ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNO

HERAUSGEGEBEN

VOM

AilCHiOLOOISCHEN INSTITUT DES DEUTSCHEN REICHS.

JAHRGANG XXXVIII 1880.

REDACTEUR: DK MAX FRÄNKEL.

BERLIN,

DRÜCK UND VERLAG VON G. REIMER.

1881.

I N 11 A L T.

R. BoHN Zum Nike-Pj^rgos. Ueber das Alter der kleinen zwischen Propyläen- Slidhalle und Nike- tempel liegeuden Treppe (Tafel 10) 85. (196)

H. Brunn 'yn:o/5</9ot«a^at 18

A. CoNZE Hermes-Kadmilos (Tafel 1 4 und Holzschnitt) 1

Ueber die Echtheit einer Vase aus Argos (Holzschnitt) 74

E. CuRTius Die Kanephove von Pästum (Tafel 6 und Holzschnitt) 27

A. Flasch Pbineus auf Vaseubildern (Tafel 12) 138

J. Friedlaender Gruppe der Artemis (Tafel 17) 184

A. FuRTWÄNGLER Weisso attische Lekythos (Tafel 11) 134

L. GuRi.iTT Votivrelief an die Göttermutter (Tafel 18) 187

A. E. J. HoLWEUüA Olympische Studien

I Die Folgenreihe der Festspiele 169

II "EcpEÖQns und ^EcpsÖQsla 171

E. HiJBNER Das Bildniss des Seneca (Tafel 5 und Zinkdruck) 20

F. HuLTscH Das Grundmaass der Griechischen Tempelbauten 91

Bestimmung des attischen Fusses nach dem Parthenon und Theseion 172

W. Klein Laokoon ein Vasenbild (Holzschnitt) 189

G. Körte Dokimasie der attischen Reiterei (Tafel 15) 177

K. Lange Aegineteu und Corrosion (Holzschnitt) 121

A. Michaelis Zur Geschichte des Schleifers in Florenz und der mediceischeu Venus 11

Tragischer Kopf (Tafel 8. 9 und 2 Holzschnitte) 75

A. MiLCHnöFER Bacchische Siegesfeier (Tafel 16) 182

Tu. MoMMSEN Inschriftbiisteu

1. Aus Herculaneum 32

2. Aus den Uffizien 36

E. Petersen Kunstgeschichtliche Miscellen

1. Der Apollon mit dem Hirsch von Kanachos 22. (192)

2. Der Satyr von Myron 25

0. PucHSTEiN Zur Arkesilasschale 185

Th. Schreiber Ludovisische Antiken I. Paris und Oinone, ein hellenistisches Reliefbild (Tafel 13) . 145

A. Trendelenburg Iris in den Giebelgrupjjen des Parthenon 130

G. Treu Werke des Skopas im Museum zu Piali (Tegea) 98

Ch. Waldstein Marmorfragment in Venedig (Tafel 7) 71

MISCELLEN.

H. Blümner Die Maske des sog. sterbenden Alexander 162

M. Fränkel Zu Tafel 14 163

J. Friedlaender Römisches Bildniss auf einem Goldringe (Holzschnitt) 159

A. Furtwänglek Nochmals Nike und Lines 161

Gefälschte Vase 191

G. Körte Nike und Linos 101

G. Löschcke Die Catagusa des Praxiteles 102

A. MiLCHHöFER Zu den Sculpturen von Tegea 190

Ph. Sakellarios Inschrift aus Makedonien 159

R. Weil Zu N. 193 der Inschriften aus Olympia 191

P. Weizsäcker Ueber die Statuen aus Aegion 101

E. Petersen Nachtrag zu S. 22 f. 192

BERICHTE.

Erwerbungen des britischen Museums im Jahre 1879 103

Erwerbungen der königlichen Museen zu Berlin im Jahre 1879

I Sammlung der Sculpturen und Abgüsse (A. Conze) 37. (196)

II Antiquarium (G. Körte) 39

IV Inhalt.

Seite

Sitzungen der archäologischen Gesellschaft in Berlin 41. 105. 193

Festsitzung des archäologischen Instituts in Rom, 23. April 1880 104

Chronik der Winckelmannsfeste (Athen. Rom. Berlin. Bonn. Frankfurt a. M. Emden) .... 193

Bericht über die Thätigkeit des kaiserl. deutschen -archäologischen Instituts vom 1. April 1879 bis

dahin 1880 (A. Conze) 120

DIE AUSGRABUNGEN VON OLYMPIA.

Berichte 39 von G. Treu 44

40 von W. DöRPFELD 46

41. 42 von G. Treu 48

43 von F. Adler 109

44 von E. CuRTius 110

45 von G. Treu 113

Inschriften aus Olympia 334—353 (W. Dittenberger) 52

354—356 (K. Purgold) 63

357—362. 363—365 (A. Kirchhoff) 64. 117

366—380 (W. Dittenberger) 164

G. CuRTius Zu Nr. 362 69

A. FURTWÄNGLER Zu Nr. 91 70

Berichtigungen 196

Berichtigung (J. Overbeck) 163

Erklärung (E. Dobbert). Erwiderung (J. Overbeck) 197

Register von 0. Puchstein 197

ABBILDUNGEN.

Tafel -^1. Attisches Weihrelief an die Grosse Göttin.

- ^2—4r. Weihreliefs an die Grosse Göttin.

- ^. Seneca und Sokrates, Doppelbüste. y6. Kanephore, Bronze aus Pästum,

- yl. Marmortorso in Venedig.

- S. Tragischer Kopf im Besitze des Hon. Ashley Ponsonby.

- '■^. Attisches Grabrelief in Lansdownehouse.

- -40. Zum Nike-Pyrgos.

- , 11. Attische Lekythos im Berliner Museum.

- 12. Phineus-Vasen im British Museum. 13. Paris und Oinone.

- 14. Sarkophag aus Sparta.

- 15. Schale aus Orvieto.

- 16. Bacchische Siegesfeier. Krater aus dem Piräus.

- 17. Artemis. Marmorgruppe aus Larnaca.

- 18. Relief aus Tanagra.

Seite 10. Nymphenrelief in Athen (s. S. 8 Anm. 7 c).

- 22. Carneol mit Porträt (SenecaV).

27. Ergänzte Ansicht der Kanephore von Pästum.

- 63. Inschrifttafel.

74. Ornament einer Vase aus Argos.

- 77. Holzschnitt des Kopfes Taf. 8 aus Jahns Ausgabe der Elektra.

- 82. Ansicht der Stele mit dem Ko])fe Taf. 9.

- 123. Corrodirte Figur aus dem aegiuetischen Westgiebel.

- 159. Römisches Bildniss auf einem Goldringe.

- 189. Kantharos des Brit. Museums (nach Panofka Cab. Pourtales pl. 7).

HERMES -KADMILOS.

(Tafel 1—4.)

Auf einer Anzahl von griechischen Votivreliefs erscheint neben einer Göttin, welcher in den meisten Fällen die ständigen Attribute der Kybele oder, um den speziellen Namen zu vermeiden, der Gütter- mutter beigegeben sind, ein Jüngling mit einem Prochus in der Reciiten, offenbar als Mundschenk der Göttin. Ich stelle unter A bis X die mir be- kannt gewordenen Exemplare zusammen und zwar diejenigen voran, auf denen die Hauptfigur mit jenen Attributen ausgestattet ist (20 sichere und 3 wahrscheinliche), darauf in zweiter Reihe unter V bis X drei Exemplare, auf denen der Göttin die Attribute fehlen; sodann wird ein sicher in die erste Reihe gehöriges Exemplar zu besprechen sein, auf dem der Jüngling jedoch ein andres Attribut als den Prochus hält (Y), und endlich führe ich unter Z und Za noch zwei Werke an, auf welche durch diesen Anschluss ein Licht fällt.

A. Taf. 1. Im k. Museum zu Berlin, Inv. no. 1467. Aus Athen. W. M. 0,50 hoch, 0,43 breit. Oben und rechts abgebrochen. Das Relief war beiderseits von einem Pfeiler, auf denen gewiss ein Gebälk mit Giebel oder einer Akroterienreihe lag, eingefasst. Unten ist der Zapfen zum Ein- setzen erhalten. Nach ilim lässt sich, da er in der Mitte stand, die ursprüngliche Breite der Platte an- nähernd l)estimnien.

Links sitzt nach rechts gewandt auf einem theil- weise vor den Pfeiler geschobenen Throne, dessen Armlehne auf der Figur einer Sphinx ruht, die Göttermutter, an dem Tympanon in der Rechten, der Schale in der Linken und dem neben ihr am Boden gelagerten Löwen ohne Weiteres kenntlich. Sie ist mit dem langen Chiton und einem Oberge- wande bekleidet, welches über den Hinterkopf ge- zogen ist; den Kopf schmückt eine niedrige Ste- phane. Die mit Sandalen l)ekleideten Füsse ruhen

ArchUolog. Ztg., J.ihrgang XXXVIII.

auf einem Schemel. Ihr zugewandt steht eine weib- liche Gestalt, das Haar umbunden und nach Jung- frauenart am Hinterkopfe in einem Schöpfe aufge- nommen, in Chiton und Mantel, Sandalen an den Füssen. Im linken Arme hält sie eine aus Stäb- chen zusammengebundene Fackel gesclmltert, auf die sie aucli die rechte Hand legt.

Weiterhin folgt der Bruch des Steins, der von einer dritten, soweit man sieht nackten, jugend- lich männlichen Figur nur das rechte Bein und den rechten Unterarm mit einer Kanne in der Hand übrig gelassen hat. Ob auf der verlorenen Hälfte der Platte etwa die in kleinerem Massstabe dargestellten Stifter des Anathems dargestellt wa- ren, lässt sich nicht mit voller Bestimmtheit be- haupten.

Alles noch Vorhandene ist von tadelloser Er- haltung; in der Mitte des Tympanon sieht man noch den Zirkelstich, der beim Ziehen des Kreises ent- stand. Namentlich auf den Vergleich mit attischen Grabreliefs ') hin wird man die Arbeit bald nach 400 V. Chr. entstanden denken ; sie trägt den Stempel der edlen Durchbildung des attischen Handwerks um diese Zeit und maclit das Relief zu einem unter den zahlreichen attischen Darstellungen der Götter- mutter, die sonst unbedeutend, ja roh zu sein pflegen, ganz hervorragenden.

B. Taf. 2, 3. Im Museum der archäologischen Gesellschaft in Athen no. 3047. Aus dem Piraeeus, wo ein Metroon durch zahlreiche andre Fundstücke erwiesen ist'). W. M. 0,47 hoch, 0,35 breit, 0,14 dick. Körte in Mitth. des archäol. Instituts zu Athen III, S. 397 f. Mylonas in Bull, de corr. hell. 1879, S. 534 f., n. 4.

Ganz in der Weise der oben erwähnten zahl- reichen , bisher besonders aus Attika bekannten Votive thront ganz von vorn gesellen die Göttin

') Z. B. das Grabmal der Demetria und Paniiphile Arch. Zeit. 1871, Taf. 44 und dazu Carl Curtius S. 31. -) Carl Curtius D.ns Metroon in Athen S. 9.

1

A. Conze, Hermes-Kadmilos.

in Unter- und Obergewand, einen Schemel unter den Füssen, den Modius auf dem Kopfe, das Tympanon in der Linken, die Schale in der Kechten; der Löwe ruht auf ihrem Sehoosse. Ganz klein und nur im Flachrelief ist zu unterst auf jedem Seitenpfeiler eine zur Mitte gewandte Figur augebracht, links eine jugendlich männliche in der Chlamys, rechts eine weibliche in der Mädehentracht des einfachen langen Cliiton. Die letztere hält jederseits eine lauge Fackel aufgestützt, der Jüngling aber in der gesenkten Rechten einen Krug, in der Linken (was Körte und Mylonas nicht angeben) das Kerykeion. Ueber diesen Figuren ist auf den Pfeilern die Weih- inschrift angebracht: Mcxv>]g MrjTQi xal Mlxa Mrjiql &£ti)v ^). Die beiden Stifter sind, zumal dem Namen des Mannes nach, Leute aus dem niedrigen Volke ge- wesen. Dem entspricht die offenbar billige Arbeit des sonst ganz ansehnlichen Anathems. Wie misslich es ist, allein der rohen Form nach solche Werke in eine späte Zeit zu versetzen, hat bereits Körte gegen Stephani bemerkt; die Schriftform weist dieses Exemplar, wenn auch nicht, wie Körte bestimmt sagt, in das vierte, so doch in dieses oder in das dritte Jahrhundert vor unsrer Zeitrechnung.

B". Im k. Museum zu Berlin. Inv. u. 1605. Gefunden im Piraeeus. W. M. 0,50 hoch, 0,36 breit, 0,18 dick. Im Tempelchen thront die Göttin, in ihrem Sehoosse liegt der Löwe, auf dem Kopfe trägt sie den Modius, in der Rechten hält sie die Schale, in der Linken das Tympanon. An den Pfeilern stehen in Flachrelief ausgeführt links der Jüngling in der auch die linke Hand verhüllenden Chlamys, in dessen lierabhängender rechter Hand kein bestimmter Gegenstand deutlich zu erkennen ist, und rechts das Mädchen in Chiton und Mantel, welches eine lange Fackel aufrecht auf den Boden gestützt in jeder Hand hält. Das Ganze von vor- züglicher Erhaltung.

C. Im Museum der Akropolis zu Athen. W. M. Etwa 0,22 hoch. In einem Tempelchen sitzt die Göttin, ihr zur Rechten der Löwe. An dem Pfeiler links erscheint in kleiner Gestalt der mit Chiton und Chlamys bekleidete Jüngling stehend, den Prochus in der gesenkten Rechten ; auch rechts am Pfeiler ist noch der Kest einer kleinen Figur kennt- lich, gewiss von dem Mädchen mit den Fackeln herrührend. Der Obertheil des Ganzen ist zerstört.

•■') Nicht MIKA2^ wie bei Körte nur iils Druckfehler steht. Mylonas giebt unrichtig am Anfange der Inschrift zer- störte Buchstaben an; seine Beschreibnng des Bildwerks ist mehrfach ungenau.

D. Daselbst. W. M. Etwa 0,30 hoch. Die Göttin thront, der Löwe liegt auf ihrem Sehoosse; in ihrer Linken hält sie das Tympanon. Ilir Kopf fehlt. Links am Pfeiler des Tempelcheus steht wieder der Jüngling in Cliiton und Chlamys, die Rechte, welche den Prochus gelialten haben wird, ist ganz abgestossen. Am Pfeiler rechts steht die Mädchenfigur im langen Chiton, zwei Fackeln auf- recht in den Händen.

E. Daselbst. W. M. Etwa 0,28 hoch. Die Göttin thront, den Löwen auf ihrem Sehoosse; in der Rechten hält sie die Schale. Der Obertheil des Ganzen, die linke Körperseite der Göttin und der rechte Pfeiler des Tempelchens fehlen. Am Pfeiler links steht der Jüngling in Chiton und Chlamys, der Prochus in der rechten Hand ist undeutlich.

F. Im Nationalmuseum zu Athen. Kleines Exemplar, ganz erhalten. Die Göttin thront, den Modius auf dem Kopfe, den Löwen auf dem Sehoosse, in der Linken das Tympanon, in der Rechten die Schale. Der Schale wie gewöhnlich und wie natür- lich zunächst steht auf dem linken Pfeiler des Tempelchens der junge Jlundschenk im Chiton und mit der Kanne in der Hand, ihm gegenüber auf dem Pfeiler rechts das Mädchen mit den zwei auf- recht gehalteneu Fackeln, beide Figuren wie üblich in flachem Relief ausgeführt.

G. Im Museum der archäologischen Gesell- schaft zu Athen. Fragment eines Votivreliefs, von dem namentlich auf der linken Seite der Jüngling mit dem Kruge deutlich erhalten geblieben ist.

C?". Taf. 3, 4. Im Nationalmuseum zu Athen. W. M. Fragment, etwa 0,25 hoch. Der Jüngling in der Chlamys mit dem (ganz deutlichen) Prochus iu der gesenkten Recliten steht hier iu grösserer Gestalt und höherem Relief neben der (nicht erhaltenen) Göttin. Vor dem Pfeiler links am Rande des Reliefs hinter dem Mundschenken steht klein und in Flach- relief ausgeführt das Mädchen mit zwei aufrechten Fackeln in den Händen. Da die Hauptgestalt voll- ständig verloren ist, so bleibt es dahingestellt, ob das Relief sicher iu diese Gruppe, w'o die Benennung der Göttermutter für die Haupttigur durch deren Attribute angezeigt ist, gehört oder in die zweite, iu der Haupttigur nicht so unzweideutige Gruppe V X. Dasselbe gilt von der folgenden Nummer:

G''. Im Kultusministerium zu Athen. Schöne, Griechische Reliefs n. 119. Erhalten ist nur die Seitenwand der Aedicula mit dem fackeltragenden Mädchen.

H. Taf 4, 1. Im k. Museum zu Berlin. Inv.

A. Conze, Hermes-Kadmilos.

3

n. 1581. Gefunden im Piraeeus. W. M. 0,23 lioch. Nur die linke Seite ist erlialten. Furtwiingier in Mittlieilungen des deutschen areliäol. Inst, zu Athen III, S. 195.

In einer Felsgrotte, an deren unterem Rande links der von den Nj'mphenreliei's bekannte bärtige Kopf des Wasserdaimons aus dem Felsen hervor- ragt, stand inmitten die Göttin; nur ein Theil ihres rechten Arms und ein Stück des unteren Gewand- endes am rechten Fusse ist erhalten. Zwischen ihr und dem bärtigen Kopfe steht, nur etwa halb so gross wie die Göttin selbst, der Jüngling in der Chlamj's mit dem Kruge in der gesenkten rechten Hand. Ich reihe dieses Exemplar hier ein in der Voraussetzung, dass das allerdings äusserst roh ge- arbeitete und nur in seinem Untertheile erhaltene Thier, das neben der Göttin sitzt, ein Lüwe sein soll. Furtwänglers nicht haltbare Ergänzung des Fragments ist jetzt von ihm selbst aufgegeben (s. unten zu X).

/. Taf. 2, 1. In dem Kirchlein des Agios Dimi- trios, eine halbe Stunde von Koropi, in der Rich- tung auf die auf der Hymettoshöhe weithin sicht- baren Kapelle der Agios Ilias zu, in Attika. W. M. 0,23 hoch, 0,30 breit, 0,00 dick, 0,02 Relieferhe- bung. Oben und rechts abgebrochen.

Erhalten sind zwei in wesentlich gleicher Ge- stalt neben einander von vorn gesehen tlironende Gestalten der Göttermutter; die Köpfe fehlen. Beide Göttinnen tragen Unter- und Obergewand und halten in der Rechten eine Patera ; die zur Linken des Be- schauers sitzende scheint zur Linken das Tympanon gehalten zu haben , an der andern Figur ist die entsprechende Seite verloren. Zwischen beiden sitzt am Boden ein trotz Rohheit und Verstümmelung kenntlicher Löwe. Von einer Figur zur Rechten des Ganzen ist nur ein Beinstück erhalten, dennoch scheint es eher ein Jüngling, sicher nicht das sonst vorkommende fackeltrageude Mädchen gewesen zu sein. Links ist aber bis auf Kopf und Schultern der Mundschenk in Chiton und Chlamys, mit dem Prochus in der gesenkten Rechten auf die Göttinnen zuschreitend, vollkommen deutlich erhalten.

Die Doppelung der Kybelegestalt in einem und demselben Votivrelief begegnet uns hier zum zweiten Male. Ein andres Exemplar, welches ebenfalls aus Attika stammt, publicirte schon Stephani (Ausruhen- der Herakles S. 86, u. 12), damals als ein l'nicum. Nebenfiguren befinden sich auf ihm nicht. Stephanis Deutung, dass es „den Rheabegriflt' mit dem der Demeter verschmolzen zeige, indem es jener Göttin

die Köre beifüge", ist wenig befriedigend, ebensowe- nig die euhemeristisclie Aushülfe, zu der Boetticher (Katalog der Berliner Gipssammlung, 1872, n. 310) greift, dass der Stein das Ehrenmal zweier Prie- sterinnen der Kybele im Costume und mit den Attri- buten der Göttin sei. Mir selbst bleibt diese Doppe- lung ein Rätiisel.

K. In der Sammlung der archäologischen Ge- sellschaft zu Athen. Aus dem Ileiligthume der Göttermutter bei dem Dorfe Mustaphades im Demos Tanagra. Alles Nähere bei Körte in Mittheil, des deutschen archäol. Instituts zu Athen III, S. 390 ff., n. 156.

Auf einem von vier zusammen oder doch zu verschiedenen ganz gleichen Votivreliefs gehörigen Fragmenten erscheint neben der thronenden Göttin ein nackter Knabe, von Körte bereits mit dem Oinochoos auf attischen Kybelereliefs identificirt.

L. Im Museum zu Theben. Aus dem böo ti- schen Dorfe Karantii stammend. Alles Nähere bei Körte a. a. 0. S. 397, n. 178.

Wiederum nur ein Relieffragment , das einen nackten Knaben neben der fast ganz zerstörten Ge- stalt der Kybele zeigt. Von Körte zu der Reiiie der attischen Votivreliefs gestellt.

31. Taf. 3, 2. Im k. Museum zu Berlin. Inv. n. 1539. In Smyrna als angeblich aus Ephesos stammend erworben. W. M. 0,37 breit. Von rohester Arbeit und oben abgebrochen, so dass von dem Tempelchen der Giebel und von den drei dar- gestellten Figuren die Köpfe fehlen.

Inmitten thront von vorn gesehen die Götter- mutter, das Tympanon in der Linken, die Schale in der Rechten, ihre Füsse auf einen liegenden Löwen gestützt. Rechts von ihr, also ihr zur Linken, steht ein, wie der Rest des Kopfes zeigt, bärtiger, mit Unter- und Obergewand bekleideter Mann; zu ihrer andern Seite tritt die mit der Chlamys be- kleidete Gestalt, welche in der gesenkten Rechten den Prochus hält, heran.

A'. Taf. 3, 1. Im k. Museum zu Berlin. Inv. n. 1540. W. M. 0,28 hoch, 0,20 breit. Zu- sammen mit dem vorigen zu Smyrna als angeb- lich aus Ephesos stammend erworben; ganz gleichen Ursprungs und gleichartiger Arbeit mit M ist es jedesfalls. Bis auf den abgesplitterten Kopf der Kybele ist es gut erhalten.

Dargestellt ist unter einem Giebeldache der- selbe Dreiverein von Gestalten, wie auf il/, inmitten die Göttermutter, hier stehend, links das Tympanon, rechts die Schale haltend; jederseits ihr zu Füssen

1*

A. Conze, Hermes-Kadmilos.

und ihr zugekebil sitzt ein Löwe. Kechts vou ihr stellt der Maun im Mautel, dessen bärtiger Kopf hier erbalteu ist, andrerseits der Jüug-liug in der Clilamys mit dem Proelius in der gesenkten Rechten.

0. Im k. Museum zu Berlin. Inv. n. 1536. W. M. 0,45 hoch, 0,27 breit. Gleicher klein- asi atischer Herkunft und gleicher Arbeit wie M und N.

Im Tempel sitzt an iliren Attributen kenntlich die Göttermutter; die Vorderfläclien beider Pfeiler sind zerstört, aber auf dem zur Rechten sieht man noch den Rest einer im Einzelnen unkenntlichen kleinen Figur.

P. In der Sammlung Saburoff, von der „ionischen Küste", aus der Gegend von Ephesos und Smyrna stammend. Thourelief. Das Kähere bei E. Curtius in Mittheil, des deutschen archäol. Instituts 11, Taf. III, S. 48 ff.

In freierer Bewegung, also insofern mit A zu vergleichen, sitzt die Göttermutter in ihrem Tempel und liebkost den zu ihr aufspringenden Löwen. Neben ihrem Throne (dessen hinteres Bein nicht richtig von Curtius als ein iittoxqijttjqiöiov ange- sehen ist) sitzt klein ein flötespieleuder Silen, weiter nach Rechts steht ebenfalls klein an Gestalt ein Jüngling, mit der Chlamys bekleidet, etwa in der Bewegung des Praxitelischen Periboetos mit ge- hobener Recliten aus einem Kruge in eine in der Linken vorauszusetzende Schale einschenkend. Zu dem Thierfriese unten und den in orgiastischen Bewegungen beiderseits augebrachten weiblichen Figuren vergl. Conze, Römische Bildwerke einheim. Fundorts in Oesterreich in Denkschr. der Wiener Ak. XXIV, Taf. V. VI, Seite 10.

Q. Taf. 3, 3. In der Sammlung zu Cattajo, n. 1367 (Cavedoni). Unbekannter Herkunft, doch gewiss aus den griechischen Ländern. W. M. 0,29 hoch, 0,21 breit. Von gewöhnlicher Arbeit. Rechts abgestossen, die Weihinschrift unten ver- wischt. Arch. Ztg. 1867, Anzeiger S. 95*; nächstens Dütschke antike Bildwerke in Oberitalien IV.

Die Göttermutter mit Modius, Tympanon und Schale stellt aufrecht, ihr zu Füssen sitzt jederseits ihr zugewandt ein Löwe. Links steht in gleicher Grosse wie die Hauptfigur der jugeudliclie Mund- schenk in Cliiton und Chlamys, den Krug in der gesenkten Rechten. Ein geringer Rest auf der ab- gestossenen rechten Seite des Reliefs lässt ver- muthen, dass hier die bärtige Mäunergestalt wie auf IW und A' sicli befand; mit N ist auch sonst die Uebereinstimmung gross. Damit wäre auch

die Annahme kleinasiatischer Herkunft dieses Exem- plars naiie gelegt. Vou der Votiviuschrift ist nur der Name des Weihenden ^Ava^inolic: noch halb- wegs zu erkennen.

R. In der Sammlung zu Cattajo, n. 552. W. M. 0,44 hoch , 0,29 breit. Unbekannter, gewiss griechischer Herkunft. Sehr schlecht erhalten. Mir nachgewiesen von Dütschke und hier nach sei- nen .\ngabeu beschrieben , noch genauer nächstens in dessen antiken Bildwerken in Oberitalien IV.

In einer Aedicula thront die Göttermutter, die Füsse auf einem Schemel, links das Tympanon, rechts die Schale haltend, auf ihrem Schoosse der Löwe. An der Vorderseite des Pfeilers links in ganz flachem Relief ein Knabe (nach R.), in kurzem Chiton, in der gesenkten Rechten wohl ursprüng- lich eine Kanne tragend, in der Linken einen Gegenstand erhebend ; vor dem Pfeiler rechts wiederum in flachem Relief ein Mädchen in langem Chiton, in der gesenkten Linken einen Gegenstand (Kanne?) haltend, mit der Rechten einen länglichen Gegenstand erhebend.

Die fraglich bleibenden Dinge in den Händen des Knaben wie des Mädchens wage ich ohne Autopsie nicht weiter zu besprechen.

S. Im Museo lapidario zu Verona. Unbekannter, doch wie so Vieles in dieser Sammlung, gewiss griechischer Herku nft. Geäderter Marmor. 0,25 hoch, 0,16 breit. Maffei Museo Veronense p. LIII, 5. Den Nachweis mit der hier benutzten Beschreibung, so wie Papierabklatsche der beiden Nebenfiguren verdanke ich Dütschke. Siehe nächstens dessen an- tike Bildwerke in Oberitalien IV.

In einer Aedicula thront die Göttermutter, ein Diadem oder den Modius auf dem Kopfe, mit der Linken stützt sie ein kurzes Skeptron (?) [Tympanon?], in der Rechten hält sie die Patera, links neben ihr sitzt ein Löwe. An der Vorderseite eines jeden der beiden Pfeiler der Aedicula ist in flachem Relief eine kleine Figur augebraclit: links ein mit kurz gegürtetem Chiton [ich glaube im Abklatsche die übliche Chlamys zu erkennen] bekleideter Knabe, in der gesenkten Rechten eine Kanne haltend, die Linke in Schulterhölie erhebend; rechts eine mit langem Chiton [und Obergewand?] bekleidete weib- liche Figur, in der Recliten eine brennende Fackel haltend, die Linke [wahrsclieiulicli auch eine Fackel haltend] in Sehulterhöhe gehoben.

T. Weihrclief des Odryseu .^damas an die Nymphen in den Steinbrüchen von Faros. Michaelis in Aman deW inst. 18G3, S. 314, G.

A. Conze, Hermes-Kadmilos.

Ohne Autopsie wage ich über dieses Relief, das wir uoch immer nicht mit der wiiuschenswertlien Genauigkeit kennen , auch nur besclireibeud nicht aufs Neue 7ai sprechen; doch stelle ich die Ver- muthung auf, dass vor der am Löwen auf ihrem .Schoosse wie an ihrer Stellung kenntlichen tlu'oueu- den Güttermutter wiederum der durch die hier gebotene Zusammenstellung geläufige jugendliche Jlundschenk steht, nur mit vertauschten xVrmen wie auf P bewegt; die Annalmie einer phrygischen iliitze desselben würde dann auf einem Versehen be- ruhen.

U. Relief auf Andros. Michaelis in Annali (kW inst. 18()3, Ö. 314, F.

Nur ganz frageweise führe ich dieses mir selbst wiederum nicht zu Gesichte gekommene Relief hier auf. Dass die mittlere der von Michaelis für Nymphen gehaltenen Figuren sitzt, namentlich aber am linken Arme einen Schild tragen soll, legt die Vermutliung nahe, ob es nicht die Göttermutter mit dem Tympauon ist. Dass von einem Gefässe in der Hand des Jünglings in den Besclireibuugen allerdings nicht die Rede ist, genügt nicht um die gestellte Frage entscheidend zu verneinen.

Ua. Auch ein Relief in der Reihe der soge- nannten Santoni bei Akrai in Sizilien glaube ich hierher rechnen zu dürfen, obwohl ich es wiederum nicht selbst gesehen habe. Unverkennbar ist die immer wiederkehrende Hauptfigur dieser Felsreliefs die Göttermatter, uud wenn in der Abbildung bei Serradifalco Anticliitä di Sicilia IV, tav. XXXV, Fig. 2 das eine Mal neben ihr ein Jüngling im Chiton mit einem Kerykeion in der Linken erscheint, so dürfte der Zeichner dieses Attribut kaum erfunden haben, obwohl Schubring in seiner Revision der Bildwerke (N. Jahrb. f. Philol. u. Paedag. Supple- meutb. IV, p. 671) es nicht erwähnt.

Die bisher aufgeführten Votivreliefs lassen die Gestalt des jugendlichen Mundschenken einer Göttin dienstbar erscheinen, welche die mehr oder weniger vollständigen Attribute der Göttermutter trägt. Unter den jetzt anzureihenden drei Votivreliefs, wo der Hauptgöttin diese Attribute fehlen, ist das weitaus wichtigste das längst bekannte, aber erst von Wieseler zum Gegenstande einer eingehenden Unter- suchung gemachte :

V. Taf. 4, 4. Im k. Museum zu Berlin. Kat. n. 439. Aus der Sammlung Nani und gewiss grie- chisch er Herkunft. W. .M. 0,40 hoch, 0,26

breit. Wieseler in Nachrichten von der k. Gesell- scliaft der Wiss. zu Göttingen 1875, S. 635 ff.

Das Ganze stellt eine Felsgrotte dar, in deren Hintergründe auf einem Piedestal ein weibliclies Idol in langem Chiton mit zwei Fackeln in den Händen stellt. Vorn steht an Grösse liervorragend eine weibliche Göttergestalt in langem Chiton und eiuem nur hinten herabfallenden Mantel, auf dem Kopfe einen hohen kalathosförmigen Aufsatz. Die beiden vor der Brust aufgebogenen Unterarme sind abgebrochen. Links von dieser grossen Göttin er- sclieint etwas kleiner an Gestalt der jugendliche Mundschenk in der Chlamys mit dem Prochus in der gesenkten Rechten; sein linker Vorderarm ist abgebrochen. Oben links am Felsrande der Grotte ist der bärtige Achelooskopf angebracht. Ganz oben über dem Grottenrande ruht in der Mitte Pan zwischen zwei liegenden Widdern, neben welchen jederseits akroterienartig noch ein Thier lagert. Ich wäre sonst geneigt gewesen darin Löwen zu erkennen, wenn uicht schon vor mehreren Jahren auf meine durch Treu vermittelte Bitte der Zoo- loge von Märten wegen der fehlenden Schwanz- bUschel und Mähnen sich für doggenähnliche Hunde ausgesproclien hätte. Wie dem auch sei, vollkommen sicher ist, was Wieseler gegen eine frühere unge- naue Angabe von mir betont hat, dass unten links von dem Mundschenken ein Hund steht (noch be- sonders in der Seitenansicht abgebildet) und aber- mals ein solcher zwischen dem Mundschenken und der Göttin, dieser zugekehrt, sitzt.

W. Taf. 4, 2. In der Sammlung zu Cattajo. Unbekannter, doch gewiss wie Q und R griechi- scher Herkunft. W. M. 0,40 hoch, 0,25 breit. Gewöhnliche Arbeit und stark Verstössen.

In einer Felsgrotte steht die Göttin in langem Chiton, liinter dem ein Gewand iierabfällt. Ihr Kopf ist zu sehr beschädigt, um einen Aufsatz, wenn er da war, noch kenntlich zu lassen; die Unterarme sind vor der Brust aufgebogen, die Hände verstümmelt, so dass dahingestellt bleiben nmss, ob sie Etwas hielten ; jedesfalls war es nicht Tympanon uud Schale, die so überhaupt nicht ge- halten werden können. Links von der Göttin steht, ganz gleich gross wie sie, der Mundschenk in der nunmehr hiureichend bekannten Tracht und Haltung ; die Kauue in der gesenkten Rechten ist ganz deut- lich, der linke Arm ist Verstössen. Sonstiges Bei- werk fehlt diesem Relief, nur obeu auf der Grotte liegen einander zugekehrt zwei Thiere, die wieder mehr Hunden als Löwen ähneln.

A. Conze, Hermes-Kadmilos.

X. Taf. 2, 2. 4, 3. Im Xationalmiiseuiu zu Athen. Am Ilissos unweit Agrai gefuuden. Zwei nicht ganz Bruch au Bruch an einauder passende Fragmente; oben beide abgebrochen. Die Arbeit ist sehr flüchtig. Furtwängler in Jlitth. des deutschen archäol. Instituts iu Athen III, S. 195.

Links ist ein Theil des Randes der Felsgrotte er- lialten und an ihm wieder (= H) der bärtige Kopf des Wasserdaimons. Vor demselben steht der Mund- schenk mit dem Prochus in der gesenkten Eechten, dann folgt, durch den Bruch jetzt getrennt, die er- heblich grössere aufrecht stehende Göttin im langen Chiton und, wie es scheint, einem Mantel im Rücken (= F, W). Die Arme waren wie auf V und W vor der Brust aufgebogen, doch ist nur der linke erhalten, aber auch an ihm die Hand zerstört. Auf der andern Seite der Göttin entspricht, wie auf so zahlreichen der hier zusammengestellten Votiv- reliefs, dem Mundschenk das mit ihm etwa gleich gross gehaltene Mädchen im langen Chiton, welches zwei lange brennende Fackeln mit dem untern Ende auf den Boden aufgestützt hält.

Furtwängler hat für diese Fragmente wie für H eine Ergänzung versucht, nach der die beiden Exemplare iu einen andern Zusammenhang als den hier gegebenen gehören würden. Er hat mir selbst erklärt, dass er diesen Versucii Angesiclits der hier gebotenen Parallelen nicht aufrecht erhält.

Wir haben nunmehr unter den Bezeichnungen A bis Va und V bis A' eine Reihe von \'otivreliefs attischer {A /, X), böotischer {K, L), kleinasiati- scher (i>/ 0), insularer (T—Ua) und auch (fi, S, K, W) unbekannter griechischer Provenienz kennen gelernt, auf denen eine meistens (A—Ua) an allbe- kannten Abzeichen kenntliche, einmal auch als /-itjz^Q i^Eiüv iuschriftlieh bezeichnete (ß) und ein andres Mal (K) dem Fundorte nach unzweifelhaft so zu benen- nende Göttin, und dann wieder (F— X) eine Göttin bis auf den Modius {V) ohne erklärende Abzeichen, als ihren ständigen Begleiter den jungen Mundschenk zur Seite liat. Auch die sonstige Umgebung, das Mädchen mit den zwei Fackeln und andres Personal, ferner zuweilen das Lokal einer Felsgrotte, ist, wenn man namentlich von der eiuen Gruppe T, von der andern V berücksichtigt, bei der Göttin mit vollen Attributen und der ohne dieselben nicht durchgehend verschieden. Bei einer Gesammtbe- trachtung, bei welcher die kleinen Variationen gegen-

über den Uebereinstimmungen zurücktreten , wird man geneigt sein anzunehmen, dass die Göttin in allen Fällen dieselbe ist, die Inschrift i.iT]TtjQ Seür auf B ein für alle Mal die Erklärung giebt, so wie mau etwa sonst verschieden gestaltete Göttinnen, wenn sie vom Eros begleitet sind, zuuächst für Aphrodite halten wird. Wieseler, dem das Material nur noch sehr unvollständig vorlag, hat die Be- neunung Hekate vorgeschlagen, welche wir für die der Zahl nach überwiegende Klasse A Ua jetzt keinesfalls annehmen dürfen; es bleibt höchstens die Frage, ob dieser Name der Hauptgöttin auf F, TF, X bleiben muss, eine Frage, die man aber iu die andre verwandeln darf, ob au den verschiedenen Kultus- orten, denen alle diese Votive entstammen, nicht etwa Wurzel- und wesenverwandte Göttinnen unter verschiedenen Namen und mit verschiedener Nuanci- rung ihrer Persönlichkeit Geltung hatten, selbst wenn es nicht für jede dieser Soudergestalten be- sondere Formen der bildlichen Darstellung gab; oder auch, ob nicht sogar au einem und demselben Kultusorte dieselbe Göttin unter verschiedenen Bild- formen in den Anathemen erscheinen kann (vergl. z. B. die Votivsteine aus Marseille Arch. Zeit. 1866, Anzeiger Taf. B). Wir sind, glaube ich, genöthigt diese Fragen bis zu einem gewissen Grade offen zu halten, dürfen aber für die Erklärung des jugend- lichen Jlundschenken, die wir hauptsächlich zunächst suchen, von ihr absehen. Genug, dass eine grosse Göttin , die meistens Abzeichen der Göttermutter trägt, einmal als nrjTfiQ d^eiüv ausdrücklich bezeichnet ist, ein anderes Mal (K) ihrem Kultusorte nach so genannt werden muss, stets diesen selben Mund- schenken zu ihrem Begleiter hat.

Bisher hat seine Gestalt nicht viel Beachtung gefunden. Cavedoni erklärte ihn auf Q für Attis, dessen cliarakteristische Gestalt und Tracht aber gänzlich felilen. E. Curtius, der f allein ins Auge fasste, nahm den jugendlichen Weinschenk für eiu im Tempel der grossen Göttin aufgestelltes Weih- gesclieuk, ein Symbol der Segensfülle, welche von der Göttin ausströmt. Wieseler erinnert iu gründ- licher Erwägung zunächst an Hermes, der der Hekate, wie er die Hauptgöttin nennt, nahe stehe, für den

A, Conze, Hermes-Kadmilos.

die Tracht passe, deui selbst das Weiugefäss auch sonst gegeben sei, nimmt aber aus einem nach der ansehnlichen Vermehrung des Materials nicht mehr stichhaltigen Grunde (seine Kleinheit auf V) von dieser Deutung Absfand, um sich für einen der Hekate und llhea als untergeordnet verbundenen Daimoncu, Kuret, Korybaut oder Kabir, zu ent- scheiden. Wenn ich selbst früher einmal absicht- lich unbestimmt nur von einem „Begleiter" der Kybele gesprochen habe, so wollte ich darunter nicht, wie Wieseler annahm , den Attis verstan- den wissen. Vielmehr lag darin unausgesprochen eine Deutung, die ich erst nach einiger Vermeh- rung des Materials für hinreichend wahrscheinlich hielt um sie auszuführen (Sitzungsberichte der k. Ak. der Wiss. zu Berlin 19. Dec. 1878). Ich kam dabei sozusagen zu einer Vereinigung der beiden von Wieseler gegen einander abgewogenen Erklärungsgedauken. Meine Darlegung lief auf das Folgende hinaus.

Wir haben Darstellungen einer Göttergemein- schaft chthonischen Charakters mit einer grossen Göttin als hervorragendem Mittelpunkte vor uns. Neben ihr tritt, oft in gleich hoher Gestalt wie sie dargestellt (nanieutlich A, Q, YV), also kein Meusch, sondern ein göttliches Wesen, durch sein Amt aber allerdings ihr untergeordnet, ein Jüngling als olvo- XÖog auf. Den Schlüssel zu seiner Erklärung bietet der Name Kadmilos, Kasniilos, Camillus.

Mit diesem Namen wurde namentlich in Samo- thrake, dessen Kultusgestalten (mit einer auf den Münzen der Insel mit dem Löwen und dem Kopf- aufsatze dargestellten Göttin au der Spitze) in einen Kreis mit den auf unseru Votivreliefs dargestellten fallen, ein dius qitidam administer diis niagnis (Varro L. L. VI, 88) bezeichnet. Dieser wurde ausdrück- lich (Muaseas u. A.) mit Hermes identificirt, dessen Kultus nicht nur auf Samothrake dem der chthoni- schen Götter eng verbunden, sondern der ja auch seiner verbreitetsten Vorstellung nach ein minister deorum, speciell bei Alkaios *) und Sappho (vgl.

■*) Anakreon (Sitzungsbenchte 18TS S. 867) ein Schreibfehler von mir. Die bei Preller Griech. Mjth. ^ l, S. 332, Anm. 1 angeführten Vasenbilder stellen nicht Hermes als oivoyoos dar, sondern mit einer Schale spenilentl , gehören also nicht hierher.

Od}'sseeXV,323) Mundschenk der Götter war. Auch der lateinische Opferdiener Camillus ist von Plutarch Numa 7 wohl nicht so mit Uureclit, wie Welcker Götterlehre I, S. 330, Anm. 4 will, hiermit in Ver- bindung gebracht. (Vgl. Lobeck Aglaophamos, na- meutlicli II, III, § 7. Neuhäuser Cadmilus 8. 49. Keil in Philologus 2. Supplementb. 18ö3, S. (JOl).

Diesem Cadmilos -Hermes entspricht seiner Um- gebung, seiner Gestalt, Tracht und Funktion nach die Jüngliugsgestalt in Chiton und Chlamys mit dem Prochus auf unsern Keliefs.

Nachdem durch die Nachweisungeu Körtes und freundliche Mittheilungen Dütschkes *) das Material der Untersuchung den sehr grossen Zuwachs, mit welchem es jetzt hier mitgetheilt ist, erhalten, nach- dem Köhlers und Lollings Güte mir die _ Zeich- nung eines mir nur aus alter eigener Notiz be- kannten Exemplars (/) verschafft hatte, und ich selbst auf einer Eeise besonders in Atlieu die wichtigsten Exemplare hatte nachprüfen können, nahm ich die Behandlung noch einmal wieder auf (Sitzungsberichte der k. Ak. der Wiss. zu Berlin, 7. August LS79) und konnte vor Allem das Eine nachweisen, dass die Deutung des Mundschenken der Göttermutter als Hermes nunmehr siclier gestellt ist durch das Kerykeion, welches er auf B in der linken Hand trägt.

Mit einem neuen, besondere Erwägung fordern- den Attribute erscheint er dagegen auf:

y. Taf. 2, 4. Im Natioualmuseum zu Athen.

') Diitschke macht mich noch auf zwei Anatheme der Göttermutter in der Sammlung zu Cattajo aufmerksam, die er im 4. Bande seineu antiken Bildwerke in Überitalien beschreiben wird :

n. 534. An den Vorderseiten der Pfeiler der Aedicula, in welcher die Gijttin thront, ist in ganz flachem Relief je eine mit doppeltem Gewände bekleidete Jungfrau mit Modius auf dem Kopfe, in der gesenkten Rechten eine Patera (?), in der Linken vielleicht ein Füllhorn haltend, dargestellt.

n. 552. An der Vorderseite des Pfeilers der Aedicula links ist dargestellt ein Knabe, nach Hechts gekehrt, in kurzem ge- gürteten Chiton, in der gesenkten Linken wohl ursprünglich eine Kanne tragend, in der Linken einen Gegenstand erhebend; auf dem Pfeiler rechts ein mit langem Chiton bekleidetes Mäd- chen, in der gesenkten Rechten einen Gegenstand (Kanne?) haltend, mit der Rechten einen langen Gegenstand erhebend.

Ich habe sie als jedesfalls noch näherer Untersuchung be- dürftig hier ausser der Reihe anführen wollen.

8

A. Conze, Hermes-Kadmilos.

W. M. 0,53 hoch, 0,32 breit, 0,17 dick. Körte a. a. 0. S. 398.

In einem sammt seinem akroteriengeschmückten Giebel wohlerlialtenen Tempelchen thront die Götter- mutter, mit Modius auf dem Kopfe, einem Löwen auf dem Schoosse, in der Linken das Tympanon, in der Rechten die (abgestossene) Schale. Am Pfeiler rechts erscheint klein und in Flaclirelief das Mädchen im langen Chiton mit den zwei langen Fackeln , am Pfeiler links der Jüngling in Chiton und Chlamys, beide der Göttin zugekehrt. Der Jünglin? hält hier aber keinen Prochus, sondern deutlich mit beiden Händen gefasst einen länglichen Gegenstand, nach Körte eine kurze brennende Fackel. Allerdings kann eine Fackel so gehalten werden, wie u. A. ein Eeliefbild zeigt, das ohne- hin bei unsrer Untersuchung nicht ganz ungenannt bleiben kann, ich meine das auf der einen Lang- seite des attischen Attisaltars des Archelaos (Kaibel Epkjr. yr. n. 822. Arch. Zeit. 1863, Taf. 177), wo dem in ganz gleicher Haltung eine deutliche Fackel tragenden Jüngling zur Linken des thronenden Götterpaares (Demeter und Kybele) zur andern Seite wiederum ein Mädchen mit zwei, da aber gesenkten Fackeln (vergl. T) gegenübersteht. Bei genauer Prüfung des Originals Y hielt ich indessen den Gegenstand in der Hand des Jünglings seiner Form an sich nach nicht für eine Fackel, sondern eher für ein Füllhorn. Es ist gebogen, nach unten vielleiclit noch etwas mehr als die Zeichnung es giebt zugespitzt; auf seinem oberen Rande würde ein Fruchtaufsatz liegen. Doch mag eine Ent- scheidung schwer sein, zumal wenn mau die für die Fackel unpassende Biegung auf den skizzirten Zustand des Reliefs zurückführt. Dass jedoch die Figur der Hermes der übrigen hier zusammenge- stellten Reliefs ist, leidet keinen Zweifel. Mit diesem würde das Attribut der Fackel nur so ohne weiteren Beleg zu reimen sein, dass er zum nvQcpnQog der Güttermutter geworden sei; besser passt für ihn ein Füllhorn als sprechendes Abzeichen in den Händen des nlnvTodörrjg, des ömzioq säcov u. s. w., wofür später der Beutel mit besonderer Beziehung auf den Handelsgott herrschend wird. Obendrein ist aber ein deutliches Füllhorn in der Hand des Hermes auf einem Relief, wo er den Reigen der Nymphen führt (Schöne Griech. Reliefs n. 118), nach- weisbar.

Es ist hier zu betonen, dass der Hermes olvo-

xöog unserer Güttermutter -Reliefs in seiner ganzen Gestalt und Tracht dem die Kympheu i'tthrenden

Hermes zahlreicher Votivreliefs ^) offenbar deshalb auch sonst sehr nahe steht, weil er beide Male dieselbe dem Volksglauben zumal in Attika ge- läufige Gestalt ist, wie die beiden in Rede kommen- den Klassen von Bildwerken überhaupt sich nahe berühren und ihre Typen gelegentlich mischen (H, T, F, X). Auch das ist ihnen gemeinsam, dass so- wohl der Hermes der Nymphenreliefs, als auch der der Göttermuttervotive meistens ohne das Attribut des Kerykeions erseheint. Es bedurfte anscheinend dessen bei der sehr volksthümlich bekannten Gestalt nicht oder man ergänzte es sieh leicht, wenn es mit Aposiopese z. B. auf dem Weihrelief der nlvvelg im Berliner Museum nur durch die wie Etwas fassende Hand angedeutet war. So ist es denn gekommen, dass unsere fremd an die Bildwerke herantretende Exegese nur mit Irrungen und zögernd auf den Nym- phenreliefs wie auf den Göttermutter- Anathemen den Hermes erkannt hat und erst zuversichtlich ge- worden ist, nachdem unter den vielen Nymphen- reliefs jetzt ja wohl drei '), unter den Votiven der Göttermutter erst das eine (ß) das auch für uns un- zweideutige Abzeichen vor Augen gebracht hatten. Obwohl die Hauptabsicht dieser kleinen Unter- suchung mit der Erklärung des Hermes als Mund- schenken der grossen Göttin erreicht ist, kann eine kurze Uebersicht des sonst auf den aufgezählten Votivreliefs vorkommenden Personals nicht unter- bleiben *). Eine neue Besprechung alle der auf dem reichstbevölkerten Relief von Faros (T) ver- sammelten Gestalten habe ich jedoch schon vorher als ohne erneute Prüfung des Originals misslich abgewiesen. Dass sonst, sobald die grosse Göttin mit Hermes in einer Grotte dargestellt sind, Pan mit seiner Herde und der nach volksthttmlicher Vorstellung als aus dem Felsen hervorragender

'■) Michaelis Annali deW inst. 18G3 S. .315. ') a. Sanmilung Millusich. Arch.-epigr. MittheiUingen aus Oesterreich I, Taf. I.

b. Im Kultusministerium zu Athen. Schöne, Griech. Reliefs n. 117.

c. In athenischem Privatbesitze von mir 1S73 gesehen. Hier abgebildet als Vignette am Sclilusse dieses Aufsatzes.

") Die nur in einem Fragmente erhaltene zweite Neben- tigur auf / lasse ich der grossen Undeutlichkeit halber uner- wähnt.

A. Conze, Hermes- Cadmilos.

bärtiger Kopf gebildete Wasserdaimou, wie bereits angeflilirt, meiirfacli vorkomtueu, bedarf uameutlicli nach deu Ausfiiliningeu von Michaelis a. a. 0. keiner weiteren Erläuterung.

Auf zwei Exemplaren (M, N) und wahrschein- lich noch auf einem dritten, dann wie jene zwei aus Kleinasieu stammenden (0), ist neben der Göttermutter und dem Hermes ein bärtiger vollbeklei- deter Gott dargestellt. Benennungen für ihn zu ver- muthen ist leichter als eine bestimmte festzustellen.

Keine andere begleitende Gestalt erscheint aber nächst Hermes so häutig der grossen Göttin gesellt wie das zwei lange Fackeln tragende Mädchen. Meistens ist sie dem Hermes durch Gegenüberstellung in gleicher Grösse coordinirt (ß, B", C, Z>, [E], F, |G, G\ 0], i}?, S, X, r), einmal steht sie kleiner als Hermes hinter ihm (G"), einmal in voller Grösse vor ihm zunächst der Göttermutter (/l), ein- mal erscheint ein weibliches Idol mit zwei Fackeln im Hintergründe (F). Wenn sie auch auf dem Parischen Relief (T) hinter der Kybele zu erkennen ist, so hält sie da die Fackeln, welche sonst immer aufrecht gehalten werden, gesenkt, was wieder die Vergleichung des schon ein Mal erwähnten Tauro- bolienaltars des Archelaos (Kaibel Epigr. gr. n. 822) nahe legt. Für die Fackelträgerin auf diesem hat 0. Jahn (Arch. Zeit. 1864, S. 132f.) die Benennung Kora vorgeschlagen. In der dem Hermes als Be- gleiterin der grossen Göttin gleichgestellten Fackel- trägerin wird man jedoch am passendsten Hekate erkennen; diese Erklärung wird vermuthlich für alle einzelnen Exemplare bestehen, sobald wir die Hauptgüttin trotz verschiedener Darstelluugsweise durchweg für die Göttermutter halten dürfen.

