r4jBb.>=^ ^7 j. -*n ^. J>- y'':.- . P V > - :/%^ ■ '■ ,• ■ ''-V.. r ^ ARBEITEN AUS DEN ZOOLOGISCHEN INSTITUTEN DEB UNIVERSITÄT WIEN UND DER ZOOLOGISCHEN STATION IN TRIEST. BEGRÜNDET VON CARL OLÄUS FORTGEFÜHRT VON D^ KAEL GßOBBEN D^ BERTHOLD HATSCHEK O. Ö. PROFESSOK ÜNT> f>- Ö. PROFESSOR UND VORSTAND DES I. ZOOLOG. INSTITUTES UND VORSTAND DES 11. ZOOLOG. INSTITUTE? AN DER UNIVERSITÄT WIEN AN DER UNIVERSITÄT WIEN. TOM. XVIII. Mit 18 Tafeln und 53 Textfignren. WIEN, 1910. ALFRED HOLDER, K. U. K. HOF- UND ÜNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER, BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, I., ROTENTURMSTRÄSZE 13. &^ fc? 4 a B XVIII. Band. Iiilialt. Seite H.Joseph, Die Amoebocyten von Lumbricus. Ein Beitrag zur Naturge- schichte der cellulären Centren. Mit 3 Tafeln und 30 Textfiguren .... 1 Jovan Hadzi, Die Entstehung der Knospe bei Hydra. Mit 2 Tafeln . . 61 H.Joseph, Histologische Beobachtungen am A n thropoidenovarium. Mit l Tafel und 7 Textfiguren 83 Prof. Dr. Theodor Pintner, Das ursprüngliche Hinterende einiger Rhyn chobothrienketten. Mit 2 Tafeln 113 Erna Brünauer, Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringel- natter. Mit 3 Tafeln und 2 Textfiguren 133 Valeria Neppi, Über die im Golfe von Triest vorkommenden Medusen der Gattungen Irene und Tima. Mit 5 Textfiguren 157 Dr. Heinrich IVIicoletzl^ zu erkennen und messend zu fixieren. Mit Rücksicht auf die erreichte Höchst- grenze optischer Leistung durch Abbe „bleibt", so äußert sich ^) Von mir gesperrt. (•15) 46 H.Joseph: Heidenhain, „erstlicli einmal, praktiscli genommen, niclits anderes übrig, als in den Centriolen histologische Elemen- tarkörperchen zu sehen, und zweitens läßt sich fernerhin aus der Natur des Objektes heraus und auf Grund theo- retischer Erwägung klarlegen, daß die weitere Zusammen- setzung der Centriolen auf dem Gebiete des Molekularen oder der Tagmen zu suchen ist".i) Betreffs des ersten Punktes halte ich es denn doch nicht für völlig zulässig, unsere Vorstellungen vom Bau eines infolge der Unzulänglichkeit unserer Hilfsmittel nicht mehr analysierbaren Ge- bildes, in der Weise wie es Heidenhain tut, zu begrenzen, ab- gesehen davon, daß wir ja gerade in den letzten Jahren durch technische Errungenschaften, die sich auf Voraussagen Abbes auf- bauen, in den Stand gesetzt wurden, die Leistungsfähigkeit der mikro- skopischen Analyse abermals um ein Beträchtliches zu erhöhen. Es ist bestimmt zu erwarten, daß beispielsweise der neuen Einrichtung für Photographie im ultravioletten Licht, wie sie von Köhler in den Zeißwerken zur Ausführung gebracht wurde, wie in unserer Frage, so auch auf vielen anderen Gebieten der feineren Histologie eine erfolgreiche Anwendung beschieden ist, und das auf das Doppelte der bisherigen Größe gesteigerte Auflösungsvermögen dieses Appa- rates, der noch dazu am ungefärbten und am lebenden Objekt an- gewandt werden kann, unsere Kenntnisse in kaum geahnter Weise fördern wird. Leider war es mir, trotz lebhaften Wunsches, den granulären und fibrillären Strukturen des lebenden Protoplasmas auf diesem neuen Wege näherzutreten, bisher noch nicht möglich, einen Versuch mit dem genial erdachten Apparat anzustellen. Die theoretischen Erwägungen Heidenhains, welche gleich- falls die Einfachheit der Centriolen bekräftigen sollen, sind folgende: Er führt vor allem an, daß scharf und isoliert darge- stellte Centriolen drehrund sind, keine Buckel oder Protu- beranzen lassen auf weitere histologische Zusammensetzung schließen. Dieses Argument hat Boveri bereits bei früherer Ge- legenheit kritisiert und auch ich möchte der runden Gestalt in dem angedeuteten Sinne kein großes Gewicht beilegen. Es gibt Kerne, die streng rund gestaltet sind, desgleichen Sekretkörner oder Tröpfchen, die, wie beispielsweise die aus dem Wiener Institute jüngst veröffentlichte Arbeit von Nie EN stein zeigt, einen morpho- logisch komplizierten Charakter haben u. s. f. Wenn Heiden- ^) Von mir gesperrt. (46) Die Ainoebocyten von Lumbricus. 47 HAIN sclion die drehrunde Gestalt allein als Ausdruck eines morplio- logisch nicht mehr komplizierten Baues ansieht, so erhebt sich natür- lich gegen die allgemeine Geltung der Lehre von der Elementarität der Centriolen auch die von Heidenhain nicht verschwiegene Tat- sache des Vorkommens von Centriolen von wohlcharakteri- sierter, jedoch nicht kugeliger Gestalt, z. B. jener stäbchen- artigen Bildungen, die in den verschiedensten Geschlechtszellen von Meves, V. KoRFF, Zimmermann und zuletzt von dem Ehepaare Schreiner gefunden wurden. Die ScHREiNERschen Beschreibungen entsprechen dabei in überaus vollkommener Weise den Anforde- rungen, die Heidenhain sonst an die Centriolen stellt (man denke an die Knospungserscheinungen der stabförmigen Centriolen u. s. w.). Es erscheint mir nicht berechtigt, wenn Heidenhain die morpho- logische Natur der stäbchenförmigen Zentralgebilde für „noch nicht ganz aufgeklärt" hält. Sie ist es mindestens ebenso sehr, wie die der kugeligen oder punktförmigen. Ich selber glaube ganz be- stimmt die Diplosomen in Epithelzellen einiger Wirbeltiere aus zwei elliptischen Körperchen zusammengesetzt gefunden zu haben. Auch viele stäbchenförmige oder elliptische Formen von Flimmerbasal- körnern, die, wenn auch deren Centriolnatur noch nicht allgemein anerkannt ist (auch von Heidenhain), doch den histologischen Ele- mentarkörpern Heidenhains zugerechnet werden dürften, sprechen gegen die allgemeine Gültigkeit der drehrunden Gestalt. Auch die sicher festgestellte Verschiedenheit der Cen- triolengröße und vor allem deren Variationen in demselben Tier resp. derselben Zelle scheinen mir gegen Heidenhains Auffassung verwertbar. Wenn Heide nhain meint, daß ein eben noch mit den besten Hilfsmitteln nachweisbares Körnchen nicht mehr morpho- logisch, sondern nur mehr molekular zusammengesetzt sein kann (und er führt diesen Gedankengang speziell für die kleinsten Gebilde von 0"2[^. Größe auf pag. 264 seines Werkes durch), so ist es sicher logisch zulässig, einem nur um ein Geringes größeren Körper schon die Möglichkeit morphologischer Zusammensetzung, wenn auch in jetzt nicht nachweisbarer Form, zuzubilligen. Ob vollends dem Argument, daß die kleinsten nach- weisbaren Centriolenmassen mit Rücksicht auf die Größe der orga- nischen Moleküle nur noch molekular zusammengesetzt sein können, wirklich eine bindende Kraft innewohnt , habe ich zu entscheiden nicht den Mut. Wenn es hier den Anschein hat, als ob ich Heidenhains und anderer Forscher Annahmen von dem Vorhandensein elementarer, (47) 48 H. Joseph: bloß molekular zusammengesetzter morphologischer Einheiten un- bedingt ablehne, so muß ich mich gegen diesen Anschein verwahren. Das, wogegen ich mich wende, ist die von mir als will- kürlich und künstlich empfundene Tendenz, ein Schema der Stufenfolge von histologischen Einheiten, von denen immer eine der nächsten untergeordnet ist, zu konstruieren und alles Grefundene gewaltsam hineinzuzwängen. Ich komme hiemit zum Schlüsse dieser Betrachtungen. Wenn, wie Heidenhain es selbst zugibt, die als Histomeren niederster Ordnung angesehenen Centriolen in ihrer Größe und Form schwanken können und (nach diesem Autor) relativ beträchtliche Größen (0*8 (x) erreichen können, ist kein Hindernis gegeben, die Möglichkeit einer weiteren Vergrößerung des Einzelgebildes in Rechnung zu ziehen. Ich glaube, man muß nicht unbedingt fordern, daß man, um zu größeren, gröberen, morphologisch analy- sierbaren Einheiten zu gelangen, eine Zusammenfassung elementarer Einheiten zu einer solchen von höherer Ord- nung annehme; man darf sich vielmehr auch die kleinste Einheit, wenn wir überhaupt den Begriff „morphologische Einheit" hier beibehalten wollen, gradweise mit Erhaltung ihrer Individualität vergrößert denken, bis man endlich un- vermerkt und allmählich zu Gebilden von komplexerem Bau kommt. Ich wenigstens kann mir ganz gut vorstellen, und glaube mich dabei nicht einmal in allzu scharfem Gegensatz zu anderen Autoren, daß eine molekulare Zu- sammensetzung graduell zu einer unseren Sinnen nach- weisbaren morphologischen wird. Wenden wir das Gesagte auf unser Beispiel an, so ergibt sich folgendes: Ich habe den Nachweis zu erbringen getrachtet, daß die Zentralgebilde der Regenwurmamoebocyten Gebilde sind, die wir, wenn überhaupt mit einer der bekannten und benannten Strukturen, mit den Centriolen vergleichen können. Ihre außerordentliche Größe und Struktur hätte ein solches Beginnen vielleicht verboten. Indem ich vorhin meinen prinzipiellen Standpunkt in dieser Frage gekennzeichnet habe, berufe ich mich ferner auf meine tatsächlichen Befunde zur Ergänzung derselben. Ich habe alle Größenübergänge der Zentralgebilde von 4 [^- Maximalgröße bis nicht ganz Ip. Durchmesser beschrieben und abgebildet. Ich habe weiter sogar an den Bildern der karyokinetischen Teilung gezeigt, daß die Größe des Zentrai- ds) Die Amoebocyten von Lumbricus. 49 körpers noch weiter sinken kann, bis zu jenem geringen Maß, das von Heidenhain unbedenklich als das eines Cen- triols anerkannt wird. Er wird gewiß auch diesen Titel den an den Spindelpolen meiner karyokinetischen Figuren sitzenden Pünktchen nicht versagen. Hand in Hand mit dieser durch alle Übergangsstufen belegten Verminderung der Größe ging eine Ver- einfachung der Struktur; von einem reichentwickelten Netz oder Gerüst der größten Körper kamen wir zu solchen, die homogen schwarz färbbar sind, ohne daß an irgend welcher Stelle der Reihe ein plötzlicher Sprung ein Verschwinden irgend welcher etwa als Centroplasmen zu deutender Bestandteile oder gar die Auflösung eines größeren Gebildes in eine Anzahl kleinere von niederer Ord- nung erfolgt wäre. Selbst für den Fall, als meine Befunde vereinzelt und auf das von mir benutzte Objekt beschränkt bleiben, verlieren sie nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung, die in dem Nachweis gipfelt, daß Gebilde, die man allzu schematisch als Elementar- bestandteile bezeichnet hat, noch morphologisch komplex sein können und in günstigen Fällen den Nachweis dieser Eigenschaften in überzeugendster Weise gestatten. Die gerüstartige Struktur der Centriolen in den Lurabricus- amoebocyten mit ihren hauptsächlich superfiziell gelagerten polygo- nalen Maschen ist, wie ich wohl sagen kann, eine Erscheinung, die man bisher an Zentralkörpern in gleicher Weise nicht beobachtet hat; diese Neuheit der Erscheinung veranlaßt mich, um eventuell zu gewärtigenden Einwänden zu begegnen, noch zu einer kurzen Er- örterung. Wer meine Bilder sieht, vor allem die bei stärkerer Ver- größerung gezeichneten, beziehungsweise photographisch aufgenom- menen Figuren 21 bis 33 und 96 bis 99, wird am Ende, wenn er für den Augenblick an die wirkliche, relativ geringe Größe dieser Dinge nicht denkt, auf die Vermutung geraten, es könne sich um Angehörige jener vielleicht nicht ganz einheitlichen Gruppe von Strukturen handeln, die unter dem Namen Zentralkapseln, Pseudochromosomen, Centrophormien, Apparato reticolare etc. in der neueren Literatur vielfach beschrieben worden sind. In der Tat ist eine gewisse Form- ähnlichkeit beispielsweise mit den von Ballowitz im Epithel der Membrana Descemeti beschriebenen Centrophormien nicht zu ver- kennen. Doch brauche ich wohl nicht ernstlich zu befürchten, daß Arbeiten ans den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 1. ^ (^g\ 50 H. Joseph: nach Kenntnisnahme meiner Beschreibungen eine Verwechslung meiner Zentralkörper mit solchen Bildungen geschehen kann. Ich habe ja eine so große Menge von Eigenschaften festgestellt, welche meine Körperchen mit den echten Centriolen teilen, ich brauche nur an ihre Teilnahme an der Mitose, ihre Teilung, ihre im Vergleich zu den Centrophormien geringe Größe zu erinnern. In den Centro- phormien gelang der Nachweis der Zentralkörper in Form von Centriolen. In meinem Objekt ist bekanntlich gerade ein solcher Fund nicht zu machen gewesen. Aber es kommt noch ein zweiter, viel wichtigerer Umstand hinzu. Die erwähnten Bildungen des Cytoplasmas haben in den meisten der beschriebenen Fälle den Nach- weis gestattet, daß sie eine Art Korb oder Gitter um die Sphäre bilden. Nun weisen unsere Amoebocyten eine ungemein ähn- liche Struktur auf in jenen fadenartigen Gebilden, deren ausführliche Beschreibung ich oben gegeben habe. Indem ich mich in der Literatur nach Dingen umsah, die mit diesen Fäden am meisten Ähnlichkeit haben, kam ich auf die von Heiden hain in Samenzellen sowie in einigen anderen Zellarten beschriebenen Pseudochromosomen; tatsächlich ist ja die färberische, morphologische und topographische Übereinstimmung eine ganz auffallende. Heidenhain selbst rechnet ja die Pseudochromosomen, Centrophormien etc. im großen und ganzen zu jenen Strukturen, welche wir mit Ben da als Mitochondrien resp. Chondromiten bezeichnen. Meves hat jüngst hierhergehörige Strukturen in embryonalen Zellen beschrieben und sie mit dem besonderen Namen Ch ondriokonten belegt. Desgleichen hat Goldschmidt wie auch andere Autoren ähnliches in Gewebszellen verschiedener Tiere gefunden. Freilich weichen Goldschmidts Deutungen von der üblichen ab, indem er alle diese Gebilde für die Gruppe der (somatischen) Chromidien. einem der Protozoen- kunde entlehnten Begriff, reklamiert. Ich hege gewisse Zweifel, ob die damit ausgesprochene Verwandtschaft mit dem Kernchromatin resp. die Herkunft von demselben so einfach hinzunehmen ist, glaube vielmehr, daß sich für einen großen Teil der von Goldschmidt hierher gerechneten Dinge der Beweis nicht wird erbringen lassen, den er ja auch selbst schuldig geblieben ist. Jedenfalls ist allmählich durch die neueren Berichte die Tatsache festgestellt worden, daß Mitochondrien und deren Derivate kein ausschließliches Eigentum der Geschlechtszellen sind, wenn auch an den letzteren die ausführlichsten und vollständigsten Beobachtungen gemacht werden konnten (Benda. Meves, Van DER Stricht u. a.j (50) Die Amoebocyten von Lunibricus. 51 Die Pseudochromosoraen meiner Amoebocyten zeigten auch eine ganz besondere Ähnlichkeit mit den echten Geschlechtszell- chondromiten insofern, als ihr Verhalten bei der Karyokinese ein gleiches war. Mit Rücksicht auf die Frage nach der Natur der Amoebocyten- Zentralkörper ist es mir aber sehr wertvoll, festzustellen, daß eine den Centrophormien etc. homologe Bildung, welche die Sphäre be- grenzt, hier ohnedies schon vorhanden ist, wodurch eine etwaige Ver- gleichung des Gerüst werkes der Zentralkörper mit den Centrophor- mien um so unwahrscheinlicher wird, da man doch zwei, noch dazu im Detail grundsätzlich verschieden ausgebildete und ineinander- geschachtelte Formationen der gleichen Kategorie nicht wird an- nehmen wollen. Es ist mir im Verlaufe meiner Untersuchungen immer von neuem als höchst befremdlich erschienen, daß in den soviel unter- suchten Coelomkörperchen der Lumbriciden bisher kaum etwas von den Zentren beschrieben worden ist. um so mehr, als die Dinge recht auffallend sind; ich habe die Literatur eifrig nach diesbezüglichen Angaben durchsucht, aber außer der zitierten Schilderung Rosas von den Eleocyten bei Allolobophora nichts gefunden. Auch nach meiner vorläufigen Mitteilung hat nur K. C. Schxeidee in seinem „Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere" von den Zentren der Regen wurmamoebocyten Notiz genommen , freilich ohne Ab- bildungen. Er beschreibt in den Phagocyten einen Diplochonder (=: Diplosom), in den nicht phagocytären Lymphocyten ein Cen- trosom. Genauer wird auf die Verhältnisse nicht eingegangen. Infolge dieser geringen Kenntnis von diesen Dingen könnte vielleicht der Gedanke auftauchen, daß bei einem so parasitenreichen Tiere, wie es der Regenwurm ist, auch die von mir beschriebenen Gebilde auf etwas Fremdes, etwa dem Protozoenreiche An- gehöriges zu beziehen wären. Etwas derartiges ist nun auf keinen Fall möglich. Der histologische Charakter der Amoebocyten enthält eine solche Menge von für die Metazoenzellen typischen Erscheinungen (Sphärenbildung, Art der Karyokinese usw.), daß schon aus diesem Grunde kein Zweifel möglich wäre. Noch wichtiger aber scheint mir der Nachweis, daß in ganz minutiösen Eigenschaften der Amoe- bocyten sich die Eigenart des Tieres, dem sie angehören, offenbart. Dies ist z. B. gerade bezüglich der Zentren der Fall. Ich habe bei zwei früheren Gelegenheiten Zentren mit Sphären und Radien in den 4* (51) 52 H. Joseph: Ganglienzellen des Cerebralganglions von demselben Tiere beschrieben und abgebildet , an dem ich meine vorliegenden Studien gemacht habe. Wer diese Abbildungen zur Hand nimmt, wird von der Über- einstimmung der Zentralgebilde in den Ganglienzellen und den Amoebocyten sicher überzeugt werden, und damit ist auch das stärkste Argument für die Zugehörigkeit der Amoebocyten zu dem Wurme gegeben. Denn daß ein Tier in seinen Körperzellen gleichgeartete Zentralgebilde besitze, wie ein in seinem Körper vorkommender Parasit, wird wohl als die bei weitem unwahrscheinlichere Annahme zu gelten haben. Auch die offenbar aktive Tätigkeit der Amoebocyten (Einkapselung von Nematoden) spricht für ihre Zugehörigkeit zum Wurme. ANHANG. Einiges über das Schicl 56 H. Joseph: Literaturverzeichnis. Betreffs ausführlicherer Übersicht, namentlich der älteren und von mir nicht aus- drücklich herangezogenen Literatur sei auf die Zusammenfassungen von Heidknhain, BovERi, Meves, Gürwitsch, Wilson u. a. verwiesen. Ballowitz E., Clier das Epithel der Membrana elastica posterior des Auges, seine Kerne und eine merkwürdige Struktur seiner großen Zellsphäreu. Arcb. f. mikr. Anat., LVI. Bd., 1900. Ben DA C, Die Mitochondria. Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, XII. Bd., 1907. Boveri C, Zellstudien. IV. Über die Natur der Centrosomen. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, XXXV. Bd , 1901. Bürger 0., Über Attraktionssphären in den Zellen einer Leibesflüssigkeit. Anatom. Anzeiger, VI. Bd., 1891. CüÄNOT L., Etudes sur le sang et las glandules lymphatiques dans la serie animale. 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Zentralbl., 1901- Joseph H., Untersuchungen über die Stützsubstanzen des Nervensystems, nebst Erörterungen über deren histogenetische und phylogenetische Deutung. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien u. d. zool. Station in Triest, XIIL Bd., 1902. Joseph H., Beiträge zur Flimmerzellen- und Centrosomen frage. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien u. d. zool. Station in Triest. XIV. Bd., 1902. V. Kor FF K., Weitere Beobachtungen über das Vorkommen V-förmiger Zentral- körper. Anatom. Anzeiger, XIX. Bd., 1901. v. KosTANECKi K. u. SiEDLECKi M., Über das Verhältnis der Centrosomen zum Protoplasma. Arch. f. mikr. Anat, XLVII. Bd., 1896. (56) Die Amoebocyten von Lumbricus. 57 Kükenthal, Über die lymphatischen Zellen der Anneliden. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaft, XVIII. Bd., 1885. Meves Fr., Über die sogenannten wurmförraigen Samenfäden von Paludina und ihre Entwicklung. Verh. d. anatom. Gesellsch., 1901. Meves Fr., Über die Frage, ob die Centrosomen Boveris als allgemeine und dauernde Zellorgane aufzufassen sind. Verh. d. anatom. Gesellsch., 1902. Meves Fr., Über oligopyrene und apyrene Spermien und über ihre Entstehung, nach Beobachtungen an Paludina und Pygaera. Arch. f. mikr. Anat., LXI. Bd., 1902. Meves Fr., Über Mitochondrien bzw. Chondriokonten in den Zellen junger Embryonen. Anat. Anz., XXXI. Bd., 1907. Meves Fr., Die Chondriokonten in ihrem Verhältnis zur Filarmasse Flemmings. Anat. Anz., XXXI. Bd., 1907. NiRENSTEiN E., Über den Ursprung und die Entwicklung der Giftdrüsen von Salamandra maculosa nebst einem Beitrage zur Morphologie des Sekretes. Arch. f. mikr. Anat., LXXII. Bd., 19U8. Rosa D., I linfociti degli Oligocheti. Ricerche istologiche. Mem. Accad. Sc. Torino, (2), T. LXVI, 1896. Rosa D., I pretesi rapporti genetici tra i linfociti ed 11 cloragozeno. Atti Accad. Torino, Vol. XXXIII., 1898. Rosa D., II cloragogo tipico degli Oügocheti. Mem, Accad. Soc. Torino, (2). T. 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W., Studien über Pigmentzellen. Arch. f. mikr. Anat. XLf.Bd., 1894. Tafelerklärung. Sämtliche Zeichnungen sind mit der Abbe sehen Kamera in der Höhe des Arbeitstisches entworfen. Hieraus ergeben sich für die einzelnen Linsenkombinationen folgende ungefähre Vergrößerungszahlen: . Zeiß, Apochromat hom. Imm. 2 mm Ap. 1'40, Kompensationsokular 18 — 4200 X „ 2 mm „ 1-40, „ 12-2800 X „ 2 mm „ 1-40, „ 8-1870 x „ « „ 2mm „ 1-40, „ 6—1400 X „ „ 4 mm „ 6— 700 X (57) Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. .58 H. Joseph: Die Photogramme wurden mittelst der Horizontal-Vertikalkamera von Zeiß ausgefertigt bei vollem Balgauszug, die Linsenkombinationea und Vergrößerungen sind folgende: Zeiß, Apochromat bom. Imm. 2'«'" Ap. r40, Projektionsokular 2 — 1000 X ,. „ »? ., 2'"'" „ r40, Kompeusatiousokular 4 — 2000 X Sämtliche Objekte sind in Sublimat-Kochsalzlösung konserviert und mit Heiden- hains Eisenhämatoxylin gefärbt. Tafel I. Fig. 1. Einkerniger Amoebocyt mit großer ungeschichteter Sphäre aus dem Coelom. 1400 X. Fig. 2. Desgleichen mit Körnchenkranz an der Sphärenoberfläche. 1400 X. Fig. ,3. Schnitt aus einem fiinfkernigen Amoebocyten mit sech.seckiger Sphärenmark- schicht. Rindenschicht nicht erkennbar. 1400 X . Fig. 4. Amoebocyt aus der Typhlosolis. 1400 X. Fig. 5. Desgleichen, stärker differenziert, Kern nicht getroffen (vgl. auch Photogramm Fig. 98). 1400 X . Einkerniger Amoebocyt mit sehr deutlicher Gerüststruktur des Centriols. 1400 X . Amoebocyt mit geschichteter Sphäre und PseudochromosomenhüUe um die- selbe. 1400 X . Amoebocyt mit körnchenfreien Pseudopodien, Kern nicht getrofi'en. Centriol mit schönem Gerüst. 1400 X. Vermutlich ganz jugendlicher Amoebocyt mit reichlichen Körnchen. Zentral- gebilde nicht nachweisbar. 1400 X . Fig. 10. Jugendlicher Amoebocyt mit Körnchenkranz um die Sphäre und einer Vakuole. Daran hängend ein Bakteroid. 1400 X. Fig. 11. Desgleichen, doch ohne deutlichen Körnchenkranz. 1400 X- Fig. 12. Schnitt aus einem mindestens vierkernigen Amoebocyten mit außerordentlich großem Centriol und radiär gebauter Sphärenmarkschicht (vgl. Photogramm Fig. 99). 1870 X. Fig. 13. Amoebocyt mit unregelmäßig gestaltetem Centriol, keiu Kern getrolien, um die Sphäre ein Korb von Pseudochromosomen, die auch ins periphere Plasma ausstrahlen. Breite Sphärenmarkschicht von unregelmäßigem Kontur. 1400 X . Fig. 14. Amoebocyt mit schlanken Pseudopodien und siark ausgebildeten Pseudo- chromosomen. 1400 X . Fig. 15. Amoebocyt mit nur auf die Sphärenperipherie beschränkten Pseudochromo- somen, schmale Sphärenmarkschicht, großes Centriol. Im Plasma ein Bakteroid. 1400 X . Fig. 16. Kleiner Amoebocyt mit reichlichen Pseudochromosomen. 1400 X. Fig. 17. Kleiner Amoebocyt mit sehr unregelmäßig verteiltea Pseudochromosomen. 1400 X. Fig. 18. Amoebocyt des kleinen spinnenähnlichen Typus. 1400 X. Fig. 19. Desgleichen. 1400 X . Fig. 20. Großer zweikerniger Amoebocyt mit außerordentlich reichlichen Pseudochromo- somen (vgl. auch Photogramm Fig. 87). 1400 X. Fig. 21, 22, 2B, 24. Einzelne stark vergrößerte Centriolen aus größeren Amoebocyten. 2800 X . Fig. 25, 26, 27. Knospende Centriolen (Zweiteilung). 2800 X. (58) Die Amoebocyten von Lumbricus. 59 Fig. 28, 29, 30. Einzelne stark vergrößerte Centriolen aus kleinereu Amoebocyten- formen. 2800 X . rig. 31. Knospendes Centriol (Dreiteilung). 2800 X. Fig. 32. Größtes beobaclitetes Centriol, cälinlich dem in Fig. 12. 2800 X. Fig. 33. Dreiteiliges „Mikrocentrum". 2800 X. Fig. 34. Eine normale Chloragogenzelle. 1400 X . Fig. 35. Eine Zelle aus einem abgelösten und bereits veränderten Chloragogenzell- haufen. 1400 X. Fig. 36. Ein schwäcber vergrößerter solcher Haufen mit noch deutlich erkennbaren Zellgrenzen. 700 X. Fig. 37. Ein „Syncytium". 1400 X. Fig. 38 bis 43. Schnittserie durch einen Amoebocyten mit dreiteiligem Mikrozentrum, in Auflösung begriffener Sphäre und einem abknospenden kleinen Amoebo- cyten. 1400 X . Fig. 44 bis 53. Ein kleines Syncytium, Schnittserie. 700 X. Fig. 54. Normale Chloragogengranula. 4200 X ■ Fig. 55. Mittleres Stadium der Veränderung der Chloragogengranula, entsprechend Fig. 35,36. 4200 X. Fig. 56. Endstadium der Granulaveränderung, entsprechend Fig. 37. 4200 X. Tafel II. Fig. 57. Knäuelstadium eines kleinen Amoebocyten, beginnende Teilung des Centriols, große Vakuole. 1400 X . Fig. 58. Beginnende Auflösung des Kernes. Pseudochromosomen. 1400 X . Fig. 59. Übergang zum Asterstadium. Vakuole. Centriol an jedem Pole scheinbar ein- fach, noch groß, keine Pseudochromosomen. 1400 X. Fig. 60 und 61. Zwei Schnitte quer durch eine Teilungsfigur. Chromatische Figur mit Längsspaltung. Centriol verdoppelt, bereits verkleinert. Vakuolen, Pseudochro- mosomen. 1400 X . Fig. 62, 63, 64, 65, 66. Muttersternstadien mit doppelten Centriolen an den Polen, Vakuolen, Pseudochromosomen in verschiedenen Mengen. Fig. 63 und 64 ge- hören derselben Zelle an. 1400 X. Fig. 67, 68. Tochtersternstadien, Vakuolen, Pseudochromosomen. 1400 X . Fig. 69, 70, 71. Endsta'lien der Mitose. Anlagerung der Pseudochromosomen an die Verbindungsfäden, Zwischenkörperchen , Vakiiolen. Fig. 65 und 70 identisch mit Photogramm Fig. 90 und 91. 1400 X. Fig. 72 und 73. Schnitte aus einem achtkernigen Amoebocyten mit einem in Zwei- teilung begriffenen Centriol (vgl. Photograram Fig. 86). 1400 X . Fig. 74. Amoebocyt mit knospendem Centriol und spärlichen Pseudochromosomen. 1400 X . Fig. 75. Größerer Amoebocyt mit vier getrennten Centriolen (nur drei in dem abgebildeten Schnitte enthalten). 1400 X. Fig. 76. Zweikerniger kleiner Amoebocyt mit zwei getrennten Centriolen in gemein- samer Sphäre. 1400 X . Fig. 77. Schnitt aus einem zehnkernigen Amoebocyten mit zahlreichen Fremdkörpern und drei getrennten Centriolen (zwei davon sichtbar) in gemeinsamer Sphäre. 1400 X. Fig. 78. Amoebocyt mit doppeltem Centriol , diskontinuierlicher Sphärenmarkschicht und stark entwickelten Pseudochromosomen. 1400 X. (59) 60 H. Joseph: Die Amoebocyten von Lumbricus. Fig- 79. Mindestens siebenkerniger Amoebocyt mit knospendem Centriol. 1400 X . Fig. 80. Kleiner Amoebocyt mit zwei ganz getrennten Centriolen , eines mit , eines obne Spbärenmarkschicht, Pseudochromosomen. 1400 X. Tafel III. Fig. 81. Einkerniger Amoebocyt mit großem Centriol, Sphärenmarkschicht und zahl- reichen Pseudopodien. 1000 X- Fig. 82. Amoebocyt, Kern nicht getroffen, Sphäre und Radien. 1000 X. Fig. 83- Einkerniger kleiner Amoebocyt. 1000 X. Fig. 84. Amoebocyt aus der Typhlosolis, dem Chloragogen aufsitzend. 1000 X- Fig. 85. Ein Amoebocyt mit dreilappigem Centriol. Kein Kern getroffen 1000 X . Fig. 86. Links der Amoebocyt der Fig. 72 und 73, Taf. II (man beachte die in Fig. 72 nicht zum Ausdruck gekommene unregelmäßige Form der einen Ceutriol- hälfte), rechts ein Amoebocyt mit einfachem Centriol. Fig. 87. Entspricht Fig. 20, Tafel I. 1000 X . Fig. 88. Päesenzelle mit zahlreichen Kernen und Centriolen, davon eine Anzahl in Tei- lung (entspricht der Textfigur 28). 1000 X . Fig. 89. Amoebocyt mit deutlicher Gerüststruktur im Centriol. Kein Kern getroffen. 1000 X . Fig. 90 und 91 (entsprechen Fig. 65 uud 70, Tafel II). 1000 X. Fig. 92. Amoebocyt mit zahlreichen Pseudochromosomen, welche die Sphäre deutlich markieren. Kern nicht getroffen, Centriol unscharf eingestellt. 1000 X. Fig. 93. Desgleichen. Kern und Centriol siciitbar. 1000 X . Fig. 94. Desgleichen, doch weniger Pseudochromosomen. 1000 X. Fig. 95. Spinnenähnliche kleine Amoebocyten. 1000 X. Fig. 96. Einkerniger Amoebocyt mit deutlichem Gerüst im Centriol. 2000 X • Fig. 97. Sektor aus einem Amoebocyten mit einem in Knospung befindlichen Centriol. 2000 X . Fig. 98. identisch mit Fig. 5, Tafel I. 2000 X. Fig. 99. Ausschnitt aus dem Amoebocyten der Fig. 12, nur ein Kern scharf ein- gestellt. 2000 X. (60) Die Entstehung der Knospe bei Hydra. Von Jovan Hadzi, Agi-am (Zagreb). (Mit zwei Tafeln.) Die Frage nach der Entstehung der Knospe bei Hydra wird aligemein als gelöst angesehen. Wir verstehen unter dieser Frage das genetische Verhältnis der beiden Körperschichten der Knospe zu jenen des Muttertieres. Der Satz, daß bei Hydra geradeso wie bei allen übrigen Hydroidpolypen die Knospe nichts weiter ist, als eine Ausstülpung der beiden Körperschichten des Muttertieres, ist allgemein verbreitet und wird auch gelehrt. Das Ektoderm der Knospe entsteht aus dem Ektoderm des Muttertieres und dasselbe gilt für das Entoderm. In der neueren Literatur findet man nur eine Angabe , die der herrschenden Meinung widerspricht, und dieser hat man keinen Glauben geschenkt. Es ist dies die Arbeit von Lang (14), mit einem Vorworte von Weismann versehen. Auf ganz theoretischem Wege (Verteilung des Idioplasmas im Körper der Hydroiden) kam Weismann zu dem Postulate, daß die Knospen nur aus dem Ektoderm des Muttertieres entstehen dürfen (ebenso wie das Weismann für Geschlechtszellen forderte). Lang hat dies auch durch Untersuchung bestätigt. Für einige Hydroid- formen {Hydra ^ Eudendrium und Plumularia) beschrieb Lang die Knospung kurz folgendermaßen: Nur das Ektoderm gibt das Ma- terial für die Bildung der Knospe ab , das Entoderm des Mutter- tieres ist dabei gar nicht beteiligt. Die Darmhöhle der Knospe gelangt zur Kommunikation mit jener des Muttertieres durch eine Dehiszenz der Stützlamelle und des mütterlichen Entoderms. Die der Arbeit beigelegten Abbildungen waren sehr wenig überzeugend. Es hat nicht an Widerspruch gefehlt. Gleich danach trat Braem (1) gegen die Arbeit von Lang auf. Auf Grund eigener Untersuchung und einer scharfen Kritik der Arbeit Längs verwarf Braem die von Lang geschilderte Entstehungsweise der Knospen (61) 2 Jovan Hadzi: der Hydropolypen und stellte die alte Auffassung wieder in ihre Rechte. Braem sah nie die Stützlamelle schwinden und auch das Entoderm des Muttertieres wird nicht, nach ihm, an der Stelle, wo die Knospe entsteht , resorbiert. Zwischen den beiden Körper- schichten der Knospe und des Muttertieres besteht fortwährend eine vollkommene Kontinuität. Es soll bemerkt werden, daß Braem nur ganz rohe Textabbildungen als Belege bringt. Etwas später hat Seeliger (17) für Eudendrium und Ohelia in Übereinstimmung mit Braem gezeigt, daß die Knospe nur eine Ausstülpung beider Körperschichten ist, und nimmt dasselbe auch für Hydra an. Die Auffassung Laxgs ist ganz allgemein fallen gelassen worden, wie man aus Zusammenfassungen (Chun in Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreiches) und Lehrbüchern (Claüs- G ROBBEN, Lehrbuch der Zoologie, Hertwig etc.) sehen kann. Durch meine Befunde an Hydra bin ich aber genötigt , die Knospung bei Hydra (ich bemerke wohl: nur bei Hydra) anders aufzufassen, als es allgemein geschieht, auch anders als es Lang getan. Im folgenden werde ich das über die Entstehung der Knospe bei Hydra an Schnitten Gesehene rekonstruieren und noch andere Beobachtungen , insbesondere über die sogenannten indifferenten Zellen , die dabei eine große Rolle spielen . daran anknüpfen. Im allgemeinen Teile wird die Bedeutung der Befunde zur Besprechung kommen. Spezieller Teil, Als Untersuchungsobjekt diente die gewöhnliche braune Hydra (Hydra fasca L.). Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß sich auch die übrigen Hydraarten, was die Entstehungsart der Knospe an- belangt, gleich der braunen Hydra verhalten. Die braune Hydra hat insbesondere gegenüber der grünen Hydra den Vorteil , daß ihre Zellelemente verhältnismäßig groß sind , was bei der hier zu behandelnden Frage von Wichtigkeit ist. Noch ein anderer Umstand läßt die braune Hydra für unsere Untersuchungszwecke günstiger erscheinen, nämlich der , daß bei der braunen Hydra gewöhnlich 2 bis o Knospen verschiedenen Alters auf einmal anzutreffen sind. Nachdem die Stellung der nacheinander sich entwickelnden Knospen eine regelmäßige ist, kann man auf Grund dessen die jüngsten Stadien der Knospenentstehung leicht auffinden. Die Tiere wurden in halb kontrahiertem Zustande mit Sublimat- eisessig fixiert und in Schnittserien zerlegt. Als zweckmäßigste (62) Die Entstehung der Knospe bei Hydra. 3 Färbung hat sich jene Heidenhains mit Eisenhämatoxylin er- wiesen. Bei entsprechender Differenzierung mit Eisenalaunlösung bleiben die sogenannten indifferenten Zellen tief gefärbt, die Muskel- epithelzellen hingegen werden hell , dadurch werden auch die Grenzen der beiden Zellgattungen leicht sichtbar. Es wurde nur an Längsschnittserien untersucht. Alle Zeichnungen sind mit dem Zeichenapparat (Abbe) angelegt. Es wird von Vorteil sein, der Darstellung der Entstehungs- weise der Knospe eine kurzgefaßte Beschreibung der Histologie der Knospungszone vorauszuschicken. Das Ektoderm besteht aus großen euepithelialen Muskelepithel- zellen , die auf der freien Fläche eng aneinander schließen , sonst aber ein kompliziertes Lückensystem zwischen sich lassen. Darin finden Platz die zahlreichen tekti- und basiepithelialen Zellelemente. Es sind dies die Nesselzellen (in der Knospungszone nicht sehr häufig), Nesselbildungszellen, Nervenzellen. Nerven sinneszellen und die indifferenten Zellen. Die letzten sind in großer Menge vorhanden und werden oft in Teilung getroffen. Die indifferenten Zellen sind die nicht differenzierten embryonalen Bestandteile der Körperschichte nach außen von der Stützlaraelle und bilden das eigentliche inter- stitielle Zellager. Im Entoderm finden wir, abgesehen von den selten vorkommen- den basiepithelialen Elementen, in der Knospungszone nur Nähr- muskelzellen und die tektiepithelialen Eiweißdrüsenzellen. Beide Zellarten sind hoch differenziert. Das erste Zeichen einer beginnenden Knospenbildung tritt im Ektoderm auf (Taf. I, Fig. 1). Es ist die reichliche Anhäufung der indifferenten Zellen , die sich durch lebhafte Teilungen vermehren. Geradeso fängt nach Chun (6) die Knospenbildung bei den Mar- geliden an. Im Gegensatz dazu finden wir bei den bis jetzt unter- suchten Seehydroiden (ich selbst habe es an Schnitten von Syncoryne beobachtet), daß die Knospungsstelle am Epithel selbst zu erkennen ist: die Epithelzellen sind plasmareich und dicht gedrängt, sie vermehren sich durch Teilung, die indifferenten Zellen spielen keine Rolle. Die Knospenbildungsstelle ist auch dadurch ausgezeichnet, daß sich da, und zwar mehr an der Peripherie, nur wenige Nesselbildungs- zellen vorfinden. Unter den indifferenten Zellen sieht man solche von verschiedener Größe. Ein Schwinden der Muskelfasern (also eine (63) 4 Jovan Hadzi: Rückbildung der Muskel epithelzellen) ist nicht beobachtet worden; ebensowenig sind Teilungen der Muskelepithelzellen in den ersten Stadien der Knospenentwicklung zur Beobachtung gelangt. Das Entoderm zeigt gar keine Veränderung. Auch hier ist weder eine Teilung noch eine Rückbildung beobachtet worden. Auch die Stützlamelle zeigt keine Veränderung. Ein etwas späteres Entwicklungsstadium, wo die Knospungs- stelle auch schon äußerlich durch eine leichte Ausbuchtung kennt- lich geworden ist, zeigt folgendes: Im Ektoderm sind die großen , leicht kenntlichen Kerne der Muskelepithelzellen im Ruhezustand geblieben (die Grenzen der Muskelepithelzellen sind nicht gut sichtbar). Zwischen solchen Kernen findet man kleinere intensiver sich färbende Kerne , die auch von tiefer gefärbtem Plasma umgeben sind (Taf. II, Fig. 2). Bei genauer Prüfung mehrerer Schnitte einer Serie kommt man zur Überzeugung , daß diese neuen Epithelzellen aus indifferenten Zellen entstanden sind und daß sich dadurch die Oberfläche des Epithels vergrößert hat (als Folge tritt die Ausbuchtung nach außen auf, die Stützlamelle macht die Ausbuchtung natürlich mit). Man sieht schon größer gewordene indifferente Zellen, wie sie sich gegen die Oberfläche zu förmlich drängen , einige sind schon zur Oberfläche gelangt und sind noch immer deutlich als indifferente Zellen zu erkennen (Taf. II, Fig. 2, 6, 8). Alle Übergänge von rein basiepithelialen indifferenten Zellen bis zu jungen Epithelzellen, vorläufig ohne Muskelfasern, sind zu beobachten. Durch ihre starke Vermehrung drängen die indifferenten Zellen die alten Muskel- epithelzellen auseinander und keilen sich zwischen dieselben ein; einige erreichen auch die Oberfläche und werden selbst zu Epithel- zellen. So möchte ich mir den Vorgang aus dem Gesehenen re- konstruieren. Diese sozusagen Intussuszeption von indifferenten Zellen ge- schieht nicht nur in der Mitte der Knospenanlage (an der „Vege- tationsspitze"), sondern im ganzen Umfange derselben. In den ersten Entwicklungsstadien geht das Einkeilen neuer Zellen in das Epithel allerdings in der Mitte am häufigsten vor sich, wie denn überhaupt in erster Zeit die meisten indifferenten Zellen sich in der Mitte der Knospenanlage befinden , einen ganzen Haufen bildend ; später verteilen sie sich mehr auf die ganze Knospenanlage. Wenden wir uns jetzt der Betrachtung des Entoderms zu. Vorher soll bemerkt werden , daß die Stützlamelle wie zuvor vorhanden ist. Alsbald treten auch im Entoderm Veränderungen (64) Die Entstehung der Knospe bei Hydra. .^ 5 auf; man sucht aber vergeblich nach Teilungsfiguren, wenigstens in den ersten Entwicklungsstadien der Knospenbildung. Das Epithel gewinnt merklich an Fläche. An gelungenen Präparaten wird man bald ins reine kommen, wieso es dazu kommt. Die früher im Entoderm so seltenen indifferenten Zellen werden jetzt am Knospungsterritorium viel häufiger angetroffen. Sie sind aber nicht durch Vermehrung einzelner von früher her im Entoderm vorhandener indifferenter Zellen entstanden. Eine Teilung der indiffe- renten Zellen findet man im Entoderm zunächst nicht. Die indifiPe- renten Zellen wandern vielmehr aus dem Ektoderm, die Stützlamelle durchbohrend (Taf. I, Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 6), gleich den Geschlechts- zellen vieler Seehydroiden und den Nesselzellen bei Tuhularia, in das Entoderm. Da ja verhältnismäßig viele Zellen hinüberwandern, sind verschiedene Momentbilder dieser Wanderung nicht selten zu sehen. Es sind da Bilder, wie zum Beispiel eine indifferente Zelle, die noch außerhalb der Stützlamelle liegt, gerade einen Pseudopodien - artigen Fortsatz in dieselbe vorgestreckt hatte, dann solche, in welchen der Kernteil der indifferenten Zelle in der Stützlamelle selbst steckt, endlich solche, wo der Kern und der größte Teil des Zellleibes schon innen von der Stützlamelle gelegen sind, ohne weiteres aufzufinden (Taf. 1, Fig. 1, 3, 4, 5, 6). Ich schließe , weil es direkt intra vitam zu beobachten kaum möglich sein dürfte , aus den gesehenen Bildern , daß es eine rein aktive Bewegung ist, durch welche die indifferenten Zellen aus dem Ekto- in das Entoderm gelangen , geradeso wie es bei den wandernden Nesselzellen sein dürfte. Was das Wachstum des Entodermepithels anbelangt, sind hier dieselben Vorgänge wie im Ektoderm der Knospe zu beobachten. Die eingewanderten indifferenten Zellen wachsen heran und haben eine Stellung mit ihrem Längsdurchmesser senkrecht zur Stützlamelle eingenommen (Taf. I, Fig. 2, 6). Sie drängen sich dabei zwischen die alten Nährmuskelzellen hinein und werden selbst zu solchen. Die Kerne solcher junger Epithelzellen bleiben zunächst einige Zeit kleiner als es jene der alten Nährmuskelzellen sind, wodurch sie auch später , solange sie nicht die Größe jener der alten Nährmuskelzellen erreicht haben, zu erkennen sind. An der Basis der Knospe (am Übergang vom Knospenepithel in jenes des Mutter- tieres) sieht man dann zwischen den alten heller gefärbten größeren Kernen kleinere, dunklere, neue Kerne. Auch das Plasma der neuen Epithelzellen ist zunächst dunkler gefärbt und solider als jenes der alten Nährmuskelzellen. Bald treten aber im Plasma Nahrungsballen Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 1. 5 (6ü) 6 , Jovan Hadzi: (Eiweißkügelcben, Fett) auf und es bietet sich dann so ziemlich das- selbe Bild, wie bei dem Plasma alter mütterlicher Zellen (Taf. I, Fig. 6). Neue Drüsenzellen treten in den jüngsten Stadien noch nicht auf. Durch Einwandern der indiflPerenten Zellen ans dem Ektoderm vergrößert das Entodermepithel seine Oberfläche und kann die Aus- buchtung mitmachen. Als aktives Element bei dieser Ausbuchtung wirken nur die ursprünglich im basalen Gebiet des Ektoderms (dem interstitiellen Zellager) liegenden indifferenten Zellen. Den Anfang macht das Ektoderm. Es scheint uns wahrscheinlich zu sein , daß auch bei weiteier Ausbuchtung beider Körperschichten das Ektoderm die führende Rolle spielt, es bilden sich in beiden Epithelien Zug- beziehungsweise Druckverhältnisse, die dann durch das Nachwachsen des Entoderms ausgeglichen werden. (Im Ektoderm hauptsächlich Druck, im Entoderm Zug, die grobe Struktur des Plasmas würde dafür sprechen. Doch das nur nebenbei.) Als Fazit der Beobachtungen an jungen Knospenanlagen von Hydra wäre hervorzuheben: Die Hauptrolle spielen die zuerst im Ektoderm (richtiger: interstitiellen Zellager) befindlichen indifferenten Zellen. Durch die Aktivität derselben kommt die Knospe zustande. Das ektodermale und entoderraale Epithel des Muttertieres wird an der Knospungsstelle durch indifferente Zellen , die sich zwischen die alten Zellen einkeilen , verjüngt und zum Wachstum fähig gemacht. Die Muskelepithelzellen des Ektoderms wie die Nähr- muskelzellen des Entoderms scheinen zu weit spezialisiert, differen- ziert zu sein, als daß sie imstande wären, das Material für die Knospe abzugeben. Ich will hier noch einschalten, daß in dem Ektoderm des stielartigen Fußes von Hydra , der bei solchen Hydren , welche schon einige Knospen produziert haben, besonders lang ist, sehr wenige indifferente Zellen zu finden sind, und davon sind die meisten bestimmt, Nesselkapselu zu produzieren. Der lange Fußteil solcher Hydren zeigt Degenerationszeichen, die Epithelzellen werden „mark- los" , es bleiben von ihnen bloß Kerne und eine dünne häutige Zellwand übrig. Ich habe weiterhin beobachtet, wie sich ein solcher Fußteil vom übrigen Hydraleibe durch quere Einschnürung ablöst. Bei vielen Hydren mit langem Fußteil (das heißt bei solchen, die viele Knospen produziert haben) fällt derselbe bei der Fixation ab. Das führe ich als Indizium dafür an , daß die alten Muskel- epithelzellen sich nicht rückzudifferenzieren vermögen, was im Ein- klänge mit der vorgebrachten Entstehungsursache der Knospe von Hydra steht. Die Entstehung der Knospe bei Hydra. 7 Verfolgen wir nun weiter die Ausbildung der Knospe. Das eigentümlichste an der Entstehung der Knospe von Hydra ist zwar schon am Anfang derselben geschehen (die Aktivierung der in- differenten Zellen des Ektoderms), aber auch im weiteren Verlaufe der Ausbildung der Knospe kommt manches Erwähnenswerte vor. Die Knospe wächst nicht bloß an ihrer Spitze (obwohl hier am ausgiebigsten), sondern in ihrem ganzen Umfange. Die indifferenten Zellen treten einzeln und nicht in Haufen in die Epithelien ein. Die Stützlamelle bleibt auch weiterhin unaufgelöst; die durch- wandernden indifferenten Zellen zerstören nicht die Stützlamelle (weil sie eben immer nur einzeln wandern). Von den neu entstehen- den Epithelzellen muß offenbar neue Stützlamellensubstanz ausge- schieden werden. Im Ektoderm ist die weitere Umwandlung von indifferenten Zellen in Muskelepithelzellen unverkennbar. Man kann leicht an den verschieden aussehenden indifferenten Zellen erkennen , wozu sie sich herausbilden werden , ob zu Nesselzellen oder Muskel- epithelzellen. In etwas vorgeschritteneren Stadien der Knospen- ausbildung kann man hie und da sich teilende Muskel epithelzellen finden (Taf. I, Fig. 6) , es sind dies zweifellos die jungen, aber aus indifferenten Zellen entstandenen. Die durch Teilung der jungen Muskelepithelzellen bedingte Vergrößerung des Epithels kann nach dem Beobachteten keine irgendwie ins Gewicht fallende sein. Die Umwandlung der indifferenten Zellen in die Muskelepithelzellen bleibt auch weiter die Hauptquelle für das Wachstum des Epithels. Die indifferenten Zellen vermehren sich fortwährend und er- setzen dadurch ihr Kontingent, das sich durch ihre Umwandlung in spezialisierte Zellarten sonst vermindern würde. Daß die in- differenten Zellen eigentlich keine Epithzellen sind, sieht man auch daraus , daß bei der Teilung die Teilungsfigur (Spindel) in ihrer Stellung zum Epithelium gar keine Regelmäßigkeit aufweist (Taf. I, Fig. 2), Erst durch ein Einverleiben in das Epithel (wenn sie zu Muskelepithelzellen werden) werden sie bestimmt polarisiert. Das Entoderm verhält sich im weiteren Verlaufe der Knospen- bildung insoweit etwas abweichend vom Ektoderm , als hier die Neubildung der Nährmuskelzellen doch nur am Pol der Knospe vor sich geht. Hier hat sich aus, den schon eingewanderten und immer neu einwandernden indifferenten Zellen sozusagen ein Meristem, ein Bildungsherd für Nährmuskelzellen gebildet (Taf. I, Fig. 2, 8). Die schon großkernig gewordenen indifferenten Zellen trifft man nicht selten in Teilung begriffen (Taf. I, Fig. 2, 8). Nur 5* (67) 8 Jovan Hadzi: selten sind Teilungen an Zellen, die schon Charaktere einer Nälir- muskelzelle angenommen haben, zu beobachten. Bei den werdenden Nährmuskelzellen ist das Plasma zunächst solid (aber schon mit sich tief färbenden Körnern reichlich versehen) und füllt den ganzen Zelleib aus (Taf. I, Fig. 3, 4), später, nachdem sie keulenförmig geworden sind, konzentriert sich das Plasma in dem der freien Fläche (dem Gastralraum) genäherten Teil, basal bleibt es nur mit einigen Strängen an der Stützlamelle befestigt (Taf. I, Fig. 2, 8). Auch der Kern verändert sich, abgesehen davon, daß er größer wird. Der Kern einer mehr indifferenten Zelle färbt sich im ganzen tiefer und zeigt noch mehrere schwarz gefärbte Kernchen (Taf. I, Fig. 4, 8). Bei der Ausbildung zu einer Nährmuskelzelle wird der Kern immer heller, es bleibt nur ein (in manchen Fällen zwei) Nukleolus als schwarzes Körnchen und das Plasma wird mehr schwammig mit ganz kleinen Körnchen in den Netzknoten. In- zwischen bildet sich auch die Muskelfaser aus. Über die Bildung der Wimper konnte ich nichts beobachten. In mehr basalen (dem Muttertiere genäherten) Teilen der Knospe wandern auch später indifferente Zellen in das nun ziemlich ausgebildete Entoderm (Taf. I, Fig. 8, 9, 10), sie werden aber nicht zu Nährmuskelzellen , sondern zu Drüsenzellen , diese kommen also nachträglich hinzu. Bei diesen vergrößert sich der Kern kaum mehr, nur der Zelleib wächst und nimmt alimählich die Form und Struktur der Drüsenzellen an (es treten Sekretballen auf; werden diese von Reagenzien ausgelöst, so zeigt das Plasma eine schwammige Struktur). Die werdenden Drüsenzellen drängen sich zwischen die Nährmuskel- zellen und werden zu tektiepithelialen Zellen. Ich will noch erwähnen , daß auch im fertig gewordenen Entoderm der Knospe an der Stützlamelle nur wenig indifferente Zellen zu treffen sind , auch davon zeigen die meisten eine Tendenz (durch Streckung senkrecht zur Stützlamelle , das Hinaufdrängen zwischen die Nährmuskelzellen und die Veränderung am Plasma) zu Drüsenzellen (Eiweißdrüsenzellen) zu werden. Aus der beschriebeneu Art und Weise der Knospenentstehung resultiert ein merkwürdiges Durcheinander der Mutter- und der Knospenzellen. Wir können an einer bereits fortgeschrittenen Knospe drei Zonen (an der Knospe quer gedacht) unterscheiden, was die Anordnung der Mutter- und Knospenzelleu in den beiden Epithelien anbelangt. In der ersten schmalen Zone, unmittelbar am Übergang von der Knospe zum Muttertier , werden noch viele alte , vom Muttertier herrührende Muskel- und Nährmuskelzellen vorhanden (68) Die EnfsteliuDg der Knospe Ijei Hydra. 9 sein, zwischen denselben einige neue aus den indifferenten Zellen entstandene. In der zweiten Zone werden die jungen Epitlielzellen vorherrschen. In der dritten Zone finden wir nur neugebildete Epithel - Zellen. Je weiter die Ausbildung der Knospe vorgeschritten ist, desto mehr schwinden die ersten zwei Zonen der dritten gegenüber, so daß wir bei einer fertigen Knospe zeigen können , daß sie bloß aus Derivaten der aus dem Ektoderm stammenden indifferenten Zellen des Muttertieres bestehen. Während des Wachsturaes bleibt die Kontinuität der beiden Epithelien bestehen , dasselbe gilt für die Stützlamelle , wie schon früher bemerkt worden ist. Anfangs sind die Muskelfasern etwas schütter, weil die sich einkeilenden neuen Epithelzellen zunächst keine Muskelfasern ausgeschieden haben , werden aber bald durch neue Muskelfasern ergänzt. In späteren Stadien sind an der Wachs- tum sspitze keine Muskelfasern vorhanden, da sie erst nachträglich von den neuentstandenen Epithel zellen gebildet werden. Je weiter die Entwicklung der Knospe (man kann mit Recht eine „Entwicklung" sagen, weil es doch von indifferenten, embryo- nalen Zellen bewerkstelligt wird) vorgeschritten ist , desto weniger wandern die indifferenten Zellen am freien Ende der Knospe (dem künftigen Mundpol) aus dem Ektoderm in das Entoderm. Das Wachstum des Entodermepithels geschieht durch Vermehrung der am Wachstumspol befindlichen indifferenten Zellen. Es wandern wohl auch weiter am ganzen Körper einzelne indifferente Zellen . diese werden aber zu Drüsenzellen (die untere, basale Region der Knospe verdaut schon Nahrung und verbraucht Drüsenzellen , die ersetzt werden müssen). Im Ektoderm sind nicht mehr die meisten indifferenten Zellen am Mundpol , sondern im Umkreise desselben (Taf. I , Fig. 8) . wo dann die Tentakel entstehen sollen , denn diese brauchen für ihre Bildung sehr viel indifferente Zellen. Zuletzt wird das Mundfeld neben der Fußscheibe die an indifferenten Zellen ärmste Stelle (hier werden keine Nesselzellen gebildet). An der Bildung des Entodermepithels der Tentakel scheinen mir die schon im Entoderm befindlichen indifferenten Zellen beteiligt zu sein ; ich habe nie Bilder gesehen , die auf eine neuerliche Ein- wanderung aus dem Ektoderm zu schließen gestatten würden. Dabei erschöpfen sich die an der Bildung der Tentakel beteiligten in- differenten Zellen ganz, um das Nährepithel entstehen zu lasser, was daraus ersichtlich ist, daß keine indifferenten Zellen als solche übrig bleiben. Auf der Innenseite der Mundscheibe bilden die noch (69) 10 Jovan Hadzi: zahlreich vorhandenen indifferenten Zellen die Schleimdrüsenwiilste aus , zwischen welchen die Mnndöffnung durchbricht. Im Entoderm der Mundscheibe bleiben die meisten indifferenten Zellen , um durch Umwandlung in Schleimdrüsenzellen die verbrauchten zu ersetzen. In Anbetracht der wichtigen Aufgabe , die den indifferenten Zellen bei der Knospung von Hydra zukommt, wird es wohl am Platze sein, hier etwas im Zusammenhange über die Naturgeschichte der indifferenten Zellen vorzubringen. Fangen wir mit ihrer Entstehung in der Ontogenie an. Es liegen darüber mehrere Angaben [Kleinenberg (11), Kobot- NEFF (12), Brauer (4)] vor. Nach Korotneff (12) sollen die indifferenten Zellen vom Eatoderm aus entstehen und dann unter (las Ektodermepithel wandern. Mehr Wahrscheinlichkeit hat die An- gabe Brauers (4) (wenn er es auch selbst nicht für bewiesen hält), daß die indifferenten Zellen vom Ektoderm aus entstehen, indem nämlich einzelne Ektodermepithelzellen sich aus dem Ver- bände lösen und unter das Epithel gleiten. Jedenfalls ist die Frage nicht endgültig beantwortet. Die indifferenten Zellen bilden nach Brauer (4) eine ganz selbst- ständige, zwei Zellreihen mächtige Schichte zwischen Ektoderm und Entoderm. Brauer möchte sie direkt Mesoderm nennen. Zu dieser Zeit ist keine Stützlamelle als scharfe Grenze zwischen Ekto- und Entoderm vorhanden. Immerhin halten sich die indifferenten Zellen (hier besser: die interstitiellen genannt) mehr an das Ektoderm. Bemerkenswert erscheint mir , daß die indifferenten Zellen erst sekundär, nachdem die Epithelzellen des Ektoderms ihre Fortsätze zur Muskelfaserbildung zwischen die indifferenten Zellen gesendet haben , zu basiepithelialen Elementen werden. Erst jetzt wird die Stützlamelle als solche sichtbar. Alle Autoren , die diese Stadien untersucht haben (Kleinenberg , Korotneff, Brauer), stimmen darin überein, daß im Entoderm keine indifferenten Zeilen vor- handen sind , was auch die Abbildungen klar erkennen lassen ; es müssen also die indifferenten Zellen , die man später im Entoderm findet , aus dem Ektoderm (genauer gesagt , von jenseits der Stütz- lamelle) gekommen sein. Sobald sich eine Gelegenheit dazu ergeben wird , werde ich trachten , dies auch durch Beobachtung zu be- stätigen ; es wäre überhaupt von Interesse , auch anderer Fragen wegen Hydraembryonen dieser Stadien genauer zu untersuchen. (70) Die Entstehung der Knospe bei Hydra. 11 Brauer (1) bemerkt ausdrücklich, daß von allem Anfange an das Ektoderm der Fußregion arm an indifferenten Zellen ist. Sehen wir uns die Verteilung der indifferenten Zellen im Körper einer ausgewachsenen Hydra an. Die Verteilung der indifferenten Zellen ist von Interesse, weil sie mit der Aufgabe dieser Zellen in innigem Zusammenhange steht. Der Hauptsitz der indifferenten Zellen ist das Ektoderm der Geschlechts- und Knospungsregion. Wenige finden wir am Mund- felde (innerhalb des Tentakelkranzes), ganz selten, wenn überhaupt, welche in den Tentakeln , daher die große Wahrscheinlichkeit , daß die zum Ersatz der verbrauchten Nesselzellen notwendigen als solche vom Leibe in die Tentakel wandern, wie wir es bei vielen anderen Hydroidpolypen finden [Had2i(8)]. Unterhalb der Knospungs- region sind die indifferenten Zellen , je näher zur Fußscheibe, desto seltener. Es ist schon früher erwähnt worden , daß sich bei Tieren, die schon mehrere Knospen gebildet haben, diese untere an in- differenten Zellen arme Region vergrößert. Das Entoderm entbehrt nach dem oben Erwähnten der autoch- thonen indifferenten Zellen. Alle Hydrauntersucher [ich erwähne hier nur die namhaftesten: Kleinenberg (11), Jickeli (10), Nüss- baum (15), Schneider (19, 20)] sind darin einig, daß das Ento- derm sehr arm an indifferenten Zellen ist. Wir können sagen, daß sie im Entoderm nur dort vorkommen , wo es Drüsenzellen gibt, also an der Mundscheibe und in der Geschlechts- und Knospungs- region. Nach meinen Beobachtungen halten sich die indifferenten Zellen subepithelial im Entoderm nur interimistisch auf, nur auf der Durchreise aus dem Ektoderm , um sich in die tektiepithelialen Drüsenzellen umzuwandein. An geeigneten Schnittseiien sind sowohl alle Stadien der Durchwanderung der Stützlamelle einerseits, wie auch die Umwandlung der eingewanderten indifferenten Zellen in Drüsenzellen andrerseits zu beobachten (Taf. II , Fig. 2, o, 4, 5, 6), das letztere ist schon von Schneider als sehr wahrscheinlich hin- gestellt worden. Ich will bemerken , daß diese Überwanderung nicht immer gleich häufig vor sich geht. An Individuen , die vor der Fixation verdaut haben (beziehungsweise vorverdaut, Hadzi), ist die Überwanderung am besten ?u sehen , was mit der weiteren Auf- gabe der überwandernden Zellen in innigstem Zusammenhange steht. Die Verwendung der indifferenten Zellen ist , wie schon mehr- fach hervorgehoben , eine sehr mannigfache. Sie verhalten sieh durchaus wie embryonale Zellen. Man kann ruhig sagen, daß aus den (71) lÜ Jovan Hadzi: indifFerenten Zellen unter Umständen alle bei Hydra vorkommenden Zellarten entstehen können. Ihre gewöhnlichste Aufgabe ist es, sich in Nesselbildungszellen umzuwandeln. Nesselzellen und Drüsenzellen (des Entoderms) werden während des ganzen individuellen Lebens der Hydra gebildet. Daß die männlichen und weibliehen Geschlechtsprodukte aus den indifFerenten Zellen entstehen, ist schon längst bekannt; in der vorliegenden Arbeit ist es für die Knospen gezeigt worden. Die Untersuchung über die Entstehung der Knospe hat er- geben , daß die Muskelepithelzellen sowie die Nährmuskelzellen aus den indifferenten Zellen entstehen; ob es auch für die Nerven-, Nervensinnes- und Sinneszellen der Fall ist, ist nicht durch Beob- achtung bewiesen, wird aber durch bloße Überlegung höchst wahr- scheinlich. Über die Beteiligung der indifFerenten Zellen am normalen Wachstum der Hydra gibt es keine strikten Angaben in der Litera- tur, i) Es ist zu bemerken, daß sich teilende Deckepithelzellen so selten in Präparaten zu finden sind , daß alle beobachteten Fälle in ent- sprechenden histologischen Arbeiten besonders angegeben zu werden pflegen. Schneider (19) hat eine Umwandlung von indifFerenten Zellen in Nervenzellen beschrieben, es scheint aber, daß die Bilder nicht ganz richtig gedeutet sind , weil es doch höchst unwahrschein- lich ist, daß im ausgewachsenen Tiere noch Nervenzellen, und zwar ziemlich viele, neu gebildet werden. Ein Teil der von Schneider gezeichneten Umwandlungsreihe wird auf wandernde, mit kleinen Pseudopodien versehene indifferente Zellen oder abortive Nessel- bildungszellen , der andere auf aus dem Nervennetz gerissene Nerven- zellen zu beziehen sein. Nichstdestoweniger ist es bei den Knospen und Embryonen von Hydra zu erwarten, daß die Nervenzellen aus den indifferenten Zellen ihren Ursprung nehmen. Eines verdient noch erwähnt zu werden. Nach Korotneff (13) verfallen die Muskelepithelzellen des Ektoderms zu Anfang des Herbstes einer fettigen Degeneration. Das neue Epithel wird von den sich zuvor stark vermehrenden indifPerenten Zellen gebildet (,.Hiemalmetamorphose des Ektoderms"). Im Entoderm werden zur selben Zeit die Zellgrenzen verwischt. Auch diese Angabe einer Regeneration (Verjüngung) des Ektodermepithels spricht für die Unfähigkeit alter Muskelepithelzellen , sich rückzubilden und zu ^) J ICK ELI (10) erwähnt, Beobachtungen gemacht zu haben, die auf eine Entstehung der Muskelepithelzellen aus indiiferenten Zellen schließen lassen. (72) Die Entstelumg der Knospe bei Hydra. 13 teilen. Bei vielen Seehydroiden , die im Hydranten nur wenig in- differente Zellen besitzen , wird der alte Hydrant einfach in toto abgeworfen und ein neuer Hydrant von dem embryonalen (in- differenten) Cönosark gebildet, auch die Knospung verläuft bei diesen Hydroidpolypen anders als bei Hydra. Obwohl so viele Arbeiten über die Regulation und Regene- ration von Hydra bestehen , finden wir doch so wenig Angaben darüber , welche Zellen des Hydrakörpers daran beteiligt sind. ^ ) Meines Wissens behandelt nur eine Arbeit ausschließlich die histo- logischen Veränderungen während der Regeneration, es ist jene von H. T. RowLEY (15), und auch diese ist von keinen Abbildungen begleitet und gibt auch sonst zu wenig Auskunft. Eines ist sicher, daß die indifferenten Zellen bei jeder Regulation oder Regeneration stark, wenn nicht ausschließlich beteiligt sind. Als erste Reaktion jedes operativen Eingriffes tritt die Aktion der indifferenten Zellen auf . sie vermehren sich stark , jedenfalls nicht nur um Nesselzellen zu bilden (in den ersten Stadien der Regeneration werden eher die schon fertigen Nesselzellen rückgebildet als neue produziert). Aus der Angabe von Rowley, infolge welcher auch Epithelzellen in Teilung begriffen getroffen werden, kann man noch nicht schließen, daß sich das alte Epithel an der Regeneration aktiv beteiligt , weil es auch junge eben aus den indifferenten Zellen entstandene Epithel, Zellen sein könnten , die man sich teilen sieht , ähnlich wie von mir an den Knospen beobachtet wurde. Es ist auch die Methode, die Rowley bei der Untersuchung angewendet hatte, nicht zweck- mäßig; ein jedes Tier wurde in einige kleine Stücke zerschnitten. Diese zuweit gehende Zerkleinerung übt einen allzugroßen allge- meinen Reiz aus , alles verändert sich und die Bilder werden zu unklar, deshalb konnte Rowley zu keinem sicheren Ergebnis ge- langen. Meine diesbezüglichen Untersuchungen sind im Gang. Vor- läufig bringe ich nur ein Bild (Taf II , Fig. 1). Es ist ein Längs- schnitt durch die Stelle (aus der unteren Knospungsregion), wo eine durch einen Einschnitt angebrachte Verwundung repariert wurde. ^) Einen sehr wichtigen Hinweis anf die Zellverhältnisse bei der Regeneration gibt uns die unter anderen von Nussbait-m (15) festgestellte Tatsache, daß ab- geschnittene Tentakel nicht imstande sind zn regenerieren. Ich sehließe mich voll- kommen der von Nussbaüm geäußerten Meinung an, daß der Mangel an indifferenten Zellen daran schuld ist. Auch das Mißlingen einer ümkehrung der Körperschichten von Hijdra spricht dafür, daß die Epithelzellen nicht imstande sind, sich rückzu- bilden. (73) 14 Jovan Had2i: An der ganzen Serie ist keine Epithelzelle weder im Ektoderm noch im Entoderm in Teilung begriffen vorzufinden , wohl aber die in- differenten Zellen (an der beiliegenden Abbildung eine). Im Ekto- derm sieht man einige indifferente Zellen sich strecken , was auf eine Umwandlung in Epithelzellen hindeutet. Eine indifferente Zelle ist gerade bei der Durchwanderung der Stützlamelle getroffen. Drei weitere stehen so knapp an dem Entoderm . daß man geneigt wäre, sie demselben zuzurechnen. Die rege Beteiligung der indifferenten Zellen tritt klar hervor. Überaus charakteristisch ist für die indifferenten Zellen das Vermögen der aktiven Fortbewegung. Es ist schon früher dargelegt worden , daß , wenn die Bewegung der indifferenten Zellen auch nicht intra vitam beobachtet worden ist, doch mit größter Wahr- scheinlichkeit auf eine solche geschlossen werden kann. Diese Eigen- schaft hätte ja nichts Ungewöhnliches an sich. Wir kennen ja schon von früher her sogar Derivate der indifferenten Zellen bei vielen Hydroidpolypen , die sich aktiv fortzubewegen imstande sind. Erst unlängst habe ich es für die Nesselzellen gezeigt [Hadäi (8)]. Für die Eizellen ist es in der neuesten Zeit von Stschelkanowzeff (21) und GoETTE (7) gezeigt worden. Ich glaube, daß aus allen dem Vorhergehenden die embryonale Natur der indifferenten Zellen ohne weiteres zu erkennen ist und so wird man sich in Anbetracht des Umstandes , daß die Epithel- zellen der beiden Körperschichten so hoch differenziert sind (jedes Epithel hat eine Doppelfunktion , das äußere die Deck- und Be- wegungsfunktion, das innere die Nähr- und Bewegungsfunktion), nicht wundern, daß die Rolle, das neue Material für die Knospen zu liefern, den indifferenten Zellen zugefallen ist. Literatur. In der Einleitung habe ich ganz kurz die bis dahin vorliegenden Literaturangaben erwähnt, jetzt will ich sie einer näheren Kritik unterziehen und meinen Befunden gegenüberstellen. Die so allgemein verurteilte Arbeit von A. Lang (14) enthält doch (hier wird natürlich nur der Abschnitt über die Knospung bei Hydra berücksichtigt) manche richtige Beobachtung. Ihr größter Fehler ist , daß die Abbildungen nicht sehr genau sind ; es scheint weiter, daß die Präparate nicht ganz entsprechend waren (Schnitt- richtung, Färbung). Jedenfalls hat Lang (14) die überwandernden indifferenten Zellen gesehen. Mit Recht hebt er die rege Ver- mehrung der indifferenten Zellen hervor, hat aber von dem Vor- (74) Die Entstellung der Kuospe bei Hydra. 