liegt. Es hat sich also, meiner Meinung nach, Barrois im Anschluss an die Lieberkühn’sche Zeichnung durch irgend welche kleine Gewebemasse ebenfalls ver- leiten lassen, Drüsen zu sehen, die in den Ductus ejaculatorius münden, obwohl sie factisch nicht existiren. Eine noch grössere Aehnlichkeit mit Fig. 2, Taf. VII bei Schneider zeigt die von Hallez gegebene Abbildung Taf. IV, Fig. 1, nur dass sich in diese, sowie in die Darstellung im Texte noch einige Irrthümer mehr eingeschlichen haben, vielleicht hervorgerufen durch das Bestreben, völlige Uebereinstimmung zu sehen zwischen dem Be- gattungsorgan von Prorhynchus und Prostomum. Zunächst sieht Hallez die vermeintlichen Drüsenzellen als Giftdrüsen an, die ihr Secret in die muskulöse Giftblase (ductus ejaculatorius meiner Dar- stellung) ergiessen; diese Giftblase stehe mit der Samenblase gar nicht in Verbindung, sondern entleere ihren Inhalt durch einen feinen Canal in das eigentliche Stilet, durch dessen feindurchbohrte Spitze es nach Aussen gelange.') Der Ausführungsgang der Samenblase ver- laufe unter der Giftblase und umschliesse dann den Giftcanal, so dass das Sperma aus einer das Stilet umgebenden Oeffnung nach aussen entleert werde; endlich seien diese beiden concentrischen Canäle noch einmal umgeben von einem dritten Rohre, das beiden als Hülle dient, so dass ein Querschnitt drei concentrische Kreise zeigen würde. Begreift man nun von vornherein schon nicht recht die ungemeine Dünne der Wandungen dieser drei einander umgeben- den Canäle (sie sind bei Hallez durch je einen feinen Strich ange- geben trotz der starken Vergrösserung), so zeigt ein wirklicher Quer- schnitt durch die betreffende Region, dass man es mit einem einzigen, ziemlich diekwandigen Canal zu thun hat (ef. Fig. 8 u. 9), sowie aus meiner Fig. 1 mit genügender Deutlichkeit hervorgeht, dass die Samenblase factisch in den Ductus ejaculatorius einmündet. Bei solehen, durch Quetschpräparate hervorgerufenen Irrthümern wird man mir, auf Grund sorgfältigster Untersuchung das Recht einräu- men, auch die fraglichen Drüsenzellen in das Reich der Täuschungen zu verweisen. Ich für meine Person kann also auch in dieser Hinsicht nur wieder alle drei Prorhynchen für identisch halten, für Pr. stag- nalis. Sollte sich jedoch die Richtigkeit jener Abbildung erweisen, so haben wir es freilich mit zwei verschiedenen Arten zu thun. ı) Hallez: ]. c. pag. 53 £. Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. 33 Die männlichen Keimdrüsen, bisher von allen Untersuchern übersehen, liegen von der Samenblase an nach hinten zu beiden Seiten des Darmes als kleine, rundliche Follikel, die bald näher zu- sammen gerückt, bald weiter von einander entfernt, anfangs in ein- facher, später in unregelmässig mehrfacher Reihe nicht ganz bis zum Hinterende des Thierchens reichen. Man erkennt sie auf feinen Querschnitten, noch besser und zugleich in grösserer Zahl auf seit- lichen Tangentialschnitten (Fig. 3) als rundliche Bläschen, ohne be- sondere Wandung, angefüllt mit grösseren und kleineren feinkörnigen Zellen, zum Theil auch untermischt mit reifen Spermatozoen. Die grösseren Zellen, unregelmässig epithelartig der Peripherie angelagert, enthalten häufig (als Ausdruck der Vermehrung) zwei Kerne, die kleineren Theilproducte derselben liegen mehr nach der Mitte zu oder einer Seite an. Als Hoden documentiren sich diese Follikel unzweifelhaft durch die Spermatozoen, die man bei grossen Exem- plaren darin findet; nicht ganz klar aber wurde mir die Art und Weise, wie das Sperma aus ihnen in die Samenblase gelangt, da ein Vas deferens nicht gefunden werden konnte. Vermuthlich treten die einzelnen Follikel an ihren Berührungsstellen in Communication, wie dies auch bei verschiedenen Dendrocoelen der Fall sein muss, so dass erst von den vordersten Follikeln ein zarter Ausführgang nach der Vesica seminalis hinleitet, von dem auch bei Schneider und Hallez ein kurzes Stückchen gezeichnet ist, oder aber die Vasa efferentia und das Vas deferens sind, wie bei unseren Süsswasser- dendrocoelen, nur wandungslose Lücken im Körpergewebe, die an conservirten Exemplaren ihrer Zartheit wegen nicht zur Anschauung gebracht werden können. In Fig. 11, von einem neuen nachher zu beschreibenden Pro- rhynchus, ist ein junger Hodenfollikel auf der rechten Körperseite im Querschnitt gezeichnet; er hat hier dieselbe Lage, wie bei un- serer gewöhnlichen Species. Obschon ich kein Exemplar mit völlig reifen weiblichen Geschlechtsorganen finden konnte, so bin ich doch im Stande, auch in diesem Punkte neue Aufschlüsse geben zu können, ohne jedoch hier auf die Ausführung von Hallez‘) und van Beneden?), die Ent- Sl. ec. pag. 39 u. 60. 2) E. van Beneden: Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. (Mem. couronnes et M&m. des Sav. etrang. de l’Acad. roy. de Bruxelles, Tome XXXIV. 1870.) 6* 34 J. v. KENNEL: stehung der Eier betreffend, einzugehen, da es mir nur auf die Mor- phologie der Organe ankam. Die weibliche Keimdrüse bildet, wie auch aus den bisherigen Darstellungen hervorgeht, ein unter (nicht neben M. Schultze) dem Darm liegendes, die hintere Körperhälfte einnehmendes schlauch- oder besser bandförmiges Organ, das im hintersten Ende .aus indifferenten Zellen besteht, während sich je weiter nach vorn, desto reifere Eier finden. Sowohl Schultze als Fedschenko bilden am vorderen Ende des Ovariums ein isolirtes Ei ab mit Keimbläschen und zahlreichen „gekernten Dotterzellen“. Ich kann die Richtigkeit dieser Angabe nicht anzweifeln, da mir ein so weit vorgeschrittenes Exemplar nicht zur Verfügung stand; wohl aber ist die Angabe Fedschenko’s, dass das vorderste Ei ent- fernt vom Eierstock „frei in der Leibeshöhle, lag, zu bestreiten, da eine solche bei Prorhynchus nicht existirt. Nach meinen eigenen Erfahrungen liegen im Hinterende des Eierstocks eine Anzahl gleich- artiger Zellen zu emem bandförmigen Streifen unter dem Darm ver- einigt, (Fig. 1); nach vorne zu sieht man in ziemlich regelmässigen Abständen immer eine grössere Zelle, die zukünftigen Eier, umgeben von epithelartig angeordneten kleineren Zellen perlschnurartig, fast wie in den Eiröhren eines Insects, auf die andere folgen. Vom Beginn des hinteren Körperdrittels an, nach vorne bilden die kleinen Zellen eine enge Röhre, die eine kurze Strecke hinter der Samen- blase mit einer kleinen Anschwellung blind endigt. In Fig. 1 fehlt ein Stück derselben, das in Folge einer geringen Biegung des Thieres aus der Schnittebene hinausfiel, jedoch im folgenden Schnitte zu sehen war. Dieses junge Stadium der Eiausbildung scheint mir nun auch in den öfter eitirten Abbildungen dargestellt zu sein, wobei die Follikelepithelzellen des vordersten Eies als Dotterzellen aufgefasst sind, wo sie wohl am grössten Ei auch am deutlichsten zu sehen waren. Die regelmässige Anordnung dauert nur bis zu einer bestimmten Ausbildung der Eizellen; mit dem Wachsthum derselben vermehren sich und wachsen auch die Zellen des Follikelepithels; sie werden vom Ei bedeutend dorsalwärts vorgetrieben und bilden dann grosse gegen den Darm zu vorspringende und diesen einengende Buckel. Dabei haben die Epithelzellen ihr Aussehen verändert, sie werden fast so gross wie das Bi selbst, keulenförmig, mit mehr oder weniger grobkörnigem Inhalt; ihre Anordnung wird unregelmässiger, die meisten häufen sich gegen den am wenigsten Widerstand bietenden Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. s5 Darm, also dorsalwärts an, kurz sie nehmen allmälig ganz den Cha- racter an, welchen bei anderen Rhabdocoelen die Zellen der Dotter- stöcke bieten. (Vgl. Fig. 6, dz). Wir finden also bei Prorhynchus, wo selbständige Dotterstöcke fehlen, diese mit der Keimdrüse direet vereinigt, offenbar einen primären Zustand, aus dem heraus erst die Trennung der beiden Organe erfolgte. Bei den reifsten Individuen, die mir zur Beobachtung kamen, hatte das ganze Organ, abgesehen von dem hintersten indifferenten Ende bis nach vorne hin in die Nähe der Samenblase dasselbe Aussehen angenommen, überall die _ unregelmässigen, gegen den Darm vorspringenden Wülste der Dotter- bildungszellen (um in der Bezeichnung kurz zu sein), welche in ge- wissen Abständen helle, körnchenlose Eizellen zwischen sich schlossen, von wenig bedeutenderer Grösse, als die in Fig. 1 dargestellte. In jener erwähnten Gegend nun, hinter der Samenblase, bildet sich auch die weibliche Geschlechtsöffnung, Fig. €, in der ventralen Medianlinie !); eine feine Oeffnung durchbricht senkrecht zur Längs- achse des Körpers Epithel und Muskulatur, wendet sich dann mit schwacher Erweiterung als Vagina nach vorn, um dann mit einer abermaligen scharfen Biegung sich reussenförmig gegen die Dotter- bildungszellen und deren Einschluss, die Eier, zu öffnen. Ob das Epithel, welches die Vagina auskleidet von der Epidermis, oder vom ursprünglichen Epithel der Eiröhre (Fig. 1) geliefert wird, vermag ich nicht anzugeben. Ferner scheinen sich in der Umgebung einige Zellen zu Drüsenzellen auszubilden, deren Secret in die Vagina ent- leert wird. Wie man sieht, weicht Prorhynchus in dem Bau seiner weib- lichen Geschlechtsorgane noch viel mehr, als in dem der männlichen von anderen Rhabdocoelen ab. Denn bei diesen ist es doch mehr die auffallende Lage am Vorderende des Körpers und die Ausmün- dung des Penis durch die Mundöffnung, welche frappirt, besonders da sich hinsichtlich des Baues des Begattungsorgans bei Prostomum lineare ähnliche Bildungen anführen lassen. Allein so einfach wie 1) F. Veydovsky: (Vorläufiger Bericht über die Turbellarien der Brunnen von Prag, nebst Bemerkungen über einige einheimische Arten. Sitzungsber. der kgl. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften in Prag. 1879) macht die Bemerkung, die weibliche Geschlechtsöffnung liege in der Centrallinie fast in der Mitte des Rückens. Ich kann mir diese Angabe nur durch eine Verwechslung der Rücken- und Bauchfläche des Thierchens erklären. s6 J. v. KENNEL: bei Prorhynchus sind die weiblichen Organe sonst nicht; allgemein verbreitet sind die selbständigen Dotterstöcke, oder das mit denselben vereinigte Ovarium ist doppelt, sehr häufig ein Receptaculum seminis und dergleichen Complicationen, wie besonderer Uterus zur Reifung der Eier. So lange diese Verhältnisse bei völlig reifen Prorhynchen nicht aufs Genaueste aufgeklärt sein werden, dürfte es schwer sein, ihm die gebührende Stelle unter den Rhabdocoelen anzuweisen, und er wird vor der Hand auch hier seine Ausnahme-Stellung, die er bisher bei den Nemertinen inne hatte, behaupten. Bezüglich des Exceretionssystems habe ich den Schilderungen von Schultze und der Abbildung Lieberkühn’s resp. Wagner’s bei Schneider nur beizufügen, dass die Excretionspori, das einzige, was auf Schnitten deutlich und zweifellos davon zu constatiren ist, in der Höhe der weiblichen Geschlechtsöffnung jederseits nach aussen mün- den. Es hat hier, wie ich dies auch bei Dorostomum unipunctatum gesehen habe, der Excretionsporus und ein kurzer Endkanal eine etwas festere Wandung, die ihn auch bei der Contraetion des durch irgend ein Reagens getödteten Thieres offen erhält. Ehe ich zur Beschreibung einer neuen Species von Prorhynchus übergehe, sehe ich mich veranlasst die Methode mitzutheilen, durch welche ich in den Stand gesetzt wurde, wirklich brauchbare Schnitte in jeder Richtung des 'Thierchens, das doch nur eine Länge von höchstens 6 mm. und eine Breite von !/a—!/s mm. hat, zu erzielen. Bei den Tödtungsversuchen in Chromsäure, Essigsäure, Pikrinschwefel- säure und Sublimat, erhält man ja ganz gute Präparate; allein die Thierchen contrahiren sich meistens derart, dass man die Organe nicht mehr in der natürlichen Lage findet, oder durch starke Krüm- 'mungen von Kanälen, oder Ueber- und Zwischeneinanderschieben einzelner Theile die Bilder schwer zu enträthseln vermag. Hier leistete mir, wie in vielen anderen Fällen noch, wo es sich nicht gerade um allerfeinste histologische Details handelt, die durch alle Tödtungsmethoden mehr oder weniger in einer Weise verändert wer- den, welche der Untersucher durch Controle am frischen Object fest- stellen muss, eine alte, aber entweder vergessene oder ungerechter Weise in Misscredit gekommene Methode die besten Dienste; ich über- goss die Thierchen, wenn sie in ganz wenig Flüssigkeit sich ruhig bewegten, mit heissem Wasser. Dadurch bewirkte ich ein plötz- liches Sterben in dem Zustand der Ausstreckung, welcher dem Ma- 2.‘ Zu Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. 87 xımum am nächsten kommt, ein völliges Geradestrecken, so dass Schnitte in jeder Richtung genau orientirt werden konnten. Ich wende diese Methode schon längere Zeit bei vielen niederen Thieren mit bestem Erfolge an; es ist z. B. das einzige Mittel, wodurch ich Stentor viridis ganz wie lebend conserviren und in Dauerpräparate in Lack überführen konnte. Natürlich muss man die histologischen Feinheiten durch andere Methoden controlliren, aber ich kann ver- sichern, sehr viel wird dabei nicht verändert, und die Sache ist werth, dass man sie weiter versucht. Verschiedentlich werden ja in neuerer Zeit mancherlei Reagentien wie Uhromsäure, Sublimat, selbst Alkohol in heissem Zustande zum plötzlichen Tödten von Thieren und zum ersten Conserviren von Geweben angewendet; mir will indessen scheinen, als ob auch hier zunächst die Hitze und nicht das chemische Agens die Gerinnung des Protoplasmas verur- sacht, in welchem Falle dann Wasser allein genügend ist. Ob die Reagentien selbst auf das geronnene Eiweiss noch in irgend einer Weise günstig einzuwirken vermögen, will ich dahin gestellt sein lassen. Prorhynchus balticus n. sp. Von meinem Freunde Dr. M. Braun in Dorpat erhielt ich ein mit Chromsäure getödtetes und in Spiritus gut conservirtes Exem- plar eines neuen Prorhynchus, welchen derselbe in einem Tümpel in der Nähe Dorpats entdeckte. Das Thierchen ist bedeutend grösser als Prorhynchus stagnalis, in ruhig kriechendem Zustand 10!/s mm. lang, die mitübersandten kurzen Notizen lauten: „Farbe hell lila, in der Mitte des Darmes wegen dunkler; der vorderste zungenförmige Theil sanz farblos und platt; Rücken gewölbt, Bauch platt. Darm in ge- strecktem wie contrahirtem Zustande durch ziemlich regelmässige Einkerbungen ausgezeichnet. Ganze Oberfläche wimpert.“ Den beigefügten flüchtigen Skizzen nach zu urtheilen hat das Thierchen im Allgemeinen die Gestalt unseres Pr. stagnalis, nur ist es im vorderen Theil viel platter, und auch der übrige Körper ist nicht, wie bei unserer Species drehrund, sondern unten zu einer Kriechsohle abgeplattet, Verhältnisse, die noch am conservirten Thiere deutlich zu erkennen waren (vergl. Fig. 11). Da von Geschlechts- 88 J. v. KENNEL: organen und dem sog. Rüssel nichts angegeben war, und auch nach Aufhellung des ganzen Thieres in Terpentin nichts bemerkt werden konnte, so färbte ich das einzige Exemplar, schnitt es hinter dem ersten Körperdrittel quer durch und zerleste nun den vorderen Theil in verticale Längs-, den hinteren in Querschnitte. Fig. 11 stellt einen solchen dar aus der Mitte des Körpers; die Abplattung der Ventrallläche ist so bedeutend, dass jederseits eine scharfe Kante entsteht, was bei Pr. stagnalis niemals der Fall ist. Die Elemente der Gewebe sind absolut grösser und relativ sparsamer als bei diesem. Man sieht den Darm, dessen einzelne Zellen nicht mehr zu erkennen sind (nur noch Zellkerne sind zu sehen), den grössten Theil des Querschnitts einnehmen, am Rücken direct die Muskulatur berührend. Die Ventralseite ist von sparsamem „Körperparenchym“ eingenommen, in welchem in der Mittellinie der Querschnitt des Ovarıums, mit feiner bindegewebiger Membran, den Epithelzellen des Eifollikels (spätere Dotterbildungszellen) und einem jungen Ei liegt; auf der rechten Seite ist ein junger Hodenfollikel durchschnitten (A). In diesen Verhältnissen herrscht, abgesehen von den angeführten kleinen Unterschieden Uebereinstimmung mit Pr. stagualıs. Dasselbe lässt sich mit derselben Einschränkung von dem medianen, verticalen Längsschnitt sagen, den Fig. 12 wiedergibt. Das Vorderende ist sehr platt und hatte beim Conserviren eine kleine dorsoventrale Krümmung gemacht, die jedoch der Sicherstellung der Schnittrichtung zu Gute kam. (Die Fig. ist in derselben Vergrösse- rung wie Fig. 1 mit der Camera gezeichnet, was für die Beurthei- lung der Grössenverhältnisse von Interesse ist). Wir sehen den engen, zartwandigen Schlund (sch) übergehend in den kräftigen Pharynx (ph), der im vorderen Theil etwas tangential getroffen ist. Der Bau derselben stimmt mit dem von Pr. stagnalis überein. Vor dem Pharynx über dem Schlund liegt das mittlere Ganglion des Gehirns (g) mit seinen Ganglienzellen. Die Vergleichung mit Fig. 1 zeigt auch hier wieder in allen Theilen die bedeutendere Grösse und relativ geringe Zahl der die Gewebe zusammensetzenden Elemente. Die Seitengrübchen sind vor- handen, scheinen jedoch etwas flacher zu sein als bei Pr. stagnalıs. Wenn diese kurz geschilderten Verhältnisse das fragliche Thier- chen zweifellos als ächten Prorhynchus erkennen lassen, im Uebrigen Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. 39 aber schon eine neue Species begründen können, so wird die letztere zur Sicherheit erhoben durch das total abweichende Verhalten des männlichen Begattungsorgans. Leider war das Exemplar noch nicht geschlechtsreif, so dass nicht festzustellen ist, in wie weit das Organ noch in der völligen Ausbildung nen kgehlieben war; während je- doch selbst junge Individuen von Pr. stagnalis, bei denen die Hoden kaum angelegt und auch die Samenblase noch nicht zu finden war, den Ductus ejaculatorius und das Penisstilet in vollkommener Aus- bildung zeigten, fand sich von all dem nichts bei Pr. balticus. Nur unter dem Pharynx, eingebettet in zellig-faseriges „Körperparenchym* liegt ein hohler Haken, mit der convexen Seite nach unten, mit der Basis und der nach vorn gerichteten Spitze gegen den Schlundkopf sehend (Fig. 12 st). Dadurch, dass der Haken nicht ganz parallel der Schnittrichtung lag, wurde Spitze und Basis durch das Messer weggenommen und finden sich im vorhergehenden Schnitte; ich zeichnete mit der Camera bei Immersionvergrösserung sowohl den mittleren Theil als auch die beiden Enden in natürlicher Lage und erhielt durch Aufeinanderpassen beider Zeichnungen das Bild Fig. 13, das der Wirklichkeit ziemlich nahe kommen dürfte. Demnach trägt der Haken an der Basis, der concaven Seite entsprechend eine drei- eckige, starke Verlängerung, die selbst wieder dreieckig, den äusseren Rändern fast parallel durchbrochen und in zwei seitliche Zipfel ver- breitert ist; diese ganze Einrichtung ist wohl zum Ansatz von Muskeln bestimmt. Die Ränder der weiten Oeffnung des Hakens selbst sind sehr fein. Wie dieses Organ nun in Verbindung mit den Hoden tritt, ob direct oder durch Einschaltung eines sich später entwickelnden Ductus ejaculatorius, wie und durch welche Oeffnung er das Sperma nach Aussen zu führen im Stande ist, bleibt vor- läufig ein Räthsel. Indessen kann man das Ganze wohl für nichts anderes ansprechen, als das Homologon des Penisstilets von Pr. stagnalis; dazu nöthigt einmal das Fehlen jedes anderen dafür zu setzenden Organs, dann die Lage des Hakens und endlich die auf- fallende Aehnlichkeit, welche derselbe mit dem Penishaken von Macrostomum hystrix nach M. Schultze und eignen Beobachtungen besitzt. Das angezogene Organ von Macrostomum liegt freilich dem Hinterende genähert; allein die Lage der Begattungsorgane ist, wie wir gerade bei Prorhynchüs sehen, in der Gruppe der rhabdocoelen Turbellarien eine ungemein wechselnde; Prorhynchus balticus trägt 90 J. v. KENNEL: Zur Anatomie der Gattung Prorhynchus. nur an der Stelle, wo es für Prorhynchus typisch ist, ein Organ, das die Torm eines unbezweifelten Penisstachels einer andern Rhab- docoele hat, was doppelt für die ihm vindieirte Bedeutung spricht. Vielleicht werden bald die Funde dieser neuen Species häu- figer, so dass eine genauere Schilderung der Verhältnisse des ganz reifen Thieres möglich wird, die hoffentlich ein besseres Licht in die Verwandtschaftsbeziehung dieser interessanten Thiere bringt. Tafelerklärung. Tafel VIII. Fig. 1—9 betreffen Prorhynchus stagnalis, 10—13 Prorhynchus balticus. Buchstaben-Erklärung: m Muskulatur, vs Samenblase, sch Schlund, bh Hoden, ph Pharynx, u Anlage des Uterus (resp. des vor- d Darm, [ deren Theils der weibl. Geschlechts- st Penisstilet, organe), mt Umhüllungsmantel desselben, ov Ovarium, sg Samengang, v Vagina, de Ductus ejaculatorius, dz Dotterbildungszellen. Figuren-Erklärung: Fig. 1. Prorhynchus stagnalis, medianer verticaler Längsschnitt. Vergr. ‚Seibert und Krafft, Obj. II, Oe. 1. Fig. 2. Pharynx, verticaler medianer Längsschnitt, Obj. V, 0e. 1. Fig. 3. Hoden, aus einem Tangentialschnitt, Imm. VII, Oec. 1. Fig. 4. Penisstilet, frisch untersucht, etwas gepresst, Obj. V, Oc. 1. Fig. 5. Dasselbe in situ aus einem horizontalen Längsschnitt, Imm. VII, Oe. 1. Fig. 6. Verticaler Längsschnitt durch das Vorderende, Fig. 7. Horizontaler Längsschnitt durch das Vorderende, | Obj. III, Fig. 8 u. 9. Zwei aufeinanderfolgende Querschnitte durch die Ge- | Oc. 1. hirngegend, Fig. 10. Prorhynchus balticus n. sp. conservirtes Exemplar, 8fache Vergr. Fig. 11. Querschnitt durch die Mitte des Körpers desselben. I UHRET, Fig. 12. Medianer verticaler Längsschnitt durch das Vorderende. /[ Oe. 1. Fig. 13. Penisstachel. Immers. VII, Oc. 1. Ueber drei Sinnesorgane und die Fussdrüse einiger Gastropoden. Von Dr PB SARASEN, Mit Tafel IX, Die drei Sinnesorgane, über welche ich im folgenden ausser der Fussdrüse einiges vorzubringen habe, sind die Tentakeln, die Mundlappen mit dem Semper’schen Organ und das Gang- lton olfactorium (Spengel). Ich beginne mit dem schon am längsten bekannten von den dreien. 1. Die Tentakeln. Was die Landpulmonaten betrifft, so habe ich über ihre Fühler nichts neues zu sagen. In der genauen Arbeit Flemming’s') finden wir dieselben vortrefllich beschrieben. Hervorheben möchte ich hier, als für meinen Zweck wichtig, seine Angabe, dass der Fühlernerv in einem Kolben von Fasersubstanz endigt, der gegen aussen zu von einem dicken Ganglienzellenstratum umkleidet ist. Vom Nerven- kolben laufen zahlreiche Aeste in das Stratum, deren jeder in einem kleinen, rundlichen Ganglienzellenlager endigt. Diese einzelnen Ganglienzellenkölbehen liegen, wie ich beifüge, dicht aneinander und geben auf Schnitten bei nicht sehr starker Vergrösserung das Bild t), Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken. Arch. f. mikr. Anat. t. VI. Semper, Arbeiten, VI, 2 99 P. B. SARASIN: eines zusammenhängenden Ganglions. Zur raschen Orientirung und zum Vergleiche mit dem, was ich weiter unten besprechen werde, gebe ich einen Längsschnitt durch den untern Fühler der Helix personata in Fig. 1. f%k ist der Faserknoten des Fühlernerven, gl das ihn umkleidende Ganglienzellenstratum. Die Zellen dieser Lage gehen ohne Unterbrechung in diejenigen über, welche den Nervenknoten überkleiden (Fig. 1, nz). Gleiche Zellen sind diesem selbst spärlich eingelagert und lassen sich auf Schnitten den ganzen Fühlernerv entlang verfolgen bis zum Cerebralganglion, wo sie wieder eine dicke Rinde beim Eintritt des Fühlernerven bilden. Weiter er- wähnt Flemming grosser, opaker, dicht aneinanderliegender Zellen an der Peripherie des Faserknotens. Diese sind auf Schnitten leicht zu sehen; es sind die auf der Fig. 1 mit 2 bezeichneten. Flemming fand sie ganz rund. Mir zeigten sie sich als eine, den Nervenknoten umkleidende und in das Ganglienzellenstratum allmälig übergehende epithelartige Lage. Doppelt war dieselbe im Winkel der auf Fig. 1 dargestellten Bifurcation der Fasermasse (21). Die Frage, ob auch im Fühler der Basommatophoren ein Ganglion existire, das dem der Stylommatophorenfühler gleichzu- stellen sei, wurde noch von Flemming dahin beantwortet, dass es fehle. Kurz darauf verfolgte H. de Lacaze-Duthiers in seiner aus- gezeichneten Arbeit über das Nervensystem der Gastropoden?) den Tentakelnerven der Basommatophoren genau und gab an, dass bei P-hysa und Planorbis der oben fadenförmige Fühler unten stark sich verbreitere, wodurch eine Art von Platte zu Stande komme. Auf ihrer Unterseite trage diese eine Furche. In dieser Platte fand er eng aneinanderliegende weissliche Pünktchen, welche bei Lim- naeus durch Pigment undeutlich waren. In dieselben verästelt sich ein Theil des Tentakelnerven. Lacaze zweifelt nicht, dass diese Punktanhäufung dem Nervenendkolben des Heliceenfühlers entspreche. Was de Lacaze-Duthiers hier angiebt, kann ich nicht nur be- stätigen, sondern noch um ein Gutes erweitern. Die weissen Punkte in der Basalplatte des Basommatophorenfühlers sind nichts anderes, als ein wohl ausgeprägtes Ganglion. Betrachten wir die Fühler eines Ancylus oder einer Physa mit der Loupe, so sehen wir, dass der äussere Rand des Fühlers ?) Systeme nerveux des Gasterop. pulm.. Arch. de zool. exp. t. 1. Sinnesorgane von Gastropoden. 93 keine ganz gerade Linie bildet, sondern ungefähr die Umrisse zeigt, wie Fig. 2 andeutet. Der äussere Rand bildet in der Mitte des Fühlers eine stufenförmige Abbiegung (a). Zwischen dieser und der Basis des Fühlers ist ein weisses stab- oder kuchenförmiges Gebilde bei guter Beleuchtung erkennbar (b), und dies ist das Tentakel- ganglion der Süsswasserpulmonaten. Schnitte erweisen dies sofort; doch habe ich folgendes vorauszuschicken: Wie bei den höheren Thieren, so sehen wir auch bei den Gastropoden, dass bei jungen Individuen das Nervensystem relativ mächtiger entwickelt ist, als bei erwachsenen, da bei jungen Exemplaren alle musculösen, binde- gewebigen und drüsigen Elemente viel weniger in den Vordergrund treten als bei letzteren. So zeigen denn auch Schnitte durch den Kopf eines nur wenige Millimeter langen Limnaeus das Ganglion mit dem Nerven in voller Klarheit, während bei alten Limnaen dasselbe wegen des vielen Pigmentes und der vielen, die Ganglien- zellenpartieen auseinandertreibenden Muskel- und Bindegewebszüge kaum zur Anschauung zu bringen ist. In Fig. 3 bilde ich einen Schnitt durch ‘das Fühlerganglion eines jnngen Planorbis marginatus ab. fn ist der Fühler- nerv, der, sich verästelnd, in gl das Ganglienzellenstratum_ tritt. Schwarzes Pigment (p) umkleidet den Nerven und tritt auch ins Ganglion ein. Es gelang mir nicht, das Ganglion so klar in der Zeichnung hervorzuheben, wie es in Folge seiner durch Picrocarmin hervorgerufenen intensiv rothen Färbung in Präparaten erscheint. In Fig. 4 ist ein Schnitt durch den unteren Theil des Gang- lions von Physa fontinalis skizzirt. rn stellt die Rinne der Fühlerunterseite dar, auf die schon Lacaze aufmerksam machte. Diese Rinne scheint mir aber nicht constant, sondern von der Will- kür der Schnecke abhängig zu sein; denn sie findet sich nicht auf allen durch Fühler gelegten Querschnittserien. Vergleichen wir nunmehr das Fühlerganglion eines Planorbis mit dem einer Helicee, so vermissen wir bei Planorbis den Faserknoten (Fig. 1, fk), mit seiner Ganglienzellenhülle (nz). Der Nerv tritt bei Planorbis nackt in’s Ganglion; im Uebrigen aber be- steht zwischen den Fühlerganglien der Land- und Süsswasserpul- monaten grosse Uebereinstimmung. Bei beiden verästelt sich der Nerv, bevor er ins Ganglienzellenstratum tritt, und dieses selbst bietet bei beiden ungefähr das gleiche Bild, indem es hier wie dort von Zr 54 / P. B. SARASIN: Muskel- und Bindegewebszügen durchsetzt ist; nur gelang es mir nicht, das Fühlerganglion der Süsswasserpulmonaten in ein- zelne nebeneinander liegende Ganglienzellenkölbcehen aufzulösen, wie dies bei Helix möglich ist; doch scheint mir dieser Umstand für eine Homologisirung unwesentlich zu sein. Bei allen Süsswasserpulmonaten, die ich untersuchte, fand ich das Ganglion im Ganzen in derselben Ausbildung. Bei Limnaeus stagnalis. und Limnaeus pereger findet man es bei jungen Exemplaren von nur wünschenswerther Deutlichkeit. Ebenso bei Planorbis corneus, marginatus, vortex. Bei diesen allen ist, nachdem sie eine beträchtlichere Grösse erreicht haben, der Nachweis des Ganglions wegen des Pigmentes schwieriger, wie ich oben schon hervorhob. Ferner traf ich das Ganglion bei Physa fontinalis, Ancylus fluviatilis und Ancylus lacustris. Der ins Ganglion strahlende Tentakelnerv verläuft nach dem Gehirn, ohne sich mit dem Augennerven zu verbinden, wie dies auch bei Heliceen der Fall ist. Wenn wir nun die Fühler der Basommatophoren mit denen der Stylommatophoren als Ganzes vergleichen, so müssen wir die basale, das Fühlerganglion bergende Platte der Süsswasser- pulmonaten (Fig. 2, b) der Tentakelspitze der Heliceen gleichstellen. Bei den Basommatophoren wäre dann der übrige Tentakeltheil, der nur sehr unerheblich bei Limnaeus, in langer Geisselform aber bei Planorbis auftritt, als ein Anhang zu betrachten, der bei Stylomma- tophoren sein Analogon nicht fände. Dieser Unterschied scheint mir aber einer Gleichstellung der Fühler so wenig hinderlich zu ‚sein, wie die Verschiedenheit im Epithel, welches bei den Stylom- matophoren eine ziemlich starke Cuticula (Fig. 1, ct) trägt, wo es dem Ganglion aufliegt, während es bei den Basommatophoren be- wimpert ist. Der basale Theil des Basommatophorenfühlers zusammen mit dem Auge dürfte sich dem obern Stylommatophorenfühler ver- gleichen lassen. Das untere Fühlerpaar der Stylommatophoren würde dann den Wasserpulmonaten fehlen. Ueber die Entwicklung des Tentakelganglions bei An- eylus bin ich in der Lage, ein kleines beizufügen. Ich hatte durch einen Ancylusembryo eine Serie von Querschnitten gelegt. Durch einen schlimmen Zufall bin ich nicht mehr im Besitz derselben. Den für unsere Frage wichtigen Schnitt aber hatte ich skizzirt und gebe Sinnesorgane von Gastropoden. 95 ihn in Fig. -5 verkleinert wieder. Er zeigte die beiden Fühlergang- lien (gl) den Oerebralganglien (cg) noch enge anliegend und das linke Fühlerganglion (lg!) an einer Stelle (ost) noch mit dem Epithel in Verbindung stehend, während am rechten keine solche Verschmel- zung mehr sichtbar war. Diese Verbindung deutet auf eine Ent- stehung des Ganglions aus der Sinnesplatte. (Vergl. meine Arbeit: Ueber die Entwicklung der Bithynia tentaculata). Bei den Prosobranchiern fand ich nichts vor, was sich mit auch nur einiger Sicherheit auf ein Tentakelganglion hätte be- ziehen lassen. Ich untersuchte Paludina vivipara, Valvata piseinalis, Bithynia tentaculata, Neritina fluviatilis. Auch bei Embryonen der Bithynia sah ich kein Tentakelganglion aus den Sinnesplatten entstehen, wie bei Ancylus. Ein kleines Gang- lienknötchen ist in der Fühlerspitze von Cyclostoma seit Moquin- Tandon und Claparede bekannt. Ich habe den Cyclostomafühler nicht selbst untersucht. Die Kleinheit des beschriebenen Nerven- knötehens macht aber wenig dazu Muth, dasselbe an Bedeutung dem Fühlerganglion der Stylommatophoren gleichzustellen. De Lacaze- Duthiers zeichnet ausser diesem noch ein zweites kleines Knötchen an der Basis des Fühlers von Oyelostoma. °) Der Fühlernerv der von mir untersuchten Prosobranchier ist auf seinem ganzen Verlauf von einer einschichtigen Ganglienzellen- lage umkleidet. 2. Das Semper’sche Organ und das Mundlappenganglion. Semper beschrieb 1857 in seiner Arbeit über Anatomie und Physiologie der Pulmonaten®) ein aus einzelnen Läppchen bestehen- des, um den Mund herumgelegenes nervenreiches Organ von unbe- kannter Bedeutung bei Limax, Helix, Arion, Limnaeus. Von den Läppchen waren eines auf jeder Seite, das hinterste nach der Schil- derung auffallend gross, und diese zwei grössten Läppchen erhielten vom "Gehirn den stärksten Nerven, der in seinem Verlauf bei den Heliceen einen Ast an den untern Fühler abgab. Die grossen Lappen waren auch von aussen zu sehen; sie sassen jederseits vom Munde. 2) Arch. de zool. exp. t. i. Otocyste des Mollusques, pl. III. fig. 8. *) Zeitsch. f. w. Zool. t. VIIL 1857, 96 P. B, SARASIN: Leydig beschrieb 1876 den Bau der Mundlappen von Limax.?) Diese sind nach ihm zwei, den kleinen Fühlern zunächst seitlich von der Mundöffnung stehende Hautzipfel, die beim lebenden Thier in fortwährend tastender Bewegung sind. Er fand in ihnen eine Drüse. Ferner läuft ein starker Nerv auf die Lappen zu, der vom untern Fühlernerven sich abzweigt und mit einem grössern Ganglion endigt, gleichwie der Fühlernerv. Die Nervenfasern des Mundlappen- nerven gehen zuerst in kleinere Kugeln von Ganglienzellen über, die mit grösseren Kugeln durch Fortsätze sich verbinden und deren Zellen fadige Verlängerungen dem Epithel zuschicken. Leydig hält die Mundlappen für ein drittes Fühlerpaar. Simroth untersuchte 1876 das Semper’sche Organ.) Was Semper die grösseren hintern Lappen, Leydig Mundlappen nennt, sind bei Simroth die Lippen. Er fand in ihnen sowohl als im der Mund- höhlenwandung einen grossen Reichthum an Nervenstämmen und Sinneszellen und deutet das Ganze als Geschmacksorgan, zu welchem drei Nerven aus dem Gehirn laufen. Sochaczewer‘) kommt 1881 auf das Semper’sche Organ zu reden. Er erkannte die Läppchen desselben; ihren Bau aber fand er drüsiger und nicht nervöser Natur. Da die vorhandenen Angaben nicht geeignet sind, die Frage klarzustellen, ob denn nunmehr ein besonderes Semper’sches Organ wirklich vorliege und wenn dies der Fall, was es für eine Form habe, so will ich in Fig. 6 und 7 zwei mit der Camera gezeichnete Bilder eines Limaxkopfes vorlegen. Ich schicke voraus, dass in verdünnte Chromsäure geworfene Heliceen und Limacinen öfters die Schnauze in der Weise vorstrecken, wie dies in Fig. 6 von der Seite und in Fig. 7 von unten dargestellt ist. Betrachten wir die Figuren, so haben wir in of die obern Fühler, in «f die untern, beide etwas eingestülpt, in m! die Mund- lappen, in /!p einen Kranz von regelmässig angeordneten Läppchen um die Schnauze herum, in %f die Kiefer. Um die Sache ins Klare zu bringen, so mache ich auf die von Semper gegebenen Abbildungen 5) Die Hautdecke und Schale der Gastropoden. Arch. f. Naturgeschichte. Jahrg. 42. 1. Bd. ©) Die Sinneswerkzeuge der einheimischen Weichthiere. Z. f. w. Z. t. 26, ”) Die Riechorgane der Landpulmonaten, Z, f, w. Z, t, 35, ee Sinnesorgane von Gastropoden. 97 seines Organs aufmerksam. Denken wir uns die in Fig. 6 ausge- stülpte Schnauze eingezogen, so werden bei Eröffnung der Nacken- haut mit der Scheere die Läppehen /p als schwer definirbare runde Buckeln um den Mundeingang herum erscheinen. So ist dies in der Semper’schen Figur. Nahe hinter diesen Buckeln liegt dann der Mundlappen, der in Semper’s Tafelerklärung Papille heisst, im Text grösster Lappen. Da Semper über das Organ selbst nicht recht ins Klare kam, so sind auch die von ihm gegebenen Abbil- dungen nicht instructiv. Von der histologischen Struktur gab Semper nur an, dass das Organ aus drüsenartigen Zellen bestehe und zahl- reiche Nerven enthalte. Von einem Ganglion findet sich nichts erwähnt. Leydig fand, wie schon bemerkt, ein Ganglion in den Mund- lappen. Der Läppchen erwähnt er nicht, wie er denn auch vom Semper’schen Organ überhaupt nicht spricht. Er bildet es aber dennoch .ab in seiner Fig. 35. Zu erwähnen ist weiter, dass nach Leydig die untere freie Fläche der Mundlappen ein Cylinderzellen- epithel überzieht, von dem jede Zelle einen ganz feinen Üutieular- saum trägt. Die Cutieularschicht ist nach Leydig am stärksten am Lippenrand. Sie erscheint dort von feinen Kanälen durchsetzt, aus denen feine Stiftchen mit knopfförmiger Anschwellung ragen. Simroth sagt nichts von einem Ganglion in den Mundlappen (seinen Lippen); wohl aber spricht er von vielen Nerven in denselben - und von einer, dem Epithel der Lappen aufliegenden sehr starken Cuticula, die von Kanälen durchsetzt ist, aus denen feine Spitzen ragen. Ich gehe nun zu meinen Ergebnissen über. Aus einer Serie von Querschnitten durch den Mundlappen einer Helix pomatia bilde ich einen Schnitt in Fig. 8 ab. Der Aussenrand des Lappens ist von emer starken Cutieula (ct) bedeckt; unter dieser liegt ein bohes Epithel (ep), und darauf folgt eine grosse Masse von Nerven- zellen, die zusammen ein Ganglion (gl) bilden. An dieses Ganglion heran tritt, sich vielfach verästelnd, ein starker, zu einem Faserknoten (fk) angeschwollener Nerv. Er ist mit einer Rinde von Ganglien- zellen umkleidet (nz). Von ihm aus gehen mit Ganglienzellen be- kleidete Aeste (we) zum subepithelialen Ganglion. Schnitte durch eine in Wasser ertränkte und gedunsene Helix nemoralis ergaben, dass das Ganglion (gl) aus einzelnen kleineren Ganglienzellenkolben zusammengesetzt und auch sonst von Muskel- und Bindegewebs- zügen vielfach durchsetzt ist. Es springt in die Augen, dass wir 98 P. B. SARASIN: hier eine dem Tentakelganglion identische Bildung vor uns haben; nur ist die Form des Mundlappenganglions eine vom Fühlerganglion verschiedene, und die Cutieula ist bedeutend mächtiger am Mund- lappen. Bei beiden Organen finden sich in die Fasersubstanz des Faser- knotens eingelagert kleine Nervenzellen (Fig. 1 u. 8, 92). Die des Mundlappenknotens zeigen jedoch eine Eigenthümlichkeit. Es finden sich da meist mehrere solcher Zellen zu kleinen Nestern zusammen- geordnet (Fig. 8, 92), und sieht man genauer zu, so zeigt es sich, dass viele dieser Nester, sei es nach einer oder nach zwei Seiten hin, in deutliche Röhren sich öffnen, wie dies in Fig. 9a u. b dargestellt ist. Bei a läuft nach beiden, bei b nur nach einer Seite eine Röhre aus. Das Lumen der Röhren ist erheblich. Was sie zu bedeuten haben, weiss ich nicht zu sagen, da ich mich in keine genauere Untersuchung derselben einliess. Was die äussere Form des subepithelialen Ganglions (Fig. 8, g2) betrifft, so läuft dasselbe, wie Serien lehren, kreisföormig um den sanzen Rand des Mundlappens herum, wie dies in der schematischen Fig. 10, 913 dargestellt ist. Ist die Schnauze der Schnecke vorge- streckt wie in dieser Figur, so biegt das Ganglion an der Stelle p nach aussen und setzt sich nun unter den Läppchenkranz fort, doch hier nicht in der: Form eines wurstförmigen Ganglions, sondern einzelner kleinerer Ganglienknötchen, wie dies in Fig. 11 ein Durch- schnitt durch die vorgestreckte Schnauze einer Helix personata zeigt. (gk sind die Ganglienknötchen, /p die Läppchen). Ich habe deshalb im Schema Fig. 10 seine unterbrochene Fortsetzung nur punktirt. Ist die Schnauze eingezogen, so biegt die Stelle p nach ein- wärts, und das Ganglion beschreibt einen vollständigen Bogen von aussen nach innen. Ein Schnitt durch den vordern Rand des Mund- lappens ergiebt dann das Bild Fig. 12. mo ist die Mundöffnung, gl das Ganglion, ae die einstrahlenden Nervenäste (siehe Fig. 8, ae). Die übereinstimmende Angabe Semper’s und Leydig’s, dass der Mundlappennerv vom untern Tentakelnerven sich abzweige, be- stätigen meine Querschnittserien. Im Schema Fig. 10 ist diese Ab- zweigung bei az dargestellt. Ich denke, dass dieses Schema die Vertheilung der drei gangliösen Apparate des Kopfes eines Stylom- matophoren genügend deutlich mache, Sinnesorgane von Gastropoden. 99 Wie es mir gelungen war, im Fühler der Süsswasserpul- monaten das Ganglion der Stylommatophoren in guter Ausbildung nachzuweisen, so war dies in ganz gleicher Weise mit dem Mund- _ lappenganglion der Fall. Bevor ich darauf eingehe, einige Worte zur Örientirung. Ich nenne auch bei den Limnaeen die Lappen, welche zu beiden Seiten der Mundöffnung stehen, die Mundlappen (Fig. 13, m). Sie bergen wie bei den Stylommatophoren ein Gang- lion. Ein eigentliches Semper’sches Organ, insofern dieses sich vor- züglich auf den Läppchenkranz (Fig. 6 u. 7, Ip) bezieht, konnte ich bei den Basommatophoren nicht finden. Was ferner oben über die Art der Untersuchung des Fühlerganglions bei den Wasserpulmo- naten gesagt wurde, gilt auch hier. Es ist rathsamer, junge Thiere zu schneiden, da sie das in Rede stehende Ganglion klarer auf- weisen, als erwachsene, aus den schon oben hervorgehobenen Gründen. Uebrigens kann gerade das Mundlappenganglion auch bei alten Thieren leicht zur Anschauung gebracht werden. In Fig. 14 bilde ich einen Querschnitt durch den rechten Mund- lappen eines jungen Limnaeus stagnalis ab. Das Ganglion gl ist sehr deutlich; gegen aussen zu ist es von Flimmerepithel be- deckt (ep). Der zuführende Nerv ist, wie auch der des Fühlers der Basommatophoren, nackt und schwillt nicht zu Faserknoten an; aber auch er enthält spärlich eingestreute Nervenzellen. Vergleichen wir diesen Schnitt mit dem in der gleichen Richtung durch den Mund- lappen von Helix pomatia gefallenen (Fig. 8), so zeigt sich grosse Uebereinstimmung. Alles, was ich bei der Vergleichung der Tentakelganglien beider in Rede stehenden Gruppen hervorhob, gilt auch hier. Bei beiden gehen vom Hauptnerven (Fig. 14, fn) Zweige ab nach dem subepithelialen Ganglion gl. Die Cuticula des Epithels fehlt Limnaeus. Der Ganglienzellenbelag des Nervenknotens von Helix (Fig. 8, nz) fehlt dem nackten Nerven von Limnaeus. Was bei Helix gelang, das Ganglion in einzelne Kölbehen aufzulösen, ist mir bei Limnaeus nicht gerathen; aber dass dies noch gelingen könnte, gebe ich gerne zu; denn bei alten Individuen, auch von Limnaeus, ist das Ganglion von Muskelzügen, Pigment u. a. m. vielfach durchsprengt, und dies ist doch wohl die Hauptursache, warum das Ganglion nicht eine compakte Masse bei Helix bildet. Ich halte es übrigens für wahrscheinlich, dass bei den Stylommatophoren die ein- 100 P. B. SARASIN: zelnen Kölbchen durch Nervenfasern und -zellen mit einander in Verbindung stehen. Zeigen schon die Schnitte 8 und 14 grosse Uebereinstimmung, so nicht weniger zwei andere, die wir nunmehr zum Vergleich her- beiziehen wollen. Fig. 15 stellt einen Schnitt durch den vorderen Mundlappenrand von Limnaeus dar. gl ist das wurstförmige Ganglion; bei mo ist die Mundöffnung. Indem ich die Fig. 12, welche einen gleichen Schnitt durch den vorderen Mundlappenrand von Helix pomatia darstellt, mit der Fig. 15 zu vergleichen bitte, so brauche ich wohl nichts hinzuzufügen, um die grosse Ueber- einstimmung einleuchtend zu machen. Wir haben also bei Limnaeus ein Tentakelganglion und ein Mundlappenganglion, wie bei Helix und Limax, und was bei Lim- naeus so klar liegt, das ist ebenso evident bei den übrigen darauf untersuchten Süsswasserpulmonaten, welche schon oben bei Gelegen- heit der Tentakelbesprechung erwähnt wurden. (Planorbis, Physa, Ancylus). In Fig. 13 ist die Anordnung der beiden Ganglienpaare bei Limnaeus schematisch gegeben. Der nach dem Mundlappen ziehende Nerv ist wahrscheinlich der grand labial moyen von de Lacaze-Duthiers.°) Die Prosobranchier, welche ich untersuchte, zeigten an ihrem Mundeingang so wenig, wie in den Fühlern eine Anhäufung von Nervenzellen, die ich hätte Ganglion nennen und dem der Stylom- matophoren gleichstellen dürfen. Wohl laufen einige starke, mit Gaänglienzellen einschichtig umkleidete Nervenäste nach dem schönen, hohen Epithel des Mundeinganges, aber ohne in einem Ganglion zu endigen; ein solches war so wenig an jungen, wie an erwachsenen Thieren sichtbar. Ich glaube behaupten zu dürfen, dass das Ten- takel- und Mundlappenganglion der Pulmonaten den Prosobranchiern, die ich untersuchte, fehlt. Vielleicht liegen diese beiden Ganglien- paare bei den letztern im Gehirne selbst. Die Frage ist einer erneuten und breiter angelegten Untersuchung bedürftig, — ®) Systeme nerveux ete. Arch. zool. exp. t. 1, Sinnesorgane von Gastropoden. 101 3. Das Ganglion olfactorium (Spengel). Mit dem Supraintestinalganglion der Prosobranchier und dem rechten Visceralganglion der rechtsgewundenen Süsswasserpulmo- naten, dem linken der linksgewundenen steht ein Ganglion in Ver- bindung, das am Anfang der Kiemen- resp. Lungenhöhle legt und, wie aus den Untersuchungen von de Lacaze-Duthiers hervorging, ein merkwürdiges Sinnesorgan ist. In seiner, zur Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse der Mollusken höchst werthvollen Arbeit?) wies Spengel das in Rede steheude Ganglion in weitester Verbreitung nach und nannte das- selbe, da es immer am Beginn der Athemhöhle liegt, das ganglion olfactorium. Ich habe über dasselbe nur in Hinsicht auf die Stylommato- phoren ein weniges vorzubringen, da das Organ bei den Prosobran- chiern und Süsswasserpulmonaten, die ich mit Ausnahme der Land- pulmonaten allein daraufhin untersuchte, genau bekannt ist. Spengel behandelt in seiner Arbeit die Landpulmonaten nicht. Ich ging da- her mit Interesse daran, dasselbe auch bei diesen nachzuweisen, da ich nicht anders dachte, als dass ein so weit verbreitetes Organ auch hier sich finden müsse, sah mich aber in meinen Erwartungen ge- täuscht. Ich untersuchte mit Hilfe von Querschnittserien folgende Arten: Helix pomatia, nemoralis, incarnata, personata, Bulimus detritus, decollatus, Hyalina cellaria, Acicula acicula, Succinea am- phibia, Limax cinereoniger. Bei den drei ersten fand ich nichts vor, das auf ein Ganglion hätte gedeutet werden können. Von der Suceinea amphibia untersuchte ich nicht nur ein erwachsenes Exem- plar, sondern zerlegte zwei eben aus dem Ei geschlüpfte Junge in Serien und nirgends fand ich etwas anderes, als einen starken, von der als rechtes Visceralganglion zu deutenden Schlundringpartie aus- gehenden und zum vordern Rand des Athemlochs verlaufenden Nerven, der sich vorn um dasselbe herumbog und in den Drüsen- zellen des Mantels sich verlor. Am klarsten war dieser Nerv bei °) Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 2. f. w. Z. t. 35, 102 P. B. SARASIN: der Suceinea zu verfolgen; aber die kleinen Zellen, welche um die Athemöffnung liegen und in denen er sich auflöst, wage ich um so weniger als Nervenzellen zu deuten, als auch die jungen Exemplare dazu nicht ermuthigen. So fand ich’s ähnlich bei den untersuchten Bulimusarten und Limax. Bei Helix lag in der Gegend der Athem- öffnung an einer Stelle höheres Epithel; doch das war alles. So war denn meine Ueberraschung nicht gering, als ich bei einer einzigen Helicee gleichwohl am Ende des besprochenen Nerven einen characteristisch gebauten Ganglienzellenknoten fand und zwar bei der Helix personata. Bei dieser Schnecke läuft aus der, als rechtes Visceralganglion zu deutenden Schlundrinspartie ein starker Nerv vorn am Geschlechtsapparat durch nach dem Athem- loch, um dessen Vorderrand er sich herumbiegt. Bevor er hier an- langt, verläuft er schon eine Strecke am Boden der Lungenhöhle direkt unter dem Epithel, welches da, wo es ihm aufliegt, höher ist, als das umliegende. Bei seiner vordern Umbiegung schwillt der Nerv in einen kleinen Faserkolben an, der mit sehr schönen grossen Ganglienzellen umkleidet ist. In Fig. 16 ist dieser Kolben mit seinen Zellen abgebildet. gl sind die Ganglienzellen, fk ist der kleine Faserkolben. Da mir es wichtig genug erscheint, bilde ich auch den darauf folgenden Schnitt ab (Fig. 17), welcher zeigt, dass von dem Ganglion aus noch ein Ast weiter verläuft (ra), der dann in den Drüsenzellen sich verliert. In gl ist noch eine grosse Ganglien- zelle. In aoe ist auf beiden Bildern der Beginn der Athemöffnung, welche auf den Schnitten weiter nach hinten zu ganz nach oben in die Lungenhöhle durchbricht. Ba Es ist bekannt, dass das Ganglion des Lacaze’schen Organs der Basommatophoren nicht aus den kleinen Ganglienzellen besteht, wie wir sie bei ihnen und den Stylommatophoren in den Fühler- und Mundlappenganglien finden, sondern aus sehr grossen Zellen, wie wir sie im Gehirn so schön antreffen. Hier bei der Helix per- ' sonata haben wir nun ganz dasselbe. Die Zellen sind gross und sehr deutlich. Wir haben also in diesem kleinen Ganglion ohne Zweifel das Homologon des Geruchsorgans der Basommatophoren, aber in völlig rudimentärer Ausbildung. Der Ganglienzellenbelag der Nerven ist im Verhältniss zum Ganglion der Süsswasserpulmonaten äusserst gering; ja er fehlt ganz allen andern von mir auf dies Organ hin untersuchten Landpulmonaten, sowohl jungen, wie alten. Sinnesorgane von Gastropoden. 103 4. Die Fussdrüse. a. Stylommatophoren. Semper beschreibt'!?) die Drüsenmasse der Fussdrüse als aus Zellen zusammengesetzt, deren jede von emer bindegewebigen Mem- bran umschlossen sei, die sich in eine Röhre öffne. Diese stelle den Ausführgang der Secretionszelle dar. Die einzelnen Ausführgänge vereinigen sich ihm zufolge zu grösseren Kanälen. Leydig*!) bestätigt Semper’s Angaben über die Fussdrüse. Er gibt aber an, dass die Hülle der Drüsenzelle nur scheinbar binde- gewebig sei; an Embryonen überzeugte er sich, dass diese Tunica propria gleich einer Zellmembran sei, als Cuticula vom Zellenleik abgeschieden. Neuerdings schrieb Sochaczewer'?) über die Fussdrüse. Er fand auf Schnitten die Ausführgänge der Secretionszellen nicht. Dies kommt vielleicht daher, dass er nur Arion auf Schnitten untersuchte. Hier sind die Ausführgänge auf Querschnitten, besonders wenn die- selben in dem trügerischen Canadabalsam untersucht werden, nicht so leicht zu sehen; bei Helix aber, und noch mehr, wenn man ein Exemplar in Wasser erstickte, wodurch es gedunsen wird in Folge von Endosmose und sonach alle seine Organe auseinandergetrieben werden, ist es auch an den in Harz untersuchten Querschnitten gar nicht zu vermeiden, die Drüsenausführgänge zu sehen. Dabei möchte ich hervorheben, dass wenigstens bei den Drüsenzellen der Fussdrüsen- decke die einzelnen Ausführgänge sich nicht zu einem grösseren Kanale vereinigen, wie Semper bei Arion schilderte, sondern sich nur dicht aneinander legen. Kurz vor ihrem Durchtritt durchs Epithel treten die einzelnen Gänge wieder auseinander und durch- bohren jeder einzeln das Epithel. Diese Drüsen fallen auf durch körnigen, mit Carmin sich sehr stark färbenden Inhalt (Fig. 18). In Fig. 19, 20 u. 21 sind andere solche einzellige Drüsen aus der Fussdrüse der Helix nemoralis dargestellt, die mit ganz besonderer Klarheit auf Schnitten zu sehen sind. Betreffs des Verhaltens gegen Farbstoffe lassen sich sowohl in der Fussdrüse, als in der Haut sehr verschiedene Drüsenzellen auffinden. sl... 11) ]. c. pag. 96 etc. mie: 104 ? P. B. SARASIN: Ein eigenthümliches Verhalten des hinteren Theils der Fuss- drüse von Helix (nemoralis, personata) fand ich in dem Auftreten von Lamellen, welche von der Decke der Drüse ins Lumen herab- hängen, und die mit einem zierlichen Epithel besetzt sind. Sie ge- währen auf Schnitten ein recht hübsches Bild. In Fig. 22 ist ein solcher Schnitt aus der Fussdrüse von Helix personata, Fig. 23 von Helix nemoralis gezeichnet. Andere Stylommatophoren habe ich darauf hin nicht untersucht. Sochaczewer findet am Boden der Fussdrüse Zellen, die nach ihm Sinneszellen sehr ähnlich sehen. Auf Schnitten sieht man leicht, dass die Zellen des Drüsenbodens verändert aussehen, indem ihre Kerne länglich sind u. a. m., aber dies zeigt sich auch an Stellen der äussern Haut, wo viele und grosse Drüsen ausmünden, so be- sonders deutlich am Mantelrand. Simroth"?) weist Sochaczewer’s Deutung als Sinneszellen zurück. Ich selbst habe die Sache nicht so genau untersucht, dass ich entscheiden könnte. b. Basommatophoren. Bei Limnaeus, Planorbis, Physa und Ancylus ist, wie ich auf I,ängsschnitten erkannte, im vorderen Theil des Fusses ein scharf umgrenztes Drüsenpaket enthalten, das sein Secret in eine Vertiefung ergiesst, welche von oben durch die Schnauze des Thieres, von unten durch den Vorderrand seines Fusses begrenzt ist. Auf Längs- schnitten sieht man die Drüse schon mit der Loupe. Die einzelnen Drüsenzellen scheinen wie bei Helix gebaut zu sein; es lassen sich einzelne Ausführgänge bei genauer Untersuchung unterscheiden. In Fig. 24 ist ein Längsschnitt durch diese Fussdrüse von Planorbis skizzirt (fd). Da die tiefe Grube ag, in welche sie mündet, genau die Lage hat, wie der Ausführgang der Landpulmonatenfussdrüse, so ist kaum zu zweifeln, dass beide einander homologisirt werden müssen. Dafür spricht auch die Versorgung der Drüse jederseits durch einen Nervenast, der seinen Ursprung im Pedalganglion hat oder doch von einem Pedalnerven sich abzweigt. Auf günstigen Präparaten sieht man denselben in der Drüse sich reichlich ver- ästeln (Fig. 24, n). Vielleicht wäre dies ein gutes Objekt zum Studium der Nervenendigungen in Drüsenzellen, wenn dabei die Goldmethode in Anwendung gebracht würde. !*) Sk (0) 14) cf. Leydig 1. c. pag. 97 u. a. Sinnesorgane von Gastropoden. 105 Weitere Drüsenzellenanhäufungen finden wir an der vorderen Fusslippe (Fig. 24, !d), deren Zellen sich dunkelroth färben, und wieder andere der Sohle entlang (sd). Bei allen sind die einzelnen Ausführgänge leicht erkennbar. Simroth sah die Drüsen der Fuss- lippe und der Sohle bei Limnaeus und Planorbis. Sehr deutlich ist die Fussdrüse bei Physa. Sehr grosszellig bei Ancylus lacustris, welche Schnecke überhaupt wegen ihrer enorm grossen Elemente erstaunen macht und dadurch ein besonderes Interesse verdient. Schnitte durch dieses Thierchen, die mit Piecro- carmin gefärbt sind, geben über Erwarten zierliche Bilder, besonders sind die Muskelzellen mit ihren Kernen im Schlundkopf und an andern Stellen von prächtiger Grösse und Klarheit. ec. Prosobranchier. Was die Prosobranchier betrifft, so habe ich hier nichts neues über sie zu bringen. Claparede‘?) fand die seltsam gebaute Fuss- drüse von Uyclostoma, Simroth diejenige der Valvata piscinalis. 16) Ich kann sie bestätigen. Carriere!”) wies ihre weite Verbreitung unter den Meeresprosobranchiern nach, indem er zeigte, dass der früher als Wasserporus gedeutete Ausführgang lediglich die Mündung dieser Drüse ist. d. Opisthobranchier. Unter den Opisthobranchiern habe ich nur Chromodoris Villafranca untersucht. Auch diese Schnecke zeigt ein zwischen Mund und Fussrand ausmündendes Drüsenpaket. Gleiche Drüsen zeigen sich innerhalb des Fusses der ganzen Sohle entlang. Es erscheint somit wahrscheinlich, dass die Fussdrüse fast allen Gastropoden zukömmt, und es ist ferner zu vermuthen, dass sie der Byssusdrüse der Muscheln homolog ist. Damit sind meine Mittheilungen zu Ende. — Ich will nun noch einige Worte über die Funktion der be- sprochenen Organe beifügen. In der Deutung derselben herrscht srosse Unsicherheit, und ich fühle mich keineswegs im Stande, etwas entscheidendes vorzubringen. Die Ansicht Fol’s!®) und Spengel’s,'?) 15) Beitrag zur Anat. d. Cycl. eleg. Müller’s Archiv 1858. 16) Zoologischer Anzeiger. 1881, pag. 527. 17) Zoologischer Anzeiger. 1881, pag. 433. 18).Developpement des Gasterop. pulm. Arch. zool. exp. t. VIII. a oakes . 106 P. B. SARASIN: es sei das Lacaze’sche Organ als Geruchsorgan aufzufassen, ist ge- wiss plausibel genug, wenn dasselbe nur auch bei Landpulmonaten nachzuweisen wäre. Bei diesen aber fehlt es oder ist rudimentär, und doch haben sie ein Geruchsvermögen, wie schon Swammerdam beobachtete. Es liesse sich nun denken, dass der bei den Stylom- matophoren zur Lungenöffnung tretende und dort sich verästelnde Nerv in Nervenzellen endige, die, einzeln stehend, wegen der grossen Drüsenzellen nicht oder nur schwer nachzuweisen wären. Es wäre dann gewissermaassen das ganglion olfactorium auf eine grössere Fläche ausgebreitet. Ich halte es für möglich, dass im Embryo die Entstehung eines Ganglions nachgewiesen werden kann. Wird sich diese Hoffnung als eitel erweisen, so müssen wir bei den Landpul- monaten das Geruchsvermögen in einem anderen Organe suchen, wie Flemming im Fühler oder Leidy u. a. in der Fussdrüse. Das Semper’sche Organ hält Simroth für ein Geschmacksorgan. Da es um den Mund herum liegt, so ist diese Ansicht wohl zu ac- ceptiren; dann hätten wir wenigstens bei den Süsswasserpul- monaten die fünf Sinne beisammen. In der Mundhöhle der Proso- branchier wurde Sinnesepithel von Graf B. Haller?®) gefunden. So lässt sich vielleicht noch bei allen Gastropoden ein Geschmacksappa- rat zur Anschauung bringen. Zum Schlusse möchte ich darauf hinweisen, dass das fast all- gemeine Vorkommen des Ganglion olfactorium, wie schon Spengel hervorhob, und der Fussdrüse eine enge Verwandtschaft sämmtlicher Gastropoden mehr als wahrscheinlich macht und ferner, dass durch den gemeinsamen Besitz nicht nur der Fussdrüse, sondern auch der Tentakel- und Mundlappengänglien die Basommatophoren und Stylom- matophoren sich auf’s engste aneinander schliessen. Endlich lehrt das beschränkte Auftreten der Tentakel- und Mundlappenganglien gegenüber dem allgemeinen Auftreten der Fussdrüse, dass scheinbar untergeordnete Organe, wie die letztere, für allgemeine Verwandt- schaftsbeziehungen oft gleichen oder gar grössern Werth haben können, als Theile des a denen ein Salsa Werth häufig in erster Linie zuerkannt wird. 20) Zoolog. Anzeiger. 1881, pag. 93. Würzburg, im September 1882. Sinnesorgane von Gastropoden. 107 1. Figurenerklärung der Tafel IX. 1. Schnitt durch den untern Fühler einer Helix personata. 2. Skizze eines Fühlers von Ancylus. 3. Schnitt durch das Tentakelganglion von Planorbis marginatus. 4. Dto. von Physa fontinalis, skizzirt. 5. Schnitt durch die Gehirnparthie eines Ancylusembryos, skizzirt. 6. Kopf eines Limax. 7. Dto. von unten. 8. Schnitt durch den Mundlappen von Helix. 9. Ganglienzellengruppen aus dem Faserknoten. 10. Schema: Vertheilung der drei Ganglienpaare.am Kopf von Limax. 11. Schnitt durch die Schnauze von Helix personata. 12. Schnitt durch den Vorderrand des Mundlappens von Helix. 13. Schema: Vertheilung der zwei Ganglienpaare am Kopf von Limnaeus. er » . Schnitt durch den Mundlappen eines Limnaeus. . Schnitt durch den Vorderrand des Mundlappens eines Limnaeus. . Schnitt durch das Ganglion olfactorium_von Helix personata. 17. Dto. 18—21. Drüsenzellen aus der Fussdrüse von Helix. 22. Lamellen der Fussdrüse von Helix personata. 23. Dto. von Helix nemoralis. 24. Schnitt durch die Fussdrüse von Planorbis. -.-- an Qt Semper, Arbeiten. VI. 8 108 P. B. SARASIN: 2. Zeichenerklärung (alphabetisch geordnet) der Tafel IX. a Abbiegung des Fühlerrandes. ae Nervenäste. ag Ausführgang. aoe Athemöffnung. az Spaltungsstelle des unteren Fühler- nerven. cg Cerebralganglion. et Cuticula. ep Epidermis. fd Fussdrüse. fk Faserknoten. fn Fühlernerv. gk Ganglienknötchen. gl Ganglion. gls Mundlappenganglion. 