Das Feststehende unter manchen somit nicht ver- hehlten Unsicherheiten im Verständnisse unserer Votivreliefs bleibt die Erklärung des Hermes als Mundschenken der grossen Göttin.

Als die eigentliche Grundbedeutung des Hermes ist jüngst von Wilh. Heinr. Koscher (Hermes der Windgott, Leipzig 1878) die des Windes für mich überzeugend nachgewiesen, des Windes, der na- mentlich auch Regen bringend befruchtet. Ho er- scheint denn die nachgewiesene Vorstellung des

Archaolog. Ztg. Jeihrgnnu- X.X.WIII.

Hermes als des Mundschenken der grossen Göttin einigermassen analog seiner ältesten Idolbildung mit dem Phallos. Wie dadurch der Befruchtende unzweideutig bezeichnet ist, so wird der der grossen Göttin, der Erdmutter, Einschenkende wiederum der Regen bringende Gott sein. Beide Bildformen, denen das Attribut der Flügel fehlt, hätten sich also nicht so sehr an des Gottes ursprünglichste Bedeutung als an eine seiner Hauptwirkungen ge- halten, und zwar grade an die für den Landbau und damit in den agrarischen Kulten besonders wichtige. Den in der hier ebenfalls berührten Denkmälerklasse nach sehr populärer Vorstellung dargestellten Tanz des Hermes mit den Nymphen hat Röscher bereits (S. 76 f.) entsprechend gedeutet, wie er auch das Phallossymbol (S. 75 f.) richtig ein- geordnet hat. Hermes als Mundschenk erscheint bei ihm aber nur in den vereinzelten Dichterzeug- nissen (S. 23), sein Mundschenkenamt nur als ein Theil seiner allgemeinen Eigenschaft als Diener der Götter, während es vielmehr eine verbreitete Kultusvorstelluug ist und in specieller Beziehung zur Erdgöttiu "), was auf einen tieferen Sinn führt, steht.

Auch für die Geschichte des Kultus der Götter- mutter ist das Gewonnene nicht ganz werthlos. All- gemein ist anerkannt, deutlich bereits von Zoega bassir. I, S. 55 f., besonders scharf später von Ger- hard ausgesprochen, letzthin noch von Carl Curtius in seiner Abhandlung über das Metroon (Berlin 1868) gemässigter dargestellt, dass von dem in römischer Zeit sich über das Reich verbreitenden Kultus der phrygischen, besonders pessinuntischen Kybele mit ihrem Lieblinge Attis, mit besonders ausschweifen- den Gebräuchen, zuletzt auch den grossen Opfern der Taurobolien, speciell in Attika eine ältere und einfachere Kultusform der Göttermutter bestimmt zu unterscheiden ist. Dieser letzteren dürften unsre Votivreliefs angehören; sie bezeugen grade aus Attika und zwar unter Anderm aus dem Metroon im Piraeeus, aber auch aus Bootien und von einem kleinasiatischen Platze, anscheinend auch auf Andros,

') Vergl. das Kelief in Verona und das jiompejanische Bild bei O. Jahn siichs. Ber. IS-ifi S. lG2f.

10

A. Conze, Hermes-Kadmilos.

Paros und in Sizilien, eine solclie später durch die Ausbreitung- des phrygisclien Kultus verdrängte oder doch in den Scliatteu gestellte Kultustbrm. Sie zeigen als ständigen Genossen der Göttermutter anstatt des Attis vielmebr den Hermes, wie ihn die samothrakischen Mysterien aus uralter Zeit her festhielten. Was die Datirung der einzelneu Exem- plare anlangt, so darf man sie nicht um ihrer oft flüchtigen Ausführung willen ohne Weiteres für sehr spät halten; davor warnt schon das eine, wie gesagt dem 4. oder 3. Jahrhunderte angehörige Exemplar ß; bei dem sorgfältiger gearbeiteten (A) spricht auch die Kunstform für eine etwa gleiche Datirung und ebenso die berührte nahe Verwandt- schaft mit den Nymphenreliefs, die vorwiegend einer so frühen Epoche angehören '").

Ganz zum Schlüsse mögen noch zwei Bildwerke aufgeführt sein, welche durch diese Zusammen- stellung einiges Licht erhalten dürften:

Z. Relief in der Schule zu Mytiliui. Conze, Reise auf Lesbos S. 10 f.

Die Herme neben der Göttermutter wird nur ein anderer bildlicher Ausdruck für Hermes als Be-

10) Michaelis in Annali 1S63, S. 315.

gleiter der Göttin und die Herme neben der sitzen- den Erdgöttin auf Münzen von Sestos (Gerhard Ges. Abh. Taf. LI, 5. (3) zur Vergleichung herbeizu- ziehen sein.

Z". An einer Moschee zu Pergamon verbaut befindet sich ein auf drei Seiten mit Skulptur ver- sehener Marmorblock, dessen ganz genaue Be- schreibung ich noch nicht zu geben vermag. Die Hauptseite zeigt verschiedenartige Gewächse, Blumen und Früchte, zu einem prächtigen Ornament ver- einigt, offenbar mit Beziehung auf die Allmutter; denn ihre Gestalt auf einem Löwen reitend ist zwei Mal als Füllung der Voluten des Ornaments ange- bracht; ihr gelten auch die Fackeln, welche auf der Schmalseite des Steins gebildet sind. Die Rück- seite, so weit sie skulpirt ist, ziert aber, wohl um des hier nachgewiesenen Zusammenhanges willen, das Kerykeion des Hermes ").

'■) Bei einem römischen Bildwerke, dein Bronzerelief im k. Museum zu Berlin (Friederichs Berlins antike Bildwerke II, no. 2005''. Curtius Abh. der k. Ak. d. Wiss. zu Berlin 1S79, Taf. III, no. 1) wird man es zunächst besser dahingestellt sein lassen, ob die Zusammenstellung des Hermes mit der Kybele noch mit der als griechisch nachgewiesenen Vorstellung zusam- menhängt oder mit Urlichs (Jahrb. des Ver. v. Alterthumsfr. im Rheinl. XXIII, S. 53 f.) und Friederichs a. a. O. anderweitig zu begründen ist.

Berlin. Conze.

ZUR GESCHICHTE

DES SCHLEIFERS IN FLORENZ UND DER MEDICEISCHEN VENUS.

lui Jahrgang- 1876 dieser Zeitung S. 150 habe ich die Elireurettung Saute Bartolis hinsiclitlicli sei- ner irrigen Angabe über die Auffindung des Schlei- fers') darauf zu begründen gesucht, dass er nur die Angaben Anderer referiere. Icli kann jetzt eine bessere Erklärung geben. Die Ungenauigkcit Saute Bartolis besteht allem Anscheine nach nur in dem Zusätze sollo il monle Pincio , mit welchem er auf den zu seiner Zeit vorzugsweise so genannten Pa- last Mignanelli nahe der Piazza di Spagua hinweist; es gab nämlich damals eine ganze Anzahl von Pa- lazzi Mignanelli in Rom. Gemeint ist vielmehr der frühere Palast Mignanelli , d. h. der Palast Spada alla Regola. Derselbe ward bekanntlich unter Paul III (1534-1549) vom Cardinal Girolamo Ca- podiferro erbaut. Da dieser seit 1544 den Titel von San Giorgio in Velabro (ad Velum Anrenm) iiine hatte, so erscheint der Palast auf Bufalinis grossem Stadtplane von 1551 °) als P. Card.S. Georgii '). Capodiferro starb 1559. Seine Erben wareu die Kin- der seiner Schwester und Fabio Mignanellis, von denen Pietro Paolo 1569 gegen die Türken fiel; aus den Händen der Familie Mignanelli kam der Palast sodann im zweiten Viertel des folgenden Jahrhunderts durch Kauf an Cardinal Bernardino Spada''). Wenu wir nun bei Aldrovandi slatue

•) Die von Fea Miscell. I jj. CCLI no. 102 angeführten

Worte Una bellissima statua donnla alla rasa Medtc!

dalli signori .Mignanelli, si dice, che fosse Irovata vel fahbri- care il loru palazzo, sotto il monte Pivcio finden sich eben- so in der mir mittlerweile zugänglich gewordenen Quelle Feas, der Roma antica von 1741 S. 354.

'-') [Lanciani] la pinnta di Roma di Leon. Eufalini (Rom 1S79) C, 2.

^) Ueblicher ist der Name Palazzo di San Giorgio für den seit I.ilT zur Cancelleria eingerichteten Palast. Der Er- bauer desselben Raffaele Riario war eben auch Cardinal-Diaconus von S. Giorgio gewesen.

*) Roma moderno, Rnni 1741, S. Sö3. NiMiv Roma tieW

S. 166 (162) die Statue des Schleifers im Jahre 1550 in einer Weise angeführt finden, dass sie bereits seit einiger Zeit bekannt gewesen sein muss, so ist das ganz erklärlich, wenn sie beim Bau jenes Pa- lastes zum Vorschein gekommen war.

Hierfür lässt sich noch ein Wahrscheinlichkeits- grund aus der Lokalität entnehmen, in welcher Al- drovandi den Schleifer kannte. Er kommt von der Engelsbrücke her und geht gradeswegs zum Palast Farnese, darauf zu zwei benachbarten Lokalitäten in strada Iiilia, und dann zum giardino del Reve- rendiss. Farnese, che e di dal Teuere, al drilio del sno Palagio nuovo. Aldrovandi hat also am Süd- eude der ^'ia Giulia den Ponte San Sisto über- schritten und durch die Porta Settimiana die Via della Lungara betreten, wo gleich ausserhalb des Thores an der Flussseite bei Bufalini (D, 2) die VinCed) FarnesioCmm) liegt, d. h. der Kern der spä- ter durch den Ankauf der Vigna Chigi (Farnesiua) erweiterten Gartenanlage. Hieran schliesst sich bei Aldrovandi, ebenfalls noch di dal Teuere, das Haus des M. Niccolö Guisa, in welchem der Schlei- fer stand, und darauf kehrt unser Führer zur Piazza Farnese zurück, um die Umgebung des Canipo di Fiore abzusuchen. Danach ist es wahrscheinlich, dass das Haus Nicc. Guisas nicht weit von der Vigna Farnese, also auch nicht allzu weit von dem Palast Capodiferro -Mignanelli -Spada entfernt lag, welcher ja dem Ponte Sau Sisto benachbart ist. Die Statue konnte also leicht vom Bauplatz dieses Palastes in das zu Aldrovandis Zeit an den Her- zog von Amalfi*) veriniethete Haus Guisas ver- bracht worden sein.

anno 1S38, parle mod. II S. 824. Beschr. d. Stadt Rom III, 3

S. 439. Ciaconius intae pontificiim ed. Oldoini III S. 706. 777 f.

■'') Duca di .^filß bei Aldrovandi. Dieselbe Form gebraucht

2*

12

A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.

Antiken im Palast Capodiferro kennt Aldrovandi überliaupt noch garniclit; die Statue des Pompeius ward erst vom Papst Julius III (1550 1555) dem Cardinal geschenkt'). Von dieser Statue ist die meines Wissens älteste Abbildung- in dem zweiten Bande von Cavalieris Statuen (1594') auf Tafel 89 enthalten ; sie führt die Unterschrift Julius Caesar (seltsam, dass auch hier Cäsar seinen Gegner be- seitigt hat !) Colosstis. In aedibus Hieronymi Mignanell, Eine entsprechende Ortsbezeichnung führt ebenda auf Taf. 85 ein mir nicht näher bekannter, jeden- falls stark ergänzter „Genius saluiis uel Naialis". Nun folgt auf den Pompeius unmittelbar auf Taf. 90 der Schleifer, so dass man zunächst an den Zu- sammenhang desselben mit dem Palast Mignanelli gemahnt wird. Allein der Unterschrift nach befand sich dieser „M. Manlius Capitolij propiigitalor" da- mals bereits in Palalio Magni Diicis Elr(nriae). Die Reihenfolge der Abbildungen richtet sich überhaupt in diesem zweiten Bande Cavalieris garnicht nach dem Aufbewahrungsort, abweichend von dem ersten Bande*). In diesem folgen aufeinander die belve- derischen Statuen, dann diejenigen im Garten und Palast Cesi im Borgo, die im Palast Farnese, die im Garten des Cardinais von Ferrara (Ippolito d'Este, Gründers der Villa d'Este in Tivoli) auf Monte Cavallo bis zum Jahre 1583 einer der grössten Sehenswürdigkeiten Roms, dann dem Papst geschenkt und in den päpstliclien Palast aufgegan- gen") — , die in der Villa Julius III vor Porta del Popolo, die auf dem Capitol, die in den be- nachbarten Palästen Capranica und dellaValle bei S. Maria della Valle; den Beschluss machen

Flaminio Vacca Memorie 55 (Fea Mise. I p. LXXVII), mit dem Zusatz di casa Piccolomini; dieser Familie gehürte belcannt- lich die Herzogswürde von Amalfi. Biifalini kennt eine VinfeaJ Ducis Amalphi vor der Porta del Popolo, am heutigen Ein- gange der Villa Borghese.

^) Vacca Memorie 57 bei Fea Miac. I p. LXXVII. Dass Aldrovandi diese Statue noch nicht kennt, gibt einen neuen Beweis dafür ab, dass sein Verzeichnis nicht erst 1556 aufge- setzt worden ist (arch. Zeit. 1870 S. löl f.).

') Anliquarum staluarum urbis Romae tertius et rjuarlus liber lo. Bapt. de C'uvalleriis authure. Rom 159-1.

') Antiq. statuarum . . . primus et secundus liber. Rom 1585.

') Montaigne Journal du voyaje en Jtalie [1580. 81], Rom und Paris 1774, II S. 5C. Fea Mise. I S. LXXIII Anm. a. Be-

eine Anzahl von Statuen, welche theils öffentlich ausgestellt waren, theils kleineren Sammlungen an- gehörten. Man kann demnach diesen ersten Band als eine kna]ipe Publication der bedeutendsten unter den damaligen Sammlungen Roms, museographisch geordnet, bezeichnen. Ganz anders der zweite Band. Ein festes Princip der Anordnung ist hier überhaupt nicht streng durchgefülirt, aber es sind doch wesent- lich stoffliche Gesichtspunkte welche befolgt werden. Die einzelnen Götter sind von einander geschieden, aber in einer seltsamen Reihenfolge geordnet, die überdies durch allerlei ganz fremdartige Eindring- linge unterbrochen wird; den Schluss bildet eine Gruppe historischer oder vermeintlich historischer Bildwerke. Die einzelnen Sammlungen sind durch den ganzen Band zerstreut. Ein paar Namen des ersten Bandes kehren wieder, vor allen hat der Pa- last Farnese noch eine reiche Nachlese geliefert, aber meistens sind es neue Namen. Unter ihnen steht Palast und Garten des Grossherzogs von Toscana, also die Villa Medici, als das weitaus reichste unter den neueren Schatzhäusern antiker Kunst, an erster Stelle; ausserdem von bekannteren Namen die Paläste Ceuoli (d. h. Sacchetti, in Via Giulia), Vettori, Santacroce, Mattei auf dem Quiriual und im Campus, Muti (s. Bufalini C, 1 und C, 2), Mignanelli, Savelli, Odescalchi; auch die Villa Montalto-Peretti, damals im Besitze des Cardinais Alessandro Montalto, eines Grossneffen von Sixtus V, steuert ihren „Cincinnatus" bei (Taf. 91). Andere Namen lasse ich bei Seite ; von Sammlern geringeren Ranges tritt keiner häufiger auf als Girolamo Gariinberti, der bereits um die Mitte des Jahrhunderts im Hause des Cardinais Gaddi lebte, sich dort ein Museum mit manchen curioseu „Antiken" bildete und als ein besonderer Sachkenner galt'"). So lässt uns Cavalieris Werk einen interessanten Einblick in die Wandelungen römischer Museen am Ende des sechzehnten Jahr- hunderts thuu, wenn auch durchaus keinen voll- schreibung d. Stadt Rom III, •_> S. -llöf. Schreiber arch. Zeit. 1879 S. 71 Anm. 14. Die Jahreszahl beweist, dass die Tafeln Cavalieris wenigstens zu grossem Theile bereits längere Zeit vor dem l'ublicationsjahr (1585) fertig waren.

'") Mich.aelis, Bildnisse des Thukydides S. 15 Anm. 17.

A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.

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stiindig-en ; demi es fehlen völlig so bedeutende Sammlungen wie diejenigen der Cesarini, Ludo- visi u. s. w., von den JMuseen des folgenden Jahr- hunderts (Giustiniani , Borgbese, Barberini, Aldro- brandini u. s. w.) natürlich ganz abgesehen.

Es niuss auffallen, dass in den Kupferwer- ken des Cinquecento keine Abbildung der medicei- sehen Venus auftritt, weder l)ei Vaccarius und Ca- valieri, uocli, so viel ich nachzukommen vermag, bei Franzini"); wenigstens enthält die Rotiia sacra antica e moderiia von 1(587 unter den von letzterem entlehnten 97 Holzschnitten nach antiken Statuen keinen der Mediceerin. Und docli sind hier den Schätzen der Villa Medici vierzehn Abbildungen ge- widmet, ja darunter hat sogar die jener Statue im Motiv verwandte, aber unendlich viel geringere Aphrodite mit dem Eros zur Seite (Dütschke Uffi- zieu no. 108) das Schicksal betroffen in einer hoch- komischen Wiedergabe verewigt zu werden (S. 50 '''). Erst bei Perrier (1638) erscheint die echte Medi- ceerin, und zwar sogleich in drei Ansichten (Taf. 81 83); etwas später bei Episcopius gar in vieren (Taf. 47—50 nach den Zeichnungen zweier hollän- discher Künstler); zwei derselben sind daraus bei Joh. Ulr. Kraus wiederholt (Taf. 26. 27). Auch in Sandrarts Admiranda (1680) fehlt die Statue nicht (Taf. p). Noch in Rom hatte endlich auch Domenico de' Rossi die Zeichnung machen lassen, welche erst 1704, als die Statue sich längst in Florenz befand, in der von P. A. Mafi'ei erklärten Raccolta di staiue erschien (Taf. 27).

") Schreiber arch. Zeit. 1879 S. 65 Anm. 4. Die Original- ausgabe von 1589 kenne ich freilich auch nicht. [Das kgl. Museum besitzt die Holzschnitte der Anliquitates Romanae tirbis studio Hieronymi Franzini in einer Ausgabe vom Jahre 1596. l'nter diesen befindet sich keine Abbildung der mediceischen Venus. M. F.]

'-') Grosse Aehnlichkeit mit der mediceischen Venus hat die S. 60 abgebildete „Veneria ata. in viridario JRucellai" mit einem Delphin zur Seite, auf dem ein Eros reitet. Jene Unterschrift stammt von Franzini (1589), man könnte also denken, die Statue sei später in den Besitz der Medici gekommen. Allein da sie in der der Roma moderna selbst angehürigen Ueberschrift zu den Sldtue del medesimo Palazzo Gaetani (im nördlichen Theile des Corso s. S. -18) gerechnet wird, also 1687 sich dort befand, kann sie nicht mit der zehn Jahre früher nach Florenz trans- portierten und schon viel früher in mediceischem Besitz befind- lichen Statue identisch sein.

Aus diesem Sachverhalt lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass die mediceische Venus im sechzehnten Jahrhundert noch ziemlich unbemerkt geblieben war und erst im Laufe des nächsten Jahrhunderts sich allmählich ihren Welt- ruluu eroberte, l)is sie 1677 mit dem Schleifer und der Ringergruppe als eine der Perlen der Samm- lung vom Tiber an den Arno versetzt ward. Um so unwahrscheinlicher ist es, dass sich über ihre Entdeckung authentische Kunde sollte erhalten ha- ben, vollends wenn diese erst in der Zeit nach der Uebersiedelung nach Florenz auftritt. So heisst es bei Sante Bartoli (um 1682 oder noch später): La fainosa Venere de' Medici, la quäle ora nou si trova piü in Roma, per licenza d'Innocenzo XI., si dice, che fasse Irovata in Pescaria al Portico di Ot- tavia'^). Also nur ein Gerede, das vielleicht auf eine gelehrte Reminiscenz an die bei Plinius 36, 35 er- wähnten Venusstatuen im Bezirk der porticus Octauiae zurückzuführen ist. Eine andere Nachricht Hess die Figur in oder bei Tivoli, in der Villa Hadrians oder in hortis Neronianis, gefunden sein'*), doch ist es mir nicht gelungen die Quelle dieser Angabe aufzutinden, noch auch nur zu ermitteln, wann sie zuerst auftaucht. Sicherlich verdient sie ebenso wenig Glauben, wie diejenige Saute Bartolis. Da- gegen lässt sich noch nachweisen, woher die Statue in die Sammlung Medici gekommen ist. Wiederum ist Aldrovandi unser Führer.

In der Coutrada della Valle lagen vier Häuser oder Paläste nahe bei einander, welche sämmtlich der Familie della Valle gehörten: erstens das vom alten Cardinal Andrea della Valle, einem der eiu- flussreichsten und kunstsinnigsten Prälaten der Hoch- renaissance (gestorben 1533 oder 1534), erbaute Haus, das zu Aldrovandis Zeit (1550) ein Nefi'e des- selben, der Bischof von Melito Quinzio de' Rustici (gest. 1566), bewohnte; sodann das nebenan gelegeue Haus Valeries della Valle; ferner das Haus Camillo Capranicas, damals noch im Bau begriffen, welches bald nachher auch in den Besitz jener Familie ge-

") Roma antica, 1741, S. 354 = Fea Mise. 1 S. CCLIII no. 108. Clarac III S. CCXXXII übersetzt dans la piacine du purtique d'Octavie\

") Dütschke Uffizicn zu uo. 548 und sonst hie und da.

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A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceiscbe Venus.

langte''); eudlicli das Haus Brutos della Valle "*). Alle "vier Häuser waren mit Antiken geschmückt, zumeist das erste und das vierte. Der Hof des ersten enthielt nicht -weniger als zwölf Statuen, je vier an jeder Langseite und je zwei an jeder Quer- seite. An der Rückseite waren dies zur Linken ein Ganymed mit dem Adler, und zur Rechten „ma Ve- ner e ignnda quando nacque de la spuma del mare: onde Im vn delpno apprcsso con la spimia in bocca, che questa fttlione accenna"'''). Nun steht es akten- mässig fest, dass der Cardinal Fernando de' Medici im Jahre 1584 die Antiken eben jenes Palastes und des Palastes Capranica für die von ihm gegründete Sammlung in der Villa Medici ankaufte "). In dem Imentario delle dodici Slaliie del Palazzo della Valle, welches bei Gelegenheit des Verkaufs aufgenommen ward'Oi finden sich denn auch alle zwölf von Al- drovandi aufgezählten Statuen wieder, darunter der Ganymedes und nna Venere di naturale, con tulti suoi membri, con il delphino. Letztere wird mit dem verhältnismässig hohen Preise von 250 Ducaten angesetzt. Den Ganymedes hat Dütschke richtig in der Statue der Uffizien no. 115 wiedererkannt; merkwürdig, dass ev nicht auch die Venus erkannt hat. Jener ist 1.52 Meter hoch, diese 1.53; beide Statuen vereinigen mit der menschlichenHauptfigur einTbier ; sie waren also zu Gegenstücken an der Wand des Hofes vortrefflich geeignet. Was aber vollends entscheidend ist: in den Uffizien gibt es überhaupt nur die eine Statue der Aphrodite mit einem Del-

'^) Letzteres nach einer Mittheilung Friedr. von Duhns. Der im .Jalire 1572 verstorbene Bartolommeo Capranica, Bischof von Carinola, war der letzte geistliche Würdenträger jener alten riimischen Familie, welche namentlich den Bischofssitz von Fermo lange Zeit inne halte und sich einmal zu gleicher Zeit zweier Cardinäle rühmen konnte (Ughelli Ilaliu srnra, 2 Ausg., VI S. 471, 35 und sonst).

'«) Aldrovandi S. 212—221.

") Aldrovandi S. 214. Vor dem grossen Saale befand sich vna stalua ivf/inoichiala con vn ginocchio: mira in su col uolto: ha vnit mimo col pugno chiuso isojira la coscia dritta; Valtra tiene aleea sopra vn Ironco , sul quäle c la sua veste riposta (ebenda S. 215J. Offenbar ist es die Keplik des einen Niobiden, aus verschiedenem Marmor, no. 208 bei Dütschke, obgleich diese im Inventar von IfiSV (unten Anm. 1!)) nicht aufgeführt wird.

'«) Dütschke Uflizien S. XVII f.

'■') Gotti Gallerte e mnsei di I'irenr.e, 2 AuH., S. 3()1> f.

phin zur Seite. Es kommt noch hinzu, dass Ferdi- nand die Statue vor dem Jahre 1587, wo er als Grossherzog nach Florenz übersiedelte, erworben haben muss. Steht somit die Identität fest, so kann Aldrovandis Scliweigen über die beiden Eroten ebenso wenig daran irre machen, wie die Angabe vom Schaume im Mund. Denn am oberen, sehr ver- steckten Eroten sind die Flügel und das linke ün- terbein ergänzt, der sehr flüchtig angedeutete untere Eros ist gar bis auf einen Rest des linken Flügels ganz neu, so dass es fraglich ist, ob Aldrovandi sie überhaupt bemerken konnte; die Angabe über den Schaum aber erklärt sich vielleicht aus einer äl- teren etwas abweichenden Restauration, da vom Delphin unter anderem das Stück des Kopfes zwi- schen der Schnauze und dem Sitzfleisch des unte- ren Eroten ergänzt ist'"). In der That zeigen die älteren Abbildungen aus der römischen Zeit (Epi- scopius. Kraus, Maffei) unterhalb des Maules einige rundliche Massen, welche man wohl für Schaum halten konnte; Perrier und Sandrart lassen statt dessen vom Maule aus Wasser über die Basis strö- men, und Sandrart verbreitet sich in seinem Text über die Wogen uud ihren Schaum.

Dass über diese Statue, welche wahrscheinlich schon seit Beginn des sechzehnten Jahrhunderts im Palast della Valle stand *'), ohne je in hervorragen- dem Masse beachtet worden zu sein, sich Fund- nachiichten wie die oben besprochenen bis in späte Zeit erhalten haben sollten, ist gewiss wenig wahr- scheinlicli. [So mag ich denn auch kein Gewicht dar- auf legen, dass Sandrart im Text die Statue einst- mals im Pantheon {in Rolundo) gestanden haben lässt, obwohl wir in der That anderweit von Ausgrabun- gen des alten Cardinais della Valle in den Thermen Agrippas hören "). Sicherlich liegt der Angabe des

■-'") Diese Angaben fehlen bei Dütschke (Uft'. no. 548), der überhaupt der Statue eine eingehendere Behandlung hätte widmen sollen. Ich entnehme sie meinen im Jahre ISfil gemachten Notizen.

-') Wenigstens erwähnt schon 150i) Francesco Albertini an mehreren Stellen seines hochinteressanten Buches rie mirabilihvs Romae (S. 59''. 34 ■■ des Baseler Nachdruckes von 1521) den Palast della Valle wegen seiner Antikenschätze.

-"-■) Flaminio Vacca Memorie no. bei Fea .l/i.«f. I S. LXXVI.

A. Michaelis, Der Schleifer uud die mediceisehe Venus.

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in solchen Dingen ganz unzuverlässigen Sandrart nichts als eine Erinnerung au die mit der Perle Kleopatras gesciimückte Veuusstatue in Agrippas Pantheon (Macrob. salnrn. 3, 17, 18) zu Grunde, welche bei den Astygraphen von F'ulvius au ihre KoUe spielt und aucii noch in Mafl'eis und Goris Erklärungen der niediceischen Venus bei Bespre- chung von deren durchbohrten Ohrläppchen heran- gezogen wird.

Weder Aldrovandi, noch das officielle Inventar, noch die älteren Abbildungen, noch Perriers und Sandrarts Textwortc kennen die Inschrift und den Künstler Kleomenes. Episcopius sciieint der Erste zu sein"), welcher im begleitenden Text die In- schrift nach seinen Gewährsmännern erwähnt und so angibt: KAEßMENHC AnOAAOAßPOY AOHNAIOC EnOIEI. Die Basis erscheint in die- sen ältereu Abbildungen rundlich , ohne scharfe Räuder; doch ist darauf vielleicht nicht viel zu geben. Erst der Stich bei Maftei zeigt die eigen- thiimliche, au der Vorderseite etwas ausgeschweifte

KAErtAAEMHC A A e HNAIOC

Es ist demnach ausser Zweifel, dass die Statue noch iu Florenz, oder, wenn der von den Giessern als Modell benutzte Gipsabguss schon etwas früher gemacht sein sollte, wenigstens in der letzten römi- schen Zeit diese Inschrift trug. Die jetzige, deren Unechtheit man vergeblich zu leugnen versucht hat, ist erst in Florenz gemacht; sie steht auf einem be- sonderen au die Basis angeflickten Streifen von verschiedenem Marmor und lautet bekanntlich: KAEOAAENHS t AnOAAOAßPOY AOHNAIOC EnßESEN. In ihr liegt also nur eine ungenaue Copie der aus

-'■') Leider ist die Zeit des Erscheinens der ersten »S'enu'- centuria von Ejjiseopius Sif/norunt velerum icones nicht ganz yeiiau bestimmbar. Seine Paradigmata graphices erschienen 1671; in der zweiten, später ausgegebenen Hälfte der Icones wird der celebrailssimus liegmsque Pictnr Petrus Lely in London noch als lebend erwähnt; dieser starb IGSO. Da Epi- scopius oder Bisschop, ein vielbeschäftigter Advocat, der die Kupferstecherkunst nur nebenher betrieb, erst 1646 geboren war, 50 ist es wahrscheinlich, dass die hundert Tafeln der Icones zwi- M-hen li'.Tl und I6$0 erschienen. Bisschop starb 1686.

Gestalt, welche die Basis noch heute hat, und die In- schrift: AIOMHAHE AnßAAOAOPOC | AOH- NAIOZ EnOltl"), welche von MaÖei im Texte dahin verbessert wird: KAEOMENHC APIOAAß- AOPOY I AOHNAIOC EHOIEI. Dass von die- sen drei Abschriften diejenige bei Episcopius nicht allein der relativ grössten grammatisclien Correct- heit, sondern auch der grössten diplomatischen Treue sich rühmen kann, zeigt der Bronzeabguss, welchen die königlichen Giesser in Paris, die Ge- brüder Johann Balthasar und Johann Jakob Keller aus Zürich, im Jahre 1G87, also zehn Jahre nach der Ueberführung der Statue nach Florenz, für Ludwig XIV machten'"). Er befindet sich jetzt im Louvre, wo er von Prof. A. Scliöne auf meine Bitte ge- nau untersucht worden ist. Die Inschrift, in vertieften nicht wie die Giesserinschrift in erhabenen Buchstaben an der geschweiften Vorderseite sich entlang ziehend, sieht nach dem Abklatsch folgen- dermassen aus :

noAAoA>npOT

EnOiEl

irgend einem Grunde entfernten älteren Inschrift vor. Diese selbst aber ist iu der durch den Bronze- abguss bezeugten Form sehr geeignet Zweifel an ihrer Echtheit zu erregen. Wenigstens wird dieser Eindruck, den Schöne angesichts des Originals em- pfieng, dem Abklatsch gegenüber nicht bloss von

-•*) Dass die Inschrift nicht auf der Vorderseite der Basis, sondern an der Seitenfläche unterhalb des Delphins angebracht ist, hat wohl seinen Grund nur in dem AVunsehe des Stechers, trotz der Prolilansicht der Statue dennoch die ganze Inschrift sichtbar zu machen. Uebrigens ist der Stich wie diejenigen bei Episcopius imd Sandrart im Gegensinne gemacht.

■') Viscontis Angabe {opere varie III S. 18) „moulie par Hellers sur l'original, et fondue sur le commencement du dix- seiilieme stiele, avant que la slalue fut tritnsportee de Borne a Florence" ist mehrfach ungenau, wie die in erhabenen Buch- staben auf der rechten Seitenfläche der Basis (unterhalb des Delphins) angebrachte Giesserinschrift FONDV PAR LES KELLERS 1687, welche Visconti übersehen zu haben scheint, beweist. Die Brüder waren erst in den dreissiger Jahren des .Jahrhunderts geboren. Ueberhaupt enthält die ganze Abhand- lung Viscontis neben grossem advocatorischen Scharfsinn sehr viele unhaltbare Behauptungen und Vermnthungen.

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A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.

mir, soudern auch von Conze, Köhler und R. Scholl vollständig- getheilt. Zu den steifen und theilweise sehr bedenklichen paläographischen Formen (z. B. dem schliessendeu C des Hauptnamcns und dem an den beiden unteren Enden gerundeten £1) tritt der schlimme orthographische Fehler KXsco^isvrjg, um die Zweifel zur Gewissheit zu erheben. Mir scheint ausserdem auch die durch Matfei bezeugte ge- schweifte Form der Vorderseite der Basis, an der die Inschrift stand, für eine antike Basis unstatt- haft; wenigstens ist mir kein zweites Beispiel be- kannt, obgleich ich seit langer Zeit auf diesen Punkt geachtet habe. Dazu kommt nun das räthsel- hafte Verschwinden dieser älteren Inschrift, für das sich schwer ein Grund erdenken lässt; denn Vis- contis Vermuthung, sie möchte sehr verrieben und undeutlich gewesen sein, ist gegenüber dem Bronze- abguss unhaltbar. Wie wenn das Stück mit der Inschrift nur aus Gips, Stucco oder einem andern vergänglichen Stoff bestanden hätte, und daher ein soliderer Ersatz, unter Beibehaltung der unglück- lichen früheren Form, in Florenz, etwa bei der Er- gänzung durch Ercole Ferrata, an die Stelle gesetzt worden wäre? Jener ursprüngliche Zusatz wäre ver- muthlich nicht vor der Mitte des siebzehnten Jahr- hunderts entstanden"). Damit würde das Schweigen der älteren Auctoritäten, und namentlich Perriers und Sandrarts erklärt sein, welche sonst die Künstler- inschriften (Agasias, Glykon u. s. w.) nicht unbeach- tet zu lassen pflegen. Sandrart kehrte 1635 aus Italien zurück, Perriers Werk erschien 1638; beide wareu als Zeichner für die Galleria Giiisliniatia thä- tig, deren erster Band 1631 ausgegeben zu sein scheint. Ja sogar Franc. Junius, der bis an sein

-'') In den UlHzien steht neben ileni Eingange zum Niobe saale die Vordersejte cinev ziemlich grossen Basis mit der Inschrift

rANYMHAHC I A6GÜXAPOYC | /\0HNAIOY

(C. I. Gr. 6161i), welche Brunn (Gesch. d. griech. Künstler I S. 38G) wegen ihrer ganz singulären Fassung wohl mit Recht als durchaus verdächtig bezeichnet. (Andere Ansichten s. bei Jahn arch. Beitr. .S. 19 Anm. 17.) Sie stammt aus Villa Medici. Sollte sie nicht dort die Basis jener oben genannten Ganymedes- statue, des ehemaligen Scitenstückes zur Venus in Palazzo Valle, bekleidet haben? Diese gibt zwar sicherlich nicht die Com- position des Leochares wieder, konnte aber einen gelehrten Anti- quar sehr leicht an das aus l'linius bekannte Weik jenes Künst- lers denken lassen.

Lebensende (1677) an seinem Catalogus artipcum arbeitete, hatte noch nichts von der Inschrift er- fahren. So viel ist sicher, dass der im Vorstehen- den gegebene Beitrag zur Geschichte der Statue und ihrer Publicationen, das späte Auftauchen der Inschrift und der paläographische Charakter dersel- ben in der Bronzecopie den Glauben an Kleomenes als Verfertiger der mediceischen Statue, und über- haupt an einen athenischen Künstler Kleomenes, Sohn des ApoUodoros, stark erschüttern müssen.

Uebrig bleibt noch das eine, von Visconti und anderen Verfechtern der Echtheit der Inschrift stark betonte Argument: wie sollte ein moderner Fäl- scher oder Erfinder, grade auf den ziemlich obscuren Künstlernamen Kleomenes gefallen sein? Selbst wenn es nicht gelingen sollte, hierfür eine Er- klärung zu finden, würde ich die vorgebrachten Argumente für den modernen Ursprung- durch die- sen Einwand nicht für entkräftet halten, denn ähn- liche Fragen müssen bei einigermassen geschickten Fälschungen oft unbeantwortet bleiben. Aber ich glaube in der That eine plausible Erklärung geben zu können. Für einen Gelehrten (was der Erfinder jener Inschrift jedenfalls sein musste) mochte bei einem so sinnlich reizenden Frauenbilde der Ge- danke an die Thespiadeu, welche einst lunius Pis- ciculus unlautere Begierden erweckt hatten, nicht so gar fern liegen; diese waren ja aber Arbeiten des Kleomenes (Plin. 36, 33. 39). Wem diese Er- klärung zu gesucht erscheint, den möchte ich daran erinnern, dass grade bei der mediceischen Statue eine einigermassen ähnliche Wirkung auf verwahr- loste GemUther in Kom beobachtet worden war. Baldinucci erzählt im Leben Ercole Ferratas"), dass die erlesensten Antiken der Villa Medici von einem ganzen Heere junger Künstler förmlich be- lagert gewesen seien, e pin di ofpd allra la Vettere, la Olli rara hellezza esposla quivi benignamente ad ntilild de' professori, era bene spesso con parole e con (jesli da' piii scorretli abnsala; deshalb habe Cosimo III endlich 1677 die Ueberführung nach Florenz angeordnet. Wenn man sich erinnert,

-') Noiizie de' professori del diieijno, Mailand 1S12, XUI S. 441.

A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.

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dass die Inschrift überhaupt erst kurz vor dem letzteren Zeitpunkt auftaucht, so scheint mir der vermutliete Zusammenhang keineswegs unwahr- scheinlich zu sein. Dazu kam die Inschrift des Kleomenes Sohnes des Kleomenes an dem sog. Ger- manicus, welcher damals noch in der Villa Mont- alto-Peretti stand und einem römischen Gelelirten füglich bekannt seiu konnte. Unerklärt bleibt frei- lieh die Wahl des Vaternamens Apollodoros; denn an den von Plinius (34, 81) geschilderten fictor inter cunclos diligentissimiis artis dieses Namens, der sich selber nie genug thun konnte, ist schwer- lich zu denken '^).

Erst durch die Inschrift der mediceischen Statue ist der Künstlername des Kleomenes zu einem so hohen Kuhme gelangt, dass er zu neuen, freilicli weit naiveren Erfindungen Anlass geben konnte ").

•") Ich will hier mit meiner Ueberzeugung nicht zurück- halten, ilass auch die Kleomeuesinschrift auf der Arn mit dem Opfer der Iphigeneia eine Fälschung ist. Jahns und der von ihm (arch. Beitr. S. 380 Anm.) angeführten Gelehrten Beob- achtung, dass die Inschrift erst in die bereits vorhandenen Brüche des unteren Randes hineingehauen ist, kann ich nach wiederholter Prüfung (1861 und 1878) nur bestätigen: mehr- fach sind die Striche in die Bruchstellen hineingeglitten, so beim O und beim iV des Namens, auch ist der trennende Punkt zwischen den beiden Worten in einer griechischen Inschrift nicht ohne Bedenken. Dütschkes Einwand (Uff. no. 1C5) trift't nicht den Kern der Sache. Noch verfehlter erscheint mir sein Ver- such einer Rettung der Inschrift ^dvainnon igyov an der Ileraklesstatue in Palazzo Pitti (zerstr. Bildw. in Florenz no. 36). Schon allein die Formen des Y und das N zum Schlüsse mit ihren unerhörten Schnörkeln schliessen jeden Zweifel aus.

-') Auch der Künstlername ApoUonios , am glanzvollsten durch die Inschrift des belvederischen Torso vertreten, hat eine Fälschung veranlasst. In Petworth steht ein etwas geringeres Exemplar des schönen weinschenkenden Satyrjünglings, der be- sonders durch die Dresdener Statue bekannt ist (Denkm. a. K. II, 39, 459. Arch. Ztg. 1874 S. 56 no. 20; in meinen Anc. Mnrhles no. 6); es ward von G. Hamilton bei Rom entdeckt. Dallaway {Anecdotes S. 282) gab, ich weiss nicht nach welcher Quelle, an, auf dem (nie gebrochenen) Pfeiler, welcher der Statue neben dem linken Bein zur Stütze diene, habe eine mehr- zellige griechische Inschrift gestanden, von der jedoch nur noch die Worte AflGAAGNIOZ und EflOIEI lesbar seien. Müller (Amalthea III S. 252 = kunstarch. Werke II S. 84) referiert wohl nur nach Dallaway. Friederichs fand 1861 nur APOAAjQNIO, Conze (Archäolog. Anzeiger 1864 S. 239) ADOAAßNIOE ohne lnn(i:i. In der Tliat steht nur der Name da:

AHOAA^'O

Ich meine die angeblichen vier Statuen dieses Künst- lers in Wiltonhouse, zu denen sich noch ein Relief gesellt. Die vier Statuen "), von sehr verschiedener Güte, hat der Gründer jener Sammlung, Lord Pem- broke, sämmtlich aus der ehemaligen Sammlung Mazarin in Paris gekauft, wohin sie aus Rom ge- kommen waren; aber keine derselben hat irgend eine auf Kleomenes bezügliche Inschrift oder sonst ein Abzeichen dieses Ursprungs. Das Relief") ist vollends ganz modern. Mag nun Lord Pembroke selbst (was durchaus wahrscheinlich ist) der „kecke Pfarrherr" gewesen sein oder ein Anderer die Taufe vorgenommen haben, hochergötzlich ist folgende authentische Auskunft über den Künstler, welche die Einleitung zu Kennedys Buch über Wilton- house'^) gibt (S. XXX): „This Sculptor was one of ihe mosl eminent of liis Urne, and was setil from Corinlh to Rome by PoUjbius, the celehraled Hisiorian, lo execute litis work [das Relief des Curtius!]. At whose desire, history does not inform ns; let this he as il may, il is so masler ly a Performance as does honour lo the skill of the Artist." Winckelmanu") hatte wohl Recht mit seiner Bemerkung: „es wäre nicht viel unverschämter gewesen vorzugeben, dass Polybius den Künstler nach Wilton geschicket habe."

Ad. Michaelis.

Wie das Facsimile zeigt, ist das 2 in einer zweiten Zeile nach- geholt; irater dem Anfang des Namens sind Spuren von leisem Kratzen, sonst aber nichts von weiterer Schrift zu entdecken. Die Buchstaben sind aber ganz unordentlich und so leicht ein- geritzt, dass sie nicht von einem Meissel, sondern nur von einem Messer oder sonst einem spitzen Instrument herrühren können. Ich zweifle nicht an ihrem modernen Ursprung und an der Ab- sicht des Fälschers an den berühmten Künstler des Torso zu erinnern. Sollte die Inschrift aber dennoch antik sein, so kann es natürlich nur die Kritzelei eines Beschauers, nicht die Angabe des Verfertigers sein.

^") Wiltonhouse no. 124 bogenbespannender Eros (Clarac 650, 1495); 151 schwanzbeschauender Satyr (Clarac 711, 1693); 159 sitzende „Euterpe" (Clarac 498 A, 790 B); 170 knieende Amazone (Clarac 810 A, 2031 C). Die näheren Nachweise siehe demnächst in meinen im Druck befindlichen Ancient Marbles in Great Brilain.

3') No. 87 Curtius sich in den Schlund stürzend.

^-) A Description of ihe Antiquities and Curiosities ia Wilton- House. Salisbury 1769. Aehnlich schon bei Carey Creed in seinen Radierungen nach dortigen Antiken (1731).

^') Geschichte der Kunst, Dresden 1764, 1 S. XIV.

Archäolog. Ztg., Jahrgang X.X.WIII.

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'YnOBIBA

C. Robert hat zuerst in deu Annali dell' Insti- luto (1874, t. T; cf. p. 243—46), sodann nach einer genaueren Zeichnung in der A. Z. 1878, T. 22 ein nolanisches, jetzt im berliner Museum befindliches Vasenbild publicirt, dem er nach zwei Seiten hin eine mehr als gewöhnliche Bedeutung vindicirt. Mit feinem Blicke hat er in dem Bilde eine Darstellung des vnoßißätea&ai erkannt: didaxTeov ös tov Innov xat vnoßtßäKsa&ai. ton de tovxo diiaiävta %a oxilr] eyxa&ltEiv te xal xanEivovv eavTov, äaie EvTiETiüi: avaßaivEiv %6v mnea: Poll. I, 213; vgl. Xenoph. n. Inn. 6, 16. Ein zur Linken seines Pferdes stehender Jüngling drückt seinen r. Fuss gegen den r. Vorderhuf des Pferdes, um dasselbe zu zwingen, dieses Bein gleich dem 1. noch mehr zu strecken und so das Aufsteigen auf den erniedrigten Rücken zu erleichtern. Sehr passend hat sodann Robert zur Vergleiehung eine Gruppe aus dem Parthenon- fries abbilden lassen, die mit der ganzen Compo- sition eine auffallende Aehnlichkeit hat: eine Aehn- lichkeit, welche noch dadurch gesteigert wird, dass hier wie auf der Vase der Jüngling eine auf den Rücken herabhängende Chlamys und einen Petasos im Nacken trägt. Aus dieser Vergleiehung glaubt nun Robert eine zweifache Folgerung ziehen zu dürfen: erstens, dass hier eines der seltenen Bei- spiele vorliege, in denen ein Vasenbild nach einem plastischen Vorbilde copirt worden sei; zweitens, da diese Copie doch nur in Athen gemacht sein könne, dass dadurch die athenische Herkunft der nolanischen Vasen eine neue und entscheidende Be- stätigung erhalte.

Je einfacher diese Folgerungen erscheinen, um so gefährlicher sind sie wegen ihrer Consequenzen, sofern sie sich schliesslich doch als trügerisch er- weisen sollten.

Die beiden Darstellungen des vnoßißdCEod^ai sind nicht die einzigen , welche wir besitzen. Icli rühme micli nicht den gesanimten Denkmälervor- ratli darauf hin geprüft zu haben, sondern nur zu- fällig bin ich nach Lesung des Robert'schen Artikels

ZE^0JI.

auf zwei weitere Beispiele aufmerksam geworden. Das eine findet sich auf einer Münze von Larissa in Thessalien aus guter griechischer Zeit, auf der J. Friedlaender richtig den Jlomeut vor dem Auf- steigen erkannt hat (Monatsber. d. berl. Akad. 1878, Taf. II, 30; S. 453). Das Pferd ist nach rechts ge- wendet und der Jüngling steht deshalb nicht dies- seits, sondern jenseits d«sselben ')• Indem er das Pferd mit der Linken am Zügel hält und etwas zu- rückgeleimt den r. Arm mit der Reitgerte auf die Kruppe stützt, drückt er seinen r. Fuss gegen den 1. Vorderfuss des Bosses, welches diesen hebt, um ihn ebenso wie den r. zu strecken. Der Petasos oder die Kausia bedeckt hier den Kopf, die Chlamys hängt über die Brust und die 1. Schulter herab. Die zweite Darstellung ist von den bisherigen durch einen weiten Zeitraum getrennt; es ist ein spät- römisches Relief im Louvre, dessen Hauptgegen- stand ein Suovetaurilienopfer bildet (Clarac pl. 221, no. 313). Am rechten Ende steht ein gerüsteter Krieger neben seinem nach links gewendeten Rosse; die Linke legt er auf die Mähne oben im Nacken, den r. Arm stützt er, etwas zurückgelehnt, auf den Rücken, und mit dem r. Fuss rückt er die Vorder- beine des Pferdes zurecht.

Nach diesen Vergleichungen wird Robert schwer- lich noch an der Behauptung festhalten dürfen, dass der im Parthenonfriese und dem Vasenbilde ge- wählte Moment zu denen gehöre, die sich nicht so leicht dem Sinne des Künstlers darbieten und also nicht wohl zweimal von einander unabhängig er- funden sein könnten. Es handelt sich nicht um ein zufälliges, von einem Künstler individuell beob- achtetes und aus dem Flusse der Erscheinungen herausgehobenes Motiv, sondern um eine typische oder technische, überall in der Reitschule eingeübte Stellung, die, von Aeusserlichkeiten abgesehen, ihrem Wesen nach immer die gleiche bleibt. Eben-

') Um die Zweideutigkeit von „vor" und „hinter" zu ver- meiden, empfiehlt sich vielleicht die Bezeichnung „diesseits" und jenseits" zu allgemeinerem Gebrauche.

II. Brunn, 'Ynnßißä^sa^ai.

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so erweist sich die Bedeutung, welche Robert dem Fehlen einer ritterlichen Bewaffnung mit Schwert und Lanze für die Abhängigkeit des Vasenbildes von dem Friesrelief beilegen will, im Hinblick auf die thessalische Münze als illusorisch: es handelt sich eben nicht um den kriegerischen Ausmarsch eines Ritters, sondern einfach um eine Reiterstellung. Bleibt nun auch die iiusserliclic Uebereinstimmung in der übrigens durchaus nicht ungewöhnliclien An- ordnung von Chlamys und Petasos , so hat dafür Robert selbst auf verschieilene feinere Unterschiede in Stellung und Haltung von Ross und Reiter hin- gewiesen, die sich schliesslich doch weniger aus einer äuserlichen Anbequemung an den Raum der Vase, als aus selbständiger Naturbeobachtung er- klären. Sollte aber selbst hiernach die Möglich- keit einer Entlehnung des Vasenbildes von dem Friesrelief noch nicht vollständig ausgeschlossen sein, so ist doch sicherlich die Noth wendigkeit in keiner Weise zuzugeben.

Für weitere Folgerungen darf aber ausserdem der künstlerische Charakter, der Styl der Zeichnung keineswegs ausser Acht gelassen werden. Die Würdigung desselben wird durch die Vergleichung eines zweiten in Form und Technik übereinstimmen- den Gefässes erleichtert, das mit dem ersten für Berlin erworben und von Robert in der A. Z. 1878, T. 23 publicirt ist. „Es kann kaum zweifelhaft sein, dass wir zwei Producte wahrscheinlich des- selben Arbeiters, jedenfalls derselben Fabrik vor uns haben." Was Robert über die peinliche Ge- nauigkeit in der Wiedergabe des Details, über die „sorgfältige, aber noch etwas unsichere, fast möchte ich sagen ängstliche Hand" bemerkt, ist gewiss richtig. Nur hat Robert versäumt, die einzelnen Beobachtungen einem allgemeinen Gesichtspunkte unterzuordnen. Es fehlt der Zeichnung durchaus der (ich wähle den Ausdruck mit Vorbedacht) tekto- nische Charakter, der sonst den Vasen von Nola eigen zu sein pflegt; die Zeichnung ist, selbst rein technisch betrachtet, eine durchaus individuelle freie Ilaudzeichnung, für die ich im Augenblick keine weiteren Vergleichungen auf Vasen beizubringen ver-

möchte. Hat diese nun aber irgend etwas mit attischem Charakter gemein? Auffällig erscheint schon die Behandlung von Aeusserlichkeiten, wie der Zügel, des Stirnschmuckes des Pferdes, der Stiefel, des Helmes am Krieger der zweiten Vase, auffüllig auch das Verhältniss des Kopfes zum Kör- per am Jünglinge sowohl wie am Krieger; und wenn letzterer in seiner ganzen Erscheinung etwas (im antiken Sinne) Halbbarbarisches hat, so tritt uns auch an dem Pferde der ersten Vase etwas Ungriechisches, nemlich ein auffallender Mangel an Stylisirung in der Zeichnung entgegen. Wir haben e.s mit einer Auffassung der Natur zu thun, die oft sehr in's Einzelne geht, aber nicht versteht, dieses Einzelne dem Ganzen unterzuordnen, die nicht auf einem inneren Verständniss der Dinge beruht, sondern sich mit einer mehr oder weniger oberflächlichen Wiedergabe der äusseren Erscheinung begnügt. Fragen wir jetzt, wo wir einer verwandten Kunst- richtung begegnen, so brauchen wir uns nicht weit von dem Fundorte der beiden Vasen zu entfernen. Wir finden sie in den unteritalischen, namentlich lucanischen Grabgemälden, von denen hier nur die pästanischen in den Mon. d. Inst. VIII, t. 21 und im Bull. nap. N. S. IV, t. 4 7 citirt werden mögen. Technik und Vortragsweise bedingen natür- lich manche Verschiedenheiten im Einzelnen; aber in der Grundauffassung zeigt sich die grösste Ueber- einstimmung.