15 gang , wie sich dieselben an der Bildung der Knospe beteiligen. keine richtige Vorstellung gewonnen. Lang läßt bloß das Entoderm aus inditferenten Zellen entstehen , das neue Ektodermepithel soll einfach durch die Teilung der alten Muskelepithelzellen entstehen. Die Stützlamelle soll in der ganzen mittleren Partie der Knospe sich einfach auflösen , sie verschwindet ; solche Bilder kann man nur an ganz schiefen Schnitten gewinnen. Die Angabe , daß das mütterliche Entoderm in der Mitte der Knospenanlage zer- fällt und resorbiert wird , entspricht nicht den Tatsachen ; auch lassen seine Abbildungen gar nicht darauf schließen , es ist nur eine falsche Deutung der Bilder. Stellenweise sieht man an den Abbildungen Längs ganz schön, wie sich die eingewanderten in- differenten Zellen zwischen die alten Nährmuskelzellen einkeilen. Es ist besonders der Umstand hervorzuheben , daß Lang in keinem Falle eine Teilung der Nährmuskelzellen beobachtete , wohl aber solche der indifferenten Zellen, Im Ektoderm sah er Epithelzellen sich teilen. Braem (1) behauptet mit größtem Nachdruck, den Angaben von Lang gegenüber, daß während der ganzen Knospenentwicklung die Stützlamelle bestehen bleibt, respektive daß die Grenze zwischen Ekto- und Entoderm scharf bleibt, und sieht dies als Hauptargument gegen Längs Angaben an. Wir haben aber gesehen, daß auch trotz der Integrität der Stützlamelle die indifferenten Zellen aus dem Ektoderm in das Entoderm wandern können. Eine solche Wanderung hat Braem nicht beobachtet, es scheint, daß seine Präparate viel schuld daran waren (soviel man aus den rohen Abbildungen schließen kann). Interessant ist es, wie sich Braem das Wachstum beider Körperschichten vorstellt. Im Entoderm findet Braem auch indifferente Zellen und diese wandeln sich in Drüsen- zellen um; zwischen Drüsen- und Nährmuskelzellen soll es aber keine scharfe Grenze geben , die Drüsenzellen können sich nach Bedarf in Nährmuskelzellen umwandeln. Das ist aber nie beobachtet worden und ist von vornherein ganz unwahrscheinlich , besonders für jeden, der die Histologie von Hydra gut kennt. Wozu ist eine solche kühne Annahme notwendig ? Sie wird herangezogen , weil doch seltener die Nährmuskelzellen in Teilung begriffen gefunden werden. Das Vorhandensein von vielen indifferenten Zellen im Entoderm wird demonstriert an einem Bilde, welches ein schon fort- geschritteneres Stadium der Knospenbildung zeigt , das geht aber nach dem , was wir gezeigt haben , nicht an ; diese indifferenten Zellen , die übrigens schon größer geworden sind [eine teilt sich ; (.75) H) Jovan Hadzi: Braem (1), S. 152, Abb. 4], stammen ganz gewiß ans dem Ektoderm. In der Fig. 2 (S. 148) und Fig. 3 (S. 151) sind im Entoderm keine indifferenten Zellen zu finden. Auf die von Braem angeführte Mögliclikeit , daß sich die Nährmuskelzellen zurückverwandeln und durch Teilung „zur Vermehrung der embryonalen Zellen des Ento- derms beitragen, wie es die peripheren (Deck-) Zellen des Ekto- derms gegenüber dem interstitiellen Gewebe tun" (S. 153), will ich gar nicht eingehen. Es ist ja ganz verkehrt zu sagen (oder zu glauben), „daß die interstitiellen Zellen während des ganzen Lebens der Hydra aus oberflächlichen Ektodermzellen entstehen können und nur der Lage nach von diesen verschieden sind" (S. 157), während doch der umgekehrte Fall richtig ist. Die anderen Angaben über die Entstehung der Knospe bei Hydra, die wir in der Literatur vorfinden [Chun (5), Seeliger (17)], brauche ich nicht in Betracht zu ziehen, da sie nicht auf eigenen eingehenden Untersuchungen beruhen. Allgemeiner Teil. Es erübrigt uns noch, die in dieser Arbeit vorgebrachten Be- funde auf ihre Bedeutung für die Auffassung der Knospung über- haupt und speziell die der Hydroiden zu prüfen. Als das Charakteristische für die Knospung hält man gewöhnlich, daß die Knospe durch das lokale Wachstum mehrerer Körperschichten entsteht, was für die allermeisten Fälle zutrifPt. Am einfachsten, typisch ist es, wenn jede Körperscbichte des Muttertieres die ent- sprechende Körperschichte des Tochtertieres bildet. Es sind schon längst Fälle im Tierreich bekannt , wo die Knospe ihr Zellmaterial nicht von allen vorhandenen Körperschichten bezieht (Ektoderm, Mesoderm, Entoderm), sondern nur von zweien darunter (Bryozoa). Stets ist aber die mittlere Körperschichte (Mesoderm oder Mesenchym) bei der Knospung beteiligt. Die Cölenteraten galten lange als ausnahmslos typisch knospende Tiere (die Ctenophoren vermehren sich nicht durch Knospung). Von den beiden Körperschichten liefert jede ihrerseits das Material für die Knospe. Die zwischen den beiden Körper- schichten gelegenen Zellen werden selten als besondere Schichte be- handelt. Wir werden dann verstehen, weshalb man der Angabe Längs, daß die Knospe von Hydra bloß aus Ektoderm entsteht, so wenig Glauben entgegengebracht hat; sie paßte durchaus nicht in das gewöhnliche Schema hinein und dabei diente sie als Grund- lage der Ansichten Weismanns über das Wesen der Knospung, (76) Die Entstehung der Knospe bei Hj'dra. 17 wonach hier die Knospung beinahe zu einer Sporogonie gemacht wird. Das letztere (die Entstehung der Knospe von einer einzigen indifferenten Zelle) nachzuweisen , gelang aber nicht , weil es eben den Tatsachen nicht entspricht. Chun (6), der selbst Stellung gegen Lang und Weis mann nahm , konnte an Margeliden , knospenden Medusen , zeigen , daß hier „ausnahmsweise" die Knospe ganz ohne Beteiligung des mütterlichen Entoderms entsteht. Es ist dies hier noch schärfer aus- gedrückt als nach Lang bei Hydra, weil die Stützlamelle, be- ziehungsweise die Grenze zwischen Ekto- und Entoderm während der ganzen Knospenbildung scharf bleibt und die Grastralhöhle der Knospe mit jener des Muttertieres erst später in Kommunikation tritt. Ich will gleich hier daraufhinweisen, daß das Knospungsmaterial nicht von den ektodermalen Epithelmuskelzellen des Manubriums, wie man es im Berichte von S eeltger lesen kann, seinen Ursprung nimmt; es geht aus der Darstellung von Chun vielmehr hervor, daß es ein Haufen embryonaler Zellen ist, der die Knospe aus sich ent- stehen läßt und der sich nach Chün anscheinend verschieben soll, um auch für die weiteren Knospen das Material zu liefern. Da schließen sich meine Befunde an Hydra an. Ich bin nicht geneigt, die Knospenbildung bei Hydra als ursprünglich anzunehmen. Eine derartige Entstehungsweise der Knospen steht meiner Ansicht nach im engen Zusammenhange mit dem Umstände , daß bei Hydra im Gegensatze zu den allermeisten Seehydroiden das ganze Epithel höher differenziert ist. Dieser Umstand steht wieder damit im Zu- sammenhange, daß Hydra als solitäres, freibewegliches Tier keine Peridermbildung hat. Nur dem Umstände verdankt Hydra ihre Sontierstellung. Mau soll eigentlich nicht sagen , daß die Knospe von Hydra bloß aus Ektoderm entsteht. Die Knospe entsteht aus embryonalen Zellen , die schon in der embryonalen Entwicklung als solche ent- stehen und nur der Lage nach dem Ektoderm näher zu stehen scheinen als dem Entoderm. Die indifferenten Zellen haben alle Charaktere einer mittleren Körperschichte, eines Mesoderms, sind aber doch eine Mittelschichte sui generis („Interstitielles Zellager"), weder mit jener der Scypho- und Anthozoa noch mit jener der Cölomata direkt vergleichbar, besonders dann nicht, wenn man sich auf den rein morphologischen Standpunkt stellt, was aber heute meistens nicht der Fall ist. Durch diese Betrachtung verliert die beschriebene Entstehungs- weise viel vom absonderlichen. Es braucht eben die Knospe nicht (77) 18 Jovan Hadzi: aus allen oder mehreren Körperschichten des Muttertieres zu ent- stehen , nur das embryonale Gewebe ist in jedem Falle notwendig. Man braucht deshalb nicht von Polysporogonie [Seelig er (18)] zu reden, es ist wie jede andere Knospung eine „ungeschlechtliche Fort- pflanzung durch Wachstumsprodukte" (Haeckel: Schizogonie). Die Knospungsarten müssen ja nicht monophyletisch sein. Die Knospung, wie sie bei Hydra anzutreffen ist, hat sich höchstwahrscheinlich aus einer typischen entwickelt, dadurch, daß die indiflerenten Zellen immer mehr und mehr an der Knospenbildung teilgenommen haben. Nach Zykoff (22) (im Gegensatze zu Goette) sollen die Gemmulae von Ephydatia bloß aus indifferenten Parenchymzellen entstehen, da haben wir auch eine ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Wachstumsprodukte einer Körperschichte. Man wird sich vielleicht wundern, daß so wenig Fälle einer derartigen atypischen Knospung bis jetzt bekannt geworden sind. Dagegen läßt sich aber einwenden, daß auch nicht viel danach ge- sucht worden ist. Bei Hydroidpolypen , bei welchen die Knospen meistens aus Stiel- oder Wurzelcoenosark entstehen, ist ja gar nicht eine andere Knospungsart als durch Wachstum beider Epithelien zu erwarten. Hier sind die Epithelien jugendlich, undifterenziert. Wir sehen da Keimzellen aus beiden Keimblättern entstehen [Goette (6)]. Nach Goette (7) sollen es in einigen Fällen direkt die Epithelzellen des Entoderms sein , die die Keimzellen liefern. Am ehesten sind ähnliche Knospungsverhältnisse wie bei Hydra, an Medusenknospen der Clavidae und Corynidae, die an den Hydranten selbst entstehen , zu erwarten , oder überhaupt dort, wo die Knospen an Stellen entstehen , die von hochdifferenziertem Epithel gebildet sind, die aber indifferente Zellen enthalten. Gerade die allerersten Entwicklungsstadien der Medusenknospen wurden bei der Untersuchung bis jetzt wenig berücksichtigt. Die Knospungsarten könnte man folgendermaßen einteilen : 1. Die Knospe entsteht durch lokales Wachstum der Körperschichten, aus denen das Muttertier besteht (bei Cölenteraten sehr verbreitet, zum Beispiel Eudendrium , nach Seeliger). 2. Die Knospe ent- steht aus einigen (zum Beispiel aus einer, aber nicht allen) Körper- schichten unter Mitwirkung der embryonalen Zellen der Mittel- schichte (Mesenchymzellen) , zum Beispiel Bryozoa nach Braem. 3. Die Knospe entsteht bloß aus den embryonalen Zellen der Mittel- scbichte , zum Beispiel Hydra. Am Ende will ich noch eine Bemerkung über die Stellung zur Keimblattlehre machen. Die in vorliegender Arbeit gebrauchten (78) Die Entstehung der Knospe bei Hydra. 19 BegriiFe Ekto-, Meso-, Entoderm (äußere, mittlere, innere Körper- schichte) will ich nicht streng morphologisch aufgefaßt haben. Wenn dies der Fall wäre , dürfte man bei Hydra nicht vom Meso- derm sprechen. Den Begriff Mesoderm habe ich für Hydra erst am Ende eingeführt, nachdem ich durch Charakterisierung der in- differenten Zellen zunächst ihre Natur und Entstehungsweise klar- gelegt habe. Stellt man sich auf den berechtigteren physiologischen Standpunkt [Braem (2)] innerhalb der Keimblätterlehre, dann wird es auch gestattet sein, von einem, wenn auch mesenchymatischen Mesoderm zu reden. Die Stützlamelle kann man doch nicht als dazu vorhanden annehmen , damit sie uns die Grenze zwischen Ekto- und Entoderm stets klar anzeigt. Die Stützlamelle hat ihre Funktion, sie ist sozusagen ein inneres Skelett, ein Angriffspunkt der Mus- kelfasern. Betrachten wir das Entwicklungsstadium von Hydra, wo es drei deutlich gesonderte Körperschichten aufweist [Brauer (4)] und denken wir dann an den Wirkungskreis der interstitiellen Zellage der indifferenten Zellen. Die Lagerung der interstitiellen Zellschichte, das dürfen wir nicht vergessen, ist eine sekundäre. Die indifferenten Zellen werden umgriffen von den Fortsätzen der ektodermalen Epithelzellen. i) Die indifferenten Zellen dienen sowohl dem Ekto- wie dem Entoderm. Die basiepithelial gelegenen Nerven- zellen sind nicht zu der interstitiellen Zellage zu rechnen, ihre Entstehungsweise in der Ontogenie ist noch fraglich. AVenn man sich auf den physiologischen Standpunkt der Keim- blätterlehre stellt, wird man keinen Anstoß daran nehmen, die interstitielle Zellage als (mesenchymatisches) Mesoderm zu bezeichnen, wenn sie auch, wie es höchst wahrscheinlich ist, vom Ektoderm entsteht und nicht vom Entoderm. Kurze Zusammenfassung. 1. Die Knospe von Hydra entsteht nicht durch einfache „Aus- stülpung" der beiden Körperschichten des Muttertieres. 2. Sie entsteht vielmehr durch lokale Aktivierung der unter dem Ektodermepithel liegenden indifferenten Zellen (dem inter- stitiellen Zellager). 3. Das erste Stadium der Knospenentstehung ist durch rege Vermehrung der indifferenten Zellen gekennzeichnet. 4. Im zweiten Stadium rücken die indifferenten Zellen einer- seits zwischen die ektodermalen Epithelzellen und werden selbst zu ^) Bei Tubularia werden die basalen Teile der Muskelepithelzellen sogar selb- ständig nud werden zu echten Muskelzellen. (79) 20 Jovan Hadzi: solchen , andrerseits durchwandern sie die Stützlamelle , keilen sich zwischen die „mütterlichen" Nährmuskelzellen und werden zu solchen. 5. Für die Bildung des Entoderms der Tentakel wandern keine neuen indifferenten Zellen in das Entoderm ein. 6. Die Einwanderung der indifferenten Zellen aus dem inter- stitiellen Zellager des Ektoderms geht während des ganzen Lebens der Hydra vor sich (häufiger nach größerem Verbrauch von Eiweiß- drüsenzellen). 7. Die in das Entoderm (nicht bei Knospung) eingewanderten indifferenten Zellen differenzieren sich zu Eiweißdrüsenzellen. 8. Bei der Entstehung der Knospe müssen weder alle Körper- schichten noch überhaupt Epithelien Anteil nehmen , es genügen auch bloß indifferente (mesench^'matische) Zellen dazu. 9. In Anbetracht der Entstehungsweise und des Arbeitskreises des interstitiellen Zellagers kann man dieses trotz seiner Lagerung als Mesoderm (mesenchymatisches) bezeichnen , sobald man sich auf den physiologischen Standpunkt der Keimblätterlehre stellt. Literaturverzeichnis. 1. F. Bkaem, Über die Knospung bei mehrschichtigen Tieren, insbesondere bei Hydroiden. Biolog. Zentralbl., Bd. XIV, 1894, pag. 140—161. 2. F. Braem, Was ist ein Keimblatt? Biol. Zentralbl., Bd. XV, 1875, pag. 427—443, 446-476, 491-506. 3. F. Braem, „Untersuchungen über die Bryozoen des süßen Wassers". Bibliotheca Zoo]., Heft 6, 1890. 4. A. Brauer, Über die Entwicklung von Hydra. Mit 4 Taf. Zeitschr. f. wissen- schaftl. Zoologie., Bd. LH, 1891, pag. 169—217. 5. C. Chun, Cölenterata in Be CNN s Klassen und Ordnungen des Tierreiches. Leipzig 1894 u. 1896. 6. C. Chun, Atlantis. Biblioth. Zool., Heft 19, 1896, pag. 25—33. 7. A. GoETTE, Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Geschlechtsindividuen der Hydropolypen. Mit Taf. I— XVII, pag. 1—331. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. LXXXVII, 1907. 8. J. Hadzi, Über die Nesselzellenwanderung bei den Hydroidpolypen. Mit 2 Taf. Arbeiten aus den zoologischen Instituten der Universität Wien und der zoologischen Station in Triest. Tom. XVIII, Heft 1, 1907, pag. 65—94. 9. J. Hadzi, Über das Nervensystem von Hi/dra. 2 Taf. Arbeiten der zoologischen Institute Wien etc., Tom. XVIII, 1909. 10. C. F. JiCKELi, Der Bau der Hydroidpolypen I. Über den histologischen Bau von Eudendrium Ehrb. und Ifi/dra L. Gegenb. Morpholog. Jahrbücher, Bd. VII, 1883, pag. 401. 11. N. Kleinenberg , Hydra. Leipzig 1872. (80) Die EnlstehnnK (^er Knospe bei Hydra. 21 12. A. KoROTNEFF, Ziu' Keiintiiis der Embryologie von Hijdra. Zeitschr. f. wissen- schafti. Zoologie, Bd. XXXVIII, pag. 314—322. 13. A. KoKOTNEFF, AnatoHiische , biologische und embryologische Beobachtungen von Hydra. Bericht über einen Vortrag in „Verhandl. der zoologischen Sektion der VI. Versammlung russischer Naturforscher und Ärzte". Ref. von Brandt. Zoolog. Anzeiger, Bd. III, 1880, pag. 165—167. 14. A. Lang, Über die Knospung bei Hydra und einigen Hydropolypen. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. LIV, 1892, pag. 365—385, Taf. 18. 15. M. NussBADM. über die Teilbarkeit der lebendigen Materie. II. Mitteilung. Beiträge zur Naturgeschichte des Genus Hydra (7 Taf.). Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. XXIX, 1887. 16. H. T. RowLET, Histological changes in H3^dra viridis during regeneration. The amerik. naturalist. Vol. XXXVI, 1902, pag. 579—583. 17- 0. Seeliger, Über das Verhalten der Keimblätter bei der Knospung der Cölen- teraten. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. LVIII, 1901, pag. 152 — 188. 18. 0. Seeliger, Natur und allgemeine Auffassung der Knospenfortpflanzung der Metazoen. Verhandl. d. deutschen zoolog. Gesellsch., Bd. VI, 1896, pag. 25 — 59. J9- K. C. Schneider, Histologie von Hydra fitsca mit besonderer Berücksichtigung des Nervensystems der Hydropolypen (3 Taf.). Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. XXXV , 1890, pag. 321-379. 20. K.C.Schneider, Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere. Jena 1902. 21. J. Stschelkanowzeff, Untersuchungen über den Bau und Entwicklungs- geschichte der Cölenteraten (russisch). Berichte d. kaiserl. GeseUsch. d. Freunde f. Naturgeschichte, Anthrop. u. Ethnogr. in Moskau. Archiv d. zoologischen Abt., Tom. XVI, 1905 mit 5 Tafeln. 22. W. Zykoff, Die Entwicklung der Geminulae der Ephydatia fluviatilis Auct Zoologischer Anzeiger. 1892, pag. 95. Tafelerklärung. Allgemein gültige Bezeichnungen. Drh, Drüsenbildungszelle, Eb, Muskelepithelbildungszelle, Edz, Eiweißdrüsenzelle, Ek, Ektodermepithel, En, Entodermepithel, 7, indifferente Zelle, Ke, Kern der Muskelepithelzelle, K71, Kern der Nährmuskelzelle, M, Muskelfaser, Nk, Nahrungskörper, Nz, Nesselzelle, Nhz, Nesselbildungszelle, Nmb, Nährmuskelbildungszelle, SU, Stützlamelle, W, wandernde indifferente Zelle. Für alle Figuren gilt folgendes: es sind durchwegs Fragmente von Längs- schnitten von Hydra fusca, die mit Sublimat-Eisessig fixiert sind und mit Heiden- hains Eisenhämatoxylin gefärbt wurden. Alle Abbildungen sind, was ihre Konturen und Zellpositionen anbelangt, mit dem ABBEschen Zeichenapparat entworfen und nach- her ohne Zeichenapparat ausgeführt. Tafel I. Fig. 1. Ganz junges Knospungsstadium. Das interstitielle Zollager stark vermehrt. Das dichtere Aussehen des Entoderms (von Braem immer besonders betont) Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. Xvill, Heft 1. ß (g^\ 22 Jovan Hadzi: Die Entstehung der Knospe bei Hydra. kann man durch erhöhte Tätigkeit, Nahruiigszufuhr für das interstitielle Zell- lager erklären. Eine indifferente Zelle ist gerade im Begriffe hinüberzuwandern, zwei sind schon drüben (im Entoderm). Reichert, Ok. 2, Obj. 6. Fig. 2. Etwas vorgeschritteneres Knospungsstadium. Im interstitiellen Zellager sind sich teilende Zellen zu sehen. Zahlreiche Muskelepithelbildungszellen haben das Aussehen von epithelialen Zellen, das Plasma ist dunkler gefärbt als jenes der fertigen Muskelepithelzellen. Im Entoderm an der Knospenspitze Nähr- muskelbildungszellen , eine in Teilung begriifen. Die Grenzen der jugendlichen Nährmuskelzellen sind am Bilde übertrieben scharf ausgeführt. Außerhalb der Knospungsspitze sind keine wandernden indifferenten Zellen getroffen. Leitz, Ok. 4, Obj. 7. Fig. 3. Eine Stelle nahe der Knospenspitze. Knospungsstadium etwas jünger als in Fig. 2. Nährmuskelbildungszellen sind schön zu sehen. Eine indifferente Zelle in Wanderung begriffen. Leitz, Ok. 4, Obj. Ölimmersion '/i2' Fig. 4. Wie Fig. 3. Eine Gruppe von indifferenten Zellen. Leitz, Ok. 4, Obj. Öl- immer.sion 7^2- Fig. 5. Seitliche Partie der jungen Knospe. Wandernde indifferente Zellen. Leitz, Ok. 4, Ölimmersion Yia- Fig. 6. Die Spitze der Knospe liegt in der Verlängerung nach rechts. Junges Knospenstadium. Das Entoderm ist, wie in Fig. 3 — 6, nicht vollständig ein- gezeichnet. Im Ektoderm eine Muskelepithelbildungszelle (in Teilung begriffen?). Überwandernde indifferente Zellen. Nährmuskelbildungszellen (eine teilt sich?). Leitz, Ok. 4, Obj. Ölimmersion Yi-^- Fig. 7. Knospenspitze. An der Spitze lebhafte Überwanderung. Zeiss, Ok. 4, Obj. Apochrom. 8. Fig. 8. In der Entwicklung vorgeschrittene Knospe. An den Stellen, wo die Tentakel auswachsen sollen, im Ektoderm viele indifferente Zellen. Leitz, Ok. 2, Obj. 6. Fig. 9. Stück der Leibeswand einer ziemlich vorgeschrittenen Knospe. Man sieht die überwandernden indifferenten Zellen, die sich in Eiweißdrüsenzellen umwandeln. Leitz, Ok. 2, Obj. 6. Fig. 10- Zeigt dasselbe wie Fig. 9. Tafel II. Fig. 1. Verkeilung einer durch Messerschnitt angebrachten Wunde. Beschreibung im Texte. Leitz, Ok. 2, Obj. 6. Fig. 2. Seitenwand einer ausgewachsenen Hydra. Überwanderung der indifferenten Zelle. Man beachte die faltenartige Anhäufung der Nährmuskelzellen. Leitz, Ok. 2, Obj. 6. Fig. 3, 4, 5 und 9 zeigen Einwanderung der indifferenten Zellen in das Entoderm. Leitz, Ok. 2, Obj. 6- (82) f i Histologische Beobachtungen am Anthro- poidenovarium. Von H. Joseph. (Mit 1 Tafel und 7 Textfiguren.) Wohl wenige Organe des tierischen Körpers erfahren während des postembryonalen Lebens so tiefgreifende Veränderungen im Bau, wie die Keimdrüsen und ganz besonders die Ovarien. Hauptsächlich die Diskontinuität und Periodizität der Funktion, ferner die Ein- wirkung äußerer Verhältnisse sind es, welche das anatomisch-histo- logische Bild des Ovariums (und ich denke hier vor allem an das meist untersuchte, das Säugerovarium)so ungemein variabel erscheinen lassen. Erklären sich auf diese Weise die Differenzen, die je nach Alter, Ernährung, Jahreszeit, Geschlechtsperiode etc. im Bau des Ovariums festgestellt werden können, so kommen außerdem noch die spezifischen Eigentümlichkeiten der Arten hinzu, durch welche oft auffallende und tiefgreifende morphologische Abweichungen be- gründet werden. Wir sehen an mancherlei Beispielen, wie es selbst in Fragen des ganz normalen Geschehens (es sei an die Bildung des Corpus luteum erinnert) zu prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Untersuchern kommen kann, und erkennen daraus, wie schwer es ist, gerade beim Ovarium mit seinen stets wechselnden Zuständen über gewisse Grundfragen ins Reine zu kommen. Bedenkt man weiter, daß auch im normalen Ovarium sich eine Anzahl Vor- gänge abspielen, die wir ganz im Allgemeinen als degenerative be- zeichnen müssen, vor allem mit Hinblick auf ihren histologischen Charakter (z. B. die Follikelatresie), und erinnern wir uns dabei weiter daran, daß auch diese Prozesse in ihrer Erscheinungsweise, ebenso wie die ganz normalen, ja vielleicht noch in höherem Grade, von gewissen Umständen abhängen müssen (Alter, Fruchtbarkeit, Er- nährungszustand etc.), so ergibt sich von vornherein die Möglichkeit eines ungeheueren Tatsachenmateriales auf dem Gebiete der Ovarium- 6* (83) 2 H. Joseph: histologie, eine Voraussetzung, die durch einen Blick auf die Lite- ratur gerechtfertigt wird. Es kann uns aber auch auf Grund dieser Erwägung nicht Wunder nehmen , wenn wir die Grenze zwischen normalen und pathologischen Vorgängen nicht scharf abzustecken imstande sind, zumal die allgemeine Vermutung dafür spricht , daß die Ovarien von gewöhnlich frei lebenden Tieren, die aber längere Zeit in der Gefangenschaft sich befanden, dabei vielleicht sogar irgendwie krank waren, durch die abnormen Lebensbedingungen ungünstig beeinflußt wurden und atypische Bilder darbieten. Dies fallt um so mehr ins Gewicht, als wir ja vielfach histologisches Materia'l von in Tier- gärten und Menagerieen verendeten Tieren mangels besserer Ge- legenheit verarbeiten müssen. Es fragt sich in solchem Falle nur, ob und inwieweit wir berechtigt sind, Befunde, die wir an solchen, nicht ganz unverdächtigen Objekten erhoben haben, abgesehen von ihrem reinen Tatsachen wert, zur Lösung allgemeiner Fragen heran- zuziehen. Ich glaube, daß gerade beim Ovarium, wo, wie wir sahen, die Grenze zwischen normal und pathologisch keine ganz scharfe zu sein scheint, eine solche Berechtigung nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Speziell ich werde in dieser Abhandlung Gelegenheit haben, einige Prozesse zu schildern, die vermutlich normwidrig sind, deren abnormer Charakter aber deutlich einer Steigerung normalen Geschehens zu entsprechen scheint, also bloß quantitativer Natur ist und demgemäß die Aussicht eröffnet, der Analyse des normalen Geschehens um ein Gewisses näher zu kommen. Dies glaubte ich vorausschicken zu müssen , um die von mir vorgenommenen Untersuchungen an einem vereinzelten , vielleicht nicht ganz einwandfreien und bisher kaum in ähnlicher Richtung untersuchten Materiale zu rechtfertigen, ganz abgesehen davon, daß es sich ja in meinem Falle um Tiere handelt, die in bezug auf ihre körperlichen Eigenschaften dem Menschen am nächsten stehen und dementsprechend mit Rücksicht auf dessen Histologie ein höheres Interesse beanspruchen. Mein Material setzte sich aus zwei Objekten zusammen. Das eine war ein zufällig in meinen Besitz gekommenes ganzes Genitale eines gesunden, angeblich erwachsenen Orangweibchens, das in Java, halb im Freien, also unter sehr günstigen Umständen ge- halten worden war. Über die Umstände seines Todes ist mir keine Nachricht zugekommen; das Genitale war in toto in konzentrierte Sublimatlösung eingelegt und dann in Alkohol + Jod übertragen worden. Die Ovarien erwiesen sich als recht gut konserviert, wenn (84) Histologische Beohachtungeii am Aiithropoidenovarium. 3 man von der auch bei sonst guter Konservierung häufig eintre- tenden Ablösung der Granulosa von der Innenfläche der Theca folliculi absieht. In den Ovarien fanden sich eine große Anzahl 1 — 3 mm im Durchmesser haltender Graaf scher Follikel. Zeichen von Follikelatresie und ähnlichen Vorgängen fanden sich nicht. Eine Anzahl kleiner Corpora lutea war vorhanden. Ich darf dieses Objekt wohl als ziemlich normal betrachten. Das zweite Objekt war ein Stück Ovarium von einem Gibbon Hylobates leuciscus Kühl.; das Tier hatte einige Monate in der kaiser- lichen Menagerie in Schönbrunn gelebt und war unter den üblichen Krankheitserscheinungen der in Europa gehaltenen Anthropoiden ein- gegangen. Mein Freund Herr Dr. Walther Kolmer, Privatdozent für Histologie an der k. k. Hochschule für Bodenkultur in Wien, konservierte Teile des Kadavers und überließ mir das genannte Objekt, wofür ich ihm auch an dieser Stelle herzlichst danke. Die Konservierung war in einem Gemisch von Kaliumbichromat, Form- aldehyd und Eisessig erfolgt und erwies sich als vorzüglich. An- zeichen postmortaler Veränderung fehlten vollkommen, z. B. war das so empfindliche Keimepithel mit Ausnahme von einzelnen offenbar mechanisch geschädigten Stellen vollständig intakt. Das Orangmaterial wurde teils in Paraffin, teils in Celloidin geschnitten, das Gibbonmaterial nur in Paraffin; von Färbungen wurden angewandt: DELAFiELDsches Hämatoxylin in Verbindung mit Orange und Säurefuchsin, Eosin oder van GiESONscher Lösung, Heidenhains Eisenhämatoxylin mit und ohne Orange. Einzelne Schnitte vom Orangovarium wurden auch der künstlichen Ver- dauung unterworfen. Die Schnittdicke schwankte zwischen 5 und 15;^.. Sämtliche Abbildungen sind Mikrophotogramme. Meine Befunde und Auseinandersetzungen an den beiden Ob- jekten beziehen sich auf folgende drei Punkte: 1. Morphologie des Liquor folliculi, 2. Herkunft der Zona pellucida, 3. Natur der sog. „CALL-ExNERschen Körperchen". I. Zur Morphologie des Liquor folliculi. Bisher war man gewohnt, dem Aussehen des Liquor folliculi keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, und zwar aus dem Grunde, weil man wußte, daß er im Leben eine klare, höchstens einige losgelöste Granulosazellen enthaltende, eiweißhaltige Flüssigkeit sei, wohl ein Sekret oder Transsudat der Granulosazellen, das sich im konservierten Zustande in Form eines netzigen oder granulösen (85) 4 H. Joseph: Gerinnsels, ähnlich etwa gewissen Fibringerinnseln, von wechselnder Feinheit der Struktur präsentierte. Man beschäftigte sich wohl mit Recht nicht weiter mit der Struktur dieses Gerinnsels, die ja sicher nur ein Koagulationsprodukt, hervorgerufen durch das fixierende Agens, sein kann. Daß der geronnene Follikelliquor an Volum ver- loren hat und entweder in seinem Innern oder zwischen sich und der Granulosa Lücken freiläßt, darf ebenso als altbekannte Tat- sache gelten. Ich habe bei eifriger Durchsicht der Literatur nichts Textfipur T. GRÄAF scher Follikel vom Orang. Liquor geschrumpft, zahlreiche Liquorkörperchen enthaltend. Vergr. 110 X- gefunden, was über das hier bezüglich des Aussehens des Liquor Angedeutete hinausginge. Um so überraschender wirkte es auf mich ein, als ich gleich in den ersten Schnitten vom Orangovarium im Liquor eine Unzahl deutlich charakterisierter geformter Elemente fand, die ein durchaus eigenartiges Aussehen des Liquor hervorriefen, wie ich es vorher in zahlreichen Ovarien anderer Tiere und des Menschen niemals gesehen hatte. Textfigur I und II erläutern das Verhalten. In der sehr feingerinnseligen Grundsubstanz des Liquor liegen rundliche bis elliptische, scharf konturierte Körper. Ihre Größe schwankt etwa zwischen 0"5 und 15 >j- (die länglichen Körperchen (86) Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovarium. 5 nach der größten Dimension gemessen). Sie bestehen aus durchaus homogener Substanz, haben eine stärkere Färbbarkeit in Hämato- xylin, Eosin etc. als die Grundsubstanz und sind in ungefärbtem Zustande ziemlich stark lichtbrechend und glänzend, so daß man leicht an Fettröpfchen denken möchte. Doch schon ihre Alkohol- und Ätherunlöslichkeit schließt ihre Fettnatur aus. Daß sie zelliger Natur seien, erscheint ebenfalls auf den ersten Blick ausgeschlossen, man gewinnt den Eindruck , daß es sich um Tropfen einer dick- Textflgur II. UetailbiJd aus dt-m Follikel der Texttigur I, jedotli dorn NaclibaiöeliUitt ciituuiuiiu.u. Cumulus ovigerus, vom Liquor umgeben. Massenhafte Liquorkörperclien von verschiedener Form und Größe. Vergr. 250 X- flüssigen Substanz handle, was noch weiter begründet werden soll. Am meisten ähneln die Dinge im Aussehen noch den Dotterkörper- chen in Amphibieneiern. Die im Brutschrank von 38^ C ausgeführte Verdauungs- probe mit einem künstlichen Magensaft ergab schon nach wenigen Minuten, lange Zeit bevor sich die Flüssigkeit auf die erwähnte Temperatur hatte erwärmen können, spurlose Lösung der Körperchen, die sich somit mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit als reines Eiweiß erwiesen. Das Gerinnsel der Liquorgrundsubstanz wider- stand viel länger der verdauenden Wirkung und verschwand über- (87) 6 n. Joseph: haupt niclit ganz, auch nicht bei längerer Einwirkung. Hervorheben möchte ich die Verteilung des Liquor und seiner Inhaltskörperchen. Der Liquor hatte sich in den beobachteten Follikeln im allgemeinen von der Oberfläche des Ovariums weg gegen das Zentrum zurückgezogen, dasselbe galt wiederum innerhalb des Liquorgerinnsels von den Körperchen. Die periphersten Partien des Liquor waren oft ganz frei von den letzteren. Eigentümlich ist es, daß längs der Innenwand der Granulosa und der Oberfläche des Discus ovigerus die Körperchen mit ihren Längsachsen parallel zueinander und zur Granulosafläche angeordnet, ja sehr oft in dieser Richtung stark in die Länge gezogen waren, wie man es auch an einer Stelle der Textfigur II deutlich bemerkt. Es entstanden auf diese Art gewissermaßen Ströme dieser ge- formten Elemente, welche der Wand parallel liefen. Diese Erschei- nungen dünken mich für die Beurteilung der ganzen Struktur von ziemlicher Bedeutung. Das Einzigartige des geschilderten Vorkommens macht eine Aussage über die wahre Bedeutung desselben sehr schwer. Die zuerst sich erhebende Frage ist natürlich die, ob es sich nicht um ein Kunstprodukt handle, etwa um eine besondere Gerinnungser- scheinung. Nehmen wir letzteres an, so ist damit doch eine außer- ordentliche stoff'liche Besonderheit des Orangliquors statuiert, denn es sind ja schon unzählige Male Ovarien mit konzentrierter Sublimat- lösung fixiert worden, ohne daß eine ähnliche Beobachtung gemacht worden wäre. Mir scheint aber die Annahme einer bereits intra vitam gegebenen Struktur bei Weitem plausibler. Abgesehen von dem Umstände, daß Ähnliches bei gleicher Behandlung bisher nicht beob- achtet wurde, ist es die Form, Größe und Verteilung der Körperchen, die mich hierzu veranlaßt. Körnige Fällungen von Eiweißlösungen haben in der Regel ein viel kleineres Kaliber, als es hier vorliegt, die Gerinnselkörnchen einer homogenen Lösung sind untereinander so ziemlich gleich groß und besitzen endlich meist Kugelgestalt. All das trifft hier nicht zu. Die Körperchen zeigen untereinander beträchtliche Größendifferenzen, besitzen häufig ansehnliche Dimen- sionen (Größe eines Granulosakernes) und weichen oft von der Kugelgestalt in verschieden hohem Grade ab. Würden endlich die Körperchen durch einen Gerinnungsproceß in dem Liquor erst bei der Fixierung entstehen, so wäre nicht einzusehen, warum sie in den der Oberfläche zugewandten Partien des Gerinnsels fehlen, sie müßten dann allenthalben gleichmäßig verteilt sein. Der Umstand aber, daß sie sich besonders stark in den innersten Teilen der Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovarium. 7 Follikelhöhle anhäufen, und daß sie in der Nähe der Wand eine Verzerrung in der Längsrichtung beziehungsweise eine Abplattung aufweisen, spricht dafür, daß das Eindringen der Fixierungsflüssig- keit eine Art Verschwemmung der bereits vorhandenen körperlichen Gebilde (ähnlich der bekannten „Chromatinverschwemmung" in schlecht fixierten Kernen hervorgerufen habe und daß die in der Flüssigkeit flottierenden Tropfen in der Nähe der Wand durch den hier herrschenden größeren Reibungswiderstand und infolge ihrer zähweichen Konsistenz in die Länge gedehnt wurden, bevor die Gerinnung eintrat. Mit Rücksicht auf diese Deutung erscheint es bemerkenswert, daß diese Längenverzerrung nur an den größeren Elementen stattfindet, während die kleineren (offenbar infolge ihrer größeren Oberflächenspannung) von derselben nicht betroffen werden. Alle diese Argumente scheinen mir wohl das intravitale Vor- handensein der Liquorkörperchen wahrscheinlich zu machen, jedenfalls wäre eine einwandfreie Feststellung, etwa durch Unter- suchung des frisch dem Kadaver entnommenen Liquors ohne irgend welchen Zusatz erwünscht und von einzig entscheidender Bedeu- tung. Dies sei denen, die in der Lage sind , dieses einfache Ex- periment bei Gelegenheit anzustellen, empfohlen. Über die Art der Entstehung der Liquorkörperchen kann ich nichts Sicheres aussagen, doch glaube ich, daß sie dieselbe Ent- stehung haben wie der Liquor überhaupt, daß sie vielleicht eine mit der eigentlichen Liquorflüssigkeit nicht mischbare oder sich im Verlaufe der Zeit aus ihm entmischende Substanz darstellen. Daß dann hier offenbar zwei verschiedene Substanzen von einem und dem- selben Element, der Granulosazelle, geliefert werden müßten, kann den nicht wundernehmen, der weiß, daß die Granulosazellen auch sonsthin (wir kommen selbst im weiteren Verlaufe darauf zurück) recht verschiedene Produkte liefern können. Es liegt nahe, und die Frage wurde von verschiedenen Seiten gelegentlich eines Vortrages an mich gerichtet, an einen cellulären Ursprung der Körper insofern zu denken, als sie durch Degenera- tion von abgelösten Granulosazellen entstanden sein könnten. Dafür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Ich fand zwar, so wie in den Ovarien vieler anderer Tiere, auch hier ab und zu einzelne abgelöste Granulosaelemente im Liquor, doch waren sie so gering an Zahl und zeigten so abweichende Charaktere und keinerlei Ubergangsstadien zu den homogenen Tropfen, daß ich die ange- deutete Möglichkeit für vollkommen ausgeschlossen halte. Ebenso wenig glaube ich Anlaß zu haben, die geschilderte Erscheinung auf (89) 8 H. Joseph: irgend welchen pathologischen Prozeß zurückzuführen. Von sehr geschätzter Seite wurde mit Hinblick auf die eigentümliche keulen- förmige Gestalt des Cumulus oophorus in dem von mir zur Abbildung gewählten Follikel gefragt, ob hier nicht eine Ablösung von Granu- losazellen in großem Maßstabe stattgefunden haben könne, die einerseits die Form des Cumulus bewirkt, andrerseits das Material für die Körperchen geliefert hätte. Darauf bemerke ich, daß die Keulenform des Discus hier nur eine scheinbare ist, es handelt sich in Wirklichkeit um den Anschnitt eines ganz normal gestalteten Follikels, zu dessen Cumulus, der in der Mitte getroffen wurde, von unten her (im Schnitte) eine cristaartige Erhebung des Grauu- losaepithels hinzog. Ich wählte diesen Follikel wegen der besonders schönen Eizelle und der guten Übersicht über den geformten Liquor- inhalt zur bildlichen Darstellung aus und bemerke , daß ich zahl- reiche Follikel in meinen Präparaten finde, die in bezug auf den Discus ovigerus ein vollkommen gewöhnliches Aussehen zeigen. 2. Zur Frage der Herkunft der Zona pellucida. Im Ovarium des Orang machte ich ferner eine zweite auf- fallende Beobachtung, deren in der Literatur nur selten und kaum in dem hier vertretenen Sinne Erwähnung gemacht wird. Es handelt sich, wie ich vorausschicken möchte, um das Vorhanden- sein eigener, kleiner, offenbar nicht zum Ei gehöriger Kerne, oder besser, Zellen an der Oberfläche des Eies unterhalb der Zona pellucida. Das Vorkommen von Kernen an dieser Stelle wurde in der älteren Literatur mehrfach berichtet und in ver- schiedenster Art gedeutet. Ich glaube, daß gerade mit dem Substrat dieser älteren Angaben meine Fälle nichts zu tun haben und muß mich auch mangels eigener Erfahrung einer Beurteilung der ersteren enthalten. So hat schon Pflüg er innerhalb der Zona und an der Eioberfläche Zellen beschrieben („Spundzellen", „Nagelzellen"), die er als einwandernde Elemente deutete und in Zusammenhang brachte mit einem Absterbevorgang des Eies. Lindgren beschreibt Ähnliches und faßt es in dem Sinne auf, daß es sich um einen im Jugendzustand des Follikels sich abspielenden, der Ernährung des Eies dienenden Prozeß handle. Dabei wird eine Beziehung zur His sehen Parablastlehre wahrscheinlich gemacht. Wagener be- schreibt gleichfalls das Eindringen von Elementen der Granulosa durch die Zona und ist geneigt, den Vorgang mit einem Zerfallsprozeß im Ei in Zusammenhang zu bringen, wenn er auch die Möglichkeit der LiNDGRENschen Annahme nicht völlig ausschließt. Auch Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovarium. 9 H. ViRCHOw und Petitpierre maclien ähnliche Beobachtungen. Man muß zugeben, daß in den hier angeführten Fällen ein wirkliches Eindringen von Grranulosazellen (oder vielleicht noch eher von Wanderzellen), und zwar im Zusammenhang mit einem degenera- tiven Prozeß im Ei im höchsten Grade wahrscheinlich ist. In diesem Sinne äußert sich auch Nagel. Eine solche Annahme trifft jedoch für die von mir zu schildernden Zustände nicht zu. Aus der Literatur kann ich nur eine aus der jüngsten Zeit stammende Andeutung mit meinem Fände vergleichen. Sie rührt von Waldeyer her und findet sich in dem Artikel „Geschlechtszellen" im Hertwig sehen Handbuch der Entwicklungsgeschichte (I. Band, I. Teil, 1. Hälfte). Hier steht auf pag. 255 die Abbildung eines frischen menschlichen Eies, dessen Kontur dicht unter der Zona zwei flache Gebilde an- liegen, die vom Autor als „subzonale Kerne" bezeichnet werden, und die entweder als Wanderzellen oder (im Anschlüsse an Kohl- brügges Beobachtungen am Knochenfischei) als eingedrungene Follikelzellen gedeutet werden könnten. Auf pag. 330 befindet sich nochmals eine Abbildung eines frischen menschlichen Eies, das gleichfalls eine Mehrzahl derartiger „subzonaler Kerne" aufweist. Die Bilder selbst, vor allem das zweite, sind meiner Ansicht nach nicht imstande, die Kernnatur dieser Gebilde mit unbedingter Sicherheit zu erweisen, doch glaube ich, gerade mit Rücksicht auf meinen Fund, die WALDEYERsche Deutung unterstützen zu können. Das, was mir vorlag, will ich, um dieser Übereinstimmung willen, im Anschlüsse an Waldeyer gleichfalls subzonale Kerne oder noch besser subzonale Zellen benennen. Ich fand sie haupt- sächlich in jungen Follikeln, die bereits ein kubisches oder zylin- drisches, noch einschichtiges Granulosaepithel und die erste Anlage einer Zona hatten (Fig. 16 und 17). Hiermit liefere ich auch einen Beitrag zu der vielfach diskutierten Frage nach der Zeit des ersten Auftretens der Zona, indem ich feststelle, daß dasselbe sehr frühzeitig stattfindet. Wir sehen in Figur 17 rechts unten nach innen von der Zona einen länglichen Kern, in dessen Umgebung eine spindel- (richtiger linsen-) förmige Anhäufung von dichterem Protoplasma der Zona-Innenfläche sich anschmiegt. In Figur 16 sehen wir sogar rechts oben zwei derartige Kerne in enger Nachbarschaft zueinander und in sonst gleichen Beziehungen. Es liegt mir vor allem anderen daran, den histologischen Charakter dieser Zellen festzustellen. Dies- bezüglich kann ich bestimmt versichern, daß von Wanderzellen irgend- welcher Art nicht die Rede sein kann. Die Kerne der Wander- zellen in dem gleichen Präparat (Lymphzellen etc.) haben eine ganz (91) 10 H. Joseph: andere, dichtere Struktur, Gestalt und Färbbarkeit, sie erscheinen intensiv dunkel schwarzblau gefärbt, während die hier vorliegenden Kerne, nur mäßig stark gefärbt, ein deutliches Chromatingerüst zeigen und in jeder Beziehung (mit Ausnahme der wohl durch ihre Lage bedingten etwas platten Form) den nächstgelegenen Granu- losazellen gleichen. (Auch ein Vergleich mit den bindegewebigen Stromazellen desOvariums ergibt keine Übereinstimmung.) So kommen wir zu der Annahme, die wohl von Anfang an die nächstliegende war, daß diese Zellen identisch sind mit den Follikelele- menten und von ihnen abstammen. Um ihre Natur und Rolle genau festzustellen, müssen wir noch einige Beobachtungen hier hervor- heben. Dort nämlich, wo solche Zellen der Zona innen anliegen, zeigt letztere eine deutliche Verdickung, die vor allem auffallend in Figur 17 zutage tritt, aber auch anderwärts mit Leichtigkeit und Sicherheit nachweisbar ist. Ja noch mehr: Die Zona des Eies von Figur 16 zeigt links unten eine sehr starke linsenförmige Ver- dickung, in der ein dunklerer, scharf begrenzter Körper von Ellipsenkontour eingeschlossen ist. Ich halte diesen Körper (der infolge des dunklen Drucktones in der Abbildung nicht genau ausgenommen werden kann) gleichfalls für einen derartigen „sub- zonalen" Kern. Ich komme nunmehr auf jenen Punkt zu sprechen, der mich in dem vorliegenden Zusammenhang am meisten interessiert, die Frage nämlich nach der Abstammung der Zona pellucida. Stammt sie vom Ei oder vom Follikel ? Ich verweise bezüglich dieser Streit- frage auf die vorliegende Literatur (vor allem v. Ebner) und betone nur, daß die neueren Autoren zur überwiegenden Mehrzahl die Herleitung der Zona vom Follikelepithel behaupten und mit zureichenden Gründen stützen, neuestens auch Rüsso, Regaud und DuBREUiL. Namentlich die Argumente v. Ebners sind es, die ich mir gleichfalls zu eigen mache, indem ich vor allem aaf die so vielfach festgestellte scharfe Abgrenzung der Zona gegen das Ei, die unscharfe zackige gegen das Follikelepithel Wert lege. Ich will übrigens dieses Argument hier nicht zu weit ausführen, da ich ge- nötigt sein werde, bei der Schilderung meiner Beobachtungen über die ,.CALL-ExNERschen Körper" nochmals darauf zurückzukommen. Für jetzt ergibt sich aus dem Angeführten folgendes Resultat: Da ich die Identität meiner subzonalen Zellen mit Granulosazellen dartun konnte, da ich ferner an der Stelle, wo diese zelligen Ele- mente liegen, regelmäßig eine Verdickung der Zona pellucida fand, (92) Histologische Beobachtangeii am Anthropoidenovarium. 11 folgt von selbst die Notwendigkeit, die Zona auf die Tätigkeit der Granulosazellen zurückzuführen. Naturgemäß muß dort, wo die Zona innen und außen von den sie erzeugenden Granulosazellen begrenzt wird, eine um so stärkere Abscheidung von Zonasubstanz stattfinden, also eine Verdickung entstehen. Das Ei selbst ist ja an diesen Stellen von dem Kontakt mit der Zona ausgeschlossen und kann um so weniger für deren stärkere Ausbildung und auch nicht für deren Entstehung überhaupt verantwortlich gemacht werden. Daß in Fig. 16 ein solcher subzonaler Keim mitten in einer Verdickung der Zona liegt, läßt sich einfach dadurch erklären, daß die betreffende Zelle eben allseitig um sich herum Zonasubstanz abschied , was auch die besondere Dicke an dieser Stelle erklären mag. Wir hätten es also hier eigentlich mit einem „intrazonalen" Kern zu tun. Für diese Frage fällt auch eine Äußerung Köllikers ins Gewicht, der in seiner Gewebelehre, V. Auflage, pag. 552 (ich fand das Zitat bei v. Ebnee) berichtet, daß sich die Zona zuerst da verdickt, wo das Follikelepithel dicker ist. Nach all dem haben wir die „subzonalen Kerne" als Follikelelemente aufzufassen, die bei dem ersten Auftreten der Zona pellucida zufällig an deren Innenfläche zu liegen kamen und ihre zonabildende Tätigkeit hier fortsetzen. Durch die Einklemmung zwischen der Oberfläche des wachsenden Eies und die Zona haben sie im weiteren Verlaufe die geschilderte Abplattung erfahren. Die Undeutlichkeit ihrer Kernnatur in den Abbildungen von Waldeyer mag mit der maximalen Kompression durch das herangewachsene Ei zu erklären sein. Jedenfalls wird durch meinen Fund die jetzt im Vordergrund stehende Lehre von der follikulären Abstammung der Zona pellucida um ein weiteres Argument bereichert. 3. Über die Natur der „Call-Exnerschen Körper". Das Studium der Schnitte vom Gibbonovarium brachte mir eine Fülle von interessanten Einzelbeobachtungen, mit denen ich die Frage nach der Bedeutung und dem Ursprung der sog. Call- ExNERschen Körperchen fördern zu können glaube. Freilich trifft für das mir vorliegende Objekt der Einwand zu, daß es vielleicht nicht ganz normal sein könnte, doch verweise ich diesbezüglich auf das in der Einleitung Gesagte. Eine detaillierte Darstellung der Gesamtliteratur über diese so strittigen Gebilde zu geben, kann ich mir wohl erlassen, da das Erforderliche schon von anderer Seite mehrfach geschehen ist(HoNORE, (93) 12 H. Joseph: ScHOTTLAENDER u, H., zuletzt in ausführlichster "Weise von Rag- NOTTi), Ich werde bei passender Gelegenheit auf die einzelnen An- gaben und Ansichten zu sprechen kommen. Die CALL-ExNERschen Körper haben, seit man ihnen ein spezielles Interesse zuwendet, die verschiedenartigste Beschreibung, Beurteilung und Benennung erfahren, und dem, der sich ohne eigene Erfahrung in das Studium der Literatur vertieft, muß sich die Ver- mutung aufdrängen, daß es vielleicht Dinge von sehr differenter Bedeutung sind, die den Autoren vorgelegen haben. Auch ich kann mich , nachdem ich die Literatur kennen gelernt und einige selb- ständige Beobachtungen gemacht habe, dieses Eindruckes nicht ganz erwehren und kann daher auch nicht den Anspruch erheben, daß die von mir zu bringende Deutung auf sämtliche von anderen be- schriebene Vorkommnisse paßt. Nicht nur mir, sondern auch manchem meiner Vorgänger ging es ebenso, weshalb wir mehrfach dem Versuche begegnen, jene kleinen oder größeren Hohlräume, Einschlüsse etc., die man (abgesehen von der Liquorhöhle) im Follikel trifft, nach bestimmten Gesichtspunkten zu klassifizieren, wovon weiter unten die Rede sein wird. Schon in den ersten hiehergehörigen Arbeiten (abgesehen von einigen älteren, nicht ganz bestimmten Notizen z. B. von Bernhardt, Wagner, Bischoff, Waldeyer) machen sich wesentliche Differenzen geltend. Call und Exner halten die von ihnen in der Granulosa des Kaninchenfollikels gefundenen Ein- schlüsse für Eier, wenn sie auch zugestehen müssen, keine Kerne darin gefunden zu haben. Die Autoren neigen der Ansicht zu, daß diese von ihnen als Eier angesprochenen Gebilde sich im Follikel neugebildet haben, und weisen die Möglichkeit zurück, diese Fälle etwa mit jenen zu identifizieren, wo in einem Follikel zwei wohl- ausgebildete Eier liegen. Unabhängig von Call und Exner be- schrieb Flemming seine „Epithelvakuolen". Sie sollen aus der Verquellung und Auflösung von Granulosazellen entstehen und gehen vielleicht schließlich in den Liquor über, von dem sie aber anfangs in ihren Reaktionen deutlich abweichen. Was die von Call iTnd Exner gegebene Deutung der Gebilde als gewissermaßen jugend- liche Eizellen betrifft, so ist eine solche in der späteren Literatur, und wohl mit Recht, nicht mehr versucht worden, doch hat man umge- kehrt vielfach die in Rede stehenden Einschlüsse von Eiern (even- tuell von accessorischen oder Nebeneiern) ableiten wollen. Zu denen, welche für die Herleitung aus Granulosazellen eintreten oder sie wenig- stens vermuten, gehören Alexenko, Schottlaender (in früherer Zeit), Levi, H. Rabl, v. Ebner, Ragnotti. Nagel ist geneigt, in (94) Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovarium. 13 seinen „Nährzellen" den Ausgangspunkt zu erblicken, eine Ansicht, die neuerdings von Schottlaender zwar akzeptiert, aber auch in gewissem Sinne modifiziert wurde, indem er Nagels „Nähr- zellen" als „Nebeneier" betrachtet. Durch diese Annahme von Nagels Standpunkt schließt Schottlaender ein Kompromiß mit seiner früheren, sich an Flemming anlehnenden Äußerung be- züglich der Herleitung der CALL-ExNERschen Körper aus Granu- losazellen. Auch Russo nimmt einen zelligen Ursprung an; ein- zelne Granulosazellen sind die ersten Anlagen der Call-Exner- schen Körper, sie bilden ein Centrum, um das sich andere Granu- losazellen anordnen. Die Substanz der CALL-ExNERschen Körper entsteht durch Auflösung der centralen Zellen, dazu kommt noch das spezifische Sekretionsprodukt der umliegenden Zellen in Ge- stalt von intensiver färbbaren Körnchen. Russo nimmt also einen vermittelnden Standpunkt zwischen der Ansicht von der cellulären und der von der intercellulären Entstehung ein. Ferner gibt er an, daß schließlich die Substanz der CALL-ExNERschen Körper in den Liquor übergehe. Manche Autoren sehen sich veranlaßt , aus der Gruppe der ÜALL-ExNERschen Körper gewisse Dinge auszuscheiden. So unter- scheidet V. Ebner: 1. Hohlräume, die mit einer vom Liquor ver- schiedenen Substanz erfüllt sind als ÜALL-ExNERsche Körper von 2. solchen, die mit gewöhnlichem Liquor gefüllt sind, die meist gegen Ende des FoUikelwachstums auftreten und zur Bildung der sog. ßetinacula Anlaß. geben. Ragnotti unterscheidet gleichfalls zweierlei Granulosaeinschlüsse : 1. Degenerierte Eier, 2. echte Call- ExN ER sehe Körper (corpidiCALL ed Exner veri e propri). Rag- notti schließt also, wie wir sehen, den Ursprung der Körperchen aus Eiern aus, schon daraus können wir erkennen, daß nicht von allen Autoren dasselbe gesehen und gemeint worden ist. Die echten CALL-ExNERschen Körper entstehen nach Ragnotti durch hyaline Degeneration von Follikelzellen und treten nicht vor dem Er- scheinen des Liquor follicuUi auf. Janosik wieder erklärt die Call- ExN er sehen Körper für kleine Hohlräume mit gewöhnlichem Liquor, dieselben würden also unter die von v. Ebner sub 2. angeführten Gebilde gehören. Diesen Autoren, welche die' CALL-ExNERschen Körper aus Zellen entstehen lassen, gegenüberzustellen sind jene, welche eine Bildung aus intercellulär abgeschiedener Substanz, also eine Art Sekretion oder Transsudation, annehmen. Als Begründer dieser An- schauung ist Honore zu nennen, ihm sind in neuerer Zeit Limon, (95) 14 H. Joseph: KiEGAUD und DuBREUiL gefolgt. Alle diese Autoren stimmen darin überein, daß es sich hier um Massen einer besonderen Substanz handle, welche durch die Tätigkeit der Granulosazellen entsteht und zwischen die Zellen abgeschieden wird. Ich will gleich voraus- schicken, daß auch ich mich im allgemeinen zu dieser Ansicht be- kenne, wenn ich auch, für gewisse Fälle wenigstens, die Teilnahme cellulärer Elemente ausdrücklich betonen muß. Aber der wesentliche und primäre Vorgang ist der einer intercellulären Abscheidung. Strenge betonen muß ich jedoch, daß meine Stellungnahme lediglich auf den Befunden am Gibbonovarium beruht und daß ich nicht an- stehe, auch andere Bildungsmodi als möglich zuzugeben. Doch wäre es in einem solchen Falle dringendes Erfordernis, eine exakte Klassi- fikation aller hier in Betracht kommenden Bildungen vorzunehmen und vor allem auch endgültig festzustellen, welchen unter ihnen der Name „CALL-ExNRRsche Körperchen" gebührt. Da die von mir zu schildernden Dinge mehrfach morphologisch mit dem vollkommen übereinstimmen, was von verschiedenen Autoren mit diesem Namen bezeichnet worden ist, so stehe ich nicht an, von dieser Bezeichnung den ausgedehntesten Gebrauch zu machen. Das meiner Untersuchung zugrunde liegende Gibbonovarium war ungemein reich an Follikeln jedes Entwicklungsstadiums und von normaler Beschaffenheit; außer diesen aber fanden sich eine Menge von Follikeln, die man zum mindesten als atypisch, wenn nicht als in Wirklichkeit pathologisch bezeichnen muß. Ich habe bereits eingangs betont, daß ich das Wesen dieser abweichenden Erscheinungen hauptsächlich als eine Steigerung gewisser normaler Vorgänge (des Stoffwechsels?) aufzufassen geneigt bin und will diese Ansicht des weiteren ausführlich begründen. Mit den in der Lite- ratur vielfach beschriebenen Formen der Follikelatresie , Follikel- degeneration etc. haben diese Bilder keinerlei Ähnlichkeit. Es mangeln ihnen (mit gewissen geringen Ausnahmen) völlig die Erscheinungen der Kern- und Zelldegeneration (Chromatolyse, Karyopyknose, Leu- kocyteneinwanderungetc), im Gegenteil, das Granulosaepithel speziell hat in weitaus den meisten Fällen einen durchaus normalen Cha- rakter. Es fällt mir aber nicht ein, hierait ausdrücken zu wollen, es hätten die vielen in so auffallender Weise veränderten Follikel etwa noch ein normales Schicksal vor sich gehabt. Dazu scheint mir denn doch die Art und der Grad der Abweichung bereits zu groß. Nur konnte ich eben über das weitere Schicksal dieser Fol- likel nichts erfahren, und zwar, wie ich glauben möchte, aus fol- gendem Grunde: Die ganz großen Follikel boten ein Aussehen dar, (96) Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovarium. 15 das ich durchwegs als normal oder nahezu normal bezeichnen darf. Ich denke mir, daß die Entwicklung derselben bereits in hohem Grade fortgeschritten resp. abgeschlossen war zu der Zeit, als sich an dem Tiere die üblen Einwirkungen der äußeren Verhältnisse (Grefangenschaft, Siechtum) geltend zu machen begannen und eine wesentliche Beeinflussnng durch diese Umstände nicht mehr möglich war. Das massenhafte Vorkommen von kleineren abnormen Follikeln hingegen läßt es mir als höchst wahrscheinlich gelten, daß es in erster Linie die seinerzeit vorhandenen, noch jugendlichen Ent- Texlfigur III. Größerer Follikel, noch ohne Liquorhöhle. Ei mit sehr dicker Zona pellucida. Gibbon. Vergr. 175 X- Wicklungsstadien waren, welche ungünstig beeinflußt wurden. Der inzwischen eingetretene Tod des Individuums hatte zur Folge, daß der Prozeß sich nicht bis zu Ende abspielen konnte und daher nur gewisse, für unsere Zwecke aber höchst wertvolle Initialstadien eines degenerativen Prozesses zur Beobachtung gelangen konnten. Nur auf diese Weise kann ich mir die durch mannigfaltige Übergänge dargestellte, jedoch nur bis zu einem gewissen Punkte verfolgbare Reihe von abnormen jugendlichen Follikeln neben einer großen Anzahl normal aussehender, reifer oder fast reifer Follikel befriedigend erklären. Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tora. XVIII, Heft 1. 7 (97) 16 H. Joseph: Vor Eingehen auf die Schilderung der Befunde will ich nur noch betonen, daß in dem Ovariura eine geringe Zahl kleiner Corpora lutea, sowie eine größere stark pigmentierte Stelle, die vielleicht einem alten „Corpus nigrum" entsprach, zu finden waren. (Auf letzt- erwähnte Stelle machte mich bei Durchsicht von einigen Schnitten Herr Prof. Schottlaender freundlichst aufmerksam.) Ich beginne am besten mit der Betrachtung der Eizellen aus normalen ausgewachsenen oder wenigstens weit fortgeschrittenen Follikeln. Wie die Textfiguren III, IV, V, die Tafelfiguren 8, 14 und 15 lehren, zeichnen sich diese Eier durch den Besitz einer TextfiiTuv IV. Ei aus einem großen Follikel mit sehr dicker Zona pellucida. Gibbon. Vergr. 470 X- auffallend dicken Zona pellucida aus, deren Dicke in den extremsten Fällen jene Maße deutlich übertrifft, die mir von anderen Säugern bekannt sind. Die Zona macht auf meinen Präparaten den Eindruck einer homogenen, weichen, quellungsfähigen Substanz. Für die Unter- suchung jener feinen Strukturen, wie sie von Russe, Regaud und DuBREUiL beschrieben worden sind, erwiesen sich meine Präparate, wohl infolge ihrer Konservierung, als ungeeignet. Bei der Differen- zierung nach Eisenhämatoxylinbehandlung entfärbte sich die Zona rasch, so daß sie auf normalen Präparaten dieser Art licht erschien, wie dies ja auch aus den Abbildungen hervorgeht. Mit Orange färbte sie sich rasch und intensiv. Sowohl dort, wo sie ungeschrumpft (98) Histologische Beoltaclitungen am Anthropoidenovariura. 17 war (z. B. Textfig. IV), als auch in mehr oder weniger geschrumpftem Zustande (Tafelfig. 14 und 15) konnte man ihren glatten, der Eioberfläche anliegenden Innenkontur, sowie den unregel- mäßigen, mit Zacken zwischen die Granulosazellen ein- dringenden Außenkontar feststellen, ein Verliältnis, das ich mit V. Ebner unter anderem zugunsten ihrer Herleitung von den Granulosazellen deute. In Figur 14 erscheint die Zona in auffallender Weise nicht überall gleich dick, was vielleicht mit dem sehr fort- geschrittenen Zustand des Follikels resp. Eies (man achte auf das Ein Follikel mit ziemlich dicker Zona pellucida, deren innerste Schichte durch Eipen- hiiraatoxylin intensiv geschwärzt ist. Zackiger Außenkontur der Zona. Gibbon. Vergr. 240 X- oberflächlich gelagerte, knittrig konturierte Keimbläschen, das mög- licherweise sich zur Richtungsspindel umzuwandeln im Begriffe steht) und mit einem damit einhergehenden Erweichungszustand ihrer Substanz erklärt werden kann. Die innerste Schichte der Zona er- scheint von etwas dichterer Beschaffenheit, wenigstens wird daselbst der Eisenhämotoxylinlack zäher festgehalten (vgl. Textfig. V und Tafelfig. 8). In vielen Fällen konnte man zarte radiäre Streifen, deutliche Fortsetzungen der umgebenden Granulosazellen. die Zona senkrecht durchdringen sehen , ein Verhalten . für dessen Darstel- lung indes die hier angewandte Vergrößerung nicht ausreichend ist. 7* (99) 18 H. Joseph; Im Zusammenhange mit den später zu schildernden Bildern seheint es mir am Platze, die Frage auf zuwerfen , ob wir in der außerordentlichen Dicke der Zona eine spezifische Eigentümlichkeit des Gibbons zu erblicken haben oder ob sie eine Abweichung von der Norm bedeute. Ich stehe nicht an, die letztere Möglichkeit zu- zugeben . zumal ich zeigen werde , daß ich als den wesentlichen Punkt in den hier vorliegenden abnormen Prozessen eine gesteigerte Bildung von Zonasubstanz betrachte. Ich schließe es also nicht aus, daß wir bereits hier an den als normal bezeichneten Elementen Textfigur VI. i>a Ein junger Follikel mit zwei C A LL- EX NEKschen Körpern (a), beide etwa von der Größe eines Granulosakernes. Zackiger Außenkontur der Zona. Gibbon. Vergr. 410X- eine Spur jener allgemeinen Störung anzunehmen hätten. Jedenfalls müssen wir es als vorläufiges Ergebnis festhalten , daß hier eine im Vergleiche zu anderen Ovarien stärkere Neigung zur Bildung von Zonasubstanz vorherrscht. In der Granulosa zahlreicher Follikel (ich glaube bei genauer Durchforschung der Serie hätte keiner sich als frei davon erwiesen) fanden sich nun in wechselnder Zahl und Größe vacuoläre Ein- sclilüsse mit einem Inhalte, der vom Liquor folliculi färberisch und morphologisch deutlich abstach. Wir müssen sie wohl unter die i l '1 0) Histologische Beoliachtungen am AnthropoiJenovarium. 19 Gruppe der CALL-ExNERseben Körperchen aufnehmen. In den nor- malen Follikeln überschritten sie eine gewisse Maximalgröße nicht. Von dem Umfang einer einzigen Granulosazelle (Textfig. VI bei a, VII, Tafelüg. 8) bis zu etwa dem 5- bis lOfachen Durchmesser einer solchen gab es alle Übergänge. Gelegentlich, vor allem dann, wenn keine Schrumpfung eingetreten war, markierte sich deutlich ein Kranz von radiär gestellten Granulosazellen um das Körperchen. (Tafelfig. 8.) Die geschrumpften Gebilde dieser Art zeigten oft gegen das Granulosaepithel deutlich zackig ausgezogene Konturen. Ein laiipenförmiger Fortsatz eines größeren GRAAFschen Follikels mit drei kleinen, etwas geschrumpften C ALL-EXNERschen Körpern. Gibbon. Vergr. 470 X- In Färbbarkeit und optischer Beschaffenheit stimmte die Substanz der Körperchen mit der der Zona pellucida anscheinend vollkommen überein. In Eisenhämatoxylinpräparaten erschienen sie licht , mit Orange färbten sie sich intensiv, während der Liquor ein tief- schwarzes Gerinnsel von ziemlich grob-balkigem Bau darstellte (vgl. Tafelfig. 14 , wo in den beiden oberen Ecken Liquor vor- handen ist). Solche CALL-ExNERsche Körperchen fanden sieh oft auch in unmittelbarer Nachbarschaft der Zona, höchstens durch eine geringe Schrumpfungslücke von derselben getrennt (Textfig. VI). 20 H.Joseph: ^. Wie man gemerkt haben wird, bestrebe ich mich hier schon, die stoffliche Identität von Zona pellucida und Call-Exner- schen Körperchen darzutun, die folgenden Befunde werden dieser Ansicht starke und kaum zu widerlegende Stützen gewähren. Ich will zu diesem Zwecke jene Reihe von Zuständen schildern, der ich oben Erwähnung getan habe. Die TafelHgur 1 stellt einen noch jugendlichen Follikel dar, dessen Granu) osa bereits mehrschichtig geworden ist. Das Ei liegt exzentrisch und zeigt in Größe und Bau noch vollkommen den Cha- rakter des Eies im Primärfollikel (wir wollen hiefür den Ausdruck Primordialzustand verwenden). Das Zentrum des Follikels nimmt ein CALL-ExNERscher Körper von ansehnlicher Größe ein. Fig. 2 zeigt einen ähnlichen Zustand, nur ist hier das Ei ausnahmsweise zweikernig und auffallen der weise , ähnlich wie im Primärfollikel, von einer besonderen Schichte flacher Zellen umgeben, die gegen die übrige Granulosa ziemlich scharf abgesetzt ist. In dem hier unregelmäßiger gestalteten CALL-ExNERschen Körper sind Andeu- tungen eines intensiver färbbaren Balkenwerkes zu erkennen. In Figur 3 ist der Einschlußkörper sehr groß und enthält eine An- zahl mit Kernfarbstoffen stärker oder schwächer tingierbarer Kugeln oder Tropfen. Das Ei ist peripheriewärts verdrängt und befindet sich im Primordialzustand. Der Schnitt der Figur 4 ent- hält einen größeren, im Innern leicht balkig struierten Einschluß- körper von unregelmäßiger Form, in einem besonderen Hohlraum einen zweiten, kleineren, beide durch Schrumpfung etwas verkleinert und deformiert, als unscheinbaren Appendix des ganzen Gebildes endlich ein hier wiederum zweikerniges Ei . das gegen die Theca hin nur von einer Schichte flacher Zellen umhüllt ist. In Figur 5 weist der rechte, größere Follikel vier verschieden große Einschluß- körper auf, die einander teilweise berühren und von denen der größte zahlreiche färbbare Körner oder Tropfen enthält und das an der Peripherie liegende, nach außen sogar vom Epithelüberzug entblößte, primordial beschaffene Ei um ein Vielfaches au Volum übertrifft. Endlich sind Figur 6 und 7 zwei Schnitte durch einen und denselben Follikel , der einen riesigen Einschlußkörper von netzig-balkigem Bau mit eingeschlossenen färbbaren Tropfen und außerdem ganz peripher wiederum ein Primordialei enthielt. Der CALL-ExNERsche Körper erinnert in seinem Bau sehr stark an den von H. Rabl in seiner Figur 10 abgebildeten. Die hier angeführten Beispiele sind eine kleine Auswahl aus einer ansehnlichen Anzahl ähnlicher Fälle und lassen sich in ihrem (102) Histologische Beobachtungen am Antbropoidenovarium. 21 Wesen folgendermaßen definieren: In gewissen jungen Follikeln ist ein abnormer Entwicklungsprozeß eingetreten, indem eine Substanz in Form von rundlichen Massen abgeschieden wurde, die allmählich den meisten Raum für sich bean- spruchen. Das Ei blieb im Wachstum zurück, wurde nach der Peripherie verdrängt, die Bildung einer Zona pellucida unterblieb vollkommen. Die abgeschiedene Substanz erscheint, zumal im Anfangsstadium, identisch mit der der Call ExNEßschen Körper der großen, normalen Follikel, sie gewinnt im Verlaufe der Massenzunahme gelegentlich eine balkige Beschaffenheit, ein Vorgang, der von anderen Autoren an den CALL-ExNERschen Körperchen in gleicher Weise beobachtet wurde, z. B. von H. Rabl, LiMON u. a. Ich glaube diese Körper bestimmt als Abscheidungs- prodakte der Follikelzellen ansehen zu dürfen. Der Manchem vielleicht nahe liegenden Annahme, sie auf degenerierte Eier (Nährzellen Nagel, Nebeneier Schottlaender) zurückzuführen, kann ich keinerlei Wahrscheinlichkeit zubilligen. Denn einerseits habe ich trotz eifrigen Suchens in dem ganzen Ovarium niemals einen mehreiigen Follikel gefunden, andrerseits fand ich in den hier geschilderten Gebilden regelmäßig außer den Einschlußkörpern ein Ei, wenn ich es auch oft erst durch Verfolgung der Schnittserie (wie in Figur 6 und 7) nachweisen konnte. Selbst der auffallende Umstand, daß in dem Ovarium eine besonders große Zahl von zwei- und selbst dreikernigen Eiern sich fand, kann mich nicht veranlassen, an eine nachträgliche Teilung eines solchen Eies in zwei oder mehrere zu denken, die von einer Degeneration derselben bis auf eines gefolgt wäre. Denn es wäre doch ein merkwürdiger Zufall, wenn gerade in diesen atypischen Follikeln Mehreiigkeit auftreten sollte, während sie in normalen nicht beobachtet wird. Auch zeigen ja meine Bilder, daß oft genug bei An- wesenheit von mehrkernigen Eiern (Figur 2 und 4) ein oder mehrere CALL-ExNERsche Körper vorhanden sein können. i) Auch müßte es als zumindest sehr auffallend bezeichnet werden, wenn ein zugrunde- gehendes „Nebenei" den mehrfachen Durchmesser des im gleichen Follikel liegenden Eies erreichte; man müßte in diesem Falle eine reichliche Zufuhr von Substanz aus der Umgebung annehmen. *) Näher auf die intensiv betriebene^Diskussion über die Frage der mehreiigen Follikel und mebrkernigen Eier einzugehen (Stoeckel, H. Rabl, v. Schumacher und Schwarz, Honore, Schottlaender etc.) verbietet mir meine mangelnde Erfahrung. Ich will von meinen Befunden hier nur folgendes anführen : Ich fand eine große Zahl zweikerniger, gelegentlich auch drei- und vierkerniger Eier, und zwar in Primärfollikeln. (103) 22 H. Joseph: Endlich müßten ja gerade die Anfangsstadien Spuren des Eicharakters zeigen (z. B. Fig. 1), doch ist gerade hier die größte Übereinstimmung mit den sicher nicht auf degenerierte Eier be- ziehbaren Einschlußkörpern der großen Follikel zu erkennen. Noch weniger ist es zulässig, die allerkleinsten Körper von der Größe nur eines Granulosakernes auf ein ehemaliges Ei zu beziehen. Daß trotzdem, und zwar gerade in den späteren Stadien und in den größten CALL-ExNERschen Körpern (Figur 3, 5, 6) eine Beteiligung von Zellen wahrscheinlich ist, kommt erst sekundär in Betracht und ergibt sich aus folgendem: Ich habe auf das Vorkommen von färbbaren Tropfen bereits aufmerksam gemacht. Diese deuten ziemlich scharf auf karyoly tische Vorgänge hin. Welches sind die Zellen, die da zugrunde gehen? Ich glaube, daß bei dem Wachstum der CALL-ExNERschen Körper oft die zwei benachbarte Körper trennende Granulosascheidewand dehisziert und die Zellen, sei es nun unter Verschmelzung der benachbarten Körperchen oder ohne eine solche in deren Substanz hineingeraten und hier degenerativ zugrunde gehen. Auch könnten ja an der Peripherie der Körper einzelne Granulosazellen ebenso in deren Substanz hineinsinken, wie dies beim Liquor folliculi geschieht. In den vorstehend aufgeführten Fällen sahen wir die Bildung der „CALL-ExNERschen Substanz" unabhängig vom Ei in der Granulosa sich abspielen. Ich erinnere nunmehr daran, daß ich oben die stoffliche Identität der ÜALL-ExNERschen Körper mit der Zona pellucida behauptete und einen weiteren Beweis dafür in Aussicht stellte. Er folgt hier: Ich konnte nämlich eine Reihe feststellen, in welcher die Ab- scheidung der fraglichen Substanz rings um die Eizelle Zwei halbkugelförmig gestaltete Eizellen mit deutlicher Trennungslinie in einem Priniärfojlikel fand ich nur selten. In älteren Follikeln vermißte ich stets sowohl eine Mehrzahl von Eiern, als eine Mehrzahl von Keimbläschen in einem Ei. Das älteste Ei mit zwei Kernen fand ich in einem Follikel mit bereits zylindrischer Granulosa, die stellenweise zweischichtig zu werden begann. Manchmal schien es mir, als ob zwei solcher in einem Ei vorhandener Kerne hanteiförmig verbunden wären, also auf Amitose schließen ließen, doch will ich mit Rücksicht auf den zwischen anderen, erfahreneren Autoren hierüber stattgefundenen Meinungsaustausch mich einer strikten Aussage enthalten. Über das Verschwinden der Mehrkernigkeit in älteren Follikeln kann ich nichts sagen, doch muß man bedenken, daß die älteren Follikel weniger zahlreich sind, daher auch zweikernige Eier in ihnen viel seltener s-ein müssen, als in den Primärfollikeln und solche vereinzelte Fälle sich leicht der Beobachtung entziehen können. Ein Zugrundegehen von Eizellen, etwa im Sinne von Schottlaenders „Nebeneiern", kann ich hier nicht zugeben. (104) Histologische Beobachtungen am ADtliropoidenovariuni. 