92 Ganglienzellen. kf Kiefer. td Drüsen der vorderen Fusslippe. lgl linkes Tentakelganglion. lp Läppchen des Semper’schen Organs. ml Mundlappen. mo Mundöffnung. n Nerv. nz Nervenzellen. oc Auge. of Oberer Fühler. op Augennery. pP Umbiegungsstelle. r a Nervenast. rn Fühlerrinne. sd Sohlendrüsen. tgl Tentakelganglion. «f Unterer Fühler. vst Verbindungsstelle. 2 Zellen am Ganglion. z zı Dto. FE-UE Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus Hoffmr. und Nais, ein Beitrag zur Kenntnis der Fauna Unterfrankens, Von R. TımM. Den Leser dieser Zeilen wird es vielleicht befremden, dass in einer durchaus nicht umfangreichen Arbeit zwei Gattungen besprochen werden, die innerhalb der Reihe der limicolen Oligochaeten recht entfernt von einander stehen, ja fast die beiden Endpunkte dieser Reihe bilden. Ich gestehe, dass die Arbeit, wie sie hier vorliegt, nicht ganz meinem ursprünglichen Plane entspricht, sondern einerseits von der Gunst, andererseits von der Ungunst des mir zu Gebote stehenden Materials beeinflusst wurde. Das erstere Epitheton beziehe ich auf Phreoryctes, das letztere auf die Naiden. Jeder Zoologe, der einmal Naiden gesammelt hat, weiss, dass diese Tiere mancherlei Schwierigkeiten darbieten, dass sie besonders, was ihre Geschlechtsreife anbelangt, ich möchte fast sagen, unbe- rechenbar sind. Ich kann namentlich in Bezug auf den letzterwähnten Umstand nicht behaupten, dass ich unter denjenigen, die sich mit Naiden be- schäftigt haben, zu den Glücklicheren gehöre. Dagegen erwies sich der unverhofft gefundene Phreoryctes Menkeanus als ein so vorzüg- liches Untersuchungsobject, dass ich trotz der Arbeit von v. Leydig mir nicht versagen konnte, jenen Wurm einer näheren Betrachtung zu unterziehen. 8*+ ’ 110 R. TIMM: Es ergab sich daher gewissermassen von selbst, dass meine Beobachtungen an Phreoryctes mit denen an Nais parallel gingen, und so wird man es mir nicht verargen, wenn ich beide Producte gleichzeitig veröffentliche. | Ich wende mich in meinen Ausführungen, die sich hauptsäch- lich auf anatomisches Detail beziehen, zunächst zu Phreoryctes, teils, weil er seinen winzigen Verwandten, den Naiden, im Systeme voran- geht, teils, weil seine Beschreibung den grösseren Teil dieser Arbeit bilden wird. I. Phreoryetes Menkeanus Hoffmr. Wenn man es unternimmt, nach einer so umfassenden Arbeit, wie die Leydig’sche über Phreoryctes') als Anfänger dasselbe Thema nochmals zu behandeln, so muss man dafür einen Grund angeben können. Ich glaube, denselben hinlänglich darin zu finden, dass v. Leydig, dessen Arbeit aus dem Jahre 1865 datirt, noch nicht mit den Untersuchungsmitteln der Neuzeit, die namentlich durch die jetzt ziemlich verbreitete Anwendung des Mierotoms eine wesent- liche ı Vervollkommnung erfahren haben, arbeitete resp. arbeiten konnte. In der Tat habe ich mich durch Schnittserien von dem Vor- handensein eines eigentümlichen Organs, eines Sinnesorgans bei Phreoryctes überzeugen können, das dem Beobachter bei der Methode des Durchsichtigmachens mit Essigsäure oder der Anfertigung von Handschnitten notwendig entgehen muss. Die Schnittmethode ist in allerneuester Zeit durch ein vor- treffliches Mittel, das Zerfallen der dünnen Schnitte zu verhindern, wesentlich unterstützt worden, nämlich durch das Collodium. Hat man die Schnittfläche eines eingeschmolzenen Präparats mit Collodium bestrichen, so hält die durch letzteres gebildete dünne Haut den zu machenden Schnitt so fest zusammen, dass an ein Zer- stören desselben bei einigermassen schonender Behandlung nicht zu denken ist. Soviel über die hauptsächlich zur Anwendung gebrachte Unter- suchungsmethode. Bevor ich zu den durch sie erzielten Resultaten 1) Fr. Leydig: Ueber Phreoryctes Menkeanus Hoffm. ete. Archiv für mikroskop. Anatomie, 1365, Bd. I, pag. 249. —_ N g) Ko ee el Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 111 übergehe, werde ich einige Worte über das \nealle Tier, um das es sich hier handelt, zu sagen haben. Vorkommen des Phreoryetes. Auf einem Ausflug, den ich ım Juli 1882 in die Rhön machte, fand ich in einem der Brunnen- tröge, die dem Dorfe Haselbach am Fusse des Kreuzbergs angehören, einen langen, intensiv roten Wurm, den ich bald als Phreoryctes Menkeanus erkannte. Am 11. September fand ich den Wurm an genau derselben Stelle, Ende September auch in einem Trog, der von einem andern Brunnenrohr versorgt wurde. Alle diese Brunnentröge haben con- stanten Zu- und Abfluss. Die. dieselben versorgenden Rohre ge- hören jedenfalls, wie dies anderswo der Fall ist, einer gemeinschaft- lichen Leitung an, die von einem Reservoir oder einer Quelle ihren Ursprung nimmt. Eine briefliche Anfrage über die besonderen Ein- richtungen der dortigen Brunnenleitung blieb unbeantwortet, jedoch halte ich es für ziemlich sicher, dass der eigentliche Aufenthaltsort des Wurmes die Ursprungstelle der Leitung ist, und dass das Tier nur gelegentlich durch die Ausflussrohre ans Tageslicht gefördert wird. Dies stimmt erstens mit den Beobachtungen von v. Leydig?) und Leuckart°) überein; zweitens spricht dafür der Umstand, dass ich neben den lebenden regelmässig todte und zwar meist junge Exemplare fand. Dieselben waren höchst wahrscheinlich durch den Aufenthalt an ungewohnter Oertlichkeit zu Grunde gegangen. Der Wurm scheint einigermassen zerbrechlich zu sein; wenigstens war das erste wegen Mangel von Transportmitteln in feuchtem Moos ver- packte Exemplar beim Herausnehmen in mehrere kurze Stücke geteilt. Ein Exemplar von den 12, die mir zur Verfügung standen, besass ein regenerirtes Schwanzende. Der angegebene Fundort für Phreoryctes ist der zweite in Unterfranken, so viel mir bekannt geworden ist; die von v. Leydig untersuchten Exemplare stammen aus der Gegend bei Rothenburg a. d. Tauber. | Den anatomischen Bemerkungen, die ich zu machen habe, liegt naturgemäss die Leydigsche Arbeit, die einzige detaillirte Beschrei- zul. c. 9p.2250:2258. ?) Archiv für Naturgeschichte, 1860, II. pag. 117, 112 R. TIMM: bung, die wir von Phreoryctes Menkeanus besitzen, zu Grunde. Da sie jedem, der sich mit Anneliden beschäftigt, hinreichend bekannt ist, so werde ich nicht bei allen einzelnen Tatsachen gezwungen sein, auf sie hinzuweisen. Wir werden der Gliederung des Annelidenkörpers entsprechend den Hautmuskelschlauch mit seinen Anhängen, den Darmtractus und dazwischen die in der Leibeshöhle liegenden Organe zu betrachten haben. Cutieula. Von dem dicken Hautmuskelschlauch lässt sich die stark irisirende Outicula leicht in grossen Stücken abziehen, wenn das getödtete Tier eine Zeit lang in Wasser oder schwachem Al- kohol gelegen hat. Sie ist nicht nur selbst von beträchtlicher Stärke, sondern auch ihre Elemente sind grösser, als die entsprechenden anderer Oligochaeten. Auf Querschnitten zeigt sie eine deutliche Schichtung, in der Flächenansicht ein System von sich kreuzenden Streifen, das in ziemlich gleichmässiger Verteilung stärker hervor- tretende Kreuze erkennen lässt (Taf. 10, Fig. 1), deren Arme der Richtung der sich kreuzenden Streifen folgen. *) Jenes System sich kreuzender Linien rührt von Fasern her, aus denen die einzelnen Schichten der Cutieula bestehen. Von dieser Thatsache kann man sich allerdings erst bei starker Vergrösserung (Immersion) überzeugen; doch gelingt es ziemlich leicht, durch Zer- reissen der Outicula mit einer Nadel an der Rissstelle einzelne Fasern zu isoliren. Die horizontal liegenden Schichten kann man ebenfalls stellenweise mit Hülfe einer Nadel von einander trennen. Wo diese Trennung nicht vollständig vor sich gegangen ist, sieht man, wie eine Schicht mit einem Teil ihrer nun deutlich von einander ge- trennten Fasern an der andern hängt. Ueber die Richtung dieser Fasern zur Längsaxe des Tieres kann man sich leicht mit Hülfe der grossen Oeffnungen der Borstenfollikel orientiren. In jeden Borstenfollikel schlägt sich die Cuticula bis zu einer gewissen Tiefe hinein, eine deutlich sich markirende Duplicatur bildend. Die Reihen dieser Oeffnungen lassen also die Längsaxe des Körpers leicht erkennen. Mit letzterer bilden die Fasern der Cuti- cula einen Winkel von etwa 45°, der übrigens, da jene durch Streckung verschiebbar sind, wie die Fasern eines Stückes Leinwand, 4) Leydig,l. c, pag. 255 und Taf. XVII, Fig. 10 A. Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 113 nicht constant bleibt. Die oben erwähnten Kreuze sind Lücken zwischen den Cuticularfasern, die von einer ziemlich stark licht- brechenden Masse ausgefüllt werden. In dieser Masse liegen die Ausführungsgänge der später zu erwähnenden Hautdrüsen. Ueber jeden Arm eines Kreuzes gehen die zu ihm senkrecht gerichteten Fasern hinweg. Die Vereinigungsstelle der Arme bildet daher einen ungefähr quadratischen, hellen Fleck, der in seinem Mittelpunkt die feine Oeffnung eines Hautdrüsencanals zeigt (Taf. 10, Fig. 1, map). In einem Aufsatz über die Lumbrieidenhypodermis°) erwähnt v. Mojsisowies, dass die (von F. E. Schulze entdeckten) Fasern der Regenwurmeuticula sich in longitudinale und eirculäre gliedern. An den Regenwürmern, deren Cuticula ich untersucht habe, fand ich immer dieselbe Anordnung der Cuticularfasern wie bei Phreo- ryctes Menkeanus; nur waren die Elemente etwas kleiner als bei letzterem. Ausser den genannten Oeffnungen der Hautdrüsencanäle (Macro- poren) zeigt die Cuticula von Phreoryctes Menkeanus eine ‚grosse Anzahl gleichmässig verteilter oder gruppenförmig angeordneter, oft ziemlich dicht gedrängter „Microporen“ (Taf. 10, Fig. 1, mip), die zuerst von Clapar&de an andern Anneliden bestimmt von jenen „Macroporen“ unterschieden wurden. Im Allgemeinen sind sie viel feiner als die oben beschriebenen Poren, werden auch erst bei den stärksten Vergrösserungen sichtbar; doch variren sie etwas in der Grösse und kommen zuweilen in dieser Beziehung den Macroporen nahe. Auf Querschnitten oder an Faltungsstellen der Cuticula konnte ich keine Spur von ihnen ermitteln, während jene andern sich als deutliche Porencanäle absetzen. Ich habe hier anzufügen, dass gleiche oder ähnliche Beobach- tungen über die Structur der Annelidencuticula bereits vor mir von meinem Collegen und Freunde W. Voigt an andern Anneliden (namentlich Branchiobdella) im hiesigen Institute gemacht wurden. Seine Arbeit, in der dies Thema ausführlicher behandelt werden wird, kann erst später erscheinen. ®) Die Cuticula von Phreoryctes besteht sicherlich nicht aus Chitin: sie löst sich leicht in Kalilauge. Uebrigens ist sie stark quellungs- >) Kleine Beiträge zur Kenntnis der Anneliden. Wiener Sitzungsbericht, Bd. 76, Abt. I, pag. 18, 1877. 6) Vergl. Zool. Anzeiger, 1883, No. 134, pag. 142. 114 R. TIMM: fähig. In Canadabalsam conservirte Querschnitte zeigen eine Outi- cula von 0,004 mm, Glycerinpräparate dagegen eine solche von 0,007 mm Dicke. | Von Cutieularbildungen haben wir noch die Borsten zu be- trachten. Ueber die Form und Stellung der letzteren sagt v. Leydig das Nötige. Sie stehen einzeln, seltener zu zwei, ausnahmsweise kommen auch drei Borsten in einem Bündel vor. Die Rückenborsten sind bedeutend feiner und besitzen viel schwächere Muskulatur als die Bauchborsten. Die von v. Leydig beschriebene dachziegel- artige Sculptur der Borstenspitze scheint durch Spaltungen in der Längsrichtung zu entstehen; sie fehlt bei jungen Borsten. Eine längs- faserige Anordnung der Borstensubstanz sieht man ganz deutlich an jungen Borsten, besonders in deren Wurzelteille. Auch v. Leydig hat Züge von Längsstreifen gesehen, die ihm den Eindruck von Längsspalten machten. ’) Die Borsten entstehen bekanntlich. wie die aller Oligochaeten, in Epidermisfollikeln. An ihrer Bildung beteiligen sich bei Phreo- ryctes Menkeanus mindestens 3 Zellen®) (Taf. 10, Fig. 3), während sie bei Nais das Ausscheidungsproduct einer einzigen Zelle zu sein scheinen. Die junge Borste füllt als breite Platte die von den Bildungs- zellen umschlossene Höhle aus (Fig. 3, eb). Sie nimmt namentlich am Grunde Farbstoffe ziemlich intensiv auf, während erwachsene Borsten stets ungefärbt bleiben. Ihre Spitze ist mit einer kleinen durchsichtigen Haube bedeckt (Fig. 3, 5b), die man bei erwachsenen Borsten nicht mehr findet. Die erwähnte Grundplatte der Borste bildet mit ihrem Vorderrande die bekannte Verdickungsstelle der erwachsenen Borste; nach hinten wächst sie später aus, indem sie an Querdurchmesser verliert. Entwickelte Borsten verjüngen sich nach ihrer Basis zu, wo sie ziemlich spitz endigen (Fig. 2a); Borsten des mittleren Stadiums zeigen noch deutlich einen Rest jener Platte, der sich nach vorne durch grössere Breite von dem übrigen Teil 2) 1. e. pag. 256. ®) Vergl. Perrier: Etudes sur l’organisat. des Lombrie. terr. Arch. de zool. exper. Vol. III, pl. XII, Fig. 10, sowie Nasse: Beiträge zur Anatomie der Tubificiden, Bonn 1882 (Inauguraldiss.), pag. 9, ausserdem Perrier: Rech. pour serv. a V’hist. des lombr. terr, Nouv, Arch. du Mus d’hist. nat, T, VI, 1872, pag. 150, Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 115 der Borste absetzt (Fig. 2, a,b). Beim Kochen mit Kalilauge quellen die Borsten anfangs etwas; später schrumpfen sie oder zerfasern sich. Dagegen blieben Borsten von Nais auch bei langer Einwirkung von kochender concentrirter Kalilauge völlig intaet. Epidermis. In Bezug auf.ihren allgemeinen Bau ist den Leydig’schen Angaben nichts Besonderes hinzuzufügen. Sie bildet ein im allgemeinen cubisches Epithel, dessen Elemente sich am Kopf- ende sowie an bestimmten segmentweise auftretenden Stellen des Körpers bedeutend verlängern, zuweilen fast stäbchenförmig sind. Letzterwähnte Stellen sind die Endflächen eines später zu beschrei- benden segmentweise sich zeigenden Organes. An Tieren, die mit Essigsäure und Glycerin behandelt wurden, sowie an Quer- und Längsschnitten durch gut conservirte Exem- plare fallen die von v. Leydig ausführlich beschriebenen Hautdrüsen- gürtel?) (im allgemeinen zwei an jedem Segment) auf. Diese Gürtel sind sowol in der ventralen als auch in der dorsalen Mittellinie durch eine Schicht gewöhnlicher, eylindrischer oder cubischer Zellen unter- brochen; im übrigen sind die Zwischenräume zwischen den gruppen- weise stehenden Drüsenzellen auf Querschnitten ziemlich regellos ver- teilt. Der Kopflappen zeigt von seiner Spitze an bis etwa in die Gegend des Gehirns nur auf der ventralen Seite diese Körper; weiter nach hinten tritt der erste den ganzen Körper umfassende Drüsen- ring auf. Besondere, an diese Drüsenzellen gehende Nervenendig- ungen habe ich nicht finden können, obgleich namentlich im Kopf- ende einzelne Nervenäste eine ganze Strecke weit zwischen Mus- kulatur und Epidermis zu verfolgen sind. An Exemplaren, die mit Essigsäure und Glycerin behandelt wurden, zeigen die Drüsen, oder eigentlich ihr Inhalt, stets einen zackigen Umriss, während sie sich in Lackpräparaten als einfache rundliche Körper darbieten. Ihr kleiner, Farbstoffe stark aufnehmen- der Kern liegt immer am Grunde der Zelle, deren schleimiger In- halt von Pierocarmin gar nicht, von Haematoxylin stark violett ge- färbt wird. Behandelt man ein gut conservirtes Stück Phreoryctes mit alkoholischer Haematoxylinlösung und darauf mit Alaunlösung, so nimmt bei längerem Erwärmen (in Paraffin) der grösste Teil des Gewebes eine ziemlich unscheinbare braune Farbe an; dagegen die ®) l. ec. pag. 257. 116 R. TIMM: Kerne vieler Zellen, namentlich aber die Contenta der einzelnen Drüsen bleiben intensiv blau bis violett gefärbt. Letztere sind auf diese Weise mit grösster Leichtigkeit an allen Schnitten zu verfolgen. Niemals grenzen je zwei Hautdrüsen mit ihren Wänden un- mittelbar an einander; sondern ‘sie sind immer durch mindestens eine (stäbchenförmige) protoplasmareiche Zelle von einander getrennt. Ihre Ausführungsgänge sind schon bei Betrachtung der Cuticula hervorgehoben worden. Am Schwanzende sind diese Drüsen weit spärlicher vorhanden als am übrigen Körper. Ausserordentlich stark entwickelt sind sie dagegen in der dorsalen Wand der Mundöffnung. Muskulatur. An die Epidermis würde sich als ektodermales Gebilde zunächst das Nervensystem anschliessen; jedoch ziehe ich vor, ihres engen Zusammenhanges mit der Epidermis halber zunächst die Muskulatur zu untersuchen. Die Muskulatur der Leibeswand, des Schlundkopfes und der Dissepimente ist bei Phreoryctes auf- fallend stark entwickelt. Dies gilt hauptsächlich für die Längs- muskulatur, deren Elemente so wie die der Ringmuskulatur merk- würdiger Weise fast sämmtlich, wie die der Hirudineenmuskulatur, aus Muskelröhren bestehen. Aehnliche Muskeln finden sich, so viel ich weiss, unter den Oligochaeten nur bei den Enchytraeiden.‘) Ueber die Anordnung dieses Muskelschlauches ist dem von v. Ley- dig Gesagten nichts Wesentliches hinzuzufügen. Ich kann erwähnen, dass im Kopfende die Ringmuskulatur sich einigermassen verdickt und hier sogar mächtiger wird als die nach vorne sich verschmächtigende Längsschicht. Die Ringmuskellage ist in jedem Segment nur an einer Stelle und zwar in der ventralen Mittellinie unterbrochen. Es ist dies der Ort, wo ein eigentümliches, mit dem Bauchmark in directer Verbindung stehendes Organ in die Epidermis eintritt. Die Längsmuskellage dagegen zeigt ausser den von v. Leydig genannten Unterbrechungen !!) im Vorderende des Körpers noch andere, die den Ansatzstellen teils grosser Schlundretractoren, teils kleiner vom Schlunde radienförmig ausstrahlender Muskeln an die Ringsmuskulatur entsprechen. Ferner werden die beiden ventralen Längszüge rechts und links von der Mittellinie in jedem Segment 10) „Hirudineenmuskeln.“ Ratzel: Histol. Untersuchungen an niederen Tieren. Zeitschr. wiss. Zool. Bd. XIX, pag. 260. 12) ]. c. pag. 262. Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 117 durch einen sie durchsetzenden und an die Ringmuskeln sich an- legenden Nervenast unterbrochen. Mit der Erwähnung der Ring-, Längs- und Radialmuskeln habe ich zugleich die drei Hauptrichtungen angedeutet, in denen die Muskel- elemente hier wie bei allen Oligochaeten verlaufen. Die beiden ersten Kategorien gehören der Leibeswand und dem Verdauungscanal haupt- sächlich an; die Radialmuskeln durchziehen die Leibeshöhle. Doch kommen in der Schlundkopfmuskulatur alle 3 Richtungen vor, und in den Dissepimenten verlaufen die Muskeln teilweise rinsförmig. Der Kopf hat seine besondere, ziemlich complicirte Muskulatur. Dass die Hauptmasse der Muskeln aus röhrigen Elementen besteht, geht aus der Leydig’schen Beschreibung und Zeichnung !?) hervor und ist oben bereits erwähnt worden. Diese Röhrenzellen enthalten eine homogene, sich stark färbende Randsubstanz und eine centrale körnige, farblos bleibende Masse, welche den Kern ein- schliesst. Bandförmig sind dagegen die Borstenmuskeln, die radiär oder in der Richtung von Sehnen verlaufenden Sagittalmuskeln, die Elemente der 4 grossen Retractoren, die sich ans Hinterende des gleichfalls zum Teil aus Bandmuskeln zusammengesetzten Schlund- kopfes ansetzen; ferner die feinen Muskeln im Neurilemm des Bauch- marks und in der Darmwandung, die Muskeln der Dissepimente und ein Teil der unregelmässigen Kopfmuskeln. Auch in der Stammmuskulatur finden sich vereinzelte Elemente, die der Bandform angehören. Zwischen letzterer Form und den Röhrenmuskeln giebt es Uebergänge. Stellenweise findet man in der Längsmuskulatur, namentlich dort, wo diese sich mit den Borsten- muskeln verbindet, Röhrenmuskeln, deren Randschicht an der einen Seite unterbrochen ist, so dass sie auf dem Querschnitt etwa das Bild eines grösseren oder kleineren Kreisabschnittes darbieten. Die Röhren der Ringmuskulatur sind auf dem Querschnitt etwas in die Länge gezogen, während die der Längsschicht, sich mehr der Cylinderform nähernd, etwa einen stumpf drei- oder viereckigen Quer- schnitt zeigen (Fig. 12, Im). Von ersteren gehen sämmtliche radial und schräg verlaufenden Muskeln aus, welche, die Längsmuskulatur durchsetzend, sich an 12) ], c. Taf. XVII, Fig. 15. 8 R. TIMM: das Verdauungsrohr begeben resp. zwei Punkte der Wand der Leibes- höhle geradlinig mit einander verbinden. Von der Längsmuskulatur zweigt sich nur ein Teil der Borsten- muskeln ab. Der grössere Teil letzterer sowie die Muskeln der Dissepimente sind ebenfalls Anhänge der Ringmuskulatur. Die an letztere sich ansetzenden radialen und schrägen Muskeln verlaufen teils im Kopf, wo sie sich vielfach kreuzen, teils verbinden sie sich mit der Muskulatur des Oesophagus resp. des Darmes oder auch derjenigen des grossen hückengefässes. Im Kopf befindet sich ein System schräg verlaufender, sich fast unter rechtem Winkel kreuzender Muskelbündel, aus Röhren- . muskeln bestehend, die die vordere Höhlung des Kopflappens allein ausfüllen, weiter nach hinten und im folgenden Segmente mit Radial- muskeln vergesellschaftet sind, durch deren Lücken sie hindurchtreten. Die Radialmuskelbündel (Bandmuskeln) sind ausserordentlich stark ausgebildet und zahlreich vom Munde an bis zum Anfange des muskulösen Schlundkopfes (Fig. 4, rd). Durch ihre Lücken treten die Pro- und Retractoren des letzteren. In den späteren Segmenten trifft man sie nicht mehr. Indessen giebt es ausser den Muskeln der Dissepimente noch andere Muskeln, welche die Leibes- höhle quer durchsetzen; es sind das gerade verlaufende Muskel- bündel,1?) die, an die Ringmuskulatur sich anschliessend, je einen Bauchborstenfollikel mit dem benachbarten Rückenfollikel verbinden. Da die Muskulatur des Schlundkopfes sich ziemlich eng an die des Leibesschlauches anschliesst, so können wir sie schon hier untersuchen, während die Muskeln der Dissepimente bei Betrach- tung letzterer Berücksichtigung erfahren werden. Der Schlundkopf (Fig. 4, sk) zeigt eine ausserordentlich stark entwickelte Musku-_ latur, die etwa 0,8 mm hinter der Mundöffnung beginnend eben- falls etwa 0,35 mm lang ist und der Hauptsache nach aus röhren- förmigen Elementen besteht. Letztere zeigen sehr schön ausgebildete Kerne und kreuzen sich in den drei auf einander senkrecht stehen- den Richtungen. In ihren Lücken verläuft ein Nervengeflecht, dessen Verbindung mit dem Centralorgan ich nicht verfolgen konnte, dessen 13) Jedenfalls das von Leydig gelegentlich der Borstenmuskulatur, pag. 262, erwähnte und Taf. XVII, Fig. 9 gezeichnete isolirte Muskelbündel. Ein analoges Muskelbündel giebt Perrier bei Dero an: Arch, de zool. exper. T. I, pag. 93. Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 119 Struetur aber durchaus mit der der übrigen fibrillären Nervenmasse des Tieres übereinstimmt (Fig. 5). In seiner Grundsubstanz liegen zerstreute Kerne, die sich durch ihre Grösse vor denen der um- gebenden Muskeln auszeichnen. Die Muskulatur des Schlundkopfes verläuft in 3 Richtungen und zwar besteht sie aus: 1) Radialmuskeln, die die ganze Schlund- kopfwand durchsetzen, 2) Ringmuskeln, welche der inneren, 3) Längs- muskeln, welche der äusseren Partie des Schlundkopfes angehören. Ueber den Längsmuskeln (gegen die Leibeshöhle zu) schliessen sich die Radialmuskeln zusammen (Fig. 5). Das Ganze wird vom Peritoneal- epithel gegen die Leibeshöhle begrenzt. Die Fasern der Längsmuskelschicht treten zwischen den Radial- muskeln in der Mitte und am hinteren Ende des Schlundkopfes heraus und gehen dort direct in dessen 8 grosse Retractoren über, welche sich an die Muskulatur des Leibesschlauches ansetzen. Die Kerne der Radialmuskeln stehen an der Aussenwand des Schlundkopfes (gegen die Leibeshöhle zu) und zwar fast in Reihen hintereinander, so dass man auf Längsschnitten bei schwacher Vergrösserung etwa das Bild eines Epithels erhält. Eingang, Mitte und Ausgang des Schlundkopfes zeigen je einen scharf abgegrenzten, ins Lumen des Schlundkopfes etwas vor- springenden, aus Muskelröhren bestehenden Ring von Quermuskulatur, welche direct dem Schlundepithel aufliegt. Letzteres zeigt auf dem Eingangsring eine eigentümliche Modification, auf die wir später zu- rückzukommen haben. : Als Abzweigungen der Stammmuskulatur haben wir noch die Muskeln der Borstenfollikel zu erwähnen, deren Bau in nichts von dem der analogen Organe anderer Oligochaeten abweicht. Die Mus- keln der Rückenborsten sind im Vergleich mit der ausserordentlich kräftigen Muskulatur der Bauchborsten nur unbedeutend. Nach v. Leydig‘*) lösen sich die Borstenmuskeln von der Längsmuskulatur ab. Ich kann das nur von einem Teil derselben constatiren, während der andere Teil auf Längsschnitten ganz deut- lich die Längsmuskeln durchsetzt und an die Ringlage herantritt. An ihrer Vereinigungsstelle mit der Stammmuskulatur bilden die Borstenmuskeln oft ein zierliches Geflecht, indem die Wände der 14) ] ce. pag. 262. 120 R. TIMM: Stammmuskelröhren sich an einer Seite auflösen und so direct ın jene übergehen. Verdauungsorgane. Mit der Beschreibung des Schlundkopfes habe ich schon den Uebergang von den Geweben des Leibesschlauches zu denen des Nahrungscanales gemacht; ich darf daher die Betrach- tung des letzteren hier einschalten. Der erste Teil desselben, der Mund mit dem Oesophagus, setzt sich vom zweiten, dem eigentlichen Darm (Mitteldarm), scharf ab durch sein Epithel, seine eigentümliche Muskulatur und den Mangel jenes gelbbraunen Zellenbelags, der Chloragogenzellen. Dagegen besteht zwischen dem genannten zweiten Teil und dem Enddarm keine scharfe Grenze; sondern das Darm- epithel verflacht sich im Hinterende des Tieres ganz allmählich, um schliesslich unmerklich in die Epidermis überzugehen. Es sind dies Verhältnisse, wie sie bekanntlich allen Oligochaeten zukommen. Die Hauptmasse des ersten Darmabschnittes, die Schlundkopf- muskulatur, ist schon oben näher beschrieben worden. Wir haben es hier nur noch mit der Form des Schlundes und seiner Epithelial- bildungen zu thun. Der Mund, der in geschlossenem Zustande, wie gewöhnlich, eine ‚Querspalte bildet, besitzt geöffnet eine ziemliche Capaeität und setzt sich in den erweiterten Schlund fort, der sich bis gegen An- fang des muskulösen Schlundkopfes wieder verengt. Letzterer beginnt und schliesst mit einer in sein Lumen vor- springenden ringförmigen Verdickung. Die erste dieser beiden Ver- diekungen ist mit einem Kranz von Epithelialpapillen geziert, die v. Leydig erwähnt und gezeichnet hat!?) und auf die wir später zurückkommen werden. Der eigentliche Schlund besitzt zwei dorsalwärts gerichtete tiefe Einstülpungen (Fig. 6, !r), die als Längsrinnen schon ober- halb der Mundöffnnng, an der Unterseite des Kopflappens beginnen und sich in den Schlund hinein bis zum Beginn des Schlundkopfes fortsetzen. Die breite, von diesen Rinnen eingeschlossene mediane Fläche zeigt etwas oberhalb der Mundöffnung und in derselben dicht stehende, sehr schön ausgebildete Hautdrüsen (Figg. 4 u. 6, hdr). Das Epithel, welches in dieser Region noch aus langen cylin- drischen Zellen besteht, verflacht sich im Schlund bedeutend, bis es 25) Pag. 269, Taf. X VI, Bis. 359g: Eye ne Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 121° im Schlundkopfe, abgesehen von dem erwähnten Papillenring, in ein schön ausgebildetes Plattenepithel übergeht. Die Cutieula desselben ist wenig dünner als die die Aussen- seite des Körpers bedeckende Schicht. Der etwas schief gestellte Papillenring, der den Eingang in den Schlundkopf bezeichnet, ist, wie v. Leydig angiebt, eine Epithelial- bildung. Jede Papille (Fig. 7) besteht aus nur einer Schicht von langen Zellen, deren körnige Substanz sich strahlenförmig vom Grunde aus gegen den von der Cuticula überzogenen Rand der Papille aus- breitet. Die ziemlich grossen ovalen Kerne dieser Zellen liegen dem Cutieularsaum der Papille näher als dem Grunde derselben und bilden einen Bogen, der ungefähr überall gleichen Abstand von jenem Saum hat. Am Grunde der Papille sieht man in einer Lücke der Mus- kulatur gewöhnlich einen runden Kern etwa von der Grösse der ' Papillenkerne. In den beiden Seitenfalten des Oesophagus, der einen ellipti- schen oder spaltenförmigen Querschnitt hat, sind diese Organe schwach entwickelt, jedoch ist die dorsale Reihe von der ventralen durch keine deutliche Lücke getrennt. Die Stellung der Papillen sowie die eigentümliche Form ihrer Zellen dürften zu dem Schlusse berechtigen, dass wir es hier mit einem Tast- oder vielleicht einem Geschmacksorgan zu thun haben. Besondere an dieselben herantretende Nerven habe ich nicht be- obachten können, jedoch ist die ganze Schlundkopfmuskulatur so mit Nerven durchsetzt, dass eine Verbindung letzterer mit jenem Organ trotzdem vorhanden sein könnte. Mit dem Ende des ersten Darmabschnittes hört plötzlich die so kräftig entwickelte Schlundmuskulatur auf, und der eigentliche Darm beginnt mit einer schwachen magenartigen Erweiterung (Fig. 4, mg). Seine Wand setzt sich aus 4 Schichten zusammen: der Epithelschicht, der Gefässschicht, einer dünnen Muskellage und der das Ganze ein- hüllenden Schicht von Chloragogenzellen. Die Epithelschicht besteht, ähnlich der von Lumbricus, aus langen, gegen das Lumen sich keilförmig verbreiternden Cylinder- zellen, die sich gegen das Körperende zu verflachen. Ihre Kerne sind der sie bedeckenden Cuticula genähert. Von dem feinen von v. Leydig beschriebenen Wimperbesatz dieser Zellen, der durch die Cutieula ins Lumen des Darmes tritt, ist bei conservirten Exem- Buflelcd yr Ike 122 R. TIMM plaren nichts mehr zu sehen. Grosse Drüsenzellen finden sich ın der erwähnten magenartigen Erweiterung; hier stehen sie ziemlich dicht. Da sie wahrscheinlich den Zweck haben, ein Verdauungs- secret abzusondern, so kann man jene Erweiterung wol mit Recht als eine Art Magen bezeichnen. Die Gefässschicht, deren reiche Entwickelung v. a die her- vorhebt, steht, wie er annimmt, !°) in directer Verbindung mit dem grossen Rückengefäss und wird im Zusammenhange mit diesem be- trachtet werden. Sie bildet ein Netz von Anastomosen, in deren Einschnürungen die Längs- und über diesen (d. h. sie umschliessend) die Ringmuskelfasern liegen. Beide Muskellagen sind, wie v. Leydig erwähnt, ausserordentlich fein; die Lücken zwischen ihren Elementen sind etwa eben so gross als diese selbst. Am besten erkennt man sie in der Flächenansicht der Darmwand. Die Chloragogenzellen (Fig. 16, ch!) enthalten, wie bei allen Oligochaeten, ausser ihrem auf dünnen Schnitten stets deutlichen Kerne eine Anzahl mehr oder weniger dicht gedrängter, kugelförmiger, gefärbter Concremente, die gegen Essigsäure, Kalilauge und Aether nicht oder kaum reagiren. ‚ Bekanntlich war v.’Leydig der erste, der die den „Leber- zellen‘‘ zugeschriebene Funktion bezweifelte.!) In der That haben die Chloragogenzellen, so weit ich bei Phreoryctes und Nais sehen kann, funktionell überhaupt nichts mit dem Darm zu thun, wenigstens nicht direet. Sie münden nicht in den Darm selbst, sondern in dessen Gefässnetz (Fig. 17), das sichtbar wird, sobald der Belag der braunen Zellen beginnt. Da sie also kein Secret in den Darm er- giessen, können sie auch nicht direct an der Verdauung beteiligt sein. Letztere ist offenbar nur eine Function des Darmepithels. Der Nahrungssaft kann direct endosmotisch in das Darmgefässnetz übergehen, das nur durch dünne Wandungen vom Epithel getrennt ist. Dagegen scheint es mir möglich zu sein, dass die genannten Zellen Stoffe enthalten, die für den Organismus nicht mehr verwend- bar sind und ausgeschieden werden müssen. ° Bei Phreoryctes sowohl als auch bei Nais werden häufig Chlora- gogenzellen losgelöst und in der Leibesflüssigkeit hin- und herge- rchpasr a7, 17) Perrier vergleicht das Darmgefässnetz von Dero und Nais mit Chylus- gefässen Archives de zool. experimentale, T. I, pag. 79. Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 123 schwemmt. Ray Lankester hat zuerst hervorgehoben, dass über- haupt die Zellen der Leibesflüssigkeit, die sogen. Lymphzellen, vom Peritonealepithel, sowol von dem der Leibeswand als auch dem der Darmwand (d. h. von .den Chloragogenzellen) herstammen. In der Tat zeigen viele Lymphzellen jene gelben Concretionen, die von Tauber als Oeltropfen!®) bezeichnet werden. Auch Tauber giebt an, dass sich „Leberzellen* vom Darm loslösen,!?) sowie, dass in der Leibeshöhle frei schwimmende „Oeltropfen* vorkommen. Bei Phreoryctes sieht man in der Leibeshöhle häufig Zellen, die in Form und Inhalt genau mit den Chloragogenzellen übereinstimmen; ausser- dem findet sich oft, wie auch v. Leydig erwähnt,?®) in den Seg- mentalorganen unseres Wurmes ein braunkörniger Inhalt, der sehr an denjenigen der Chloragogenzellen erinnert. Alles zusammenge- rechnet halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass der braun- körnige Inhalt der Chloragogenzellen, nachdem sie sich losgelöst haben, entweder mit ihnen oder (nach ihrer Auflösung) frei durch die Segmentalorgane nach aussen befördert wird. Nach der Schilderung der Leibes- und Darmwand bleibt mir die Untersuchung der Organe der Leibeshöhle übrig. Den engsten Zusammenhang mit dem Darm hat das Blutgefässsystem. Gefässsystem. Dem von v. Leydig geschilderten Verlauf der Hauptstämme und der in der Leibeshöhle sich hin- und her- windenden Gefässschlingen habe ich nichts hinzuzufügen. Auf Schnitten findet man die von ihm trotz der Schwierigkeit des Ma- terials mit bewunderungswürdiger Klarheit beobachtete Tatsache bestätigt, dass jene Gefässschlingen nur dem Bauchgefäss angehören. Auf Serien sieht man niemals seitliche Schlingen vom Rückengefäss austreten, dagegen regelmässig von dem voluminösen Bauchgefäss. Indessen haben wir das erwähnte, zwischen Darmepithel und Mus- kulatur liegende Gefässnetz näher zu betrachten. v. Leydig er- wähnt dasselbe und sagt, dass es währscheinlich vom Rückengefäss komme und in dasselbe zurücktrete.”!) Diese Verbindung mit dem Rückengefässe kann man auf das Evidenteste an Quer- und Längs- 18) Sie sind aber unlöslich in Aether. 19) Undersögelser ov. Naid. kjönsl, Form. Naturhist. Tidsskr. 3, R. 9. B, pag. 11. 207]. ce. pag. 285. ZDrl:ze, Bag. al. Semper, Arbeiten. VI. 9 124 R. TIMM: schnittserien nachweisen; und zwar sind die Anastomosen unpar, so dass bei der stellenweise sehr mächtigen Entwickelung letzterer, sowie des Netzes, das Rückengefäss nur als Anhang desselben erscheint. Die Anastomosen sind in der Längsrichtung des Wurmes von un- gleichem Durchmesser und lassen nur geringe Lücken zwischen sich (Fig. 8, an). Sie entspringen auf der Seite des Rückengefässes, krümmen sich ventralwärts um dasselbe herum (Figg. 16, 17, an) und treten in das Darmgefässnetz ein, das eigentlich nichts weiter ist, als ein von zwei bindegewebigen Membranen begrenzter Sinus, dessen gefässartige Anschwellungen ihm sowohl auf Längs-, als auch auf Querschnitten ein perlschnurartiges Aussehen geben. Einzelne dieser Anschwellungen zeichnen sich durch bedeutendes, oft jenes des Rückengefässes übertreffendes Volumen aus (Fig. 17, hls) und können als Hauptlängsstämme des Netzes betrachtet werden. Auch die Anastomosen des Rückengefässes mit diesem Netze übertreffen oft ersteres an Volumen. Ein solehes Darmgefässnetz scheint für die Oligochaeten typisch zu sein. v. Leydig hat ein solches schon früh bei Chaetogaster ??) nachgewiesen. Vejdovsky°”) beschreibt ein sehr schön ausgebil- detes Darmgefässnetz bei Rhynchelmis limosella; Perrier”) con- statirt ein Darmgefässnetz in Verbindung mit dem Rückengefäss bei Dero und Nais. Bei Nais und Lumbricus konnte ich mich eben- falls von dem Vorhandensein eines solchen Netzes überzeugen. Uebrigens entzieht es sich unter ungünstigen Umständen den Blicken sehr leicht. Gut beobachtet man es nur an solchen Stellen, an denen eine Menge geronnenen Blutes sich zwischen den Mem- branen angehäuft hat. Selbst das grosse Bauchgefäss findet man auf Schnitten oft erst nach längerem Suchen, weil es’ durch Zu- sammenfallen seiner Membranen auf ein Minimum reducirt ist. In Bezug auf die erwähnten Verhältnisse lieferten mit Haema- toxylin gefärbte Präparate das beste Resultat. Die intensiv roth ge- färbte Blutflüssigkeit enthält Zellen, eine Tatsache, die nachgerade bei ziemlich vielen Anneliden nachgewiesen ist. Unter den Oligo- chaeten sind sie von Lumbricus schon seit den 30er Jahren bekannt ?2) Histologie, pag. 344. 23) Zeitschr. für wissensch. Zoologie, 1876, Bd. XXVI, pag. 332. 24) Hist. nat. du Dero obtusa Archives de zool, experiment. T. I, pag. 77. Beobachtungen an Phreorycetes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 125 (Carus, R. Wagner)”), Vejdovsky hat sie bei Criodrilus und Tubifex nachgewiesen. Phreoryctes und Nais kann ich als weitere Beispiele hinzufügen. Die Blutkörperchen von Phreoryctes sind meist vereinzelt, doch kann man sie in den Gefässschlingen und dem Bauch- sefäss oft in grösserer Menge auf Querschnitten beobachten. Die Wände der Gefässe sind mit Ausnahme derjenigen des Rückengefässes sehr dünn. Sie bestehen nach v. Leydig beim Bauchgefäss und dessen Schlingen aus 2 bindegewebigen Membranen, denen zerstreute Kerne anhaften. Die Membran des Darmsinus scheint mir einfach zu sein. Auffallend dieke Wandung besitzt dagegen das Rückengefäss. Diese Wandung (Fig. 17, rgf) besteht aus den von v. Leydig an- gegebenen drei Lagen.”%) Die mittlere derselben, die Muskellage, ist aus schräg gekreuzten, breiten Muskelbändern zusammengesetzt, die sich unter ziemlich spitzem Winkel treffen (Fig. 8, rgf). Das Ganze hat entfernte Aehnlichkeit mit gewissen Spiralgefässen der Pflanzen. Kurz vor jedem Dissepiment wird dies gekreuzte Muskel- system zurückgedrängt durch einen ins Lumen des Gefässes vor- springenden Ring von Quermuskulatur (Fig. 8, mr), der aus 4 bis 5 Fasern besteht, welche deutliche Kerne zeigen. Diese kleinen, vorspringenden Muskelpartieen helfen wahrschein- lich die Richtung des Blutes bestimmen. In den Hodensegmenten und den 5 ihnen folgenden Segmenten ‚befindet sich zwischen dem Rückeugefäss und Hautmuskelschlauch ein stark ausgebildetes, von v. Leydig beschriebenes ?’) Gefäss- knäuel, das mit dem Rückengefäss in Verbindung zu sein scheint. Das einem solchen Knäuel zunächst gelegene Dissepiment zeigt ziem- lich genau in der Längsrichtung vor ersterem eine spitzhutförmige, nach vorne gerichtete Einstülpung mit kurzem Lumen, aber ausser- ordentlich stark entwickelter Muskulatur, die fast die halbe Länge eines Segmentes durchsetzt (Fig. 18, ms%k). In dem Lumen dieser Einstülpung bildet üie das Dissepiment überziehende Schicht von Peritonealzellen eine starke Wucherung, die jenes Lumen fast aus- füllt. Nach v. Leydig liegt das Gefässknäuel innerhalb jener Ein- 5) Archiv für Anat. und Physiol. 1835, pag. 311—313, ln e, paga 278: an) 1.10, paeı 277. 9% 126 R. TIMM: stülpung. Ich habe dasselbe nur ausserhalb des genannten Organs frei im Segment gefunden. Uebrigens sind weder Gefässknäuel, noch Einstülpung, die wohl m irgend einer Beziehung zur Geschlechts- entwickelung des Wurmes stehen, in allen Exemplaren vorhanden. Nervensystem, Das andere in der Längsriehtung des Körpers ausgebildete Organsystem der Leibeshöhle ist das Nervensystem. Es besteht aus einem Gehirn, das, wie v. Leydig hervorhebt, stark an das der Enchytraeiden erinnert und aus einem Bauchmark, das eigentümlicher Weise vom dritten Segment an in jedem Segmente eine Doppelanschwellung zeigt. Beide Teile sind durch die gewöhn- lichen Schlundeommissuren mit einander verbunden (Fig. 9). Die Verteilung der Nervenäste, die vom Gehirn und den Schlundcom- missuren ausgehen, habe ich bei meinen Individuen nicht genau in derselben Weise wiederfinden können, wie sie v. Leydig”®) angiebt. Am Schlundring habe ich jederseits zwei von den Schlundeommis- suren nach aussen ziehende Nervenäste der Leydig’schen Zeichnung hinzuzufügen (Fig. 9, 1,2); von den 4 Nervenpaaren dagegen, die v. Leydig an der Innenseite der Schlundeommissuren zeichnet, habe ich nur zwei wahrnehmen können (Fig. 9, 3,4). Diese zwei inneren Paare entsprechen in der Stellung den beiden äussern; das grössere von ihnen begiebt sich an die dem Mund aufgelagerte starke Quermuskulatur. Von dem Vorderrande des Gehirns begeben sich in die Mus- kulatur und an die Epidermis des Kopflappens jederseits drei Nerven- äste (Fig. 9, 5-10), deren jeder kurz nach seinem Austritt aus der Gehirnmasse sich zu einem Ganglion erweitert. Die Glieder der beiden äussern Paare liegen sehr dicht zusammen, fast übereinander, lassen aber auf horizontalen Längsschnitten, namentlich mit systema- tischer Anwendung der Camera ihre Selbständigkeit erkennen. Die Schlundeommissuren entspringen am Hinterrande des Gehirns; sie erscheinen einfach als divergirende Fortsetzungen der fibrillären Punktsubstanz desselben. Da, wo sie auseinander treten, werden sie noch durch einen Querfaserstrang zusammengehalten (Fig. 10, 9.9). Durch diese Quercommissur, sowie durch den weiter unten zu er- wähnenden Faserverlauf wird eine symmetrische Doppelgliederung des scheinbar ganz soliden Gehirns (Enchytraeusform) angedeutet. Te. Tat. 16, Rızza; Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 127 Nervenäste, die vom Hinterrande des Gehirns ausgingen, habe ich nicht finden können. Das Bauchmark beginnt mit dem grossen, drei- eckigen Unterschlundganglion und zeigt vom zweiten, besser vom dritten Knoten an eine deutliche Doppelanschwellung, 2?) die nicht durch eine Erweiterung der fibrillären Punktsubstanz, sondern durch an den betreffenden Stellen vermehrten Ganglienzellenbelag hervor- gerufen wird (Fig. 13, dm). Der fibrilläre Teil gliedert sich deutlich in zwei Stränge, ein Verhalten, das bekanntlich nach v. Leydig°”) für die Anneliden typisch ist. Die Doppelanschwellungen der Ganglienknoten sind überein- stimmend mit der Leydig’schen Zeichnung?!) im Schwanzende des Wurmes ausserordentlich scharf ausgeprägt. Je zwei Paare derselben fassen hier jederseits einen kleinen, schwach zapfenförmig sich ab- hebenden Zellenbelag zwischen sich, der die Brücke bildet zwischen den beiden, fast folliculären Charakter tragenden, grossen Anschwel- lungen. Es ist hervorzuheben, dass im Schwanze gerade wie in den übrigen Körpersegmenten 2 Anschwellungen zu einem Segment sehören. Trotz ihrer scharfen Trennung müssen diese Ganglien- doppelpaare als Anschwellungen je eines einzigen Ganglions auf- gefasst werden: erstens, weil der Ganglienzellenbelag in dem sie trennenden Zwischenraum nicht aufhört, obgleich er in der das Dis- sepiment durchsetzenden Längscommissur auf eine mediane, ventrale Zellenreihe reducirt ist; zweitens, weil Zahl und Verteilung der Hauptnervenäste in jedem Segment von Phreoryctes den bei andern Oligochaeten mit einfachen Bauchmarksknoten herrschenden Verhält- nissen ®2) entsprechen. Es entsprechen nämlich den beiden Anschwellungen drei Paare von ungefähr gleichwertigen Hauptästen (Fig. 13, ı, 2,5), von denen zwei Paare der hinteren Anschwellung angehören. Diese Anordnung entspricht genau der von Faivre bei Lumbricus gezeichneten. °?) Jeder Ast des hintersten Paares sendet einen ventralen Zweig an 22) Vergl. v. Leydig,l. c. pag. 267. 3°) Ueber das Nervensystem der Anneliden. Arch. für Anat. und Physiol. 1862, pag. 90. SE Ca RTo ge 32) Siebold, vergl. Anat. pag. 192. 53) Etudes sur P’histologie comparde du systeme nerveux. Ann, des sciences nat. T, V, Zool. pag. 337, 1856. 128 R. TIMM: den Rand des ihm benachbarten Dissepimentes. Dieser Zweig, der an seiner Ursprungstelle ein kleines Ganglion bildet, trifft mit dem von der anderen Seite kommenden, ihm spiegelbildlich entsprechen- den fast in der ventralen Mittellinie zusammen (Fig. 13, >). Das eingeschnürte Mittelstück jedes Bauchmarkknotens sendet nach jeder Seite, wie v. Leydig ebenfalls angiebt,°*) zwei feine Nerven, die die Längsmuskulatur durchsetzen und sich zwischen ihr und der Ringmuskulatur ausbreiten. Im Unterschlundganglion findet sich nur ein Paar dieser feinen Zweige und ebenso nur ein einziges (hinter diesen liegendes) Paar von Hauptästen. Letzteres entspricht seiner Gestalt nach dem hintersten Paar der folgenden Segmente. Jenes Paar feiner Zweige zeist kurz nach seinem Austritt aus dem Unterschlundganglion jederseits eine ganglionäre Anschwellung (die: 11, sn). Symmetrisch zu den 4 (resp. 2) feinen Zweigen entspringt in der ventralen Mitte jedes Ganglienknotens ein von v. Leydig nicht gesehener und, soviel ich weiss, überhaupt bis jetzt bei Oligochaeten nicht beschriebener unparer Nervenfaden, der durch den Zusammen- tritt von Fasern entsteht, die sich von den beiden bilateral sym- metrisch gelagerten fibrillären Strängen des Bauchmarks ablösen (Fig. 12, mn). ul Dieser Nerv geht bald nach seinem Austritt aus dem Bauch- mark in ein Organ über, das ich seiner eigentümlichen Beschaffen- heit halber als Sinnesorgan ansprechen möchte. Dieses Organ be- steht seiner Hauptmasse nach aus einer lappigen, in der dorsalen Mitte etwas muldenförmig vertieften Zellmasse, die sich zwischen dem Bauchmark und dem ventralen Muskelfelde ausbreitet (Fig. 12, bo). Ihre inneren Elemente sind den Ganglienzellen des Bauchmarks sehr ähnlich; ihre Randelemente müssen als Fettzellen bezeichnet werden, die mit dem später zu beschreibenden, die Segmentalorgane um- gebenden Fettgewebe stellenweise zusammenhängen. Die Vertiefung bezeichnet die Stelle, an welcher der unpare Nerv in das Organ eintritt, und bewirkt auf Querschnitten ein herzförmiges Aussehen des letzteren. Die Fasern des eintretenden Nerven lassen sich eine Strecke lang zwischen den sie umgebenden Zellen verfolgen, ver- lieren sich dann aber. Die Verbindung dieses Organs, welches ich ®»*) ]. ce. pag. 267, Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 129 als Bauchorgan bezeichnen will, mit der Epidermis wird hergestellt durch eine aus nervösen Fasern bestehende Brücke, welche in der Längsausdehnung des Tieres durch unregelmässige Zwischenräume unterbrochen wird. Die Fasern dieser Brücke durchsetzen Längs- und Ringmuskulatur und divergiren in der letzteren, um sich dann in der Epidermis zwischen und in den Zellen derselben zu verteilen. Die Epidermiszellen sind an dieser Stelle auffallend schmal und be- sitzen längliche Kerne (Fig. 12, ed), während die im allgemeinen kubischen Zellen der übrigen Epidermis (mit Ausnahme der Kopf- epidermis) runde Kerne aufweisen. Ausserdem sind diese modifieirten Zellen vielfach durcheinander geflochten, so dass ihre Kerne, die nicht alle in gleicher Höhe stehen, das Bild eines geschichteten Epithels hervorrufen. In der äusseren Randzone der Epidermiszellen glaube ich eine feine, der Längsaxe dieser Zellen parallele Streifung zu erkennen, wie sie für solche Fälle bekannt ist, in denen Nerven mit ihren letzten Enden in Epithelzellen übergehen. Der Nerv, der das Bauchorgan mit dem Bauchmark verbindet, zeigt hie und da einen einzelnen eingelagerten Kern; mehrere läng- liche, fast spindelförmige Kerne finden sich in dem nervösen, die Muskulatur durchsetzenden Stiel (Fig. 12, stbo). Besonders schön und zahlreich sind diese Kerne in den drei vordersten, den drei ersten Bauchganglienknoten entsprechenden Bauchorganen. Letztere sind hier in Folge des geringen Abstandes jener Ganglienknoten von der Stammmuskulatur bedeutend verkürzt und dementsprechend ver- breitert; sie füllen den Raum zwischen Bauchmark und Epidermis mit einer nervösen, gegen die Epidermis zu verjüngten und in der Längsrichtung unterbrochenen Zellgewebeleiste aus (Fig. 4, bo). Die nervöse Verbindung mit der Epidermis zeichnet sich in Glycerinpräparaten durch deutliche punktirte Streifung aus, wie sie für feine Nervenfibrillen charakteristisch ist. Wären diese Streifen Ausführungsgänge von Drüsen, was ja a priori nicht abzuweisen ist, so müssten ihnen eine Anzahl von Poren in der Outicula entsprechen, von deren Existenz ich aber nichts entdecken konnte. Ausserdem passt die eigentümliche Verzweigung der Fibrillen schlecht zu dem Charakter von Drüsenausführungsgängen. Da wir nun hier ein eigentümlich ausgebildetes Organ (näm- lich jenes lappige Zellgewebe zusammen mit der modifieirten Epi- dermis) deutlich vom Bauchmarke aus innervirt sehen, so stehe ich % 130 R. TIMM: nicht an, dasselbe als Sinnesorgan zu betrachten, ohne freilich eine Vermutung über seine nähere Qualification zu wagen. Dass v. Leydig dieses segmentweise auftretende Bauchorgan nicht gefunden hat, ist kein Wunder, da,die Verbindung dieses Organs mit dem Bauchmark und der Epidermis nur an ganz bestimmten Stellen deutlich hervortritt und daher nur auf Schnittserien zu ver- folgen ist. Hat man sich von dem Dasein desselben überzeugt, so kann man es auch an ganzen Tieren nachweisen, die mit ammonia- - kalischem Carmin gefärbt, mit Essigsäure und Glycerin aufgehellt wurden. Es färbt sich eben so stark als das Bauchmark und be- deckt in der Ventralansicht letzteres wie mit einer roten Wolke (Fig. 13, bo). Mit dem so eben geschilderten Organ können gewisse, von Ratzel°°) als Sinnesorgane beschriebene einzellige Drüsen in der ventralen Mittellinie von Lumbriculus und Stylodrilus vorläufig wenig- stens nur der allgemeinen Lage nach verglichen werden. Weder treten sie segmentweise auf, noch wurde bisher eine Verbindung derselben mit dem Bauchmark nachgewiesen. Ausserdem gehören sie völlig der Hypodermis an. Das Bauchorgan steht nicht in Verbindung mit den Haut- drüsengürteln. Die Hautdrüsen fehlen im Gegenteil gerade da, wo die dem Organ angehörigen Fibrillen in die Epidermis eintreten. Histologisches. Die Elemente des Nervensystems sind bei Phreoryctes namentlich in der Kopfpartie von ziemlicher Grösse. Die Ganglienzellen der drei ersten Bauchknoten besitzen eine ähn- liche Verteilung wie die entsprechenden Elemente des Regenwurms. Die grössten Ganglienkugeln finden sich im Unterschlundganglion und im vorderen ventralen Teile des Gehirns. Die Kugeln des letz- teren Teiles sind zuweilen über doppelt so gross als diejenigen der dorsalen Gehirnwand. f Die fibrilläre Punktsubstanz, die im Bauchmark überall deut- lich in zwei symmetrische Hälften zerfällt, lässt, wie v. Leydig angiebt, im allgemeinen keine deutliche Sonderung in Fasern er- kennen. Indessen giebt es doch viele Stellen, an denen Fasern deutlich hervortreten. Erstens kann man in Verbindung mit den grossen im Gehirn befindlichen Ganglienzellen Fasern wahrnehmen, ?>) Zeitschr. wiss. Zool, Bd, XVII, pag. 569—573, Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 131 die von diesen Zellen ausgehend in die fibriliäre Punktsubstanz übergehen. Zweitens sieht man alle Nervenäste mit faseriger Structur aus dem Oberschlundganglion, den Schlundeommissuren und dem Bauchmark austreten. Im Oberschlundganglion sieht man deutlich die Beziehung der Ganglienzellen zu den vorderen Nerven- ästen. Auf Querschnitten durch das Gehirn sieht man, wie von den an den beiden ventralen Ecken genannten Organes befind- lichen grössten Zellen Fasern in radiärer Verteilung ausgehen. An der dorsalen Seite des Gehirnes sammeln sich diese Fasern in Centren, um als Nervenäste auszutreten (Fig. 9, 5-ı0).. In der Mittelebene des Gehirns treffen sich viele Fasern, eine Art schwacher Grenze bildend. Uebrigens sind die Ganglienzellen nicht auf die dorsale Fläche des Oberschlundganglions und die ventrale des Bauchmarks beschränkt. Zerstreute Ganglienzellen finden sich an den Wurzeln der Schlund- commissur und vieler Nervenäste. Die drei grossen Leydig’schen Nervenröhren der Oligochaeten existiren bei Phreoryctes nicht, wie auch v. Leydig andeutet. Nichts- destoweniger sieht man bei Betrachtung des ganzen Tieres von der Bauchseite aus einen medianen ziemlich scharf conturirten Längs- streifen. Derselbe rührt von einer zwischen beiden Bauchmark- strängen und dem Ganglienzellenbelag befindlichen Lücke her. Die Ganglienzellen des Bauchmarks gehen am Schwanzende in die Epi- dermis über. Das Neurilemm (Fig. 12, n/m) besteht den Angaben v. Leydig’s semäss aus 2 Lagen, welche zwischen sich eine äusserst feine Längs- muskulatur fassen.°%) Vom Neurilemm geht ein das ganze Bauch- mark durchsetzendes Stützgewebe aus, dessen quer verlaufende Fasern man nur auf Längsschnitten beobachtet. Diese Fasern laufen nicht immer parallel, sondern sind häufig unter spitzem Winkel gegen einander geneigt. Die Seitenlinie der Oligochaeten steht nach den Untersuchungen Semper’s°®”) mit dem Nervensystem, nämlich dem Schlundring, in direeter Verbindung. Bei Phreoryctes speciell diese Verbindung nach- Div Beydıo,!. ec, Wat. XV, Kız. 15. 7) Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Tiere. III. Strobilation und Segmentation. Arbeiten aus dem zool,-zootom. Institut zu Würzburg, Bd. III, pag. 304 und Taf, XI, Fig, 3, 132 R. TIMM: zuweisen, ist mir wegen der Unbedeutendheit der Seitenlinie nicht gelungen. In den mittleren und hinteren Leibessegmenten ist letztere nicht nur bei Phreoryctes, sondern auch an anderen halbwegs oder ganz durchsichtigen Oligochaeten leicht darzustellen, indem man die ganzen Tiere färbt und, wenn nötig, in Essigsäure und Glycerin oder in Lack aufhellt. Sie ist dann als scharf markirte rote oder blaue Linie leicht zu verfolgen, wird aber leider in den Kopf- segmenten undeutlich. Sie verläuft in der mittleren seitlichen Lücke der Längsmuskulatur, der Ringmuskulatur dicht anliegend. Bei Phreoryetes ist sie schmal (Fig. 13, sl) und zeigt im Querschnitt nur wenige Zellen, meist eine mittlere längliche und zwei quere seitliche. Im Schwanzende wird sie etwas dieker und scheint schliess- lich in die Epidermis überzugehen. Segmentalorgane. Mit ihnen machen wir den Uebergang zu den Organsystemen, die sich mehr oder weniger in der Quer- richtung des Körpers ausbreiten. Sie sind bei Phreoryctes bekanntlich eingehüllt in eine com- pacte, die mittleren Segmente so ziemlich ausfüllende weissliche Masse von Fettzellen. Wenigstens löst sich der Inhalt der letzteren in Aether. In dieser Masse beschreiben die Schleifencanäle, deren Lumen ziemlich eng ist, mannigfaltige Windungen, so dass man auf Schnitten meist nur kurze Strecken derselben zu Gesicht bekommt. Vor ihrer Mündung verlassen sie das Fettgewebe, um als ziemlich gerade verlaufende Canäle dicht vor den Oeffnungen der ventralen Borstenfollikel auszumünden. An dieser Stelle erweitert sich, wie v. Leydig’s Abbildung zeigt, der Canal etwas zwiebelförmig und besitzt hier ganz schönes Cylinderepithel. Die Wandungen der Win- dungen werden von einer einfachen Zelllage mit ziemlich undeut- lichen Zellgrenzen gebildet. Jede einzelne dieser Zellen, die oft ein gelbliches, körniges Pigment zeigen, umfasst etwa das halbe Lumen des Canals. Auf Querschnitten durch letzteren sieht man nur einen oder zwei Kerne. Dagegen stehen auf dem Querschnitt des Aus- führungsganges mehrere Zellen in radialer Anordnung. An Tieren, die mit ammoniakalischem Carmin gefärbt und mit Essigsäure aufgehellt worden sind, sieht man vor dem die Oeffnung des Borstenfollikels umgebenden Zellkranz (Fig. 15, bf) klar her- vortretend die Mündung des Segmentalorgans (Fig. 15, sg m). Ausser- dem aber findet sich hinter dem Borstenfollikel eine deutlich markirte Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 133 Zellgruppe (Fig. 15, x), die kleiner als die Mündung des Segmental- organs, sonst aber ihr auffallend ähnlich ist. Ich habe jedoch nie einen dieser Mündung angehörigen Ausführungsgang oder das Rudi- ment eines solchen gefunden, dass etwa der Lankester’schen Hypo- these von den 4 typischen Segmentalorganen des Annelidensegments entsprochen hätte. Die beiden einhüllenden Fettgewebemassen begegnen sich in der dorsalen Mittelebene von beiden Seiten und ziehen sich, nach- dem sie die Schleifencanäle verlassen haben, gegen die ventrale Mittellmie hin, wo sie das oben erwähnte Bauchorgan begrenzen. Ihre Zellen sind symmetrisch angeordnet um die Aeste eines jederseits von der dorsalen zur ventralen Mittellinie ziehenden, den Darm und die Gefässstämme zwischen sich fassenden Stützgewebes (Fig. 16, b). Sie sind unregelmässig viereckig, ausserordentlich gross und besitzen einen verhältnissmässig kleinen, mit tingirenden Substanzen sich stark färbenden Kern, der allemal an der äusseren, d. h. an der von dem stützenden Bindegewebe abgewendeten Randfläche liegt. In sehr vielen Fettzellen bemerkt man zwei dicht bei einander lie- gende Kerne, die vielleicht Teilungsvorgänge andeuten (Fig. 16, a,b), übrigens ebenfalls der äusseren Randfläche nahe liegen. Im Vorder- und Hinterende des Tieres fällt das die Segmental- gänge verdunkelnde Fettgewebe fort; nur ist die zellige Wandung dieser Organe hier stärker entwickelt. Es gelingt daher hier, wie v. Leydig hervorhebt, am leichtesten, die in die Leibeshöhle sich öffnenden Segmentaltrichter zu beobachten. Diese pantoffelförmigen Organe (Fig. 14) besitzen einen starken, selbst in Lackpräparaten sichtbaren Wimperbesatz; und zwar trägt jede Randzelle des Trichters eine grosse Wimper (Fig. 14, a). Auf Längsschnitten erhielt ich namentlich im Schwanzende des Wurmes deutliche Bilder dieses Organes, das wie bei allen übrigen Oligochaeten durch das hinter ihm liegende Dissepiment von dem Segmentalgang getrennt wird. Auf dieselbe Methode lassen sich aber die „Pantoffeln* auch in den mittleren mit Fettgewebe angefüllten Leibessegmenten nach- weisen. Geschlechtsorgane. Phreoryctes mit wohl ausgebildeten Ge- schlechtsorganen zu finden, gelang mir leider eben so wenig wie v. Leydig, obgleich ich zu verschiedenen Zeiten den Wurm sammelte (Juli, September), 134 R. TON: Vielleicht wird er erst im Winter geschlechtsreif. Ich vermute das einerseits nach einer Beobachtung von Vejdovsky, der Iohynchelmis limosella am 28. December 1875 unter dem Eise ge- schlechtsreif fand,°®) andererseits, weil ich bei einigen Exemplaren Geschlechtsorgane in offenbar sehr jugendlichem Zustande gefunden habe. Meine. Beobachtungen fügen freilich den Leydig’schen nichts wesentlich neues hinzu. Ich fand 3 Paar Receptacula seminis mit ausserordentlich dicken und muskulösen Wänden im 6., 7., 8. borsten- tragenden Segment. Sie mündeten genau in der Seitenlinie. Die 4 Paar Hoden, welche in meinen Präparaten in der Richtung der Segmentalorgane verlaufende, diesen eng angelagerte und aus kleinen dichten Zellen zusammengesetzte Lappen darstellen, liegen im 9., 10., 11., 12. borstentragenden Segmente. v. Leydig giebt im Text nur 3 Paare ar, zeichnet aber 4. Da sich keine besonders ausgebildeten Samenleiter vorfanden, so muss man mit v. Leydig zunächst annehmen, dass deren Function von Segmentalorganen besorgt wird. Vielleicht erfährt ein Teil derselben zur Zeit der Geschlechtsreife eine besondere Umbildung. “ Dissepimente. Die kräftig entwickelten Dissepimente be- stehen aus je zwei bindegewebigen, von dem allgemein die Längs- muskulatur überziehenden Peritoneum abgelösten Membranen, die mit zerstreuten Kernen besetzt sind. Zwischen diesen beiden Mem- branen breitet sich eine starke, aus bandförmigen Elementen be- stehende Ringmuskulatur aus. Um den Darm und die beiden Ge- fässstämme herum bildet das Dissepiment eine Vertiefung, die auf der dorsalen Seite des Rückengefässes durch einen waulstartigen Rand (Fig. 8, ds) begrenzt ist. In dieser wulstartigen Erhöhung, die sich gegen das Rückengefäss scharf absetzt, ist die Muskulatur bedeutend dicker als gegen den Rand zu. Diese Muskelfasern bilden eine einfache Lage und umgeben etwa in Form einer 8 Darm und Bauchmark so zwar, dass sie sich zwischen Darm und Bauch- gefäss kreuzen, indem sie dabei einerseits Rückengefäss und Darm, andererseits Bauchgefäss und Bauchmark umschliessen und von ein- ander trennen. 