Was Thon und Firniss, das Technische des Töpferhandwerks anlangt, unterscheiden sich die beiden Vasen, so weit ich sehe, durchaus nicht von andern nolanischer Herkunft; ja auf der Rückseite fällt der Maler, so zu sagen, ganz aus seiner Rolle und zeichnet seine Figuren in der gewöhnlichsten, conventionellsten Manier. Handelt es sich also hier um einheimisches Fabrikat, so erhält dadurch die Hypothese vom athenischen Ursprünge der nola- nischen Vasen überhaupt keine Bestätigung, sondern erscheint vielmehr den gewichtigsten Zweifeln unter- worfen.

H. Brunn.

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DAS BILDNISS DES SENECA.

(Tafel 5.)

Zu Anfang dieses Jahrhunderts befand sich die Villa Mattei zu Rom im Besitz des bekannten spanischen Staatsmanns D. Manuel de Godoy, Herzog von Alcudia und Principe de laPaz, durch den Pabst auch Fürst von Posserano. Als mau im Jahr 1813 auf dem Terrain der Villa die Fundamente zu einem Keubau (einer stufd) legte, fand sich, unweit der Tribüne der Kirche Santa Maria in Domnica, die durch die erhaltenen Aufschriften unzweideutig bezeichnete Doppelbüste des Seneca und Sokrates. Sie ist seitdem in andern Besitz, schliesslich iu den unseres Museums übergegangen (no. 419a) und wird auf Tafel 5 in einem wohlgelungenen Lichtdruck mitgetheilt, welcher den Seneca iu der (grösseren) Vorderansicht und im Profil nach links, den Sokrates nur im Profil nach rechts giebt. Einige Jahre nach dem Funde, welcher damals sogleich das verdiente Aufsehen machte, nachher aber wieder in Vergessen- heit gerathen zu sein scheint, publicierte ihn der römische Antiquar Lorenzo ße iu einer eigenen dem Fürsten gewidmeten Monographie mit drei sorg- fältigen von P. Fontana gestochenen Tafeln'). Danach hat Ennio Quirino Visconti noch nach- träglich einen kleinen Umrissstich des Senecakopfes in eine der Tafeln seiner römischen Ikonographie einfügen lassen, obgleich er in demselben Werke vorher die noch von ihm mit Unrecht für Seneca gehaltene Erzbüste aus Herculaneum abgebildet und erläutert hatte "). Seit sechzig Jahren also konnte man schon wissen, dass jener sonderbare Kopf den Seneca sicherlich nicht darstelle; wen er darstelle, ob den Philetas oder den Kallimachos, wie neuerdings vermuthet worden ist, oder irgend

') Lorenzo Re, Seneca e Socrate, erma bicipile trovalo da S. A. S. il Principe della Face nelle scavazioni della sua Villa Celimonlana yiu Mntlei u. s. w. Uoin 1816 fol.

-') E. Q. Visconti iconographie romaine Paris 1817 fol. Taf. 16, 5. Die falsche Senecabüste ist auf Taf. 14 abgebildet. Im Text dazu (Bd. I S. 284 fF.) ist die spUtere Zutbat nicht mehr erwähnt worden; auch in der Fortsetzung des Werkes von Mongez finde ich nichts darüber bemerkt.

einen Philosophen, vielleicht einen Epikureer '), ist bisher nicht zu ermitteln gewesen.

Die Büste unseres Museums (aus einem weissen, nicht ganz reinen Marmor) zeigt folgende Ergän- zungen :

1) am Kopf des Seneca die Nase mit dem dar- über befindlichen Tlieile der unteren Stirn, die linke Hälfte des linken Auges oben mit der Braue und einem Theile der Schläfe, unten bis über das Lid hinaus, die Höhe des linken Backenknochens.

2) am Kopf des Sokrates ein Theil der Nase, ein Stück des Bartes der Oberlippe.

Die Höhe der Senecabüste beträgt 27 Cm.; die Köpfe sind also etwas unter Lebensgrösse dar- gestellt.

Unzweifelhaft acht sind die beiden Aufschriften, von denen der Name des Seneca auf unserer Tafel in hinreichender Deutlichkeit erscheint, der des So- krates iu folgendem Facsimile (in Originalgrösse)

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besonders gegeben wird. Die Schriftzeichen der ersteren sind nicht zahlreich genug und nicht hin- reichend charakteristisch, um eine einigermassen sichere Datierung nach ihren Formen zu gestatten. Es steht jedoch, soweit ich urtheilen kann, durch- aus nichts im Wege, sie als der Zeit des Seneca

') Nur nicht etwa den Römer Calijurnius Piso, den mutb- masslichen Besitzer jener herculanensischen Villa und den Freund des Eiiicureers Phllodemos, wie neuerdings Comparetti höchst unglücklich vermuthet hat in der in diesem Jahre erschienenen pompeianischen Festschrift (Fompei e la reginne sotlerranea del Vesuvio nelV anno LXXIX u. s. w. Neapel 1879 8.). Denn wie die vornehmen Senatoren jener Zeit, wie Caesar, Cicero, der Triumvir Antonius u. s. w. aussahen, wissen wir genau aus gleich- zeitigen Büsten und Münzen. Dass keiner von ihnen, auch nicht die Männer von philosophischen Neigungen, so ungekämmt und unrasiert, so naturalistisch nonchalant umhergegangen sind, wie der Träger jenes originellen Kopfes, bedarf keines Nach- weises.

E. Hübner, Seneca.

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selbst oder der nächsten Folgezeit nach ihm, und zwar noch etwa dem dritten Viertel des ersten Jahr- hunderts unserer Zeitrechnung, zuzuweisen. Auch die nicht mehr vollständig erhaltenen griechischen Buchstaben im Namen des Sokrates widersprechen diesem Ansatz nicht.

Im übrigen spricht die Bttste für sich selbst. Sie ist nicht eine l)is in das Detail mit gleiclier Sorg- falt durchgeführte Arbeit und nicht die Arbeit eines Meisters vom ersten Rang, aber sie ist virtuos und in breiter Behandlung nach einem offenbar sehr ähn- lichen und lebendigen Original hergestellt und zeigt in dieser Lebendigkeit der Auflassung noch deutlich ihre wenn auch nur mittelbare Abhängigkeit von der Natur. Leider ist die Nase neu, was besonders der Profilausicht schadet. Aber der wohlgeformte Schädel, welchem oben das Haar ganz fehlt, während es an den Seiten nach der Mode der Zeit kurz ge- schoren ist und glatt anliegt, die gefurchte Stirn, die lebendig blickenden, auffällig ungleichen Augen mit den hochgezogenen Brauen, der kleine Mund mit dem Doppelkinn, die fleischigen Wangen und der kurze und fette Hals auf breiten Schultern geben das Bild einer Individualität, wie man sie noch heut unter den wohlgenälirten, intelligenten und jovialen Sechzigern in Italien, dem südlichen Frankreich, Spanien u. s. w. vielfach antrifft *). Der Zug des in sich gekehrten Denkers tritt offenbar zurück gegen die kluge, weltgewandte und von leichter Beredsamkeit überfliessende Beobachtungsgabe des hochgestellten Staatsmannes, Redners, Schriftstellers, Dichters, der seinen Philosophennamen fast mehr noch der litterarischen Unterscheidung von dem gleichnamigen älteren Rhetor, seinem Vater, als seiner breiten populär-philosophischen Schriftstellerei verdankt. Die Entblüssung der rechten Schulter wenn anders dem nur leicht auf der linken angedeuteten Stück der Toga ein beabsichtigter Sinn untergelegt werden darf deutet vielleicht die Tracht des Redners und Philosophen an,

*) Die Worte des Tacitus bei der Schilderung seines Todes (Ännalen XV 63 senile corpus et j)arco v ictu tenuatum lenta eß'ugia sanguini ]>raebebal) widersiirechen dem nicht. Der starke Hals ist vielmehr ein natürlicher Kest früherer Wohlge- nährtheit.

welche dem griechischen Brauch folgte. Allein die psychologische Charakteristik des Kopfes, welche ja ohnehin an sich immer eine ziemlich subjective ist, kann den Interpreten des Seneca überlassen bleiben, welche die nächste Cabinetausgabe des Dichters, falls ein Bedürfniss danach sich fühlbar machen sollte, nun mit einem authentischen Bild- nisse desselben zieren können.

Der Sokrateskopf, an welchem die Nasenspitze leichter zu ergänzen war als die Nase des Seneca, erfüllt seinen nächsten Zweck, den unverkennbarer Deutlichkeit, und damit auch den weiteren, durch seine Zusammenstellung mit demjenigen des Seneca für diesen ein Compliment zu sein. Wie er sich zu den übrigen zahlreichen Repliken verhält, unter- lasse ich hier zu untersuchen; eine erschöpfende Monographie über die Sokratesbildnisse giebt es meines Wissens bis jetzt nicht. Ob wegen der Aehu- lichkcit des unnatürlichen Lebensendes Seneca be- reits von seinen Zeitgenossen ein römischer Sokrates genannt worden ist, vermag ich nicht zu sagen ^). Allein die berühmte Schilderung seines Todes bei Tacitus, wonach er schon längst das attische Schier- lingsgift für alle Fälle bereit gehalten und zuletzt aucli wirklich, obgleich ohne tödlichen Erfolg, noch genommen hat^), lassen, wie die Ausleger längst l)emerkt haben, keinen Zweifel darüber, dass er selbst damit die Parallele mit Sokrates „nicht ohne eine gewisse Coquetterie" (nach Nipperdey) be- absichtigte.

Unter den von mir in den Jahren 1860 und 1861 in Spanien und Portugal gesammelten Siegel- abdrücken antiker geschnittener Steine und Glas- pasten befindet sich einer, dessen ich mich bei der Betrachtung der Senecabüste sofort erinnerte, ob- gleich ich ihn seit mindestens sechzehn Jahren nicht

*) Welcker, welcher auf die bedeutungsvolle Beziehung der Köpfe historischer Doppelhermen zu verweisen nicht unterlassen hat (in dem bekannten Aufsatz über Aristophanes und Menandcr, alte Denkmäler V S. 40f.), hebt diesen Umstand nicht hervor.

*) Annalen XV 64 Seneca interim, durante iractu et lenli- tudine mortis, Statium Annaeum, diu sihi amicitiae fide et arte mcdieinae jnohatuni, oral, provisum pridem venenum, quo dnmnati publica Atheniensium iudicio extingucrentur, promeret ; iidlatumqtte hausit fruatra, frigidus iam artus et cluso corpore adversus vim veneni. Worauf er dann im warmen Bade stirbt.

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E. Petersen, Kunstgeschichtliche Miscellen.

wieder vor Augen gehabt hatte. Es ist ein Carneol von sehr schöner Arbeit und, wie mir schien, un- zweifelhafter Echtheit; er befand sich damals im Be- sitz eines höheren Beamten, Don Luis Benite, in Lora del Rio, dem alten Axati '), und soll daselbst an- geblich auch gefunden worden sein. Auf dergleichen Fundnotizen ist besonders bei so kleinen Denk- mälern natürlich nicht viel zu geben; ich lege daher kein Gewicht darauf, dass gerade in den nächsten Umgebungen der Heimat von Seneca's Familie, Cor- duba, der Stein sich befand. Wo er sich augen- blicklich befindet, weiss ich nicht; allein mein Siegelabdruck, obgleich mit dem ersten besten Lack hergestellt, aber sehr wohl erhalten, hat ausgereicht, die am Schluss dieser Mittheilung in Zincotypie auf die Grösse des Originals verkleinerte Abbildung herzustellen *). Nicht bloss nach meinem eigenen Ur- theil, dem ich in solchem Fall allein nicht völlig trauen würde, sondern nach dem einer Anzahl ein-

') C. I. L. II S. 137. Lora liegt am Guadalquivir zwischen Cordova und Sevilla.

8, Sie ist von Professor Bürkner mit Zugrundelegung einer den Abdruck um die Hälfte vergrössernden Photographie auf das Sorgfältigste ausgeführt.

sichtiger und kunstgeübter Freunde, welchen ich den Abdruck oder die Zeichnung vorlegen konnte, findet eine unverkennbare Uebereinstimmung in den charakteristischen Formen zwischen dem Stein und der Büste des Seneca statt. Die Nase freilich weicht ab: aber sie ist ja in der Büste ergänzt, und verstärkt daher gewissermassen die Authenti- cität des Steines. Allein ob derselbe wirklich den Seneca darstellt, oder eine andere ähnliche Indivi- dualität, wie sie ja sicher zu allen Zeiten vorge- kommen sind, wird sich, da die Namensbeischrift fehlt, niemals mit völliger Sicherheit entscheiden lassen. Wohl aber schien es der Mühe werth, dies kleine Werk antiker Glyptik zur Vergleichung mit unserer Senecabüste der Publication derselben als ein vielleicht nicht unerwünschtes Corollarium bei- zufügen.

E. Hübner.

KÜNSTGESCHICHTLICHE MISCELLEN.

1. DER APOLLON MIT DEM HIRSCH VON KANACHOS.

Canachus Apollinem nudum qui Philesius cognomi- natur in Didymaeo Aeginetica aeris temperalura, cer- vumque una') ita vestigiis suspendil, ul linum subter pedes trahalur^), alterno niorsu calce digilisque reti- nentibus solum, ita vertebrato dente utrisque in par- tibus, ul a repulsu per vices resiliat.

Also lautet die Beschreibung des Apollobildes im Didymaeum von Kanachos bei Plinius n. h. 34, 75, eine Beschreibung, die man bisher nicht recht ver- standen hat. Gegen corvum, welches 0. Müller

') una im Bambcrgensis fehlend ist wohl ausgefallen; weder Tilgung noch Aendcrung rathsam.

') cod. B inlitum und traimntur.

'Ueber den Apollo des Kanachos' vorzog, machte Soldan in der Zeitschrift für die Alterthumswissen- schaft 1841 n. 70 treffende Einwendungen; die Aen- dcrung hätte nichts für, alles wider sich. Ob die Erklärungsversuche, welche Soldan daselbst er- wähnt, je bekannt gemacht sind, weiss ich nicht. Müller's Bezeichnung des Hirsches als eines auto- matischen hat man meistens beibehalten , und die Beschreibung des Plinius weniger mit den milesi- schen Münzen in Einklang gefunden, die den Gott in alterthUmlicher Stellung mit dem liegenden oder stehenden Hirsch auf der vorgehaltenen Rechten zeigen, als mit einer Gemme, welche nach Miliin Pierres gravees G in Muller-Wieseler's Denkmälern alter Kunst 1, 61 abgebildet ist und den Gott ein Vor-

E. Petersen, Kunstgeschichtliche Miscellen.

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derbein des aufgerichteten Hirsches in der Rechten lialtend darstellt. So von Jan in der Jenaischen Literatur- Zeitung 1838 n. 32, Welckcr zu Müllers Arc'liäologie 86, so auch Urlichs in der Chresto- mathia Pliuiana und neuerdings der Herausgeber dieser Zeitschrift 1879, S. 90. Dann wird man, wie sowohl an der letzt angeführten Stelle als von Muller in der Archäologie 86 ausgesiirochen ist, zu der Annahme gedrängt: Plinius habe statt des Tenipelbildes ein andres Werk beschrieben. Ehe man zu einem so bedenkliclien Ausweg sich wandte, hätte sich's wohl verlohnt, die Worte des Plinius noch einmal genauer zu prüfen.

Dass zunächst von einem Automaten keine Rede sein kann, ist gewiss : man müsste denn etwa auch einen Thürgriff ein Automat nennen wollen. Denn der Hirsch bewegte sich ja nur, wenn man einen Faden unter seinen Füssen durchzog, also durcli die Hände dessen der jenes Experiment machte, das gewiss recht nacli dem Gescbmacke der gewöhn- lichen Reisenden war. Ein 'mechanisches Kunst- stück' mag mau es nennen, wie es ähnliche auch aus neueren Zeiten giebt. So erinnere ich mich durch eine einflügelige Thür gegangen zu sein, die auf jeder Seite in den Angeln hing, aber auch auf jeder Seite sich öffnen Hess, weil das Gehänge die Angel nur zur Hälfte uuifasste und zwar so, dass es nur in der Kreislinie, deren Mittelpunkt die andere Angel bildete, losliess. Was bei der Thür das zweifache Gehänge, war bei dem Hirsch der doppelte dens (nirisque in parlibus), beide noth- weudig in der Linie eines Kreisbogens gerichtet und zwischen ihren Spitzen einen Zwischenraum lassend, der geringer war als die Entfernung zwi- schen den beiden Löchern oder Scheiden der Basis, in welchen die beiden Zähne abwechselnd aus- und einfahren konnten. Bei gewöhnlichem Ruhestand griff freilich jeder Zahn ein, doch mit soviel Spiel- raum, dass jeder, d. h. einer um den andern aus der Scheide gezogen werden konnte, wobei denn aber der andere gleiclizeitig um so tiefer eingriff'. In diesem Falle, wie bei dem von Plinius beschrie- benen Experiment, fand also ein al)wechselndes Ein- greifen beider Zähne, ein alternus morsus statt.

Wenn demnacli der dens verlehratus heisst, so ist bei diesem Vergleich offenbar nicht sowohl die Mög- lichkeit seines völligen Austritts aus der Scheide ^ als vielmehr seine Beweglichkeit in der Scheide ins Auge gefasst. Klar ist ferner, schon durch per vices, dass mit repulsus und resilial die beiden wech- selnden Functionen jedes Zahnes bezeichnet sind; und zwar liedeutet repiilsus wie 11, 164: haec (gin- giva der Sclilange) eodeni praegnans veneno impresso denlium repulsu virus fundil in morsus das völlige Eindringen, eigentlich das Aufstossen des Zahnes, wenn auch bei dem Hirscli wohl nicht die Spitze des Zahnes auf den Boden der Scheide, sondern vielmehr die Wurzel auf den Rand der Scheide aufstiess. Die nach und von dem Aufstossen plötz- lich eintretende Gegenbewegung ist treffend mit resilire (a repulsu) bezeichnet, wie 2, 39 das rasche Aufziehen des Honigfadens nachdem der Tropfen, welcher ihn hinabzog, sich losgerissen, oder 2, 103 der Rückprall der von oben auf die Erde nieder- fahrenden Strahlen: iidem infracti resiliunl. Was haben wir nun aber unter ulrisque parlibus^ in denen der doppelte Zahn eingelenkt ist, zu denken? Natür- lich was vorher mit calce digilisque bezeichnet ist. Darunter versteht man Theile der Hirschfüsse. Nur Soldan, obgleich er zu beweisen suchte, dass digiti so verstanden werden können, fügte hinzu, es möchten doch eher die digiti des Apollon sein; als ob beide Theile verschiedenen Wesen zugehören könnten. Es können aber vielmehr beide nicht von dem Hirsch verstanden werden. Denn erstens, um den schwächsten Grund voranzustellen, dürfte es technisch richtiger sein, dass die Zähne an den Füssen des Hirsches, als dem feineren Theil, die Scheiden dagegen in der wie auch immer beschaf- fenen Basis, als dem grösseren Theile sich befan- den, so dass bei calx und digili an die Basis des Thieres zu denken wäre, nicht an Theile des Thieres selbst. Zweitens sehe ich nicht, wie das singula- rische calce neben dem pluralischen digitis von mehr als einem Fusse gesagt sein könnte, wie es doch müsste, wenn es Theile des Hirsches wären. Drittens finde ich niclit, dass Zweihufern digili beigelegt werden. Soldan meinte, es sei dasselbe,

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E. Petersen, Kunstgeschichtliche Miscellen.

wie wenn Varro r. r. 2, 9 von digili eines Hundes rede. Doch man vergleiche, wie Varro den Hund wie er sein soll beschreibt pedibtis magnis et allis, qiti ingredienli ei displodanliir : digitis discretis, iin- guibus duris ac curvis und wie die Rinder 2, 5 pedibus non latis, neque ingredietUibus qui displo- dantur nee cums ungulae d'waricenl. Das stimmt genau mit der Bezeichnung des Aristoteles, welcher bei den nolvaxiöfj wohl von öäxTvlni spricht, von nevTEÖäxTvloi wie von zeTQaöäxTvloi nööeg, den diay,iörj aber XV^^^ ^^^^^ '^^^' ^cixTvloi (und ovvxeg) giebt, und dem entsprechend die übrigen Vögel zwar TSTQadaxTvXoi , den Strauss aber dL%rjl6g nennt. Dass die neuere Zoologie mehr entwickelungsge- schichtlich als anschaulich auch den Fuss der Zwei- hufer zweizehig nennt, kann nicht entscheiden. Viertens würde aber, auch wenn man eine dieser modernen entsprechende Bezeichnung bei Plinius oder sonst einem alten Schriftsteller nachweisen könnte, dies doch für unsere Stelle nicht passen. Denn damit ein Faden unter den Füssen des Hir- sches durchgezogen werden könnte, wäre es offen- bar erforderlich, dass ein Fuss um den andern oder je zwei um zwei von der Basis sich lösten und wieder sich anfügten, nicht, dass einzelne Theile eines Fusses (oder mehrerer Füsse) wechselnd sich lösten und befestigten.

Freilich wenn man sich die Statue nach der Gemme vorstellte, obgleich in den Worten des Pli- nius nichts, auch nicht das vestigiis snspendit eine solche Vorstellung erzwingt oder auch nur nahe- legt, wenn also der Hirsch nur mit den Hinter- füssen auf dem Boden stand, so würde durch wech- selndes Ein- und Ausgreifen eines Zapfens an Fersen (calce für calcibtis) und Zehen (jenen Gebrauch von digiti bei Zweihufern zugestanden) das Experi- ment möglich sein. Aber welchen Witz hätte es nun noch gehabt? Konnte der Witz augenschein- lich nur darin bestehen, dass der Hirsch an allen einzelnen Punkten von seiner Basis abzulösen war und doch untrennbar von ilir blieb, so musste doch ausser der Lösung der Ilinterfüsse vom Boden noch diejenige der Vordcrfüsse oder des einen derselben aus der Hand des Gottes erwähnt werden. Davon

aber sagt Plinius nichts, ja seine Worte schliessen dies aus. Angenommen aber einmal, dass auch die Vorderfüsse lösbar waren, so leuchtet sofort ein, dass dann an den Hinterfüssen nicht ein doppelter, zu wechselnder Function eingerichteter Zapfen son- dern ein einfacher angebracht sein musste, es leuchtet ein, dass nicht an calx und digili sondern an Vor- der- und Hinterfüssen der doppelte dens sich be- finden musste. Ist es unzweifelhaft, dass calx und digiti die einzigen Berührungspunkte von Hirsch und Basis waren, so folgt mit absoluter Nothwendigkeit, dass dies nicht Theile des Hirsches sein können. Bleibt also nur an die Hand des Gottes zu denken, die auf den MUnzbildern in der Tliat das Thier trägt. Freilich kann ich nun auch nicht die Ueber- tragung von calx auf einen Theil der Hand in an- deren Schriftstellen nachweisen. Im Grunde ist aber doch diese Uebertragung ganz analog der- jenigen von digiti auf den Fuss. Dass diese so häufig, ja regelmässig ist, jene vereinzelt steht, er- klärt sich vielleicht daraus, dass die Zehen so viel häufiger zur Geltung und Erwähnung gelangen als der der Ferse entsprechende Theil der Hand. In unserem Falle musste freilich eben dieser Theil die Hinterfüsse tragen, wie die Finger (niclitblos einer) die Vorderfüsse, wenn der Hirsch nicht allzu klein sein sollte. Von selbst versteht sich, dass solum Adverb ist: weder sola noch solis liess sich füglich sagen, und das Adverb statt des Adjectivs ist ja nicht selten. Passend wird die nur noch partielle Befestigung betont, und passend scheint mir nun auch, dass da wo es sich um Ablösung des Hir- sches von der Basis handelt nicht dieser die Basis, sondern die Basis den Hirsch festhaltend genannt wird. Der Hirsch als Objekt ist aus dem Vorher- gehenden zu entnehmen, und ob pedes und vestigia von denselben oder verschiedenen Füssen zu ver- stehen sei, bleibt nicht mehr unklar. Am natür- lichsten werden wir aus den Worten des Plinius den Hirsch nicht liegend sondern stehend auf der Hand denken, womit die von Fränkel Taf. 7 publi- cirten Münzen übereinzustimmen scheinen. Dass er auf der Hand stand, ist in diesem Zusammenhange mit calce digilisque gesagt, allerdings, wie die Er-

E. Peterseu, Kunstgeschichtliche Miscelleo.

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falirung gelehrt, nicht mit ausreichender Deutlich- keit; dass die Hand vorgestreckt war, werden wir nun aus nestigiis suspetidit entnehmen, da suspendere so häufig nicht ein von oben herabhängendes son- dern von unten getragenes, nur nicht direct und massiv unterstütztes bezeichnet. Ob in unserem Fall auch die lösliche Verbindung mit der halb- schwebenden Basis, der Hand, zur Wahl des Wortes mitgewirkt, muss dahingestellt bleiben.

Schliesslich kann ich eine Frage niclit unter- drücken, die zu beantworten mir unmöglich, ob näm- lich die Millinsche Gemme antik ist, oder vielmehr ein moderner luterpretationsversuch der Plinius- stelle. Dass der von Pausanias 10, 13, 3 beschrie- bene Apollon og ellrj^i^Evog iarl z^g släcpov nicht nothweudig, ja kaum wahrscheinlich auf eine der Gemme ähnliche Vorstellung führe, von der auch alterthümliche Darstellungen der ihr Thier nach sich ziehenden Götter durchaus verschieden sind, braucht kaum gesagt zu werden.

2. DER SATYR VON MYRON.

Der Lateranische Satyr war in Benndorf und Schöne's Beschreibung jener Sammlung als tanzend gefasst. Das war jedenfalls weit besser geurtheilt, als wenn Stepliani ihn für einen trunken taumeln- den hielt; unrichtig aber war es aus jener Auf- fassung einen Einwurf gegen Bruuu's Zurückführung der Statue auf das von Plinius 34, 57 beschriebene Werk zu entnehmen, da jene Bemerkung der Mei- nung Brunn's vielmehr zur Bestätigung dienen kann und dem Werke des Myron nur den Reiz grösserer Lebendigkeit und geistvollerer Conception zu ver- leihen geeignet ist.

Kaum bat der Satyr die Töne des neuen Instru- mentes zum ersten Male vernommen, so wird er flugs von Neugier und Verlangen zur Stelle ge- trieben, aber ohnehin schon zu tauzen und springen stets geneigt, kann er jetzt, von jenen Tönen und Rhythmen ergrifi'en, nicht anders als in gar künst- lichen Sätzen herbeikommen. Den Blick starr auf den Punkt, wo die ihn entzückenden und seine Be- gier reizenden Flöten zu denken sind, gerichtet, stellt er ganz den salynim admirantem tibias dar.

Archüul.jg. Ztg. Jiihrgant' XXXVIII.

Aber nothwendig wird jetzt auch zur Ergänzung und Klärung der Situation die Anwesenheit der- jenigen, welche die Flöten eben vorher noch hatte tönen machen, und die Plinius in der That daneben nennt et Minercam. Dass dieselbe nicht ein Werk für sich war, verräth die alphabetische Ordnung der ohne Localangabe aufgezählten Werke; und mochte man aus dem vor Minervam jedes neue Werk anknüpfenden et allerdings auch in der Mi- nerva ein solches zu erkennen geneigt sein, so führte andererseits das nach Minerva eintretende Asyndeton darauf, die Minerva mit dem Satyr zu verbinden. Keine Verbesserung war es Minervam als zweites Objekt zu adimratitem zu ziehen, da der Satyr nicht wohl gleichzeitig die Göttin und die Flöten anstarren konnte, ausser wenn jene noch blasend dargestellt war, oder wenn man, wie kürz- lich geschehen, die Statue bald hierhin bald dorthin blickend dächte. Und in der That stellte ja einen in den Grundzügen der charakteristischen Bewe- gung übereinstimmenden Satyr mit einer Athena zusammen ein Relief (a), eine Münze (6), zwei Vasen (cd), lauter athenische Werke'). Dass in denselben Athena minder übereinstimmend erscheint in Haltung und Stellung, berechtigt wohl zu dem Schluss, dass ihre Bewegung, wie nach der Ver- schiedenheit ihres Wesens begreiflich, minder mar- kiert und drastisch war als diejenige des Satyrs. Beide so gruppiert zu denken, dass je nur eine Figur in Vorderansicht, die andere dagegen in Rückansicht sich darstellte, wird sich schwerlich jemand durch die wenig glückliche Behandlung v. Sybel's ver- führen lassen. Bedrohlich für den Satjn- erscheint die Göttin nirgends, aber dieser verräth selbst durch seine Bewegung, dass seinem begehrlichen Vordringen Einhalt gethan wird; und hatte die Göttin, wie alle Nachbildungen zeigen, ihr Antlitz dem Satyr zugewandt, so kann diese Wendung

') a: Arch. Zeit. 1874 T. 8 S. 93; b: jetzt L. v. Sybcl, Athena und Marsyas, Marburger Gratulationsschrift für das Deutsche Institut in Rom S. 5 und Sallets Zeitschrift 1879 S. 210; c: Hirschfeld, Athena und Marsyas T. 1; d beschrieben von Lüders Bull. delV Inst. 1873, 169; abc auch Conze, Vor- legebliitter VI, 12, samiut der Lateranischen Statue. Die Lon- doner bronze Arch. Zeit. 187J Taf. 8.

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E. Petersen, Kunstgeschiclitliche iliscellen.

kaum anders als abwehrend verstanden werden: plastisch ausgedrückt dasselbe, was bei Hygin Fab. 165 in dem Fluche liegt, welchen die Göttin über denjenigen ausspricht, der die verworfenen Flöten aufheben werde. Die Copisten haben augen- scheinlich in dem Bestreben das corpus delicti mög- lichst vor Augen zu rücken, die Flöten noch fallend, der Hand Athenas entfallend, dargestellt, und dem- gemäss auch die Haltung der Göttin modificiert. Auf der Hirschfeld' sehen Vase c sieht es so aus, als würfe Athena dem Satyr die Flöten vor die Füsse; auf dem Kelief a, als wende sie nur schei- dend noch einmal den Blick nach den fallenden Flöten, Auf der Münze 6 scheinen zwar auch die Flöten noch zu fallen, aber die Haltung der Göttin hat entschieden etwas zurückweisendes, das leicht verstärkt sein mochte, wenn sie, wie cd zu ver- muthen nahelegen, in der Kecbten die Lanze hielt. Trotz dieser Abweichungen weisen, wie gesagt, alle Copien auf ein gemeinsames plastisches Ori- ginal, und zwar auf ein in Athen stehendes Original, und je wahrscheinlicher es wurde, dass dieses Ori- ginal eben jenes von Plinius beschriebene Werk des Myron sei, welches um seines Gedankens willen ebenfalls kaum anderswo so gut als in Athen auf- gestellt zu denken ist, um so mehr musste man sich versucht fühlen die von Pausanias 1, 24 auf der Akropolis von Athen beschriebene Gruppe IvravOa

'Adr^rä nenoirjtai, xbv ^ilrjvov Maqavav naiovoa, nzi dt) znig avlovg avaloiro, egglcp^at acpäg zfjg ^Eov ßovko^dvrjs für eben jenes Original, das Werk des Myron, zu halten. Wie diese söhne Aenderung des Pausaniastextes möglich wäre, habe ich schon im Jahrg. 1865 S. 90 dieser Zeitschrift gezeigt: Pau- sanias nahm eine abwehrende Haltung der Lanze als Schlagbewegung, mehr noch vielleicht durch die Bewegung des Satyrs als durch diejenige der Göttin veranlasst, und verstand die Flöten, welche in der plastischen Gruppe nicht anders als am Boden liegen konnten, als vom Satyr bereits aufgehoben, dann aber er gebraucht den Aorist dvsloizo, nicht das Perfectum wieder fallen gelassen, ein Missverständniss ohne Zweifel, aber ein weit gerin- geres, als ihm anderswo neuerdings nachgewiesen sind. Nicht verstehen kann ich aber, wie Kekule im Bulleitino deW Inst. 1872 S. 288 diese Auffassung in die Vase und das Eelief hineintragen konnte, wo die Flöten den Händen Athenas entfallen so jetzt auch auf dem Münzbild und wie er in der Gruppe des Myron, die er auch bei Pausanias anerkennt, trotz Plinius (und Pausanias) den ganzen Vorgang nur durch die Bewegung der Figuren ohne Darstellung der Flöten veranschaulicht meinen konnte.

Prag.

Eugen Petersen.

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DTE KANEPHORE VON PÄSTUM*).

(Tafel G).

Die hellenii5cbe Kunst wurzelt im Gottes- dienst, und sie bat nicht nur in Darstellung von Göttern und Heroen die Aufgabe gefun- den, in deren Lösung sie zu ihrer vollen Leistungsfähigkeit erstarkte, sondern auch in Darstellung der zum Cultus gehörigen Hand- lungen. Hier boten sieb dem Künstler die dankbarsten Motive dar, um jugendliclie Ge- stalten zu bilden, in welchen pflicbtmässiger Dienst und freie Hingabe, naive Anmutb und gemessene Feierlichkeit, Rulie und Bewegung sich auf das Glücklichste vereinigten. Die Dienstleistungen waren von verschiedener Art. Es waren Ehrendienste im Tempel und bei den Festen der Gottheiten, zu welchen Jünglinge und Jungfrauen der Gemeinde für eine bestimmte Zeit ausgewählt wurden, oder es waren Handreichungen untergeordneter Art, zu welchen diejenigen verpflichtet waren, welche ausserhalb der bürgerliclien Gemein- schaft standen, die Schutzgenossen, welche den Bürgertüchtern Geräthe, Gefässe, Schirme nachzutragen hatten. Denn die Standesunter- schiede, welche der Geist der Demokratie möglichst auszugleichen suchte, haben sich im Cultus dauernd erhalten, und so weit un- sere Kunde reicht, ist ausser tadelloser Kör- perbildung und unbeflektem Rufe vornehme Geburt die wesentlichste Bedingung für jene Ehrenämter geblieben. Darum waren sie ein Gegenstand des Ehrgeizes und der Eifersucht, so dass z. B. die Zurückweisung der Schwester des Harmo- dios, die als Korbträgerin bei einem attischen Fest- zuge eintreten sollte'), als die bitterste Kränkung der ganzen Familie angesehen werden konnte.

Gewisse Dienstleistungen waren mit den be- sonderen Oertlichkeiten und Gebräuchen einzelner Heiligthümer verbunden, wie z. B. die Hydrophorie

*) Vortrag am Berliner Winckelmannsfeste 1879. ') y-avoCv oXaovan (v nouTii'i jivi: Thuk. V 56.

in Itliome, wo jeden Morgen die dazu erko- renen Jungfrauen frisclies Wasser aus der unterhalb gelegenen Quelle in das Heilig- thum des Zeus hinauftragen mussten. An- dere Dienstleistungen waren allen Gülten ge- meinsam, und da zu jedem Opfer eine Reihe kleinerer Gegenstände gehörte, welche ord- nungsmässig herbeigetragen werden mussten, so war der Dienst des Korbtragens der aller- verbreitetste. So kommt Chrysothemis bei Sophokles mit dem Korbe, der die Spende für Agamemnons Grab enthält. So sehen wir auf den attischen Lekythen die von Mädchen getragenen Körbe mit Salbgefässen, Palmzweigen, Binden, und sowie Dikaio- polis bei Aristophanes seine Privatdionysien beginnt, lässt er die Tochter vortreten, um als Kanephore das zum Opfer Nöthige her- anzutragen. Auch im engsten Familienkreise darf das nicht formlos geschehen. Vater, Tochter und Sklave treten zu einem Festzuge geordnet an und der Hausvater betet, dass die Prozession und dann das Opfer gnädig aufgenommen werde ').

Der häusliche Gottesdienst ist auf die Ge- meinde übertragen. Wir müssen annehmen, dass der Hausvater der Bürgergemeinde, der König, in dessen Rechte dann der Ar- chen Basileus eingetreten ist, die Bürger- töchter auswählte, die den Dienst ver- sehen sollen. Es war keine willkürliche Auszeich- nung; denn die ältesten Geschlechter hatten einen Anspruch darauf, vor den andern berücksichtigt zu werden. Ihre Töchter waren die Iv a^tcofiaTi nccQ&ivoi ^). Bei der Arrhephorie wurden vier BUrgertöchter aus den edelsten Familien durch Ab-

-) Acharn. 242: nQOii^' Is nqoaStv oUyov tj xavrj-

(fÖQOi.

') ■/;ai'rj(f6goi' tv Tai; nojxnuTi ctt üv «Ikuuök nagOhot (xttVipfönovv, tSaniQ xiit Iv TOig ffava9r}i(t(oi;. ov nuauti ä ciifiiio y.ttvr)ifoi>ttv Hesychios.

28

E. Curtins, Kanepbore von Pästum.

Stimmung gewählt und daraus zwei durch die zu- stehende Tempelbehörde für den Dienst erkoren ').

Das Amt der Kanephorie dürfen wir bei allen Gottesdiensten voraussetzen, und es ist zufällig, dass wir es, so viel ich sehe, nur bei fünf nach- weisen können, bei dem Dienst des Zeus Basileus in Lebadea ^), wo die zu dem Ehrenamt Erkorene vorher in der Herkyna badete, bei den einander entsprechenden Heradiensten in Argos und in Falerii ^), bei dem Dionysosdienst '), bei dem der Demeter und der Athena ").

Wie wir in Athen die nationalen Gebräuche der Hellenen am vollkommensten ausgebildet zu finden pflegen, so weisen uns auch hier die Ueberliefe- rungen vorzugsweise nach Athen. Die Kanephore der Demeter wird bei Horaz eine 'attica virgo' ge- nannt, und mit dem Dienst der Stadtgöttin von Athen ist der Ritus so eng verbunden, dass ihre Einführung unter Erichthonios gesetzt wurde ') und schon des Kekrops Tochter Herse uns vorgeführt wird, wie sie in züchtiger Aumuth den Korb auf dem Scheitel tragend die Liebe des Hermes ent- zündet '°).

Wenn sich an den grossen Festen die Blicke einer ganzen Gemeinde auf die Jungfrauen richteten, welche ihrer Gestalt und Herkunft wegen vor allen Altersgenossen auserwählt waren, dem Festzuge voranzuwandeln, so ist es natürlich, dass auch die Künstler zu plastischer Nachbildung angeregt wur- den. Indessen war es nicht ein ästhetisches Wohl- gefallen, welchem die Statuen und Statuetten von Kanephoren ihre Entstehung verdankten, sondern

■*) {(oQrj(fOQiTv Tiaoant; /uiv (/(iqojovovvio Ji' tvy^viiav äoorjtfoQOi, ävo äi (xolvuvjo Harpokration.

5) Plut. narr. am. 1.

6) Dion. Hai. I 26. Ovid Am. III 13.

') Aristophanes a. a. O. Vgl. C. I. Att. II 420, 10: o'iaov- OttV To hijov xuvovv TW S(m xurii nüinia.

*) Hoiat. Sat. II 3, S. 13: ut attica viryo cum sacris Cereris procedit. Cicero in Ver. IV 35: duo signa . .. (/uae manibus sublalis Sacra quaedam more Atheniensium viri/inum reposita in capitihus siiatinebant. Vgl. 0. .Jahn Archaeol. Ztg. XXIV, 1SG6, S. 253.

') 'Eqi/OovIov ßuaii.ti(ji'zoq nfiüiov xia^nirjOuv (d (v üiid/jicii nctnO^vot (fdjuv xuiü ijj '>fw l'hilochoros bei Harpokr. u. xuvrjifoooi.

'»} Ovid Metam. II, 711.

der Zweck der Weihung, welchem die Kunst der Helleneu ihre fruchtbarsten Keime verdankt, ist auch hier der Anlass gewesen. Nach Vollendung des Ehrenamtes sollte das Andenken der durch das- selbe Ausgezeichneten nicht erlöschen, und wie man Priester und Priesterinnen im Bilde reihen- weise aufstellte, um dadurch das Alter und die un- unterbrochene Ueberlieferung des heiligen Dienstes monumental zu bezeugen "), so wurden auch Hydro- phoren, Arrephoren und Kanephoren in Thon, Erz und Stein als Tempelschmuck zu gleichem Zwecke aufgestellt.

In einer Praxis vieler Menschenalter ist dann gerade das Motiv der Kanephorie durch Meister der verschiedensten Schulen mit Vorliebe behandelt und so glücklich ausgebildet, dass eine Korbträgerin des Polyklet neben dem Zeus des Phidias als ein ebenbürtiges Wunder der Kunst angesehen wurde'").

Wie Skopas und Polyklet dies Motiv behandelt haben, können wir auch heute noch nicht nach- weisen ; aber wir sind so glücklich ein echt griechi- sches und vollkommen erhaltenes Kunstwerk vor- legen zu können, von dem wir sagen dürfen, dass es den Typus der Kanephorie, wie ihn die ältere Kunst bildete, zum ersten Male in urkundlicher Form vor Augen stellt, während wir bis jetzt nur schriftliche Andeutungen hatten, welche so unbe- stimmter Art sind, dass sie bis zuletzt von allen Kunsthistorikern missverstanden werden konnten. Denn ein arges Missverständniss muss ich darin erkennen, dass man das „manibus sublatis sacra ferre-" in der vierten Verrina so gedeutet hat, als wenn die Kanephoren, um den Korb zu halten, beide Hände nach oben gestreckt hätten, während der Plural sich dadurch erklärt, dass Cicero von zwei Kanephoren in der Sammlung des Heins redet.

Ein zweites Missverständniss, das den Kane- phorentypus betroffen hat, besteht darin, dass man die Mädchen mit capitellartigem Kalatlios zu Ge- bälkträgerinnen gemacht hat, was dem Sinne der religiösen Handlung völlig widerspricht. Dieser

") Pausanias 11 17, 3: «i'ifpitO'Kf yvvaixöiv ct'^i yeyoi'ttdiv UyfiKi.

") Syminach. Epict. I 33.

E. Curtius, Kanephore von Pästum.

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Missbrauch von Kanepliorenstcatuen stammt aber schon aus alter Zeit, wie die an der Via Appia gefundenen zeigen, die in der Villa Montalto aufge- stellt waren. Die eine derselben ist durch Townley in das Britische Museum gekommen "), die andere in die Villa Albani; sie sind auch von neueren Künstlern als Karyatiden verwendet worden '*).

Nach Abweisung dieser Missverständnisse be- trachten wir nun die neu zum Vorschein gekommene Statuette, wie sie mit Korb und Säule durch die kunstverständige Hand des Bildhauers im Kunst- gewerbemuseum, Herrn Behrcnd, in Gips herge- stellt und nach diesem Modell in dem voranstehen- den Holzschnitte abgebildet ist. An der Herstellung ist nichts zweifelhaft als die Höhe der Säule und die Form ihrer Basis.

Der leichte Korb, vor Antritt der Procession auf den Kopf gehoben, wird mit einer (der rechten) Hand gehalten, deren innere Fläche nur lose ange- legt ist, damit der Korb nicht aus dem Gleichgewicht komme. Die Hebung des Unterarms zur Schulter- höhe ist ein sehr anmuthiges Motiv, das ja auch von Bafael und andern Künstlern mit Vorliebe nach- gebildet ist; ebenso natürlich und der Situation ent- sprechend ist die Senkung des linken Arms, welcher, vom Ellenbogen an bequem vorgestreckt, die Ge- wandmasse hebt, welche, wenn sie frei herunter- fiele, das Wandeln im Zuge erschweren würde. Der Zug ist in Bewegung; den linken Fuss vor- setzend, schreitet die Jungfrau ernst, feierlich, vor- sichtig, aber zwanglos und ohne eine Spur von Be- lastung. Der Kopf ist ein wenig gesenkt, um die vorliegende Bahn im Auge zu haben; bei stiller Sammlung ist das Auge von Allem, was um sie her vorgeht, abgelenkt. Sie ist bekleidet mit einem Aermelchiton aus feiner Wolle, der unter der Brust gegürtet ist und senkrecht auf die Füsse herabfällt. Darüber ist ein schwereres Obergewand geworfen, das von der rechten Schulter quer über die Brust herunterfällt, so dass die linke Brust und Schulter

'^) Ancient Marblea of ihe British Museum Part I. London 1812. Plate IV.

'*) So im Xiobidensaal des Neuen Museum zu Berlin. Vgl. Friederichs Berlins antike Bildwerke 8. Hb. Ueber Verwechslung von Kancjjhoren und Karyatiden: Amalthea III 150.

frei bleiben. Unter der linken Achsel durchgezogen, ist es über den Kücken weg von hinten auf den rechten Oberarm geworfen, so dass es hier, breit herunterhangend, sehr passend den rechten Winkel ausfüllt, welchen der gehobene Arm mit dem Körper bildet, und zugleich dazu dient, der zarten Gestalt eine ansehnlichere Fülle zu geben. Mit unbe- kleideten Füssen betritt sie den heiligen Boden ; das Haar, von einer Binde eingefasst, fällt in breiter Masse über Nacken und Bücken hinunter. Das Ganze giebt uns eine Vonstellung von dem 'virginalis habitus et vesliliis, welchen Cicero an der polykleti- schen Kanephore im Hause des Heins rühmt.

Eine wohl erhaltene metrische Inschrift belehrt uns über die Persönlichkeit der anmuthigen Jung- frau und den Zweck der Darstellung. Auf der Vor- derseite steht in grösseren Buchstaben Tä^äva links- läufig und in gleicher Richtung auf dem schmaleren Eaum der andern drei Seiten (DMco XaQi.ivUda dexaTav; die letzten Buchstaben stehen auf dem Rande der Volute.

Hier haben wir also das erste sichere Beispiel einer solchen Widmung. Es ist nur zufällig ein Unicum, und wenn wir annehmen müssen, dass es in den alten Heiligthümern ganze Reihen solcher Weihefiguren gab, so wirft dies auch auf attische Religionsgebräuche ein erwünschtes Licht. Lasen wir nämlich in dem Volksbeschluss zu Ehren des Lykurgos bis dahin mit einem gewissen Befremden, dass derselbe für hundert Kanephoren den Gold- schmuck gegeben habe, so begreift sich jetzt leicht, wie eine solche Galerie von Tempeljungfrauen zu- sammen kommen konnte, welche bis auf die Ver- waltungszeit des kunstsinnigen Staatsmannes ihres vollen Schmucks warteten.

Wenn uns attische Kanephoren geschildert wer- den, so wird ausser dem strengen Amtsgesicht, das sie machen müssen, und den bemalten Wangen der Mädchen als charakteristisch besonders der Gold- schmuck hervorgehoben '^). Sie trugen zum Tbeil goldene Schalen in den Händen; gemeinsam aber

'^) ßlinovatt 9vj.ißQO(f(tyov Arist. Ach. 2ö4. h'itiQifi- fiivr) Eccl. 730. Lysistr. 1190 mit dem Scholion: /nvaoifonovai j'fip Kl xtivrjifonoi. Vgl. Schol. zu V. G4C: hfioovv tJf xut i.on<ciSct; iii'f'if (r/iff?) ö/o/piooi'f.

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E. Cuitius, Kaoephore voq Pästuni.

war alleu das mit Goldblättelieu besetzte Gewand uud der goldgeschmiickte Korb. Der Korb war als Bebälter der Opferspenden das eigentlich Heilige und wurde darum besonders ausgezeichnet. Wie der von Mosches beschriebene Blumenkorb der Europa mit l)indenartigen Goldstreifen verziert war, welche mythologische Scenen im Eelief enthielten '"), so werden wir uns auch in ähnlicher Weise die von den Kanephoren getragenen mit Gold umwunden denken und das, was Lykurgos nachträglich aus- führen Hess, war vermuthlich dieser zum Fest- schmuck gehörige Goldbesatz.

Durch unsere Statuette ist die Breite dieser Körbe sowie der Neigungswinkel der Wände mit voller Sicherheit gegeben. Um mit Gold bekleidet zu werden, war Holz das beste Jlaterial, und dass wir auch diesen Korb aus feinem Holz gebildet zu denken haben, darauf führt die Haltung der Finger; denn der Daumen war darauf berechnet in eine Höhlung hinein zu fassen, um des Geräthes um so sicherer zu sein.

Endlich lehrt uns auch die kleine Statuette, dass mit dem Ehrenamt der Kanephorie gewisse Ein- künfte verbunden gewesen sein müssen; denn jeder Zehnte setzt doch einen Gewinn voraus, von dem er abgehoben wird "). Auf einen grossen Ertrag wird die Statuette nicht schliessen lassen, doch fehlt der Korl), den wir uns mit Gold vergoldet denken, und die Säule von Marmor. Au der Unterseite des Kapitells ist ein langer Dorn erhalten, der auf Stein berechnet gewesen zu sein scheint.

Sehen wie auf das Blotiv der Weihung, so er- scheint unserer Statuette am nächsten verwandt das Erzbeil von Santa Agata, welches nach der zuletzt gegebenen Deutung der noch zum Theil räthsel- haften Inschrift von einem als Opferschlächter dienst- thueuden Tempelbeamten der Hera als Zehnter ge- weiht worden ist '*). Hier werden wir auch an einen im Tempeldienst gemachten Gewinn zu den- ken haben.

Ueber die Aufstellung der Weihgeschenkc haben

'*•) Vgl. meine Abhandlung über das archaische Bronzerelief aus Olympia. Abh. der k. Ak. der Wiss. 1879 S 14. ") (SoiQliv rriv ätxuTrjV luv (niy.tQÜitov. '«) Hermes XIII S. 392.

wir in letzter Zeit mancherlei Belehrung gewonnen. AVir unterscheiden gewöhnliche Postamente {ßäasig, ßä&Qa) und Untersätze von hervorragender Höhe, wofür die griechischen Ausdrücke {xioveg^ azvkoi, atrjlai) keine sichere Anschauung geben. Früher dachte man bei xiovsg immer au Rundsäulen. Die Nikesäule hat sich als ein dreiseitiger Pfeiler erwiesen; ein viereckiger Marmorpfeiler sollte in Delphi das stolze Bild des Königs Perseus tragen, an dessen Stelle sein Besieger Aemilius Paulus trat. Auf Pilastern und Säulen waren nach Reliefs und Vaseubildern '") Statuen des Apollon in seinem Temenos aufgestellt.

Besonders gebräuchlich war es, die der Gottheit heiligen Thiere in dieser Weise aufzustellen, wie die Adler des Zeus und Pan auf der Höhe des Lykeion, die einer Zeit angehören, da noch keiner- lei Bilder der Gottheiten vorhanden waren ""). Es waren die Wappen der unsichtbaren Götter, so wie man die Reichs- und [Stadtwappen aufstellt, um einen Herrschaftsbezirk symbolisch anzudeuten. Eulen uud Bären waren, in Stein gehauen, zu Ehren attischer Burggöttinnen aufgestellt ''). Als Kampfsymbole kennen wir so die Hähne, die Preis- gefässe, die Victorien zu beiden Seiten der Athena, als Grab.symbole die Sirenen, wie eine, sieben Ellen hoch, die über das Vierfache hohe Säule auf des Isokrates Grabe krönte. Unsere Kanephore lehrt uns nuu, wie auch die aus dem Cultus hervor- gehenden, die Personen von Tempeldieuern dar- stellenden Weihgeschenke als Säulenbilder behandelt wurden.