23 (daneben aber aucb, obwohl in geringerem Maßstabe, in der Granu- losa abseits vom Ei) stattfand, offenbar, wie der Augenschein lehrt, im Anschluß an eine bereits vorhandene Zona. Dem ent- spricht auch der Umstand, daß dieser Prozeß sich nicht, wie in der früheren Reihe, an ganz jugendlichen, sondern bereits in größeren, also weiter entwickelten Follikeln abspielte, in welchen auch das Ei bereits über das Primordialstadium hinaus war. In Figur 9 sehen wir einen Follikel, dessen Ei schon ansehnlich groß und von einer Hülle umgeben ist, die auf Grund von Form und Färbbarkeit nichts anderes sein kann, als eine exzessiv ent- wickelte Zona. Sogar einzelne Plasmafäden scheinen hier noch die Intercellularbrücken zwischen Ei und Granulosa zu repräsentieren. Außerdem befindet sich abseits ein kleiner selbständiger Call- ExNERseher Körper, dessen stoffliche Übereinstimmung mit der Zona unter solchen Verhältnissen besonders einleuchten mußte. Auch Figur 11 zeigt ein ähnliches Bild, ja die Übereinstimmung mit einer Zona pellucida normaler Eier ist hier noch größer, trotz- dem hier nach links hin ein Auswuchs erscheint, der uns einigermaßen an den in Textfigur VI sichtbaren, von der Zona aber noch ge- trennten Call-Exner sehen Körper erinnert, indem er einen mit der verdickten Zona sei es von Anbeginn oder erst während des weiteren Wachstums verschmolzenen CALL-ExNERschen Körper darstellen könnte. Figur 13 zeigt uns einen in der Gestalt etwas abweichenden Follikel (Einschnürung in der Mitte), der jedenfalls auch in dieselbe Kategorie gehört. Die mächtig und in bezug auf das Ei stark exzentrisch entwickelte Zonamasse ist rechts oben mit einem kleinen Auswuchs versehen, dem wir wohl dieselbe Deutung geben dürfen wie in Figur 11. Links nahe am Ei ist ein selbständiger Call- ExNEBscher Körper zwischen den Granulosazellen eingeschlossen. Das Ei zeigt bemerkenswerte Abweichungen von der Norm. Es ist unregelmäßig gestaltet, das Plasma stärker färbbar, der Kern klein, wie geschrumpft. Man gewinnt unfehlbar den Eindruck einer Schädigung des Eies, vielleicht durch Herabsetzung seines Stoff- wechsels infolge der mächtigen Anhäufung von Zonasubstanz. Man könnte an eine Behinderung des Saftstromes überhaupt oder an eine infolge starker Dehnung erfolgte Zerreißung der Plasmabrücken zwischen Ei und Granulosazellen denken und dieselben für die StofPwechselstörung verantwortlich machen. In die gleiche Kategorie, wie das letzterwähnte Bild, gehört sicher auch Figur 12. Das oben in der großen Zonamasse liegende Ei ist im gleichen Sinne, (105) 24 H- Joseph: nur noch weiter verändert als das in Figur 13, außerdem sind ein paar Granulosazellen gl eich ihm in der Masse eingeschlossen. Ich verweise übrigens bei dieser Gelegenheit noch auf den kleineren, linken Follikel der Tafelfigur 5, in welchem ebenfalls in der hier schon merklich verbreiteten Zona nach unten vom Ei zwei Granulosakerne eingeschlossen erscheinen. Diese zwei Kerne könnten übrigens so- wohl mit Rücksicht aaf ihre Lage, als auf das Entwicklungs- stadium des Follikels mit den oben beschriebenen „sub zonalen Kernen" des Orangs verglichen werden. Die hier vorliegenden Bilder der Eidegeneration erinnern übrigens sehr stark an die Abbildungen des gleichen Vorganges (ohne Beteiligung der Zona), die Ragnotti in seinen Figuren 1. 2 und 3 gegeben hat, die er aber als nicht zur Gruppe der „Corpi di Call ed Exner veri e propri" rechnen will. Einen mäßig weit fortgeschrittenen Grad der degenerativen Veränderung des Eies (wohl ein Initialstadium) erblicken wir in Figur 10. Das Ei ist noch kugelrund, der Kern hat Keimbläschen- charakter, im Plasma jedoch liegen bereits färbbare chromatoide Kör- perchen, die auf eine degenerative, mit Abstoßung verbundene Verän- derung des Chromatins schließen lassen, eine mächtig und ungleich- mäßig verbreiterte Zona umschließt das Ei, links liegt ein isolierter CALL-ExNERscher Körper in der hier dickeren Granulosa. Nochmals sei hier nach Schilderung aller der mir wesentlich erscheinenden Bilder die Tatsache betont, daß von degenerativen Veränderungen in der Granulosa , vergleichbar etwa denen bei der Follikelatresie , in all den Fällen nicht die geringste Spur zu be- merken war. Ich schreite zur Zusammenfassung meiner Resultate über die CALL-ExNERschen Körper, Unbestreitbar ist, daß die von mir beschriebenen kleinen Kör- per in normalen und abnormen Fällen, die ich als Call-Exner- sche Körper bezeichne, einen intercellulären Ursprung haben. Ich befinde mich bezüglich dieses Punktes in Übereinstimmung mit HoNORE, LiMON, Regaud Und Debreüil. Dafür, daß der Aus- gangspunkt Zellen irgendwelcher Art wären, ließ sich kein An- halt gewinnen. In gewissen abnorm beschaffenen Follikeln erfährt die Substanz der Call -Exner sehen Gebilde eine ganz außerordent- liche Vermehrung, so daß Körper von einer die Eier vielfach über- treffenden Größe resultieren. Diese Körper entstehen auf zweierlei Art, entweder aus vom Ei isolierten Ansammlungen von entsprechen- der Substanz, oder aus der stark an Masse zunehmenden Zona. Die (106) Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovarinm. 2 5 Disposition zu letzterem Prozeß mußten wir schon in der normaler- weise!?) außerordentlich dicken Zone des Eies erblicken. Dabei kann es auch zu Verschmelzungen der hyperplastischen Zona mit isoliert aufgetretenen CALL-ExNERschen Körperchen kommen, oder zu Fort- satzbildungen der Zona, die im Effekt einem solchen Vorgang gleich erscheinen. Selbstverständlich müssen auch Verschmelzungen von gewöhnlichen Call-Exnek sehen Körperchen angenommen werden. Endlich kann es in den so entstandenen Substanzanhäufungen zum Zerfall von darin eingeschlossenen Zellen kommen (Eizellen und Granulosazellen). Die stoffliche Identität aller dieser Gebilde (normale Zona, byperplastische Zona , kleine und große CALL-ExNERsche Körper- chen) kann aus histologisch-topographischen sowie aus tinktoriellen und physikalischen Gründen nicht bezweifelt werden. So komme ich zu einem Resultate, das in mancher Hinsieht als ein Kompromiß zwischen bisher vorliegenden und sehr diffe- renten Anschauungen angesehen werden kann: Den ersten Anstoß zur Bildung der CALL-ExNERschen Körper gibt eine inter- celluläre Abscheidung der Granulosazellen (Honore, Limon, Reg AU D und Dubreuil). Dieser Vorgang ist das Wesentliche und Grundlegende , ohne ihn kann ich für mein Objekt keine weiteren Veränderungen geschehen lassen. Die Beteiligung von Follikelzellen die ja von vielen Autoren als das Wesentliche betrachtet wird (Flemming, Schottlaender, Alexenko, Levi, H. Rabl, V. Ebner, Rüsso, Ragnotti) kann sich sekundär hinzugesellen, fehlt aber meist ganz. Das Gleiche gilt von der Degeneration von Eiern (Nagel, Schottlaender, in gewissem Sinne auch Ragnotti). Noch sei bezüglich der stofflichen Beschaffenheit folgender Er- örterung Platz gewärt: Ein dem meinen ähnlicher Standpunkt findet sich schon in deutlicher "Weise in der Arbeit von Regaud und Dubreuil ver- treten und ist in weniger ausführlicher und allgemeiner Form schon in der früheren Literatur über Entstehung der Zona pellucida und des Liquor folliculi begründet, nämlich die Annahme der gemein- samen Abstammung der Zona, des Liquor, der ÜALL-ExNERschen Körper und der Interzellularsubstanz der Granulosazellen von diesen letzteren Elementen. Regaud und Ddbreuil betonen schon gewisse chemische und färberische Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Bildungen; ich bin damit vollkommen einverstanden , will aber die Unterschiede , vor allem mit Rücksicht auf manche Angaben der früheren Literatur, noch schärfer fassen. Zwischen der Zona (107) 26 H. Joseph: und den CALL-ExNERschen Körpern (wenigstens den von mir beim Gibbon beobachteten) kann ich in keinem Stadium der Entwicklung irgend eine stoffliche Differenz feststellen. Es drängt mich zu der Vorstellung, daß der Anstoß zur Entwicklung der Call-Exner- schen Körper von einem Reizzustand der FoUikelzellen an gewissen Stellen ausgeht, der jenem ähnlich oder gleich ist, der die Zellen an der Eioberfläche zur Ausscheidung der Zona veranlaßt ; ein solcher Zustand kann um so eher eintreten, je größer die Disposition zur Entwicklung größerer Zonamassen ist (wie z- B. im vorliegenden Falle). Es ist kaum nötig, darauf hinzuweisen, daß das Auftreten einer mit der Zona identischen Substanz abseits vom Ei in der Granulosa auch ein neues wichtiges Beweisstück zugunsten des follikulären Ursprunges der Zona darstellt. Von der Substanz des Liquor folliculi ist die der Zona und der Call- Ex NE R sehen Körper stets scharf unterscheidbar. Der Liquor bildet in den Präparaten ein netzig-granuläres Gerinnsel von starker Eärbbarkeit (Eisenhämatoxylin !) (vgl. Fig. 14) , während letztere Substanz stets ein homogenes Aussehen und durchaus anderes Färbe- verhalten zeigt. Die netzige Stuktur, die in größeren Call-Exner- schen Körpern gelegentlich auftritt, und die auch in der früheren Literatur mehrfach erwähnt wird (Tafelfigur 6), hat mit dem Bau des Liquorgerinnsels keinerlei Ähnlichkeit oder Beziehung. Ich be- tone dies deshalb , um den Gegensatz gegen frühere Äußerungen (zuerst bei Flemming), wonach die C all- Ex n er sehen Körper später im Liquor aufgehen können, zu kennzeichnen. Auch von der eigentümlichen , zwischen den Granulosazellen auftretenden, Netze und Balken bildenden Substanz, welche bei Russe, Regaud und Dubredil eine ausführliehe Darstellung findet, unterscheidet sich die unsere in scharfer Weise. Jene Inter- zellularsubstanz färbt sich wie der Liquor mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz (Fig. 14); ein Übergang oder Zusammenhang der Zona und der ÜALL-ExNERschen Körper einerseits und dieses Balkenwerkes andrerseits konnte nicht nachgewiesen werden. • So komme ich dazu, den Granulosazellen, in Übereinstimmung mit Regaud und Dubreuil, die Fälligkeit zur Erzeugung sehr ^'erschiedener Substanzen zuzuschreiben, wobei ich gegenüber jenen Autoren nur drei Sorten annehme: 1. Zona und CALL-ExNERsche Körperchen. 2. Liquor. 3. Interzellularsubstanz. Über die Ursachen der wenigstens für gewöhnlich so regel- mäßigen Lokalisation und Menge der verschiedenen Abscheidungen kann man natürlich nur ganz allgemeine Aussagen machen: (108) Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovaiüum. 27 Die Anwesenheit des Eies bewirkt die Abscheidung der Zona- substanz um dasselbe. Die Bildung der CALL-ExNERschen Körper infolge eines analogen Reizzustandes der Follikelzellen an vom Ei entfernter Stelle bleibt zu erklären. Die Interzellularsubstanz entsteht für gewöhnlicb zwischen den massig angeordneten Granulosazellen allenthalben. Der Liquor, als eine dünner flüssige Masse, ist anderen Ein- flüssen (Schwere. Oberflächenspannung etc.) mehr ausgesetzt und es könnte damit seine Anhäufung und Zusaramenziehung an einer oder wenigen Stellen begreiflich gemacht werden. Vielleicht nimmt er auch, wie die Interzellularsubstanz, von allen Follikelzellen gleich- mäßig den Ursprung und es erfolgt seine Ansammlung in einheit- lichen Massen bloß infolge seines Aggregatzustandes. Das Vorkommen accessorischer Liquorhöhlen spricht nicht gegen diese Erklärung. Eine wesentliche Beteiligung abgelöster und sich verflüssigender Granulosazellen an der Bildung des Liquor möchte ich mit anderen Autoren ausschließen. Literaturverzeichnis. 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Vergr. 470fach. Fig. 2. Ein ähnlicher Follikel wie in Fig. 1 , das Ei jedoch zweikernig und von einer Schicht flacher Zellen unmittelbar eingehüllt. Der CALL-ExNERsche Körper größer und von unregelmäßiger Gestalt. Vergr. 470fach. Fig. 3. Ein ähnlicher Follikel, doch schon mit ansehnlich vergrößertem Call- ExNERschen Körper, in diesem eine Gruppe färbbarer Tropfen. Vergr. 470fach. Fig. 4. Ein ähnlicher Follikel, doch mit zwei ziemlich stark geschrumpften ÜALL-ExMERschen Körpern. Das Ei zweikernig und nebst einer einfachen Hülle flacher Zellen dem Follikel peripher anhängend. Vergr. 410fach. Fig. 5. Links ein kleiner Follikel mit excenirisch stark verdickter Zona pellu- cida, die nebst dem Ei noch zwei Granulosakerne (subzonale Kerne?) einschließt. Eechts ein Follikel mit wenigstens vier Call- ExNERSchen Körpern, einer davon sehr groß, und zahlreiche färbbare Tropfen enthaltend. Vergr. 250fach. Fig. G und 7. Zwei Schnitte durch einen und denselben Follikel. Fig. 6 ent- hält einen großen CALL-ExNERschen Körper von balkigem Bau, mit einzelnen färbbaren Tropfen; Fig. 7 zeigt das Ei. Vergr. 470fach. Fig. 8. Ein weiter fortgeschrittener Follikel mit normalem Ei. Äußerer Kontur der Zona zackig, innere Schicht der Zona durch Eisenhämatoxylin gefärbt. Links vom Ei, der Follikeloberfläche näher, ein kleiner CALL-ExNERScher Körper mit radiär herumgestellten Granulosazellen. Vergr. 2l5fach. Fig. 9. Ein Follikel mit etwa zwei bis sieben Zellen dicker Granulosa. Die Zona mächtig und ungleichmäßig verdickt. Rechts unten, entsprechend der dicksten Stelle der Granulosa ein kleiner runder CALL-ExNERscher Körper. Vom Ei gehen, besonders deutlich nach unten, einzelne zarte Streifen aus (Intercellularbrücken'?). Vergr. 470fach. Fig. 10. Ähnlich dem Follikel der Fig. 9, jedoch im Ei Andeutungen einer degenerativen Veränderurg in Gestalt von chromatoiden Schollen im Plasma. Links ein kleiner Ca LL-ExNERscher Körper. Vergr. 470fach. 30 H. Joseph: Histologische Beobachtungen am Anthropoidenovarium. Fig. 11. Ähnliches Bild, doch die Zona nach link:^ mit einem großen Fort- satz versehen, der vielleicht ein mit der Zona verschmolzener CALL-ExNERScher Körper ist. Vergr. 400 fach. Fig. 12. Ein weiter fortgeschrittenes Stadium des Prozesses, der in Figg..9, 10 und 11 geschildert ist. Sehr großer Call- Exn Eßscher Körper (— excessiv verbreitete Zona), darin excentrisch oben die degenerierte Eizelle, daneben eine An- zahl Granulosazellen. Zackiger Kontur des Call- Exn RRSchen Körpers. Vergr. 470fach. Fig. 13. Ein eigentümlich eingeschnürter Follikel. Das Ei deformiert und in Degeneration begriffen, die Zona stark excentrisch entwickelt, nach rechts oben mit einem kleinen Call -Exn er sehen Körper zusammenhängend. Links vom Ei ein selbständiger kleiner CALL-ExNEEScher Körper. Vergr. 340fach. Fig. 14. Ei mit Umgebung aus einem großen Gkaaf sehen Follikel. Oben am Rande dunkel gefärbtes Liquorgerinnsel. Das Keimbläschen im Ei oberflächlich ge- lagert, von unregelmäßiger Gestalt, Zona ein wenig excentrisch verdickt. Zwischen den Granulosazellen sieht man die „Intercell ulars ubs tanz" in Form von schwarzen Balken und Körnern. Vergr. 470fach. Fig. 15. Ein anscheinend normales Ei zur Demonstration der Zonadicke. Zackiger Außenkontur der Zona. Vergr. 470fach. Fig. 16 und 17. Junge Follikel vom Orang mit einschichtigem kubischem bis zylindrischem Epithel. In Fig. 16 rechts oben zwei subzonale Kerne, ihnen entspre- chend eine Verdickung der Zona. Links unten eine starke Verdickung der Zona, einen dunklen Körper, wahrscheinlich einen Kern, enthaltend. In Fig. 17 rechts unten ein subzonaler Kern mit deutlichem Plasma und entsprechender Zonaver- dickung. Vergr. 470fach. Druck vonGottlicbGintel &Cie., Wien, III., MünzgasRC S. Das ursprüngliche Hinterende einiger Rhyncho- bothrienketten. Von Prof. Dr. Theodor Pintner. (Mit 2 Tafeln.) Die „Argo", das Boot der k. k. Zoologischen Station in Triest, führte , veranlaßt vom „Verein zur naturwissenschaftlichen Er- forschung der Adria" in Wien, u. a. im Hochsommer des Jahres 1904 eine Reihe von Fahrten im Golfe von Triest aus. Professor C. J. CoRi, der sie leitete, hatte bei dieser Gelegenheit schöne Ento- parasiten gesammelt und nach der Schüttelmethode von Looss sorg- fältig konserviert, und zwar ausschließlich in Formol. Der ausgezeichnete Zustand des Materials, das in dankens- werter Weise mir zur Bearbeitung überlassen wurde, reizte zu ein- gehenderer Untersuchung, und ich wählte zu dieser zunächst die zahlreich vorhandenen Exemplare von Rhynchohothrtus ruficolUs (Eysenhardt). In großer Menge fanden sich unter ihnen Individuen, die noch die primäre Endproglottis besaßen. Sie waren sehr schön gestreckt und zeigten infolge der trefflichen Konservierung die typische Form Über das ursprüngliche Endglied der Kette nun, und ins- besondere über das Verhalten des exkretorischen Apparates in ihm soll hier zunächst berichtet werden, i) Das Endglied besitzt eine breitere Vorderhälfte und eine viel schmälere hintere in Form eines, von der Fläche gesehen, zungen- artigen Schwanzanhangs (Fig. 1). Beide Hälften des Gliedes sind nicht etwa durch eine Trennungszone , wie sie zwischen je zwei Gliedern liegt, voneinander geschieden, sondern gehen stetig in einander über. Nur in der vorderen Hälfte des Endgliedes finden *) Vgl. hierher 06 Pintnek. Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 2. 8 (113) 2 Theodor Pintner: sich Sexnalorgane. die liier auch volle Reife erlangen, i) Sie enden hinten mehr oder weniger scharf und geradlinig quer abgegrenzt etwa in jener Zone des Gliedes , in der sich die breitere Vorder- hälfte in die Schwanzregion ziemlich plötzlich verschmälert. Im Schwänzchen, das analog 2) wie bei einer Gruppe der Digenea unter den Trematoden kurz als Appendix bezeichnet werden mag, finden sich keine Sexualorgane, sondern neben den Schichten des Körpers und dem Nervensystem hauptsächlich der Endabschnitt des exkre- torischen Apparates. Für die Größenverhältnisse der letzten Glieder bei 4 Beispielen erhielt ich die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Zahlen, unter denen die zu demselben Individuum gehörigen stets an gleicher Stelle stehen: In [J. Drittletztes Vorletztes Letztes Glied, ganz Länge: 310, 575, 530, 442 • 310, 620, 620, 530 • 884, 1105, 1414, 1460 • Breite: 580, 751, 800, 972 • 580, 751, 751, 930 • Letztes Glied, Vorderliälfte Letztes Glied, Appendix Länge: 354, 751, 751, 970 • 530, 354, 663, 490 • Breite: 530, 575, 663, 884 • 310, 270, 354, 354 * Man kann also etwa sagen: das Endglied in ausgestrecktem Zustande wird zwei- bis über dreimal so lang als das vor- und drittletzte. Die Vorderhälfte' dieses primären Endgliedes, etwa quadratisch, bleibt durchwegs in der Breite hinter den beiden vorher- gehenden Gliedern zurück. Sein hinterer Teil ist je nach den ver- schiedenen Kontraktionszuständen kaum halb bis fast doppelt so lang als der vordere und kaum halb bis etwas über halb so breit. Auch läßt sich sagen: je jünger die ganze Kette ist, der das End- glied zugehört, desto mehr überwiegt der Appendix gegenüber der vorderen Gliedhälfte; je älter die Kette, desto mehr ist das Um- gekehrte der Fall. Nach der sehr wechselnden Gestalt, die er an den konservierten Individuen zeigt, sowie nach den Erfahrungen, die ich über den ^) Es sei hier, mit Rücksicht auf die Auseinandersetzungen bei 94 — 00 Braun pag. 1222 besonders betont, daß tatsächlich die volle Reife, mit Eiern im Uterus, eintritt. -) Mit diesem Worte soll hier über bloße Analogie oder wirkliche Homologie dieser beiden Fälle vorläufig nichts entschieden werden , da ich demnächst bei einer eingehenden Beschreibung von BhyncJiobothrius lingualis auf diese Verbältnisse näher zu sprechen komme. Mit Rücksicht auf 07 Looss, pag. 72—79, dessen morphologischen Aaseinandersetzungen ich völlig zustimme, bemerke ich nur, daß in dem uns vor- liegenden Falle Wühl der Gebrauch des Namens Appendix zunächst noch am vorteil- haftesten sein dürfte. (114) Das ursprüngliclie Hinterende einiger Rliyncliobothrienketten. 3 Appendix von lebenden Tieren anderer Arten (z. B. den Formen der Attenuatus-GYnip])e oder von Rhynchohothrius Ungualis Cuv. im Larven- zustande) her habe, kann man annehmen, daß er auch bei ruficollis im Leben beweglich und kontraktil sein wird. An gestreckt fixierten Individuen ist er gegen das Ende zu stielrund, oft auffällig lang, manchmal gegen das Glied an der Ansatzstelle ein wenig einge- schnürt. Bei nicht völlig gestreckten Individuen erscheint der ganze Appendix als kleine Spitze des Endgliedes, die dann auch ziemlich dorsoventral abgeplattet ist. Daß er vollkommen eingezogen werden kann , sieht man an weniger sorgfältig konservierten Tieren. Es zeigt sich dies z. B. an der Figur von Rhynchohothrius ruficollis in meiner Erstlingsarbeit i); diese Figur ist ja allgemein be- kannt, da sie in die Leu ckart sehen Wandtafeln 2) und in Haeckels ,.Kunstforraen in der Natur" 2) übergegangen ist. Eine Einziehung, wie sie dort abgebildet erscheint, kommt durch einfache Kontraktion in der Längsrichtung zustande, durch einfaches Verkürzen; ein fernrohrartiges Hineinschieben in ein kragenförmig vorgestülptes Vorderende, wie es für die erwähnten Formen der Digenea so charakteristisch ist , oder wie bei der Larve von BhynchohotJirius Ungualis. d. h. also wie bei Formen, die icb an anderem Orte als „craspedot" zu bezeichnen vorschlage, kommt bei ruficollis nicht vor. Keine von vorn nach hinten umgestülpte Ringfalte, wie dort, unterbricht hier den glatten Verlauf des Randes vom breiten Pro- glottisteil auf den Appendix. Im Appendix nun liegt vom exkretorischen Apparat erstens die sogenannte kontraktile oder pulsierende Endblase, die ich, wie in früheren Arbeiten auch hier und künftig, einfach als Harnblase bezeichnen werde; zweitens der hinterste Abschnitt der beiden Paare von Sammelröhren oder der sogenannten Längsgefäße. Das Verhalten dieser Teile des Exkretionssystems hier bei Rhynchobothrius ruficollis ist aber wesentlich anders und viel kom- plizierter, als man nach den bisherigen Angaben erwarten sollte. Was die Harnblase anlangt, so zeigt sie an Totopräparaten von der Fläche gesehen im ganzen die Form eines Ypsilons (Fig. 1 — 4). Der Stamm dieses Ypsilons mündet terminal mit dem Porus excretorius nach außen. Die Mündung scheint an Totopräpa- raten beinahe trichterig zu sein: die relativ weite ÖflPnung, deren Größe allerdings je nach den Kontraktionszuständen sehr wechselt, ^) 80 PiNTNER, T. III, Fig. 3. ") 1877-? Leuckärt und Nitsche, T. XLIV, Fig. 10. ^) 1899—1904 Haeckel, T. LXXV, Fig. 11. 8* (115) 4 Theodor Pintner: bildet das Hinterende des hier abgerundeten, bisweilen wie quer abgestutzten Appendix. Man bemerkt aber fast an allen Totopräpa- raten, daß sie irgendwie asymmetrisch verquetscht erscheint, und das rührt daher, daß sie noch von zwei unscheinbaren Lippen rechts und links überragt wird, die am ganzen Tier kaum sicht- bar sind, aber an jeder Querschnittserie deutlich zum Ausdruck kommen (Fig. 6), auch sich bei anderen Arten ganz konstant wiederfinden. Der Trichter verengt sich nach vorn zu einem schmalen Kanal, der Kanal aber erweitert sich alsbald wieder ganz allmählich und geht in ein spindeliges oder retortenförmiges Reservoir über, die eigentliche Harnblase (Fig. 1 — 3). Diese ist nach vorne zu wiederum durch eine halsartige Einschnürung begrenzt (Fig. 1 — o). Der Übergang in die vordere Verengung geschieht viel rascher als nach hinten, so daß die weiteste Stelle des Reservoirs fast an das Vorderende des medianen unpaaren Abschnittes der Harnblase vor- geschoben ist. Nun folgt nach vorne zu die Teilung in die Äste des Ypsilons, die zunächst von einer geräumigen medianen Vereinigungsstelle fast rechtwinklig zur Längsachse des Körpers quer nach außen laufen (Fig. 1 — 4). Rasch aber knicken sie knieförmig um und ziehen nun schief nach vorne und außen weiter bis etwa auf jenes Niveau, wo der Appendix in den breiteren vorderen Teil der Pro- glottis überzugehen beginnt. Etwas nach vorne von der Stelle aber, an der das Knie liegt, teilt sich sowohl der rechte als der linke Harnblasenast nochmals dichotomisch in je einen dorsalen und einen ventralen Zipfel — und das ist der eine der völlig überraschenden Punkte im Ver- halten dieses Endabschnittes des exkretorischen Apparates. Die Harnblase läuft also nach vorne zu nicht in zwei, sondern in vier Zipfel aus und diese vier Zipfel endigen — - das ist der zweite überraschende Befund — vorne insoferne blind geschlossen, als sie hier keines der vier Exkretionsgefäße aufnehmen. Die vier Zipfelkanäle sind meist leicht säbelförmig gekrümmt, mit der konkaven Seite nach außen (Fig. 1). Sie verschmälern sich immer mehr und laufen spitz nach vorne aus. Von Exkretionskanälen enthält das primäre Endglied die typischen vier Sammelröhren, je zwei auf jeder Körperseite. Die weiteren Kanäle, die sogenannten ventralen, liegen zugleich relativ stark der Medianebene genähert. Bei ihrem Übertritt in den (116) Das ursprüngliche Hinterende einiger Rhyncbobothrienketten. 5 Appendix schwellen sie meist gewaltig an und verlaufen lebhaft gewunden (Fig. 1 — 4). Ihre Richtung geht zwischen die Arme der Harnblase hinein, wo sie sich plötzlich meist auffällig verdünnen und mit einem trichterhalsartigen Endabschnitt in die Harnblase einmünden. Diese Endabschnitte laufen ziemlich gerade von vorne nach hinten, einander ungefähr parallel und münden in die quer abstehenden Schenkel der Harnblase, unmittelbar nachdem sich jederseits die beiden paarigen Äste miteinander vereinigt haben (Fig. 1-4). Der Ort der Einmündung der ventralen Kanäle des exkreto- rischen Apparates ist eine weitere völlig überraschende Tatsache. Die um ein Vielfaches engeren dorsalen Kanäle liegen streng nach außen von den ventralen. Sie werden im Appendix immer feiner und drängen sich in den Winkel zwischen den Harn- blasenzipfeln und den Mündungsstücken der großen Kanäle hinein. In unmittelbarer Nachbarschaft der Einmündung der großen Kanäle scheinen sie blind zu endigen (Fig. 4e). Sie entziehen sich hier nicht etwa der Beobachtung dadurch, daß die fortschreitende Verschmächtigung bis zur Unsichtbarkeit getrieben wird; oft schwellen sie im Gegenteile an der Stelle, an der sie aufzuhören scheinen, ein klein wenig kolbig an (Fig. 26). Ich vermochte aber von dieser scheinbar blind abgeschlossenen Stelle aus nach keiner Richtung hin eine Fortsetzung zu sehen, bis es mir in jüngster Zeit gelang, auf einigen Präparaten ein feines, kapillares Endnetz aufzufinden, das auf Schnitten deutlich sichtbar, jedenfalls mit dem Endstück der Dorsalkanäle zusammenhängt (Fig. 26 und 27). Es ist selbst noch im Vergleich zu diesem sehr dünnen Endstücke von kapillarer Zartheit, folgt deutlich dem Typus dichotomer Ver- zweigungen, wie er für das Exkretionssystem der Cestoden über- haupt charakteristisch ist i), und scheint sich hauptsächlich von den Dorsalkanälen in der Richtung gegen die Medianebene zu erstrecken. "Wenigstens zeigt Fig. 27. wie seine Kapillaren noch die großen Ventralkanäle umspinnen. Mit absoluter Sicherheit zu behaupten, daß wirklich keinerlei kapillare Verbindung von den Dorsalkanälen zu der Blase oder zu den größeren Kanälen oder zur Körperober- fläche verläuft, ist natürlich kaum möglich, um so mehr, als an den in Frage kommenden Stellen Gewebselemente, die sich in der Tinktion wenig voneinander abheben, in verwirrender Menge mit einander verfilzt sind. Immerhin scheint es, daß man mit ziemlicher ') 96 PiNTNEK, pag. 674 ff. (117) Theodor Pintner: Sicherheit behaupten darf: die engen Kanäle endigen in der primären Endproglottis von Rhynchohothrius rufieollis, trotzdem sie hier ein Netz feinster Kapillaren entsenden, blind. Diese anatomischen Verhältnisse, wie sie hier geschildert sind, werden, einmal bekannt, wohl schon auf Totopräparaten, jedenfalls auf Frontalschnitten, verständlich sein. Den überzeugendsten Ein- blick jedoch gewähren Querschnitte durch den Appendix. So z. B. die neun Querschnitte (Fig. 6 — 14). Es empfiehlt sich, die Serie von hinten nach vorne zu ver- folgen. Die schon erwähnte Fig. 6 zeigt uns die beiden lateralen Lippen, die das hinterste Ende des Appendix bilden. Sie sind nach außen, wie dem Lumen der Harnblasenmündung zu gebildet aus den Schichten des Integuments, die am Hinterende einfach nach innen umbiegen (Fig. 1—4), d. h. auch die Harnblasenwand ist genau aus den gleichen Schichten aufgebaut wie die äußere Körper- wand, nur in umgekehrter Reihenfolge. Zwischen der äußeren und der inneren Integumentlage schiebt sich der erste Parencbymstreif ein, sonst ist kein weiteres Organsystem in den Lippen erkennbar, weder Exkretions-, noch Nervensystem. Wir sehen eine auffällige Verdickung der Cuticula auf der Innenseite und finden sie (in Fig. 6 nicht eingezeichnet!) mit langen Haaren bedeckt. Es sei hier gleich vorweggenommen, daß dieser Besatz von langen Härchen schon im Trichterchen der Mündung beginnt, bei rufieollis aber nicht auf die äußere Körperseite übergreift, in dem hinteren Harn- blasenreservoir, was Länge und Dichte anlangt, sein Maximum erreicht und nicht mehr in die völlig glatt begrenzte Wand der vier Harnblasenzipfel übergeht. Die folgenden Querschnitte (Fig. 7) zeigen uns die Vereinigung der beiden Lippen. Die Körperschichten bleiben die gleichen wie bisher (s. auch Fig. 18, die von einem anderen Individuum stammt, als die Reihe der neun ersten Querschnitte). Zugleich erkennen wir. daß hier das Lumen der Harnblase seine größte Ausdehnung nicht von rechts nach links hat, sondern dorsoventral. Die starke Zirkularmuskulatur, die von nun an gegen vorne zu immer mäch- tiger wird (Fig. 8) und die intermittierenden Kontraktionen der Harnblase reguliert (Fig. 4) , umgibt schon den kreisrunden Quer- schnitt des Ausführungsganges der eigentlichen Harnblase (Fig. 8). Ihr vorderer Abschnitt (Fig. 9) zeigt dann auch sein Lumen schon hauptsächlich von rechts nach links ausgedehnt, wie es dem Ein- drucke des Totopräparates entspricht. (118) Das ursprüngliche Hinterende einiger Rliynchobotbrienketten. 7 Nun folgt der enge Kanal, der nach der vorderen Harnblasen- hälfte führt und im Querschnitt wieder Bilder liefert wie Fig. 8. Hier endet der Härchenbesatz. In den vorderen Harnblasenabschnitt drängt sich in der Medianebene von vorne her alsbald die Substanzbrücke herein, die seine Teilung in^einen rechten und linken Zipfel bedingt. Wir sehen diese Zipfel auf den folgenden Schnitten (Fig. 10) als kleine Halb- monde auftreten, auf deren konkaver, nach innen gekehrter Seite genau in der Transversalebene die Mündungen der Ventralgefäße liegen, die also hier zuerst auftreten. Rasch folgen nun die Ver- änderungen, wie wir sie in Fig. 11 und 12 sehen. Diese zeigt die schon völlig getrennten vier Harnblasenzipfel: je zwei sind einander paarweise rechts und links genähert. Die Lumina der Harnblasen- zipfel sind in der Richtung des Radius, in dem sie liegen, abge- plattet, die Querschnitte also linsenförmig, und zwar sehr regel- mäßig. Die Querschnitte der Ventralgefäße liegen genau in der Transversalebene, der Medianebene sehr genähert. Erst auf den folgenden Schnitten (Fig. 13) treten auch die Dorsalgefäße und das Nervensystem auf: Ventralgefäße und Nerven- system immer wieder in der Transversalebene (Fig. 16 und 17), die Dorsalgefäße aus ihr nach der einen Körperfläche herausgerückt; alle vier Gefäßquerschnitte aber innerhalb der Region der Harn- blasenäste, während die Anschnitte der Lateralstränge, die zuerst eine kurze Strecke entlang längs getroffen sind (Fig. 16), alsbald als reine Querschnitte an die Körperränder wandern (Fig. 17). Je weiter wir nach vorne kommen, desto weiter weichen die Querschnitte der Harnblasenzipfel auseinander, ohne aber je die An' Ordnung in zwei Paaren zu verlieren, und desto enger wird das Lumen der vier Blasenäste (Fig. 13 und 17), bis es endlich — wenigstens am konservierten Material und auf Schnitten — ganz zu schwinden scheint, während die charakteristischen Grewebe der Wand sich noch lange nach vorne fortsetzen (Fig. 14). Äußerlich weicht die erst ziemlich kreisrunde Form des Körperquerschnittes einer sich nun immer schärfer aussprechenden dorsoventralen Abplattung. Zu ungefährer Orientierung einige Maße. Es betragen auf Querschnitten eines Individuums in ver- schiedenen Horizonten von vorne ^nach hinten die Durchmesser in ur. des Appendix von E der Blasenzipfel 0-23 X 0-30 004—008 0-23 X 0-28 0-025 0-02 0-23 X 0-26 0-01— 003. (119) 8 Theodor Pintner: Ferner bei einer Länge des Appendix von etwa 0'40 — 0"70 die Länge der Harnblase von den Querästen bis zur Mündung 0'30 — 0"37; ihr Querdurchmesser an der knieförmig gebrochenen Stelle Oi:3— 0-18. Die histologischen Verhältnisse sollen hier allenthalben nur insoweit besprochen werden, als sie auf die morphologische Bedeutung der erwähnten Tatsachen ein Licht zu werfen vermögen. In dieser Richtung ist vor allem folgendes von Bedeutung: die Körperwand des Appendix zeigt die normalen Elemente und sie alle, und nur sie, kehren in der Harnblasen wand wieder. Die Körperwand der Appendix trägt auf der dicken Cuticula die Härchen, hier als sehr niedrigen, aus feinen, zarten, dichtge- drängten „Stäbchen" gebildeten Saum (Fig. 5); auf der Cuticula der Harnblasenwand finden wir die Härchen als mächtige, lange, von einer kräftigen Wurzel bis zu einer feinsten Spitze sich all- mählich verdünnende Gebilde wieder, die auf den Schnitten meist büschelweise verklebt, sonst aber in sehr regelmäßiger Anordnung auftreten (Fig. 5 und 31). Sie zeigen gegen die Tinktionsmittel völlig das gleiche Verhalten wie die Cuticula selbst, färben sich z. B. in Delafieldschem Hämatoxylin ebenso blau, wie sie, in Eisen- hämatoxylin schwarz. Im letzten Falle halten sie freilich die Schwärzung viel energischer fest wie die Substanz der Cuticula, so daß sie auf stark reduzierten und dann etwa mit Fuchsin nach- gefärbten Schnitten als gleichförmig dunkle Haare mit nageiförmig verdickter, tief schwarzer Basis in der roten Masse der Cuticula eingepflanzt stecken (Fig. 31, 32). Wie die Härchenschicht erfährt auch die Cuticula selbst im Innern der Harnblase eine mächtige Verstärkung (Fig. 3, 4, 6—9, 31, 32), ohne sich in Struktur und Tinktionsfähigkeit zu ändern. Wohl aber fällt hier an ihr die Art ihrer Abgrenzung nach innen und nach außen auf. Besonders gegen das Körperinnere fehlt jede scharfe und gerade Grenzlinie und die Cuticula läuft in ganz unregelmäßige Zacken, Wellen oder strahlige Büschel von sehr ungleicher Höhe aus (Fig. 4, 8, 9, 31, 32). In die zarten Enden dieser Zacken und Strahlen scheinen sich die cuticularen Aus- läufer der Epithelzellen direkt fortzusetzen (Fig. 31), die oft ein ungemein feines und sehr regelmäßiges Fibrillenlager vorstellen. [Fig. 32 ist ein Stück eines Querschnittes durch den hintersten Teil der Appendixlippen, etwa der 4. oder 5. Schnitt einer solchen von hinten nach vorne durchgeschnittenen c. 5 -|x- Serie. Da nun die Schnitte in dieser Reihenfolge auch auf den Objektträger auf- (120) Das ursprüngliche Hinterende einiger Rhynchobothrienketten. 9 gelegt worden sind, so erscheint im Präparate und in der Zeiclinung das, was in der Längsachse des Tierkörpers hinten liegt, oben, das vordere unten. Somit die „caudad" liegende Ringmuskulatur irm („innere" Ringmuskulatur, weil sie der Harnblasenseite zugewandt ist, im Gegensatze zur „äußeren" arm der Körperoberfläche) oben, das zarte Fibrillen werk, um das es sich eben hier handelt, das zwischen Epithelzellen und Blasencuticula (cuhl) „rostrad" von der irm verläuft, unter ihr. Von Epithelzellen sind die eingezeichneten die ersten, die auf der Serie überhaupt ersclieinen und nicht viel mehr von ihnen, als gezeichnet sind, liegen überhaupt auf dem ganzen Schnitt. Es sind also die am meisten caudad gelegenen, die gerade in der Umbiegungsstelle der äußeren Körperwand in die innere Harnblasenfläche liegen. Streng genommen wäre also ihr caudales Ende vor, ihr rostrales hinter der Papierfläche zu denken. Durch die Unregelmäßigkeiten von Körper und Schnitt aber liegen sie so orientiert, daß sie die „freie Fläche" hauptsächlich der Harn- blasencuticula, ihr proximales Ende der Körperoberfläche zuzuwenden scheinen. Sie sind nach nicht zu stark differenzierten Eisenhäma- toxylinpräparaten gezeichnet und lassen infolgedessen Kern und Plasma nicht deutlich erkennen.] Gegen das Lumen der Harnblase zu dagegen quillt die Sub- stanz der Cuticula oft gleichfalls unregelmäßig wie ein Sekret vor (Fig. 32, wo die Härchen z. T. schief abgeschnitten, z. T. nicht völlig ausgezeichnet sind, um die Cuticularmasse deutlich zu zeigen, die am Schnitt schön rot sich von den schwarzen Härchen abhebt). Es ist dies hauptsächlich in den hintersten Abschnitten der Harn- blase der Fall; hier stehen die Haare dann nicht auf der Grenz- lamelle der Cuticularschicht, sondern .sie sind tief in die Cuticular- substanz, oft bis zu ihren Spitzen eingebettet, oder mit anderen Worten . die Cuticularsubstanz scheint zwischen den Härchen bis zu ihren Spitzen vorzuquellen. Dies erinnert an eine ähnliche Beob- achtung, die ich schon früher am Hinterende des Scolex von Tetra- rhynchus S7na/v'c?ww Pin tn. gemacht habe, i) Wenn man bedenkt, daß die dort gezeichnete Stelle nach der Ablösung des Scolex vom Larvenkörper in das Innere der Harnblase eingezogen wird, so kommt eine völlige Homologie des in beiden Fällen Beobachteten zustande. Die äußere Körperwand zeigt unter der Cuticula natürlich die feinen Ringmuskelfibrillen (Fig. 4; Fig. 23, wo die Cuticula nicht eingezeichnet ist, sondern die äußerste Schicht die Basal ') 93 PiNTNER, pag. 637 und T. II, Fig. 28- (121) IQ Theodor Pintner: membran vorstellt). Sie scheinen gegen das hinterste Ende des Appendix ihren Charakter: sehr feine Fibrillen, streng parallele Lao-erung und keine Verzweigung, etwas zu ändern; hier sind in d"eser Schicht relativ kräftige Fasern zu finden, ihr Verlauf ist nicht so regelmäßig wie sonst, sie überkreuzen und verbinden sich oft. An der Harnblasenwand ist diese Pängmuskulatur zu einem mächtigen System von Zirkulärfibrillen umgebildet (Fig. 4, 5, 8, 9, 2o, 31, 32), denen wohl die Bedeutung eines Sphinkters zuge- schrieben werden muß. Sie nehmen hier oft die halbe Dicke der gesamten Wand des Appendix für sich allein in Anspruch. Sie werden weit kräftiger als an der Außenwand, sehen mehr band- artig aus und verlaufen völlig wirr und sehr wellig, bunt verfilzt durcheinander (Fig. 31, 32), so daß sie weder auf den Querschnitten des Appendix in voller Länge, noch auf seinen Längsschnitten rein quergeschnitten auftreten. Mitten unter ihnen erscheinen stärker geschwärzte, mehr geradlinig verlaufende zirkuläre und radiäre Fibrillen von drahtartigem Charakter (Fig. 3L 32), deren Zuge- hörigkeit problematisch bleibt. In gleicher Weise wie die Ringmuskulatur, geht auch die subcuticulare Längsmuskulatur von der Außenwand, wo sie schwach ausgebildet, oft sogar an Mächtigkeit hinter den Ring- fibrillen zurückbleibt, an die Blasenwand über (Fig. 23). Es interes- siert an ihr hauptsächlich, daß sie sich tief in die ßingmuskel- schicht hineindrängt (Fig. 23 vi"), ja bis an die Cuticula der Blase vordringt, daß sie in bogenförmigen Zügen noch die Blasenzipfel begleitet {m') und auch auffällige Zweige von dem Vorderende der Blasenzipfel zur äußeren Körperwand entsendet (m). Was die Epithelzellen anlangt, so ist hier, obzwar sie oft an einem und demselben Individuum und Präparate an der Körper- oberfläche und der Harnblasenwand trotz ihres unmittelbaren Über- ganges ineinander nicht unbeträchtliche Abweichungen in Größe, Form, Dichtigkeit zeigen, von ihnen doch nicht eben besonderes zu sagen. Sie haben im ganzen die typische Gestalt: proximal ein kolbenförmig abgerundetes Ende, distal spitz ausgezogea in die cuticularen Plasmastränge, ihr Plasma durchsetzt von scheinbaren Vakuolen, der Lagerstätte der verschwundenen „Fett"-Tropfen, und geschwärzten Granulis (Fig. 31). Viel auffälliger sind zwar ganz unregelmäßig eingestreute, aber keinesw^egs seltene Kerne, die sich zwischen der Cuticula und dem Epithel, meist mitten in der Fibrillen schiebt, bisweilen den (122) Das i^rsprüDglicbe Hintereßde einigei- Khynchobotlirienketten. 11 nach innen ausstrahlenden Zügen der Cuticularsubstanz angelagert, vereinzelt sogar mitten in die Substanz der Cuticula eingebettet vorfinden (Fig. 31). Sie sind meist nur von ganz spärlichem Plasma umgeben, das sich in feinen Strängen cuticularwärts oder in ent- gegengesetzter Richtung auszieht, und gleichen sonst im wesent- lichen den Kernen der Epithelzellen. Sie und das ganze Bild ihrer Umgebung erinnern sehr an das , was ich seinerzeit von den Inte- guraentschichten von Amphilina gesagt habei), und ich möchte sie ganz, wie dort — worauf ich hier verweise — als an ihrer Tiefen- wanderung gehinderte Epithelzellkerne deuten. Das Parenchym des Appendix schließt sich natürlich im allgemeinen dem gewöhnlichen Charakter des Körperparenchyms an (Fig. 24). Indessen tritt dieser Charakter häufig gegen eine höchst unbestimmte, fibrillär-granuläi-e Beschaffenheit in den Hintergrund. -Dabei machen sich ferner stets zwei hervorstechende Eigentümlich- keiten geltend: das Auftreten massenhafter, oft dicht gedrängter kugeliger Hohlräume jeder Größe und eine überraschende Zahl von Terminalzellen des exkretorischen Apparates (Fig. 5, 23). unter den kugeligen Hohlräumen rühren die großen von Kalkkörperchen her; sie kommen oft an Größe den Gefäß- oder Nervenquerschuitten gleich, ja übertreffen sie (Fig. 29, 30, ha). In den kleineren Hohl- räumen waren im lebenden Tier die zahlreichen „Fetttröpfchen"' enthalten, die alle Cestodengewebe durchsetzen. Sie liegen in das Plasma der Zellen, sowohl des Parenchyms, wie des Epithels, ein- gebettet. In der Mitte der Substanzinsel, die das Vorderende der Harn- blase zwischen ihren Zipfeln bildet, mehr oder weniger in der Medianebene, scheint ein mächtiger, breiter, von vorne kommender Muskelstrang zu endigen (Fig. 2). Wenigstens haben seine gar nicht zu dünnen Fibrillen , die wellig nebeneinander parallel laufen , das Aussehen von Muskelfibrillen. Sie bleiben aber bei allen Tinktionen vollständig blaß, mögen sich auch alle übrigen Muskeln gefärbt haben, und auf Querschnitten ist von ihnen nichts Distinktes zu entdecken. Die interessanteste Erscheinung jedoch, die uns das Parenchym des Appendix, und zwar auf Querschnitten bietet, die nach vor- gängiger Eisenhämatoxylinbehandlung mit Säurefuchsin — und etwa auch noch mit Pikrinxylol — nachbehandelt wurden, ist jene, die in den Figuren 16 und 17 wiedergegeben ist. Sie ist übrigens ') 1903 PiNTNER, pag. ÖSöfF. (123) 12 Theodor Pintner: auch auf den Schnitten Fig. 12 und 13, die nach gewöhnlichen Schwarzfärbnngen gezeichnet sind, z. T. sichtbar. Hier sieht man, daß die Querschnitte der vier Harnblasenzipfel durch eine kreis- förmige dunkle Zone miteinander verbunden sind, die sich bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 24) in wirr durcheinander laufende, drahtartige Fibrillen, wohl Muskelfibrillen , auflöst. Sie verlaufen im ganzen zirkulär, aber, wie gesagt, sehr unregelmäßig, und auch, mindestens auf kürzere Strecken, längs-, schief-, ja radiär ver- kaufende finden sich angeschnitten. Immerhin machen diese Fibrillen die Dunkelfärbung des erwähnten Ringes allein nicht aus, sondern es kommt eine dunkle Grundsubstanz hinzu, die völlig mit der cuti- cularen Auskleidung der Zipfelkanäle, somit mit der Cuticula über- haupt übereinstimmt. Man sieht das insbesonders an Stellen, wo die Fibrillen wenig zahlreich sind (Fig. 13, 17), besonders aber bei den obigen Doppel- oder Dreifachfärbungen: hier bleibt an gelungenen Präparaten nur die äußere Cuticula, die der Harnblasenzipfel und der eben erwähnte Ring rot, das Parenchym wird farblos oder gelblich, Kerne, Terminalzellen, Muskelfibrillen sind schwarz. In die rote Grundsubstauz des Ringes sind also die schwarzen Muskel- fibrillen eingelagert, die vier Zipfelquerschnitte aber unterbrechen ihn ganz ähnlich wie Querschnitte von Radiärkanälen einer Hydroid- meduse den Ring der Kathammalplatte. Weiter vorne , wo das Lumen der Harnblasenzipfel verschwindet, zeigen dann mächtige, rote, kreisrunde Flecken, daß da noch immer die Cuticularauskleidung vorhanden ist (Fig. 17), und ebenso die cuticulare Substanz zwischen je zwei Zipfeln auf der Dorsal- und Ventralseite, während sie rechts und links zwischen den Zipfeln verschwunden ist. Nicht minder auffällig ist die Anhäufung von Kernen rings um die Zipfelkanäle, zumal an der Innen-, ganz besonders aber an der Außenseite. Diese Kernanhäufung dauert bei Verfolgung einer Querschnittserie in der Richtung nach vorne noch lange an (Fig. 14), d. h. man vermag sie an sehr jungen Ketten bis in die Region der Sexualanlagen des letzten Gliedes, oder, wenn Glieder noch fehlen, bis weit gegen das Hinterende des Scolex zu verfolgen; an reiferen Gliedern schwinden sie, soviel ich sehen kann, mit Beginn der Sexualregion völlig. Längere Zeit kann man inmitten der vier Kernnester auch noch Spuren der farbigen Reaktionen der Cuticularmasse finden, hie und da tauchen auch noch Spuren der Ringsegmente auf, verlieren sich aber immer mehr. Nebenbei sei auch bemerkt, daß das Lumen der Harnblasenzipfel dort, wo sie in stärkster Entwicklung vorliegen, auf Schnitten oft gleichwohl nicht zu sehen ist, da ihre Cuticular- (124) Das ursprüngliche Hinterende einiger Ehynchobothrienketten. 13 auskleidung, auch auf sonst guten Präparaten, an der freien Ober- fläche bisweilen wie leicht mazeriert und mit der der gegenüber- liegenden Wand verklebt ist. "Weiter sei nun mitgeteilt, daß ich seit meiner vorläufigen Mitteilung über diesen Gegenstand (1. c.) an zwei anderen Arten von ßhynchobothrien im wesentlichen völlig übereinstimmende Organisationseigentümlichkeiten gefunden habe. Diese beiden Arten sind Tetrarhynchus tetrahothrius Van Ben. und RhipichohotJirius eri- naceus Van Ben. (Wenigstens muß ich den beiden Formen vorläufig diese Namen beilegen! Sie stammen beide aus dem Spiraldarm von Squalus aoanthias ans Bergen] ich erhielt sie von Kollegen Joseph, der für mich bei verschiedenen Gelegenheiten Cestoden gesammelt hat , für welche Freundlichkeit ich ihm auch hier bestens danke. Von beiden Formen sind mehrere selbstgesammelte reife Ketten seit langem in meinem Besitze , doch keines dieser Individuen besitzt das primäre Endglied; die Bergener Formen aber waren Jugend- stadien, noch ohne weiter vorgeschrittene Gliedbildung, mit dem primären Ende.) Bei beiden Formen war das mir zur Verfügung stehende Ma- terial nicht so reich , daß ich die Untersuchung so genau hätte durchführen können, wie bei rvßcoll-is- beide Formen sind vor allem nicht annähernd so durchsichtig wie die eben erwähnte. Ich kann daher über die Totalkonfiguration der Harnblase nur sagen , daß sie sich in ihren wesentlichen Punkten dem oben Gesagten anschließt. Es lassen das die Querschnitte erkennen, z.B. Fig. 15 und Fig. 21, beide von tetrahothrius stammend. Auch hier finden wir die charak- teristische Auskleidung der Harnblase, der Haarbelag zieht sich sogar über die stets vorhandenen zwei Lippen noch eine kleine Strecke auf die Außenfläche der hintersten Körperspitze fort, ihren Sphinkter und Epithelbelag, genau wie bei riificollis (Fig. 21), wir finden die typischen vier Harnblasenzipfel (Fig. 15, z^z.-^ ), die völlig gleiche Lage der vier Exkretionskanäle und des Nervensystems (Fig. 15 E, e, n) und den Gewebering, der die vier Harnblasenäste, besonders auf der Dorsal- und auf der Ventralseite mit einander verbindet. Dagegen ist in einem Punkte eine Weiterdifferenzierung der bei riificollis vorliegenden Verhältnisse vorhanden, insoferne als bei beiden Formen von den vier primären Harnblasenzipfeln, besonders in ihren vordersten Abschnitten, völlig unregelmäßige, kanalartige, (125) 14 Theodor Pintner: seitliche Abzweigungen entspringen. Sie verlaufen teils in der Längs- richtung des Tierkörpers (Fig. 15 z' , Fig. 22 z' , z" , Fig. 28). teils mehr zirkulär (Fig. 22 ci) oder radiär (Fig. 28). Bisweilen scheinen diese Zweige untereinander zu anastoraosieren , Anastomosen zwi- schen den Primärzipfeln der Harnblase herzustellen; meist lassen sie sich leicht von den Exkretionsgefäßen und ihren Verzweigungen unterscheiden , besonders dann , wenn sie innerhalb des charakte- ristischen Geweberinges liegen (Fig. 15 s', Fig. 22), was besonders auf Querschnitten augenfällig ist. Ihr Volum erreicht häufig das der Primärzipfel (Fig. 22 ^'), häufig sind sie aber sehr fein (Fig. 22z")] im letzten Falle wird nur durch die Lage wahrscheinlich, daß sie diesem Organsystem zugehören. Auf mehreren Präparaten von tetra- bothrms fand ich sie dicht mit Konkrementen erfüllt (Fig. 22, 28), wie man sie ja nicht selten auch sonst im Exkretionsgefäßsy stein, besonders in der Harnblase findet. Vereinzelt schienen kernartige Gebilde der Kanalwand im Lumen selbst anzuliegen (Fig. 28), worüber sich aber Sicheres nicht ermitteln ließ. Mit der Feststellung der eigentümlichen Harnblasenbildung am primären Hinterende auch bei Tetrarhynchus tetrahotkrius und bei Rhynchobothrius erinoceus gewinnen die zuerst für ruficolhs auf- gefundenen Organisationseigentümlichkeiten schon ein allgemeineres Interesse. Die Frage nach ihrer morphologischen Bedeutung wird nun ihren Ausgang nehmen von der Tatsache, daß die Harnblasen- wand ihrer Struktur nach offenbar nichts anderes ist, als eine ein- fache Einstülpung der äußeren Körperwandschichten. Durch, wie wir wissen, arhythmische Kontraktionen zur Entleerung ihres In- haltes nach außen in gewissen Intervallen befähigt, zeigt sie eine bedeutende Verstärkung des Hautmuskelschlauches, besonders der Ringmuskulatur. Dieser histologische Charakter bleibt auch an den vier Harnblasenzipfeln erhalten, ja im wesentlichen auch an dem merkwürdigen, sie untereinander verbindenden Gewebering. Es wird daher kaum gewagt sein zu sagen: Es ist früher am Hinterende des Tetrarhynchenkörpers eine glockenförmige Einstülpung um einen zentralen Zapfen vorhanden gewesen, oder: es ist um das ursprüng- liche Hinterende eine Ringfalte nach hinten vorgewachsen; von dem so erzeugten Hohlräume blieb die hintere Hälfte als Harnblase er- halten, während in" der vorderen die ursprüngliche Außenfläche des Schwanzendes und die Innenfläche der Falte miteinander bis auf die vier Harnblasenkanäle verwachsen sind. Das „früher" kann (126) Das ursprüngliche Binterende einiger Ehyncliobothrienketten. 15 hierbei ontogeuetiscbe Bedeutung haben — indessen ist nichts be- kannt, das hierauf hindeutete — , oder phylogenetische, was wahr- scheinlicher ist. Nun gibt es ja Formen, bei denen eine solche , mit der der „appendiculaten Distomen" übereinstimmende Gestaltung des Hinter- endes besteht: z. B. den Tetrarhynchus lingualis und seine Ver- wandten, und man könnte somit glauben, daß die uns vorliegenden Formen eine Weiterentwicklung der dortigen Verhältnisse bedeuten. Das ist aber nicht der Fall; denn das in der hinteren ßingfalte steckende eicheiförmige Schwanzstück von Tetrarhynchus lingualis Cav. zeigt den gleichen Bau wie das bei unseren drei Formen, wo diese ßingfalte fehlt. Es wird aber gleichwohl die demnächst von mir zu publizierende Beschreibung dieser merkwürdigen Form, die in vielfacher Richtung ganz besondere Komplikationen zeigt, uns weitere Klärung der hier vorliegenden Beobachtungen bringen. Kurz möchte ich hier noch auf Struktureigentümlichkeiten der Wand der großen Exkretionsgefäße hinweisen, wie sie Fig. 20 und Fig. 25 an geschwärzten Präparaten zeigen. In Fig. 25 sieht man in das Lumen des großen Kanales ein Stück tangential ange- schnittener Wand hineingezeichnet; hier sind sehr deutlich scharf umrissene runde Poren zu erkennen, die offenbar nichts anderes sind als die Mündungen der Trichterkapillaren. Wohl zu unter- scheiden sind hiervon Strukturen, wie sie Fig. 20 klar hervor- treten läßt. Diese schwarzen Punkte sieht man am Schnitt der Kanalwand als nach innen vorragende, sehr regelmäßig angeordnete Knötchen, Nun gibt es auch Bilder, an denen die Kanal wand von der Fläche her ein dichtes schwarzes Gitterwerk zeigt, d. h. die hier abgebildeten Punkte sind dann durch sich kreuzende Linien miteinander verbunden. Ich möchte nun glauben, daß dieses Gitter- werk in der Kanalwand verlaufende sehr dicht gestellte Stütz- fibrillen vorstellt, daß die Kreuzungspunkte entsprechend verdickt und intensiver geschwärzt sind und daher auf stark reduzierten Schnitten, wie eben Fig. 20, allein sichtbar bleiben. Ich habe diese Strukturen auch schon bei zahlreichen anderen Cestoden beobachtet. Merkwürdig sind die Bilder der großen Exkretionsstämme auf geschwärzten Querschnitten sehr junger Ketten aus der Region der Sexualanlagen (Fig. 29 und 30). Diese sind hier als dicht ge- drängte Gruppen großer Zellen za erkennen, neben ihnen sehr lang- gestreckte Spindelzellen als junge Muskelfasern. Die Exkretions- (127) 16 Theodor Pintner: stamme heben sich nun aus dieser Umgebung durch eine auffällig helle Zone ab, die sie kreisförmig umgibt. Bei genauerer Betrach- tung sieht man deutlich das Kanalepithel aus blassen Zellen, an seiner Peripherie von einem sehr großmaschigen Waben werk des Parenchyms umgeben. Um dieses wieder schließt sieh oft sehr regel- mäßig ein Kreis kleinerer Spindelzellen, wohl gleichfalls junge Muskelzellen, die aber später nicht etwa in spezielle Beziehung zum Exkretionskanal treten, sondern diese Anordnung nur durch den den Kanal umgebenden Parenchymring erhalten haben. Auffällig ist auch die große Anzahl von Parenchymzellen, die sich dicht an die Kalkkörperchenhöhlen anlegen (Fig. 30 ka). Dies möchte sehr für die jüngst von Yoüngi) vertretene Ansicht sprechen, daß die Kalkkörperchen nicht als Derivate je einer Zelle zu betrachten sind, sondern ein interzelluläres Deposit bilden. Noch ein Wort über zahlreiche Parasiten protozoischer Natur in den von mir untersuchten Exemplaren von ruficolUs. Ich habe sie in verschiedenen Entwicklungsstadien in Fig. 23 pa und in Fig. 19 abgebildet, Sie sind in winzig kleinen Entwicklungs- stadien vorhanden, wo sie dann oft in riesiger Menge die Cuticula, besonders der Harnblase, die Epithelien und das Parenchym durch- setzen, und können außerordentlich leicht zu Irrtümern (Kern- reste in der Cuticula!) Anlaß geben. Sie entwickeln sich aber, wie man sieht, zu massigen Klumpen von ansehnlicher Größe, die wiederum hauptsächlich in der Umgebung der Harnblasenzipfel, besonders auch in dem Gewebe zwischen ihnen, auftreten. Über ihre genauere Zugehörigkeit wage ich nach meinen Präparaten kein Urteil abzugeben. ') 08 YouNG, pag. 191. (128) Das ursprüngliche Hinterende einiger Eliyncliobothrienketten. 17 Literatur. 1894—1900. M. Braun, Vermes. Abt. Ib. Cestodes. in: Bronn Klass. Ordn. Bd. IV. 1899 — 1904. Ernst Haeckel, Kunstformen der Natur. Leipzig und Wien. 100 Taf. und Text. 1877 — ? R. Leuckart und H. Nitsche, Zoologische Wandtafeln. Cassel. 1907. A. Looss, Beiträge zur Systematik der Distomen. Zur Kenntnis der Familie Hemiuridae in: Z. Jahrb. Syst. Abt., Bd. XXVI, pag. G3— 180, Taf. 7—15. 1880. Theodor Pintner, Untersuchungen über den Bau des Band wurmkörpers mit be- sonderer Berücksichtigung der Tetrabothrien und Tetrarhyncheu in: Arb. Zoo). Inst. Wien, Tom. III, pag. 163—242, 9 Fig. T. 1—5. 1893. Th. Pintner , Studien an Tetrarhynchen nebst Beobachtungen an anderen Band- würmern. (I.Mitteilung.) Tetrarhi/nchiis Smaridutn Vintn. in: Sitz.-Ber. Akad. Wien, Math.-Naturw. Kl., Bd. CII, pag. 605—650, 4. Taf. 1896. Th. Pintner, Studien über Tetrarhjmchen nebst Beobachtungen an anderen Bandwürmern (II. Mitteilung). Über eine Tetrarliynchenlarve aus dem Magen von Heptanchu.s , nebst Bemerkungen über das Exkretionssystem verschiedener Cestoden in: Sitz.-Ber. Akad. Wien, Matb.-Naturw. Kl., Bd. CV, pag. 652— 682, 4 Taf. 1903. Th. Pintner, Studien über Tetrarhynchen nebst Beobachtungen an anderen Bandwürmern. (III. Mitteilung.) Zwei eigentliche Drüsensysteme bei Bhyncho- hothrius adenopltisius und histologische Notizen über Anfliocephalus, Amphilina und Taenia saginata in: Sitz.-Ber. Akad. Wien, Math.-Naturw. Kl. Bd. CXII, pag. 541—597, 4 Taf. 1906. Th. Pintner, Das Verhalten des Exkretionssystems im Endgliede von Rhyncho- bolhrius ruficollis (Eysenhardt) in: Z. Anz., Bd. XXX, pag. 576 — 578- 1908. Robert Young Thompson, The Histogenesis of Cysticercus pisiformis in: Z. .Jahrb. Anat. Abt., Bd. XXVI, pag. 183—254, Taf. 8—11. Tafelerklärung. Die Untersuchung wurde durchwegs mit Z eis s sehen Apochromaten ausgeführt. Die Vergrößerungsangaben beziehen sich nur auf die aus der Kombination von Ob- jektiven, Okularen, der Camera und der jeweiligen Höhe der Zeichenfiäche resultierende wirkliche Vergrößerung der Zeichnung. Tafel I. Fig. 1. Eliijxchohothriua yiijicollis (Eysenhardt). Die zwei letzten Glieder einer im gestreckten Zustande konservierten (Schüttelmethode, Formol) jungen Kette. Nacli einem in Safranin geiärbten Balsampräparate, von der Gliedfläche her gesehen. Vergr. c. 36mal. Die männlichen Sexualorgane voll entwickelt, der Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tora. XVIII, Heft 2. 9 (l'>0) lg Theodor Pintner: Uterus noch nicht mit Eiern gefüllt. Im vorderen Gliede sind die Dotterstöcke Do nicht eingezeichnet, sondern die seitlichen Grenzen ihres Verbreitungsbe- zirkes durcli eine Linie angedeutet. Das Glied liegt mit der Dorsalseite nach oben, daher das Vas deferens Vd, das einen rautenförmigen Eaum in der Glied- mitte erfüllt, oben, der Uterus V unten. Hoden und Keirastock ohne weiteres kenntlich. Fig. 2. Der „Appendix" des letzten Gliedes auf einem Frontalschnitt. Vorne sieht man noch die letzten, im primären Endgliede oft weit nach hinten verlagerten Dotterstockfollikel Do. Die schattierte Zone ep deutet die subcuticularen Ge- ■websschichten an, die, stärker tingiert, von den Körperseiten nach hinten ziehen und hier nach innen und vorne umbiegend die Harnblase umgrenzen. Zwischen den Anschnitten der weiten (ventralen) exkretorischen Gefäße ist, in der Median- ebene gelegen, jener im Text erwähnte Strang eigentümlichen Gewebes einge- zeichnet, der am ehesten an Längsmusknlatur erinnert. Vergr. c. öSmal. Fi«-. 3. Das letzte Gied samt Appendix, gleichfalls im Frontalschnitt. Man sieht eben noch das vorletzte Glied und die Andeutung der Transversalanastomose der weilen (ventralen) Exkretionskanäle, die dann weiter nach hinten bis zu ihrer Einmündung in die Harnblase zu verfolgen sind. Nach außen von ihnen beider- seits die Anschnitte der engen (dorsalen) Exkretionsstämme e. Ferner sind an- gedeutet Anschnitte von Hoden, der Keimstockbrücke und des Uterus. Das Glied ist noch sehr jung, ep wie oben. Vergr. ung. 188mal. Fig. 4. Frontalschnitt durch den Appendix ; sehr lang ausgestrecktes Exemplar. Die Harnblase in ihrem hinteren Teile kanalartig kontrahiert. Man sieht ihren Wänden angelagert die mächtige Muskulatur, dann die subcuticulare Zellschichte, beide direkt in die Eingmusknlatur und das Epithel der Körperwand über- gehend, e das hintere Ende des engen (dorsalen) Exkretionskanals, die nebenan liegende Einmündung in die Harnhlase gehört zu dem großen Kanal. Vergr. c. 250mal. Fig. 5. Stück eines Appendix bei etwas stärkerer Vergrößerung, nach einem mit Eisen- hämatoxylin geschwärzten Präparate. Man sieht von außen nach innen: die Härchenschicht, die Cuticula, die helle Zone, in der die subcuticularen Fibrillen- systeme liegen; dann die Zone der Epithelkerne, endlich das Parenchym. In ihm größere und kleinere kugelige Hohlräume, jene von Kalkkörperchen, diese von „Fetttropfen". Dann zahlreiche Terminalzellkerne und die zugehörigen Flimmerlappen, die oft unter dem Bilde einfacher schwarzer Stäbchen er- scheinen. Neben dem weiten Exkretionskanal ein Stück des engeren, nach außen einen Teil des Hinterendes vom Nervensystem. Neben der Harnblasen wand ihre Muskelfibrillen mehr oder weniger schief quer getroffen. Vergr. c. 270nial. Fig. ß_14. Neun Querschnitte durch den Appendix eines sehr jungen, noch proglottiden- loseu Individuums von JRhynchobothrius ruficoUis, vom Hinterende nach vorne fortschreitend, alle aus derselben, mit Eisenhämatoxylin geschwärzten Serie. Die Cuticula der Körperwand fehlt ; die schwarzen Punkte im Innern sind die geschwärzten Zellkerne, das äußere Körperepithel infolge eines Eückbildungs- prozesses zu mehr kugeligen Zellen umgewandelt. Vergr. etwa 92mal. Alle Fi- guren von 6—18 sind so orientiert, daß die Medianebene von oben nach unten, die Transversalebene von rechts nach links verläuft. Bei allen Figuren mit Ausnahme von 15 liegt die Dorsalseite (Samraelkanäle e) unten, die Ventral- seite (Sammelkanäle E) oben. Fig. 6. Die beiden Lippen des Appendix, die auf aso) Das ursprüngliche Hinterencle einiger Rliynchobotlirieuketten. 19 Fig. 7 schon verschmolzen sind. Man sieht, wie die Schichten der äußeren Kijrperwand in die der Harnblase übergehen. Fig. 8. Der verengte Teil der Harnblase, der vom hinteren Harnblasenreservoir, dessen Hauptausdehnung dorsoventral orientiert ist , in das vordere Harnblasenreservoir Fig. 9 überführt, das sich von rechts nach links ausdehnt. Fig. 10. In die beiden Earnblasenschenkel münden auf der Innenseite eben die beiden weiten Exkretionskanäle. Fig. 11. Das unmittelbar nach vorn folgende Bild. Fig. 12. Die beiden primären Harnblasenzipfel haben sich jederseits gegabelt. Zwischen ihnen die zwei Querschnitte der weiten Exkretionsgefäße, unter denen (auf der Dorsalseite ! ) Fig. 13 die beiden engen Exkretionsgefäße (durch schwarze Punkte angedeutet) er- scheinen. Fig. 14. Einer der letzten Schnitte, auf dem noch durch die Anhäufung der Epithel- zellkerne die 4 Harnblasenzipfel angedeutet erscheinen; schon weit gegen den Scolex nach vorne zu gelegen. — Auf den Schnitten 1.3 und 14 erscheint auch genau in der Transversalebene, der subepithelialen Zellschicht genähert, jeder- seits der Querschnitt des hier nicht eingezeichneten lateralen Norvenstammes. Fig. 15. Querschnitt durch den Appendix von Bhi/nchobothruis tetrabothrins aus Squalits acanthias (Bergen) in der Eegion der vier HarnblascBzipfel. Dieselbe Vtrgr. wie die vorhergehenden Figuren, z^ und ^2 die beiden Harnblasenzipfel der einen Körperseite; E und e die beiden Exkretionsgefäße, n der laterale Nervenstaram derselben Körperseite, z' zwei der unregelmäßigen Anastomosen zwischen den Harnblasenzipfeln. Fig. 16. Querschnitt durch den Appendix von Rhijncliobotltrius ruficollis (zwischen Figur 12 und 13, aber von einem anderen Individuum). Rechts und links tritt das Hinterende der lateralen Nervenstämme vom Rand her zu der Zone der Harnblasenzipfel. Nach einem Eisenhämatoxylinpräparate, das mit Säurefuchsin und Pikrinxylol nachbehandelt wurde. Es ist dann das Parenchym gelb ge- färbt, Kerne, Muskelfibrillen, und die äußere Schichte des Integuments (Cuti- cula) schwarz, seine innere, in der Zeichnung etwas hellere Schichte rot. Bei starker Reduktion wird jedoch die Schwarzfärbnng auch aus der Cuticula ausgezogen, diese wird intensiv rot, genau wie die Umgrenzung der 4' Harn- blasenzipfel, während die innere Integuraentschichte hellrot wird. Vergr. ung. 157mal. Fig. 17. Ein solcher, weiter nach vorne. Dieselbe Tinktiou und Vergr. In der Trans- versalebene der Querschnitt der beiden Lateralnerven, deren äußerstes auf- findbares Hinterende in Fig. 16 längsgetroflfen ist. Fig. 18. Von ruficollis aus der Region von Fig. 7; von einem normalen Individuum. Etwas schief getroffen , so daß am unteren Rande der Figur die Gewebe der rechten und linken Körperseite fast noch getrennt sind , wie in Fig. 7 , am oberen Bande aber bereits ineinander übergehen. Dieselbe Vergr. wie die Fig. 6-14. Fig. 19. Die parasitischen Fiotozoen ans RJiynchobothrius ruficollis. Vergr. ung. 693raal. Fig. 20. Längsschnitt, teilweise tangential augeschnitten, einer der weiten Exkretions- stämme von ruficollis. Mit Eisenhämatoxylin behandelt. Vergr. ung. 693mal. Fig. 21. Harnblasenquerschnitt von tetrabothrius. Eisenhämatoxylinpräparat. Vergr. ung. 270nial. 9* mi> 20 Theodor Fintner: Das ursprüngliche Hinterende einiger Rhj'nchobothrienketten. Fig. 22' Von einem ebensolchen, aber viel weiter nach vorne zu. Es sind die beiden Harnblasenzipfel einer Körperseite z^ und z.