3%) Zeitschr, wiss, Zool. 1876, Bd. XXVII, pag. 335. Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 135 Die Perivisceralflüssigkeit nimmt bei Phreoryctes in Folge der starken Ausbildung des Fettkörpers der Segmentalorgane einen verhältnismässig geringen Raum ein. „Chyluskörperchen“ sind, wenn schon vorhanden, doch nur spärlich. Ich erwähnte oben schon, dass sich oft in der Leibeshöhle losgelöste Chloragogenzellen befinden. Jedenfalls ist die Flüssigkeit der Leibeshöhle bei weitem nicht so differenzürt bei Phreoryctes als bei vielen der übrigen Oligochaeten. II. Nais. Die Beobachtungen, die ich über die Naididen habe machen können, sind zerstreut und wenig zahlreich. Mein ursprünglicher Plan war, die Lebenserscheinungen dieser kleinen Wasserbewohner während eines Jahrganges zu studiren. Indessen musste ich bald einsehen, dass zu einem erfolgreichen Arbeiten in dieser Richtung die Erfahrung mindestens mehrerer Jahre notwendig sei. Diese Tatsache ist zum Teil begründet in der ausserordentlichen Mannig- faltıgkeit jener Erscheinungen und der daraus folgenden verhältnis- mässig seltenen Wiederkehr gleicher Vorgänge. Ein Hauptübel- stand ist aber das seltene Vorkommen geschlechtsreifer Individuen, ein Mangel, der von allen, die sich mit Naiden beschäftigt haben, mehr oder weniger empfunden wird. Unter den ausserordentlich vielen Exemplaren von Naiden, die ich überhaupt fing, befanden sich relativ äusserst wenig ge- schlechtsreife. Zu gewissen Zeiten hatte ich an einzelnen Oertlich- keiten allerdings etwas mehr Glück. Doch glaube ich aus diesen, wenn auch spärlichen Beobachtungen schliessen zu dürfen, dass die Zeit der Geschlechtsreife bei den Naididen, wenn auch im allge- meinen ziemlich constant, doch eine grössere Breite der Variation hat, als man gewöhnlich anzunehmen scheint. Die nähere und weitere Umgebung Würzburgs ist trotz der geringen Menge stehenden Wassers, welches die Gegend aufzuweisen hat, ziemlich reich an Naiden. Ich habe ausser 7 bereits bekannten 2 neue Arten der Gattung Nais zu constatiren; Aeolosoma ist nach v. Leydig°®) durch >) Ueber die Annelidengattung Aeolosoma. Archiv f. Anat. und Physiol., 1865, pag. 360—366. f 136 R. TIMM: 2 Arten vertreten; Dero digitata wird von demselben Autor in seiner „Verbreitung der Tiere im Rhöngebirge und Mainthal“ *%) angegeben; die Gattung Chaetogaster ist durch drei Arten vertreten. Viele dieser Tiere lieben stehendes Wasser; indessen bieten auch die mit Algen bewachsenen Steine im Main wenigstens nu- merisch oft eine grosse Ausbeute; im allgemeinen sind es 3 oder 4 Arten, die dort in dem Algengewirr ihr Wesen treiben. In stehen- den, wenn auch noch so unbedeutenden Gewässern, zeigen sich die Naiden oft in grosser Zahl und Mannisfaltigkeit. Selbst ganz nahe bei der Stadt und in derselben kommen sie vor. So fing ich in dem jetzt leider durch die Cultur verdrängten Tümpel des Uni- versitätshofes eine ziemliche Anzahl von Nais barbata, serpen- tina und proboscidea, obgleich genannter Tümpel von Zeit zu Zeit gereinigt wurde. Die beste Ausbeute lieferten mir die auch von v. Leydig erwähnten Sümpfe in der Gegend von Gr. Langheim bei Kitzingen. Dieselben gehören einem sandigen Terrain an, das an seinen tiefsten Stellen etwas Moorgrund zeigt, in dem sich während der feuchten Jahreszeit eine einigermassen nennenswerte Menge Wassers ansammelt. Von dort stammen die zwei neuen Arten, deren ich Erwähnung tat, und es ist unter günstigen Um- ständen möglich, dort fast alle überhaupt bei Würzburg sich zeisenden Arten bei einander zu finden. Ehe wir zur specielleren Betrachtung letzterer übergehen, dürfte eine kurze Skizze der ziemlich ausgedehnten Naidenlitteratur am Platze sein. Selbstredend kann es sich hier nicht darum handeln, auch nur den grösseren Teil der Arbeiten, die über Naididen publi- eirt worden sind, einer Besprechung zu unterziehen; ich möchte nur diejenigen hervorheben, die gewissermassen die Marksteine in der fortschreitenden Erkenntnis dieser Wurmfamilie bilden. Die Untersuchungen, die entweder speciell über Naiden oder über diese im Zusammenhang mit andern Anneliden vorliegen, lassen zwei Richtungen erkennen, in denen gearbeitet wurde. Die einen beschäftigten sich hauptsächlich mit den anatomischen Verhältnissen dieser Tiere, um durch sie ein Mittel zur systematischen Einteilung #0) Verhandl. des naturh. Vereins der preuss. Rheinl. XXXVIH. Jahrg., 4. Folge, VIII. Bd., pag. 108, ER Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 137 letzterer zu gewinnen; andere richteten ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf die hervorstechendste physiologische Eigenschaft der Naiden: ihre eigentümliche Art der ungeschlechtlichen Vermehrung. Die erste umfassende Arbeit über Naiden, die bekannte O0. F. Müller’sche,*!) vereinigt beide Richtungen; unter den fol- ‚senden herrschen zunächst diejenigen vor, die sich die anatomische Untersuchung dieser Würmer zur Hauptaufgabe machen. Der Müller’schen Arbeit folgt ein ziemlich langer Zeitraum, in dem wenig Wertvolles in Bezug auf unsere Wasserschlänglein geleistet wurde. Abgesehen von den Arbeiten Gruithuisens über Nais probos- cidea, diaphana und diastropha*?) leidet eine Reihe der auf Naididen bezüglichen Beobachtungen bis in die 50er Jahre hinein an dem Mangel einer genügenden Definition dieser Familie.*?) Würmer, die zu den Tubificiden gehören und die man schon ziemlich früh (La- marck) von der Gattung Nais getrennt hatte, wurden später wieder mit Nais verwechselt und man wandte verkehrter Weise die aus - der Beobachtung jener gewonnenen Resultate auf diese an. In den vierziger und fünfziger Jahren förderte eine Reihe von Arbeiten ersten Ranges die Kenntnis der Oligochaeten und auch speciell die der Naiden um ein Bedeutendes. Die Namen Grube und d’Udekem sind hier in erster Linie zu nennen. Namentlich der letztere beschäftigte sich speciell mit den Geschlechtsverhältnissen von Nais und Chaetogaster,‘*) sowie mit der Systematik dieser Gat- tungen, während der erstere von Oltgochaeten hauptsächlich Würmer aus der Familie der Tubificiden*?) untersuchte und die Naiden meist nur gelegentlich tangirte. In seinen „Familien der Anneliden“ (Ber- lin 1851) gab er zuerst eine vollständige mit Diagnosen versehene #1) Von Würmern des süssen und salzigen Wassers. Kopenhagen 1771. #2) 1. Anatomie der gezüngelten Naide und über Entstehung ihrer Fort- pflanzungsorgane. Nov. act. Acad. Caes. Leop. nat. curios. XI. A, 1823, pag. 233— 248. — 2. Ueber die Nais diaphana und N. diastropha mit dem Nerven- und Blutsystem derselben. Ebenda XIV. A. 1828, pag. 407—420. #) Vergl. hierüber die Bemerkungen von Tauber: Om Naidernes Bygning ete. Naturhistorisk Tidsskr. 3. R. 8. Bd. 1873, pag. 403 und 404, ##) 1. Developpement du Lombrie terrestre, pag. 50—57. Me&m, couronn, de l’Acad. de Belg. T. XXVII, 1855—56. — 2. Notice sur les organes genitaux des Aecolosoma et des Chaetogaster. Bulletins de l’Acad. de Belg. 30me annde, 2ue serie. T. XII, 1861. #5) Ueber Lumbrieul. variegat. ete, Arch. f. Naturg, 1844, I, pag. 198—217, 138 R. TIMM: Uebersicht der damals bekannten Anneliden, während 9 Jahre vor ihm Örsted eine Charakteristik der dänischen Naiden geliefert hatte.*%) Eine Einteilung der Oligochaeten (Annelides setigeres abranches), die hauptsächlich auf Grösse der Eier und Anzahl der- selben in je einem Cocon beruhte, sowie Gattungs- und Artdiagnosen dieser Familie gab später d’Udekem,*’) dessen Auffassung vom Oligochaetenorganismus nicht bedeutend von der jetzt herrschenden abweicht. Bis in die fünfziger Jahre betrachtete man die von Williams so benannten Segmentalorgane als Respirationsvorrichtungen. Gegen- baur“°) wies 1853 zuerst an Lumbricus und Tubifex (Saenuris) ihre wahre Natur nach. Später wurde von Williams in einer aller- dings etwas tumultuarischen Arbeit die Homologie dieser Organe mit den Samenleitern und den Receptacula seminis behauptet und zum Teil wahrscheinlich gemacht.*?) Die 1861 erschienenen „Recherches anatomiques sur les Ol- gochetes* von Claparede°°) begründeten unser modernes, durch die Stellung der Genitalöffnungen mit Zuhülfenahme der Borstenform charakterisirtes System der limicolen Oligochaeten. Ungefähr in die- selbe Zeit (teils etwas früher, teils etwas später) fallen die Arbeiten von v. Leydig. Dieser Forscher gewann so ziemlich allen Organ- systemen der Oligochaeten wichtige Entdeckungen ab, förderte aber namentlich die Kenntnis und Auffassung des Nervensystems der Anneliden in bahnbrechender Weise. °!) #6) Oonspectus generum specierumque Naidum etc. Naturh. Tidsskr. 1842. 1. R. 4. Bd. pag. 128. #7) Nouvelle classific. des Ann. sötig g. abr. 1. Bulletins de l’Acad. de Belgique. 1855. T. XXI, 1° partie, pag. 324, 2° partie, pag. 533. — 2. Mem. de l’Acad. des Sciences de Belgique. 1859, T. XXXI. #8) Ueber die sogenannten Respirationsorgane des Feen Zeitschr. wiss. Zool. Bd. IV, pag. 221—233. 49) Researches on the Structure and Homology of the Reprod, Org. of the Annelids. Philosoph. Transact. 1858, 148, pag. 93. 5°) Mem. de la Soc. de Phys. et d’Hist. nat. &:.Gen£eve. 51) 1. Lehrbuch der Histologie, 1857. — 2. Ueber das Nervensystem der Anneliden (Nachweis der typischen bilateral-symmetrischen Duplieität desselben). Archiv für Anat. und Physiol. 1862, pag. 90. — 3. Vom Bau des tier. Körpers nebst Tafeln zur vergl. Anatomie, 1864. — 4. Ueber die Annelidengattung Aeolo- soma. Arch. für Anat. und Physiol. 1865, pag. 360. — 5. Ueber Phreoryetes Menkeanus. Arch. für mikr, Anat, 1865, pag. 249. Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 139 In neuester Zeit hat ausser Ray Lankester °*) und Perrier,,?) welche beide durch eine Reihe wertvoller Beobachtungen die Kennt- nis der Olögochaeten erweitert haben, sich Tauber durch seine beiden Arbeiten: „Om Naidernes Bygning og Kjönsforhold Jagt- tagelser og Bemärkninger“ und „Undersögelser over Naidernes kjöns- löse Formering“ ®) ein grosses Verdienst erworben. Er hat unter gründlicher Berücksichtigung der Litteratur namentlich die Geschlechts- verhältnisse von Nais und Chaetogaster so ausführlich dargestellt, dass seine Untersuchungen als grundlegend für spätere Beobachtungen gelten können. Ich werde daher in den Bemerkungen, die ich über Nais zu machen habe, an die Arbeiten von Tauber anknüpfen dürfen. In der neuesten Arbeit von Tauber (Annulata danica, Kjöbenhavn, 1879) findet sich ein möglichst vollständiges Verzeich- nis der gesammten Annelidenlitteratur. Neben der sich mehr auf dem Gebiete der Systematik be- wegenden Litteratur, die ich soeben zu skizziren versucht habe, exi- stirt eine kleinere, die sich in erster Linie mit Teilungs- und Knos- pungserscheinungen der Naiden beschäftigt. Die Müller’sche Arbeit, in der die Teilungsvorgänge von Nais proboscidea schon bis zu einem gewissen Grade richtig geschildert werden, wurde oben ge- nannt. Die Arbeiten von M. S. Schulze’) und von Leuckart°®) führten zur Klarstellung dieser Vorgänge, die dadurch charakterisirt sind, dass jedes neue Zooid von Nais proboscidea zu seiner Bildung ein Segment des Muttertieres verbraucht. °”) 52) Unter andern: 1. A Contribution to the Knowledge of Lower Annelids, 1867. Transact. of the Linn. Soc. Vol. 26, 1870, pag. 631. — 2. On the existence of distinet Larval and Sexual Forms in the Gemmiparous Oligochaetous Worms. Ann. Mag, Nat Hist. 1869, Ser. 4, Vol. IV, pag. 102—104. — 3. On the Sexual Form of Chaetogaster limnaei. Quarterly Journ. Mier. Science, 1869, pag. 272. — 4. On Pachydermon and Annelidan Spermatophores. Ebenda 1870, pag. 143. 53) Unter andern: 1. Hist. natur, du Dero obtusa. Archives de Zool. ex- perim. T. T, pag. 65. — 2. Recherches pour servir & l’hist. des Lombriciens terresires. Nouv. Archives du Mus. d’hist. natur. de Paris. T. VIII, 1872. 5%) Naturhistorisk Tidsskrift. 3. R. 8. Bd. pag. 379 und 9. Bd. pag. 1. 55) Ueber die Fortpflanzung durch Teilung bei Nais proboscidea. Arch. f. Naturg. 1849, pag. 293 und 1852, pag. 3. 5°) Ueber die ungeschlechtliche Vermehrung bei Nais proboseidea. Arch. f. Naturg. 1851, pag. 134 und Artikel Zeugung in Wagners Handwörterbuch der Physiologie. 4. Bd. 1853. 57) Vergl. auch Semper: Beiträge zur Biol. d. Oligoch. Arbeiten des zool.- zoot, Instituts Würzburg, Bd.IV, pag. 74—76 (Knospungsfolge bei Nais proboscidea). Semper, Arbeiten. VI. 10 140 R. TIMM: Claus°®) und Tauber?) stellten fest formulirte Gesetze für die Knospung von Chaetogaster und Nais auf, während die Arbeit Minors‘°®) und die dieses Thema wol vorläufig abschliessenden Untersuchungen Semper’s°®!) zeigen, dass jene Gesetzmässigkeit gestört wird durch das ganz unberechenbare Ineinandergreifen von Strobilation und Segmentation. : Die in allerneuester Zeit erschienenen Arbeiten Vejdovsky’s (Monographie der Enchytraeiden und Prager Brunnenorganismen) lassen hoffen, dass eine namentlich auch in der Gruppe der Nai- diden empfindliche Lücke, der Mangel eimer dem heutigen Stand- punkt der Wissenschaft entsprechenden Charakteristik der Arten und Gattungen der limicolen Oligochaeten, in nächster Zeit wird aus- gefüllt werden. Nach diesem Exeurs über die Naidenlitteratur kehre ich zu meiner eigentlichen Aufgabe zurück. Die inneren anatomischen Verhältnisse der Naiden bieten, wenigstens was ungeschlechtliche Individuen anbetrifft, nur, unbe- deutende Verschiedenheiten bei den verschiedenen Arten. Cutieulargebilde. Die dünne, überall ungefähr gleich starke Cuticula zeist, wie Tauber angiebt, keine deutliche regelmässige Structur. Bei sehr starker Vergrösserung (Oelimmersion) glaubte ich eine äusserst feine Punktirung wahrzunehmen, konnte aber ihr Vorhandensein nicht mit Sicherheit feststellen. Die Outicula ist in- dessen nicht überall glatt über den ganzen Körper ausgespannt, sondern zeigt ausser den von Tauber angegebenen Querstreifen und Runzeln bei einigen Arten erhabene Partieen, die von Papillen der darunterliegenden Matrix herrühren. Uebrigens löste sie sich bei den von mir darauf hin untersuchten Exemplaren (N. elinguis) in Kalilauge. Dies scheint oft bei der Annelidencuticula vorzukommen. Mau) findet dasselbe Factum bei Scoloplus armiger. ' 59) Ueber die ungeschlechtliche Fortpflanzung von Chaetogaster limnaei. Naturwiss. Zeitschr. der physie.-medie. Gesellschaft in Würzburg, 1860, I. 5) Undersögelser over Naidernes kjönslöse Formering. Naturhistorisk Tidsskrift, 3. R., 9. Bd., pag. 1—100, 1874. 60) On natural and artifieial Section in some Chaetopodous Annelids. Annals and Magaz. of Natur. History, 1863, XI, pag. 323—331. 61) 1. Strobilation und Segmentation. Arbeiten aus dem zool. zoot. Inst. Würzburg. Bd. IL — 2. Beiträge zur Biologie der Oligochaetem. Ebenda Bd. IV, pag. 65. 62) Zeitschr, für wissensch, Zoologie, 1881, pag. 389, Beobachtungen an Phreorycetes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 141 Grösseres Interesse als die Cuticula bieten die Borsten wegen ihrer Mannigfaltigkeit in der Form. Bekanntlich sind im allgemeinen die Rückenborsten haarförmig, die Bauchborsten hakenförmig und zweispitzig. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass auch im Rücken serade und hakenförmige zweispitzige Borsten vorkommen. Letzteres ist unter hiesigen Formen nur der Fall bei Nais uncinata Örst., der die Haarborsten im Rücken fehlen. Die gerade oder doch nur sehr schwach gekrümmte Form zweispitziger Borsten findet sich vermischt mit den Haarborsten im Rücken von Nais elinguis und, wie ich nach meinen Beobachtungen annehmen zu müssen glaube, auch bei Nais barbata. Ueberhaupt ist es mir nicht möglich ge- wesen, beide Arten, deren Extreme allerdings leidlich charakteristich sind, scharf von einander zu trennen. Die Gründe hierfür finden sich weiter unten. Die erwähnten Hakenborsten sind von Tauber genau gezeichnet worden.) Bald hinter ihrer allerdings oft nur mit stärkster Vergrösserung wahrnehmbaren Gabelung besitzen sie eine kleine Anschwellung. Ueberhaupt erinnern sie auffallend an die freilich bedeutend grösseren und überdies mit Schwimmhäuten‘®) versehenen dorsalen Gabelborsten der vorderen Segmente von Tubifex. Bei typischen Exemplaren von N. elinguis Müll., sind sie am stärksten ausgebildet, doch konnte ich sie zu jeder Jahreszeit mit genügender Vergrösserung auch an den meisten Individuen, die ich für Nais barbata hielt, vereinzelt oder in allen dorsalen Borsten- bündeln nachweisen. Ziemlich übereinstimmend und eigentlich nur durch die Längen- verhältnisse unterschieden sind die Haarborsten. Zuweilen (N. appen- diculata d’Udek., longiseta Ehr.) ragt ein Borstenbündel durch auf- fallend lange Haarborsten über den übrigen hervor. Nur Nais serpentina Müll. hat auffallend kurze dieke, nieht auf den ersten Blick sichtbare Rückenborsten. OÖ. F. Müller beschreibt daher die geschlängelte Naide als ohne Rückenborsten. Eine auffallende, bisher bei Oligochaeten nicht bekannte Rücken- borstenform zeigt eine neue, weiter unten zu beschreibende Art, die 63) Undersögelser etc. Taf. I, Fig. 10r. 64) Diese Häutchen sind schon bei 300 facher Vergrösserung sichtbar. Vergl. Lankester: Outline of some Observations on the Organisat. of Olig. Annel. Ann. Mag. nat. Hist. 1871, Vol. VII und Nasse: Beiträge zur Anatomie der Tubificiden, Taf. I, Fig. 4. Bonn 1882 (Dissertation). 10* 149 | R. TIMM: wegen ihrer langen säbelförmigen, mit zahlreichen einseitswendig gestellten Widerhaken bewaffneten Rückenborsten (Fig. 24, B) Nais hamata heissen mag. Die Bauchborsten erscheinen zwar auf den ersten Blick recht gleichförmig, zeigen aber doch mannigfaltige, wenn auch wenig auf- fallende Variationen. Sie alle endigen aussen mit zwei krummen Haken und besitzen vom Grunde aus gerechnet etwa am Ende ihres zweiten Drittels eine schwielige Verdickung. Diese Verdickung, die vielfach, namentlich bei den feineren Formen, auf dem Quer- schnitt einen gleichförmigen Umkreis besitzt, löst sich im andern Fällen (N. serpentina, elinguis) in 4 quadratisch gestellte Höcker auf. Diesen Niveaudifferenzen der Schwiele können ähnliche Er- hebungen resp. Vertiefungen der Borste entsprechen. So besitzen die groben Hakenborsten von Nais serpentina häufig zwei tiefe Längsrinnen, die allerdings auch fehlen können. Die Haken der sröberen Borsten (N. serpentina, elinguis-barbata) sind oft ungleich an Länge und Dicke, auch nicht so stark gebogen als die gleich- langen der feineren Borsten. Zwischenformen zwischen feinen und groben Borsten sind genug vorhanden. An einigen Exemplaren von Nais elinguis (mit deutlichen Gabelborsten in den Rücken- - bündeln) konnte ich drei verschiedene Formen der Bauchborsten unterscheiden: 1. die feinen langen, an der Spitze stark gekrümmten Borsten der Kopfsegmente, mit gleichlangen Haken; 2. an den Rumpfsegmenten eine Reihe von mittelgrossen derberen Borsten mit ziemlich gleichlangen Haken; 3. ebenfalls an den NRumpfsegmenten eine Anzahl von starken, fast harpunenförmigen Borsten mit ungleich aus- gebildeten Haken (der lange fast en der kurze stark nach unten gekrümmt). Die Zahl der Borsten schwankt wegen des häufigen Wechsels, hält sich jedoch bei den verschiedenen Arten meist in emigermassen bestimmbaren Grenzen. Die Fussborsten stehen bei den meisten Arten durchschnittlich zu 3 oder 4. In den Rückenfaseikeln finden sich gewöhnlich 2 bis 3 lange vergesellschaftet mit einer oder einigen kurzen, bei Nais elinguis-barbata teilweise gegabelten Borsten. Die Rückenbündel von Nais serpentina zeigen meist nur eine kurze Borste, die obendrein oft ausfällt; dagegen zeigt Nais hamata in Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 143 ihrem Rücken grosse Büschel von 5—7 langen Säbelborsten, unter- mischt mit 2—4 kürzeren (Fig. 24, B). Etwas weniger borstig als letztere Art, doch aber durchschnittlich mit ziemlich zahlreichen Borsten im Rücken versehen ist N. longiseta. Bekanntlich deckt sich die Anzahl der Rückenfascikel nicht mit derjenigen der Bauchfascikel, ausgenommen bei Nais longiseta. Bei den meisten andern Arten beträgt die Differenz 4. Bei N. ser- pentina beträgt sie nach Semper®°) 5, nach Tauber‘) 4. Ich habe bei dieser Art immer die 5 vordersten, borstentragenden Seg- mente ohne Rückenborsten gefunden, wage aber nicht zu entscheiden, ob dies das für unsere Gegend typische Verhalten ist, oder ob es erst durch das Ausfallen der Borste hervorgerufen wurde. Bei Nais appendiculata geht aus der d’Udekem’schen Be- schreibung nicht hervor, ob den ersten 4 oder 5 Segmenten die Borsten fehlen sollen. Es heisst zuerst, sie fehlen in den 5 ersten Segmenten, nachher, sie beginnen im fünften. Bei Nais hamata beträgt die Differenz 3. Eine eigentümliche Bildung sind die bei Nais und Chaetogaster von Ray Lankester‘”) und Tauber‘®) beschriebenen Genital- borsten. Bei N. elinguis, wo sie mir allein zur Beobachtung ge- kommen sind, besitzen sie ziemlich genau dieselbe Form, wie die von Tauber für Nais proboscidea gegebene Abbildung, nur ist die Anschwellung bei N. elinguis etwas plötzlicher. Sie stehen meist zu 4, seltener zu 5 rechts und links von der die beiden Samenleiter- öffnungen aufnehmenden ventralen Höhle. Stets sind die äusseren Glieder eines Bündels etwas kürzer als die inneren, so dass das ganze Bündel dadurch ein handförmiges Aussehen erhält. Ray Lankester‘) und Tauber’) nehmen an, dass die Genitalborsten die Bildung eines neuen Segments, des sogen. Genital- segments, andeuten. Jedoch muss ich gestehen, dass ich mich an- 65) Beiträge zur Biologie der Oligochaeten. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut zu Würzburg, IV. Bd., pag. 97. 66) Annulata Danica, pag. 75. 67) On the existence of distinet Larval and Sexual Forms in the Gemmi- parous Oligoeh. Worms. Ann. Mag. Nat. Hist. Series 4, Vol. IV, 1869, pag. 102. 6) Om Naidernes Bygning og kjönsforh. etc. Taf. XIV, Fig. 5. 6) On the existence of distinet Larval and Sexual Forms etc., pag. 103, ”%) Om Naidernes Bygning etc., pag. 407, 144 R. TIMM: gesichts der Gründe, die Semper gegen diese Auffassung anführt, nicht von der Richtigkeit letzterer überzeugen kann. Einerseits kann man bei der Variabilität der Segmentzahl geschlechtsreifer Individuen (ich fand bei N. elinguis 30—39, bei Chaetogaster Mülleri &’Udek. 7—11 Segmente) aus dieser Zahl keinen Schluss auf die Bildung eines neuen Segments ziehen, andererseits findet man, wie dies auch von Semper hervorgehoben wird, nicht sehr selten Rudimente von Bauchborsten an der ihnen zukommenden Stelle in dem „Genitalsegment.“ Auch die Rückenborsten des letzteren zeigen durchaus keine Verschiedenheit von denen der üb- rigen Segmente. Je eine Borste wird (übereinstimmend mit Perriers”!) An- gabe), wie es scheint, von einer Zelle des von der Epidermis nach innen gestülpten Follikels gebildet, während wir bei Phreoryctes sahen, dass sich mindestens drei Zellen an der Borstenbildung beteiligen. Matrix der Cuticula. Die ziemlich cubischen, am Kopfrande lang ceylindrischen Zellen der Epidermis zeigen beim Zerzupfen viel- fach ähnliche Auswüchse und Stielbildungen, wie sie v. Leydig für die Epidermis von Phreoryctes Menkeanus '?) abgebildet hat. Sie greifen mit diesen Zapfen zwischen die Lücken der Ringmuskulatur, und wo diese spärlich ist, auch die der Längsmuskulatur. An vielen Stellen des Körpers, besonders am Kopf- und Schwanz- ende senden sie Tastborsten durch die Cuticula nach aussen, ) die zuweilen eine bedeutende Länge erreichen. So fand ich bei einem Exemplar von Chaetogaster diaphanus segmentweise auftretende, seit- liche Tastborsten, die zum Teil so lang waren als der Diekendurch- messer des Körpers. Die Epidermiszellen modifieiren sich in zweierlei Weise: 1. als Hautdrüsen, die gleichmässig über den ganzen Körper verteilt sind, 2. als localisirte, in Beziehung zur Geschlechtsfunktion stehende Drüsen: Clitellum. Die bekanntlich von v. Leydig zuerst bei den Anneliden nachgewiesenen und näher charakterisirten Hautdrüsen machen bei Nais denselben Eindruck,‘ wie bei andern Oligochaeten ?1) Recherches pour serv. a l’hist. des Lombr. terr. Nouv. Arch. du Mus. d’hist, nat. de Paris, 1872, T. VIII, pag. 150. 2) Arch. f. mieroscop. Anatomie, 1865, Bd. I, Taf. XVII, Fig. 10C. ?) Vergl. Tauber: Undersögelser etc. Taf, II, Figg. 13, 15. Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 145 auch; doch lieferte mir Haematoxylinfärbung nicht so günstige Resul- tate wie bei Phreoryctes Menkeanus. Ausführungsgänge zu finden, gelang mir eben so wenig wie Tauber.) Die Clitellumdrüsen sind lange stäbchenförmige Zellen, an denen ich die von Tauber für Chaetogaster und N. proboscidea gezeichnete sternförmige Structur ”®) nicht wahrnehmen konnte. Dagegen zeigt sich auf Querschnitten durch das Clitellum in den einzelnen Drüsenzellen eine netzartige Zeichnung, in deren Maschen der homogene, mit Picrocarmin sich meist stark färbende Zellinhalt liegt. Ich sage meist; denn zwischen den sich stark färbenden und am lebenden Tiere an der Oberfläche stark gekörnelten Zellen finden sich besonders am Vorder- und Hinterrande des Clitellums bald zerstreute, bald gruppenweise auftretende Drüsen- zellen, die am lebenden Tiere homogen aussehen und mit Picro- carmin fast ungefärbt bleiben. Muskulatur. Unter der Epidermis liegt die gewöhnliche Ring- und Längsmuskulatur. Beide Schichten bieten im Vergleich mit den analogen Teilen anderer Oligochaeten nichts Bemerkens- wertes. Die Ringmuskulatur ist oft sehr schwer zu beobachten, vielleicht bei den kleinen Arten zuweilen gar nicht vorhanden.”®) Die Längsmuskulatur besteht, wie bei der Mehrzahl der Limicolen, aus bandförmigen Muskelfasern, die mit ihren Kanten gegen die Centralaxe des Körpers gerichtet sind. Sie wird durch die Borsten- bündel, die Seitenlinien und die ventrale Mittellinie in 7 Züge ge- teilt, jedoch sind die durch die Borstenfollikel hervorgerufenen Lücken in den Längszwischenräumen zwischen ersteren nicht vorhanden oder undeutlich. Am schärfsten markirt sich die ventrale Mittellinie. Sie wird durch 2 stärkere, auf dem Querschnitt V-förmig divergirende Muskelplatten bezeichnet. Die die ventralen und dorsalen Borsten- follikel verbindenden Quermuskeln finden sich hier m derselben Weise wie bei Phreoryctes und Tubifex.") 74) Undersögelser ete., pag. 7 (Hudkjertler). 75), Om Naidernes Bygning ete., Taf. XIII, Figg. 2, 10, Taf. XIV, Fig. 21, 22. 76) Vergl. die Muskulatur von COtenodrilus pardalis Clap. — Kennel: Ueber Ctenodr. pard. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg, Bd. V, pag. 382. 7) Vergl. Nasse:; Beiträge zur Anat. der Tubificiden. Bonn 1882. Taf. I, Fig. 4qm, Blike 146 R. TIMM: In der Pharynxgegend sieht man namentlich bei Chaetogaster ausgezeichnete einzelne, lange, an beiden Enden etwas zerfaserte Muskelzellen mit deutlichem Kern im Innern. Aehnliche, nur breitere und mehr sternförmige Muskelzellen finden sich in den Dissepimenten.”®) Die die Längsmuskulatur nach innen bedeckende Schicht ist die die sanze Leibeshöhle begrenzende Lage von Peritonealzellen. Auf Querschnitten sieht man gewöhnlich auf der Innenkante jeder Längs- muskelfaser eine Peritonealzelle aufsitzen. Die Seitenlinie ist bei den Naiden verhältnismässig breiter als bei Phreoryetes. Leicht und deutlich erkennt man sie in den mitt- leren und hinteren Körpersegmenten auf die bei Phreoryctes ange- sebene Weise. Ihre Verbindung mit dem vorderen Teil der Schlund- commissur, die von Semper nachgewiesen wurde,’®) kann man auf Querschnittserien durch den Kopf verfolgen. | Nervensystem. Das Bauchmark ist nicht so deutlich seg- mentirt als bei den übrigen Oligochaeten, eine 'Thatsache, die ihren Grund in dem reichlichen Zellenbelag der Ventralseite desselben hat. Letzterer bedeckt nicht nur die den Bauchknoten entsprechenden Stellen des Bauchmarks, sondern auch häufig die ganze Unterseite der Längscommissuren. Auch die Schlundceommissuren besitzen oft eine ziemlich starke Anhäufung von Ganglienzellen und zwar an der Aussenseite, während ich sie auf Querschnitten durch den Kopf von Limnodrilus an der Innenseite fand. Am Körperende geht das Bauchmark, wenigstens bei allen geschlechtslosen Tieren, wie Sem- per°®®) erwähnt, ohne Grenze in die Epidermis über. Der Leydig’- schen Theorie gemäss ist seine Substanz zwar im allgemeinen in zwei Stränge gesondert, doch sieht man in manchen Fällen, nament- lich in dem ziemlich starken Nervenstrang von Nais hamata keine Spur einer Doppelgliederung. Das Oberschlundganglion besteht aus zwei meist ziemlich scharf getrennten Hälften, deren ganglionärer Zellenbelag sich direct in die Zellbekleidung eines dem Oesophagus angehörigen Blindsackes fortsetzt (Vagus). Nais hamata zeigt ein etwas compacteres, mehr der Enchytraeenform genähertes Gehirn. ) Vergl. Tauber: Undersögelser ete., pag.8 u. Taf. II, Fig. 2, Taf. III, Fig. 7—10. ”) Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Tiere, III. Strobilation und Segmentation. Arbeiten aus d. zool.-zoot. Institut zu Würzburg, pag. 304, Bd. III, °0) Ebenda pag. 165. Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 147 Gefässsystem. Die Blutgefässe sind sowohl am lebenden als auch an dem in Lack conservirten Tiere ziemlich schwer zu ver- folgen. Auf Schnitten sie zu untersuchen, ist nur in sehr günstigen Fällen möglich, weil ihre Querschnitte durch das unregelmässige Gerinnen des Blutes eine zu grosse Schrumpfung erleiden. Leicht erkennt man das Rücken- und Bauchgefäss, sowie die in den vor- deren 4 Segmenten stark pulsirenden Anastomosen beider; schwierig sind die (von Tauber°!) beschriebenen) nicht pulsirenden Anasto- mosen der mittleren und hinteren Segmente zu beobachten. Am besten sieht man sie noch an Lackpräparaten. Das Rückengefäss erscheint auch hier, wie bei Phreoryctes, nur als Anhang der Darmgefässschicht. Bei Chaetogaster ist ein solches Darmgefässnetz schon längst von v. Leydig°?) nachge- wiesen worden; bei Dero und Nais wurde es von Perrier°?) ge- sehen. Auch für Tubifex zeichnet Nasse®) eine Gefässschicht des Darmes. Das Darmnetz von Phreoryctes und Rhynchelmis limosella wurde oben bereits hervorgehoben. Immer trennt es die Chlora- gogenzellen vom Darm und steht immer in directer Verbindung mit dem Rückengefäss. Das Blut gerinnt bald in körnigem (farblos), bald in homo- senem (bräunlich) Zustande bei verschiedenen Individuen derselben Art. Freie Zellen (Blutkörperchen) kann man in demselben auf Querschnitten nachweisen. Sie sind allerdings spärlich. Verdauungsapparat. Der Darm beginnt mit einem ziemlich weiten, durch radiale Muskelzellen ringsum gehaltenen Oesophagus. Derselbe besitzt einen dorsalen birnförmigen, mit seinem blinden Ende nach vorn gerichteten Blindsack. Auf seiner Oberfläche be- finden sich gegen den Mitteldarm zu an Masse zunehmende zellige, von Tauber mit Speicheldrüsen verglichene Elemente. Letztere unterscheiden sich von den Chloragogenzellen des Mitteldarmes erstens durch den Mangel der gelben Concremente, zweitens dadurch, dass sie direecte Anhänge des Oesophagus zu sein scheinen. 81) Undersögelser over Naidernes kjönslöse Formering. Naturhistorisk Tidsskrift, 3. R. 9. Bd., pag. 19. 82) Histologie, pag. 344. 83) Hist. nat. du Dero obtusa. Arch. de zool, exper. Bd. I. 84) Beiträge zur Anatomie der Tubificiden. Bonn 1882, Taf. I, Fig. 4dv. 148 R. TIMM: Die Schichtenfolge des Darmtractus ist die gewöhnliche; innen Wimperepithel, darauf die Gefässschicht (ausgenommen am Oeso- phagus), ihr aufgelagert die Muskelschicht, schliesslich das die ganze Leibeshöhle und deren Organe auskleidende, am Mitteldarm zu Chlora- gogenzellen, am Oesophagus zu „Speicheldrüsen“* modifieirte Peri- tonealepithel. Die Chloragogenzellen lösen sich oft ab und flottiren in der Leibeshöhle mit den übrigen zelligen Elementen derselben. Dass sie mit dem verdauenden Darmepithel nichts zu thun haben, wurde bei Phreoryctes hervorgehoben. Die gelben, in ihnen ent- haltenen Kügelchen machen den Eindruck von festen Körpern. Sie zeigen bei starker Vergrösserung einen schwarzen Mittelpunkt, der nicht auf Reflection des Lichtes, sondern auf physikalischen Unter- schieden zwischen Randmasse und Kern zu beruhen scheint. Ihre Resistenz gegen chemische Reagentien hebt auch Nasse°?) hervor, namentlich werden sie von Kalilauge, die auf sie hauptsächlich eine entfärbende Wirkung äussert, nur langsam angegriffen. Im Epithel des Darms zeigten sich in Exemplaren von Nais elinguis, die ich in grosser Menge und zwar zum Teil geschlechts- reif bei Kissingen sammelte, eigentümliche, grosse, rundliche . Zellen von durchschnittlich ca. 0,02 mm Längs- und 0,016 mm Breitendurchmesser (Fig. 21, e). Sie besassen einen blassen, mit Picrocarmin sich schwach färbenden Kern, in dem meist zerstreute Kernkörperchen eingeschlossen waren. Bei geschlechtsreifen Tieren fanden sie sich in den Hodensegmenten, bei ungeschlechtlichen in den jenen entsprechenden Ringen, jedoch in geringerer Anzahl. Leibesflüssigkeit. Unter den sogen. Lymphkörperchen, die in der Leibeshöhle flottiren und die nach Ray Lankester Ab- kömmlinge des Peritoneums sind, unterscheidet man zwei Formen. In überwiegender Mehrzahl sind die runden körnigen Zellen (plas- matiske Legemer, Tauber) vorhanden, die oft in geringerer oder grösserer Anzahl die gelben für die Chloragogenzellen charakteris- tischen Concremente einschliessen. Sie ballen sich häufig zu grösseren Körpern zusammen; namentlich bei Nais longiseta habe ich grosse Anhäufungen körniger Masse gefunden, die teils die Darmwandung bedeckten, teils als grosse Kugeln in der Leibeshöhle flottirten (Fig. 23, Ik). 35) 1. c. pag. 16. Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 149 Neben jenen findet man in geringer Anzahl elliptische, durch- aus klare Körper (plasmatiske Celler, Tauber), die sehr an ähn- liche, bei den: Znchytraeiden®®) in grösserer Menge vorkommende Gebilde erinnern. Die Kerne der runden Chyluskörperchen färben sich sehr intensiv. Die Segmentalorgane scheinen in einzelnen Segmenten zu fehlen oder doch nur einzeln vorhanden zu sein. Das gleiche hat Nasse an Tubifex beobachtet. Die Geschlechtsorgane habe ich nur an Nais elingwis unter- sucht, der einzigen Art, deren Geschlechtstiere ich in nennenswerter Anzahl erbeutete. Ich nenne sie elinguis, weil ihre Charaktere, namentlich die Form der Rückenborsten mit der von Tauber ge- sebenen Diagnose °®‘) stimmen. Auch ihr Vorkommen in brakischem Wasser (Abflussgraben der Kissinger Soole) passt zu der Tauber’schen Angabe.°®) Indessen fand ich meine geschlechtsreifen Individuen im September und zwar in fast eben so grosser Anzahl, als die nur in Knospung hefindlichen. Um dieselbe Zeit und etwas später fand ich in der Grosslangheimer Gegend (Kitzingen) in süssem Wasser einzelne geschlechtsreife Individuen einer Nass, die nur halb so gross war als die von Kissingen und in den Rückenbündeln undeutlich entwickelte Gabelborsten zeigte. Wenn überhaupt Nais barbata hier bei Würzburg vorkommt, so muss ich die letzterwähnten Exemplare dazu rechnen. Ausserdem aber fand ich im Juni desselben Jahres geschlechtsreife Naiden mit ziem- lich gut entwickelten Gabelborsten im Rücken. Die Exemplare waren ebenfalls höchstens halb so gross, als die von Kissingen. In Bezug auf die Zeit der Geschlechtsreife nun stimmen eigent- lich nur die zuletzt genannten Individuen mit dem, was Tauber angiebt. Ueberhaupt sind sie die einzigen, die voll und ganz der Tauber’schen Diagnose von Nais elinguis entsprechen. Dagegen besitzen die in Kissingen gesammelten Exemplare so gut ent- wickelte Gabelborsten, dass diese Tiere eben so wenig auf die Diagnose von Nais barbata passen. Eine neue Art aber aus ihnen zu machen, scheint mir desshalb ungerechtfertigt, weil man an ihnen 8) Vejdovsky: Monographie der Einchytraeiden, pag. 17. 87) Annulata Danica, I, pag. 73. #8) Undersögelser ete., pag. 2. 150 R. TIMM: keine andern greifbaren Unterschiede als die von jener verschiedene Zeit der Geschlechtsreife nachweisen kann. Ihre bedeutendere Grösse sagt nichts, denn man findet eben so grosse Ketten mit undeutlich entwickelten Gabelborsten (N. barbata) zusammen mit kleinen Ketten und mit allen Uebergängen zwischen beiden.??) Höchstens könnte man als bezeichnenden Charakter die oben erwähnten eigentümlichen Zellen im Darm nennen, jedoch möchte ich nicht so minutiöse Eigenschaften als Artkennzeichen benutzen. Auch bezweifle ich, dass diese Zellen zu jeder Zeit vorhanden sind. Die von d’Udekem ®°) angegebene Magenerweiterung von Nais elinguis findet man allerdings oft gut ausgeprägt; jedoch zeigen sich, wie schon Semper°!) angiebt, alle Zwischenstufen zwischen er- weitertem und nicht erweitertem Darm. Die Längenunterschiede in den Borsten der vorderen und mitt- leren Segmente, nach Örsted®%) eigentlich das einzige Unterschei- dungsmerkmal zwischen Nais barbata und elinguis, sind eben so wenig stichhaltig. Abgesehen davon, dass sie meist wenig in die Augen fallen, findet man auch Individuen, bei denen die Längen- verhältnisse der vorderen Bauchborsten dieselben (übrigens variabeln) sind, ‘wie die der mittleren. Nachstehend ein Beispiel. 1. Exemplare von Grosslangheim (Kitzingen), geschlechtslos. Nummer des Borstenbündels Länge einer ausgewachsenen Borste Expl. a Expl. b Expl. a Expl. b ICE 1 0,067 mm 0,077 mm 2 a 0,060 „ 0,076 „ 3 5 0,067 , OOLTE 6 10 0,067 , 0,078 „ 8 0,053 „ 12 0,068 „ 89) Vergl. Semper: Beitr. zur Biologie der Oligoch. Arbeiten aus dem zool. Institut in Würzburg, IV, pag. 71. °°) Nouv. classif. des Ann. setig. abr. Mem. de l’Acad. des sciences de Belg. 1859, T. XXXIL, pag. 19. le. pas. 72. 92) Conspectus generum specierumque Naidum. Naturh. Tidsskrift, 1842, 1, R, 4, Bd., pag. 136. Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 151 2. Exemplare von Kissingen, geschlechtsreif. Exemplar a Exemplar b Nummer Borstenlänge Nummer Borstenlänge 1 0,096 mm 1 0,084 mm 2 0,084 „ 2 0,084 , 4 0,084 „ 3 0,080 „ 6 0,097 „ 7 0,065 „ 8 0,084 „ 8 0,070 , 10 0,088 „, 11 re 12 OS 13 0.150 0,072 ;, Im letzteren Fall sind die Rumpfborsten durchschnittlich etwas kürzer als die Kopfborsten, was auf N. barbata deuten würde. Aus dem Zusammengestellten folgt, wie ich glaube: Entweder kommt bei Würzburg N. barbata gar nicht vor; dann ist aber die Zeit der Geschlechtsreife von Nais elinguis durchaus inconstant (Juni und September-October). Oder aber die im Herbst geschlechts- reif werdenden Naiden sind N. barbata; dann hat aber diese Art deutlich ausgebildete Gabelborsten im Rücken. Oder drittens — und dies schemt mir das annehmbarste zu sein — beide Arten sind nur Formen einer und derselben Art. | Die Mündungen der Samentaschen und Samenleiter bieten in Lagerung und Form bei Nais elinguis (d. h. bei den Kissinger Exemplaren) nichts von den für die Naiden überhaupt bekannten Verhältnissen Abweichendes. Bei einem Exemplar beobachtete ich 3 vollkommen gut ausgebildete Samentaschen; die dritte (unsym- metrische) im 3. Segment. Die Samenleiter münden in eine ventrale Vertiefung zu beiden Seiten eines medianen, der Clitellumdrüsen entbehrenden Zellpolsters, das aus einem queren Spalt hervorragt (Fig. 20, zp). Zur rechten und linken des Zellpolsterserheben sich die Genitalborsten (Fig. 20, gb) mit ihren Spitzen wenig über die Cuticula. Ihre Form wurde oben erwähnt. Die Samenleiter zeigen an ihrem Grunde die bekannte blasenförmige Erweiterung und öffnen sich in die Leibeshöhle mit einem Wimpertrichter. Bei einem Exemplar konnte ich deutlich den in diesem Trichter steckenden langen Büschel von Spermatozoen sehen. Die Hoden bilden zwei grosse, hinter einander liegende Säcke, von denen der hintere zum Teil in das Ovarium eingesenkt ist (Fig. 22). Ein Verhalten, wie es Tauber für N. proboscidea 152 -R. TIMM: zeichnet, habe ich bei der Kissinger Nais nicht wahrnehmen können. In dem hinter den Hoden liegenden Ovarium findet man 1—2 grosse, durch die Dottermasse undurchsichtige Eier (Fig. 22). In ihrer ziemlich formlosen und sehr plastischen Masse zeigt sich auf Querschnitten ein grosser, sich stark färbender Kern. Bei Eiern von Chaetogaster. Mülleri ist der Kern schon am lebenden Tiere deutlich wahrzunehmen. Zu beiden Seiten dieser (resp. dieses) grossen, ausgewachsenen Eier sieht man bilateral symmetrisch ge- lagerte Gruppen von Zellen, deren je eine (ein werdendes Ei) durch bedeutende Grösse vor den übrigen ausgezeichnet ist (Fig. 22, zho). Die beiden neuen Arten, deren Beschreibung ich hier zu liefern habe, stammen aus der Grosslangheimer Gegend (bei Kitzingen). 1. Nais hamata n. sp. (Fig. 24). Die Segmentzahl schwankt bei Einzelindividuen zwischen 20 und 30, Körper farblos, durchsichtig. Bauchborsten sehr fein, ge- wöhnlich zu 2 oder 3, seltner einzeln, ausnahmsweise zu 4. Rücken- borsten im vierten borstentragenden Segment beginnend, bis etwa dreimal so lang als der Dickendurchmesser des Körpers, säbelförmig gebogen, an der convexen Seite mit feinen Widerhaken versehen, die reichlich so lang sind, als die Borste dick ist. ‚In jedem Bündel stehen 4—7 lange und 1-—-3 kürzere Borsten. Tastborsten nament- lich am Kopf ziemlich reichlich. Gehirn nicht so deutlich in 2 Teile getrennt als bei den andern Natden. Bauchmark verhältnismässig sehr breit, mit ungewöhnlich starkem, nicht unterbrochenem Zellenbelag. Muskulatur äusserst winzig; ob eine Ringmuskellage vorhanden, vermag ich nicht zu sagen; übrigens gleicht sie der der übrigen Naiden. Die beiden Blutstämme besitzen ein bedeutendes Volumen; ihr Querschnitt ist meist grösser als der des Bauchmarks. Gefäss- schlingen habe ich nur in den Kopfsegmenten sehen können; doch ist damit nicht gesagt, dass sie in den übrigen Segmenten fehlen. Darmnetz deutlich. Die Augen, deren Vorkommen überhaupt bei den Naiden recht variabel ist, sind nicht immer vorhanden. Die ausserordentlich dünne Epidermis verdickt sich am Kopf- und Schwanzende bedeutend, so dass sie an beiden Enden eine Art Kappe bildet. Länge der Einzeltiere 3—5 mm. Ich habe nur wenig Exemplare dieser Art in Knospung und immer nur je 2 zusammenhängende Zooide gefunden. Von diesen Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 153 war durchgehends das zweite an Segmenten reicher als das erste, während ich an.zweigliedrigen Ketten von Nais elinguis meist das umgekehrte Verhältnis fand. 2. Nais lurida n. sp. (Fig. 25). Augen zuweilen fehlend. Körper vorne etwas verdickt, oft fast keulenförmig. Rückenborsten im fünften borstentragenden Segment beginnend, erstes Bündel mit einer ausserordentlich langen und einer kürzeren Borste. Uebrige Bündel mit Borsten von nor- maler Grösse zu je 2—3. Tastborsten namentlich am Kopf stark entwickelt. Die Haut ist besonders auf der vorderen Körperhälfte mit warzenartigen braunen Papillen dicht bedeckt. Diese Papillen geben dem Tiere eine rotbraune Farbe und machen es oft undurch- sichtig. Die Lymphzellen der Leibeshöhle sind ausserordentlich gross und enthalten besonders viel der oben erwähnten elliptischen, hyalinen Elemente. Die Anzahl der Segmente schwankt um 40 herum. S Diese Art steht jedenfalls der d’Udekem’schen N. appendicu- lata nahe, ist aber durch bedeutende Grösse (bis 2 cm) und die leicht keulenförmige Gestalt von ihr verschieden. Auch der Carter- schen N. fusca”?) steht sie nahe; jedoch erwähnt Carter bei seiner N. fusca nichts von papilliöser Bekleidung. Eine Arbeit von Kessler über die Fauna des Onegasees (Leuckarts Bericht 1871), in der Nais papillosa n. sp. beschrieben wird, habe ich mir nicht ver- schaffen können. Die im Bericht referirte Diagnose ist ziemlich unvollständig und scheint zu meiner Art nicht zu passen. Im October 1881 fand ich das Tier in grosser Menge, später jedoch konnte ich nur noch eimige wenige Exemplare erbeuten. - Schliesslich gebe ich eine Liste der hier bei Würzburg (resp. in Unterfranken) nachgewiesenen Nazdiden. 1. Nais proboscidea Müll. Sehr verbreitet und auch im der Nähe der Stadt häufig zu finden, aber nie in grossen Mengen. 2. Nais longiseta Ehr. kommt in den Grosslangheimer Sümpfen nicht selten vor, vereinzelt findet sie sich auch an andern Localitäten. 9) On the Spermatology of a new species of Nais. Ann. Mag. Nat. Hist, 1858, Ser. 3, Vol. 2, pag. 20. 154 Qu 1, 13. R. TIMM: . Nais hamata. Nur in den a Sümpfen; dort meist in Menge. . Nais barbata Müll. | Die gemeinste Art sowol in fliessen- _ . Nais elinguis Müll. | dem wie in stehendem Wasser. . N. serpentina Müll. fand ich vorzugsweise in Altwassern des Mains bei Randersacker, wo sie sich in grosser Menge in dem dichten Laub von Ceratophyllum aufhielt. Gelegentlich fischte ich sie auch aus dem früheren Tümpel des Universitätshofes. . Nais appendiculata d’Udek. wurde von Herrn Professor Semper bei Kissingen gefunden. . Nais lurida. Nur in einem einzigen Tümpel zwischen Grosslangheim und Haid. Dort fand ich sie im Oc- tober 1881 in Menge, später nur wenige Exemplare. Nie geschlechtsreif gefunden. Knospende Tiere fand ich selten. . Nais uneinata Orst. Einmal wenige Exemplare in einem Ab- zugsgraben der Kissinger Soole gefunden. Sept. 1882. . Dero digitata Müll., von v. Leydig bei Würzburg ange- geben, wurde von meinem ÜOollegen Herrn Biehringer einmal aus dem Schwemmsee bei Höchberg mitgebracht. . Chaetogaster diaphanus Gruith. ist ziemlich allgemein ver- breitet, aber nie in so grosser Menge zu finden, als der folgende. Ich fand October 1881 ein geschlechtsreifes Tier. Ohaetogaster Mülleri d’Udek.?*) findet sich namentlich bei Grosslangheim in grosser Menge. Im Juni 1882 er- hielt ich von dort 5 geschlechtsreife Individuen. Chaetogaster Limnaei Bär scheint auf den Aufenthalt an Schnecken (Limnaeus auricularius, Ancylus fluviatilis) an- gewiesen zu sein.”) Exemplare, die ich von Limnaeus auri- cularius absammelte (aus dem Main) und von den Schnecken trennte, gingen in zwei Tagen zu Grunde, während man Ch. Mülleri ausserordentlich lange lebend erhalten kann. 94) Die Gruithuisen’sche Nais diastropha ist nach der Abbildung des Autors offenbar identisch mit Ch. Mülleri. Sonderbarer Weise bezeichnet Gruithuisen ohne irgend welche Motivirung die Bauchseite des Tieres als Rückenseite. 5) Nach Grube (über das Vorkommen der Anneliden) kommt er auch frei lebend vor, Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hofimr. und Nais. 155 14. Aelosoma quaternarium Ehr., von v. Leydig im Main gefunden, kommt auch im stehenden Wasser der Gross- langheimer Sümpfe vor. 15. Aeolosoma lacteum Leydig wurde vom Autor im Main be- obachtet. Zum Schlusse erfülle ich die angenehme Pflicht, meinem hoch- verehrten Lehrer, Herrn Professor Semper, meinen tiefgefühlten Dank abzustatten für die ausgiebige Art und Weise, in der er mich bei meiner Arbeit unterstützt hat. Sowol die Ratschläge, durch die er mich auf die Richtung hinwies, in der ich meine Untersuchung zu machen hatte, als auch die Bereitwilligkeit, mit der er mir seine Bibliothek zur Verfügung stellte, haben wesentlich zur Förderung dieser Arbeit beigetragen. Herrn Geheimrath v. Kölliker, der mich auf das Liebens- würdigste mit Büchern aus seiner Bibliothek unterstützte, spreche ich ebenfalls an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aus. Bemerkung. Einige unbedeutende Irrtümer (namentlich in Bezug auf die Schlundkopfmuskulatur von Phreoryctes), die leider in meiner ohne Abbildungen gedruckten Dissertation stehen geblieben sind, habe ich hier verbessert. Semper, Arbeiten. VI. 11 156 Fig. 1 Fig. 2. Bio.m 3: Fig. 4 AS Fig. 5 Fig. 6 Kig. 4 Fig. es 9) Fig. 10 Fig. 11 R. TIMM: Figurenerklärung. 1. Phreoryetes Menkeanus. Tafel X. . Macroporen (map) nebst Mieroporen (mip) der Cutieula. Borsten in verschiedenen Stadien. eb Ersatzborste, hb Borstenhaube. . Medianer Längsschnitt durch das Kopfende, etwas schematisirt. bm Bauchmark. os g Oberschlundganglion. bo Bauchorgan. p Schlundpapillen. e Endothel des Darms. pt Protractoren des Schlundes. ed Epidermis. rd Radialmuskeln. hdr Hautdrüsen (einzell.Dr.) rg Ringmuskeln. km gekreuzte Muskulatur. rt Retraetoren des Schlundkopfes. mg Magenerweiterung. s Schlund. sk Schlundkopf. . Stück der Schlundkopfmuskulatur (Querschnitt). e Epithel des Schlundkopfes. ptn Peritoneum der Leibeshöhle. Im Längsmuskeln. rd Radialmuskeln. n Nerven. rg Ringmuskeln. . Querschnitt durch den Schlund kurz hinter der Mundöffnung. Ir Längsrinnen der dorsalen Schlundwand. hdr Hautdrüsen. . Schlundpapillen. rg Ringmuskeln. 8. Verbindung des Rückengefässes mit der Darmgefässschicht. an Anastomosen. ds Dissepiment. chl Chloragogenzellen. mr Muskelring. dn Darmgefässnetz. rgf Rückengefäss. . Schlundring. 1—10 Nervenäste. comm. Schlundeommissur. . Hintere Partie des Gehirns (Querschnitt). q9 Quercommissur des Gehirns. . Bauchorgan im ersten borstentragenden Segment (schwach ver- grössert). bm Bauchmark. ed Epidermis. bo Bauchorgan. sn Seitennerv. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus Hoffmr. und Nais. 157 . 12, 5. le . 14. . 15. ig. 16. Ic, ls. ld). 20. 21. 22. 23. 24. 25. Bauchorgan aus den mittleren Segmenten (stark vergrössert), Be- zeichnung wie in den vorigen Figuren, ausserdem: eu Cutiecula. nlm Neurilemm. mn Medianer Nerv. stbo Stiel des Bauchorgans. Ventralansicht .des Bauchorgans (schwach vergrössert). Buchstaben wie vorher. s/ Seitenlinie. 1—3 Nervenäste eines Segments. Segmentaltrichter. a Ventralansicht. b Seitenansicht. ds Dissepiment. Mündungen des Borstenfollikels (bf) und Segmentalorgans (sg m). x Zellgruppe von unbekannter Bedeutung. Aus dem Fettgewebe der Segmentalorgane: a. Einzelne Zelle (stärker vergrössert) mit eigentümlichen Kernen. b. Gruppe von Fettzellen (etwas schwächer vergrössert), um das Stützgewebe (stg) angeordnet im dorsalen Teil der Leibeshöhle. Tafel XI. Darmgefässnetz (dn) (schwach vergrössert). an Anastomose. ehl Chloragogenzellen. bg Bauchgefäss. e Darmendothel. rgf Rückengefäss. Stück des Darmgefässnetzes (dn) mit dem Rückengefäss (rgf) (stark vergrössert). hls Hauptlängsstamm der Darmgefässschicht. Dorsaler Divertikel eines Dissepiments der vorderen Segmente. ds Dissepiment. g Teile des Gefässknäuels. msi Muskulatur des Divertikels. II. Nais. Genitalborsten (gb) von Nais elinguis (Kissingen). 2p Zellpolster zwischen den Mündungen der Samenleiter. Eigentümliche Zellen (e) aus dem Darm dieser Nais. hd Hode. chl Chloragogenzellen. Ovarium derselben Art mit 2 reifen Eiern. hd Hode. zho Zellhaufen des Ovariums. Lymphkörperchen (lk) aus der Leibeshöhle von Nais longiseta (schwach vergrössert). d Darm. A. Nais hamata, n. sp. (schwach vergrössert). B. Kopfende derselben (stark vergrössert). Nais lurida, n. sp. (schwach vergrössert). Die Figuren sind (ausgenommen Figg. 1, 13, 16, 29, 23, 24, 25) mit Hülfe der Camera ent- worfen worden. ausgeführt. Nachträgliche Verkleinerungen einzelner Figuren wurden mit dem Storchschnabel 1las Reifung und Furchung des Reptilieneies. Von 02 BR .SABARSIEN. Im Sommer des vergangenen Jahres begann ich hier in Würz- burg Eidechsen zu sammeln zum Zwecke einer entwicklungsgeschicht- lichen Arbeit. Durch glückliche Umstände gelang es mir, eine grosse Anzahl trächtiger Weibchen von Lacerta agilis in meine Hände zu bekommen, so dass ich Eier und Embryonen in allen Stadien zur Verfügung hatte. Beim Studium der Litteratur bemerkte ich bald die auffallend spärliche Kenntniss, die wir immer noch, trotz so vieler Arbeiten auf diesem Gebiete, über die allerersten Entwicklungsvor- gänge und die Reifung des Reptilieneies besitzen. Ich beschloss daher, gerade diese so wenig berücksichtigten Stadien einer ge- naueren Untersuchung zu unterziehen und that dies um so lieber, als ich hierzu von Herrn Professor ©. Semper sehr ermuntert wurde. Ich will diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, ohne meinem hochverehrten Lehrer an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen für das Interesse, mit welchem derselbe während der ganzen Zeit meine Untersuchung verfolgt hat, für die strenge Kritik der gefundenen Thatsachen und die ausgezeichnete Anleitung zu wissenschaftlicher Arbeit. Als Untersuchungsmethode wurde die altberühmte Behandlung mit Chromsäure und das Härten in Alcohol angewandt. Zur Ver- gleichung benutzte ich daneben auch heisses Wasser, um die Eier Semper, Arbeiten. VI. 12 160 C. F. SARASIN: zur Gerinnung zu bringen und darauf folgende Behandlung in Al- cohol. Als Tinetionsmittel dienten Bismarckbraun, Alauncarmin, Haematoxylin und Pierocarmin, von welchen das letztere unbedingt die besten Bilder gab. Vorzügliche Dienste leistete mir die von Mason!) publicierte Collodiummethode, nach welcher die Schnitt- fläche jedesmal vor dem Schneiden mit einer dünnen Collodiumlösung bestrichen wird, die dann rasch trocknend ein zähes Häutchen bildet. Ja, ich kann wohl sagen, dass das Collodium allein es mir möglich machte, völlig lückenlose Serien von c. !/so mm durch ganze aus- gewachsene Eidechseneier zu legen, da es ohne dieses Mittel nur sehr schwer gelingt, den lockeren Dotter zusammenhängend zu er- halten. Eine gewisse Schwierigkeit machte das Einschmelzen der grossen Eier; dieselben müssen nämlich ungefähr 3 Stunden lang in flüssigem Paraffın bleiben, da sie sonst nicht völlig von demselben durchdrungen werden und dann sich nicht gleichmässig schneiden lassen. Um nun die Temperatur des Paraffins stets auf 50—60° ©. zu erhalten — höhere Wärmegrade wirken leicht schädlich — be- diente ich mich eines möglichst grossen Wasserbades, um rasche Schwankungen zu vermeiden und controllierte die Temperatur durch ein im Paraffıin stehendes Thermometer. Auf diese Weise erzielte ich gute Resultate; die ganzen Eier liessen sich ohne Schwierigkeit in beliebig feine Schnitte zerlegen. Um die gefundenen Thatsachen in möglichst übersichtlicher Form darzustellen, will ich meine Arbeit in. drei Abschnitte theilen, von denen der erste die Reifung des Eies, der zweite die Geschichte des Keimbläschens, der dritte endlich die Furchungserscheinungen behandeln soll. 1. Reifung des Eies. Im Interesse der Klarheit glaube ich am besten so zu handeln, dass ich, bevor ich die verschiedenen Stufen der Entwicklung des Eierstockseies darlege, zuerst den Bau eines reifen ausgewachsenen Eies schildere. Wir stossen damit allerdings gleich auf eine grosse Schwierigkeit; trotz des bekannten Spriehworts nämlich gleicht kaum ein einziges reifes Eidechsenei ganz genau dem andern. Bedeutende 1) Zool. Jahresbericht, 1880, Reifung und Furchung des Reptilieneies. 161 Differenzen machen sich hier geltend, besonders in der Art und _ Weise, wie der Dotter angeordnet ist. Derselbe zeigt nämlich meist eine sehr ausgesprochene Schichtung; die Zahl aber sowohl, als der Verlauf dieser Schichten sind bedeutenden Schwankungen unter- worfen. In der Regel'sind nur die peripherischen Theile des Dotters deutlich geschichtet, während das ganze Innere des Eies eine unge- schichtete Masse darstellt. Manchmal hingegen erscheint beinahe der ganze Dotter in Lagen angeordnet. Die Entstehung von Dotter- schichten deutet, wie auch schon anderwärts ausgesprochen worden ist, wahrscheinlich auf eine Periodieität im Wachsthum des Eies hin, und diese mag eine Folge sein von verschiedenen Ernährungsver- hältnissen, Temperaturschwankungen und anderen Factoren, die auf das Mutterthier einwirken. Auf diese Weise können wir leicht ver- stehen, dass die Zahl solcher Schichten, als ein Ausdruck periodischer Schwankungen, individuell variiren kann. Viel schwieriger aber wird sich eine Antwort auf die Frage finden lassen, warum auch Form und Verlauf der Schichten keine constanten Grössen sind. Ich beginne die Schilderung reifer Eier, indem ich, allerdings etwas willkürlich, aus der mir zu Gebote stehenden Anzahl eines herausgreife, welches mir die Verhältnisse, auf die es mir vorzüglich ankommt, am klarsten wiederzugeben scheint. Willkürlich ist auch meine Wahl schon desshalb, weil diese Form des Eies keineswegs eine sehr häufig vorkommende ist; allein ich glaube, dass sich daraus für die andern Formen leichter ein Verständniss wird gewinnen lassen. Fig. 1 giebt einen Schnitt durch die mittleren Partieen dieses Eies wieder. Dasselbe ist ein erst kürzlich vom Ovarium in den Eileiter übergetretenes Ei; sein Keimpol zeigt die ersten Furchungs- linien. Vor Allem fällt hier sofort die Schichtung des Dotters in die Ausen und die concentrische Anordnung dieser Schichten um eine seltsam gestaltete Masse. Bei Betrachtung der Form unserer Schichten, besonders der am meisten nach innen gelegenen, leuchtet auch sofort ein, dass dieselben in irgend einem Zusammenhang mit der centralen Masse stehen müssen, da ja ihre sonderbar gebogene Gestalt ziemlich genau den Umriss derselben wiederholt, und es wird wohl am wahrscheinlichsten dieser Zusammenhang dahin zu deuten sein, dass die Schichten dem Heerd, den sie umkreisen, ihre Ent- stehung verdanken. Auf eine Einschränkung dieser Behauptung in 12* 162 C. F. SARASIN: Bezug auf die äussersten Dotterlagen werde ich weiter unten zu sprechen kommen. Wollte man umgekehrt die Ansicht vertreten, dass die ge- sammten Dotterschichten von aussen dem Ei apponiert worden seien, so müsste man die Annahme machen, dass in früher Zeit das Ei die sonderbare Form des inneren Heerdes gehabt habe; denn sonst könnten die von aussen her kommenden Lagen auch nicht seine Form inne halten. Dies ist aber unzulässig, denn junge Eier von solcher Gestalt dürften wohl kaum vorkommen. Wenn aber die oben ausgesprochene Meinung die richtige ist, nämlich die, dass Dotter von innen her geliefert werden kann, so muss auch gefordert werden, dass der innere Heerd junge Formen von Dotterelementen enthalte; und in der That besteht das ganze Gebilde aus feinen Dotterkörnchen, welche stellenweise deutlich netzförmig angeordnet sind und namentlich gegen das Eicentrum hin alle Uebergänge zu grossen Dotterkörnern aufweisen. Das Resultat, welches wir so aus der Betrachtung des reifen Eies gewonnen haben, nämlich die Bil- dung von Dotter im Innern des Eies selbst, wird, wie wir bald sehen werden, in der Entwicklung des Eies seine Bestätigung finden, Der Eindruck der Schichtung wird dadurch hervorgerufen, dass beständig Lagen von grossen glänzenden Körnern mit solchen von kleineren, dicht gedrängten Dotterelementen abwechseln. Ich bemerke gleich noch, dass ich in der Zeichnung aus technischen Gründen die Schichten etwas stärker markieren. musste, als dies in der Natur der Fall ist. Weiter ergiebt sich aus unserer Figur und ebenso aus dem nach einem reifen Ovarialei gezeichneten Bilde Fig. 2, dass die Schichten des Reptiliendotters nirgends eine Unterbrechung erleiden; dieselben werden blos gegen den einen Eipol hin, den Keimpol, dessen Lage übrigens eine sehr verschiedene sein kann, mehr und mehr schmal und feinkörnig, ohne aber ihre Continuität aufzugeben, die zwar manchmal in der plasmareichen und ziemlich gleichförmigen Keimschicht nicht ganz -leicht nachzuweisen ist. Die Fig. 1 und 2 zeigen aber deutlich, wie die Dotterlagen sich durch die ganze Keim- schicht hindurch verfolgen lassen. Die Keimschicht selbst setzt sich also aus den schmal gewordenen Dotterschichten zusammen und steht daher in innigster Verbindung mit dem übrigen Dotter, Reifung und Furchung des Reptilieneies. 