Die ionischen Voluten waren seit alter Zeit be- sonders beliebt, um bei einem Aufbau den Kopf der tragenden Glieder zu charakterisiren, wie z. B. an den Sesseln , auf denen die Gottheiten des lykischen Grabtliurms sitzen. In Dodona ist eine Reihe ionischer Kapitelle gefunden worden, deren ursprüngliche Benutzung durch unsere Statuette auf- geklärt wird.

Wenn es sich um ein attisches Kunstwerk handelte,

'») Annali del Inst. 1878 p. 64.

''") Pausanias VIII 38. Welzel de Jove et l'anc diis Arcad_ Bresl. 1879 p. 38.

21) Koss Arch. Aufs. I 201.

E. Curtius, Kanephore von Pästum.

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so würde eine so vollständige Insclirift, wie sie liier vorliegt, mit annähernder Siclierlieit eine genaue Zeit- bestimmung gestatten. Die älteren Schriftdenkmäler der achäisclien Colonien in Grossgrieclienland sind aber so spärlich, dass hier ein Gleiches unmöglich ist. Das Epigramm der Phillo ist jünger als die Bustrophedoninschrift auf dem pästanischen Gold- plättehen (C. /. Gr. 5778), älter als die petelische Bronzetafel mit dem Testamente der Saotis (C. /. Gr. 4), als die Beilinschrift aus Santa Agata, die Gefässinselirift aus Saleruo {Bullet. Nap. IV 164) und der Helm von Pästum (C. /. Gr. 577Sb); denn diese Inschriften sind sämmtlich rechtsläufig. Das geradstrichige Iota, von dem hier noch keine Spur vorhanden ist, kommt auf Münzen von Pästum seit der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts vor"'). Ich glaube also, dass unsere Bronze mit ihrer links- läufigen Inschrift wenigstens bis an die Schwelle des genannten Jahrhunderts, also in den Anfang der siebziger Olympiaden hinaufgerückt werden muss. Als Kunstwerk betrachtet ist die Figur eine aus- gezeichnete Probe des alten Tempelstils, welcher uns in wohlerhaltenen Kundwerken so selten ent- gegentritt. Hier ist, wie die Inschrift bezeugt, die man doch gewiss nicht als eine archaisirende an- sehen wird. Alles echt und ursprünglich. Es ist ein Stil, welcher nichts Absichtliches oder Ge- zwungenes zeigt; es ist der wahre Ausdruck des religiösen Gefühls, aus welchem die Widmung her- vorgegangen ist. Das Werk zeigt eine in ihrer

'") V. Sallet, Numism. Zeitschr. V 227.

Gebundenheit vollendete Kunst, ohne eine Spur von Eohheit oder Ungeschick, schlicht und einfach, von ethisclier Wärme durelidrungen, wohl durchdacht in dem rhythmischen Gegensatze der beiden Seiten, voll Harmonie in der Gesammterscheinung und im Einzelnen auf das Feinste durchgeführt; es ist ein unscliätzbares Zeuguiss dafür, wie man um 500 V. Chr. im griechischen Unteritalien bildete. Damals blühte dort die Schule des Pythagoras von Rhegion, den wir aus einer olympischen Inschrift als einen von Samos Zugewanderten kennen "). Wenn wir nun in unserm Bildwerke eines der ältesten Denk- mäler der ionischen Säule vor Augen haben, wenn wir ferner in der ganzen Haltung und Bekleidung einen Charakter erkennen, welcher dem ionisch- attischen nahe verwandt ist, so wird vielleicht die Vermuthung nicht zu kühn erscheinen, dass, wie wir im vorigen Jahre die erste Inschrift des Meisters gefunden haben, der Italien und lonien in frucht- bare Verbindung gesetzt hat, so dies eines der ersten Denkmäler sei, welches der Schule des in Grossgriechenland tonangebenden Bildhauers an- gehört.

Stammt die Statuette wirklich aus Pästum, wo Herr Semper sie erworben bat, so bezeugt sie, dass auch hier neben Poseidon Athene herrschte. Sicher ist, dass der pästanische Poseidon so gut wie der attische eine Salzquelle hatte ; denn der Abfluss der Tempelquelle heisst noch heute il salso.

23) Archäol. Zeitung XXXVI S. 82.

Ernst Curtius.

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INSCHRIFTBÜSTEN.

1 AUS HERCULAKEUM.

Bei Gelegeulieit seiner dankenswertbeu Ar- beiten über die lierculauensiscbe Bibliothek bat kürz- licb Comparetti ') die Frage aufgeworfen, wer wobl der Eigentbümer der stattlichen Villa gewesen sein möge, in welcher sie aufgefunden worden ist. Er theilt sie dem L. Piso zu, Consul im J. v. Chr. 58 == 696 der Stadt, dem bekannten politischen Geg- ner Ciceros, und nimmt ferner an, dass die eine der dort gefundenen Bronzebüsten, die gewöhnlich unter dem allerdings ganz unberechtigten Namen des Se- neca geht, diesen Piso darstellt. Zugleich hat de Petra -') aus den ungedruckten Ausgrabungsberichten vom J. 1759 die jetzt verlorenen Fragmente einer Inschrift ans Licht gezogen, welche auf einem wahr- scheinlich zu jener Büste gehörigen Pfeiler stand, und auch diese Inschrift hat Comparetti auf jenen Piso bezogen.

Die Combination selbst beruht im wesentlichen darauf, dass die herculanische Bibliothek in einer allerdings sehr auffallenden Weise zum bei weitem grössten Theil aus den Schriften des Epikureers Philodemos besteht, während die Villa selbst ihrer ganzen Ausstattung nach einem vornehmen Römer gehört haben muss. Wenn das erstere Moment eine nahe und persönliche Beziehung zu Philodemos fordere, so schliesse das letztere die Annahme aus, dass dies die eigene Bibliothek des Philosophen ge- wesen sei ; und der complesso di fatti tanto ben armo- nizzati giebt dann das gewünschte Ergebniss.

Man wird einräumen müssen, dass die allge- meine Auffassung wohl berechtigt ist. So weit aus den uns bekannten Ueberresten auf den einstmaligen Gesammtbestand der Bibliothek Schlüsse gezogen werden dürfen, erscheint sie allerdings, wenn wir

') Ln Villa de' Pisoni e la sua bibliuteca in der Festschrilt Pompei e la reglone sotterrula del Vesuvio neli anno LXXIX (Neapel 1879) p. lööfg.

-} 1 monumenti della villa Ercolanese iu derselbeu Schrift p. 251 fg.

von den wenigen lateinischen Rollen absehen ^), vielmehr iu Ciceros Zeit gebildet als in derjenigen Vespasians, und macht ungefähr den Eindruck, wie heute eine alte Schlossbibliothek, in der Ramlers Gedichte und Wielands Oberon die modernste Lit- teratur darstellen. Sie mag wohl drei bis vier Generationen hindurch unbeschädigt wie uuvermehrt in guter Ruhe gestanden haben, bevor die Lava des Vesuv sie bedeckt hat.

Aber so berechtigt die allgemeine Auffassung ist, so verkehrt ist die besondere Anwendung, die davon gemacht wird. Freilich war Piso ein Ver- ehrer, respectiv Gönner des Philodemos; aber hat denn ein Philosoph dieser Art nur einen Verehrer und nur einen Gönner? Philodemus, sagt Asconius*) von ihm, ßtit Epicuretis illa aelale nobilissimus. Das kann doch nur heissen, dass diejenigen Römer, die sich in Ciceros Zeit zu dieser Secte hielten, nach üblicher Dilettantenart in diesem neuesten Meister den Gipfel der Weisheit erkannten und seine Bücher wenn nicht vorzugsweise lasen, doch vorzugsweise kauften. Es ist mehr als unbesonnen unter all diesen Anhängern des Philosophen, deren gemein- same Verehrung ihn zum tiohilissimus gemacht hat, den einen uns zufällig erwähnten Piso herauszu- greifen, als ob dieser allein eine solche einiger- massen närrische Philodemos-Bibliothek sich zuzu- legen im Stande gewesen wäre. Gewiss gab es da- mals von philosophischem Drang angehauchte Guts- besitzer genug, die auf diese Art der griechischen Weisheit huldigten; wer nach dem Namen eben dieses Bücherfreundes in den Fasten sucht, verdient ihu darin zu finden.

Beiläufig mag, obwohl Behauptungen, die gar nicht begründet sind, auf Widerlegung keinen Au- si)ruch haben, doch noch daran erinnert werden,

ä) Das Epos, dem die Beschreibung der Schlacht von Actium angehört, gehört wahrscheinlich dein Rabirius, dem Zeitgenossen des Vergilius.

*) p. 129 Orelli.

Tb. Mommsen, Inschriftbüsten.

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dass unter den ziemlich zahlreichen aus Hercula- iicuni bekannten Namen sich nicht ein einziger Cal- inirnier befindet; wonach es nicht gerade wahr- scheinlich ist, dass die Pisonen dort eine Villa ge- habt haben. Freilich erlosch die Descendenz jenes Piso vermuthlich mit dem Tode seines Sohnes, des bekannten Stadtpräfecten im J. 32 v. Chr. ') und gehören unsere Inschriftennamen vorzugsweise der letzten Epoche der Existenz der Stadt an. Dennoch würde man immer erwarten dürfen die rechtliche Nachkommenschaft des grossen Hauses in der Plebs von Herculaneum vertreten zu finden, wenn es bis auf Tiberius letzte Jahre dort heimisch gewesen ist. Nachdem Comparetti in Betreff des Besitzers der Villa, um mit seinen Worten zu reden, „in der Seele des Lesers ebenso wie in der des Verfassers einen Grad der Ueberzeugung hergestellt hat, wel- cher den weit hinter sich lässt, den die wissen- schaftliche Beweisführung in der Regel erreicht", wendet er sich zu der nicht minder dankbaren Auf- gabe uns das Portrait jenes Piso zu verschaffen. Es habe dies, meint er, in jener Villa nicht fehlen können und es wieder zu erkennen sei leicht (assai facile), da Cicero im Verlauf seiner Invectiven von seinem Feind eine genaue Personalbeschreibung gebe. In der That passe auf diese Beschreibung auf das genaueste die sogenannte Büste des Seneca. Dass gegen solche Glaubenskraft Argumente etwas verfan- gen, ist nicht zu erwarten; der gesunde Menschen- verstand kann aber doch nicht umhin seine beschei- denen Einreden diesen Gläubigen zur eventuellen Erwägung zu stellen. Dass ein Bücherfreund seine Bibliothek mit den Büsten namhafter Dichter und Gelehrten schmückt, ist in alter wie in neuer Zeit üblich gewesen; aber sollte Herr Comparetti in seinem Studirzimmer neben Virgil und Dante wirk- lich seine eigene Büste aufgestellt haben? oder ist etwas davon überliefert, dass Cicero unter den Her- men seiner Bibliothek die seiuige gehabt hat? und beide Herren waren oder sind dazu doch in ganz anderer Weise berechtigt als der Consular L. Piso. Unter den Merkmalen, die Cicero von Piso angiebt, ist nicht ein einziges, das nicht auf jeden älteren

*) Ejjhern. epigr. I p. 14ü. Archiiolog. Ztg., Jahrgang XXXVllI.

magern glatzköpfigen Mann passt; das Geheimniss auf Grund einer solchen nicht polizeilichen, son- dern rhetorischen Personalbeschreibung die Identität der Person festzustellen verdient in der That die weiteste Verbreitung. Nicht blos die Geschichte, sondern das praktische Leben wird den wesentlich- sten Nutzen davon ziehen, wenn dasselbe in allge- meine Anwendung kommt.

Aber das Schicksal waltet gerecht. Erweisen lässt sich zwar nicht, welchen Kopf jene Büste dar- stellt, aber sehr bestimmt erweisen, dass sie den Piso nicht vorgestellt haben kann. Denn bekannt- lich trugen die Kömer in Cieeros Zeit den Bart geschoren, während diese Büste mit dem richtigen derben Bart der älteren Zeit ausgestattet ist, also ohne Zweifel irgend einen älteren einst so nam- haften wie jetzt namenlosen Schriftsteller darstellt. Comparetti erwähnt jene allbekannte Sitte selbst, glaubt aber vielmehr aus Cieeros Worten entnehmen zu müssen, dass Piso den Bart stehen Hess. In- dess beruht dies auf zwiefachem Missverständniss. Denn die pilosae genae, die er ihm vorrückt'), be- zeichnen nicht die bärtigen, sondern die schlecht oder erfolglos rasirten Wangen; und wenn er in einer anderen Rede') die strenge und altvateri- sche Haltung Pisos mit den Worten verhöhnt: unum aliquem te ex barbatis Ulis exemplum imperii veteris, imaginem antiquitatis, columen rei publicae diceres intueri, so spricht er eben damit aus, dass er keineswegs barbaius war wie es anderswo bei ihm heisst ") : aliquis mihi ab inferis excitandus est ex barbatis Ulis, non hac barbula qua isla (die Clodia) delectatur, sed illa horrida, quam in statuis atque imaginibus mdemus '). Also mit der Pisobüste steht es noch etwas schlimmer als mit Pisos Besitz- titel an der herculanischeu Villa. Mit der Gabi- niusbüste, die Comparetti schliesslich als Pendant und Gegenstück derjenigen des Piso zum Besten giebt, dürfte es leicht am allerschlimmsten stehen; dass ein Consul des römischen Volkes, auch wenn er kein Cato war, mit zierlichen Damenlocken und

«) in Pia. 1, 1.

') pro Sest. 8, 19.

*) pro Cael. 14, 33.

') Vgl. Borghesis Auseinandersetzung opp. 1 p. 93.

5

34

Th. Mommsen, Inschriftbüsten.

einem Stirnband in der Villa seines Collegen ab- gebildet worden ist, ist so ausserordentlich wunder- bar, dass kleinere Wunderdinge neben dieser Lei- stung verschwinden.

Aber was mich zunächst veranlasst hat diese im Allgemeinen mehr vor das archäologische Forum gehörigen Hypothesen zu erörtern, ist die mit der Büste in Verbindung stehende Inschrift. Nicht als ob ich das Räthsel, das sie aufgiebt, zu lösen ver- möchte; aber es erscheint mir noth wendig die von Comparetti versuchte Lösung, die de Petra nicht hätte billigen sollen, als allen epigraphischen Ge- setzen widersprechend abzuweisen. Sie stand auf einem Marmorpilaster, der sicher eine Büste ob gerade die dem Seneca beigelegte, ist weniger aus- gemacht — getragen hat. Es fanden sich drei Frag- mente, wovon das erste den Anfang, das dritte das Ende der Inschrift giebt; die Lesungen beider scheinen ziemlich gesichert, während das kleine Mittelstück schlecht überliefert und ohne Zweifel verlesen ist:

TP^lVul :SPIS-

/ /\1 V

Comparettis von Petra gebilligte Lesung ist

TELESPIS Q_

was aufgelöst wird mit Teles Pis(onis) q(uadralarius). Aber dass die drei Stücke nicht zusammenschlössen, wie hierbei angenommen ist, kann niemand be- zweifeln, der die Ausgrabungsberichte gelesen hat; Weber und Paderni suchten eifrig nach den feh- lenden Stücken und hätten sicher den Anschluss der ihnen vorliegenden erkannt, wenn er vorhan- den gewesen wäre. Ferner fordert schon die äussere Symmetrie, dass in der zweiten Zeile vor dem Q_ wenigstens noch ein Buchstabe gestanden hat. Weiter stecken in jedem Wort jener Auf- lösung ein oder mehrere Fehler. Teles ist als Scla- venname höchst befremdlich. Der Sclave, der seinem Herrn im Atrium eine Verehrung darbringt, nennt ihn regelmässig nicht mit dem Cognomen, sondern dem häuslichen Sprachgebrauch folgend mit dem Vornamen unter Beifügung von noster. Quadratarius ist dem epigraphischen Sprachgebrauch fremd; er

würde faber fordern. Die Abkürzung von Pisonis in Pis ist anstössig, die von quadratarius durch q unmöglich; Abkürzungen müssen denen, an die die Inschrift sich wendet, verständlich sein, das heisst entweder conventioneil fixirt, oder so gestaltet, dass der Leser die fehlenden Buchstaben mit Leichtigkeit ergänzt, und bei diesem quadratarius trifft keins von beidem zu. Endlich beweist die in beiden Ab- schriften, resp. Abzeichnungen wiedergegebene In- terpunction hinter dem die erste Zeile endigenden Worte, dass nach es kein Wortschluss war.

Dass die Inschrift nichts enthielt als einen Na- men im Nominativ und eine Standesbezeichnung oder Formel, seheint sicher zu sein. Jener Name kann nicht wohl erklärende Beischrift zu der Büste gewesen sein, theils weil lateinische Beischriften dieser Art sehr sparsam begegnen und wo sie sich finden, sich wohl ohne Ausnahme auf gefeierte Per- sonen beziehen, theils weil sie, wo sie vorkommen, bloss den Namen nennen und die zweite Zeile unter dieser Voraussetzung kaum erklärlich sein würde. Also muss wohl angenommen werden, dass der Name der des Schenkers ist, der dem Besitzer der Villa diese Gabe stiftete. Unter welchen Gesetzen diese Gattung von Dedicationen steht, ist wenig untersucht worden und in der That auch schwierig zu ermitteln; es mögen derselben in ziemlicher An- zahl vorhanden sein, aber wo sie gelöst von dem ursprünglichen Fundort begegnen, lässt sich nicht viel damit anfangen. Wir sind in dieser Hinsicht fast ausschliesslich auf Pompeii angewiesen. Danach scheint die Regel aufgsstellt werden zu dürfen, dass Dedicationen an Privatpersonen der Regel nach, selbstverständlich nach vorher eingeholter Einwilli- gung der Gemeindebehörde, auf öffentlichem Grund aufgestellt werden, selbst wenn ein Privater sie dem andern macht, eine Ausnahme aber für Sclaven und Freigelassene besteht, vielleicht auch für Clienten geringen Ranges; auch hier gilt der Satz: servis res publica quaedam et quasi civilas domus est. '") Also kann die Inschrift, wie dies auch Comparetti und

'") Pliiiius ep. S, IG. Auch die Aufstellung der Tationats- tafeln im Atrium, die freilicli unter anderen Gesetzen steht, be- ruht auf dem Clientelverhältniss.

Tb. Mommsen, Inschriftbüsten.

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de Petra richtig gefülilt lia))en, wolil nur gefasst wer- den als analog den iu pompeianisclien Privathäusern gefundenen Widmungen : Genio L. noslri Felix l(iber- tus) ") Primo 7i(ostro) Anteros arcar{ius) ") Genio M. n{ostri) et Laribus duo Diadumeni liberti^'); der Empfänger ist durch den Aufstellungsort hin- reichend bezeichnet und kann fehlen. Das Cogno- men des Schenkers kann wohl nur Thespis gewesen sein; obwohl ich diesen Namen als römisches Liber- tinencognomen anderweitig zu belegen nicht vermag, war er doch als landläufig in der Litteratur an sich geeignet also verwendet zu werden. In der zweiten Zeile eine Amtsbezeichnung, wie uvir q_ q_ oder QviNQ., zu erkennen verbietet sowohl das griechische Cognomen wie der Aufstellungsort; es muss auch hier etwas gestanden haben, was mit der abhängigen Stellung des Dedicanten sich verträgt. Nicht als irgendwie gesichert, aber als möglich '^) möchte ich die Ergänzung vorschlagen:

T_>T^pjvLiius rtitsPIS sua pe\Q_

Ich habe mich auf die Frage, welche Individuen in jenen Büsten dargestellt sind, nicht weiter ein- gelassen, da der gesunde Menschenverstand, der ja wohl auch auf archäologischem Gebiet Beweis- kraft hat, für sich allein genügt, um die unbedingte Verkehrtheit von Comparettis Hypothese festzu- stellen , und das Weitere die Archäologen vom Fach angeht. Indess will ich nicht unterlassen hier vorzulegen, was einer von diesen, Herr Prof. Robert mir darüber mittheilt. ' Bei der Bestimmung des früher fälschlich Seneca genannten Portrait- kopfs ist zunächst zu beachten, dass es von dieser Büste nicht bloss das eine herculanische Exemplar giebt, sondern eine Reihe, deren Zahl der der er-

") Mau Bull. deW inst. 187G p. 160.

'-) Derselbe a. a. 0. p. 22.

") Derselbe a. a. 0 1S67 p, 45. Von den dem Genius einer Privatperson geweihten Inschriften gehören wohl die meisten hierher; besonders in und um Segusio haben sie sich zahlreich gefunden (vgl. C. I. L. V im Index). Auch dass dergleichen auf Ringen vorkommen (C. III, CO 19, 15), ist für den privaten Charakter dieser Widmungen bezeichnend.

'■*) Vgl. den Consul J/. Eppuleius Proculus L. f. Ti. Cae- pio Ilispo Ürelli 3670.

haltenen Homer- und Euripidesbüsten kaum nach- stehen dürfte. Es ist also dies das Portrait einer ausnehmend berühmten und in der Kaiserzeit sehr populären Persönlichkeit. Ferner trägt das in dem Museum auf dem Palatin befindliche Exemplar einen Epheukranz; die dargestellte Person ist also ein Dichter. Dann ist in zwei Exemplaren, von denen sich das eine in Villa Albani, das andere in der galleria geograßca des Vatican befindet (abgeb. bei Visconti Iconographie grecque t. XIV, 3. 4) uns eine Doppelherme erhalten, in der unser Kopf mit dem eines bartlosen, nervös und kränklich aussehenden Mannes vereinigt ist, dessen scharf markirte Züge den Römer auf den ersten Blick erkennen lassen, während der Typus des fraglichen Kopfes das ist eine Erkenntniss, die sich unmittelbar Jedem aufdrängte, sobald einmal die traditionelle Deutung auf Seneca überwunden war unrömisch, ent- schieden griechisch ist. Der griechische Vertreter einer Dichtungsgattung ist mit seinem römischen Nachahmer in derselben Weise zusammengestellt, wie bei der jetzt in unserm Museum befindlichen Doppelherme der wirkliche Seneca-Kopf mit So- krates. Alles dies ist nun nicht etwa neu; im Gegentheil, es ist oft gesagt worden und jedem Archäologen so bekannt, dass man sich fast beden- ken muss in einer Fachzeitschrift überhaupt davon zu sprechen. Auch Brizio, dessen Deutung (Ann. deW Inst. 1873 p. 98—106) Herr Comparetti erwähnt und also wohl aus eigener Leetüre kennt, hat diese Momente gebührend hervorgehoben. Warum hat Herr Comparetti es verschwiegen, dass es von seiner Pisobüste mehr Exemplare giebt als von den Büsten Scipios und Ciceros? warum hat er keines jener Judicien der andern Exemplare, auf die die wissen- schaftliche Erklärung angewiesen ist, auch nur mit einem Worte erwähnt? Die Antwort auf diese nahe liegenden Fragen zu geben ist seine oder des Lesers Sache.

'Das Problem selbst, wem die Büste gehört, harrt allerdings immer noch seiner Lösung. Für die Bestimmung des Zeitalters des dargestellten griechischen Dichters giebt der Bart einen Anhalt. Die Männer aus dem fünften und auch aus der

5*

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Th. Mommsen, Inschriftbüsten.

ersten Hälfte des vierten Jalirliunderts tragen stärkere Barte. Bartformen, wie sie die frag- liche Büste hat, kommen in der Zeit Alexanders und der Diadochen vor; ferner ist der Ausdruck des Kopfes weit mehr der des gelehrten Forschers als des Dichters aus der Blüthezeit des echten Hellenen- thums. Dies Alles weist uns auf eine Persön- lichkeit aus dem Frtthlingsalter der hellenistischen Cultur, der Zeit, wo der Dichter zugleich Philolog und Litteraturhistoriker, Arzt und Astronom ist, ein Zeitansatz, der durch die entschieden nach- lysippische Formengebung bestätigt wird. Von solchen Erwägungen geleitet hatte Dilthey auf Kallimachos, Brizio auf Philetas gerathen. Beides ist nicht bewiesen denn Brizios Ausführungen können unmöglich für Beweise gelten; aber beides ist an sich möglich und passend, und der Ruhm und die Bedeutung der genannten Männer würde das häufige Vorkommen der Büste vollständig er- klären. Von Herrn Comparettis Deutung auf L. Piso kann man das Gleiche leider nicht sagen.

Ueber den lustigen Einfall den wunderbaren sog. Berenike-Kopf, der in so frappanter Weise die Verschmelzung des aegyptischen und des hel- lenischen Typus zeigt, dass man ihn als Symbol der gesammten alexandrinischen Cultur hinstellen könnte, für Aulus Gabinius zu erklären, brauche ich kein Wort zu verlieren.'

2. AUS DEN UFFIZIEN. Bei meinem letzten Aufenthalt in Florenz wurde ich zufällig veranlasst in den Uftizien die in der letzten Zeit mehrfach besprochene Büste mit In- schrift anzusehen, welche dem König Pyrrhos bei- gelegt wird. Die Angabe Dütschkes (Archäolog. Zeitung 1877 S. 68 nebst der Abbildung Taf. 9; Antike Bildwerke in Oberitalien 3 S. l'JO), dass darauf, wie es einmal heisst, 'mit vollkommener Deutlichkeit', wie anderswo gesagt wird 'mit etwas unleserlichen Zügen' geschrieben sei PIPOC, ist mit dem Augenschein in ebenso schneidendem Wider- spruch wie die Deutung dieser Lesung auf König Pyrrhos mit der Grammatik. Allerdings ist die In- schrift, nach Kieseritzkys Bericht im Bullelt. delC

Inst. 1879 p. 78, erst jetzt ganz freigelegt und stand früher in der That niPOC; aber dass die ersten beiden Buchstaben nur auf dem Pech der Verkittung eingekratzt waren, musste doch auch damals schon erkennen, wer über solciie Dinge mitreden will. Ein Bruch geht quer durch die Inschrift; ob der untere Theil der Basis, auf dem von den letzten Buchstaben die unteren Hälften sich befinden, alt ist oder restituirt, wird sich erst ausmachen lassen, wenn die Büste ausgebrochen und die Fuge genau unter- sucht wird, was im Augenblick nicht zu bewerk- stelligen war. Doch kommt wenig darauf an, da schon die oberen unzweifelhaft alten Hälften die Lesung sichern. In der That ist der erste Buch- stab, von dem nur der Vordertheil übrig ist, O, w, C gewesen; den zweiten erweist die zweite wie oft etwas höher stehende Spitze //y,/ als M; es folgt liPOC (nicht irPOC, wie Kieseritzky meint) oder HPOC. So seltsam also die Inschrift auf dieser Büste erscheint, die Lesung OMHPOC wird kaum abzuweisen sein. An ceBHPOC habe ich nachträg- lich gedacht; doch glaube ich nicht in der Spur des M mich getäuscht zu haben.

Gleichzeitig hatte ich Gelegenheit die eben dort befindliche Inschriftbüste der Domitia (vergl. Bildw. 3 S. 71. 72) zu betrachten. Dütschkes Abbildung der Inschrift ist treu und zeigt mit dankenswerther Be- stimmtheit den Standpunkt der vollendeten epigraphi- schen Unschuld des Katalogschreibers. Die Form so- wohl der Tablette wie die der Buchstaben, namentlich das sauber mittelalterliche M, beweisen auf das Evi- denteste, dass die Inschrift nicht etwa falsch, son- dern bloss modern ist. Für den, der die Elemente der lateinischen Epigraphik kennt, genügt eigentlich schon der Kominati v; indess die bedenkliche Frage, ob der Archäologe vom Fach diese Elemente zu ken- nen braucht, mag auf sich beruhen. Aber ein be- scheidenes Mass paläographischer Kunde und eine gewisse Fähigkeit des Lesens dürfte doch wohl auch den Archäologen nicht bloss zieren, sondern auch ihn vor allerlei Schaden und maucljeriei Spott be- wahren, und scheint mir keine unbillige Anforderung an die Verfertiger von Museumskatalogen.

Th. Mommsen.

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BERICHTE.

ERWERBUNGEN DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN IM JAHRE 1879.

I. Sammlung der Sku Die Haupterwerbung dieses Jalires ist die der pergamenisclien Altertliiimer, durch weiche die Abtheilung- einer völlig neuen Gestalt entgegen- geht. Eingehend über dieselbe zu berichten ist hier nicht der Ort; das, was in aller Kürze zu sagen war, ist bereits in dem Berichte der Generalverwaltung (Arch. Ztg. 1879, S. 197) und in einem im Drucke erschienenen Vortrage (Perganion von Conze, Berlin bei Dümmler 1880) mitgethcilt; eine etwas aus- führlicliere, wenn auch immer nur vorläufige Nach- richt wird mit einer Anzahl von Abbildungen in dem näclisten Hefte der Jahrbücher der k. preus- sischen Kunstsammlungen ausgegeben werden.

Wirklich in das Museum aufgenommen sind im Jahre 1879 alle zu dem Altarbau gehörigen Skulp- turen; unterwegs sind noch ausser zahlreichen an- deren Fuudstücken die Architekturtheile sowohl des Altarbaus, als auch vom Augusteum und vom Gymnasium, ferner die Exedra Attalos' II, welche ganz hier aufgerichtet werden wird. Bleiben die noch ausstehenden Stücke auch hinter den Skulp- turen des Altarbaus, namentlich der Gigantomachie, an sensationellem Charakter zurück, so ist ihr Ge- winn dennoch für die Abtheilung namentlich in- sofern wichtig, als damit in dem Gesammtbilde der Kunst des Alterthums, wie es die Museen bieten sollen, zum ersten Male auch die bisher so gut wie ganz fehlende Architektur und zwar in ansehnlicher Weise hervortreten wird.

Unter den sonstigen Erwerbungen von Origi- nalen gehört ein weiblicher Kopf von weissem Marmor der älteren griechischen Zeit an, obwohl sich seine Provenienz nicht über Rom hinaus ver- folgen lässt. Er ist dem Kopfe der sogenannten Penelope im Vatikan (Verz. der Gipsabg. im k. Mus. zu Berlin 1880, n. 729) nahe verwandt, jedoch nicht wie diese Figur eine antike Kopie, sondern eine altgriechische Originalarbeit.

Der Zeit frei entwickelter griechischer Kunst gehören, wenn auch nur als untergeordnete Ar- beiten, zwei zu dem Aufsatze „Hermes-Kadmilos" (oben S. 1 if.) publicirte Reliefstücke an, ferner eine Relieffigur aus Kreusis und eine marmorne Sonnenuhr aus Athen. Auf dieser wohl in der Diadochenzeit gearbeiteten Sonnenuhr ist einerseits

Ipturen und Abgüsse.

der Kopf der Athena, andrerseits der des Dionysos, vorn ausciieinend der des Helios, alle in flachem Relief angebracht. Unter einigen uns zugekomme- nen Grabreliefs geringerer Art, darunter auch drei aus Pergamon, zeichnet sich als ein sehr gut erhal- tenes Exemplar einer auf den kleinasiatischen Küsten und Inseln niclit seltenen Klasse von Grabsteinen der einer Frau, gefunden in Smyrna, aus.

Griechischer Arbeit, aber italischen Fundortes, letzteres wenigstens aller Wahrscheinlichkeit nach, ist ein Marmorthronos mit reich ornamentirter Rückseite, eine völlige Replik des schon länger be- kannten, im Parthenon aufgestellten (Verz. der Gipsabg. n. 1287), jedoch ohne eine Inschrift.

Von römischen Arbeiten sind nur zwei Sar- kopiiagdeckel und die Doppelbüste des Se- neca und Sokrates mit antiken Namensbei- schrifteu (Arch. Ztg. 1880, Taf. 5) erworben.

Aus Etrurien gelangte in das Museum ein kleiner Cippus von Orvieto und ein Sarko- phag aus Nenfro, von Norchia stammend, mit dämonischer Reliefdarstellung, männlicher Deckel- figur und zweizeiliger Inschrift des Aruth Churcles Larthal Clan (Deecke Etr. Forsch I, S. 11, n. 2).

Von griechischen Inschriften erhielt die Abtheilung namentlich vier sepulcrale, von denen drei Beigabe von Bildwerken sind, ferner zwei eben- falls einem Reliefbildwerk beigefügte anathematische aus Kula {KoXötj in der Katakekaumene) und das Bruchstück eines Tempelinventars aus Imbros (Blau und Selilottmann Monatsber. der k. Akad. d. W. zu Berlin 1855, S. 628, n. 21).

Von den anathematischen Inschriften steht die eine unter dem Reliefbilde eines nach Rechts hin reitenden Mannes, der eine Doppelaxt in der Lin- ken hält:

A

ANTi.NIAANTiNIOYAno AiNieE-BOZHN^AIATO/» NABEBH. INEMEEniTONXO PONENPYnAP^EnENAYTH 5 KOA A E0 I C A AE . EZ^^MOAO

rHCAMHNKEANEGHKAEYAO riANOTIErENOMHNOAO' . HPOC

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Erwerbungen der Berliner Museen 1879.

AvTioviu ÄvTcoviov ÄtiÖX- Xiovi d^Ecp Bol^rjvcü diä ro ä- vaߣßTj[x6]ve fie ini zov xo- gnv Iv QvnaQcp kntvdvTTj, xoXaai^iaa ös i^wi-inlo- yrjaa /i<»)v xs äv£&t]xa evlo- ytav öii iy£v6/.tTjv 6l6[xk- r/QOg. Ueber der zweiten Inschrift ist nur das Doppel- beil in Eelief dargestellt:

ANGEZTHSANOIAP TEMnNOSYOlTO KATHAXGENSTHA AAPIONVnoTOYBO 5 OSAnoAAßNITAPSI ^v&iairjaav ol ^q- tf^icüvng vni to xatTjax^ev arrj).- Xafjiov vno lov ßo- 6g ÄnöXXwvL TaQoi. Auch ein Grabrelief mit der Darstellung eines Eeiters (nach Kechts hin) stammt aus Kula, unter dem Eelief die von Wagner (Mein, de Vacad. de Belgique XXX S. 22, n. IV) publicirte Inschrift.

Ein marmornes Cinerar, welches aus einem Grabgewölbe bei Sa r des stammt, hat die Form eines oblongen Kastens (0,47 M. lang, 0,37 M. breit, 0,35 M. hoch), auf dessen Vorderseite auch das Schloss nachgebildet ist, mit giebelförmigem Deckel, oben auf dessen vorderer Schrägfiäche die Inschrift : eniiepewCTHCPtJMHCAlONYClOYTOYAeHNAlOY MHNOC Y n eP BepeXA I OY IA APTeMlAWPOC APTEMIAWPOY GTCüN Me

'Eni legiuig Trjg 'Pwf.iT]g Jcovvaiov tov ^3-r]vaiov (.ir^vog YneqßsQEtaiov la' JlQT£f.iiöa}Qog

JlQZe/XldcJQOV ETWV (IE .

Ein cylindrischer Untersatz von weissem Mar- mor, dessen Aussenfläche vier Eroten mit Blumen- gehängen umgeben, stammt aus Rhodos; zwischen den ßeliefzierrath eingeschrieben steht:

ATHSAPXÖ K N IA I ZE A n I ZK N I A I

A ^yrjoaQyog Kvidi\r,\g- Ei- nig Kvidia-

Ein kleines Grabrelief endlich eines Mädchens mit einem Hunde, in Konstantiuopel gekauft, sonst unbekannter Provenienz, ist überschrieben :

OAYMniAIIf2IAOY 'OXvfinidg ZiolXov.

Für diese Inscbriftsteine sind wir den Herren Pfarrer Dr. Zschimmer und Generalconsul Dr. Busch zu Dank verbunden.

An Gipsabgüssen ') wurden angekauft oder geschenkt :

Aus Athen: bemalter Abguss des Gorgoneions (Kat. n. 82A, Ross, areh. Aufs. I, Taf. VIII), des- gleichen der Aristionstele (Kat. n. 76), ferner ar- chaisches Grabrelief mit zwei Frauen (Kat. n. 83 A. Schöne, griech. Rel. XXIX, 122), Grabrelief von Abdera (Kat. n. 84A. Schöne, griech. Rel. XXXIX, 123), die Marmorvase mit Marsyas und Athena (Kat. n. 1089 B. Areh. Zeit. XXXll, Taf. 8), die Grabstele mit griechischer und phöniziscber In- schrift (Kat. 234 U. Kekule Theseion n. 27), das durch die Verbindung von Relief und Malerei merk- würdige Grabrelief des Demokleides im Barba- kion (Kat. n. 234T), der Knabe mit dem Vogel aus Lilaia (Kat. n. 286 A. Ann. XXXI, tat. d'agg. A).

Aus Constantinopel: Giasgefäss mit den vier Figuren des stiertragenden Herakles, des Dionysos, des Hermes mit dem Kerykeion in der rechten und einem Widderkopfe auf der linken Hand, und der Herbst-Hore, welche Jagdbeute trägt (Kat. n. 860 A. Revue archeol. 1879, pl. VII). Das Gefäss wurde im Grabe eines jungen Mannes bei Kyzikos ge- funden.

Aus Holkham-Hall: die von Michaelis ent- deckte Büste des Thukydides (Kat. 774 A).

Aus Rom: Kopf der Aphrodite Caetani (Kat. n. 1058 C).

Aus Turin: Zwei Reliefs, das eine ein Vier- gespann (Kat. n. 234 S), das andre ApoUon mit einem Vogel auf der vorgestreckten Hand darstel- lend (Kat. n. 74 A) und Statue eines sich salbenden Athleten (Kat. n. 658 B). Vergl. areh. Zeit. XXV, S. 77*.

CONZE.

') Das kleine Veizeichniss der Gipsabgüsse ist soeben (1S8U) in neuer, vielfach berichtigter Auflage im Verlage der Weid- mannscfaen Buchhandlung erschienen.

Erwerbungen der Berliner Museen 1879.

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II. An

Bronzen. Kanephore, archaische Statuette mit Weihin.schrift (Arch. Zeit. 1880 Tat'. 6). Paestuiu. Statuette der sitzenden Isis mit dem kleinen Horus auf dem öchoosse; bei Aarau gefunden. Sta- tuette eines Negers der mit Hosen bekleidet ist, Oberkörper nackt, Hände auf dem Kücken. Gute Arbeit. Aegypten. Klappspiegel mit aufge- nietetem Relief, an dem der Grund ausgeschnitten. Dionysos mit Kantharos und Tbyrsos nach 1,, neben ihm ein Panther; es folgen, eng verbunden, Fan und ein junger Satyr. Angeblich aus Galaxidi. Rund mit getriebenem Löwenkopf in der Mitte: Wandverzierung eines etruskischen Grabes (Vgl. Friederichs, Berlins antike Bildwerke II n. 1310—1.3). Monteromano. Seepferd, von einem Geräth. Äugst bei Basel. Kleiner Pantherkopf, war am Ende eines hölzernen Geräthes befestigt; eben- daher. — Kleiner Adler auf Postament; Adler auf einem Eberkopf stehend (Bekrönung eines Stabes). Iconia. Männliches Glied, zum Einsetzen in eine Votivstele bestimmt. F.-O. unbekannt. Bronze- geräthe (2 Schalen, 3 Kannen, Napf, 3 Spiegel). Nau paktos Fragmente einer grossen Hydria. Smyrna. Ring mit Inschrift AOMNOY.

Blei. Schleuderblei mit Scorpion und Blitz. Dardanellen. Schleuderblei mit Inschrift BA- XIAEfls: AAEIANAPOY. Athen.

Inschriften. Bronzeplatte mit Ehrendecret der (bisher unbekannten) Stadt Anisa (in Syrien?). Zu beiden Seiten der Inschrift eine korintliische Halbsäule, auf welcher ein das Gebälk stützender Jüngling in Chiton steht. (Der zur L. fehlt ebenso wie das Gebälk.) F.-O. unbekannt.

Silber. Fibula mit Filigranornamenten, aus einem der ältesten Gräber von Orvieto.

Miscellaneen. Halbes Diptychon des Con- suls Anastasius (W. Meyer, Zwei antike Elfenbein- tafeln S. 67 n. 15a). Diptychon des Justinus (ebenda S. 74 n. 31; Taf. I). Aus der früheren Kunstkammer dem Antiquarium überwiesen.

Glas. Achteckiger Stift von hellgrünem Glas mit abgestumpfter Spitze, oben durchbohrt (Anhängsel?). Aus einem der ältesten Gräber der Necropole von Orvieto {Bull, dell' bist. 1879 S. 230, 8). Runde Büchse ohne Deckel. Athen. Zwei Armbänder, eines in Form einer Schlange; ebendaher. Pet- schaft mit sitzendem geflügelten Löwen. Iconia.

Geschnittene Steine. Hermes-Kopf mit Stirn- flügeln und Kerykeion. Schöne Arbeit. Onyx. La-

tiquarium.

konien. Gesprenkelter Jaspis, auf dem gewölb- ten Rücken eingeschnitten ein rennender Panther. Kleinasien. Doppelseitige Abraxas- Gemme, Bergkrystall. Cicade aus ßergkrystall. Rom. Schreitender Löwe, erhaben geschnitten; Chalcedon. Kleinasien.

Terrakotten. Aus Griechenland: Archaische weibliche Figur mit Diadem, eine Blume haltend; Beine in Profil. Halae in Lokris. Derselbe Typus, etwas entwickelter. F.-O. unbekannt. Weibl. Idol, der Körper walzenförmig, mit Wulst um den Kopf. Tanagra. Alterthümliche sitzende Frau, von einem Gefäss. Cypern. Thronende Göttin, die Arme an den Körper gelegt. Halae in Lokris. Thronende Göttin, in jeder Hand einen Apfel. Atalanti. Thronende Göttinnen, die eine mit Modius, die andre mit Blume in der R.; Hydrophore mit Ferkel; runde Scheibe mit aus- gezacktem Rand, darauf ein Gorgoneion mit Thier- ohreu in Relief. Von Hag. Sostis (Tegea), vgl. Mitth. IV S. 171. Geflügelte weibl. Figur schwe- bend, ganz in den Mantel eingehüllt (Eidolon?). Sehr schön. Eros schwebend trägt eine grosse Am- phora. Tanagra. Stehender Papposilen, mehr- fach beschädigt, gute Arbeit. Piraeus. Trun- kene Alte mit Weinschlauch, ganz kleines Figür- chen. Korinth. Komischer Schauspieler, Frag- ment. Korseia in Lokris. Kl. Fuss mit Sandale. Silensmaske in Relief (unter dem Henkel eines rothen Thongefässes angebracht gewesen). Athen.

Aus Kleinasien: Tragischer Schauspieler. Pergamon. Weibliche Gewandfigur nach 1. schreitend. Alte Frau ein Mädchen an der Hand führend. Tänzerin mit Krotala. Myrina in Aeolis (Geschenke des Herrn E. Baltazzi). Sitzende Frau mit Schleier reicht einem Kinde die Brust. An der Rückseite unten eingedrückt IM. Kirka- gatsch. Stehender Eros, bekränzt, hebt den Rand seines Chiton, eine Spange um den Oberschenkel sehen lassend. Kynie in Aeolis. Fragmentirte Figuren aus Assos (Geschenk des Herrn Prof. Virchow): thronende Göttin mit Blüthe, archaisch; Pferd mit Knaben als Reiter; 2 Hydrophoren u. s. w. Maske mit spitzer Mütze; 3 Carri- caturen; Relief von einem Gefässboden: erotisches Symplegma. Dardanellen. Fragment eines Re- liefs: Herakles und Autaios.

Aus Italien: Zwei nebeneinander thronende Göttinnen, zwischen ihnen sitzendes Kind (vgl. Ger-

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Erwerbungen der Berliner Museen 1879.

bard, Antike Bildw. Taf. 2). Cerveteri. ~ Eros an einen Pfeiler gelehnt; derselbe in Helm und Panzer. Curti. Schüssel mit Früchten und Kuchen u. s. w. aus einem Grabe bei Orvieto. Ötirnziegel mit Silenskopf. Orte. Römisches Friesrelief mit der Auffindung des Telephos (ähn- lich, doch nicht aus derselben Form Campaua Opere in plastica tav. 25). Lampe. Chiron lehrt Achill die Leyer spielen. Corneto.

Vasen. Aus Griechenland: Zwei Giessgefässe mit phantastischem Pflauzenoruament, auf dem einen ein Vogel (?), den mykeuischen Gefässen ver- wandt. Kreta. Viereckiger Kasten aus blassem Thon mit Deckel, auf welchem 2 Schlangen. Lang- seite a: Persische Artemis zwei Vögel haltend; an- gebundenes Pferd. Schmalseite a: Frau ein Pferd am Zaum haltend. Langseite b: Mann mit Lago- bolon, Hund, Hase. Schmalseite b: Hund, Hase. Der Grund mit Ornamenten, uameutl. Henkelkreuz und Palmetten, gefüllt. Theben. Aryballos, asiatisches Ornament, am Henkel Kopf in Profil. Ebendaher. Balsamar in Gestalt einer Sirene, blassgelber Thou mit schwarzen Puncten. Aegina. Balsamar in Gestalt einer Sphiux, die in einen Vogel- körper endigt; aus gelblich glasirtem Thon (phö- nikisch'?). Aegina.

Schwarzfigurige Vasen: Zweihenkliger Be- cher mit Thierfiguren auf schmalem Streifen. Ko- rinth. Fragmente eines grossen, tiefen Beckens mit Ausgusstülle und seitlichen Henkeln. Bildstrei- fen unter dem Rand des Gefässes: a) Zwei geflü- gelte Gestalten in kurzem Ciiiton nach r. Inschrift l4(}£Tivia. b) Perseus (Tlegeiig sie!) in Chitou, Flü- gelstiefeln, Kappe, ein Schwert umgeljuuden, in eiligem Laufe nach r. Links Athene {Ä&Evaia) in Chiton und Mantel ruhig stehend. Auf dem unteren Streifen: Sphinxe, weidende Pferde, dann Streifen mit Palmettenornament. Aegina. Teller mit erhobenem Rand, blassrother Thon. Sitzender Dio- nysos mit Trinkhorn, ihm gegenüber eine sitzende Frau mit Blume in der erhobenen L. Marathon. Zwei Kannen: (= Berlin n. G33) a) Krieger, h) Ama- zone neben einem Pferd stehend. Mykenae. Attische Lekythen. Mit weissem Grund.: Athene einen Giganten zu Boden werfend, rechts und links je eine Amazone zu Pferde (tiüclitig). Mit rothem Grund: Theseus und Minotaurus (flüchtig). Grösser: Paris- Urtheil. Hermes hält den Paris mit Gewalt fest. Eingeritzte Contourzeichnung mit aufgesetztem Roth: Silen mit Leyer nach r. schreitend. Le- kythen mit Contourzeichnung aus Athen: Sitzende

Frau mit Wachtel; vor ihr stehend ein Mann mit Stab ; Inschriften 'OlvvmxoG xaXög. 6 nalg xaAog. Auf der Schulter des Gefässes schwebender Eros. Abschiedsscene : Bärtiger Krieger in voller Rüstung, dem eine Frau ein Wickelkind hinhält. Längliches Alabastron derselben Technik: Sitzender Jüngling mit Stab, vor ihm Panther, dann stehende Frau mit Schale.

Polychrome Lekythen mit schwarzer Contour- zeichnung: a) Mann mit einem Kind im Arm. Taenie. b) Grabstele, 1. bärtiger Mann mit Stab, eine Lekythos haltend, rechts unbärtige Gewand- figur, c) Grabstele, 1. Frau, zu deren Füssen ein Krug; r. Maun, beide mit Geberden der Trauer. Suniou. Polychrome Lekythos: Jüngling zu Pferde (mit Chlamys, Petasos, Lanze) vor eiuer Grabstele. Athen.

Rothfigurige Vasen: Aryballos mit kleinen (jetzt fehlenden) Henkeln. Gesandtscliaft an Achill: Achill trauernd, Odysseus, Diomedes, Phoinix, Aias (sämmtlicli mit Inschriften). Feinste, noch etwas strenge Zeichnung. Athen. Bauchige Lekythos mit langem, engem Hals : Sitzende Frau mit Schale vor einem Kottabosständer. L. stehendes Mädchen, Flöten spielend. Attika. Kleine Hydria: 3 Mäd- chen mit Wollarbeit beschäftigt. Strenge Zeichnung. Aegina. Kleine Kanne mit Goldschmuck (s. Arch. Zeit. 1879 S. 93 Anm. 1): Aphrodite auf dem Schwan, von anderen Figuren umgeben. Athen.

Glocke (?) aus Thon; auf rothem Streifen schwarz aufgemalt: AiavTidw elfiL Athen. Zwei Becher mit schwarzem Firniss, eingeritzt: (DiXlag; Deckel mit Bügel, auf der convexen Seite (roth auf weissem Grund) eiu Tascheukrebs; bauchiges Gefäss mit ganz engem Hals und weiter Mündung, schwarz gefirnisst. Theben.

Vasen aus Italien. Obertheil eines Balsamars, Aphrodite mit Taube (Körte, Arch. Zeit. 1877 S. 177 Anm. 32). Cerveteri. Schwarzfig. Schale des Kikosthenes uud Anakies. Herakles mit der Hydra, zweimal. Orvieto. (Bull. deW Inst. 1879 S. 4). Kleiner Teller des Sosias mit hockendem Silen (Ga- zeitc archeol. 1878 pl. 25). Amphora mit gewunde- nen Henkeln. Dionysos, bärtig mit Leyer und Sonnen- schirm — bärtiger Mann aufschauend. Orvieto. (Bull. deW Inst. 1879 S. 3 f.). Bauchige Oenochoe, Athene ein Pferd aus Thon modellirend. Capua. Zweihenkliger Becher iu Gestalt eines Dojtijclkopfes (Satyr und Bacchantin). Corneto. Teller mit Fuss : Weiblicher Kopf. Flüchtige Zeichnung (lokal- etruskiscli). Vetralla. G. Kiirte.

Sitzungsberichte.

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SITZUNGSBERICHTE. Archäologische Gesellschaft iu Berlin.

Sitzung vom 6. Januar 1880. Nacli der durch Acclamation vollzogenen Wiederwahl des Vorstandes der Gesellschaft legte der Vorsitzende Herr Curtius vor: 'lazoQixij exd^eaig twv ngd^ecov rfjg sv Idd-t'jvaig aQXacoXoyixfjg sTaiglag und Ev&. Äßorop^'?) von Alten, Bohlwege und Rümerwege im Herzogthum Ol- denburg; Albert Duncker, Rechtsrheinische Limes- forschung; Ders., Römischer Main-Uebergang zwi- schen Hanau und Kesselsbach; P. Pervanoglu, GH Istri] Virchow, Troja (aus der Deutschen Rund- schau); Lösche ke, Alt -Spartanische Basis (Pro- gramm von Dorpat); C. Lange, die Statuenbeschrei- bung des Christodor und Libanios (Rliein. Museum); Overbeck, Analekten zur Erklärung der Parthenon- Skulpturen (Berichte der sächs. Gesellsch. der Wissen- schaft); Th. Schreiber, Apollon Pythoktonos; Le- normant, // milo di Ado7ie-Tammuz (aus den Ver- handlungen des Orientalistencongresses zu Florenz 1878); Satura philologa Hermanno Sauppio ob- tulit amicornm decas. Herr von Kor ff berich- tete über seine Reisen in Griechenland. Herr Conze gab eine summarische Uebersicht der auf Anlass der Humannschen Entdeckungen iu Pergamon ausgefiihrteu Untersuchungen, deren Resultate besonderer Publication und zwar, soweit sie die Architecturwerke betreffen, durch die noch am Orte in der Arbeit begriffenen Herren Bohn imd Stiller, welchem letzteren Herr Raschdorff zur Seite steht, vorbehalten bleiben. Herr Humann hat hierzu in den letzten Monaten seiner erfolg- reichen Thätigkeit einen Plan der Akropolis von Pergamon in neuer Aufnahme geliefert. Die von Herrn Konstantin jun. aus Athen aufgenommenen Photographien pergamenischer Baureste wurden der Gesellschaft vorgelegt. Da die erwähnte Publikation ihrem gesammten Umfange nach erst im Laufe der Jahre zum Erscheinen gebracht werden kann, so ist die Herausgabe eines vorläufigen Berichts seitens aller an den Arbeiten betheiligten Herren etwa für Pfingsten d. J. in Vorbereitung; diesem Berichte wer- den unter Anderm auch Zeichnungen einiger Haupt- gruppen der Gigantomachie von der Hand des Herrn Otto Knille beigegeben werden. Zum Schlüsse legte der Vorsitzende eine Zeichnung (von Herrn Architekt Graef) des in Olympia kürzlich gefun- denen rechten Fasses des Hermes des Praxi- teles vor.