^ durchschnitten, s' und z", ebenso a gehören dem unregelmäßigen Anastomosen werk zu. E und e die beiden Ex- kretionsstämme, das Nervensystem liegt a knapp an. Vergr. ung. 490mal. Tafel II. Fig. 23. Frontaler Längsschnitt durch den Appendix von rußcollis. Es ist die eine "Wand des Harnblasenstamnies und ein Harnblasenzipfel zu sehen. Nach einem Eisenhämatoxj'linpräparat. pa Parasiten; /», m\ m" Muskelfibrillen. Vergr. c. 350mal. Fig. 24. Stück eines Querschnittes durch den Appendix von nificoUis. Eisenhämatoxylin- präparat. Vergr. ung. VOOnial. Fig. 25. Die beiden Exki'etionsgefäße und der Lateralstrang im Endglied von rußcollis tmmittelbar hinter den Sexualorganen in ihrer relativen Größe. In den großen Exkretionskanal ist ein Stück tangential angeschnittener, geschwärzter Wand mit den Poren der Kapillaren eingezeichnet. Die Poren erscheinen auch als Unter- brechungen in der mittleren der 3 Konturlinien der Kanalwand. Vergr. c. VOOmal. Fig. 26. Die beiden Exkretionsgefäße und der Harnblasenzipfel von rußcollis. e das Ende des engen (dorsalen) Kauais mit Teilen des Endnetzes ; E der weite (ventrale) Kanal, der gefaltet (geschrumpft) nur in einer Falte angeschnitten erscheint. Auch der Harnblasenzipfel hz ist nur eben tangential angeschnitten. Die gleiche Vergr. Fig. 27. Ein Stück des Endnetzes des kleinen Exkretionskanals , ein angeschnittenes Stück des weiteren Kanals umgreifend. Fig. 28. Die sekundären Abzweigungen der Harnblasenzipfel bei ietrabofJirius. Dieselbe Vergr. wie die vorigen Figuren. Fig. 29. Die beiden Exkretionsgefäße und der Nervenstamm von rußcollis im Quer- schnitt nebst zwei Höhlen von Kalkkörperchen. Etwa 490Hial. Fig. 30. Dieselben Organe in der Region der Sexualorgane einer jungen rußcollis-Kette, Endglied. Vergr. VOOmal. Vig. 31. Die Harnblasenwand von rußcollis aus der hintersten Region. Eisenhämatoxylin mit Fuchsinnachfärbung. Vergr. 700mal. Fig. 32. Aus derselben Region in der ailerhintersten Korperspitze. Ebenso. 032) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. Von Erna Brünauer. (Mit 3 Tafeln und 2 Textfiguren.) A. Historischer Überblici<. Wir finden über die Entwicklung der Wirbelsäule bei Rep- tilien eine reiche Literatur, da in dieser Gruppe einige neue Mo- mente in die Entwicklung eingeführt werden , die sie mit den übrigen Amnioten in einen gewissen Gegensatz zu den Anamniern treten läßt: so die Präformierung der knöchernen Wirbelsäule durch eine knorpelige, der geringe Anteil der Chorda an der Wirbelbildung, die Ausbildung der gelenkigen Verbindung zwischen den Wirbeln , um die wichtigsten Punkte herauszugreifen. Unter den älteren Autoren, die sich mit diesem Thema be- schäftigt haben, ist Rathke (14) zu nennen, der in seinem großen Werk über die Entwicklung der Natter auch die Bildung der Wirbelsäule bespricht. Er schildert, wie eine die Chorda umhüllende Substanz sich in einzelne Tafeln gliedert, die ober- und unterhalb der Chorda miteinander verwachsen und so die Anlage der Wirbel- körper bilden. Die Verknöcherung geht vor sich, indem sich die Knochensubstanz zu einem Ring vereinigt, der durch Ansatz von äußeren Lamellen an Dicke zunimmt, während die eingeschlossene Knorpelsubstanz von Knochenerde durchdrungen wird. Allmählich verengt sich durch neuen Absatz zuerst von Knorpel, dann von Knochen, die Höhle des Ringes, wodurch der Rest der Chorda ab- geschnürt wird. Intervertebral dagegen bleibt ein Chordarest übrig, der die Gelenkpfanne bildet, wahrend sich schon vor der voll- ständigen Verknöcherung an der rückwärtigen Seite des vorher- gehenden Wirbels ein Gelenkkopf ausgebildet hat. Die Entstehung des Wirbels aus dem axialen Bindegewebe ist hier im allgemeinen richtig, wenn auch nicht detailliert, ge- C133> Erua Brünauer schildert. Bei der Verknöclierung seh einen mir zwei Punkte unrichtig dargestellt , nämlich die Beschreibung der inneren Verknöcherung nnd der Intervertebralbildung. Die Höhle des Ringes wird nicht alternierend mit Knorpel nnd Knochen erfüllt, sondern der vor- handene Knorpel wird durch die Bildung des Markrauraes auf- gelöst. Daher erhält sich die Chorda vertebral am längsten und wird intervertebral am frühesten abgeschnürt. Remak (15) beschäftigt sich damit, die Verhältnisse der AVirbel zu den Urwirbeln zu erforschen und stellt den Begriff einer „Neugliederung^' der Wirbelsäule auf. Nach seiner Darstellung scheiden die Urwirbel ein Blastem aus, das als kontinuierliche Schichte die Chorda umgibt und aus dem sich die primitive Wirbel- säule bildet. Die Grenzen dieser primitiven Wirbelkörper entsprechen aber nicht den bleibenden , sondern sind um ein halbes Segment verschoben. Die Neugliederung soll dadurch entstehen , daß die Grenzen des ursprünglichen Blastems verschmelzen und sich sekundär neue Grenzen bilden. Der Ausdruck „Neugliederung" bedeutet also eigentlich nur die Segmentierung des von den Urwirbeln ausgeschie- denen Blastems. Wie wir sehen werden, ist es nicht notwendig, so komplizierte Vorgänge zur Bildung der Wirbelsäule anzunehmen. Ebner (3 und 4) hat in zwei Arbeiten im Anschluß an Remak die Gesetze, nach welchen sich die Gliederung des Binde- gewebes vollziehen soll, klargelegt. Er weist an Frontalschnitten durch sehr junge Stadien von Ringelnattererabr3^onen eine doppelte Segmentierung nach : erstens eine Segmentierung des Bindegewebes, die den Muskelsegmenten entspricht (hier werden die Grenzen durch die Interprotovertebralgefäße deutlich sichtbar) und zweitens eine Abteilung, die in der Mitte eines jeden solchen Bindegewebsab- schnittes oder Skierotoms gelegen ist und von der Mitte des Muskel- segments nach einwärts gegen das Rückenmark zieht. Da diese Abteilungen ihrer Lage nach unzweifelhaft den späteren Grenzen der definitiven Wirbel entsprechen, so wurden sie von Ebner als Intervertebralspalten bezeichnet. Er beschreibt sie als Spalten, zu deren beiden Seiten die Zellen sich aneinander schließen, während in dem hell erscheinenden Zwischenräume kein Formelement zu entdecken ist. Durch das Auftreten dieser Spalten wird die Gliederung der Wirbelsäule angebahnt. Die Spalte soll im kontinuierlichen Zu- sammenhange mit der Urwirbelhöhle stehen und sich schon zu einer Zeit vorfinden, wo die Urwirbel noch selbständige Komplexe von Embryonalzellen darstellen, sich also die Segmentierung nicht, wie Remak behauptet, an einem gleichförmigen Blastem vollzieht. Die Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Eingelnatter. 3 Interveitebralspalte wnixle auch von anderen Autoren bestätigt, so von Corning bei der Blindschleiche, von Kollmann (12) beim Menschen, von Männer bei Lacerta. Obgleich Corning (2) das Auftreten der Intervertebralspalte bestätigt, so leugnet er deren Bedeutung für die Wirbelanlage. Vielmehr soll diese durch die Verschmelzung der Anlagen von Querfortsatz und oberen Bogen zustande kommen. Die Segmen- tierung wird durch früh auftretende intervertebrale Chorda-Ein- schnürungen angedeutet. An der Chorda unterscheidet er eine äußere und innere Chordascheide ; mit ersterer verschmelzen die Ausbrei- tungen der Bogenbasen zum Wirbelkörper. Ebner polemisiert in einer zweiten Abhandlung gegen Cor- ning, Daß die Intervertebralspalte unzweifelhaft mit der Bildung der Zwischen wirbelgelenke in Beziehung stehe, wird auf späteren Stadien zur Gewißheit. Die Spalte selbst wird zwar verengt und verschwindet endlich, doch tritt an ihre Stelle ein dichterer Gewebe- streifen. Corning macht nun einen Unterschied zwischen Urwirbel- spalt und Intervertebralspalte, obgleich beide einander entsprechen. Die Tatsache , daß sich Querfortsatz und oberer Bogen als erste Anlagen des Achsenskeletts ausbilden, wäre kein Beweis gegen die Bedeutung der Intervertebralspalte. Nun sieht man zu beiden Seiten der Chorda lateral verlaufende , dichte Zellstreifen , die längs der Intervertebralspalte verlaufen und sich dann zwischen die Myosepten schieben. Diese Streifen, die ven Froriep (5) bei Hühner- und Säugetierembryonen beobachtet und als primitive Wirbelbögen ge- deutet wurden, bezeichnet Corning als Anlage der Querfortsätze und oberen Bogen. Ebner will sie dagegen nur als Anlage der Querfortsätze gelten lassen, da die oberen Bogen selbst zur Seite des Rückenmarkes zu suchen seien und sich hier auch zu einer späteren Zeit noch keine DiiFerenzierungen im Mesoblastgewebe be- merkbar machen sollen. Als primär bezeichnet also Ebner den verdichteten Zell- streifen, den er „Vertebralstreifen" benannt wissen will, während dagegen als erkennbare, deutlich abgegrenzte Skelettstücke die Wirbelkörper früher auftreten als irgend ein anderer Teil des xAchsen- skelettes. Die von Corning beschriebenen Chordaeinschnürungen sollen nicht mit den bleibenden 'identisch sein , sondern vertebral liegen , während die definitiven intervertebralen erst sekundär durch Bildung des Gelenkkopfes entstehen. Mit dieser Ansicht stützt sich Ebner auf die Befunde von Gegenbaur (7), der in seinem großen Werk über die Wirbel- a35) 4 Erna ßrünauer: säule der Amphibien und Reptilien die Entwicklung einiger Typen bespricht. Er gibt an , daß bei den jüngsten von ihm untersuchten Embryonen von Anguis die Chorda von einem kontinuierlichen Knorpelrohr umgeben wird , das nur durch die aufsitzenden Bogen- stücke eine Gliederung erfährt. Als Primordialwirbel wird ein Chordaabschnitt bezeichnet , der von einer Knorpelleiste umgeben wird und dem die Bogen anliegen. Eine Differenzierung des Knorpels in der Intervertebralregion bildet sich erst allmählich aus , indem sich spindelförmige Zellen anlegen , die ein Intervertebralligament formieren. Durch das Wachstum des Intervertebralringes wird die Chorda von außen her verdrängt und schrumpft zu einem dünnen, fadenförmigen Strang zusammen. Vorher hat schon die Verkalkung die Zellen in der Umgebung der Chorda ergriifen und schreitet bis dicht unter die Wirbeloberfläche vor. Der Intervertebralknorpei trennt sich nun und bildet rückwärts den Gelenkkopf, im vorderen Teil die Gelenkpfanne. Im mittleren Teil des Wirbelkörpers findet das Wachstum derart statt, daß die Bogenbasen in ihn eingehen. Der knöcherne Wirbel entsteht durch Überlagerung des Knorpels durch Periostlamellen an der Außenfläche, während im Innern die Verkalkung von innen nach außen vorgeschritten ist. Die Knochen- schichten sind ventral am mächtigsten entwickelt und gehen kontinuierlich vom Wirbelkörper auf die Bogen und Fortsätze über. Die Chorda verschwindet schließlich auch vertebral durch die Ver- änderung des verkalkten Knorpels, der in Markräume und schließlich in Markkanäle umgewandelt wird. Die Markkanäle durchbrechen die Periostlamelle und durch die so entstandenen Lücken treten Blut- gefäße ein. Ähnlich geht die Verknöcherung an den Bogen und Fortsätzen vor sich, nur die Gelenkflächen bleiben knorpelig. Im A^erlauf seiner Arbeit bespricht Gegenbaur auch die Wirbelbildung der Äscalahoten, nach ihm der primitivsten Reptilien - form, welche die Brücke zu den Amphibien bildet. Es findet sich hier keine Gelenkbildung, sondern die einzelnen Wirbel werden durch eine Bandmasse von knorpelähnlichem Charakter verbunden. Die Wirbelkörper zeigen die primitive Form der amphicoelen Doppelkegel. Die Knorpelschichte um den Primordialwirbel ist ganz dünn und die Bildung der Faserknochenschichte erfolgt dicht an der Chorda. Hier zeigt sich am engsten der Anschluß an die Amphibien, wo wir gleichfalls die Bildung einer Knochenhülse dicht an der Chorda sehen. Dagegen zeigen die Ascalaboten durch Bildung von Markräumen und Verkalkung der dünnen Knorpel- schichte einen Fortschritt gegenüber den Salamandrinen. (136) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Riiigeluatter. 5 GoETTE (8 und 9) führt ein neues Moment in die Betrachtung der Reptilien Wirbelsäule ein, indem er annimmt, daß die Bildung- vollständiger "Wirbel in der Reihe der Amiaden und Stegoceplialen mit der embolomeren Form , d. h. mit der Ausbildung von doppelten Wirbeln in jedem Segment begonnen habe und diese Doppelbildung auch als das ursprüngliche bei allen jetzt lebenden Digitaten anzu- sehen sei. Am Beginn seiner Arbeit stellt er zunächst einen Unterschied zwischen primärem und sekundärem Wirbelkörper fest , letzterer entsteht, indem die Bogenbasen in den primären Wirbelkörper ein- wachsen. Intervertebral ist die früheste Bildung ein faseriger Intervertebralring , der unter entsprechender Formveränderung mit dem vorausgehenden Wirbel zum Gelenkkopf verschmilzt. Goettes Kritik der Ebner sehen Auffassung beruht auf der irrigen Mei- nung, daß dieser die Bildung des. Wirbels aus Perichordalschichte und Bogenbasen leugnet. Nach der weiteren Schilderung von Goette bildet sich nur an der Gelenkpfanne und am Gelenkkopf sowie in den Bogen außer- halb der Basen wirklicher Hyalinknorpel , vertebralwärts davon kommt die Verkalkung diesem Stadium zuvor. Gleichzeitig bildet sich die periostale Knochenlamelle ventral und dorsal am Wirbel- körper. Später kommt es zur Bildung von Markhöhlen und im Periostknochen erscheinen Lücken, die den Eintritt von Blut- gefäßen gestatten. Die Wirbelbogen sollen noch durch längere Zeit von dem primären Wirbelkörper zu unterscheiden sein. An mazerierten Schwanz Wirbelsäulen von Lacerta fand Goette jene Doppelanlagen, die ihn zur Aufstellung der früher erwähnten Theorie veranlaßten. Jeder Wirbelbogen wird durch zwei getrennte Spangen angelegt. Die vordere entwickelt sich früher und voll- kommener als die rückwärtige. Sie besteht aus einem gekrümmten Stamm mit kurzem vorderen und längerem hinteren Schenkel und einem medialen Fortsatz, Die zweite Spange verstärkt als eine halb rudimentäre Bildung einen Teil des Gerüstes. Sie wächst in die Höhe und erreicht den hinteren Schenkel des ersten Bogens. Die ursprünglich noch sichtbare ÖfPnung zwischen den beiden Teilen verengt sich bis zu einem Spalt, der schon am dritten Schw^anz- wnrbel verwachsen ist. Die folgenden Wirbelbogen sind zwar ein- fach , zeigen aber die Breite jener doppelt angelegten Bogen. Die definitiven Wirbelbogen sind also aus zwei hintereinanderliegenden zusammengesetzt, einem vollständigen vorderen und einem rudi- mentären rückwärtigen Bogen. Die Verbindung zwischen den rechts (137) 6 Erna Brünaiier: und links vom Rückenmark gelegenen Wirbelbogen geschieht durch Verschmelzung zwischen den medialen oder Dornfortsätzen. Die unteren Bogen sitzen dem Intervertebralring auf und finden sich nur im Schwanz. Bei Angnis kann man die Doppelanlage bei den Seitenfortsätzen beobachten. GtOETte untersucht noch einige andere Reptilienformen auf ihre Doppelbildungen hin und findet bei Schlangen einen senkrechten Kanal als Grenzfurche zwischen den doppelten Bogenanlagen. Auf Grund einer ausführlichen , paläontologischen Unter- suchung werden bei den Stegocephalen^ den Vorläufern der Amntofen, doppelte Wirbelkörper in jedem Segment nachgewiesen. Diese sollen sich durch paarweise Verschmelzung , nach Reduktion des hinteren Wirbels, in einfache verwandeln. Männer (13) bemüht sich, schon in den frühesten Stadien zwei verschiedene Anteile des Skierotoms als bestimmend für die Wirbelbildung anzusehen. Er geht dabei auf die Arbeit von ScHULTZE (19) zurück, der diese Verhältnisse bei Säugetier- embryonen klargelegt hat. Dieser unterscheidet in einem Skierotom einen hellen , kaudalen und dunkeln , kranialen Teil , von dem die Anlage der primitiven Wirbelbogen ausgeht. Die Verknorpelung beginnt in der zwischen den primitiven Wirbelkörpern gelegenen Schichte. Männer weist auch bei Reptilien die zwei verschiedenen Teile des Skierotoms nach. Er unterscheidet bis zur Bildung der Wirbelsäule drei Stadien. Im ersten Stadium sind die Sklerotom- zellen schon difi'erenziert, indem sie in der Nahe der Chorda locker mit Fortsätzen, lateral dagegen rundlich sind. Im zweiten Stadium hat das Myotom die Form des Ursegments . die Skierotome sind durch die Intervertebralspalte halbiert. Im hellen Teil liegt das Spinalganglion. Ventral von der Chorda findet sich eine Zellbrücke zwischen heller und dunkler Schichte , die Anlage der Hypochordal- spange. Im dritten Stadium werden durch das Herunterwachsen der Myotome die Hälften zweier Skierotome gegeneinander gedrängt, und zwar je ein heller und ein dunkler Teil. Der dunkle Teil hat den Hauptanteil an der Bogenbildung. Gegen die Chorda hin ver- jüngen sich die Bogen und es wandern Zellen in die Perichordal- schichte aus. Die Intervertebralspalte verschwindet zu dieser Zeit. Die Wirbelkörperanlage erscheint durch Differenzierung der Peri- chordalschichte, Jetzt geht die Wirbelsäule vom primitiven in den definitiven Zustand über. In der Intervertebralgegend bildet sich das Gelenk. Die Bogenbasen umfassen den Körper seitlich und der definitive AVirbel- 03S) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 7 körper entsteht durch Verschmelzung. Die Verschmelzung nimmt ihren Ausgang in der Perichordalschichte und gleichzeitig am duuklen Skierotomteil. Im Schwanz von Lacertiden wird im hellen Teil des Skierotoms eine Nebenbogenanlage nachgewiesen, die später mit der Hauptbogenanlage im dunkeln Teil verschmilzt. Es wird vermutet, daß die von GtOette beschriebenen Doppelanlagen von den verschiedenen Anteilen des Skierotoms an der Bogenbildung herrühren. Wo immer Goette Doppelbildungen nachweist, zeigt sich die das Ganglion enthaltende , helle Schicht stärker entwickelt. Im Anschluß an die Arbeiten von Ebner ist die Arbeit von Baldüs (1) zu erwähnen, der bei Hemidadylas die Int^rvertebral- spalte als Fortsetzung der Urwirbelhöhle ins Skierotom nachweist. Er unterscheidet gleichfalls zwischen primären und sekundären Wirbelkörpern, da sich die Bogenanlage von der Perichordalschichte des Wirbelkörpers unterscheiden läßt. Gauow (6) läßt den Reptilienwirbel aus drei Elementen hervorgehen: den Basidorsalia , Basiventralia und dem Zentrum. Zentrum und Basidorsalia oder Bogenbasen liefern den Wirbel - körper. Die Basiventralia sind im Rumpf zu einer Intervertebral- scheibe reduziert, an der sich ein geringer, ossifizierender Anhang, das Interzentrum , vorfindet. Die Rippen sollen ursprünglich mit den Basiventralia in Zusammenhang gewesen sein, haben aber ihre Einlenkung nach rückwärts auf das Zentrum oder das Basidorsale verlegt. Die Interzentra stellen ventrale Fortsätze vor. HowES und SwiNNEitTON (11) geben an, daß der Knorpel bei Eatteria zuerst ajs paariges Zentrum und paariges Interzentrum angelegt wird. Die Interzentra sollen in den Wirbeln 13—25 ver- schwinden — eine Angabe , die bis jetzt mit denen aller übrigen Autoren im Widerspruch steht und nicht bestätigt worden ist. Eine zusammenfassende Darstellung der Entwicklung der Wirbelsäule gibt Schaüinsland (17 und 18). Bei der Schilderung der Reptilien stützt er sich auf seine Arbeit über Hatieria, die als primitiver Typus eine Übergangsform zwischen den niedrigen und höheren Reptilien darstellt. Die Entwicklung der Wirbelsäule von den Fischen angefangen bis zu den Säugetieren ist in seinem großen Werk in übersichtlicher Weise zusammengefaßt. Wenn wir die Hauptergebnisse der Literatur zusammenfassen, so finden wir folgenden Stand der Frage : Die Bedeutung der Chorda für den Aufbau der Reptilienwirbel ist gering. Ein Chordaknorpel ist nur bei Ascalahoten und Hatteria entwickelt. Den Hauptanteil an der Bildung haben die Segmente des Bindegewebes, die durch (139) 8 Erna Brünaner: die Intervertebralspalte geteilt werden. Ein Wirbel entwickelt sich aus den Hälften zweier verschiedener Skierotome. Die erste Knorpel- anlage wird entweder in den Wirbelkörper, von anderen Autoren (Schau] Ns Land) in die Bogenbasen oder oberen Bogen verlegt. Die Verknöcherung erfolgt sowohl periostal als auch enehondral. Die unteren Bogen sind intervertebral angesetzt. Die Rippen sollen nach der Ansicht vieler Autoren zum unteren Bogensystem gehören und erst sekundär auf die Neuralbogen verschoben worden sein. B. Eiyene Befunde. Es ist Zweck meiner Arbeit, eine übersichtliche Darstellung der Entwicklung von den ersten Verdichtungen im Bindegewebe bis zur erfolgten Verknöcherung kurz vor dem Ausschlüpfen zu geben. Die Untersuchung wurde an Embryonen von Ti^opidonotus natrix durchgeführt. Die stark gekrümmten Embryonen wurden so orientiert, daß der Kopf nach vorne zu liegen kam. und quer ge- troffen , während die erste Windung des Rumpfes in der Mitte zwar quer , an den beiden Enden jedoch rein frontal getroffen wurde. Bei der Schilderung der Entwicklungsvorgänge im Rumpf beziehe ich mich auf Schnitte durch die erste Windung, weil hier die Entwicklung am weitesten vorgeschritten ist. Im jüngsten Stadium erstreckt sich die Chorda kontinuierlich ohne regelmäßige Einschnürungen durch den ganzen Embryo ; es kommt nur zur Ausbildung einer einzigen Chordascheide. Auf Frontalschnitten in der Höhe der Chorda sind die Myotome deutlich zu unterscheiden. Das Bindegewebe , das sich zwischen der Chorda und den Myotomen ausbreitet, ist diesen entsprechend in einzelne Abschnitte gegliedert, die wir als Skierotome bezeichnen und deren Grenzen durch die Interprotovertebralgefäße scharf markiert werden. Innerhalb eines solchen Skierotoms machen sich bereits Differenzierungen des Bindegewebes bemerkbar , indem streifen- förmige Verdichtungen auftreten , die von der Chorda in lateraler Richtung gegen die Myotome ziehen. Sie liegen zum größten Teil segmental , nur ihre äußersten lateralen Fortsätze schieben sich zwischen die Myotome und kommen so septal zu liegen. Eine konti- nuierlich dichte Zellschichte um die Chorda ist nicht zu sehen. In der Höhe des Rückenmarkes liegen die Spinalganglien und zwischen ihnen Verdichtungen des Bindegewebes, die das Material für die Bildung der oberen Bogen liefern. Eine deutliche Spalte, die das Skierotom in der Art, wie es Ebner schildert, in zwei Hälften zerlegt, konnte ich in diesem (1*0) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnattei*. 9 Stadium nicht mehr beobachten. Eine Gliederung des Bindegewebes ist hier nur durch die Aufeinanderfolge von hellen und dunkeln Schichten angedeutet. Von einer deutlichen Abgrenzung der ein- zelnen Teile des Achsenskeletts kann hier noch nicht die Rede sein, doch ergibt sich im Vergleich mit späteren Stadien , daß die ver- dichteten Streifen das Zellmaterial für die Bildung der Querfort- sätze und Rippen , respektive der Bogenbasen liefern. Sie als An- lagen der oberen Bogen zu bezeichne«, wie dies von Froriep und CoRNLNG geschieht, scheint deshalb nicht richtig zu sein, weil auf Schnitten in der Höhe der Chorda, wo diese Verdichtungen am besten zu sehen sind , der obere Bogen nicht in seiner ganzen Ausdehnung, sondern eben nur an seiner Basis getroffen sein kann (Fig. 1, Taf. I). Die Anlagen der oben genannten Gebilde sind also zu einer Zeit diff'erenziert, wo von einer Anlage des Wirbelkörpers noch nicht gesprochen werden kann. Doch schon im folgenden Stadium sieht man eine kontinuierliche Schichte von ziemlich dicht gedrängten Zellen um die Chorda ausgebildet. Ob diese Perichordal- schichte, in der sich die Wirbelkörper anlegen, als Wucherung der verdichteten Zellstreifen anzusehen ist oder ob sie lokal selbstän- dig aus dem Bindegewebe entsteht , kann ich nicht sicher fest- stellen; doch spricht für die zweite Ansicht die Tatsache, daß man auf Querschnitten einen deutlichen Unterschied zwischen der peri- chordalen Schichte, die aus langgestreckten, spindelförmigen Zellen besteht, und den rundlichen Zellen der Bogenbasen sehen kann. Der Wirbelkörper in seinem primitiven Zustand scheint also eine selbständige Bildung darzustellen , die im Verlauf der Entwicklung von den Bogenbasen umwachsen wird und mit ihnen verschmilzt. Durch das Herunter wachsen der Myotome ist der verdichtete Zell- streifen beinahe in seinem ganzen Verlauf in eine septale Lage gedrängt worden, nur dort, wo er mit verbreiteter Basis der Chorda aufsitzt, liegt er zum Teil innerhalb des Segments. In der Peri- chordalschichte macht sich um diese Zeit eine Gliederung bemerkbar, indem an der vorderen Grenze der Zellverdichtungen ein Gewebs- streifen von regelmäßig angeordneten, dichten Zellen auftritt. Er entspricht seiner Lage nach der von Ebner in viel jüngeren Stadien nachgewiesenen Intervertebralspalte. Da diese Grenze dem künftigen Gelenk entspricht, so scheint mit ihrem Auftreten die definitive Gliederung der Wirbelsäule vollzogen zu sein. Eine Neu- gliederung im Sinne Remaks findet also nicht statt, da die be- schriebene Gliederung überhaupt den allerersten Anstoß zur Bildung einer AVirbelsäule im eigentlichen Sinne gibt (Fig. 2, Taf. I). (Ul) 10 Erna ßrüuauer: Die beiden Textfiguren sollen die Lagerung des Wirbels und die Verschiebungen in bezug auf den Urwirbel näher erläutern. Wir sehen in der ersten Figur die Gliederung der Skierotome , die in ihrer Lage den Myotomen entsprechen , in einem Skierotom sehen wir die Aufeinanderfolge eines vorderen hellen und rückwärtigen Fig. 1. dunklen Teiles. Im hellen Teil liegt das Ganglion. In der unteren Figur sehen wir bereits die Perichordalschicht angelegt und die Grenzen eines Wirbelkörpers bestimmt : er besteht aus einem vorderen dunkeln und rückwärtigen hellen Teil (letzterer in der Textfigur 2 kreuzweise schrafi^iert), die zwei benachbarten Skierotomen angehören. Da durch die Ausbreitung des Myotoms der dunkle Teil des Sklero- toms in eine mehr septale Lage gedrängt wird, erscheint der Haupt- teil , in welchem der erste Knorpelherd auftritt (der senkrecht (U2) Die Entwicklung der "Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 11 scbraffierte Halbkreis dicht an der Chorda), nicht intersegmental. sondern sozusagen segmental, da er in seiner Lage dem lateral davon befindlichen Myotomanteil entspricht. Es sind eben durch die hier ablaufenden Wachstumsvorgänge die ursprünglichen Segment- grenzen teilweise verschoben, so daß wir eigentlich die jetzige Segmen- tierung nicht ganz streng mit der ursprünglichen identifizieren können. Die Intervertebralgrenze entspricht gerade der Mitte eines Skierotoms. Die fernere Entwicklung des Wirbelkörpers geht in der Perichordalschichte vor sich , die in diesem und dem nächstfolgenden Stadium noch deutlich von den Bogenbasen zu unterscheiden ist. In dieser Zeit verläuft die Chorda ganz ohne regelmäßige Ein- schnürung. Die septalen Anlagen der Rippen befinden sich im kontinuierlichen Zusammenhang mit dem Querfortsatz. Die Schilderung der Entwicklung gilt für den Rumpf; im Schwanz -Zeigen sich andere Verhältnisse, da die Entwicklung hier stark zurück- geblieben ist und die Wiederholung von viel jüngeren Stadien aufweist. Die nächste bedeutende Veränderung zeigt sich in der Peri- chordalschichte, und zwar an der Stelle, die dem Zentrum eines Wirbelkörpers entspricht. Hier entsteht ein Knorpelherd, indem im Bindegewebe deutliche Zellgrenzen auftreten. Die Bogenbasen und Rippen verharren dagegen noch im bindegewebigen Zustande. Da der Knorpelring , wie auch aus Querschnittserien hervorgeht, sich zuerst im Wirbelkörper anlegt, während in den Bogenbasen noch nichts von Knorpel vorhanden ist, scheint mir der Ausdruck „basogener Wirbel" in diesem Fall nicht angemessen. Denn keines- wegs ist hier der Wirbelkörper, wenigstens was den knorpligen Zlustand anbelangt , aus einer Ausbreitung der Bogenbasen her- vorgegangen. Es ist dagegen nicht anzunehmen , daß die Knorpel- bildung vom Wirbelkörper aus auf die Bogenbasen übergeht, sondern wir finden in den oberen Bogen in der Höhe des Rückenmarkes beiderseits einen selbständig entstandenen Knorpelherd, von dem sich die Verknorpelung nach unten ausdehnen dürfte. Das um die Chorda entstandene Knorpelrohr wird durch die scharf markierten Intervertebralstreifen gegliedert und ist also auch in diesem Stadium nicht kontinuierlich entwickelt. In der Chorda treten regelmäßige Einschnürungen auf, die der intervertebralen Gegend entsprechen (Fig. 3, Taf. I, Fig. 6, Taf. II). ^ In einem nächsten Stadium ergibt sich die Ausbildung eines gleichmäßigen Knorpelgewebes im Wirbel körper, Bogenbasen, oberen Bogen und Rippen. Die Verschmelzung der „primären" Wirbel- körper mit den Bogenbasen ist jetzt erfolgt und auf Querschnitten ist keine deutliche Trennung der beiden Gewebsschichten mehr zu (143) 12 Erna Brünauer: konstatieren. Die Rippen, die ursprünglich im Zusammenhang mit den Querfortsätzen angelegt waren, sind jetzt durch eine unver- knorpelte , bindegewebige Schichte von diesen getrennt. Gegen den Intervertebralstreifen zu wird der Knorpel, der im Zentrum des Wirbelkörpers ziemlich großzellig und etwas heller gefärbt ist, kleinzellig. Ebenso zeigt sich gegen die Bogenbasen zu eine klein- zellige Schichte. Die Chordaeinschnürungen sind unverändert er- halten geblieben (Fig. 4, Taf. I und Fig. 7, Taf. II). Schon zu einer früheren Zeit konnte man ventral unterhalb der Chorda eine Verdichtung des Bindegewebes beobachten. Diese zeigte sich auf Querschnitten als eine Bindegewebsbrücke. welche die beiden Querfortsätze miteinander verbindet und die Vertebral- gefäße überbrückt. Sie wurde schon von Froriep bei Vogel- und Säugetierembryonen beobachtet und als „hypochordale Spange" be- zeichnet. Die unterhalb der Chorda gelegene Partie dieser ZelL brücke ist besonders ausgebildet und es bildet sich an dieser Stelle in späteren Stadien durch Anlage eines Knorpelherdes ein Inter- zentrum, das schließlich verknöchert. Auf die Beziehung dieses InterZentrums zu den im Schwanz entwickelten unteren Bogen werde ich bei der näheren Besprechung der Schwanzregion eingehen. In diesem Stadium zeigen sich im Schwanz noch ganz primitive Ver- hältnisse , da noch keine Andeutung einer Knorpelbildung zu er- kennen ist. Hinter der Kloake zeigen sich bereits untere Bogen aus- gebildet, die mit ihrer Basis der Intervertebralregion aufsitzen. Wenn wir die Entwicklung im Rumpf weiter verfolgen, so finden wir im Zentrum des Wirbelkörpers eine Veränderung des Knorpelgewebes, das hier in einen scharfen Kontrast zu seiner Um- gebung tritt. Die Zellen werden sehr groß und außerordentlich stark färbbar. Sie bieten ein Bild, das einen Degen erations Vorgang des Knorpels einleitet. Gegen die deutlich abgegrenzte Intervertebral- zone geht diese Region, die wir als Verkalkungszone auffassen können, in kleinzelligen Knorpel über. In den Bogenbasen und Rippen findet sich gleichfalls kleinzelliger Knorpel. Zwischen Querfortsatz und Rippe persistiert die unverknorpelte, gelenkige Verbindung. In den Neuralbogen sind die Zellen größer mit deut- lich unterscheidbaren Grenzen, doch ohne die starke Färbbarkeit und eigentümliche Struktur jener Zellen zu zeigen, die im Wirbel- körper die Verkalkungszone ergeben haben. Der Schluß der Neural- bogen über dem Rückenmark ist noch nicht erfolgt. Ob sich in dieser Zeit in dem Perichondrium, das die Wirbelsäule umgibt, schon Bildungen von Osteoblasten zeigen, kann nicht mit Sicher- (144) Die Entwicklung der Wivljelsänle bei der Ringelnatter. 13 heit ermittelt werden. Aus Querschnitten ergibt sich, daß die Ver- kalkungszone kreisförmig um die Chorda gelagert ist. Es scheint also im Wirbelkörper, bevor es noch zur Ausbildung eines typisch großzelligen Knorpels kommt, eine Degeneration einzusetzen, die der Entwicklung eines Markraumes vorausgeht. Die intervertebralen Chorda-Einschnürungen haben sich auch in diesem Stadium erhalten, so daß Gegenbaurs Annahme, daß sich nämlich die Einschnürungen erst nach bereits erfolgter Ossifikation durch Anwachsen des Gelenks entwickeln, unrichtig zu sein scheint (Fig. 8, Taf.II). DieVerknöcherung entwickelt sich nun durch Ablagerung einer ventralen Lamelle am Wirbelkörper, der bald eine dorsale Lamelle folgt. Ebenso legen sich an den oberen Bogen je eine äußere und innere Knochenlamelle an. Die Lamellen verschmelzen erst allmählich zu einem einheit- lichen Knochenbelag. Die Osteoblasten dringen von außen zwischen diese Knochenlamellen ein. Unterdessen ist die Veränderung des Knorpels innerhalb des Wirbelkörpers weiter vorgeschritten. Durch die Bildung einer Markhöhle im vorderen Teil des Wirbels wird der verkalkte Knorpel zerstört, während wir in der Umgebung der Markhöhle noch jenen stark färbbaren Kalkknorpel finden, der schon in einem früheren Stadium gesehen wurde. Es ist hier schon zur Ausbildung eines Gelenkes gekommen, indem der rückwärtige Teil des Wirbels zum Gelenkkopf wird, während der vordere Teil des nächstfolgenden Wirbels mit der faserigen Intervertebralschichte zur Gelenkpfanne verschmilzt. (Die Trennung durch die Gelenkhöhle ist noch nicht erfolgt.) Bemerkenswert ist das Verhalten der Chorda, die innerhalb des Gelenkes bis auf einen dünnen Strang völlig abge- schnürt, vertebral aber noch in ziemlicher Ausdehnung erhalten ist. Die Stelle der größten Breite der Chorda entspricht derjenigen Stelle, an der auch auf früheren Stadien die größte Ausdehnung der Chorda zu sehen war. Die frühen Einschnürungen der Chorda, die mit der deutlichen Differenzierung des vertebralen Knorpels gegen das intervertebrale Fasergewebe zugleich auftraten, sind also der Anfang von jenem Prozeß, der schließlich zur Abschnürung der Chorda führt. Die Ausbildung eines Chordaknorpels, wie sie für Amphibien und für Hatteria beschrieben wurde, ist hier nicht zu konstatieren, vielmehr fallen die Chordazellen ganz der Zerstörung anheim (Fig. 5, Taf. I). Li den oberen Bogen, die sich oberhalb des Rückenmarks ge- schlossen haben und in die Spina dorsalis endigen, hat die enchon- drale Verknöcherung durch Bildung einer Markhöhle gleichfalls be- gonnen. Wie wir auf einem älteren Stadium sehen, vergrößern sich Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 2. IQ (145) 14 Erna Brünauer: die Markräume und fließen endlich mit den im Wirbelkörper ent- wickelten zusammen. Dabei haben sich in die ventrale und dorsale Knochenlamelle je zwei symmetrisch gelegene Öffnungen hineinge- fressen, die den Eintritt von Blutgefäßen vermitteln. In dem Maße, als sich von außen neue Schichten an die Knochenlamellen anlegen, werden sie im Innern durch die Bildung des Knochenmarkes wieder aufgelöst. Im Dornfortsatz entwickelt sich ein gesonderter Mark- raum, der durch periostale Knochenlamellen von dem der oberen Bogen geschieden ist. In den Rippen hat gleichfalls nach Ab- lagerung einer periostalen Schichte die enchondrale Verknöcherung begonnen. Durch die Öffnungen des Markrauraes treten Markzellen nach außen in den Raum zwischen Wirbelkörper und Rückenmark (Fig. 9, Taf. III). Wie man auf einem Sagittalschnitt am besten erkennen kann, ist die Zerstörung des gesamten Knorpels noch nicht erfolgt, sondern es hat sich noch ein Rest desselben erhalten. Die Gelenk- bildung hat sich gegen das frühere Stadium nicht wesentlich ver- ändert, nur ist durch das Auftreten eines Spaltes zwischen Grelenk- kopf und Gelenkpfanne die Entwicklung der Gelenkhöhle angebahnt. Die Chorda ist jetzt auch vertebral beinahe ganz abgeschnürt, da man nur eine ganz enge Spalte als letzte Spur finden kann; inner- halb des Gelenks ist sie gänzlich verschwunden (Fig. 11). Auf einem Querschnitt, der durch den mit Knorpel erfüllten Teil des Wirbelkörpers geht und auf dem der äußere Rand des Gelenkknorpels getroffen ist, sehen wir unterhalb des Wirbelkörpers das Interzentrum, iu dem sich ein Knorpelherd gebildet und die Verknöcherung durch Ablagerung von äußeren Knochenlamellen be- gonnen hat. Es erscheint hier als ein Fortsatz, der kranialwärts auf den Wirbelkörper hinauf verschoben ist und zum Ansatz von Muskeln dient. Die Querfortsätze sind durch eine dünne Leiste von kleinzelligem Knorpel von den Bogenbasen abgegliedert. Die hypochordale Zellenspange, welche die Qaerfortsätze verbindet, per- sistiert in bindegewebigem Zustand (Fig. 10). Im weiteren Verlauf des Embryonallebens ergeben sich in der Ausbildung der Wirbelsäule keine weiteren Veränderungen von prinzipieller Bedeutung. Die letzten Reste des Knorpels werden zerstört und die Markräume werden durch Ausbildung von Knochen- brücken zu Markkanälen reduziert. Das Gelenk verändert sich nur durch schärfere Ausprägung der Gelenkhöhle. Wie schon früher erwähnt wurde, findet man im Schwanz immer viel primitivere Verhältnisse als im Rumpf. Auf einem (146) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 15 jungen Stadium, das im Schwanz eine gleichmäßige Verknorpelung der Wirbelsäule zeigt, finden wir in der Gegend der Kloake am Übergang zwischen Rumpf und Schwanzregion unterhalb des "VVirbelkörpers eine hypochordale Zellenspange , welche die beiden Vertebralgefäße überbrückt und die Querfortsätze verbindet, in der- selben Art ausgebildet, wie wir sie schon im Rumpf beobachtet hatten. Der Schnitt trifft die faserig ausgebildete Intervertebral- region. Die Rippen sind vollkommen entwickelt (Fig. 12). Weiter rückwärts treffen wir auf eine Stelle, wo die redu- zierte Zellenspange sich mit beiden Enden nach abwärts zu biegen beginnt und so den Übergang zu den paarigen, unteren Bogen dar- stellt (Fig. 13). Diese sind in diesem Stadium noch bindegewebig und nicht zu einem geschlossenen Bogen vereinigt. Den Beginn der Knorpelbildung sieht man in der Mitte der Zellbrücke unter- halb der Chorda, wo sich ein unpaarer Knorpelherd entwickelt, der im weiteren Verlauf zu dem unpaaren knorpeligen und endlich auch knöchernen Interzentrum auswächst, das schon öfters er- wähnt wurde (Fig. 14). Die ursprüngliche Zellenbrücke, die kon- tinuierlich zwischen den Querfortsätzen verlief, wird später rück- gebildet, doch bleiben bindegewebige Stränge als ihr Rest er- halten. So ist sie noch auf Figur 10 ganz erhalten , obgleich die Verknöcherung des Interzentiums hier schon weit vorge- schritten ist. An der Übergangsstelle, wo sich die hypochordale Zellenspange nach unten zu biegen beginnt, sieht man zwei Knorpelherde an den Umbiegungsstellen ausgebildet. Diese paarigen Knorpelherde bringen den Übergang des Interzentrums in die unteren Bogen am deut- lichsten zur Anschauung (Fig. 15). Auf einem viel älteren Stadium mit weit vorgeschrittener Ossifikation sieht man die unteren Bogen in voll entwickeltem Zustand. Nachdem sich in jedem Bogenschenkel, wie schon gesagt wurde, ein selbständiger Knorpelherd gebildet hat, legt sich beiderseits eine periostale Lamelle an. Die enchon- drale Ossifikation erstreckt sich vom Wirbelkörper aus auf die unteren Bogen, so daß ein einheitlicher Markraum entsteht. Der Gang der Verknöcherung entspricht also ganz dem Verlauf bei den oberen Bogen. In diesem Stadium ist vertebral noch ein Chordarest erhalten, ebenso ein großer Teil des verkalkten Knorpels. Man kann die Lage der unteren Bogen hier nicht als intervertebral be- zeichnen, sondern sie gehen vom Zentrum des Wirbelkörpers selbst aus. Ich konnte auf keinem Schnitt ein völliges Zusammenwachsen ■der unteren Bogen oder gar die Bildung eines Dornfortsatzes kon- 10* (U7) 16 Erna Brüuaiier: statieren ; sie berühren einander mit ihren hier noch bindegewebigen Spitzen, ohne indessen ganz zu verschmelzen (Fig. 16). Die Rippen kommen mit Ausnahme der letzten Wirbel neben den unteren Bogen im Schwanz vor. In der Gegend der Kloake findet sich eine Gabelung der Rippe in zwei Teile, die eigentliche ßippe und eine seitliche Spange, die dachartig über das Lymph- herz gelagert sind. Diese seitlichen Spangen sind in der Literatur unter dem Namen „Lymphapophysen" beschrieben worden. Salle (16) hat diese Lymphapophysen bei Schlangen und Sauriern aus- führlich beschrieben. Er unterscheidet kostale, die mit den Rippen, und transversale, die mit dem Querfortsatz zusammenhängen. Ihr Auftreten soll durch Rudimente von Gliedmaßen veranlaßt werden. Die kostalen Lymphapophysen besitzen zwischen Capitulum und den zwei Schenkeln noch ein Halsstück, während sich bei den trans- versalen die Schenkel an der Basis des Querfortsatzes ansetzen. Die Schenkel dienen zum Ansätze von Muskeln. Sie wachsen von einer gemeinsamen Basis aus, werden knorpelig und ossifizieren schließlich. Die hier gelegenen Apophysen spalten sich direkt an der Basis des Querfortsatzes, scheinen also zu den transversalen zu gehören (Fig. 17). In den allerletzten Wirbeln treten keine Rippen mehr auf, sondern nur stark entwickelte Rudimente von Querfortsätzen. Die Wirbelsäule ist bis an das Ende vom Schwanz entwickelt, so daß ich die Angabe von Schauinsland, daß die Chorda länger sei als die Wirbelsäule und dem letzten Wirbel als knopfartige Ver- dickung aufsitze, nicht bestätigen kann. C. Zusammenfassung und Kritik. Die ersten Vorgänge, die mit der Bildung der Wirbelsäule in Zusammenhang gebracht werden können, sind von Remak und Ebner in noch viel jüngeren Stadien beobachtet worden, als ich sie gesehen habe. Die Darstellung von Remak ist eine viel zu kom- plizierte Erklärung für die Tatsache, daß die Wirbel in ihrer Lage nicht den Urwirbeln entsprechen, sondern gegen sie um ein halbes Segment verschoben sind. Das von den Urwirbeln gelieferte, axiale Bindegewebe, welches das Material für die Wirbelsäule bietet, wird durch Segmentierung, wie früher geschildert wurde, in die einzelnen Wirbel zerlegt. Es findet also nur eine einmalige Gliederung statt, da ja die ursprünglichen Segmente, die Skierotome, durchaus nicht als primäre Wirbelsäule bezeichnet werden können, wie dies (148) Die Entwickluug der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 17 von Remak geschieht. Da ich keine so jungen Stadien wie Ebner beobachtete, konnte ich die Intervertebralspalte nicht in der Art sehen, wie sie auf seinen Abbiklangen auftritt. Auf späteren Stadien war, wie schon erwähnt, keine Spalte, wohl aber an einer ihr ent- sprechenden Stelle eine intervertebrale Abgrenzung zu sehen. Die Deutung des „Vertebralstreifens", wie Ebner den dunklen Sklero- tomteil bezeichnet, stimmt mit meiner Auffassung überein. Corning berücksichtigt bei der Entstehung der Wirbelkörper zu wenig die selbständige Perichordalschichte, wenn er die Wirbelkörper nur aus der Verschmelzung der Querfortsätze hervorgehen läßt, obgleich er in seinen Abbildungen den frühesten Knorpelherd in das Wirbel- körperzentrum und allerdings im gleichen Stadium in die Rippe verlegt. An letzterer Stelle konnte ich Knorpel erst zu einer späteren Zeit sehen, nachdem die Abgliederang der Rippe vom Querfortsatz schon erfolgt war. Ebner sieht gleichfalls bei Tropidonotus den ersten Knorpelherd im Wirbelkörper, behauptet aber, daß zu dieser Zeit die oberen Bogen noch nicht einmal bindegewebig vollständig differenziert seien, was mit meinen Befunden nicht übereinstimmt. Denn ich sehe bald nach dem Auftreten des Knorpels im Wirbel - körper auch beiderseits in der dorsalen Partie der oberen Bogen je einen Knorpelherd auftreten. Was die Gliederung der Wirbel- säule durch die Einschnürungen der Chorda anbelangt, so muß ich mich der Auffassung von Corning anschließen, der diese schon bei ihrem ersten Auftreten als intervertebral beschreibt, während Ebner angibt, daß sie zuerst vertebral auftreten, dann wieder verschwinden und erst durch Entwicklung des Gelenks intervertebral erscheinen. Eine innere Chordascheide, von der Corning im Gegen- satze zu einer äußeren spricht, konnte ich bei Tropidonotus nicht beobachten. Zwar wird von anderen Autoren, so von Goette und Schaüinsland, die Perichordalschichte mit dem Ausdruck „äußere Chordascheide" bezeichnet, doch immer mit dem Zusatz, daß sie nicht von der Chorda ausgeschieden werde, sondern von dem axialen Bindegewebe gebildet wird. Die Scheidung in einen hellen und dunklen Skierotomteil, wie sie von Schültze und Männer angenommen wird, tritt auch bei vorliegendem Objekt auf, wie wir bereits gesehen haben. Der ver- dichtete Zellstreifen entspricht dem hellen, kranialen Teil und die dazwischenliegende dunkle Partie dem kaudalen. Die Folgerungen, welche Männer und Schau insland in bezug auf die von Goette beschriebenen Doppelanlagen daran knüpfen, kann ich nicht bestätigen. Ich konnte überhaupt derartige (149) lg Erna Brünauer: Doppelbildungen weder in jungen noch in vorgerückten Stadien sehen. Die Behauptung, daß die Bogen sich aus dem hellen und dunklen Teil eines Skierotoms zusammensetzen und die Doppel- bildung auf einer unvollkommenen A^erlötung der beiden Teile be- ruhe, ist für Tropidonotus zumindest nicht zutreffend. Denn ich sehe ganz deutlich die Anlagen der oberen Bogen als Verdichtungen zwischen den Spinalganglien, die im hellen Teil gelagert sind. Dieser ist an der Bogenbildung gar nicht beteiligt und ebensowenig an der Bildung der Querfortsätze und Rippen. Alle diese Skelett- teile entstehen nur von der dunklen Partie. Doch gibt auch Männer an, dali bei Tropidonotus nur die dunkle Partie an der Bogenbildung beteiligt sei, während bei Lacerta sich ein Anteil von beiden Skierotom - teilen an der Bogenbildung nachweisen ließ. Auch Gop:tte stützt seine Untersuchungen hauptsächlich auf Lacerta, obgleich er auch bei Schlangen einen senkrechten Kanal als Furche zwischen den doppelten Bogen erwähnt, den ich nirgends beobachten konnte. Ob- gleich Schauinsland die Beobachtungen Goettes bestätigt, so schließt er sich doch nicht der Auffassung an, daß die ursprüngliche Anzahl der Wirbel in jedem Segment eine doppelte gewesen sei,. sondern begründet die Doppelbildungen rein ontogenetisch durch die nicht vollkommene Verlötung der beiden Skierotomteile. Die Unterscheidung eines primären und sekundären Wirbel- körpers, wie sie von Goette angenommen wird, stimmt mit meinen Befunden überein. Die ontogenetisch selbständige Entstehung des pri- mären Wirbelkörpers ist bei Tropidonotus durch die von den Bogen - basen unabhängige Verknorpelung besonders ausgeprägt. Die Ver- schmelzung mit den Bogenbasen findet statt, nachdem die ganze Wirbelsäule aus dem bindegewebigen in den knorpeligen Zustand übergeführt worden ist, und es können dann die beiden Schichten nicht mehr deutlich voneinander unterschieden werden. Die frühe Degeneration des Knorpels im Wirbelkörper, bevor es noch zur Ausbildung eines typisch großzelligen Korpeis kommt, wurde von GoETTE gleichfalls beobachtet. Gegenbaur begann seine Untersuchungen erst an späteren Stadien, so daß ein bindegewebiges Stadium der Wirbelsäule von ihm gar nicht beschrieben worden ist und er von der Annahme ausging, daß sich ursprünglich um die Chorda ein kontinuierliches- Knorpelrohr befunden habe, das erst durch späteres Auftreten eines Intervertebralligamentes gegliedert worden sei. Wie wir aber ge- sehen haben, war die Intervertebralgrenze schon in ganz jungen Stadien angelegt und zur Zeit der Verknorpelung deutlich ausge- UöO) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 19 bildet. Gegenbaur nimmt gleichfalls den Begriff eines primären oder „Primordialwirbels" an, der aus dem die Chorda umhüllenden Knorpelring besteht und in den die Bogenbasen zur Herstellung des definitiven Wirbelkörpers eingeben. Die periostale Verknöcherung soll sich nach seinen Angaben vom Wirbelkörper aus auf die oberen Bogen verbreiten, während ich eine getrennte Anlage der Knochenlamelle am dorsalen Teil der oberen Bogen gesehen habe, die erst später mit der Wirbelkörperlamelle verschmilzt. Dagegen erstreckt sich die enchondrale Ossifikation vom Wirbelkörper aus in die oberen Bogen und wir finden nur in der Spina dorsalis einen gesonderten Markraum. Die Wirbel der niedersten Reptilien, der Ascalaboten (von Goette und Gegenbaur beschrieben), stellen eine Übergangsform zwischen den Amphibien und den höheren Rep- tilien dar. Die Chorda ist noch von größerer Bedeutung, da sie sich zeitlebens erhält und ein Teil der Chordazellen an der Stelle, wo sich die Knochenhülse an die Chorda anlegt, in Knorpel umge- wandelt wird. Die Verengung der Chorda erfolgt nicht interverte- bral, sondern vertebral, entsprechend der amphicölen Form des Wirbels. Der primäre Wirbelkörper ist hier sehr deutlich zu sehen, da die Verschmelzung mit den Bogenbasen unvollkommen ist und sich auch im verknöcherten Zustand eine deutliche Grenze nach- weisen läßt. Die Intervertebralbildung ist ganz primitiv, da kein Analogon zur Gelenkbildung der höheren Formen gegeben ist, sondern die Verbindung zwischen den Wirbeln nur durch Faserringe gebildet wird, die den frühesten Intervertebralbildungen der höheren Formen entsprechen. Doch schiebt sich hier der Intervertebralring in die vertebrale Partie zwischen die Chorda und die auf ihr lagernde Knochenhülse hinein. Ratteria schließt sich an die Ascalaboten an, da die Schwanzwirbel eine rein amphicöle Form zeigen, während die Chorda im Rumpf fast zylindrisch verläuft und nur durch den Chordaknorpel eingeengt wird. Nach der Schilderung von Schauinsland scheinen die ersten Entwicklungs Vorgänge ähnlich wie bei Tropidonotus zu verlaufen. Er unterscheidet außer einem kranialen und kaudalen Skierotomteil noch einen dritten, medialen, von dem die Entwicklung des Intervertebralringes ausgehen soll. Doch finde ich die Zellen der Intervertebralschichte von jenen der wirbelbildenden ursprünglich nicht verschieden, sondern sie nehmen nur dadurch einen besonderen Charakter an, daß sie im Gegensatz zu den anderen unverknorpelt bleiben. Bei Hatteria bleibt der Intervertebralring erhalten und wird nicht durch die Gelenkbildnug umgewandelt. Während sich im (151) 20 Erna Brünauer: Schwanz die Knochenliülsen direkt auf die Chorda ablagern, findet im ßumpf eine knorpelige Präformierung der Wirbelsäule statt. Schauinsland nimmt an, daß sich an der Bogenbildung zwei Skierotomteile beteiligen und beschreibt daher für jeden Sklerotom- teil einen gesonderten Knorpelherd, also im ganzen vier Anlagen, die aber bald paarweise verschmelzen. Im primären Wirbelkörper findet gleichfalls eine Verknorpelung statt. Zwischen Bogenbasen und Wirbelkörper persistiert anfangs eine dünne, unverknorpelte Schichte. Die Verknorpelung im primären Wirbelkörper soll von den Enden desselben ausgehen, während ich sie vom Zentrum aus- gehend beobachtet habe. Der Gang der Verknöcherung, sowohl der periostalen als auch der enchondralen, mit Durchbrechung der Knochenlamelle an vier Stellen wird ähnlich beschrieben, wie ich es bei Tropidonotus ge- sehen habe. Intercentra, die am Intervertebralring angeheftet sind, werden für Hatteria beschrieben und von Schaüinsland als Rudimente der unteren Bogen erklärt. Wie schon erwähnt, sind bei der Ringel- natter die unteren Bogen kranialwärts verschoben. Ihre Ver- knorpelung und Ossifikation wurde schon beschrieben und entspricht den Vorgängen bei den oberen Bogen. Die unteren Bogen der Rep- tilien sind von den Fischrippen abzuleiten (Hatschek [10]), während die Vierfüßerrippen von den meisten Autoren als Ab- gliederungen des Systems der unteren Bogen angesehen werden. Ontogenetisch ist jede Andeutung eines solchen Zusammenhanges verschwunden. Die Fortsetzung der unteren Bogen in den Rumpf, die als Verschmelzung der rudimentär gewordenen Basalstümpfe auftritt, wird auch von Goette für die Ascalaboten konstatiert. Gadow beobachtet das Interzentrum, als Anhang des zum Intervertebralring reduzierten Basiventrale. Nach seiner Aufi*assung bildet sich der Wirbelkörper aus zwei Stücken, dem Zentrum und den Basidorsalia, was dem primären Wirbelkörper und den Bogenbasen entspricht, die von den anderen Autoren als Bildungselemente des Wirbel- körpers bezeichnet werden. Als Hauptergebnisse meiner Arbeit fasse ich folgende zu- sammen : 1. Die erste Anlage des Achsenskeletts erscheint in der Form von streifenförmigen Verdichtungen, welche die Anlagen der Bogen- basen, Querfortsätze und Rippen bilden. (152) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 21 2. Die Wirbelkörper entstehen aus der Perichordalscliichte und sind in frühen Stadien von den Bogenbasen zu unterscheiden, mit denen sie später verschmelzen. o. Die Yerknorpelung geht von drei Knorpelherden aus, von denen sich der erste im Zentrum des Wirbelkörpers, die beiden andern im dorsalen Teil der Neuralbogen entwickeln. 4. Die Verknöcherung v^ird durch die Degeneration des Knor- pels im Zentrum des Wirbelkörpers eingeleitet. Die Ablagerung von Knochenlamellen geht von der Ventral- und Dorsalseite des Wirbelkörpers und von vier Stellen der Neural- bogen aus. 5. Der Intervertebralring erscheint in frühen Stadien als Grenzlinie im Skierotom. Er besteht aus unverknorpelt gebliebenem, faserigem Bindegewebe, das später in die Grelenkbildung mit ein- bezogen wird. 6. Die Chorda wird intervertebral eingeschnürt und im Laufe der Entwicklung zuerst innerhalb des Gelenkes, dann auch vertebral fast vollständig abgeschnürt. 7. Im Rumpf erscheinen unpaare Knochenspangen (Intercentra), die sich im Schwanz in die paarigen, unteren Bogen gabeln. Die unteren Bogen werden kranialwärts auf den Wirbelkörper ver- schoben. Zum Schlüsse meiner Arbeit erlaube ich mir Herrn Professor Dr. Hatschek für Überlassung eines Arbeitsplatzes und Anregung des Themas, Herrn Professor Dr. Schneider und Herrn Privat- dozenten Dr. Joseph für ihre Unterstützung meinen Dank aus- zusprechen. Wien, am 20. Juli 1908. (153) •22 Erna Brünauer: Erklärung der gebrauchten Abkürzungen. Ch =: Chorda. Pt = Processus transversus I = Interprotovertebralgetaß. G = Ganglion. N = Nerv. PI =:Periostlamelle. Ec = Ektoderm. Mh = Markhöhle. M = Myotom. Hs = Hypochordalspange. Sd = dunkler Sklerotomteil. Ic = Interzentrnm. Sh = heller Sklerotomteil. Gk = Gelenkknorpel P = Perichordalschichte. HB r=Haemalbogen. Ig = Intervertebralgrenze. Lh = Lymphherz. C = Costa. Gh = Gelenkhöhle. Wk = Wirbelkörper, resp. Knorpelaulage des Wirbelkörpers. Fn = Foramen nutritium. Tafelerklärung. Abbildung 1 : Frontalschnitt durch den Rumpf in der Höhe der Chorda durch ein sehr junges Stadium. Abbildung 2: Frontalschnitt in derselben Höhe durch ein etwas älteres Stadium, wo bereits die Perichordalschichte ausgebildet ist. Abbildung 3: Frontalschnitt durch den Rumpf mit Knorpelanlage im Wir- belkörper. Abbildung 4 : Frontalschnitt durch ein Stadium, in dem die Verknorpelnng der Wirbelsäule bereits erfolgt ist. Abbildung 5 : Frontalschnitt durch ein viel älteres Stadium mit ausgebildetem Gelenk und deutlich entwickelter Markhöhle. Abbildung 6: Übersichtsbild einem Stadium entsprechend, wie es in Fig. 3 im Detail gezeigt worden ist. Abbildung 7 : Übersichtsbild, welches dem in Abb. 4 abgebildeten Detailbild entspricht. Abbildung 8: Übersichtsbild eines Frontalschnittes, der sich dem Alter nach an Abb. 7 anschließt und jünger ist als der auf Abb. 5 gezeichnete Schnitt. Der Schnitt ist schief geführt, so daß links Rippen und Querfortsätze im Zusammenhang, rechts jedoch die Rippen höher oben nur an ihrem Endteil getroffen sind. Im Zentrum des Wirbelkörpers erscheint die Verkalkungszone. Abbildung 9: Querschnitt durch ein älteres Stadium mit weit vorgeschrittener Ossifikation. Der Schnitt trifft die Markhöhle und die 4 Foramina nutritia. (154) Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 23 Abbildung 10 : Querschnitt durch ein gleichaltriges Stadium, in dem der noch unzerstörte Knorpelrest und der Gelenkknorpel getroffen ist. Abbildung U: Sagittalschnitt durch einen Wirbelkörper im selben Stadium wie das des vorhergehenden Schnittes. Abbildung 12: Quer.schnitt durch die Übergangsregion zwischen Rumpf und Schwanz mit wohl ausgebildeter Hypochordalspange. Abbildung 13 : Übergangsstelle , au der sich die Hypochordalspange beiderseits nach unten zu biegen beginnt. Abbildung 14: Querschnitt, auf dem sich die erste knorpelige Anlage des Interzentrums zeigt. Abbildung 15: Querschnitt durch den Schwanz, wo sich die ersten Knorpel- anlagen der paarigen, unteren Bogen zeigen. Abbildung 16: Querschnitt durch die Schwanzregion eines ziemlich alten Stadiums mit wohl ausgebildeten Hämalbogen. Abbildung 17: Querschnitt durch die Übergangsregion zwischen Rumpf und Schwanz mit Ausbildung der Lymphapophysen. Literaturverzeichnis. 1. Baldus, Die Intervertebralspalte v. Ebners und die Querteilung der Schwanz- wirbel von Hemidactylus . Dissertation, Leipzig 1901. 2. Corning, Über die sogenannte Neugliederung der Wirbelsäule und über das Schicksal der Urwirbelhöhle bei Reptilien. Morphologisches Jahrbuch. Band XVII, 1891. 3. V. Ebner, Urwirbel und Neugliederung der Wirbelsäule. Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften, Wien. Band XCVII. 3. Abteilung, 1888. 4. Derselbe, Dieselbe Zeitschrift, Band CI. 3. Abteilung, 1892. 5. FroriepA., Zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule, insbesondere des Atlas und Epistropheus und der Occipitalregion. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1883 und 1886. 6. Gadow, On the evolution of the vertebral column of Amphibia and Amniota. Transactions of the Royal Society of London. Volume 186, 1896. 7. Gegenbaue, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien. Leipzig 1862. 8. GoETTE, Über die Zusammensetzung der Wirbel bei den Reptilien. Zoologischer Anzeiger. Bd. 17, 1894. 9. Derselbe, Über den Wirbelbau bei Reptilien und einigen anderen Wirbeltieren. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band 62, 1897. 10. Hatschek, Die Rippen der Wirbeltiere. Verhandlungen der anatomischen Ge- sellschaft. III. Berlin 1889. 11. HowES und Swinnerton, On the development of the sphenodon punctatum. Transactions of the Zoological Society, London 1901. 12. Kollmann, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Jena 1898. (155) 24 Erna Brünauer: Die Entwicklung der Wirbelsäule bei der Ringelnatter. 13. Männee, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band 66, 1899. 14. Rathke, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. 15. Rem AK, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelsäule. Berlin 1855. 16. Salle, Untersuchungen über die Lymphapophysen der Schlangen und Saurier. Göttingen 1881. 17. Schauinsland, Weitere Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hatteria. Archiv für mikroskopische Anatomie. 56. Band, 1900. 18. Derselbe, Entwicklung der Wirbelsäule nebst Rippen und Brustbein. Im Hand- buch der Entwicklungslehre der Wirbeltiere von 0. He rt w i g. S.JBand, 2. Abteilung. 19. SchültzeO., Über embryonale und bleibende Segmentierung. Anat. Anzeiger. Er- gänzungsband 1896. über die im Golfe von Triest vorkommenden Medusen der Gattungen Irene und Tima. Von Valeria Neppi. (Mit 5 Textfiguien.) Irene (Tima) pellucida wird von Clausa) mit Recht als eine jener Hydroidquallen , die im Winter am häufigsten in der Adria vorkommen , bezeichnet. Während er sie mit der von Will als Geryonia pellucido. beschriebenen Meduse mit Sicherheit identifiziert, unterscheidet er sie von der von Haeckel beschriebenen Irene pellucida, weil die von ihm untersuchte Triester Form der an den E-andwarzen ansitzenden Spiralcirren durchaus entbehrt. Nun hatte ich Gelegenheit, bei einer Arbeit über diese Gattung der Hydroidquallen größere Schwärme der in Triest vorkommenden Form zu beobachten und war in den Stand gesetzt , wenigstens die Frage über die von Claus hervorgehobenen Unterschiede zwischen Geryonia pellucida Will und Irene pellucida Haeckel aufzu- klären. Ich fand nämlich, daß bei den Medusen , welche aus den in den Triester Hafen eintretenden Strömungen gefischt wurden, die mit dem Namen Irene (Tima) 'pellucida zu bezeichnen waren, schon äußerlich zwei Formen zu unterscheiden waren, und meine auf Grund der einfachen Beobachtung mit freiem Auge gewonnene Überzeugung fand bei einer genaueren Untersuchung des Materials völlige Bestätigung. Bevor ich zur näheren Besprechung beider Formen eingehe, fühle ich mich ganz besonders verpflichtet, auch an dieser Stelle dem hochgeehrten Herrn Prof. Dr. C. Cor: für die Überlassung der ^) Claus C, Beiträge zur Kenntnis der Geryonopsiden- und Eucopidenentwick- lung in Arbeit, aus dem zoologischen Institute der Universität Wien and der zoolo- gischen Station Triest, Tom. IV, 1881, pag. 14—23. (167) 2 Valeria Neppi: Arbeit und für die freundliche Unterstützung bei derselben meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Obgleich das Vorhandensein beziehungsweise das Fehlen der Girren an der Basis der Randtentakeln und Randtuberkeln das sicherste und wichtigste Unterscheidungsmerkmal der beiden von mir beobachteten Formen bildet , zeigen diese trotz ihrer großen Variabilität mehrere andere konstante Charaktere. Fig. 1 und Fig. 2 sollen von beiden Formen je eines der größten von mir gefundenen Exemplar in der Vergrößerung 3 : 2 zur Anschauung bringen, Fig. 1 u. Fig. la stellen jene Form dar, die der Cirren entbehrt und die der von Ci^ aus mit Geryonia pellucidaWihh identifizierten Form entsprechen dürfte , wie man sich durch den Vergleich mit den von Claus') herrührenden Abbildungen leicht Fig. 1 r,. überzeugen kann. Der größte Durchmesser des Schirmes schwankt zwischen 10 und 25 mm , meistens unter 20 mm (nur 6 Exemplare unter 10 mm, das kleinste 4"5 wm , alle wenigstens mit den Anlagen der Gonaden) , die Umbrella ist stark konvex , die Subumbrella konisch vorgewölbt (in einem analogen Falle bei Eutimtim elephas sagt Haeckel -) „Magenstiel von der flach konischen Basis scharf abgesetzt", indem er die Vorwölbung als Magenstielbasis auf- faßt) , der Magenstiel konisch , mäßig lang , der aus der Schirm- höhle etwas hervorragende Magen hat vier lange , stark kon- traktile Mundlappen , die ebenso lang oder länger als die ') 1. c, Taf. III, Fig. 21—23 nnd 27—28. ") Haeckel E. , System der Medusen, I, 1879, paj 190, Atlas Taf. XII, Fig. 10. (.158) über die im Golfe von Triest vorkommenden Medusen etc. B Magenröhre sind. Ihrem Bau nach entsprechen dieselben den von Claus 1) für Aequorea Forskalea beschriebenen Mundanhängen. Sie besitzen an der Innenseite einen Skelettstrang als Stützapparat und einen mächtigen Muskel, so daß in der Mitte des Läppchens ein Radialstreifen hervortritt und die Seitenränder mehr oder weniger gekräuselt erscheinen. Die Magenröhre bildet vier Magentaschen, aus welchen die vier Radiärkanäle ihren Ursprung nehmen. Nur ein kleiner Teil letzterer ist mit Gonaden besetzt, welche nahe am Schirmrande anfangen, wo sie freilich einen kleinen Teil frei lassen , und ein Viertel bis höchstens zwei Drittel des umbrellaren Verlaufes der Radiärkanäle einnehmen. Die Gonaden sind dick, wulstig, bisweilen etwas gekräuselt. Am Schirmrande unterscheidet man leicht schon unter der Lupe die Randtentakeln (bis 28) mit sehr langen Fäden, welch letztere bei vollständiger Ausstreckung Fig. '1. den Durchmesser des Schirmrandes übertreffen können , die Rand- tuberkeln (bis 97) und endlich die Randbläschen (bis 81). Das Tier ist farblos und durchsichtig, die Gonaden aber und der Magen zeigen bei durchfallendem Lichte einen spangrünen Anflug, bei auf- fallendem Lichte sind sie lichtbraun. Die jüngeren Exemplare sind noch stärker gewölbt und ihre Form entspricht einer unter den oben erwähnten Abbildungen von Claus. 2) Bei denselben sind die Randtentakeln ganz und die Randtuberkeln ziemlich regelmäßig verteilt , nicht aber die Randbläschen. Eine regelmäßige Anordnung der Randtentakeln ist nur bis zur Zahl 16, also bis zu den Ten- takeln dritter Ordnung zu verfolgen. ') Claus C, Untersuchungen über die Organisation und Entwicklung der Medusen, Prag u. Leipzig 1883, pag. 62. =j I.e. Taflll, Fig. 27. (159) 4 Valeria Neppi: Fig. 2 u. Fig. 2 a sollen die cirrentragende Form veranscliau- lichen und der bei starker Vergrößerung abgebildete Teil des Schirm- randes (Fig. 2 Ä) zeigt die sowohl an den Randtentakeln als an den Randtuberkeln ansitzenden Girren ; in dieser Beziehung ent- spricht also diese Form der Irene pellucida Haeckel. Fig. 2 n. Fig. 2ö. Der Durchmesser des Schirmrandes schwankt hier zwischen 10 und 40 mm (nur 5 Exemplare unter 10 mm , unter welchen das kleinste von 2 mm ohne Gonaden), meistens über 20 mm. Der Schirm ist flach , uhrglasförmig , der Magen- stiel konisch, sich allmählich ver- schmälernd und ziemlich lang , so daß der Magen , wenn auch die Decke der Glockenhöhle nicht vorgesenkt ist. aus letzterer meistens hervorragt. Der Magen ist trichter- oder glockenförmig mit vier kurzen einfachen Mundlappen, die stets kürzer als die Magenröhre sind ; ist er trichterförmig, dann bilden sich vier deutliche Mundfalten. Die Gonaden erstrecken sich an den Radiärgefäßen in Form bald dünner, bald dickerer Fäden vom Schirmrande gewöhnlich bis zumMagenstiele, manchmal auch längs eines Teiles desselben. Am Schirmrande lassen sie meistens das Ende des Radiärkanals frei, doch reichen sie bisweilen bei den größeren Exem- (160) über die im Golfe von Triest vorkommendeu Medusen etc. 5 plaren bis zum Rande. Nur in einem einzigen Falle erstreckten sich die Gonaden mit gleichmäßiger Dicke bis zum Magen. Randtentakeln zählte ich bis 48 , mit mäßig langem Faden , der nie den Durch- messer des Schirmrandes erreicht, Randtuberkeln bis 191. Der Basal- bulbus ist vom Faden nicht so scharf abgesetzt wie bei der cirren- losen Form. Sowohl an der Basis der Randtentakeln als der Randtuberkeln sitzen einer- oder beiderseits Girren; sie sind bald gestreckt, bald spiralig aufgerollt und lassen sich nur hie und da bei stärkerer Vergrößerung sehen. Die Randbläschen (bis 55) bleiben in der Zahl hinter den Randtuberkeln weit zurück und sind zwischen denselben unregelmäßig verteilt; unter der Lupe sind sie schwer zu unterscheiden. Farbe und Durchsichtigkeit ver- halten sich wie bei der cirrenlosen Form. Bei ganz jungen Exem- plaren ist der Magenstiel sehr kurz oder fehlt, sonst entsprechen sie in der Form den ausgebildeten Medusen. Auch hier sind die Rand- tentakeln nur bis zu jenen dritter Ordnung regelmäßig verteilt. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal möchte ich die zartere Beschaifen- heit der Gallerte erwähnen ; denn während die Exemplare der cirrenlosen Form in Formol ziemlich widerstandsfähig werden und durchsichtig bleiben , sind die cirrentragenden Medusen weniger günstig zur Konservierung, indem sie schlaffer und etwas trüb werden. Bemerkenswert ist es , daß die bekannte parasitische Aktinie Halcampa die cirrentragende Form mit Vorliebe angreift. Während jene höchst selten und gewöhnlich in einem einzigen Exemplar an der cirrenlosen Form zu finden ist, sind wenigstens in den Winter- monaten die cirrentragenden Medusen selten von diesem Parasiten frei und meistens ist eine und dieselbe Qualle von mehreren Hai- campen an den verschiedensten Stellen zugleich befallen. An einer cirrentragenden Meduse zählte ich sogar dreizehn solcher parasi- tischer Aktinien. Einige mitgefischte Octorchis waren häufiger von Halcampa angegriffen als die cirrenlosen Medusen. Nun erhebt sich die Frage, ob die cirrentragende Form mit Irene 'pellucida Haeckel i. e. S. , das heißt mit der von Haeckel i) beschriebenen und abgebildeten übereinstimmt und ob die cirrenlose Form mit Geryonia pelhicida Will identisch ist. Da Haeckel 2) unregelmäßig zwischen den Randwarzen ver- streute Girren erwähnt, so ist es wahrscheinlich, daß er nur cirren- ') E. Haeckel, Das System der Medusen, Atlas, 1879, Taf. XII, Fig. 1. -) 1. c. pag. 201. Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 2. \\ (igi) 6 Yaleria Neppi: tragende Exemplare beobachtet hat und diese Form mit der von frü- heren Autoren beschriebenen Art identifizierte, indem er es vielleicht den mangelhaften Angaben zuschrieb, v^enn die Girren unerwähnt blieben, und die übrigen Unterschiede als Folge der außerordentlichen Variabilität annahm. In der Speciesdiagnose heißt es , daß der Schirm flachgewölbt bis halbkugelig ist, was für die cirrentragenden Medusen nicht vollkommen stimmt, da sie nur bei starker Kon- traktion halbkugelig erscheinen. Der Magenstiel ist nach Haeckel konisch , ebenso breit als lang und der Magen halb so lang als der Magenstiel. Wie Fig. 2 zeigt , ist bei der cirrentragenden Form der Magenstiel schlanker und das Verhältnis zwischen seiner und der Magenlänge weit größer. Die Gonaden sollen^ nur die Enden der Radiärkanäle frei lassen , während ich sie gewöhnlich nur bis zur Basis des Magenstieles verfolgen konnte. Die anderen Charaktere wie die Form des Magens , die Zahl der Randtentakeln , der Raud- warzen und der Randbläschen und die Größe würden überein- stimmen. Haeckel 1) verweist für die spezielle Beschreibung auf eine von ihm selbst veröffentlichte frühere Arbeit. '^) In derselben ent- sprechen einige Angaben meinen Beobachtungen besser, so z. B. daß der Schirm sehr flach gewölbt, uhrglasförmig, sehr zart, dünn- wandig und wasserhell ist und daß die reifen Gonaden als vier dünne zylindrische Wülste längs der vier Radiärkanäle vom Grunde des Magenstieles bis nahe zum Zirkelkanale reichen. Die Länge des Magenstieles, welche nur Vs — Vg vom Schirmdurchmesser betragen sollte, und die der Fäden der Haupttentakeln , die oft den Schirm- durchmesser erreichen und selbst übertreffen , würden nicht über- einstimmen. Was die cirrenlose Form betrifft, so gibt Claus 3) für seine mit Geryonia 'pellucida Will identifizierte Irene (Tima) fellucida an, daß sie 40 — 60 mm erreichen kann , während ich unter den cirrenlosen Medusen Exemplare von höchstens 25 mm größtem Durchmesser fand; entsprechend bleibt auch die Zahl der Randbläschen , nicht aber die der Randfäden, in welcher Randtentakeln und Randtuberkeln in- begriffen sind, hinter der von Claus 'angegebenen zurück. Ihr Zahlenverhältnis stimmt darnach auch nicht überein , denn nach n 1. c. pag. 201. -) E. Haeckel, Beschreibung neuer craspedoter Medusen aus dem Golfe von Nizza. Jenaer Zeitsclir., Vol. 1, pag. 332, Tima Carl, 1864. 3) 1. c. pag. 20. (1C2) über die im Golfe von Triest vorkommenden Mednsen etc. 7 C!laus sind weit mehr Randbläschen als Randfäden vorhanden, während ich bald mehr , bald weniger Randbläschen als Randfäden fand , doch immer nur relativ kleine Abweichungen bemerkte. Rand- cirren hat Claus stets vermißt. Da aber die Abbildungen von Claus i) mit der von mir be- obachteten eirrenlosen Form völlig übereinstimmen , so wäre ich trotzdem geneigt, dieselbe mit der von Claus als Irene (Tlma) pellucida beschriebenen Qualle zu identifizieren , während die zwei von Claus 2) abgebildeten jungen cirrentragenden Medusen ohne Zweifel junge Exemplare der flachen cirrentragenden Form sind, wie er übrigens schon vermutete. Einige von Claus unerwähnte sekundäre Merkmale von Geryonia pellucida, welche Will 3) angibt, stimmen auch nur mit jenen der eirrenlosen Form überein. Er bemerkt nämlich, daß der Fundus des Magens in vier kleine stumpfe Warzen endigt (die vier Magentaschen), welche vom i^nfange der Radiärkanäle umfaßt werden, und daß die Geschlechtsdrüsen gewundene Schläache sind, was bei dieser Form häufiger vorkommt als bei der cirrentragenden, obwohl die Gonaden bei beiden in der Regel gestreckt sind. Nach Will beläuft sich die Größe auf einen Zoll, was mit meinen Messungen (bis 25 ?«m) fast übereinstimmt. Auch Will beobachtete eine ganz junge Form mit 16 Randfäden und von nur 2 Linien Durchmesser, deren Scheibe gewölbter war. Ich stimme also bezüglich der eirrenlosen Form folgender Schlußfolgerung von Claus*) bei: „Indessen ist unsere Triester Irene unzweifelhaft mit WiLLs Geryonia pellucida von Triest identisch, für welche auch in WiLLs Beschreibung besondere Randeirren nicht erwähnt werden, und die mit Wills Geryonia pellucida identifizierte. Form, nach welcher die Artbeschreibung von E. Haeckel entworfen ist, bezieht sich auf eine ganz andere Spezies." Während aber Claus nur die zwei schon erwähnten unreifen Exemplare von cirren- tragenden Medusen fand, wurden meinerseits immer beide Formen zugleich, obwohl in sehr schwankendem Mengenverhältnisse gefischt, und es würde die cirrentragende Form mit der Irene pellucida Haeckel i. e. S. identisch sein, die nach ihm auch in Triest vor- kommen soll. 1) 1. c. Taf. III, Fig. 21—23, 27-28. 2) 1. c. Taf. IV, Fi^. 31—33. ä) Will, Horae tergestinae, pag. 70—73, 1844. ■*) C. Claus, L c. pag. 20. 11* (163) Si Valei'ia Neppi: Vielleicht sind mit der cirrenlosen Form Dianaea gihhosa Lamarcki), Oceania gibhosa F KRÖN et Lesueur-), Eirene gihhosa EscHSCHOLTZ^) und Tima gihhosa Agassiz*) identisch, bei welcher der Speziesnamen auf die starke Wölbung deutet; die übrigen Merkmale genügen jedoch bei diesen ebensowenig als bei den anderen in Irene pellucida Ha eck EL enthaltenen Formen, um die Identität festzustellen. Eschscholtz charakterisiert die Gattung Eirene durch das Vorhandensein von gefiederten Armen an der Spitze des Stieles, welche viel deutlicher bei der cirrenlosen als bei der cirrentragenden Form sind , da bei letzterer der Magen ganz kurze Mundlappen hat. Es wird also bei den mangelhaften iVngaben eine sichere Identifizierung mit den von älteren Autoren beschriebenen nahen Medusenarten kaum möglich sein , jedoch sehen wir uns auf Grund der festgestellten Tatsachen genötigt, die Irene pellucida Haeckel in zwei Arten zu sondern. Wie oben auseinandergesetzt wurde, haben wir die feste Überzeugung gewonnen , daß die in Triest vor- kommende cirrentragende Form der Irene i^elluvida Haeckel i. e. S., d. h, der von ihm beobachteten und früher als Tima Cari be- schriebenen Form entspricht, und daß die cirrenlose Form mit der Geryonia pellucida Will identisch ist. Nach den von Haeckel festgestellten DifFerentialcharakteren von Irene und Tima (für Irene: Magenstiel kurz, Gonaden auf einen Teil der Radiärkanäle beschränkt; iÜY Tima : Magenstiel lang, Gonaden längs der ganzen Radiärkanäle) sollten beide als Irene-k.YiQrv betrachtet werden. Schon Haeckel erhob aber einige Zweifel über den Wert der Trennung von Irene und Tima und Claus &) fand, daß für die cirrenlose Geryonia pellucida eine neue Gattung aufgestellt werden müßte, „wenn es sich bestätigen sollte, daß die übrigen in Irene pellucida Haeckel enthaltenen Formen wirklich cirrentra- gend sind", weil nach Haeckel „das Vorhandensein von Spiral- cirren für sämtliche Ireniden (Irenium, Irene und Tima), also auch für Irene als Gattungsmerkmal hervorgehoben" wird. Haeckel hat jedoch dasselbe nicht bei allen Arten festgestellt. Die Trennung der Genera Irene und Tima wäre nach Claus e) eben auf Grund des *) Lamarck. Animaux sans vertebres. Vol. III, pag. 15G, 18^0. '") PiiRON et Lesueür, Tablean etc., pag. 346 , 1809. ■"■) Eschscholtz, System der Acalephen, pag. 94, 1829. •*) Agassiz, Monogr. Acal. Contrib. IV, pag. 362, 1862- •') 1. c. pag. 14. •■•) \. c. pag. 1.5- a()4) über die im Golfe von Triest vorkommenden Medusen etc. 9 Mangels , beziehungsweise des Vorhandenseins von Spiralcirren durchzuführen, zumal die von Haeckel verwerteten Differential- charaktere „sowohl an sich von untergeordneter Bedeutung als höchst variabel und und nicht einmal innerhalb derselben Art konstant erscheinen", und Claus möchte die cirrenlosen Formen in das Genus Irene aufnehmen. Nach dem Vorsehlage von Claus würden also zu der Gat- tung Irene nur jene Ireniden mit zahlreichen Tentakeln gehören, welche cirrenlos sind, während diejenigen, welche E,andcirren tragen, in die Gattung Tima aufzunehmen wären. Nach Haeckel ist das Vorhandensein von Cirren nur bei seiner Irene pellucida, bei /. viri- diila und bei Tima Teuscheri sicher festgestellt; bei 1. gibbosa und bei /. coerulea ist es fraglich, bei den anderen Timen werden keine Cirren erwähnt. Dem Vorschlage von Claus folgend, ist demnach für die von mir beobachtete und mit der Geryonia pellucida Will identifizierte cirrenlose Form die Bezeichnung Irene 'pelliicidaW i'lIj beizubehalten; für die cirrentragende möchte ich die neue Bezeichnung Tima plana wählen, i) Zum Schlüsse möchte ich noch erwähnen, daß ich einige wenige Exemplare fand, welche gewisse Besonderheiten zeigten. Bei zehn Exemplaren, die teils der cirrentragenden , teils der cirrenlosen Form angehörten, zeigte sich nicht weit vom Schirmrande ein weißer dünner Ringstreif, der eine durch Kontraktion gefältelte Zone um- faßte, die etwa doppelt so breit als das Velum war. Dies schien für die Zrew^-Exemplare um so merkwürdiger , weil sie in der Regel nach der Konservierung schlaiF und ausgebreitet sind; später fand ich jedoch unter denselben auch kontra,hierte Exemplare , die aber keinen solchen Streifen , sondern eine breite , weißliche , undurch- sichtige Zone gegen den Schirmrand aufwiesen; es dürfte vielleicht das verschieden modifizierte Aussehen darauf zurückzuführen sein, daß im Kontraktionszustande bald nur ein Teil, bald die ganze Schichte der kreisförmig verlaufenden Muskelfasern an der Subum- brella kontrahiert wird. ') Zu meinem Bedauern muß ich an dieser Stelle erwähnen, daß in einer im Archiv für Entwicklungsgeschichte zu erscheinenden Arbeit über Anomalien bei diesen Medusen, welche schon gedruckt vorliegt, die cirrentragende Form Irene pelliicida, die cirrenlose Tima Willi heißt , welche Namen nach reiflicher Überlegung, wie oben angeführt, zu ändern sind. (165) 10 Valeria Neppi: Über die im Golfe von Triest vorkommenden Medusen etc. Bei vier anderen cirrentragenden Exemplaren war der Magen typisch durch Ausstülpung umgestaltet. Es traten am Grunde vier dicke, rundliche, papillöse Vorsprünge hervor, welche von den vier kurzen Mundlappen umgeben waren. Der Magenstiel war dabei stark verkürzt. Häufig fand ich das Magenrohr mit Nahrung vollgestopft, die aber schon so stark verändert war . daß es mir nicht gelang zu bestimmen, um was es sich handle; einmal schien es eine Appen- dicularia, ein anderes Mal ein Fischembrj^o zu sein. Nachträglich möchte ich eine vorläufige Bemerkung Hakt- LAüBsi) anläßlich seiner Bearbeitung der Eucopiden des nordischen Planktons bezüglich der von ihm geplanten neuen Klassifikation der Ireniden erwähnen, nach welcher unsere cirrenlose Irene pellucida Will ihren Namen behalten würde, während unsere cirrentragende Tiina plana zu der neuen Gattung Helgicirrha gerechnet werden müßte, „die sich von Irene durch den Mangel von Mundarmen und den Besitz von Girren'', von den Gattungen Tima und Timona (neu) dadurch unterscheidet , daß die Gonaden nur an der Umbrella und nicht am Magenstiel vorkommen. Triest, k. k. zoologische Station, im Juli 1909. ^) C. Hartlaub, Über Thaumantias piloseila Forbes und die neue Lafoeiden- gattung Cosmetira. Zool. Auz., XXXIV, pag. 86, 1909. (166) Die Turbellarienfauna des Golfes von Triest Von Dr. Heinrich Micoletzky. Äußere Umstände, so vor allem mein Weggang von der k. k. Zoologischen Station in Triest nach Czernowitz, zwingen mich, die folgenden Zeilen, die infolge ihrer Unvollständigkeit kein ge- schlossenes Bild der Turbellarienfauna des Triester Golfes geben können, wie dies bei Aufnahme der Arbeit geplant war, der Öffent- lichkeit zu übergeben. Ich führe nachstehend nicht nur die von mir gesammelten, sondern alle für Triest und Umgebung bekannten marinen Tur- bellarien an und gebe am Schluß ein Literaturverzeichnis jener Arbeiten, die sich auf das Vorkommen von in Triest gefundenen Strudelwürmern beziehen. Ich habe meine Aufmerksamkeit vor allen den Acoela, Rhabdocoela und Alloeocoela zugewendet; die Tricladidea, die zufolge ihrer Lebensweise im Sande in der Nähe von Triest dem Samm- ler weniger zugängig sind, ließ ich so gut wie unberücksichtigt und von Polycladida sammelte ich nur, was mir gerade unterkam. Fast mein ganzes Material entstammt der Zostera marin a L.-Region, in welcher die verschiedensten Turbellarien mit Spadella cephalo- ptera Busch, diversen Mysis- Arten, iind zahlreichen anderen Crustaceen vergesellschaftet vorkommen. Eine leichte Dredge, deren Sack aus Kalikostoff bestand, wurde behufs Materialgewinnung durch die Zostera- Wiesen gezogen und das so gewonnene, mit meist sandigem Schlamm versetzte Seewasser in G-läser abgefüllt und ruhig stehen gelassen. Die Turbellarien krochen alsbald aus dem Bodensatz heraus und konnten von den Glaswänden leicht mit der Pipette herausgefangen werden. I. Acoela. 0 Familie Proporidae. Proporus venenosus venenosus (0. Schm.) wurde zuerst von Gr äff (7, p. 219) für Triest nachgewiesen. Ich fand diese lebhafte Acoele wiederholt, ') Die Bestimmung der Acoela erfolgte nach Graffs (12) vorzüglicher Bear- beitung im „Tierreich". (167) 2 Heinrich Micoletzky: jedoch stets nur vereinzelt auf Zosterawiesen der Sacchetta, beim Leucht- turm des Hafens von Triest, bei Barcola sowie im Hafen von Parenzo. Haplodiscus USSOWii Sabuss? Im September-Plankton 1. J. fand sich viel seltener als Couvoluta henseni Böhmig, ein anderes pelagisches acoeles Turbellar, das dem unbewaifneten Auge durch seine dunkel- grünlich-braune Farbe auffiel. Diese Tiere erreichen, lebend gemessen, ri 7nm. Ihre Färbung wird teils durch im peripheren Parenchyme ge- legene, ziemlich gleichmäßig angeordnete Zoochlorellen, teils durch 20 — 40 p- langes, braungelbes, stäbchenförmiges Epithelialpigment be- dingt. Die ganze Anatomie dieser Form, so das Fehlen einer Bursa seminalis, der in der Bauchmitte gelegene Mund, der Mangel des Pharynx sowie der Besitz einer Geschlechtsöffnung nahe dem Hinter- ende wies auf das Genus HaplodiscusWELDON. Die Speziesbestimmung führte hauptsächlich infolge des fehlenden Frontalorganes auf Haplo- discus ussowii Sabuss. Leider ist diese Form, nach der Arbeit Sabüssows^) zu urteilen, niemals im lebenden Zustande untersucht und beschrieben worden, so daß eine sichere Identifizierung erst beim Studium von Schnittserien möglich sein wird. ^) OtOCelis rubropunctata (0. Schm.) (= Proporus rubropunctatus 0. Schm.) wurde durch v. Graff (7, p. 217) für Triest bekannt. Ich fand diese Form im März und April 1. J. so häufig im Zosteramaterial der ver- schiedensten Lokalitäten vor, daß ich sie zu dieser Zeit als Turbellarien- leitform verzeichnete. Im allgemeinen pflegt diese Art besonders in der kälteren Jahreszeit häufig vorzukommen und gegen das Frühjahr hin die weibliche Geschlechtsreife zu erreichen. Auch durch Auswaschen von ülva lactuca (L) Le Jol. und Cystoseira barbata Ag. fand sich diese Form, wenn auch bedeutend weniger häufig als auf Zostera. Familie Convoluiidae. Aphanostoma diverscolor Oeest. , von v. Gkaff (7., p. 221) für Triest als selten angegeben, fand ich das ganze Jahr hindurch, aber immer ver- einzelt, im Zosteramaterial verschiedener Fundstellen. Als Fraßobjekte beobachtete ich öfters Diatomeen. Convoluta henseni Böhmig.*) Diese interessante pelagisch lebende Acoele wurde *) Sabussow, H. Haplodiscus ussowii, eine neue Acoele aus dem Golfe von Neapel. Mitteil. d. zool. Stat. zu Neapel, 12. Bd., 1897. -) Nähere Angaben über diese Form, über Convoluta henseni Böhm ig und andere acoele Turbellarien, wie z. B. C onvoluta elegans Peeeyasl. und einen bisher nicht näher bestimmten Proporus sp., die ich gemeinsam mit meinem Freunde Dr. L. Löhnek in Triest gefunden habe, wollen wir später an anderer Stelle ver- öffentlichen. *) Nach einer mir erst später untergekommenen Arbeit hat W. Busch (Be- obachtungen über Anatomie und Entwicklung einiger wirbelloser Seetiere, Berlin 1851, p. 117, t. XIV. f. 11—14) in Triest ein pelagisches Turbellar beobachtet, das er Gyrator viridis nennt und das seiner Beschreibung und Abbildung nach (der Mund liegt nicht am Vorderende!) mit der von mir gesammelten und als Convoluta (168) Die Turbellarienfauna des Golfes von Triest. 3 bisher nur von Böhm ig') im tropisch Atlantischen Ozean, und zwar im Guineastrom und im nördlichen Äquatorialstrom gefunden und nach mit Alkohol konservierten Exemplaren als neue Form beschrieben. Durch Lebendbeobachtung zahlreicher Tiere bin ich in der Lage, Böhmig s Beschreibung zu vervollständigen, will mich aber hier nur auf diejenigen Merkmale beschränken, die für das Erkennen unserer Form nach dem lebenden Objekt von Wichtigkeit sind. Hinzufügen möchte ich noch, daß ich durch das freundliche Entgegenkommen meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Professors Dr. L. Bö hm ig in der angenehmen Lage war, seine Präparate mit den meinigen zu vergleichen. Convoluta henseni besitzt eine mehr oder weniger runde Körper- form ; ihr Hinterende ist in eine stumpfe Spitze, jedoch niemals beim lebenden Objekt in ein stumpfes Schwänzchen ausgezogen. Die Farbe des Tieres, ein helles, lebhaftes Grün, wird durch meist klumpenförmig gehäufte, im peripheren Parenchym gelegene Zoochlorellen bedingt, die vor der Statocyste so gut wie fehlen und meist in der Mittellinie weniger dicht auftreten als gegen die Seitenränder hin. Außerdem finden sich keulenförmige Pakete eines körnigen epithelialen Pigments von orange-rotbrauner Farbe, das namentlich bei älteren In- dividuen mehr hervortritt und meist etwas über die Haut hervorragt. Diese namentlich am Vorderende zahlreich vorhandenen Pigmentpakete waren die Ursache, daß die sehr kleinen lichtorange gefärbten läng- lichen Augen bisher übersehen worden sind, doch gelang es meinem Freunde L. Löhnee, durch Vitalfärbung mit Neutralrot dieselben deut- licher hervortreten zu lassen und, einmal darauf aufmerksam gemacht, sie auch an ungefärbten Objekten konstant nachweisen zu können. An Länge erreicht diese Art 0'68 mm bei einer Breite bis zu 0'4 mm. Bezüglich der Nahrung sei erwähnt, daß Convoluta henseni zu den gefräßigsten Acoelen gerechnet werden muß. So sah ich mitunter, namentlich gegen den Herbst, die Hauptgeschlechtsperiode hin, fast in jedem Exemplar einen pelagischen Copepoden, der ^4 bis ^6 '^^^ ^^' samtlänge des Wurmes maß; seltener enthielt Jas Zentralparenchym Diatomeen (Coscinodiscus sp.). Ich beobachtete diese Acoele von April bis November des' vorigen Jahres im Plankton des Golfes von Triest, namentlich aber außerhalb des Golfes von Pirano über die Südspitze Istriens bis in den Quarnero hinein. Durch das liebenswürdige Entgegenkommen meines Chefs, des Herrn Professors Dr. C, Cori, der mir die Fangprotokolle der im Auf- trage des Vereines zur Erforschung der Adria in Wien unternommenen systematischen Erforschung der Adria zur Verfügung stellte, bin ich in der angenehmen Lage, über das Auftreten dieses „grünen Turbellars" in der nördlichen Adria in den Jahren 1906 — 1909 zu berichten. Diese henseni Böhmig bestimmten Form übereinstimmt. Convoluta henseni Böhmig müßte daher nach den Nomenklaturregeln Convoluta viridis (Busch) genannt werden. Ich behalte mir indes diese Namenänderung bis auf eine ausführlichere Mitteilung vor. *) Böhmig L. Ergebnisse Plankton-Expedit, v. II, Hg, p. 39. t 2, f. 35 — 40; i. 3, f. 50. (169) 4 Heinrich Micoletzky: Form trat während der vierteljährlichen Terminfahrten im Jahre 1906 von Ende Juni bis Mitte Oktober, im Jahre 1907 nur im Juli, im Jahre 1908 von Juli bis Mitte November, im Jahre 1909 endlich von Juni bis September im Plankton der nördlichen Adria an verschiedeneu Punkten bis südlich zur Bucht von Medolino im Quarnero auf. Das Maximum des Auftretens wurde auch hier im Oktober und November konstatiert. Hierzu möchte jedoch bemerkt werden, daß die Proto- kollierung der lebenden Planktonfänge lediglich mit einer Lupe zu dem Zwecke erfolgte, um den allgemeinen Charakter derselben festzustellen. Mitunter erlaubten es auch nicht die Umstände, eine solche Prüfung vorzunehmen und in vielen Fällen wurden sicher auch Convoluta über- sehen. Es wird daher erst die eingehende Bearbeitung des bei der oben- erwähnten Gelegenheit gefischten Planktons vollen Aufschluß über das jahreszeitliche und örtliche Auftreten des in Bede stehenden Turbellars bringen können. Im Triester Hafengebiet kommt Convolu ta henseni fast stets vereinzelt vor; nur wenn südliche Strömungen das Oberflächenplankton, das unsere positiv heliotrope Art hauptsächlich enthält, nordwärts treiben, konnte sie auch da in größerer Anzahl nachgewiesen werden, Convoluta SChultzii 0. Schm. lebt niemals pelagisch '), sondern wurde stets in der Litoralregion, meist auf Zostera angetroften. Sie findet sich immer vereinzelt, nur im Mai 1. J. verzeichnen sie meine Fangprotokolle bei Panta Salvore als häufigste Form. Von Dezember bis Mitte März trat diese schön grün gefärbte Art nicht auf; im Frühjahr und gegen den Herbst hingegen traf ich sie am häufigsten. Auch scheint sie gegen verschmutztes Wasser empfindlich zu sein und vermeidet daher den Hafen. Convoluta convoluta (Abbildg.) (=:Convoluta paradoxa Oers t.), wies von Graff (7, p. 232) für Triest nach; ich fand sie gleich der vorigen im Zosteramaterial verschiedener Lokalitäten, auch sie ist frischwasser- liebend. Convoluta SOrdida Graff ist nebst Otocelis rubropunctata die gemeinste Acoele des Triester Golfes. Von Graff (9, p. 62) fand sie bei Triest jedoch nicht häufig, während ich sie in Zosteramaterial besonders zahl- reich nachweisen konnte, ja ich fand sie das ganze Jahr hindurch in jedem Materiale, das überhaupt acoele Tiirbellarieu enthielt, so bei- spielsweise beim Auswaschen verschiedener Algen sowie in von Holz- schiffen abgekratztem Material in Gesellschaft von Ciona intestinalis L., Spirographis spallanzani Viv. und diversen Anneliden. Im Jänner und Februar 1. J. verzeichnete ich sie am häufigsten; sie befand sich zu dieser Zeit in voller weiblicher Geschlechtsreife. Bezüglich der Reinheit des Wassers stellt sie von allen beobachteten Acoelen die geringsten Anforderungen, ja es scheint, daß die in den Hafen münden- den Kloaken ihr Vorkommen nicht beeinträchtigen, so daß diese Acoelen *) Von GrafV (12, p. 17) giht an, daß diese Form auch pelagisch vorkommt, eine Anschauung, die ihre Berichtigung dadurch erfährt, daß dieser Autor (7, p. 233)> den von Busch 1. c. beschriebenen Gyrator viridis für die Larve von Convoluta schultzii hält. (170) Die Tnrbellai'ieufauna des Golfes von Triest. 5 im Sinne R. Kolkwitz und M. Marssons *) in die Zone der a-Mcsosaprobien einzureihen sind. Convoluta COnfUSa Graff fand ich sehr vereinzelt im Zosteramaterial. Convoluta hipparchia Pereyasl. sammelte ich nicht selten im Zosteramaterial, fast durchwegs in der forma principalis, nur ein einziges Mal kam mir in dem turbellarienreichen Hafengebiet von Parenzo auch die forma violacea unter. Convoluta SUbtilis (Graff) (=Cyrtomorpha sieh v. Graff) erwähnt v. Geaff (7, p. 225) aus den Salinen von Capo d'Istria, wo ich leider nicht gesucht habe. Convoluta elegans Pereyasl. wurde in größerer Anzahl im September 1. J. in einigen Aquarien der Zoologischen Station gefunden, so in einem Becken, das seit Jahren mit Spirographis spaUanzani Viv. besetzt ist. Zusammenfassung: Die Gesamtzahl der für Triest und Umgebung gefundenen acoelen Turbellarien beträgt 12 ; sie verteilen sich auf 5 Genera und 2 Familien. Da bis heute 32 sichere Acoela, die 7 Genera bilden, bekannt sind, entfallen mehr als Vs ^^^^^ bekannten Formen für den Triester Golf, der alle Genera mit Aus- nahme von Amphiscolops Graff und dem amerikanischen Poly- cholrus Mark aufweist. Von diesen 12 Arten leben 2 pelagisch, die übrigen vorzugsweise auf Zostera- Grund. II. Rhabdocoelida. 1. Uo. Rhabdocoela ^). Familie Caienulidae. Stenostomum sieboldii Graff fand V. Graff (7, p. 257) in wenigen Exem- plaren in der Nähe des Leuchtturmes auf ülven ; ich sammelte 2 Stück im Zosteramaterial der Sacchetta in der Nähe des Leuchtturmes, das eine bestand aus 4, das andere aus 3 Zooiden. Familie Microsiomidae. Microstomum ornatum Ul. beobachtete Sekera (20, p. 81) in Triest; ich fand ein Exemplar beim Leuchtturm im März 1. J. im Zosteramaterial. Microstomum papillosum Graff wurde in Triest im März 1889 von Böhmig (1) gefangen. MacrOStomum timavi Graff fischte Graff (11, p. 82) vor 24 Jahren im Brackwasserhafen von Duino. 1) Ökologie der tierischen Saprobien. Beiträge zur Lehre der biologischen Gewässer-Beurteilung. Intern. Revue d. gas. Hydrobiol. und Hydrographie, Bd. IL, p. 126—152. -) Die Bestimmung erfolgte größtenteils nach Graffs Rhabdocoeliden-Mono- graphie (7). (171) 6 Heinrich Micoletzky: Familie Graffillidae. Vejdovskya adriatica (Dörlek) (=Schultzia adr. Dörler). Diese von Böhm IG im Triester Hafen gesammelte und von Döeler (5, p. 13 — 20) beschriebene Art fand ich vornehmlich im Zosteramaterial aus der Sacchetta, aus Barcola, Capo d'Istria etc. Die Länge der Tiere betrug bis zu 0"65 mm, die Breite bis zu 0"2 mm, mein Material ist dem- nach etwas größer als die Objekte Böhmigs. Die Färbung und Zeich- nung des Tieres ist durch das meist rotbraune Pigment sehr augen- fälliggekennzeichnet, das in verschieden großen Tropfen von 2 — 15 p- Durch- messer bald unregelmäßig, bald mehr oder weniger in Längsreihen ange- ordnet den ganzen Körper durchzieht, mit Ausnahme der vor den Augen gelegenen Partien, in die es einen medianen Streifen entsendet. Diese Ehabdocoelen fand ich das ganze Jahr hindurch, namentlich aber im Februar 1. J. durchaus nicht selten. Herausgefangen, drängten sie sich an einer Stelle der Uhrschale zusammen, ein Verhalten, das mir auch bei Allostoma raonotrochum Graff auifiel. Von parasitischen Turbellarien '; dieser Familie sind in Triest folgende Formen gefunden worden: Paravortex SCrobiculariae (Graff) wurde von Wahl (22, p. 453) in Scrobi- cularia piperata (Gm.) Ad. angetroflen. Graffilla muricicola Iuer. Dieser 1876 von I bering (14) zuerst gefundene, von v. Graff (7. p. 375) und Wahl (22, p. 450) wieder gesammelte Parasit kommt, wie ich mich gelegentlich der frühjährlichen und herbst- lichen Kursdemonstrationen wiederholt überzeugen konnte, ziemlich konstant in der Niere von Murex brandaris L. und Murex trun- culus L. vor, mitunter eröffnete ich aber bis zu 12 Murexexemplare beider Spezies erfolglos. Syndesmis echinorum Franqois fand ich zuweilen massenhaft in Sphaerechi- nusgranularis A. Ag. So enthielten 2 Exemplare dieses Seeigels von Punta Salvore im September 1. J. nicht weniger als 160 Stück, während ich wiederholt mehrere Seeigel öffnete, ohne auch nur einen Parasiten zu erhalten. Luther hat dagegen, wie v. Graff (10, p. 21) berichtet, nur in den bei Umago gefischten Sphaerechinus Syndesmis er- halten ; die bei Pirano, Punta Salvore (b. Pirano) und Brioni (b. Pola) gedredgeten Seeigel enthielten keine Parasiten. Umagilla forskalensis Wahl entdeckte Wahl (22, p. 419) in Holothuria forskalii Chiaje. Familie Dalyelliidae. Phaenocora salinarum (Graff) (=Derostoma salinarum Graff) fischte V. Graff (7, p. 369—370) vor 30 Jahren in einem Exemplar in den stark salzhaltigen Salinengräben von Capo d'Istria; es wurde seither nicht mehr beobachtet. Anoplodium. parasitica Ant. Schn. wurde für Triest zuerst von Graff (7, p. 378) in der Leibeshöhle von Holothuria tubulosa Gm. nach- *) Diesen wandte ich nur gelegentlich meine Aufmerksamkeit zu, (172) Die Tiu'bellarienfauna des Golfes von Triest. 7 gewiesen und von Wahl (22, p. 422, 426) in ungeheuren Mengen in den Holothurien der istrianischen Küste beobachtet; auch inHolothuria polii Chiaje fand dieser Autor den Parasiten, Angaben, die ich durchwegs bestätigen kann. Mein Material entstammte der ganzen istrianischen Westküste von Triest bis in den Quarnero hinein. Anoplodium gracile Wahl entdeckte Wahl (22, p. 427) in der Leibeshöhle von Holothuria forskalii Chiaje bei Triest, sein meistes Material entstammte der Gegend von Umago. Familie Genosiomaiidae. Genostoma tergestinum (Calandr.) Genostoma marsiliense (Calandr.). Diese beiden Formen schmarotzen im Innern des Schalenpanzers von Nebalia bipes M.-E. Erstere Form wurde bereits von Repiakoff (19) an Nebalia von Triest gefunden, Dörler(5, p. 21) wies außerdem Gen. marsiliense für Triest nach. Auch ich konnte mich wiederholt an Nebaliamaterial, namentlich solchem aus dem Canale grande von dem Vorhandensein dieses Parasiten überzeugen. Urastoma cyprinae (Grj\ff) lebt im Mantelraum und auf den Kiemen ver- schiedener Muscheln, so im hohen Norden auf Mytilus edulis L., in der Ostsee in Cyprina islandica L., im Süden endlich in So len Vagina L. , wo es sich nach v. Graff (10, p. 27) auch im Triester Material ziemlich häufig vorfindet. Familie Proxeneiidae. Proxenetes gracilis Graff. Dieses lebhafte, zierliche Turbellar, das zuerst von V. Graff (7, p. 281) für Triest namhaft gemacht wurde, fand ich wiederholt in Gesellschaft von Leptoplana alcinoi 0. Schm. und vereinzelter Plagiostomum girardi (0. Schm.) in gekratztem Material aus der Sacchetta beim Leuchtturm in Exemplaren bis zu r6 mni Länge. Promesostoma marmoratUin (M. Schultze) beobachteten v. Graff (7, p. 272) und Sekera (20, P- 81) in Triest, ich sammelte es sowohl in Zostera- material aus der Sacchetta als auch gelegentlich eines Dredge-Zuges auf dem Muschelsandsteingebiet von Piinta Salvore in etwa 20 m Tiefe. Paramesostoma neapolitanum (Graff) wurde in der Adria bisher nur von V. Graff (H, p. 90) bei Lesina gefischt, von mir auch in Dredge- Material (siehe oben) von Punta Salvore in ca. 20 m Tiefe erbeutet. Familie Solenopharyngidae. Solenopharynx flavidus Graff wurde von Graff (7, p. 380) in einem Exem- plare an Ulven beim Triester Leuchtturm beobachtet; mir kam diese interessante Rhabdocoele, trotzdem ich viele Kübel mit Ulven durch- suchte, niemals zu Gesicht. Familie Trigonosiomidae. Trigonostomum setigerum (0. Schm.) (= Hyporhynchus s.). Diese weit verbreitete von Sekera (20, p. 81) für Triest verzeichnete Form fand (173) 8 Heinrich Micoletzky: ich einmal im Zosteragrund von Punta Salvore. Dieses Exemplar halte eine Länge von \o mm, bei einer Breite von 0'25 mm. Trigonostomum penicillatum (0. Schm.) wurde für die Adria bisher nur von Lesina durch O.Schmidt*) bekannt. Meine Fangprotokolle ver- zeichnen diese Art in verschiedenen Zosteragründen (Sacchetta, Barcola, Parenzo). Es erreicht lebend gemessen eine Länge von 1-5 mm bei 0'16 — 0"18 mm Breite. Die von Parenzo stammenden Exemplare besaßen ein schön gelbes Rückenpigment, der Bauch dagegen war, wie man sich durch die Seitenlage des Tieres leicht überzeugen konnte, ungefärbt, desgleichen das Vorderende. Familie Polycysiidae. Polycystis naegeli Köll. (=Macrorhynchus n.) von v. Graff (7, p. 324) und Sekera (20, p. 81) für Triest nachgewiesen, fand ich im Gegen- satze zu den Fundstätten in Lesina und Neapel (Ghaff, 7, p. 324) .stets nur sehr verstreut in Exemplaren, deren Länge niemals 2 mm übertraf; ihre Färbung war ein dunkles reines Chromgelb (vgl.CLAPAREDE nach Graff 7, p. 323). Polycystis crocea (0. Fabr.) wurde von Sekera (20, p. 81) der Triester Fauna hinzugefügt. Polycystis maraertina (Graff) fing v. Graff (7, p. 327) in Triest; ich beobachtete sie wiederholt an Ulven und an Cionamaterial aus der Sacchetta, doch erreichten meine Exemplare nur 08 mm Länge. Polycystis reticulata (Sekera) (=Gyrator reticulatus Sekera) wurde von Sekera (20) als neue Art in Triest gefunden. Zusammenfassung: Von Rhabdocoelen können für Triest und Umgebung 25 marine Arten namhaft gemacht werden, unter denen sich 9 parasitisch -), die übrigen freilebend vorfinden. Diese Formen verteilen sich auf 17 Genera und 9 Familien. Da die Gesamtzahl der marinen rhabdocoelen Turbellarien 95 beträgt, be- herbergt Triest und Umgebung mehr als V4 ^^^^^ bekannten marinen Formen. *) O.Schmidt, Zur Kenntnis der Turbellaria rhabdocoela und einiger anderer "Würmer des Mittelmeeres. Sitzungsber. d. math.-naturw. Kl. d. Akademie d. Wissensch. zu Wien, 23. Bd., p. 355—356. ^) Ich möchte es nicht unterlassen, hier einzufügen, daß Triest bzw. die nörd- liche Adria bei systematischer Durchsuchung noch mehrere parasitische Turbellarien aufweisen dürfte. So halte ich es für wahrscheinlich, daß sich die Mehrzahl der folgenden parasitischen Turbellarien für Triest wird nachweisen lassen , da ihre Wirte der hiesigen Fauna angehören : ByrsophlebsnanaLAiDLAW ektoparas.auf Nephthys scolopendroidesCniAjE. Graffilla parasitica (Czern.) in den inneren Organen von Tethys leporinaL. Graffilla braun i Ferd. Schm. in der Leber von Teredo sp. Graffilla mytili (Levins.) an den Kiemen vonMytilus edulis L. CoUastoma monorchis Dörler im Darm von Phascolosoma vulgare Dies. (174) Die Turbellarienfauna des Golfes von Triest. 9 2. Uo. Alloeocoela.O Familie Plagiostomidae. Plagiostomum girardi (0. So hm.) var. m ajor lind minor Böhm ig, von Gkaff (7, p. 395) und Böhmig (2, p. 168) für Triest nachgewiesen, gehört im Triester Hafen zu den gemeinsten Erscheinungen. Es ist namentlich in stark verschmutztem Hafenwasser zu finden und im Sinne von Kolk witz und Märsson (1. c. p. 13) polysaprob , also ein typischer Schniutzwasserbewohner mit der Tendenz in die a-mesosaprobe Zone hinüberzugreifen. Am häufigsten fand ich dieses träge Turbellar mit Bryozoen und Gonothyrea stocken, sowie mit Nebalia und mit Allostoma monotrochum Graff vergesellschaftet im Canale grande des Hafens von Triest, aber auch im Material von Ciona intesti- nalis L. aus der Sacchetta, dagegen sucht man es in reinen Zostei'a- wiesen meist vergeblich. Hinzufügen will ich noch, daß mich das fast völlige Ausbleiben dieser im Canale grande sonst so sicher anzutreflen- den Form im September 1. J. überraschte. Plagiostomum SUlphureum (Graff), von v. Graff (7, p. 388) und Böhm IG (2, p. 168) für Triest erwähnt, konnte ich in wenigen Exemplaren in den Zosterawiesen der Sacchetta, von Barcola und von Parenzo nach- weisen. Plagiostomum maculatum. (Graff). Diese, durch v. Graff (7, p. 398), ßÖHMiG (2, p. 168) und Sekera (20, p. 81) für Triest namhaft ge- machte Form erhielt ich wiederholt durch Dredgezüge auf Zostera- grund sowie durch Abkratzen alter Holzschifie, in diesem Falle mit Ciona intestinalis L. in Biocoeuose. Eines dieser Individuen zeigte eine Färbungsancmalie, indem einerseits das schwarze retikuläre Pig- ment viel weiter nach vorne ging als v. Graff (7, t. XVII, Fig. 14) angibt, andererseits fand sich oberflächlich ein feinkörniges gelbbraunes Pigment. Plagiostomum. reticulatum. (0. Schm.) bei Triest von V. Graff (7, p. 391), Böhmig (2, p. 168, 207) und Sekera (20, p. 81) gesammelt, kommt nach meinen Notizen im Zosteramaterial verschiedener Örtlichkeiten wie Sacchetta beim Leuchtturm, Barcola, Pirano und Parenzo nicht selten vor. Diese schöne Form, deren Länge nach meinem am lebenden Objekte angestellten Beobachtungen von 0'96 mm bis zu 2'4 mm schwankt, trat auch mir, gleich den früheren Untersuchern, in verschieden ge- färbten Exemplaren entgegen. So konnte ich nebst der typischen Form mit den zwei getrennten, das Vorder- und Hinterende freilassenden Eückenflecken von bald braunschwarzer, bald kirschroter Färbung noch drei verschiedene Formen unterscheiden. Bei einem Individuum aus der Collastonia minutum Wahl im Darm von Phymosoma granulatum F. S. Leuck. Fecam'pia erythrocephala Giard. in Krabben wie Carduus maenas Leach. Fecampia xan thocephala Caüll.-Mesn. in Idothea neglecta G. 0. Sars. ^) Die Bestimmung erfolgte größtenteils nach v. Gräfes Rhabdocoeliden- Monograpliie (7), teilweise auch nach Böhmig (2) und Midelbürg (16). (175) 10 Heinrich Micoletzky: Sacclietta begann das rote, retikuläre Pigment vor den Augen und zog als medianer, die Seitenteile freilassender Streifen an das Hinterende ; bei einem anderen von Parenzo war der schmutzig kirschrote Pigment- fleck in typischer Anordnung am Vorderkörper ausgebildet, der hintere dagegen auf die Penisregion nach rückwärts verschoben; ein drittes Exemplar endlich, das der Sacchetta entstammt, ermangelte des sich sonst konstant vorfindenden vorderen Pigments, hier war das retikulär- kirschrote Pigment auf den V-förmigen hinteren Fleck reduziert. PlagiOStomum dioicum (Metschn.) fand Böhm ig (2, p. 168, 407—412) in 2 Exemplaren in Triest. PlagiOStomum rufodorsatum (Ulj.) fischte ich wiederholt in den Zostera- wiesen der Sacchetta und vor dem Leuchtturm. Dieses lebhafte, durch sein zimtbraunes, zwischen Augen und Kopulationsapparat gelegenes Pigment leicht kenntliche alloeocoele Turbellar erreicht im lebenden Zustande eine Länge von TS — 18 »«'» bei einer Bi'eite von 0"26 — 0'4 mm; konservierte Exemplare waren dagegen nur 0'59 — 0'75 mm lang. PlagiOStomum chromogastrum Gkaff (=Plagiost. siphonophorum Böhmig) beobachtete Bö hm ig (2, p. 168, 379) in 3 Exemplaren in Triest ; ich sammelte diese Form sowohl in Zosteramaterial der Sacchetta als auch in Gekratztem von Holzschiff'en, hier in Gesellschaft von Spirographis spallanzani Viv. und Mytilus edulis L. Die Länge der lebenden Tiere schwankt zwischen 0'7 — 0'85 mm, die Breite von 026— 0'28 mm. Konserviert maßen sie 0'43 — 0'59 mm an Länge und 0'29 — 032 mm an Breite. PlagiOStomum siphonophorum (0. Schm.) wurde von v. Graff (7, p. 394) in einem Exemplar in Triest gefangen. Vorticeros auriculatum. (Müli,.) beobachteten v. Graff (7, p. 400) nnd Böhmig (2, p. 168, 421) in Triest; ich gewann diese Art durch Aus- waschen von Ulven und durch Abkratzen von Schiffen und Holzpfählen. Der Zosteragrund, dem fast mein ganzes Material an gesammelten Turbellarien entstammt, ließ mich beim Suchen nach dieser Form voll- ständig im Stich. Die von mir lebend gemessenen Tiere hatten eine Länge von 2 — 3'5 mm bei einer Breite von 0"25 — 0'36 mm. Vorticeros luteum Hallez kam mir nur am 25. November 1908 in 2 Exem- plaren ans Zosteramaterial des Hafens von Parenzo unter. Die Tiere waren 3 mi» laug und 0"3 mm breit und dunkelchromgelb pigmentiert. Plicastoma bimaculatum (Graff). Als diese Form will ich ein Turbellar an- sprechen, das zwar in seiner Färbung mit dem von v. Graff (7, p. 395) beschriebenen nicht übereinstimmt, dagegen zeigt es, wie ich mich an Schnitten überzeugen konnte, ganz dieselben anatomischen Ver- hältnisse, wie sie von Böhjiig (2, p. 396 — 406), der diese Form nach dem einzigen Neapler Exemplar v. Graffs anatomisch-histologisch genau beschrieben hat, schildert. Der Körper dieser interessanten Alloeocoele ist in der Mitte bauchig angeschwollen und mißt lebend 2^2—4 mm an Länge und 0"35— 038 mm an Breite. Die Färbung be- ruht bei allen von mir untersuchten Exemplaren nicht M'ie v. Graff angibt, in zwei scharf umschriebenen ziegelroten Pigmentflecken, sondern in gelb- bis rotbraunem, den Darm begleitendem Pigmente, das durch (176) Die Turbellarieufauna des Golfes von Triest. 11 im lebenden Objekt 12 [J- messende Zooxanthellen bedingt ist (vgl. Böhmig 2, p. 209). Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, daß v. Graff eine andere Spezies vorlag, so daß das von mir gefundene Tiirbellar, das sicher ein Plicastoma ist, eine neue Spezies darstellen würde. Diese Verhältnisse gedenke ich später durch eine genaue Untersuchung meines Materials darzulegen. Ich fand diese Form in 6 Exemplaren im Oktober uud November 1908 in Zosteramaterial von Barcola und Parenzo. Familie Pseudostomidae. Pseudostomum (= Cylindrostoma) quadrlOCUlatum (Leuck.) wurde von Böhmig (2, p. 168) und Sekkra (20, p. 81) für Triest nachgewiesen. Pseudostomum klOStermanni (Graff) sammelte V. Graff (7, p. 414) in einem, Bö hm ig (2, p- 447) in wenigen Exemplaren in Triest. Mir begegnete diese Form wiederholt im Zosteramaterial der Sacchetta, Barcola und anderer Örtlichkeiten, namentlich in den Monaten Mai bis Juli 1909, doch niemals besonders häufig. Monoophorumstriatum(GRAFF) (=Enterostoma Str. Graff). Dieser zier- lichen, von Graff (7, p. 40B), Böhmig (2, p. 435), Sekera (20, p. 81) in Triest gefischten Turbellarien bemächtigte ich mich ziemlich oft so- wohl im Zosteramaterial aus der Sacchetta als auch in Gekratztem, das sich hauptsächlich aus Bryozoen und Hydroiden zusammensetzte. Familie Allosiomaiidae. Enterostomum austriacum (Graff), von v. Graff (7, p. 403) aus der Bucht von Muggia bei Triest beschrieben, beobachtete ich in zwei Exem- plaren im Februar 1. J. im Zosteramaterial aus der Sacchetta. Bemerken möchte ich nur, daß nur diese Form, die in allem mit der von Graff beschriebenen übereinstimmt (charakteristisch gelbes Pigment, Lage des Pharynx und Geschlechtsapparates, Darm als schwarzer Fleck in der Körpermitte), eine Flimmerrinne unmittelbar vor dem Gehirne zu be- sitzen scheint. Allostoma monotrochum Graff wurde von V. Graff (7, p. 406) für die Bucht von Muggia verzeichnet und von mir an verschiedensten Zosterawiesen, am häufigsteu jedoch vergesellschaftet mit Plagiostomum girardi (0. Sc hm.) im Canale prande vorgefunden, doch eiTeichten meine Exem- plare bis 1-2 ww an Länge, während V. Graff nur 0*7 w» angibt. — Einmal fand ich ein Allost. monotrochum mit 5 Augen; vier Augen hatten die normale Trapezlage, das fünfte, größte lag nicht ganz zentral, sondern etwas nach hinten verschoben. Familie Monocelididae. Monocelis (=Monotus) lineata.(MfJLL.) wurde von v. Graff (7, p. 421) für Triest nachgewiesen. Monocelis longiceps (Ant. Dug.) (=Monotus bipunctatus Graff) wurde ebenfalls durch v. Graff für Triest bekannt. Ich fand diese lebhaften Würmer in 5 Exemplaren im Februar 1. J. in Zosteramaterial aus der Sacchetta. Die Tiere besaßen, lebend gemessen, eine Länge bis zu 2-6 mm Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft -1. 12 (177) 12 Heiurich Micoletzky: bei einer Breite von 0"4 mm, konserviert (Sublimat-Eisessig) TS mm Länge, 0'54 inm Breite. Die Färbung der Tiere hängt, wie schon Graff bemerkt, sehr von der Ernährung ab; ich beobachtete graue und grün- liche Färbung und einmal sah ich in der Gegend der Kopulationsorgane einen ziegelroten retikulären Pigmentüeck, ein Verhalten, das bereits Schmidt (1. c. p. 22, p. 14, 15) erwähnt. Monocelis fuhrmanni Midelb. wurde von F. Fuhkmanx (IG, p. 81, 104—105) in Triest gesammelt, richtig bestimmt und als neue Form beschrieben. Zusammenfassung: Von alloeocoelen Turbellarien sind dem- nach in Triest und Umgebung 19 Arten gesammelt worden, das ist, da wir bereits 58 marine Alloeocoelen kennen, ein Drittel aller Alloeocoelen. die sich auf 8 Genera und 4 Familien verteilen. Triciadida.i) PrOCerodes lobata (0. Schm.) (= Gunda lobata 0. ScHM. = Gunda segmentata Lang) wurde von Wilhf, lmi (28, p, 206, 208) im Jahre 1906 für Triest und Umgebung nachgewiesen. Ich erhielt diese Form, die gelegentlich der an der zoologischen Station abgehaltenen Frühjahrs- und Herbstkurse für marine Biologie wiederholt zu Demon- slrationszwecken verwendet wurde, im Frühjahr und Herbst der Jahre 1907 bis 1909 aus dem groben Sande beim Leuchtturme. Sabussowia dioica (Claparede) wurde von Graeffe, der sie wiederholt Böhm IG (3, p. 359) behufs Untersuchung einsandte, in Triest gefunden. Ich hatte bisher mein Interesse den Meerestricladen nicht zu- gewendet, hatte aber vor, auch diese zu sammeln, woran ich jetzt leider verhindert bin. Sicher verspricht die von Wilhelmi^) an- gewandte Ködermethode mit frischem Fischfleisch eine reiche Aus- beute von Meerestricladen in Triest. Polycladida.^) 1. Polycladidea acotylea. Familie Planoceridae. StylochUS linteus J.Müller (= St. luteus v. Graff, Lang) wurde von Johannes Müller (18, P- 75) bei Triest gefunden, leider aber un- vollständig beschrieben. StylochuS sp. MiNOT wurde von Minot (17, p. 460) ohne Speziesbeschreibung aus Triest angeführt. StylOChoplana tarda (Graff) wurde von Graff (G, p. 460) aus Triest, auf Ulven vorkommend, beschrieben. ') Die Bestimmung erfolgte nach Böhmigs Tricladenstudien (3). ') Wilhelmi J., Über einige Alloeocoelen des Mittelraeeres. Mitteil. d. zool. Stat. zu Neapel 18. Bd., 1906—1908, p. 649. ") Die Bestinimnng erfolgte nach Längs Monographie der Polycladen (15). (17S) Die Turbellarienfauna des Golfes von Triest. 13 Familie Lepioplanidae. Leptoplana alcinoi 0. Schm., von Hingt (17) bereits 1877 für Triest namhaft gemacht, ist die gemeinste Polyclade des Hafens. Ich fand sie vornehm- lich zwischen Hydroiden und Bryozoen in der Sacchetta, insbesondere aber in den Massen von Mytilus, welche dichte Bestände bilden, nament- lich gegen den Herbst hin sehr häufig. Ganz junge Leptoplana fielen mir oft während der Sommermonate im Zosäteramaterial auf. Leptoplana tremellaris 0er st. beobachtete ich hie und da an denselben Fund- stellen wie Lept. alcinoi. Leptoplana Vitrea Lang wurde von Sekera (20, p. 81) in Triest gefunden. Discocelis tigrina (Blanchard) gab ebenfalls Sekera (20, p. 81) für Triest an. 2. Polycladidea cotylea. Familie Pseudoceridae. Yungia aurantiaca Chi a je wurde hie und da in den Herbstmonaten von mir in Triest beobachtet. Manches Jahr soll diese Form von den Schlepp- netzfischern in dem Schlammgruml des Triester Golfes häufiger erbeutet werden. Die Larven dieser auffallend schönen Polyclade finden sich nicht selten von Juli bis Anfang Oktober im Plankton, sind aber viel seltener als die von Thysanozoon. PseudocerOS maximus Lang wurde mir vom Stationsfischer im November und Dezember 1908 aus der Sacchetta gelegentlich des Fischens von Pilema pulmo L. gebracht. Die Tiere wurden freischwimmend nahe dem "Wasser- spiegel gefangen ; das größere der beiden Exemplare maß 55 mm in der Länge. Beide entsprachen in Farbe und Zeichnung der Skizze 3 Längs (15, t. IX, 3). Thysanozoon brOCChii Gr, für Triest zuerst von Pocke (nach Lang, 15,. p. 528), dann von Sekera (20, p- 81) erwähnt, ist, wovon ich micb wiederholt überzeugen konnte, nach Leptoplana alcinoi die häufigste Polyclade Triests. Das Maximum ihrer Häufigkeit fällt in die Monate September und Oktober. Familie Euryleptidae. Eurylepta lobianchii Lang fand ich in zwei Exemplaren, und zwar einmal im Oktober 1908 im Muschelsand bei Punta Salvore in etwa 15—20 m Tiefe, das anderemal im März 1. J. auf mit Posidonia caulini Koen bewachsenem Grund in der Nähe des Leuchtturmes vor der Sandbank Mula di Muggia bei Grado in zirka 4—8 m Tiefe. Das an letzterem Orte erbeutete Exemplar stimmte zwar in bezug auf Habitus und Farbe vollständig mit der Besclireibung Längs (15, p. 578—580, t. 8, Fig. 1) überein, dagegen erinnert seine Augenstellung auffallend an Eurylepta cornuta Ehrbg., indem die Gesamtheit der Gehirnhofaugen durch- aus nicht so langgestreckt ist, wie bei Eur. lobianchii, ein Ver- halten, das Lang als Hauptunterschied beider Arten ansieht. Ich muß daher meine Form zwischen diese beiden Spezies stellen und die Ver- 12* (179) ]^4 Heinrich Micoletzky: mutung anssprechen, daß Eur. 1 obianchii und Eur. cornuta nur Varietäten einer Art repräsentieren. Stylostomum variabile Lang fand ich in einem Exemplar im Zosteramaterial von Parenzo, das 3 m>n lang und 0'7 — 1 mm breit war. Familie Enantiatae. Enantia spinifera Graff wurde von v. Gkaff (8, p. 461) am 10- August 1876 in einem Individuum unter einem Steine bei der zoologischen Station gefunden, ist aber seither nicht wieder beobachtet worden. Familie Prosthiosiomidae. PrOSthiostomum siphunculus Chiaje wurde vou Minot (17), der zwei Exemplare von Triest erhielt, für die hiesige Fauna nachgewiesen. Zusammenfassung: In Triest und Umgebung sind daher bisher 12 sichere und 2 unsichere Polycladen gefunden worden, die sich auf 11 Genera und 6 Familien verteilen. Bei einer gründlichen faunistischen Durchsuchung dieser meist gegen den Herbst hin auftretenden Formen ließen sich indes sicher bedeutend mehr Arten namhaft machen, hat doch Lang für Neapel die vierfache Zahl gesammelt. Zum Schlüsse erachte ich es als eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Chef, Herrn Professor Dr. C. I. Cori auch an dieser Stelle meine aufrichtigste Dankbarkeit für seine große Unter- stützung, die er mir sowohl bezüglich der reichlichen Material- beschaffung als auch durch seinen Schatz an Erfahrungen zuteil werden ließ, auszusprechen. Gleichzeitig bin ich meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. L. Böhmig in Graz für die gütige Überlassung von Literatur sowie seiner Präparate von Convoluta henseui sehr verpflichtet und last not least muß ich meiner Frau, die mir sowohl bei der BeschafPnng des Materials als auch beim Bestimmen wesentlich half, dankbarst gedenken. Triest, Ende September 1909. (180) Die Turbellarienfauna des Golfes von Triest. 15 Literaturverzeichnis. 1. BöHJiiG, L.: Microstoma papillosura. Zoolog. Anzeiger, 12- Jln'g-, 1889. 2. Böhmig, L.: Untersuchungen über rhabdocoele Turbellarien, II. Plagiost omina und Cy lindrostomina Graff. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 51. Bd., 1891. 3. Böhmig, L. : Tricladenstudien, I. Tricladi da mar icola. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 81. Bd., 1906. 4. Carus, J. V.: Prodromus Faunae Mediterraneae etc. Stuttgart, 1889 — 1893. .0. DöRLER, A.: Neue und wenig bekannte rhabdocoele Turbellarien. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 68. Bd., 1900. 6. Graff, L. V.: Kurze Berichte über fortgesetzte Turbellarienstudien. I. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 30- Bd., Suppl. 1878. 7. Graff, L. v. : Monographie der Turbellarien, I. Rhabdocoelida, Leipzig 1882. 8. Graff, L. v.: Enantia spinifera, der Repräsentant einer neuen Polycladen- familie. Mitteil. d. naturwissensch. Vereins f. Steiermark. Graz, .lahrg. 1890. 9. Graff, L. v. : Die Organisation der Turbellaria Acoela. Mit einem Anhange über den Bau und die Bedeutung der Chlorophyllzellen von Convoluta roscoff ensis, von G. H aberlandt. — Leipzig 1891- 10. Graff, L. v, : Die Turbellarien als Parasiten und Wirte. Graz 1903. 11. Graff, L. v.: Marine Turbellarien Orotavas und der Küsten Europas II. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 83. Bd., 1905. 12. Graff, L. v.: Turbellaria I. Acoela in: Das Tierreich. Herausgeg. v. F. E. Schulze, 23. Lief. Berlin 1905. 13.') Graff, L. v. : Turbellaria in: Bronns Klassen und Ordnungen des Tier- reichs. IV. Bd. Vermes. I. Abteilung. Acoela und Rhabdocoelida. — Leipzig 1904—1909. 14. Iheking, H. v. : Graffilla muricicola, eine parasitische Rhabdocoele. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 34. Bd., 1880. 15. Lang, A.: Die Polycladen (Seeplanarien) des Golfes von Neapel und der angren- zenden Meeresabschnitte. Eine Monographie. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. XI. Leipzig 1884. 16. MiDELBUiiG A.: Zur Kenntnis der Monocelidid ae. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 88. Bd., 1907. 17. Mi NOT Ch. S.: Studien an Turbellarien. Beiträge zur Kenntnis der Plathelmin- then. Arbeit, aus d. zool.-zoot. Institut d. Univ. Würzburg, 3. Bd., 1877. 18. Müller J.: Über verschiedene Formen von Seetieren. Müllers Archiv f. Anat. u. Phys. Jhrg. 1854, p. 75. ') Enthält keine speziellen Fundortangaben. (181) 16 Heinrich Micoletzky: Die Turbellarienfaiina des Golfes von Triest. 19. Repiakoi'f W. : Über eine neue an Nebalien lebende Turbellarie. Zoolog. An- zeiger, 7. Bd., 1884. 20. SekeraE.: Über eine marine Art der Gattung Gyrator F^lirbg. Zoolog. Anzeiger, 24. Bd., 1901. 21. Stossich A. : Prospetto della fauna del mare adriatico. BoU. Soc. Adriat. Sc. Nat. Trieste. Vol. VII. Trieste 1882—1883. 22. Wahl Br. : Untersuchungen über den Bau der parasitischen Turbellarien aus der Familie der Dalyelliiden (Vorticiden) I.Teil. Die Genera Anoplodium, Graffilla und Paravortex. Sitzuugsber. d. math.-naturwissensch. Kl. d. kais. Ak. d. Wissensch. in Wien, 115. Bd., Abtl. I, Wien 1906. 23. Wi LH EL MI J. : Über die geographische Verbreitung von Procerodes lobata (0. Schmidt.). Zoolog. Anzeiger, 33. Bd., 1908. Druck von Gottlieb Gistel & Cie., Wien, III.. MUnzgasse 6. Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. Von Adalbert Defner. (Mit 1 Tafel und 2 Textfiguren.) I. Einleitung. Die bisherigen Angaben in der Literatur über die Kieferdrüse der Cirripedien sind recht widersprechend . Vor allem fehlen . ge- nauere histologische Untersuchungen. Schon damit war die bau- liche Übereinstimmung mit der Kieferdrüse der übrigen Crustaceen nicht genügend erwiesen. Auf Anregung und unter Anleitung von Professor Grobben habe ich es daher unternommen, die Maxillar- drüse der Cirripedien genauer zu untersuchen. Dabei hat sich er- geben, daß das Organ den typischen Bau einer Kieferdrüse zeigt, wie er in der grundlegenden Arbeit über „die Antennendrüse der Crustaceen" von K. Geobben dargelegt wird. Dies zu zeigen, ist die Aufgabe der folgenden Zeilen. Die Untersuchung wurde durchgeführt an einem Vertreter der Balaniden: Baianus tintinnahulum L. und einigen Lepadiden: Lepas anatifera L.^ Conchoderma virgata Spengl. und C. aurita L. Zur Fixierung und Konservierung der Tiere wurden verschiedene Methoden angewendet : Alkohol , Sublimatalkohol , Per^nyisches Gemisch, Pikrinsäure und die Mischung von Petrünkevitsch (600 Teile aqua dest. , 400 T. abs. Alk. Sublimat bis zur Sättigung, 180 T. Essigsäure, 20 T. Salpetersäure). Die besten Erfolge erzielte ich mit dem letztgenannten Gemisch. Es dringt sehr schnell ein und fixiert die zarten Gewebe vortrefflich. Es empfiehlt sich , die Tiere vor der Fixierung durch Zusatz von Alkohol zu betäuben und aus dem schützenden Mantel (Balaniden durch Zersprengen des Schalenkranzes) herauszulösen. Die Tiere strecken sich dann gut aus und der Fixierungsflüssigkeit wird dadurch ein rasches allsei- tiges Eindringen ermöglicht. Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVni, Heft 3. ]^3 (183) 2 Adalbert Defner: II. Eigene Beobachtungen. A. Balaniden. 1. Anatomischer Bau der Drüse. Zuerst will ich die Verhältnisse, wie sie bei Baianus tintinna- hulum vorliegen, besprechen, da sie sich hier als einfacher, viel- leicht auch ursprünglicheren Verhältnissen entsprechend erweisen. Baianns tintinnabulum : Schiefer Querschnitt parallel zum aufsteigenden Oesophagus in der Region des unteren Sehlundganglions. Kombiniertes Über- sichtsbild. Die linke Seite stellt die Verhältnisse etwas weiter abdominalwärts dar. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. 1. cu Kutikula der Körperwand, rf 1. Eanken- fuß, md Mandibel, mx^ und mx^ erste und zweite Maxille, M Magendarm, gl unteres Schlundganglion, Hl Harnleiter, H Harnkanal, E Endsäckchen, Od Ovidukt, zb zelliges Bindegewebe, m schräge Muskeln von der Ranken- fußfalte zum Mundkegel ziehend, t Mündungstrichter des Endsäckchens in den Harnkanal, L Blutlakunen. Die Abbildung (Textfig. 1) zeigt ein kombiniertes, etwas scbema- tisch gehaltenes Bild eines schiefen Querschnittes durch Baianus tintinnahulum. Der Schnitt ist parallel zum aufsteigenden Oesopha- gus geführt und stellt die Eegion in der Höhe des unteren Schlund- ganglions dar; der Oesophagus würde vor der Bildfläche liegen. (184) Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. 3 Die äußere Körperwand , bestehend aus einer mäßig dicken Chitinkutikula mit darunterliegender Matrix , weicht nach oben (dorsalwärts) weit auseinander, um den im Querschnitt fast kreis- runden Rumpf einzuschließen. Diese dorsale Region des Rumpfes wurde aus Platzersparnis nicht gezeichnet; sie würde median den kreisrunden Querschnitt des hinteren Mitteldarmabschnittes und lateral mannigfache Schnitte der gewundenen Vasa deferentia ent- halten. Im Bilde liegt ein Durchschnitt des Magendarmes (M), ven- tral von diesem der Querschnitt des umfangreichen unteren Schlund- ganglions (gl). In gleicher Höhe mit letzterem springt die Körper- wand in schmaler Faltung weit gegen das Innere vor, eine Falte, die in der Höhe des 1. Rankenfußes um den ganzen Rumpf herum- läuft, sich auf die Frontalseite des Mundkegels fortsetzt und diesen vom Rumpfe scheidet. Ventral von dieser Falte liegen die Durch- schnitte des ersten Rankenfußes (rf) und der Mundgliedmaßen: Mandibel (md), 1. Maxille (mxj und 2. Maxille (mx.,). In dem Raum zwischen Magendarm, lateraler und ventraler Körperwand liegt die umfangreiche Maxillardrüse. Es sei gleich erwähnt, daß sie die 3 typischen Abschnitte zeigt, die Grobben an der Crustaceenniere unterscheidet , nämlich 1. Endsäckchen, 2. Harnkanal;, 3. Harnleiter. An der Basis der hinteren, der Bauchseite zugewendeten Wand der beiden 2. Maxillen liegen 2 schmale, lange , vertikale Spalten, die Mündungen der Harnleiter (Textfig. 1 Hl) der Kieferdrüse. Die Harnleiter dringen von hier nach vorne in die Basis der 2. Maxillen ein, wenden sich dann scharf nach oben , dorsalwärts, und gehen nach kurzem Verlauf trichterförmig in die umfangreichen Harn- kanäle über (Fig. 1 H). Die Abbildung zeigt links die Ausmündung des Harnleiters an der Basis der 2. Maxille , rechts den trichter- förmigen Übergang von Harnleiter und Harnkanal. Die Harnkanäle liegen als umfangreiche Säcke zu beiden Seiten des unteren Schlundganglions (gl) ventral vom Darm , zwi- schen diesem und der lateralen Körperwand. Dorsal und ventral vom Schlundganglion gehen sie in schmale Zipfel aus, die mit jenen der Gegenseite sich fast berühren. Im Endabschnitte der Zipfel sind die Lumina des Kanals sehr eng. Der dorsale Zipfel kann auf den Schnitten bis in die Region verfolgt werden, wo das untere Schlund- ganglion in die zur Bauch gaoglienmasse ziehenden Konnektive übergeht, und bildet also eine lange, weit nach rückwärts reichende Ausstülpung des Harnkanals. Der ventrale Zipfel, in dessen Nähe der Harnleiter entspringt, reicht bis in die Region der hinteren 13* (185) 4 Adalbert Defner: Grenze des Mundkegels. Vom dorsalen Zipfel zieht der Harnkanal als geräumiger, mannigfache Einbuchtungen zeigender Sack in dorsolateraler Richtung bis in unmittelbare Nähe der lateralen Körper wand. Von hier aus reicht ein spitzer Zipfel zwischen Kör per wand und Darmkanal (Oesophagus und Magendarm) weit nach vorne, kopfwärts, und kann bis über den Oesophagus hinaus verfolgt werden , wo er zwischen die Leberanhänge des Magens eindringt. Den Raum zwischen dem Magen und den Harnkanälen erfüllt zelliges, Reservestoffe speicherndes Bindegewebe (zb), in dem sich die mannigfach gestalteten Durchschnitte der Blutlakunen (L) und seitlich vom Darm die Querschnitte der Ovidukte (Od) finden. Dorsal und ventral vom unteren Schlundganglion, zwischen diesem und den dorsalen und ventralen Zipfeln des Harnkanals fallen je eine umfangreiche Lakune auf. Das in diesem Umkreis gelegene Binde- gewebe (fb), welches auch an das untere Schlundganglion an dessen dorsolateraler Seite herantritt, ist ausgezeichnet durch die Ausbil- dung zahlreicher Fasern (näheres s. unten). Überall, wo der Harn- kanal an Blutlakunen grenzt, ist demselben zelliges, in Form eines einschichtigen Epithels angeordnetes Bindegewebe (epitheloides Bindegewebe) angelagert. Besonders deutlich zeigt sich dies in der großen, dorsal vom unteren Schlundganglion gelegenen Lakune, ferner an der lateralen Wand des dorsolateralen Zipfels des Harn- kanals, wo dieser an Lakunen grenzt, die zwischen ihm und der Körper wand liegen. Der Harnkanal kann , wie es scheint , durch verschiedene Muskeln, die in seiner Umgebung schief oder quer durch den Kör- per laufen, zusammengepreßt werden. Ein Transversalmuskel zieht zwischen der dem unteren Schlundganglion zugewendeten Wand des Oesophagus und dem Harnkanal quer durch den Körper, die oben erwähnten, weit in das Innere vorspringenden Falten der Haut miteinander verbindend. Ein anderer zieht von dieser Falte in schiefer Richtung zum Mundkegel (in der Textfig. 1 getroffen und mit m bezeichnet). In dem Raum zwischen dem unteren Schlund- ganglion und der rückwärtigen Wand des Oesophagus liegt median zwischen den dorsalen Zipfeln der Harnkanäle ein System von bindegewebigen Sehnen (vgl. hiezu Conchoderma, Textfig. 2, wo dieses System von Sehnen und Muskeln getroffen ist). An diesen Sehnen inserieren sich quere und schräge Muskeln. Ein großer Muskel zieht von hier in dorsolateraler Richtung zwischen Magendarm und Harnkanal zur Haut , wo er sich dorsal vom lateralen Harnkanalzipfel inse- (186) Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. 5 riert. Ein unterer, schräg verlaufender Muskel geht zur großen Falte des 1. Eankenfußes. Quere Muskeln verlaufen zu einer Falte, die an der Basis des 2. Rankenfußes gegen das Innere vorspringt. Andere schwächere Muskeln oder Sehnen verbinden sich mit dem Bindegewebe der Wand des dorsalen Zipfels des Harnkanals. Es ist leicht einzusehen, daß durch Kontraktion dieser Muskeln die Körperwände einander genähert werden können, wodurch zugleich ein Zusammenpressen des Harnkanals und ein Ausstoßen seines In- haltes bewirkt wird. In dem Räume zwischen Harnkanal, lateraler Körperwand und der tiefen Falte, die an der Basis des 1. Rankenfußes zwischen dem Rumpfe und dem Mundkegel herumläuft, liegt das Endsäckchen (Textfig. 1 E). Wo der dorsale Teil der Falte in die Falte des Mund- kegels übergeht, dringt das Endsäckchen ein Stück in die Basis des ]. Rankenfußes ein. In die Region des Mundkegels reicht es nicht, indem es kopfwärts nie über jene Falte hinausreicht. Es begleitet den Harnkanal, seiner lateralen Wand anliegend, fast in seinem ganzen Verlaufe, nur nach vorne, gegen den Oesophagus hin, reicht es nicht so weit wie der Harnkanal, indem es in der Region endigt, wo der Oesophagus in seiner ganzen Länge getroffen ist. Da, wo das Endsäckchen an die Körperwand grenzt, ist es an derselben durch einzelne bindegewebige Stränge befestigt. Zwischen den Befestigungsstellen springt die Wand des Säckchens gegen sein Lumen in Buchten vor. So bleiben zwischen der Wand des Säckchens und der Körperwand Hohlräume, in denen Blut fließt. Dieselben Verhältnisse zeigen sich auch in der Region, wo das Endsäckchen an den Harnkanal grenzt. Letzterer ist auch hier wie überall, wo er an Blutlakunen stößt, von zelligem, epitheloidem Bindegewebe umgeben. Am dorsalen Ende des Endsäckchens findet sich eine Stelle, an welcher der bindegewebige Belag des Harnkanals aufhört; die Wand des Harnkanals und Endsäckchens stoßen hier direkt aneinander. In dieser Region liegt die trichterförmige Ein- mündung des Endsäckchens in den Harnkanal (Textfig. 1 t). 