163 Da sich aus der Bildung des Dotters, zu der ich nunmehr über- sehen will, dasselbe Resultat ergeben wird, so will ich mich hier nicht weiter darüber äussern. Ebenso schiebe ich noch die Schilderung der verschiedenen Abweichungen im Bau der reifen Eier einstweilen auf, indem ich denke, dass sie später leichter einzureihen sein werden. Eier von ec. 1—1!/a mm Durchmesser zeigen im Innern durch- weg gleichmässig feine Körner, welche, wie Eimer?) für das junge Reptilienei, Schäfer?) für kleine Vogeleier und Balfour‘) für die Elasmobranchier nachgewiesen haben, in einem Plasmanetz- werk eingelagert sind. Die namentlich im Innern des Eies deutlichen Maschen umschliessen helle rundliche oder längliche Hohlräume. Schütz’) hat in kleinen, noch transparenten Eichen von Lacerta viridis unregeimässige Körnchenhaufen gesehen, und Schäfer hat beim jungen Hühnerei Verdichtungen des Netzwerks beschrieben und ihnen den Namen „pseudonuclei“ beigelegt. Ich habe ebenfalls in einigen kleinen Eidechseneichen, allerdings sehr inconstant, ähn- liche knotenförmige Ansammlungen feiner, stark sich färbender Sub- stanz gefunden. Ich bin jedoch nicht ganz sicher, ob nicht vielleicht ein Kunstproduct vorliegt, für welch’ letztere Ansicht das unbe- ständige Auftreten zu sprechen scheint. Die Eier von der angegebenen Grösse zeigen an ihrer Peri- pherie die bekannte Rindenschicht, meist durch eine ziemlich scharfe Linie vom übrigen Inhalt geschieden; der äusserste Theil derselben weist Spuren einer radiären Streifung auf. Eimer beschreibt noch innerhalb der eben genannten Rindenschicht eine von ihm als „innere Rinde“ bezeichnete Zone. Ich habe in einigen wenigen jungen Eiern in der Nähe der Eiperipherie eine auffallende Ver- dichtung des beschriebenen Netzwerkes gefunden, welche ungefähr den Eindruck einer solehen ringförmigen Zone machte. Da dies jedoch dieselben Eier waren, in denen auch die Schäfer’schen „pseudonuclei“ sich zeigten, so gilt auch für diese Bildung, die wahr- scheinlich der Eimer’schen „inneren Rinde“ entspricht, das oben gesagte, nämlich, dass die betreffenden Eier vielleicht künstlich oder pathologisch veränderte waren. ?) Archiv für mikr. Anatomie, Bd. 8. ®) Proceedings of the royal Society, vol. 30. *) Journal of Anatomy and Physiology, vol. 10 u. 11. 5) Ueber den Dotterkern. Bonn 1882, 164 C. F. SARASIN: Einen schon ganz andern Anblick gewähren Eier, ‘die etwa 2,5—3 mm Durchmesser erreicht haben, da in ihnen die Dotter- bildung begonnen hat. Die äusserste Zone des Eies ist hier von einer ziemlich breiten Schicht feinkörnigen Protoplasmas einge- nommen, welches nach innen mit stellenweise deutlicher Grenze endet. Daran schliesst sich ein Ring von Dotterkörnern an, welche centralwärts immer kleiner werden und unmerklich in die ausser- ordentlich feinen Granula übergehen, welche in dem inneren plasma- tischen Netzwerk eingelagert liegen. Dasselbe hat mit dem Wachs- thum des Eies an Ausdehnung zugenommen, und es treten sogar die grössern und kleinern Maschen, welche das zarte und feinkörnige Netz bildet, beträchtlich klarer hervor als früher. Nach der Peri- pherie zu wachsen seine feinsten Körnchen mehr und mehr an und sehen, wie schon gesagt, durch alle Zwischenstufen in die Dotter- körner über, welche die Aussentheile des Eies erfüllen. Ich hebe noch hervor, dass auch in der peripherischen Plasmazone feine Dotterelemente eingestreut sind; die grössten Dotterkörner liegen daher in einer mittleren Schicht zwischen der äussern Zone und dem innern Plasmanetze und zeigen nach beiden Seiten hin Ueber- gänge zu kleineren Gebilden (confer Waldeyer‘). Unter der Stelle, wo das Keimbläschen liegt — in Eiern von der genannten Ausdehnung (c. 3 mm) hat es die Peripherie meist schon beinahe erreicht — springt ein kurzer und dünner, konischer Fortsatz, aus feinen Dotterkörnern bestehend, centralwärts in das Plasmanetz vor. Aus den zahlreichen Uebergangsformen sowohl, welche die grössern peripherischen Dotterelemente mit den feinen Körnchen des Plasma- netzes. verbinden, als auch aus dieser Dotterbildung unterhalb des Keimbläschens, lässt sich mit Sicherheit der Schluss ziehen, dass die Dotterkörnchen im Eie selbst entstehen und aus den feinen im Plasma liegenden Molekeln durch Wachsthum hervorgehen. Für die einschlägige Litteratur siehe weiter unten. In Eiern, deren Durchmesser 3!/,—4 mm beträgt — genaue Maasse für die einzelnen Stadien lassen sich vieler Schwankungen halber nicht wohl angeben — ist die Dotterbildung weiter fort- geschritten. Es sind schen mehrere deutliche Dotterschichten er- kennbar, welche in der Nähe des Keimbläschens, um welches sich °) Eierstock und Ei. Leipzig 1870. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 165 das Protoplasma reichlicher als sonst wo ansammelt, aus feineren Körnern bestehen als in ihrem übrigen Verlauf. Die Schichten umschliessen ein immer noch ausgedehntes Plasmanetz im Innern. Dasselbe nähert sich an der Stelle, wo das beinahe wandständige Keimbläschen liegt, mehr der Eiperipherie als im übrigen Umfang, und daraus ergiebt sich als nothwendige Folge, dass die Dotter- schichten gegen diesen Pol des Eies hin sich verschmälern müssen. Das Schema Fig. 3 soll diese Anordnung deutlich machen. Der dunkel gehaltene Theil bedeutet das Plasmanetz, die darum ge- zogenen Linien die Dotterschichten. Man sieht zugleich auch noch, dass ein schmaler, spitz endender Theil des Protoplasmanetzes sich durch den unterhalb des Keimbläschens liegenden Fortsatz von Dotterkörnern hindurchzieht und dasselbe beinahe erreicht. Es scheint übrigens dieses letztere Verhältniss nicht constant zu sein. Eine Vergleichung dieses Bildes mit dem oben beschriebenen ausgewachsenen Ei (Fig. 1) zeigt nun sofort, dass der bei diesem geschilderte, von den Dotterschichten concentrisch umkreiste Heerd sowohl seiner Lage als seinen übrigen Verhältnissen nach, als ein Rest des hier skizzierten Plasmanetzes aufzufassen ist. Dasselbe hat allerdings im reifen Eie seine Oonstitution etwas verändert: Die ausserordentlich feinen Granula des jungen Netzes sind zu kleinen Dottereiementen angewachsen; aber ihre Anordnung um feine Maschen- räume und die zahlreichen Uebergangsformen zu grossen Dotter- körnern an den Grenzen des Heerdes weisen noch deutlich auf die ursprünglichen Verhältnisse zurück. Wir werden im weitern Laufe der Arbeit sehen, dass in jedem der zahlreichen, in Serien zerlegten Eier ein solcher gewissermassen embryonal gebliebener Theil existiert und überall dieselben charakteristischen Eigenthümlichkeiten aufweist als Ansammlung feiner, stellenweise in ein deutliches Plasmanetz ein- gelagerter Körner mit Uebergängen von den kleinsten Dotterelementen zu den grossen Formen derselben. Ich glaube daher die physiologische Bedeutung dieses Gebildes zu treffen, wenn ich annehme, dass dasselbe mit der Dotterlieferung in Beziehung steht. Daher will ich es als „Dotterheerd* bezeichnen, ohne aber damit sagen zu wollen, dass ausschliesslich von ihm aus neuer Dotter gebildet werde. Dabei nehme ich an, dass, wie schon von anderer Seite ausgesprochen worden ist, das Ei seine Nahrungssubstanz aus dem Blute bezieht, und in seinem Innern, und zwar wahrscheinlich hauptsächlich in 166 C. F. SARASIN: dem besagten Dotterheerde, die Verwendung der nährenden Flüssig- keit zur Dotterbildung stattfindet. Ob die in das Ei eintretende Flüssigkeit bereits durch das Follikelepithel eine chemische Aen- derung erfahren hat oder nicht, lässt sich natürlich hier nicht an- geben. In Anbetracht der rein physiologischen Bedeutung des Dotterheerdes kann es uns nun auch nicht allzusehr befremden, wenn wir denselben in sehr verschiedener Form und Ausdehnung antreffen und selbst seine Lage im Eie keine constante ist. Kehren wir zu unserer Schilderung zurück. Auf das Ei von 4 mm Durchmesser wollen wir ein solches von c. 41/J,—5 mm folgen lassen. In diesem hat sich das Bild bereits wiederum beträchtlich verändert. Das Innere des Eies, welches im letzten Stadium noch in weiter Ausdehnung von einem Plasmanetze eingenommen gewesen war, ist jetzt zum grösseren Theil von Dotterkörnern erfüllt, die aus dessen feinen Körnchen herangewachsen sind. Dieselben erscheinen ihrem jüngeren Alter entsprechend meist erheblich kleiner als die Körner der mehr peripherischen Schichten. Nur eine einseitig ze- legene Zone, deren Form und Lage das Schema Fig. 4 andeuten soll, besteht noch aus dicht gehäuften feinen Körnchen und stellen- weise deutlichen Plasmafäden. Nach innen gegen die Mitte des Eies hin lagern in reichlichster Zahl alle Uebergangsformen zu grösseren Dotterkörnern, so dass centralwärts offenbar eine aus- giebige Dotterlieferung stattfindet; nicht so gegen die Eiperipherie hin; an der äussern Grenze des Dotterheerdes sind Uebergangs- formen nur spärlich vertreten; es grenzen fast unmittelbar grosse Dotterkörner an die feine Substanz an, ein Verhältniss, welches wir später an älteren Eiern wieder antreffen werden. Nur gegen die Stelle hin, wo das Keimbläschen lag, sah ich an einem dieser Eier deutlich, wie vom Dotterheerde eben eine kleinkörnige Schicht sich abzutrennen schien, welche in ihrer Form genau der Gestalt des unterhalb des Keimbläschens gelegenen Theils des Heerdes entsprach. Bemerkenswerth ist ferner an diesen Eiern die äusserste Zone (Fig. 5). Direct unterhalb einer scharf contourierten Membran — wahrscheinlich der Basalmembran des Epithels — liegt eine schmale, äusserst fein granulierte Schicht mit schön ausgeprägter radiärer Streifung (zona radiata, Waldeyer); ich bemerke gleich, dass die- selbe nicht im ganzen Eiumfang zu sehen, sondern stellenweise durch Reifung und Furchung des Reptilieneies. 167 Körnchen verdeckt ist. Dann folgt nach innen eine ebenfalls noch feinkörnige breitere Lage, in welcher schon zahlreiche kleine Dotterelemente, meist im deutliche radiäre Reihen geordnet, ein- gestreut sind; daran grenzt endlich der grobe Dotter durch Ueber- “ gänge mit diesen kleinern Körnern verbunden. Waldeyer, der die zona radiata der Eidechse beschrieben hat, giebt an, dass sie in Follikeln von 8— 10 mm Durchmesser aus lauter Stäbchen be- stehe, zwischen denen Lücken sich vorfänden. Er sagt, dass vom Plasma der Follikelepithelzellen Fortsätze in die Kanälchen der zona eintreten und dann wahrscheinlich in Dotterbestandtheile zerfallen. Ich bin über den Bau der zona radiata nicht recht klar ge- worden; aus Stäbchen scheint sie mir kaum zu bestehen; viel eher möchte ich die radiären Streifehen auf kleine geronnene Strömchen in das Ei eindringender Nährflüssigkeit zurückführen. Durch die Membran hindurch habe ich sie allerdings nicht verfolgen können. An vielen Stellen habe ich das Epithel von der Membran abgehoben sesehen, ohne dass sich ein Zusammenhang zwischen den Streifen und den Epithelzellen hätte constatieren lassen. Nur ein einziges Mal und nur an einer einzigen losgelösten Epithelzelle ist es mir gelungen, ein kleines Plasmafädchen als Anhang derselben auf- zufinden, während Waldeyer solche Fortsätze der Zellen als regelmässig vorkommende Bildungen schildert, und Eimer deren äusserst verschieden geformte und selbst verzweigte abbildet, die er in die Zacken der von ihm aufgestellten „inneren Rinde* über- gehen lässt. Ich habe schon bei der Beschreibung eines jüngeren Eies er- wähnt, dass in dem peripherischen, den Dotter umgebenden Proto- plasma kleine Dotterkörner zu finden waren; in dem eben geschil- derten Eie von c. 5 mm Durchmesser haben sich diese Körnchen beträchtlich vermehrt. Es ist daher wohl unzweifelhaft, dass neben der Dotterbildung im Innern des Eies auch in dem peripherischen Protoplasma der Eirinde Dotterelemente geliefert werden; ich glaube aber, dass sie hier wie dort auf gleiche Weise sich bilden aus kleinen, im Plasma entstehenden Körnchen, die durch die zugeführten Nähr- stoffe langsam zu grossen Dotterkörnern anwachsen und nicht etwa durch Einwanderung von Körnern von aussen her aus den Epithel- zellen. Es spricht auch die im Allgemeinen etwas grössere Regel- mässigkeit und gleichmässigere Anordnung der äussersten Dotter- 168 C. F. SARASIN: schichten dafür, dass sie in der das Ei umschliessenden Plasmazone ihre Entstehung genommen haben. Immerhin aber glaube ich, dass diese Dotterbildung an der Eiperipherie im Verhältniss zur Dotter- lieferung im Innern des Eies eine ziemlich beschränkte ist; denn erstlich denke ich, dass, wenn wirklich Apposition von aussen her bei dem Machern der Eier eine überwiegende Rolle spielen würde, die einzelnen Eier in ihrem Baue weit übereinstimmender wären, als sie es factisch sind, und dass vollends eine Abhängigkeit der Dotterschichten-Anordnung von der Lage eines im Innern befind- lichen Heerdes, wie es manchmal mit grösster Wahrschemlichkeit hervortritt, völlig unerklärt bleiben würde. Wie könnte ferner die Einbiegung der Dotterschichten unterhalb des Keimbläschens, wie es Fig. 2 zeigt, bei einer Lieferung derselben von aussen her entstehen? Die Lage des Dotterheerdes selbst spricht ebenfalls gegen eine starke Dotterbildung an der Eirinde. Beinahe in derselben Entfernung von der Eihaut wie in Fig. 4 ist er auch in vielen reifen Eiern anzu- treffen, was doch unmöglich sein würde, wenn von aussen her viel Dotter wäre geliefert worden. Es stimmt aber dieses Verhältniss sehr wohl damit überein, dass der Dotterheerd nach aussen zu fast ohne, Ausnahme eine scharfe Grenze hat gegen die grossen Dotter- körner hin, während er centralwärts reichliche Uebergangsformen von Dotterelementen aufweist, also, wie ich annehme, centralwärts Dotter liefert. Dazu kommt noch das fernere Moment, dass gerade in den mehr peripherischen Dotterschichten sehr umfangreiche und mit den grössten Inhaltskörnern am meisten beladene Dotterelemente anzutreffen sind, während man doch nach der Annahme eines reich- lichen Dotterwachsthums von aussen her erwarten sollte, die grössten, also wahrscheinlich ältesten Dotterkörner umgekehrt im Innern, alle kleinen, also wohl jüngern Formen nach der Peripherie hin in reich- lichster Masse zu finden. Nun sind aber gerade die Dotterelemente der gesammten inneren Eitheile meist erheblich kleiner und ent- behren der grossen Inhaltskörner ganz oder doch fast ganz; meist enthalten sie bloss, wenn überhaupt etwas zu sehen ist, äusserst feine, wie kleine Pünktehen erscheinende Granula. Es bleibt mir nun noch übrig, die weiteren Verhältnisse des Dotterheerdes zu schildern in Eiern, die nahezu ihre definitive Grösse erreicht haben und in völlig reifen Eiern. Ein Ei der ersteren Art von c. ? mm Durchmesser zeigte an seiner Peripherie nur noch Reifung und Furchung des Reptilieneies. 169 eine schmale Lage feiner Substanz; dann folgten nach innen einige wenige Dotterschichten, welche da, wo sie den Keimpol erreichten, ungefähr angeordnet waren, wie es Fig. 2 von einem andern Eie versinnlicht. Excentrisch, aber nicht wie in Fig. 1 unterhalb der Keimschicht, sondern seitlich, fand sich der Dotterheerd als unregel- mässig gestaltete Masse feiner Dottermolekel. Nach der Peripherie des Eies hin war der Heerd wieder fast unmittelbar von grossen Dotterkörnern begrenzt; nach den centraleren Eitheilen hin aber fanden sich in reichlichster Menge die Uebergänge von kleinen zu umfangreicheren Dotterelementen. Das Innere des Eies erschien also wiederum von jüngeren Formen eingenommen, und der Dotterheerd hob sich als diejenige Stelle hervor, wo die feinste Substanz in dichter Masse und von Protoplasma begleitet angehäuft lag. An der peripherischen Grenze des Heerdes zeigte sich auf einigen Schnitten, und zwar auf denjenigen, welche auch das Centrum der - Keimscheibe getroffen hatten, eine schon von blossem Auge im Dotter erkennbare schmale helle Stelle, die wie ein leerer Raum inmitten der dunkeln Körner erschien. Betrachtung mit dem Micro- scop ergab aber sofort, dass diese scheinbare Lücke eingenommen war von einem überaus zierlichen Netzwerk von Protoplasmafäden, welche kleine rundliche oder ovale Maschen bildeten -(Fig. 6). In- mitten dieser feinen Plasmastränge nun lag eine rundliche, dunkler als die Umgebung gefärbte Verdichtung feiner Substanz, welche auf- fallend den Eindruck eines Kernes hervorrief. Schon in einem Ei von c. 5 mm war in den Plasmafäden, welche auch dort die Aussen- seite des Dotterheerdes begleitet hatten, eine kleine, unregelmässige Ansammlung feiner Substanz zu sehen gewesen, welche vielleicht als Vorläufer der eben geschilderten kernartigen Bildung betrachtet werden darf. Von nun an werden wir dieselbe in den ältern, völlig reifen Eiern sehr häufig antreffen und zwar stets in constanter Lage- beziehung zum Dotterheerd. Sehr deutlich trat das Gebilde hervor in dem reifen Eierstockseie, von dessen Dotterschichtung die Fig. 2 genommen worden war. In Fig. 7 habe ich ein Bild von diesem „Kerne“ gegeben. Auch hier war er gerade auf den Schnitten zu finden, welche in die Nähe des Keimbläschens gefallen waren; er lag ziemlich nahe an der Keimschicht, aber nicht unterhalb ihrer Mitte, sondern excentrisch, auch hier, wie überhaupt in allen Fällen in der Begrenzung des Dotterheerdes. Seine Form war oval, seine 170 C. F. SARASIN: Consistenz schien grösser zu sein als im letzt beschriebenen Eie. Er bestand wie der oben geschilderte aus feinkörniger, sich stärker als die Umgebung färbender Substanz und war umschlossen von zarten, radiär ausstrahlenden Protoplasmasträngen. Ganz ähnlich, nur etwas kleiner, sah ich ihn in einem andern, der Reife nahen Eierstocksei; er lag inmitten eines gebogenen Plasmastreifs, der wiederum den Dotterheerd umgrenzte. Das ganze Gebilde war hier aber weiter von der Keimschicht entfernt. In zwei ferneren Serien dagegen konnte ich den „Kern“ nicht finden. Ich will damit natür- lich nicht gesagt haben, dass er hier wirklich ‘gefehlt hat; denn es lassen sich in dem grossen und grobkörnigen Dotter solche Dinge leicht übersehen. Es kann uns nicht wundern, wenn wir das Gebilde, das ich als Dotterheerd seiner wahrscheinlichen Bedeutung nach bezeichnet habe, auch in jungen Eiern des Oviductes noch antreffen, da nicht nothwendig der Eiaustritt mit der vollendeten Umwandlung aller feinen Körner in grössere Dotterelemente zeitlich zusammenzufallen braucht. Auch in diesen Eiern ist der Heerd von mannigfachster Gestalt und Lage. Die Figuren 9 und 10 zeigen, dass er selbst in einem und demselben Eie — beide Bilder sind nämlich nach ver- schiedenen Schnitten derselben Serie gezeichnet — seine Form ändern kann. Seine Lage ist wiederum eine excentrische; mit seiner Spitze erreicht er beinahe den peripherischen Rand der Keimscheibe. In Fig. 10 erscheint er als langer Streif von Plasmafäden und feinen Körnchen, nach innen von kleinen Dotterelementen reichlich begleitet (auf der Figur nur angedeutet bei a). Ganz anders zeigt er sich einige Schnitte weiter (Fig. 9). Nicht nur hat er an Breite zugenommen und ist von einem Netzwerk feiner Körner umgeben, sondern neben ihm ragt von der feinkörnigen Keimschicht aus ein zweiter Fortsatz von ganz ähnlicher plasmareicher Substanz central- wärts vor. Auch dieser liegt nicht etwa unterhalb der Mitte der Keimschicht, sondern ebenfalls excentrisch. Sonderbarerweise konnte ich in dem Plasmastreifen dieses Eies den „Kern“ nicht finden, der doch sonst darin seine Lage zu haben pflegt und der auch bei dem Ei, zu dem ich nun übergehen will, wieder darin zu sehen ist. Dasselbe ist ebenfalls ein junges Eileiterei; sein Keimpol war von der ersten Furche durchschnitten, während an dem eben beschriebenen Eie die Embryonalbildung noch gar nicht begonnen hatte. Eine solche Aus- Reifung und Furchung des Reptilieneies, 171 dehnung und Entwicklung, wie das Protoplasmanetz sie im letzten Eie erreicht hatte, finden wir hier nicht. Dasselbe bildet nur ein ziemlich schmales, wiederum an der peripherischen Seite des Dotter- heerdes liegendes Band (Fig. 10). Wir bemerken aber in ihm, an einer Stelle, wo das Band sich merklich verbreitert, den schon be- sprochenen „Kern“. Derselbe ist aber hier beträchtlich kleiner als die zwei Kerne (Fig. 6 und 7), die wir in reifen Eierstocks- eiern angetroffen hatten. Er besteht auch hier aus einer Ansamm- lung feiner Körner; seine Grenzen aber erscheinen etwas unregel- mässiger als früher, so dass er nicht mehr eine scharfe Form be- sitzt; es scheinen seine Körnchen langsam in das zierliche, ihn um- schliessende Plasmanetzwerk überzugehen. Der ganze Dotterheerd mit seinem Kern liegt hier genau unterhalb der Mitte der Keim- schicht und entsendet gegen das Eicentrum hin starke Züge von feinen Dotterkörnern. Endlich habe ich das räthselhafte „Kern- sebilde* noch einmal gefunden und zwar in demselben Eileiterei, mit dessen Schilderung ich begonnen habe (Fig. 1); dasselbe war schon etwas weiter entwickelt als das eben besprochene Ei; seine Keimscheibe war bereits in das Stadium der Fig. 20 vorgerückt. Merkwürdigerweise lag der Kern hier nicht, wie er sonst stets zu thun pflegte, an der peripherischen Seite des Heerdes, sondern gerade umgekehrt an seiner centralen Grenze. Im Uebrigen zeigte er auch hier dieselben Eigenschaften wie früher, eine Anhäufung sehr feiner Körnchen inmitten eines- Gewebes von Plasmafäden, die von ihm aus nach allen Seiten hin radiär ausstrahlten und mit zierlichen Anastomosen kleine Maschen bildeten. In der Fig. 1 habe ich den „Kern“ nicht abgebildet, weil er nicht auf einen Schnitt ge- fallen war, der die Verhältnisse der Dotterschichtung, auf die es mir zumeist ankam, klar zeigte. Ich wage es nicht, diese kernartig aussehende Bildung mit einem neuen Namen zu belegen, da ich über ihre Bedeutung nichts anzugeben weiss. Zuerst dachte ich, dass dieselbe vielleicht irgend eine Beziehung zu den Embryonalkernen haben könnte, da sie erst in ziemlich grossen Eiern deutlich auftritt und meist vom Keimpol nicht allzuweit entfernt liegt. Als ich den „Kern“ aber in jungen Eiern des Oviductes wiederfand und aus seiner kleinern und un- regelmässigeren Form zu schliessen, offenbar eher im Rückschritt als in Weiterentwicklung begriffen, fiel dieser Gedanke natürlich 172 C. F. SARASIN: von selbst weg. In ältern Eiern des Eileiters habe ich ihn nicht mehr antreffen können. Ich ziehe es daher vor, einstweilen von einem Namen abzusehen und es spätern Untersuchungen zu über- lassen, auf Grund der wirklichen physiologischen Bedeutung, falls eine solche sich ergeben sollte, eine passende Bezeichnung zu wählen. Aehnliche Kernbildungen in Eiern anderer Thiere werde ich im Zusammenhang mit einigen weiteren Litteraturangaben später besprechen. ü Es wird aus der Verschiedenheit der Bildungen, die ich bis jetzt im Dotter beschrieben habe, wohl ohne Weiteres einleuchten, dass es ein grosser Fehler gewesen ist, den Dotter, wie es öfters ge- schehen, bloss für einen leblosen Nahrungsklumpen, einen todten An- hang des Keimes zu erklären. Deutlich genug sagt uns ja das Proto- plasma, das wir in langen Strängen die Dottersubstanz haben durch- setzen sehen, und das auch sonst hin und wieder in kleinen Klümp- chen im Dotter anzutreffen ist, dass die Lebensfähigkeit, welche natürlich nur Eigenschaft des Plasmas und nicht etwa der einge- lagerten Körner sein kann, sich nicht ganz aus dem groben Dotter an den Keimpol und in die Rindenschicht zurückgezogen hat. Allerdings ist am Keimpol die Hauptmasse des Plasmas angesam- melt, und stellenweise kann man hier deutlich die kleinen Dotter- körner in dünnen Plasmafäden, welche zierliche Maschen bilden, eingelagert finden, aber der übrige Theil der Eizelle, der Dotter, ist, wie wir gesehen haben, und wie auch namentlich die später zu be- schreibenden Furchungsvorgänge klar legen werden, weit davon ent- fernt, bloss eine unorganisierte Nahrungsmasse darzustellen. Es hat kürzlich Waldeyer in einer ausserordentlich klar geschriebenen Arbeit: „Archiblast und Parablast“ ”) eine Schilderung der Plasmaan- ordnung in meroblastischen Wirbelthier-Eiern gegeben. Derselbe hat daselbst Fortsätze beschrieben, (Keimfortsätze, Waldeyer), die vom Keim und dem Rindenprotoplasma in den Dotter eindringen und bei der Embryonalbildung eine Rolle spielen, indem an ihnen nach Waldeyer die secundäre Furchung sich vollzieht. Unterhalb des Keimpols habe ich ebenfalls manchmal deutlich die Dotterkörner in Plasmafäden eingelagert gefunden; unterhalb der Rindenschicht der Eierstockseier dagegen konnte ich dies nicht bemerken. Das Proto- ?) Archiv für mikr. Anatomie, 1883. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 173 plasma der Eirinde ist namentlich in jungen Eiern deutlich; in reifen Ovareiern erscheint es als eine schon recht dünne Lage, in ganz jungen Eileitereiern ist es kaum mehr sichtbar. In Eiern hingegen, die in der Embryonalbildung schon weiter vorgeschritten sind, ist in den peripherischen Theilen des ganzen Eies Protoplasma reichlich anzu- treffen. Vielleicht kann dies durch die Annahme erklärt werden, dass um diese Zeit das Protoplasma, welches noch im Innern des Eies zer- streut sich vorfand, der Peripherie zustrebt. Ich habe gesagt, dass die Dotterkörnchen des Keimpols, der unterliegenden Partieen und namentlich des Dotterheerdes in Plasmanetzen liegen. Die grösseren Dotterkörner der übrigen, besonders der innern Eitheile sind zwar meist auch um runde Lücken angeordnet; aber es sind diese Maschen bedeutend weiter und scheinen gar nicht mehr von Protoplasma- fäden eingeschlossen zu sein, so dass dieses Verhältniss lediglich auf die Entstehung der Dotterkörner in einem Plasmanetze zurück- deutet. Ich könnte leicht noch manche Seiten und Tafeln füllen mit Beschreibungen und Zeichnungen von Dotterheerden oder schema- tischen Bildern über den verschiedenen Verlauf der Dotterschichten. Ich will aber nur noch ein Ei schematisch darstellen, weil in dem- selben die Dotteranordnung eine sehr auffallende ist. Fig. 8 giebt einen Schnitt, der ungefähr parallel der Keimschicht, aber ziemlich weit von ihr entfernt, durch das Ei gelegt wurde. Es fällt hier so- fort die enorm ungleichmässige Entwicklung der Dotterschichten auf; an der einen Seite breit, verschmälern sie sich gegen die andere hin, die hier nicht etwa dem Keimpol entspricht, mehr und mehr und zwar ohne feinkörniger zu werden. An der Stelle, wo die Schichten am schmälsten sind, liegt der Dotterheerd (a in der Fig.) und kehrt, wie wir schon oft gesehen, seine durch reines Protoplasma begrenzte Seite gegen die Eiperipherie, während er centralwärts die bekannten Uebergangsformen zeigt. Es kann diesem Bilde nach kaum ein Zweifel aufkommen, dass hier ein Abhängigkeitsverhältniss zwischen der Art der Dotteranordnung und der Lage des Dotterheerdes be- steht; sonst wäre doch die Abnahme der Schichtenmächtigkeit ge- rade gegen die Stelle hin, wo der Dotterheerd liegt, nicht zu er- klären. Ich habe in einem früher beschriebenen Eie (Fig. 9) eines aus feiner Substanz gebildeten Fortsatzes Erwähnung gethan, der von 174 C. F. SARASIN: der Unterseite der feinkörnigen Keimlage an einer excentrischen Stelle in den gröberen Dotter centralwärts vorsprang. Solche Fort- sätze habe ich nun mehrmals auch ungefähr unter der Mitte des Keimpols in den Dotter hineinragend angetroffen. In Fig. 12 habe ich einen solchen abgezeichnet, welcher unterhalb der Stelle, wo die erste Furche den Keimpol durchschnitt, in etwas gebogener Linie gegen die Eimitte hin vorsprang; von der feinen Keimschicht selbst war er stellenweise durch grössere Dotterkörner getrennt. In dem- selben Eie fand sich auch ungefähr in der Mitte des Dotters eine ziemlich scharf begrenzte und wieder von Plasmafäden begleitete Masse feiner Dottersubstanz; in Fig. 13 habe ich sie wiedergegeben. Ihre wechselnde Form auf den verschiedenen, aufeinander folgenden Schnitten will ich nicht mehr weiter beschreiben. Es sei hier noch bemerkt, dass man in einem und demselben Eie sehr verschiedene Schichtungsbilder erhalten kann, je nachdem man Schnitte durch die Mitte des Eies oder durch peripherische Theile legt. Endlich sei erwähnt, dass ich bei emem Ei — deutlich liess es sich nicht ent- scheiden — ein Bild erhielt, welches darauf hinzudeuten schien, dass nicht alle Schichten den feinkörnigen Keimpol erreichten, sondern einige derselben unterhalb der Keimschicht durchzogen. Aehnliche Bilder kann man bekommen beim Schneiden durch seitliche Theile der Keimschicht. Es wird mir wohl der Einwand gemacht werden, dass die Zu- sammengehörigkeit der verschieden gelegenen und verschieden ge- stalteten Gebilde, denen ich den Namen Dotterheerd gegeben habe, gar nicht erwiesen sei. Ich glaube nun aber, dass alle diejenigen Formen, in deren Begleitung der fragliche „Kern“ auftritt, unbe- dingt zusammen gestellt werden dürfen. Da nun aber diese sicher- lich zusaınmengehörenden Gebilde in Form und Lage ausserordentlich variieren, so scheint mir kein Grund vorhanden, die andern Körner- und Plasma-Ansammlungen, denen der „Kern“ abgeht, in eine‘ andere Kategorie unterzuordnen. Nur mit den Fortsätzen unterhalb der Keimschicht dürfte dies wahrscheinlich der Fall sein, da ich zwei- mal neben denselben einen charakteristischen Dotterheerd in denselben Eiern aufgefunden habe und vielleicht immer aufgefunden hätte, wenn ich alle diese Eier in lückenlose Serien zu zerlegen die Zeit gehabt hätte. Zweitens wird mir vielleicht eingeworfen werden, dass das von mir untersuchte und als Dotterheerd mit der Dotterbildung in » Reifung und Furchung des Reptilieneies., 175 Beziehung gebrachte Gebilde vielleicht im Gegentheil einen Heerd der Dotterauflösung darstelle zur Ernährung der Keimschicht oder zu andern unbekannten Zwecken. Es könnten unter Umständen beide Processe ungefähr den gleichen Eindruck machen, das Heran- wachsen kleiner Elemiente zu grossen Körnern und die allmählige regressive Umwandlung grosser Körner in kleine Elemente. Dagegen lässt sich aber erstlich das frühe Auftreten des Heerdes anführen in Eiern, wo von einer Auflösung eben erst gebildeter Dotterkörner nicht die Rede sein kann. Zweitens ist die so sehr wechselnde Lage des Heerdes zu bedenken, der, wenn er etwa dazu dienen sollte, für die Keimschicht Nährmaterial zu bereiten, wohl stets in ihrer Nähe sich befinden müsste. Dazu kommt noch als drittes Moment sein Verschwinden im Eileiter bei der Weiterentwicklung des Eies, wo er doch gerade, wenn er ein Heerd der Dotterauflösung wäre, erst recht in Thätigkeit treten sollte zur Ernährung des Embryos. In Eiern, deren Keimblätter schon ungefähr fertig angelegt sind, habe ich den Heerd noch mehrmals auf Schnitten als helle Stelle im Dotter von blossem Auge gesehen. Untersuchung ergab aber, dass das Plasmanetz mehr oder weniger zerfallen war; die Fäden waren spärlicher geworden; feine Körnchen waren noch in seiner Umgebung vorhanden, aber nicht mehr in so regelmässiger, dichter Anhäufung wie früher. In einem Ei endlich, dessen Embryo schon weit entwickelt war, konnte ich vom Heerde keine Spur mehr finden. Dagegen zeigte hier der Dotter die Eigenthümlichkeit, dass viele seiner Körner sich zu rund- lichen Agglomeraten vereinigt hatten, welche dem Dotter ein auf- fallendes, von den frühern Stadien abweichendes Aussehen verliehen. Ich will noch beifügen, dass ich von einer Einwanderung von Zellen in das Ei (His) zur Bildung des Dotters nichts gesehen habe. Degenerierte und abnorme Eier, wie sie nicht gar selten vor- kommen, verleiten hier leicht zu falschen Schlüssen. Nicht glück- licher war ich in Bezug auf das sogenannte Binnenepithel (Eimer, Clark,°) Klebs?); ich habe in Eierstockseiern und jungen Eiern des Kileiters nicht die Spur davon entdecken können; für ältere Ei- 8) In Agassiz contributions to the natural history of the united States of INKAT, vol. 2, part 3,.1857. i ®) Virchow’s Archiv, 1863. Semper, Arbeiten. VI. 13 176 C. F. SARASIN: leitereier kann ich völlig dem beistimmen, was Ludwig!®) darüber angegeben hat, denn es sind in der That in älteren Eiern des Ovi- ductes rings um den Dotter herum Zellen anzutreffen, die, obschon zur Embryonalbildung gehörend, leicht zu Täuschung Anlass geben können. Es war mir. aufgefallen, dass im Allgemeinen diejenigen Eier des Eileiters, welche schon ziemlich weit entwickelte Embryonen mit pulsierendem Herzen ete. enthielten, grösser waren als die jungen Oviduct- und die reifen Ovarialeier. Darauf hin begann ich die ver- schiedenen Eier zu wägen und fand, dass sie wirklich an Gewicht im Eileiter noch zunehmen, em Resultat, das ich zu meiner Freude in Leuckarts!!) Artikel Zeugung bestätigt fand. Der Inhalt des Eies und die Schalenhaut wurden natürlich getrennt gewogen, um nicht etwa durch die Gewichtszunahme, die aus der Einlagerung von Kalk in die Membran resultiert, getäuscht zu werden. Dabei ergab sich, dass die Schale nur sehr unbedeutend an Schwere wächst, während der Eiinhalt dies sehr merklich thut. Aus ungefähr fünfzig Wägungen folgte, dass im Durchschnitt die Eier im Eileiter vom Beginn der Entwicklung bis zur Ausbildung eines deutlich sich ab- hebenden Embryos etwa um den dritten Theil ihres ursprünglichen Gewichtes wachsen. Einige Ausnahmefälle, die sich dabei ergaben, dürfen wohl auf Rechnung individueller Schwankungen gesetzt werden. Bekanntlich entbehren die Eier der Eidechse des äussern, den Dotter umhüllenden Eiweisses. Leuckart glaubt nun, dass hier das Ei- weiss statt aussen auf dem Dotter sich abzulagern, in den Dotter selbst zwischen seine Körner aufgenommen werde. Es lässt sich nun in der That zwischen den peripherischen Dotterkörnern von Eileiter- eiern etwas fein granulierte Masse stellenweise erkennen. Immer- hin scheint mir diese Zwischensubstanz zu spärlich, um eine merk- liche Gewichtsvermehrung zu bewirken; auch könnte sie ebensowohl dem Ei schon angehörendes Protoplasma als eingewandertes Eiweiss sein, da das Aussehen völlig mit dem von Plasma übereinstimmt. Ich halte sogar letzteres für wahrscheinlicher. Es schien mir da- gegen öfters, als ob die Dotterkörner der Peripherie in Eileitereiern grösser seien als in reifen Ovareiern, und ebenso könnten vielleicht 10) Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg, Bd. 1. 1874. 11) Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie, 1853. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 177 auch noch Körnchen des Dotterheerdes durch die eindringende Nähr- flüssigkeit weiter quellen und schwerer werden. Auch Clark und Agassiz beschreiben bei der Schildkröte die Dotterkörner im Ei- leiter als in gewissem Sinne wachsend, indem ihre Mesoblasten — die genannten Autoren benennen höchst unnöthiger Weise die ein- zelnen Theile eines Dotterkornes von aussen nach innen Ecto-, Meso-, Ento- und Entosthoblast — enorm an Grösse zunehmen und sich theilen, und die Entoblasten sich stark vermehren sollen. End- lich könnte auch einfach in das Ei, wenn es dem Drucke des elas- tischen Follikels entronnen ist, eine grössere Menge Nährflüssigkeit, als früher möglich gewesen, eindringen und so eine Grössen- und Gewichts-Zunahme bewirken. Sei dem nun, wie ihm wolle, so steht doch jedenfalls die Thatsache fest, dass das Eidechsenei nicht wie ein fremder Körper im Eileiter der Mutter verweilt, sondern noch aus dem mütterlichen Organismus zu seiner Ernährung dienende Stoffe bezieht. K. E. v. Baer!?) hatte bei viviparen Reptilien, deren Eier nur eine dünne Schale besitzen, dieselben im Eileiter an Grösse auffallend zunehmen und selbst die Blutgefässe in dem Ovi- ducte der Vipern während des Aufenthaltes der Eier sich vermehren gesehen. Bei den Eier legenden Reptilien aber hielt er eine Er- nährung der dieken Schale halber für unmöglich. Wahrscheinlich findet auch die hauptsächlichste Ernährung statt, während die Schale noch ziemlich weich ist. Zu derselben Ansicht wie K. E. v. Baer kam auch Rathke!?), welcher daher eine alte Angabe von Em- mert and Hochstetter über Zunahme von Eidechseneiern im Eileiter bestreitet. Die Notiz der zwei genannten Forscher konnte ich nicht finden. Baudrimont und St. Ange!*) endlich nehmen eine Zufuhr sauerstoffreicher Nährflüssigkeit zum Eileiterei der Schlangen an. Wenn wir das Eidechsenei mit dem viel beschriebenen Vogelei vergleichen, so muss uns vor Allem auffallen, dass das letztere eine ausserordentlich viel grössere Constanz in semem Baue aufweist. Ohne Ausnahme schildern alle Autoren, die das reife Vogelei be- arbeitet haben, in seinem Innern die bekannte weisse Dotterhöhle, 12) Entwicklungsgeschichte der Thiere, 1828. 13) Entwicklungsgeschichte der Natter, 1839. 4) In Mem, presentes par div. Savants & l’Acad. des Sciences, t. 11, 1851. 15* 178 ©. F. SARASIN: welche durch einen Stiel, der ebenfalls aus weisser Dottersubstanz besteht, mit der Umgebung der an der Oberfläche des Eies liegen- den Keimschicht zusammenhängt. Ebenso stimmen alle Autoren darin überein, dass um die Dotterhöhle und den Stiel eine Anzahl von Dotterschichten concentrisch angeordnet sind. Ueber den Ver- lauf derselben besitzen wir allerdings zwei sehr abweichende Sche- mata. Während nämlich v. Kölliker'?) ein Bild giebt, nach welchem die Dotterschichten die Dotterhöhle und den Stiel umkreisend, unter- halb der Keimschicht durchziehen und sich hier wiederum central- wärts gegen den Stiel zurückbiegen, hat Balfour!%) in seinem embryologischen Werke an Allen Thomson!’) und die meisten andern Autoren sich anschliessend, ein völlig differentes Schema gezeichnet. Hier umschliessen allerdings die Schichten ebenfalls die Latebra und den Stiel, allein sie ziehen nicht unterhalb der Keim- . schicht durch, sondern streben direct nach der Peripherie des Dotters und enden hier, ohne sich ringförmig geschlossen zu haben. Ihre oberen Enden lassen sich bei der Oberflächenansicht des Eies als kreisförmige Linien (halones) in der Umgebung der Keimschicht erkennen. Ich habe zur Vergleichung mit dem Eidechseneie einige Dotter reifer Ovarialeier des Wellensittichs in Serien zerlegt. Dotterhöhle und Stiel fanden sich sehr schön ausgebildet, aber die Schichten nur ziemlich schwach ausgeprägt. Soviel liess sich aber dennoch erkennen, dass von einer Zurückbiegung der Schichten (Köllikers Schema) nicht die Rede sein konnte; aber ich habe darüber nicht ganz klar werden können, ob die Dotterschichten wirklich Halonen bildend an der Oberfläche des Eies enden, oder ob sie nicht vielleicht wie beim Eidechsenei sich in die Keimschicht hinein verfolgen lassen. Auf denjenigen Schnitten, welche nicht mehr die Verbindung der latebra mit der Keimschicht getroffen hatten, son- dern nur noch die seitlichen Theile der Dotterhöhle berührten, war es ungemein deutlich zu sehen, dass einige Dotterschichten, genau die Form der Dotterhöhle inne haltend, concentrisch um sie an- geordnet waren. Dotterhöhle und Stiel enthalten in ihrem Innern 15) Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höhern Thiere, 1879. 1°) Handbuch der vergl. Embryologie, 1881. ) „Ovum“ in Todd. Cyelop. of Anatomy and Physiology, vol. 5, 1859. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 179 Massen feiner Körner und mehr nach aussen gegen den gelben Dotter hin bekanntlich grössere Bläschen. Die Körner des Stieles sehen unmittelbar über in die Elemente der Keimschicht (confer Gegenbaur!®), so dass dieselbe also auch beim Papagei in innigster Verbindung mit dem übrigen Eie steht. Die kleinsten Körnerformen der Dotterhöhle und des Stieles sind in keiner Weise von denjenigen des Keimpoles zu unterscheiden. Nur entbehrt der letztere der srösseren Bläschen, welche im weissen Dotter reichlich vorhanden sind. Es ist schon von vielen Autoren darauf hingewiesen worden, dass die weissen Elemente der latebra nach aussen übergehen in die gelben Dotterkörner, und Leuckart sagt ausdrücklich, dass der gelbe Dotter schichtenweise von innen nach aussen geliefert werde. Es stimmt damit selbstredend die Abhängigkeit der Schichten- form von der weissen Dotterhöhle überein, und ferner stimmt damit die Angabe von His!?), nach welcher die weisse Dotterhöhle in kleineren Eiern grösser ist als in reifen, ein Verhältniss, welches mir unverträglich erscheint mit der auch schon ausgesprochenen Meinung, dass die Dotterhöhle umgekehrt eine imnere Erweichung der Dottermasse darstelle; eine solche würde wohl eher mit der Ei- reife an Umfang zu- als abnehmen. Auf das Eidechsenei zurückgreifend glaube ich nun die Ver- muthung wohl aussprechen zu dürfen, dass der weissen Dotterhöhle des Vogeleies bei unserem Reptil diejenige Bildung an die Seite zu stellen sei, welche ich als Dotterheerd bezeichnet habe. Die Analogien brauche ich wohl nicht mehr hervorzuheben; sie gehen aus dem vorher gesagten deutlich genug hervor. Ich will es aber nicht unterlassen, auf die Verschiedenheiten zwischen beiden Bildungen aufmerksam zu machen, Verschiedenheiten, welche mir verbieten, meine Ansicht etwa zu einer sicheren Behauptung zu erheben. Einerseits nämlich fehlt der Dotterhöhle der Vögel, so viel mir be- kannt, das Protoplasmanetz des Eidechsendotterheerdes, und anderer- seits variiert die Lage des Dotterheerdes, wie ich oben ausgeführt habe, beträchtlich, während der weisse Vogeldotter nie seinen ge- wöhnlichen Platz zu ändern scheint. Es kann allerdings der Eidechsen- dotterheerd unter der Mitte des Keimpols liegen wie dieser, aber er 18) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1861. 19) Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes, 1868. 180 C. F. SARASIN: thut es nicht immer, und ich bin natürlich völlig ausser Stande, für eine solche Variabilität irgend eine Erklärung zu geben. Wenn man aber bedenkt, wie wenige Vögel- und Reptilien-Species bis jetzt auf diese Verhältnisse überhaupt untersucht worden sind, so darf man diesen Differenzen einen allzu hohen Werth nicht bei- legen; denn es könnte leicht gelingen, bei weiterer Forschung ver- bindende Glieder zu finden. Ich habe dem Dotterheerd, den ich doch für ein Analoson des weissen Dotters der Vögel ansehe, den Namen „weisser Dotter“ nicht beigelegt, weil ich denselben eigentlich für einen unglücklich gewählten halte. Es führen nämlich die Bezeichnungen „weisser und gelber Dotter* leicht zu der irrigen Vorstellung, dass es sich um zwei qualitativ verschiedene Dotterarten handle, während doch der eine, der weisse, nur die Vorstufe des andern, des gelben, darstellt (conf. auch Disse, Arch. f. mikr. Anat. XV. u. XVI.). Wenn wir die Fig. 1 oder 2 ansehen, so ergiebt sich sofort, dass beim Reptilienei auch zwei weitere Namen nicht angewandt werden dürfen, nämlich die Bezeichnungen „Nahrungs- und Bildungs-Dotter*. Wir haben ja gesehen, dass die Dotterschichten nirgends eine Unterbrechung er- leiden, und dass bloss die Grösse ihrer Körner in der Nähe des- jenigen Poles sich ändert, wo das meiste Plasma angehäuft ist, also des Keimpols, wie ich ihn mit Waldeyer und Andern nenne. Da nun aber die Körner des Keimpoles denselben Schichten an- gehören wie diejenigen des übrigen Dotters, so ist es doch gewiss unstatthaft, dieselben bloss weil sie kleiner geworden und in reich- licherem Plasma als im übrigen Ei eingelagert sind, mit einem andern Namen zu belegen. Es müssen meiner Ansicht nach über- haupt alle Bezeichnungen vermieden werden, welche Theile des Eies scharf von einander scheiden und die Anschauung von der Einheit der ganzen Eizelle verwirren könnten. Daher drücken auch die Namen von His: „Haupt- und Nebendotter“ (Archi- und Para- lecith) einen Unterschied aus, der in dieser Schärfe nur Geltung haben kann, wenn man die Anschauung von His theilt, dass die Dotterkugeln von Aussen eingewanderte Zellen sind und nicht eine endogene Bildung des Eies darstellen. Es lässt sich zwischen beiden Dotterarten eben keine scharfe Grenze ziehen, weil die Unterschiede nur quantitativer Natur sind. Das Protoplasma, welches an einer Stelle des Eies besonders reichlich angehäuft als Archilecith he- Reifung und Furchung des Reptilieneies. 181 zeichnet wird, ist dasselbe Protoplasma, welches wir, allerdings in nicht so grosser Masse, auch im übrigen Eie angetroffen haben, und die Körner des Hauptdotters sind, wie bereits mehrmals gesagt, im engsten Zusammenhang mit den andern Dotterelementen. Auch werden wir weiter unten sehen, dass die Furchung über den „Haupt- dotter“ hinaus auch in den „Nebendotter“ übergreif. Die Angabe von His, dass die Keimscheibe des Vogeleies nicht nothwendiger- weise schon im Ovarıum mit Körnern sich erfüllen müsse, sondern auch erst im Eileiter sieh mit Dotterelementen belasten könne, hat für das Eidechsenei entschieden keine Geltung. Die Schichtung des Keimpols spricht deutlich genug dafür, dass derselbe in keinem Stadium von der Dotterbildung ausgeschlossen ist. Allerdings bleiben in dem reichlichen Protoplasma, das schon frühe an einem Pole des Eies sich anzuhäufen beginnt, die Körner kleiner als in den plasmaarmen oder plasmalosen Theilen, wahrscheinlich weil die Ernährungsverhältnisse andere sind. Das Richtigste scheint mir E. v. Beneden?°) getroffen zu haben mit seinen Namen: „Proto- plasma und Deutoplasma“. Erstlich wird hierdurch das Verhältniss der beiden Substanzen treffend bezeichnet: das Protoplasma, der ursprüngliche Inhalt der Eizelle, das Deutoplasma, das in derselben eingelagerte Nährmaterial. Zweitens bieten diese Benennungen den srossen Vortheil, dass sie der Einheit des ganzen Eies gerecht werden und nicht in der Eizelle lokale Unterscheidungen einführen wie die oben besprochenen Namen. Es ist Gegenbaurs grosses Verdienst, durch seine vortreffliche Arbeit „über den Bau und die Entwicklung der Wirbelthiereier mit partieller Dottertheilung“ (s. Anm. 18) der Auffassung von der Einheit des Eies eine mächtige Stütze gegeben zu haben, indem er nach- wies, dass die Dotterkörner nicht Erzeugnisse des Follikels sind, sondern im Innern des Eies selbst aus den kleinsten Granulis heran- wachsen. An Gegenbaur haben sich sekr viele spätere Autoren im Grossen und Ganzen angeschlossen, natürlich abgesehen von der direet entgegenstehenden Lehre von His, kleinerer Modificationen nicht zu gedenken. Für die Reptilien hat Eimer neben der Gegenbaur’schen Dotterbildung noch eine zweite aufgestellt, die nur im Centrum des 20) Recherches sur la comp. et la sign. de l’oeuf. in Mem, cour, de l’Acad. roy. de Belg. t. 33, 1865—67. 182 C. F. SARASIN: Eies arbeiten und von hier aus ihre Producte durch das Ei ver- breiten soll. Eimer sah im Centrum kleiner Eier (0,4 mm) von Lacerta viridis einen kugeligen Körper und in seinem Umkreis einige sehr kleine, zarte, helle Bläschen; er hält denselben für eine frühe Entwicklungsstufe des bei andern Thieren gefundenen Dotter- kerns. Später bildet sich im Uentrum des Eies um den Kern eine helle Masse und darum eine ebenfalls homogene, sich dunkler fär- bende, dieke Schale; es wächst der Kern; ein zweiter kann neben ihm entstehen; beide haben einen Mantel aus feinen Fettkörnchen, welche auch im ganzen Ei-Inhalt zerstreut zu finden’ sind; es wächst auch die helle Centralmasse; die dunkle Schale wird mehr nach aussen gedrängt und die centrale Dottermasse zerklüftet sich in un- regelmässige und ungleich grosse Stücke, die sich durch das ganze Ei verbreiten und sogar aus demselben austreten sollen. Eimer nennt sie Dotterschorfe oder Dotterkrumen. Dieselben mischen sich dem übrigen, auf die Gegenbaur’sche Weise gebildeten, Dotter bei. Wenn sich diese Beobachtungen Eimers bestätigen sollten, so würde sich ein ausserordentlich merkwürdiger Gegensatz zwischen Lacerta viridis und Lacerta agilis, meinem Untersuchungsobjecte, ergeben; denn meine Befunde stimmen mit denen Eimers in keiner Weise überein. Eier der grünen Eidechse bekam ich nicht zu sehen. Eher lässt sich der Dotterkern, den Eimer im Eie der Ringelnatter als eine im Centrum liegende, feinkörnige Masse von oft beträcht- licher Grösse beschreibt, mit meinem Dotterheerd vergleichen. Die unregelmässigen Dotterschorfe dürften übrigens kaum als normal anzusehen sein. Es bleibt mir nun noch übrig, in der Litteratur mich umzu- schauen nach Bildungen, die etwa der oben beschriebenen kern- artigen Einlagerung des Protoplasmanetzes entsprechen könnten. Beinahe in allen Thierelassen sind sogenannte Dotterkerne oder Dottereoneremente (Hertwig?!) beschrieben worden, und beinahe ohne Ausnahme folgt der Beschreibung das Bekenntniss auf dem Fusse nach, dass die Function derselben eine völlig räthselhafte sei. Am zahlreichsten findet sich die Ansicht vertreten, dass der Dotter- kern mit der Dotterbildung in Verbindung stehe. In diesem Falle würde er dann eher dem Dotterheerd der Eidechse, also dem weissen 2!) Morph. Jahrbuch, Bd. 3. En Reifung und Furchung des Reptilieneies. 183 Dotter des Vogeleies entsprechen, als dem „Kern“ meines Proto- plasmanetzes, welcher mit der Dotterbildung sicherlich nichts zu thun hat, sondern im Gegentheil vom Dotter allseitig durch Plasma- fäden getrennt ist. Balbiani?”), der sich viel mit dem Dotter- kerne abgegeben hat, lässt ihn eigenthümlicher Weise als eine vollständige Zelle (cellule oder vesicule embryogene nach Milne Edwards) vom Follikel her in das Ei einwandern und um dieselbe herum dann den Bildungsdotter entstehen. Bei den auf partheno- genetischem Wege sich entwickelnden Aphiden soll diese Zelle sogar als eine Art Samenzelle wirken und die Embryonalentwicklung einleiten. Wiederum nach andern Autoren hat der Dotterkern gar keinen Werth und stellt bloss eine mehr oder weniger zufällige und in- eonstante Ansammlung von Nährsubstanzen dar. Ich möchte dieser letzteren Ansicht so wenig wie derjenigen von Balbiani beistimmen und zwar hauptsächlich desshalb, weil uns die interessanten Entdeckungen Bütschlis an Infusorien in der Deutung solcher kernartiger Gebilde zu äusserster Vorsicht mahnen. Neuerdings hat Rein?) in Eierstockseiern von Kaninchen zweimal zugleich mit dem peripherisch gelegenen Keimbläschen einen Kern entdeckt, der mit dem meinen Aehnlichkeit zu haben scheint; Rein vermuthet aber in demselben den Eikern, was für mein Ge- bilde aus oben schon angeführten Gründen nicht statthaft ist. Von den Kernen, welche Gegenbaur (s. Anm. 18) im jungen Ei des Wende- halses, Cramer**) in solehen vom Hühnchen gefunden und mit der Dotterbildung in wahrscheinlichen Zusammenhang gebracht haben, hält es Waldeyer, und vielleicht mit Recht, für möglich, dass diese Gebilde bloss weisse Dotterhöhlen seien, deren Verbindungsstiele zur Peripherie des Eies auf den betreffenden Schnitten nicht zu sehen gewesen wären. Auch Coste®) hat den Dotterkern, den er beim Hühnchen fand, mit der latebra in Zusammenhang ge- bracht. Balbiani sah ihn ebenfalls bei Vögeln, ist aber anderer Meinung. 2) Lecons sur la generation des Vertebres, 1879. 23) Archiv für mikr. Anatomie, 1883. 22) Verhandlungen der Würzb. phys. med. Ges. N. F., 1 Bd. ?5) Hist. gen. et part. du developpement des corps. org. Paris 1847—49. 184 C. F. SARASIN: Ich würde gerne die verschiedenen Formen der vielen be- schriebenen Dotterkerne übersichtlich zusammenstellen, wenn dies nicht erst neuerdings von Schütz und schon früher von Balbiani geschehen wäre. Ich begnüge mich daher damit, kurz die Thier- classen anzuführen, bei welchen solche Bildungen vorkommen. Bis jetzt sind es, so weit mir bekannt, die Säugethiere, Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische, verschiedene Insecten, viele Spinnen, Myriapoden, Krebse, einige wenige Schnecken und Muscheln. Für alles Nähere verweise ich auf die Arbeiten von Balbiani, v. Bambeke, Bertkau, Burmeister, Bütschli, Carus, Coste, F. Cramer, H. Cramer, Eimer, Flemming, Gegenbaur, O. Hertwig, v. Ihering, Lere- boullet, Leuckart, Ludwig, v. Leydig, Reichenbach, Rein, Schütz, v. Siebold, Allen Thomson, Valaoritis, v. Wittich ete. 2. Geschichte des Keimbläschens. Die Beschreibung, welche Eimer vom Keimbläschen junger Eier«der grünen Eidechse gegeben hat, stimmt auch für Lacerta agilis. In Eiern von 1 mm Durchmesser zeigt das rundliche meist etwas excentrisch gelegene Keimbläschen in seiner Mitte eine An- sammlung feiner, glänzender, dunkler Körner und darum mehrere concentrische Kreise grösserer Elemente derselben Art, die endlich unmittelbar unter der feinen Bläschenmembran wieder von Kreisen kleinerer «Körnchen begrenzt sind. Selbst die centrale Körner- anhäufung kann wiederum einen helleren, äusserst feinkörnigen Raum einschliessen. Uebrigens bemerke ich, dass die geschilderte regel- mässige Anordnung oft mehr oder weniger starke Störungen erleiden, ja dass selbst völlige Regellosigkeit herrschen kann. In andern Fällen nimmt bloss ein rundes, scharf umschriebenes Häufchen von grössern Körnern die Mitte des Keimbläschens ein, und die concentrischen Kreise fehlen. In nur um weniges älteren Keim- bläschen hat sich die Zahl der grösseren Körner bedeutend ver- ringert, die der kleinern aber, wohl durch Zerfall der ersteren stark vermehrt, und je näher das Keimbläschen seiner Reife ist, um so feiner wird auch sein Inhalt, bis endlich keine Spur von gröberen Körnern mehr sichtbar ist. Ich stehe nicht an, dieselben als Keim- Reifung und Furchung des Reptilieneies. 185 flecke zu deuten, zumal schon in Eiern verschiedener Thiere ein solcher Zerfall der Keimflecke bei herannahender Reife gefunden worden ist, glaube aber, dass Gegenbaur vollständig Recht hat, wenn er diesen so veränderlichen und selbst inconstanten Gebilden — der genannte Forscher suchte sie bei Coluber vergebens — keine Wichtigkeit beimisst. Gegenbaur sieht übrigens nur die wandstän- digen Körner als eigentliche Keimflecke an und die Gebilde des Innern als blosse Inhaltsumwandlungen. Ich bemerke hiegegen, dass alle Formen durch Uebergänge verbunden sind. In Eiern von ce. 3 mm liegt das rundliche oder länglich ovale Keimbläschen schon nahe an der Peripherie des Eies, aber auch in solchen, deren Durchmesser c.d mm beträgt, ist es noch durch eine mehr oder weniger schmale Lage feinkörniger Substanz von der Oberfläche des Dotters ge- schieden. Es lässt sich übrigens eine bestimmte Eigrösse für diese Verhältnisse nicht angeben; es kommen nicht ganz unbeträchtliche Schwankungen vor, und die hier genannten Maasse haben daher keinen absoluten Werth. Verschwindend dünn wird die das Keim- bläschen von der Eihaut trennende Schicht in Eiern, die ihrer Reife entgegen gehen; in diesen ist die Form des Keimbläschens auf Durch- schnitten annähernd die eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen abgerundete Basis der Eiperipherie zusieht, und dessen Spitze centralwärts gerichtet ist (Fig. 14). Durch die Einwirkung der Reagentien hat sich der Keimbläscheninhalt etwas eontrahiert. Wenig später hat das Keimbläschen die Eisberfläche völlig erreicht; aus der stark konischen Form ist es nun in eine mehr ovale und weniger tiefe übergegangen (Fig. 15); doch verschmälert es sich immer noch gegen das Eicentrum hin zu einem stumpfen Vorsprung; die feine Keimbläschenmembran hebt sich an einzelnen Stellen vom Inhalt ab. Ein dieser Form völlig entsprechendes Bild hat His (s. Anm. 19) vom Hühnchen gegeben und ebenso Oellacher °) ein dieses Stadium versinnlichendes Schema in seinen Beiträgen zur Geschichte des Keimbläschens im Wirbelthierei. An demselben Orte und schon in einer frühern Arbeit?’) erwähnt Oellacher einer Form des Hühnerkeimbläschens, die er als Rotationskörper oder als trapez- 26) Archiv für mikr. Anatomie, Bd. 8, 1872. °7) Untersuchungen über die Furchung und Blätterbildung im Hühnerei, in Stud, aus dem Institut für exp. Pathologie in Wien, 1869, I, 186 C. F. SARASIN: ähnliche Figur beschreibt. Mit ihrer obern convexen Fläche soll dieselbe der Dotterhaut anliegen, mit ihrer untern, bedeutend kleinern, auf einer rundlichen Höhle ruhen. Ein ähnliches Bild habe ich trotz vielen Suchens nur ein einziges Mal erhalten können und zwar in emem Ei, das starke Spuren künstlicher Veränderung an sich trug; auch das Keimbläschen selbst, welches in annähernder Trapezform über einem Hohlraum ausgespannt war, zeigte in seinem Inhalt beträchtliche Modificationen, und seine Begrenzung war hyalin geronnen. Ich zweifle daher nicht daran, dass, wie auch His schon vermuthet hat, Oellachers Bild, zumal die unter dem Bläschen gezeichnete Höhle, auf irgend einer durch Reagentien hervorgerufenen Täuschung beruht. Eimer beschreibt für das Keimbläschen der Natter eine dicke, aus Körnchen zusammengebackene Hülle mit radiärer Streifung. Auch beim Eidechseneie habe ich ein Mal etwas ähnliches gefunden, halte es aber auch nicht für normal, sondern ebenfalls für ein Produet der Reagentien. Die einzige Hülle des Eidechsen-Keim- bläschens ist vielmehr eine feine Membran, die schon in dem Stadium, zu welchem ich nun übergehe, nicht mehr zu sehen ist (Fig. 16). Hier‘ in einem, der Grösse nach zu schliessen, ungefähr reifen Ovarei ist das Oval des Keimbläschens zu einer flacheren, der Eihaut anliegenden Scheibe geworden. Trotz des Fehlens der Mem- bran ist der Contour des Inhaltes immer noch eine scharfe Linie. Ich bemerke gleich noch, dass der Maassstab, der die Figur 18 be- gleitet, für alle Keimbläschenbilder ausser für Fig. 19 gilt. Zwischen dem letztbeschriebenen Stadium und dem nächsten, welches ich von der Eidechse besitze, ist ein ziemlich bedeutender Abstand. Ich schiebe daher, um diese Lücke auszufüllen, ein Bild ein, das ich vom Wellensittich erhalten habe. Durch Aufopfern mehrerer dieser Thiere bekam ich ein Ovarialei in die Hände, welches mir für die Geschichte des Keimbläschens wichtige Aufschlüsse gab. Dieses Ei war noch nicht völlig reif; sein Durchmesser betrug nur 6!