Archiiolog. Ztg., Jahrgang XXXVIII.

Sitzung vom 3. Februar 1880. Nachdem für die Verwaltung der Geldmittel der Gesellschaft im Jalire 1879 Decharge ertheilt war, verkündete Herr Curtius die Aufnahme der Herren Hin- richs und Buermann zu ordentlichen Mitglie- dern. — Herr Robert legte zunächst A. Mau's pompejanische Beiträge vor; auf einige baugeschicht- liche Fragen näher eingehend, scliloss er sich im Wesentlichen den Ausführungen des Verfassers an. Gleich diesem Buche ist auch eine grössere Publi- cation der italienischen Regierung zu der im Sep- tember V. J. begangenen 1800jährigen Gedenkfeier der Verschüttung Pompeji's erschienen: Pompei e la regione sotlerrata del Vesuvio; aus dem reichen Inhalt hob der Vortragende als besonders dankens- werth die Fortsetzung des Helbigschen Kataloges der pompejanischen Gemälde durch Sogliano hervor. Endlich besprach er den 1. Theil des 1. Bandes des von Kekul6 geleiteten grossen Terrakotten werkes: „Die Terrakotten von Pompeji" von H. von Roh- den. Herr Hübner legte vor den an die General- verwaltung der Kgl. Museen eingesandten Bericht des Obersten Wolf über die bei Gelegenheit des Neubaues eines Directions-Wohngebäudes der Kgl. Artilleriewerkstatt zu Deutz zu Tage getretenen Ueberreste des römischen Castells (vgl. Arcli. Ztg. 1879 S. 202). Herr Curtius besprach die kleine neugriecliische Schrift von Cavadias über Paeonios, welche sich im Wesentlichen an den Aufsatz von Brunn anschliesst, und entwickelte seine abweichende Deutung der Statuen der s. g. Tyrannenmörder auf eine dem Gemälde des Panaenos entnommene Gruppe: Miltiades und Kallimachos als Vorkämpfer in der Schlacht bei Marathon (s. Hermes XV S. 147 ff.). Herr Adler sprach über die Bauge- schichte des Heraion zu Olympia, woran Herr Cur- tius einige Bemerkungen über die Bedeutung des Heradienstes für die älteste Geschichte von Olympia knüpfte.

Sitzung vom 2. März 1880. Herr Curtius proclamirte die Aufnahme der Herren Hauck und Becker als ordentliche Mitglieder und besprach die neu eingegangenen Schriften: Virchow, Bei- träge zur Landeskunde der Troas (Abhandlungen der Berliner Akademie d. Wissensch.); Frangois Lenormant, Les antiquites de la Troade II und Les antiquites de Mycines (Gazette des beaux arts);

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Sitznnsrsberichte.

Bursian, Orgeonen- Inschriften aus dem Piraeus (Berichte der Müuchener Akademie); Julius, Ee- cension von C. Lange, die Conipositiou der aeg'i- netischen Giebelsculpturen (Fieckeisens Jahrbücher); Hans Hildebrand, Fynden i Troas; Bericht der Times rom 26. Februar über eineu in der Roj^al Academy gehaltenen Vortrag von Newton über die deutschen Ausgrabungen in Olympia. Herr Körte verlas eine von Herrn Treu eingesandte Abhandlung über die Eeconstructiou der Giebelreliefs am Schatz- hause der Megarer zu Olympia. Herr Adler legte die neuesten aus Olympia eingegangenen archi- tektonischen Zeichnungen vor. Herr Weil be- sprach den Katalog der macedonischen Münzen des britischen Jluseums, bearbeitet von B. Head. In der historischen Einleitung weist der Verf. nach, wie bis auf die Zeit Philipps II. das Gebiet des euböisch-attischen Münzfusses auf die Chalkidike beschränkt geblieben ist, während in den übrigen Theilen Macedoniens, an der Küste sowohl wie im Binnenlande, der babylonische und der graeco-asia- tische Münzfuss herrschend waren. Herr Conze machte Mittheilungen über die verschiedenen Sta- dien, welche die Entdeckung des grossen Samo- thrakischeu Anathems der Nike auf einem Schiffs- vordertiieil durchlaufen hat. Auf die Auffindung der Statue durch Herrn Champoiseau im Jahre 1865 und ihren Transport in den Louvre folgte die erste literarische Würdigung ihres künstlerischen Werthes durcli Herrn Frijhuer und die Formung für Berlin, München und Wien, sodann die uns zuerst durch Herrn Bode gebraclite Nachricht von der Existenz erheblicher im Fröhnerschen Kataloge nicht er- wähnter Fragmente der Statue im Louvre. Inzwi- schen war die Untersuchung der au Ort und Stelle zurückgebliebenen Reste des Unterbaues durch die österreichische Expedition im Jahre 1875 erfolgt. Danach machte Herr Hauser zuerst die für das Verständniss des ganzen Denkmals entscheidende Beobachtung, dass der Unterbau die Gestalt eines Schififsvordertheils gehabt haben müsse, eine Beo- baclitung, die Herr Graser bekräftigte und durch deren Mittheilung an Herrn Champoiseau dieser veranlasst wurde, auch die Reste des Unterbaues in den Louvre zu schaffen. Auf Grund alles somit Gewonnenen unternahm endlich Herr Zumbusch in Wien die Restauration des Monuments in verklei- nerter Nachbildung im Anschlüsse an einen Münz- typus des Demetrios Poliorketes. Nach eingehender Untersuchung führt Herr Benndorf im zweiten bald erscheinenden Bande der 'archäologischen Unter-

suchungen auf Samothrake' das Monument geradezu auf den grossen Seesieg des Demetrios beim kypri- scheu Salamis im Jahre 306 v. Chr. als eine Weihung des Siegers au die samothrakischen Götter zurück. Die Restauration von Zumbusch wird bald im Ber- liner Museum aufgestellt werden. Herr Curtius sprach über die neuerdings bezeugte Institution der lEQol'innaQXOi, der Anführer der berittenen Schutz- wache des Artemistenipels zu Ephesos. Herr Mommsen besprach eine den letzten Ausgrabungen in Deutz entstammende römische Inschrift und wies auf die eigenthümlichen Nachlässigkeiten in dersel- ben hin. Herr Robert theilte eine neue Deutung des bisher auf die Opferung der Iphigenia bezogenen pompejanischen Gemäldes Heibig n. 1305 (Zahn II, 61) auf Admet, Alkestis und Orcus mit. Herr Bormann sprach über eine von ihm im vori- gen Winter zu Rom in dem Palast der Propaganda wieder aufgefundene kleine Basis, deren früher auf verschiedene Weise hergestellte Aufschrift von ihm mit Sicherheit so gelesen wurde:

Hercules inmcte, sancte Silvani nepos, hie advenisli. Ne quid hie ßat mali! GCenio) p(opuli) RComatd) f(eliciter)! Die beiden lateinischen Trimeter zu Anfang sind Umbildung der bekannten griechischen:

n xov /liog nalg xaXhvixog Hgaxlfjs ivi^äÖE xaToixei' firjdev tlaixio xcexöv. Auf dem römischen Altar ist also für 'Sohn des Zeus' eingesetzt 'Enkel des Silvan' und ein Segenswunsch für den Genius des römischeu Volkes zugefügt. Dies glaubte der Vortragende durch die Annahme er- klären zu können, dass sich die Inschrift auf den Kaiser Commodus bezieht, der auf den Münzen als Bereutes Commodianus oder Hereules Romanus er- scheint. Als er den Coloss des Nero zu seinem eigenen Bildniss als Hercules umgestalten Hess, machte man nach Dio das Epigramm:

6 tov /liog ndig xalllvixog 'FJQaxXrjg ovx slfti ytovxiog, äXK ävayxäi^ovai /.te also eine Parodie jener Verse. Der Hercules-Com- modus ist zugleich als Genius des römischen Volkes auf einem Medaillon durch Füllhorn in der L. und Opferschale in der R. bezeichnet (iFröhner, M6- daillo/is p. 139). Nach dem Vortragenden ist bei diesem Hercules die Abweichung von der gewöhn- licheu Genealogie weniger autfallend. Wenn die Griechen, auf die der Gebrauch einen lebenden Menschen zu einem bestimmten Gott zu machen zu- rückgeht, dem Namen desselben gewöhnlicli veog oder Vi« vorsetzen, so dass z. B. M. Aurel und

Sitzungsberichte.

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L. Verus 3enl 'Oh'finini vsni Jinaxovgoi heissen, Julia, die Gattin von Septimius Severus, via "Hqa 'Pwftaia, Plotina ^qiQodkrj, &ea vswxeQa, so deute der Zusatz an, dass die Identification nicht völlig sei. Hat sich dieselbe möglicher Weise nicht mit auf die Herkunft erstreckt, so konnte Hercules- Commodus auch in ein verwandtschaftliches Ver- hältniss zu Silvan gebracht werden. Nach dem Zeugniss der Inschriften sei Silvan der Patron der Gladiatoren, wenigstens zu Commodus Zeit und in Rom bei seineu Banden gewesen. Nun war Com- modus stolz auf seine Tüchtigkeit als Gladiator und auf diese geht nach den Schriftstellern seine Verehrung als Hercules zurück: so ersclieine die Anknüpfung an Silvan nicht unerklärlich. Herr Mommsen, der mit der Beziehung auf Commodus einverstanden war, erklärte sich mit Entschiedenheit gegen die Ansicht, dass die Herkunft des als Hercules gelten- den Commodus von der des Hercules hätte verschie- den gedacht werden können. Es müsse eine Sage gegeben haben, nach der die Mutter des Hercules eine Tochter des Silvan war.

Sitzung vom 6. April 1880. Der Vorsitzende, Herr Schöne, theilte ein an die Gesellschaft gerich- tetes Telegramm des Herrn Treu aus Olympia mit, worin derselbe über den gefundenen Kopf des Dionysos aus der Gruppe des Praxiteles berichtet. Ferner machte er die sehr erfreuliche Mittheilung, dass die griechische literarische Gesellschaft zu Con- stantinopel der deutscheu Regierung ein in ihrer Sammlung befindliches zu den Sculpturen des grossen Altars von Pergamon gehöriges Fragment, welches an eine der in unser Museum gelangten Platten an- passt, zum Geschenk gemacht habe. Daran knüpfte er den Ausdruck besonderen Dankes an den an- wesenden griechischen Gesandten Herrn Rangabe, dessen gütiger Vermittelung jener Entschluss we- sentlich mitzudanken ist. Von neuen Erscheinun- gen konnten vorgelegt werden: Overbeck, Ge- schichte der griechischen Plastik. 3. Aufl., Liefrg. 1 ; Stark, Handbuch der Archäologie I, 2 (das Werk soll nicht weiter fortgesetzt werden); Fergusson, Erechtheion, übersetzt von Dr. Ludwig Meyer, be- vorwortet von Schliemann; Programm des Johan- neums in Hamburg mit einer Abhandlung von Dütschke über ein Relief mit der Darstellung der

Familie des Augustus in Florenz; M. C. Descemet, Marques de briqites relatives ä utte parlie de la getis Domitia. An das letztere Werk knüpfte der Vor- sitzende einige Bemerkungen, indem er namentlich hervorhob, wie man einzelne Sklaven an der Hand der Inschriften durch mehrere Phasen ihres Lebens begleiten könne. Herr Mommsen sprach über einige Inschriften auf neuerdings am Esquilin, in Campanien und Etrurien aufgefundenen Gefässen, welche sämmtlich aus der Fabrik von Cales stam- men. Die Verfertiger dieser Gefässe führen Vor- uud Gentil-Namen wie die römischen Bürger, aber mit einem Zusätze, z. B. C. s. = Caji servus: es waren also Sklaven, die mit Bewilligung ihrer Herren sich als Freie gerirten. Dies sei, so führte der Vortragende aus, die in den älteren Zeiten der Republik allein üblich gewesene Art der Freilassung, ein rein privatrechtlicher Act, wonach dem Herrn die volle Gewalt über den Sklaven verblieb. Erst allmählich habe sich die wirkliche Freilassung in das römische Recht eingeschlichen. Die richtige Auffassung dieses Verhältnisses, wie sie Redner schon früher angenommen und nun durch jene In- schriften eine monumentale Bestätigung findet, ist von der einschneidendsten Bedeutung für die ganze ältere römische Geschichte: auf jene ältere, rein privatrechtliclie Freilassung sei die Entstehung der plebs zurückzuführen. Herr Körte berichtete über den Fortgang der Arbeit am 2. Baude des vom Institut herausgegebenen etruskischen Urnen- Werkes, dessen Publication ihm übertragen ist. Der Inhalt des Bandes wurde kurz characterisirt und dann mehrere Serien von Urnenzeichnungen vorgelegt, für welche der Vortragende neue oder besser begründete Deutungen geben zu können glaubte. Herr Bor mann sprach über die s. g. latercula miliium aus Rom und wies nach, dass diese Inschriftplatten mit nach Centurien geordneten Namenlisten die Bekleidung von aediculae bildeten, welche die Soldaten der römischen Besatzung bei Gelegenheit ihrer Entlassung stifteten. Die vor- geschriebenen Jahre bezeichnen die Zeit der Ein- stellung; dass gewöhnlich zwei Jahre angegeben sind, glaubt der Vortragende am wahrscheinlichsten so erklären zu können, dass alle zwei Jahre Entlas- sung stattgefunden hat.

DIE AUSGRABUNGEN YON OLYMPIA.

BERICHTE.

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Der rechte Fuss des praxitelischen Hermes ist am 23. December bei der Umliackuiig der Erde zwischen der Cellawand und den Südsäulen des Heraion ausgegraben worden. Hier scheint er lie- gen geblieben zu sein, als man die Unterbeine der Statue und die Obersteine ihrer Basis verschleppte, und wurde dann in den Boden des Tempelumgan- ges eingetreten, denn er lag nur 25 Cm. unter dem Stylobat. Es darf als ein glücklicher Zufall be- zeichnet werden, dass, nach den Fundorten von Hermesfuss und Dionysosrumpf zu urtheilen, die fehlenden Theile unserer Gruppe nach S., resp. S.W. verschleppt worden sind; denn nun haben wir Hoffnung, dieselben vielleicht in den noch auszu- grabenden Terrains südwestlich vom Heraion wie- der aufzufinden.

Der Fuss ist übrigens nicht nur als Ergänzung des schönsten aller olympischen Funde werthvoll, sondern auch an sich ein wahres Juwel an Aus- führung und Erhaltung. An dem zierlichen Riemen- werk der Sandale, das uns ein Beweis dafür ist, mit welcher Liebe die Hand des Künstlers selbst bei diesen Nebensachen weilte, sind sogar noch die rothe Farbe und leichte Spuren der Vergoldung er- halten, welcher jene zum Untergrunde diente. Auch Bronze, und wohl vergoldete Bronze, scheint, nach einem erhaltenen Stift auf dem Spann des Fusses zu urtheilen, zur Verzierung des Schuhwerkes ver- wandt gewesen zu sein. Die edlen Formen des Fusses sind mit einem Raffinement vollendet, das nicht weiter getrieben werden kann. Mau glaubt förmlich, die weisse Haut zwischen dem rauh schraf- firten feinen Riemenwerke hervorleuchten, die Mus- keln des voll aufgesetzten Fusses unter demselben aufquellen zu sehen.

Mit Flügeln scheinen die Sandalen nicht ver- sehen gewesen zu sein; es lässt sich hierüber mit

ziemlicher Sicherheit urtheilen, da der Fuss erst über dem Knöchel gebrochen ist. Seine Länge be- trägt 33 Cm. Es haftet an demselben auch noch ein Theil der Plinthe, deren roh behauener Rand völlig in einer Austiefung der Bekrönungsplatte der Basis verschwand. Letztere besitzen wir ebenfalls, nachdem dieselbe von den Architekten aus mehre- ren kleinen Bruchstücken, die in der Heraioncella umherlagen, wieder zusammengesetzt worden ist.

Einen andern guten Fund haben wir im S. der Zanes gemacht, wo jetzt die stehengebliebenen Erd- massen abgeräumt werden: den Panzertorso eines römischen Kaisers. Die Brust desselben ziert die Darstellung eines von zwei Siegesgöttinnen ge- schmückten Tropaions, an dessen Fuss ein gefessel- ter Gefangener kauert. Neben dem r. Beine der Statue, dereu untere Extremitäten sich mit Hülfe früherer Funde vollständig wieder herstellen Hessen, kniet eine kleine weibliche Gestalt in barbarischem Kostüm, die Hände auf dem Rücken gefesselt, offen- bar die Repräsentantin einer unterjochten Völker- schaft (Ausgrabungen HI, Taf. 18, 2, 3). Da dies letztere Stück vor zwei Jahren in der Cella des Metroons gefunden wurde, so können wir mit Sicher- heit schliessen, dass die ganze Statue von dort stanmit. Die Vortrefllichkeit ihrer Arbeit stimmt mit dieser Annahme vollständig überein; denn sie giebt den ursprünglich ebenfalls dort aufgestellten Statuen des Claudius und Titus (Ausgrabungen IV, Tafel 19, 2, 3) wenig nach.

Nach Besprechung dieser Einzelfunde im Herzen der Altis wenden wir uns zu deu im 0. und W. des Zeustempels unternommenen grösseren Arbeiten.

Unser voriger Bericht hat die ersten wichtigen Statuenfunde aufgezählt, welche im äussersten Osten des olympischen Gebietes, auf dem Westwalle des Stadions gemacht wurden. Seitdem haben unsere Grabungen den Kamm des Walles dicht unter der

Berichte aus Olympia.

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jetzigen Erdobeifliicbe längst überall erstiegen, und eine reichliche Nachernte von Fragmenten der Tein- pelskulpturen (darunter die Unterbeine des sinnen- den Greises vom Ostgiebel, die Plinthe des Zeus) und zahlreiche Statuentheile aus römischer Zeit sind uns zugefallen. Jetzt sind wir damit beschäf- tigt, die Erde des Walles selbst zu durchsuchen, da uns derselbe an anderen Stellen bereits im vori- gen Jahre wertbvolle Terracotten und Bronzen ge- liefert hat, welche wohl bei Gelegenheit einer Auf- höhung desselben dorthin gerathen sind (Zeuskopf, Argiverschilde). Gleich südlich vom gewölbten Stadioneiugauge lasen wir ein 12 Cm. hohes Frag- ment aus Terracotta auf: die untere Hälfte eines rothen Silensgesichtes mit schwarzem Barte und frühlich grinsendem Jlunde, in dem die weissen Zahnreihen sichtbar werden. Eine weiss gemalte, also weibliche, kleine Hand zaust ihm um den Nacken herum am Barte. Offenbar gehörte das Fragment zu einer jener Gruppen frauenraubender Silene, von deren einer wir bereits im vorigen Jahre ein Untertlieil gefunden (Ausgr. z. Ol. IV, 27 a, 1).

Tiefer in der Erde des Walles Bronzen: Thier- figuren, Dreifüsse, auf deren Ringhenkeln Vögel sitzen, wie auf den Griifen am Becher des Nestor. Endlich ein Fragment von dem kreisförmigen Rande eines bauchigen Gefässes von gewaltigen Dimen- sionen, auf dem sich die Reste einer Weihinschrift der Spartiaten erhalten haben. Ihr Weihgeschenk scheint also bereits in antiker Zeit mit dem übrigen auf den Kehrichtliaufen gewandert zu sein.

Ein nach S.O. gezogener Graben hat leider lediglich das Resultat ergeben, dass dieser Theil des olympischen Gebietes vom Alpheios wegge- schwemmt worden ist, der statt dessen hier grosse Sandmassen aufgehäuft hat. Ich kann mich also ohne Weiteres den ausgedehnten Arbeiten im W. zuwenden, welche der Hauptaufgabe dieses Winters gelten, der Aufsuchung der noch fehlenden Theile des Westgiebels und der Westmetopen. Um dieser Aufgabe in vollem Masse genügen zu können, ist in drei Richtungen vorgegangen worden : nach N.W. (Palästra und Gymnasiongraben), nach W. (N. und W. der byz. Kirche) und nach S.W. (Südwest- graben).

Das Gebiet im N. der byz. Kirche hatte seine Marmorfunde bereits in den letzten Monaten des vorigen Arbeitsjahres hergegeben. Hier galt es vorerst, die letzten Reste späterer Ueberbauten zu beseitigen und den antiken Boden völlig frei zu

legen. Innerhalb der mannigfachen antiken Anla- gen, die hier zu Tage traten, machten wir einen ganz eigenartigen Fund, einen viereckigen, stuckir- ten und bemalten Aschenaltar. Er stand innerhalb eines kreisrunden Gemaches, mit der Rückwand an die Nordseite desselben gelehnt. Die Aschenerde, aus der das ganze Innere des Altars besteht, war zuerst mit einer rohen Kalkschicht und dann mit einer ganzen Menge von Stucklagen wir zählen deren über 20 successive umgeben worden. Auf mehreren derselben Hessen sich Malereien unter- scheiden; am besten erhalten ist auf der rechten Seite ein grüner Oelzweig mit braunen Stengeln auf weissem Grunde. Die Kanten sind roh abge- schrägt. (H. 40 Cm., Br. 60, Tiefe 40.) Auf und in demselben fanden sich zahlreiche Kohlen- und Thierknochen-Reste.

Von der Palästra ist jetzt der ganze südliche Theil freigelegt. Die späten Mauern, welche ihn durchziehen, haben auch hier Giebel- und Metopen- fragmente geliefert. Unter den ersteren namentlich die Unterbeine der weiblichen Ortsgottheit aus der linken Ecke des Westgiebels und, zu unserer nicht geringen Verwunderung, auch ein grosses Stück von den Hinterbeinen der Reliefpferde aus der nörd- lichen Hälfte des Ostgiebels. Es ist dieses das erste Ostgiebelfragment, das wir in den Westen verschleppt gefunden haben. Unter den Metopen- fuuden ist besonders der Kopf des kretischen Stiers hervorzuheben, der sich dem Bruche des Halses in der pariser Metopenplatte genau anfügt. Der rö- mischen Epoche scheint die lebensgrosse Statue eines nackten, ruhig dastehenden Mannes anzuge- hören, deren Bruchstücke wir hier überall zerstreut gefunden haben. Sie sind leicht an einem blendend weissen, überaus feinkörnigen Marmor kenntlich, dessen sorgfältig polirte Oberfläche einigermassen an die Weise hadrianischer Zeit erinnert.

Jetzt sind die Trümmermauern, aus denen wir diese Skulpturreste hervorgezogen haben, überall gefallen und wir graben in tieferen Schichten zwi- schen den umgestürzten Schäften des Säulenhofes, welche von einer dicken Sandschicht umhüllt neben ihren Basen und Kapitellen noch so daliegen, wie sie ein Erdbeben hingeworfen.

Hand in Hand mit dieser Freilegung der Pa- lästra gingen Aufräumungen vor der Ostwand der- selben und im S. des Prytaneions, Durchsuchungen von späten Mauern und Tiefgrabungen. Die erste- ren ergaben vor Allem ein besonders werthvoUes Stück, das Vordertheil eines nach 1. schreitenden,

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Berichte aus Olympia.

lebhaft bemalten Reliefpferdes aus Kalkstein. Dop- pelt wertbvoU, weil es zu jenen früher gefundenen Kalksteinreliefs gehört, die wir jetzt mit der grössten Wahrscheinlichkeit den Götter- und Gigantenkämpfen im Giebel des Megareer-Schatzhauses zuweisen kön- nen. Daneben fanden sich die Fragmente eines räthselhaften grossen Geräthes aus gebranntem und bemaltem Thon. Das Ganze sieht einer Gefäss- mündung von bedeutenden Dimensionen (Höhe ca. 70 Cm.) am ähnlichsten, kann aber einem Gefäss schon deswegen nicht angehört haben, weil es nach unten offen ist und die runde Mittelöfifnung bei einem Durchmesser des ganzen Mündungstellers von ca. 1,80 M. nur etwa 10 Cm. beträgt. Vielleicht ist an einen Opfertisch oder dergleichen zu denken; jedenfalls haben wir etwas ganz Eigenartiges und Neues vor uns. Die tieferen Schichten ergaben wie gewöhnlich Bronzen, darunter einen grossen Kessel und ein alterthümliches Inschriftplättchen.

Ein noch weiter nach N.W. dui'ch die terra in- cognita des grossen olympischen Gymnasiums ge- zogener Graben ist erst in die Gegend der hoch- gelegenen späten Trttmmermauern hinabgestiegen, so dass nur von vorläufigen Funden in demselben die Rede sein kann. Der bedeutendste darunter ist das Obertheil eines sehr schön gearbeiteten weibl. Porträtkopfes der römischen Epoche.

Wie hier den N.W., so haben wir schon im vorigen Jahre den ganzen S.W. des olympischen Gebietes mit einem mächtigen gegen 7 M. tiefen Graben durchschnitten. Von den grossen architek- tonischen Ueberraschungen, die er uns gebracht, wird anderswo die Rede sein. Auf die Frage nach den fehlenden Giebeltheilen lautete seine Antwort lediglich negativ. Archäologische Funde hat der- selbe überhaupt fast nur in seinem N.O.-Ende ge- bracht, wo die Reste von Erzstatuen aus römischer Zeit umherlagen, und dicht am s.w. Altisthor, wo wir einen schön erhaltenen Bronzediskus mit der Weih- inschrift eines korinthischen Fünfkämpfers aus der 255. Olympiade (245 n. Chr.) auflasen. Olympia, den 1. Januar 1880.

Georg Treu.

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Galt die 4. Ausgrabungsperiode besonders dem 0. und S.O. Oiympias, so wurde die laufende 5. der Freilegung des ganzen westlichen Theiles bestimmt.

Schon jetzt haben wir auf dieser Seite eine statt- liche Reihe wichtiger Bauten ausgegraben, welche fast den ganzen Raum zwischen der Altis und dem

Kladeos einnehmen. Sie liegen ausserhalb des hei- ligen Bezirkes an einer breiten Strasse, welche neben der westl. Altismauer herläuft und von der zwei Thore das Betreten der Altis gestatteten. Das nörd- lichste dieser Gebäude ist die schon vor 2 Jahren aufgefundene Palästra; weiter südl. folgt ein Ge- bäudecomplex, der sich um den antiken Unterbau der byzantinischen Kirche höchst wahrscheinlich die Werkstatt des Phidias gruppirt; den südl. Abschluss bildet das grosse Gymnasion.

Am Schlüsse der letzten Campagne waren wir westl. vom Altiswestthore auf eine ionische Säulen- halle gestossen, deren Ausdehnung nicht mehr fest-, gestellt werden konnte. Die diesjährigen Grabun- gen haben nun ergeben, dass dieselbe zur äusseren Halle einer sehr stattlichen, aus dem 4. Jahrh. v. Chr. stammenden Bauanlage gehört, die schwerlich etwas anderes sein kann , als das grosse Gymnasion von Olympia. Obgleich erst ein kleiner Theil des Gebäudes freigelegt werden konnte, sind wir doch über seine Ausdehnung und im Allgemeinen auch über seine Grundrissbildung unterrichtet: einen in- neren quadratischen Hof von ca. 30 M. Breite um- giebt eine dorische Säulenhalle, an die sich auf allen Seiten eine doppelte Reihe von grösseren und kleinereu Räumen anschliesst. Rings um das Ganze legt sieh eine nach aussen geöffnete ionische Säulen- halle, welche der Anlage ein prächtiges Aussehen verlieli. Die dorischen Säulen des Hofes, schon mit fast geradlinigen Echiuen, haben sehr weite Abstände, so dass auf jede Axe drei Triglypheu kommen. Von diesen sind zahlreiche Exemplare vorhanden. Die dorischen Geisa, welche noch schöne Farbenspuren zeigen, waren mit sehr edel gezeichneten Akroterien aus Terrakotta bekrönt. Die äussere, den Oblongbau umkreisende Halle war abgewickelt über 300 M. lang und besass 138 ionische Säulen. Hir Architrav ist aus zwei Fascien gebildet und trägt unmittelbar das Geison, welches mit einer prächtigen Rankensima aus Thon ge- schmückt war. Ausser diesen dorischen und ioni- schen Stützcnstellungen enthielt der Bau im Innern höchst interessante korinthische Säulen mit bemalten Kelchkajiitcllcn, deren glatte Fassung an ägyptische Kapitelle erinnert. Das Gebäude ist verhältniss- mässig gut erhalten : die unteren Theile der Wände und die Basen der sämmtlichen ionischen Säulen stehen noch an ihrer alten Stelle; dagegen sind die Säulentrommcln, die Kapitelle und die Gebälke in byzantinischer Zeit abgebrochen und zum Bau der grossen Festungsmauer verwendet worden. Diese

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Verpflanzung hat die einzelnen Rauglieder, zum Theil mit ihrem Farbensclimuke, vor weiterer Zer- störung bewahrt.

Dass diese Anlage, deren Grundfläche annähernd ein Quadrat von 80 M. Seitenlänge bildet, eines der bedeutendsten Gebäude von Olymjiia gewesen sein muss, ist zweifellos. Da ferner der Grundriss, so- weit wir ilm kennen, mit der Vitruvisehen Beschrei- bung eines griechischen Gymnasion übereinstimmt, so glauben wir das von Pausanias mehrmals er- wähnte grössere Gymnasion gefunden zu haben. Allerdings haben die meisten Topographen, den An- gaben jenes Schriftstellers folgend, das Gymnasion weiter nach N. verlegt, doch ist einerseits in dieser Gegend bis jetzt keine Spur eines grösseren griechi- schen Gebäudes aufgetaucht und andererseits lassen sich jene Angaben ohne besonderen Zwang mit der Lage des neu gefundenen Gebäudes vereinigen.

Ein zweites neues Gebäude ist im N. der byzan- tinischen Kirche aufgedeckt worden. Es besteht aus einem quadratischen Säulenhofe von 8 dorischen Säulen an jeder Seite, um den sich eine Reihe ein- zelner Zimmer gruppirt. In der Axe des Hofes liegt westl. ein kleinerer Peristyl, dessen Seiten von je 2 Anten und 2 Säulen gebildet werden; einige Säulenstümpfe stehen noch aufrecht und zwi- schen ihnen haben sich Schranken aus Porös er- halten. Der Peristyl umschliesst einen runden mit Porosquadern ausgemauerten Brunnen, der jetzt nach erfolgter Reinigung wieder reines Wasser liefert.

Westl. von jenem Brunnenhofe trat sodann ein merkwürdiger Rundbau au das Tageslicht. Hoch- kantig gestellte Porosquadern bilden einen Kreis von 8 M. Durchmesser, der von einer zweiten qua- dratischen Quadermauer umgeben ist, so dass der Bau im Innern rund, im Aeusseren aber viereckig erscheint. In diesem Rundbau fanden wir den treff- lich erhaltenen, noch mit Asche bedeckten Altar, welcher im vorigen Berichte erwähnt ist.

Von der nördl. belegenen Palästra kannten wir bisher nur den nordöstl. Quadranten und die Um- fassungswände; nach Freilegung der ganzen südl. Hälfte während der Monate November und De- cember ist die Grundrissdisposition vollständig ge- sichert. Die Mitte füllt ein grosser Hof, der Vitruvs Beschreibung entsprechend an der Südseite mit einer doppelten, an den übrigen Seiten mit ein- fachen Säulenhallen umgeben ist. An diese Um- gänge schliessen sich mehrere grosse Säle und ein- zelne kleine Zimmer an, deren Bestimmung sich zwar nicht überall, aber doch in mehreren Fällen

noch gut nachweisen lässt. Ausser einem Räume, der, weil er ein Bassin enthält, gewiss als Bade- zimmer gedient hat, finden wir namentlich viele Säle, in welchen schön profilirte Sitzbänke aus Porös an den Wänden angebracht sind; wir dürfen in iimcn ohne Zweifel Hörsäle für Vorträge er- kennen. In mehreren dieser Exedren, die sich nach dem Peristyle hin mit ionischen Stützenstel- lungen öffnen, sind Basen für Statuen noch in situ aufgefunden worden.

Neben diesen umfangreichen Anlagen haben uns die bisherigen Grabungen werthvoUe Ergänzungen zu melireren schon früher gefundenen Bauten ge- liefert:

In der Cella des Heraion standen in römischer Zeit 2 Reihen dorischer Säulen, welche den Innen- raum in drei Laugschiffe theilten. Die ursprüng- liche Einrichtung war anders. In ähnlicher Weise, wie es der Apollotempel bei Phigalia zeigt, waren an den Längswänden der Cella weit vorspringende Wandpfeiler vorhanden, welche vorn in Antenform beendigt waren. Dadurch entstand an jeder Seite der Cella eine Reihe kapellenartiger, zur Aufstellung von Weihgeschenken vorzüglich geeigneter Nischen. Besonders bemerkenswerth ist dabei, dass diese kur- zen Querwände mit den äusseren Tempelsäulen axial stehen und zwar so, dass die Kapellen stets eine doppelte äussere Axenbreite besitzen. Diese genaue Uebereinstimmung des inneren und äusseren Systems kann unmöglich erst bei einem späteren Umbau ent- standen sein, sondern war schon in dem ursprüng- lichen Plane des Tempels vorgesehen. Daher ist die auffallend weite Axenstellung der Pterousäulen (fast 3 untere Durchmesser) als von dem ältesten Bau herrührend gesichert. Zieht man hierzu die früher erwähnten Eigeuthümlichkeiten des Heraion (die Verschiedenheit der Säulen und der Kapitelle, sowie das gänzliche Fehlen der Gebälkstücke) in Betracht und erwägt man, dass die G'/^ M. breiten Kapellen der Cella unmöglich mit Steinarchitraven überdeckt worden sein können, so kann man sich der Ansicht nicht verschliessen, dass das Heraion in seiner jetzigen Gestalt noch der ursprüngliche Bau ist, dessen Gebälk und äussere Säulen aus Holz hergestellt waren. Die letzteren sind im Laufe der Jahrhunderte allmählich durch die verschiedenartig- sten dorischen Steinsäuleu ersetzt worden, und nur eine Säule im Opisthodom, welche den zerstörenden Einflüssen der Witterung am wenigsten ausgesetzt war, bestand noch zu Pausanias Zeit aus Holz. Das alte hölzerne Gebälk der Aussenfagaden, welches

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Berichte ans Olympia.

durch das weit überhängeude Geisou und durch einen Farbeniiberzug geschützt war, ist höchst wahr- scheinlich bis zur gänzlichen Zerstörung des Tempels (im Jahre 395 oder 426 n. Chr.) erhalten geblieben. Wie ausserordentlich wichtig diese am Heraion ge- wonnenen Erkenntnisse für die Entwickelungsge- schichte des dorischen Baustiles sind, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.

Von geringerer Wichtigkeit, aber doch nicht ohne Interesse ist die Auffindung korinthischer Säulen, welche in der Cella des wahrscheinlich aus dem 4. Jahrh. v. Chr. stammenden Metroon gestanden haben. In römischer Zeit, bei der grossen Restau- ration des Metroon, wurden die Kapitelle leider durch theilweises Abschlagen der Blätter und durch eine rohe Ueberputzung in dorische verwandelt, so dass ihre ursprüngliche Fassung schwer erkenn- bar ist.

Werthvolle Ergänzungen sind dem Schatzhause der Megarer, dessen Bausteine in die byzantinische Mauer verbaut waren, zu Theil geworden. Die bei- den Säulen des im Schema eines Anten-Tempels er- bauten Schatzhauses, die Architravbalkeu, von denen der mittlere die Aufschrift Msyaqkov trägt, die Tri- glyphen und Metopen, die roth und blau bemalten Geisa, die Giebelblöcke, sowie die schönen Thon- simen sind fast vollständig gefunden worden. Da der Bau aus sehr früher Zeit stammt und da sein Giebel mit den in der vorigen Campagne gefunde- nen Reliefs, einen Gigantenkampf darstellend, ge- schmückt war, so wird er unter den wenigen alt- dorischen iiauteu Griechenlands fortan eine sehr bevorzugte Stellung einnehmen.

In Bericht 38 war gesagt worden, dass die Echo- halle wahrscheinlich ionischen Stiles gewesen sei. Eine genaue Untersuchung des in gewaltigen Massen vorhandenen verschiedenartigsten Baumateriales hat aber ergeben, dass die dorischen Säulen, Architrave, Triglypheu und Geisa, welche den Ilauptbestandtheil der östl. byzantin. Festungsmauer bilden, der Echo- hallc angehört haben. Jene frühere Angabe muss hiernach bericlitigt werden. Der Bau war ursprüng- lich einschiffig gestaltet; mächtige Holzbalken, deren Auflager an der Innenseite der Triglyj)lien noch er- halten sind, überdeckten den 10 M. tiefen Raum. Erst in der späteren römischen Zeit ist bei einer nothwendigen Restauration und zur Verminderung der Spannweite eine mittlere StUtzcnstellung nach- träglich hergestellt worden.

Olympia, den 1. Februar 1880.

Wilhelm Dörpfeld.

41.

Die Fundamente des grossen Zeusaltares, ein aus- gezeichneter archaischer Marmorkopf, zwei römische Bildnissköpfe, das ergänzende Untertheil eines uralten Eumenidenidols, grosse Stücke der Hydrametope, Fragmente der Giebelgruppeu und der Nike, zahl- reiche Inschriften, massenhafte Bronze- und Terra- cottafunde in der Urschicht des olympischen Bodens, endlich die Reconstruktion des Gigantenkampfes am Megareerschatzhause das sind die Ergebnisse der letzten Wochen.

Der archaische Marmorkopf ist fast lebensgross und von einem zurückgeschobenen korinthischen Helm bedeckt, unter dessen Schirme drei Reihen archaischer Spirallöckchen hervorquellen. Zwei die- ser Reihen waren besonders gearbeitet und eingesetzt; ebenso die schräg gestellten, jetzt fehlenden Augen. Das breite, bärtige, alterthümlich lächelnde Gesicht steht etwa auf der Kunststufe der Aeginetenköpfe. Von diesen jedoch uutersclieidet es sich sehr be- stimmt durch die Behandlung der breit hervorstehen- den, fleischigen Wangen, den weichen und vollen, etwas schief stehenden Mund, durch einen Naturalis- mus in der Wiedergabe der Lippenhaut, der bei einem so alten Kunstwerke geradezu in Erstaunen setzt und wunderlich mit der alterthümlichen Ge- sammtanlage kontrastirt. Es kann nach alledem keinem Zweifel unterliegen, dass wir ein Portrait und zwar aus der letzten Zeit des 6. oder der ersten des 5. vorchristl. Jahrh. aufgefunden haben.

Die Vernachlässigung von Ohr, Kinnlade und Hals an der 1. Seite beweist, dass diese Partien dem Auge des Beschauers ursprünglich entzogen waren; am wahrscheinlichsten wohl durch einen Schild, dessen Rand bei ruhiger Armhaltung ge- rade in diese Höhe hinaufgereicht haben müsste. Nun findet sich unter unsern früher ausgegrabenen Fragmenten ein solcher schildbewehrter Arm und zwei Schildfragmente, die in Marmor, Proportionen und Stileigenthümlichkeiten so genau mit unserm Kopfe übereinstimmen, dass man an der Zusammen- gehörigkeit nicht zweifeln kann. Auf dem Schild- reste am Arme und einem der übrigen Fragmente lässt sich auch noch das Relief des Schildzeicheus erkennen: Phrixos, der auf goldwolligem Widder über die Fluthen reitet. Dieses Emblem hilft uns Arm und Kopf mit grösster Wahrscheinlichkeit einem der Siegcrbilduisse zuzuweisen, die Puusanias be- schreibt. Er erwähnt nändich G, 17, 6 die Statue des Eperastos, der im Waffenlauf gesiegt hatte, also wahrscheinlicii mit Helm und Schild dargestellt war.

Berichte aus Olympia.

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In seiner Inschrift vülimte er sich, „aus dem Ge- schleclitc heiligredender Kiytiaden und ein Seher aus dem Gebliite göttergleicber Melampodideu" zu sein. Melam])us aber ist ein Neffe des Phrixos und ein Vetter des Jason, gehört also jenem minyschcn Ge- schlechte thessalischer Aioliden an, auf dem der volle Glanz der Argonautensage ruht. Eine natür- lichere Erklärung für jenes Sciiildzeiclien wird sich schwerlich finden lassen: es ist ein stattliches Wap- penbild, das Eperastos am Ehrentage seines Sieges trug ; ein Ahnenbild, das die stolze Genealogie der Weihinschrift noch weiter hinaufführt.

Auch der Fundort von Arm und Fuss unserer Statue denn auch diesen besitzen wir walir- scheinlich stimmt zu dieser Annahme vortreff- lich. Wie Fausanias vom Leonidaion kommend und zum grossen Zeusaltare gehend das Bildniss des Eperastos in der Nähe des Gorgias stehen sah, so haben wir die Glieder des einen und die Basis des anderen zwischen Leonidaion und Zeusaltar nicht weit von einander vor der N.-O.-Ecke des Zeus- tempels wieder aufgefunden, gewiss auch unfern ihres ursprünglichen Standortes. Der Kopf freilich war in den N.-W., in die Nähe des Pelopionthores verschleppt worden, wo er in einem mit Ziegel- und Porosbrocken gefüllten Loche liegen blieb.

Von den römischen Portraitköpfen erinnert der eine an die Züge des jugendlichen Augustus; der andere, welcher sich einer Gewandstatue aus der Exedra aufs genaueste einfügt, stellt die jüngere Faustina dar. Dort steht auch noch die Basis mit der Weihinsclirift des Herodes Atticus. Die Ge- mahlin des Marc Aurel erscheint in dieser Statue von einem jugendlich anmuthigen fast mädchen- haften Reiz, wie kaum sonst in ihren zahlreichen Bildnissen. War sie hier doch als ganz junge Frau dargestellt, wie man aus den Inschriftbaseu ihrer zugleich aufgestellten beiden ältesten Kinder mit Hecht geschlossen hat.

Aus den späten Mauern über der Echohalle zo- gen wir das Untertheil jenes ägj'ptisirenden weib- lichen Idols hervor, dessen im 30. Bericht Erwäh- nung getliau ist (Ausgr. IV. Taf. 17). Es wird durch diesen neuen Fund noch merkwürdiger; denn nun erweist sich, dass die säuleuartig starr dastehende Göttin mit beiden eng am Körper anliegenden Hän- den je eine Schlange am Halse gepackt hielt. Wir besitzen in ihr somit die älteste aller Eumeniden- darstellungen.

Ganz in der Nähe dieses kostbaren Stückes fan- den wir ein grosses Fragment vom Mantel der Nike

Archiiolog. Ztg., Jahrg. XXXVHI.

des Paionios, das durch mannigfaclie Anfügungen früher gefundener Fragmente zu einer Höiie von ca. 50 und einer Breite von ca. 90 Cm. angewaciisen ist. Wie das Gewand angeordnet war, das im Rücken der Göttin in gewaltigem Bogen sich bauschte, ist leider eine noch ungelöste Frage. Das neue Stück bringt mit der Ausfüllung einer grossen Lücke neue Rätlisel durch Nachweis eines Gewandansatzes an der Innenseite des Mantels.

Die Giebelgruppen des Zeustempels, besonders die westliche, haben in dieser Zeit wiederum neuen Zuwachs an ergänzenden Gliedmassen, Kürperfrag- menten und Faltenstücken erhalten; von den Me- topen aber ist uns eine fast ganz neu gewonnen, die mit dem Hydrakampfe des Herakles.

Ein riesiger Schlangenleib wälzt sich von 1. her in wulstigen Windungen durch die ganze Metope und bäumt sich am r. Rande derselben hoch empor. Wohl ein Dutzend Schlangenbälse entspriessen ihm hier, sich bald kampfesmuthig emporreckend, bald todt daliegend. In diese tritt Herakles von 1. her hinein, mit der L. einen derselben packend. Er- legte Sclilangenbälse und abgeschnittene Köpfe um ihn herum zeugen von gethaner Arbeit. Uebrigens besitzen wir vom Herakles bis jetzt wenig mehr als den Torso. Die Aehnlichkeit mit der entspre- chenden Theseionmetope ist unverkennbar; nur fehlt lolaos. Doch während dort im Sinne einer vorge- schrittenen Kunstübung aller Nachdruck auf die Be- wegung des hastig lierbeieilenden Helden gelegt ist, verweilt unser Künstler mit alterthümlicher Breite bei der Schilderung seines grotesken Ungethüms, dessen Schlangenkuäuel fast Dreiviertel der Metope einnimmt. Dass sich ein ähnliches Zusammentreffen der Motive bei fundamental verschiedener Behand- lungsweise auch in den Metopen mit dem Eber, den Diomedesrossen, dem Kerberos und theilweise auch dem Geryoneskampfe nachweisen lässt, giebt zu denken. Ueberall wird man die olympischen Me- topen noch von der älteren Weise gebunden finden. Am Reliefgrunde der Hydrametope hat sich mehr- fach ein lebhaftes Roth erhalten. Um so auffallen- der war es uns, als wir die untere Hälfte der jMe- tope mit den Beinen des kretisclien Stiers ausgruben, am Fond reichliche Spuren eines leuchtenden Blau zu finden, von dem sich der Stierkörper rothbraun abhob.

Nicht neu gefunden, aber doch gleichsam neu gewonnen ist uns jetzt der Götter- und Giganten- kampf aus dem Giebel des Megareerschatzhauses, nachdem es uns gelungen, denselben aus den im

7

50

Berichte aus Ol

yiiipia.

vorigen Jahre iu der bjzantinisclien Westmauer ge- fundenen Eeliefbrucbstücken so weit wiederherzu- stellen, dass sich über diese älteste aller auf uns gekommenen Giebelkompositioneu jetzt mit völliger Sicherheit urtheilen lässt (vergl. auch Bericht 29 und „Ausgraljungeu" Band IV. Taf. 18 und 19). Den 5,80 breiten und 0,73 11. hohen Giebelrahmen füllten Kämpferpaare und 2 Eckfiguren, also im Ganzen 12 Gestalten. Die Jlitte nahmen Zeus uud ein Gi- gant ein, der verwundet ins Knie gesunken ist (Taf. 18). Er, wie alle seine Genossen, sind nach der Weise der älteren Kunst in voller Waffenrüstung gebildet. Eechts folgten, den Giebelecken zugewandt, Herakles mit einem gestürzten Giganten und Ares kniend, ebenfalls mit einem zu Boden gestreckten Gegner vor sich (Taf 20 b). Die Ecke nahm ein gefallener Gigant ein, dessen behelmter Kopf den äussersten Winkel füllte. Links, in strenger sym- metrischer Entfernung ebenfalls zwei Kämpferpaare. Zeus zunächst wahrscheinlich Athena und ihr Geg- ner; sodann Poseidon und ein erlegter Gigant. Aus der linken Ecke heraus kommt dem Gotte ein See- thier zu Hülfe. Von diesen Gestalten besitzen wir noch 9 mehr oder weniger vollständig; drei (Zeus, Atheua und den gefallenen Giganten der r. Ecke) nur in unbedeutenden Besten, was bei dem weichen Kalkmergel dieser Reliefs und der barbarischen Art ihrer späteren Vermauerung nicht zu verwundern ist. Immerhin ist genug übrig, um zu zeigen, wie die Kindheit der Kunst unsere Gruppe stammt etwa aus der Mitte des 6. Jahrh. und walirschein- lich aus der Schule des Dipoinos und Skyllis dergleichen Aufgaben in engem Kaume uud mit be- schränkten Mitteln zu lösen suchte. Hier haben wir die ersten Anfänge jener unausgesetzten Bemühun- gen vor uns, welche die griechische Kunst einst zu jenen vollendeten Leistungen hinaufführen sollten, die wir jetzt am Gigantenaltar von Pergamon be- wundern.

Georg Treu.

42.

Eine reichere und mannigfaltigere Ernte als dieses Mal haben unsere Berichte selten zu ver- zeichnen gehabt. Wir danken dieses vor Allem unserm Kaiser, dessen Munificenz es ermöglichte, die Zahl der Arbeitskräfte fast bis zur doppelten Höhe zu steigern, um den nahen Abschluss der Ausgrabungen zu einem voUständigeu und würdigen zu gestalten. Vor allem ist der Kopf des Dionysos- knäbleins gefunden, das der praxitelische Hermes auf seinem Arme trägt. Es ist dies ein ganz be-

sonderer Glücksfall. Alle andern noch fehlenden Theile der Gruppe, mit Ausnalime etwa der rechten Hand, hätten wir allenfalls noch verschmerzen kön- nen; dieser allein wäre für uns völlig unersetzlich gewesen. Keine moderne Phantasie, kein verglei- chendes Studium hätte uns zu zeigen vermocht, in welcher Weise Praxiteles einen Kinderkopf gebildet haben müsste. Man durfte auf die Lösung dieses Problems um so mehr gespannt sein, als es be- kannt ist, wie spät erst die griechische Kunst die Schwierigkeit der Kinderdarstellung vollständig über- windet. Dass das Dionysosknäblein für sein Alter zu klein gebildet, ja überhaupt als Nebenwerk be- handelt sei, wohl um den Hermes um so melir als Hauptfigur der Gruppe wirken zu lassen, erfährt nun eine weitere Bestätigung. Wenn die Propor- tionen das Auge auch nicht überall ganz kinder- haft anmuthen und die Einzelbildung des Gesichts hinter dem Hermes unleugbar ein wenig zurück- steht, so geniessen wir dafür die Bewegung erst jetzt völlig in dem Eeize echt kindlicher Lebens- äusseruug. Als wir am Nachmittag des 27. März das Köpfchen über 80 M. von dem ursprünglichen Standorte der Gruppe ausgegraben hatten, da war es vor Allem die Lebhaftigkeit der Bewegung in der Kindesgestalt, deren überraschender Wirkung sich keiner von uns entziehen konnte. Die Be- schädigungen, welche der Kopf erlitten, sind nicht erheblich, da dieselben sich meist an der rechten, dem Beschauer abgewandten Kopfseite befinden, die linke Seite ist verhältnissmässig gut erhalten.

Den Berieht über die Metopeufunde beginnen wir mit der Besprechung des Herakleskopfes aus der Metope mit dem nemeischen Löwenkampt'e. Bei der Aufräumung und Reinigung des Zeustcmpel- Stylobates erwies sich eine der Stylobatquadern als verschoben; wie es scheint, hatte man den Versuch gemacht, dieselbe fortzuschaffen und dabei jenen Kopf als den nächstliegenden Stein zur Stütze unter- geklemmt. Es muss dies ziemlich bald nach dem Sturze der Metopen geschehen sein, da der Kopf bei dieser Gelegenheit zwar die Spitzen von Nase, Lipi)en und Kinn eiubüsste, dennoch aber als der einzige von allen bisher aufgefundenen Köpfen sicii die Bemahlng von Haar und Augen erhal- ten hat. Sie ist nach dem sacliverständigen Ur- theil unseres Gastes des Herrn Prof. Zimke aus Marburg anscheinend in englisch Roth (Eisenoxyd) hergestellt, und an dem grössten Theil des Haares, den Augenbrauen, den Liderrändern und dem Stern des r. Auges in lebhaften uud reichlichen Resten

Berichte aus Olympia.