2. Histologie. Der histologische Aufbau des Organs wird seine Homologie mit den Exkretionsorganen der .anderen Crustaceen mit Sicherheit erweisen. Indessen ist es nicht leicht, gute histologische Bilder zu erhalten. Die dicke schützende Hülle der Tiere und die Zartheit der Gewebe der Drüse sind die Ursachen. Erstere verhindert ein allseitiges rasches Eindringen der meisten Fixierungsflüssigkeiten, (187-) 6 Adalbert Deiner: letztere schrumpfen leicht und zerreißen häufig beim Schneiden. Der Mangel an guten histologischen Bildern dürfte wohl auch die Ur- sache der bisherigen ungenauen Angaben sein. Wie überall ist wohl auch hier der Harnleiter von der Haut aus durch Einsenkung der letzteren entstanden. Er zeigt nämlich den typischen Bau der Haut. Hautepithel und Chitinkutikula setzen sich direkt in den Harnleiter bis in die Region fort, wo dieser mit scharfer Grenze in den Harnkanal übergeht. Vom äußeren Körper- epithel unterscheidet sich das Epithel des Harnleiters nur dadurch, daß die Zellen höher und dichter angeordnet sind. Am höchsten ist das Epithel am inneren Ende des Harnleiters vor der Einmündung in den Harnkanal. In der Nähe der Basis der zylindrischen Zellen liegt ein großer, ovaler Kern mit deutlichem Nukleolus. Das reich- lich vorhandene Chromatin ist in Form mittelgroßer Brocken an- geordnet, die netzartig miteinander zusammenhängen. Die Zellen enthalten in ihrem Innern besonders in der Nähe der Zellgrenzen zahlreiche Stützfasern. Letztere setzen sich im ganzen Bereiche der Zellen an die dicke Chitinkutikula (Fig. 1 c) des Kanallumens an und sind hier in zahlreiche quer und schief verlaufende Veräste- lungen aufgelöst. Gegen die Basis der Zelle laufen diese Fasern in Bündel (fb) zusammen und verschmelzen zu derberen Fasern (f), die entweder in die Basalmembran (b) übergehen oder in das den Harnkanal umgebende Bindegewebe (bg) zu verfolgen sind, hier weiter verlaufen oder in sanft geschlängeltem Verlauf zum Hypo- derm einer gegenüberliegenden Körper wandstelle ziehen, in dem- selben sich fortsetzen und hier in gleicher Art wie im Harnleiterepithel verteilen. Durch diese Differenzierung in den Epithelzellen des Harnleiters verwischen sich die seitlichen Grenzen dieser Zellen. Die derbe Basalmembran tritt deutlich hervor; da, wo die Fasern der Epithelzellen in solche des Bindegewebes übergehen , ist sie in spitze Zipfel ausgezogen. Auch im zentralen Bereich der Epithel- zellen ist das Plasma in feine, netzartig sich verzweigende Fasern umgewandelt, von denen die derberen von der Basalmembran bis zur Kutikula verlaufen. Es finden sich nur spärliche Reste eines feinkörnigen Plasmas , das sich zwischen den Fasern verteilt. Es ergibt sich also, daß das Epithel des Harnleiters den typischen Bau des Hautepithels wie bei den übrigen Crustaceen zeigt. Die große Ausdehnung des Harnkanals , der sich eigentlich nicht als Kanal, sondern als ein umfangreicher Sack darstellt, mag viele Autoren mit veranlaßt haben, ihn für die „Leibeshöhle" der Cirripedien zu halten (s. unten Bespr. d. Lit.). Sein genauerer histo- (188) Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. 7 logischer Baii aber wird unzweifelhaft seine Homologie mit dem Harnkanal anderer Crustaceen erweisen. Grerade über diesen Ab- schnitt der Drüse sind die bisherigen histologischen Angaben recht mangelhaft. Durch die hier zu besprechenden Befunde wird sich, wie ich glaube, die Kieferdrüsennatur des ganzen Organs am deut- lichsten zeigen. Der Harnkanal ist mit einem flachen, zarten Pflaster- epithel ausgekleidet , das einer zarten Basalmembran (Fig, 2 b) aufsitzt. Die Dicke des Epithels schwankt: sie nimmt gegen den Harnleiter , also im ventralen Teil des Harnkanals bedeutend ab und beträgt hier nur ungefähr die Hälfte der gewöhnlichen Hohe. Zellgrenzen konnten weder an Quer- noch an Flächenschnitten des Epithels nachgewiesen werden. Die Kerne liegen weit und unregel- mäßig in der Epithellage verteilt, was auf eine große Breitenaus- dehnung der Zellen hinweist. Auf Querschnitten des Epithels zeigen die Kerne die Form langgestreckter Ellipsen , an Flächenschnitten erscheinen sie kreisrund. Sie besitzen also die Gestalt flacher, runder Scheiben, bedingt durch die Flachheit des Epithels. Sie weisen eine zarte Kernmembran und mehrere sehr kleine Nukleolen auf. Das Plasma des Epithels ist feinkörnig und von dichter Beschaffenheit. Im Umkreis der Kerne finden sich lichte Höfe wohl infolge von Schrumpfung. In ausgedehnten Bezirken des Harnkanals zeigt das Plasma eine deutliche Anordnung in Strängen senkrecht zur Ober- fläche (vgl. Fig. 2). Gegen das Kanallumen liegt dem Epithel eine dicke Stäbchenkutikula (c) von verschiedener Mächtigkeit auf; im ventralen Teile des Kanals gegen den Harnleiter hin ist sie zarter. Meist findet man der Stäbchenkutikula anhaftend Flocken , wahr- scheinlich ein Exkret. Aus dem histologischen Verhalten der Epithel- zellen ergibt sich, daß auch der Harnkanal exkretorische Funktion besitzt. In den bisherigen Angaben wird dies nirgends hervorgehoben. Dem Endsäckchen allein wird exkretorische Funktion zugeschrieben und dasselbe als „Kiemenniere" (Nussbaum), „eigentliche Niere" (Gruvel), „sezernierender Abschnitt"' (Berndt) und „Niere"' (Hoffendahl) bezeichnet. (Näheres s. unten Bespr. d. Lit.) Die Tatsache, daß die Streifung des Plasmas nicht im ganzen Bereiche des Harnkanals, sondern nur stellenweise auftritt, spricht wohl nur für die Annahme, daß nicht das ganze Epithel des Harnkanals gleich- zeitig, wenigstens nicht mit gleicher Intensität funktioniert. Der Harnkanal zeigt also den typischen Bau wie bei den andern Crustaceen. Insbesonders die Streifung des' Plasmas und die mächtige Stäbchenkutikula sind charakteristische Merkmale, die stets in diesem Abschnitte der Crustaceenniere vorkommen. (189) 8 Adalbert Defner: Anschließend sei noch kurz das den Harnkanal umgebende Bindegewebe berücksichtigt. Das zellige Bindegewebe, das den Raum zwischen Harnkanal und Darm ausfüllt, zeigt Zellen von annähernd rundlicher oder mehr oder minder langgestreckter Gestalt. Die deut- lich erkennbaren Zellwände zeigen stets wellenförmig geschlängelten Verlauf. Die Zellen sind reich an Vakuolen und großen, rundlichen Inhaltskörpern von gelber Farbe, wahrscheinlich Reservestoffen. Das zellige epitheloide Bindegewebe (Fig. 2 Eb) in der Umgebung des Harnkanals gegen die Lakunen zu hingegen erinnert an ein Zylinder- epithel, dessen Zellen ganz oder doch zum größten Teil einen grob- körnigen Inhalt aufweisen. Die großen, zentral gelegenen Kerne zeigen einen oder zwei große Nukleolen. Die starken Zellwände besitzen meist verschiedene Einbuchtungen wahrscheinlich infolge teilweiser Schrumpfung. Gegen die Blutlakunen hin liegen dem epitheloiden Binde- gewebe häufig gestreckte Bindezellen mit meist abgeflachten Kernen an. Oft sind solche Zellen zu Strängen vereinigt, die den Harnkanal mit der Körperwand oder dem Endsäckchen verbinden. Ihre Zell- wände sind häufig durch eingelagerte Stützfasern verstärkt. Das Bindegewebe, das den Raum zwischen dem Bauchmark und dem ventralen Teile des Harnkanals ausfüllt, weicht von dem zelligen Bindegewebe in der Umgebung des Darmes etwas ab. Vor allem fällt hier der Mangel reich verzweigter Blutlakunen auf. Solche finden sich in Form umfangreicher Hohlräume nur in der Umgebung des Bauchmarkes. Die Zellen des Bindegewebes zeigen mannig- fache Gestalt. Sie sind in ihrer Grundform polygonal, aber meist in die Länge gestreckt oder in Zipfel ausgezogen. Im Innern der Zellen findet sich nur ein spärliches Gerüst von Plasmafäden, in welches der Kern eingelagert ist. Zum Teil ist das Plasma in zarte Bindefasern umgewandelt. Derbe Fasern (Fig. 2 f) werden an den Zellwänden ausgebildet; sie verschmelzen mit solchen benach- barter Zellen und durchziehen in langem, geschlängeltem Verlaufe das Bindegewebe. Reservestoffe fehlen in diesem Bindegewebe. Alle drei Arten der Bindezellen bilden an der Wand des Harnkanals mächtige Stützfasern (Fig. 2 fj) , die der Harnkanal- wand außen in sich schief kreuzendem Verlauf anliegen. Diese Fasern dienen offenbar dazu , der zarten "Wand größere Festigkeit zu verleihen. K. C. Schneider unterscheidet nach den bisherigen Befunden im Bindegewebe der Crustaceen LEVDiGsche Zellen 1. Grades (rund- lich , vakuolär, Nährstoffe speichernd), solche 2. Grades (unregel- mäßig begrenzt, mit wandständigen und intrazellulären Fasern) und (190) Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. 9 solche 3. Grades (epithelartig angeordnet, einseitige Bildung von Fasern). Bei Baianus würden also die Zellen des zwischen Darm und Harnkanal gelegenen zelligen Bindegewebes den Le yd ig sehen Zellen 1. Grades, jene in der Umgebung des Bauchmarkes und der ventralen Region des Harnkanales den Le yd ig sehen Zellen 2. Grades und das epitheloide Bindegewebe im Bereiche der Lakunen Ley- DiGschen Zellen 3. Grades zu vergleichen sein. Ob man mit dieser Unterscheidung auskommen wird, ist wohl fraglich und muß speziellen Arbeiten über das Bindegewebe überlassen bleiben. Ich konnte das Bindegewebe nur flüchtig berühren, insoweit es als Umhüllung der Drüse, als verfestigendes und aufhängendes Element in Betracht kommt. Die Wand des Endsäckchens (Fig. 3) besteht aus einem hohen, einschichtigen Epithel, das einer Basalmembran (b) aufsitzt. Die Zellen springen zöttchenförmig weit gegen das Lumen vor und sind durch große Zartheit ausgezeichnet. Sie sitzen mit schmaler Basis an der Basalmembran auf und sind gegen das distale abge- rundete Ende meist etwas kolbig erweitert. Sie grenzen seitlich meist nicht unmittelbar aneinander, so daß tiefe Spalten zwischen den einzelnen Zellen bestehen. Der ovale Kern (k) liegt stets dem basalen Ende der Zellen genähert; er besitzt eine derbe Kern- membran, deutlichen Nukleolus und reichlich fein verteiltes Chro- matin. In einiger Entfernung vom Kern gegen das distale Zellende hin läßt sich stets ein kleines . ovales Korn (c) nachweisen, das sich wie der Kern färbt. Die Frage, wie dieses Korn zu deuten ist, muß oflPen gelassen werden. Ich konnte an diesem Gebilde nur zuweilen einen dicht körnigen Inhalt erkennen; mit Eisen- hämatoxylin färbt es sich meist vollständig schwarz. Das Plasma erfüllt die Zelle zic^mlich gleichmäßig und ist in Form eines feinen netzartigen Gerüstes angeordnet, in dem reichlich gelbliche, runde Exkretkörner eingelagert sind. Wo das Endsäckchen mit der Körper- wand oder dem epitheloiden Bindegewebe des Harnkanals verbunden ist, liegen seiner Basalmembran außen zarte gestreckte Bindege- webszellen an. Diese sind auch als die Bildner der Stützfaseru aufzufassen, die in geringer Anzahl der Basalmembran des End- säckchens aufliegen und zur Verfestigung der zarten Wand dienen. In der Region, wo das Endsäckchen in den Harnkanal mündet, hört, wie bereits erwähnt, der bindegewebige Belag des Harnkanals (Fig. 4) auf, die Wände des Harnkanals (W) und Endsäckchens (ez) werden dünner und stoßen an gemeinsamer Basalmembran (b) unmittel- bar aneinander. Die Endsäckchenzellen (ez) verlieren ihre typische (191) IQ Adalbert Defner: Form, werden kurz, höckerförmig, und ihr Plasma erhält auch eine dichtere, grobkörnige Beschaffenheit. Brüntz gibt an, daß diese Zellen im Gegensatze zu den anderen Endsäckchenzellen kein Carmin ausscheiden, als Beweis, daß sie auch in ihrer Funktion von diesen abweichen. Das Epithel des Harnkanals (W) samt Stäbchenkutikula (c) verdünnt sich an dieser Stelle ungefähr auf die Hälfte seiner gewöhnlichen Dicke, Die Einmündung des Endsäckchens in den Harnkanal liegt in der Mitte dieser Region, an einer gegen den Harnkanal vorspringenden Stelle, als eine zarte, schwierig nachzu- weisende Spalte. Sie wird umgeben von drei großen Zellen (sz) von eigentümlichem Bau , die weit gegen das Lumen des Harn- kanals (H) vorspringen. Diese Zellen besitzen eine derbe Membran und sind nur teilweise von einem körnigen Plasma erfüllt, zwischen dem sich große Vakuolen vorfinden. Am Grunde der Zellen liegt in einem lichten Hofe durch feine Plasmastränge aufgehängt ein sehr großer , kreisrunder Kern mit derber Kernmembran, einem großen Nukleolus und nur äußerst spärlichem Chromatin. Die dritte Zelle ist in dem abgebildeten Schnitte nicht getroffen, kann aber auf den folgenden Schnitten leicht nachgewiesen werden. Diese Zellen erinnern an die Schließzellen, die Vejdovsky bei Gammariden und Isopoden am Übergang zwischen Endsäckchen und Harnkanal be- schrieben und abgebildet hat. Vejdovsky gibt auch Muskelfasern an, die am Grunde der Zellen um die Öffnung herumlaufen und zum Verschlusse letzterer dienen. Solche konnten hier zwar nicht nachgewiesen werden; trotzdem ist es höchst wahrscheinlich, daß diese Zellen gleicherweise hier als Schließ zellen fungieren und jenen der übrigen Krebse entsprechen. Ob dieselben vom Epithel des Endsäckchens oder des Harnkanals sich ableiten, ist nicht sicher festzustellen. Wahrscheinlich dürften sie umgebildete Harnkaual- zellen darstellen, da sie als direkte Fortsetzung des Harnkanal- epithels erscheinen, welches unmittelbar an sie anstößt. Das Lumen der Einmündungsstelle läßt sich nur schwer nachweisen , da es meist schief angeschnitten wird und oft mit Exkretstoffen erfüllt ist. Hier wie bei Conckoderma konnte ich nur an gut orientierten Querschnitten klare Bilder erhalten. Außerdem zerreißt der zarte , exponiert vorspringende Trichter leicht beim Schneiden. Aus diesen Umständen erklären sich wohl die wider- sprechenden Angaben , die sich gerade über diese Stelle in der bisherigen Literatur finden , speziell auch die Unrichtigkeiten bei Brüntz, der einen klaffenden Spalt als Kommunikation beschreibt (näheres unten in d. Besprech. d. Lit.). (1921 Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. 11 B. Lepadt'den. 1. Anatomischer Bau der Drüse. Die Lepadiden weichen, wie zu erwarten, im Bau der Maxil- lardrüse nicht wesentlich von den Balaniden ab, zeigen aber doch einige Verschiedenheiten. Ich will die Verhältnisse, wie sie sich bei Conchodet-ma finden, darstellen, da mir von Lepas nur schlecht konserviertes Material zur Verfügung stand. Ich konnte an letz- terem jedoch soviel erkennen , daß die Drüse im wesentlichen den gleichen Bau zeigt wie bei Gonchoderma. Auch hier besteht das Organ aus einem Endsäckchen, einem Harnkanal und Harnleiter. Die Textfigur 2 gibt ein kombiniertes, etwas schematisch gehaltenes Übersichtsbild der Drüse an einem schiefen Querschnitte. Der Schnitt ist parallel zum aufsteigenden Oesophagus geführt und stellt die Region zwischen letzterem und dem unteren Schlundganglion dar, liegt also dem Oesophagus mehr genähert als bei Baianus, Textfigur 1. Im dorsalen Abschnitt zeigt sich daher der geräumige Mageudarm (M) fast in ganzer Aus- dehnung getroffen, während das untere Schlundganglion noch nicht in den Schnitt fällt ; es finden sich nur die kleinen Querschnitte der langen Schlundkommissuren (c), die Körperwand zeigt im ven- tralen Teile rechts Durchschnitte des ersten Rankenfußes (xf) und der Maxillen (mx^ und mxs) , links sind alle Anhänge des Mund- kegels getroffen (Mandibel md und beide Maxillen mx^, mxa). Der Harnleiter (Hl) mündet wiederum an der Basis der zweiten Maxille in der Mitte ihrer rückwärtigen, der Bauchseite zugekehrten Wand. Von hier aus dringt er stets der lateralen Wand der Maxille genähert in die Basis dieser Extremität ein und erscheint im Quer- schnitt in Eorm eines dreistrahligen Kanals (vgl. Textfigur 2 rechts) mit sehr engem Lumen. Hierauf biegt er in dorsaler Richtung um und mündet in den Harnkanal (H) ein (Textfigur 2 links). Letzterer liegt auch bei Gonchoderma als geräumiger Sack in dem Raum zwischen Oesophagus, Magen- und hinteren Mitteldarm. Die Figur zeigt von demselben nur einen dorsalen und ventralen Zipfel, die weit gegen den Oesophagus vordringen. Die Kommunikation der beiden Zipfel erfolgt in der Region, wo die Schlundkommissuren vor Eintritt in das untere Schlundganglion sich miteinander ver- einigen. Die Harnkanäle zeigen in dieser Region im Schnitte die Form geräumiger Säcke, die von der Mitte in dorsolateraler Richtung gegen die laterale Körperwand aufsteigen. Von hier ziehen sie immer schmäler werdend nach rückwärts bis über die Mündung der Ovi- (193) 12 Adalbert Defner: Textfigur 2. Conclioderma aitvita : Schiefer Querschnitt parallel zum aufsteigenden Oeso- phagus in der Region zwischen diesem und dem unteren Schlundganglion. Kombiniertes Übersichtsbild. Die rechte Seite zeigt die Verhältnisse weiter abdominalwärts. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. 1. S median gelegene, bindegewebige Sehnen, m die zugehörigen schrägen und queren Muskeln, c Schlundkommissur, xf erster Rankenfnß. Sonst wie oben Textfigur 1. (194) Der Bali der Maxillardriise bei Cirripedien. 13 dukte (Od) hinaus, nach vorne gegen den Oesophagus hin dringen sie mit spitzen Zipfeln bis in die Region seiner hinteren, dem unteren Schlundganglion zugewendeten Wand vor, wo sie nahe der Körperwand zwischen den Leberschläuchen des Darmes endigen. Ungefähr gleich weit reichen auch die ventralen Zipfel , von denen die Harnleiter entspringen. Zu einer weitgehenden Annäherung mit dem Kanal der Gegenseite kommt es nicht ; sie ist nur dadurch schwach aus- geprägt, daß in der Region, wo die Harnleiter entspringen, dorsal und ventral von den Schlundkoramissuren seichte Buchten des Harnkanals gegen die Medianlinie vorspringen. Ich erwähne diese Verhältnisse hauptsächlich auch deshalb, weil in der Literatur für viele Formen eine Kommunikation der beiden Harnkanäle an- gegeben wird, die bei keiner der von mir untersuchten Formen besteht. Auch bei Conchoderma findet sich zwischen Oesophagus und unterem Schlundganglion ein System von median gelegenen Sehnen (S), von denen in lateraler, dorso- und ventrolateraler Richtung quere und schiefe Muskeln (m) zur Körper wand ziehen (vgl. Textfigur 2), die eine Kontraktion des Körpers und damit ein Zusammenpressen des Harnkanals ermöglichen. Das die Drüse umgebende Bindegewebe zeigt in der dorsalen Region zwischen Harnkanal und Darm den Charakter eines zelligen Bindegewebes (LEYDiGsche Zellen 1. Grades). Gegen die ventrale Region geht es allmählich in LEYDiGsche Zellen 2. Grades über (näheres s. unten i. d. Histol.). Das Endsäckchen weicht in seiner Form ziemlich von jenem bei Baianus ab. Es liegt in dem dreieckigen Raum zwischen dem Harnkanal, der Basis des Mundkegels (respektive weiter rückwärts der ventralen Körperwand) und der Basis des ersten Rankenfußes. Es bildet einen reich verzweigten, mit zahlreichen blindsackartigen Ausstülpungen versehenen Sack. Auf Schnitten erscheint es als ein System von mannigfach ausgebuchteten Hohlräumen , deren Kom- munikation sich leicht in den Serien nachweisen läßt. Zwischen ihnen und in der ganzen Umgebung der Drüse liegen zahlreiche Lakunen (L) , in denen Blut fließt. Gegen den Oesophagus hin wie nach rückwärts reicht es ungefähr gleich weit wie der Harn- kanal, indem es diesen in seiner ganzen Länge begleitet. Die Ein- mündung des Endsäckehens in den Harnkanal liegt auch hier an einem weit dorsal wärts gelegenen Vorsprunge des Endsäckehens (Textfigur 2 t). (195) 14 Adalbert Defner: 2. Histologie. Der Harnleiter (Fig. 5) zeigt einen annähernd dreieckigen Quer- schnitt. Auch hier setzt sich das Hautepithel samt Chitinkutikula im Harnleiter fort und weist im wesentlichen den gleichen Bau wie bei Baianus auf. Die Zellen haben den Charakter von Zylinderzellen, erleiden aber mannigfache Deformationen, In halber Höhe liegen die großen kugeligen Kerne mit deutlichem Nukleolus und netzartig ver- teiltem Chromatin. Sie sind umgeben von einer Partie grobkörnigen Plasmas, das sich in feine Fasern differenziert. Diese laufen radiär gegen die Peripherie der Zellen. In länger ausgezogenen Zellen nehmen die Fasern einen größtenteils longitudinalen Verlauf, parallel den Seiten- flächen der Zellen. Zwischen den Faserbündeln liegen plasmaleere Lücken vielleicht infolge von Schrumpfung. Basal werden die Zellen von einer Basalmembran (b), distal gegen das Kanallumen von einer Oberflächenkutikula begrenzt (Ci). Der Basalmembran liegen zarte gestreckte Bindegewebszellen an. Parallel jeder Fläche des Kanals verläuft ein starker Muskel (m) , der an den Kanten des Kanals in Sehnen übergeht; diese Sehnen verbinden sich entweder direkt mit den Stützfasern des Hautepithels (Fig. 5 unten) oder sie stehen mit Muskeln in Verbindung, die zum Oesophagus (Fig. 5 oben) oder zur Haut verlaufen (Fig. 5 rechts). Dieser Apparat hat offenbar den Zweck, einen Verschluß des Harnleiters herbeizuführen. Der Harnkanal (Fig. 6) ist ausgekleidet mit einem dünnen Pfiasterepithel (W), das einer zarten Basalmembran aufsitzt. Auch hier konnten Zellgrenzen nicht festgestellt werden. Auf flächen- haften Anschnitten des Epithels (Fig. 9) zeigten sich polygonal verlaufende lichte Linien. In den dadurch gebildeten Feldern liegen stets viele Kerne. Wir haben es hier also kaum mit Zellgrenzen zu tun; vielleicht sind es nur Faltungen im Epithel, die hier zum Ausdruck kommen. Das Plasma ist feinkörnig, von dichter Be- schaffenheit und erfüllt das Epithel gleichmäßig. Nur in der Um- gebung der Kerne zeigen sich oft lichtere Höfe. Eine Streifung des Plasmas konnte wegen der Zartheit des Gewebes nicht mit voller Sicherheit nachgewiesen werden. Die Kerne haben von der Seite gesehen die Form langgestreckter Ellipsen (Fig. 6) , von oben ge- sehen (Fig. 9) erscheinen sie sehr groß und kreisrund. Sie besitzen eine zarte Kernmembran, einen deutlichen, runden Nukleolus und spärliches, fein verteiltes Chromatin. Gegen das Lumen des Harn- kanals liegt dem Epithel eine mächtige Stäbchenkutikula (Fig. 6 c) auf, die meist die gleiche Dicke wie das Epithel selbst zeigt. Ober- flächlich liegen der Kutikula Flocken eines Exkretes (Se) auf. (196) Der Bau der Maxillardriise bei Cirripedien. 15 Das die Drüse umgebende Bindegewebe zeigt hier nur LEYDiGsche Zellen ersten und zweiten Grades. Sie sind nicht scharf voneinander zu unterscheiden , sondern zeigen mannigfache Über- gänge. In der dorsalen Region der Drüse zwischen Harnkanal und Darm findet sich ein Bindegewebe, das an das zellige Bindegewebe bei Baianus erinnert. Die Zellen sind reich an Vakuolen und Reserve- stofPen, die Kerne klein, kugelig, oval oder biskuittförmig. Die Zellwände zeigen wellig geschlängelten Verlauf, ziehen sich aber im Gegensatze zu Baianus oft in Stützfasern aus , die zur Wand des Harnkanals ziehen und hier in derbe, reich verästelte Stütz- fasern übergehen, die nach verschiedenen Richtungen verlaufend der Wand des Harnkanals anliegen (vgl. besonders Fig. 9fi). Gegen die ventrale Region der Drüse hin gehen diese Zellen allmählich in LEYDiGsche Zellen 2. Grades über (vgl. Fig. 6), indem sie sich zu- gleich in die Länge strecken. Die Ausbildung der Fasern (f) wird hier kräftiger; diese begleiten in langem, geschlängeltem Verlauf die Wand des Harnkanals oder gehen direkt in den auch an dieser Stelle kräftig entwickelten Faserbelag der Wand über. Im Innern der Zellen, die Reservestoffe enthalten, bilden sich ebenfalls zarte Fasern aus , welche netzförmig die Zellen durchziehen und in die derberen wandständigen Fasern übergehen. Epitheloide Bindegewebszellen (LEYDiGsche Zellen 3. Grades) finden sich hier nicht. Das Epithel des Endsäckchens (Fig. 7) besteht aus großen Zellen (ez), die mit breiter Basis einer dünnen Basalmembran (b) aufsitzen. Sie springen mehr oder minder buckel- und höckerförmig gegen das Lumen vor. Meist findet man an den Schnitten mehrere Zellen übereinander angeschnitten, so daß das Epithel wie. mehr- schichtig aussieht. Dies wird dadurch bedingt, daß benachbarte Zellen über die Basis anderer herüberragen. Ein grobkörniges Plasma er- füllt unregelmäßig die Zellen, wodurch in denselben oft vakuolen- artige Lücken von verschiedener Größe entstehen. Im Plasma sind reichlich kleine Exkretkörner verteilt. Die Kerne sind im Verhältnis zu Baianus klein, besitzen eine dünne Kernmembran, einen oder mehrere große Nukleolen und spärlich fein verteiltes Chromatin. Die Zellwände (g) sind äußerst zart und meist nur schwer festzu- stellen. Dadurch und weil häufig mehrere Zellen übereinander an- geschnitten erscheinen, die dann schwer voneinander abzugrenzen sind, liegen oft scheinbar in einer Zelle mehrere Kerne. Häufig finden sich frei im Lumen des Endsäckchens gelegen Anschnitte von Epithelzellen (vgl. Fig. 7). In der bisherigen Literatur wird (197) 16 Adalbert Defner: vielfach angegeben , daß die Exkretion des Endsäckchens derart er- folge, daß sich Zellen samt Kernen als Exkretkugeln vom Epithel loslösen , in das Lumen gelangen und dort platzen. Wo ich solche freischwebende Anschnitte in den Serien verfolgte , konnte ich stets feststellen, daß dieselben durch einen mehr oder minder engen Hals mit dem übrigen Epithel zusammenhingen. Es scheint übrigens nicht unwahrscheinlich, daß sich solche Zellen von der Unterlage abtrennen können und im Lumen zugrunde gehen, aber die regel- mäßige Art der Exkretion wird dieser Vorgang wohl kaum sein. Denn man findet stets der Oberfläche der Zellen anhaftend oder frei im Lumen liegend Wolken eines grobkörnigen Exkretes. Bei jungen Tieren ist die Basalmembran (b) des Endsäckchens dünn, ihr liegen außen spärlich zarte bindegewebige Stützfasern (f) an, die an den Schnitten als kleine Punkte oder geschlängelte Linien erscheinen. Bei alten Tieren (Fig. 8 und 10) nimmt die Basalmembran (Wd) bedeutend an Mächtigkeit zu und die Stützfasern (bf) werden zu einem dichten Gitter reich verästelter und miteinander ver- schmelzender Bindefasern von bedeutender Dicke. Die zu den Bildungs- zellen dieser Fasern gehörigen Kerne (Fig. 10 b k) findet man außen der Basalmembran anliegend. Die Übergangsstelle zwischen Endsäckchen und Harnkanal (Fig. 11) erinnert in Lage und in Bau an jene bei Baianus. Sie liegt ebenfalls im dorsalsten Zipfel des Endsäckchens, wo sich eine Ausstülpung des letzteren zwischen Körperwand und Harnkanal einschiebt. Die Wände des Endsäckchens (ez) und Harnkanals (W) stoßen an gemeinsamer Basalmembran (b) aneinander, zeigen aber keine auffällige Verdünnung wie bei Baianus. Auch hier ist die eigentliche Übergangsstelle trichterartig ausgebildet und besteht aus großen Zellen (Fig. 11 sz), die ähnlich wie bei Baianus gebaut sind. Sie besitzen derbe Membranen (m) und sind nur teilweise mit einem grobkörnigen Plasma erfüllt. Die großen Kerne liegen am Grunde der Zellen, sind kugelförmig, mit dicker Kernmembran und mächtigem rundem Nukleolus ; Chromatin ist nur spärlich vor- handen (in Fig. 11 finden sich nur Anschnitte von zwei Kernen sz). Ich konnte in den Serien fünf Kerne von solcher Beschaffenheit auffinden und glaube annehmen zu können, daß hier der Trichter aus fünf Schließzellen besteht. Das Epithel des Harnkanals geht unmittelbar in die Schließzellen über , eine deutliche Basalmembran trennt sie von den Zellen des Endsäckchens ; die Schließzellen sind wohl somit auch bei Gonchoderma als umgebildete Harnkanalzellen aufzufassen. Das Lumen des Trichters tritt bei schlechter konser- (198) Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. 17 viertem, geschrumpftem Material noch deutlicher hervor. Diese Tat- sachen beweisen wohl , daß von einem geschlossenen Endsäckchen wenigstens bei den hier untersuchten Formen nicht die Rede sein kann. Meine Befunde zeigen somit, daß sowohl Balaniden als auch Lepadiden eine Maxillardrüse besitzen, die mit jener der anderen Crustaceen in allen Abschnitten übereinstimmt , indem sie einen histologisch mit der Haut übereinstimmenden Harnleiter, einen mit einer Stäbchenkutikula versehenen Harnkanal und ein mit zöttchenförmigen Epithelzellen versehenes Endsäckchen aufweisen. So- wohl Endsäckchen als Harnkanal besitzen exkretorische Funktion, während der Harnleiter funktionell den Ausführungsgang darstellt. Wenn auch bei Conchoderma die Streifung des Plasmas im Harn- kanal nicht sicher beobachtet werden konnte, so zeigt doch der ganze übrige Bau , besonders das Vorhandensein einer Stäbchen- kutikula, seine Homologie. Aus dem charakteristischen Bau und der typischen Lagerung ergibt sich mit Sicherheit die Homologie dieses Organs mit der Maxillardrüse der übrigen Krebse. III. Besprechung der Literatur. Zum Schlüsse sei noch kurz die historische Entwicklung der Kenntnisse über die Maxillardrüse der Cirripedien besprochen. Die Literatur über dieses Thema ist nicht reichhaltig. Über die einzelnen Abschnitte der Drüse, ihre Kommunikation und Deutung finden sich die verschiedensten Angaben. Genauere histo- logische Angaben sind recht spärlich. Darwin betrachtet ein Paar nach seiner Beobachtung säckchen- artiger Oigane, die an den 2. Maxillen ausmünden, als Kiech- organe. Die späteren Untersuchungen haben gezeigt, daß es die Harnleiter der Maxillardrüse sind. HoEK wies später nach, daß diese Organe mit paarigen Säcken im vorderen Körperabschnitt kommunizieren, die er als Leibeshöhle deutet (sie entsprechen nach den jetzigen Unter- suchungen den Harnkanälchen der Maxillardrüse). Der äußere G-ang (Riechorgan nach Darwin, nach den späteren Untersuchungen der Harnleiter), in den sich Hypoderm und chitinige Kutikula der Haut fortsetzen, wird von Hoek als^Segmentgang bezeichnet. Wo er das Chitin verliert, verengt er sich stark, erweitert sich sodann wieder und mündet trichterartig in die Leibeshöhle. Dieser Teil wird von Hoek als Segmentaltrichter bezeichnet. Die verengte Stelle entspricht nach den Untersuchungen späterer Autoren dem innersten Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 3. ]^4 (199) 18 Adalbert Defner: Absclinitte des Harnleiters, wo sein Epithel am höchsten ist, die trichterartige Erweiterung dem Übergang zwischen Harnleiter und Harnkanal. HoEK vergleicht den Segmentaltrichter mit dem Wimper- trichter der Anneliden. Segmentgang und Segmentaltrichter nennt er Segmentalorgan homolog jenem der Anneliden. In einer Publikation (Literaturangabe 14) , die mir nicht zu- gänglich war und nur aus dem Jahresbericht bekannt wurde, gibt HoEK von der Leibeshöhle richtig an, daß sie mit den Zwischen- räumen im Bindegewebe des hinteren Körperabschnittes nicht in Verbindung stehe und mit einem flachen Epithel ausgekleidet sei. Zu beiden Seiten des Körpers beschreibt Hoek ferner dünnwandige Säcke (nach den jetzigen Untersuchungen die Endsäckchen), die mit der Leibeshöhle in Verbindung zu stehen scheinen. Ihre Wand be- steht aus Drüsenzellen, die beständig Stücke abstoßen. Hoek hat diese Säcke in seiner ersten Arbeit (Literaturangabe 1) bei der Tafel - erklärung (PI. V, Fig. 1 c) als Organe unbekannter Funktion, in der späteren Publikation (Literaturan gäbe 14) als Organe vielleicht exkretorischer Bedeutung bezeichnet. NUSSBAUM behält die Bezeichnung „Leibeshöhle" für den Harnkanal bei und gibt ihre Ausmündung an einem „blasenartigen Vorsprung an der Basis jeder Hälfte der Unterlippe" an. Für Pollicipes beschreibt Nussbaüm eine Kommunikation der beiden Leibeshöhlen sacke durch einen feinen Kanal in der Nähe ihrer Aus- mündung. Auch den dem Endsäckchen entsprechenden Sack hat Nuss- baüm gesehen und ihn als „Kiemenniere" bezeichnet. Ein grob- maschiges Oefäßnetz bildet nach Nüssbaum zahlreiche Einbuchtungen in diesen Nierensack, der auch in die Basis des Kiemenanhanges am 1. Rankenfuße eindringt und gegen die Leibeshöhle buckelartig vorspringt. Die Leibeshöhle kann durch Muskeln erweitert und ver- engt werden und soll dadurch einerseits von außen Wasser ein- saugen und wieder ausstoßen, andrerseits eine raschere Blutzirku- lation in dem den Nierensack umgebenden Gefäßnetz bewirken. Der Nierensack wird derart allseits von Blut und Wasser umspültjUnd daher als Kiemenniere gedeutet. An einem Präparate glaubt Nuss- baüm die Einmündung des Nierensackes in die Leibeshöhle ge- sehen zu haben. Auch Ko EHLER hat die beiden von Nüssbaum der Leibes- höhle zugerechneten großen Säcke bei Lepadiden und Balaniden gesehen, ihre Ausmündung an der 2. Maxille angegeben und in denselben eine endotheliale Auskleidung beobachtet. Außerdem be- (200) Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. 19 schreibt Koehler die zwei lateralen Säcke, welche der Kiemen- niere NUSSBAUMS entsprechen. Bei ßalaniden besitzen sie nach Koehler ein einfaches Lumen, das bei Lepadiden dagegen in eine größere oder kleinere Zahl von Abteilungen getrennt ist. Eine Kommunikation zwischen Sack- und Leibeshöhle konnte Koehle,r nirgends beobachten. Für Conchoderma gibt Koehler in der Nach- barschaft der Oviduktöffnung eine Verbindung der Exkretionsorgane mit der Außenwelt an, welche er sonst nicht beobachten konnte. Gruvel unterscheidet in der Leibeshöhle der Cirripedien zirkulatorische Lakunen ohne besondere Wandung und zwei be- sondere mit Epithel ausgekleidete Lakunen . die physiologisch die Ausführungsgänge der Exkretionsorgane darstellen. Diese zwei Lakunen bezeichnet Gruvel als Haupthöhle (cavite generale), nach meinen Befunden sind es die Harnkanäle. Sie sind mit Platten- epithel ausgekleidet und kommunizieren in vielen Fällen mitein- ander. Zwischen ihnen und der Körperwand liegen nochmals ab- geplattete Säcke. Sie besitzen bei ausgewachsenen Tieren keine Kommunikation zur cavite generale. Doch hat Gruvel bei Jugend- formen eine Kommunikation beobachtet, die später verloren geht (Literaturangabe 6). Diese abgeplatteten Säcke repräsentieren nach Gruvel die eigentliche Niere, die der Kieferdrüse der anderen Crustaceen homolog ist (nach den jetzigen Kenntnissen aber nur dem Endsäckchen entsprechen). Gruvel hat als erster ihre ex- kretorische Funktion nachgewiesen. Die Exkretion soll derart er- folgen , daß sich Teile der Wandungszellen loslösen und im Lumen platzen. Die Exkrete gelangen durch Osmose und Phagocytose in die Haupthöhle und von dort nach außen. B RUN TZ betrachtet als erster die erwähnten Organteile als zu einem Organ zusammengehörig, das aus „saccule" (entsprechend dem von mir Endsäckchen genannten Abschnitt) und „labyrinthe" (entsprechend dem Harnkanal) besteht. Er gibt die erste richtige anatomische Beschreibung und ein gutes Übersichtsbild des Organs und beschreibt auch eine klaffende Kommunikation zwischen „saccule"' und „labyrinthe". Die Lage dieser Öffnung im dorsalen Zipfel des „saccule" wird richtig angegeben; doch j&nden sich Unrichtigkeiten i'a der speziellen Beschreibung der Stelle. Das Labyrinthepithel soll im Umkreis der klaffenden -Öffnung aufhören. Auch erwähnt Bruntz nichts von den bei mir beschriebenen Schließzellen. Die Abbildung der Übergangsstelle (s. PL V II , Fig. 7) macht den Ein- druck, als wäre eine Zerreißung erfolgt, wie sie bei der Zartheit der Wandung leicht vorkommen kann. Ich selbst habe öfter ähn- 14* (2011 20 Adalbert Defner: liehe Bilder erhalten. Vielleicht sind die von Bruntz in der klaffenden Öffnung abgebildeten Zellen, die von ihm als Exkret- kugeln mit Kern gedeutet werden. Teile der trichterartigen Aus- buchtung, an deren Spitze nach meinen Untersuchungen die enge Öffnung des Endsäckchens umgeben von den Schließzellen liegt. BsDNTZ beschreibt die Histologie des „saccule'' eingehend, über das „labyrinthe" fehlen jedoch genauere histologische Details. Berndt beschreibt die Schalendrüse von bohrenden Cirripedien. Er spricht vom „sezernierenden" (entsprechend meinem Endsäckchen) und „ausführenden-' (nach mir Harnkanal) Teil der Drüse und läßt die Frage nach der Homologie mit den typischen Abschnitten der Schalendrüse andrer Crustaceen offen. Für den „ausführenden" Teil gibt Berndt eine doppelte Kommunikation der beiderseitigen Säcke, und zwar oberhalb und unterhalb eines zwischen den beiden Säcken eingeschlossenen Bindegewebszylinders an. Eine Kommunikation zwischen „sezernierendem" und „ausführendem" TeilVird entschieden bestritten. Die „sezernierenden" Teile sind vollständig geschlossene Säcke, die ihre Sekrete durch Osmose in die „ausführenden" Teile übertreten lassen. Im histologischen Teil beschreibt Bern dt die Auskleidung des ,,ausführenden" Teiles, welche aus einem unregel- mäßigen, aber sehr distinkten, sehr flachen Plattenepithel besteht, das einer zarten Basalmembran aufsitzt. Genauere Angaben über die feinere Struktur dieses Epithels fehlen. Das Epithel des ,. sezer- nierenden" Teiles weicht von jenem des „ausführenden" Teiles ab, indem es aus zöttchenförmigen Zellen besteht, deren helles Plasma von granulösen Sekreten beladen ist. Von Hoffend AH L liegt eine entwicklungsgeschichtliche Arbeit über Poecilasma aurantium vor. Beim jüngsten Cyprisstadium findet sich zwischen Magen und Bauchganglion ein kleiner mit undeut- lichem Plattenepithel ausgekleideter Hohlraum, der keine Öffnung nach außen zeigt und den Hoffendahl als Anlage der „Leibes- höhle" (dem von mir Harnkanal genannten Hohlraum entsprechend) auffaßt. Diese nimmt rasch an Ausdehnung zu und zeigt dann zwei Zellarten: 1. Plattenepithelzellen und 2. zöttchenförmige Zellen, die ein Sekret abscheiden. Beim geschlechtsreifen Tier hat die „Leibeshöhle" eine gewaltige Ausdehnung angenommen und steht jetzt mit der Außenwelt durch zwei verschiedene Ausführungsgänge in Kommunikation. Außerdem sind zwischen Körperwand und ..Leibeshöhle" zwei, später gefaltete, Säcke (meinem Endsäckchen ent- sprechend) aufgetreten , die mit der Leibeshöhle ständig kommuni- (202) Der Bau der Maxillardrüse bei Clrripedien. 21 zieren. Sie tragen ein Epithel von zylindrischen, zöttchenförmigen Zellen; doch finden sich dazwischen Stellen mit Plattenepithel- zellen. Aus diesen Befunden und den Angaben Grüvels (1894) schließt HoFFENDAHL, daß dieser zweite Hohlraum, den er „Niere" nennt, ein modifizierter Abschnitt der „Leibeshöhle" und von dieser aus entstanden sei. Über die erste Anlage dieser „Niere" liegen von HoFFENDAHL keiuc Beobachtungen vor. Betrefi's der Angabe, daß sich an der Leibeshöhlenbekleidung zwei Zellarten: Plattenepithel- und zylindrische Zellen vorfinden, sei bemerkt, daß auch ich an einer Serie eines jungen Balamis im Harnkanal eine Region fand, in der die Wand aus typischen Endsäckchenzellen bestand. Diese Region war ungefähr kreisförmig begrenzt und fand sich im dor- salen Teil des Harnkanals an dessen medialer Wand, ungefähr gegenüber der Einmündung des Endsäckchens in den Harnkanal. Übrigens haben jedenfalls beide Zellarten exkretorische Funktion und es ist wahrscheinlich nur die Natur der Sekrete verschieden. Rätselhaft bleibt die Angabe Hoffendahls, daß die „Leibeshöhle" beim geschlechtsreifen Poecüasma zwei Ausmündungen nach außen besitze; die eine soll an der „Unterlippe" (wohl 2. Max.), die zweite „hinter der Unterlippe in der Nähe der Basis des 1. Bein- paares" ausmünden (vgl. auch Koehler). Zusammenfassung: Aus der Durchsicht der bisherigen An- gaben ergibt sich, daß die Teile der Drüse zwar hinsichtlich ihrer Ijage und ihres gröberen Baues meist richtig beschrieben, jedoch histo- logisch vielfach mangelhaft untersucht wurden. Daraus ergeben sich die wadersprechenden Ansichten und Deutungen. Meist werden die einzelnen Abschnitte als selbständige Organe betrachtet. In den meisten Fällen begegnen wir nämlich der Auffassung, daß das End- säckchen allein, bei Hoek Harnleiter und Anfangsteil des Harnkanals die eigentliche Niere darstellen, w^elche der Antennen- oder Maxillar- drüse der übrigen Crustaceen homolog sei, der hier umfangreiche Harnkanal dagegen die Leibeshöhle der Cirripedien darstelle. Die widersprechendsten Angaben finden sich betreffs der Kommuni- kation zwischen Endsäckchen und Harnleiter. Meist wird ein ge- schlossenes Endsäckchen angenommen , aus dem die Exkrete durch Osmose in den Harnkanal gelangen sollen, eine Angabe, die bei der Größe des Organs von vornherein sehr unwahrscheinlich klingt. Die einzige genauere Beschreibung und Abbildung der Übergangsstelle findet sich bei Bruntz, enthält aber auch Unrichtigkeiten, wie oben gezeigt wurde. Ich hoffe , meine Befunde darüber werden sich auch bei anderen Cirripedien nachweisen lassen. Nur Brüntz und (203) 22 Adalbert Defner: Bebndt betrachten die Drüse als einheitliclies Organ, docli wird auch hier die Homologie der einzelnen Teile mit den typischen Abschnitten der Crustaceenniere nicht entschieden und deutlich genug hervorgehoben. Um oftmalige Wiederholungen zu vermeiden, habe ich in der historischen Darstellung hauptsächlich die Be- schreibung des gröberen anatomischen Baues der Drüse, weniger die histologischen Angaben der verschiedenen zitierten Autoren be- rücksichtigt. Diese Angaben betreffen hauptsächlich den Harn- leiter und das Endsäckchen. Der histologische Bau des flarnkanals war nur ungenügend bekannt. So erscheint das Vorhandensein einer Stäbchenkutikula und die Streifung des Plasmas im Epithel des Harnkanals , wodurch ; die Homologie dieses Abschnittes mit dem Harnkanal des Crustaceennephridiums unzweifelhaft bestätigt wird, nirgends erwähnt. Zum Schlüsse obliegt mir noch die angenehme Pflicht, meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Grobben, für die Verleihung eines Arbeitsplatzes in seinem Institute sowie insbesonders für das mir entgegengebrachte Wohlwollen und die Anregung zu dieser Untersuchung meinen herzlichsten Dank auszusprechen. (204) Der Bau der Maxillardriise bei Cirripedien. 23 Literaturverzeichnis, 1. P.P. C. Hoek: Report on the Cirripedia collected by H. M. S. „Challenger" during the years 1873 — 76. Anatomical Part, in: Rep. Ciiallenger. Vol. 10, 1884. 2. M. NUSSBAUM: Anatomische Studien an kalifornischen Cirripedien. Bonn 1897. 3. R. Ko Ehler: Recherches sur la cavite generale et sur l'appareil excreteur des Cirripedes in: Compt. Rend. Tome 114, p. 1214—17, 1892. 4. KoüLAViETz: La Constitution et les fonctions du Systeme secreteur et lyropha- tique chez les Crustaces. Arb. Labor. Zool. Cabin. Univ. "Warschau, 2- Heft, p. 102, 1899 (stand mir nicht zur Verfügung). 5. A. Gruvel: Monographie des Cirripedes ou Thecostraces. Paris 1905- 6. A. Gruvel: Contribution ä l'etude de Texcietion chez les Arthropodes in: Arch. Biol. Tom. XX, 1904. 7. A. Gruvel: Sur le developpement du rein et de la cavite generale chez les Cirripedes in: Compt. Rend. Tom. 119, p. 1228—30, 1894. 8. A. Gruvel: Contribution ä l'etude des Cirripedes in: Arch. Zool. Exper. 1893. 9. L. Brüntz: Contribution ä l'etude de l'excretion chez les Arthropodes. Arch. Biol. T. XX, 1904. 10. Wilh. Berndt: Studien an bohrenden Cirripedien. Arch. Biol. I. Bd., 2. Heft, Berlin 1906. 11. Kurt H offendahl: Beitrag zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie von Poecilasma aurantium Darwin, in : Zool. Jahrb. Abt. Morph. 20. Bd. 1904. 12. C. Grobben: Die Antennendrü.se der Crustaceen. Arbeiten aus dem zool. Inst. d. Univ. Wien u. zool. Station in Tiiest. Bd. III, 1881. 13. F. Vejdovsky: Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. Zeitschr. f. wissensch. Zool. 69. Bd., 1901- 14. P. P.C. Hoek: Over den anatomischen bouw der Cirripedien in: Versl.Mededeel. Akad. Wet. Amsterdam V. 1886 (stand mir nicht zur Verfügung). Tafelerklärung. Allgemeine Buchstabenerklärung. Eb epitheloides Bindegewebe (Le yd ig sehe Zellen 3. Grades), / derbe wandständige Bindefasern, sz Schließzellen, Se Exkret. cu Kutikula der Körperwand, lid Epithel der Körperwand, H Lumen des Harnkanals, E Lumen des Endsäckchens, W Epithel des Harnkanals, ez Endsäckchenzellen, ^ i ht Blutgerinnsel, b Basalmembran, | L Lakunen, bg Fasern bildendes Bindegewebe in der \ m Muskeln. Umgebung des Bauchmarks (Leydig-i sehe Zellen 2. Grades), (205) 24 Adalbert Defner: Der Bau der Maxillardrüse bei Cirripedien. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Baianus tintinnahuliim. Ein Stück aus dem Harnleiterepithel gefärbt nach Heidenhain. Vergr. Leitz, Ok. 3, Ölimmer.?. fb Faserbündel, c Kutikula des Harnleiters. Fig. 2. Baianus tint. Ein Stück aus dem Harnkanalepithel mit angrenzendem Bindegewebe. Vergr. Leitz, Ok. 3 , Obj. 7. fi der Harnkanalwand aufliegende Stütz- fasern, gebildet vom epitheloiden Bindegewebe, c Stäbchenkutikula. Fig. 3. Baianus tint. Ein Stück aus dem Endsäckchenepithel. Vergr. Leitz, Ok. 3, Ölimm. k Kerne der Endsäckchenzellen , c das distalwärts davon gelegene Korn unbekannter Bedeutung. Fig. 4. Baianus tint. t^^bergang des Endsäckchens in den Harnkanal. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. 5. m Muskeln, c Stäbchenkutikula des Harnkanals. Fig. 5. Conchoderma rirgata. Querschnitt des Harnleiters. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. 7. m Schließmuskeln, s Sehnen, Cj Chitinkutikula des Harnleiters. Fig. 6. Conchoderma virgata. Wand des Harnkanals mit angrenzendem Binde- gewebe. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. 7. c Stäbchenkutikula des Harnkanals. Fig. 7. Ein Stück aus dem Endsäckchen einer jungen Conchoderma virgata. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. 5. g Zellgrenzen der Endsäckchenzellen. Fig. 8. Ein t^tück aus dem Endsäckchen einer alten Conchoderma virgata. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. .5. Wd verdickte Basalmembran des Endsäckchens, bf der- selben aufliegende Bindefasern. Fig. 9. Conchoderma virgata. Flächenhafter Anschnitt des Harnkanalepithels. Vergr. Leitz, Ok. 3 , Ölimm. HK Kerne des Harnkanalepithels, BK Bindegewebs- kerne, fj Stützfasern der Harnkanalwand aufliegend. Fig. 10. Conchoderma virgata. Endsäckchen, die verdickte Basalmembran (Wd) in der Fläche angeschnitten. Vergl. Leitz , Ok. 3 , Ob. 7. b f der Basalmembran aufliegende Bindefasern, bk 2U deren Bildungszellen gehöriger Kern. Fig. 11. Conchoderma virgata. Übergang zwischen Endsäckchen und Harn- kanal. Vergr. Leitz, Ok. 3, Obj. 5. b Basalmembran zwischen Endsäckchen und Harn- kanalepithel, bj des Endsäckchens, m Membran der Schließzellen, c Stäbchenkutikula des Harnkanals. (206) Die Bauchmuskulatur der Fische. Von Karl Knauer. (Mit 3 Tafeln und 6 Textfiguren.) Vorliegende Arbeit, eine vergleichend-anatomische Studie über die Bauchmuskulatur der Fische, ist zum Teile eine Nachprüfung von nicht publizierten Untersuchungen, welche mein hochverehrter Lehrer, Herr Professor Hatschek, vor zirka 20 Jahren in Prag über das gleiche Thema anstellte, zum Teile eine Fortsetzung und ein vorläufiger x^bschluß derselben. Herr Professor Hatschek hatte die außerordentliche Güte, mir eine Anzahl überaus wertvoller und schöner Zeichnungen , die Ergebnisse seiner damaligen Unter- suchungen , für meine Arbeit zur Verfügung zu stellen, welche mir das Eindringen in den Kern der mir gestellten Aufgabe wesent- lich erleichterten. Galt es doch einen festen Gesichtspunkt in der Entscheidung einer Frage zu gewinnen, über welche schon viel und von bedeutenden Autoren gearbeitet wurde, ohne daß es zu klaren und einleuchtenden Vorstellungen gekommen wäre. Aber auch ab- gesehen von den irrigen theoretischen Voraussetzungen, finden sich einige offenkundig falsche Beobachtungen in der Literatur ange- geben, die das Verständnis der Frage keineswegs erleichtern. Wenn ich nun glaube, durch gewissenhafte Untersuchung des mir zur Verfügung stehenden Materiaies und durch Sichtung der gewonnenen Tatsachen nach einem Gesichtspunkte einer richtigen Lösung der Frage näher gekommen zu sein, so sehe ich mich veranlaßt, Herrn Professor Hatschek für die zielbewußte Anleitung, die er mir für meine Arbeit gab, sowie für die gütige Überlassung der oben er- wähnten Zeichnungen meinen^ tiefgefühlten Dank auszusprechen. Eben.so bin ich Herrn Professor Schneider, Herrn Prof. Joseph und Herrn Dr. Czwiklitzer für das rege Interesse, das sie meiner Arbeit entgegenbrachten, sowie für so manche wertvolle Anregung zu aufrichtigem Danke verpflichtet. (207) 2 Karl Knauer: Wir werden uns nach einem kurzen geschichtlichen Überblick der Frage, was wir als Bauchmuskulatur bei den Fischen zu be- zeichnen haben, zuwenden und sodann in die Besprechung der ein- zelnen untersuchten Typen eingehen. Schon in Cüvieks „Histoire naturelle des poissons" finden wir eine Untersuchung und Beschreibung der Muskulatur der Fische. In demselben Jahre veröffentlichte J. F. Meckel im III. Bande seines Systems der vergleichenden Anatomie die Ergebnisse umfangreicher Untersuchungen. Gegenüber diesen Arbeiten, welche vorwiegend be- schreibender Natur sind, stellt Johannes Müllers „Vergleichende Anatomie der Myxinoiden" einen großen Fortschritt dar, da in diesem Werke schon die Einteilung der Rumpfmuskulatur aller Wirbeltiere nach einem festen System versucht wird. Er teilte die Muskulatur in Seitenrumpfmuskeln, Interkostalmuskeln (Intercostales [transversarii und spinales], ßectus abdominis) und seitliche Bauch- muskeln (beide Obliqui, Transversus) ein und erklärte, daß bei den Fischen das System der Seitenrumpfmuskeln am ausgebildetsten sei und alle anderen Rumpfmuskeln verdrängt habe; die Intercostales seien nach außen mit den Seitenrumpfmuskeln verwachsen. Huxley (5) unterscheidet episkelettale Muskeln, aus den Urwirbeln entstanden und über dem Innenskelett liegend, und hyposkeiettale, welche unter dem Innenskelett entwickelt sind. Bei den Fischen besteht das Hauptmuskelsystem des Rumpfes aus episkelettalen Muskeln, welche dicke, seitliche Längsfaserlagen bilden. Diese treffen in der unteren Mittellinie zusammen und teilen sich vorn in eine dorso- und ventro- laterale Masse. Erst Goette (3) und Anton Schneider (10) befaßten sich eingehender mit dieser Frage, indem sie die einzelnen Gruppen der Fische hinsichtlich ihrer Muskulatur gesondert untersuchten. Beide stellten neue Einteilungen der Muskulatur auf, Goette in eine äußere und innere Segmentschichte und in eine innere Bauch- muskelschichte, Anton Schneidee dagegen in Parietal- und Visceral- muskeln, wobei ersteren die Längsmuskeln (Rückenmaskeln und Rectus abdominis), der äußere Obliquus und der Afterflossenmuskel zuzuzählen sind. Goette erklärt sich die einfachen Muskulaturver- hältnisse der Fische durch Rückbildung aus einer hypothetischen ur- sprünglichen Sonderung, Wir werden bei der Besprechung der ein- zelnen Gruppen die Befunde Goettes und Schneiders sowie der späteren Forscher diskutieren. Unsere erste Frage wird naturgemäß die sein, ob überhaupt bei den Fischen eine Bauchmuskulatur gesondert auftritt und welcher Teil der Körpermuskulatur als solche zu bezeichnen ist. Schon ('.!08) Die Bauchmuskulatur der Fische. Meckel (8) spricht von einer Trennung der Muskulatur in einen oberen und unteren Abschnitt (Rücken- und Bauchmuskeln). Bei den Plagiostomen ist diese Trennung vollkommener als bei den Knochen- fischen und wird durch einen breiten Sebnenstreif, der von der Seite der Wirbel ausläuft, bewirkt. Johannes Müller (9) er- wähnt bei den Fischen einen Bauchteil der Seitenrumpfmuskeln, der namentlich im Schwänze eine große Analogie zum Rückenteil aufweist. Das System der seitlichen Bauchmuskeln, das er bei den Myxinoiden und bei den Proteiden (Menobranchus) beschreibt, und welchem er den Muse, oblique descendens, den Muse, obliquus internus und den queren Bauchmuskel zurechnet, fehlt nach seiner Angabe den Fischen. Auch Stannius(II) und Huxley (5) geben schon eine sekun- däre Teilung des Seitenrumpf muskels in einen dorsalen und ventralen Teil an, von denen der erstere mit dem Schädel, der letztere teils mit dem Brustgürtel verbunden ist, teils zum Schädel, Zungenbein und Unter- kiefer zieht. Die Trennungslinie ist nicht angegeben, doch aus der Art der Einteilung und aus der Angabe der Befestigung läßt sich schließen, daß Huxley dieselbe Grenze vorschwebte, wie den meisten späteren Autoren, nämlich die Ebene, welche oberflächlich durch die Seitenlinie angedeutet wird. Goette (3) beobachtete bei embryonalem Material außer der Stammuskulatur noch einen mittleren Bauchmuskel, welcher die Anlagen eines Obliquus internus und Rectus abdominis enthält, und einen oberflächlichen Obliquus externus. Alle diese verschmelzen nach seiner Anschauung später zum sogenannten Seitenrumpfmuskel, bei welchem nur die Trennung der beiden Stammuskelhälften in eine dorsale und ventrale Masse übrig bleibt. Ihre Grenze wird durch die Seitenlinie bezeichnet. Anton Schneider (10) spricht von einer Spaltung des Rücken- muskels dicht hinter dem Schultergürtel bei Ganoiden und Tele- ostiern. Außer dieser Spalte gibt er (nach Stannius) das Inter- stitium laterale als eine den Muskel lateral durchschneidende Spalte an. Neben dem Rückenmuskel unterscheidet er bei den Fischen nur noch den Rectus abdominis. Bei ihm existiert der Begriff der Bauch- muskulatur nicht. Gegenbaur (2), welcher wie Wiedersheim (12)und Maurer (6, 7) die Grenze zwischen Rücken- und Bauchmuskulatur ebenfalls als durch die Seitenlinie bezeichnet angibt, sieht den Anstoß zur Scheidung zwischen den beiden Muskelgruppen in der Differenz des vorderen Anschlusses des Seitenrumpfmuskels, indem die Befestigung des dorsalen Abschnittes am Schädel der des ventralen am Schulter- gürtel (respektive seiner Fortsetzung zu dem Visceralskelett) weit (209) 4 Karl Knauer: Überlegen ist. Durch diese Differenz der Ursprungsbefestigung wird bei der Aktion der gesamten Seitenstammuskulatur die Einheit- lichkeit zur Auflösung gebracht und es tritt selbständige Differen- zierung der beiden Abschnitte ein. Die Befunde Hatscheks ließen diese Angabe Gegenbaurs nnd damit den allgemein üblichen Begriff der Bauchmuskulatur zweifelhaft erscheinen. Bei genauer Untersuchung läßt sich näm- lich feststellen, daß nicht nur der von GtEGENBaür angegebene dorsale Teil (über dem Interstitium laterale) am Schädel befestigt ist, daß vielmehr auch eine unter demselben gelegene Muskelpartie bis an den Schädel zu verfolgen ist (Fig. 2, 8). Oberflächlich ist die Be- grenzung dieser Muskelpartie namentlich bei Selachiern und Stören deutlich zu erkennen (Fig. 1). Bei diesen verläuft sie ventral parallel zur Seitenlinie, und zwar zeigen die oberhalb der Grenzlinie gele- genen Muskelpartien einen geraden Verlauf von vorn nach hinten, die unter ihr gelegenen einen schrägen Verlauf von hinten oben nach voin unten. (Die hievon abweichenden Verhältnisse bei den Tele- ostiern und Dipnoern werde ich bei der speziellen Besprechung derselben erklären.) Diese letztere Muskelpartie nimmt an der Ventral- seite einen geraden Faserverlauf an und geht vorne in den geraden Halsmuskel (Muse, sternohyoideus) über. Es liegt nun nahe, die Grenze zwischen Rücken- und Bauchmuskulatur nicht im Inter- stitium laterale gegeben zu sehen, sondern in einem anderen Inter- stitium, welches als Interstitium sublaterale zu bezeichnen wäre, und als schiefe mehr minder derbe Faszie von vorn nach hinten verläuft. Als Rückenmuskulatur ist demnach der Teil der Körpermuskulatur zu bezeichnen, welcher seine vordere Befestigungsstelle am Schädel hat, als Bauchmuskulatur dagegen jener Teil, der sich nach vorn zu in die gerade Halsmuskulatur fortsetzt. Als Begrenzungsfläche hat nicht das Interstitium laterale, sondern das Interstitium sublaterale zu gelten. Nachdem wir uns über die Fortsetzung der Bauchmuskulatur nach vorne orientiert haben, müssen wir uns die Frage nach der Fortsetzung der Bauchmuskulatur in den Schwanz stellen. Die Autoren bejahen diese Frage selbstverständlich , da ihnen ja alle Muskeln unter dem Interstitium laterale als ventrale gelten und mit diesem bis in den Schwanz zu verfolgen sind. Doch auch der bedeutend kleinere Teil der Körpermuskulatur, den wir nach obiger Erörterung als Bauchmuskulatur bezeichnen, setzt sich, wie die Untersuchung lehrt, in den Schwanz fort. (210) Die Bauchmuskulatur der Fische. 5 Wir wenden uns nunmehr einer speziellen Besprechung der Bauchmuskulatur bei den einzelnen Gruppen zu. Untersucht wurden von Selachiern Squalus acanthias und Scylliorhinus canicula, von Stören Äcijpenser ruthenus und naccar{,yon Teleostiern Clupea harengus, Salmo fario, Leuciscus rutilus, Gasterosteus nculeatus , Esox lucius, Lucioperca sandra, Trigla hirundo. Von Dipnoern stand mir leider kein Material zur Verfügung ; es werden hier die nicht publi- zierten Befunde Hatscheks an Protopterus angegeben. SelachJer. Bei den Selachiern sehen wir die ursprünglichsten Verhältnisse einer wohl ausgebildeten und deutlich abgegrenzten Bauchmuskulatur. Diese Trennung wurde von Goett£(3) bei Selachierembryonen schon beschrieben. Er gibt eine Trennung der Stammuskeln von einem Bauchmuskel an, dessen Fasern oben schräg und unten horizontal verlaufen und dessen verdünnter Ra,nd kaum merklich über den der Stammuskel übergreift. Er erwähnt aber nicht, daß diese Son- derung auch beim erwachsenen Selachier deutlich zu sehen ist. Es tritt keineswegs eine- Verschmelzung mit der Stammuskulatur (Rückenmuskel) ein. Wenn man die Cutis wegpräpariert, findet man eine derbe bindegewebige Faszie, welche zu beiden Seiten des Rumpfes stärker entwickelt ist als an der Bauchseite. Diese Faszie läßt sich sehr schwer entfernen; doch erleichtert sich die Unter- suchung dadurch sehr, daß man frisches unkonserviertes Material kurze Zeit kocht. Dadurch verleimt das Bindegewebe und die Mus- kulatur ist in allen ihren Teilen frei zu präparieren (Fig. 1). Wir sehen beiderseits äußerlich die Grenze der Bauchmuskulatur von der Brustflosse zur Bauchflosse deutlich gegeben, da die darüber gelegene Rückenmuskulatur einen geraden Faserverlauf von vorn nach hinten zeigt, während die Bauchmuskulatur schräg von hinten oben nach vorn unten zieht. Ventralwärts geht die schiefe Faser- richtung immer mehr in einen geraden Verlauf über, so daß wir, das Objekt von der Bauchseite betrachtend, einen geraden Faser- verlauf vom Schultergürtel bis zum Becken beobachten. Die Masse der Bauchmuskulatur sieht man vom Schultergürtel an langsam ab- nehmen. Auf einem Querschnitte durch das Objekt (Fig. 4) sehen wir die Grenze der Bauchmuskulatur durch eine schief von außen nach innen herunterziehende Faszie gegeben, an der die Kästchen des Rückenmuskels mit denen des Bauchmuskels fast rechtwinkelig zusammenstoßen. Rechts und links, ungefähr in der Mitte der Innen- fläche jeder Hälfte der Bauchmuskulatur, verläuft eine Vene. Diesen (211) Karl Knauer: ganzen hier beschriebenen Muskelkomplex bezeichnete Anton Schneider (10) irrtümlich als Rectus, wobei er außer acht ließ, daß die Fasern dieser Muskulatur seitlich ausgesprochen schräg ver- laufen. Dieser schräge Verlauf ist sonst in der Literatur überall be- schrieben [Goette(3),Gegenbaur(2)Wiedersheim(12), Maurer (6, 7)]. Aus GoETTES Darstellung und der von ihm gegebenen Tabelle erhellt, daß er bei den Selachiern nur Muskel der „inneren Segment- schichte" angibt, und zwar im Rückenteil eine obere und untere Hälfte der Stammzone (über, respektive unter der Rippenlinie be- findliche Rücken- und Schwanzrauskeln) , im Bauchteil als Reprä- sentant den mittleren Bauchmuskel. Letzterer zerfällt in drei Ab- schnitte (Muse, sternohyoideus und geniohyoideus , Muse, rectus ab- dominis, der letzte [Fortsetzung in den Schwanz] ist ihm fraglich). GoETTE bezeichnet also auch gleich Schneider den Rumpfab- schnitt des sich über die Rückenmuskulatur schiebenden Muskels als Rectus abdominis. Dieser Bezeichnung kann aus dem oben angege- benen Grunde nicht beigestimmt werden. Wenn Gegenbaür sagt, daß bei Selachiern der dorsale Teil der Ventralmuskulatur noch einen geraden Faserverlauf behält, während ventralwärts die Fasern eine schräge Richtung einnehmen, so ist nach unserer früher dargelegten Auffassung jener dorsale Teil Rückenmuskulatur. Das gleiche gilt auch für die Beschreibung Maurers (6) und Humphreys (4). Der letztere nahm ebenfalls bei den Haifischen die Trennung der dorsalen und ventralen Muskulatur durch die Seitenlinie an und teilt die letztere wieder in einen latero- ventral' und einen raedio- ventral -part ein. Der medio- ventral -part entspricht dem „ventralen Teil" der Ventralmuskulatur in der Darstellung Gegenbaürs, Maurers und Wiedersheims, nach unserer Auffassung dagegen der ganzen Bauchmuskulatur. Von Belang ist, daß in der ganzen Rumpfregion der Bauch- muskel .sich seitlieh über den Rückenmuskel schiebt (Fig. 3, 4, 5), ein Verhalten, welches schon an Embryonen zu konstatieren ist. Die Faszie des Bauehmuskels geht in die des Rückenmuskels über. Als Fortsetzung der Bauch muskulatur nach vorne gibt schon Schneider den parietalen Muse, sternohyoideus und den visceralen Sternobranchialis an. Goette nennt den Sternohyoideus und Genio- hyoideus als Fortsetzung. — Die Bauchmuskulatur setzt sich in ihrem unteren gerade verlaufenden Teile vorne an den Schulter- gürtel an. Der seitlich schräg verlaufende Teil setzt sich zum Teil in die Muskulatur der Brustflossen fort, zum Teil zieht er ventral- wärts ebenfalls zum Schultergürtel. Vom Schultergürtel an beginnt, (212) Die Bauchmnskulatur der Fische. 7 etwas seitlich über die Enden der Flossenmuskulatur gelagert, die gerade Halsmuskulatur, aus zwei Hälften bestehend, welche in ihrem Faserverlauf erst konvergieren, dann aber sich in geradem Faserverlauf bis zum Zungenbein erstrecken (Muse, sternohyoidei). Sie werden zum größten Teile beiderseits überdeckt von den visceralen Muse, geniohyoidei, die bis vorn an das Kinn ziehen. Oberflächlich unter der Cutis spannt sich der Muse, mylohyoideus (Constrictor superficialis Vetter) in strahlenförmig von der Mittellinie nach beiden Seiten konvergierenden Fasern über die früher beschriebene Musku- latur. Am Sternohyoideus kann man zwei Partien unterscheiden, eine ventrale, die sich bis zum Zungenbein fortsetzt, und eine dor- sale, welche sich in Bündel teilt und mit diesen an die Kiemen- bogen ansetzt. Diesen dorsalen Teil bezeichnet Schneider als S ternobranchialis. Wie schon früher bemerkt, geben die meisten Autoren eine Fortsetzung der Bauchmuskulatur in den Schwanz an. Sie werden dazu veranlaßt, weil sie die obere Begrenzung derselben äußerlich durch die Seitenlinie gegeben sehen , welche ja bis an das hintere Körperende zu verfolgen ist. Diese Angabe bezieht sich natürlich auch auf die Selachier. Goette (3), dem die Fortsetzung des mitt- leren Bauchmuskels (welcher nach unserer Anschauung bei den Selachiern überhaupt der ganzen Bauchmuskulatur entspricht) in den Schwanz fraglich erscheint, begründet diese Ansicht mit einem Befund an reifen Mustelusembryonen, wo eine Fortsetzung des sich hier stark über die Stammuskulatur schiebenden Bauchmuskels in den Schwanz vorgetäuscht werde, tatsächlich aber nicht stattfinde. Da mir embryonales Material nicht zur Verfügung stand, unter- suchte ich große Exemplare von Acanthias und kam zu dem Re- sultate, daß eine Fortsetzung in den Schwanz tatsächlich vorliegt. Allerdings läßt der Augenschein bei oberflächlicher Betrachtung diese Fortsetzung nicht deutlich erkennen, weil die in der Rumpf- region scharf erkennbare Grenzlinie nur bis zur seitlichen Ansatz- stelle der Bauchflossenmuskulatur zu verfolgen ist (Fig. 1). Entfernt- man aber vorsichtig die Flossenmuskulatur, so sieht man die Grenz- linie weiter in die Schwanzregion verlaufen, wobei zu bemerken ist daß sie sich hinter der Beckeugegend allmählich mehr ventralwärts wendet, so daß die ganze Baacbmuskulatur vom Becken an immer mehr an Breite abnimmt. Eine einfache Überlegung läßt auch das^ verschiedene Bild der Querschnitte aus Rumpf- und Schwanzregion leicht deuten. Während wir nämlich in der Rumpfregion die Be- grenzungsfläche der Rücken- und Bauchmuskulatur (das Interstitium (213) 8 Karl Knauer: sublaterale) schief von oben außen gegen die Leibeshöhle herunter- ziehen sehen, sehen wir dieselbe in der Region hinter dem Becken von außen unten aufwärts steigen (Fig. 4, 6,7). Stellen wir uns vor. daß die Begrenzungsüäehe sich dreht, und zwar mit dem äußeren Rande mehr als mit dem inneren (und das geschieht in der Tat dadurch, daß die äußere Begrenzungslinie immer mehr ventralwärts zieht), so sehen wir die Lage der Begrenzungsfläche in der Schwanz- region erklärt. Was die Verhältnisse in der Beckenregion anbelangt, so sehen wir die an der Ventralseite gerade vom Schultergürtel zum Becken verlaufenden Fasern sich zum größten Teile an diesem festsetzen. Rechts und links gehen die oberflächlichen Partien in die Musku- latur der Bauchflossen, die seitlichen und tieferen seitlich, respektive unter dem Beckengürtel weg in die Schwanzregion über (Fig. 5). An der hinteren Fläche des Beckengürtels nehmen, durch den After voneinander geschieden, zwei Muskelzüge ihren Ursprung, die sich mit der aus der Rumpfregion in den Schwanz ziehenden Bauch - muskulatur vereinigen. Nur ein kleiner Teil dieser am Becken sich ansetzenden Muskulatur umgibt ringförmig den After als Aftei- schließmuskel. Vom Becken an zieht die Bauchmuskulatur, an Breite ständig abnehmend, bis zum hinteren Körperende. Oberflächlich ist die Trennung von der Rückenmuskulatur kaum mehr wahrnehmbar, während sie an den Querschnitten deutlich verfolgt werden kann (Fig. 6.7). Durch diese Befunde erweist sich auch die Angabe Schneiders, daß der Rectus (Schneider) der Elasmobranchier (siehe oben) sich nur bis zum Becken fortsetze, als unrichtig. Die ganze Bauchmuskulatur erscheint uns als ein einheitlicher Komplex, es ist keine Difierenzierung in einzelne Teile eingetreten. Ein Rectus ist nicht als abgegrenzt anzugeben, es sei denn, daß man jene Partie der Bauchmuskulatur, welche an das Becken be- festigt ist, als den einem Rectus abdominis entsprechenden Teil der Bauchmuskulatur bezeichnet. Den schiefen Verlauf der seitlichen Partien des Muskels kann man mit Gegenbaur, Wiedersheim und Maurer einen Verlauf im Sinne des Obliquus internus be- zeichnen. Störe. Betreffs der Störe (respektive der in der Literatur als Granoiden zusammengefaßten Formen) machen wir die interessante Bemerkung, daß sie von den Autoren hinsichtlich ihrer Muskulatur immer mit den Teleostiern zusammen behandelt werden, ein Modus, der inso- 1,214) Die Bauchmuskulatur der Fische. ferne befremden muß, als sich gar keine Übereinstimmung im Ver- halten der Muskulatur bei diesen Gruppen finden läßt. Vielmehr zeigen sowohl ein Präparat der ganzen Muskulatur, als auch die Querschnitte bei den Stören große Analogien mit den Verhältnissen bei den Selachiern (Fig. 8—14). Die Bauchmuskulatur ist ebenfalls über die Rückenmuskulatur geschoben und zeigt auch in ihren seit- lichen Partien denselben schrägen Verlauf nach vorn unten (nicht wie Gegenbaur angibt, umgekehrt), welcher ventralwärts allmählich in einen geraden Faserverlauf übergeht. Sie hat ihre größte Breite dicht hinter dem Schultergürtel, wo ihre obere Begrenzung durch die aufgekrümmten Enden der vordersten Rippen markiert wird (Fig. 11). Von dort sehen wir die schräg herabziehende Bauchmus- knlatur zum Teil sich am Schultergürtel festsetzen; zum Teil geht sie allmählich in einen geraden Faserverlauf über und setzt sich, vereinigt mit den gerade verlaufenden Fasern des ventralen Teiles, in zwei getrennte gerade verlaufende Halsmuskeln (Sternohyoidei) fort. Diese sind vorne am Zungenbein befestigt (Fig. 89, 10). Anton Schneider gibt bei den Ganoiden einen Rectus an, welcher vom Beckenknorpel bis zum Zungenbein reicht. Dieser von ihm als Rectus bezeichnete Muskel entspricht (analog seinem Rectus der Haifische) dem ganzen, von uns als Bauchmuskulatur bezeich- neten Teil der Körpermuskulatur. Schneider erwähnt auch die durch die Faszie gebildete deutliche Grenzfläche gegen den Rücken- muskel. Er konnte hier eher von einem Rectus sprechen als bei den Selachiern, weil der seitliche Faserverlauf namentlich in der hinteren Rumpfregion nicht so ausgesprochen schräg ist als bei diesen. Seine Angabe, daß dieser „Rectus"' sich nur bis zum Becken er- streckt, läßt sich nicht anders erklären, als daß Schneider, der ja nie den Begriff einer Bauchmuskulatur gebraucht und nur zwischen Rückenmuskel und Rectus unterscheidet, die Muskulatur nicht in den Schwanz verfolgt hat. Der Übergang in den Schwanz ist bei den Stören wegen der geringen Größe der Beckenknorpel noch augenfälliger als bei den Selachiern und ebenso wie bei diesen nimmt hier die Bauchmuskulatur immer mehr an Breite ab. Zu bemerken ist, daß die Bauchmuskulatur hinter dem Schulter- gürtel in der ventralen Medianlinie etwas auseinanderweicht (Fig. 12). Die sich an die Beckenknorpelstücke ansetzenden Muskelpartien könnten im Sinne des Rectus abdominis der Teleostier und Dipnoer gedeutet werden. Eine Zusammensetzung der Bauchmuskulatur der Störe aus zwei Schichten, wie sie von Gegenbaur und Wieders- heim angegeben wird, konnte ich nicht finden.