/), mm, während ausgewachsene Eier etwa 8$mm messen. Das membranlose Keimbläschen lag der Dotterhaut dicht an, begann sich gegen dieselbe abzuplatten und von der Mitte aus mit seinen peri- pherischen Theilen sich allseitig über die Keimschicht auszubreiten (Fig. 17). Die Mitte stellte einen ziemlich unregelmässigen Klumpen Reifung und Furchung des Reptilieneies, 187 dar; die peripherischen, den Keimpol überlagernden Theile endeten an der Eihaut mit zugeschärftem Rande. Der Inhalt des Bläschens — ich gebrauche diesen Namen weiter, obschon er natürlich nicht mehr passt — war äusserst feinkörnig, beimahe homogen; nur in der Mitte, nicht weit unter der Eihaut lag ein rundliches Häufchen grösserer glänzender Körner, die wohl noch als Keimflecke an- sesehen werden müssen. Während Kupfer und Benecke”*) das Keimbläschen des Eidechseneies vor dem Eintritt in den Eileiter schwinden lassen, und nach Eimer das Reptilienei sogar den Haupttheil seines Wachs- thumes erst nach Verlust des Keimbläschens im Eierstock durch- machen soll, bin ich zu vollständig anderen Resultaten gekommen. In einem Eileiter fand ich eine Anzahl von Eiern, deren weiche und _ durehscheinende Hülle keinen Zweifel liess, dass dieselben erst vor kurzer Zeit das Ovarıum mit dem Eileiter vertauscht hatten. Diese Eier gaben mir nun auch Ausschluss über das endliche Schicksal des Keimbläschens. In einem derselben fand ich ein Bild, welches sich an das oben vom Papagei beschriebene Verhalten unmittelbar anschliesst (Fig. 18). Die Ausbreitung des Keimbläschens, welche wir dort in ihren ersten Anfängen getroffen hatten, ist hier weiter sediehen. Es bedeckt dasselbe als dünne Lage den grössten Theil des feinkörnigen Keimpols. In den peripherischen Theilen läuft es ausserordentlich dünn aus; gegen die Mitte hin verdickt sich die Lage mehr und mehr, und an der Stelle selbst, wo früher das voll- ständige Keimbläschen seinen Platz hatte, liegt noch eine grössere, nicht mehr regelmässige Ansammlung feiner Bläschensubstanz, die aber doch noch im Allgemeinen die Form des früheren Keimbläschens beibehalten hat. Die den Keimpol bedeckende Schicht ist nicht überall gleichmässig vertheilt; an mehreren Stellen zeigt sie unregel- mässige Anschwellunger, an andern wieder ist sie stark verdünnt. Besonders an einer Stelle (auf dem von mir gezeichneten Schnitte nicht sichtbar) in der Nähe der centralen Ansammlung bemerkte ich eine starke Verdickung der Keimbläschenlage, und bei genauerem Zusehen liess sich erkennen, dass an diesem Orte eine Furche sich zu bilden begann, welche auch die Keimbläschen-Schicht zu durch- schneiden schien. Die Substanz des Keimbläschens war von feiner 8) Die ersten Entwieklungsvorgänge am Ei der Reptilien, 188° C. F. SARASIR: fädiger Structur wie eine zähe ausgezogene Masse; daneben enthielt sie auch helle Bläschen. In den peripherischen, ausgebreiteten Partieen war das Keimbläschen durch eine ziemlich scharfe Linie vom Dotter getrennt; in der Mitte aber war absolut keine Trennungs- linie mehr zu erkennen. Beide, Keimbläschen und Dotter, giengen hier unmittelbar. in einander über; ja es liessen sich sogar Streifen feiner Keimbläschenmasse weit in die darunter liegende Keimschicht verfolgen. Es ist also kaum zu bezweifeln, dass hier Theile des Keimbläschens wieder in den Dotter aufgenommen werden. Noch deutlicher zeigten sich alle diese Verhältnisse in einer zweiten Serie durch ein anderes Ei aus demselben Eileiter wie das eben geschilderte.e Es war dasselbe in seiner Entwicklung etwas weiter vorgeschritten als das letzte; die Furche, deren Entstehen ich bei diesem erwähnt hatte, ist bei jenem tiefer geworden; die Keimbläschenlage ist gleichmässiger vertheilt, und ihr mittlerer dicker Theil, der die Stelle des vollständigen Keimbläschens ein- senommen hatte, ist verschwunden. Besonders hervorzuheben ist das Verhältniss des Keimbläschens zu der genannten Furche; Fig. 19, bei stärkerer Vergrösserung als die andern Bilder gezeichnet, soll eine-Vorstellung davon geben. So weit die Furche in den Dotter hineinschneidet, so weit senkt sich auch die Keimbläschenlage ein, am Grunde der Furche spitz endend. Die ganze Oberfläche der Keimschicht, zum Theil auch die Partieen, welche die Furche seitlich begrenzen, sind ausserordentlich protoplasmareich. Bei starker Ver- grösserung lässt sich diese Plasmaschicht in eine Anzahl feiner Fäden auflösen, welche die Keimbläschenlage mit dem Dotter ver- binden, oder vielleicht auch Theile des Keimbläschens darstellen, die vom Dotter wieder aufgenommen werden. Für Letzteres spricht auch der Umstand, dass die Keimbläschenschicht bereits dünner geworden ist, als sie im vorigen Stadium war, und es mag ferner zur Rechtfertigung der Vermuthung, dass die genannten Fäden eine Auflösung des Keimbläschens andeuten, die Beobachtung dienen, dass sich auch ausserhalb der noch consistenteren Keimbläschenlage, also zwischen ihr und der Eihaut, ein Netzwerk durchaus gleicher farbloser Fäden und manchmal stärker gefärbte Körnchenhaufen dazwischen erkennen lassen. In derselben Serie fand ich an einer ziemlich stark excentrisch gelegenen Stelle wieder eine Ansammlung von Keimbläschensubstanz, und auch hier schien sich, wie in dem Reifung und Furchung des Reptilieneies. 189 schon oben angeführten Falle eine Furche bilden zu wollen. Ich wage es nicht, den Sinn dieser Verknüpfung zweier Thatsachen zu deuten. Zwei weitere Serien durch Eier desselben Eileiters be- stätigten bloss die angegebenen Daten. Mit zunehmendem Alter des Eies wird die Keimbläschenlage zusehends dünner; es lässt sich aber oft noch in Furchungsstadien wie das in Fig. 20 gezeichnete, beim Schneiden eine membranartige Lage von der Oberfläche der Furchungssegmente und aus der Tiefe der Furchen loslösen. Ich muss es aber natürlich unentschieden lassen, ob diese Lage dem Keimbläschen ihren Ursprung verdankt oder einfach eine Differenzierung der freien Fläche der Furchungs- kugeln darstellt. Jedenfalls ist so viel sicher, dass sich die Keim- bläschenschicht mehr und mehr verdünnt und endlich verschwindet. Wie viel vom Keimbläschen zu weiterer Verwendung in den Dotter wieder aufgenommen wird und wie viel als unbrauchbar entfernt werden mag, wird kaum je zu entscheiden sein. Ich habe mit besonderer Aufmerksamkeit die Frage verfolgt, ob ein morphologischer Theil des Keimbläschens in irgend ein späteres Kerngebilde übergeht oder nicht; doch bin ich nie im Stande gewesen, das Zurückbleiben irgend eines Theils im Dotter zu beobachten oder etwa gar eine Theilung des Keimbläschens selbst zu verfolgen. Nur in einem Falle, nämlich in dem vom Papagei geschilderten Eie, bemerkte ich, wie ich es in Fig. 17 angegeben habe, ein Stück weit unterhalb des sich ausbreitenden Keimbläschens eine .rundliche Masse feiner Substanz, die dem Inhalt desselben etwas ähnlich sah. Da aber solche Ansammlungen feiner Körner auch sonst vorkommen, und. ein Zusammenhang mit dem Keimbläschen nicht nachzuweisen war, zudem die jungen Kerne der Furchungs- kugeln, wie ich später zeigen werde, von ganz anderer Form und Consistenz sind, so glaube ich entschieden dieser Bildung keine weitere Bedeutung zuschreiben zu sollen. Das Auftreten der Kerne selber spricht ebenfalls sehr gegen eine directe Abstammung der- selben vom Keimbläschen. Wenn es nun auch nicht zulässig erscheint, die Kerne von einem morphologischen Theile des Bläschens herzuleiten, so ist darum die Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen, dass sie dennoch aus Keimbläschensubstanz sich bilden; denn wir haben ja gesehen, dass 190 C. F. SARASIN: dieselbe sich überall dem Keimpol beimischt, ihn gleichsam mit Kernsubstanz durchtränkend. Ich habe auch auf einen Spermakern fruchtlos gefahndet; doch ist es immerhin leicht möglich, dass ein so zartes Gebilde in dem körnerreichen Dotter der Beobachtung sich entzogen hat. Mehr als Curiosum bemerke ich endlich, dass ich auch ein fast reifes Ovarei mit zwei Keimbläschen gefunden habe, von denen das eine in völlig normaler Form das Centrum der Keimschicht inne hatte, während das andere, etwas abnorme und excentrisch in der Keimschicht gelegene, eben anfıeng sich auszubreiten. .Fassen wir, bevor wir an die Besprechung der einschlägigen Litteratur gehen, die gewonnenen Resultate kurz noch einmal zu- sammen, so hat sich für das Reptilienei folgendes ergeben: Das Keimbläschen rückt an die Peripherie, geht hier aus der rundlichen Form durch eine mehr konische in eine ovale über, plattet sich ab, beginnt mit seinen Rändern über die Keimschicht sich auszubreiten — dieses beim Papagei beobachtete Stadium lässt sich unbedingt auf das Reptil übertragen — setzt im Eileiter diese Ausbreitung fort, bis es als schmale Lage die Keimschicht bedeckt, in die ersten Furchen sich einsenkt, immer dünner wird und endlich schwindet. Theile von ihm werden wieder in den Dotter aufgenommen; aus diesen gehen vielleicht die Kerne hervor; kein morphologisches Stück desselben bleibt als Eikern zurück; ein Spermakern wurde nicht gefunden. Das Schicksal des Keimbläschens ist in neuerer Zeit zu einem der beliebtesten Untersuchungsobjecte geworden; aber nichts desto weniger sind wir noch weit davon entfernt, einer einheitlichen Auf- fassung uns freuen zu können, namentlich was den genetischen Zu- sammenhang oder nicht Zusammenhang des Keimbläschens mit den Furchungskernen und die Entstehung von Richtungskörpern betrifft. Noch sind in Bezug auf diese Punkte der Meinungsverschiedenheiten _ zu viele, als dass sich jetzt schon etwas allgemein Giltiges aussagen liesse. Die meisten und vollständigsten Untersuchungen sind an Eiern wirbelloser Thiere vorgenommen worden; es sind die Resultate derselben so allgemein bekannt und so oft schon ver- gleichend zusammen gestellt worden, dass ich hier füglich nicht darauf einzugehen brauche. Ich will dagegen in Kürze einiger der wichtigsten an Wirbelthieren vorgenommener Arbeiten Erwähnung Reifung und Furchung des Reptilieneies. 191 thun, um zu zeigen, wie weit meine oben gegebenen Resultate mit denen anderer Untersuchungen im Einklang oder Gegensatze stehen. Um mit den Reptilien, als mit der uns zunächst angehenden Classe zu beginnen, muss ich hier vor Allem K. E. v. Baer’) an- führen. Derselbe lässt das Eidechsen-Keimbläschen aus der Mitte des Eies an die Peripherie rücken, das stratum granulosum durch- bohren und endlich zwischen Dotterhaut und Dotter an der Stelle, wo das spätere Blastoderm sich bildet, noch im Eierstoek sich un- abhängig von der Befruchtung auflösen. Wie man sieht, stimmt diese Ansicht in den wichtigsten Punkten mit meinen Resultaten überein. Diametral entgegengesetzt steht ©. K. Hoffmanns°°) Vermuthung, nach welcher das Bläschen an die zona sich anlegt, um sich, wie aus Analogie geschlossen wird, in die bekannte Kernspindel umzu- gestalten. Nach Clark entsteht das Keimbläschen im Schildkröten- _ eie peripherisch an der Wand des Eies als Concentration von Ei- weiss-Substanz; daher wird ihm denn auch keine weitere Be- deutung für das Ei zugeschrieben; sein Inhalt kann wieder resorbiert werden zwischen die umgebenden Dotterzellen und Eiweissmassen, wie er durch Concentration derselben auch ent- standen ist. Die peripherische Entstehung glaubt Clark fälschlich auch auf alle anderen Eier übertragen zu können. Auch Leuckart hat die periphere Lage des Keimbläschens lediglich auf einseitige Entwicklung des Dotters geschoben. Gegenbaur und Eimer endlich, welche sorgfältige Beschreibungen des Keimbläschen-Inhalts verschiedener Reptilien geben, lassen das endliche Schicksal un- berührt. Vergl. auch Lereboullets Arbeiten in den Ann. des Se. nat. Reicher schon ist die Litteratur über das Keimbläschen der Vögel. An erster Stelle sind hier neben K. E. v. Baer, der Das- selbe, wie es oben für die Reptilien angegeben wurde, auch für das Hühnchen gelten lässt, drei Autoren zu nennen: R. Wagner, Allen Thomson und Oellacher. Der erstere hat schon in seinem prodromus historiae generationis hominis atque animalium 1836 die Vermuthung ausgesprochen, es möchte vielleicht das Keimbläschen, seine runde Form verlierend, platt werden und mit dem stratum 2) De ovi Mammalium et hominis genesi. Lipsiae 1827. 3) Contribution & l’histoire du d&veloppement des Reptiles, Arch. Neer- land 1882, Semper, Arbeiten. VI. 14 Y 192 6. F. SARASIN: germinativum verschmelzen; dann kam Allen Thomson und be- schrieb das Keimbläschen der reifsten Eierstockseier des Huhnes als ein weiches und abgeplattetes Gebilde, das seinen ‚Inhalt über die Oberfläche der Keimschicht ergiesse und derselben dadurch ein für das Herbeiführen der Embryonalentwicklung sicherlich wichtiges Material beimische. Für ihn ist das Bläschen die primäre Keim- zelle.e Wohl aus Mangel an Abbildungen blieben aber diese An- sichten so ziemlich vergessen, bis Oellachers zwei bekannte und schon oben citierte Arbeiten erschienen. Auf das schon besprochene Stadium des trapezförmigen Keimbläschens lässt Oellacher ein zweites folgen, in welchem dasselbe als flache bieonvexe, auf der untern Seite etwas napfförmig eingedrückte Linse der Dotterhaut anliegt. Er schliesst daraus, gestützt auf seine Erfahrungen am Fisch- eie, allerdings ohne weitere Stadien zu verfolgen, dass das Keim- bläschen hier gerade im Begriffe sei, ausgestossen zu werden. Als Mittel zur Ausstossung nimmt Oellacher, und ich glaube wohl mit Recht, Contractionen des Keims zu Hilfe. Oellacher musste von verschiedenen Seiten Widerspruch erfahren, wohl hauptsächlich dess- halb, weil er seine Behauptungen nur durch wenige beobachtete Stadien stützte. Nach Kölliker verschwindet das Keimbläschen im ' obern Theile des Eileiters spurlos; in Ovarialeiern hat der genannte Autor dasselbe als linsen- oder scheibenförmiges Gebilde der Dotter- haut anliegend beschrieben. Ausser diesen eben ceitierten Forschern sind noch eine ganze Anzahl Anderer zu erwähnen, welche das Vogel- Keimbläschen und seine Keimflecke untersucht haben, so: v. Beneden, Baudrimont et St. Ange, Cramer, Gegenbaur, Hoyer, Klebs, Leuckart, Meckel v. Hemsbach, Schäfer, Waldeyer etc. In seiner berühmten Arbeit über die Entwicklung der Elasmo- branchier hat Balfour (s. Anm. 4) für das Keimbläschen ihrer Eier eine eigenthümliche Ansicht aufgestellt. Er glaubt nämlich, dass nur die dieke Membran desselben aus dem Ei entfernt werde, der Inhalt aber im Dotter zurückbleibe, um von demselben resorbiert zu werden. Balfour spricht sogar die Vermuthung aus, es möchte wohl überall im Thierreich die Keimbläschenhaut, wenn sie eine ge- wisse Dicke erreiche, bei der Eireife ohne ihren Inhalt ausgestossen, wenn sie aber dünn bleibe, zugleich mit ihrem Inhalt resorbiert werden. Dass bei den Vögeln, bei welchen Balfour ebenfalls eine Entfernung der Membran aus dem Eie für wahrscheinlich hält, die Reifung und Furchung des Reptilieneies. 193 Verhältnisse anders liegen, wird nach dem oben geschilderten Vor- sange am Eie des Wellensittichs ohne Weiteres einleuchten. Es scheint mir auch gegen die Balfour’sche Vorstellung noch der Umstand zu sprechen, dass wir uns kaum vorstellen können, durch welche mechanische Mittel die Membran eines geschlossenen Bläschens aus dem Eie entfernt werden kann, ohne ihren Inhalt mitzunehmen. In Bezug auf die übrigen Fische und die Amphibien kann ich mich kurz fassen, da die betreffende Litteratur erst neuerdings wieder zusammengestellt worden ist. Ich will hier nur auf den ko- lossalen Gegensatz hinweisen, der in der Beschreibung des Knochen- fisch-Keimbläschens zwischen Oellacher°!) einerseits und C. K. Hoffmann°?) andererseits besteht, einen Gegensatz, der durch Nichts zu mildern ist und nur durch weitere Arbeiten ausgeglichen werden kann. Oellacher nämlich giebt an, dass das Keimbläschen der Forelle nach Verlassen des Follikels aus dem Dotter eliminiert werde, dass dann der Rest seiner Membran als feines Schleierchen dem Keim aufliege, und sein Inhalt in Gestalt einer oder zweier feinkörniger Kugeln oberhalb der Bläschenhaut angetroffen werde. Das weitere Schicksal konnte Oellacher nicht genau ermitteln; er hält eine allmählige Auflösung für das wahrscheinlichste. Ganz anders Hoffmann. Bei Scorpaena, Julis ete. mischt sich nach ihm der grösste Theil des Keimbläschens dem Ei-In- halt bei; aus einem kleineren Theile desselben aber bildet sich die bei Wirbellosen viel beschriebene Kernspindel. Von ihrem äussern Pole schnürt sich ein Richtungskörper ab, der centrale Pol wird zum Eikern, der dann in bekannter Weise mit dem von aussen kom- menden Spermakern verschmelzen soll. Wie man sieht, stehen sich diese beiden Ansichten, welche beide durch Zeichnungen legi- timiert sind, zu schroff gegenüber, als dass es möglich wäre, in irgend einem Sinne zu entscheiden. Meinen Resultaten steht aller- dings Oellachers Ansicht bedeutend näher. Wieder andere Autoren lassen bei Fischen Theile des Keimbläschens ohne Spindel- bildung direct in spätere Kerne sich umwandeln, so Calberla,°”) Salensky°*) ete. 1) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. 22, 1872. 32) Zur Ontogenie der Knochenfische. 1881. 93) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. 30, 1878. 3) Zool. Anzeiger, 1878, S. 243. 14* 194 ©. F. SARASIN: Die Eier von Fröschen sind auf die besprochenen Verhältnisse sehr sorgfältig von O. Hertwig (s. Anm. 21) geprüft worden. Der- selbe kam zu dem Resultate, dass das Keimbläschen sich an der Oberfläche vor der Befruchtung auflöse und sich dem Dotter bei- mische. Einige Zeit darauf erst — ob als Folge der Befruchtung bleibt unentschieden — bedeckt ein Schleierchen feiner gelber Sub- stanz den Keimpol. Dasselbe wird als ein für das Ei unbrauchbar sewordener Theil des Keimbläschens, als ein Excretkörper angesehen, der durch Contractionen des Protoplasmas aus dem Dotter, dem das ganze Bläschen sich beigemischt hatte, entfernt wird. Beim Sterlet hat Salensky dieses Gebilde ebenfalls bei der Befruchtung auftreten sehen. Einen Theil des Keimbläschens, vielleicht einen nucleolus, lässt Hertwig zum Eikern werden, obschon ein direeter Zusammen- hang der beiden Bildungen nicht nachzuweisen war. Götte°?) leitet den gelben Fleck bei Bombinator von flüssigen Theilen des nach seiner Ansicht im Innern des Eies sich auflösenden Keimbläschens her. v. Bambeke°®) endlich lässt einen Theil des Bläschens aus- gestossen werden, einen andern im Eie zurückbleiben. Würde es sich erweisen lassen, dass das Schleierchen oder der gelbe Fleck nicht nur einem seceundär aus dem Dotter austretenden Theile seine Entstehung verdankte, sondern dem ganzen, an der Oberfläche sich ausbreitenden und auflösenden Keimbläschen entspräche, wie es schon v. Baer geglaubt und Rusconi?‘) vermuthet hat, so wäre mit meinen Resultaten völlige Uebereinstimmung gegeben. Unabhängig von der Befruchtung schwindet nach v. Bene- den°®) das Keimbläschen des Kaninchens und erzeugt zwei Rich- tungskörper, während sein Rest mit der Rindensubstanz des Eies verschmilzt. Der erste Nucleus verdankt zwei pronucleis das Leben, einem peripherischen und einem centralen, von denen der letztere, obschon eine morphologische Neubildung, dennoch von v. Beneden in seinen neueren Arbeiten als mit dem Keimbläschen genetisch zu- sammenhängend angesehen wird. Aus Bischoffs°®?) Untersuchung 5) Entwicklungsgeschichte der Unke, 1875. 3°) In Bulletins de l’Acad. Roy. de Belg. 1876. 7) Histoire naturelle, developpement et metamorphose de la Salamandre terrestre, 1854. Ich kenne diese Arbeit bloss aus den Citaten, die Götte und v. Bambeke geben. Sie selbst war mir nicht zugänglich. 8) Archive de Biologie, Bd. 1, 1880. Bulletins de l’Acad. Roy. de Belg. 1876. #9) Archiv von His und Braune, 1878. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 195 über die Zeichen der Reife der Säugethiereier ergiebt sich, dass das Keimbläschen meist schon im Ovarium nicht mehr zu finden ist, zu- weilen aber mit in den Eileiter übergeht und hier dann alsbald schwindet ohne weitere directe Verwendung. Nach der in diesem Jahre über die Säugethiereier erschienenen Arbeit von Rein (s. An- merk. 23) endlich plattet sich das Keimbläschen ab, wird unregel- mässig faltig und verlässt in Form eines Richtungskörpers das Ei, nachdem, wie aus der Volum-Abnahme wahrscheinlich gemacht wird, ein Theil desselben in den Dotter hineingetreten ist. Ueber Reins Eikern siehe oben. Damit schliesse ich die Litteratur-Angaben ab; sie werden zur Genüge gezeigt haben, wie viel auf diesem Gebiete noch zu thun übrig bleibt, bis darin völlig klar gesehen werden kann. Wenn sich aus den gegebenen Citaten ein Facit ziehen lässt, so scheint sich mir zu ergeben, dass trotz vieler widersprechender An- gaben das Schwergewicht der Meinungen auf derjenigen Seite liegt, welche den Uebergang morphologischer Keimbläschentheile in spätere Kernbildungen bestreitet, ohne dabei leugnen zu wollen, dass viel- leicht dennoch aus Substanztheilen des Keimbläschens, die sich dem Dotter beigemischt haben, secundär Kerne sich concentrieren. 3. Die Furchung. Nachdem ich zuerst die Constitution der Eizelle und dann die Schicksale des Keimbläschens geschildert habe, will ich noch die ersten Entwicklungserschemungen des befruchteten Eies bis zur Bildung der Keimhöhle beschreiben. Bekanntlich gilt ganz allgemein der Satz, dass am Reptilienei die Furchung durchaus in gleicher Weise verlaufe wie am Vogelei. Ja es hat sich diese These so sehr eingebürgert, dass man sich kaum die Mühe genommen hat, sie genauer zu prüfen. Es haben über die innern Vorgänge bei der Furchung des Reptilieneies bloss Kupfer und Benecke (s. Anm. 28) einige wenige Angaben gemacht. Das Nachfolgende mag zeigen, wie vorsichtig man in solchen Verallgemeinerungen vorgehen muss, wenn man sich vor Irrthümern hüten will. Es ist übrigens auch die Furchung des Vogeleies bis jetzt im Grunde wenig bearbeitet worden. Neuere genaue Angaben über die allerersten Stadien ver- 196 C. F. SARASIN: danken wir bloss Kölliker (s. Anm. 15) und Oellacher (s. Anm. 27); Götte*) und Rauber*!) beginnen ihre Untersuchungen mit Eiern, an denen die ersten Embryonalvorgänge schon abgelaufen waren. Es mag diese spärliche Bearbeitung der ersten Stadien allerdings in der Schwierigkeit ihren Grund haben, mit der das betreffende Material zu beschaffen ist. Ich selbst habe etwa dreihundert trächtige Eidechsen geöffnet und doch nur in vier Thieren Eier mit den ersten Furchungslinien gesehen. Vom Wellensittich, mit dessen Eiern ich gerne meine an Reptilien gewonnenen Resultate verglichen hätte, gelang es mir ganz und gar nicht, die allerersten Bildungen zu erhalten. Das Schema, wie es gegenwärtig für die Furchungs- processe der Reptilien und Vögel gilt, ist ein enorm einfaches: „zuerst tritt eine einzige Furche auf; eine zweite schneidet sie senk- recht; die vier Segmente werden in achte getheilt; die Gipfel der convergierenden Dreiecke schnüren sich ab; die peripherischen Segmente theilen sich durch radiäre Linien weiter; neue Kugeln werden centralwärts frei; die acht zuerst abgeschnürten Kugeln theilen sich in kleinere und so weiter, bis endlich die ganze Keimschicht in Zellen aufgelöst ist.* Für die bloss oberflächliche Betrachtung verhält, sich allerdings das Reptilienei so; aber auf Durchschnitten zeigen sich Verhältnisse, die sich mit dem, was wir bis jetzt von der Furchung der meroblastischen Wirbelthiereier kennen, nicht ver- einigen lassen. Eine Serie von Flächenbildern der Eidechsenfurchung zu geben, habe ich desshalb unterlassen, weil Agassiz und Clark (8. Anm. 8) in ihrer embryology of the turtle eine Anzahl ausser- ordentlich schöner Flächenbilder geliefert haben. Nur ein Einziges habe ich gegeben (II, Fig. 20), weil es mir darauf ankam, ein Stadium, durch welches ich mehrere Serien legte, genau zu prä- cisieren. Ich bemerke gleich noch, dass ich stets die Keimscheiben in Verbindung mit dem ganzen Dotter härtete, um jegliche Faltung zu vermeiden; nachher konnten sie dann leicht abgetrennt werden; manche wurden auch mit dem ganzen anhängenden Dotter in Serien zerlegt. Die erste Furche liest, wie ich aus mehrern Serien ersehe, nicht ganz central (conf. Kölliker); sie schneidet bald senkrecht zur Oberfläche, bald etwas schief in den feinkörnigen Keimpol ein. #0) Archiv für mikr. Anatomie, Bd. 10. #1) Stellung des Hühnchens im Entwicklungsplan, 1876. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 197 Statt in Form einer geraden Linie (Fig. 19) fand ich sie manchmal, wie es auch Oellacher vom Hühnchen beschreibt, mit welligem Contour (Fig. 21). Ich sah sie sehr verschieden weit in die Keim- schicht eindringen, bald kaum den sechsten, bald etwa den dritten Theil der feinkörnigen Schicht durchsetzen. Oellacher lässt sie im Dotter auf einen dreieckigen Hohlraum stossen, von welchem aus ein, die zwei Segmente von unten abtrennender Contour nach beiden Seiten hin laufen soll. Ich habe die erste Furche stets spitz enden und niemals auf eine horizontale Querfurche stossen sehen. Das Verhältniss der Furche zum Keimbläschenrest wurde bereits besprochen. Die Kuppen der zwei Keimhälften sind ausserordentlich reich an Protoplasma und arm an Dotterkörnern. Die ersten Kerne betreffend habe ich schon erwähnt, dass es mir nicht möglich gewesen ist, den Uebergang eines morphologischen Keimbläschentheils in eine Kernbildung nachzuweisen. In den vier Serien, die ich durch das erste Stadium legte, ist es mir nur einmal gelungen, auf der einen Seite der Furche ein helles Bläschen zu finden, welches wahrscheinlich als Kern angesprochen werden kann; bei starker Vergrösserung zeigte es eine Einschnürung und einige feine Inhaltskörnchen. Die ausserordentliche Zartheit dieser Gebilde trägt wohl die Schuld daran, dass sie so schwer zu finden sind. Kupfer und Benecke waren darin glücklicher als ich; sie beschreiben links und rechts von der ersten Furche einen Kern. Serien durch Stadien, wie Fig. 20 eines repräsentiert, ergeben folgendes: Die Furchen, welche nun bereits in grösserer Zahl in die feine Keimschicht einschneiden, enden frei und stossen nicht, wie Oellacher will, auf eine horizontale Querfurche. Es hängen daher die Segmente mit der Unterlage zusammen. Die Furchen selbst sind von sehr wechselnder Gestalt; bald erscheinen sie bloss als scharfe schmale Linien; bald beginnen sie an der Peripherie mit einem mehr oder weniger weiten Trichter und zeigen in ihrem Ver- lauf mehrere Erweiterungen und Verengerungen, wie wir Aehnliches durch Balfour (s. Anm. 4) von Elasmobranchiern kennen; viele stossen unten im feinkörnigen Dotter auf kleine Hohlräume, die meist eine rundliche Form besitzen, manchmal auch unregelmässig begrenzt sind; wieder andere Furchen entlassen von ihrem untern Ende aus kurze Seitenfurchen, die ihrerseits kugelig sich erweitern können (Fig. 22). Besonders diejenigen Furchen, welche die mittleren 198... C. F. SARASIN: kleineren Segmente begrenzen, sind manchmal ziemlich stark ge- bogen, so dass die innern Furchungskugeln zuweilen theilweise vom unterliegenden feinen Dotter abgegrenzt sind. So weit wie Kölliker beim Hühnchen auf seiner Zeichnung (Fig. 19 seines Lehrbuches) eine der mittleren Kugeln sich abschnüren lässt, habe ich es bei der Eidechse nur äusserst selten gesehen. Die Regel ist, dass diese grossen Segmente überhaupt nie sich abschnüren, sondern noch mit der Unterlage verbunden sich weiter zerklüften. In diesem Stadium be- ginnt eine Zellbildung ganz anderer Art, die merkwürdiger Weise bis Jetzt völlig übersehen worden ist. Dieselbe vermag unsere Anschauungen über das Wesen des Furchungsprocesses der Vertebrateneier beträcht- lich zu modificieren. In der Tiefe der Furchen nämlich, meist in den oben beschriebenen Hohlräumen, bilden sich von der unterliegenden feinen Substanz aus kleine rundliche Hervorwölbungen. Dieselben wachsen mehr und mehr aus dem Mutterboden hervor, runden sich ab und stehen endlich nur noch durch einen dünnen Stiel feiner Substanz mit der Unterlage in Verbindung (Fig. 23 und 24). Oft, aber nicht immer, ist ein Kern in der Hervorragung sichtbar; eine dunkle dichtere Stelle, die manchmal im Dotter unterhalb des Abschnürungs- punktes zu bemerken ist, scheint darauf hinzudeuten, dass eine Kern- hälfte im unterliegenden Theile zurückbleibt. Endlich, wenn auch der oben beschriebene Stiel durchgerissen ist, liegt eine freie Zelle im Grunde der Furche. Es besitzen diese neu gebildeten Zellen oft schon die Kleinheit der späteren Keimblätterelemente. Eine ge- sonderte Membran lässt sich daran mit Sicherheit nicht nachweisen; dagegen sind sie durch eine scharfe Linie begrenzt. Den Process der Abschnürung selbst habe ich nicht so oft beobachtet als das Vorhandensein schon abgeschnürter Zellen. Solche fand ich häufig frei in den Furchen oder in dem oberen Trichter derselben. Aus dem letzteren Befunde scheint hervorzugehen, dass sie die Fähig- keit haben, aus der Tiefe an die Oberfläche zu wandern. Nicht nur in der Tiefe der Furchen schnüren sich solche Zellen ab, son- dern ebenso an der freien Oberfläche der Furchungssegmente direct unterhalb der Dotterhaut. Auch hier bilden sich Vorwölbungen, die endlich als freie Zellen in kleinen Gruben der Furchungshügel liegen. Die Figuren 26—29 zeigen solehe an der freien Fläche der Keimschicht sich loslösende Zellen. Die deutlich bekernte Zelle der Fig. 26 ist von amöboider lappiger Form; schärfer sind die Reifung und Furchung des Reptilieneies. 199 andern begrenzt. Unterhalb zweier derselben sind Kerne im feinen Dotter sichtbar, woraus auf einen Kerntheilungsprocess bei der Bildung dieser Zellen geschlossen werden kann. In Fig. 30 endlich habe ich eine Zelle gegeben, die in einer kleinen Höhlung der Oberfläche eines Furchungssegmentes eingelagert liegt. Was den Ort auf der Keimscheibe betrifit, an welchem sich solche kleine Zellen bilden, so lässt sich nur angeben, dass ihre Abschnürung überall stattfinden kann. Am seltensten beinahe scheint mir ihre Bildung im Centrum der Furchungsscheibe zu sein, wo doch für die Flächenbetrachtung die kleinsten Kugeln liegen. Häufiger trifft man sie in den peripherischen Gebieten an, im Bezirk der grossen durch radiäre Furchen begrenzten Segmente. Ich habe sogar einmal auf einem Schnitt, der ausserhalb sämmtlicher Furchen gefallen war, noch ein solches Körperchen sich von der Oberfläche der Keim- schicht abschnüren sehen. Es scheint also hierin eine grosse Willkür zu herrschen, wie auch, um es gleich jetzt zu bemerken, die Furchen vollständig unabhängig von einander auftreten können, so dass manchmal eine weit ausserhalb aller Andern sich zu bilden beginnt. Diese letztere Beobachtung finde ich auch bei Kupfer und Benecke bestätigt. Gewisse Furchen, in denen Zellen sich abschnüren, sind nur durch ein oder zwei Schnitte zu verfolgen, scheinen also gewissermaassen nur eine Folge der Zellbildung in der Tiefe zu sein. Doch sind hierbei allerdings Täuschungen leicht möglich, besonders wenn eine etwas gebogene Furche zum grössten Theil in die Schnittrichtung fällt. In einer der Serien durch das Stadium Fig. 20 zählte ich 11 solcher kleiner Zellen, in einem andern deren 6. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass in den betreffenden Stadien überhaupt nur gerade diese Anzahl vorhanden gewesen sei, da beim Schneiden leicht einzelne verloren gehen können. Ich habe in diesem Stadium vergeblich nach Kernfiguren ge- sucht. Die Kerne, die hin und wieder in den kleinen abgeschnürten Zellen sich zeigten, waren scharf begrenzte, oft nicht ganz regel- mässige und manchmal mit deutlichen Inhaltskörnchen versehene Bläschen. In der durch Fig. 25 dargestellten, in der Mündung einer Furche gelegenen Zelle bemerkt man deutlich zwei Kerne, die aber bei abwechselndem Heben und Senken des Tubus als zu- sammenhängend erkannt werden können. In den grossen Furchungs- segmenten sah ich wie im ersten Stadium helle, umfangreiche 200 C. F. SARASIN: Bläschen, ausserdem oft unterhalb der sich loslösenden Knospen einzelne kleinere inhaltsreichere Kerne und, wenngleich seltener, Häufchen von 2 oder 3 solchen Gebilden, welche vielleicht durch Zerfall der grösseren Bläschen entstanden sind. Es ist dies um so wahrscheinlicher, als die umfangreicheren Bläschen meist durch Ein- schnürungen und Buckeln wie zusammengesetzte Gebilde erscheinen. Von der Oberfläche der Segmente und aus der Tiefe der Furchen lässt sich, wie schon früher gesagt, beim Schneiden manch- mal eine membranartige Lage loslösen. Es scheinen dann in diesem Falle die kleinen abgeschnürten Zellen der Furchen zwischen zwei Häuten zu liegen, der eben genannten und der Dotterhaut. Ueber die Bedeutung der ersteren habe ich schon gesprochen. Sie er- scheint übrigens nicht in allen Serien desselben Stadiums gleich dick; manchmal ist sogar bloss ein schmaler hyaliner Randsaum an den freien Flächen zu erkennen. Vielleicht ist derselbe ein Product der Reagentien. In dem nächsten Stadium, welches ich besitze, war für die Oberflächenbetrachtung bereits ein ziemlich grosses Feld von ab- gegrenzten Furchungskugeln sichtbar, während sich die Peripherie der Scheibe von radiär gestellten Segmenten eingenommen zeigte. In den Randpartien traf ich noch ziemlich häufig im Grunde der Furchen sich abschnürende kleine Zellen oder solche, die be- reits frei zwischen den Rändern und an der Oberfläche der Furchen lagen. Uebrigens waren die Zellen, welche in den Tiefen der Furchen ihren Ursprung nahmen, nicht immer von kleiner Gestalt, sondern manchmal sah ich auch solche von beträchtlicher Grösse am Grunde der Furchen sich bilden. Fig. 31 zeigt eine Furche aus diesem Stadium; dieselbe stösst auf eine grosse, nur theilweise abgegrenzte Kugel, deren breite Basis noch mit dem unterliegenden feinen Dotter zusammenhängt. (Was die Grössenverhältnisse betrifft, so bemerke ich, dass der oben an der Tafel III gezeichnete Maass- stab für alle Bilder gilt, bei denen nichts Weiteres angegeben ist.) In andern, aber seltenen Fällen fand ich, dass nicht nur eine einzige Zelle, sondern selbst ein ganzes Nest von solchen, am Grunde einer Furche sich bildete. In Fig. 32 habe ich eines dieser sonderbaren Furchungsbilder gezeichnet. Diese eben geschilderten Verhältnisse beziehen sich auf die mehr peripherischen Theile der Keimscheibe. Viel weiter vorge- . Reifung und Furchung des Reptilieneies. 201 schritten in der Furchung waren die centraler gelegenen Partieen derselben. In der Mitte lagen schon 2—3 Furchungsstücke über einander, und auch an andern Stellen der Keimscheibe — es scheint hierin grosse Regellosigkeit zu herrschen — waren ebenfalls mehrere Lagen von Segmenten gebildet worden. Es geschieht diese Neu- bildung scheinbar auf zweierlei Weise. Einestheils entstehen an der Oberfläche der Furchungskugeln und in den Furchen die bekannten Vorwölbungen, die meist mit deutlichem Kern verseher sich ab- schnüren und zu freien Zellen werden. Im Bilde 33 sieht man, wie eine solche Zellknospe nur noch mit schmalem Stiele, eine andere mit breiterer Basis mit dem Mutterboden zusammenhängen. Die Fig. 34 zeigt ferner eine mit der Unterlage verbundene Furchungs- kugel, deren Oberfläche in 4 Lappen getheilt ist, so dass sie im Kleinen ungefähr das Aussehen wiederholt, welches in früheren Stadien die ganze Keimscheibe geboten hatte. Solche Bilder sind übrigens nicht häufig; auch Zellen grösseren Kalibers können sich an der Oberfläche ganz oder theilweise abschnüren. Andererseits zerklüftet sich der unterliegende feine Dotter. Es zeigen die Figuren 35 und 36, welch unregelmässige Formen von Theilstücken durch die Furchen aus dem feinen Dotter herausgeschnitten werden. Es entstehen, wie man sieht, die sonderbarst gestalteten Gebilde; bald sind sie mehr rundlich, bald aufs unregelmässigste polyedrisch, so dass sie auf die verschiedenste Weise sich in einander keilen. Zu- gleich ist ihre Grösse äusserst variabel; man erkennt auf Fig. 36, dass zwischen den mächtigen, tief gelegenen Stücken auch solche von ganz geringem Umfang sich bilden. Vorhin habe ich gesagt, dass die Furchung scheinbar auf zwei verschiedene Weisen stattfinde, einestheils durch Abschnürung an der Oberfläche der Keimscheibe und andererseits durch Zerklüftung der feinen Masse. Dieser Unterschied existiert aber in Wirklich- keit nicht; denn man sieht leicht ein, dass es sich in beiden Fällen um wesentlich den gleichen Vorgang handelt. Auch die grossen und kleinen in der Tiefe sich scheinbar durch Zerklüftung der feinen Masse bildenden Segmente, wie sie die Fig. 35 und 36 zeigen, knospen sich genau wie die Zellen der Oberfläche langsam von ihrem Mutterboden los, mit welchem sie noch geraume Zeit, nach- dem ihre oberen Partien schon fertig umgrenzt sind, zusammen hängen. Man bemerkt ferner, wie aus den noch nicht einmal ganz 202 C. F. SARASIN: abgeschnürten grossen Knospen schon wieder kleinere sich nach oben hin loszulösen beginnen. Während an einzelnen Theilen der Keimscheibe schon mehrere Segmente über einander gelagert waren, bedeckte an andern Stellen erst eine einfache Lage von Furchungsstücken den feinkörnigen Dotter (Fig. 37). Auch in diesem Stadium zeigten die Furchen an vielen Stellen, wie ich es früher schon geschildert habe, kleine Erweiterungen, und die Segmente stiessen meist mit beträchtlichen Intercellularräumen an einander. Die Grenzen der Furchungskugeln erschienen als zarte hyaline Säume oder einfache scharfe Linien; von einer beim Schneiden sich ablösenden Schicht, wie sie früher vorhanden gewesen, war nichts mehr zu erkennen. Während ich im letzten Stadium vergeblich nach Kernfiguren geforscht hatte, sind sie jetzt in reichlichster Zahl vorhanden. In mehreren der grösseren, noch mit der Unterlage verbundenen Furchungssesmenten zählte ich 2 oder 3 schön ausgebildete Kern- spindeln; mehrere lagen in tiefern, noch nicht von Furchen be- srenzten Partieen. Ebenso gelang es mir, wenn auch nicht häufig, unterhalb von Zellen, die sich eben losgeknospt zu haben schienen, freierKernsonnen im Dotter zu erkennen. Auch das scheint wieder darauf hinzuweisen, dass bei der Knospenbildung Kerntheilung statt- finden kann, so zwar, dass das eine Theilstück zum Kern der Knospe wird, das andere frei im unterliegenden Dotter zurückbleibt. Neben den Kernfiguren waren in den bereits abgeschnürten oder noch mit der Unterlage verbundenen Furchungsstücken grössere und kleinere helle, meist mit unregelmässigen Buckeln versehene Kerne vorhanden. Das Innere derselben war in der Regel durch Linien, welche aus Reihen feiner Körnchen zu bestehen schienen, in Felder getheilt. Andere waren in ein Häufchen kleiner Kerne zerfallen. Ganz ähnlich verhielt sich ein zweites Ei aus demselben Ei- leiter, dem das eben beschriebene entnommen worden war. Auch hier zeigten sich viele Kernspindeln in den Segmenten, und am Rande der Furchungsscheibe lagen wiederum wie oben kleine Zellen in den Furchen oder in deren Mündung (Taf. III 38, IV 39, 40, 41). Bei andern, in der Tiefe sich bildenden Knospen hingegen konnte ich einige wenige Male keine Verbindungslinie zur Oberfläche er- kennen (Fig. 42), so dass in diesen Fällen die Furche erst eine secundäre Erscheinung sein würde, Allein es ist dabei wohl zu Reifung und Furchung des Reptilieneies. 203 bedenken, dass die Furchungslinien oft von grosser Feinheit sind, so dass sie manchmal kaum durch die Körnermasse hindurch ver- folgt werden können; ebenso dürften unter Umständen ungünstige schiefe Schnitte zu Täuschungen Veranlassung geben (vergl. auch das oben Gesagte). Im nächstfolgenden Stadium, welches mir zur Verfügung stand, waren in den mittleren Theilen der Keimscheibe bereits mehrere, meist 3 Lagen, allseitig abgeschnürter Zellen zu sehen. Dieselben waren von geringerer Grösse als die früheren Segmente und die obersten begannen sich bereits zu einem, wenngleich noch höchst unregelmässisen Epithel anzuordnen. Von unten und von der Peri- pherie her, deren mächtige Segmente einen gegen die übrigen Theile abstechenden Randwulst darstellten, wurden neue Zellen in grosser Zahl geliefert. Kernspindeln waren seltener als früher zu finden, nur in den Randtheilen noch ziemlich häufig anzutreffen. Es ist dies um so bemerkenswerther, als die Zahl der vorhandenen Zellen und Kerne gegenüber von früher bedeutend zugenommen hat. Reichlich fanden sich wieder bläschenartige Kerne mit vielen Buckeln und Trennungslinien (Fig. 43) und kleinere Kerne mit zahl- reichen Inhaltskörnern. Ein wenig weiter entwickelte Eier zeigen bereits unterhalb der mittleren Partieen der durchfurchten Keim- schicht eine Keimhöhle, während die mehr peripherischen Theile mit ihrer Unterlage fest verbunden sind. Oberhalb der Keimhöhle be- steht das Blastoderm aus 3 oder 4 Lagen kleiner Zellen, die durch Theilung aus den früheren umfangreicheren Stücken hervorgegangen sind; gegen den Rand hin werden diese Zellen nicht nur grösser, sondern auch zahlreicher, so dass an vielen Stellen schon 5 oder 6 Segmente übereinander gelagert erscheinen. Besonders mächtig aber wird die Keimhaut gegen einen Theil des Randwulstes hin. An dieser Stelle zählte ich 7, selbst 8 übereinander geschichtete Zellen. Es steht dieser in seiner Entwicklung vorgeschrittene Ort wahr- scheinlich mit dem Auftreten der ersten Embryonalanlage in Zu- sammenhang. Die Fig. 44 giebt aus dieser Serie einen Schnitt wieder, der in ziemlich geringer Entfernung vom Randwulst durch die Keim- schicht gelegt, gerade noch ausserhalb der mehr centralen Keim- höhle gefallen war. Es erscheinen hier vor Allem die mächtigen Segmente des Randes bemerkenswerth. Dieselben hängen mit dem 204 €. F. SARASIN: unterliegenden Dotter fest zusammen. Die Einschnürungen, welche eines dieser Segmente (a) zeist, beweisen, dass neue Zellen hier geliefert werden. Eine andere junge Zelle erscheint bei d in dem Trichter, welchen eine die grossen Randstücke trennende Furche bildet. Die umfangreichen Randsegmente enthalten reichlich grobe Dotterkörner; ja es giebt solche, die fast ganz damit angefüllt sind, so dass dann darin nur ganz wenig feine Substanz um einen Kern herum concentriert inmitten der grossen Dotterkörner anzutreffen ist (Fig. 45). Es bestätigt also dieses Uebergreifen der Furchung in den groben Dotter völlig das, was ich oben bei der Schilderung der Entwicklung des Eies über das Verhältniss des Keims zum übrigen Ei klar zu legen versucht habe. Betrachten wir auf Fig. 44 nun auch die Unterlage des Blasto- derms, so sehen wir, dass die untersten Segmente ebenso wie die vorhin geschilderten Randstücke mit dem Dotter verbunden sind. (Vergl. für das Hühnchen Kölliker und Götte). Die untersten Theilstücke sind meist von beträchtlicher Grösse und reichen weit in den groben Dotter hinein. In den Kuppen dieser Segmente zeigt sich feinkörnige Substanz reichlicher als sonstwo angesammelt, und diese Kuppen sind es dann, die durch Abschnürung als Zellen frei werden. Man bemerkt auch in der Figur bei ec, d und e, dass in den Furchen zwischen den grossen Segmenten, genau wie es oben beim Beginn der Furchung geschildert worden war, Zellen von auffallend kleiner Gestalt entstehen und sich dem Blastoderm bei- mischen können. In den Gebieten, welche weiter centralwärts liegen, als der geschilderte Schnitt gefallen war, haben sich die abgeknospten Zellen von ihrer Unterlage getrennt, und dadurch ist es zur Bildung der Keimhöhle gekommen. Der Boden derselben ist anfangs, wie es schon mehrfach vom Hühnchen beschrieben wurde, das genaue Relief der abgelösten Zellstücke. Erst später ebnet sich der Boden mehr und mehr. Trotz der Bildung der Keimhöhle hat die Lieferung neuer Zellen von unten her nicht aufgehört, sondern es bilden sich immer noch reichlich neue, meist mit deutlichem Kern versehene, grobkörnige Knospen, die sich ablösen und dem Blastoderm bei- mischen. Die Fig. 46, 47, 48 geben solche Knospen des Keim- höhlenbodens wieder. Die häufig in und ausserhalb der Knospen Reifung und Furchung des Reptilieneies. 305 vorkommenden Kerne widerlegen die Behauptung Disse’s, nach welcher diese spät gebildeten Zellen nichts als Nahrungsballen sein sollen. Ich sehe mit Kölliker keinen Grund ein, warum Götte, welcher, so viel ich weiss, zuerst diese Art der Zellenbildung be- schrieben und mit Knospung verglichen hat, diese Elemente als „Dotterzellen“ den Zellen des Blastoderms gegenüberstellt und sie eine besondere Entwicklung durchmachen lässt. Dieselben legen sich einfach an das Blastoderm an und helfen seine untern Lagen verstärken. (Conf. für diese Zellen auch Kidd*). Keimblätter sind in diesem Stadium noch keine gebildet; die unregelmässig polyedrischen oder rundlichen Zellen des Blastoderms lagern sich höchst verschiedenartig und mit wechselnd gestalteten Intercellularräumen aneinander. Bloss die obersten Zellen haben sich zu einer festeren Lage zusammengeschlossen. Es ist ferner be- merkenswerth, dass zwischen den kleinen Zellen, besonders gegen den Rand hin, manchmal noch grosse, von der Furchung völlig un- berührte Stücke feiner Dottersubstanz anzutreffen sind. Fig. 49 soll diese Unregelmässigkeit der Furchung veranschaulichen. Sie zeigt ein grosses ungefurchtes Stück, welches die Lagen der kleinen Blasto- dermzellen unterbricht. Es ergiebt sich also die Furchung des Eidechseneies als ein höchst unregelmässig verlaufender Knospungsprocess, durch welchen Stücke von sehr wechselnder Grösse von ihrer Unterlage abge- schnürt werden. Wie in den Grössenverhältnissen, so herrscht auch in der räumlichen Vertheilung derselben grosse Licenz, indem Theile der Keimschicht den andern in der Furchung vorauseilen, gewisse Stücke aber, wie wir eben sahen, lange von der Furchung ausge- schlossen bleiben können. Die freien Stücke theilen sich dann weiter, und endlich ordnen sich die Zellen in Lagen. Manche Fur- chungserscheinungen erinnern übrigens auch an endogene Zellbildung. Wenn man will, kann man überhaupt den ganzen Furchungsprocess als endogen bezeichnen, da er ja innerhalb der Membran der Mutter- zelle verläuft. In dem letzt beschriebenen Stadium habe ich von den schön aus- gebildeten Kernspindeln gar keine mehr entdecken können; ich sah an ihrer Stelle bloss Häufchen glänzender Körner und Fäserchen, dieja auch “2) Quart. Journ, of mier, Sc. 1877. 306 6. F. SARASIN: auf einen Theilungszustand des Kernes hinweisen. Von welcher Eigenschaft der Kerne das Fehlen der Spindeln abhängen mag, ist mir unbekannt. Genug, dass auch Balfour von den Elasmo- branchiern berichtet, dass in den frühen Furchungsstadien Doppel- coni häufig anzutreffen, später aber trotz der vermehrten Zellenzahl rar seien. In den abgeschnürten Zellen waren fast ausnahmslos schöne Kerne zu erkennen, bald in Einzahl, hald zu 2, selbst zu 3 oder 4 in einer Zelle. Ihre Grösse erwies sich als sehr variabel und schien von der Zellgrösse unabhängig zu sein; denn oft lagen grosse Kerne in kleinen, kleine hingegen in grossen Zellen. Fast durchweg waren sie sehr inhaltsreich, wie es in früheren Stadien nur wenige Kerne gewesen waren, und färbten sich stark mit Piero- carmin; sie waren meist von einem hellen Hof sehr feiner Substanz umgeben. Mehrere Male habe ich Bilder von Kernen erhalten, die auf eine Vermehrung derselben durch Knospung hinzudeuten schienen; ein solches habe ich in Fig. 50 gegeben: Ein länglicher Kern einer dem Rande nah gelegenen Zelle hatte zwei Vorsprünge getrieben, die wie Knospen an dem grösseren Kerne aufsassen und wahr- scheinlich im Begriffe waren, sich abzutrennen. Es würden also ver- schiedene Vermehrungsarten von Kernen neben einander vorkommen: erstlich Theilung mit den bekannten Erscheinungen der Karyokinese und ferner Knospung wie in dem eben geschilderten Falle. Oben habe ich schon von Kernen gesprochen, welche mit zahlreichen Buckeln versehen waren und daneben Häufchen von Kernen ge- schildert, deren Entstehung aus diesen mannigfach gestalteten Ge- bilden ich wahrscheinlieh zu machen suchte. Wenn dies sich wirk- lich so verhält, so findet auch in diesem Falle ein Zerfall des Mutter- kerns in Theilstücke statt ohne eine Auflösung in Kernfiguren. Kern- häufchen haben auch Oellacher (s. Anm. 31) und Waldner“) bei der Forelle beschrieben, letzterer auch bei Batrachiern und Vögeln; ebenso kennen wir von Elasmobranchiern Kerne mit Trennungslinien im Innern und mit Buckeln. Dabei herrscht völlige Unabhängigkeit zwischen Kerntheilung und Zelltheilung. In den grossen noch nicht freien Randsegmenten sind häufig mehrere Kerne nahe bei einander anzutreffen. Dieselben sind oft von ganz ausserordentlicher Grösse, nicht immer runälich, oft oval #9) Berichte des naturw.-med. Vereins in Innsbruck, XI, 1880/81. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 207 (Fig. 45), selbst tropfenförmig (Fig. 51). Ebenso kommen im Boden der Keimhöhle neben kleinen Kernen ganz enorm grosse Formen vor. Diese umfangreichen Gebilde sind meist inhaltsärmer als die kleineren und tragen wie die aus früheren Stadien erwähnten Kerne den Charakter heller Bläschen. (Für freie Kerne im Rand- wulst und Keimhöhlenboden von Vögeln vergl. Götte, Kidd und Rauber). Es ist oben gesagt worden, dass unterhalb der sich loslösenden Knospen Kerne und Kernsonnen im freien Dotter zurückbleibend angetroffen werden. Ein Theil der freien Dotterkerne ist also als Theilproduct älterer Kerne anzusehen. Ich halte es aber für äusserst wahrscheinlich, dass immer fort im Randwulst und in der unterhalb der abgeschnürten Zellen liegenden feinkörnigen Masse neue Kerne sich eoncentrieren. Es spricht dafür nicht nur die enorme Grösse und das embryonale Aussehen vieler Kerne der genannten Partieen, sondern auch das Auftreten von Kernen in Segmenten des Keim- randes, welche von den andern durch Lagen grober Dotterkörner getrennt sind (Fig. 45). Es scheint also bei der Eidechse keine Continuität der Kerngenerationen stattzufinden, wie sie für andere Thiere aufgestellt worden ist. Es kann dies übrigens uns nicht so sehr verwundern, da wir ja wissen, dass auch der erste Kern des Eies, das Keimbläschen, bei diesem Thiere nicht direct in ein Kern- gebilde übergeht, sondern an der Eioberfläche sein morphologisches Dasein endet. Zu demselben Resultat sind für die Reptilien auch Kupfer und Benecke, für die Teleostier u. A. van Beneden, für die Elasmobranchier Balfour gekommen; doch hält letzterer in seinem Lehrbuch aus theoretischen Gründen immer noch eine Ab- stammung der Kerne von einem ersten Eikern für möglich. Wenn man ein älteres Ei, welches bereits umwachsen ist und einen schon weit entwickelten Embryo trägt, in Schnitte zerlegt, so bemerkt man, dass zwischen den Dotterkörnern der ganzen peripherischen Eizone in reichlicher Zahl freie Zellkerne und Zellen zerstreut liegen (cf. Raubers [Anmerk. 41] Bilder). Die Kerne sind von äusserst verschiedener Gestalt und Grösse, ent- halten aber immer ein oder mehrere dunkle Kernkörper; manchmal sind die Kerne in einer abgegrenzten Zelle eingeschlossen, manch- mal bloss von etwas Plasma umgeben, manchmal auch scheinen sie Semper, Arbeiten. VI. 15 208 C. F. SARASIN: völlig frei zu liegen. His**) hat solche „Parablastkörper“, wie er sie nennt, aus dem Keimwall beschrieben, ist aber nicht ganz sicher, ob wirkliche Kerngebilde vorliegen, da bis jetzt stets Kernfiguren ver- misst worden sind. Dieselben sind allerdings ausserordentlich selten; ich habe eigentlich nur ein einziges Mal eine deutliche Kernfigur in einer solchen Zelle des Dotters gesehen (Fig. 52). Es genügt diese eine aber völlig, um die Kernnatur der genannten Gebilde darzuthun, da wir bis jetzt solche Figuren nur von ächten Kernen kennen. Kupfer®?) hat aus dem Dotter einer Natter Zellen beschrieben, welche zu gefässartigen Strängen zusammengeordnet waren. In dem Ei der Eidechse, in welchem ich die vorhin geschilderten Zellen und Kerne gefunden habe, war nicht sehr weit unterhalb der Eihaut in der Nähe des Embryos ein breiter gefässartiger Hohlraum inmitten der Dotter- körner durch viele Schnitte hindurch zu verfolgen. Seine Wand war von lose an einander gelagerten Zellen gebildet mit schönen Kernen; an den blinden Enden des Hohlraumes häuften sich die Zellen in drei- bis vierfacher Lage an; manche befanden sich im Innern des Raumes; andere wieder lagen frei in der Umgebung des Gefässes zwischen den Dotterkörnern. Da der Embryo beschädigt war, konnte ich nicht ermitteln, ob dieser Gefässraum mit ihm zusammenhieng oder nicht. Es frägt sich nun, woher die Zellen des Dotters stammen, ob sie von der Embryonalanlage aus in den Dotter einwandern, oder in demselben ihren Ursprung nehmen, eine Durchfurchung desselben darstellend. His lässt sie aus weissen Dotterkörnern sich bilden; nach Kupfer erscheinen zuerst blasse, fein granulierte Kugeln ohne wahre Kerne, aber versehen mit 1—2 Kernkörperchen; diese Formen liegen nach ihm am tiefsten im Dotter; dann folgen gegen die Oberfläche hin gleichfalls kugelige Elemente, in toto leb- haft gefärbt und stärker granuliert, ohne Kerne noch Kernkörper und endlich zu oberst und theilweise an sein Paraderm sich an- schliessend Zellen mit wahren Kernen. Waldeyer (s. Anm. 7) giebt an, dass die Zellen in den oben schon besprochenen Keimfortsätzen um Kerne herum sich bilden, welche von den Furchungskernen de- rivieren. Ich stimme Waldeyer in der Meinung völlig bei, dass die Zellen des Dotters aus dem Plasma entstehen, welches zwischen #4) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1882. Anat. Abth. #5) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1882. Anat. Abth. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 209 den Dotterkörnern zurückgeblieben ist. Dasselbe hat sich in der peripherischen Eizone gegenüber den früheren Stadien beträchtlich vermehrt; dies kann zum Theil, wie ich schon oben gesagt habe, dadurch geschehen sein, dass alles im Innern des Dotters noch vor- handene Plasma sich an die Peripherie gezogen hat; andererseits deuten die vielen unregelmässig geformten und in Zerfall begriffenen Dotterkörner darauf hin, dass eine lebhafte Ernährung und Vermehrung des vorhandenen Plasmas stattfindet. Ich differiere aber darin von Waldeyer, dass ich eine völlige Continuität der Kerne nicht annehmen kann. Ich bin nicht im Falle, etwas Bestimmtes über die Bildung dieser Zellen im Dotter aussagen zu können; ich habe nur einige Andeutungen über ihre Entstehung erhalten. Wahrscheinlich spielen die vielen freien Kerne des Keimhöhlenbodens und des Randwulstes eine Rolle dabei. In früheren Stadien vor der Bildung der Keim- höhle sah ich hin und wieder unterhalb der feinkörnigen Keimschicht oder in deren tieferen Theilen zwischen den Dotterkörnern an ein- zelnen Stellen rundliche, ovale oder auch unregelmässig begrenzte Ansammlungen feiner Substanz, die durch ihre Färbung sich scharf von den umgebenden Elementen abhob (Fig. 53). In manchen von ihnen waren kleine kernartige Gebilde oder einzelne dunkle Körner zu erkennen. Von den Zellen .der Keimschicht und ihren Kernen waren diese Ansammlungen meist so beträchtlich entfernt, dass ein Uebergang von Kerntheilstücken aus den ersteren in die letzteren nicht wahrscheinlich ist. Es ist zu vermuthen, dass diese im Dotter, wie es scheint, endogen entstehenden Bildungen, die ich allerdings nicht constant angetroffen habe, mit den später so reich- lichen Zellen desselben in Beziehung stehen. Was die Bedeutung der Zellen im Dotter anbelangt, so glaube ich, an die meisten übrigen Autoren mich anschliessend, — allerdings ohne die Sache weiter verfolgt zu haben — dass sie mit der Blutbildung zu thun haben möchten. Waldeyer hat die Zellenbildung im Dotter als „seeundäre Furchung“ bezeichnet; ich nehme diesen Namen gerne an, weil ich.die Vorgänge im Plasma des Dotters für einen wirk- lichen Durchfurchungsprocess halte, der allerdings in Folge der massenhaft angesammelten Nährsubstanz und des relativ nur spär- lichen Protoplasmas langsam und unregelmässig verläuft. (Für ähn- liche Vorgänge bei Fischen siehe die Arbeiten von Kupfer, van Beneden, Gensch ete.) 15* 210 C. F. SARASIN: Bis jetzt hat, so viel mir bekannt, bloss Stricker *°) von mero- blastischen Vertebrateneiern eine Zellbildung an der Oberfläche des Eies durch Knospung beschrieben. Derselbe sah bei der Forelle Buckeln und Höcker sich abschnüren und als Zellen frei werden. Oellacher untersuchte nach Stricker dasselbe Object, schob aber die Resultate Strickers auf die Einwirkung der Chromsäure. Ich habe über diese Streitfrage kein Urtheil, denn so junge Fisch- eier konnte ich nicht bekommen; aber immerhin halte ich es nach meinen Befunden am Reptilienei für wohl möglich, dass Stricker Recht haben könnte. Meine Furchungsstadien sind ebenfalls mit Chromsäure behandelt worden; aber ich denke, dass wohl kaum Jemand Zellen mit Kernen und Kernfiguren, wie ich sie abgebildet habe, für ein Product der von vielen Forschern so gefürchteten Säure ansehen wird. Nähere Anschlüsse als zu den bis jetzt bekannten Furchungs- processen der Wirbelthiereier sind aber zu zahlreichen Eiern von Wirbellosen zu finden. Alle nachfolgenden Citate, bei denen nichts Be- sonderes bemerkt ist, sind Balfours Lehrbuch der Embryologie ent- nommen. Wenn wir z.B. dieFurchung von Anodon piscinalis betrachten, so sehen wir, dass das noch ungetheilte, anfänglich gleichmässig mit Körn- chen durchsetzte Ei nach der Befruchtung auf der einen Seite eine plas- mareiche Vorragung hervortreibt, die sich als kleines Segment ab- sondert und weiter theilt, während aus dem mit Nahrungsdotter er- füllten Eie eine zweite Knospe sich loslöst und so weiter, bis endlich eine ansehnliche Zahl kleiner Kugeln das einzige grosse Segment überlagert. Zwischen beiden tritt dann eine trennende Furchungs- höhle auf, und schliesslich theilt sich auch das grosse Segment weiter. Bei vielen Gastropoden und Heteropoden ferner furcht sich das Ei in 4 grosse Kugeln, von welchen jede einen protoplasmatischen und einen Dotterpol aufweist; aus ersterem knospen kleine Segmente hervor, bis endlich eine Mütze von solchen den grossen Kugeln auf- sitzt. Aehnlich verhält sich Leptoplana tremellaris unter den Den- drocoelen. Ihr Ei theilt sich in zwei und dann in vier Theile und von diesen schnüren sich kleine Segmente ab, die sich weiter theilen und allmählig die grossen Segmente einhüllen. Zwischen beiden entsteht eine Furchungshöhle. Aus den grossen Zellen bildet sich *°) Wiener Sitzungsberichte, 1869. Ich kenne leider die Arbeit nur nach Oellachers Citaten, da mir der betreffende Band zufällig nicht zugänglich war. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 211 nachträglich eine vollständige Hypoblastwandung, welche die ursprüng- lichen grossen Segmente umschliesst. Diese letzteren lösen sich später zu einer Art Dottermasse auf. Auch das Ei von Bonellia zeigt schon vor dem Beginn der Furchung einen Gegensatz zwischen einem proto- plasmatischen und einem Dotterpol; zuerst theilt es sich in vier Segmente; am animalen Pol schnüren sich vier kleine plasmatische Zellen ab und lagern sich in die Zwischenräume zwischen den grossen Kugeln; neue Zellen knospen nach und theilen sich weiter, bis eine ganze Schicht kleiner Zellen die vier grossen Kugeln bis auf einen engen Blastoporus umhüllt. Die grossen Kugeln liefern auch ‚ weiter noch kleinere Zellen, die sich zu einem Hypoblast anordnen. Aehnliche Verhältnisse sind bei manchen Arthropoden zu Hause. Eine vergleichende Betrachtung des Reptilieneies mit diesen eben geschilderten Vorgängen zeigt nun sofort eine bedeutende Uebereinstimmung. Auch das Eidechsenei besitzt einen plasma- reichen Pol, den Keimpol, und einen an Protoplasma ärmeren Theil. Am Keimpol knospen sich von ihrer Unterlage Zellen los und zwar theils solche von ganz kleiner Gestalt, theils solche von grösserem Umfang. Auch hier bilden die abgeknospten Zellen eine Kappe, die dem Rest des Ries aufsitzt und durch eine Keimhöhle sich von ihm trennt. Allerdings dauert es bei der Eidechse lange Zeit, bis die Um- wachsung des Eies vollendet ist; allein dies ist lediglich als eine Folge der enormen Grösse desselben anzusehen. Auch ist es ja, wie schon oft ausgesprochen wurde, wohl nur Folge der so ausserordentlich massen- haft eingelagerten Nährsubstanz, dass das Eidechsenei nicht, wie es bei den kleineren Eiern meist der Fall ist, in toto sich in Theil- stücke zerklüftet. Dass das im Dotter befindliche Protoplasma von der Zellbildung übrigens nicht ausgeschlossen ist, kann man aus dem oben Gesagten ersehen. Zieht man die Parallele zwischen dem Eidechsenei und den Eiern der genannten Wirbellosen weiter, so ergiebt sich, dass den grossen Furchungskugeln, die ich bei diesen erwähnt habe, der Dotter des Eidechseneies entspricht; das Blastoderm der Reptilien hingegen würde jenen kleinen Zellen gleich zu stellen sein, welche bei jenen Wirbellosen durch Knospung aus den nahrungsreichen grossen Segmenten ihren Ursprung nehmen. Diese Schicht kleiner Zellen bildet bei den Wirbellosen das Ectoderm der Gastrula; die grossen innern Kugeln ergeben das Entoderm derselben. Ganz gleich würde beim meroblastischen 212 C. F. SARASIN: Vertebratenei der Dotter als Gastrula-Entoderm, das Blastoderm als Gastrula-Ectoderm anzusprechen sein, und die jeweilige Be- srenzung des Keimes, der Randwulst, erscheint bei dieser An- schauung als Gastrula-Mundrand. Im Randwulst findet der Uebergang des Gastrula-Ecetoderms, also des Blastoderms in das Gastrula- Entoderm, den Dotter, statt. Die Gastrula der meroblastischen Vertebrateneier ist also eine völlig symmetrische wie diejenige der Wirbellosen. Wie ich mir die Sache denke, sollen die nachstehen- den schematischen Bilder veranschaulichen. Dass der Gastrulamund nicht in einen bleibenden Mund oder After übergeht, kann nicht Gastrulaectoderm. Blastoderm. Br Gaslrulamund- m rand. Randwulsl. 4 Re Gastrulaentoderm. Dotter. Bithynia tentaculata. Lacerta aglis. mehr befremden, da bereits durch viele Arbeiten dasselbe Verhältniss bei zahlreichen Wirbellosen constatiert worden ist. Das Gastrula- Entoderm, der Dotter, liefert bei der Eidechse, wie oben geschildert worden ist, Zellen, welche das untere Blatt des Blastoderms ver- stärken helfen, vielleicht selbst — es lässt sich dies kaum entscheiden — einzelne Elemente ins Mesoderm abgeben. Es sind das diejenigen Zellen, welche Kupfer als Paraderm bezeichnet hat. Ferner ent- stehen im Dotter weiterhin Zellen, die wahrscheinlich zur Blutbildung Beziehung haben. Nach meiner Auffassung des Blastoderms als Gastrula-Eetoderm erscheint der Darm zum grössten Theil gastrula- Reifung und Furchung des Reptilieneies. 13 ectodermalen Ursprungs; ganz gleich verhält es sich bei vielen Wir- bellosen. Bei den Inseceten z. B. entstehen Vorder- und Hinterdarm durch Einstülpungen des Eetoderms, und bloss der Mitteldarm deriviert — es scheint dieser Punkt allerdings noch etwas streitig zu sen — von den Dotterzellen (hypoblast.). Ebenso sucht Balfour bei den Araneinen das Homologon des Hypoblasts im Dotter; der letztere besteht hier aus polygonalen Zellen, die sich theilen und kleiner werden; aus solchen zelligen Elementen bildet sich das Mesenteron, welches mit Stomodaeum und Proktodaeum sich verbindet. Bei Oniscus scheinen die Dotterzellen hauptsächlich zur Leberbildung zu dienen, und bei Bithymia tentaculata*') geht, abgesehen von einigen, vielleicht in die Mitteldarmbildung eintretenden Zellen, ausschliesslich die Leber aus dem Gastrula-Entoderm hervor, so dass dann der weit- aus grösste Theil des Embryos gastrula-eetodermalen Ursprungs wird. Bekamntlich bildet sich vom Randwulst, also vom Gastrula- Mundrand aus bei niederen Wirbelthieren der Embryo durch Wuche- rung. Nicht so klar sind die Verhältnisse bei den Sauropsiden (vergl. Balfours Lehrbuch). Ich habe zwar an meinen Präparaten eine Ver- dickung eines Theils des Randwulstes gefunden, und es ist von ver- schiedenen Seiten dasselbe bei Vögeln beschrieben worden. Allein es scheint darin keine Constanz zu herrschen. Erst neuerdings hat Gasser“°) darauf hingewiesen, dass bei Vögeln der Primitivstreif den Randwulst bald erreiche, bald aber unabhängig von ihm entstehe, und bei den Reptilien hat Kupfer den Embryonalschild im Centrum des Blastoderms liegend beschrieben. Balfour hat sich viele Mühe ge- geben, eine Erklärung dafür zu finden; er sieht im Primitivstreif, der vom hintern Ende der Medullarplatte ausgeht, einen Rest der gesuchten Verbindung zwischen Embryo und Blastoporus und hält ihn für ein rudimentäres Organ. Allein dabei sind Gassers eben genannte Beobachtungen nicht zu vergessen, und ferner darf nicht verschwiegen werden, dass Kupfer am Embryonalschild der Eidechse den Primitivstreif vermisst hat. Ebensowenig stimmen die Angaben Strahls*”) mit Balfours Ansichten überein. #7) P. B. Sarasin. Entwicklungsgeschichte der Bithynia tent. in Arbeiten aus d. zool. Institut Würzburg. 1882. #3) Archiv für Anatomie und Physiologie 1882. Anat. Abth. #) Archiv für Anatomie und Physiologie 1882. Anat. Abth. 214 C. F. SARASIN: Der Rand des Keimes ist schon oft als Blastoporus angesprochen worden, und zwar aus dem Grunde, weil in ihm das äussere und innere Keimblatt des Blastoderms zusammenhängen. Der Dotter gilt dann nach dieser Anschauung bloss als Anhang des Entoderms, während er nach meiner Ansicht ganz allein das Gastrula-Entoderm repräsentiert. Kupfer hat bekanntlich in einer Einstülpung des Ectoderms am hinteren Rande des Embryonalschildes die Gastrula der Vertebraten gesucht; daher er denn auch den eingestülpten Theil als Urentoderm bezeichnet und dem aus dem Dotter gebildeten Paraderm gegenüber stellt. Allein erstlich mahnt doch das Auftreten verschiedener solcher Pforten in den Blastodermen der Wirbelthiere (conf. Brauns Ar- beiten und Rauber: „Noch ein Blastoporus“ zool. Anz. 1883) sehr zur Vorsicht in der Deutung derselben als Gastrula-Oeffnungen und scheint darauf hinzuweisen, dass wir es hier viel eher mit secundären Bildungen zu thun haben. Sodann sind in Strahls eben citierter Arbeit gewichtige Gründe gegen die Gastrulanatur des fraglichen Gebildes enthalten, indem darauf hingewiesen wird, dass die Ein- senkung zu einer Zeit auftrete, in welcher bereits Mesoderm gebildet sei, also die Entstehung dieses letzteren nicht, wie Kupfer dachte, am Rande des Blastoporus stattfinde. Strahl zeigte ferner, dass das Ectoderm weder unmittelbar vor, noch hinter dieser ersten Ein- senkung eine Abgrenzung gegen das Mesoderm besitze, ja dass sogar der Kanal einfach inmitten eines Mesodermwulstes liege und eine Auskleidung seines Lumens mit eingestülpten Ectodermzellen nicht nachweisbar sei. In seiner Arbeit über die Knochenfische hat v. Beneden°”) ebenfalls die Deutoplasmakugel, also den Dotter, als Gastrula-Entoderm angesprochen. Die Vorgänge, die er dabei beschreibt, differieren allerdings beträchtlich von den oben ge- schilderten; v. Beneden lässt gleich nach der Befruchtung das Ei in zwei ungleiche Zellen zerfallen, in den Keim, der sich furcht und das Blastoderm liefert und zweitens in die Deutoplasmakugel mit ihrem sie umgebenden plasmareichen „intermediate layer“, welches durch freie Zellbildung das Epithel des Verdauungskanals und ver- muthlich die Bindegewebs- und Gefässelemente des Mesoderms liefert. Es finden sich auch sonst in der Litteratur schon mehrfache An- deutungen, dass der Dotter das Gastrula-Entoderm repräsentiere; 5°) Quart. Journ. of mier. Se. t. 18. 1878. Reifung und Furchung des Reptilieneies. 215 aber immer musste daneben irgend eine spätere Einstülpung als Gastrulamund fungieren. Meine Ansicht über die Gastrula findet sich bereits in der Arbeit meines Vetters P. B. Sarasin über die Bithynia als Vermuthung ausgesprochen. Gestützt auf meine Unter- suchung des Furchungsprocesses glaube ich diese Vermuthung zur Behauptung erheben zu können. Mit diesen Bemerkungen über die Bedeutung des Dotters will ich meine Arbeit abschliessen, in der Hoffnung, es möchte mir vielleicht gelingen, die Aufmerksamkeit der Embryologen mehr, als es bisher geschehen ist, auf diesen so oft vernachlässigten Theil der Eizelle zu lenken.*) *) Manche der hier gegebenen Resultate habe ich bereits in einer kurzen Mittheilung im biolog. Centralblatt (1883) veröffentlicht. Mehrere durch die Redaction vorgenommene Umstellungen machten in demselben Blatte eine Be- riehtigung nöthig. Sollte darin sonst noch etwas unverständlich geblieben sein, so wird dies die vorliegende Arbeit hoffentlich aufklären. — 216 C. F. SARASIN: Tafelerklärung. . Längsschnitt durch ein junges Eileiterei von Lacerta agilis. . Keimpol eines reifen Ovarialeies. . Schema der Dotterschichten-Anordnung in einem Ei von c. 3,5 mm. Der dunkel gehaltene Theil bedeutet das Plasmanetz. . Ei von 4-5 mm. Der dunkle Theil giebt die Lage des Dotter- heerdes an. . Peripherie eines Eies von c. 5 mm. . Plasmanetz im Dotter mit dem „Kern“ aus reifen Ovarialeiern, . Schema eines reifen Eies. a der Dotterheerd. . Dotterheerde, . Dto. mit dem „Kern“. . Fortsatz unterhalb der Keimschicht. . Dotterheerd aus demselben Ei, dem auch Fig. 12 angehört. . Umwandlungsstadien des Keimbläschens, 17 vom Wellensittich, die andern von der Eidechse. . Furchungsstadium, dem die Fig. 22.—30. entnommen sind. . Erste Furche der Keimschicht. . Furchungsbilder. . Knospen des Keimhöhlenbodens. . Unregelmässigkeit in der Furchung. . Kernknospen. . Randwulst. . Kernfigur in einer Zelle des Dotters. . Endogene Zellbildung. (?) . Zur Bildung des Eies und des blastoderms bei den viviparen Aphiden. Von LUDWIG WILL. Mit Tafel XVI I. Die Eibildung. Während die Autoren bei den oviparen Weibchen der Aphiden im Endfach ausser den jungen Eianlagen Dotterbildungs- zellen, oder um mit Ludwig zu reden, Einährzellen constatirten und es ebenso lange bekannt ist, dass das Ei mit dem Endfach durch einen sogenannten Dotterstrang in Verbindung steht, lauten die Beschreibungen über das Endfach der viviparen Aphiden ganz anders. ; So beschreibt Leydig!) in seinen Bemerkungen über die Ent- wicklung der Blattläuse, in denen er die Ansichten von J. Vietor Carus von der Entstehung des Aphidenembryos aus Keimkörnern zurückweist, das Endfach der viviparen Aphiden als eine rundliche Kammer, in der je nach der Grösse der letzteren acht bis zwölf Bläschen mit einem schärfer contourirten Kern liegen, von denen jedes noch von einem Hofe äusserst feinkörniger Substanz umgeben ist. Diese drei Theile, die feinkörnige Umhüllunsssubstanz, der bläschenartige Kern, sowie das scharf umgrenzte Kernkörperchen bilden eine Zelle, und zwar stehen nach unserm Autor die Theile !) Leydig, Einige Bemerkungen über die Entwicklung der Blattläuse in Zeitschr. f. wissenschaftl, Zool. Bd. H, pag. 62—66 mit Taf, Vb, 1850, 218 LUDWIG WILL: derselben in ebendemselben Verhältniss zu einander, wie die einer Furchungskugel, wobei die Umhüllungsmasse noch keine Mem- bran an ihrer Aussenfläche ausgeschieden, sich also noch nicht zur Furchungszelle fortgebildet hat. „Die eben behandelten bläschen- förmigen Kerne“, sagt er weiter, „liegen der Wand der Keimröhre unmittelbar an und existirt also keine eigene sie umschliessende Hülle.“ Dabei lässt er die Structur der Keimröhrenwandung un- erwähnt, doch scheint aus seiner Zeichnung hervorzugehen, dass die Wand von einer einfachen structurlosen Membran gebildet wird. Ich hebe das hervor, weil er von einem Eiröhrenepithel, von dem die späteren Autoren reden, weder etwas erwähnt noch zeichnet. Die weitere Entwicklung stellt er so dar, dass eine von diesen Zellen in die Keimröhre hinabsteigst und eine leichte Anschwellung derselben bedingt. Durch einen Process, den er mit der Furchung des Eies vergleicht, soll sich aus dieser Zelle der aus einem Zellenhaufen bestehende Keim entwickeln. Aus dem Jahre 1857 datirt eine äusserst wichtige Arbeit von Huxley.?) Nach diesem Forscher ist die Endkammer des Pseud- ovariums durch ein zartes Ligament, das von ihrem freien Ende ausgeht, “mit den Ligamenten, welche von den anderen Endfächern derselben Seite ausgehen, verbunden, um so das gemeinsame Liga- ment des Pseudovariums zu bilden. Die Wand der Kammer wird von einer zarten durchsichtigen Membran gebildet, in welcher hier und da rundliche Endoblasten (nuclei) eingebettet liegen und eine Art Epithelschicht herstellen, die in den Inhalt der Kammer über- seht. Ist dieser letztere völlig unverändert, so wird er aus einer homogenen periblastischen Masse gebildet, die ungefähr ein Dutzend klarer, runder Höhlungen enthält, deren Wände ein wenig dichter sind, wie der übrige Theil des Periblasts. In dem Centrum jeder Höhlung liegt ein runder opaker Körper, ähnlich den Endoblasten der Wandung der Kammer und in der That augenscheinlich von derselben Natur. Bei gewissen Individuen fand er den unteren Theil der Endkammer von einer Beschaffenheit, die von der des oberen Theils abwich. Es kann nämlich ein ganzes Drittel des Endfachs durch eine Periblastmasse eingenommen werden, die nur °) Huxley. Onthe Agamic Reproduction and Morphology of Aphis. 1857. Transactions of the Linnean Society of London, vol. XXIL, pag. 193. Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 219 ein einziges helles Bläschen enthält; diese Masse nebst ihrem bläs- chenförmigen Inhalt bezeichnet er als Pseudovum. Durch eine Einschnürung wird es bald von dem obern Theil der Kammer voll- ständig getrennt, so dass es dann eine besondere Kammer einnimmt, deren Epithel gewöhnlich gut entwickelt ist. Aehnlich wie Leydig beschreibt auch Leuckart°) den Inhalt der Endkammer, doch liess er, was die Genese der jungen Keim- zelle anbetrifft, es ungewiss, ob sich die letztere durch Vergrösserung und Fortbildung aus einer der ganz allgemein in der oberen Keim- röhrenkammer vorkommenden Zellen bilde, oder ob sie eine selbst- ständige Bildung sei, analog dem Eie, dem er einen selbstständigen Ursprung zuschrieb. „Doch dem sei nun wie ihm wolle“; fährt er fort, „die Keimzelle entsteht im unteren Ende des Keimröhrenfachs und gewinnt sehr bald eine so beträchtliche Grösse, dass sie auf die Form derselben umändernd einwirkt. Anfangs eine ovale An- schwellung, nimmt dies Fach zunächst eine umgekehrt birnförmige Gestalt an, bis sich das untere ausgedehnte Ende mit seiner Keim- zelle schliesslich durch eine immer tiefer greifende Einschnürung absetzt und dadurch dann in eine eigene Kammer sich verwandelt.“ Wenn auch Lubbock*) den viviparen Aphiden keine ein- gehende Besprechung widmet, so will ich doch folgenden Passus aus seiner Arbeit anführen, der mir von Interesse zu sein scheint, weil er darin sucht, den zwischen dem Bau des Endfachs bei den ÖOviparen und Viviparen bestehenden Gegensatz zu beseitigen. Er sagt: „According to Professors Huxley and Leuckart the vitelli- genous cells are very distinet in the oviparous Aphis, while they are not developed at all or are inconspicuous in the viviparous form. The latter is I believe the true state of the case; it is admitted that there are in the upper chamber of the egg-tube in the vivi- parous forın, certain round cells, originally identical with the one _ — which has developed itself into the germinal vesicle, and I consider these to represent the vitelligenous cells.“ Verstehe ich ihn richtig und will er in dem Angeführten „the latter* nur bezogen haben auf „inconspieuous“ und nicht auch auf „not developed“, so will 3) Leuckart, Zur Kenntniss des Generationswechsels und der Partheno- genese bei den Insecten. Frankfurt 1858. *) Lubbock, On the ova and pseudova of insects. Philosoph. Transact. of the Royal Soc. 1859, vol. 149. — London 1860, pag. 341—69, pl. XVI-XVIL 220 LUDWIG WILL: Lubbock sagen, dass die Dotterbildungszellen oder Nährzellen auch bei den viviparen Blattläusen vorhanden sein müssen, dass sie bei diesen nur undeutlicher, schwerer sichtbar sind. Wenn auch fast alle Forscher darzuthun suchen, dass die Nährzellen der Oviparen aus Elementen, die denen im Endfach der viviparen Aphiden gene- tisch gleichwerthig sind, sich durch weitere Differenzirung dieser gebildet haben, so ist doch Lubbock meines Wissens der Einzige der den Gedanken durchblicken lässt, dass eine solche Structur- verschiedenheit in den Ovarien beider, trotzdem man .die Elemente auf denselben Ursprung zurückführen kann, eigentlich kaum zu denken ist. Deshalb sagt er auch am Schluss des Absatzes’): „and I consider these (die runden Elemente der Endkammer) to represent the vitelligenous cells“ um damit anzudeuten, dass er sie nicht nur für Gebilde hält, die mit den Nährzellen den gleichen Ursprung theilen, sich aber nicht zu solchen umgebildet haben, sondern dass sie die Nährzellen selbst darstellen. Wenn dass auch nur eine Ver- muthung von ihm war, so war sie doch berechtigt und hat sich auch, wie sich aus meiner Schilderung ergeben wird, bestätigt. Den Dotterstrang lässt er in diesen Zeilen ganz unerwähnt, so dass’nicht zu ersehen ist, ob er meint, dass auch dieser bei den viviparen Aphiden vorhanden sein müsse und er nur wegen seiner Feinheit den Beobachtungen entgangen sei. Die genauesten Mittheilungen über diesen Punkt verdanken wir Claus, der in seinen Beobachtungen‘) über die Bildung des Insecteneies den genetischen Zusammenhang von Epithelzellen, Ele- menten des Endfachs und den Eizellen darzuthun sucht. Er kommt in Bezug auf die viviparen Aphiden zu dem Schlusse: „Im Wesent- lichen unterscheidet sich demnach die productive Thätigkeit der so- genannten Amme von der des Weibchens dadurch, dass die Um- bildung des Epithels in die den Doiterbildungszellen analogen Zellen sehr frühzeitig eintritt, diese letzteren aber nicht erst zu jener be- deutenden Grösse anwachsen, bevor es zur Bildung eigenthümlicher 5) Lubbock’s Ausdrucksweise im Schlusssatze ist nicht ganz correct, denn er will sicher nicht sagen, dass die runden Kerne des Endfachs, von denen einer zum Keimbläschen des jungen Eies wird, die ganzen Nährzellen zu bilden haben, sondern nur, dass sie zu den Kernen derselben werden. 6) Claus, Beobachtungen über die Bildung des Insecteneies, in: Zeitschr. f, wissenschaftl. Zool. Bd, 14, 1864, pag. 42. BEN Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 9221 Eizellen kommt, sondern unmittelbar die Keime selbst liefern.“ Dieser Forscher ist es ferner, der zuerst energisch gegen die Ammennatur der viviparen Aphiden protestirt hat. Er will sie als modificirte, der Erzeugung spontan sich entwickelnder Eier angepasste Weibchen angesehen haben und: sieht in Folge davon ihre Fortpflanzungsweise als eine besondere Form der Parthenogenese an, die den Ueber- sang zum Generationswechsel vermittelt. Wenn Claus der Ansicht ist, dass sich die Zellen im Endfach wie die Eizellen durch Umwandlung von Epithelzellen gebildet haben, so kommt Metschnikow‘) auf Grund seiner genauen Untersuchungen zu dem Resultat, dass sich sowohl Eizellen und Dotterbildungs- zellen®), wie auch Epithelzellen aus demselben Haufen von Embryonal- zellen entwickelt haben. Nach ihm hat man also in den letzteren das Bindeglied zwischen den drei Zellenarten zu suchen. In Folgendem habe ich es mir nicht zur Aufgabe gestellt, die Geschlechtsanlage von ihrem frühesten Auftreten an bis zur Bildung des Endfachs zu verfolgen, wie Metschnikow es bisher allein gethan, sondern es kam mir wesentlich darauf an, den zwischen den Ovarien beider Aphidengenerationen noch bestehenden Gegen- satz aus dem Wege zu räumen und zu zeigen, in welcher Weise sich das Ei aus den Elementen des Endfachs bildet. Trotzdem kann ich nicht umhin, hervorzuheben, dass ich auf Grund mancher Einzel- beobachtungen, die mit denen Metschnikow’s übereinstimmen, die Ansicht dieses Forschers für die richtige halte. Alexander Brandt’s?) Beschreibung vom histologischen Bau des Endfachs der viviparen Aphiden weicht insofern von den Schil- derungen der übrigen Forscher ab, als er den Elementen im End- fach eine ganz andere Deutung zu Theil werden lässt. Er sieht nämlich die im Endfach liegenden runden bläschenförmigen Körper als Zellen erster Ordnung an. Diese sollen sich theils mit Dotter- substanz, die er für ein Product der Bläschen selbst hält, umgeben und so zu Eiern werden, theils aber direct, ohne von Zwischen- ”) Metschnikow, Embryologische Studien an Insecten, mit 10 Kupfern, in: Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. 16, 1866. ®) Diese kennt er ebenfalls nur bei den Oviparen. °) Brandt, Alexander, Ueber das Ei und seine Bildungsstätte. Ein vergleichend-morphologischer Versuch mit Zugrundelegung des Insecteneies. Mit 4 Tafeln, Leipzig 1878. 222 LUDWIG WILL: substanz umgeben zu werden, in Epithelzellen umgestalten. Dem- nach betrachtet er die bläschenförmigen Elemente des Endfachs wie die Epithelzellen und das Keimbläschen als Zellen erster Ordnung, das Ei dagegen als eine Zelle zweiter Ordnung. Da ich im Laufe der Arbeit noch mehrfach Gelegenheit haben werde, auf die An- sichten von Brandt, die ich als durchaus irrthümlich bezeichnen muss, einzugehen, so will ich sie hier nur kurz berührt haben. Ganz kurz bespricht Witlaczil!®), der einzige Bearbeiter der Anatomie der Aphiden, die Geschlechtsorgane der agamen Weibchen. Er hebt nur hervor, dass es bekannt sei, dass sich keine Dotter- bildungszellen und keine Dotterstränge in den sonst mit den Ei- röhren übereinstimmenden und nur behufs Erzielung einer möglichst grossen Nachkommenschaft meist noch mehrfächrigen Keimröhren ausbilden. Brass!!) der allerneueste Bearbeiter des Ovarıums der vivi- paren Aphiden, dessen Arbeit ich erst erhielt, als ich meine Unter- suchungen über die Eibildung bereits abgeschlossen hatte, weicht -in seiner Beschreibung vom histologischen Bau des Endfachs und der Eibildung nur in einzelnen Punkten von den älteren Autoren ab. Ein Unterschied, der uns in seiner Schilderung entgegentritt, ist der, dass er das Epithel der Eiröhre abweichend von allen anderen Forschern für den peritonealen Ueberzug des Ovariums hält und nichts von jener structurlosen tunica propria weiss, von welcher in den übrigen Arbeiten geredet wird. Diesem peritonealen Ovarial- überzug kommt nach ihm eine gewisse Selbstständigkeit zu, indem er gewissermassen selbst zu einem Organe wird. Ausserdem fungirt er auch gleichzeitig als Eihülle. In Bezug auf den Inhalt des End- faches lasse ich ihn selbst reden: „Die primitiven Eier liegen der Ovarialhülle nicht eng an, sondern schwimmen gewissermassen in einer nur spärlich vorhandenen Flüssigkeit. Wie sie sich beim Embryo entwickeln, habe ich vorläufig nicht constatiren können. Eine Neubildung von Ovarial-Eizellen habe ich nicht beobachten 10) Witlaezil, Emanuel, Zur Anatomie der Aphiden, mit 3 Tafeln, in: Arbeiten aus dem zool. Institut Wien. Tom. IV, 3. Heft. Wien 1882. 11) Brass, Zur Kenntniss der Eibildung und der ersten Entwickelungs- stadien bei den viviparen Aphiden, mit Tafeln. Halle 1883. Auch in den Ab- handlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle erschienen, Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den yiviparen Aphiden. 223 können und scheint das Mutterthier mit ihrem Hauptgeschäfte auf- zuhören, sobald der Vorrath an primitiven Eizellen zum grössten Theil aufgebraucht ist; jedenfalls war die Zahl der vorhandenen Zellenkeime keine constante.“ Meine Untersuchungen wurden an verschiedenen Arten von vivi- paren Aphiden angestellt. Besonders dienten mir Aphis rosae, Aph. rosarum, Aph. salicetis und Aph. pelargonii. Um die Ovarien derselben frisch zu untersuchen, wurden die Thiere in schwacher Kochsalzlösung oder in Jodserum auf dem Objeetträger zerzupft. Gelegentlich wurde auch Essigsäure zugesetzt; doch ist der Zusatz von Säuren immer gefährlich, da unsere Objecte so sehr zart sind und man leicht Kunstproducte erhält. Besonders wurde auch die Schnittmethode angewandt. Bei Anwendung der- selben war es nothwendig, mit der äussersten Vorsicht bei der Con- servirung vorzugehen. Als bestes Tödtungsmittel erprobte ich Wasser von etwa 70°C. Ebenso schien es mir am gerathensten, die Ovarien mit Endfächern, Eiern und Embryonen im ganzen Thiere zu schneiden. Damit ist nur die Schwierigkeit verknüpft, die ganze Aphis gehörig durchzufärben, weil die Färbungsmittel das Chitin nur sehr schwer durchdringen. Ich half mir jedoch dadurch, dass ich an einer Stelle die Cutieula des Thieres, sobald dasselbe aus 90°/o Alcohol herauskam, mit einer fein zugeschliffenen Nadel anstach. Nach dieser Behandlung drangen dann die Färbungsmittel vortrefflich ein. Da die Schnitte ausserordentlich dünne sein müssen, weil wir es mit so kleinen Elementen zu thun haben, muss in Folge dess.die Färbung eine sehr intensive sein und da reichte mir denn in der Regel Pikrocarmin nicht aus. Statt dessen hatte ich schöne Er- folge mit Boraxcarmin und Haematoxylin. Eine fernere Schwierigkeit zeigte sich beim Schneiden, indem gewöhnlich die Embryonen, Endfächer etc. herausfielen. Dieser Uebelstand wurde vollkommen durch die Anwendung der Collodium- methode vermieden, der bereits Timm in seiner Arbeit über Phreoructes Menkeanus‘?) Erwähnung thut. Diese Methode arbeitet nach meiner Erfahrung in jeder Beziehung exacter, als die Schellack- 12) Diese Zeitschrift, Bd. VI. Semper, Arbeiten. VI, 2 16 994 LUDWIG WILL: methode von Giesbrecht'?); jedoch ist sie nur in schwierigen Fällen von wirklichem Nutzen, da sie gegenüber der Giesbrecht'- schen Methode viel zu viel Zeit raubt. Der allgemeinere Bau des Ovariums ist mit kurzen Worten geschildert. Der gemeinsame Oviduet mündet an der Bauchseite in der Medianlinie des Thieres und etwas vor dem After. Es ist längst bekannt, dass er der Samenblase und der Kittdrüsen, welche beide bei den Oviparen vorkommen, entbehrt. Das Fehlen der ersteren erklärt man als eine Folge des Ausbleibens der Begattung, das der letzteren als eine Folge des Gebärens von lebendigen Jungen. Dem gemeinsamen Oviducte sitzen, durch besondere Ausführgänge in denselben mündend, eine Reihe von Övarialschläuchen oder soge- nannten Eiröhren an, welche früher im Gegensatz zu den Eiröhren der Oviparen als „Keimröhren“ bezeichnet wurden. Die Wandungen jedes Ovarialschlauches laufen an der Spitze desselben in einen so- liden Endfaden aus, der sich mit den Endfäden der anderen Eiröhren vereinigt, wodurch eine Verbindung der letzteren hergestellt wird. Die Eiröhren zeigen eine Kammerung, die sich schon äusser- lich durch die Einschnürungen ausprägt, welche die Wandung zwischen je zwei Kammern aufweist. Die oberste Kammer wird als Endfach bezeichnet und stellt den ältesten Theil der ganzen Eiröhre dar. In diesem Endfache finden sich die jungen Eianlagen, von denen sich meist eine, die den unteren Theil des Faches ein- nimmt, durch ihre Grösse und ihre Lage auszeichnet und im Begriffe steht zum Eie zu werden. Die unter dem Endfach liegende Kammer ist in der Regel etwas kleiner (Fig. 5) wie die vorige und enthält ein einziges Ei, das meist bereits in der Furchung begriffen ist, zuweilen auch schon das Blastoderm vollkommen gebildet hat. Jede der folgenden Kammern enthält ebenfalls nur ein Ei, oder richtiger gesagt einen Embryo, der desto weiter in der Entwickelung vor- geschritten ist, je weiter er vom Endfache entfernt liegt. Von dem feineren histologischen Bau des Ovariums kommt hier nur die Wandung des letzteren sowie das Endfach in Betracht. Die Wand des ganzen Ovarialschlauches, auch des Endfachs, wird von einem einschichtigen deutlichen Epithel gebildet, das an 13) Mittheilungen der Zool. Station zu Neapel. III. Bd., 1. und 2. Heft, pag. 184—186,. Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 995 der Spitze des Endfachs sich in den soliden Endfaden auszieht. Von jener structurlosen tunica propria, die die eigentliche Wand der Eiröhre bilden soll und wie sie in den verschiedenen Arbeiten geschildert wird, konnte ich ebenso wenig wie Brass irgend eine Spur entdecken und zwar weder an frischen Präparaten noch an Schnitten, trotzdem ich mit den stärksten Vergrösserungen unter- suchte (Homog. Immersion von Zeiss. /ı2). Deshalb bin ich über- zeugt, dass jene eben beschriebene Epithelschicht einzig und allein die Wand des Eierschlauches ausmacht. Ueber den Ursprung der Zellen des Epithels kann ich leider keine Angaben machen, so dass ich in Folge dessen auch nicht sagen kann, ob sie dem Eiröhren- epithel der übrigen Insecten entsprechen oder nicht. Die Ansicht von Brass'*), der diese Zellschicht als ein peritoneales Gewebe bezeichnet, weil sie seiner Meinung nach der Hülle der Malpighi’- schen Gefässe, des Darmes und der Tracheen etc. entspricht, scheint mir sehr viel für sich zu haben. Besonders spricht der Umstand sehr für ihn, dass diese Schicht auch das ganze Endfach überzieht, sich direet in den Endfaden fortsetzt und schon zu einer Zeit an- gelegt und als Umhüllungsschicht scharf von dem Inhalt des End- fachs abgegrenzt ist, wo von dem ganzen im spätern Alter viel- kammerigen Ovarium erst die Endkammer allein besteht. Aus den Angaben einer grossen Anzahl von Forschern geht zwar hervor, dass das Epithel nur den unteren Theil des Endfaches überzieht, dagegen den oberen Theil ganz frei ‚lässt, der allein von jener structurlosen Tunica umschlossen sein soll, deren Existenz ich so- eben in Abrede genommen, doch beruhen diese Angaben auf einem Irrthum. Aus den Berichten von Metschnikow und vor allem aus seiner Zeichnung’), in der er ein ganz junges Ovarium darstellt, von dessen Eiröhre nur erst das Endfach angelegt ist, geht auf das Klarste hervor, dass diese Zellen das ganze Endfach überziehen und schon zu einer so frühen Zeit sich scharf gegen den Inhalt der Kammer absetzen. Aus der neuen Arbeit von Brass geht dasselbe hervor und sprechen auch meine nach Schnitten angefertigten Zeich- nungen beweisend dafür. Die Zellen umhüllen den oberen Abschnitt des Endfachs in Gestalt eines Plattenepithels, dass am unteren Ab- Brass, 1. e:, pag. 7- 15) Metschnikow, Embryol. Studien. Taf. XXXT, Fig. 39. 16* 296 LUDWIG WILL: schnitt plötzlich in ein hohes, schön entwickeltes Cylinderzellenepithel übergeht (Fig. 1—5). Deshalb kann von jener Behauptung Brandt’s'%) — dem ebenfalls das Plattenzellenepithel im oberen Abschnitt ent- gangen ist — dass sich beständig Elemente des Inhalts direet zu Epithelzellen umgestalten, gar nicht die Rede sein. Aber obwohl ‘das alles ganz von den Verhältnissen beim Ei- röhrenepithel anderer Insecten abweicht, so kann doch nur die Genese hier entscheiden. Diese ist bisher nur von Metschnikow verfolgt worden und nimmt dieser Forscher die Zellenlage als Ei- röhrenepithel in Anspruch. Für seine Ansicht scheint mir jeden- falls zu sprechen, dass die Wand des Ovariums in physiologischer Beziehung vollkommen als Eiröhrenepithel fungirt. So lange dess- halb nicht eine Arbeit vorliegt, die an der Hand einer Entwickelungs- geschichte dieser Zellschicht das Gegentheil beweist, verlasse ich mich auf die Untersuchungen von Metschnikow, den ich stets im Verlaufe meiner Untersuchungen als einen ausserordentlich gewissen- haften Forscher befunden habe. Letzteres glaube ich hervorheben zu müssen gegenüber den bedauernswerthen Ausfällen, die sich Brass segsen Metschnikow erlaubt hat. Wenn auch im Späteren meine Angaben oft sehr von denen des russischen Gelehrten abweichen, so liegt doch das nur daran, dass letzterer mit unvollkommneren Instrumenten, mit unvollkommneren Methoden gearbeitet hat. Dessen- ungeachtet kommen seine Resultate der Wahrheit unendlich viel näher wie diejenigen von Brass, dessen Arbeit ich als im höchsten Grade flüchtig und ungenau bezeichnen muss, namentlich was die ersten Furchungsstadien betrifft. Nach unten zu geht das Epithel der Röhre direct in das des Eileiters über, wo es aber noch von einer Muskellage überdeckt wird. Wenn Brandt!”) von den Epithelzellen der lebendig gebären- den Aphiden behauptet, dass sie schon sehr früh resorbirt werden, indem sie sich erst stark abplatten, dann zu einer dünnen granu- lären Schicht zerfallen und darauf gänzlich schwinden, so ist das durchaus unzutreffend.. Auf Schnitten sah ich, dass das Epithel selbst bei den ältesten Embryonen in toto vorhanden war. Was nun den Inhalt des Endfaches selbst betrifft, so fand ich denselben in ganz anderer Weise angeordnet, als wie es bisher für 16) Brandt, Das Ei und seine Bildungsstätte, pag. 115. 17) Brandt, ebenda pag. 37, Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 997 die viviparen Aphiden beschrieben wurde. Die Endkammer eines entwickelten Ovariums, d. h. eines Ovariums, in dem sich bereits ein oder mehrere Eier gebildet haben, besteht in ihrem oberen von Plattenzellen umkleideten Abschnitt aus zwei Theilen. Diese stehen aber in so engen Beziehungen zu einander, dass es nur practische Gründe sind, die mich veranlassen, bei der Beschreibung eine Scheidung vorzunehmen. Erstlich findet sich nämlich im Endfach, ganz im Innern, eine homogene Protoplasmamasse und dann eine Anzahl von zelligen Elementen, die den Raum zwischen dem cen- tralen Plasma und dem Epithel des Faches ausfüllen. Diese Zellen verhalten sich, sowohl in Bezug auf ihre Lage wie ihren Bau, genau so wie dies mit den als Dotterbildungszellen oder Nährzellen be- schriebenen Elementen der oviparen Aphiden der Fall ist. Auf Längsschnitten wie auch auf Querschnitten durch das Endfach sieht man sehr schön, wie diese Zellen, die verhältnissmässig gross zu nennen sind, im Kreise um die centrale Protoplasmamasse herum- liegen, welche letztere ich aus später zu erörternden Gründen als Rhachis bezeichnen will. Die peripherisch zu dieser gelagerten Zellen begrenzen sich gegenseitig keilfürmig und stehen mit der Rhachis in Verbindung, ihr mit einem Stiele aufsitzend. Oftmals, sowohl an frisch untersuchten, als an conservirten Objecten sieht man, dass die einzelnen gestielten Zellen des Endtachs sich nicht einmal gegenseitig berühren, sondern dass sie durch einen Zwischen- raum, der aber sehr gering ist, getrennt sind. Einer Membran entbehren diese Zellen ebenso vollkommen, wie das junge Ei selbst, doch scheint das peripherische Plasma derselben etwas zäherer Natur zu sein, wie das in der Nähe ihrer Kerne gelegene. Im Uebrigen ist das Protoplasma dieser Elemente genau von derselben Beschaffenheit, wie das der Rhachis selbst und entbehrt ebenso wie dieses jeder gröberen Körnchen. Demnach ist das Protoplasma beider Bestandtheile des Endfachs vollkommen homogen zu nennen. Jede der Zellen enthält einen sehr grossen bläschenartigen Kern mit einem grossen meist rundlichen Kern- körperchen. Hat man die früher erwähnten Färbungsmittel an- gewandt, so färbt sich das Plasma ein wenig, der Kern aber gar nicht, während das Kernkörperchen ganz intensiv gefärbt wird (Fig. 2). Der Uebergang von der oberen Abtheilung des Endfachs zur unteren prägt sich, wie wir bereits oben sahen, in überaus scharfer 228 LUDWIG WILL: Weise dadurch aus, dass das Plattenzellenepithel der ersteren an der Grenze zur letzteren ganz plötzlich in ein hohes Cylinderzellen- epithel übergeht, das meist prächtig entwickelt ist (Fig. 1—4). Das letztere umschliesst als alleinigen Inhalt der unteren Abtheilung eine einzige, im Verhältniss zu den Zellen des Epithels sehr grosse Zelle, die junge Eizelle. Der Protoplasmaleib derselben ist genau von derselben Beschaffenheit wie das Plasma der gestielten Zellen im obern Abschnitt und das der Rhachis selbst. Ebenso gleicht auch das Keimbläschen in seiner klaren durchsichtigen Beschaffen- heit und in seiner Eigenschaft, keine Färbungsmittel anzunehmen, vollkommen den Kernen der vorerwähnten Zellen (Fig. 1, 5, 6). Vom Keimfleck lässt sich anfangs nur dasselbe sagen, wenn man ihn mit den Kernkörperchen im obern Abschnitt vergleicht. Etwas später jedoch ist er, was aber immer schon den nahenden Furchungs- process anzeigt, in eine mehr oder minder grosse Zahl von Körnchen zerfallen (Fig. 1, 5). Diese verhalten sich übrigens gegen Tinctions- mittel ganz ebenso, wie der Keimfleck, wenn derselbe noch ein Ganzes darstellt, oder wie die Kernkörperchen der gestielten Zellen; d. h. sie färben sich ausserordentlich stark. Auch eine Spur von Essigsäure lässt an frischen Präparaten Kernkörperchen resp. Keim- fleck (ob zerfallen oder nicht) auf das prägnanteste als dunkle Körperchen hervortreten. Was nun aber die Uebereinstimmung mit den Structurverhält- nissen des Ovariums der oviparen Weibchen noch mehr in die Augen fallen lässt, ist der Umstand, dass auch hier bei den agamen das junge Ei mit der centralen Protoplasmamasse oder der Rhachis durch einen Strang in Verbindung steht, der in jeder Beziehung dem als Dotterstrang bei den Oviparen bekannten Gebilde gleicht (Fig. 1, 2, 5, 6). Er ist vollkommen solide und sein Plasma genau von derselben Beschaffenheit wie das im Endabschnitt vorhandene und das des jungen Eies. Demnach kann man sagen, dass das Ei mit einem eben solchen nur längeren stielförmisen Gebilde oder Verbindungsstrang der centralen Rhachis im Endfach aufsitzt, wie das mit den in letzterem enthaltenen gestielten Zellen der Fall ist.’ Unter diesem jungen Ei liegt im nächsten Eiröhrenfach ein anderes, das bedeutend grösser ist und meist schon sich zu furchen angefangen hat. Wenn auch noch nicht immer mehrere Keim- Zur Bildung des Eies und des Blasladerms bei den viviparen Aphiden. 229 bläschenderivate in demselben wahrzunehmen sind, so lässt es doch wenigstens eine Veränderung in seinem Plasma erkennen, indem in seinem Innern eine grosse Anzahl von Deutoplasmatröpfehen auf- getreten sind. Letztere lassen den peripherischen Theil des Eies vollkommen frei, so dass dieses eine Zone von ganz homogenem Plasma darstellt, die bis vor ganz kurzer Zeit unter dem Namen „Keimhautblastem“ beschrieben und von einzelnen Autoren, so vor allem Brandt, vollkommen geläugnet wurde. Neuerdings ist diese peripherische plasmatische Schicht von Weismann'®) in „Plasma- rinde* umbenannt worden. Auch dieses Ei ist mit dem in der Mitte des Endfachs liegen- den Protoplasma durch einen solchen sogenannten Dotterstrang in Verbindung (Fig. 5). Derselbe zieht sich über die Oberfläche des ersten jungen Eies hinweg, worauf die Dotterstränge beider, neben einander herlaufend und zwischen die unteren gestielten Zellen des Endabschnitts hindurchtretend (Fig. 3), sich mit der Rhachis ver- binden. Was nun die Art und Weise der Verbindung des Dotter- stranges mit einem Ei dieses Stadiums betrifft, so geht der Strang direet in die homogene peripherische Plasmarinde über, ohne diese aber zu durchbohren und in das centrale Deutoplasma überzugehen. Letzteres müsste offenbar der Fall sen, wenn es als Dotterstrang in dem Sinne zu fungiren hätte, wie die Auffassung vor der Arbeit Ludwigs war, d. h. wenn er dem Ei den Nahrungsdotter zuzuführen hätte. Oftmals fand ich noch einen dritten Dotterstrang, der die Rhachis mit einem dritten Ei verband, das gewöhnlich schon ziem- lich weit in der Blastodermbildung vorgeschritten war. Im All- gemeinen schwindet der Dotterstrang erst, wenn das Blastoderm in einzelne, scharf von einander geschiedene Zellen zerfallen ist, die Keimbläschenderivate also keinen gemeinsamen Protoplasmaleib mehr besitzen. Schliesslich will ich nicht unerwähnt lassen, dass je zwei Ei- kammern durch einen Pfropf von Zellen getrennt sind, der eine Wucherung des Epithels darstellt und nur in der Mitte eine Durch- bohrung zeigt, welche dazu dient, die Verbindungsstränge durch- zulassen. 1%) Weismann, Beiträge zur Kenntniss der ersten Entwickelungsvorgänge im Insectenei, in: Beiträge zur Anatomie und Embryologie. J. Henle als Fest- gabe zum 4, April 1882 dargebracht von seinen Schülern, 230 LUDWIG WILL: Aus der eben gegebenen Beschreibung erhellt, dass die End- fächer der agamen Weibchen ganz ebenso gebaut sind, wie die der ÖOviparen. Deshalb glaube ich mit Recht vermuthen zu dürfen, dass auch die physiologische Bedeutung der Elemente bei beiden die gleiche ist, ohne aber damit sagen zu wollen, dass die Deutung, welche die Elemente bisher bei den Oviparen erfahren haben, die richtige ist. Weil der Name „Dotterstrang“, wie bereits angedeutet wurde. und aus dem Folgenden noch ersichtlicher werden wird, absolut die Function dieses Stranges nicht trifft und gar zu leicht eine falsche Vorstellung von derselben erweckt, so möchte ich ihn als Eistiel oder Verbindungsstrang bezeichnen. Auf die Verbindungsstränge, wie auf die Structur des End- fachs wurde ich zuerst durch dünne und gut gefärbte Schnitte auf- merksam gemacht; dann aber nahm ich beides ebenso gut an frischen Präparaten wahr. Ausser den gestielten Zellen waren im Endfach durchaus gar keine Elemente vorhanden, die man als Eianlagen hätte auffassen können, was mich natürlich bei der bekannten starken Vermehrungs- fähigkeit der viviparen Blattläuse überraschen musste. Da Claus und andere die gestielten Zellen bei den oviparen Aphiden für Dotter bereitende Drüsenzellen ansehen, die die Function haben, dem Ei das zu seinem Aufbau nöthige Material zu liefern!?) und damit, obwohl genetisch mit dem Eie denselben Ursprung theilend, die Tähigkeit verloren haben, sich zu Eiern umzuwandeln, glaubte ich die gestielten Zellen bei den Viviparen ebenfalls als reine Nähr- zellen in Anspruch nehmen zu müssen. Deshalb musste ich natür- lich noch nach eigentlichen Eianlagen suchen. Das Fehlen derselben aber erklärte ich mir durch den Umstand, dass ich bisher nur die Ovarien älterer Thiere untersucht hatte, bei denen man annehmen konnte, dass die Thiere bereits in einem solchen Alter seien, in dem sie aufgehört haben, neue Eier zu bilden und sich nur noch darauf beschränkten, die im Eierstock bereits vorhandenen zur Ent- wicklung zu bringen. Doch diese Erklärung, die mir anfangs ganz plausibel erschien, erwies sich bald als vollkommen verkehrt. Bei darauf an jungen Thieren, ja bei Embryonen angestellten Untersuchungen fand ich "*) Claus, Beobachtungen über die Bildung des Insecteneies, pag. 48. Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 2a nämlich immer nur die oben geschilderten Verhältnisse und war keine Spur von besonderen Eianlagen vorhanden, obgleich die Ova- rien ausser dem Endfach gar keine, eine oder höchstens zwei Ei- kammern aufwiesen. Der einzige Unterschied, der sich vorfand, betraf die Zahl der Elemente im Endfach, die in jungen Endfächern immer eine grössere war, wie in den alten. Da auch die Bildung der Eier durch Auswachsen einzelner Epithelzellen vollkommen aus- geschlossen ist, so bleiben nur die gestielten Zellen des Endfaches übrig, die für die Eibildung in Betracht kommen können. Diese letzteren sind demnach als junge Eianlagen, als primitive Eier aufzufassen. Wie ich bald zeigen werde, treten diese Eianlagen noch in nähere Beziehungen zu dem Wachsthum der bereits aus ihrer Mitte ausgetretenen Eier, doch in ganz anderer Weise, als man das bisher von den gestielten Zellen der Oviparen annahm, denen ja überdies einzig und allein die Function der Ernährung des Eies zukommen sollte. Das Endfach der viviparen Aphiden zeigte jedoch nicht von Anfang den Bau, wie ich ihn hier geschildert habe, sondern es hat zu einer Zeit, wo von einer ganzen Eiröhre nur erst die Endkammer angelegt ist, eine Structur, wie sie schon längst bekannt ist und von verschiedenen Forschern richtig beschrieben wurde. Die Wandung des birnförmigen Endfachs besteht aus einem Plattenzellenepithel, das nach dem untern spitzen Ende des Endfachs zu ein Wenig _ dieker wird und direct in das Epithel des Ausführganges übergeht. Der Inhalt besteht zu dieser Zeit aus einer Summe von Zellen, die der Membran gänzlich entbehrend, in ihren Plasmaleibern ver- schmolzen sind. Die diesem gemeinsamen Plasma eingelagerten Kerne liegen in dem Endfach gänzlich zerstreut, ohne dass sich in ihrer Lagerung eine bestimmte Anordnung erkennen liesse, wie das später der Fall ist. Sie finden sich ebensowohl im Centrum des Faches wie an der Peripherie. Die Kerne selbst stellen helle bläs- chenartige Körper dar, die sich mit den gebräuchlichen Farbstoffen ‘nieht tingiren lassen und ein gewöhnlich grosses Kernkörperchen enthalten, das meist rund oder oval, zuweilen auch von etwas un- regelmässiger Gestalt ist. Es haben demnach Kern wie Kernkörper- chen im jungen Endfach genau denselben Character, genau dieselben Eigenschaften, wie ich sie von denselben Elementen eines vollständig ausgebildeten Ovariums geschildert habe, 939 LUDWIG WILL: Weil nun hier bei den viviparen Aphiden die Structur des ausgebildeten Ovariums nicht so in die Augen fällt, wie das bei den oviparen der Fall ist, so konnte es geschehen, dass man bei unsern Thieren so lange den Verbindungsstrang und die gestielten Zellen des spätern Endfachs übersah und allgemein annahm, dass das End- fach der agamen Weibchen zeitlebens dasselbe Aussehen und die- selbe Structur zeige, die man in seiner Jugend an ihm wahrnimmt. Dagegen sollte sich das Endfach der ÖOviparen weiter entwickeln und ein Theil der den Eiern genetisch entsprechenden Elemente sich in jene gestielten Dotterbildungszellen umwandeln, während die übrigen die Eianlagen repräsentiren und nach einander zu Eiern auswachsen sollten. Für eine so auffallende Verschiedenheit in dem Bau der End- fächer und der physiologischen Bedeutung der in denselben ent- haltenen Elemente musste man nach Erklärungen suchen, die auch gegeben wurden. Sie lauteten wohl im Wesentlichen dahin, dass die agamen Weibchen keines Dotterstranges und keiner Dotter- bildungszellen bedürften, weil ihre Eier ja keinen Dottervorrath in sich anhäufen und die Entwicklung bereits anhebt, wenn das Ei eben angelegt ist. Abgesehen nun davon, dass jetzt, nachdem ich dieselbe Structur des Endfachs, wie sie von den Oviparen bekannt ist, auch für die Viviparen nachgewiesen habe, eine solche Erklärung überflüssig geworden ist, muss ich gestehen, dass die Gründe, welche diese Erklärung vorbringt, mir nicht ganz zutreffend zu sein scheinen. Es ist wahr, die Oviparen häufen einen Dottervorrath im Eie an, was die Viviparen nicht thun, aber einfach aus dem Grunde nicht, ‘ weil sie den Dotter sofort bei der gleich eintretenden Furchung ver- brauchen. Nichts desto weniger aber muss man meiner Meinung nach annehmen, dass das ohne Befruchtung sich entwickelnde Aphidenei ebenso viel Protoplasma und Deutoplasma verbraucht, wie das Ei des oviparen Weibchens. Deshalb sollte man denken, dass der agamen Aphis, welche gleichzeitig eine viel grössere Zahl von Em- bryonen zur Entwicklung bringt, wie die Eier legende — Eier, Dotter- bildungszellen und Dotterstränge mindestens ebenso nothwendig seien wie den Öviparen. Etwas später findet man das Endfach bedeutend vergrössert und haben bereits die vorher zerstreut im Protoplasma liegenden Kerne eine möglichst peripherische Lage angenommen. Letztere Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 233 haben nebst ihrem Kernkörperchen durchaus ihren früheren Character bewahrt. Der_gemeinsame Protoplasmaleib aber hat sich in der Weise gegliedert, dass jene peripherisch gelagerten, in Folge gegen- seitigen Druckes konischen Zellen gebildet werden, die mit einem Stiele dem centralen Protoplasma, der jetzigen Rhachis, die von der Gliederung des übrigen Protoplasmas verschont geblieben ist, an- sitzen. Wie schon gesagt, repräsentiren diese gestielten Zellen die Eianlagen. Immer ist es eine von ihnen, die, ausgezeichnet durch eine besonders günstige Lage, durch Austreten aus der Mitte der übrigen und Hinabrücken in den untern Abschnitt des Endfachs ‚das neue Ei bildet. Die Eizellen wachsen weit stärker als die Ei- anlagen, an denen man nur ein äusserst geringes Wachsthum be- obachtet, so dass eine Vergrösserung des Endfaches nach der Bil- dung des ersten Eies durchaus gar nicht wahrzunehmen ist. Dem- nach ist der Stiel, der das Ei mit der Rhachis verbindet, vollkommen gleichwerthig den Stielen der Eianlagen. Dass der Eistiel länger ist, rührt natürlich daher, dass derselbe sich durch das Hinabrücken des Eies bedeutend in der Längsrichtung ausgedehnt hat. Er re- präsentirt dasselbe Gebilde, das bei den Oviparen als Dotterstrang beschrieben wird. Das Epithel, überhaupt an der untern Hälfte des Endfaches dicker, bildet um das aus der Mitte der übrigen Eianlagen heraus- ‚getretene Ei eine Schicht hoher Oylinderzellen. Diese schieben sich in Folge starker Vermehrung allmählich zwischen Ei und Eianlagen ein, so dass sie bald das junge .Ei von allen Seiten umgeben, mit Ausnahme der Stelle, von welcher der Eistiel, der dasselbe mit der Rhachis verbindet, ausgeht. So liegt das neugebildete Ei bald in einer besonderen Kammer (Eikammer) eingebettet, welche von dem Endfach durch eine am Epithel auftretende Einschnürung abgegrenzt wird. Je grösser das Ei wird, desto mehr prägt sich diese Ein- schnürung aus. In gleicher Zeit aber wird das hohe Cylinderepithel der Wandung durch den Druck, den das wachsende Ei auf dasselbe ausübt, mehr und mehr in ein Epithel von Plattenzellen umgewan- delt. Nachdem das junge Ei in eine besondere Eikammer einge- schlossen ist, tritt eine neue Eianlage aus der Mitte der gestielten Zellen heraus, . und zwar ist es immer diejenige von ihnen, welche die günstigste Lage einnimmt, also mit andern Worten diejenige, 234 LUDWIG WILL: welche am weitesten nach unten und gerade vor dem Ausführgange des Endfachs liegt. Zuweilen können jedoch auch zwei Eianlagen zu gleicher Zeit austreten, wenn beide in durchaus gleich günstiger Weise zum Ausführungsgange gelagert sind (Fig. 3 u. 4). Da ich aber die jungen Eier so nebeneinander gelagert nur in dem untern Theil des Endfaches gefunden habe, nicht aber in Eifächern, die weiter nach unten lagen, also älter waren, so muss ich annehmen, dass später eines der beiden ausgetretenen Eier doch den Vortritt erhält, die Anordnung demnach wieder eine normale wird. Interessant werden einige Fragen sein, die sich hier anknüpfen. 1. Was veranlasst die jungen Eianlagen, aus dem Endfach herauszutreten und zum jungen Eie zu werden? 2. Warum wachsen immer nur die herausgetretenen Eian- lagen, also die jungen Eier, während die im Endfach zurückbleibenden Eianlagen im Vergleich zu ihnen fast gar nicht wachsen ? Ich will versuchen, diese Fragen zu beantworten. Vor dem Austritt einer Eianlage, also zu einer Zeit, wo sich die Elemente der Endkammer noch nicht durch ihre Grösse unter- scheiden, wird man doch annehmen müssen, dass alle diese gestielten Eianlagen in gleicher Weise assimiliren und in gleicher Weise an Grösse zunehmen, denn es liegt durchaus gar kein Grund vor, wes- halb sie dies nicht thun sollten. Ausserdem scheint mir dieser Schluss auch in der gleichen Beschaffenheit von Plasma, Kern und Kernkörperchen der einzelnen Eianlagen, sowie in dem gleichen Alter der letzteren seine Berechtigung zu finden. Ferner spricht dafür, dass alle Eianlagen eine gleich günstige Lage zu der das Endfach umgebenden Blutflüssigkeit einnehmen, denn alle sind peri- pherisch angeordnet und zwar in einer solchen Weise, dass sie mit dem schmalen Stiel gegen das Centrum sehen, mit der entgegen- gesetzten breiteren Seite aber, die bei allen von gleicher Ausdehnung ist, gegen die Oberfläche des Endfaches schauen. Aber indem nun diese Eianlagen alle in gleicher Weise an Grösse zunehmen, so üben sie dadurch einen Druck auf das die Wand des Endfachs bildende Epithel aus, der sich allmählich so steigert, dass das letztere fast zur Membran ausgedehnt wird. Der Gegendruck, den diese stark gespannte Membran .auf die stetig assimilirenden Zellen ausübt, erreicht schliesslich eine solche Höhe, a ee a re er 7 > Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 235 dass entweder die Wand des Endfachs gesprengt oder das Wachs- thum der Eianlagen gehemmt werden würde, wenn sich nicht ein Ausweg darböte.e An dem unteren Ende des Endfaches nämlich, wo das Epithel desselben in den Ausführungsgang übergeht, findet sich eine Stelle geringeren Druckes. Die Eianlage nun, welche gerade dieser Stelle gegenüber liegt, wird, da sie die einzige ist, welche ausweichen kann, durch den Druck, den die übrigen auf sie ausüben, aus dem Kreise der übrigen gleichsam hervorgequetscht. Das geschieht nun in einer solchen Weise, dass der Stiel mit dem das so gebildete junge Ei früher mit dem centralen Plasma, der Rhachis, in Verbindung stand, bei dem Vorgange nicht zerreisst, sondern, da er eine zähflüssige Masse darstellt, nur bedeutend in die Länge gezogen wird. Zwischen den benachbarten Eianlagen hindurchlaufend, stellt dieser Eistiel nach wie vor eine Verbindung mit der Rhachis her. Dann wird für kurze Zeit Raum geschaffen sein, so dass die Eianlagen sich ein wenig vergrössern können, bis schliesslich der Druck sich wieder so steigert, dass es abermals zum Austritt einer Eianlage kommt und so fort. Alle Zellen, die im Endfach liegen, werden jedenfalls nicht in Wirklichkeit zu der Bildung von Eiern verbraucht, denn ich habe selbst bei alten Thieren immer noch einige im Endfache vorgefunden, wenn auch ihre Zahl nur gering war. Dennoch ist dieser Fall, dass alle Eianlagen aufgebraucht werden, recht wohl denkbar, wenn das Thier lange genug lebt. Den oben berührten Fall, dass zwei Eianlagen. zu gleicher Zeit austreten, deute ich so, dass beide eine gleich günstige Lage zu dem unteren Pol des Endfaches einnahmen. Solche mechanischen Ursachen sind es hauptsächlich, wie ich glaube, die die Eianlage veranlassen aus dem Endfache auszutreten und somit zum Eie zu werden. Ausserdem wird aber auch das Epithel eine Rolle namentlich bei der weiteren Abschnürung des Eies spielen. In eben denselben Druckverhältnissen liegt auch der Grund für das prävalirende Wachsthum der aus der Mitte der Eianlagen herausgetretenen Eier. Selbst zu einer Zeit, wo bereits mehrere Eianlagen aus dem Endfache ausgetreten und zu Eiern geworden sind, kann man nicht sagen, dass diese, falls sie mit der Rhachis noch durch einen Eistiel in Verbindung stehen, einen gesonderten, 236 LUDWIG WILL: völlig isolirten Plasmaleib besitzen, ebensowenig wie man das von den gestielten Zellen des Endfachs sagen kann. Es haben vielmehr Eianlagen und noch an einem Eistiele sitzende ausgetretene Eier einen gemeinsamen Zellenleib. Ebenso gemeinsam wird deshalb das Protoplasma sein, was die Eianlagen und Eizellen durch den fort- währenden Assimilationsprocess neu gewinnen. Letzteres wird natür- lich nur bis zu einem gewissen Grade der Fall sein, denn es wird sich immer dasjenige Protoplasma, was z. B. die Eianlage a oder das gestielte Ei b gewonnen hat in a oder in b ansammeln und nur dasjenige, welches aus irgend welchen Gründen an dem Entstehungs- orte nicht Platz findet, nicht festgehalten werden kann, wird sich auf die übrigen mit der Rhachis verbundenen Zellen vertheilen. Die ausgetretenen Eizellen, welche durch einen Stiel mit dem centralen Protoplasma des Endfachs in Verbindung stehen, sind gegenüber den gestielten Eianlagen im oberen Abschnitt bedeutend bevorzugt. Da nämlich die Zellen des sie einschliessenden Epithels lange nicht so abgeplattet sind, wie die der Wandung oberhalb des jüngsten ausgetretenen Eies, so sind diese noch bedeutend dehnungs- fähig und bieten dem Eie durchaus kein Hinderniss in seinem Wachsthum. Die einzelnen Eier können demnach das durch eigene Nahrungsaufnahme gewonnene Protoplasma für sich selbst ver- werthen und so an Grösse zunehmen. Das ist nicht so mit den gestielten Eianlagen. Diese stehen unter dem grossen Drucke, den die stark angespannte Wandung auf sie ausübt und wenn sie neues Plasma erwerben, so wird ein grosser Theil desselben, oder wahrscheinlicher ein Quantum alten Protoplasmas an die Rhachis abgegeben werden. Da aber letztere unter demselben Druck wie die Eianlagen steht, so kann es auch hier nicht bleiben, sondern kommt, durch Vermittelung der Eistiele, auf die verschiedenen in ihrem Wachsthum unbehinderten Eier zur Vertheilung. Die Eier wachsen demnach sowohl durch eigene Assimilation als auch in Folge der Assimilation der ge- stielten Eianlagen. Aus dem Geschilderten erhellt, dass eine Strömung im Proto- plasma stattfinden muss, die von den Eianlagen durch die Stiele derselben zur Rhachis und von dieser durch die Verbindungsstränge zum Eie geht. Von einer direeten Beobachtung dieser Strömung unter dem Mikroskope kann natürlich gar keine Rede sein, denn Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 237 ausser dass dieselbe nur ausserordentlich langsam vor sich gehen kann, entbehrt das Plasma der Stiele wie der Eianlagen aller sröberen Körnchen, von denen man eins im Auge behalten und als Anhaltspunkt bei der Beobachtung benutzen könnte. Aber selbst wenn man diese Schwierigkeit zu überwinden wüsste, bietet sich doch darin ein bis jetzt unüberwindliches Hinderniss dar, dass man gezwungen ist, zur Untersuchung die Endfächer aus der Leibes- höhle herauszunehmen, wodurch den Zellen natürlich die Gelegenheit genommen wird, sich zu ernähren. Eine unmittelbare Folge davon ist, dass das Protoplasma der Zellen sich nicht mehr vermehrt und auch alsbald die Strömung in demselben aufhört. Demnach sind die gestielten Zellen des Endfachs unter allen Umständen als Eianlagen aufzufassen und ändert die physiologische Beziehung derselben zum Wachsthum der Eier in keiner Weise etwas an diesem Charakter. Die Ei- anlagen erlangen ja ihre secundäre Bedeutung nur durch mechanische Ursachen; sie verwandeln sich in keiner Weise in Dotter oder Plasma liefernde Drüsenzellen, die schliesslich in Folge ihrer Thätigkeit zu Grunde gehen, wie es von den gestielten Zellen der Oviparen be- hauptet wird. Dass deshalb der Name „Nährzelle“, wie er von Ludwig eingeführt ist, für diese Elemente nicht ausreicht, ist er- sichtlich. Dagegen glaube ich, dass man mit dem Namen „Ei- anlage“ vollkommen das Wesen dieser Zellen trifft, da die ihnen in zweiter Linie zukommende Bedeutung nicht in einer besonderen Eigenschaft der Eianlagen, sondern nur im von Aussen her wirken- den Ursachen ihre Begründung findet. Claus sagt pag. 48°°) in Bezug auf das Endfach der Ovi- paren: „Der Zusammenhang unserer noch membranlosen aber durch die Grenzschichten ihres Protoplasmas wenigstens peripherisch gesonderten Zellen erinnert einigermassen an die Ovarien der Nema- toden, in deren Eiröhren die jungen Eizellen von einer centralen Rhachis ausstrahlen (Fig. 18). Auch in unserem Falle können wir von einer Art Rhachis reden, welche die interessante Eigenthümlich- keit einer ungleichen Beschaffenheit und Bedeutung der mit einander verbundenen Zellen bietet. Nur eine von ihnen ist das Ei, deren Dottermasse mittelst des Verbindungsstranges auf Kosten der übrigen 2°, Claus, Beobachtungen über die Bildung des Insecteneies, r 038 LUDWIG WILL: ernährt und vergrössert wird etc. etc.