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zu constatireu. Die Gesicbtsh.aut dagegen ist auch hier weiss und glatt, während das Haar rauhere Oberfläche zeigt. Dass der Kopf aus der Löwen- metope stammt, geht unwiderleglich daraus hervor, dass seine Wange auf die rechte, noch erhaltene Hand gestützt ist. Diese Stellung findet einzig in dem Pariser Bruchstücke des genannten Keliefs ihre Erklärung, aus dem hervorgeht, dass Herakles nach 1. gewendet neben dem erlegten Löwen stand und den r. Fuss auf dessen Leib setzte. Der r. Ellen- bogen wird sich auf den Schenkel gestützt haben. Es ist ein schöner und, so weit wir sehen, unserm Künstler ganz eigenthümlicher Gedanke, den Hel- den nach seinem ersten Siege in dieser ausdrucks- vollen Duldergeberde darzustellen, als gedächte er aller der Kämpfe und Gefahren, die ihm noch be- vorstehen. —

Unter den neu gefundenen Giebelköpfen ist der schönste der der knieeuden Lapithin aus der linken Giebelhälfte. Die Geberde, mit der sie ihr Haupt tief auf die Brust niederbeugt, um sich vor der Umklammerung des Kentauren zu schützen, der sie mit seinem Hinterbeine festzuhalten sucht; die vollen, grossen Gesichtsformeu, das gelöste Haar, welches das Haupt iu gedrängter Fülle umflattert, alles dies ist in monumentaler Grösse und Strenge der Auf- fassung zu packender Wirkung gebracht. Von der einzigen noch fehlenden Gestalt des West- giebels, dem Theseus, ist wiederum ein kleines Fragment, eine Hinterkopflamelle zum Vorschein gekommen. Man könnte dies als ein böses Omen nehmen; allein wie wenig wir auf die Hoffnung zu verzichten brauchen, zerschellte Köpfe allmä- lig zusammenzufinden, also z. B. auch der Paio- uios-Nike ihr Antlitz wiederzugeben, hat uns wieder

der Fund von dem Gesichte des knabenraubenden Kentauren gelelirt (20. März). Auch von diesem hatten wir bereits früher Hinterkopfstücke gefunden. Das Gesicht aber ist uns dennoch gerettet worden, und zwar dadurch, dass ein später Ansiedler der Gegend im S. des Philippeions das Grab seiner Angehörigen unter seiner Hütte mit einer zweiten Deckschicht aus Ziegelsteinen, Porosbrocken und Marmorfragmenten versah, in die er auch dieses Kopfstück mit einflickte. Es ist eins der charak- teristischsten Kentaurengesichter mit wirrem, kurzem Haar, niedriger, gefurchter Stirn und dem Ausdruck thierischer Wildheit in den Zügen.

An demselben Tage wie den eben gemeldeten thateu wir noch den Fund einer überlebensgrossen ApoUonstatue römischer Zeit. Ueber die feineren Stilnüancirungen wird sich erst nach Auffindung des Gesichts, der Unterarme und Unterbeine urtheilen lassen. Der von einer Chlamys locker umgebene 1. Arm hielt eine Leier, die Rechte also wolil ein Plektron. Das Haupt schmückte ein Metallkranz; die sonst üblichen Schulterlocken scheinen gefehlt zu haben.

Unsere übrigen plastischen Funde bestehen aus einem überlebensgrossen nackten männl. Torso rö- mischer Arbeit und dem Körper eines Satyrknaben, der, au einen Baumstamm gelehnt, die Flöte bläst, auch dies eine mittelmässige römische Wiederholung eines bekannten Typus. Wichtig ist der Fund eines fast lebensgrossen, leider aber sehr beschädigten Terrakottakopfes, der in Darstellung und Stil grosse Uebcreinstimmung mit dem Haupte des Heraion- kultbildes zeigt.

Olympia, den 2. April 1880.

Georg Treu.

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INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.

334.

Block aus parisc-hem Marmor, 0,4S lang, 0,308 breit, 0,17 hoch. Rechte Seitenfläche gebrochen; Vorderfläche und linke Seiteuflüche glatt bearbeitet, die Rückseite nur mit dem Spitz- hammer (Anschlus.-fläche): die Oberflüche ist rauh vorgearbeitet, vermuthlich zu spaterer Verwendung. Gefunden im Südwest- graben am 19. December 1S79, verbaut in eine der späteren Ziegel- mauern, 12, .50 M. westlich von der 5. (von N. gerechnet) Ost- säule des grossen Südwestgebäudes. Abschrift von Furgold.

„Der letzte Buchstabe ist so zerstört, dass sich Bcht entscheiden lässt, ob die zwei noch erkenn- baren Vertiefungen von einem A oder A herrühren oder zufällige Verletzungen sind; in anderer Be- leuchtung schienen schwache Umrisse eines O dar- über sichtbar sein." K. Purgold.

Ja/xdyTjTOs Jiayöqa, Ob am Ende noch ein Buchstabe gestanden hat, muss nach den vorste- henden Angaben von Purgold dahingestellt bleiben. Doch wäre die Form Jiayoqao für den Dialekt und die Entstehungszeit dieser Inschrift buchst auffal- lend, da auf dorischem Gebiet diese Genetivforra (natürlich abgesehen von metrischen Inschriften) nur in einer uralten Grabschrift von Melos (Hermes II, p. 454; Kirchhoff, Studien zur Gesch. des gr. Alph.'

p. 57) vorkommt, während das Denkmal der Nach- kommen des Diagoras von Rhodos, das Pausanias VI, 7,1 erwähnt und zu dem dieser Block gehörte, am Ende des fünften Jahrhunderts vor Chr. errich- tet sein muss. Ueber die Bedeutung des Fundes für die Baugeschichte bemerkt Herr Dr. Purgold Folgendes: „Da Pausanias die Reihe der Ehren- statuen dieses rhodischen Geschlechts noch unverletzt sah, gewährt die Verwendung derselben in jener Mauer einen chronologischen Anhaltspunkt für die Entstehung der späteren Einbauten in die Südwest- halle, deren Ziegehverk trotzdem nach dem Urtheil der hiesigen Architekten zu dem besten in Olympia erhaltenen gehört." Dazu fügt Herr Dr. Treu noch einige Bemerkungen über den Aufstellungsort der Diagoridengruppe: „Ursprünglich wird die Dama- getosbasis mit denen der übrigen Diagoriden vor der Nordostecke des Zeustempels gestanden haben, ist also um etwa 230 Meter nach Südwesten ver- schleppt worden. Pausanias (VI, 7, 1) führt sie nämlich zwischen den Statuen des Kallias, Eukles und Eutiiymos (VI, 6, 1. 2. 4) einerseits und der des Hellanikos (VI, 7, 8) andrerseits auf, deren Basen wir sämmtlich im nordöstlichen Theil der byzanti- nischen Mauer, also ungefähr 35 Meter östlich von der Nordostecke des Zeustempels, wiedergefunden haben."

335.

Oberplatte einer Basis aus Kalkstein, gefunden am 1. März 1880 etwa 25 M. südlich vom Ostrande des Philippeion, verbaut in eine „Slavenmauer", lang 1,50, breit 0,87, dick 0,24. Der Stein ist an seiner vorderen Schmalseite und an den hinteren Hälften der Langseiten einfach profilirt, die Vorderhälfte der Lang- seiten zeigt Anschlussflächc. Hier setzte also jederseits ein Seiten- block an, an dem sich das Prolil fortsetzte. Die Unterseite des Blockes ist nur roh behauen und zeigt zwei rechteckige Dübel- löcher; die Oberfläche hat vorn an jeder Seite zwei Klaminer-

spuren zur Befestigung jener Seitenblöcke und drei grössere Ver- tiefungen zur Befestigung der darauf stehenden Statuengruppe. Die Inschrift steht auf dem 15 Centimeter hohen platten Ober- rande des vorderen Profils in regelmässigen, sorgfältig einge- hauenen Buchstaben. Am unteren Theil dieses Randes läuft, nach rechts ansteigend, eine schmale weisse Schicht, in welcher der Stein mehr verwittert und die Schrift daher nur noch zum Theil erkennbar ist. Purgold.

AAKEAAIMONI.QNO

l<|)V-ilON

T E S Y

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Y P A N N^^ -^

/kaaaikpathoeo

H E N O^N

.AEONTHZIONKATArArONTA

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lAAKAIAlAJAYSANTAFOTITOYSnOAlTAZ

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A Z A N T A

yfa-^EÖaijiim'uov o'i cfv[Y\6vztg vnn tuiv TVQ(ivt'\iiii'\ elg tccv naigida xai diaXvaavta nmi xnvg nnXttag

KaX).txQc'ciTj fyto^irnv yteovzraiov, ■Kazayayövta xai tlg tuv ctQyßg \evv\oiai\a7tOKa\Ta [arJaaajTa.

W. Dittenberger, Inschriften ans 01ym|iia.

53

Das interessante Denkmal gilt dem bekannten aeliäischen Staatsmann, der mehrere Jahrzehnte hin- durch als Haupt der römischen Partei eine einfluss- reiche und verhängnissvolle Rolle gespielt hat. Leontion als seine Heimat war bereits durch Polybius XXIV, 10, 8 bekannt, den Namen des Vaters er- fahren wir erst durch unsere Inschrift. Ueber die specielle Veranlassung zur Errichtung des Denkmals, die Rückführung der lakedämonischen Verbannten, die Kallikrates als Gesandter beim römischen Se- nat im Widerspruch mit seiner Instruction durch- setzte (180 V. Ch.) und dann als Strateg der Achäer (179 V. Ch.) zur Ausführung brachte, berichtet Po- lybius XXIV, 10-12 ausführlich.

336.

„Gelber Sandsteinblock 0,82 bieit, 0,36 dick. Ausgegraben schon in einem der ersten Jahre, am Ostende der Terrasse des Zeustempels, gerade vor der Mitte der Ostfront, südlich der Philesiosbasis. Oben hat der Stein Dübellücher; offenbar bildete er den Vorderblock einer Basis. Die Inschrift hat durch Cor- rosion gelitten; in Z. 5 glaubte ich ausser dem o bei günstiger Beleuchtung noch im Anfang die Spuren IAH (unter TTn) und unter dem A von 'OXvtmiu ein /\ wahrzunehmen." K. Purgold.

TIBEPIONKAAYAIONliPr

PIOYYION\EP5niANiKH SANTAOAYMTTIA TEePITT IT fl I T E A E I ri i llllllllllllllllllllllllll lllllllllllllllllll O IIIIIIIIIIIIHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII A u O A \ /// N I O Z A n O A A 5i N I O Y Y o 2: HAEI05:OKAITIBEPI05:///AYAIOS TONE AYTOYnATPftrinKAlEYEPrETI- THN All OAYMTTIßl

Tißegiov KXavSiov Tiß[E\ \ qiov vlov Negtova,

vixr/ I ßavTa 'Olv/.i7iia ts&qIti \ nio zslst'(()

^7iol^[iü]viog ^nokkwvtov vng \ 'Hlelog o xal Ttße- Qiog [Kl]av6iog \ xov eavTOv ncczQcova xal ev£Q- yi{rrj) I T}]v Jil 'Okv/tnici).

An dem zu n. 34 geführten Nachweis, dass die Angabe des Africanus von einem Wagensiege des Kaisers Tiberius in der 199steu Olympiade auf einer Verwechselung desselben mit seinem Adoptivsohn Germanicus beruhe, kann diese Inschrift durchaus nichts ändern. Denn der Ti. Claudius Ti. f. Nero derselben kann zwar nicht wohl ein

anderer sein, als der Kaiser Tiberius; aber eben diese Namen beweisen, dass die Errichtung des Denkmals nicht nur vor seinen Regierungsantritt, sondern sogar vor seine Adoption durch Augustus (2G. Juni 4 nach Chr.) fallen muss, der darin er- wähnte Sieg also spätestens Ol. 195 (1 n. Chr.) er- rungen sein kann. Nur insofern trägt unsere In- schrift zur Aufklärung über die Notiz in dem Ver- zeichniss des Africanus bei , als sie uns die Ent- stehung des Irrtliums begreiflich macht: Hatte der Kaiser Tiberius wirklich einst unter der Regie- rung seines Stiefvaters selbst mit dem Viergespann in Olympia gesiegt, während er dann als Kaiser (nach einer Unterbrechung von nur wenigen Olym- piaden) die hippischen Agone wieder einführte und nun seinen Adoptivsohn und präsumtiven Nach- folger in derselben Kampfart auftreten Hess, so lag eine Verwechselung dieser beiden Siege gewiss sehr nahe.

337.

„Basisblock aus gelblichem Sandstein, gefunden im Februar 1880 verbaut vor der Westfront der Echohalle, etwa in der Mitte derselben. Hohe 0,38, Länge 0,785; die Tiefe beträgt jetzt 0,60, doch ist der Stein an eiuer der Langseiten gebrochen. Von der Bronzestatue, zu welcher die auf der anderen Langseite befind- liche Inschrift gehörte, sind auf der Oberfläche die Standspuren erhalten, der linke Fuss trat ganz auf, der rechte nur mit der Vorderfläche und w.ir etwas zurückgesetzt. Dass diese Fläche jedoch nicht die ursprüngliche Oberseite ist, zeigt ein an der jetzigen Unterfläche an den drei erhaltenen Seiten herumlaufen- der, ungefähr 0,06 breiter, 0,025 hoch hervorstehender Rand; die vertiefte Fläche innerhalb desselben ist in der Mitte rauh ge- spitzt, an den Seiten geglättet. Der Stein war also ursprünglich Unterblock einer anderen Basis, in welcher auf seiner jetzigen Unterseite ein oberer Stein ruhte. Dass er in dieser früheren Ver- wendung ziemlich lange gedient hat, zeigen sowohl auf der jetzigen Unterseite als auf der Inschviftfläche zahlreiche, duri'h die dem K.alkstein eigene Verwitterung entstandene rundliche Löcher; au einigen Stellen ist deutlieh, dass der Steinhauer beim Eingraben der Buchstaben denselben auszuweichen suchte." K. Purgold.

AIOrENHSAIONYriOYE'l'ESIorNIKK

SASTOYSSAATTirTASOAYNTTlATTEN

TPAKlSTTYeiAAISlSeniATPISNEME

ATPlSKOiNONASIASAlSENNEAnOAI//

AlSHpAIÄTAENAprEIKAITOYSAOI

TrOY2lEpOYSKAIi:TE'{>ANEITA2Arß

NA2 Tr-AlIOAYNni:ß

„Zeile 3 hat an zweiter Stelle deutlich ein unter die Linie herabreichendes p gestanden, doch ist das Versehen durch eine Rasur verbessert."

54

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

JioyivT^Q, JiovvGiov 'Ecpaaiog, vixi] I aag xovq oalniaTag'0).vvTiia tcev \ räxig, Ilv&ia öig, la&iiua TQls,Nii.i£ 1 aTQtg,xoivdvidaiasöls,£vNea7i6l[Ei] \ dlg, "Hgata ev 'LiQyei, xal jovg loi \ novg hqovg xai aiecpavelTag äyco | vag n , Ju 'OXvvnup.

338.

„Basis aus, wie es scheint, pentelischem Marmor. Gefunden am 8. Januar 1880, in eine der ,,Slavenmauern- südlich der Zanes verbaut. Oben und unten mit einem an allen vier Seiten herumgeführten vorspringenden Profil versehen. Hijhe im Ganzen 0,75, Breite und Tiefe 0,55, das Inschriftsfeld 0,47—49 in nicht ganz regelmässigem Quadrat. Auf der Oberfläche verschiedene Vertiefungen, darunter die Spur des linken, nur mit dem Vorder- theil aufgesetzten Fusses, und vier tiefere unregelmässige Löcher."

K. Purgold.

PHTiAAX YreiAi

'Pijyi).).a 'Yyelu.

339.

Basis aus pentelischem Marmor, gefunden am 10. Februar 1880, etwa 20 Meter südlich vor der Mitte der Südfront des Heraion, nördlich dicht neben der Porös -Wasserleitung, die an der Nordseite des Pelopion entl.ang läuft, nicht in situ. Breite 0,53, Tiefe 0,43. Der obere Theil ist abgebrochen, das Inschrift- feld in einer Höhe von 0,65 erhalten, unten ist es durch einen vorspringenden Rand abgeschlossen, unterhalb dessen der Stein wieder gebrochen ist. Abschrift von Purgold.

-Tö^^O A YMTT I OR

YMNONAEISAi: \ EIAPYMAIBOYAHS fH^'ftOAYMTTIAAOS

[ jYffod 1 \rj!.i]og 'Olvf-iniov \ ifivov äelaag t'iÖQvi^ai ßovlrjg | rp'](p'{) 'Olvi-iTiiäöog.

Kach gewissen Anzeichen in der Schriftform dürfte dieses Epigramm dem zweiten Jahrhundert nach Christus, der Zeit des Hadrian oder der Au- toninc, angehören.

340.

„Basis aus pentelischem Marmor, beiderseits mit einem vor- springenden Rande abgeschlossen, der linke einfach, der rechte doppelt profilirt; mit diesem lang 0,9G, breit 0,54; Inschriftfeld lang 0,68, hoch 0,48. Diese an drei Seiten herumgeführten Profile sind oftenbar für eine stehende Basis berechnet, für welche das linke den unteren, das rechte den oberen Abschluss bilden sollte. Doch ist von einer Verwendimg des Steins in dieser Lage nichts zu erkennen, er zeigt weder Reste von Inschrift noch Standspuren, die einer solchen entsprächen. Dass aber die Ränder nicht zur Einfassung der gegenwärtigen Inschrift gemacht wurden, vielmehr diese mit dem durch dieselben gebildeten Raum zu rechnen hatte, geht auch daraus hervor, dass ibre drei ersten Zeilen gedrängter geschrieben werden mussten. Auf der nun- mehrigen Oberseite Standspuren zweier Füsse , der rechte (0,35 lang) mit ganzer Fläche aufgesetzt, der linke nur mit dem Vorder- theil; in ihm zwei runde Vertiefungen zur Befestigung der darauf stehenden Bronzestatue." K. Purgold.

TONAeT6 0N<flXAHeceYP6KTHNrroAYXAPMoN CTHCÄMeNePMÄAlKHCZHNlTTAP'ieYAlKUJl

HNHCÄNA'eAÄHNeceNÄlCIMlHirAPANYCCeN APXHNTTANTOIHCIÄPICeWNAPeTHC

Tövö^ heov fPiaXiisg evQ(Q)EXT>]v IIoXvxciQfiov aT>]Oaf.iEv {Qi-ia öixtjg Zrjvl naq Idvdixoj'

ijvT^aav (J' "Ekhp'Eg" ev alai^iit] yccg avvaaev aQX>]v, navToirjg l'ÖQig iiov aQSiiig.

Der Geehrte scheint Bürger von Phigaleia und Strateg des achäischen Bundes gewesen zu sein, die Ehrenbezeugung selbst auf einem Beschluss der Stadtgemeinde von Phigaleia, dem dann aber das xoivov TüJv Idxaiöjv zustimmte, zu beruhen; denn }jv7]aav, das im gewöhnlichen Sinn hier sehr matt wäre, ist wohl in der Bedeutung von awfveaav oder wie es technisch in dieser späten Zeit ge- wöhnlich heisst, Eneipr](f[aavTo, avv£nEipr]q>iaavTO gemeint. Die Hellenen gaben ihre Zustimmung zu der von den Phigaleern beschlossenen Errichtung der Statue. fQfia öixT^g V. 2 erinnert an C. I. Atl. III, 77G nlovzaQxov, atad^EQijg fQ^a aaocpQoavvijg. Das vorliegende Epigramm ist entschieden jünger als n. 330, und schwerlich vor der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. verfasst.

341.

„Basis aus pentelischem Marmor, gefunden im Januar 1880 in eine der „Slavcnmauern" im Süden der Zanes verbaut. Hoch 0,89, breit 0,53, tief 0,46. Die Vorderseite ist mit einem ringsum gieichmässig jirotilirten Rande umgeben, das Inschriftfeld 0,72 hoch und 0,37 breit. Die übrigen Seiten glatt; auf der Ober-

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

55

fläche in der Mitte ein rundes Loch mit nach hinten laufender Gussrinne zur Befestigung der Tlinthe einer Marmorstatue."

K. l'urgold.

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342.

„Basis aus pentelischem Marmor. Höhe im Ganzen 1,11, des Inschriftfeldes 0,6S. Breite 0,GO. Bloss an der Vorderseite oben und unten mit einem Profil versehen, die andern Seiten nur rauh bearbeitet. Auf der Oberfläche ist die rechte Fussspur mit zwei runden Lüchern darin, und links einige andere runde Liicher zur Befestigung der Fasse einer Bronzestatue zu bemerken. Gefunden am 23. Januar 1880 vor der Westfront der Echohalle, südöstlich vom Metroon." K. Purgold.

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Herr Dr. Treu spricht in einer der Abschrift beigefügten Bemerkung die Verniuthung aus, dass dieser Asinius Quadratus der Historiker sei, welcher (We'Pufiata y^iXiEir^Qig verfasste (Müller Fr. Hist. III, p. 659). Dies ist nicht nur durchaus wahrschein- lich, sondern es lässt sich vielleicht in den Worten TeifitjaavTa T^v'Olv^niav xai koycii xai EQyio eine directe Anspielung auf jenes Geschichtswerk er- kennen. Nach Suidas s. v. reichte dasselbe von der Gründung der Stadt bis zu den Anfängen des Alexander Severus. Man wird gewiss K. Müller Recht geben müssen, wenn er der Ansicht von Vossius {de hisioricis Gr. p. 286 ed. "Westermann) entgegentritt, wonach der Titel beweise, dass Suidas geirrt habe und das Werk bis zur Regierung des Philippus Arabs gegangen sein müsse : vielmehr sei umgekehrt aus der Thatsache, dass die %iluTriqig betitelte Geschichtsdarstellung nur bis in die ersten Jahre des Alexander Severus reichte, zu schliessen, dass Asinius Quadratus der auch anderweitig nach- weisbaren Meinung gefolgt sei, nach der das Grün- duugsjahr Roms mit dem Anfang der Olympiadenzäh- lung zusammenfalle. Dann liegt aber die Vermuthung gewiss nahe genug, dass Quadratus, vielleicht im Proümium, dieses merkwürdigen Zusammentreffens in einer Weise gedacht hatte, welche füglich als eine Verherrlichung Olympias aufgefasst werden konnte. Das in der Inschrift erwähnte Proconsulat ist sicher (wegen des vrcatov anodEdEiy(.i£vov) ein prätorisches, und dann, da die Provinz nicht ge- nannt wird, aller Wahrscheinlichkeit nach das von Achaia.

343.

„Basis aus pentelischem Marmor, gefunden im Februar 1880 etwa zehn Schritt östlich vor der Apsis der byzantinischen Kirche. Oben und unten weit ausladende Profile von später Form; mit denselben hoch 1,25, breit und tief 0,72. Inschriftfeld 0,8-l hoch, 0,0-1 breit. Auf der Oberfläche der Basis ist aus demselben Stück ein runder, protilirter Untersatz gearbeitet (0,11 hoch, Durch- messer 0,51) auf welchem vermuthlich die runde Plinthe der Statue befestigt war; die Oberfläche dieses runden Aufsatzes hat in der Mitte ein Loch mit nach vorn laufender Gussrinne, das später, um den Bleiverguss herauszunehmen, ringsum erweitert worden ist." Iv. Purgold.

56

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

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Gtrig' I Qeaaccliüv \ avveÖQog, \ AdrjvaUov \ Idqeona-

ysiTTig.

344.

„Kalksteinblock, gefunden im Januar 18S0 in einer der Slaven- mauem südlich der Zanesbasen. Hoch 0,98, breit 0,565, tief 0,40. Die Vorderseite, das Inschriftfeld, ist geglätttet und nach oben und an beiden Langseiten etwas abgeschrägt, so dass es nur 0,97 hoch und 0,525 breit ist; an den beiden Nebenseiten Dübellöcher. Die Inschrift ist sorgfältig eingehauen, doch sind die Zeilen nicht ganz regelmässig gestellt, besonders die untersten ziemlich schief."

K. l'urgold.

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345.

,, Basis aus pentelischem Marmor, gefunden im Februar 1880, in eine der „Slavenmauern" verbaut. Oben und unten ein an drei Seiten herumgeführter vorspringender Rand, dessen Profil späte Form zeigt. Mit demselben hoch 1,18, breit und tief 0,54. Das Inschriftfeld ist 0,83 hoch und oben 0,42, unten 0,46 breit. Auf der Oberfläche zwei Fussspuren von der darauf aufgestellten Bronzestatue, 0,32 lang. Die Buchstaben sind zum Theil nur ganz flach und unsicher eingeritzt , oflenbar sehr später Zeit." K. Purgold.

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346.

„Oberblock einer Basis aus pentelischem Marmor, gefunden am 27. Februar 1880 zwischen dem Pelopionthor und der Süd- ostecke der Palästra etwa in der Mitte. Lang 1,49, hoch 0,25, tief 0,76. Der Stein ist vorn mit einem Profil versehen, dessen oberer 0,125 hoher Rand die Inschrift trägt; er ist unten nur roh behauen, rechts und links Anschlussfläche; oben hat er an den beiden Schmalseiten KUmmerliJcher und anf der ganzen Fläche verschiedenartige Vertiefungen und Standspuren. Da die Inschrift am linken Rande mit der zweiten Hälfte eines in grösseren Buch- staben geschriebenen Namens beginnt, so ist anzunehmen, dass dieser die Mitte bildete und vor ihm auf dem links anschliessen- den Block ebenfalls noch drei Namen standen. Links muss ein Stein, dessen Grösse wir nicht mehr berechnen können und der keine Inschrift mehr trug, angesetzt haben." K. Purgold.

-AT OPAS pNTOSHAEIOS >lTTIATE0PITTnflI r A F I ft I

TIMAPETAtl'iAlSToYHAEIA ■j'IAlSTotANTKl'ANoYSHAEIoS 0EOAOTANTI<))A]MOYSHAEIA OAYMTTIASYN5^PIAITEAElAl OAYMTriASYNftPIAlTEAEIAI OAYMTTI A APM AT I TTflAlKfll

[ J7pa|^«yoe«g(V) | ... ovzog 'l-lXeiog | |'OAii|//iTta ts^qiutki) \ [zjsXsiq). \ Ti(.iaQi.ta (iJiXiazov 'HXeia | 'OXvfiTiia ovvcoqIöi zeXel^. OiXiozog AvzKfavnvg 'nXelng \ 'OXifinia avvwQidi zeXsic^. | Qeodöza Avziqxivovg 'HXeia \ '<)Xi/.tTiia aQ^tazi ntüXixw.

W. Dittenberger, Inscbrifteii aus Olympia.

57

Das Denkmal stellte offenbar die siinimtliclien (sieben, s. die Bemerkung v. Purgold) Mitglieder einer eleischeu Familie, welche in den Olympien gesiegt hatten, dar, hatte also eine gewisse Aehn- lichkeit mit dem der rhodischen Diagoriden. Na- türlich ist es viel jünger, als dieses, und gehört wohl dem ersten Jalirhundert vor Christus, allen- falls auch der ersten Hälfte des zweiten an. Be- merkenswerth ist, dass sich unter vier erhaltenen Namen zwei von Frauen finden, als ein neuer Be- weis, wie gewöhnlich die Betheiligung derselben an hippischen Agonen gewesen ist.

347.

Weisser Marmor, 0,36 hoch, 0,275 breit, 0,052 dick. Ge- funden am 27. Mai 1879 im nördlichen Theile des Prytaneion. Abschrift von Furtwäugler.

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K AE I nnosA HPAKAEIAHZSN^Al//TEIS: MIKKIAITIMßNOZKAYTIAAHS APISTAPXOIKYPOYIAMIAHZX

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Klei'nnng ^[QiaToddi]i:iov K. ^HQaxXeidr]g) »'(ewrepog?) f.iä[v]tetg- 31ixiclag Ti'fuorog KXvriädrjg ^(jiazaQyng Kvqov Uaßidtjg X.

yQa/nfiazevg ^af-iägiazog ^vxiöy^ov J, av Xt]Ti']g' Ziü'il 0 e) r.

xl(e)i.dovxoi' 'Inniag Xägonog 0. 'l4QX6aog ^Aqi-iodiov T. xa-9^i]f.ieQoi^vT}]g' 'Okv/nmxog). ^v?.£vg' ^wTuov). largög'

Äf-miüVlOg) 0. CCQILzi'KTWV'

UgataxcSj') M. s^rjyrjXT^g- nolvxcxQtjg ^QiaToxQdTo[v]g M.

dfJxil-ict'yiQog' Aki^avögog) N. iniaTtovöoQXfjarai' ^geaiog MoXoaaov X. Ayad>]i.t£Qog AqX^'^^ov Jo. KäXkwv KkeiTinov 2walvixog 'HgaxXidov Jo. olvoxöog' 'laidwQog Bloloaaov.

Die Buchstaben, welche hier wie in einigen der früher veröffentlichten Kataloge der Mehrzahl der Namen nachgesetzt sind, können kaum etwas an- deres sein, als Abkürzungen einer dem attischen Demotikon ähnlichen Bezeichnung; vielleicht sind es die Phylen von Elis, über deren Zahl zur Zeit dieser Inschriften wir nichts wissen (für eine viel frühere Zeit vgl. Paus. V, 9, 6). Die Entstehung des vorliegenden Kataloges fällt nach Furtwänglers Bemerkung nahe an Ol. 190 (20 vor Chr.). Denn in dem aus dieser Olympiade stammenden Verzeich- niss n. 240 kommen dieselben beiden Kliduchen vor. Auch n. 63, wo der hier verzeichnete Mantis Mikkias vorkommt, stammt ungefähr aus derselben Zeit. Ausserdem macht Furtwäugler darauf aufmerksam, dass auch hier die Epispondorchesten die Söhne der Spondophoren sind; ebenso n. 349.350.

Archäolog. Ztg., J.ahrgnng XXXVin.

58

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

348.

Pentelischer Marmor, gefunden 17. Mai 1879 im Pryta- neion. Höhe und Breite 9,35, Dicke 0,0'2. Abschrift von Furt- wängler.

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/.lävTEig Tlv^icov nvi}iiüvog ['[anidrjg] ["OAJvjUTTOg \^OXvi.i7iov KkvTiäörjg].

Verzeichniss aus 01.223 (113 n.Chr.). S. die Bemerkungen zu n. 349.

349.

Platte jjcntelischen Marmon^, welche, wie die Rückseite er- kennen liissst, früher ein Dacliziegcl des Zeustenipels gewesen war, 0,05 dick, 0,42 breit, 0,CG hocli, in drei Stücken, gefunden a den G. .Juni, b den 7. Juni, c den 9. Juni 1S79, alle drei verbaut in der byzantinischen Kirche. Abschrift von Furtwüngler.

JioQ IsQa /nETSxexstQC^ TW fiszct TTJv axy 'OXv^tniäda d-eoxöXoi 'OXvfj.nixoi rd'iog Movaaiov J. 5 J{ixi.iog) Jäv&iaxLog Qeoyevrjg F. yfvxdiov ylvxäovog N.

anovdoqiÖQOi Movaalog Fatov Faiog Fatov

10 ^nqiojv ylvxäovog.

l.i(ivrQs)ig "0?.vfinog '0).v/.inov KkvTiäötjg Flvd-Uüv Tlvd-UovOQ 'lafildrjg. s^TjytjTt'jg 15 'Qgägiog ^aßlvog.

anovöav lr]g' ^Hgäg Hgccxkidov (ytvxolswv Jiovvaioii).

enianovdoQX^OTai ^nolXcüviog Movaaiov

FloXvxaqnog Fatov 20 'EnatfiQoÖLXog 26(piovog.

\y\Qani.iatEvg' F^äiog') ...<pevviog KäXXiazog

Interessant sind die Verzeichnisse n. 348 und 349 dadurch, dass sie aus derselben Olympiade da- tirt sind, jedoch so, dass n. 348 die während der 223. Olympient'eier fuugirenden Beamten, n. 349 die des darauf folgenden vierjährigen Zeitraums (113 bis 116 n. Chr.) aufführt. Mit Ausnahme der beiden /.lävTEig finden wir durchweg verschiedene Personen verzeichnet. Z. 16. 17 ist nach Furtwänglers aus- drücklicher Angabe der Name ytvxoXiwv Jiovvalov nachträglich zugesetzt, womit auch der Singular anovdavXrjg stimmt. Bisher konnten wir zwei Grup- pen von derartigen Katalogen unterscheiden, von denen die eine (n. 63. 64. 160. 240. 241. 347), der Zeit kurz vor Beginn der christlichen Zeitrechnung an- gehörig'), einen avXT]Ti]g, die andere (n. 161. 206. 245. 247. 350. Eph. arcli. 3486. 3487), sämmtlich zwi- schen Ol. 240 (181 n. Chr.) und 261 (265 n. Chr.) verfasst, zwei oder drei onovdavlai nennen. In die dazwischenliegenden Lücke von beinahe zwei Jahrhunderten musste nothwendig die Ver- änderung sowohl in der Titulatur als in der Zahl

') Die Datirung ist nur erhalten n. 240 (Ol. 190 = 20 v. Chr.), aber alle übrigen liegen nach sicheren Indicien (s. darüber die Bemerkungen zu den einzelnen Stücken) dieser chronologisch sehr nahe.

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

59

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dieser Beamten fallen. Schon zu n. 241 wies ich darauf hin, dass der Fund einer dieser Zwischen- zeit angehürigen Inschrift leicht darliber Aufklärung geben könnte, ob Pausanias V, 15, 10 die Aufzäh- lung des Personals aus einer älteren Quelle geschöpft, oder nach eigener Erkundigung an Ort und Stelle über die zu seiner Zeit bestehenden Einrichtungen gegeben habe. Diese Frage ist nun meines Erachtens durch die vorliegende Inschrift zu Gunsten der ersteren Alternative entschieden: denn während Pausanias die ältere Bezeichnung avlrjTijs hat, finden wir hier bereits mehrere Jahr-

zehnte vor der Abfassung seiner Eliaca den Titel anovdavXrjq. Die Aenderung der Bezeichnung hat also sicher vor Pausanias stattgefunden, wahrschein- lich aber auch die der Zahl; denn das Natürlichste ist doch anzunehmen, dass eben in Ol. 223 zu dem einen Spondaulen nachträglich noch ein zweiter hin- zugefügt, und dann von der nächsten Olympiade an durchgehends sofort deren zwei ernannt worden seien. Sollte aber auch die Zweizahl in jener Ol3'm- l)iade nur aus besonderen Gründen als vorüber- gehende Ausnahme zugelassen und erst viel später als stehende Einrichtung eingeführt worden sein,

8*

60

W. Dittenberger, Inschriften <aus Olympia.

SO genügt doch die Verschiedeiilieit der Benenuuug zum Beweis, dass Pausanias nicht den Bestand des Personals wie er zu seiner Zeit war augiebt.

350.

Tafel von pentelischem Marmor, 0,82 hoch, 0,42 breit, 0,01 dick. Rothe Farbe in den Buchstaben noch sehr gut erhalten. Die Fragmente wurden alle beisammen gefunden, offenbar nahe dem ursprünglichen Standorte der Platte. Aus den Funden scheint sich überhaupt zu ergeben, dass die Kataloge dieser Art ihren Aufbewahrungsort im Prytaneion hatten. Links korin- thische Säule zur Einfassung, die entsprechende auf der rechten Seite ist weggebrochen. A. Furtwängler.

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ßnnvdncpÖQO t Av^qrjhog) I\eixr]cpÖQog S. 10 Av^QTjXiog) 'OvrjaifoQog Klsofiäxov Av{QriXiog) MrjTQÖßiog JScoTrjQtxov.

(.lävTELg 'OXvfiTTixoi- Kl(avdiog) "Okv^inng 'la/.udt]g Av{Qt]Xiog) Äls^avÖQog S. ^Iai.itöt]g 15 Av(Qr]Xiog) ^'OXvf.inog Jio\ye\ixov KkvTiäörjg u4v(Q)']liog) Kle6i.iaxog M. KlvTiäörjg.

n EQi rjyrirai Käaa(iog) Beyerog Klav(diog) 'Yn[a]Tiav6g. 20 anovdavXai

Av^Qriliog) [Ä\l(pEi6g ^ncpiovog M^ÜQxog) A{vQ>]hog) 'Yyeti'Og EvTiOQog Jiög.

enianovdoQxriaxai yieovräg NeixijtpoQOV 25 Jiovvaiog ^Ovr^aicpogov ^vvy_aiQiüv Mr]tQoßlov. yga^ifiarsiig' ÄnolXiöviog Jiög. Verzeiclmiss aus Ol. 247 (209 n. Chr.). Aus dem- selben lässt sich meine Ergänzung von n. 163 Z. 7 berichtigen; denn offenbar hat dort derselbe Name AiQt]liog'"0?.vfinog Jwveixov Klvziäötjg gestanden, wie hier Z. 15. Auch der erste /.lävTig beider Ver- zeichnisse ist identisch, und der Name des dritten in jener Inschrift (. . . AXOC KAeo . . .) wird wohl [KX£6i.i]axng KXeolfiäynv] zu ergänzen sein und dieselbe Person bezeichnen, die hier AlqrjXiog KlEÖi-iaxng M. KXvTiäörjg heisst. Die einzige Diffe- renz zwischen den beiden Verzeichnissen in Betreff der (xävTEig ist also, dass der hier an zweiter Stelle stehende laniide Aurelius Alexander dort ganz fehlt, und das beruht wohl auf einem reinen Versehen, da die Dreizahl der ixävxeig sonst ohne Beispiel ist. Demnach dürfte die Entstehungszeit von u. 163 viel näher an 209 als an 181 n. Chr. liegen, da sie mit dem Katalog des letzteren .Jahres (n. 161) doch nur den einen /.luvrig Claudius Olympus gemein hat.

351.

Der von A. Furtwängler herrührenden Abschrift des jeden- falls im Sommer 1879 kurz vor Schluss der Ausgrabungen ge- fundenen Steins lagen keine näheren Angaben über Zeit und Ort der Aullindung bei.

W. Dittenbcrger, Inschriften aus Olympia.

61

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sxeyj'jQco tcZ xaTcc ttjv \ avy' '0}.vfimäda &sox6\loi 'Oli'iiintxol 5 T{hog) Oläßiog Elaidcogog F. t6 y' M{äQxog) ^vQt'ßiog ^EXXtjvoKQaxi^g O. ^(oixiog) Bsikfjvog ^Täyvg O. anov d nqioQOf ElaidfoQog nvif-itüvog, rsvsd^liog 'Ellt]vo- 10 xQaiovg, Nqcfiov ^xäyvog.

(.ittvzEig' Kkavd(iog) IlnXvxQäziqg ^Iafi{idi]g), Kl(avdcog) Teiaa/.ievdg 'Iafi{(öt]g), Biß{ovX-

hog) 0avaT£(i)- viavog 'lai^{iöi]g) ^AvT(wviog) Zq^og [Ä/vrta-

drjg^. \neQirjyrf\%ai' Käaatog Bsy£[rog . . . .] Laut der Ueberschrift ist dies ein Katalog der während der 253. Olympienfeier (233 n. Chr.) fun- girenden Beamten. Der Perieget Cassius Vegetus kommt schon sechs Olympiaden früher (n. 350), die drei ^lävTsig Polykrates, Faustinianus und Tisame- nus noch vier (Eph. 3487), und die beiden letzteren sogar noch acht Olympiaden später (Eph. 3486) vor. Diese Aeniter sind offenbar lebenslänglich gewesen, während das übrige Personal für jede Festperiode neu ernannt wurde.

352.

Basis aus ijentelisehem Marmor, oben unil unten ])rofilirtei- Rand. Höhe des Ganzen 0,S5, Hreite 0,50, Tiefe 0,54. Inschrift- felil 0,46 hoch, 0,44 breit. Auf der UberHiiclie ein unregel- mässiges Loch mit Gussrinne zur Befestigung einer Marmor- statue mit l'linthe. Gefunden am 2. Januar 1880 in einer der „Slavenmauern" südlich der Zanes verbaut. Abschrift von Purgold.

HTTOAICHÄeiCON KAIHOAYMTTIKH BOYAH8AOYKHWN KAAYAlANMNACiee

an-kAoykhnoycai

KAAPOYKAlBeTÄHNHC

KACGIACXPYCAPeTAC

eYTATePA

H nölig 'HleiiDv \ xal ?) 'Olvi.inixrj j ßovlt) AovxTjvrjv I Kkavdlav, Mvaaid-i | av, K{oivtov) ylov- x7]vov 2ai\xldQov xal BsrXr^vrjg \ Kaaaiag Xqvaa- girag \ d-vyaiiQU.

Die Eltern sind bekannt aus n. 43, wo Z. 3 aus der vorliegenden Inschrift {BeT]lr)vq zu ergänzen ist. Dieser Gentilname in Verbindung mit dem Individualnamen XQvaagha weist auf Abstammung dieser Frau aus der Ehe des L. Vetulenus Florus mit der Tochter der Julia Chrysarete (n. 78 mit Nachtrag Jahrg. XXXV p. 196) hin. Auch hier also wieder ein Beleg dafür, wie der enge Kreis vor- nehmer Familien, die das öffentliche Leben in Elis in der Kaiserzeit beherrschten, durch Verschwäge- rung untereinander verbunden war. Ueber die Familie des Saiklaros s. n. 9. 14. 43 , über die des L. Vetulenus Laetus und L. Vetulenus Florus 13. 27. 67. 78 mit Nachtrag. Auch L. Vetulenus Stachys im dritten Jahrhundert n. Ch. (n. 351) gehört ohne Zweifel diesem Geschlecht an.

353.

Basis aus pentelischem Jlarmor. Am oberen und unteren Rande ein an drei Seiten herumgeführtes Profil. Hübe des Ganzen 0,6G, untere Breite 0,50. Üben an beiden Seiten zer- stört; doch sind noch zwei Vertiefungen zur Befestigung der Statue wahrzunehmen. Hübe des Inschriftfeldes 0,47, Breite 0,44. Gefunden am 30. December 1879 in einer der ,, Slaven- mauern" südlich der Zancsbasen verbaut. Abschrift von Purgokl.

62

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

H^_A_Y_M^Ti rrrr

^ BoYAHr-loYAiO\ IIAITTTTONTPAA AIANONTONACI APXHNH0WNeN6 KAcsoAYMTTIAAI CS GAB C5

'H '0At>;<7ri[x^] 1 ßovXrj r(<iiov 'lovXio[v] | Ol- Xinnov TQaXjXiavov, zov ^oiiäqxqv, tj^-w»» eVelxa, 'Olvfiniadt aXß .

Die Datiruug aus der 232. Olympiade (149 n. Chr.) lässt nicht den geringsten Zweifel, dass dies derselbe Asiarcb Philippos aus Tralles ist, der bei Gelegenheit des von Waddington (Fastes des pro- vitices Asiat, p. 221) auf den 23. Februar 155 n. Chr. gesetzten Martyriums des Polykarp vorkommt. Vgl. Marquardt Ephem. epigr. 1 p. 211 n. 2.

Zu n. 227 (vgl. Jahrg. 1879 S. 143).

Pentelischer Marmor; breit 0,27 mit dem 0,05 breiten Rande, grüsste Höhe 0,15.

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1 1 1 1 1 1 I

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-tCm oiBHC-eneYHtice vxPeiKoYYioc-eeoY.N ep' o y a y i wm 0 i'Tci-.'XXjLT o-i.YnATor^To.r-TWKoi nw

» A A A C I fc I ?1A-£_£ Y/r<t> ICMeNACY<{>YMWM

OCTINACCYNeit,iliYMeiNeiTAKAU HNMGNeYNOl A^N~iT>.'-£-.,XO N T f (V

und ein wesentliches Stück derselben mit der An- rede und Datiruug gewonnen. Die bisher nicht bestimmbaren Buchstaben von d sind zu lesen d 1, klö drj^ittQ%fx!ig k^o]vaiag %6\ rf 2, fc i 6 aXkagXEi- /wds". Purgold.

„Die beiden neuen Bruchstücke A; l fügen sich dem mit d bezeichneten Fragment in der Weise an, dass ihre 5. Zeile die unmittelbare Fortsetzung von d 1 bildet. Dadurch wird für diesen, den Brief des Kaisers enthaltenden Theil der Inschrift zunächst die Stellung in Bezug auf den r. Eand bestimmt

Zu n. 247.

Durch ein am 21. Mai 1879 im Südosten des Heraion gefundenes, von Furtwängler abgeschriebenes Fragment (c) wird die In- schrift in folgender Weise vervollständigt:

...^

A b: IN 1 ^

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K A E I A O Y^

^-^a'V^

E H H r H T H

/x A P H S

O I N

O A Y M TT I )

/rTPETr:r?Nos

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E TT I M E A F^ M /

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TTPEn::Nos

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E I P o S

H P A K A E I A

ISTTPETTGINOS;

Furtwängler maclit darauf aufmerksam, dass Z. 3 oliue Zweifel aus n. 347 £^^;}''?r^[s /Toli)]x«^'jg zu lesen sei, und der Katalog also mit jenem in dieselbe Zeit (nicht weit von Ol. 190) gehöre.

W. Dittenberger.

^

Ar,-huolo,,m-l,r Xrilumi XXXVin (If^^n}.

y.'i .s'. «3

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356.

YAIIOAYMTTlOD'AAYTAPXOY'cfVVCKPeiBOONIÄNOY'CYNreNOYC SJCYNKAH T I K N' KAI YTTAT I KCÜ NOAYMTTIAÄOC ' Y N< 5 '

362.

A^|^AT?ATO|5PAAElOl5nATI^|AA'©A|^|^EA/KAir^^fc Aa/kAitAvtO AlI^Tl^/C^TlAI^AV<ElpF^I^I^^^OI^FAA^lOA\I&/v\Enl©ElA/vTAX\

KAIAO|^/^aECi^TOa/t^a0^^^1/0\KAItO\M^\A AE^IEKA^^^^Al^K-A "POTi/vOil^EKA^TO^TOA/AA&nipO^O/yTOAyKA®VTAi^TOil\0/^/v

iQiOlEPEA/noiiEirEAAAA/OiiK A^kA\taaaat\k AiAEPE/vr ® n£^TX)ATAMlOKlAAiXE/VAE/vnO\Il©^lO/yAPOT\/y^TOE^

^0\ <^A|feElI0^l/V^^^K0l^A\PAT^lA^0(1^0©E^;^TÄvT^^KAPA5:K0l

I N S C H K I F T E N .\ U S O L Y M P I A.

K. Puigold, Inschriften aus Olympia.

63

354.

Fragment einer l'/» ^itn. dicken Bronzetafel. Gefunden am 15'. November 1879 im Osten der Poikile. Mit Abklatsch.

Dieser Streifen gehört, wie zuerst Herr Dimi- triacles bemerkte, zu der iu der Archtäolog. Zeitg. Nr. 223 veröffentlichten Inschrift. Der Beweis da- für liegt besonders in dem Ornament der Rück- seite, dessen Bänder sich auf dem neuen Fragment genau fortsetzen. Während die grössere Tafel den Rand oben und unten erhalten hat, fehlt er auf dem Streifen, der von den 9 Ornamentreihen der vollständigen Platte nur 7 trägt. Der erste Buch- stabe der zweiten Zeile kann auf unserem Frag- ment wohl nur fl gewesen sein, obwohl dessen 2. Verticalstrich in dem andern Theil der Inschrift überall weniger lang ist; der untere Strich des "2 kann von einer zufälligen Verletzung herrühren.

Das Ornament zeigt, dass sich der Streifen an keiner Seite unmittelbar an das grössere Stück anschliesst; die fehlenden Theile der Tafel sind also vermuthlich zu späterem Gebrauch iu dieser Weise zerschnitten worden. Für die Ergänzung dürfte das neue Stück daher kaum etwas beibringen.

355.

Basisblock aus grauem Kalkstein, lang (an der Vorderseite) gegenwärtig 0,93 (hinten 0,88); breit 0,98; hoch 0,295. Gefun- den am 4. Januar 1880, verbaut in eine der ,,Slavennmuern" einige 30 Schritt südlich der 6. Zanesbasis. Die Schriftfliiche hat auf drei Seiten einen Randbeschlag von etwa 0,03 und ebenso die Kückseite, auf welcher in der Mitte eine jetzt abgebrochene Versatzbosse stehen geblieben war. Die Überdache zeigt am linken Rande zwei Dübellöcher, welche zur Vcrklaninierung mit einem anstossenden Block dienten; die linke Seite ist als An- stossfläche bearbeitet. Ob das gleiche auf der rechten Seite der

Fall war, ist nicht mehr zu entscheiden, da diese eine spätere Umarbeitung erlitten hat; doch ist es wahrscheinlich, da der er- haltene Block nur an der rechten hinteren Ecke eine Standspur zeigt, in Gestalt eines ovalen Loches, das später weiter ausge- arbeitet worden ist, wohl um den Bleiverguss herauszulösen. Die Basis wurde in römischer Zeit zerstört und unser Block um- gekehrt als Oberstein einer andern Basis verwendet. Zu diesem Zwecke wurde seine rechte Seite zu einem späteren Profil ab- gearbeitet, so dass die letzten Buchstaben der Inschrift und der rechte Randbeschlag auf der Vorder- und Ilinterseite verloren gingen; auf seiner ursprünglichen Unterfläche finden sich von dieser zweiten Verwendung eine Anzahl unregelmässiger Vertie- fungen, welche zur Befestigung der auf der späteren Basis auf- gestellten Statue dienten. Ueber der Inschrift auf der Vorderseite einige Zeichen, die aber wohl kaum als Buchstabe zu betrachten sind, wenigstens sind zwischen ihnen keine weiteren Buchstaben- reste zu erkennen.

I

BAZIAISSANOAY BAZIAE-'iSPYP

Baalhaaav 'Olvi.t[niada] \ ßaailscog üvqIqov].

Was die aus zwei oder mehr Blöcken beste- hende Basis getragen haben mag, ist aus der einen erhaltenen Staudspur nicht zu ersehen, jeden- falls aber war es keine einzelne Figur. Wenn die Bildsäule der Olympias, der Tochter des Pyrrhos, mit einer andern Figur in irgend einer Weise ver- bunden dargestellt war, wird man, nach Analogie der Säulen mit den Statuen des Ptolemäus und der Arsiuoe, zunächst an ihren Bruder und Gatten Alex- andros zu denken geneigt sein.

356.

Votivdiskus aus Bronze. Gefunden am 3. Novbr. 1879, 2,5 Meter südl. vom S.-W.-Thor der Altismauer in der Höhe der 2. Stufe des Stylobats desselben. Die Scheibe hat 0,34 im Durchmesser, ihre Dicke nimmt nach dem Rande zu ab, hier be- trägt sie etwa 5 Millimeter, während sie in der Mitte bis 14 Mm. misst. Beide Flächen sind mit 3 concentrischen Kreissjstemen decorirt, welche je einen breiten Streifen bilden, der beiderseits von 2 vertieften Linien eingefasst ist; der mittlere dieser Streifen ist halbrund profilirt, die beiden anderen sind flach geblieben. Diese Decoration ist auf beiden Seiten des Diskus nur in den Massen etwas verschieden; namentlich ist auf B das innerste dieser Kreissysteme kleiner und das Centrum mit einem Kranz verziert, der auf A fehlt. Das Ganze ist vollkommen erhalten. A ist nach einem Papierabdruck. B bloss nach der Ab- schrift auf der beigehefteten Tafel verkleinert.

A EvxaQiazrjQiov Jiei 'OlviAnlii) Tlönl^iog) liaxXrj- niäö)]g KoQivUioc; nevTaä-log. avs', a'.

B JiVOlvunlit). ä?.vT(iQXOi' 0l{aßlov) ^xQsißcoviavov avvyhovg avvxi.rjTixcäv xal vnaTixwv. oXv/n- niädog vv^'.

64

A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.