- Die Bauchmnsku- Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 3. 15 (215) 10 Kar] Knauer: latur der Störe besteht vielmehr aus einer einzigen, nicht weiter differenzierten Schichte, welche sich über die Rückenmuskulatur schiebt. Teleostier. Die Verhältnisse bei den Teleostiern sind weit komplizierter als bei den Selachiern und Stören. Die allgemein in der Literatur vertretene Ansicht ist, daß die ventrale Muskulatur bei den Tele- ostiern bereits einen Fortschritt in der Schichtenentfaltung aufweist. Die oberflächlichen Fasern nehmen hier jedoch den umgekehrten Verlauf gegenüber jenen bei den Selachiern, indem sie zwar schräg, allein ventral- und schwanzwärts verlaufen. Die tiefere Faserschichte zeigt entgegengesetzten Verlauf (GtEGEnbaur, Wiedersheim). Zu einer scharfen Schichtenbegrenzung ist es nach Gegen baür aber auch hier noch nicht gekommen; außerdem wird ein bis zum Beckengürtel sich erstreckender Rectus als deutlich abgegrenzt an- gegeben. Diese Ansicht stimmt auch mit den Befunden Goettes an Teleostierembryonen überein, nur daß Goette diese Sonderung der Muskulatur (bis auf den Rectus) auf das embryonale Stadium beschränkt wissen wollte und ein späteres Verschmelzen derselben zu den beiden Seitenrumpfmuskeln annahm. Bei Schneider finden wir nur einige Bemerkungen über den Rectus der Knochenfische und über die Fortsetzung der Muskulatur in die Kopfregion. Gegenbaur homologisiert die innere Schichte der Muskulatur der Teleostier mit der äußeren der Selachier und vermutet, daß dieses verschiedene Verhalten mit dem der Rippen im Zusammenhange steht, indem diese bei den Selachiern, nicht zur vollen Ausbildung kommend, lateral zur Oberfläche treten , während ihre Ausbildung bei den Teleostiern in die Bauch wand erfolgt. Diese Erklärung ist inso- ferne ganz unzulässig, weil die Selachierrippe im Interstitium late- rale liegt und zu der schräg verlaufenden Muskulatur in gar keiner Beziehung steht, sondern eine Beziehung nur zu der gerade ver- laufenden Rückenmuskulatur aufweist. Gegenbaur ist also nicht zu dem Ausspruche berechtigt, daß die Rippen in homologen Schich- ten liegen. In der Ablenkung vom geraden Verlauf soll sich nach Gegenbaur in beiden Schichten eine Leistungssteigerung der Mus- kulatur der Bauch wand ausdrücken , welche dadurch eine kräftige Wirkung auf den Inhalt des Rumpfcoeloms auszuüben vermag. Die zu Beginn dieses Kapitels angedeutete allgemein herr- schende Ansicht kann aber nur dann plausibel erscheinen, wenn man auch die Ansicht ihrer Autoren über den Begriff" der Bauchmusku- (216) Die Bauchmiiskulatur der Fische. 11 latur teilt. Wir haben als solche nur den Teil der Körpermusku- latur bezeichnet, welcher gegen die Kopfregion zu einen Übergang in die gerade Halsmuskulatur zeigt. Wenn wir Vertreter der Tele- ostier auf diese Fortsetzung ihrer Bauchmuskulatur nach vorne untersuchen, so sehen wir, daß die oberflächliche, mächtig ent- wickelte Muskelschichte mit dem beschriebenen schrägen Faserver- lauf (abgesehen von geringen Beziehungen zum oberen Teil des Schultergürtels) bis an die Schädelbasis zu verfolgen ist, während die dünnere, in der Tiefe gelegene Schichte abwärts ziehend sich teilweise an den Schultergürtel ansetzt, teilweise vereinigt mit den geraden Muskeln der Bauchseite als gerade Halsmuskulatur bis an das Zungenbein zieht. Diese gerade Halsmuskulatur besteht aus zwei Hälften, zwischen denen sich meistens (Schneider) eine '^' Knochenplatte befindet. An diese setzen sich vorne an der Ventral- | Fig. A. Sehnen Sehnen löiochenplaüB Knochenplatte zwischen den beiden Hälften der geraden Halsmuskulatur von Luciojierca Sandra. ■geraderSals- musfiel -' lOiodienphäe )-Fi/oid Befestigung der geraden Halsmuskulatur am Zungenbein, ventral gesehen (Lxicio2)ercn Sandra). Seite zwei starke Sehnen an, welche sich an den Hyoidstücken des Zungenbeinbogens befestigen. Die Knochenplatte weist auch einen dorsalen Fortsatz auf, welcher ebenfalls durch eine Sehne mit der auf das Grlossohyale folgenden Copula verbunden ist (Fig. A). Mit diesen drei Sehnen ist die gerade Halsmuskulatur am Kiemenskelett befestigt (Fig. B). Die Angabe Schneiders, daß sich der Sternohyoideus aus zwei der Länge nach zusammengewachsenen Muskeln (Hyodorsalis und Hyoventralis) zusammensetzt, die als Fortsetzung des Rücken- muskels und des Rectus zu betrachten sind, ist dadurch zu ver- stehen, daß Schneider offenbar schon die oben erwähnte Fort- setzung der inneren Schichte (von ihm als Rückenmuskulatur auf- gefaßt) in die Halsmuskulatur bemerkte. 15* (217) 12 Karl Knauer: Xachdem wir uns darüber klar geworden sind, welche Teile der Körpermuskulatur in die gerade Halsmuskulatur zu verfolgen sind, gewinnen wir bei den Teleostiern den Eindruck, daß sich hier die Rückenmuskulatur über die Bauchmuskulatur schiebt, das um- gekehrte Verhalten wie bei den Selachiern und Stören (Fig. 15, 16, 17). Die oberflächliche Schichte der vermeintlichen ventralen Muskulatur ist, da sie sich an den Schädel fortsetzt, ein Teil der Rückenmuskulatur. Maurer (7) gibt bei Teleostierembryonen eine frühzeitige Differenzierung der ventralen Muskulatur in einen tiefer gelegenen Muskel, der sich wie der Obliquus internus der höheren Wirbel- tiere verhält, gegen die ventrale Medianlinie zu allmählich ge- streckten Verlauf annimmt und einen Rectus bildet, und in eine sich später bildende oberflächliche Schichte an. Diese zweite Schichte ist nach Maurers Angabe viel schwächer und sowohl im dorsalen als ventralen Bereiche der Seitenrumpf muskulatur vorhanden; von der bedeutend stärkeren medialen Schichte ist sie scharf durch eine Binde- gewebsschichte getrennt; in der dorsalen Körperhälfte verlaufen ihre Fasern gerade, während sie unter der Seitenlinie allmählich den Verlauf von dorsal -cranial nach ventral- caudal annehmen (Obliquus externus). Ventralwärts sollen auch die Fasern der ober- flächlichen Schichte geraden Verlauf annehmen und nahe der ven- tralen Mittellinie im Zusammenhange mit dem aus der tiefen Schichte entstandenen Rectus stehen. In diesen Verhältnissen der Bauchmuskulatur bei den Teleostiern sieht Maurer den Übergang zu jenen bei den Amphibien gegeben. — Ich vermisse bei dieser Darstellung eine Erklärung des definitiven Zustandes der Teleostier, den Maurer schon in einer früheren Arbeit (6) 'beschrieben hat und der gegen die oben beschriebenen Verhältnisse des jugendlichen Stadiums wesentlich abweicht. Wir sehen nämlich (Fig. C und Fig. 15 — 20) wohl dorsal und ventral von der Seitenlinie eine dünne oberflächliche Muskelschichte mit geradem Faserverlauf, welche sich schon durch ihre abweichende, meist rötliche Färbung deutlich von der übrigen Rückenmuskulatur abhebt. Dieser Muskel ist in seiner Mitte, die der Lage nach mit der Seitenlinie verläuft, etwas dicker, während er dorsal und ventral immer dünner wird. Er geht keineswegs mit seiner ventralen Hälfte in die schräge Muskulatur über, sondern überlagert sie. Entfernt man ihn, so sieht man die schrägen Fasern sich bis an das Interstitium laterale fort- setzen, während über diesem Interstitium die geraden Fasern des Rückenmuskels zu sehen sind. Der aufgelagerte Muskel wird als (218) Die BauchoiuskuJatur der Fische. 13 Seitenlinienmuskel (Gegenbau r) oder als ßectus lateralis bezeichnet. Seine Ableitung von der ventralen Muskulatur hält Gegenbaür nicht für sichergestellt. Am deutlichsten ist seine Abgrenzung auf den Querschnittsbildern zu sehen. Andererseits ist beim erwachsenen Teleostier auch nicht die von Maurer für das Jugendstadium angegebene Ausdehnung der schrägen Schichte bis hinunter zur ventralen Mittellinie und eine Verbindung der beiderseitigen Hälften zu konstatieren. An der Ventralseite tritt vielmehr die tiefere Schicht zutage und zieht, nachdem sie geraden Faserverlauf angenommen hat , nach vorne. Besonders deutlich fand ich diese Verhältnisse bei Trigla vor- liegen. Man sieht bei dieser Form den schrägen Rücken muskel von der tieferen Schichte, die einen umgekehrt schrägen Faserverlauf Fig. c. yfferaderBüch'ermiuske?, \Seilenlväe/i7rms/Bel sdirägerBüc^mm/stiel Scheiiiatische Darstellung der Lagerungsverhältnisse und des Faserverlanfes von Rücken- und Seitenlinienrauekulatur bei Teleostiern. hat, oberflächlich scharf abgegrenzt, indem nämlich hier die schräge Bauchmuskulatur (innere Schichte) in der vorderen Körperregion, in der Gegend der hier weit nach vorne verschobenen Bauchflosse sehr mächtig entwickelt ist und nur wenig unier der Grenzlinie des Seitenlinienmuskels schon an die Oberfläcbe tritt (Fig. 20). Der schräge Teil der Rückenmuskulatur ist in dieser Region sehr schmal, wird aber sehr bald breiter, so daß er in der Afterregion den hier gerade verlaufenden Bauchmuskel bis auf einen schmalen Streif beiderseits verdrängt hat. Diese beiden Streifen verschmelzen hinter dem After mit der Rückenmuskulatur und setzen sich so in die Schwanzmuskulatur fort. Auf den Befund Maurers an Teleostierembryonen zurück- kommend, möchte ich bemerken, daß es wünschenswert wäre, auch die weitere Difierenzierung der Bauchmuskulatur zu verfolgen unter (219) 14 Karl Knauer: steter Berücksichtigung der Verhältnisse beim entwickelten Tiere, da nur so die Verhältnisse der Differenzierung beim jugendlichen Stadium richtig gedeutet werden können. Ich will nun . von meinen Beobachtungen bei Trigla aus- gehend, noch die Fortsetzung der Bauchmuskulatur in den Schwanz, sowie einzelne Differenzierungen an dieser Muskulatur besprechen. Bei den Teleostiern ist die Bauchmuskulatur viel schlechter in den Schwanz zu verfolgen, da die Beobachtung der vom Rücken- muskel bedeckten Schichte ziemliche Schwierigkeiten bereitet. Diese wird nämlich von vorne nach hinten zu immer dünner und ist an den Querschnittsbildern nur bis in die mittlere Region des Körpers deutlich abgegrenzt zu sehen (Fig. 15, 16, 17). Durch Abtragen des schrägen Rückenmuskels konnte ich konstatieren, daß der Bauch- muskel noch in der Afterregion der Wand der Leibeshöhle anliegt. Seine weitere Fortsetzung in den Schwanz vermochte ich nicht zu sehen. Hinter der Afterregion nimmt die Muskulatur der x\fter- flosse den Raum zwischen den beiden ventralen Hälften der Rücken- muskulatur ein (Fig. 18). Auch die gerade Muskulatur der Bauch- seite wird durch das Herabrücken der Rückenmuskulatur auf einen immer kleineren Raum beschränkt. Ihren Übergang in den Schwanz, den ich schon oben bei Trigla erwähnt habe, kann man wohl ver- folgen, allein eine Begrenzung ist weder auf den Querschnitten, noch in einem Präparat der Muskulatur genau zu konstatieren. Bei dieser an der Ventralseite des Körpers gerade verlau- fenden Muskulatur kommt es zu einigen Differenzierungen. Ein Rectus ist beiderseits deutlich abgegrenzt, welcher sich von dem Schultergürtel bis zum Vorderende der Beckenknorpel erstreckt (Fig. 15, 16). Die Angaben der Literatur stimmen über den Rectus überein. Mit einer Lageveränderung der Bauchflosse (Pisces tho- racic! Gegenbaur) wird die Sonderung des Rectus am deutlichsten, allerdings ist seine Länge dann geringer. Hinter der Bauchflosse nehmen zwei in der geraden Bauch- muskulatur beiderseits der ventralen Mittellinie verlaufende, scharf gesonderte Muskelstränge ihren Beginn (Fig. 17). Diese wurden schon von CüViER(l)beim Barsch beobachtet und als muscles greles (schlanke Muskeln) beschrieben. Unter gleichem Namen beschrieb sie Vogt bei den Salmoniden (Embryologie des Salmones 1842), welcher auch den Rectus so nennt. Schneider rechnet sie zu den Flossenmuskeln. Nach den Ergebnissen meiner Untersuchung kann ich letzterer Auf- fassung nur teilweise beipflichten; man sieht nämlich die zwei Muskelstränge bis zum After parallel verlaufen und denselben ring- (220) Die Bauchrunsknlatur der Fische. 15 förmig umschließend in die Muskulatur der Afterflosse übergehen (Fig. 18). Ihre Bedeutung ist also danach klar, sie fungieren als Afterschließmuskel. Ein ganz ähnliches Verhalten sahen wir ja schon bei den Haifischen, wo hinter dem Becken zwei Muskelstränge den After als Schließmuskel ringförmig umgeben. Wenn wir die etwas komplizierteren Verhältnisse der Bauch- muskulatur der Teleostier rekapitulieren, so hat als Hauptunterschied gegen die früher besprochenen Gruppen zu gelten, daß sich hier die Rückenmuskulatur über die ßauchmuskulatur schiebt. Dieser Teil der Rückenmuskulatur, welcher schrägen (ventral-caudal gerichteten) Ver- lauf zeigt, ist deutlich an den Schädel zu verfolgen, während die in der Tiefe gelegene schräge Bauchmuskulatur (mit dem umgekehrten Verlauf) sich mit der geraden Bauchmuskulatur durch die gerade Halsrauskulatur bis ans Kiemenskelett fortsetzt. In der geraden Bauchmuskulatur kommt es zur Differenzierung eines deutlich ab- gegrenzten Rectus. Dipnoer. Die Angaben über diese Gruppe in der Literatur sind sehr ge- ring. Nur bei Schneider finden wir einige Befunde. Der Rücken- muskel zerfällt durch ein Interstitium laterale in eine dorsale und eine ventrale Hälfte. Letztere teilt sich vorne wieder : der dorsale Teil geht an den Schädel, der ventrale an das Zungenbein (Hyodor- salis Schneider). Der Rectus, welcher nach Schneider in der Mitte von gleicher Breite mit dem Rückenmuskel ist und mit seinem lateralen Rand nach außen vom Rückenmuskel liegt, verschmälert sich vorne und zieht, dem Hyodorsalis aufliegend, an das Zungenbein. Auch einen Sternobranchialisund Mylohyoideus erwähnt Schneider, bemerkt jedoch, daß ihm eine genaue Untersuchung aus Material- mangel nicht möglich war. Auch in der Monographie Hyrtls über Lepidosiren paracloxa (1845) sind schon Angaben über die Muskulatur und Abbildungen des Mylohyoideus, Rectus und Rücken- muskels gegeben. Wie ich schon früher erwähnte, stand mir kein Material für diese Gruppe zur Verfügung, Ich bringe deshalb die ni(;htpubli- zierten Befunde Hätscheks, welche in Querschnittsbildern (Fig. D, E, F) von Protopterus festgelegt sind. Das Verhalten der Muskulatur ist ähnlich wie bei den Tele- ostiern. Die Rückenmuskulatur schiebt sich beiderseits über die innere Schichte der Bauchmuskulatur, welche nur an der Ventral- seite zutage tritt. Ein Rectus ist beiderseits deutlich abgegrenzt (221) 16 Karl Knauer (Fig. D E). Gegen den Schwanz zu sehen wir die innere Baiich- muskelschiclite immer mehr an Ausdehnung abnehmen (Fig. F). In der Schwanzregiun ist die Bauchmuskulatur nicht mehr zu unter- scheiden. Wenn wir die Verhältnisse gegen vorne zu verfolgen, so sehen wir den Rectus immer breiter werden und auch die innere Schichte mächtig entwickelt. Dieses Verhalten steigert sich noch, so daß — oiFenbar verursacht durch die Entwicklung der Kopf- rippe — die Bauchmuskulatur bis zum Interstitium laterale hinauf Querschnitt durch die vordere Körperregiou Ton Profopierus annecfens. _Ra ^ Rectus, AV =: Kopfrippe. (Übrige Buchstabenbezeichung siehe Tafelerklärung.) entwickelt ist (Fig. D). Noch weiter vorn setzt sich die Rücken- muskulatur am Schädel an, während die Bauchmuskulatur abwärts zieht und sich am Kiemenskelett befestigt. Vergleichen wir diese Befunde Hatscheks mit jenen Schnei- ders, so sehen wir, daß Schneiders Beobachtungen im wesent- lichen richtig sind, wofern man in Rücksicht zieht, daß bei Schneider alles außer Rectus Rückenmuskulatur ist. Dann ist auch die Be- merkung, daß der Rectus mit seinem lateralen Rand nach außen dem „Rückenmuskel" aufliegt, gerechtfertigt (Fig. D). (222) Die Bauchmnskulatur der Fische. 17 Die Bauchmuskulatur der Dipnoer zeigt also die gleichen Ver- hältnisse wie die der Teleostier, bis auf die mächtige Entwicklung in der vorderen Körperregion. Wenn wir unsere Befunde zusammenfassend betrachten , so sehen wir, daß die einfachsten Verhältnisse bei den Haifischen vorliegen. Bei diesen zerfällt die Seitenrumpfmuskulatur durch mehrere (4) Interstitien in einzelne Teile. Von diesen Interstitien ist das Interstitium laterale äußerlich |am deutlichsten bezeichnet, und zwar durch die Seitenlinie. Außerdem sehen wir in der Rumpf- Querschnitt durch die mittlere Körperregion von Protopterus annectens. region auch das Interstitium sublaterale durch eine oberflächliche Grenzlinie angedeutet. Das Interstitium laterale kann aber nicht als Grenze zwischen Rücken- und Bauchmuskulatur betrachtet werden , weil auch ein unter demselben gelegener , ventral durch das Interstitium sublaterale begrenzter Teil der Körpermuskulatur sich nach vorn an den Schädel fortsetzt. Dieser ganze Muskelkom- plex, der sich am Schädel befestigt, ist Rückenmuskulatur und zer- fällt durch das Interstitium laterale in einen dorso- und ventrolate- ralen Teil. Der übrige Teil der Körpermuskulatur — unter dem (223) 18 Karl Knauer: Fig. F. Interstitium sublaterale — ist Bauchmuskulatur und setzt sich nach vorne durch den geraden Halsmuskel bis an das Zungenbein fort. Die Bauchmuskulatur schiebt sich lateral über die Rückenmusku- latur. Bei den Stören finden wir ähnliche Verhältnisse wie bei den Selachiern. Bei den Knochenfischen tritt uns ein anderes Verhalten entgegen , welches dadurch bewirkt wird, daß sich hier die Rücken- muskulatur über die Bauchmuskulatur schiebt. In der Schwanzregion ist keine Abgrenzung zwischen Rücken- und Bauchmuskulatur mehr wahrzunehmen. Die Dipnoer knüpfen nicht an die Ver- hältnisse der ursprünglichen Grruppen der Haifische und Störe an; sie zeigen vielmehr nahezu dieselben Verhältnisse wie die Teleostier. Es liegt hier, da ja keinerlei nähere Verwandtschaft zwi- schen Dipnoern und Teleostiern besteht, ein Parallelismus vor. Bei den Teleostiern und Dipnoern ist beiderseits ein Rectus deutlich abgegrenzt. Es handelte sich bei der uns ge- stellten Frage in erster Linie um eine Richtigstellung des Begriffes der Bauch- muskulatur, da für die allgemeine An- sicht, die Grenze zwischen Rücken- und Bauchmuskulatur im Interstitium late- rale gegeben zu sehen , kein anderer Grund vorliegt als die oberflächliche Andeutung dieser Grenze durch die Seitenlinie. Wir zogen dabei die Mus- kulatur Verhältnisse der Amphibien für die Beurteilung derjenigen der Fische in Betracht. Bei den Amphibien können wir nämlich eine durch das Interstitium laterale in einen dorso- und ventrolateralen Teil getrennte Rückenmuskulatur beobachten, die ihre vordere Ursprungsbefestigung am Schädel hat, und eine Bauchmuskulatur, welche sich durch den geraden Halsmuskel bis an das Zungenbein fortsetzt. Die genaue Untersuchung der einzelnen Fischgruppen in dieser Hinsicht ließ uns rücksiehtlich dieser zu den oben dargelegten Befunden gelangen. (32« Querschnitt dnrch die Aftfirregion von Protopterus annectens. A = aeymraetrisch gelegener After. Die Bauchmuskulatur der Fische. 19 Mit Rücksicht darauf, daß nur eine beschränkte Anzahl von Gruppen untersucht werden konnte und daß es für die Erkenntnis der Ableitung der Muskulaturverhältnisse der Amphibien von jenen der Fische unumgänglich notwendig wäre, umfassende embryologi- sche Studien über die Entwicklung und Differenzierung der Musku- latur bei Fischen und Amphibien anzustellen, ist diese Arbeit nur als vorläufiger Beitrag zur Myologie der Fische anzusehen. Literatur-Verzeichnis. 1. CuviEB und Valenciennes: „Histoire naturelle des poissons", I. Paris 1828. 2. C. Gegenbaur: „Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere", I.Band. Leipzig 1898. 3. Alex. Goette: „Die Entwicklungsgeschichte der Unke als Grandlage einer vergleichenden Morphologie der Wirbeltiere." Leipzig 1875. 4. Humphrey: „The mnscles of the sraooth Dog-Fish (Mustelus laevis)." Journ. of Anat. and Physiol. Vol. 1873. 5. T. H. Huxley: .,Handbuch der Anatomie der Wirbeltiere", deutsch von F. Ratzel. Breslau 1873. 6. F. Maurer: „Der Aufbau und die Entwicklung der ventralen Rumpf- muskulatur bei den urodelen Amphibien und deren Beziehungen zu den gleichen Muskeln der Selachier und Teleostier" (Morphol. Jahrb. Band 18, 1892). 7. F. Maurer: „Die Entwicklung des Muskelsystems und der elektrischen Organe." (Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbeltiere, herausgegeben von 0. Hertwig, III. Band, I. Teil.) Jena 1906. 8. J. F. Meckel: „Sj^stem der vergleichenden Anatomie", III. Teil. Halle 1828. 9. JoH. Müller: „Vergleichende AnatomiederMyxinoiden." Berlin 1835— 1845. 10. Anton Schneider: „Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte der Wirbeltiere." Berlin 1879. 11. Herm. Stannius: „Handbuch der Anatomie der Wirbeltiere." Berlin 1854. 12. R. Wiedersheim: „Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere." 5. Auflage. Jena 1902. Tafelerklärung. Die Figuren 1, 2 und D— F sind mit Genehmigung des Herrn Professor Hatschek nach dessen Zeichnungen angefertigt. Tafel I: Scijlliorhinus canicula. Figur 1. Oberflächliche Ansicht der Muskulatur (Rumpfregion). 5"^ = Seiten- linie, Gl = Grenzlinie zwischen Rückön- und Bauchmuskulatur (oberflächliche Be- zeichnung des Interstitium sublaterale), .S'c/t = Schultergürtel, £r/ = Brustflosse, Bf = Rückenflosse, Bf = BauchÜosse, Fm = Flossenmuskulatur. Figur 2. Fortsetzung von Rücken- und Bauchmuskulatur nach vorne. Schulter- gürtel, Brustflosse, Muskulatur der.selben, Visceralskelett und viscerale Muskulatur • (225) UQ Karl Knauer: Die Bauchmuskulatur der Fische. entfernt. 5 = Schädel, ^/h = Rückenmuskulatur, J5w = Bauchmuskulatur, Ghm =i gerader Halsmuskel, H = Herz. Die übrigen Bezeichnungen siehe Fig. 1. Figur 3. Querschnitt durch die Schulterregion. Ch — Chorda, Nl = Nervus lateralis, R = Rippen, Jl = Interstitium laterale, Id = Interstitium dorsale, Isl = Interstitium supralaterale, J* = Interstitium sublaterale, r=Vene. Figur 4. Querschnitt durch die Rumpfregion. In diesem Bilde ist die Kästohen- struktur (Schneider) der Muskulatur angedeutet. Bezeichnungen wie oben. Figur 5. Querschnitt durch die Beckenregion. Bk = Beckenknorpel. Figur 6. Querschnitt zwischen Becken und After, i^/ = Bauchflosse, Fm := Flossenmuskulatur, Am = Muskulatur des zur Begattung dienenden Anhanges der Bauchflosse. Figur 7. Querschnitt durch den Schwanz. Tafel II: Acipenser naccari. Figur 8. Fortsetzung der Rücken- und Bauchmuskulatur nach vorne. (Halb- schematisch.) Schädel und Kiemenskelett seitlich sagittal durchschnitten. Z^b = Zungenbeinbogen, Kb := Kiemenbogen, M = Mundhöhle. Figur 9, 10- Querschnitte durch die Schulterregion, aus denen die Fortsetzung der Bauchmuskulatur (Fig. 10, -B) in die gerade Halsmuskulatur (Fig. 9, Gh) erhellt. Übrige Bezeichnungen wie in Tafel I. Figur 11. Querschnitt hinter der Schulterregion. Figur 12. Querschnitt durch die Rumpfregion. Figar 13- Querschnitt in der Gegend der ßauchflosse. Figur 14. Querschnitt durch den Schwanz. Tafel III: Salmo fario (15—19), Triglu hirnmlo (20). Figur 15, It). Querschnitte durch die Rumpfregion. Bu = Rectus abdominis, Slrn = Seitenlinienmuskel. Figur 17- Querschnitt hinter den Bauchflossen. Mg =: Muscles greles (Cuvier). Figur 18. Querschnitt durch die Afterregiou. A = After, Afm = Afterflossen- muskel. Figur 19- Querschnitt durch den Schwanz. Figur 20- Muskulaturverhältnisse in der Rumpfregion von Trigla hirundo. (Zwischen den hier sehr weit vorne gelegenen Bauchflossen und Aftergegend. j Be- xeichnungen wie oben. Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. Von Franz Staff. (Mit 2 Tafeln.) Einleitung. In der überaus wichtigen Frage der Organbildung bei den Oligochäten, die für die Phylogenie dieser Gruppe von großer Be- deutung ist, besteht seit dem Erscheinen der berühmten Anneliden- Arbeit von Hatschek (17) eine umfangreiche Literatur, die sich vorwiegend auf die Nephridienentwicklung bezieht. Das schwierige Objekt bietet bei den obigen Untersuchungen ein noch immer nicht überwundenes Hindernis, daß man zu einer glücklichen Lösung der Probleme gelangen könnte. Die großen Gegensätze, welche in den Resultaten der Untersuchungen verschiedener Forscher zutage treten, lassen es notwendig erscheinen, in diesen Widerstreit Licht zu bringen. Die Fragen, auf die sich die vorliegende Arbeit bezieht, be- treffen hauptsächlich die Entwicklung der Nephridien, außerdem (dies hängt mit der Eigentümlichkeit der Entwicklung bei den Oli- gochäten zusammen) muß auf die Frage der ersten Anlagen des Bauchraarks, der Längs- und Ringmuskulatur eingegangen werden. Nebenbei soll auch die Frage der Borstenentwicklung berührt werden, obwohl ich auf die ersten Anlagen derselben meine Auf- merksamkeit wenig lenkte. Über die von R. S. Bergh beschriebenen sogenannten Kopfnieren kann ich nichts Bestimmtes aussagen, denn, obwohl ich die von ihm an Totalansichten gefundenen und gezeich- neten Röhren, sowohl an lebenden als auch an konservierten Em- bryonen beobachtete, bin ich leider zu keinen bestimmten Ergeb- nissen an den Schnitten gelangt. (227) 2 Franz Staff: Bevor ich zur Darstellung meiner eigenen Untersuchungen und Befunde übergehe, will ich ein Bild der Forschungen und Anschau- ungen meiner Vorgänger entwerfen, wobei ich die wichtigste, sich auf die Organogenese der Oligochäten und teilweise der Polychäten beziehende Literatur berücksichtigen will. Den Untersuchungen an Regeneraten schenke ich dabei nur wenig Aufmerksamkeit. Im nachstehenden, historischen Teile sollen die bisherigen Un- tersuchungen nur in groben Umrissen geschildert, auf Spezielles soll erst im Laufe des dritten Teiles gelegentlich eingegangen werden. I. Historischer Überblick. Die erste histologische Untersuchung über Annelidenentwick- lung stammt von Kowalewski (23). Sie kommt jedoch für uns weniger in Betracht, da es sich ihm hauptsächlich um die Keim- blätterdiffereuzierung handelte, eine Frage, über die damals, zur Zeit des Werdens der Keimblättertheorie, am eifrigsten diskutiert wurde. Organogenetische Befunde sind in dieser Arbeit weniger berück- sichtigt worden und die Schilderung der Nephridienentwicklung ist sogar sehr dürftig. Es sollen nach Kowalewski die Segmental- organe durch Faltung der Dissepimente entstehen und erst später mit der Haut in Verbindung treten. Er nimmt also eine intraperi- toneale Entstehung derselben an. Die späteren Untersuchungen führten hinsichtlich der Nephri- dienentwicklung zu Gegensätzen, die ich als zwei sich widerstre- bende Ansichten auffasse; Die eine Ansicht, von Hatschek, Wilson, E. Mayer und Vejüovsky (in späteren Arbeiten) vertreten, nimmt: 1. eine retroperitoneale Anlage des Schieifenkanals, 2. eine kontinuierliche Verbindung der jungen Nephridien- anlagen in einem Strang (mit Ausnahme von Meyer) an. Unter diesen Forschern bestehen noch Differenzen, auf die ich bei der speziellen Besprechung eingehen will. Die andere Ansicht, von R. S. Bergh aufgestellt und ver- treten, leitet das ganze Nephridium samt dem Trichter von einer, im Coelom an de)" Grenze von Septum und Hautmuskelplatte ge- legenen Zelle ab („Trichterzelle" Hatscheks und Berghs, später von letzterem „Nephridioblast" genannt). Die erste Arbeit, die streng Organogenetisches brachte, war die oben erwähnte Annelidenarbeit von Hatschek (17). Den ganzen Mesodermstreifen samt allen Organen , wie Segmentalor- gane, Muskulatur und Borsten, leitet Hatschek ausschließlich von (328) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoflfmstr. 8 zwei hintengelegenen Zellen („Urmesodermzellen") ab. „Die Seg- mentalorgane entwickeln sich" bei Criodrilus nach Hatschek „aus Zellgruppen der Hautmuskelplatte, welche unmittelbar unter dem Ektoderm liegen, und von der Leibeshöhle durch endotbelartige Zellen der Hautmuskelplatte getrennt sind. Die Mesoderm verdickungen, welchen die Segmentalorgane ihren Ursprung verdanken .."„.... . . . lassen sich als kontinuierliches Gebilde durch eine Reihe von Segmenten verfolgen. " Diese kontinuierliche strangförmige Verdickung des somatischen Blattes, welche seitwärts von den ersten Muskel- fibrillen längs des ganzen Körpers verläuft, sondert sich später nach Hatschek segmentweise in schleifen förmige Anlagen der Nephridien. Der Trichter und der Schleifenkanal sind getrennten Ursprungs; der erstere entwickelt sich aus einer auffällig großen Zelle der vorderen Dissepimentwand (Hatscheks „Trichterzelle"). Erst sekundär wächst der Schleifenkanal in der Leibeshöhle hinein, wobei er den peritonealen Überzug bekommt. Da der ganze mittlere Teil des Nephridiums sich unter 90" in die Leibeshöhle biegt und aus- zieht, bewahren beim erwachsenen Tier nur der Anfangskanal und die Endblase den ursprünglichen, longitudinalen Charakter, indem sie in einer zur Längsachse des Körpers parallelen Linie liegen bleiben. Ein neues Licht warf auf die Frage der Nephridienentwick- lung die Arbeit über Lumbricus von "Wilson (47, 48), der außer den bis dahin bekannten zwei großen Urmesodermzellen eine Acht- zahl von „Teloblasten" (vier jederseits) entdeckt hat. Die Teloblasten, die er vom Ektoderm herleitet, liegen am hintersten Ende des Em- bryo (jedenfalls vor den großen Urmesodermzellen) zwischen Ekto- derm und Mesodermstreifen und setzen sich durch exzentrische Kno- spung nach vorne in vier Zellreihen, die im Ektoderm eingebettet liegen, fort. Wilson glaubt nachgewiesen zu haben, daß die „Te- loblasten" und die jungen Zellreihen ganz oberflächlich liegen, gar nicht vom Körperepithel bedeckt. Das innere Reihenpaar ist die Anlage des Bauchmarks („Neuralreibe", aus dem „Neuroblast" hervorgegangen). Aus den zwei weiteren (zweiten und dritten) Reihen läßt Wilson die Nephridien entstehen („Nephridiostichs" mit „Nephridioblasten"). Der äußeren Reihe beiderseits, über deren Bedeutung AVilson zu keinem Schlüsse gekommen ist, gibt er den indifferenten Namen „Lateralreihe". Wir sehen, daß Wilson, ebenso wie Hatschek die Ne- phridien retroperitoneal entstehen läßt, und zwar wieder nur allein den Schleifenkanal, wobei er den Trichter aus dem „Mesoblast" ab- (229) 4 Franz St äff: leitet. Der Tricliter bildet sich aus einer großen Zelle der vor- deren Dissepimentwand. Der Schleifenkanal entsteht durch Zerfall der Nepbridiostiche in kleinere Zellstränge, die segmentweise in die Leibeshöhle einwachsen. Der wesentliche Unterschied zwischen der WiLsONschen und HATSCHEKschen Auffassung in beziig auf die Herkunft des Nephridialgewebes liegt darin, daß Hatschek das ganze retroperitoneale Gewebe, den kontinuierlichen Strang, der später die Nephridien liefert, als eine Verdickung des somati- schen Blattes auffaßt; nach AVilson dagegen stammt dasselbe in Form zweier Zelistränge von besonderen, hinten gelegenen Polzellen. Auf das Schicksal der anderen WiLsoNschen Zellreihen, die Hat- schek bei Criodrilus nicht fand, komme ich noch im Weiteren zu sprechen. Ve.jdovsky, der in seinem ersten Hauptwerke (System und Morphologie der Oligochäten [41]) und in den ersten zwei Lieferungen seiner „Entwicklungsgeschichtlichen Studien" die unten zu be- sprechende Ansicht R. S. Berghs über die Nephridienentwicklung teilte, beschreibt in der dritten Lieferung des letztgenannten Werkes (45) und in den späteren Arbeiten bei Lumbriciden Verhältnisse, die im wesentlichen mit der Wilson sehen Entdeckung überein- stimmen. Das Vorhandensein der vier Zellreihen Wilsons be- stätigt er vollkommen; es erweist sich jedoch ein Unterschied in der Deutung der einzelnen Reihen. Und zwar nimmt Vejdovsky, die erste Reihe mit Wilson als Neuralreihe an, hingegen betrachtet er als Anlagen der Nephridien nur die zweite Reihe, der er aus- schließlich den Namen „Nephridiostich" verleiht. Seine die.sbezüg- lichen Anschauungen zusammenfassend (45) schreibt er: „Eine Zelle des Nephridiostichs vergrößert sich und stellt die von Bergh als „Trichterzelle" bezeichnete allerjüngste Anlage vor. Diese dringt in das sich bildende Segment ein, teilt sich der Reihe nach, ohne an ihrer Größe abzunehmen, und dringt schließlich auf die vordere Fläche des Dissepiments durch, wo sie die Anlage des Trichters bildet." Das ganze Nephridium samt dem Trichter ist also nach Vejdovsky retroperitoneal angelegt. Bevor noch Vejdovsky die WiLsoNschen Zellreihen der Lumbriciden bekannt waren , schrieb er bei Gelegenheit der Rhynchelmisentwicklung (44), daß das Mesoderm durch eigenartige Wucherungen zur Stärkung des Ektoderms beiträgt. In seiner letzten Rhynchelmisarbeit (46) vermutet er, daß die Wucherungen mit den Zellreihen'' identisch seien , deren Vorhandensein bei den Lum- briciden schon mehrseits und wiederholt bestätigt wurde. Was (•230) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum HofFmstr. 5 die Nephridienentwicklung bei Rhynchelmis betrifft, bedarf es nach Vejdovsky einer neuen Untersucbung, um die Beziehung derselben zu den Zellreihen zu prüfen. Allen diesen bis jetzt besprochenen Ansichten steht die von Bergh (7, 8, 9, 10) gegenüber. Der Gegensatz erscheint umso schroffer, weil seine Behauptung sich auf die Befunde bei denselben Arten stützt, welche von den obenerwähnten Forschern zur Untersuchung benützt wurden. Es liegt uns also zweifellos ein Untersuchungs- fehler vor, der von der einen oder anderen Seite begangen wurde. Die chronologisch der Hatschek sehen Arbeit über Criodrilus (17) nächstfolgendeArbeitBERGHS ebenfalls über Criodrilus (7) bringt Tatsachen vor, die mit der ÜATSCHEKschen Auffassung im direkten Widerspruche stehen. Da wir uns im weiteren noch ausführlich mit dieser Arbeit befassen müssen , beschränke ich mich vorläufig auf die kurze Zusammenfassung , die vom Autor formuliert wurde : „Segmentalorgane bei Criodiilus entstehen ganz und gar in der Haut- muskelplatte und die Anlage eines Segmeutalorganes , wenn auch noch so jung, hat zu den entsprechenden Anlagen der vorherge- henden Segmente keine Beziehung, steht mit ihnen in keinem Zu- sammenhange. Trichter-, Schlingen- und Endabschnitt jedes Segmen- talorgans differenzieren sich aus einer vom Anfang an gemeinsamen, einheitlichen Anlage heraus. Der Trichter bildet sich jedenfalls hauptsächlich aus einem zelligen Material, das durch die Teilungen der Trichterzelle entsteht." Diese Trichterzelle entspricht der von Hatschek an derselben Stelle gefundenen Dissepimentzelle. Über die Bildung des Peritonealüberzuges kann Bergh nichts vollstän- diges mitteilen. „Der Peritonealüberzug scheint zunächst in Form einzelner zerstreuten Zellen aufzutreten, die erst später zu einem zusammenhängenden Häutchen sich verbinden." Gegen die WiLsoNsche Angabe über die vier Zellreihen ver- wahrt sich Bergh aufs schärfste; nachdem die späteren Unter- suchungen von Wilson (48) die früheren Befunde aufs neue be- stätigten, erschien eine neue Untersuchung Berghs über Lum- briciden. In dieser Arbeit (9) bestätigt er das Vorhandensein dieser Gebilde, fügt der WiLSONschen Entdeckung sogar eine schöne Tat- sache über die erste Entstehung einzelner Streifen hinzu. Aber in Hinsicht auf die Entwicklung^ der Nephridien äußert er sich auch hier wie früher. Die drei äußeren Zellreihen haben nach ihm mit den Nephridien nichts zu tun und sind Anlagen der ßingmusku- latur. (Er benennt sie das „äußere Myoblast" im Gegensatze zu dem „inneren" = Mesodermstreifen.) Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIII, Heft 3. ]^g (231) 6 Franz St äff: Die Arbeit über Criodrilus, die in einem äußerst scharfen polemischen Ton gehalten ist, hat dank der kategorischen und apo- diktischen Fassung einen solchen Einfluß geübt, daß man, ohne die HATSCHEKschen Befunde zu berücksichtigen, dem Criodrilus eine Sonderstellung in der Entwicklung unter den Oligochäten ver- liehen hat. Sollen die Bergh sehen Ansichten mit denen anderer Autoren verglichen werden, dann heißt es: Die Segmentalorgane sind intra- peritoneal angelegt, der Schleifenkanal samt dem Trichter entsteht aus einer Zelle, Beziehungen der fertigen Nephridien zu dem Ekto- derm sind sekundär. Vejdovsky, der anfangs dieser Ansicht zustimmte, hat später, wie ich schon oben auseinandergesetzt habe , für Lumbriciden die Auffassung Wilsons angenommen. Nur für Rhynchelmis wurde das nicht sichergestellt. Eine einheitliche, intraperitoneale Anlage der Nephridien wurde für diesen Oligochäten von Bergh und Vejdovsky angenommen. Die Zweifel Vejdovskys über Rhyn- chelmisentwicklung habe ich schon oben erwähnt. Neuerdings hat Bergh (10) bei Rhynchelmis getrennte Entstehung des Trichters und des Schleifenkanals beschrieben, indem die Oberlippe des Trich- ters nicht aus der „Trichterzelle", sondern aus einer Peritoneumzelle entstehen soll. In derselben Arbeit äußert Bergh seinen Zweifel über das bis jetzt angenommene Schicksal der Trichterzelle bei Criodrilus und Lumbriciden. Es erübrigt uns noch, die Angaben über Nephridienentwick- lung bei den Polychäten und Hirudineen zu erwähnen. Meyer (26) hat in seinem großen Werke über das Mesoderm der Anneliden noch im Jahre 1887 bei Psygmobranchus und bei Polymnia nebulosa die Entwicklung der Nephridien aus retroperi- tonealen Geweben und getrennte Anlagen des Trichters und des Schleifenkanals beschrieben. Das ganze Mesoderm hält er für ein genetisch nicht einheitliches Gebilde, indem ein Teil desselben vom Ektoderm stammt, und diese Tatsache führt ihn zur Annahme eines „primären" Mesoderms (ektodermalen Ursprungs) und eines den Ur- mesodermzellen entspringenden „sekundärenMesoderms". DerTrichter ist von einer vorderen Mesoderm verdickung des Dissepimentes ab- zuleiten, der Schleifenkanal entsteht aus einer einzigen retroperi- tonealen Zelle, die anfangs getrennt vom Trichter ist und erst sekundär mit ihm als Schleife in Verbindung tritt. — „Die Ne- phridialschläuche entstammen" nach Meyer einem retroperitonealen Gewebe und sind von den peritonealen Trichtern ontogenetisch ver- (232) Organogenetische Untersuchungen ülier Criodrilus lacuum Hoffmstr. 7 schieden. Die Trichter gehen hervor aus faltenartigen Erhebungen des Peritoneums, welche sich gegen die gesonderte Anlage des Nephri- dialschlauches hin nach hinten ausstülpen, mit den letzteren in Ver- bindung treten und sich mit einem inneren Wimperbesatz bekleiden. Whitman (50, 51, 52) war der erste, der durch seine Arbeiten über Clepsine die Aufmerksamkeit der Forscher darauf lenkte, ob auch nicht außerhalb der Hirudineengruppe die mesodermalen Ge- bilde von mehreren Polzellen geliefert werden. Seine Befunde für Clepsine sind mit den späteren Wilsons (47, 48) über Lumbricus fast identisch. Es sei noch auf die Befunde Hatscheks bei anderen Chae- topoden hingewiesen. Abgesehen von den Verhältnissen, die er bei Polygordius fand, wo die definitiven Nephridien aus den larvalen Kopfnieren durch deren Zerfall entstehen, muß die Aufmerksamkeit auf seine Echiurus- (18) und Sipimculus- (54) Arbeiten, die für die Stellung der Gephyrea im System von grundlegender Bedeutung sind, gelenkt werden. Zuerst kommt für uns die Echiurusarbeit in Betracht. Der Ursprung der sogenannten terminalen Nieren („Analblasen") war durch Ausstülpung vom Enddarm abgeleitet worden. Erst Hatschek hat nachgewiesen, daß die Homologie derselben mit den Segmen- talorganen anderer Anneliden keinem Zweifel unterliege. „Der End- darm ist nämlich durch die geräumige Leibeshöhle von der Haut- muskelplatte, in welcher die Anlagen der „Anal blasen" liegen, ent- fernt." Die retroperitoneale Lage verlieren die „Analblasen" durch allmähliches Vorrücken in die Leibeshöhle, wobei sie sich in ähn- licher Weise, wie es nach Hatschek auch bei Criodrilus der Fall ist, mit endothelartigem Peritonealüberzug umkleiden. Bei Sipunculus ist nach Hatschek die Entstehung der Ne- phridien aus retroperitoneal liegenden besonderen Anlagen, den soge- nannten „gelben Zellen", deutlicher als bei Echiurus ausgeprägt. Nachdem der historische Überblick erschöpft ist, will ich die sich hier aufdrängenden Fragen zusammenfassen : 1. Gibt es beim Criodrilusembryo außer dem Mesodermstreifen kein anderes embryonales Gewebe, das zwischen dem letzteren und dem Ektoderm liegt? 2. Entwickelt sich bei Criodrilus das ganze Nephridium samt dem Trichter aus einer einheitlichen oder aus gesonderten Anlagen '? 3. Was entwickelt sich aus der Trichterzelle? 4. Entstehen die Nephridialschläuche intra- oder retroperitoneal und wie kommt der peritoneale Überzug zustande? 16* (233) 8 Franz Staff: Das sind die Fragen, die wir beantworten wollen, und nach Präzisierung der Grenzen meiner Arbeit schreite ich nun zur Schil- derung meiner eigenen Untersuchungen und Beobachtungen, denen ich das Kapitel über Material und Methoden, die ich angewandt habe, vorausschicke. II. Material und Methoden. Das beschränkte Verbreitungsgebiet von Criodrilus war eine der Ursachen, daß dieser Wurm seit der Berg h sehen Arbeit nicht mehr von den sich mit diesen Fragen beschäftigenden Forschern, neuen Untersuchungen unterzogen werden konnte. Es waren bis 1907 nur vier Orte bekannt, in denen man ihn gefunden hat : Donau bei Linz, Donauauen bei Budapest, Tegelsee bei Berlin und der See Genezaret. Im Jahre 1907 gelang es meinem Kollegen Herrn cand. phil. Josef HöNiG, Criodrilus bei Wien im alten Donaubett aufzufinden, wo er auch schon früher von anderen Zoologen gesehen worden sein soll. Ich verdanke es meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Hatschek, daß ich nach seiner Schilderung die Laichplätze von Criodrilus auffinden konnte. Ich fand die Kokons in der von ihm geschilderten Weise um Grashalme gewunden und ich exploitierte in den Monaten Mai und Juni 1908 zahlreiche Laichplätze im „Kaiserwasser" am Überschwemmungsgebiet der Donau bei den soge- nannten „Kaisermühlen" in Wien. Die schon von Hatschek und Ve.idovsky genügend be- schriebenen, wurstförmigen Kokons habe ich an einem Ende an- geschnitten und den Inhalt mittels einer Pinzette ausgepreßt. Die im Eiweiß der Kokons eingebetteten Embryonen habe ich nach Ent- wicklungsstadien geordnet und fixiert. Bei der Untersuchung des Eiweißes hat es sich erwiesen, daß dasselbe eine Unmenge von Spermatozoen enthält. Eine ähnliche Beobachtung finde ich auch in Kowalewskis Arbeit über Euaxes erwähnt (23). Zur Fixierung verwendete ich vorwiegend Sublimatlösung mit einem S^/o Zusatz von Eisessig, und diese Fixierung hat sich als ausgezeichnet erwiesen. Die FLEM.AiiNGsche Chrom-Osmium-Essig- säure ist wenig geeignet, aber nur aus dem Grunde, weil sie dann nicht entfernt werden kann, da eine gute Durchwässerung infolge der Kleinheit der Objekte schwer durchzuführen ist. Dadurch bleibt die Osmiumsäure im Objekt und führt im Resultat den Zer- (234) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. 9 fall der Gewebe mit sich. Nach den Fragmenten zu schließen, die ich untersuchte, scheint sie sonst sehr gut zu wirken. Beim Fixieren mußte ich darauf achten, daß die tötende Flüssig- keit das Tier in einer wohlgestreckten Lage trifft, und deswegen mußte jeder Embryo einzeln behandelt werden. Auf diese Weise bekam ich genügendes Material, das ich dann zu Flächenpräparaten, Querschnitt- und sagittalen Längsschnittserien verwendete. Das fixierte Material wurde in 75'>/oigen Alkohol auf- bewahrt. Vor weiterem Behandeln der Embryonen mußte das verschluckte Eiweiß, das den ganzen Darm erfüllte, entfernt werden. In dieser Hinsicht mußte ich auch das Sublimatmaterial dem Flemmingschen vorziehen. Die Sublimatlösung wirkte nämlich auf das Eiweiß schrumpfend, so daß der ganze Embryokörper samt Entoderm sich von demselben in einer sehr günstigen Weise abgehoben hat. Da- gegen erschien das Eiweiß beim Flemmingschen Material (wahr- scheinlich wegen der Durchwässerung) aufgequollen, so daß der Embryo immer an mehreren Stellen aufgesprungen war. Die Präparation des Eiweißes habe ich unter dem Zeißschen Binokularmikroskop, das mir bei dieser Arbeit überhaupt sehr weitgehende Dienste geleistet hat, unternommen. Mittelst zweier feinen Lanzettnadeln habe ich den Embryo am Rücken aufge- schnitten, und nach der Loslösung einer Verbindung des Eiweißes, wahrscheinlich mit dem Inhalte des Pharynx bzw. der Mundhöhle, die Eiweißkugel herausgeholt. Nach einiger Übung gelang es mir schon bei Ausführung wiederholten leichten Druckes mit den Nadeln den Embryo ohne jedwede Beschädigung oder Verletzung vom Ei- weiß zu befreien und auf diese Weise zur weiteren Behandlung ge- eignet zu machen. Später habe ich die Embryonen in Pikrokarmin oder Borax- karmin vorgefärbt. Zur Anfertigung der Flächenpräparate habe ich die Ento- dermzellenschichte des Darmes entfernen müssen, und dies geschah in der Weise, daß ich, mit der einen Nadel den Embryo, ohne ihn mit der Nadelspitze zu berühren, hielt und mit der anderen die letzten Reste des Entoderms entfernte. Damit war die Präparation zu Ende und nach Durchführen durch Alkohole, Xylol und nach Ein- schließen im Damarlack war auch das Flächenpräparat fertig. Für die Schnittserien habe ich das Entoderm nicht entfernt. Für Querschnitte und sagittale Längsschnittserien habe ich dieHeiden- hainsche Eisenhämatoxylinfärbung verwendet. Diese war deshalb (235) 10 Franz Staff: vorteilhafter als jede andere, da sie mir, außer der intensiven Nu- cleolus-, Chromosomen-, Spindel- und Zentralkörperchenfärbung, auch die kleinen Granulationsnüancen des Plasmas wiedergab. Vor allem aber zog ich die Färbung vor, da sie eine deutliche Tinktion sogar der feinsten Muskelfibrillen bewirkte, eine Tatsache, die sich bei der Orientierung sowohl auf Querschnitten, als auch auf Längs- schnitten von groi3em Werte erwies. Bei der Nephridienuntersuchung bediente ich mich einer Me- thode, die mich zu ganz unzweideutigen Befunden führte : nämlich der RekoDstruktionsmethode. Da ich Embryonen untersuchte, deren Länge mit 05 mm begann, war es äußerst schwer, bei großer Zahl von kleinen, aufeinanderfolgenden und ähnlichen Segmenten mit voller Sicherheit an den Längsschnitten zu entscheiden, welches Segment dem am vorhergehenden Schnitte untersuchten entspricht, ^u diesem Zwecke habe ich jeden Schnitt aus einer vollständigen Serie mit Zeißschem Zeichenapparat (Obj. E. Oc. 4) gezeichnet und nachher diese großen Bilder aufeinandergelegt. Auf diese Weise gelang es mir, nicht nur die gewünschten Segmente aufzufinden, ich konnte sogar die Fortsetzung der angeschnittenen Zellen auf anderen Schnitten verfolgen. Außer dieser Methode habe ich eine andere angewandt. Ein mit Zeichenapparat abgebildetes Flächenpräparat habe ich nach- träglich eingebettet, geschnitten und verfuhr dann wie bei der oben erwähnten Methode. IM. Eigene Beobachtungen. a) Polzellen und Zellreihen. Die mesodermalen Gebilde des Annelidenkörpers entwickeln sich aus eigenartigen Zellwucherungen, die von zwei besonders großen und auffallenden Mutterzellen („Urmesodermzellen'" oder „Polzellen" genannt) ihren Ursprung nehmen. Über die Abstammung der Urmesodermzellen gehen heute noch die Anschauungen der Forscher stark auseinander und es steht noch nicht fest, ob sie entodermalen oder ektodermalen Ursprungs sind. Die ursprüngliche Lage der Urmesodermzellen an der Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm am Urmundpole verdunkelt so die ganze Frage, daß sie nicht zu entscheiden ist. Uns beschäftigt nun hauptsächlich die Frage der Organent- wicklung aus dem bereits vorhandenen embryonalen Material. Die Urmesodermzellen sind Bildner zweier Zellstreifen, die nach vorne wachsen. Der einfache Zellstrang, der durch eine deutlich (236) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. 11 exzentrische Knospung von diesen ungemein großen Zellen ansgelit, ist noch nach sehr langer Zeit hinten einreihig zu finden. Noch in späten Stadien, in welchen die ersten Segmente schon ein voll- kommen entwickeltes Nephridium aufweisen, und so lange der Em- bryo noch die durch Eiweiß aufgeblähte ovale Gestalt behält, kann man eine einreihige Zellanordnung sehen, die von den immer gleich groß gebliebenen Urmesoderrazellen auslaufen. An den älteren, be- reits wurmartig ausgezogenen Embryonen verwischt sich diese Deut- lichkeit; der Übergang der Deszendenten zu mehrreihigen Platten und gehöhlten Segmenten ist viel unvermittelter. Ganz hinten erscheint der erste primitive Zellstreifen samt der Urmesodermzelle nach der Seite gebogen. Nach 20 — 25 Zellen biegt er auf einmal unter mehr oder v/eniger rechtem AVinkel nra, wird bedeutend breiter, mehrreihig und verläuft von da an ganz gerade nach vorne (Fig. 1). Die beiden aus den Urmesodermzellen hervorgegangenen ven- tralen Zellstreifen formen sich nach vorne hin in breite Zellplatten und nehmen an Dicke zu. Ihr alter Name „Keimstreifen" wurde mit Recht von Hatschek verworfen (17) und sie werden jetzt all- gemein als „Mesodermstreifen" bezeichnet. Die Richtung, in der die Mesodermstreifen verlaufen, ist bei ganz jungen, kugeligen, bis 1 mm langen Stadien stark nach hinten divergierend, in älteren Stadien nähern sich die Mesodermstreifen einander, so daß sie später parallel nebeneinander zu liegen kommen. Sie erfahren mit der fortschreitenden Differenzierung eine Abflachung und bilden durch Auseinandertreten der Zellen einen Spaltraum, das für die Zygoneura charakteristische Schizocoel (Eig. 2). Die Bildung der Coelomhöhlen findet segmentweise von vorne nach hinten statt und ist die erste Andeutung der bei den Anneliden so prägnant hervortretenden Metamer isation. Da der Embryo immerfort nach hinten wächst und die Seg- mente in der Richtung von vorne nach hinten sich differenzieren, kann man an gewissen sagittalen Längsschnitten und an Flächenprä- paraten alle Stadien der Organdifferenzierung finden. Am geeignet- sten zu diesem Zwecke ist ein Stadium, in dem das erste Segment den Trichter bereits entwickelt hat. Der Embryo ist dieserzeit länglich oval, von ungefähr "1"2 — l"o6 mm Länge, die Zahl der Coelomhöhlen schwankt zwischen 35 — 40 und die beiden Mesoderm- streifen liegen nebeneinander. Für Längsschnittuntersuchungen bietet dieses Stadium noch den Vorteil, daß die beiden Bauchmarkanlagen und die Trichteranlagen parallel zueinander liegen, so daß die (237) 12 Franz St äff: Einstellung des Paraffinblockes nach dem Verlauf des Bauchmarkes genau dieselbe Orientierung für beide Körperhälften gibt. Die jüngsten Deszendenten der Urmesodermzellen weichen stark in Gestalt und Größe von ihrer Mutterzelle ab; während nämlich die Urmesodermzellen kreisförmig begrenzt erscheinen, von außerordentlicher Größe und mit auffallend großem Nucleus und intensiv färbbarem Nucleolus versehen sind, sind ihre Sprößlinge vier- bis fünfmal kleiner und von zusammengedrückter Gestalt. Ihre Form ist viereckig und sie sind zweimal breiter als lang. Schon bei der ersten Segmenthöhlenbildung, wenn das Lumen der Coelomsäcke noch ganz klein ist, fällt eine große Zelle auf, deren Lage, Beschaffenheit und großer Nucleus darauf hinweisen, daß wir es mit demselben Gebilde zu tun haben, das schon von allen Autoren beobachtet und beschrieben worden ist. Es sind die HATSCHEKschen und Bergh sehen „Trichterzellen", die auch Vejdovsky erwähnt und abbildet, und aus denen Wilson die Nephridientrichter entstehen läßt. Die Segmenthöhlen bekommen sehr früh eine regelmäßige Gestalt, an der man einzelne Wände er- kennt: Das somatische und splanchnische Blatt (Darmfaser- und Hautmuskelblatt autorum) sind hier schon zu unterscheiden, und ebenso die die einzelnen Segmenthöhlen voneinander trennenden Dis- sepimente. An deren vorderer Wand, dort, wo letztere an das soma- tische Blatt anstößt, liegen die schon erwähnten Trichterzellen, lateral- wärts von den unten zu besprechenden „primitiven Muskelfasern". Nachdem wir schon im allgemeinen über die Differenzierung des Mesodermstreil'ens bis zum Auftreten der Coelomspalten orien- tiert sind, können wir der ersten unserer Fragen näher treten : 1. Gibt es beim Criodrilusembryo außer dem Mesodermstreifen kein anderes embryonales Gewebe, das zwischen dem letzteren und dem Ektoderm liegt? An der Stelle, wo der primitive, einfache Zellstrang des Meso- dermstreifens umbiegt, und wo auch die Zellen von dem einrei- higen Strang in eine breite Platte übergehen, erscheint das Bild bei einer Flächenansicht dunkler. Man sieht, daß dem Mesoderm- streifen grade an seiner ersten Umbiegungsstelle , und da wo die Färbung dunkler wird, vier Zellen aufliegen, deren Gestalt sich offenbar von der anderer Zellen unterscheidet. Ihr Umfang ist nur unbedeutend kleiner als der der Urmesodermzellen. Sie sind kreisförmig begrenzt und ihre Nucleoli sind intensiv gefärbt. Diese Zellen fallen auf den ersten Blick nicht auf, man sieht sie beim Wechsel der Einstellung und beim Wechsel der Beleuchtungs- (238) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. 13 Intensität; doch erkennt man genau, daß sie zwischen der Ekto- dermschichte und dem Mesoderm streifen liegen (Fig. 1). Der dunklere Ton der Färbung läßt sich nach vorne hin bis zur Segmenthöhlenbildung verfolgen. Es ist ersichtlich, daß nach vorne ein Zellager von diesen Zellen geliefert wurde, eine Zellplatte, die sich zwischen die Epidermis und den Mesoderrastreifen einschiebt. An einem älteren Stadium, wo die beiden Mesodermstreifen schon nebeneinander liegen, ist das Zellager viel deutlicher ausge- prägt. Die „Zwischenplatte" (wie ich das Gebilde vorläufig nenne) ist genau sichtbar, ihre Zellen sind wahrscheinlich viel höhei* ge- worden, denn es treten dort, wo der Mesodermstreifen unter ihr herausragt (d. i. an den Rändern und hinten) die Konturen der Platte klar hervor. Hinten sind die oben erwähnten vier großen Zellen nicht mehr zu finden; sie haben sich schon gänzlich in ihre De- szendenten aufgelöst. Eine Sonderung dieser Platte in getrennte Zellreihen konnte ich an dieser Stelle nicht bemerken. Dagegen mehr naoh vorne über den jüngsten Segmenthöhlen löst sich die „Zwischenplatte" in longitudinale Zellreihen auf. Der Schilderung weiterer Vorgänge will ich jedoch noch deutlichkeitshalber ein Bild der Organtopographie eines Mesoderm- streifens vorausschicken. Eine vollendete Darstellung bietet die HATSCHEKsche Criodrilus- Arbeit (1. c). Seine Flächenbilder (Taf. III, Fig. 17 und 16) sind so vollständig, daß ich eine topographische Abbildung nicht mehr zu geben brauche und bei der Schilderung auf dieselben verweise. Von der Fläche gesehen stellt sich ein länglich ovales Stadium folgendermaßen dar : Die ventrale Medianlinie des Körpers nehmen die beiden Anlagen des ßauchnervenstranges ein. Seitwärts von ihnen verlaufen die ersten Längsmuskelfibrillen , die vorne ein dichteres Bündel bilden und nach hinten an Zahl abnehmen, bis sie am Hinterende in einer Faser enden. Diese Muskelfibrillen, die am frühesten angelegt sind, stellen uns, wie ich später nachweisen werde, die erste Anlage des akzessorischen Bauchmuskelfeldes dar. Wir wollen sie von nun an mit dem schon von Berg h und Ve.tdovsky gebrauchten Namen „primitive Muskelfasern" benennen, um sie im weiteren von der anderen scharf zu unterscheiden. Für die Orien- tierung in Flächenpräparaten und Schnitten sind die „primitiven Muskelfasern" von großer Bedeutung, denn die jüngsten Nephridien- anlagen liegen ihnen seitwärts dicht an. Da die Trichteranlagen in einer Linie mit den inneren Borsten und Mündungen der Schleifen- kanäle liegen, sind die erwähnten Fibrillen auch für die Aufsuchung (239) 14 Franz Staff: aller dieser Gebilde ein sicherer Wegweiser. Noch mehr nach der Seite findet man vorne in älteren Segmenten die in die Leibesböhle eingestülpten und um 90*^ abgebogenen langen Schleifenkanäle. Das ganze Bild wird beiderseits durch die Reihen der äußeren Borsten abgeschlossen. Die Zellreihen, in die sich die „Zwischenplatten" nach vorne aufteilen, sind bei der Flächenansicht, die wir zur Erläuterung der Topographie des Mesodermstreifens herangezogen haben, kaum zu sehen, weshalb wir für die Schilderung der weiteren Vorgänge zu Schnitten greifen. Sehr lehrreich ist für diese Zwecke die Untersuchung der Querschnitte durch dieses Stadium, wo man mit voller Sicherheit durch eine lange Reihe von Schnitten diese vier Zellreihen legel- mäßig auftreten sieht (Taf. I, Fig. 2). Ein sagittaler Längsschnitt, an dem wir alle Entwicklungs- stadien der Nephridien auffinden können, zeigt uns ein Hinteiende mit Urmesodermzelle und dem an ihr sprossenden Zellstrang. Am Schnitt erscheint die Urmesodermzelle ebenfalls von bedeutender Größe, so daß man sie sofort erkennt und von den anderen Zellen unterscheidet. Sie liegt der Epidermis unmittelbar an und weist alle schon bei der Fläehenansicht an ihr beobachteten Eigenschaften auf. Die Tatsache, daß die Zelle in der Flächenansicht sowie auf Schnitten den fast gleichen Durchmesser zeigt, deutet darauf hin, daß sie etwa die Form einer Kugel oder eines Ellipsoids besitzt (Fig. 3). Die ersten ihrerDeszendenten liegen, wie man aus den Schnitt- folgen deutlich ersieht, ebenfalls unmittelbar unter der Epidermis. (In der Fig. 3 sieht man letzteres nicht, da der allererste Zell- streifen, wie gesagt, seitwärts abgebogen ist.) "Weiter nach vorne sind sie von der Epidermis durch eine Schichte hoher Zellen ge- trennt. Es sind jene Zellen der „Zwischenplatte", die wir so deut- lich bei der Flächenansicht und an Querschnitten sahen. Die Be- schaffenheit der Zellen dieser Schichte weicht nur unbedeutend von denen des Mesodermstreifens ab. Außer einer helleren Farbennüance, die von einer schwächereu Plasmagranulation herrührt, ist kein anderer Unterschied zu finden. Die Begrenzung der „Zwischenplatte'' gegen die beiden an- grenzenden Gebilde (die Epidermis und den noch soliden Mesoderm- streifen) ist verschieden. Während nämlich die Grenze der Zellen gegen den Mesodermstreifen scharf geradlinig ist, verhalten sich die Zwischenplatte und die Epidermis zueinander wie Positiv und Ne- gativ eines Reliefs. (240) Organogenetische Untersnchnngen über Criodrilus laciium Hoffmstr. 15 Am hintersten Ende der „Zwischenplatte" konnte ich die vier großen Zellen , die ich am Flächenpräparat (Fig. 1) beobachtete, nicht von anderen unterscheiden. Es ist höchst wahrscheinlich, daß sie durch ihre Lage zwischen zwei Zellschichten (Epidermis und Mesodermstreifen) an Dicke eingebüßt haben und nur an Flächen- präparaten deutlich zu sehen sind. Dies ist auch wahrscheinlich der Grund, weshalb ich über ihre Herkunft nicht ins Klare kommen konnte. Schritt für Schritt mit der Ausbildung der Segmenthöhlen er- fährt die „Zwischenplatte'' eine Änderung. Während sie bisher nur als eine Platte deutlich hervortrat, sondert sie sieh nun in vier longitudinale Stränge, die sich immer mehr voneinander entfernen und nach vorne hin leicht divergieren. Die Ermittelung, wie weit sie nach hinten selbständig bleiben, ist mir nicht gelungen, da durch das äußerste Hinterende des Embryos sich schwer ein genauer Querschnitt führen läßt. Das Hinterende ist nämlich sehr stark dorsalwärts gekrümmt, weshalb die Querschnitte in dieser Region in Flächenschnitte übergehen, die jedoch auch nicht ohne Interesse sind. Flächenschnitte durch das Hinterende beweisen uns ebenfalls, daß sich ein Zellager außerhalb des Mesodermstreifens befindet. Obwohl es mir höchst wahrscheinlich vorkommt, daß die „Zwischen- platte" durch dichtes Aneinanderschließen der gedrängten Zellreihen zustande kommt, so kann ich dies nicht mit Sicherheit behaupten, da mir keine direkten Beweise dafür vorliegen. Wenden wir uns der Untersuchung der Zellreihen an Quer- schnitten zu, so bekommen wir solche Bilder wie in meiner Fig. 2: Das Ektoderm (resp. Epidermis) können wir deutlich von dem Meso- dermstreifen unterscheiden. Es ist ziemlich dick, die ventrale Me- dianlinie ist bewimpert. Und zwar sind hier ein bis drei Zellen vorhanden, die sich außer der Bewimperung durch eine glänzende fettähnliche Beschaffenheit des Zellplasmas und großen Nucleolus auszeichnen. Da der Schnitt an der rechten Seite zwischen den Dissepimenten geführt wurde, ist dort der Mesodermstreifen in zwei dünne Zellamellen getrennt. Das dem Ektoderm anliegende somatische Blatt hat an einer Stelle Längsmuskelfibrillen, die soge- nannten „primitiven Muskelfasern", entwickelt, die nach vorne an Zahl zu- und nach hinten abnehmen . wie es aus der Serie folgt. Das Ektoderm weist beiderseits vier Zellgruppen auf, die bei ge- nauer Beobachtung als nicht der eigentlichen Epidermis angehörend erscheinen, sondern in derselben eingebettet sind und nur mit einer Seite an das somatische Blatt stoßen. Da dieses Verhalten sich in (241) 16 Franz Staff: weiteren Schnitten wiederholt, ist es klar, daß die Zellgruppen Querschnitte von vier Reihen darstellen. Es muß noch erwähnt werden, daß die innersten der Zellreihen beiderseits, median von den „primitiven Muskelfasern" liegen und, wenn wir das mit der Flächen- ansicht vergleichen, den Bauchmarkanlagen entsprechen, die später sich immer mehr einander nähern, bis sie zum einfachen Bauchstrang verschmelzen. Bei anderen verwandten Oligochätenarten wurden auch ähn- liche Zellreihen beschrieben, namentlich von Wilson, Bergh und Vejdovsky für Lumbriciden. Bei letzteren ließen sich die Pol- zellen nachweisen, aus denen die Zellreihen direkt hervorsprossen. Daß die Zellreihen von Criodrilus den von Wilson, Bergh und Vejdovsky für Lumbriciden festgestellten entsprechen, unterliegt für mich keinem Zweifel. Ihre Lage, Charakter und Beziehungen zu dem Ektoderm. somatischen Blatt und zu den „primitiven Muskel- fasern", sind so übereinstimmend mit dem Verhalten der Zellreihen bei Lumbriciden, daß ich sie mit voller Überzeugung für identisch halte. Wilson hat in seiner Arbeit „The Embryology of Earth- worm", nach einem Elächenpräparat (Taf. XIX, Eig. 61) das Ver- halten der vier Zellreihen am Hinterende abgebildet. Die Zellreiheu konvergieren (in der genannten Fig.) rückwärts und verlaufen ganz dicht nebeneinander (vgl.obenüber „Zwischenplatte"). Beim Vergleich meiner Fig. 2 mit den Bildern, welche Vejdovsky für Rhynchelmis gibt (Taf. XXXII, Fig. 1,2), fällt die Ähnlichkeit der Verhält- nisse sofort auf. In einer Hinsicht weichen nur die Zellreihen bei Criodrilus von denen der Lumbriciden ab, und zwar dadurch, daß sie niemals ganz auf der Oberfläche des Körpers zu finden sind. Imoierhin fand ich sie im Ektoderm eingebettet und mit Epidermiszellen bedeckt. Die von mir bis jetzt mitgeteilten Befunde über Criodrilus stimmen also mit dem überein, was über Lumbriciden bekannt ist. Es wundert mich gar nicht, daß Hatschek und Bergh diese Gebilde bei Criodrilus nicht beobachtet haben. Die Zellreihen sind nur undeutlich sichtbar und Wilson, der sie zuerst beschrieben hat, war zu ihrer Aufsuchung erst durch die Arbeit Whitmans über Clepsine geleitet , bei welcher das Entstehen der Mesodermge- bilde aus mehreren Anlagen mehr ausgeprägt ist. Andere Autoren, die die WiLSONschen Befunde anfangs entschieden bestritten, haben bei weiteren Untersuchungen Wilsons Angaben bestätigen müssen (Vejdovsky, Bergh). (242) Organogenetische Untersuchnngen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. 