“ Da ich im Obigen dar- gethan zu haben glaube, dass das Letztere bei den viviparen Aphiden nicht der Fall ist, sondern dass die mit einander verbundenen Zellen wirklich von gleicher Beschaffenheit und gleicher Bedeutung sind, so habe ich kein Bedenken getragen, das centrale Plasma im Endfach mit dem’Namen „Rhachis“ zu belegen. Ich glaube auch dass derselbe für die Oviparen zutreffen wird, da ich es für sehr wahrscheinlich halte, dass auch hier die Elemente in ganz gleicher Weise aufzufassen sind. | Derjenige, welcher der Deutung, die ich den Elementen bei den viviparen Aphiden gegeben habe, für die oviparen am nächsten kommt, ist Balbiani. Wenn derselbe auch die gestielten Zellen im Endfach durch Knospung aus einer Mutterzelle entstehen lässt, was, wie ich glaube, auf einem Irrthum beruht und wovon ich auf Schnitten bei den Viviparen auch nicht die leiseste Andeutung ge- funden habe, so ist doch er der einzige, der den mit einander ver- bundenen Zellen dieselbe Bedeutung zuschreibt, indem er die ge- stielten Zellen als Eianlagen anspricht. Andererseits aber verfällt er in den Irrthum, dass er ihnen jede Bedeutung für die Ernährung des Eies abspricht. Er läugnet eine solche Bedeutung auch besonders damit, dass er gegen die Auffassung des Verbindungsstranges oder Eistiels als Dotterstrang auftritt. Da aus den von ihm angeführten Gründen ‚hervorgeht, dass er nicht nur gegen die Bedeutung des Verbindungs- stranges als Leitungsweg des Deutoplasmas opponirt, sondern dass . er auch jede Bedeutung desselben für das Wachsthum der Eizelle läugnet, will ich seine Gründe unter 1—6 aufführen und zugleich darzuthun suchen, dass sie durchaus nicht beweiskräftig sind. Gegen die Bedeutung des Eistiels als Leiter des Dotters sowie gegen die Wichtigkeit dieses Organs für die Ernährung des Eies überhaupt führt er an: 1. Dass der Strang solide und kein Canal ist. Das kann jedoch durchaus nicht als Gegengrund aufgefasst werden, denn man kann sich recht wohl vorstellen, wie der aus zähem Protoplasma bestehende Eistiel in toto gleichmässig fortrückt. Uebrigens ist der Eistiel noch nie als ein Canal beschrieben worden und ist die Thatsache, dass er solide ist, von den älteren Forschern durchaus nicht als ein Hinderniss für ihre Ansicht angesehen worden. Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 239 2. Dass keine Körnchenströmung in ihm wahrzu- nehmen ist. Es wurde schon einige Seiten vorher gesagt, dass eine Strömung deshalb nicht wahrzunehmen ist, weil sie erstlich zu langsam vor sich geht, und besonders nicht, weil man zum Zweck der Unter- suchung das Endfach aus der ernährenden Flüssigkeit der Leibes- höhle herausnehmen muss. 3. Dass seine Substanz verschieden vom Eiinhalte ist, der aus dunklen Granulationen besteht, die oft gefärbt sind, während er selbst homogen und ungefärbt ist. Ich habe bereits früher nachgewiesen, dass das Ei der Vivi- paren nicht blos aus jenem dunklen, körnigen Dotter besteht, son- dern dass dasselbe noch eine äussere Rinde völlig homogenen Plasmas zeigt, ganz von derselben Beschaffenheit wie das des Ei- stiels. Da ich nun ebenso gezeigt habe, dass der Eistiel nicht in das centrale Deutoplasma, sondern in das peripherische Protoplasma übergeht, so kann der Stiel immer zur Vermehrung des letzteren beitragen. 4. Dass der Strang sich nicht direct mit den Zellen des Endfachs, sondern mit der central gelegenen Mutter- zelle verbindet. Obwohl ich es für wahrscheinlich halte, dass Balbianı sich in Betreff einer solchen centralen Mutterzelle getäuscht hat, will ich dennoch die Existenz einer solchen bei den Oviparen in unserem Falle als erwiesen annehmen. Balbiani nun schildert diese centrale Mutterzelle als eine membranlose Zelle, der die durch Knospung aus ihr entstandenen Eianlagen und Eier mit einem Stiele ansitzen. Da demnach aus seiner Schilderung hervorgeht, dass der Plasmaleib der Eianlagen und der Mutterzelle ein gemeinsamer ist, so hindert durchaus nichts die Eianlagen, zur Vergrösserung der Eier bei- zutragen, zumal wenn das in einer solchen Weise geschieht, wie ich es beschrieben. 5. Dass der Verbindungsstrang schwindet, bevor das Ei seine völlige Reife erlangt hat. Da unbedingt auch das Ei der Oviparen ausser auf Kosten der Eianlagen auch durch eigene Assimilation wächst, so hindert nichts das Ei, auch wenn der Verbindungsstrang frühe schwindet, Semper, Arbeiten. VI. 17 240 LUDWIG WILL: an Grösse zuzunehmen und unabhängig von den Eianlagen seine Reifung zu vollenden. 6. Dass bei vielen Ineeteh ein Dotterstrang fehlt. Da in den Eiröhren derjenigen Insecten, bei denen die Nähr- zellen mit den Eianlagen alterniren, keine Dotterstränge nothwendig sind, bei den übrigen meroistischen Eiröhren aber die zur Ernährung des Eies in Beziehung tretenden Elemente sich im Endfache finden und zugleich durch einen plasmatischen Stiel mit dem Eie verbunden sind, so können nur die Inseeten mit panoistischen Eiröhren in Betracht kommen. So gut ich nun bei den viviparen Aphiden, welche bisher der letzteren Insectengruppe zugezählt wurden, Ver- bindungsstränge gefunden habe, trotzdem die Endfächer schon so oft untersucht wurden, ist es immerhin möglich, dass Verbindungs- stränge bei Anwendung der Schnittmethode auch noch bei einigen der übrigen Insecten aufgefunden werden. Wenn sie aber wirklich diesen Inseeten abgehen, so ist das noch kein Grund, den Verbindungs- strängen und den Eianlagen bei anderen Insecten jede Bedeutung für die Ernährung des Eies abzusprechen. Da das Ei in jedem Falle, ob ein Verbindungsstrang vorhanden ist oder nicht, durch eigene Assimilation wächst, so kann das aus dem Endfach bezogene Nahrungsmaterial nur als eine Beihülfe angesehen werden, die unter Umständen auch entbehrt werden kann. Dass nun in dem einen Falle das Wachsthum durch eigene Assimilation dem Eie genügt, in.dem andern Falle es aber noch durch ein Entnehmen von Nah- rung aus dem Endfache unterstützt werden muss, dürfte darin seine Erklärung finden, dass in dem ersteren Falle vielleicht weniger Eier innerhalb einer gewissen Zeit zur Entwicklung kommen, oder dass das Ei längere Zeit hat zum Reifen wie im andern. Wenn man nun auf diesen Grund hin die Beziehung des Verbindungs- stranges zur Ernährung läugnen will, muss man um consequent zu sein, auch den mit den Eianlagen alternirenden Nährzellen mancher Tresen jede Bedeutung als Nährzelle absprechen, denn zus sie fehlen einer sehr grossen Zahl von Insecten. Wenn es mir gestattet ist, meine an viviparen Aphiden ge- wonnenen Resultate mit denen, welche andere Forscher bei oviparen erlangt haben, zu vergleichen und aus einer solchen Vergleichung Schlüsse zu ziehen, so würden diese dahin lauten, dass, ebenso wie . Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 241 der histologische Bau der Endfächer bei beiden Aphidengenerationen übereinstimmt, so auch die Elemente bei beiden in derselben Weise in Bezug auf. ihre physiologische Function zu deuten sind und zwar in der Weise, wie ich es bei den agamen Weibchen ge- than habe. II. Die Blastodermbildung. Bei der Beschreibung derjenigen Vorgänge, die sich bei der Furchung des Aphideneies abspielen, gehe ich von einem Stadium aus, in dem das junge Ei nahezu eine Kugelform besitzt und sein Dotter noch eine homogene, höchstens ganz feinkörnige protoplas- matische Substanz darstellt. Letztere steht, wie auch noch später, mit dem centralen Theil des Endfachs, der Rhachis, durch den Ei- stiel in Verbindung. Ganz im Centrum des Eies liegt, scharf be- grenzt, das kreisrunde helle Keimbläschen mit einem Keimfleck von derselben Form in seinem Innern. Gegen Färbungsmittel verhält sich das junge Ei ganz ebenso wie die Eianlagen im Endfach: das Plasma färbt sich wenig stark, der Kern oder besser das Keim- bläschen gar nicht, während der Keimfleck ganz dunkel gefärbt wird. Vor der Beschreibung der einzelnen Furchungsstadien- gilt es die Beantwortung der Frage, ob das Keimbläschen persistirt und sich direct in den ersten Furchungskern umwandelt, oder ob es schwindet. Da das dem mütterlichen Leibe entnommene Ei sich nicht mehr weiter entwickelt, so war es unmöglich, ein und dasselbe Ei von seiner ersten Entwicklung an bis zum Beginne der Furchung in seiner Entwicklung zu verfolgen. Es blieb deshalb nur der andere Weg übrig, viele Hunderte von Eiern zu untersuchen und zu sehen, ob sich in allen ein Keimbläschen nachweisen liess oder nicht. Im Laufe meiner Arbeit nun habe ich grosse Massen von Eiern in allen Grössen- und Altersstadien bis zum Beginne des Furchungsprocesses auf diesen Punkt hin untersucht und das Resultat war immer, dass ich das Keimbläschen mit grosser Deutlichkeit nachweisen konnte. ' Niemals fand ich ein Anzeichen von der Ausstossung auch nur eines Theils des Keimbläschens. Damit glaube ich den Beweis geliefert zu haben, dass bei den viviparen Aphiden das Keimbläschen 117* 949 LUDWIG WILL: nicht schwindet, sondern in toto erhalten bleibt, um sich direct in den ersten Furchungskern zu verwandeln. Die ersten Veränderungen, die man an dem wachsenden Eie wahrnimmt, bestehen in dem Auftreten grober Deutoplasmatröpfchen in dem homogenen Protoplasma. Anfangs, wenn die Zahl dieser Tröpfehen noch gering ist, liegen sie ganz zerstreut wie in Fig. 11 und 12; später aber, wenn sich ihre Zahl bedeutend vermehrt hat, liegen sie, wie in allen späteren Figuren, in dichter Masse neben einander. Beständig aber lassen diese Deutoplasmaelemente das peripherische Protoplasma, sowie dasjenige, welches das Keimbläs- chen umgiebt, vollkommen frei. Lag vor dem Eintritt dieser Veränderungen das Keimbläschen fast genau im Centrum des Eies, so giebt es nach dem Auftreten von Deutoplasma eine solche feste und bestimmte Lage auf. Bald findet man dasselbe ganz im peripherischen Protoplasma, bald mehr dem Centrum genähert. Das Bild, welches ein solches Ei zeigt, ist nach der Lage des Keimbläschens ein sehr mannigfaltiges. Die Bilder sind ebenso mannigfaltig, wie diejenigen, welche uns so typisch an Pflanzenparenchymzellen und an den Zellen mancher Pflanzenhaare entgegentreten. Doch wie trotz der ausserordentlichen Verschiedenheit der Lagerung von Protoplasma, Kern und Zellsaft in diesen pflanzlichen Zellen dennoch ein sehr in die Augen fallender gemeinsamer Character bewahrt wird, so ist es auch bei unseren Aphideneiern der Fall, bei denen nur statt des pflanzlichen Zell- saftes Deutoplasma in die Maschen des Protoplasmas eingelagert ist. Der dort wie hier hervortretende gemeinsame Character be- steht darin: 1) dass immer ein Theil von Protoplasma wand- ständig, oder für die Aphiden richtiger, peripherisch ge- lagert ist, mag diese peripherische Schicht zuweilen auch sehr dünne sein; 2) dass das Keimbläschen stets, mag es peri- pherisch oder central liegen, von einer grösseren Masse Protoplasmas allseitig umgeben wird. Wie aus der Schil- derung der einzelnen Furchungsvorgänge hervorgehen wird, behält das Aphidenei noch lange, wenn auch schon mehrere Keimbläschen- derivate vorhanden sind, diesen durch das Auftreten des Deuto- plasmas bedingten Character bei. Liegt das Keimbläschen im Innern des Eies, so weist das letztere an seiner Peripherie jene Schicht homogenen Protoplasmas s Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 243 auf, derjenigen Schicht entsprechend, die Weismann?') bei andern Inseeten als „Plasmarinde“ bezeichnet hat und welche durch ein feines Netzwerk von ganz derselben Substanz mit dem Ballen von Protoplasma in Verbindung steht, der das Keimbläschen umgiebt. Die Maschen dieses protoplasmatischen Netzwerkes werden von den Deutoplasmaelementen erfüllt. Ist das Keimbläschen peripherisch gelagert, wie in Fig. 13, so zeigt das peripherische Protoplasma an einer Stelle eine Verdiekung, in welcher das Keimbläsehen liegt, während das ganze Innere des Eies von jenem Plasmanetz einge- nommen wird, das die Dottertröpfehen suspendirt enthält. In diesem Falle also findet sich im Innern des Eies keine grössere Plasma- masse vor. Van Beneden sagt. pag. 227°) in seinen „Recherches“: „Chez les insects, les Rhabdoceles, les Cestoides et les Tr&matodes, le deutoplasme vient de dehors: il se forme dans les cellules epithe- liales de glandes speciales.“ In Bezug auf die Insecten meint er damit, dass die als Dotterbildungs- oder Nährzellen beschriebenen Elemente, bei den einen Insecten im Endfache liegend und dann mit dem Eie durch einen sogenannten Dotterstrang in Verbindung, bei den andern mit den Eianlagen alternirend, die Deutoplasma- tröpfehen dem Ei zuführen. Das trifft nun für die Aphiden in keiner Weise zu, wie ich bereits im ersten Abschnitt gezeigt habe. Für diese gilt in Bezug auf das erste Auftreten des Deutoplasmas das- selbe, was van Beneden einige Seiten verher??) über die Bildung desselben bei Säugethieren und Vögeln sagt: „Ces elements se for- ment bien & l’interieur du protoplasme, aux depens d’el&ments puises par l’oeuf dans le liquide nourricier qui baigne tous les tissus.“ Wenn ich vorher sagte, dass das eigentliche Protoplasma des Eies gegenüber dem Deutoplasma im Innern eine vollkommen homo- gene Substanz darstellt, so ist das, wenn man genau sein will, nicht ganz correct, denn schon zu einer sehr frühen Zeit finden sich in >) Weismann, Beiträge zur Kenntniss der ersten Entwicklungsvorgänge im Insectenei, aus: Beiträge zur Anatomie und Embryologie. J. Henle als Fest- gabe zum 4. April 1882 dargebracht von seinen Schülern. 2) Van Beneden, Edouard. Recherches sur la composition et la sig- nification de l’euf, in: M&m. Couronnes et M&m. Sav. Etrangers publies par l’Acad. Roy. de Belgique. Tom. 34. Bruxelles 1870. 23) ]. c. pag. 223. 244 LUDWIG WILL: ihm eine Summe von ganz feinen Körnchen, die dem Deutoplasma zuzuzählen sind. Doch sind diese Körnchen so ausserordentlich klein, dass sie mit den allerstärksten Vergrösserungen nur sehr schwer zu erkennen sind und deshalb gegen die grossen Deuto- plasmatröpfehen in den Maschen des Protoplasmas im Innern voll- kommen verschwinden. Wenn ich im Folgenden den Ausdruck „Protoplasma“ gebrauche, so schliesse ich damit auch diese feinen Körnchen von Deutoplasma ein, die es suspendirt enthält, weil beide zusammen es sind, die sich in erster Linie an dem Furchungspro- zess betheiligen — die Deutoplasmakörnchen freilich nur passiv. Umgekehrt bezeichne ich, weil es die Schilderung erleichtert, mit „Deutoplasma“ nur jenen Theil desselben, der in den Maschen des Protoplasmanetzes enthalten ist und gleich beim ersten Anblick so in die Augen fällt. Dieses Deutoplasma besteht aus. rundlichen Tröpfehen, in denen Körnchen nur in sehr geringer Zahl suspendirt sind, so dass das Deutoplasma ein ganz anderes Aussehen zeigt, wie der spätere secundäre Dotter von Metschnikow. Während Metschnikow bereits bekannt war, dass der Dotter aus zwei verschiedenen Theilen besteht, nämlich aus einer homogenen peripherischen Schicht und einer inneren aus groben Körnchen be- stehenden Dottermasse, läugnet Brandt?*) eine solche Verschieden- heit des Eiinhaltes auf das Entschiedenste. „Weder in den bisher ge- schilderten noch in den späteren Entwickelungsstadien,“ sagt er, „sah ich an der Peripherie des Eies ein Keimhautblastem sich ausbilden; der Dotter blieb vielmehr allerwärts gleichmässig granulirt.* Wenn auch von einem Keimhautblastem in dem alten und eigentlichen Sinne jetzt nicht mehr die Rede sein kann, so lässt sich doch bei einer grossen Anzahl von Insecten eine peripherische feinkörnige Schicht, die sich in ihrer ganzen Beschaffenheit deutlich von dem grobkörnigen Dotter absetzt, nicht mehr läugnen. Bei den viviparen Aphiden ist dieses Verhältniss so deutlich ausgesprochen, dass ich nicht begreifen kann, wie Brandt es übersehen konnte, zumal es an frischen Objeeten ebenso gut zu erkennen ist, wie an Schnitten. Auch Brass?) scheinen diese Verhältnisse vollkommen ent- gangen zu sein. Einige ganz dunkle Andeutungen können vielleicht ”*) Brandt, A, Das Ei und seine Bildungsstätte, pag. 125. ”) Brass, l. c. pag. 11 oben. \ Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 245 aus folgenden Worten herausgelesen werden: „— — —; nachdem dies geschehen, zog sich ein feinkörniges Plasma um den Kern zu- sammen, so dass eine trübe centrale und eine helle peripherische Plasmaschicht unterschieden werden konnte, darauf verschwand der. Kern scheinbar ete. ete.“ Zugleich mit dem Auftreten jener Deutoplasmatröpfehen wer- den auch Veränderungen am Keimfleck wahrgenommen. Dieser, in einem Stadium wie es Fig. 6 zeigt, nahezu oder vollständig rund, giebt seine regelmässige Gestalt auf und zerfällt in eine Masse von Körnchen, die sich alsbald in bestimmter Weise anordnen. Es verhalten sich diese Körnchen gegen Reagentien ebenso, wie vorher der ganze Keimfleck, als er noch eine fest zusammenhängende, solide Masse darstellte; sie färben sich ausserordentlich stark, so dass sie, namentlich an Schnitten, sofort in die Augen fallen. Ich fand auf einem solchen Stadium, wie es in den Figuren 9 und 10 dargestellt ist, diese Körn- chen meist in zwei einander gegenüberliegende Haufen angeordnet. In jedem dieser Haufen selbst scheinen sich diese Körnchen wieder in einer besonderen Weise an einander zu reihen; doch reicht selbst die Oel- immersion von Zeiss nicht aus, die Details dieser Häufchen aufzulösen. ' Während beim Beginn dieser Veränderungen am Keimfleck der Kern noch nichts von seinem früheren Aussehen verloren hat und noch immer ein scharf contourirtes, helles Bläschen darstellt (Fig. 9), werden bald seine Oontouren matt, wie in Fig. 10. In diesem Stadium ist der Kern schwer, auch an Schnitten, wahrzunehmen und um ein klares Bild zu erhalten, ist es erforderlich, ausserordentlich dünne zu schneiden. Der Kern präsentirt sich alsdann als ein matter, runder, heller Fleck in dem schwach gefärbten Protoplasma. Im nächsten Stadium setzen sich sämmtliche Körnchen des Keimflecks zu einem langgestreckten Stäbchen zusammen, welches seiner Form und seiner äusserst intensiven Färbung wegen in hohem Grade charakteristisch ist und sofort in die Augen springt. Diese Figur kehrt auch in den späteren Stadien der Embryonalentwicklung am häufigsten wieder und lässt immer auf eine bevorstehende Zell- theilung schliessen. Zugleich aber mit dieser anderen Anordnung der Zerfallproducte des ursprünglichen Keimflecks verändert sich auch die Gestalt des Kerns. Letzterer ist auf Schnitten nicht mehr kreisförmig, sondern ist in die Form einer langgestreckten Ellipse übergegangen, die 246 LUDWIG WILL: jedoch ebenso matte, unbestimmte Contouren zeigt, wie vorher der runde Kern. | Bald darauf deutet bereits der Kern seine Theilung dadurch an, dass er in eine Biscuitform übergegangen ist (Fig. 12, k); als- dann findet sich in jeder der beiden Anschwellungen des Keim- bläschens ein Haufen jener vom Keimfleck abstammenden Körnchen. Im nächsten Stadium vollzieht sich die Theilung. Der das Keimbläschen direct umgebende Ballen Protoplasmas theilt sich auch mit, nur bleiben beide so entstehenden Theile durch eine grosse Zahl von Plasmasträngen unter einander und mit dem peripherischen Plasma in Verbindung, so dass trotzdem der Plasma- leib der neuen beiden Zellen ein gemeinsamer ist. Die Figuren 8, 15 und 16 stellen uns diese Verhältnisse dar. Die Theilungsproducte des Keimbläschens, umgeben von je einem Ballen von Protoplasma, wandern an die Peripherie, worauf alsdann ihr Plasma mit dem wandständigen verschmilzt, so dass sich dann an zwei Stellen Ver- diekungen in der „Plasmarinde“ finden (Fig. 15). Sehr bald nach Bildung dieser beiden ersten, nur ganz unvoll- ständig gesonderten Zellen schicken sich dieselben schon wieder zur abermaligen Theilung an, indem an Kern und Kernkörperchen derselben wiederum die vorhin beschriebenen Veränderungen ein- treten. Die Theilungsvorgänge folgen so rasch auf einander, dass oft die aus der Theilung des Keimbläschens resultirenden neuen Kerne mit dem sie umgebenden Plasmaballen gar nicht erst Zeit haben, an die Wand zu rücken und dann die Theilung noch im Innern des Eies erfolgt. Die Fig. 16 dient zur Illustration dieses Vorganges. Eines der beiden Keimbläschenderivate liest in einer Verdickung des wandständigen Protoplasmas und tritt als undeut- licher, hellerer Fleck in demselben hervor. Ein Kernkörperchen konnte ich in ihm nicht nachweisen. Das andere Keimbläschen- derivat aber liegt, umgeben von einer Protoplasmamasse, noch im . Innern des Deutoplasmas und steht bereits sehr kurz vor einer neuen .Theilung, denn es hat schon wieder die Bisceuitform an- genommen. In Fig. 15 dagegen sind beide Kerne wandständig; auch diese schicken sich bereits zu einer abermaligen Theilung an, was sich darin ausdrückt, dass die matten Kerne sich langgestreckt und die Zerfallproducte der Kernkörperchen sich wieder in be- sonderer Weise angeordnet haben. Aus den zwei jungen Zellen VE. |. Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 247 werden vier, aus diesen durch abermalige Theilung acht, sechzehn ete.; doch immer noch ist der Plasmaleib dieser Zellen ein gemeinsamer. Fig. 17a und.d stellen Schnitte dar durch ein Ei mit bereits acht solchen Zellen, in denen jedoch nur der Kern, nicht das Kern- körperchen zu erkennen ist. Der Schnitt Fig. 13 entstammt einem noch älteren Ei. An diesem erkennt man mit ausserordentlicher Deutlichkeit in den langgestreckten, elliptischen Keimbläschenderi- vaten jene so häufig und regelmässig wiederkehrende charakteristische Stäbehenform, zu der sich die Körnchen des Kernkörperchens an einander gereiht haben. Dass die einzelnen Theilungen sehr schnell auf einander folgen müssen, geht daraus hervor, dass man während der ganzen ersten Entwicklungsperiode ausserordentlich selten auf ein Ruhestadium der Keimbläschenderivate trifft. Unter Ruhestadium verstehe ich den Zustand, in dem der Kern rund und ganz scharf begrenzt ist und das Kernkörperchen ebenfalls einen runden soliden Körper darstellt, wie es an dem Ei der Fall ist, mit dem wir unsere Schil- derung der Theilungsvorgänge begannen (Fig. 6). Wegen dieses Mangels von. scharfen Umrissen ist es so schwer, die Kerne an conservirten Objeeten nachzuweisen und nur bei der allergrössten Sorgfalt in der Conservirung und an sehr dünnen Schnitten gelang es mir, sie mit Bestimmtheit zur Ansicht zu bringen. So lange die jungen peripherisch gelagerten Zellen noch so weit von einander entfernt liegen, dass sie sich nicht gegenseitig in ihrem Platz beengen (Fig. 17), treten sie aus dem wandständigen Protoplasma als Verdiekungen hervor, deren Umrisse ganz unregel- mässig sind und in viele Zacken und Spitzen auslaufen, welche sich in das protoplasmatische Netzwerk im Innern des Bies fortsetzen. Später aber, wenn die Zellen sich bereits so vermehrt haben, dass sie eng an einanderliegen, treten diese Hervorragungen gänzlich zurück. Alsdann stellt sich das peripherische Protoplasma als eine ziemlich gleich dieke, wenn auch immer noch nach dem Innern des Eies zu unregelmässige Grenzen aufweisende Schicht dar, in welcher die Kerne der künftigen Blastodermzellen in einfacher Reihe dicht bei einander gelagert sind (Fig. 19 u. 20). In der Fig. 19 treten uns auch zum ersten Male die Kerne der künftigen Blastodermzellen mit scharfen Umrissen und als rundliche Bläschen, ebenso die Kern- ‚körperchen als eine rundliche compacte Masse entgegen: ein Zeichen, 948 LUDWIG WILL: dass sich dieselben in einem Stadium der Ruhe befinden. Seine völlige Ausbildung erlangt das Blastoderm erst im darauf folgenden Stadium, indem zwischen den einzelnen Kernen desselben, senkrecht zur Oberfläche des Eies, Zellgrenzen (Fig. 20) aufgetreten sind. Nach dem Innern des Eies zu zeigen aber die so von einander ge- trennten Blastodermzellen immer noch keine scharfe Grenze. Während dieser ganzen Theilungsvorgänge, deren erstes Re- sultat die Herstellung eines Blastoderms ist, hat das Ei eine be- ständige Grössenzunahme erfahren. Doch nehmen die verschiedenen Eier bei weitem nicht in gleichem Maasse an Grösse zu, denn man trifft sehr häufig auf Eier, die bedeutend, oft um die Hälfte, kleiner sind, wie andere Bier von derselben oder gar einer niedrigeren Ent- wicklungsstufe. Dieses verschieden starke Wachsthum der Eier hat seinen ganz einfachen Grund in der mehr oder weniger suten Er- nährung des Mutterthieres. Mit der allmähligen Bildung des Blastoderms geht auch zu- gleich eine Gestaltveränderung des ganzen Eies vor sich. Dasselbe bot noch, wenn auch bereits mehrere Keimbläschenderivate vorhanden waren, auf Längsschnitten wesentlich dasselbe Bild dar, wie auf Querschnitten. Mit der Vermehrung der Blastodermelemente aber nimmt man an ihm eine beträchtliche Streckung in der Längs- richtung wahr, welche längliche Gestalt das Ei während der ganzen Zeit seiner Entwicklung beibehält.e. Nur die Birnform, die es zu Anfang (Fig. 21, 22) zeigt, verliert sich später. An Längsschnitten bemerkt man, dass das Blastoderm durch- aus nicht allseitig das Deutoplasma im Inıern umschliesst, sondern dass es am unteren Pol eine Stelle offen lässt, wo das Deutoplasma direet an die Oberfläche des Eies hinantritt. Während das Blasto- derm als gleichmässige Schicht gesonderter Zellen die Oberfläche des ganzen Eies mit Ausnahme der erwähnten Stelle bildet, ver- jüngt .es sich nach diesem unteren offen bleibenden Ende zu. Die diesem Pole zunächst liegenden Blastodermtheile sondern sich nicht in der Weise, wie es die übrigen thun, in distinete Elemente, son- dern sie stellen da, wo sie an die Oeffnung stossen, nach wie vor ein Syneytium dar. Auch Metschnikow hat bereits diese offen bleibende Stelle am unteren Eipol beobachtet und verweise ich des- halb ausser auf meine Figuren 21 und 22 auch auf seine Figur 9, ER Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 249 Taf. XXVII.?6) Dieser Oeffnung sowie dem sie umgebenden Blasto- dermtheil kommt für den weiteren Verlauf der Entwicklung eine ganz hervorragende Bedeutung zu. Erstere kommt in ausgiebiger Weise der Ernährung des Eies zu Hülfe, indem sie Nährstoffen Ein- tritt gewährt, während die unteren Theile des Blastoderms zur Bildung der inneren Keimzellen (Fig. 21, 22 :, k) beitragen. Leider kann ich auf diese höchst interessanten Punkte in dieser Abhandlung nicht .eingehen; sie werden in einer in kürzester Frist folgenden Arbeit über die weiteren Entwicklungsstadien der viviparen Aphiden ebenfalls geschildert werden. Der Beschreibung der sich am Keimbläschen und seinen Deri- vaten vollziehenden Theilungsacte glaubte ich noch einige Worte hinzufügen zu müssen. Man könnte daran zweifeln, dass es in der That und einzig und allein der Keimfleck resp. das Kernkörperchen ist, von dem unsere bei den Kerntheilungen auftretenden Figuren sich ableiten, allein wenn man das Keimbläschen und dessen Inhalt vom frühesten Alter an genau durch die einzelnen Stadien verfolgt, so fällt jeder Grund zum Zweifeln fort. In den Eianlagen des End- fachs liegt der Kern stets als ein helles, ungefärbt bleibendes Bläs- chen, das in den allermeisten Fällen ein einziges, solides und stark tingirbares Kernkörperchen von runder Gestalt enthält. Dasselbe Verhältniss fanden wir auch noch in dem Ei, mit dem wir unsere Beschreibung der Entwicklungsvorgänge begannen (Fig. 6). Später aber fanden wir an Stelle eines soliden Kernkörperchens eine Summe von Körnern und Bröckeln in dem immer noch farblosen Keim- bläschen. Dass diese Körnchen in der That Zerfallproducte des Kernkörperchens sein müssen, geht daraus hervor, dass sie zuerst noch in einer rundlichen Masse bei einander liegen und zwar an derselben Stelle, wo vorher das Kernkörperchen lag, nämlich im Centrum des Keimbläschens. Genauer wird ihr Ursprung vom Nu- cleolus noch dadurch bewiesen, dass sie sich gegen Tinctionsmittel und andere Reagentien genau in derselben Weise verhalten, wie vorher das Kernkörperchen. Da es diese Körnchen sind, die sich in unserem Falle zu den mannigfachen Figuren anordnen, so ist klar, dass diese letzteren von den Elementartheilen des Kernkörper- chens gebildet werden. Die farblose Substanz des Kerns betheiligt 26) Metschnikow, Embryologische Studien, 1. c, 950 LUDWIG WILL: sich nur insofern bei dieser Figur, als sie die letztere in Gestalt eines hellen Hofes umgiebt und von der Kreisform in die Ellipsen- und von dieser in die Biscuitform übergeht. Wenn ich mit der Beschreibung, die ich von der Kerntheilung der viviparen Aphiden gegeben habe, mit den neuesten Angaben in Widerspruch stehe, die einer unserer gewissenhaftesten Forscher, nämlich Weismann?”) über diesen Gegenstand bei andern Insecten macht, so glaube ich doch, dass dieser Gegensatz nur scheinbar ein so schroffer ist. Ich bin der festen Ueberzeugung, dass auch bei den von ihm untersuchten Inseeten sich die Kerne in der Weise theilen, wie es bei den Aphiden der Fall ist, besonders da Weis- mann in seiner Fig. 10 einige in Theilung begriffene Kerne ab- bildet und beschreibt, welche die Biscuitform angenommen haben. Die gleichzeitigen Veränderungen am Kernkörperchen sind ihm ent- gangen, weil letzteres immer erst nach Zusatz von Reagentien, z. B. Essigsäure, deutlich hervortritt. Jene hellen, zerflossenen Nebel, welche er für Kerne hält, die in Theilung begriffen sind, kann ich durchaus nicht als solche ansehen. Ich muss sie für Massen von Protoplasma halten, die, wie auch bei den Aphiden, von heller Be- schaffenheit sind und namentlich bei den von Weismann geschil- derten Insecten sich scharf gegen das dunkle Deutoplasma abheben müssen. Die eigentlichen Kerne in diesen Protoplasmaballen sind ihm, wie ich glaube, entgangen wegen ihrer matten Contouren, so- wie wegen der dunklen Beschaffenheit des Deutoplasmas, welche letztere der Beobachtung erhebliche Schwierigkeiten entgegensetzt. Was die Schilderung Metschnikows von der Bildung des Blasto- derms bei unseren Insecten betrifft, so lässt sich dieselbe überaus leicht mit der meinigen in Einklang bringen. Aus diesem Grunde halte ich es für unnöthig, die abweichenden Punkte im Einzelnen genauer zu erörtern. Auch Leucekart kommt mit kurzen Worten auf die Embryonal- entwicklung der viviparen Aphiden zu sprechen,?®) doch ist es aus verschiedenen Gründen vortheilhafter, seine Angaben erst in meiner 7), Weismann, Beiträge zur Kenntniss der ersten Entwicklungsvorgänge im Insectenei, 1. c. 2) Leuckart, Zur Kenntniss des Generationswechsels und der Partheno- genese bei den Insecten. Frankfurt, 1858, pag. 20. ee Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 251 später erscheinenden Arbeit über die folgenden Entwicklungsvorgänge zu behandeln. Zu einer eingehenden Besprechung fordern jedoch die Angaben auf, die Brandt über die Entwicklungsvorgänge im Aphideneie macht. Brandt beschreibt das Keimbläschen von Aphis als ein helles rundes Bläschen, dessen Keimfleck in amöboider Bewegung begriffen ist. „Nur selten nimmt der Keimfleck eine mehr oder weniger concentrirte Form an; für gewöhnlich ist er zerflossen, stern- föormig, wobei die Enden seiner Pseudopodien sich bis an die Peri- pherie des Keimbläschens erstrecken können.“ Ich fand auch den Keimfleck immer von verschiedener Gestalt, doch nahm ich mit starken Vergrösserungen wahr, dass diese Ver- änderungen am Keimfleck auf ein Zerfallen desselben in einzelne Bröckel, nicht auf amöboider Beweglichkeit beruht. Auch sind die Figuren, die der Keimfleck nach einander darstellt, viel zu regel- mässiger Art, als dass man sie auf amöboide Bewegung zurück- führen könnte. Ueberdies halte ich es für von vorne herein verfehlt, am Ei der viviparen Aphiden direct Entwicklungsvorgänge beobachten zu wollen, wie Brandt es gethan. Ich konnte nie bemerken, dass sich das Ei, wenn es aus dem mütterlichen Körper herausgenommen war, weiter entwickelte. Es ist dieses Aufhören der Entwicklung auch ganz natürlich, da, wie bereits früher angegeben wurde, das Ei zu seiner Entwicklung beständiger Nahrungsaufnahme bedarf, welches Bedürfniss wir aber nicht befriedigen können.””) Auch Metsch- nikow sagt pag. 50,°°) dass die Aphiden aufhören sich zu ent- wickeln, sobald sie aus der umgebenden Blutflüssigkeit herausge- nommen sind. Wenn andere Forscher, wie Leuckart, Leydig, Claus und die englischen Forscher sich in dieser Beziehung nicht direet ausgesprochen haben, so geht doch aus dem Zusammenhang ihrer Arbeiten hervor, dass sie in Bezug auf diesen Punkt derselben Ansicht sind, wie Metschnikow. 2) Bei anderen Insecteneiern, die ihre Entwicklung erst nach völliger Reifung beginnen, ist die Sache natürlich eine ganz andere. Bei diesen ist es möglich, wie auch von Weismann in seiner neuen Arbeit geschehen, Entwick- lungsvorgänge unter dem Mikroskop zu beobachten. Dnlsze: 252 LUDWIG WILL: Wenn Brandt direct Veränderungen am Keimfleck wahrge- nommen hat, so glaube ich, dass diese ihren Grund in dem schäd- lichen Einfluss der Untersuchungsflüssigkeit haben, was ja bei der ungemeinen Zartheit des Objects so sehr leicht möglich ist. Auch ich habe sehr häufig Gestaltveränderungen am Keimfleck direct wahrgenommen, doch immer erst längere Zeit nach dem Heraus- nehmen des Eies aus dem Körper der Mutter. Es hatte bei dem Auftreten solcher Gestaltveränderungen das ganze Ei zugleich ein ‚solches Aussehen angenommen, dass dasselbe nicht mehr als normal bezeichnet werden konnte. Von dem Vorgang der Kerntheilung selbst hat unser Forscher eine Ansicht, die ich durchaus nicht theilen kann. Er sagt pag. 125°): „Ein Präparat, von dem ich in einem früheren Aufsatze (Eifurchung, pag. 593, Fig. 28) eine Abbildung mitgetheilt habe, belehrte mich, dass die Descendenten des Keimbläschens — man gestatte mir diesen Ausdruck — amöboide Formbewegungen zeigen können, mit welchen auch ihre Vermehrung durch Theilung in Zusammenhang zu bringen ist.*3?) (Die Copie der erwähnten Brandt’schen Zeichnung findet sich in meiner Fig. 23). Eine solche amöboide Beweglichkeit in dem Sinne Brandt’s muss ich für die Keimbläschen der viviparen Aphiden entschieden in Abrede nehmen. Nie habe ich unregelmässig zerflossene Kerne gesehen, weder an frischen Objecten noch an Schnitten. Die Veränderungen, die ich an den Kernen wahrge- nommen habe, tragen einen ganz anderen, weit regelmässigeren Character. Sie bestehen nur darin, dass die Contouren matt werden und die Kerne von der Kreisform allmälig in die Biseuitform über- sehen, worauf die Theilung eintritt. Ueberdies hat Brandt nur ein einziges Mal einen solchen amöboid zerflossenen Kern gesehen und dürfte deshalb diese Be- obachtung nicht sehr beweisend sein. Brandt: »?2) Wie ich zu vermuthen geneigt bin, stellt die bandförmige Masse (bb) seiner Figur gar keinen Kern dar, sondern das von ihm immer übersehene Deuto- plasma, welches sich so häufig, wie es meine Fig. 13 zeigt, in einer derartigen Weise anordnet. Wegen der hellen Beschaffenheit des Deutoplasmas am jungen Ei sticht es scharf gegen das opake Protoplasma ab und kann wohl zu einer derartigen Täuschung Veranlassung geben. Danach würde das von Brandt ab- gebildete Ei nur ein rundes Keimbläschen enthalten. Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 253 Dann ist unser Autor ferner der Ansicht, dass die ganze peri- pherische Schicht des Dotters, den unteren Eipol nicht ausge- nommen, von. Keimbläschendescendenten durchsetzt wird; aber auch hierin hat er Unrecht. Längsschnitte zeigen deutlich (Fig. 22), dass der untere etwas zugespitzte Pol des Eies von den Blastoderm- elementen freibleibt. Ebenso unzutreffend ist auch die weitere Be- hauptung Brandt’s, dass das Blastoderm eine mehrfache Zellenlage darstellt, was aber durch meine Schnitte (namentlich Fig. 19 u. 20) gleichfalls widerlegt wird. Hieran dürfte sich ungezwungen eine Besprechung der von Brandt aufgestellten Keimbläschentheorie reihen. Das Wesent- liche dieser Theorie lässt sich kurz dahin zusammenfassen, dass nach derselben das Keimbläschen eine selbstständige primäre Zelle, das Ei aber eine secundäre Zelle darstellt. Jeder Dotter ist in Folge dessen auch nur als eine secundäre Umlagerung aufzufassen. Seine Theorie stützt sich der Hauptsache nach auf zwei Beobachtungen, die aber beide unrichtig sind. Die eine dieser Beobachtungen betrifft die Blastodermbildung. Er glaubt nämlich, dass sich die Derivate des Keimbläschens direct in die Zellen des Blastoderms umwandeln und sagt speciell in Be- zug auf die Blastodermbildung bei Aphis®?): „Die an der Peripherie liegenden Keimbläschendescendenten sind es, welche den Zellen des Blastoderms den Ursprung geben, und zwar verwandeln sie sich, soviel ich sehen kann, nicht etwa blos in die Kerne der Blastoderm- zellen, sondern in diese Zellen selber, so dass sie keineswegs von einem Protoplasma umlagert werden.“ Pag. 131 sagt er dann: „Die morphologische Uebereinstimmung der Zellen des Blastoderms und der späteren Embryonalzellen mit dem Keimbläschen betrachte ich als eine Stütze für die Zellennatur des letzteren.“ Meine an Aphis angestellten Untersuchungen aber haben nun evident die Unrichtigkeit der Brandt’schen Beobachtung dargethan. Wie auch meine Zeichnungen beweisen, werden die Derivate des Keimbläschens durchaus nicht zu den Blastodermzellen selbst, son- dern sie haben nur die Kerne derselben zu bilden. Die Keimbläschen- derivate, von Anfang an von einem Ballen eigentlichen Protoplasmas umgeben, rücken mit diesem zusammen an die Peripherie, so dass a) I, © I, 12 954 LUDWIG WILL: beide Theile, Kern und Protoplasma zusammen genommen, die Blastodermzellen bilden. Nach seinen weiteren Beobachtungen wandelt sich ein Theil der bläschenartigen Elemente des Endfachs, die ja den Keimbläschen gleichwerthige Gebilde sind, direct in Epithelzellen, also in anerkannt zellige Elemente um. Das nun betrachtet er als die andere Haupt- stütze seiner Theorie von der Zellennatur des Keimbläschens. Aber auch diese Stütze ist ebenso hinfällig wie die erste. Er sagt näm- lich, dass es sich bei Aphis „besonders schön verfolgen liess, wie ein Theil der runden Elemente der Endkammer durch Umlagerung mit Zwischensubstanz sich zu Keimbläschen, ein anderer hingegen im weiteren Verlaufe der Eiröhre direct zu Epithelzellen gestaltete.“ Nun aber wurde, bereits in dem Capitel über die Eibildung gezeigt, dass das Epithel schon zu einer ausserordentlich frühen Zeit voll- ständig entwickelt und ganz scharf von dem Inhalt des Endfachs gesondert ist, so dass von einer Umwandlung der runden Bläschen in Epithelzellen, namentlich zu einer so späten Zeit, gar nicht mehr die Rede sein kann. Die runden Bläschen haben eben nichts mit der Bildung von Epithelzellen zu schaffen, sondern wandeln sich nur in Keimbläschen um. Brandt konnte zu dieser falschen An- sicht kommen, weil ihm das Plattenzellenepithel des oberen Abschnitts vollständig entgangen ist und er demnach annehmen musste, dass das hohe Cylinderzellenepithel des unteren Abschnitts direct in den aus rundlichen Bläschen bestehenden Inhalt übergehe. Von dieser Annahme zu der anderen, dass die Bläschen sich direet in Epithel- zellen umwandeln, war danach nur ein kleiner Schritt. Nicht besser steht es um die Angaben Brandt’s, in denen er bei anderen Insecten die Umwandlung der runden Bläschen in Epithelzellen schildert. Ich will mich begnügen, den von ihm am ausführlichsten geschilderten Fall bei Periplaneta herauszugreifen. Hierüber liegen nun zwei verschiedene Untersuchungen von ihm vor. Während er in der älteren”) zu dem Schlusse kommt, dass die runden Bläschen nur die Kerne der Epithelzellen zu bilden haben, findet er in seiner neueren Arbeit), dass sie die ganzen Epithel- #%) A. Brandt, Ueber die Eiröhren der Blatta (Periplaneta) orientalis. St. Petersburg 1874. 4. 30 $S. 1 Taf. M&m. de l’Acad. Imp. d. sc. de St. Peters- bourg, VII. ser. Tom. XXI, No. 12. °) A. Brandt, Das Ei und seine Bildungsstätte. Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden, 255 zellen bilden. Da beide Untersuchungen nach denselben Methoden angestellt sind, so kann man unmöglich ersehen, welche von diesen sich so widersprechenden Beobachtungen die richtige ist. Aus diesem Grunde kann man die Untersuchungen Brandt’s an Peri- planeta auf keinen Fall als beweisend ansehen. Da demnach die diesbezüglichen Beobachtungen Brandt’s an Aphis alle unrichtig sind, so erhellt, dass seine Theorie auf die viviparen Aphiden durchaus keine Anwendung finden kann. Da ich überdies an einem Beispiel gezeigt habe, wie zweifelhaft auch die Beweise sind, die er von Beobachtungen an anderen Insecten her- genommen hat und ausserdem diese Theorie zu denjenigen gehört, die für alle Thiere, mindestens für alle Insecten gültig sein müssen, wenn sie richtig sind, so leuchtet ein, dass = Brandt’sche Lehre auf sehr schwanken Füssen steht. Einer weniger ausführlichen Besprechung bedarf die ganz isolirt dastehende Schilderung der ersten Furchungsvorgänge von Brass.°e) Dieser schildert die Furchung als eine totale. Er lässt von der Eizelle die untere Partie sich abschnüren, so dass zwei Furchungszellen entstehen, deren jede einen Kern enthält. Die obere dieser beiden Furchungskugeln, die zugleich die grössere ist und sich durch körniges Protoplasma auszeichnet, benennt es als Ento- dermzelle, die untere kleinere als Ectodermzelle. Jede dieser Zellen vermehrt sich wieder in der Weise, dass sich neue Zellen von ihnen abschnüren. Die aus der unteren Zelle hervorgegangenen Ectoderm- zellen umlagern allmählig die Entodermzellen, so dass es zur Bildung einer Haubengastrula kommt (Amphigasirula). Wenn ich nun die Zeichnungen von Brass ansehe, so sehe ich mich zu dem Ausspruche genöthigt, dass von den Fig. 1—13 b incl. keine dem wirklichen Thatbestand entspricht, ganz abgesehen von dem äusserst skizzenhaften Charakter, den alle diese Zeichnungen tragen. Wenn ich dann seine Untersuchungsmethoden in Betracht ziehe und bedenke, dass er ein und dasselbe Ei stundenlang unter dem Mieroscop beobachtet hat und er dann die unter seinen Augen während dieser Zeit sich vollziehenden Veränderungen für Furchungs- vorgänge genommen hat, so kann ich mich der Ansicht nicht ver- ”) Brass, Zur Kenntniss der Eibildung und der ersten Entwicklungs- stadien bei den viviparen Aphiden. Halle 1883, Semper, Arbeiten. VI. 18 956 LUDWIG WILL: schliessen, dass Brass hier mit lauter Kunstproducten gearbeitet hat, die ja bei der grossen Empfindlichkeit des Objects so überaus leicht möglich sind. Anders wird mein Urtheil über die späteren Stadien lauten, welche seine folgenden Figuren darstellen. Diese kann ich aber natürlich erst in meiner späteren Arbeit über die folgenden Entwicklungsvorgänge besprechen. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Semper, meinem hochverehrten Lehrer, in dessen Institut vorstehende Arbeit ausgeführt wurde und der mich stets in der liebenswürdigsten Weise mit Rath und That unterstützte, meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich meinem Freunde Dr. B. Sharp zu grossem Danke verpflichtet: derselbe stellte mir eine vortreffliche Oel-Immersionslinse von Zeiss zur Verfügung, wodurch ich allein in den Stand gesetzt wurde, die Details, namentlich in Bezug auf die Structur des Endfachs, wahrzunehmen. Würzburg, im Juni 1883. al en re u 5 Bil Zi 27 re u a na a m m m ne re u en Fi DE Zur Bildung des Eies und des Blastoderms bei den viviparen Aphiden. 257 Karelerklarung-‘) Fig. 1—5. Endfächer von Aphis pelargomü. Fig. 1. Längsschnitt. ep Epithel, in dem obern Abschnitt aus Platten-, im untern aus Cylinderzellen bestehend. Der Eistiel verbindet das junge Ei mit der Rhachis. Fig. 2. Längsschnitt. Der Eistiel ist hier deutlicher ausgeprägt. Fig. 3 und 4 stellen abnorme Fälle dar. Es sind zwei Eianlagen zu gleicher Zeit aus dem -Endfach ausgetreten. Die Schnitte, namentlich Fig. 4, sind etwas seitlich ausgefallen, deshalb sind weder Dotterstränge noch Keim- bläschen getroffen worden. Fig. 5. Längsschnitt. Die Rhachis ist mit zwei verschiedenen Eiern durch Ver- bindungsstränge verbunden. Der Verbindungsstrang Est! zieht sich über das junge Ei I hinweg und geht in die peripherische Plasmarinde des Eies II über. Fig. 6. Aphis salicetis. Junges Ei im Längsschnitt. Der Eistiel tritt hier be- sonders scharf hervor. Das Keimbläschen findet sich im Ruhestadium, d.h. es ist scharf contourirt und enthält einen kreisrunden soliden Keimfleck. Fig. 7. Aphis pelargoniü. Ganzes Ei, frisch. Inseln von Deutoplasma sind im Protoplasma des Eies aufgetreten. Fig. 8. Aphis rosarum. Ganzes Ei, frisch. Zwei Keimbläschenderivate vorhanden, von denen jedes von einem Haufen von Protoplasma umgeben ist. = ed u . 9—14. Aphis pelargonü. Schnitte durch Eier mit einem Keimbläschen, Letzteres repräsentirt sich in den einzelnen Eiern verschieden. Ebenso mannigfach ist die Anordnung der Zerfallproducte des Keimfleckes. Fig. 15. Längsschnitt durch ein Ei von Aph. pelarg. mit zwei Keimbläschen- derivaten. Beide schicken sich schon wieder zu einer abermaligen Theil- ung an. Fig. 16. Aph. pelarg. Ei mit zwei Keimbläschenderivaten. Das eine tritt nur als heller matter Fleck in der Verdickung des wandständigen Protoplasmas hervor. Das andere liegt in einem Plasmaballen im Innern des Eies als biseuitförmiger heller Fleck. Der Plasmaballen ahmt die Biscuitform nach. *) Die mehrfach den Figuren beigefügten Geraden stellen die genaue Grösse des Objects bei der Vergrösserung eines Seibert’schen Instrumentes, Obj. V., Ocul. 1 dar. Sie sollen mir zu dem in meiner späteren Arbeit zu liefernden Nachweis von dem ausserordentlich verschieden starken Wachsthum der Eier dienen. 18* Fig. Fig. Fig. LUDWIG WILL: . 17, a,b. Zwei aufeinander folgende Schnitte durch ein Ei mit 8 Keimbläs- chenderivaten. . 18. Aph. pelarg. Querschnitt durch ein Ei mit etwa 16 Keimbläschen- descendenten. Die Stäbehenform tritt in den Kernen ausserordentlich scharf hervor. g. 19. Aph. salicetis. Das Blastoderm umgiebt als gleichmässige Schicht das Deutoplasma. Die Blastodermkerne sind alle in Ruhe. 20. Aph. salicetis. Das Blastoderm ist bereits in gesonderte Zellen zerfallen. ‚Im Innern des Deutoplasmas werden innere Keimzellen wahrgenommen. . 21. Aph. pelarg. Längsschnitt. Der untere Pol ist offen. An diesem Pol liegen vorzugsweise die inneren Keimzellen. Die Blastodermkerne sind alle in Theilung begriffen. 22. Aph. pelarg. Längsschnitt. Blastoderm ist in einzelne Zellen zerfallen. Der untere Eipol ist offen. j 23. Copie einer Brandt’schen Zeichnung vom Endfach von Aphis (Bem. über die Eifurchung u. d. Betheil. des Keimbläschens an derselben, von A. Brandt, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. 28. 