Die Schrift ist auf beiden Seiten zwischen dem mittleren und äusseren Kreisstreifen eingegraben. Im Charakter derselben lassen sich einige Verschie- denheiten zwischen den beiden Seiten wahrnehmen. Die Buchstaben der Vorderseite A sind kleiner, von unsicherer, wechselnder Form und uuregelmässigeu Abständen, die Hastae der gradlinigen Buchstaben überschneiden sich vielfach, statt sich scharf zu treffen und sind durch ungleiche Punkte oder Knöpfe abgeschlossen; die Buchstaben der Küekseite (ß) dagegen verrathen eine sicherere, routinirte Hand, sie sind von regelmässigen Formen, die zuweilen ein Streben nach Zierlichkeit erkennen lassen, und in gleichmässigen Abständen ausgearbeitet; ihre Hastae stossen genau an einander und sind durch gleichartige Querstriche begrenzt. In den Formen unterscheiden sieh die My Kho Ypsilon Omega auf beiden Seiten.

Diese Verschiedenheiten zwischen der Aufschrift des weihenden Privatmannes und des Beamten von Olympia legen die Vermuthung nahe, dass die Be- schi-eibung der vorderen Seite und damit wohl die Anfertigung des Weihgeschenkes überhaupt an einem Orte stattgefunden habe, wo weniger geschulte

Hände zur Ausführung der Inschrift verwendet wer- den mussten, wie sie dem Alytarchen von Olympia zur Verfügung standen, als er später seinen Namen auf demselben anbringen Hess.

Neu ist wohl, dem Alytarchen als eponymem Magistrat zu begegnen. Wie die Datirung YNS auf B (Ol. 456 = 1045 n. Chr. !) zu erklären und mit der auf der andern Seite CNt =• Ol. 255 zu glei- chen ist das diesem gegenüberstehende A wird das erste Jahr dieser Olympiade bezeichnen ist unklar*). Karl Pukgold.

*) [Es scheint, dass in der Doppeldatirung Ol. 255 = 456 eine chronologische Spielerei vorliegt, indem die letztere Zahl an die allererste unter den mehrfachen mythischen Einsetzungen des olympischen Agons anknüpft. Freilich bin ich nicht im Stande anzugeben, ob ein chronologisches System existirt hat, wonach jene erste Stiftung der Olympien durch denjenigen Herakles, der einer der idäischen Daktylen war, um 201 Olympiaden vor die erste gezühlte Olympias fiel. Nach Eusebios, der (I p. 183 Schone) die idäischen Daktylen unter Erichthonios setzt, würden etwas über 700 Jahre herauskommen. Eine ähnliche Bewandtniss hat es jedenfalls, wenn in Inschriften von Ephesus zweimal (Wood Discoveries Append. VI n. 8 p. 5-1 Z. 10 'Eiftar]tdi [was gewiss nicht, wie W. meint, ein Schreibfehler ist] (/iC'. n. 18 p. 68 Z. 7 T)}f (fiC' Ilfj'TfjriQi^Sog) die ölite Penteteris des Festes der 'Eifiotitt vorkommt. W. D ittenberger.]

357.

Fragment vom Rande eines Bronzcgefässes. Gefunden süd- lich der KovTiTt] im Westwalle des Stadions, c. 3 M. tief unter der jetzigen Erdoberfläche. 23 25 Mm. breit, ca. 1 Cm. dick und IS'/-,' Cm. lang (in gerader Linie gemessen). Der Rand ist nach innen hin rund profilirt, nach aussen zu setzt er scharfkantig an den Bauch des Gefasses an; von diesem ist ein zackig ausge-

brochenes Stück (grösste Breite 5 Cm.) erhalten, dessen geschweifte Form auf ein kesselartiges Gefäss, vielleicht ein Dreifussbecken, schliessen lässt. Die obere Fläche des Randes ist glatt imd ent- hält den Rest der Weihinschrift in uuregelmässigeu Buchstaben. Purgold. Mit Abklatsch.

\x^^f

- - ot(f;>) 27iaQTiäTa[i -

Ein fünfstrichiges Sigma begegnet noch auf an- gegebene, aus acht Strichen zusammengesetzte Form

deren altspartanischen Inschriften; die ihm hier

ist eine anderweit nicht belegbare Besonderheit.

358.

Bronzefragnient, gefunden am 29. November 1879 im N.O. der byzantinischen Kirche. Oben abgerundet, unten rund |iro- filirtcr Rand, r. und I.Bruch; zu einem Gefäss kann daher dies

in 7 Stücke zerbrochene Fragment nicht gehört haben. Abschrift von Purirold.

A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.

65

Ttü[i] oder io[i] Jl- -

359.

Fragment einer l'/fMm. starken Bronzetafel. Gefunden am 10. Januar 1880 10 Schi-itt südlich der 10. Zanesbasis in der Höhe von deren Fundament. Oben ist der Rand erhalten, unten und an den Seiten Bruch: das Fragment ist durch einen Kiss links von der Mitte getheilt, die linke untere Ecke etwas um- gebogen (für den Abklatsch daher nicht fassbar) , in der Copie aber aufgerollt. Die Inschrift ist in sorgfältigen, tiefen Zügen eingegraben, die Lesung nirgends zweifelhaft; zerstört sind nur der fünfte Buchstabe der 1. Zeile, der wohl T gewesen ist, und der achte Zeile 6, der sich jedoch noch als ^ erkennen lässt. Purgold mit Abklatsch. Verkleinert auf -/,.

Ao</mA/y;HO<

P/V

Da das Chi nach dem zu Aiifang der zweiten Zeile erhaltenen Reste zu schliessen die Form \J/ gehabt zu haben scheint, so gehört das Alphabet der Inschrift meiner zweiten Reihe an. Das Iota wird noch in seiner älteren Gestalt als gebrochene Linie (S) geschrieben, während daneben bereits das vierstrichige Sigma (s) Verwendung findet. Es ist dies eine Eigeuthümlichkeit, für welche bis jetzt eine Analogie nicht aufzuweisen ist, weshalb da- rauf verzichtet werden muss, die Provenienz der In- schrift aus dem Schriftcharakter zu bestimmen. Sämmtliche bis jetzt bekannte Inschriften der ver- schiedensten Locale, welche dem Iota seine alte Ge- stalt lassen, schreiben nämlich den Zischlaut mit dem Zeichen M, und letzteres bleibt in der Regel noch bis in die Periode im Gebrauch, in welcher dem Iota bereits die vereinfachte Gestalt gegeben wird; nie überdauert sonst die alte lotaform die Zeit der Herrschaft des M.

Bei dem fragmentirten Zustande der Inschrift lässt sich nur Weniges mit Sicherheit lesen und ist au die Herstellung eines Zusammenhanges und ein wirkliches Verständniss nicht zu denken. Z. 1. -iveö\x\cn, Fo , Z. 2. --XQ^i.iaTa oaie--, Z. 3.

- OTode teXXo

Z. 4.

xov nivaxa -

Z. 5.

- - oloia9av (?) oa --, Z. 6 in der Mitte vielleicht allog (cog).

360.

iVagment vom Rande eines Gefasses aus starkem Bronze- blech, 3 Mm. breit, 20 Cm. lang, etwa 2 Cm. hoch, gefunden am 9. Februar 1880 im N.W. der byzantinischen Kirche. Die Weihinschrift stand auf der Aussenseite des Gelasses und ist in flachen, unregelmässigen Strichen, ofi'enbar von wenig geübter Hand, eingegraben. Abschrift von Purgold.

"^^y^iniA'A/EB^^^

„Da wir durch den zweiten Namen '^xQWQeim auf das Gebiet des Alpheios hingewiesen werden, so haben wir den ersten wohl 'AXaavEig zu lesen und darunter die Bewohner der bei Steph. Byz.

genannten elischen Stadt Alesion zu verstehen." Purgold.

Zur Begründung von Herrn P.'s Vermuthung verweise ich noch auf Strabon 8, 341 : to d' l4}.£i-

Archiiulofe". Ztg. Jahrgang XXXVIII.

66

A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.

aiöv iati to vvv 'AXaiavalov (so A) xiöqu tisqI zijv ÄfiCfLÖoUda^ iv fj xai xaToc iiijva ayoqav avvd- yovaiv ol nsQioixoi xeiTai ös Ini T^g OQSivfjg odov Ttjg £s ^Hliöos £ig 'Olvfiniav.

Der Gebrauch des vierstricliigen Sigma führt in das fünfte Jahrhundert hinab.

361.

Fragment aus l'/j Mm. starkem Bronzeblech, 13 Cm. lang und am unteren Rande 6 Cm. breit. Die rechte Seite ist um- gebogen; wenn es gelingt, wozu im Augenblick die Mittel fehlen, sie aufzurollen, werden sich die meisten Zeilen noch um einige Buchstaben vergrüssern. Ob die Inschrift oben und unten be- endet ist, lässt sich nicht mehr entscheiden, da offenbar das Blech auch links, zu späterer Verwendung, zerschnitten ist. Gefunden im S.W. der Pelopionthores. Nach Abschrift von Purgold auf ^,3 verkleinert.

Z. 2, zweites Zeichen, ist der Punct im Runde wohl nur eine zufällige Verletzung der Oberfläche, da das Omikron sonst als blosses Rund gebildet erscheint und die Form des Theta Z. 3 0 ist. Von einer Lesung kann selbstverständlich nicht die Rede sein; doch glaube ich Z. 9 2]elivio[vTi - - zu er- kennen und in der That stimmen sowohl die Ge- stalt des Xi, wie sie Z. 7 zu Ende begegnet (H), als auch die sonstigen Eigenthümlichkeiten der Schrift zur Schreibweise der bis jetzt bekannten insehriftlichen Denkmäler von Seliuus. Doch ist die vorliegende Urkunde älter als jene, da die Zeilen

noch furchenförmig geordnet waren, wie die Ueber- reste trotz ihrer sonstigen Geringfügigkeit deutlich erkennen lassen.

362.

Bronzetafel, gefunden am 7. Februar ISSO, c. 13'/; M. süd- lich vom rhilippeion im antiken Boden, l,Oö M. unter der Ober- kante des antiken Stromas nördl. von dem Fundort der In- schrift. 0,44 lang; 0,09 hoch; etwa 1 Mm. stark, oben mit einem vortretenden 7 Mm. breiten Kand versehen. An der r. Seite ist in der Mitte ein rundes Befestigungsloch eingeschlagen, mit Rücksicht auf welches Z. ö zurückgerückt ist; das gleiche ist 1. mit dem Anfang der Zeile der Fall, nur ist sie hier ge- brochen. Die Tafel ist auf allen Seiten vollständig; die Lücken am 1. und unteren Rande werden theihveise durch 3 anpassende Fragmente ergänzt, von denen das grosste, in der 1. Ecke, einen Tag früher als die Tafel selbst gefunden wurde.

Wie auf der 1. Seite ;in dem Loch, so haben sich an an- deren Stellen die Brüche mehrfach an den Buchstabenrändern hingezogen und lassen deren Umriss noch erkennen. Die Schrift ist tief und sorgfältig, aber nicht grade regelmässig eingegraben; das Omikron hat durchweg dieselbe kreisrunde Form und die gleiche, etwas unverhältnissmässige Grösse ; es scheint mit einem mechanischen Hülfsmittel ausgeführt , etwa mit einem Stempel eingeschlagen.

Da die Bronze noch so haltbar ist, dass sie eine kräftige Reinigung vertrug, ist von den erhaltenen kein Buchstabe zweifel- haft geblieben; nur die kleinen Fragmente sind sehr zerbrechlich und lassen keinen Papier-Abdruck zu. Purgold. Mit Abklatsch.

Facsimile in ^/^ des Originals auf der S. 63 beigehefteten Tafel.

Die Urkunde bezeichnet sich selbst als eine ele- ische, wozu Sprache und Schrift auf das Beste stim- men. Der Rhotakismos des Auslautes ist durch zwei Fälle vertreten, das Sigma aber überwiegt bei Weitem. Eine Besonderheit ist, dass d im An- wie im Inlaute vor Vocalen regelmässig durch ^ vertreten wird, ein d überhaupt nicht auftritt. Da hierdurch dieser Zetakismos als eine, wenn auch nicht auf allen Urkunden zum Ausdruck kommende Eigenthümlich- keit der Mundart von Elis erwiesen wird, so liegt kein Grund mehr vor, an der eleischen Provenienz von Inschriften, welche eben diese Eigenthümlich- keit aufweisen, wie oben n. 223, zu zweifeln; schon U.308 hatte etwaigen Bedenken den Boden entzogen. Lesung und Erklärung der Inschrift bereiten ungewöhnliche Schwierigkeiten; ich gebe daher die folgende Uebertragung in Miuuskelschrift mit aller durch diese Umstände auferlegten Reserve.

Jt FQCcT()a Tolg Faleiois- naigidv -if^aQQtiv xal ys~ vectv xa(T)TavT6. \ al ^e %ig xaziaq' avasie FÜqqevoq FaXsiu, al t,e (xi^nid-slav %d L,i- \ xaia oq /.leyiazov tiXog exoi xai xol ßaailäeg, Cexa i-ivalg xa \ ano- zivoi FixaOTog zwv /nijuinoEoviiüv xaif(S-)vTalg zol Zi 'Olvv- I nloi. enirnoi Cs x' 'EllavoTJxag, xal

A. Kirchhofi', Inschriften aus Olympia.

67

ralla tixcaa snsvn- \ hio « Cct^tuoQyta. al Ce (.irj- (7te)v7ioi, ClcpvLov anozivixcü iv ^taaiga- j «t. «( ^[s] Tig TOP ahiad-ivza ^ixaltov lnäaxoi, sv tat Cexa^ivatai >c' I- | vixo[iT]o, al FsiCwg Ifiäaxot. xal natQiäs o ygotpevg Tav[T]ä x' anäaxoi | . . tv . . . xeo . o . . la^iaQog 'Olvvniai.

Z. 1. Die Ueberscbrift bezeichnet die Rhetra als nur für die Eleer gültig, somit als die Urkunde nicht eines Vertrages, sondern einer gesetzlichen Bestimmung. Im darauffolgenden ersten Satze sind nazQitt und yEveä ofi'enbar Bezeichnungen l)ekannter Gliederungsformen der Bevölkerung, wie sie in den Zeiten aristokratischer Staatsordnung mit politischer, in den späteren der ausgebildeten Demokratrie mit lediglich familienrechtlicher Bedeutung überall in Hellas bestanden; die nargiai und yevsai von Elis entsprachen etwa den attischen (fgargiai und yivrj. Weiter ist ^aggslv xiva oder tl zwar eine der ge- meiugriechischen Sprache älterer und späterer Zeit geläufige Construction in dem Sinne von „sich vor etwas nicht fürchten" oder auch „Vertrauen auf et- was setzen" ; allein offenbar bat hier d^aq^elv (pqa- xQiav xal ysvog einen speciellereu, in der Volks- oder Rechtsprache von Elis begründeten Sinn, wel- chen näher zu praecisiren ich nicht im Stande bin. Die Schlussworte des Satzes vermag ich nur unter der Voraussetzung zu lesen und zu verstehen, dass das überlieferte xaiTavto auf einem Versehen des Graveurs beruht und in xazTavTo oder xaravxo zu ändern ist, was als xar« to avxö zu fassen wäre. Z. 2 5 Auf. Im ersten Vordersatze habe ich xaziaq' avasie getrennt, weil ein Compositum xa- ^leqaviiv anzunehmen mir bedenklich schien; xa- &iEQog würde seine Analogien in dem elischen snL- agov und dem phokischen no&ieqov haben. Was freilich xad-iega aveiv rivog für eine Handlung be- zeichnet und wie es zu erklären ist, dass diese Handlung ausdrücklich auf eine Person männlichen Geschlechtes (oQQavog 'Hlslov) bezogen wird, bleibt mir dunkel ; wahrscheinlich handelt es sich um das Opfer, welches bei Einführung männlicher Fami- lienglieder in Phratrie und Geschlecht darzubrin- gen ist. Wenn weiter der folgende hypothe- tische Zwischensatz mit einem di angeschlossen

wird, so kann ich darin nur ein Versehen des Gra- veurs erkennen, der dieses de aus dem Anfange des vorangehenden Satzes irrthUmlich wiederholte, ohne sich den Zusammenhang gegenwärtig zu er- halten. Was den Sinn dieses zweiten Satzes an- Ijelangt, so vermuthe ich, dass unter dlxaia, einem Ausdruck, der weiter unten öfter wiederkehrt und bereits auf n. 223 und 303 begegnete, herkömm- liche Gebüliren, und unter EniTi^ivai ra dlxaia die Einforderung und Beitreibung derselben zu ver- stehen ist. Als diejenigen Personen,* welche diese Gebühren einzufordern haben, und für den Fall, dass sie ihrer Verpfliclitung nicht nachkommen sollten, mit einer Geldbusse belegt werden, sind og av To fieyißiov Tslog e)(t] und die ßaaikelg ge- nannt. Unter dem ersteren verstehe ich den Vor- stand der Phratrie, unter den letzteren die adligen Mitglieder derselben, welche etwa als Beirath des Vorstandes fungirend zu denken wären. Die Ver- pflichtung ist solidarisch, und im Falle der Ver- absäumung hat somit nach Inhalt des folgenden Hauptsatzes exaaxog ttüv firj ininoiovvimv die Busse zu erlegen; ich nehme also an, dass ol f.it] snuioi- ovvTsg gleichwerthiger Ausdruck für ol (.irj enixi- ■d^evreg, nämlich rd ölxaia, ist. Die Busse bestellt in zehn Minen, welche als xa-9(d^)vTal (d. b. xaxa- ■^wßt) TW Jil "OXvi-inii^ bezeichnet werden, also an den Tempelschatz fielen, wohl deswegen weil auch die nicht erhobenen dlxaia an diesen abzu- führen gewesen wären. Uebrigens findet sich die- selbe Formel auch auf n. 223, wo Z. 4 offenbar [iMJvßig x' äuoTlvoi xab(ß)vTaig toi Zi Twlvvnloi zu lesen ist.

In formaler Beziehung verdient Beachtung das eleische a in ßaailäsg für ßaaikPjsg, ferner die Accusativplurale erster Declination auf aig (^tvalg- xad^^vtalg), welche indessen bereits von der Da- mokratesbronze her bekannt sind.

Zeile 5 6. Der folgende Abschnitt legt den Hellauodiken und der Damiorgie, d. h. doch wohl der Gesammtheit der politischen Vorstände (dafiicog- yoi) der einzelnen Gemeinden von Elis, gewisse Verpflichtungen auf, deren Beschaffenheit und Zu- sammenhang mit den vorangehenden Bestimmungen

9*

68

A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.

mir indessen unklar sind. Die Verbalformeu eniv- 7101 und enevnhco vermag ich nur auf ein Com- positum von ninTisiv zurückzuführen; es wäre z. B. möglich, dass die Präposition ix, i^ in unserer Mundart I gelautet hätte, oder, wie in anderen Mundarten, ihr auslautendes x dem folgenden Con- sonanten assimilirt hätte, so dass ensvnot, und snsvnhco als inniiinoi und snrrsiunhio zu lesen wären. Allein ich wUsste nicht zu sagen, was ein solches ixneftneiv bedeuten sollte, noch weniger, was unter ra alla ölxaia zu verstehen ist').

Z. 6_7 Auf. Der Hellanodike und die Da- miorgie werden in eine Busse verfallen erklärt, wenn sie die mit dem voraussetzlichen sxns/xnsiv bezeichnete Handlung unterlassen. Denn es scheint mir klar, dass im Vordersatze durch blosses Ver- sehen des Graveurs (irjvnoL für (.t^nsrnoi gesetzt worden ist. Die Busse besteht in dem l,lq>vtov d. h. Sicpviov, also dem Doppelten der nicht erhobeneu Gebühren; vgl. tw öifvlco oben n. SOG Z. 8, wie denn auch n. 223 Z. 1 offenbar ticfi[vLov zu er- gänzen ist. Das schliessende ev ixaaTqäai erläutert sich durch die Glosse bei Hesychios 3,75 (laaxQlaL: ort xüv aQyj')vt(i}v ev-^vvdi.

Z. 7 8. Dieser Satz würde in attische For- men übertragen lauten: säv ds rig xov ahia&svra

öixauüv /;, Iv tfj dexafivala ivExiod^co, iav

tlöwg rj. Dass unter rj öexa^vaia, nämlich tt}-

fila, der Busssatz von zehn Minen zu verstehen ist, kann nicht zweifelhaft sein; ebenso gewiss scheint mir aber, dass o ahia&slg dixaiuiv eine Person be- zeichnet, welche beschuldigt ist, die herkömmlichen dixaia nicht erlegt zu haben. Was aber bedeutet das Verbum l^äaxeiv'i Ich würde es mit li^äoaeiv gleichen, wenn nicht der Zusatz eldüg diese Mög- lichkeit auszuschliessen schiene.

Z. 8— Ü. Der nicht vollständig erhaltene Schluss- satz enthält eine Anweisung für den Schreiber t%

') Herr Dr. Röhl glaubt, dass die Glosse des Hesychios 3,303 n^ftifjis' hf/vriuofxoi für die Erklärung verwendet wer- den könne. Allein ein „pfänden" würde in den Zusammenhang nur auf einem Umwege passen, und ich wüsste diese Bedeutung nicht in überzeugender Weise weder für das Simplex noch das vorausgesetzte Compositum abzuleiten. Man würde geneigt sein, vielmehr auf die Bedeutung 'beitreiben, erheben' zu rathen, wenn diese sich etymologisch nur irgendwie rechtfertigen Hesse.

TiaTQiäg, ungewiss welcher, es sei denn, dass die sämmtlicheu yevsal von Elis überhaupt nur eine nuTQiä bildeten. Man sollte meinen, dass es sich nur um eine öffentliche Ausstellung der im Vorher- gehenden enthaltenen Bestimmungen [tama) im heiligen Bezirke von Oljmpia (^Olvfinla) handeln könne. Leider weiss ich wenigstens nicht mit Sicherheit zu sagen, was das Verbum änäaxeiv oder näaxsiv (je nachdem nämlich x anäaxoi oder xa naaxoL abgetheilt wird) zu bedeuten hat. Die verstümmelten Reste der letzten Zeile rühre ich lieber gar nicht an. Was die Trübung des a zu o in yQocpevg für y(ja(pEvg betrifft, welche durch die analoge Erscheinung in anderen Mundarten Bestä- tigung findet, verdient hervorgehoben zu werden, dass sie sich in der Mundart von Elis nicht auf alle Ableitungen dieses Stammes erstreckt bat: vgl. yqäfpea C. I. G. 11, ygägtog und yqaffEiov oben n. 223, yqaq^ev und ßioXoyqäipOQ der Damokratesbronze.

Oben habe ich angenommen, dass Z. 5 unter 'Ellavo^ixag der eine damals fungirende Hellano- dike zu verstehen sei, obwohl der Artikel nicht hin- zugefügt ist. Denn es ist nicht abzusehen, wes- halb, wenn mehrere Hellauodiken damals fungirten, Verpflichtung und Strafandrohung nur auf einen von ihnen bezogen sein sollten, und es ist eben- massig klar, dass, wenn dies dennoch der Fall ge- wesen wäre, nothwendig hätte gesagt werden müssen, welcher von den mehreren eigentlich gemeint sei, was doch nicht der Fall ist. Sonach gehört unsere Urkunde in die Zeit, in welcher von den Eleern nur ein Hellanodike bestellt zu werden pflegte. Dies aber geschah, wie wir bestimmt wissen (Pau- sanias 5, 9. 4), bis zur 50. Olympiade, von wel- chem Zeitpunkt an ihre Zahl zwei, dann neun, zuletzt, nach einigem Schwanken, zehn betrug. Es folgt hieraus, dass unsere Bronze nothwendig älter sein muss, als die fünfzigste Olympiade, und also vor das Jahr 580 v. Chr. zu setzen ist.

Von welcher Bedeutung diese Thatsache für die genauere chronologische Bestimmung der älteren eleischen Inschriften und die Geschichte der Schrift im Allgemeinen ist, bedarf wohl keiner weiteren Ausfüliruug.

G. Cnrtius, Zu Nr. 362. Nachträge.

69

Zu Nr. 308 der Olympisclieu Inscbrifteu schlägt Hr. Professor Dittenherger in der sechsten Zeile viel- mehr vor 6 d^€Ox6Xo\Q, OQZtQ töxa d-soxo^lioi, arco-

xlvoL xa To"] Zl 'OXvvnU^ 'kaTQ\a'iwiJ.svov -, was

der Wahrheit sicher sehr nahe kommen dürfte;

ebenso zu Nr. 306, das unmögliche N der ersten Zeile nicht aus Ä, sondern aus M verschrieben zu fassen, und demzufolge entweder avvdrii.ia, oder avv&t]^ia, avvd-rjfia[i] zu lesen.

A. K.

Zu Nr. 362.

Von meinem Bruder aufgefordert, auch meiner- seits an diesem Orte vorzubringen, was sich mir etwa über diesen neuen Fund seit der ersten Kennt- nissnahme des Textes ergeben haben würde, will ich im Anschluss an die obige Erklärung von Kirch- hoff's bewährter Hand die wenigen Bemerkungen nicht unterdrücken, zu denen mir der Text selbst und die Erklärung des ersten Herausgebers, welche mir durch die Güte der Redaction vorlag, Aulass giebt. Es geschieht dies im vollsten Bewusstsein von der Schlüpfrigkeit des Bodens, auf dem wir uns hier bewegen.

Im Anfang von Z. 2 scheint xaTiagavoeis als ein Wort auch mir bedenklich, weil es an abgelei- teten Verben auf - amo fehlt. Vielleicht aber ist statt des von K. vorgeschlageneu xaTiag' aiasiev vielmehr mit sogenannter Tmesis xaz I'oq' avaeiev zu lesen. Das Verbum aveiv 'nehmen' liegt uns nämlich nur in der Zusammensetzung vor und xaTavaai, dem Sinne nach von xad^eknv wenig ver- schieden, würde gut in den Zusammenhang passen, wie xad^aiQEiv xpfjcpov, ^rjcpiai.ia gesagt wird, xazav- otti ist durch Hesychius bezeugt, mit der Erklärung xaravTl^aai, xaxadiaai und der Variante xa&av- aai aqiaviaai. Aus Alkman (fr. 97 Bergk^) liegt uns Tciv MüJaav xaTavasli; vor. Die Tmesis, rich- tiger die ursprüngliche adverbiale Selbstständigkeit der mit Verben zusammen zu denkenden Präposi- tionen, ist freilich in Prosa fast nur durch Herodot vertreten. Bei diesem aber ist sie so häufig, dass mau darin gewiss keine homerische Nachahmung erblicken darf. Wie leicht könnte sich auch bei einem andern griechischen Stamme diese Weise iu alter Zeit erhalten haben? Gerade im Gebrauche

der Präpositionen zeigen die Mundarten mancherlei Verschiedenheiten von einander.

FÜqqsvoq. Digamma ist in diesem Worte bis- her nicht nachgewiesen. Der homerische Text schliesst es an mehreren Stellen aus und fordert es nirgends. Nach den bisherigen Zeugnissen musste man daher auf vocalischen Anlaut schliessen, und da sich im skr. rsha-bha-s 'Stier' ein ver- wandtes, im zd. arshan 'Mann, Männchen' ein iden- tisches Wort darzubieten schien, durfte aQarjv, wie Grundz. d. Etym." 342 geschehen ist, mit diesen Wörtern zusammengestellt worden. Allein das Sanskrit bietet auch in gleicher Bedeutung von Thieren die Form vrshan. Jetzt werden wir Fagaev für die älteste Form halten und für Homer anuehmeu müssen, dass sich bei ihm das F schon, wie in anderen Fällen, verflüchtigt hat. Jedenfalls also steht K.'s Deutung von Seiten der Sprachfor- schung kein Hinderniss im Wege.

Z. 5. Die Erklärung der drei Verbalformen EHENnOI EnENHETO üm\ENnOI(m BIENHOI) aus nifincü findet K. selbst unbefriedigend. Ich versuche daher eine andere. Zunächst lohnt es sich nachzusehen, ob wir nicht für die dritte uns die Annahme einer Verschreibung (aus E[nE]NnOI) ersparen können, zu der K. genöthigt ist. Ich gehe von der Annahme aus, die mir sehr natürlich scheint, dass die beiden ersten Formen um die Präposition eni reicher sind als die dritte und dass die Sylbe ev in allen dreien die Präposition be- zeichnet. Ein Verbum e/.incü freilich wobei man an "Efinovoa denken könnte wird man nicht an- nehmen dürfen. Aber nichts hindert uns, aus den überlieferten Zeichen ein Verbum contractum her-

70

A. Furtwängler, Zu Nr. 91.

auszulesen. Ich glaubte anfangs, es sei snEvnoX zu lesen und dies als Contraction aus enennotj, enef.i- nr^Tiü als solche aus EnE!:moj]Tw aufzufassen. Al- lein da uir kurz vorher ininosävTiov lesen mit unversehrtem o, scheint mir das bedenklich. Aber wir können auch ensvnw inEvTir]xo) (mit dorischer Contraction aus ae, wie sie in MENTIOI vorliegt) ivniö schreiben, und ein Verbum in -ev- natu uud Ev - näco annehmen. Die Grammatiker kennen ein nä(D t6 ßUnio, mit welchem Lobeck ßhemat. p. 8 EU - na - 10 - g in Sinne von s'f.m£iQog und Efi - na - a - tfJQag ^tv&wv niaTioxäg, (.läQZvqag in der Bedeutung 'Augenzeuge' zusammen stellt. li.inä- raov l'i-tßXExpov nä(fioi (Hesyeh.) ist dazu, wie es scheint, das Intensivum (vgl. el. l - täio). Wir ge- winnen so für i^inäw die Bedeutung 'beachten, be- aufsichtigen', für EnEf-inäco 'noch dazu beaufsich- tigen'. Diese Bedeutung passt, wie mich dünkt, in den Zusammenhang.

Die Geltung von ev ^aaTQaai auf der Grenze der sechsten uud siebenten Zeile ist durch die von K. an- geführte Glosse des Hesychius sicher gestellt. Aber ein Wort (.laatqüa ist befremdlich. Es konnte wohl nur für fiaoTQaia stehen. Für den Ausfall des t Hesse sich die Form sa = sl'rj C. I. No. 11 bei- bringen. Aber auf unsrer Tafel bleibt das i zwi- schen doppeltem a in ^sxafivaiag und ^ixaia sowie in inid^sTav. Auch hätte eine Bildung wie (laargaia, wenn man es nicht als substantivirtes Adjectiv wie ■fj vaxeqaia fassen will, kaum hinreichende Analo- gie. Ich glaube daher, der Schreiber hat beim Uebergang von Z. 6 zu Z. 7 aus Versehen das Al23ha doppelt geschrieben. Wir erhalten dann die Form (.läaxQui, Dativ von ^läarga, das ganz wie Fgärga, XvTQa u. s. w. gebildet ist. Das /naoTQia (oder etwa fiaazQEia?) des Hesychius ist eine weiter ab- geleitete Form.

ööatg t' oliyT] %e (fih] re,

Georg Curtius.

Zu Nr. 91.

Zu deu Beispielen, dass eine .ältere Inschrift später an demselben Bathron durch eine Wieder- holung ersetzt wird, gesellt sich die Basis des Tel- lon. Die Nr. 91 publicirte Inschrift scheint dem 1. Jahrhundert v. C. anzugehören; doch an der 1. davon befindlichen Seite des Bathrons sind, eben-

falls auf der oberen horizontalen Fläche, die Reste einer verlöschten Inschrift des fünften Jahrhunderts zu erkennen, von denen ich las

//// S G A S I O S P ////

'Oßfijff^ß'atog n . . .

A. Furtwängler.

MARMORFRAGMENT IN VENEDIG.

(Tafel 7.)

Das iiaeli dem Abgüsse des Ijritisclien Museums auf Tafel 7 abgebildete Fragment einer weiblichen Ge- wandstatue war ich bei der Betrachtung des Originals in der Bibliothek San Marco zu Venedig (0,91 M. hoch) geneigt zu den Parthenongiebeln zu rechnen. Seit- dem Herr Newton den erwähnten Abguss beschafft und in den Elgin-rooms zur bequemen Vergleichung aufgestellt bat, ist meine Ueberzeugung von der Richtigkeit dieser Zutheilung des Bruchstückes, das zu Morosini keine Beziehung hat '), zwar nicht ganz fest geblieben, doch ist jedenfalls so viel Ueber- f"nstimmung vorhanden, um zu einer Prüfung der Zusammengehörigkeit aufzufordern. Ich beabsich- tige nicht einen endgiltigen Spruch zu thun, son- dern, indem ich Uebereinstimmungen und Abwei- chungen hervorhebe , der Entscheidung der dazu Befähigten vorzuarbeiten.

Abgebrochen sind von dem Fragmente die Füsse und ein Stück vorn aus der Mitte der r. Wade, unmittelbar unter dem r. Knie ist ein Stück abge- stossen; sonst bestehen die Verletzungen meist in Sprüngen und in Abrundungen der schärferen Li- nien der tief geführten Gewandung, welche den Ein- druck nicht wesentlich beeinträchtigen.

Das Grossartige und Kräftige und dabei doch Massvolle hat unser Fragment mit den Partbenon- sculpturen gemein; es ist durch dieselbe lebens- volle Ruhe, die Phidias seinen Statuen einzuhauchen wusste, geadelt, so dass trotz der starken Ver- stümmelung die Empfindung des Grossen her-

1) E. Gerhard, Arch. Ztg. XVIII S. 43: „Die Herkunft dieses vortreft'liclien Fragments betreffend . . . vernahm Herr New- ton, dass es erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts durch den Gesandten der Republik Venedig aus Constautinoijel nach Venedig gelangt sei." Sonst erwähnen das Fragment Valentinelli, Marmi scolpiti del Museo arch. d. Marciana p. 47 nr. 69 (tav. IX). Thiersch, Reisen in Italien (Leipzig 1826) S. 226. Conze, Arch. Ztg. XXX S. 85 nr. 69.

ArcUUolog. Ztg., Jahrgang XXXVIII.

vorgebracht wird. Wie bei der von Michaelis und Petersen als Köre bezeichneten Frauengestalt vom Ostgiebel (mit welcher sowie mit der ersten der drei sitzenden Frauen vom 0.stgiebel bei Michaelis E und K unser Fragment soviel Aehn- lichkeit besitzt, dass wir die Vergleichung hinfort auf diese beiden Figuren fixiren wollen) sind die Beine auseinandergespreizt, das rechte etwas vor das linke gestellt. Es giebt dies der Composition etwas Breites und Monumentales, welches leicht bei mit geschlossenen Füssen sitzenden Figuren ein- gebüsst wird, und zugleich wird das Schwerfällige und Wulstige vermieden, welches entsteht, wenn der Künstler lediglich durch bauschige an den Seiten herunterhängende Draperie die gewünschte Breite erlangen will. Zudem aber motivirt es vollständig das klare Hervorseheinen der Formen und verleiht demselben dadurch den Eindruck des Natürlichen und Unabsichtlichen. Die Stellung bringt auch jenen schönen Wechsel von angespannten, grossen, ein- fachen Flächen mit kleinen gebrochenen Linien in den Falten hervor, welcher der Gewandung der Parthenonfiguren den lebensvollen Rhythmus giebt. Wie die Giebelfiguren zeigt das Fragment das hervorstechendste Merkmal attischer Kunstübung: das lebhafte naturalistische Texturgefühl, ein Ge- fühl das hie und da au den Giebeln sogar ein etwas zu starkes Haschen nach Wahrheit zur Folge hat, wie es sich in den unruhigen kleinen Fältchen, dann wieder in den ausserordentlich breit gehaltenen Stoffmassen kundgiebt; unter Andern hat schon Flaxman auf diesen Fehler hingewiesen. An un- serem Bruchstücke können wir leider ein Abheben der Gewandung vom Körper nicht beobachten; je- doch ist, wie bei E und K im Ostgiebel, der Un- terschied des schweren Stoffes des Obergewandes

10

72

Ch. Waldstein, Marmorfragment in Venedig.

und des leicht sich faltenden des Uutergewandes, sowie der leeren und der von Körpertlieilen er- füllten Gewandung aufs feinste angedeutet. Ich vermuthe, dass schon vor Phidias, besonders (nach den schriftlichen Nachrichten zu urtlieilen) bei Py- thagoras von Khegiou, sich das Bestreben nach Texturangabe kundgab. Ich kann daher Michaelis (S. 158 f.) nicht ganz beipflichten, wenn er die ge- ringen Mängel im Detail der Gewandung am Par- thenon darauf zurückführen will, dass sie hier zum ersten Male in voller Freiheit zu geben versucht sei, in welchem Falle nach der Erfahrung ein Zu- viel aufzutreten pflege. Ich möchte vielmehr glauben, dass Phidias, dessen Hauptwerke in der Goldelfeu- bein -Technik gearbeitet waren, zu deren Anwen- dung eben jenes lebhafte Texturgefühl führte, dem- selben in Marmor nicht genug thun konnte und daher zu etwas extremen Mitteln getrieben wurde. Trotzdem bleiben freilich auch in der Eiuzeldurch- bildung des Faltenwurfs die Partheuonsculpturen Musterwerke für alle Zeiten.

Das Fragment bietet in einer Hinsicht bei der Behandlung der Falten Beispiele von Vollendung, wie sie kaum am Parthenon gefunden werden. Ich meine die Vermitteluug zwischen Falte und Fläche, wenn ich so sagen darf das organische und all- mählige Ausklingen der Falte. Es wird dies am deutlichsten, wenn man z. B. eine Falte an der rechten Seite der Figur oder mehrere auf dem Öchoosse mit den Falten an römischen Gewaud- statuen vergleicht. Hier sind sie mit dem Bohrer eingetrieben und enden unvermittelt, vom Anfange bis zum Ende Rinnen von gleichmässiger Tiefe und Breite. An unserer Figur wechseln an derselben Falte Breite und Tiefe und so bietet sie dem Auge ein mannigfaches Spiel von Licht und Schatten; sie verläuft, indem sie allmählig flacher und breiter wird.

Die Kniee sind an fast keiner antiken Gewand- statue so meisterhaft durchgebildet wie an dem Fragmeute; es ist als ob dieselbe Hand wie die Kniee von E und K sie gebildet habe. Auch die Art, wie an den Parthenonfiguren das durch das hervor- tretende Knie angespannte Gewand auf der Seite, vorn Knie aus, in kleine Fältchcn verläuft, ist an

unserer Figur zu erkennen. Es bringt dies einen wohlthuenden Gegensatz zu den grossen Flächen des über den Waden angespannten Gewandes hervor. Etwas störend wirkt es, dass eine grosse Faltenmasse, welche von der rechten Seite aus leicht über den Knöchel geht, auf der linken Seite wieder kräftig hinaufgeführt wird. Aehnlich aber verfolgt man bei E im Ostgiebel eine Faltenmasse von einer Seite bis zur andern, nur dass sie hier bis über das Knie läuft. Dass das Gewand sich in einer dreieckigen Kante vom Fusse abhebt, be- ruht wieder auf dem Texturgefühl, indem zwischen Gewand und Fuss ein scharfer Abschnitt hervor- gebracht werden soll, und dasselbe findet sich an den Giebelfiguren wie an der Demeter des Frieses.

Es mnss befremden, dass die ruhigen Massen und grossen Linien der Composition durch die zwi- schen den Beinen angehäuften, relativ kleinlichen Linien des Faltenwurfs am Zipfel des schwe- ren Mantels in ihrem einheitlichen Charakter ge- stört werden. Künstlerisch lässt sich dies aus einem Streben nach Abwechslung erklären, wie aus dem "Bemühen, die durch die gespreizten Beine hervorgebrachte monotone Fläche zu vermei- den. Auch dies findet sich an Figuren des Ost- giebels sowie in Andeutung bei der Aphrodite des Frieses. Nur ist in Folge der ßeinstellung die Aushöhlung des Gewandes im Schoosse unserer Figur weit tiefer und ausgesprochener als an den Figuren des Ostgiebels, und es bedurfte daher einer grösseren Gewandmasse um die Lücke auszufüllen, die einen störenden scharfen Abschnitt inmitten der Gestalt hervorgebracht hätte.

Charakteristisch ist an unsrer Figur auch die Behandlung der Falten am leichten Chiton, wo dieser auf dem Boden aufsitzt; sie ist meines Wis- sens in so prägnanter Weise ausserdem nur an den Giebelfiguren zu erkennen. Die Fläche ist durch tiefes Aushöhlen in verschiedene grössere Theile zerlegt, deren jeder dann wieder durch zwei flachere und schmalere Aushöhlungen in drei Ab- schnitte getheilt wird. Natürlich sind diese Ab- schnitte nicht parallel gehalten, sondern in belebten Windungcu, und ohne einen Gedanken an archi-

Ch. AYaldsteia, Marmoifragment in Venedig.

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tektonisclie Steifheit hervorrufen zu wollen, möchte ich sie Gewaudtriglyphen nennen. Das beste Beispiel hiervon findet sich vorn auf der rechten Seite des Fragments. Diese kleinen dünnen Flä- chen sind natürlich hier und au den Giebelfiguren meistens leielit abgestossen; jedoch finden sich die deutlichen oberen Ansätze derselben an der Figur D des "Westgicbels unten an der rechten Seite, wo sie in Folge der Einhöhlung niclit ganz abgebro- chen werden konnten. Am Friese sind die Figuren zu klein, als dass die Falten so ins Detail aus- gebildet werden konnten; hier wird vielmehr bei den herabhängenden Chitonen eine dichotomische Eintheilung befolgt.

Soweit das Einzelne. Nehmen wir nun au, dass das Fragment zu den Parthenongiebeln gehöre, so erhebt sich die Frage, wo es in denselben seinen Platz finden würde. An den Ostgiebel ist nicht zu denken; seine Ecken sind mit erhaltenen Figuren ausgefüllt und für die Mitte sind die Proportionen zu klein. Wenn wir Carreys und des Nointerschen Anonymus Zeichnungen des Westgiebels betrachten, so muss die Aebnlichkeit sowohl der Stellung als der Gewandung bei dem Fragmente und der ge- wöhnlich als Demeter (gruppirt mit lakchos und Köre) bezeichneten Figur auffallen. Die Möglich- keit der Identification schwindet jedoch, wenn man den Dalton'schen Stich heranzieht, denn auf diesem sitzt diese Figur gar nicht.

Seinen Grössenverhältnissen nach würde das Fragment vor den s. g. Asklepios passen. Es findet sich hier zwischen den beiden männlichen Figuren auch eine Lücke, von der richtig gesagt wurde, dass sie des Constrastes mit der Südwest-Ecke wegen von

einer weiblichen Figur habe ausgefüllt sein müssen, etwa einer dem Kephisos gesellten Nymphe. Diese Figur können wir uns nun unmöglich auch liegend denken ; nicht bloss das Gebot der Abwechslung, sondern auch der Raum spricht dagegen, und somit wäre eine Figur wie die Venetianer für diese Stelle wohl passend. Icli erinnere daran, dass neben dem Theseus des Ostgiebels, also ebenfalls einer gela- gerten Figur, die sitzende Köre, die unserm Fragmeute so ähnlich ist, ihren Platz hat.

Bei meiner Annahme würde ich mir die Situa- tion etwa folgendermassen denken. Die Nymphe sass in Ruhe, als der jugendliche Flussgott sich plötzlich erhob, um sich nach dem Streite im Cen- trum hinzuwenden. Dadurch aufgeschreckt, wendet sie den Oberkörper ebenfalls nach rechts, doch ohne ihn ganz umzukehren. Der Mantel fällt von der Schulter, sein Zipfel in den Schooss. Wie es der Natur gemäss ist, wenn wir uns vom ruhigen Sitzen plötzlich nach einer Seite umwenden (wobei wir gewöhnlich nicht den ganzen Körper, sondern nur den Oberkörper drehen), streckt sie das dem An- ziehungspunkte abgewendete Bein zurück.

Als Ergebniss meiner Erörterungen möchte ich die folgenden Sätze aufstellen: dass eine 'Möglich- keit der Zugehörigkeit des Fragments zu den Giebel- figuren wohl vorhanden ist; dass unter allen er- haltenen Werken der griechischen Kunst keines den Parthenonsculpturen, sowohl in Auffassung wie in Technik, näher steht; dass unser Bildwerk, wenn es nicht aus der Werkstatt des Phidias stammt, doch ein meisterhaftes Product der attischen Kunst, spä- testens aus der Zeit unmittelbar nach Phidias, ist.

London. Charles Waldstein.

10'

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ÜBER DIE ECHTHEIT EINER VASE AUS ARGOS.

Am 12. April 1858 nahm ich bei dem Apotheker in Argos die Durchzeichuung eines Vasenbildes, welche in dieser Zeitung- 1859, Taf. CXXV, S. 33 f. publicirt wurde. Am 17. August 1860 habe ich die Vase noch ein Mal gesehen; ihr Besitzer war nach dem Piräeus gezogen und hatte sie dahin mit sich genommen. Ich muss erwähnen, dass ich damals auf der Abreise von Griechenland zusammen mit Michaelis im Piräeus war, und unmittelbar vorher in Athen an den Nachspürungen meines Freundes nach Vasenfälschungen den Antheil genommen hatte, den unsere enge Studienverbindung mit sich brachte. Als ich die Vase wiedersah, konnte ich also wohl absonderlich kritisch gestimmt sein. Auch hat, so viel wir uns erinnern, Michaelis die Vase mit mir besichtigt. Ein Zweifel an ihrer Echtheit ist damals jedesfalls nicht zur Sprache gekommen. Ich selbst notirte mir die Form des oberen Ornamentbandes, welche ich in meiner Publikation nur ganz allge- mein hatte andeuten können, so wie ich sie nach- stehend angebe, und Hess mir von dem Besitzer erzählen, dass die Vase in der Gegend des Heraions gefunden sei.

Jahre vergingen. Im Frühjahr 1873 tauchten ge- fälschte Exemplare derselben Vase in Athen auf. Wieseler signalisirte in seinem archäologischen Be- richte über eine Reise in Griechenland (Abh. der K. Ges. der Wiss. zu Güttingen XIX, 1874, S. 49) deren zwei als grobe Betrügereien, das eine bei einem Kunsthändler (er hiess Nostrakis), das andere bei einem bekannten Privatsammler. Auf dem letzteren Exemplare hatte die Hydra acht statt der zehn Köpfe meiner Publikation; das Gefäss selbst hielt Wieseler für alt, nur die Malerei für modern aufgesetzt, wobei auch ein Versuch Inschriften anzubringen gemacht

war. Der Sammler hat darauf, von Ehusopulos auf die Thatsache der Fälschung aufmerksam gemacht, dieses sein Exemplar fortgegeben.

Es war um dieselbe Zeit, im März 1873, dass ein deutscher Reisender in Atlien ein Exemplar der- selben Vase kaufte. Er verschenkte es nach Berlin, wo ich es oft habe sehen können und augenblicklich vor mir stehen habe. Dass an diesem Exemplare die Vase selbst antik, die Malerei aber modern auf- gesetzt ist, leidet keinen Zweifel. Dass es nicht das von mir publicirte Exemplar ist, geht aus einer Menge von grossen und kleinen Verschiedenheiten, namentlich dem Fehlen einer ganzen Figur, hervor. Auch das von Wieseler erwähnte Exemplar des Sammlers ist es nicht, wie die Zahl der Köpfe der Hydra und der Mangel an Inschriften beweist.

Was Wieseler wohl nicht annahm, hat sodann Klügmann in der Sitzung des römischen Instituts am 7. April 187G (Bnll. deW inst. 187G, S. 116) zu- versichtlich behauptet, dass die von mir publicirte Vase selbst eine Fälschung sei: „poiia tanti iudizj dt essere stato dipinto da im falsario, che nemmeno ■piiö recar maraviglia di vedervi Cerhero con una sola tesla". Dass auf einem Vasenbilde, welches nach Klügmanns eigener Ansicht, wenn es echt wäre, das älteste uns bekannte mit einer Darstellung des Kerberos sein würde, der spätere Typus des dreiköptigen Hundes, welchen auch weniger alte Vasenbilder zweiköpfig bilden, noch nicht erscheint, kann den ausgesprochenen Verdacht schwerlich irgendwie begründen. Von den nicht ausgesprochenen Gründen vermag ich keinen zu finden. Allerdings beruft sich Klügmann auf die Existenz der falschen Exemplare in Athen nach Wieselers Berichte.

Indessen kann dieser Umstand doch wohl so wenig gegen das von mir in Argos gezeichnete Exemplar beweisen, wie die von Michaelis nachge- wiesene gefälschte Nachbildung der Innenbilder der Sosiasschale auf einer Trinkschale in Athen

A. Michaelis, Tragischer Kopf.

75

(Arch. Ztg. XIX, 1861, S. 202* f.) der Autlieuticität des OrigiDals im Berliner Museum Eintrag- thun kann, so lange man dieses selljst vor Augen hat. Ich habe nun auch keine Bemühung unterlassen, jenem argivischen Exemplare wieder auf die Spur zu kommen um es abermals prüfen zu kihiuen, lange ganz vergeblich, bis ich im vorigen Jahre Herrn Dinii- trios Elevtheriu aus Argos kennenlernte, der mit dem später nach dem Piräeus übergesiedelten Apotheker aus Argos, Andreas Pitzidis, dem Besitzer der Vase, verwandt war. Der Besitzer war inzwischen ver- storben, aber Uerr Dimitrios hat auf meine Bitte in der Familie die sorgfältigsten Nachforschungen nach der Vase angestellt; leider haben sie schliesslich zu der Erklärung der Hinterbliebenen geführt, dass die Vase zerbrochen und verloren sei. Auch nicht eine Scherbe ist mehr aufzufinden gewesen.

Alles Dieses festzustellen schien mir der Mühe werth. Namentlich die eine Hälfte des Vasenbildes, in der Herakles gegen Hades einen Stein wirft, wie Artemis gegen den Stier auf dem argivischen Relief (Baus. II, 19, G. Vgl. Mon. dell' inst. X, 52, 1), wovor erschreckt Hades vom Throne aufspringend flieht (II. XX, 61 f. Id'idwvevg delaag ex 9q6vov alzo. Cf. Herod. VII, 212), ist so eigenthümlich, dass die einmal aufgeworfene Frage, ob die Malerei antik oder modern sei, nach Möglichkeit beantwortet w'crden niusste. Ich bin überzeugt, dass Löscheke ganz recht that, wenn er sie noch kürzlich als un- bedenklich echt behandelte (De basi qiiadam prope Spartam reperta. Dorpater Programm 1879, S. 3).

CONZE.

TRAGISCHER KOPF.

(Tafel 8. 9.)

Im Besitze von Künstlern und Kunstfreunden in Eom findet man nicht selten den Abguss eines schönen weiblichen Kopfes mit dem Ausdruck tiefer Trauer, von einem schweren Gewaudstück schleier- artig bedeckt und umhüllt. Unter dem traditionellen Namen der „Mutter des Herakles" oder der „Om- phale" bekannt, geniesst der Kopf grossen Ansehens und begegnet auch in Sammlungen von Gipsabgüssen diesseits der Alpen nicht ganz selten. Zu Anfang der vierziger Jahre erwarb Welcker ein Exemplar für das Bonner Kunstmuseum') und vermuthete, das Original m(3chte wohl nach England gegangen sein. Später fügte er die Notiz hinzu, es solle in Ostia gefunden und bei Mr. Jones in London sein'). Ueber Ort und Zeit des Fundes ist es mir nicht gelungen irgend etwas Genaueres zu ermitteln; das

') Zuerst verzeichnet in dem Neuesten Zuwachs des akad. Kunstmus. zu Bonn, 18-14, S. 8 No. 17ü4. In der zweiten, 1S41 erschienenen Auflage des akad. Kunstmuseums ist der Abguss noch nicht aufgezählt. Ein andres Exemplar befand sich in Berlin im Gewerbeinstitut (Friederichs, Bausteine No. 810). Neuer- dings ist der Abguss bei Brucciani in London käuflich zu haben.

-) Bei Kekule', akad. Kunstmus. zu Bonn S. 101 Xo. 402 nach einer handschriftlichen Randbemerkung Welckers.