17 Mit diesen Befunden haben wir also die erste von uns ge- stellte Frage beantwortet und wir schließen unsere Betrachtungen, indem wir sie folgendermaßen zusammenfassen: Beim Criodrilusembryo verlaufen zwischen dem Meso- dermstreifen und dem Ektoderm, in letzterem eingebettet, beiderseits je vier Paare von Zellreihen, die von hinten gelegenen Polzellen hervorsprossen. Ein Paar der Zell- reihen verläuft medianwärts von den „primitiven Muskel- fasern", andere drei lateralwärts von denselben. Die Zellreihen von Criodrilus sind mit den bei Luni- briciden beschriebenen Gebilden identisch. h) Entwicklung der Nephridien. Die Differenzierung einzelner Zellreihen führt uns zur Streit- frage der Nephridienentwicklung. Um auf diese Frage, die den Kern meiner Arbeit bilden soll, eine Antwort zu geben, bediente ich mich der Rekonstruktions- methode, mit deren Hilfe ich zu ganz unerbofften Resultaten kam. Eine Reihe von sagittalen , aufeinander folgenden Längs- schnitten erweist, daß jener Zellstrang, der dicht seitwärts von den primitiven Muskelfasern verläuft, eine Sonderung in einzelne Zell- gruppen eingeht. Die Einkerbungen des Stranges (Fig. 4) ent- sprechen genau den Segmentgrenzen und eine Reihe von Segmenten hindurch verharren jene Zellgruppen in der gleichen Gestalt, bis sie endlich den Zusammenhang mit den benachbarten verlieren und bis ihre strangförmige Gestalt sich deutlich ausprägt. Während dieser Vorgänge hat sich an den Coelomsäcken nichts geändert, außer, daß die einzelnen Wände viel dünner geworden sind und ihre Zellen sich mehr der Gestalt flacher Epithelzellen genähert haben. Die „Trichterzellen" sehen ganz wie zuvor aus. Im nächsten Stadium rücken die retroperitonealen Zellgruppen in die Leibeshöhle vor, wobei sie sich mit Peritoneum umkleiden. Wir unterscheiden Stadien, an denen die ventrale Seite der Stränge noch an die Epidermis stößt (Fig. 5 und 6j, während sie später von dieser durch Peritoneum getrennt ist. Es liegt uns offenbar eine junge, noch solide Schleifenanlage eines Nephridiums vor. Aus der Schnittfolge (Fig. 5 und 6) entnehmen wir, daß sie aus einem longi- tudinal verlaufenden soliden Strang besteht. Der letztere ist in der Mitte leicht ventralwärts gebogen und grenzt mit seinem Hinter- ende an den sich einstülpenden Borstenfollikel. (243) 18 Franz Staff: Eine vollkommene Bestätigung unserer Längsschnittbilder aus diesem so wichtigen Stadium entnehmen wir aus der Betrachtung der Querschnitte. Auch an diesen finden wir die Anlage des Segmen- talorganes bereits teilweise in die Leibeshöhle eingedrungen und dorsal mit einem dünnen Peritoneumhäutchen umkleidet. Der Ver- gleich mit den Längsschnitten ist übereinstimmend, aus der Schnitt- folge bekommen wir folgende Bilder. In der Region der Borsten finden wir (Fig. 11) die beiden retroperitonealen Borstenanlagen, die durch Einstülpung des Ektoderms entstanden sind, an einem Schnitt getrofi'en. Die dünne Peritoneumwand, die Somatopleura, ist durch die beiden Anlagen an der Stelle ihres Auftretens in die Leibeshöhle zurückgedrängt. Der nächste Schnitt geht durch die Gegend des Trichters und der Dissepimentwand, Hier tritt uns eine Verdoppelung der dünnen Peritoneumlamellen entgegen; und wir schließen daraus, daß hier der Schnitt durch die Gegend der Disse- pimentfalte geführt wurde (wie sie in Längsschnitten Fig. 5, 6, 7, 8 dargestellt ist und auf die wir noch im weiteren zu sprechen kommen müssen). Die Zellgruppe an der Stelle der äußeren Borsten ist verschwunden. Lateralwärts von den „primitiven Muskelfasern" setzt sich, nach Ausbleiben in einigen Schnitten, eine Zellgruppe fort, die ebenfalls retroperitoneal liegt (Fig. 10). Dünne, abge- flachte, sich um diese Zellgruppe herumlegende Zellen stellen uns die durch die Schleifenanlage in die Leibeshöhle mitgezogenen Peritoneumzellen dar. Letzteres Bild wiederholt sich einige Male, bis wir wieder zu den Borstenanlagen gelangen. Es ergibt uns also die Untersuchung der Querschnitte wiederum eine Bestätigung der retroperitonealen Lage der jungen Nephridien, was wir übrigens schon aus den Längsschnitten deutlich ersahen (Fig. 5, 6). Allmählich hat sich auch die „Trichterzelle" verändert. Die Dissepimentwand, der sie angehört, ist jetzt S-förmig geknickt. Die Knickung habe ich an allen von mir untersuchten Exemplaren ge- funden. Sie ist infolge des Vorrückens des jungen Nephridiums in die Leibeshöhle entstanden. Die „Trichterzelle" liegt jetzt dem Vorderende der Schleifenanlage an, durch eine Bucht der Dissepi- mentfalte von ihm getrennt. Ihre Lage hat sich geändert, sie kommt jetzt mehr nach oben zu liegen , was der Krümmung der Dissepi- mentwand und dem Vorrücken der Schleifenanlagen in die Leibes- höhle zuzuschreiben ist. Auch ist ihre Beziehung zur Dissepiment- wand viel inniger geworden. Sie weist jetzt einen Übergang zu den übrigen Peritoneumzellen auf (Fig. 7). (244) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoff'mstr. 19 Infolge der schon erwähnten S-förmigen Knickung entstellt zwischen der „Trichterzelle" und dem vordersten Ende der Schleifen- anlage ein Lumen, das sich dann später dicht mit "Wimperhaaren bekleidet und in den Schleifenkanal führt. Die faltenförmige Knickung beschränkt sich übrigens nicht nur auf die Gegend des Trichters. Bevor sich der Trichter endgültig formt und in die Leibeshöhle her- vorragt, wird infolge der Spannung die ganze Dissepimentwand gefaltet, was sowohl auf Längsschnitten als auch an Querschnitten zu beobachten ist. Unsere Fig. 7 und 8 stellen uns Längsschnitte durch Nephri- dien dar. Sie gehen gerade durch das Trichterlumen, um das beider- seits (in Fig. 8) bereits Blepharoplasten zu sehen sind. Die Ober- lippe des Trichters weist auch hier in beiden Figuren einen engen Zusammenhang mit dem Peritoneum auf und springt noch nicht so deutlich in die Leibeshöhle vor wie beim erwachsenen Tier. Vergleichen wir nun mit diesem Schnitt (Fig. 8) einen mehr seitlich geführten (Fig. 9). Li Fig. 9, die dasselbe Segment dar- stellt wie der vorhergehende Schnitt, nur vom letzteren mehr seitwärts geführt, finden wir Dissepimente in dem Trichterlumen ganz entsprechender Weise gefaltet. Dieses Verhalten ist ein ständig wiederkehrendes, so daß wir an den Zusammenhang der Faltung mit der Lumenbildung des Trichters kaum zweifeln können. Später, nachdem der Trichter seine endgültige Form ausgebildet hat, ver- schwindet die Falte des übrigen Dissepimentes, letzteres ebnet sich und nimmt die bekannte Gestalt an. Die „Trichterzelle" ent- wickelt schon sehr frühzeitig an ihrem unteren Rand Blepharo- plasten, die im älteren Stadium dichte 'Flimmerhaare entsenden (Fig. 5, 6, 7, 8). . Aus dieser Betrachtung folgt mit voller Klarheit die Tat- sache, daß aus der sog. „Trichterzelle" nur die Oberlippe des Trich- ters entsteht, daß also folglich diese große Dissepimentzelle richtig als Oberlippenzelle zu bezeichnen ist. Zur Bildung der Unterlippe wird dagegen das Material des vordersten Endes des Nephridiums verwendet. Die Bildung des Schleifenkanals, des wesentlichen Teiles eines Nephridiums, erfolgt durch eine Ausziehung des mittleren Teiles des longitudinalen Stranges unter 90** in die Leibeshöhle hinein. Gleichzeitig mit der Bildung der definitiven Schleife beginnt die Vakuolisierung des Plasmas der Nephridienzellen. Nach den An- gaben der Autoren ist dies das erste Stadium bei Entstehen des Nephridienlumens, welches durch Zusammenfließen der Vakuolen (245) 20 Franz St äff: intracellulär zustande kommt. Ist das Lumen ausgebildet, dann finden wir auch die Oberiippenzelle, die sicli unterdessen schon in mehrere zerlegt hat, und die Zellen des Nephridiums mit dichten Flimmerhaaren besetzt. Durch das Aneinanderstoßen der gegenüber- liegenden Flimmerhaare entsteht eine Wimperflamme, die sich überall im angeschnittenen Trichterlumen findet (Fig. 7). Diese Auffassungsweise der Nephridienentwicklung, die ich vorher geschildert habe, steht mit den Angaben Berghs in offenem Widerspruche. Jede über die Nephridienentwicklung von ihm auf- gestellte These wird von mir bestritten, und aus diesem Grund muß ich zum Vergleiche seine Arbeit näher besprechen, um die Unrichtig- keit seiner Angaben zu beweisen. Aus der „Trichterzelle" soll nach Bergh durch wiederholte Teilungen ein longitudinaler Zellstrang entstehen , der sich später in das definitive Nephridium umwandelt. Die intraperitoneale An- lage der Nephridien unterliegt seiner Ansicht nach keinem Zweifel. Er bildet sogar die „Trichterzelie" während der Teilung ab. Je- doch — merkwürdig — hat er nicht einmal wenigstens eine Tei- lung derselben in der eben charakteristischesten Richtung, der Längsachse des Körpers, gesehen und abgebildet. Die Teilung der gemeinten Trichterzellen verläuft überall dort, wo er sie abbildet in allen anderen möglichen Richtungen (so z. B. Taf. XIII, Fig. 1 ! vide 7] radial zur Körperachse, Fig. 2 und 3 in der Querachse und so weiter). Die sich teilende „Trichterzelle" in seiner Figur 2 liegt sogar an der hinteren Wand des Dissepimentes. Ich habe mich bemüht, alle Präparate darauf zu prüfen, und es gelang mir kein einziges Mal an den zahlreichen Serien, an so vielen Segmenten, bei so verschiedenen Stadien, die ich untersuchte, eine Teilung in dieser Richtung zu finden. Übrigens ist auch die BERGHsche Sache unsicher, was den Peritonealüberzug der Nephridien anbelangt. Seine Bilder (wie Figur 2 und 4 1. c.) sprechen direkt für meine Auffassung. In der Figar 2 stößt das junge Nephridium an die Epidermis an und ist im Begrifi", in die Leibeshöhle vorzurücken, an der Stelle, wo es schon in die Leibeshöhle eingedrungen ist, finden wir an ihm den Peritonealüberzug. Überhaupt ist die Frage des Peritonealüberzuges eine der schwächsten Seiten der Bergh sehen Criodrilusarbeit. Zunächst liegt die Mutterzelle einzelner Nephridien, „die Trichterzelle", in der Leibeshöhle, dann ist der Nephridiumstrang unterhalb der Epidermis (Figur 2 und 4), also außerhalb der Leibeshöhle und endlich findet (246) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. 21 ihn Bergh mit Peritoneum überzogen. Aus seiner Art der Nephri- dienableitung kommt es, daß er über den Peritoneal Überzug so über- aus unklar spricht. „Was die Bildung des Peritonealüberzuges an- betrifft", kann er „hierüber nichts Vollständiges mitteilen." Um den bereits vollzogenen Überzug zu erklären, stellt er eine Hypothese von einem Auswandern der Zellen, um den Peritonealüberzug zu bilden, auf. Diese Hypothese stützt sich jedoch auf keine Tatsachen. Mit Wilson und Vejdovsky stimmen meine Befunde überein. Nur in einer Beziehung muß Vejdovsky s Auffassung berichtigt werden, und zwar ist die erste Zelle des Nephridiumstranges ent- schieden (wenigstens bei Criodrilus) nicht mit der „Trichterzelle" identisch. Nach Vejdovsky soll die Trichterzelle aus dem Ne- phridiostich auswandern, in die Leibeshöhle eindringen und erst sekundär mit dem Nephridium in Verbindung treten. Ich habe die „Trichterzellen" schon in sehr jungen, noch nicht gehöhlten Seg- menten gefunden, während der Nephridienstrang (Nephridiostich) ganz solid und noch nicht in einzelne Zellgruppen differenziert war. Es muß noch hier auf die Untersuchungen an Regeneraten ein- gegangen werden. Es liegen uns zwei für unsere Fragen wichtige Arbeiten vor; von E. Uhlenhut und von Janina Zielinska (38 und 53). Die noch nicht publizierte Arbeit von Uhlenhut wurde im Jahre 1908 im II. zool. Institute in Wien gemacht und behandelt die Regeneration der Nephridien nacb einer speziellen Exstirpierung dieser Organe. Wichtiges füs uns bringt Uhlenhut insofern, daß er auch an den Regeneraten die Entstehung des Trich- ters und der Schleife aus getrennten Materialien fand. Die zweite Arbeit, die jüngst in der „Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaft" (2. — 4. Heft, 44. Band 1909) erschien, trägt den Titel: „Regeneration des Hinterendes bei Lumbriciden". Die Au- torin fand und bildete auch beim regenerierenden Wurme die un- gemein schwer zu findenden WiLSONschen Zellreihen ab. Die Lage dieser Stränge ist genau dieselbe, wie sie in der embryonalen Ent- wicklung von Wilson, Bergh und Vejdovsky bei Lumbricus und von mir bei Criodrilus gefunden wurde. Jedoch bin ich, wie auch andere Autoren , mit der Deutung , was sich aus den einzelnen Strängen entwickelt, mit der Autorin nicht einig. Sie leitet , wie Vejdovsky, Wilson und ich die Nephridien von dem der Neural- reihe benachbarten Zellstrang ab ; die zwei äußeren Zellreihen sollen die Anlagen der inneren und äußeren Borsten darstellen. Es ist das große Verdienst von Bergh und Vejdovsky, den Übergang dieser Reihen (nach Bergh irrtümlicherweise sogar aller drei Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom. XVIIT, Heft 3. '['J (247) 22 Franz Staff; äußeren Reihen) in die Riugmuskulatur erforscht und beschrieben zu haben. Dasselbe haben auch meine Untersuchungen bestätigt, obwohl ich anfangs gegen diese Meinung sehr voreingenommen war. Nach den Untersuchungen dieser Forscher unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Borsten durch Einstülpung der Epidermis angelegt werden. Übrigens ist auch die Lage der inneren und der äußeren Borstenanlagen eine andere als jener Stränge. Die inneren Borsten liegen von ihrem ersten Anfang an , wie bereits gesagt, deutlich in einer Linie mit den Trichtern und den Endblasen, zwischen der Endblase und dem Trichter des folgenden Segmentes. Die große Übereinstimmung meiner Resultate mit den Hat- scHEKschen Befunden ersieht man schon aus dem Vergleich mit den im historischen Überblick angeführten Sätzen. Es müssen mit besonderer Schärfe die wichtigen morphologi- schen Tatsachen, die Hatschek in seiner Annelidenarbeit ans Liebt gebracht hat, hervorgehoben und betont werden. Und zwar 1. der longitudinale Verlauf der Nephridien, 2. die retroperitoneale Ent- stehung des Schleifenkanals, 3. getrennte Anlagen der Schleife und des Trichters (nach mir nur der Oberlippe), 4. die kontinuierliche Verbindung der jungen Nephridienanlageu. Diese Bemerkung scheint mir um so notwendiger, da keiner der späteren Autoren das erwähnt, wobei doch einerseits ein überaus wichtiger Charakter (ad 1) über- sehen wird, andererseits bei der Beschreibung der Entwicklung die ÜATSCHEKschen Ergebnisse verschwiegen werden, obwohl die neu- esten Arbeiten immer aufs neue eine Bestätigung seiner An- sichten bringen. (Retroperitoneale Anlage und Entstehung des Schleifenkauals — M ayer (für Polychäten), Wilson, Vejdovsky — ; getrennte Trichteranlage; — Mayer, Wilson, Vejdovsky, Uhlex- hut; kontinuierliche Verbindung der jungen Nephridienanlageu — „Nephridiostich" Wilsons und Vejdovskys). Meine Arbeit bringt eine Vereinigung der bis jetzt bestehenden Gegensätze, indem sie die Verhältnisse bei dem bis jetzt (dank Bergh) aparte stehenden Wurme denen anderer Oligochäten näherbringt. ,, Es ist zu bemerken , daß alles Wesentliche, was die Nephri- dienentwicklung anbelangt, schon in den ersten Arbeiten über Oligo- chätenentwicklung gesehen und beschrieben wurde , bevor noch Bergh die umfangreiche Nephridienliteratur mit seiner Würz- burger Criodrilusarbeit inaugurierte. Und zwar hat schon Kowa- lewski in seiner bereits erwähnten Arbeit die Wilson sehen Zellreihen an Querschnitten bemerkt, indem er sagt (Seite 63 zur Fig. 32) : „Die Zellen des oberen Blattes, die hier den Keimstreifen an- (248) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacnum Hoffmstr. 23 liegen^ sind an einigen Stelleu zweischichtig geworden" (siebe Fig. 32, 34, 36, 35, 37 (links), Taf. IV und V 1. c). Da wir jedoch wissen, daß das „obere Blatt" = Epidermis bis in das erwachsene Indivi- duum immerfort einschichtig bleibt, unterliegt es keinem Zweifel, daß KowALEwsKi die Zellreihen gesehen und abgebildet hat. Bei Tubifex rivulorum soll sich der „Keim streifen" nach Kowalewski (1. c.) direkt aus 5 Polzollen entwickeln. Aber vor allem erinnere ich daran, was ich von Hatscheks Arbeit sagte. Schon er hat die Nephridien von einem dicht unter dem Ektoderm liegenden Ge- webe abgeleitet, das durch endothelartige Zellen der Hautmuskel- platte von der Leibeshöhle getrennt ist. Der von ihm erwähnte Strang, aus dem sich dann alle Nephridien differenzieren und der am Hinterende kontinuierlich verläuft, ist ja nichts anderes als der später von Wilson und Vejdovsky beschriebene Nephridiostich. Heute nach so vielen Arbeiten , wie die glänzende Arbeit von Wilson, kehren wir zu dem Standpunkt zurück, denHATSCHEK vor 30 Jahren eingenommen hat, — allerdings — um die wichtige Kenntnis reicher, daß wir den Nephridienstrang nicht mehr von der Hautmuskelplatte, wie ehemals Hatschek und Bergh noch heute, sondern mit den Anlagen des Nervenstranges und der Ringmusku- latur aus besonderen Teloblasten herleiten. Nun sind wir am Schlüsse dieses Kapitels imstande, die anderen drei uns gestellten Fragen zu beantworten. Die Antwort läßt sieh im folgenden Satze formulieren: Die Nephridien entwickeln sich aus der lateralwärts von den „primitiven Muskelfasern" liegenden, retroperi- tonealen Zellreihe in der Weise, daß dieselbe in seg- mental angeordnete Zellgruppen zerfällt, die in die Leibeshöhle vorrücken und sich dabei mit Peritoneum umkleiden. Die Überlippe des Trichters entsteht aus einer großen präseptalen Zelle („Trichterzelle" autorum); sie bildet die Oberlippe nach wiederholter Teilung; das Trichter- lumen entsteht durch eine Faltung der Dissepimentwand zwischen der Oberlippe und den ersten Zellen der Schleife. c) Der Nervenstrang, Über die Entwicklung des Bauchmarks habe ich nichts Neues den neueren Untersuchungen (Wilsons und Berghs) zuzufügen. Ich beschränke mich nur auf die Bemerkung, daß ich die Differen- zierung des Bauchmarkes aus zwei von rückwärts zuwachsenden 17* ■■■ ' (249) 24 Franz St äff: Strängen bestätige. Die beiden Anlagen nähern sich immer mehr und mehr einander und, nachdem sie zu einem einfachen Gebilde verschmolzen sind, lösen sie sich allmählich von dem Ektoderm, in dem sie ursprünglich eingebettet waren. Die Lagebeziehungen des Nervensystems zu den primitiven Muskelfasern ändern sich mit der fortschreitenden Trennung des Bauchmarks von dem Ektoderm. Ursprünglich liegen die primitiven Muskelfasern seitlich von den Neuralplatten (Fig. 2, 9, 10), später nach der Verschmelzung der- selben und mit der Ablösung vom Ektoderm kommen sie mehr ventralwärts zu liegen (Fig. 12) und liegen von der sich bildenden Bauchmuskulatur durch die sich hier einschiebenden Doppelpaare von Borstennerven getrennt. d) Entwicklung der Längsmuskulatur und des „accessorischen Bauch muskeif eldes". Die Längsmuskulatur entwickelt sich in der Gegend des Me- sodermstreifens aus Zellen, die dem somatischen Blatte angehören. Am allerfrühesten entwickeln sich die schon wiederholt er- wähnten „primitiven Muskelfasern". Sie wurden von allen For- schern (Hatschek, Bergh, Wilson, Kleinenberg, Vejdovsky) an den Embryonen beobachtet und in übereinstimmender Weise ab- gebildet. Jedoch wurde über ihr weiteres Schicksal nichts Näheres bekannt. Vejdovsky, der ihnen den Namen der „primitiven Muskeln" beigelegt hat, hält sie für Embryonalmuskeln, da er nicht sicher ist, ob sie auch beim erwachsenen Tier fungieren. Er sieht sie in der primären Leibeshöhle und glaubt ihren Ursprung in den lar- valen Mesenchymzellen suchen zu müssen. Bergh leitet sie mit Recht von den äußersten Zellen der Somatopleura ab. Es ist mir gelungen, Vollständiges über ihren Ursprung und ihr Schicksal zu ermitteln. Alles, was sich auf die Lage dieser „primitiven Muskelfasern" bezieht, habe ich bereits gelegentlich mit- geteilt. Ich fasse es noch einmal kurz zusammen : Von der Fläche gesehen, zur Zeit der noch nicht differenzierten Zellreihen, liegen diese Längsmuskelfasern zwischen der Neuralplatte und den Trichter- anlagen bzw. dem Nephridienstrang (Fig. 2). Sie entstehen in den Zellen der Somatopleura, trennen sich später von ihr los und kommen gleichzeitig mit dem Verschmelzen der beiden Bauchmarkanlagen und nach dem Abheben des Nervenstranges vom Ektoderm unter die letzteren zu liegen (Fig. 12). Die Muskelfasern nehmen all- (260) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hofimstr. 25 mählich an Zahl zu, bis sie zu einem beträchtlichen Muskelfelde werden, das allseitig vom Peritoneum bekleidet ist. Zur Zeit, als dieses Gebilde schon die Gestalt eines Muskelfeldes hat, ist die übrige Längsmuskulatur noch jung und besteht aus einer einzigen Faserschichte. Bildet der Nervenstrang seitlich Nervenaiisläufer, die sich, wie gesagt, unter das genannte Feld einschieben, dann nimmt gleichzeitig die Bauchmuskulatur an Dicke zu (Fig. 13). Dieses Stadium enthält schon im wesentlichen alles das, was wir beim erwachsenen Tier beobachten, und es ist aus dem Vergleich der Übergangsstadien zu schließen, daß die „primitiven Muskel- fasern" in das definitive accessorische Muskelfeld der Bauchmusku- latur übergehen. Diese Tatsache, daß das accessorische Muskelfeld am aller- frühesten von aller übrigen Muskulatur und getrennt angelegt wird, deutet darauf hin, daß wir ein Organ vor uns haben, dessen physio- logische Bedeutung im Embryonalleben wahrscheinlich nicht nur „accessorisch" ist. Es wäre sehr interessant, die näheren Bezie- hungen dieses Gebildes zum Bauchmark zu untersuchen und es beim erwachsenen Tier auf die Nervenendigungen zu prüfen. Die übrige Längsmuskulatur entwickelt sich ebenfalls aus den Zellen der Somatopleura. Auf das Histogenetischeder Muskelbildung habe ich mich nicht eingelassen. Außerhalb des Mesodermstreifens, noch zur Zeit, da derselbe nur die Bauchseite des Embryo einnimmt, finden sich zerstreute Längsmuskelzellen, die bereits Fibrillen gebildet haben. Sie stammen von den Rändern des Mesodermstreifens her, den sie in großer Menge verlassen. Fig. 2 stellt uns eine Reihe von Zellen dar, die sich eben in Muskelzellen umwandeln. Das Betrachten der Flächenpräparate lehrt uns, daß die erwähnte Auswanderung am Hinterende am häu- figsten stattfindet. Es ist äußerst leicht, an jener Stelle alle Über- gänge der multipolaien Zellen zu spindelförmig ausgezogenen Muskel- zellen zu verfolgen. An der Bildung der Ringmuskulatur des Hautmuskelschlauches beteiligen sich bei Criodrilus, ähnlich wie es von Bergh für Lumbriciden festgestellt wurde, die äußeren Zellreihen. Nach Bergh sollen bei Lumbricus alle drei lateralwärts von den „Primitiv- muskeln" liegenden Zellreihen, durch Ausziehen in spindelförmige Zellen, die Ringmuskulatur bilden. Die histologische Umwandlung der zweiten Zellreihe in ge- streckte Muskelzellen triff't aber wenigstens bei Criodrilus ent- schieden nicht für die IL Reihe zu. Letztere bewahrt ihre Selb- (251) 26 Franz Staff: ständigkeit, sie geht die im Kapitel h) geschilderte Differenzierung ein und muß als Anlage der Nephridien angesehen werden. Im Anschlüsse an die obigen Untersuchungen geben wir eine tabellarische Zusammenstellung der Bezeichnungen, die von ver- schiedenen Forschern für dieselben Gebilde aufgestellt wurden, nebst einem Vergleich mit den von uns bei der Darstellung ge- brauchten Namen. Hatschek Bergh Wilson Vejdovsky Autor Mesoderm- st reifen Innerer Myoblast Mesoblastic bands Mesoblast Mesoderm- streifen Trichterzelle Nephridioblast früher Trichterzelle Funnel cells Trichterzelle Oberlippenzelle Neuroblast mit der Neuralplatte Neuroblast Neural cord Neuroblast mit der Neuralreihe Neuroblast mit der Neuralplatte Retroperitoneale Verdickung des somatischen Blattes Der äußere M^'oblast Nephroblast Nephridiostich Nephridioblast Nephridiostich Nephroblast mit Nephridial- strang Myoblast Myoblast Lateral ^ bands ^ Vorderer Teloblast Myoblast Zum Schlüsse meiner Untersuchungen will ich meine Dankes- pflichten erfüllen. Vor allem sei es mir erlaubt, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Berthold Hatschek meinen innigsten Dank auszudrücken für die Verleihung eines Arbeitsplatzes in seinem Institute und für die Anregung zu obigen Untersuchungen. Dem Herrn Assistenten Prof. Dr. K. C. Schneider bin ich für das dauernde Interesse, das er für meine Arbeit hegte, und für manchen guten Organogenetische Untersucliungen über Criodrilus lacuuni Hoffmstr. 27 Rat innigst verpflichtet. Den Herren Assistenten Dr. Heinrich Joseph und Dr. R. Czwik litzer bin ich für ihre wertvollen Winke, an denen sie es nicht fehlen ließen, sehr dankbar. Wien, Mai 1909. Literaturverzeichnis. 1. 1880 — 1881. Bälfour, Fr. M.: Handbuch der vergleichenden Embryologie, 2. 1892- Beduard, Frank E.: Researches into the Embryology of the Oligochaeta (Quarterly Journ. Microsc. Sc, Vol. XXXIII). 3. 1891. Benham, William Bl.: The Nephridium of Lumbricus and its Blood-supply (Quart. Journ. Micr. [2.], Bd. 32). 4. 18S5. Bergh E. S.: Die Exkretionsorgane der Würmer (in: Kosmos., Bd. 2). 5. 1886. — Entwicklungsgeschichte der Anneliden (in : Kosmos., Bd. 2). 6. 1886. — Untersuchungen über den Bau und die Eutwicklung der Geschlechts- organe der Eegenwnrmer (in: Zeitschr. f. wiss. 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Anzeiger). 43. 1887. — Vyvoj i morphologie exkreönich organüv (in: Sitzuugsber. der böhm. Gesellsch. d. Wiss.). 44. 1886. — Entwicklung von Rhynchelmis (in: ibidem). 45. 1888—1892. — Entwicklung.sgeschichtliche Untersuchungen, Prag. 46. 1900. — Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien (in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 67). 47. 1887. Wilson, E. B.: Germbands of Lumbricus (in: Journ. of Morphol., Vol. I). 48. 1889. — The Embryology of the Earthworm (in: ibidem, Vol. III). 49. 1890. — The origin of the mesoblast-bands in Annelids (in; ibidem, Vol. IV). 50. 1878. Whitm AN, Ch.O.: The embryology ofClepsine (in: Quart. Journ. of Micr. Sc, Vol. 18). 51. 1878. — The Germlayer in Clepsine (in: Zool. Anz.). (254) Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. 20 52. 1887. — A Contribution to the history to the germ-layers in Clepsine (Journ. of Morph. Vol. I). 53. 1909. ZiELiNSKA, Janina: Über Regenerationsvorgänge bei Lumbriciden. Regeneration des Hinterendes (in : Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, Bd. 44, H. 2—4). 54. 1884. Hatschek, B. : Über Entwicklung von Sipunculus nudus (in: Arbeiten der zool. Institute Wien, Bd. V). Erklärung der Abbildungen. Buchstabenbezeichnungeu : ab.=äußere Borstenanlage. mz.= Muskelzellen. acc.=akzessorisches Muskelfeld. nr. =Neuralreihe (Neuralplatte). b.= Borste. nphr. =Nephridialstrang. bf.=Borstenfollikel. P. =erste, zweite, dritte u . vierte Polzellen blph.=Blepharoplasten. pr. = Peritoneum. Bm.=Bauchmark. prm. ^primitive Muskelfasern. bnr.=Borstennerv. rm.=Ringmuskulatur. diss. =Dissepiment. rmz.=Ringniuskelzelle. ec.=:Ektoderm. so. =Nephridialschleife. en.=Entoderm. som.=somatisches Blatt. Ep.=Epidermis. spl.^=splanclinisches Blatt. ib.=innere Borstenanlage. tz.=^Tricliterzelle (Oberlippenzelle). lm.=Längsmuskel. ur.=Urmesodermzelle. Mes.^Mesodermstreifen. wz.=Wiinperzelle. Bei Längsschnitten ist links vorne, rechts hinten. Bei Längsschnitten ist die neurale Seite nach oben, bei Querschnitten nach unten gewendet. Fig. 1. DiagrammatischesFlächenbild des hinteren Endes eines Mesodermstreifens, die vier Polzellen darstellend (Obj. 7., Oc. 4). Fig. 2. Querschnitt durch ein Stadium mit jungen Coelomspalten (rechts) und mit vier im Ektoderm eingebetteten Zellreihen (Obj. E., Oc. 2). Fig. 3. Sagittaler Längsschnitt durch das Hinterende eines länglich ovalen Wurmes mit solidem Nephridienstrang. Schnittrichtung nach vorne medianwärts (Obj. E., Oc. 4). Fig. 4. Sagittaler Längsschnitt mit Nephridienstrang, der sich in segmentale Zellgruppen auflöst (Obj. E., Oc. 4). Fig. 5. Sagittaler Längsschnitt mit jungen Nephridien, die in die Leibeshöhle vordringen (Obj. E., Oc. 4). Fig. 6. Nächster sagittaler Längsschnitt aus derselben Serie wie Fig. 5 und dieselben Segmente darstellend (Obj. E., Oc. 4). Fig. 7. Sagittaler Längsschnitt durch ein älteres Stadium, wie in Fig. 5 und 6, Trichter- und Anfangsteil des Nephridiums getroifen (Ob. E., Oc. 4). (255) 30 Franz St äff: Organogenetische Untersuchungen über Criodrilus lacuum Hoffmstr. Fig. 8. Sagittaler Längsschnitt durch ein älteres Stadium, wie in Fig. 7, Trichter- und Schleifenkanal mit bereits fertigem Lumen (Obj. E., Oc. 4). Fig. 9. Dasselbe Segment, 4 Schnitte seitwärts (aus derselben Serie und dasselbe Segment, wie in Fig. 8) (Obj. E., Oc. 4). Fig. 10. Querschnitt durch ein Stadium, wie in Fig. 5 i^nd 6 dargestellt, das Nephridium quer darstellend (Obj. E., Oo. 2)- Fig. 11. Querschnitt durch ein Stadium, wie in Fig. 5 u. 6 ; die inneren und äußeren Borstenanlagen getroffen (Obj. E., Oc. 2). Fig. 12- Querschnitt durch das Hinterende eines bereits wurmförmigen, jungen Würmchens, behufs Darstellung des sich bildenden akzessorischen Muskelfeldes, zur Zeit des vollkommenen Fehlens der Bauchmuskulatur (Obj. 7, Oc. 2). Fig. 13. Querschnitt, viel mehr nach vorne wie in Fig. 12. Die Bauchmuskulatur beginnt schon zu wachsen. Das „akzessorische Muskelfeld" behält seine Unabhängig- keit von derselben; rechts ist das akzessorische Muskelfeld durch den sich unter dasselbe einschiebenden Borstennerv vom Bauchmuskelfelde getrennt (Obj. 7, Oc. 2). (256) Die Neurochorde des Criodrilus lacuum Hoffmstr. Von Josef Honig. (Mit einer Tafel und einer Textfigur.) Wiewohl die Oligochäten schon seit dem 17. Jahrhunderte unzählige Male Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen sind, so weisen die Angaben, die wir in der Literatur über diese Gruppe finden, noch mancherlei Lücken und Unvollständigkeiten auf. Es gibt da wie auf jedem viel bearbeiteten Gebiete noch viele strittige Punkte sowie einzelne Kapitel, die noch nicht eingehend und umfassend genug behandelt wurden. Ja, es gibt in dieser so häufig untersuchten Gruppe noch einzelne Tierformen, über deren Organisationsverhältnisse noch keine genaueren Berichte vorliegen. So wurde, wie wir aus der Zusammenstellung der einschlägigen Literatur ersehen werden, Cnodnlus lacuum Hoffmstr. seit dem Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mehr anatomisch und histologisch genauer untersucht. Auf diesen Umstand durch meinen verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Berthold Hat- SCHEK aufmerksam gemacht, ging ich nun daran, die Organisations- verhältnisse dieses Wurmes unter Anwendung der neuesten Präpa- rationsmethoden so genau als möglich zu studieren. Jedoch schon bei der Durchsicht der ersten zu diesem Zwecke angefertigten Quer- schnittserien gewannen die Kolossalfasern des Bauchmarkes mit ihren verschiedenen Verzweigungen und mannigfachen Seitenästchen mein besonderes Interesse und ich wandte nun fortan meine ganze Aufmerksamkeit speziell diesen Gebilden zu. In der vorliegenden Arbeit, die ich vom Mai 1907 bis Juli 1908 im IL zoologischen Institut der Wiener Universität ausführte, will ich den Verlauf der Neurochorde und deren Zusammenhang mit Ganglienzellen bei (267) 2 Josef Honig: Criodrilus lacuum Hoffmstr. möglichst eingehend zu beschreiben ver- suchen. Es sei mir nun gestattet , an dieser Stelle meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. BektholdHatschek für die Anregung zu dieser Arbeit sowie für die wohlwollende Förderung derselben meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Desgleichen fühle ich mich auch Herrn Professor Dr. KarlCamilloSchneider und Herrn Privatdozenten Dr. Heinrich Joseph für die Anlei- tung und Unterweisung sowie für die Überlassung von lehrreichen XwwZTJcMs-Präparaten zu besonderem Danke verpflichtet. Ferner sage ich Herrn Assistenten Dr. Richard Czwiklitzer, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand, sowie Herrn Handelsaka- demieprofessor Karl Wessely in Linz, Herrn Reichsgeologen Dr. Richard Schubert und meinem Kollegen cand. phil. Raoül Biberhofer, die mich beim Einsammeln des Untersuch nngsmate- riales in liebenswürdigster "Weise unterstützten , meinen besten Dank. Geschichtliches. Bevor ich zur Besprechung meiner eigenen Untersuchungen übergehe, möchte ich noch zuvor einen historischen Überblick über die einschlägige Literatur entwerfen. Criodrilus lacuum wurde im Frühlinge des Jahres 1845 von Fritz Müller, der damals noch Student der Naturwissenschaften war, im Tegeler See bei Berlin entdeckt. Noch in demselben Jahre erschien in Hoffmeist'er's Monographie „Die bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Regenwürmer" die erste Beschreibung des Wurmes. Auf der diesem Werke beigegebenen Tafel findet man auch eine schöne, naturgetreue Abbildung unseres Tieres, die ich wohl als die beste in der ganzen mir bekannten Literatur be- zeichnen kann. Die späteren Autoren wie Grübe (1851), Claparöde (1862), Perrier (1872 und 1874), Panceri (1875) beschäftigten sich ent- weder mit der systematischen Einordnung des Wurmes oder gaben eine mehr oder minder genaue Beschreibung der äußeren Merkmale desselben. Im Jahre 1876 entdeckte Herr Professor Dr. Berthold Hatschek Criodrilus lacuum in den abgeschnürten Donauarmen bei Linz und veröffentlichte zwei Jahre später seine grundlegenden, berühmten „Studien über die Entwicklungsgeschichte der Anne- liden". Im ersten Teile dieser umfangreichen Abhandlung unter- (258) Die Neurochorde des Criodrilns lacuum Hoffmstr. 3 suchte er hauptsächlich die Anlage des Mesoderms , des Nerven- systems und der Segmentalorgane bei Criodrilus in sehr eingehen- der Weise. Ein Jahr (1879) darauf erschien VejdoVskys Arbeit „Über die Entwicklung des Herzens von Criodrilus'-' ^ aus der v^ir erfahren, daß im wachsenden Hinterende das Rückengefäß aus doppelter An- lage entsteht. Derselbe Autor publizierte 1884 in seiner großen Monographie „System un d Morphologie der Oligochäten" die ersten genaueren Angaben über die Anatomie und Histologie unseres Tieres , zu deren Veranschaulichung er einige mehr oder minder schematisierte Abbildungen beigefügt hat. Wenn wir die über die einzelnen Kapitel des ganzen Werkes zerstreuten Angaben näher betrachten, so machen sie auf uns den Eindruck , als ob sich der Autor nur gelegentlich mit der Untersuchung des Wurmes beschäf- tigt hätte, ohne sich die Erforschung desselben nach allen Rich- tungen zur Aufgabe gesetzt zu haben. So ließ er die für die Syste- matik der Oligochäten wichtigsten Organe, die Geschlechtsorgane, fast ganz unberücksichtigt. Rosa, der diesen Mangel der VEJDOVSKYschen Arbeit er- kannte, beschäftigte sich deshalb in seiner Monographie „Sul Crio- drilus lacuum" (1887) hauptsächlich mit diesen Organen. Dasselbe Thema behandelten fast zu der gleichen Zeit auchÖRLEY in seinen „Observations on Criodrilus lacuum" (1887) und Benh am in seinen „Studies on Earthworms Nr. III" (1887). Die beste Bearbeitung unseres Wurmes in anatomischer und histologischer Beziehung verdanken wir jedoch A. C oll in. Dieser unterzog mit viel Fleiß und Sorgfalt alle Organsysteme des Crio- drilus lacuum einer genaueren Untersuchung. Infolge der noch un- zureichend ausgebildeten Methoden der damaligen Technik war er jedoch außerstande , deutliche , hinlänglich diiferenzierte Bilder zu erhalten. Insbesondere seine Darstellungen des Bauchmarkes lassen viel zu wünschen übrig. Immerhin konnte er einmal die gabelige Aufteilung einer der drei Kolossalfasern beobachten ; er berichtet darüber folgendermaßen : „Merkwürdigerweise zeigte sich auf einigen meiner Präparate unter dem mittleren großen Neuralkanal nach innen zu noch ein vierter. Ich konnte an einer Stelle die Vereini- gung dieses letzteren mit dem ^mittleren oberen beobachten." Der Vollständigkeit halber möchte ich noch Berg HS Studien „Zur Entwicklungsgeschichte der Exkretionsorgane bei Criodrilus" (1888) und Beddards große Oligochätenmonographie erwähnen. (259) Josef Hönii Doch keinem der genannten Autoren ist etwas über den Zu- sammenhang der Neurochorde mit Ganglienzellen bei Crwdnlus la- cuum bekannt. Dagegen wurde diese Frage schon von einigen Forschern bei anderen Anneliden und Crustaceen behandelt. Von einer genauen Besprechung aller dieser Arbeiten muß ich jedoch absehen, um den Umfang dieses Aufsatzes nicht ins Ungebührliche und in zu argem Mißverhältnis zu meinen eigenen Untersuchungen auszudehnen. Ich möchte deshalb auf die von J. W. Spengel (1882) und H. Eisig (1887) aufgestellten Listen verweisen, in denen man eine übersicht- liche Darstellung der geschichtlichen Entwicklung unserer Kennt- nisse von den Kolossalfasern und deren Verbindung mit Ganglien- zellen bis zum Jahre 1887 findet. Eine äußerst sorgfältige Zusam- menstellung der diesbezüglichen Literatur bietet ferner Roh de in seinen „Histologischen Untersuchungen über das Nervensystem der Polychäten" (1882) sowie G. Retzius in seinen Arbeiten „Zur Kenntnis des Nervensystems der Crustaceen" (1890), „Zur Kenntnis des zentralen Nervensystems der Würmer" (1901) und schließlich „Das Nervensystem der Lumbricinen" (1902). Von den neueren Autoren müssen in erster Linie die Arbeiten B. Friedlände RS besprochen werden. Derselbe befaßte sich haupt- sächlich mit dem Studium des Zentralnervensystems von Lumhricus: sein besonderes Interesse aber wandte er den Neurochorden zu. Wie wir aus seiner hiehergehörigen Arbeit „Beiträge zur Kenntnis des Zentralnervensystems von Lumbricus" (1888) erfahren, hält er die Hüllen der „Neuralkanäle" für ein faserreiches, kernarmes, „in ganz dicht umeinander liegenden, konzentrischen Lagen geschich- tetes" Bindegewebe, das man mit dem Myelin der Wirbeltiernerven nicht im entferntesten vergleichen könne. Nach seiner Ansicht be- steht der Inhalt der Neurochorde aus miteinander völlig verschmol- zenen Ausläufern der Ganglienzellen und hat das Aussehen einer homogenen, plasmatischen Masse. In der hinteren Körperregion gehen die beiden lateralen Kolossalfasern in Ganglienzellen über, die ganz in der Nähe des äußersten Endes des Bauchmarkes liegen. Als „kolossal" könne man diese Ganglienzellen keinesfalls be- zeichnen. Merkwürdigerweise zeigen sie zur Osmiumsäure eine weit geringere Affinität als alle übrigen Nervenzellen des Bauchmarkes. Einen Übergang des medianen „ Neural kanals" in eine Ganglien- zelle der hinteren Körperregion konnte er in dieser Arbeit nicht feststellen. Diese Kolossalfaser scheint sich hinten „unmerklich zu verlieren". Weiter gegen die mittlere Körperregion zu nehmen die (260) Die Neurochorde des Criodrilus lacnum Hoffmstr. 5 lateralen Neurochorde noch die Fortsätze anderer Ganglienzellen auf, welche nahezu die gleiche Beschaffenheit zeigen, wie die eben erwähnten. Der Autor fand diese Ganglienzellen auf der ventralen Seite des Bauchstranges stets in symmetrischer Anordnung, und zwar ausnahmslos an der Stelle, wo der Doppelnerv abzweigt. Ehe die Fortsätze der Ganglienzellen in die Kolossalfasern einmünden, pflegen sie miteinander zu anastomosieren. Diese queren Anasto- mosen stehen in vielen Fällen durch eine Verzweigung in direkter Verbindung mit der medianen Kolossalfaser. Es scheint, als ob zwischen diesem verwickelten Anastomosenkomplex und der Wurzel des Doppelnervs ein Zusammenhang vorhanden wäre. In der mitt- leren Körperregion selbst konnte Frikdländer trotz mannigfacher Bemühungen das Einmünden von Ganglienzellfortsätzen in die Neurochorde niemals konstatieren. Er ist endlieh auch der Meinung, daß alle drei Kolossalfaseru im Unterschlundganglion in Ganglien- zellen übergehen. Am Schlüsse dieser Untersuchungen gelangt der Autor zu der Anschauung, daß die Neurochorde zweifellos nervöse Gebilde sind, deren Hüllen die Fähigkeit besitzen, bei allzu starken Kontraktionen des Wurmes Knickungen des Bauchmarkstranges hintanzuhalten. In der nächsten Arbeit, die aus dem Jahre 1889 stammt und „Über die markhaltigen Nervenfasern und Neurochorde der Cru- staceen und Anneliden" betitelt ist, beschreibt Friedländer vor allem die Neurochorde von Mastoh^anchus. Auch diese haben wie die Kolossalfasern des Regenwurmes ihre Ursprungsstätten in Gan- glienzellen des Bauchmarks, welche der Autor „Neurochordzellen" nennt. Doch nicht bloß hierin, sondern auch in bezug auf die Hüllen stimmen die Neurochorde des Alastohranchuf^ mit denen des Regenwurms überein. Friedländer beschränkte seine Unter- suchungen jedoch nicht bloß auf das genannte Tier, sondern stellte auch vergleichende Studien an mehreren Anneliden , an einigen Crustaceen sowie an den markhaltigen Nervenfasern der Wirbel- tiere an. Auf Grund seiner dabei gemachten Beobachtungen be- hauptet der Autor folgendes: Die Neurochorde der Anneliden, die Nervenröbren der Crustaceen, ja vielleicht der Arthropoden über- haupt sowie die markhaltigen Nervenfasern der Wirbeltiere sind aller Wahrscheinlichkeit nach Jbiomologe Gebilde. Schließlich korri- giert er noch seine in der letzten Arbeit niedergelegten Angaben über die Funktion der Kolossalfasern, denen er diesmal neben der Funktion, als Stütze des Bauchmarks zu dienen, noch die Auf- gabe zuschreibt , die plötzliche Kontraktion aller Körpersegmente, (261) 6 Josef Honig: insbesondere jedoch das blitzschnelle Zurückziehen des Wurmes in seine Erdröhren auszulösen. Im scharfen Gegensatze zu Friedländer steht bezüglich der Auffassung der Funktion der Neurochorde von Lenhossek. In seiner Arbeit „Ursprung, Verlauf und Endigung der sensiblen Nervenfasern bei Lumbricus" (1892), drückt er sich diesbezüglich wie folgt aus: „Im dorsalen Teile des Bauchmarks verlaufen un- geteilt und ungegliedert der ganzen Länge nach die drei rätsel- haften Gebilde, die seit Leydig bis auf die neuesten Autoren auf diesem Gebiete, wie Friedländer und B. Hallee als riesige Nervenfasern aufgefaßt werden. Auf die GoLGische Methode reagieren diese Stränge nie, sie bleiben ungefärbt, selbst wenn sich alle Fasergebilde des Markes, von den gröbsten Stammfortsätzen bis zu den feinsten Dendritenverästelungen schwärzen. Von einer homogenen oder leicht körnigen Masse gebildet, erscheinen sie von einer derben, an keiner Stelle eröffneten Scheide umschlossen und laufen im proximalen wie distalen Körperende zugespitzt aus. Ich möchte mich daher auf Grund meiner Beobachtungen mit aller Entschiedenheit denjenigen Forschern anschließen (Claparede, KowALEwsKY, Vejdovsky, Perrier u. a.) , die die nervöse Natur dieser „Neurochordzylinder" in Abrede stellen." Auch G. Retzius leugnet die nervöse Natur der Neurochorde. In seinen Untersuchungen über das Nervensystem der Lumbricinen sagte er hierüber folgendes : „In betreff der übrigen in die Zusam- mensetzung des Bauchstranges eingehenden Teile stimme ich von Lenhossek darin bei, daß die drei Kolossalfasern oder Neuro- chorden kaum wie andere Nervenfasern aufgefaßt werden können. Nie sieht man dieselben sich verzweigen, nie aus Zellen entspringen. Sie färben sich nicht durch die GoLGische Methode; nur ihre Scheide färbt sich teils in einer unregelmäßig-faserigen Zeichnung, teils mit einer scharf ausgeprägten Feldermosaik, welche auf eine Zusammensetzung der fraglichen Scheidenschicht aus Endothelzellen hinweist (Taf. I, Fig. 3)." Schon zwei Jahre später (1894) erschien Fried l anders Ab- handlung „Altes und Neues zur Histologie des Bauchstranges des Regenwurms", in welcher er sich zuerst gegen von Lenhossek und Retzius wendet. Der Autor weist nun in erster Linie nach, daß, wie von Lenhossek in einer seiner Arbeiten zugestanden hat, das Vorhandensein einer Markscheide den Eintritt der Golgi- schen Färbemethode erschwert, zuweilen sogar gänzlich verhindert. Um den zweiten Einwand zu widerlegen, weist der Autor auf seine (262) Die Neurochorde des Criodrilus lacuum Hoffmstr. 7 beiden früheren Arbeiten bin , in denen er mannigfache Verzwei- gungen der Kolossalfasern beschrieben und in mehreren Abbildungen dargestellt hat. Um jeden Zweifel zu beheben, bringt Friedländer nunmehr zahlreiche Photographien von solchen Seitenästchen und deren Verbindungen mit Ganglienzellen. Er hatte Gelegenheit , an vielen seiner Präparate zu konstatieren, daß die Neurochorde keines- falls mit dem zuhinterst gelegenen Zusammenhang mit Ganglien- zellen schon ihren Abschluß finden, sondern daß sie noch ein Stück- chen darüber hinaus zu verfolgen sind. Dies hatte er allerdings bereits früher in einigen Fällen beobachtet. Während er es aber damals für eine Ausnahme hielt , gewann er diesmal die Über- zeugung, daß diese Erscheinung in allen Fällen regelmäßig zu konstatieren sei. Natürlich kommen auch da alle möglichen Varia- tionen vor. Die Hülle der Kolossalfasern geht auch auf die Ver- zweigungen über und umscheidet dieselben ein Stückchen weit. Dort, wo die Scheide aufhört, gabelt sich das Seitenästchen in einen rechten und einen linken Zweig. Da die Ganglienzellen, deren Fort- sätze den Inhalt der „Neuralkanäle" bilden, in so zahlreichen Fällen bipolar sind, hält es der Autor für höchstwahrscheinlich, daß dies immer zutrifft. Friedländer konnte auch in dieser Arbeit kom- plizierte Anastomosen aller drei Kolossalfasern mit den dazu ge- hörigen Ganglienzellfortsätzen einerseits sowie mit der zweiten Wurzel des Doppelnerven andrerseits beobachten. Sodann bespricht er abermals ausführlich die Hülle der Neurochorde, wobeier behauptet, daß dieselben markhaltig seien, ja man könne sogar annehmen, daß das Bauchmark vorwiegend aus markhaltigen Fasern bestehe. Endlich wären noch Friedländers Versuche „Über die Re- generation herausgeschnittener Teile des Zentralnervensystems von Regen Würmern" (1895) anzuführen. Er studierte hauptsächlich die Regeneration jener Stückchen des Bauchstranges, die er unmittelbar hinter dem Clitellum entfernt hatte und fand dabei, daß sich die Kolossalfasern in den nachgewachsenen Teilen vielfach in Seiten- äste aufspalten. Ein Querschnitt durch eine solche regenerierte Partie zeigt, daß nicht mehr drei Kolossal fasern vorhanden sind, sondern daß deren viele entstanden sind. Die regenerierten Ver- zweigungen der Neurochorde unterscheiden sich von den normalen in wesentlichen Punkten. Jene ^besitzen nämlich vor allem einen viel größeren Durchmesser als diese. Während ferner die normalen nach ihrem Austritte aus den Kolossalfasern schräg ventralwärts ziehen, verlaufen die regenerierten Seiten äste mehr oder minder parallel zu ihren Hauptästen in der Richtung des nachwachsenden Arbeiten aus den Zoologischen Instituten etc. Tom.^XVIII, Heft 3. |g (263) 8 Josef Honig: Stückes. Was mit ihnen dann weiter geschieht, darüber weiß der Autor nichts zu berichten. Zwischen den Kolossalfasern und deren Seitenästen kommen alle denkbaren Anastomosen vor. Friedländer hat seine Untersuchungen auch auf regenerierte Vorder- und Hinter- enden ausgedehnt. In diesen Körperregionen fand er ähnliche Auf- spaltungen wie in den vorhin besprochenen Partien. Der Autor konnte an vielen seiner Schnittserien beobachten, wie sich eine Kolossalfaser in zwei spaltete, die beiden Teiläste eine Strecke weit parallel nebeneinander hinliefen, um endlich wieder in ein Neuro- chord zu verschmelzen, eine Tatsache, die ja, wie oben erwähnt, schon A.C OLLIN bei Criodrilus lacuum konstatieren konnte. Die regenerierten Partien des Bauchmarks sind auffallenderweise sehr arm an Ganglienzellen, um so häufiger treten dagegen die sogenannten Neurochordzellen auf. Zumeist überragen dieselben alle übrigen Ganglienzellen bedeutend an Größe. Wiewohl der Autor eine Ver- bindung zwischen Kolossalfasern und Ganglienzellen an diesen Stellen nicht nachweisen konnte, so deute doch immerhin das Vor- handensein jener „Neurochordzellen" darauf hin, daß hier ein Zu- sammenhang bestehen müsse. Cerfontaine stimmt in seiner Arbeit „Contribntiona l'etude du Systeme nerveux central du Lombric terrestre" (1892) Fried- länder vollständig bei und berichtet über einige neue Befunde. Während die beiden lateralen Kolossalfasern aus in der hinteren Körperregion gelegenen Ganglienzellen hervorgehen und gegen vorne verlaufen, verhält sich die mediane umgekehrt. Die beiden lateralen Neurochorde entsenden in jedem Ganglion je ein Seiten- ästchen hinter dem einfachen und Doppelnerven, die mittlere im Niveau des Doppelnerven. Diese Abzweigungen stehen entweder mit anderen Elementen des Bauchmarkes in Verbindung oder streben durch die Seitennerven peripheriewärts. In Übereinstimmung mit Friedländer ist der Autor der Ansicht, die Funktion der Ko- lossalfasern bestehe darin , eine gleichzeitige Kontraktion aller Körpersegmente zu bewirken. Wie St. Apäthy in seiner umfangreichen Abhandlung. „Das leitende Element des Nervensystems und seine topographischen Be- ziehungen zu den Zellen" mitteilt, sah er „die stärkeren Primitiv- fibrillen in Frontalschnitten besonders deutlich (aber auch in trans- versalen oft sehr schön) an verschiedenen Punkten aus dem Neuro- chord durch dessen dicke Gliascheide austreten und in der faserigen Masse in transversaler Richtung eine Strecke weiter gehen". Leider hat der Autor keinen dieser Schnitte abgebildet. (264) Die Neurochorde des Criodrilus lacaum Hoffmstr. 9 Havet bestätigt in seiner Arbeit „Structure du Systeme ner- veux des Annelides Nepbelis, Clepsine, Hirudo, Lumbriculus, Lum- bricus" dieAno-aben von G. Retzius und von Lenhossek, obne etwas auf unsere spezielle Frage bezügliches Neues zu berichten. Die neueste hierher gehörige Arbeit sind Krawanys „Unter- suchungen über das Zentralnervensystem des Regenwurms" (1905). Dieser Autor hat mit großem Fleiße unter Anwendung der Me- thylenblaumethode das Zentralnervensystem von Eisenia foetida untersucht. Mit den Neurochorden jedoch scheint er sich weniger befaßt zu haben. Nur an einer einzigen Stelle erwähnt er kurz, daß er zwischen den zwei lateralen Kolossalfasern Anastomosen sowie auch abgehende Neurochordseitenästchen gefunden habe. Material und Behandlungsmethoden. Die ersten Würmer, die ich zu meinen Untersuchungen ver- wendete, stammten von Linz a. D. Dorthin unternahm ich im Mai des Jahres 1907 eine Exkursion, um in den stagnierenden Armen der Donau das nötige Untersuchungsmaterial zu sammeln. Jedoch erst nach mehrtägiger Arbeit fand ich an einer Stelle — es war dies der sogenannte Holobederer-Graben, in welchem Herr Professor Hatschek vor 32 Jahren Criodrilus entdeckte — etwa ein Dutzend Würmer und eben so viele Kokons. Doch die vielen Hundert anderen Würmer, die von mir unter- sucht wurden, sammelte ich in den Altwässern der Donau bei Wien, woselbst nach mündlichen Angaben Herrn Universitätsprofessor Dr. Berthold Hatschek und Herrn Handelsakademieprofessor Karl Wessely schon vor vielen Jahren Fundstellen des Crio- drilus bekannt waren. In den allerletzten Jahren jedoch schien der Wurm daselbst völlig ausgestorben zu sein, da er trotz mannig- facher Versuche nicht gefunden werden konnte. Nach mehrmonat- lichem Einsammeln aber konnte ich konstatieren, daß Criodrilus dort wieder an allen Stellen, besonders zahlreich jedoch im soge- nannten Kaiserwasser, beim Gänsehäufel und im Heustadelwasser vorkommt. Die Würmer waren damals gerade in die überschwemmten Auen ausgewandert, um dort ihre Kokons abzulegen. Die Laich- zeit scheint in den Wiener Altwässern der Donau von Anfang Juni bis Ende Juli zu dauern^ Die Kokons sind bis zu mehreren Dutzend in einem Büschel an Wasserpflanzen angeheftet oder zwi- schen den Schalen von Dreissensia polymorpha Fall, befestigt. In den schon verlassenen Eihüllen schlagen Larven von verschiedenen Wasserinsekten ihre Wohnstätten auf. 18* (265) 10 Josef Honig: Die eingesammelten Kokons wurden teilweise konserviert, zum großen Teile aber gab ich sie in ein gut durchlüftetes Aquarium, auf dessen Boden sich eine mäßige Schichte von Donauschlamm befand. Nach kurzer Zeit schon schlüpften die Embryonen aus. Ich konnte die selbstgezogenen Würmer über ein Jahr frisch erhalten; doch wuchsen sie nur sehr langsam und erlangten nichi die Größe der Tiere, wie sie in der Freiheit vorkommen. Im Frühling krochen sie unruhig im Aquarium umher; zum Laichen kam es aber bei ihnen nicht. Auch im Herbst 1907 und in dem darauffolgenden Winter konnte ich größere Quantitäten einsammeln. Trotz der großen und anhaltenden Kälte jenes Winters hatten sich die Tiere kaum einen halben Meter in den Schlamm zurückgezogen. Die zur Konservierung bestimmten Tiere wurden so lange in ganz reinem Wasser gehalten, bis sie ihren Darminhalt völlig aus- gestoßen hatten, was bei kleineren Formen 3 — 6, bei größeren 10 bis 14 Tage dauerte , dann waren sie zur Weiterbehandlung ge- eignet. Vor dem Konservieren betäubte ich die Würmer anfangs mit lO^/oigem Alkohol. Doch da dieser zu starke, krampfartige Kontrak- tionen der Ringmuskulatur verursachte, benützte ich später zur Lähmung Chloroform in der von C ollin (pag. 474) angegebenen Weise. Vollkommen gestreckt aber erhält man die Tiere, wenn man statt Chloroform eine IVoig^ Cocainlösung dem Wasser zusetzt. Als ich mit meinen Untersuchungen begann , hoflPte ich nach der Lektüre der einschlägigen Literatur durch die Methylenblau- färbung besonders scharfe und instruktive Bilder von den Kolossal- fasern zu erhalten. Doch erwiesen sich meine Hoffnungen leider als Täuschungen. Meine mehrmonatlichen Versuche mit dieser Methode, die ich nach allen möglichen Richtungen variierte, blieben erfolg- los. Auch mit der GoLGischen und der Ramön y CAJALschen Methode gelangte ich zu keinem befriedigenden Resultate. Ich war deshalb gezwungen, meine Erwartungen auf die ge- bräuchlichsten Konservierungsflüssigkeiten (wie Müllers Gemisch, PERENYische Flüssigkeit, TELLYESNiczKYsches und endlieh ZENKERsches Gemisch) zu setzen. Als brauchbar bewährte sich einzig und allein eine Sublimat-Kochsalzlösung (70 g Sublimat, 6 g Kochsalz und 1000 cm^ Aqua destillata) ; ein Zusatz von Essig- säure ist zu vermeiden. Eingebettet wurde in Paraffin, zur Kontrolle jedoch auch in Celloidin. Wo es sich darum handelte , die Verbindung der Gan- (266) Die Nenrochorde des Criodrilus lacuum Hoffmstr. 11 glienzellen mit den Neurochorden möglichst ganz auf einem Schnitte zu erhalten, zerlegte ich die konservierten Stückchen in 10 — 15 u- dicke Schnitte, zum Studium struktureller Details aber verwendete ich Schnitte von 4*5 — 6 |x. Die Schnitte wurden in transversaler, sagittaler und frontaler ßichtung geführt. Von den Färbemethoden leistete mir die Dreifärbung: Dela- FiELDs Alaunhämatoxylin, Säurefachsin und Orange G sehr gute Dienste. In ausgiebigster Weise und mit den besten Erfolgen machte ich von der Heidenha in sehen Eisenhämatoxylinmethode — ohne jede Nachfärbung — Gebrauch. Recht deutliche und überzeugende Bilder lieferte mir die von Mallory zusammengestellte .Färbe- flüssigkeit, die ich nach der von Kodi angegebenen Modifikation in Anwendung brachte. Diese Farblösung besteht aus : Aqua destillata 100 cm^ Chloralhydrat Ig Hämatoxylin 1 „ Phosphormolybdänsäure 1 ,, Das Protoplasma der Ganglienzellen fingiert sich bei dieser Methode gentianaviolett , die Nervenzellfortsätze blauviolett , die Hüllen der Neurochorde und deren Seitenästchen dunkelblau , die Neurofibrillen ebenfalls dunkelblau bis fast schwarz. Ursprung und Verlauf der Neurochorde. Indem ich nun zur Besprechung meiner speziellen Unter- suchungen übergehe, will ich zunächst schildern, wo und wie die Kolossalfasern beginnen und welchen Verlauf sie sodann nehmen. Die zu beschreibenden Neurochorde verlaufen in der Längsrichtung des Tieres und liegen unter normalen Verhältnissen stets im dor- salen Teile des Bauchmarkes ; ihre Zahl beträgt gewöhnlich drei ; zwei laterale liegen symmetrisch zu einer medianen , die etwas näher gegen die Dorsalseite des Bauchstranges gerückt erscheint. Ganz anders verhalten sich die Kolossalftisern in regenerierten Körperpartien. Ich will mich vor allem mit den normalen Neuro- chorden befassen, um erst nachher die Regenerationserscheinungen derselben zu erörtern. Wenden wir uns zuerst der medianen Kolossalfaser zu. Diese tritt schon in der Mitte des ersten Drittels des ünterschlundgan- glions als äußerst zartes Fäserchen auf. Im weiteren Verlaufe je- doch gewinnt sie rasch an Dicke und erreicht nach vielfachen Schwankungen etwa im zwanzigsten Segmente ihren größten Durch- (267) 12 Josef Honig: messer, der, abgesehen von kleineren Einschnürungen bis etwa zu Beginn des fünfzehnten Segments , vom Hinterende aus gezählt, konstant bleibt. Von da beginnt sie wieder ziemlich schnell an Durchmesser einzubüßen und endigt schließlich im letzten Drittel des hintersten Ganglions blind in einer feinen Spitze. Etwas anders verbalten sich in dieser Beziehung die beiden lateralen Kolossalfasern. Sie beginnen erst am Ende des ersten Drittels des Unterschlundganglions als ganz feine Fäserchen, die ebenso wie das mediane Neurochord in diesem Ganglion noch von äußerst dünnen Hüllen umgeben sind. Von da nehmen sie dann all- mählich, aber stetig an Durchmesser zu, um im fünfundzwanzigsten Segmente endlich das Maximum desselben zu erreichen. Doch stehen sie der medianen Kolossalfaser unter normalen Verhältnissen stets an Querschnittsdimensionen nach ; allerdings ist der Unterschied in manchen Fällen kaum merklich. Durch die ganze mittlere Körper- region behalten sie den erlangten Durchmesser bei. Erst im Hinter- ende — etwa fünf Segmente später als die mediane Kolossalfaser — schicken sie sich an, sich rasch zu verjüngen, um gleichfalls im letzten Drittel des äußersten Ganglions der hinteren Körperregion in einer ganz dünnen Spitze ihren Abschluß zu finden. Die Neuro- chorde reichen also vom letzten Ganglion des Hinterendes bis ins Unterschlundganglion, ohne jedoch in die Schlundkommissur empor- zusteigen. Trotz vielfacher Versuche — ich führte sowohl durch das Vorder- wie Hinterende eine größere Zahl von Schnitten in trans- versaler, sagittaler und frontaler Richtung — ist es mir leider nicht gelungen, einen Übergang der Neurochordenden in Ganglien- zellen mit der wünschenswerten Deutlichkeit nachweisen zu können. Nach der Durchsicht von vielen Präparaten schien es mir, als ob die beiden lateralen Neurochorde aus Ganglienzellen des äußer.sten Hinterendes entsprängen. Dort treten nämlich diese Zellen in so großer Zahl ganz dicht aneinander gedrängt auf, daß sie sozu- sagen eine Abschlußkappe bilden, aus welcher zahlreiche Ganglien- zellfortsätze gegen die Anfangsstelle der lateralen Neurochorde zu- streben. Aller Wahrscheinlichkeit nach tritt einer dieser Fortsätze — oft sah ich einen solchen ganz nahe an das Ende der lateralen Kolossalfasern herantreten — in das Neurochord ein. Mit voller Gewißheit aber kann ich dies nicht behaupten. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei der medianen Ko- lossalfaser. Auch da konnte ich beobachten, wie im letzten Gan- glion des Hinterendes bis unmittelbar an die zarte Spitze des (268) Die Neiarocliorde des Criodrilus lacunm Hoifmstr. 13 Neurochords der Ansläufer einer Ganglienzelle aus dieser „Ab- schlußkappe" herankam. Es handelte sich oft nur um die Über- brückung einer winzigen Lücke und die Verbindung wäre herge- stellt. Doch blieb es mir versagt, diesen Übergang klar und deut- lich ermitteln zu können. Dies scheint im folgenden seinen Grund zu haben. Die ge- nannten Zellausläufer liegen auf einem anderen Schnitte als die äußerst dünnen Enden der Neurochorde; deshalb ist es, wie ich glaube, fast unmöglich, Irrtümern aus dem Wege zu gehen. Bei der größten Achtsamkeit kann man den Übergang des Ganglien- zellfortsatzes in die Kolossalfaser übersehen. Nach allem jedoch, was ich an meinen Präparaten sah, neige ich zu der Ansicht, daß auch die mediane Kolossalfaser aus einer Nervenzelle hervorgeht, die im letzten Ganglion des Hinterendes gelegen ist. Regeneration der Neurochorde. Ohne gerade Regen erations versuche anstellen zu müssen, hatte ich in zahlreichen Fällen Gelegenheit, das Verhalten der Kolossal- fasern in regenerierten Körperpartien genau studieren zu können. Es besaßen nämlich nahezu 90Vo der Würmer, die ich einsammelte, schon regenerierte Hinterenden. Manche Tiere hatten sogar die Hälfte ihres ganzen Körpers neugebildet. Schon Hoffmeister war ja die bewundernswerte Regenerationsfähigkeit des Criodrilus aufgefallen. In dem oben erwähnten Werke sagt er: „Exemplare mit neuen Schwänzen, an der frischen roten Farbe und größeren Dünne kenntlich, werden häufig gefunden." Während im normalen Bauchmarke, wie ich schon oben sagte, stets bloß drei Kolossalfasern vorzukommen pflegen, steigt diese Zahl in regenerierten Körperpartien bis auf das Doppelte. Im all- gemeinen verlaufen auch im Regenerate die Kolossalfasern im dor- salen Teile des Bauchstranges; manchmal jedoch verlagert sich eines dieser Neurochorde hinab in die ventrale Hälfte des Bauch- markes. Ein Unterschied in den Hüllen der normalen und neuge- bildeten Nenrochorde ist — wenigstens bei den von mir angewen- deten Metboden — nicht zu konstatieren. Da nun die regenerierten Kolossalfasern trotz ihres zahlreichen x-iuftretens den Durchmesser 4er normalen zu erreichen suchen, müssen sie den ihnen zugewiesenen Platz möglichst zweckmäßig ausnützen. Jede Kolossalfaser sucht tunlichst an Durchmesser zu gewinnen. Das benachbarte Neurochord aber, welches das Gleiche erreichen will, hindert sie entweder daran oder verdrängt sie sogar (269) 14 Josef Honig: nicht selten vollständig. Ein Schnitt durch eine solche Körper- region bietet oft ein gar merkwürdiges Bild. Ich hatte Gelegen- heit, zahlreiche ganz sonderbare Verlagerungen und Aufspaltungen zu beobachten. Es sei mir nun gestattet, in Kürze einen besonders interessanten Fall zu beschreiben , der durch die Textfigur A ver- anschaulicht wird. Von den drei Neurochorden wird das rechte auf einmal dicker, es braucht jetzt mehr Platz und muß deshalb die mittlere Kolossal- faser aus ihrer Lage verdrängen (Fig. 1). Diese nun ist gezwungen, der stärkeren zu weichen und rückt ein Stückchen gegen die Ven- tralseite des Bauchstranges hinab (Fig. 3- — 6). In dem Moment nun, wo das rechte Neurochord ungefähr den doppelten Durchmesser des mittleren erreicht hat, beginnt es sich in zwei Äste zu teilen; es schnürt nach außen zu einen kleineren Seitenast ab (Fig. 'd und 4). Dieser verläuft parallel zu seinem Hauptaste, verjüngt sich sehr rasch und verschmilzt endlich wieder mit diesem (Fig. 7). Die rechte Kolossalfaser nimmt an Durchmesser wieder ab, die mediane tritt an ihre alte Stelle zurück. In Fig. 8 sehen wir nur mehr drei Ko- lossalfasern in fast gleicher Höhe nebeneinander. Dieser Zustand bleibt jedoch nicht lange bestehen. Schon einige Schnitte weiter beginnt sich die linke Kolossalfaser gabelig aufzuspalten (Fig. 9) ; ihr Neben- ast liegt gegen das Zentrum des Baucbmarkes zu und wird rasch dicker. Schon die nächste Figu»' (10) zeigt uns. daß er den Hauptast an Durchmesser übertrifft. Die mediane Kolossalfaser, welche schon zu Beginn der Aufspaltung des linken Neurochords etwas in die Höhe steigen mußte, wird jetzt sogar von beiden Seiten zusammen- gedrückt und muß sich deshalb nach oben verlängern (Fig. 11). Nun verläßt der Nebenast der linken Kolossalfaser seine Lage ■ — er hat jetzt schon eine ziemliche Dimension erreicht — und schickt sich an, sich zwischen seinem Hauptast und dem medianen Neuro- chord einzuschieben (Fig. 12). Dadurch drängt er den Hauptast weiter gegen die laterale Seite, während er die mediane Kolossal- faser stark zusammendrückt. Allerdings büßt er selbst hierbei an Durchmesser ein. Nachdem er nun auf gleiche Höhe mit seinem Haupt- aste gelangt ist (Fig. 13), verschmelzen beide zu einem Neurochord. Doch diese neue Vereinigung währt nur eine kurze Strecke. Schon Fig. 14 stellt den Beginn einer abermaligen Teilung der linken Ko- lossalfaser dar. Es treten hierauf nebeneinander zwei linke Neuro- chorde auf, von denen das äußere kleiner ist als das innere. Das erstere verjüngt sich rasch und geht schließlich in die benachbarte (270) Die Neurochorde des Criodrilus lacuum Hoffmstr. Textfigur A. 15 i3 VÖÖ^-y. -i,nl,,i,uf.zmlotiJifshhif.zi> Wim. IUX)W. Urfl i Taf.l. H.Joseph, .^motimylen von LuinliHtvs. TaKl. Arbiikn (Ldzooh)g.lii.slüuLzu fl uii. Bd.XW. Hcfll. Tal'.ä. HJosepJi. Avm'hoaii'u voji lumhriais. Taf.Il. Jtrhg mhillitiHöIdtr,kii.iM-a.Ünirenläts3aclümdla-'Bi \Kei WtrneT IWiBtai rTOiikfkttX-'. Arbeiten a. d. zoolog. Institut zu Wien. Bd. XVIII. Heft 1. Tat. III. Lä^'" j?%: H. Joseph, Amoebocyten von Lumbricus. Tat. III. 84 -;r ß^ :^ V :^-^:^ # ;, *..- >' i31 '/ **♦' .^k^-..^tmt 9:u 9-^ .■■$^-^". 95- H. Joseph ptiot. Lichtdruck v. Max Jatt^, Wien. Verlag von Alfred Holder, k. u. k. Hof- und Uuiversitäts-Buchhcändler in Wien. i «lIllMllI /.llU'irll 11,1 SVW. Ulli LTi!i:i\: .ni,i,t/i Fnhln'in,,.! il,r h'iws/i,- bei IMm Ml ... ... -^ •"> . • '. T ' • » * m • • . ♦ ■■»A • ■ ■ _ j ■■■■•■ ■• •• -.-i-/ wm^ j . ■ , . St- • 'P .^_. ■ . ^e" s /^a ä 9 . © (MV,® • . .0.® . •0# '«©Vi • ^" ' .■ ■@ ®.-'.eO.'.5:-'^ "'^^ifL^?^-^ Q W 4^ T'>y ^ .V. Arhrilcii (uL/ooloi/.hstiM.zn Wiin.Bd.Wll.Hcftl. TafX J.lhkl/J. EiihlrhniKi lUiiids/ir liH\ -ilrn. Itil'll. 1^ ^^^\^ ^^■"''•^-v-^:^ G- '. Edx --f -5- k Kn- ^4 -' '?«» ■<*i- . hinitm adzoolog. Institut zu Wien. Bd.mi. Heft 3. TdAW. F.Slnß: Oryaiwg. 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