1877). Spitze einer Ovarialröhre. A Endkammer, B Eikammer, a runder Keimbläschendes- cendent mit amöboid zerflossenem sternförmigem Kern, bb ein anderer Keimbläschendescendent in amöboider Bewegung begriffen. RISEIER Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. Von De) KB NoNDR ED: Wenn ich in den folgenden Blättern den Fachgenossen einige faunistische und biologische Bemerkungen vorlege, die ich während meiner Excursionen auf der Insel Trinidad in Westindien gesam- melt habe, so geschieht dies nicht mit der Prätension, nur Neues und Originales zu bringen. Dazu hätte ich vorher ausgedehnte Literaturstudien machen müssen, die in keinem Verhältnisse ge- standen hätten zu den wenigen Notizen, und ausserdem nur dazu dienen konnten, das durch objective Beobachtung gewonnene Ur- theil zu beeinflussen und zu trüben. Ich wollte aber gerade den möglichst frischen Eindruck festhalten, den die zahlreichen gesehenen Einzelheiten auf mich machten, die Folgerungen zum Ausdruck bringen, die aus der directen Beobachtung entsprangen. Sind diese Beobachtungen nur richtig, so ist es nicht schade, wenn sie zwei- mal mitgetheilt werden; die Thatsachen spiegeln sich doch im Geiste jedes Beobachters anders, und dann lassen sich zwei von einander unabhängige Urtheile besser gegen einander abwägen, als solche, wo aus zahllosen Fussnoten schon die Beeinflussung des Autors er- sichtlich ist. Ich habe darum Niemanden eitirt, weil ich factisch bezüglich und zum Zweck der hier folgenden Mittheilungen Nie- manden gelesen habe; bei späterer specieller Bearbeitung meines gesammelten Materials wird das selbstverständlich anders sein, 260 J. KENNEL: Hoffentlich findet man in den wenigen folgenden Notizen etwas Neues, und dieses Neue ebensowenig unbrauchbar als falsch. Bezüglich der höheren Wirbelthiere werden nur wenige Be- merkungen genügen; wir besitzen ja beinahe von allen Säugethieren und Vögeln der Tropen ebenso ausführliche Lebensbeschreibungen, wie von unsern einheimischen und vielfach sind Skizzen über das Thierleben aus allen Zonen veröffentlicht. Was dem Beobachter der höheren Fauna Trinidads jedoch bald auffällt, wenn er sich erst etwas orientirt hat, ist die stark überwiegende Zahl der Baum- thiere. So wie die gewaltige Menge der kletternden, schlingenden und rankenden Gewächse von der kleinen Winde an bis zur mäch- tigen baumartigen Liane der ganzen Vegetation ein typisches Ge- präge gibt, so sind auch die Vertreter der höheren Thierwelt durch mannigfache Einrichtungen ganz besonders befähigt, den grössten Theil ihres Lebens in dem unentwirrbaren Dickicht der Kronen der Urwaldbäume zuzubringen. Unter den Säugethieren sind es die Affen, Wickelbären, Kletterstachler, Beutelratten und Ameisenfresser, die mit Wickelschwänzen und Greiffüssen versehen ein ausschliessliches Baumleben ‚führen; eine kleinere Katze (Felis pardalis) und ein oder zwei Eichhörnchen kann man gleichfalls zu den Baumthieren rechnen, so dass nur ein Reh, ein Schwein, einige Nager (Aguti und Hydrochoerus) und das Gürtelthier als exclusiv dem Boden an- gehörende Formen übrig bleiben, und von diesen darf fast die Hälfte als Wasserthiere angesehen werden. Ich weiss nicht, wie viel von diesem relativen Mangel an Erd- thieren auf Rechnung der menschlichen Verfolgung zu setzen ist; man sollte jedoch denken, dass bei der Ausdehnung der vorhandenen Urwälder und anderer bisher der Kultur nicht unterworfener Land- strecken die Eingriffe des Menschen nicht allzu fühlbar sein könnten; auch sind die wenigen Arten der Erdthiere nicht individuenarm. Ich glaube vielmehr, die Ungunst der Boden- und Vegetationsver- hälinisse Trinidads hat die auffallende Auswahl bedingt. Es fehlen in Trinidad in der Ebene die grossen Savannen, die mit hohem Gras und Buschwerk bewachsen der Haupttummelplatz der grösseren und kleineren Grasfresser sein könnten; alles unkultivirte Land ist bedeckt mit Urwald, in dessen dichtem Schatten nur wenig Unter- holz, und fast gar kein Gras aufkommt, oder der mit undurchdring- 1 7 d 4 b FREE en Be A ae Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 261 lichem, dornigem Gestrüpp bewachsene Boden ist sumpfig und nur für solche Thiere nicht ungünstig, die ein halb amphibisches Leben führen können. Die Urwälder der nördlichen Bergkette würden günstigere Bedingungen bieten, wenn die Abhänge der Berge nicht zu steil, und für grössere Thiere, mit Ausnahme der wie Ziegen kletternden Rehe etwa, unzugänglich wären. In Folge dessen suchen hier die Thiere ihre Nahrung in den Kronen der Bäume, die Pflan- zenfresser sind Fruchtfresser, die Fleischfresser machen Jagd auf Vögel, Reptilien und Insecten. Von den Säugethieren des Bodens ist das Reh allein Grasfresser, alle andern eher als Wurzelfresser zu bezeichnen. Da in den dichten Wäldern auch von den wirbellosen Thieren nur wenige die feuchte, dumpfe Erde bevölkern, und nur solche Formen, die ein nächtliches Leben führen, so finden wir unter den Reptilien, die ausschliesslich Fleischfresser und grossentheils auf niedere Thiere angewiesen sind, gleichfalls auffallend viele Baum- bewohner, Eidechsen sowohl als Schlangen, und die pflanzenfressen- den Landschildkröten sind auf wenige Arten beschränkt. Wir be- sitzen unter den Amphibien nur einen einzigen Kletterer, den Laubfrosch; in Trinidad dagegen muss man die Frösche auf den Bäumen suchen, in Tümpein und im Gras findet man nur einige Kröten; hier klingen Nachts die wunderbarsten Töne aus der Höhe der Baumkronen an unser Ohr, die man für alles andere eher, denn für Froschgeschrei halten möchte, und doch ist es nichts anderes. Aus diesen wenigen Bemerkungen geht schon hervor, was ich übrigens noch besonders betonen will, dass die dichten Urwälder dem sammelnden Zoologen, in Trinidad wenigstens, nicht die Aus- beute gewähren, die er nach mancherlei Schilderungen erwarten dürfte; selbst die kleinen wirbellosen Thiere, deren Aufenthalt ge- fallene und halbvermoderte Baumstämme und Wurzelstöcke sind, werden weit häufiger in lichterem Gehölz, z. B. Cacaopflanzungen sefunden; vielleicht liegt das nicht daran, dass sie letztere Oertlich- keiten in Wahrheit bevorzugen, sondern daran, dass die Schlupf- winkel im Walde durch aufgehäuftes Laub und zahllose gestürzte Baumriesen, vermoderte Aeste und Wurzelstöcke allzu häufig sind und die Thiere sich mehr vertheilen. Meine Hauptausbeute an niederen Thieren fand ich in Cacaopflanzungen und am Saume der Wälder, oder rechts und links von Waldwegen, wo wenigstens zeit- 262 J. KENNEL: weise die Sonnenstrahlen hingelangen und Gras und Unterholz im Wachsthum begünstigen konnten. Allerdings sind das auch die Orte, wo diejenigen Bäume wachsen, die für Insecten, Nacktschnecken, Würmer etc. die günstigsten Verhältnisse bieten, nämlich die beiden Arten Erythrina, die Schattenbäume der Cacaopflanzungen ; mächtige Stämme mit ausgedehntem oberflächlich liegendem Wurzelwerk, haben sie ein so weiches Holz, dass sie schon ein halbes Jahr nach ihrem Fall in sich selbst zusammensinken, nach allen Richtungen von Käferlarven und Termiten durchbohrt werden, wie ein Schwamm die Feuchtigkeit lange halten und so auch in der trocknen Jahres- zeit zahllose und zusagende Schlupfwinkel gewähren. Da ich abweichend von den meisten Zoologen, welche die Tropen besuchen, mich fast ausschliesslich mit dem Studium der niederen Land- und Süsswasserfauna beschäftigte, der bisher recht wenig Aufmerksamkeit zugewendet wurde und die eigentlich nur so zufällige Ergebnisse lieferte, so wird mir gestattet sein, auf diesem Gebiet etwas ausführlicher zu sein, obwohl ich auch hier nur in einigen Fällen ins Detail eingehen will. Ich beginne mit einigen Bemerkungen über die Süsswasser- fauna, wobei es mir nicht nur zweekmässig, sondern völlig natur- gemäss erscheint, die verschiedenen Gewässer nach ihrem Character auseinander zu halten, da dieser auf die Zusammensetzung der Be- völkerung von wesentlichem Einfluss ist. Schon die Bewegung oder die Ruhe des den Thieren als Aufenthaltsort dienenden Mediums stellt verschiedene Bedingungen und Forderungen an die physio- logische Leistungsfähigkeit, bewirkt dadurch eine ziemlich scharfe Auswahl der Formen, oder, was dasselbe ist, hat eine ganze An- zahl von bezeichnenden Einrichtungen und Lebensgewohnheiten bei den Thieren hervorgerufen; hierzu kommen noch Temperaturver- hältnisse, Wassermenge, periodischer Wechsel oder Constanz der- selben, Pflanzenwuchs, Bodenverhältnisse, chemische Zusammensetzung und manches andere, was die Bedingungen ungemein complieiren und eine Rubrieirung erschweren würde, wenn nicht in der Regel mehrere der genannten Eigenthümlichkeiten zur Herstellung einiger wenigen „Gewässerformen“ in ziemlich eonstanter Weise zusammen- treten würden. Freilich wird es auch hier Uebergangs- und Grenz- gebiete geben, die eine Mischung der Formen aus zwei oder mehr Regionen aufweisen, z. B. im langsam fliessenden Wasser werden En ER Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. _ 263 schon so und so viele Thiere des stehenden auftreten; aber das darf uns ebenso wenig hindern, in der Darstellung Grenzen zu ziehen, so wenig wir.bei der systematischen Einordnung der Erscheinungs- . formen auf die zahlreichen Uebergänge Rücksicht nehmen können; sie müssen sich eben im Interesse der Uebersichtlichkeit irgend wohin bequemen. In dem speciellen Falle der Süsswasserfauna 'Trinidads lassen sich nun factisch mit grosser Schärfe einige Wassergebiete auseinander halten, die abgesehen von einigen allgemein verbreiteten Thieren ihre ganz eigenthümliche Fauna haben; diese Gebiete sind: 1) die Gebirgsflüsschen, 2) die Kanäle mit langsam fliessendem Wasser, hauptsächlich in Zuckerpflanzungen, 3) die eigentlichen Süsswasser- tümpel, 4) die grösseren Flüsse der Ebene. Die Gebirgsflüsschen entspringen in grosser Zahl meist hoch in der nördlichen Gebirgskette, und ergiessen ihr Wasser von wunder- voller Klarheit und relativer Frische in vielen kleinen und grösseren Cataracten mit grosser Schnelligkeit entweder nach Norden ins Meer, oder häufiger nach Süden in den von Ost nach West fliessenden Caroni. Diese Flüsschen gemahnen sehr an die Gebirgswasser des Schwarzwaldes; ihr Bett ist mit Kies bedeckt und mit Felsblöcken bestreut, die sie in der Regenzeit, wo sie zu unbändigen Wasser- massen jeden Tag auf mehrere Stunden, oft auf längere Zeit an- schwellen, von oben herunterwälzen und geglättet und abgeschliffen, mit Algen überzogen, irgendwo liegen lassen. Diese Flüsschen sind nur von wenigen Thierarten spärlich bevölkert; man bemerkt mehrere Arten kleiner bis gegen einen Fuss langer Fische, einige Krebse, zur Gattung Atya gehörig, und einige Kurzschwänzer, die unter Steinen und Uferpflanzen wie unsere Flusskrebse sich auf- halten, ferner Inseetenlarven und wenige Würmer; Schnecken habe ich hier nicht gefunden. Die weitaus grösste Zahl der hier vor- kommenden Thiere schützt sich gegen die starke Strömung entweder dadurch, dass sie, wie Fische und Krebse, die tiefer ausgewühlten Stellen an den häufigen und starken Krümmungen des Bettes auf- suchen, oder sich hinter und unter Steinen aufhalten, oder aber, und das ist ein auffälliges Verhalten, das an die zahlreichen Kletterthiere erinnert, dadurch, dass sie sich mitteist verschieden gestalteter Saug- organe an die Felsblöcke anheften. Das thut vor allem ein hier ziemlich häufiger Panzerwels (Plecostomus), der sich mit seinem 964 | J. KENNEL: Maul so fest an die Steine ansaugt, dass er selten ohne Verletzung davon abgenommen werden kann. Eine ganze Anzahl verschiedener Insectenlarven, die einen von der Gestalt eines Argulus, die andern den Larven der Sylphiden ähnelnd, tragen auf der Ventralseite ent- weder paarige, oder in der Mittellinie in einer Reihe angeordnete Saugnäpfe, um sich fest an die mit Algen bewachsenen Steine an- zuheften. Ich fand dergleichen Inseetenlarven in grosser Zahl sogar an einem beinahe senkrecht abfallenden Felsen von bedeutender Höhe, an welchem eine Quelle ihr klares Wasser mit fast unver- minderter Fallgeschwindigkeit herunterschiessen liess. Keine dieser Larven trägt äussere Kiemenanhänge; die dadurch vielleicht ver- ringerte Athmungsfähigkeit wird bei dem hohen Bedürfniss nach Luft durch den ungemein raschen Wechsel des Wassers, in dem die Thiere leben, compensirt; denn alle andern Insectenlarven, die im stehenden Wasser leben, haben entweder sogenannte Tracheenkiemen oder athmen direet Luft von der Oberfläche des Wasserspiegels. Die Würmer sind hier nur durch die Clepsinen vertreten, die ich in einigen schön dunkelgrün gefärbten Exemplaren an Steinen fand, und durch vereinzelte Planarien, welche ähnlich wie Dendro- coelum lacteum das Vorderende saugnapfartig benützen können und sich durch lebhaftes und energisches Kriechen auszeichnen. Einen kleinen Fisch muss ich hier gleich erwähnen, der in allen Wassern ohne Unterschied, am häufigsten allerdings in den langsam fliessen- den vorkommt, weil er seinen Fundstellen nach zu schliessen kein Hinderniss kennt, das ihn von irgend einer Höhe abhalten könnte. Es ist ein klener Cyprinodonte, höchstens 5 cm lang, ge- wöhnlich kleiner, das Männchen im Hochzeitskleide von reizender Färbung: auf dem braungrünen Grunde jederseits 4—6 unregel- mässige grosse Flecken, einen von grasgrüner, einen andern von zinnoberrother, einen dritten, vierten, fünften von himmelblauer, chromgelber, dunkelblauer oder silberglänzender Färbung. Dieses Thierchen traf ich überall an, wo ich Wasser fand; auf dem Gipfel steiler Felswände so gut wie im Tränktrog einer Viehweide, im kleinen Tümpel, isolirt und fern von jedem fliessenden Wasser, in der Ebene und auf den Bergen, in grossen Teichen und in den winzigsten Wasserresten von unglaublicher Temperatur. Die Fisch- chen müssen ungeheuer zäh und ausdauernd sein; ich hielt eine grössere Anzahl in einem kleinen Glasgefäss mehrere Wochen ohne Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 265 Erneuerung des Wassers, und trotz der bedeutenden Erwärmung des letzteren hielten sie vortrefflich aus; es wäre dies gewiss eine sehr wünschenswerthe Aquisition für unsere aquarienliebende Be- völkerung, besonders da der Fisch als lebendiggebärender ohne Frage leicht zu züchten wäre, und in Folge seiner Farbenpracht trotz seiner Kleinheit einen Schmuck für jedes Zimmeraquarium ab- geben würde. Die verschiedenen Wasseradern, die entweder als kleine Seitencanäle der Gebirgsflüsschen zu Bewässerungszwecken an- gelegt sind, oder in der Ebene nach allen Richtungen die Zucker- pflanzungen durchziehen, um in der Regenzeit den Abfluss des Wassers zu befördern, zeigen in der Regel eine sehr langsame, oft kaum bemerkbare Bewegung ihres Inhalts. Besonders in den Zucker- feldern steigt in den Gräben, sofern sie nicht austrocknen, die Tem- peratur des Wassers ausserordentlich hoch; Steine und Geröll findet sich in ihnen nicht, der Boden besteht aus Sand oder Schlamm; dafür sind sie an manchen Stellen ganz bedeckt von grossblätterigen Wasserpflanzen, besonders Nymphaeaceen, Gräsern und Moos, oder von Algen, unter denen eine reiche Fauna sich entwickelt hat. Hier ist die Heimath verschiedener in ungeheuren Schaaren auftretender Cyprinodonten, zahlloser Insectenlarven (Libellen und Ephemeriden), kleiner Wasserkäfer, Clepsinen, winziger rhabdocoeler Turbellarien, vor allem aber der Ampullarien, die in mehreren Arten auftreten; einige kleine Schneckchen kommen wenig in Betracht, und ausser- dem häufiger in stehendem Wasser vor. Die Ampullarien sind ungemein träge Thiere und in we Benehmen am ersten unseren Paludinen zu vergleichen; in dem seichtesten Wasser liegen sie in grosser Zahl am Boden, halb aus der Schale ausgestreckt, unbeweglich, und nur einzelne Exemplare kriechen ganz langsam herum. Es scheint jedoch, dass sie ein re- lativ grosses Bedürfniss nach direeter Luftathmung haben und dess- halb das seichte Wasser bevorzugen, weil sie hier schneller und öfter an die Oberfläche gelangen können, als in tiefem. Beim Ein- nehmen von Luft verhalten sie sich ganz verschieden von unseren Süsswasserschnecken; ein Limnaeus oder Planorbis, an die Oberfläche des Wassers gelangt, öffnet sein Athemloch und gestattet der äusseren Luft einfach den Zutritt zur Lunge, wobei, wie es den Anschein hat, die beiden Luftsorten in und ausserhalb derselben sich durch 266 J. KENNEL: blosse Mischung ausgleichen. Die Ampullarien dagegen machen sehr kräftige und deutlich sichtbare Athembewegungen. Hat ihr Athemrohr die Wasseroberfläche erreicht, so öffnet es sich und das Thier streckt sich, indem es an einer Stelle ruhig sitzen bleibt, ab- wechselnd und schnell nacheinander aus dem Gehäuse heraus, und zieht sich wieder in dasselbe zurück; bei dieser Bewegung wird offenbar die Lungenhöhle rhythmisch erweitert und verkleinert, so dass jedesmal beim Ausstrecken neue Luft eingenommen, beim Zu- sammenziehen ein Theil des verbrauchten Gasgemenges abgegeben wird. Ich bemerkte diese Athembewegungen bei allen Arten von Ampullaria, während mir von unseren Wasserlungenschnecken nichts ähnliches bekannt wurde. ; Abgesehen von den Ampullarien finden sich in diesen Canälen fast lauter Formen, die es uns vergessen lassen, dass wir uns nicht an einem deutschen Bächlein befinden; die Unterseiten der breiten schwimmenden Nymphaeablätter sind bedeckt mit kleinen Libellen- larven, Kothröhrchen für Anneliden, Schneckenlaich, hier und da eine Olepsine oder Planarie, zwischen den Algen treiben Agrion- und grössere Libellenlarven ihr räuberisches Wesen, unbedeutende Wasser- käferchen schiessen in die Tiefe, einige Kaulgquappen kommen an die Oberfläche um Luft zu schnappen — alles genau wie bei uns. Verfolgt man jedoch die Canäle gegen die Niederung hin, wo sie sich in die Mangrovesümpfe verlieren, deren Brackwasser zum Theil durch Schleussen am Eindringen in die Süsswassercanäle ge- hindert ist, so ändert sich das Bild bedeutend. Die Wasserpflanzen verschwinden, schwarzer, moderiger und ungemein weicher Schlamm bildet Boden und Ufer und letzteres ist durchbohrt von Millionen grosser und kleiner Löcher. Das sind die Schlupfwinkel zahlloser Krabben, die am Land, auf den Wurzeln der Mangrove, umge- stürzten Bäumen bis in die Kronen derselben hinauf ihr Wesen treiben; mit ungemeiner Behendigkeit laufen sie quer über den weichen Schlamm hin, die Scheeren angedrückt oder hochhaltend, um bei der Annäherung jedes ungewohnten Besuchers blitzschnell in ein Loch zu verschwinden, wo alles Nachgraben fruchtlos wäre. Sie treiben sich hier herum in mehreren Arten und allen Grössen von Erbsen- bis Faustgrösse, und es ist erstaunlich, bis zu welcher Ent- fernung von ihren Wassergräben sie sich fortwagen. Allerdings sind es meistens grosse Exemplare, in deren Löcher man oft weit von Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 267 dem Grenzgebiet der Mangrovecanäle im Gebüsch unversehens hinein- tritt und bis zum Knie einbricht. Einmal ‘bei den Landkrabben will ich auch diejenigen er- wähnen, die dem Gebiet des süssen Wassers angehören und meist in den Bergen und höher gelegenen Wäldern gefunden werden. Sie sind immer vereinzelt unter Steinen, gefallenen Baumstämmen in ‘ der Nähe von Flüsschen und Bächen und gehören, so viele ich auch fing, alle zur Gattung Gecarcinus; doch auch fern von jedem Wasser, in den troekensten Monaten März und April, nachdem es wochen- lang nicht geregnet hatte und kleinere Wasseradern ausgetrocknet waren, fand ich Krabben hoch oben in den Bergen unter Steinen, oder verborgen in den Höhlungen vermoderter Baumstämme, wo sie nur die Feuchtigkeit der Luft und den allerdings ergiebigen Nacht- thau zur Befriedigung ihres Wasserbedürfnisses zur Verfügung hatten. Wie trocken die Erde jedoch war, mag daraus abgenommen werden, dass die Regenwürmer sich erst in einem bis anderthalb Fuss Tiefe fanden, die Landschnecken, besonders Achatina, sich fest an die Baumrinde angeklebt hatten, wochenlang ihren Platz nicht verän- derten, und Sommerschlaf hielten; manchmal fand ich eine Krabbe unter demselben. Stein, unter welchem auch ein Scorpion sich ver- borgen hatte, von dem man doch nicht sagen kann, dass er allzu- grosse Feuchtigkeit liebt. Ein zweites, für die Mangrovegewässer in ihrem Grenzgebiet nach dem Süsswasser zu characteristisches Thier ist eine Neritina, die zur Ebbezeit in zahllosen Exemplaren auf den flachen Schlamm- ufern zurückbleibt und in ihr Gehäuse zurückgezogen, das sie fest mit dem Deckel verschliesst, das Steigen des Wassers abwartet; hier hält das Thier, in dunklem Gehäuse, auf schwarzem Boden liegend mehrere Stunden die Glühhitze der directen Sonnenstrahlen ohne den mindesten Schaden aus. Sonst sieht man hier nicht viele Repräsentanten der niederen Thierwelt, wenn man von den Insecten abstrahirt, die in reicher Zahl die Luft und die Gebüsche bevölkern, und unter denen sich Abends und Nachts die Mosquitos in höchst unangenehmer Weise bemerkbar machen. Unter den Fischen, welche diese Sumpfgebiete in ihren oberen fast süssen Theilen bewohnen, will ich nur den als Delicatesse be- liebten „Cascaladou*, den Panzerwels, zur Gattung Callichthys ge- 268 J. KENNEL: hörig, erwähnen, dessen Fleisch, trotz der geringen Grösse des Fisches und des höchst mühseligen Essgeschäftes so geschätzt ist, dass man sprichwörtlich sagt: „Wer einmal den Cascaladou gegessen hat, kann nicht in seiner Heimath sterben.“ Der Callichthys gehört zu den Fischen, die ein sehr weitgehendes Eintrocknen des Schlammes, in dem sie leben, ertragen können, und es soll häufig vorkommen, dass man in der trockenen Jahreszeit, wo auch den Mangrove- sümpfen Terrain abgewonnen wird, beim Drainiren im harten Schlamm ganze Gesellschaften dieser Fische antrifft, die hier einen, vielleicht nicht freiwilligen Sommerschlaf durchmachen. Nöthig ist er jeden- falls nicht für die Thiere, denn ihre Cameraden, die sich zur selben Zeit in nicht ausgetrockneten Sümpfen befinden, gedeihen daselbst ganz wohl. Die Gewässer der dritten Categorie, die stehenden Süss- wasser, die in keiner Verbindung mit dem Meere -sich befinden, . sind gering an Zahl und Umfang auf Trinidad. Es gehören hierher fast nur die Wasserbassins, die auf den Pflanzungen als Tränkteiche für das Vieh benützt werden, ausserdem einige nicht grössere Tümpel, die zufällige Reservoirs für Regenwasser ohne Abfluss sind. Sie sind durchgehends dicht bedeckt und durchwachsen mit Wasser- pflanzen der verschiedensten Art, Nymphaeaceen, Gräsern, Lemna- arten etc. Ihre Fauna wird ja naturgemäss derjenigen der übrigen Süsswasser hinsichtlich der Formen entsprechen, da sie sich aus dieser rekrutirt hat; aber in Folge der für viele Thiere bedeutend günstigeren Verhältnisse, welche ruhiges Wasser und reichlicherer Pflanzenwuchs bieten, treten solche Formen massenhaft auf, denen z. B. die Schutzvorrichtungen gegen reissende Strömung fehlen etec., andere haben sich hier nicht anpassen können und fehlen gänzlich, besonders aber ist hervorzuheben, dass das, was vorhanden ist, immer massenhaft auftritt, weil die Möglichkeit der Zerstreuung ausge- schlossen oder doch gering ist. Abgesehen von einem kleinen Alligator oder einer grossen Ameiva, die bei Annäherung des Menschen ins Wasser plumpen, findet der Beobachter nur Formen, die ihm aus der Heimath be- kannt sind. Hier ist das Eldorado der Frosch- und Krötenlarven, die neben mächtigen Klumpen Laich in ungeheurer Zahl vorhanden sind; hier finden sich die verschiedenen Insectenlarven, Libellen, Agrion, Aeschna, Ephemera in grosser Zahl und mannigfachster Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 2369 Abwechslung, Chironomus- und andere Mückenlarven bauen ihre Schlammröhrchen an Blättern und Stengeln der Wasserpflanzen, Culex-Larven und -Puppen purzeln im Wasser herum. Hier finden wir aber auch uns wohlbekannte Schnecken und Muscheln: Planorbis, Physa, Ancylus, kleine Oyelas und Pisidien; ja man findet auch deren bekannten Parasiten, den COhaetogaster Limnaei oder doch einen sehr ähnlichen. Auch unsere Hydra viridis und fusca begegnet dem überraschten Auge. Ich war nicht im Stande, zwischen unseren einheimischen Hydraarten und den beiden in Trinidad ge- fundenen Formen specifische Verschiedenheiten zu entdecken; aber die Bemerkung machte ich, die ja auch für unsere Gegenden im Allgemeinen gilt, dass die beiden Formen nicht in demselben Tümpel, wenigstens nicht zur selben Zeit vorkommen. Hydra viridis fand ich in einem Tränkteich bei Port of Spain, die braune Art auf der Ost- küste der Insel einen Monat später. Noch ist zu bemerken, dass beide Formen kleiner sind, als mittelgrosse Exemplare unserer Fauna. Es ist indess eine auffallende Thatsache, dass die niedere Süsswasser- fauna Westindiens, soweit ich sie kennen lernte, durchweg aus kleineren Formen besteht, als die entsprechenden unserer Zone sind. Niemals fand ich Süsswasserplanarien, limicole Oligochaeten, Hiru- dineen, Schnecken (abgesehen von Ampullaria) und Muscheln, die den nächst verwandten Arten der europäischen Fauna an Grösse überlegen wären; meistens waren sie kleiner. Dies ist besonders der Fall bei den dendrocoelen Planarien, die m den Tropen so riesige Vertreter auf dem Lande haben; alle Süsswasserplanarien die ich fand, und es sind mehrere Arten, zeichnen sich durch sehr ge- ringe Grösse aus; eine davon aus einem kleinen Teich auf der Ost- küste aber auch noch durch eine interessante biologische Eigen- thümlichkeit: sie vermehrt sich normaler Weise durch Quertheilung, meines Wissens das erste sichere Beispiel unter dendrocoelen Pla- narien. Soweit es sich am lebenden Thiere feststellen liess, sind keine Geschlechtsorgane vorhanden, oder sie stehen auf einer sehr primitiven Stufe ihrer Ausbildung. Eine kleine Strecke hinter dem Munde treten als Neubildung Augenflecke, wahrscheinlich im Zu- sammenhang mit der Entwicklung eines neuen Gehirns auf, ferner ein neuer Schlund mit Mundöffuung; eine leichte Einsenkung der Epidermis zeigt die spätere Trennungsstelle an, und oftmals sah ich das Zerfallen in zwei Individuen unter dem Mieroscop. Die Einzeln- 270 J. KENNEL: heiten der hierbei stattfindenden histologischen Vorgänge erfordern selbstverständlich ein eingehenderes Studium, als ich bisher der Sache widmen konnte; besonders interessant wird die Anlage des Gehirns und die Veränderungen in dem vor dem neuen Mund liegenden Darmtheil sein, der ja im Mutterthier aus zwei Schenkeln besteht, im Tochterthier aber als vorderer Abschnitt einfach werden muss. Von rhabdocoelen Turbellarien fand ich Vertreter der Gattungen Mesostomum, eine reizende glashelle und platt ausgebreitete Form, Mierostomum mit einem handförmigen Greiforgan im Schlund, das zur Mundöffnung herausgestreckt werden kann, ein Prorhynchus- ähnliches Thierchen, und mehrere andere, die sich so ohne Weiteres nicht einordnen lassen, zum Theil Arten mit einem zahlreiche und lange seitliche Verästelungen zeigenden Darmkanal. Unter den kleinen Süsswasser- Anneliden überwiegen die Formen mit contractilen Kiemenfäden, welche das Hinterende kreis- förmig umstehen und in eine Art Düte zurückgezogen werden können; sie müssen zur Gattung Dero gezählt werden, und treten in einer ganzen Anzahl verschiedener Species auf; alle bauen sich aus feinen Schlammtheilchen, die sie mit Schleim verbinden, kleine Röhren auf der Unterseite der Blätter oder an den Stielen der Wasserpflanzen. Die Hirudineen des Süsswassers scheinen auf Trinidad nur durch Repräsentanten der Gattung Ulepsine vertreten zu sein, meist kleine durchsichtige Thierchen, die wie unsere einheimischen ihre Brut auf der Unterseite mit sich schleppen. Vermuthlich sind die von mir gesammelten in verschiedene Arten zu theilen, trotz ihrer oberflächlichen Aehnlichkeit; zwei bis drei distinete Formen lassen sich schon bei flüchtiger Betrachtung unterscheiden. Die grossen Hirudineen, wie sie auf Dominica gefunden und als medicinische Blutegel benutzt werden, fehlen auf Trinidad gänzlich. Ebensowenig finden sich in den stehenden Süsswasserteichen grössere Repräsen- tanten der Orustaceen; man findet nur Copepoden und Ostracoden nebst spärlich auftretenden Daphniden, alle sehr klein mit Ausnahme einer Üyprisart mit schön marmorirten Schalen, die eine Grösse von einigen Millimetern erreicht. So oft ich in einem bestimmten Tränkteich an der Ostküste der Insel mit dem feinen Netz fischte, fanden sich in den Sammel- gläsern, nachdem sie einige Zeit gestanden hatten, an der Oberfläche Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 971 -eine Menge dunkelbrauner Körnchen, die ich anfänglich für Sporen irgendwelcher eryptogamer Wasserpflanzen hielt. Eine mieroscopische Untersuchung‘ zeigte, dass es ausserordentlich zierliche beschalte Rhizopoden waren (zur Gattung Arcella gehörig), die in eine kugelige, eine Anzahl von rückwärts gebogenen Hörnern tragende Schale eingeschlossen, aus einer Oeffnung wenige, breite, lappen- förmige Pseudopodien ausstrecken. Die Schalenmündung trägt reusen- artig gestellte kleine Zähnchen und die Thierchen nehmen, sobald sie langsam kriechend den Wasserspiegel erreicht haben, zwischen diese Zähnchen eine kleine Luftblase, vermittelst welcher sie an der Oberfläche schwimmen. Es kann hier von keinem zufälligen und das Thier schädigenden Aufnehmen von Luft die Rede sein, wie es bei vielen Daphniden z. B. vorkommt, die an die Oberfläche kommen, aus Versehen möchte ich beinahe sagen Luft zwischen ihre Schalen bringen und nun nicht mehr untertauchen können, sondern sich mit vergeblichen Anstrengungen in Kreisen an dem Wasserspiegel herum- bewegen; diese Rhizopoden können jeden Augenblick durch Einziehen ihrer Pseudopodien das Luftbläschen verdrängen und sinken auf diese Weise sofort unter, wenn man sie mit einer Nadel berührt. Hat man eine grössere Zahl in einem Uhrgläschen mit Wasser, und liegen alle auf dem Boden desselben, so dauert es nicht allzulange, bis alle oben schwimmen, um bei einer heftigen Erschütterung wieder unterzusinken. Unter den microscopischen Thieren fehlen natürlich auch die Rotatorien nicht, ja man findet an der Unterseite der Nymphaea- blätter Colonien von Lacinularia-ähnlichen Thierchen, die in ihrer Gesammtheit die Grösse einer grossen Erbse erreichen. Fügt man nun noch bei, dass der Wasserspiegel belebt ist von Wasserschreitwanzen und kleinen Spinnen, Mücken etc., so hat man ein Bild, wie es etwa auch einem deutschen Tümpel entnommen sein könnte. Es fehlt nur das belebende Element, die Tritonen und die zahlreichen Frösche, wenigstens in der trockenen Jahreszeit; Tritonen sind überhaupt in den Tropen nicht vorhanden, und die Frösche scheinen ihr Laichgeschäft, ähnlich unsern Laubfröschen, möglichst schnell abzuwickeln und dann wieder ihre Bäume aufzu- suchen; die meisten sind ja Kletterthiere. Einige grosse Kröten abgerechnet fand ich keinen Batrachier im Wasser, desto zahlreicher aber die Larven verschiedener Arten, deren Zugehörigkeit aber zu Semper, Arbeiten, VI, 19 272 J. KENNEL: den betreffenden 'Thieren in der Zeit meines Aufenthalts nicht fest- zustellen war. Doch gibt es hier eine ganze Reihe biologisch in- teressanter Beobachtungen zu machen; Larven, die sehr lange Zeit ihre äusseren Kiemen behalten, andere, denen nach Verlust der äusseren Kiemen oder doch noch lange vor Auftreten der Extremi- täten das einseitige Kiemenloch fehlt und die desshalb als junge Larven, wie unsere ausgebildeten Tritonen an die Oberfläche herauf- kommen, Luft schnappen und schnell wieder untertauchen. Allein zu solchen Beobachtungen gehört Musse, die der auf einen Sprung in die Tropen kommende Forscher nicht hat. Es bleiben nun zur Betrachtung noch die grösseren flies- senden Wasser der Ebene, deren Fauna sich von derjenigen der drei bisher erwähnten Gattungen von Gewässern mehr unter- scheidet, als diese unter sich. Trinidad besitzt nur zwei Flüsse, die hierher gehören, den Caroni, der von Osten nach Westen fliessend die Gebirgsflüsschen des Nordens aufnimmt und den Ortoire, der in der Südhälfte der Insel von West nach Ost strebend die Wasser aus dem Centrum des Eilands, zum Theil Flüsschen, zum Theil Sümpfe sammelt. Beide Flüsse haben das gemeinsam, dass ihr Bett im mittleren-und unteren Lauf wenig Fall hat, ihr trübes, gelblich bis braun gefärbtes Wasser langsam fliesst, und dass sie eine be- deutende Strecke stromaufwärts von Ebbe und Fluth ausgiebig be- einflusst werden. Im unteren Theil des Flusslaufes dringt bei Ein- tritt der Fluth das Meerwasser mit solcher Gewalt vor, dass es das herunterkommende süsse Wasser zurückdrängt; in Folge dessen wird das Flussbett eine bedeutende Strecke weit mit beinahe reinem See- wasser angefüllt, weiter hinauf mischt sich letzteres mit dem herab- fliessenden Süsswasser, so dass zuerst stark brackisches, dann immer weniger salzhaltiges Wasser folgt, bis es endlich völlig süss bleibt, aber durch bedeutendes Steigen und Fallen immer noch den Wechsel von Fluth und Ebbe anzeigt. In der Regenzeit ändert sich die Sache derart, dass in Folge der mächtigen zu Thal gehenden Wasser- massen der Wasserspiegel so bedeutend steigt, dass er an und für sich den höchsten Fluthstand überschreitet, wodurch ein Eindringen von Seewasser unmöglich gemacht wird und nur im alleruntersten Theil allenfalls eine Mischung, also Brackwasser hergestellt werden kann. In dieser Zeit führt also der Fluss, man kann sagen in seiner ganzen Länge süsses Wasser. S . Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 273 Diesen Verhältnissen entsprechend ist auch die Vegetation im unteren Theil der Flüsse ächte Mangrove; am Caroni niedrige Mangrovegebüsche, am ÖOrtoire ebenso schöner Mangrovehochwald wie am Orinoco. Man wird wohl mit Recht annehmen dürfen, dass die Mangrove-Vegetation nicht so weit aufwärts reicht, als in der trockenen Jahreszeit das brackische Wasser geht, da sie sonst einen srossen Theil des Jahres in süssem Wasser stehen müsste, was sie bekanntlich nicht wohl erträgt. Auch die Austern, die in der Or- toiremündung so vorzüglich gedeihen, dass die Wurzeln der Man- grovebäume dicht damit besetzt sind, reichen nicht hoch hinauf, wohl aus demselben Grunde. Doch wird man andererseits schätzen dürfen, dass, wenn die Mangrove ca. 1—1!j/z engl. Meilen flussauf- wärts reicht, in 6—8 Meilen Entfernung von der Mündung voll- kommen süsses Wasser sich findet, zumal wenn die in dieser Be- ziehung sehr feinfühligen Neger, die sich lieber mühsam ihr Trink- wasser mitschleppen, als schwach brackisches geniessen, es in drei Meilen Höhe für süss und trinkbar erklären. Ich gehe desswegen genauer auf diese Verhältnisse ein, weil ich mich hier um die Salz- und Brackwasserfauna nicht kümmern will und constatiren möchte, wo mein Gebiet des süssen Wassers anfängt, zumal im Ortoire in bedeutender Höhe, 12 Meilen flussaufwärts, Thiere leben, denen man in der Regel nur im Meere begegnet. Es sind ja längst eine Reihe Brack- und Süsswasserformen aus fast allen Thiergruppen bekannt, die ihre nächsten Verwandten und selbst Angehörige der eigenen Species im Meere haben, und im Laufe der letzten 10—20 Jahre grosse Strecken flussaufwärts gedrungen sind; ich erinnere nur an Dreissena und Cordylophora als die bekanntesten Beispiele. Ohne auf frühere Angaben hier eingehen zu wollen, gebe ich meinen Beitrag als unbefangene Beobachtung von Thatsachen, mögen es nun neue oder bekannte sein; es kann, meine ich, nicht schaden, . wenn möglichst viele derartige Bemerkungen von zahlreichen Gegen- den gesammelt werden. Sie haben immer Werth, vorausgesetzt, dass sie richtig sind, für die Kenntniss von der Verbreitung der Thiere sowohl, als auch für die Deutung geologischer Funde. Die paar Thiere, von denen ich einige Mittheilungen machen will, stammen aus dem Ortoire, und wurden sämmtlich weiter als 8 engl. Meilen von der Flussmündung entfernt gesammelt an Stellen, wo der Wasserspiegel bei Ebbe und Fluth wohl noch eine Höhen- leiz 274 J. KENNEL: differenz von anderthalb Fuss zeigt, wo aber wohl niemals auch nur schwach brackisches Wasser vorkommt. Hier fanden sich an einer steilen Uferwand, die aus weichem mit dünnem Schlamm über- zogenem Gestein bestand, mächtige Bänke von Mytilaceen, in allen Altersstufen dicht aufeinandersitzend; die erwachsenen Thiere hatten die Grösse .unserer Dreissena polymorpha. Ein im Wasser liegender alter Baumstamm, mit seinen Wurzeln noch auf dem hohen Ufer haftend, war bis zur höchsten Wassermarke ebenfalls dicht besetzt damit. Auch diese Thiere, schon durch ihren Aufenthalt im Süsswasser bemerkenswerth, zeigen sich noch interessant durch ihre merkwürdige Resistenzfähigkeit gegenüber der Sonnenhitze, der sie bei jedesmaliger Ebbe zum Theil ausgesetzt sind. Dasselbe gilt von einer kleinen Pholasart, die zwischen den ebengenannten Muscheln sich in das weiche Gestein einbohrt und besonders auch in dem erwähnten Baume in grosser Zahl vorhanden war. Doch wird diese wenigstens nicht so abgetrocknet, wie die aussen anhaftenden Mytilaceen, da sie in dem porösen Holz oder Gestein sitzt, das im Innern durch Capillarität immer feucht bleibt. Zwischen den zahlreichen Muscheln dieser Colonien fanden sich einige interessante Repräsentanten anderer Thiergruppen, die man hier kaum hätte vermuthen sollen. Vor allem ist bemerkenswerth eine Lumbriconereis, die ich in einem Exemplar von ca. 8 em. Länge erbeutete, während andere durch ihre schnellen Bewegungen mir entgingen und sich in Löcher des Gesteins zurückzogen. Ich glaube, dieses Beispiel und ein anderes, das ich bald nachher an- führen werde, dürften die ersten sein von dem Vorkommen frei- schwimmender Polychaeten in süssem Wasser. Zu den Bewohnern der Muschelcolonie gehörte ferner eine Crustacee, zur Gattung Aega gehörend, von der ich ebenfalls ein Individuum fangen konnte, deren Vorkommen im Süsswasser in- dessen schon bekannt ist, und zwar von den Palauinseln durch Professor Semper. Das Wasser in der Gegend, wo die ebengenannten Thiere sich fanden und noch viel weiter flussaufwärts, wo in Folge der flachen schlammigen Ufer für dieselben die nöthigen Existenz- bedingungen mangelten, war wenigstens an den seichten Stellen in der Nähe der Ufer reichlich bevölkert von einer zolllangen, völlig äurchsichtigen Palaemonide und einer kleinen nur wenig gefärbten Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 275 Atyaart; ob letztere nur eine Jugendform einer grösseren Atya ist, muss erst die anatomische Untersuchung zeigen. Wir haben es also hier mit einer, man kann wohl sagen, marinen Fauna des süssen Wassers zu thun; denn wenn auch die Atyaarten grösstentheils Süsswasserthiere sind, wenn Palaemoniden und Mytilaceen viele Vertreter in Flüssen und selbst Seen haben, so gehören sie doch zu Familien, die ihre ganze Verwandtschaft im Meere besitzen, und die erranten Polychaeten sind ganz und gar als Salzwasserthiere bekannt. Für das häufige Vorkommen solcher Meeresformen im süssen Wasser liegen nun in Trinidad und wohl in vielen Flüssen mit ge- ringem Fall in Südamerika die Bedingungen äusserst günstig, und bei genauerem Suchen, und besonders auf derlei Verhältnisse ge- richteter Aufmerksamkeit werden sich die Fälle noch um ein Be- deutendes vermehren. Mit welcher Schnelligkeit Thiere, die sich einmal an süsses Wasser gewöhnt haben, in Flussgebieten mit be- deutendem Fall und grosser Geschwindigkeit der Strömung vor- dringen können, zeigt uns schlagend Dreissena polymorpha und die mit ihr meistens vergesellschaftete Cordylophora lacustris. Um wie viel leichter muss die Angewöhnung da sein, wo ein Fluss mit an und für sich schwacher Strömung täglich zweimal durch die Fluth- welle weit hinauf zum Stehen und selbst zu rückläufiger Bewegung gezwungen wird, wo der Uebergang aus Seewasser in brackiges - und süsses so ausserordentlich allmählig ist. Kann man doch einen Fluss, wie den Ortoire, der soweit bekannt nur von wenigen leben- digen Quellen, meistens dagegen aus Sümpfen, die dem Regen der nassen Jahreszeit ganz unmittelbar ihr Wasser verdanken, gespeist wird, in der trockenen Jahreszeit beinahe einer Lagune stehenden Wassers vergleichen, das sich bis zu einer gewissen Grenze mit Seewasser mischt, in dem höher liegenden Gebiete dagegen in Folge der geringen specifischen Schwere des süssen Wassers nur solches führt, und dessen Bewegungen fast ausschliesslich Ebbe- und Fluth- bewegungen sind. Dieser Vergleich hat nichts befremdendes für den, der weiss, wie schwer und langsam sich das Wasser eines starken Regenfalles mit Seewasser mischt. Und ich werde gleich zu berichten haben, dass dasselbe Verhältniss besteht in viel kleineren Wasserbezirken, die in der trockenen Zeit keinen Zufluss süssen 276 J. KENNEL: Wassers haben, und doch in ihrer oberen Region völlig süsses Wasser führen. Es giebt an der Ostküste der Insel Trinidad eine Anzahl von “Gewässern, die in der Regenzeit aus den niedrigen Hügeln, welche in geringer Entfernung der Küste parallel hinziehen, zum Theil nicht unbedeutende Wassermengen dem Meere zuführen. Mit Ein- tritt der trockenen Periode versiegen die Wasserquellen, die Fluth überwiegt und dringt mit ihrem Salzwasser zu Berg vor, wobei sie aber jedesmal durch den mitgeschleppten Sand eine Schranke auf- führt, welche endlich die sogenannte Lagune vom Meer trennt und die Küste wieder ununterbrochen herstellt. Das abgesperrte Wasser erhält durch vereinzelte Nachregen süsse Zufuhr, überfliesst auch wohl einmal die Barriere und verdrängt zunächst das im unteren Theil angesammelte Brackwasser. Aber auch das Meer erkämpft sich bei Sturmfluthen wieder einen Theil der Lagunen durch Ueber- schwemmen der Sandbank, und so kommt es, dass man im Februar und März die Verhältnisse folgendermassen antrifft. In dem untern Theil der Lagune, die im Ganzen allerhöchstens eine englische Meile lang und im unteren Theil nur 30—40 Fuss breit ist, findet sich ein ausgedehnteres Bassin brackischen Wassers, mit vollkommen entsprechender Fauna und Flora; man findet da sogar Mangrove en miniature. Weiter gegen die Hügel zu wird das Bett der Ravine immer schmäler und das Wasser immer süsser, und man braucht es nicht gar weit aufwärts zu verfolgen, um ein Wasser zu finden, das schon durch seine Vegetation allein sich als Süsswasser docu-- mentirt. Die Neger trinken es ohne Bedenken, ja sie ziehen es sogar dem Wasser der Cisternen, die in der sandigen Region der Küste gegraben sind, vor, weil letzteres aus dem Sande eine Spur von Salz aufgenommen hat, die nur ein verwöhnter Gaumen be- merken kann. In diesem Wasser nun, für jessen Qualität als Süsswasser ich freilich keine anderen Kriterien habe, als den Pflanzenwuchs und das Gefühl der Zunge, da ich leider keine Analysen ausführen lassen konnte, herrscht ein merkwürdiges Thierleben. Zahllose Frosch- und Krötenlarven bedeeken in schwarzen Klumpen den Boden oder hängen an den Wasserpflanzen, Unmassen von Mücken- larven verschiedener Gattungen schwimmen theils frei, theils sitzen sie an der Unterseite der Blätter und Steine, die im Wasser liegen, Biologische uud faunistische Notizen aus Trinidad. 377 Libellenlarven und Wasserkäfer, sowie kleine Tauchwanzen tummeln sich lebhaft herum, und mitten darunter, ebenso massenhaft, wenn nicht in grösserer Zahl Mysis, Nereiden und kleine Quallen, zusammen mit Palaemoniden und eine kleine Atyaart, zu schweigen von den kleinen rhabdocoelen Turbellarien etc. Die Mysideen sind ja im Allgemeinen Brackwasserformen; hier aber gedeihen sie im süssen Wasser vortrefflich, was nicht nur ihre ungeheure Menge, sondern auch der Umstand beweist, dass sie vielfach Eier mit sich trugen, also hier völlig heimisch waren. Und besonders hervorzuheben ist, was auch für die anderen erwähnten Thiere gilt, dass sie gegen die Theile der Lagune hin, die dem Meere zunächst liegen, also das am stärksten salzige Wasser ent- halten, an Zahl abnehmen, und im untersten Abschnitt trotz häufigen und aufmerksamen Fischens gar nicht oder nur vereinzelt zu fin- den waren. | Die Nereide, eine kleine Form von etwa 15 mm. Länge, hielt sich in staunenswerther Anzahl hier auf, und hatte als Wohnort be- sonders die grossen Klumpen grüner Fadenalgen aufgesucht, die in üppigster Weise das Wasser durchsetzten; zog man mit dem Netz oder auch mit der Hand solche Algen heraus, so fand man immer ein gutes Quantum der Würmer darin gefangen. Zwischen den Pflanzen schwammen dann ebenfalls in grosser Zahl die kleinen Quallen, von 2—3 mm. Scheibendurchmesser herum. Ich glaube nicht, dass diese Qualle identisch ist mit der durch Ray Lankester bekannt gewordenen Süsswasserqualle; ich hatte freilich nur ungeschlechtliche, also junge Individuen, während jene bedeutend grösser und geschlechtsreif waren, ein Unterschied, in dessen Ge- folge eine ganze Anzahl anderer Verschiedenheiten sich finden könn- ten; die Differenzen sind jedoch so gross, dass mir eine Zusammen- gehörigkeit höchst unwahrscheinlich zu sein scheint. Da ich jedoch hier keine eingehende Beschreibung und Vergleichung ausführen möchte, ohne welche ein Urtheil nicht möglich ist, so mag diese Frage einstweilen in suspenso bleiben bis zu einer eingehenderen Bearbeitung dieses Gegenstandes. Von Bedeutung ist es aber doch wohl, zum ersten Male einen Ort nachgewiesen zu haben, wo in der freien Natur in süssem Wasser eine Qualle lebt, gleichgültig, welcher Art und Gruppe sie angehört, weil sie doch Anhaltspuncte gewähren kann für die Herkunft jener in England im Warmhause 978 9. KENNEL: entdeckten, und vielleicht die Aufmerksamkeit anderer Reisender auf ähnliche Fundorte lenkt, wodurch wahrscheinlich die Anzahl der _Süsswasserformen in unerwarteter und erfreulicher Weise vermehrt werden dürfte. — Seltsamer Weise konnte ich trotz eifrigen Suchens die zur Qualle gehörigen Hydroidpolypen nicht finden; leben sie an derselben Stelle, aber an schwer zu erreichenden Orten, oder halten sich nur die jungen Quallen in süssem Wasser auf, während die Polypen in brackischem oder gar salzigem daheim sind und sich noch nicht so, wie ihre freibewegliche Generation an das süsse Wasser gewöhnt haben? Vielleicht auch sterben die Polypen nach Erzeugung der Quallengeneration ab? Diese Fragen könnten nur bei einem längeren Aufenthalt gelöst werden, wobei alle Ereignisse, die das Schicksal der ganzen Lagune beeinflussen, mit in Rechnung gezogen würden. Bemerkenswerth ist noch, dass alle diese marinen Erscheinungen der niederen Thierwelt nur soweit in der Lagune hinaufreichen, als das Wasser vollkommen stehend ist; es war zufällig an der für meine Beobachtungen wichtigsten Lagune eine ziemlich scharfe Grenze zwischen dem ruhenden und schwach fliessenden Wasser dadurch gezogen, dass das aus den oberen 'Theilen der Ravine kommende schwache Strömung zeigende Wasseräderchen noch eine kleine Strom- schnelle machte, eine Stromschnelle von 2 Fuss Länge bei einer Breite des Wassers von vielleicht 5 Fuss, wo man oben die Strömung deutlich erkennen konnte. Und über diese hinauf fanden sich nur noch vereinzelte Mysis, auch hier und da eine Nereis, aber keine Qualle; diese konnte selbst die unbedeutende Strömung nicht über- winden, obwohl ihre grösste Menge gerade unterhalb derselben zu finden war, wo die Zahl der anderen Seethiere schon abge- nommen hatte. Ich sprach oben von der auffallenden Kleinheit so vieler Be- wohner des süssen Wassers, die in unsern Breiten weit ansehnlichere Repräsentanten haben, während man doch gewohnt ist, die Riesen der niederen Thierwelt in den Tropen zu suchen. Für die Land- fauna hat diese Gewohnheit in vieler Beziehung ihre Berechtigung; man denke an Schnecken, Erdwürmer, Myriapoden, Arachniden, Insecten; ja es gehören zu den Riesen der Landfauna, und zwar zu den merkwürdigsten, solehe Formen, die wir für gewöhnlich im Wasser suchen, und deren nächste Verwandte im Wasser eben durch Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 279 ihre Kleinheit auffallen. Ich denke hier an die Landplanarien. Es giebt doch kaum Thiere, die mehr für das Leben im Wasser eingerichtet sind (sit venia verbo!) als die Planarien mit ihrer zarten, vergänglichen Epidermis, dem feinen Cilienbesatz, ihrem hauptsäch- liehsten Locomotionsorgan, und dem weichen, leicht zerfliessenden Parenchym; man sollte denken, solche Arten von Planarien, die auf irgend eine Weise sich dem Leben auf dem Land anbequemten, müssten da ein höchst kümmerliches, von Widerwärtigkeiten und Unzuträglichkeiten überreiches Dasein führen, so dass die Zahl der- jenigen, die es aushalten, höchst gering wäre, und es zur Ausbildung ansehnlicher Formen gar nicht hätte kommen können. Und nun findet man daselbst Landplanarien von 20 cm Länge und beinahe 1 cm Breite, und zwar nicht als grosse Seltenheiten, sondern recht häufig; ebenso ist die Zahl der Species, der Gestalten- und Farben- reichthum der Landplanarien viel bedeutender, als der Verwandten des süssen Wassers. Wohl alle Landplanarien sind Nachtihiere, die sich Tags über in passenden Schlupfwinkeln, unter Steinen, altem Holz, dichtem abgefallenem Laub, Palmenwedeln ete. verborgen halten, wo es auch während des heissen Sonnenscheins nicht an der nöthigen Feuchtig- keit mangelt. Indessen braucht diese gar nicht so bedeutend zu sein, als man von vorn herein annehmen sollte; ich fand Planarien von äusserst empfindlichen Arten an der Unterseite abgefallener Wedel von Cocospalmen, die auf ganz trockenem Boden in der Sonne lagen; die durch die Hitze aus den dicken Blattrippen aus- dunstende feuchte Luft genügte für das Wohlbefinden des zu einem diehten Knäuel zusammengezogenen Thieres. Zudem bedecken sich die Landplanarien in solchen Fällen mit einem dichten Schleimüber- zug, der sie auch einigermassen vor dem Austrocknen schützt. Viele Arten, und gerade die grössten, zeigen sich ebenso empfindlich gegen zu viel Feuchtigkeit wie gegen zu wenig; in beiden Fällen verlieren sie Epidermisfetzen und zerfliessen in kurzer Zeit. Andere wiederum zeigen sich ungemein resistent, und es gelang mir ohne Schwierigkeit, einige lebend in einem Kästchen mit Erde zusammen mit anderen Thieren hierher zu bringen, obwohl in der Nähe Eng- lands die Temperatur bedenklich tief unter das tropische Clima sank. Zum lebhaften Umherkriechen scheinen die Landplanarien in- dessen doch die Flüssigkeitsschicht des Nachtthaues nöthig zu haben, 280 J. KENNEL: wovon ihre nächtliche Lebensweise zum Theil abhängen mag. Ihre Nahrung besteht denn auch fast ausschliesslich aus Thieren, welche die nämlichen Gewohnheiten mit ihnen theilen und womöglich noch langsamer sind, als sie selbst. Schon früher brachten mich einige Funde an conservirten Landplanarien auf den Gedanken, dass sie hauptsächlich von Schnecken leben möchten und ich fand diese Ver- muthung durch die Beobachtung lebender Thiere bestätigt. Be- sonders sind es die kleinen, an denselben Oertlichkeiten sich auf- haltenden Subulinen, welche der Raubgier der Planarien zum Opfer fallen, und es ist höchst interessant, den Vorgang zu beo- bachten. Die Planarie legt sich um das Gehäuse der Schnecke herum, diese zieht sich bei der Berührung in ihr Gehäuse zurück; allein der Räuber legt seine Mundöffnung auf die Mündung des Ge- häuses, und nun beginnt ein lebhaftes Spiel des heraus gestreckten Schlundes, das sich durch die dünne Schale der Schnecke deutlich verfolgen lässt. Der Schlundkopf, vielfach auch Rüssel genannt, macht lebhafte Saugbewegungen, wobei er seine Mündung erweitert und verengt, sich selbst verlängert und verkürzt. Da jedoch die Planarie eine Schnecke auf diese Weise nicht aus dem Gehäuse heraussaugen und verschlucken kann, so verdaut sie einfach mittelst des vom Schlundkopf oder auch vielleicht vom Darm gelieferten Secrets ihre Beute ausserhalb ihres Körpers und saugt nun den zur Verdauung präparirten Speisebrei in ihren Darmkanal hinein, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass auch kleinere Stücke der Schnecke in unzersetztem Zustande mit verschluckt werden. In einer halben Stunde kann eine mässig grosse Landplanarie mit einer Su- bulina fertig sein; der Schlund verlängert sich derart, dass er bis in die engste Windung des spitzen Gehäuses vordringt und die letzten Spuren der aufgelösten Schnecke herausleckt, so dass nach einer solchen Mahlzeit die reine Schale übrig bleibt. Ich hatte im vorigen Jahre Gelegenheit, dieselbe übrigens alte Beobachtung bei unseren Süsswasserplanarien selber zu machen, deren ich eine grosse Anzahl in einem Aquarium hielt; von allen kleinen Limnaeen und Planorben, die ich in das Gefäss brachte, waren nach kurzer Zeit nur die Gehäuse noch vorhanden, und zwar so rein, dass mein anfänglicher Gedanke, die Thiere seien wegen ungünstiger Verhältnisse gestorben, bald hinfällig wurde. Ich setzte neue Schnecken hinein, und sah denn auch bald, wie nicht eine, sondern ein Dutzend Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 281 Planarien das Gehäuse belagerten und ihre Schlundröhren in die Mündung hineinstreckten. Warf ich dann kleine Stücke rohen Fleisches in das Aquarium, so kamen von allen Seiten, auf dem kürzesten Weg eine Menge Planarien herbei, so dass fünf Minuten nach dem Einwerfen des Fleisches nur Klumpen von Planarien zu sehen waren, nach deren Auseinandergehen keine Spur von Fleisch mehr vorhanden war. Die Landplanarien, die ich mit hierher brachte, hatten von mehreren Dutzend Subulinen, die in dem näm- lichen Kasten waren, bis zur Ankunft in Würzburg alle bis auf einige Exemplare aufgezehrt. Ein anderer interessanter Repräsentant einer Gruppe von Süsswasserthieren auf dem Lande ist ein Blutegel, der nach der äusseren Erscheinung sehr wesentlich von den Landhirudineen Ostindiens und Ceylons abweicht. Ich fand im Ganzen vier Exemplare einer Species, die eine im Januar in dem Bohrloche einer Käferlarve in einem morschen Baumstamm, drei andere Ende März in mässig feuchtem Boden in den Gängen von Regenwürmern. Es scheint also, dass diese Thiere nicht durch ihre Häufiskeit zur Landplage werden, wie in manchen Gegenden Ceylons. Jedesmal lagen sie zu einem festen Knäuel gewickelt unbeweglich, und liessen sich erst durch unzartes Anfassen oder durch Benetzen mit Wasser zu lebhafter Bewegung zwingen; es scheint demnach, dass sie in einer Art Sommer- oder richtiger Trockenheitsschlaf lagen, obwohl es nicht unmöglich ist, dass auch sie des Nachts lebhaft werden und ihre Beute suchen. Die Bewegungen der aufgeweckten Thiere hatten am meisten Aehnlichkeit mit denen unserer gewöhnlichen Nephelis, der sie auch in Grösse und Gestalt am meisten glichen. Sie sind etwa 8 cm. lang, von intensiv hellrother Farbe, drehrund, sehr schlank und äusserlich scharf geringelt; der hintere Saugnapf ist scharf vom Körper abgesetzt, während das Vorderende, sehr spitz, nur beim Ansaugen eine Saugscheibe erkennen lässt. Die Bewegungen des Thierchens sind ausserordentlich schnell, das Vorderende fährt tastend nach allen Richtungen herum, wobei der Körper ungemein dünn und langgestreckt wird. Eine genauere Untersuchung wird zeigen, in welche Gruppe von Hirudineen die neue Erscheinung zu stellen ist. Wohl wären nun zur niederen Landfauna noch mancherlei Bemerkungen zu machen über Schnecken, Erdwürmer, Myriapoden, 282 J. KENNEL: Inseeten, sowohl in faunistischer als biologischer Beziehung, es wäre verschiedenes zu sagen über Beziehungen gewisser Thiere zu anderen, über Anpassungen an veränderte oder neue Verhältnisse, über höchst auffallende Stimmen von Insecten u. dergl. mehr. Doch will ich mich diesmal beschränken auf einige Notizen über das Vorkommen und die Lebensverhältnisse eines in neuerer Zeit sehr interessant gewordenen Thieres, des Peripatus, von dem ich in Trinidad eine neue Art entdeckte, und Gelegenheit hatte, zahlreiche Exemplare im Freileben und der Gefangenschaft zu beo- bachten. Man wird erlauben, dass ich bei diesem Thema etwas ausführlicher verweile. Die beiden in Trinidad vorkommenden Arten ‘von Peripatus, der kleinere P. Edwardsii mit 28—30 Fusspaaren und eine grosse neue Species von 15—16 cm Länge und 41—-42 Fusspaaren, für die ich den Namen P. torquatus n. sp. vorschlage, leben zusammen an ganz den gleichen Orten; während aber die kleinere Art mit- unter in grösserer Anzahl an derselben Stelle gefunden wird, traf ich den grossen P. immer nur vereinzelt an. Die ergiebigsten Fund- stellen für die interessanten Thiere waren die Cacaopflanzungen, in welchen es in Folge ihrer Lage an den Abhängen der nördlichen Bergkette und in den tief eingeschnittenen Thälern mit klaren Wald- flüsschen und zahlreichen Quellen, und begünstigt durch die hohen Schattenbäume des Cacao (Erythrina) bei weitem länger feucht bleibt und in der Nacht stärker thaut, als in der Ebene. Ein einziges Mal fand ich ein kleines Exemplar von P. Edwardsii im Urwald der Ebene; aber es wäre auffallend, wenn hier die Thiere so selten wären, als man nach dieser Thatsache annehmen dürfte; ich ver- muthe vielmehr, wie ich oben bereits auseinandersetzte, dass bei der ausserordentlichen Menge von Schlupfwinkeln, die ihnen hier in modernden Bäumen, heruntergebrochenen Aesten, der Schicht des gefallenen Laubes geboten sind, die Funde weniger ergiebig sein ‘ können, als in den von Unterholz freien und reinlichen Cacaopflan- zungen. Ausserdem fehlen hier die bei niederen Thieren so be- sonders beliebten Erythrinabäume fast gänzlich, deren Vortheile zu Schlupfwinkeln aller Art gleichfalls erwähnt wurden. Diese Bäume und ihre total zerfallenen Ueberreste sind es aber gerade, in und unter denen man die reichste Ausbeute an Peripatus machen kann; zuweilen findet man sie hier in den von grossen Käferlarven ge- Be ne du I Ze re a he Ar ge ren A a Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 283 bohrten Löchern, häufiger aber beim Zerhauen und Herumwälzen der Stämme und Aeste in dem darunter befindlichen Mulm und auch noch in dem durch Verfaulen des Holzes erzeugten Humus. Hier und da begegnet man auch einem Exemplar beim Durchsuchen der dichten Schicht der abgefallenen grossen Cacaoblätter, selten unter Steinen, und nie fand ich eins in den Haufen alter Hülsen der Cacaofrucht. Nachdem ich lange Zeit hindurch an solchen Fund- stellen immer nur vereinzelte, höchstens einmal drei oder vier Peri- patus zusammen gefunden hatte, war ich sehr überrascht am 21. März, wo die Trockenheit schon so bedeutend war, dass nicht mehr viel zu hoffen war, an dem trockenen Abhang einer tief eingeschnittenen Ravine unter einem nicht grossen vermoderten Ast etwa 60 Stück von Peripatus Edwardsii beisammen zu finden, wodurch sich beson- ders mein embryologisches Material in erfreulicher Weise vervoll- ständigte. Die Peripatus sind offenbar Nachtthiere, die sich des Tages über in den genannten Schlupfwinkeln versteckt halten und dieselben erst Nachts verlassen, sei es um Beute zu machen, oder um ihres- gleichen aufzusuchen. Ich schliesse das daraus, dass ich am Tage, auch bei grosser Feuchtigkeit der Luft und der Erde nie ein Exem- plar frei kriechend fand, wohl aber an Stellen, die ich genau durch- sucht, in moderisem Holze, das ich in kleine Stückchen zerbröckelt hatte, am nächsten Tag abermals ein oder mehrere Individuen sam- meln konnte. Wovon der Peripatus sich nährt, ist mir nicht mit völliger Sicherheit bekannt geworden; im Darm findet man selten etwas anderes als einen gleichmässigen Brei, in dem jedoch Reste von Chitin beobachtet worden sein sollen; mir ist es wahrscheinlich, dass er sich hauptsächlich von den kleinen Termiten nährt, die beinahe jeden gefallenen Baumstamm in kurzer Zeit in Mehl verwandeln und nebenher von Schneckchen und weichen Würmchen. So vergeblich man unsere Thiere nämlich da sucht, wo ächte Ameisen Besitz von einem alten Stamme oder Aste ergriffen haben, so genau muss man in dem Mulm nachsehen, den die weissen Ameisen aus dem Holze herausgearbeitet haben und in dem sie sich selbst zum Theil auf- halten; ich bin überzeugt, dass mir Anfangs viele Peripatus ent- gangen sind, weil ich dachte, wo Termiten sind, darf man kein anderes lebendes Wesen erwarten. Die Fresswerkzeuge von Peri- 284 J. KENNEL: patus sind auch kaum geeignet, einen harten Chitinpanzer zu durch- bohren, für den weichen Hinterleib der weissen Ameisen, dessen Hauptinhalt Fettkörper ist, dagegen ganz wie gemacht; dass Schneckechen und Würmchen mit unterlaufen, ist wohl sehr wahr- scheinlich. Da die Bewegungen der Peripatusarten sehr langsam sind, am besten denjenigen eines Julus zu vergleichen, so kommt den Thieren beim Fangen ihrer Beute ein mächtiger Drüsenapparat zu Hilfe, dessen Secret mit zu dem klebrigsten gehört, das ich kenne; derselbe Apparat wird jedoch auch bei mehr oder weniger starken Beunruhigungen in Bewegung gesetzt, und ist besonders bei der grossen Art von geradezu verblüffender Wirkung. Peripatus Ed- wardsii rollt sich bei der ersten Berührung oder wenn sein Versteck entfernt wird, zusammen, wie ein Julus, P. torquatus aber richtet seinen Kopf gegen den Störer und spritzt mit unglaublicher Gewalt aus den beiden an den Kopfseiten liegenden Papillen ein Drüsen- secret aus, das zu klebrigen Fäden erstarrend die ganze nächste Umgebung, vor allem die Hand des sammelnden Zoologen mit einem diehten Netz überspinnt, das man ohne Wasser und Seife vergeblich zu entfernen, trachtet. Peripatus torquatus schiesst seine Ladung bis in eine Entfernung von mehreren Fuss, und wo die Masse auf Widerstand trifft, prallt sie theilweise ab, und zwar durch die Ge- walt des Stosses mehrmals, wodurch ein solches Fadennetz ent- stehen kann. Ueberall haftet der Klebstoff mit der grössten Zähig- keit; und doch ist er so weich, dass er dem leisesten Eindruck nachgiebt; ich bemerkte oft, dass winzige Ameisen auf meinem Arbeitstisch an solche Fäden anliefen, die ein Peripatus beim Chloro- formiren ausgestossen hatte, und bei der leisesten Berührung mit dem Fühler unfehlbar hängen blieben. Nur an der Haut des Peri- patus selbst haftet es nicht. Dass das Secret dieser Drüsen zunächst zum Fangen resp. Festhalten der Beute dient, scheint mir daraus hervorzugehen, dass gefangene Peripatus Tropfen solchen Secrets, das sie beim Anstossen an einen Körper langsamer heraustreten liessen, auffrassen. Ich stelle mir desshalb vor, dass der Peripatus, der bei seinen langsamen Bewegungen mit seinen Fresswerkzeugen ein Thier weder fangen noch gut festhalten könnte, sobald er mit seinen Tentakeln eine Beute berührt, sie mit seinem Leim bespritzt, und dann in Gemächlichkeit diesen und jene zusammen aufzehrt. u a re en hr + i | >; & EL N Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. 285 Uebrigens können die Thiere lange Zeit ohne Nahrung aus- halten, wobei sie in ihrer Gesundheit in augenfälliger Weise nicht gestört werden. In Trinidad selbst hielt ich Dutzende von Peri- patus in relativ klemem Kasten zwischen moderigem Holz wochen- lang lebend, ohne Futter, und konnte keine Veränderung an ihnen merken. Mangel an Feuchtigkeit dagegen ist sicherer Tod; im Ver- lauf von zwei Tagen, die ich länger, als beabsichtigt war, auf Ex- eursionen zubringen musste, starben mir über die Hälfte meiner Thiere, weil das Holz zu trocken geworden war; die Ueberlebenden waren sehr matt, erholten sich aber bald, nachdem ihnen genügend feuchte Luft geboten war; das Wasser selbst scheuen sie. Von diesen Geretteten nahm ich Mitte April etwa ein Dutzend mit nach Europa, und auf der vierwöchentlichen Seereise war es nicht die in der Nähe Englands eintretende niedrige Temperatur (von 10—12° Celsius), sondern der einmal aus Versehen eingetretene Mangel an Feuchtigkeit, der alle bis auf wenige hinraffte. Ein erwachsenes Individuum brachte ich lebend nach Würzburg, wo es sich noch längere Zeit ganz wohl befand, worauf ihm in dem Gewächshaus von Prof. Semper eine nur in geringem Maasse beschränkte Frei- heit gewährt wurde; hoffentlich lebt und gedeiht es daselbst noch und bringt nach und nach seine aus Trinidad importirten Embryonen zur Reife und zur Welt, so dass wir bald eine Colonie von Peri- patus hier haben. Es beweist dieser (zum ersten Male unternommene) Versuch trotz seines mässigen Erfolges, dass es gar nicht schwierig ist, mit einiger Vorsicht und gutem Willen nach genügendem Studium der Lebensgewohnheiten der Thiere auch aus den Tropen lebende Re- präsentanten niederer Thiere zu uns zu importiren, und es sollte nicht schwer sein, dieselben in geeigneter Weise hier zum Gedeihen und zur Fortpflanzung zu bringen. Ausser Peripatus importirte ich lebende Landplanarien, Regenwürmer (Perichaeta), leuchtende Elater, die zierlichen Subulinen, die grossen Bulimus; merkwürdiger- weise hielten die Ampullarien die Reise nicht aus, doch zeigte ihr Erhaltungszustand, dass sie erst in den letzten Tagen, also wohl in Folge der Anfangs Mai herrschenden Kälte zu Grunde gegangen waren. Noch leichter dürfte es sein, viele Thiere im Larvenzustand herüberzubringen; aus gesammelten Palmfrüchten krochen hier Rüsselkäfer aus, aus der Frucht einer grossen Liane kamen Räup- 986 J. KENNEL: Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. a a an na chen heraus, die sich in Muschelschalen zur Verpuppung einspannen, die in demselben Säckchen waren u. s. w. Hoffentlich werden in Zukunft mehr Versuche gemacht, unseren zoologischen Instituten dergleichen Zufuhren lebenden Materials aus den verschiedensten Gegenden zu verschaffen; bei einigermaassen passenden Einrich- tungen kann es nicht schwer fallen, die Thiere zu züchten und zur Fortpflanzung zu bringen, wodurch leicht mehr geleistet werden | kann, als unsere mit grossen Kosten verknüpften zoologischen | Gärten bisher für Förderung der Zoologie selbst zu leisten ver- mochten. { , ee Is —— RUD. BECHTOLD & COMP. WIESBADEN. ER EHER hi ne j er = Arbeiten a.d. el zoo. Institut Würzburg. Ba.lT. 1. 2. 2 PBS.de. Jtth Anstr.Werner&Winter, Frankfurt YM. By 5 be 203 Ines Br: BI r x URN ? 7 4 = a. i + 2 - z 5 w 2" . e r x A v ı x Arbeiten ad z00l zoot vnstitut Würzburg Bd ; 3, Be BORERES C.W Areals Teig m 2 z. Tesbaden. Lith.Anstv Warner k Winter, Frankfiert SH. Arbeiten a.d zool zoot Institut Würzburg. Ball. . j r ' Taf I. | BB. del. 1 a: x "W-Kreuels Volög in Wiesbaden. 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