Original selbst tauchte zuerst aus dem Versteck englischen Privatbesitzes bei Gelegenheit der Kunst- ausstellung von Manchester im Jahre 1857 auf, wo es unter den nicht zahlreichen Antiken von Belang einen Ehrenplatz einnahm. Damals befand sich der Kopf bereits im Besitz des gegenwärtigen Eigen- thümers, des Hon. Ashley Geo. J. Ponsonby, zweiten Sohnes des ersten Lord de Mauley und Urenkels des- jenigen Earl of Bessborough, welcher im vorigen Jahrhundert einer der eifrigsten englischen Antikeu- sammler war; als Hon. W. Ponsonby gehörte er zu den Stiftern der Gesellschaft der Dilettanti, deren Mitglied er sechzig Jahre lang, bis zu seinem Tode (1793), blieb ■'). Seine Sammlungen wurden zerstreut, aber sein Enkel, Lord de Mauley, scheint etwas von den Neigungen des Grossvaters geerbt zu haben. Bei ihm hatte Waagen bereits einige Jahre vor der Ausstellung in Manchester den Kopf gesehen und gebührend hervorgehoben^), ohne sich jedoch dabei

3) Michaelis, Ancienl Marlies in Great Britain S. 60 f.

*) Treasures of art in Great Britain II S. 83. Die An- gabe bezieht sich auf das Jahr ISöO oder 1851, da sie in dem älteren deutschen Buche Waagens noch l'elilt.

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A. Michaelis, Tragischer Kopf.

des verbreiteten Abgusses zu erinuern. Auch Emil Braun erwähnt den sog. „Omphalekopf" des Lord de Mauley in einem Briefe an Gerhard vom 31. Januar 1853'). Das Aufsehen, welches das Original in Manchester erregte, mag den Besitzer veranlasst haben den Kopf dem South Kensington Museum zu öffentlicher Ausstellung zu leihen''). Dort steht er seit einer Reihe von Jahren in einem ziemlich dunkeln Winkel, durch einen braunen Ueberzug ich weiss nicht ob in Folge des Kohlenstaubes oder irgend einer Tränkung traurig entstellt und unschein- bar gemacht, so dass ausnahmsweise, da die Natur des Marmors nicht mehr zur Geltung kommen kann, die Abgüsse klarer und schöner wirken als das Original '). Es wäre sehr zu wünschen, dass letzteres endgiltig an einen günstigeren und würdigeren Platz käme und welcher könnte geeigneter sein als das britische Museum? und dort einer vorsich- tigen aber gründlichen Reinigung unterzogen würde. Dabei müsste dann noch ein Fehler der Aufstellung verbessert werden, von dem unten die Rede sein wird. Ergänzt ist au dem Kopfe nur die Nasen- spitze. Ausserdem scheint der moderne Rand des Gewandes, welches sich neben dem rechten Ohr herabzieht, abgebrochen und der Bruch überarbeitet worden zu sein; bei stärkerem Vorspringen des Mantels traten also die reichen Locken noch mehr in den Schatten, der Kopf desto mehr ins Licht. Die alte Deutung auf Omphale (denn die „Mutter des Herakles" lassen wir billig bei Seite) erklärte sich Welcker aus „der Schönheit des Gesichts und der Löwenhaut über der Stirne", und warf zur Er- klärung des leisen schmerzlichen Zuges die "Worte „vielleicht verlassen von Herakles'' hin. Aber es ist gar keine Löwenhaut vorhanden, sondern ein .schwerer dicker Wollenstoff, und für ein Weib von so überkräftiger Natur wie Omphale passt schlecht die liebessieche Stimmung einer Dido. Mau braucht nur das pompejanischeOmphalebild") zu vergleichen,

^) Im Archiv des aichiiolügischeD Instituts in Rom.

«) Michaelis a. a. O. London, South Kens. Mus. No. IS.

') Etwas Aehnliches ist bei dem schijnen Leidener Dionysos- kopfe der Fall {Mon. delV Jnsl. II, 41, 1. Denkm. der .ilten Kunst II, 31, 345).

») Zahn, die schönsten Ornamente III Taf. 84. Berichte d. .•■iichs. Ges. d. Wiss. 18Ö5 Tal'. 0.

um des fundamentalen Unterschiedes zwischen der lydischen Bezwingerin des Herakles und unserem Kopfe inne zu werden. Freilich noch viel verfehlter ist die in England meistens übliche Bezeichnung einer Juno Sospita oder Lanuvina, die wiederum nur durch die allgemeine Aehnlichkeit der Kopf- bedeckung mit einem Fell hervorgerufen sein kann ; ,,an eine Juno Lanuvina kann nur ein archäologi- scher Witzliug denken", meinte Braun mit Recht. Waagen enthielt sich jedes Deutuugsversuches. Jahn hob den stark tragischen Ausdruck hervor, indem er den Holzschnitt auf dem Titelblatt seiner Aus- gabe der sophokleischen Elektra") (er ist weiter unten in diesem Aufsatze wiederholt) mit den kurzen Worten einführte: „caput marmoreum, paene intactiim Ostiae ut dictmt repertum, nunc in Britannia delites- cens, tragicam Spirans gravitatem:

eiTS aoi Ävtiyovriv elnelv q>ilov, ovx av aj^iägtoig, ei're xal HXixTQav."

Schwerlich lag es in Jahns Absicht mit diesen Versen des Dioskorides ") gradezu den Namen einer Antigone oder Elektra für den Kopf in- Vorschlag zu bringen, wie es hie und da verstanden worden ist, sondern er wollte gewiss nur den Kopf der tragischen Sphäre zuweisen, die Gruudstimmuug als der Tragödie entlehnt oder wenigstens verwandt bezeichnen. Insoweit ist schwerlich ein Widerspruch zu befürchten.

Dieser Charakter des Kopfes tritt noch viel schärfer hervor, wenn mau ihm seine richtige Stellung wiedergiebt, worauf mich zuerst mein Freund G. Gerland aufmerksam gemacht hat. Die modernen Restauratoren und Gipsgiesser haben bekanntlich die leidige Neigung fast alle einzelnen Köpfe mehr oder weniger senkrecht auf die Basis zu setzen und ihnen dabei meistens gar noch eine etwas zurück- gelehnte Haltung zu verleihen"). Jeder Vorstand

") Bonn 1861. Jahns Interesse für den Kopf war durch die begeisterte Schilderung seines Freundes Dr. Ilermann Härtel, als dieser auf der Rückreise von Manchester im Herbst 1857 in Bonn vorsprach, gesteigert worden.

">) Anthol. Palat. 7, 37, 9.

") Vgl. die Bemerkungen von Brunn in dieser Zeitschrift 1876 S. 24. Der vortreffliche Amazonenkopf des britischen Mu- seums (^Anc. Marbl. X Taf. 5) wird im Ouide lo the Oraeco- Roman Sculptures I No. 150 dem capitolinischen Typus zuge-

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einer Abgusssammlurig wird davon 7.u erzählen wissen, wie vielen Köpfen erst nachträglich durch ein VornUberbeugen, gelegentlieli auch durch eine seitliche Neigung die richtige Wirkung gesichert werden muss. Wenn dieser Uebelstaud schon bei den vereinzelten Köpfen hervortritt, wie viel nach- theiliger müsste erst die Wirkung sein, wenn man sich den Kopf in der üblichen Haltung auf seinem Körper dächte: statt dass der Kopf zum Beschauer herabblickte, würde dieser meistens das Kinn und die Nasenlöcher als Hauptstücke des Gesiebtes zu sehen bekommen, wie das in der That beispielsweise bei den Abgüssen der Zeusmaske von Otricoli der Fall zu sein pflegt. In unserem Falle beweist schon die Richtung des Halses, dass die gewöhnliche steile Aufstellung falsch ist, denn es würde unmöglich sein sich danach den Körper in einer zum Kopfe passen- den oder auch nur überhaupt möglichen Stellung zu ergänzen. Es ist ganz bezeichnend, dass der Holz-

schneider welcher den vorstehenden Holzschnitt (für Jahns Ausgabe der Elektra) oder der Zeichner welcher die Vorlage dazu gemacht hat willkürlich die Haltung des Halses mit der des Kopfes in Einklang gesetzt und das zwischen dem neu erfundeneu Hals- umriss und den Locken entstandene Dreieck durch Gewand ausgefüllt hat. Giebt man dagegen dem Halse seine ursprüngliche grade Haltung wieder, so fallen die Locken senkrecht herab, die Falten des Mantels an der rechten Seite erhalten ebenfalls ihren natürlichen Zug, und vor Allem tritt erst jetzt

wiesen; richtig aufgestellt entspricht er genau den Köpfen des Lansdowne-Berliner Typus, deren vielleicht bestes Exemplar er ist. Das ludovisische Relief der sterbenden Meduse (i/on. dell' Inst. IX, 3ö) gelangt erst zu seiner vollen Wirkung, wenn man, entsprechend dem Falle der Haare, den Kopf so weit senkt dass die Nase senkrecht sttht.

der Grundcharakter des Kopfes in voller ergreifen- der Schönheit hervor. Nach einem demgemäss auf- gestellten, leider nicht ganz frischen Abguss, der früher in Gerhards Besitz war, ist die Photographie gemacht worden, welche der Lithographie auf unse- rer Tafel 8 zu Grunde liegt. Jedoch ist die Neigung nach vorn wie gegen die Rechte um ein Geringes zu stark gerathen, wie sich aus einem äusseren Merkmal ergiebt. Der Kopf endigt nämlich oben in einer graden, nur obenhin bearbeiteten Fläche. Diese ist ohne Zweifel ein Theil der ursprünglichen Oberfläche des Marmorblockes, welcher also nicht völlig ausreichte; jedoch konnte man selbst bei niedriger Aufstellung der Statue diesen Mangel nicht bemerken. Da nun wohl anzunehmen ist, dass die Oberfläche des Blockes horizontal war, so ergiebt sich aus diesem Umstand mit ziemlicher Sicherheit die ursprüngliche Haltung des Kopfes, welche übrigens von derjenigen in der Abbildung so wenig abweicht, dass der Unterschied für den Eindruck fast ganz verschwindet'^).

In der somit gesicherten Haltung tritt das schöne volle Oval des Gesichtsumrisses vortrefflich hervor. Alle Formen sind gross und breit. Die namentlich im Verhältniss zur Nase nicht hohe Stirn bietet fast gar keine ebene Fläche, sondern ist durchweg ge- rundet, so dass sie schon oberhalb der inneren Augenwinkel energisch zurückweicht und diese Biegung bis zu den Schläfen consequent fortsetzt '^).

'-) Auch der Hinterkopf ist in ähnlicher Weise abgeplattet, jedoch bildet diese Fläche mit derjenigen des Oberkopfes keinen rechteu, sondern einen etwas stumpfen Winkel, daher sie zur Bestimmung der Haltung nicht verwendbar ist. Denn wollte man von dieser Fläche als einer senkrechten ausgehen, so würde man ähnlichen Schwierigkeiten wie bei der gewöhnlichen Auf- stellung, wenn auch in etwas geringerem Grade, begegnen. Man wird vielmehr annehmen müssen, dass die Seiten des Marmor- blocks von Anfang an nicht in rechten 'Winkeln an einander stiessen, wie dies ja noch heutzutage bei Marmorblöcken für statuarische Zwecke sehr oft der Fall ist.

'^) Zu den mancherlei anregenden Sammlungen, welche der Bildhauer Ed. von der Launitz sich angelegt hatte, gehörte auch eine Auzahl von Durchschnitten, welche er sich von den Köpfen hervorragender Antiken gemacht hatte, vom teneatischen ApoUon bis zur mediceischen Venus. Es war im höchsten Grade belehrend die Uebergänge von den geradlinigen eckigen Durchschnitten zu den immer mehr gerundeten zu verfolgen. Unser Kopf würde, namentlich im Durchschnitt der Stirn, ent- schieden zu den meist gerundeten gehurt haben.

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Kebeu dem breiten kräftigen Ansatz der Nase sind die (nicht dargestelltenj Branen ein wenig empor- gezogen , ein leiser , aber vernehmlicher Ausdruck der schmerzlichen Stimmung. Die sehr tief gele- genen inneren Augenwinkel und die weichen Haut- polster, welche mehr gegen aussen sich über den Stirurand herUberlegen und das Lied in seinem wei- teren Verlaufe bedecken, dienen jenen Ausdruck zu verstärken. Die Augen sind ähnlich stark wie die Stirn gerundet. Die starke Nase mit ihrem breiten Eiickeu verläuft nach geringer Einsenkung au ihrer Wurzel in einer dem Profil der Stirn pa- rallelen Linie, so dass also annähernd das soge- nannte griechische oder attische Profil entsteht. Die Nasenflügel sind leise gehoben und eiue leichte Senkung mehr als Falte zieht sieh jederseits herab, im Einklang mit den schmerzlich gesenkten Winkeln des leise geöffneten Mundes, dessen sehr tiefe Aus- höhlung einen Schatten von trefflicher Wirkung er- zeugt. Ausserordentlich schön sind die vollen, schwel- lenden, aber von jeder Sinnlichkeit freien Lippen; die obere ist leise gehoben. Unter der gross und einfach behandelten, aber sehr lebendig bewegten Oberfläche der Wangen fühlt man deutlich den Backenknochen durch; ja die obere Hälfte der Backen ist wie leise geschwollen, so dass der An- schein des Verweinten entsteht und zugleich jene von den Nasenflügeln ausgehenden Senkungen stär- keren Schatten erbalten. Das Kinn, mit seiner sehr deutlichen Zweitheilung, ist mehr breit als hoch und springt kräftig vor. Ein edles Weib in tiefe Seelentrauer versenkt, das ist der Gesammteindruck der sich dem Beschauer aufdrängt.

Dieser Eindruck wird noch wesentlich gehoben durch die doppelte Umrahmung des Kopfes, welche das Haar und der sehleierartige Mautel bewirken. Das dicke krause Haar zieht sich vom Scheitel nach beiden Seiten in ziemlich starkem Gewirre hin. Ueber der Stirn stehlen sich einzelne Locken aus der Masse hervor und fallen gesondert hin; jederseits schwingt sich vor den Ohren eiue grössere Locke weit auf die Backe vor (die bedeutend flachere am rechten Olir ist auf der Abbildung kaum erkennbar); hinter beiden Ohren fallen in freierem Geriugel die Haare

herab, au der rechten Seite besser erhalten als an der linken. Alles kündigt an, dass die Trägerin nicht in der Stimmung ist auf Ordnung und Schmuck ihres reichen Haares Sorgfalt zu verwenden, sondern es sich selbst überlassen hat. In der Sprache der Bühnentechnik würde man eine Maske dieser Art wohl als •Aaräxofj.og coxQci bezeichnet haben: rj de xaräxo^iog luxQa ^sXaiva t^v k6^i]v, ßXiftfia XvthjqÖv, To öa yiQiü^ia Ix xov ovö^iaTos^'}- Endlich ist auch die Schwere des Gewandstoffes wirksam. Der eine Wulst, bei dem die Dicke des Zeuges es zu einzelnen Faltenmotiven kaum kommen lässt, mit seiner starken Unterhöhlung, drückt gewissermassen auf den Kopf, ohne docli die Freiheit der Stirn zu beeinträchtigen. Die flüchtige, nur oberflächlich den Zug des Ge- wandes andeutende Behandlung des Faltenwurfes au beiden Seiten beweist deutlich, dass die Statue nur auf Vorderansicht berechnet war; hier sollte einst wohl nur der vordere Rand als Rahmen für die Lockenfülle wirken.

So wenig Zweifel über den Grundcharakter des Kopfes entstehen können, so schwierig ist es eine bestimmtere Deutung der dargestellten Persönlichkeit zu geben. Heutzutage scheinen die Ansichten dahin zu neigen, dass eine trauernde Barbarin dargestellt sei. So schrieb schon 1853 Braun au Gerhard: „Der sog. Omphalekopf scheint mir eine Provinz darzustellen. Wolff, dem ich diese Ansicht mittheilte, ist meiner Meinung." Wesentlich in Uebereinstim- mung damit sprach Friederichs'*) dem Kopf einen unhcUeuischen Charakter zu, wie er für eine edle Barbarenfrau nach Art der „Thusnelda"'*) passend seiu würde; die Trauer sei bei dieser Annahme ebenso erklärlich wie die fremdartige Kopfbedeckung.

i<) I^Uux 4, 140.

'^) Bausteiue No. 810.

«) Mon. Ined. dcW Inst. III, 28, A und S. Diitschke Uffi- zieu No. 560. Conze (Zeitschr. für bild. Kunst VII, 330 Aura. 2) weist auf einen Stich Enea Vicos von 1541 hin. Damals be- fand sich die Statue mit ihren vier Genossinnen in aedibus Cardinalis de Valle, d. h. dem bald darauf sogenannten Palazzo Cajjranica, wo 1550 AKlrovandi die fünf „Saime" in einer oberen Loggia sah (staltie S. 218). Eine Abbildung dieses Hofes mit seinen Statuen gibt ein gleichzeitiger Stich von Hieron. Kook, den mir v. Duhn 1878 in der Corsiniana gezeigt hat. In aedi- bvs Capranicae befand sich die Statue auch noch, als die Zeich- nung für C'avaliori gemacht ward (anllq. slat. I et II liier,

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Conze") ist zu der gleicben Annahme geneigt, und vergleicht ausser der Florentiner Statue aucli den Petersburger Kopf einer Germanin'*). Zurückhal- tender äussert sich Kekule '"), indem er zu Friederichs Vermuthung die Worte hinzufügt: „obgleich auch hierzu die Aehnlichkeit kaum ausreicht". Vielleicht wird man für jene Annahme auch die oben be- sprochene Beschaffenheit der Ober- und der Hinter- fläche unseres Kopfes geltend zu machen geneigt sein; wie bei der Florentiner Statue und dem Peters- burger Kopfe die Kückseite kaum ausgeführt ist und dadurch eine ehemalige architektonische Ver- wendung, etwa an einem Triumplibogen, nahegelegt wird, so würde ja auch die Vernachlässigung der Eückseite und der Seitenflächen an unserem Kopfe eine ähnliche Vermuthung l)egünstigen. Allein dieser Umstand lässt doch nur überhaupt auf eine nicht allzu niedrige Aufstellung vor einer Wand oder in einer Nische schliessen; die weitere Analogie würde erst dann zwingend sein, wenn der barbarische Charakter unseres Kopfes feststünde. Dies muss ich aber bestreiten, ebenso wie auch Kekule eher an eine mythische Idealgestalt als an eine Barbarin denken mochte. Ich gestehe, ebenso wenig in den Formen des Gesichtes wie in dem Ausdruck der Züge irgend etwas Ungriechisches finden zu können. Man vergleiche nur den Petersburger Kopf; so ge- ring auch dessen Ausführung ist, der Charakter der Barbarin ist dennoch unverkennbar. Stärker idealisirt sind die Züge der sog. Thusnelda, aber die Herb- heit der Formen, in denen gleichsam der Amazonen- typus zum Matronalen hin fortgebildet erscheint, und das Düstere des Ausdrucks sind von den, bei aller

1585, Taf. 20, wiederum mit abgebrochenem rechten Unterarm, sonst aber voHstäudig) , aber ein Jahr ehe der Band -erschien, war der ganze Inhalt des Palastes vom Card. Ferd. de' Medici gekauft worden (Gotti gatlerie e »meei de Firenze S. 361 ft'., s. besonders S. 362:.

■') Verzeichniss der Gipsabgüsse [in Berlin] No. 788 B. Der Hinweis auf den Petersburger Kopf ist im zweiten Abdruck (1880) gestrichen.

") Zeitschrift für bild. Kunst VII zu S. 332 mit Conzes Text ebenda S. 331 f.

") Akad. Kunstraus. zu Bonn Xo. 402. Der folgende Zu- satz: ,, vielleicht darf man auch an eine eigenthümliche Amazo- nenbildung denken" bedürfte einer näheren Ausführung, um für mich wenigstens irgend Wahrscheinlichkeit zu haben. Archäolog. Ztg. Jahrg.ius XXXVIII.

Kräftigkeit der Anlage, weichen Formen und von dem traurigen, fast sentimentalen Sinnen unseres Kopfes so verschieden, wie meines Erachtens es sich eben für den Gegensatz einer Barbarin und einer Griechin schickt. Gern berufe ich mich auch hier auf das Zeugniss Gerlands, de,ssen Blick fUr ethnologische EigenthUmlichkeiten besonders ge- schärft ist: er vermag ebenfalls keine Spur von irgend welchem Barbarentypus in den Formen und Zügen zu entdecken, steht vielmehr nicht an, den Kopf für den einer Griechin zu erklären.

Mit grösserem Scheine lässt sich zu Gunsten der bestrittenen Erklärung die Charakterisirung des Haares und des Gewandes geltend machen. Die Dicke des Stoffes, aus welchem letzteres besteht, ist allerdings bei griechischen Frauenbildern, sei es idealen oder portraitmässigen, nicht üblich, aber, so viel ich sehe, auch bei Barbarenfrauen nicht nachweisbar. Die Germanin der Loggia de' Lanzi ist so wenig verschleiert wie die Petersburger Ge- nossin oder die Provinzdarstellungen auf bekannten Neapler und römischen Reliefs"), und das ganze Gewand der „Thusnelda" ist aus so dünnem Stoffe gemacht, dass die Falten sich nicht einmal überall von Kleinlichkeit frei halten. Ich glaube, dass die Wahl des schweren Stoffes bei unserem Marmor ausschliesslich durch eine künstlerische Eücksicht bestimmt ward. Vergleicht man die Demeter von Knidos, oder jene unzähligen benannten oder namen- losen verschleierten Frauen auf attischen Grabsteinen des vierten Jahrhunderts, auch diejenigen mit ge- senktem Haupte und entschiedenem Ausdruck der Trauer, immer verhüllt der Mantel nur das Hinter- haupt, die vordere Hälfte des Kopfes dagegen tritt frei und unbedeckt hervor, unverkennbar zum Vor- theil eines klaren, freien und ruhigen Eindrucks. Auch wo der Schleier dazu verwandt wird eine tiefere Schattenmasse um das Gesicht zu bilden, erstreckt sich dies nur auf die Partie neben den Wangen, nicht auf die Stirn und die Haare darüber. Das ist auch ganz natürlich bei dem üblichen feineren Stoff des Mantels; wird dieser über das Haupt ge- zogen, so kann er sich oben nur demselben glatt

20) Denkm. d. alt. Kunst I, 68, 375 a d.

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anschmiegen; eine selbständige Faltenbiklung würde gegen die Natur des Gewebes sein, und wo sie etwa versucht wird, kann es nicht wohl über eine so schwächliche Welleubeweguugdes vorderen Randes hinausiiommen, wie wir sie z. B. an der matronalen „Herculanerin" iu Dresden") bemerken. Es liegt nun auf der Hand, wie sehr nicht bloss die malerische Wirkung sondern auch der Ausdruck der Stimmung in unserem Marmor dadurch gesteigert wird, dass fast der ganze Kopf verhüllt, sein Umriss verdeckt wird und dass das Gewand in selbständiger Geltung auftritt, indem es mit einem grossen starken Bausch auf dem Kopfe lastet. Dies konnte eben nur durch die festere, gröbere Art des Gewandstoffes erreicht werden, und um diesen Effect zu erzielen hat meines Erachtens der Künstler sich die Abweichung von der Tracht des wirklichen Lebens gestattet. Auch dieser Punkt tritt übrigens erst bei der richtigen, geneigten Haltung des Kopfes in volles Licht; erst so wird es klar, dass das Gewand den ganzen Kopf bis oberhalb der Stirn bedeckt und mit seinem polsterartigen Bausche so weit überhängt, dass nur noch grade das reiche Haar darunter seine Wirkung nicht eiubüsst.

Dies Haar in seiner üppigen und gelösten Fülle würde an sich für eine Barbarin ganz passend sein, obschon das Haar der beiden öfter genannten Ger- maninnen, vor allem das des Petersburger Kopfes, wesentlich verschieden charakterisirt ist, viel weniger kraus, viel steifer, starrer und so zu sagen massiger. Reiches Haar ist ja aber durchaus nicht den Barba- rinneu ausschliesslich eigen; man denke nur an die Lockenfülle der Kiobe, namentlich in dem weit vor- züglicheren Exemplar der Sammlung Yarborough^"), au die sogenannte Klytia'^) und so viele andere edle

21) Augusteura Taf. 19 ff.

") Specimens I, 37. Deukm. d. alt. Kunst I, 34, 142 C. Auf diesen Kojjf passen Antiiiatros Worte fvOtov f^ äS^ov XQttrds ttifiioa xo^rjp {anthol, Palat. app. Plan. 133, 2, vgl. ebenda 134, 3), welche Jahn (pop. Aufs. S. 102) der Florentiner Statue gegenüber nicht zutreffend fand.

^ä) Hübner Bildn. einer Uomerin Taf. 1. Ich bemerke ausdrücklich, dass die nachfolgenden Beispiele nicht den Kupfer- werken, welche iiierin vielfach ungenau oder unzureichend sind, cntnoinnien , sondern an den Originalen oder Abgüssen gesam- melt sind.

Frauenkopfe. Nicht die Fülle sondern die mangelnde Pflege des Haares ist an unserem Kopfe die Haupt- sache, diese aber ergiebt sich aus der Situation. Man glaubt noch zu erkennen, dass das Haar nicht immer so verwahrlost gewesen ist, innerhalb der Unordnung treten deutlich die Spuren einstiger Pflege hervor; das Haar ist weich und biegsam ge- blieben (ganz anders als bei jenen Barbarinnen), nur die augenblickliche Ordnung fehlt ihm. Eben- so wenig Beweiskraft haben einige Einzelheiten der Haarbildung. Wenn bei der „Thusnelda" sich am Scheitel ein paar Löckchen aus der Masse lösen und auf die Stirn herabfallen, ähnlich wie bei un- serem Kopfe, so dient dies beidemal dem gleichen Zwecke, die Achtlosigkeit der trauernden Frau auf die Ordnung ihres Haares zu bezeichnen. Auch die todte Amazone in Neapel, die zu den perga- menischen Weihgeschenken gehört"^), weist das- selbe Detail auf, desgleichen der Stockholmer Endymiou'^); abweichend, aber noch reicher ausge- bildet ist das wirre Haar der sterbenden Meduse Ludovisi*^). Das schliesst nicht aus, dass anders- wo die gleiche Besonderheit als ein mehr oder weniger bewusstes Mittel der Gefallsucht auftritt, z. B. an dem schönen Brouzekopf der Aphrodite aus Kleinasien im britischen Museum"), au der Petersburger sog. Venus de F Ermitage^"), an einem Bronzeköpfchen aus Pompeji^") u. s. w. Ebenso wird bekanntlich das Motiv des von der einen Schulter herabgleitendeu Chiton bald zum Ausdruck der Coquetterie, bald (wie bei den Penelopebilderu) zur Charakterisirung selbstvergessener Trauer ver- wandt. In anderen Beispielen von in die Stirn hängenden Locken ist es zweifelhaft, ob nicht viel- mehr eine künstlerische Mauier als eine bestimmte Absicht vorliegt, z. B. bei dem ApoUon Giustiniani

2*) .Von. IneJ. deW Inst. IX, 20, 5.

") Guattani Man. Ined. 1784 Genn. Taf. 2. Clarac IV, 586, 1250. Die Abbildung lässt die Eigenthümlichkeit nicht erkennen.

26) Mon. Ined. delV Inst. IX, 35. Annali 1871 Taf. S. T.

2') Arch. Zeitg. 1878 Taf. 20.

2') Wenigstens wenn der Abguss No. 1073 im Berliner Neuen. Museum von dieser Statue genommen ist.

2'') Antkh. di Ercol. V Taf. 3.

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und seinen Genossen "), dem Brouzekopf der Juno aus Vienne im Museum zu Lyon"), einer bronzeneu Artemis (Oberkörper) aus Pompeji '') u. s. w.

Weit auffälliger sind au unserem Kopfe die grossen Locken, welche vor jedem Ohre weit auf die Backe vorspringen. Aber auch hierin würde es ganz verkehrt sein etwas charakteristisch Bar- barisches suchen zu wollen. Um aus einer grösse- ren Zahl nur wenige deutliche Beispiele heraus- zugreifen, welche keinen Zweifel lassen dass der Künstler diesen Zug hervorheben wollte, nenne ich wiederum die Köpfe von der Familie des giustinia- nischen Apollon "); namentlich an dem römischen, von Juljus besprochenen tritt die Absichtlichkeit stark hervor. Auch der Baseler Apollonkopf ^*) hat an dieser Stelle ein kleines Löckchen, das am belvederischen Kopfe etwas anspruchsvoller gedreht ist. Deutlicher ist die Locke an der herrlichen Bronzestatuette des bogenspannenden Apollon aus Paramythia im britischen Museum ^*), sowie an dem bronzenen Sauroktonos in Villa Albani (namentlich am rechten Ohr). Dass grade der deus intonsus besonders viele Beispiele liefert, ist natürlich. Ihm schliesst sich Dionysos an, z. B. in der Gruppe mit Ambrosia im britischen Museum "). Unter den Göttinneu bietet auch für diese Eigenthümlichkeit Aphrodite am meisten Analogien, vor allem wieder- um in dem Bronzekopf des britischen Museums, iu weit geringerem Grade in dem vaticanischen Kopfe, welcher aus den Diocletiausthermen stammt "). Auf

3°) Cabinet Pourtales Taf. U. Denkm. d. alt. K. II, 11, 123. J/on. Ined. delV Inst. X, 19. Müller-Schöll Mit- theilungen aus Griechenland Taf. 4, (i.

=') Gazette arclUol. II Taf. 1.

3-) Mus. Borbon. VIII Taf. 60.

^^) Anm. 30. Hierfür lässt sich auch die giustinianische Apollonstatue (<,aW. Giustin. I, 56. Clarac III, 486, 942) ver- gleichen.

31) Man. Ined. deli Inst. VIII, 39. 40.

^^) Specimens I, 43. Clarac III, 485, 936.

3«) Anc. Marbles III, 11. Clarac IV, 691, 1629. Denkm. d. alt. K. II, 32, 371. Etwas anderer Art sind die auf die Backen vorspringenden Locken krausen Haares beim sog. ster- benden Alexander in Florenz , dem ähnlichen capitolinischen Kopf, dem Müncheuer Terracottenköpfchen bei Lützow Mün- chener Ant. Taf. 1, ferner dem vaticanischen Triton (Mus. Pia Clem. I Taf. 34).

3') Guattani Mon. Ined. ISOö Taf. 19. Mus. Chiaram. I Taf. 27.

den grossen Eeliefs des pergamenischen Altars trägt die mit Schleier und Wollbinden geschmückte Göttin, welche das schlangenumwundene Gefäss als Waffe schwingt, vor dem rechten Ohr eine ziemlich grosse, eigenthUmlich geringelte Locke. Diese Beispiele, welche bei längerer Aufmerksamkeit und reicherem Untersuchungsmaterial ohne Zweifel nicht bloss vermehrt sondern auch mehrfach durch noch zutreffendere Beispiele würden ersetzt werden kön- nen, genügen jedenfalls für den Nachweis, dass diese Art von Locken bei griechischen Idealfiguren, weiblichen wie männlichen, nicht selten ist; ob sie sich jemals bei Barbarinnen findet, weiss ich nicht. Wenn es mir gelungen sein sollte die Deutung unseres Kopfes auf eine Barbarin oder Repräsen- tantin eines barbarischen Landes als unbegründet zu erweisen, so kommen wir wieder auf Jahns capiil tragicam spirans gravitatem zurück. Zweifel- haft kann dabei sein, ob wir den Kopf direet der Tragödie oder dem Idealgebiet überhaupt, oder aber dem wirklichen Leben zuweisen sollen. Dass nicht füglich eine tragische Heldin oder eine mythische Heroine ganz im Allgemeinen gemeint sein könne, steht wohl fest; für eine specielle Deutung, z. B, auf Antigone oder Elektra, fehlt es bei der grossen An- zahl von „Iv av^iq>OQÜ~ befindlichen Heldinnen und bei dem gänzlichen Mangel bestimmter Kennzeichen jetzt an jedem Anhalt, den einst die vollständige Statue durch ihre Tracht oder durch ein Attribut dargeboten haben kann. Ich bin jedoch eher ge- neigt die Erklärung auf einem etwas andern Ge- biete zu suchen, in Anknüpfung an die attischen Grabreliefs mit trauernden Frauen, welche in be- sonderer Fülle und Schönheit aus dem vierten Jahr- hundert erhalten sind. Als Muster der Gattung mag der herrliche Kopf dienen, welcher jedem Be- sucher von LansdownehoHse als der hervorragendste Schmuck der Eingangshalle bekannt ist"). Er ist

38) Michaelis arch. Anz. 1862 S. 339*. Ancient Marbles in Great Britain, London, Lansdowneh. 1. Das Fragment be- steht aus pentelischem Marmor. Hijhe 0,(^7, wovon 0,30 auf das Gebälk, 0,37 auf den Rest der Bildfiäche kommen. Grösste Breite 0,455, hinten 0,49. Die Dicke beträgt am Gebälk 0,165, am Tympanon und Epistyl 0,135 ; die Reliefplatte ist nur 0,04 dick. Das o statt ov in der Inschrift, welche mit grosser Sorg-

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in (leider etwas stumpfen) Abgüssen verbreitet und nach einem soleben auf Tafel 9 abgebildet. Da aber der Abguss nur den Kopf enthält, so werden die nachstehenden Holzschnitte geeignet sein das

ganze Fragment anschaulich zu machen und zu- gleich die ausserordentliche Reliefhöhe zu zeigen: bei einer Gesiclitslänge von 0,18 M. ragt der Kopf bis zu 0,155 M. aus dem Eeliefgrunde hervor. Die Erhaltung des Gesichtes ist bis auf die bestossene Nasenspitze vollkommen, selbst die Augenlieder haben ihre volle Schärfe bewahrt. Das sehr weich behandelte wellige Haar ist mit einem dreifachen Bande umwunden. Vom Hinterhaupte fällt schleier- artig der feine Mantel herab; oben, wo er einst nicht sichtbar war, ist er nur ganz oberflächlich bearbeitet. Ein Loch im linken Ohrlappen weist auf den Schmuck eines metallenen Ohrgehänges hin. Die Stele (vermuthlich gehört der Kopf einer sitzenden Figur an) muss einst nicht bloss zu den grössten sondern auch zu den schönsten ihrer Art gehört haben. Die Behandlung ist die denkbar einfachste. Stirn, Backen, Kinn zeigen jene ruhig grosse Formgebung, welche auf individualisirendes Detail ganz verzichtet und doch nirgendwo den Hauch warmen Lebens vermissen lässt. Der Brauen-

fiilt eingegraben ist, weist auf das erste Viertel des vierten Jahr- hunderts. Auf fj Jf/'v« --]oiJÜ'ov; ,'tvyit[irjo folgte vielleicht noch die Angabe des Gatten, da die Verschleierung eine ver- heiratete Frau zu bezeichnen scheint.

rand ist mit ziemlicher Bestimmtheit gezeichnet. Das obere Augenlied ist gegen den inneren Winkel emporgezogen; der Blick erhält dadurch etwas Freies und zugleich einen leisen Ausdruck weh- miithiger Resignation , welcher überhaupt im Mar- mor selbst vernehmlicher als in der Abbildung hervortritt. Ein nicht vollkommener Parallelismus zwischen Augen und Mund, wie er oft an attischen Köpfen beobachtet ist, namentlich bei etwas ge- neigter Kopfhaltung, ist auch unserem Kopfe eigen; der rechte Mundwinkel hängt ein wenig und ver- stärkt dadurch den Ausdruck gelinder Trauer. Fast alle diese Züge kehren, bald deutlicher bald ver- wischter, in den besten Exemplaren der Grabreliefs ähnlicher Art und Zeit wieder.

Ein Vergleich zwischen diesem Kopfe und dem des Hon. Ashley Ponsonby ergibt für beide die gleiche Grundlage einer schmerzlichen Stimmung. Nur erscheint diese in dem attischen Relief kopfe mehr zurückgehalten, auf jenes bescheidene Mass äusser- lichen Hervortretens beschränkt, welches die ganze Zeit des hohen Stils innegehalten hat. Kekule ") hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, wie auf den Orpheusreliefs die Köpfe allein fast ausdrucks- los sind, das Gesammtmotiv der Figuren aber deut- lich genug zum Ausdruck gekommen ist, um auch die Gesichter mit in den Bereich seiner Wirkung hineinzuziehen. Noch au dem Niobekopf kann man beobachten, wie nur auf wenige Stellen der Aus- druck des Schmerzes sich beschränkt, während alle andern Theile des Gesiclites davon unberührt er- scheinen, so dass, wenn man jene Stellen verdeckt, von dem besonderen Ausdrucke nichts erkennbar wird. Dies Masshalteu beruht auf einer richtigen Beobachtung der Wirklichkeit. Der Physiologe Du- chenne hat festgestellt, dass eine isolirte Reizung gewisser einzelner Muskeln, an Augen, Nase, Mund, vollkommen genügt den Ausdruck bestimmter Em- pfindungen hervorzurufen, obschon das ganze übrige Gesicht unverändert bleibt. Anders ist das bei dem Kopfe im South- Kensington- Bluseum. Wie die ganze Oberfläche bewegter erscheint, so vertheilt sich auch der Ausdruck des Schmerzes mehr über

■") Uas akad. Kunstnius. zu Donu S. 38 ff.

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das ganze Gesicht; er wird stärker zugleich imd individueller, gleichwie die Formeu des Gesichtes selbst individueller sind. Dem entspricht es denn auch dass das Haar, welches bei der Frau des at- tischen Grabsteines wohlgeordnet ist, mit heran- gezogen wird zur Charakteristik des aller Aeusser- lichkeit nicht achtenden Schmerzes, und dass selbst der Mantel in Stoff und Lage der gleichen Absicht des Künstlers dienen muss. Es liegen eben zwei verschiedene Richtungen, zwei verschiedene Epochen künstlerischer Empfindung und künstlerischer Aus- drucksweise vor. Das schliesst aber nicht aus dass die Bestimmung der Statue, welcher der schöne Kopf angehörte, derjenigen des attischen Grabreliefs ähn- lich war. Eine trauernde Frau, sei es als Einzel- statue sei es in einer Gruppe, an oder auf einem Grabe aufzustellen konnte einer prunkvolleren Zeit, welche in der Errichtung von Ehrenstatuen schwelgte, nicht fern liegen, wo ein älterer einfacherer Sinn sich mit dem Relief begnügt hatte. Ein eigent- liches Portrait wird man deslialb hier so wenig erwarten, wie dies auf den Grabreliefs der späteren Zeit üblich ist; das stärker individuelle Gepräge, welches der ganzen Kunst seit Lysippos eigeu ist, genügt auch hier vollkommen zur Erklärung. Eine eingehendere Untersuchung verlaugt dagegen die Frage, ob und wie weit wir berechtigt sind der- gleichen statuarischen Gräbersclimuck anzunehmen. Angeregt ist diese Frage ja bereits ich erinnere an Conzes Ansicht über Sinn und Bestimmung der ludovisischen Gruppe des Menelaos "), oder an die sog. Penelopestatuen : sie iu grösserem Zusam- menhange und mit reicherem Material vorzunehmen fehlt es mir augenblicklich an Zeit, daher icii mich hier mit der Andeutung begnügen muss, dass ich geneigt bin die Frage zu bejahen.

Ueber die Zeit, in welcher unser Kopf entstan- den sei, äussert sich Braun in dem oben angeführten Briefe an Gerhard: „Der Styl ist breit, aber deco- ratiousmässig und weist auf die erste Kaiserzeit hin." Den Ausdruck „decoratiousmässig" kann ich nicht für zutreffend halten. Vielleicht ist das

*") Sitzungsber. der Wiener Akad. LXXI S. 320. LXXX S. Gl" f., vgl. Arch. Zeitg. 1S7G S. 148 Anm. 7.

Urtheil durch den entstellenden Ueberzug des Ori- ginals mitbestimmt; an den Abgüssen tritt eine so weiche und lebensvolle Behandlung der Oberfläche und eine solche Uebereinstimmuug von Ausdruck und Form hervor, dass mir jenes Urtheil dem Stil nicht gerecht zu werden scheint. Aufgefallen ist mir, wie in den beiden tiefen Rillen unterhalb des Mantels und zwischen diesem und den Haaren die Spuren des Bohrers stehen gelassen sind, doch war diese kleine Nachlässigkeit bei einigermassen hoher Aufstellung einst kaum bemerklich. Aber selbst wenn Braun mit seiner Zeitbestimmung Recht haben sollte, worüber ich mir ein sicheres Urtheil bei dem gegenwärtigen Zustande und der ungünstigen Auf- stellung des Originals nicht erlaube, so würde dies doch nur das vorliegende Exemplar angehen. Der Kopf ist sicherlich keine römische Erfindung, son- dern stammt aus einer besseren, griechischen Zeit. Mir ist es niclit undenkbar (und insofern kann ich mich denen nähern, welche an eine Barbarin den- ken) dass. wir in unserem Fragment den Rest einer Statue aus hellenistischer, vielleicht frühhellenisti- scher Zeit besitzen, deren Motiv später den Künstlern gefangener Barbarinnen für römische Triumphal- monumente zum Muster gedient hat.

Strassburg. Ad. Michaelis.

Anhangsweise mögen hier noch ein paar Stellen aus Briefen Emil Brauns an Gerhard, im Herbst 1849 in London geschrieben, Platz finden. Sie be- ziehen sich auf das in weiten Kreisen populär ge- wordene und in Abgüssen verbreitete sogenannte

Marmorfigürchen aus Smyrna, mit welchem Gerhard den siebenten Jahrgang seiner Archäologischen Zeitung eröffnete. Die überraschende Mittheilung, dass dieses von Gerhard einst in Millingeus Händen gesehene und hochgeschätzte, sodann in Lord Vernons Besitz gelaugte Werk modernen Ursprunges sei, hat offenbar bei Gerhard nicht sogleich Glauben gefunden; als er sich davon hatte überzeugen müssen, verbannte er den Abguss aus seinem Zimmer, um nicht stets an die ärger- liche Täuschung gemahnt zu werden. Es wird kaum der Erinnerung bedürfen, dass Braun damals bereits

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A. Michaelis, Tragischer Kopf.

sehr stark von eleu bei ihm immer wachsenden Interessen für technische Fragen und für Repro- ductionsverfaliren erfüllt war.

„10. Sept. ... Was das Millingensche Biscuitfig-ür- chen betrifft, so hörte ich lauge bevor Ihre Publi- cation ankam davon reden. Burgon hat zuerst den Betrug entdeckt. Es scheint noch vor Millingens Tode verschwunden zu sein, ist aber von allen hiesigen Museumsbeamten gesehen und einstimmig verdammt worden'-.

„28. Sept. Ich habe Ihre lieben Zeilen vom 19. nicht eher beantworten wollen, bis ich das Vernonsche Figürchen zu untersuchen Gelegenheit gehabt hätte. Das ist erst gestern möglich gewesen. Es bedurfte nicht erst der Untersuchung des Materials, um sich von dessen Unechtheit zu überzeugen. Ganz augenscheinlich ist es auf Betrug gemacht oder wenigstens dazu hergerichtet worden. Die Draperie der Brust erinnert auflallend au den Bröndstedschen Torso*'), während der Faltenwurf des unteren Theils durchaus nicht mit den dort entwickelten Motiven stimmt. Von dem modernen Ausdruck des Gesichts nicht zu reden, so ist der Vortrag der Haare der- massen trivial und trotz des geistlosen Fleisses leblos, dass dies allein jeden kundigen Archäolog'en vorsichtig gemacht haben würde.

„Was nun das Blaterial betrifft, so ist es das modernste Biscuit. König hat Säuren darauf reagiren lassen, aber ohne den mindesten Erfolg. So weit würde ich nie gegangen seiu. Die Risse, welche beim Trocknen auf der Oberfläche entstanden sind, reichen allein hin jeden Zweifel zu zerstören. Auch ist es innen hohl, was bei einer Marmorstatuette von so kleinem Umfang durchaus befremdend sein würde.

*') Aus Keos: Bründsted Reisen und Untei's. 1 Taf. 9. Die Aehnlichkeit ist nichts weniger als sclilagend.

„Die Frage, welche für mich allein Interesse haben würde, ist die: ob es französischen oder deutschen Ursprungs ist? Es scheint mir nicht denk- bar, dass es ein englisches Fabricat sei, da Flaxman die Sculptur nicht so weit gefördert hat ....

„Millingen ist eben stumpfsinnig geworden, wie Payne Knight u. a. Ein solches Cento würde ihn haben lachen machen, hätte er es in anderen Händen getrofl"eu. Das kommt auf seine Rechnung und ist eiu gutes Gegenstück zu Capranesis Zahnbürste mit englischem Fabriknamen, die er mir trotz meiner kritischen Einwendungen als antik verkauft hat, und zu Fogelbergs moderner Glaspaste mit Künstler- namen, die ich ihm mit 60 80 Scudi bezahlt habe.

„Ihnen, mein hochverehrter Freund, ist aber noch etwas Schlimmeres passirt. Der Cammeo mit der Minervengeburt, welchen Sie letzthin publicirt ha- ben"), ist modern. Ich habe ihn oft galvanoplasticirt und die Paste von Odelli mit Angabe des modernen Künstlers, der auch ein Gegenstück dazu gemacht hat, erhalten. Bucci") hatte eine Glaspaste davon, die er mir bei Einschiffung der Leiche von Prinz Heinrich für alt verkaufen wollte und die bei Cer- veteri gefunden sein sollte. Bei dieser Gelegenheit erhielt ich von Odelli die Gypspaste mit Perlenrand. Dies bedarf keiner weiteren Erörterungen und Sie dürfen die Sache als ausgemacht ansehen."

„29. Sept. Das Vernon -Figürchen ist nach Newtons Vorschlag zu einem Schiffsbild als unge- flügelte Kike") hergerichtet worden",

*-) Archüol. Zeitung 1849 Taf. 6, 1.

^^) Antikenhändler in Civitä Vecchia.

**) Die richtige Deutung ob etwa auch das Vorbild des Fälschers? erglebt, wie längst bemerkt worden ist, die Mänade Thalia auf der Vase bei Tischbein II, 44. Denkm. d. alt. K. II, 41, 487. Dadurch findet auch die Thiertatze auf der Rück- seite des Figürchens ihre Erklärung, auf welche ohne jenes oder ein ähnliches Vorbild der Verfertiger nicht leicht gerathen sein würde.

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ZUM NIKE-PYRGOS.

Uebev das Alter der kleiuen zwischen Propylaeen-Südballe und Niketempel

liegenden Treppe.

(Tafel 10.)

Es lag in meiner Absieht die Resultate der Unter- suchungen, die ich über die Propylaeen und ihre Umgebung angestellt habe, im Zusammenhange zu veröifentlichen. Wenn ich in Naclistehendem theil- weis davon abweiche, so bin ich hierzu zunächst veranlasst durch die jüngst in der Zeitschrift für Bauwesen Jahrgang XXX Heft 1 3 erschienene Abhandlung von Professor Karl Bötticher „Tekto- nische Untersuchungen auf der Akropolis im Früh- jahr 1878, betreffend die Thymele des Niketempels und die Südhalle der Propylaeen. I". Wir begegnen in dem ersten Abschnitt, der sich mit jener be- kannten zum Niketempel gehörigen Treppe beschäf- tigt, einer Reihe von Resultaten, die uns allerdings nicht neu sind, da sie schon früher vom Verfasser im Philologus XXI Band 1 ausgesprochen sind. Sie treten aber dieses Mal in präciserer Form als Früchte einer „wiederholten technisch durchgreifen- den Prüfung an Ort und Stelle" auf, unterstützt von einer Reihe von Zeichnungen, die leider im Detail zuweilen gerade jene minutiöse Genauigkeit ent- behren, die der Verfasser mit vollem Recht als un- erlässliehe Nothwendigkeit für eine solche Unter- suchung hinstellt.

Die Resultate aber, zu denen ich über jenen Punkt gelangt bin, sind wesentlich verschieden von den dort ausgesprochenen. Wenn ich mir gestatte in Nachfolgendem dieselben darzulegen, so giebt mir einerseits eine längere untersuchende Beschäf- tigung an Ort und Stelle den Muth, mich zu denen zu rechnen, welche ein Urtheil über diese Fragen sich zu bilden berechtigt sind, andererseits aber halte ich es auch für eine Pflicht, rechtzeitig der Gefahr vorzubeugen, dass bei der hohen Autorität, welche der Verfasser auf dem Gebiete der tech- nischen Forschung mit Recht beansprucht, seine dort niedergelegten Meinungen weitere Verbreitung

finden und damit, statt zu klären, eine gewisse Ver- wirrung in mancherlei schwebende Fragen bringen.

Es möge mir gestattet sein, bei meinen Mitthei- lungen im Grossen und Ganzen dem Gange zu folgen, welchen Bötticher eingeschlagen, da ich glaube, dass dies die vergleichende Abwägung und die Schätzung der gegenseitigen Behauptungen erleichtern dürfte. Ich werde mich natürlich nur auf die in Betracht kommenden technischen Fra- gen beschränken. Zur Erklärung des Folgenden weise ich auf die Grundriss-Skizze der Treppe und ihrer Umgebung hin, sowie auf die perspectivische Ansicht derselben von Nord her (Taf. 10), da ich glaube, dass besonders die letztere am besten zu einem leichteren Verständuiss beitragen wird. Zum Gruudriss bemerke ich, dass der Marmor weiss ge- blieben ist; die Porosquadern, soweit sie in regel- mässigem Verbände liegen, sind durch helle; un- regelmässige Fundameute und Füllmaterial durch dunkle Schraffur bezeichnet. In der Buchstaben- bezeichnung folge ich so weit als möglich der von Bötticher angewendeten.

Der Verfasser entwickelt in der Einleitung ') die Gesichtspunkte, nach denen die Untersuchung ge- macht werden müsste. Er betont mit Recht den Zusammenhang in der Gestaltung zwischen dem Niketempel und dem Südflügel. Es hat diesen bis- her Niemand geleugnet und es wird ihn auch Nie- mand leugnen wollen ; denn nur aus diesem gegen-

') Der von Bötticher erwiihnten Litteratur über diese Frage füge ich noch Jie Abhandlung von L. Julius „über den Sud- flügel der Propylaeen" in den Mittheilungen des deutschen ar- chäologischen Instituts zu Athen IS 76 Heft III hinzu. Wenn auch diese Schrift nicht „mit völliger Sicherheit" die Frage nach dem Abschluss des SüdÜügels erledigt, so ist dennoch durch die Beibringung einer Reihe von Momenten ein bedeutender Schritt vorwärts gethan worden ; um so mehr muss es befremden, dass dieser bisher wohl wichtigste Beitrag zur Klärung der Sach- lage von Bötticher gänzlich mit Stillschweigen übergangen wird.

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R. Bohn, Nike-Pyrgos.

seitigen Sichbediugeu, wie es der Thatbestand jetzt zeigt, lassen sich die weiteren Fragen, die Bau- zeit des Tempels und das Bauprogramm, bestimmen. Ueberrascbend ist nur der Sclduss, den der Ver- fasser daraus zieht: Durch die Südhalle allein kann der festliche Zugang zum Altar vor dem Tempel gewesen sein; folglich ist jede Möglich- keit, den Platz von einer andern Seite her zu be- treten, ausgeschlossen; folglich muss jene kleine zwischen dem Siidtiiigel und dem Xikepyrgos lie- gende Treppe modern sein d. h. aus fränkischer oder türkischer Zeit.

Diese Behauptung sucht der Verfasser durch eine Reihe von Beweisen zu stützen. Sie sind zwiefacher Natur: zunächst Mittheiluug von Thatsacheu und diese könnten zwingend sein; jedoch habe ich mich von dem Vorhandensein der angeführten technischen Merkmale trotz eingehendster Prüfung au vielen Stellen nicht überzeugen können, zuweilen habe ich sogar gerade das Gegentheil gefunden. Andere Be- weise beruhen so zu sagen auf Schlussfolgerungen aus schwankenden Prämissen, und diese sind natür- lich discutirbar und anderer Auslegung fähig.

Ehe wir zu einer speciellen Würdigung der ein- zelnen Punkte übergehen, möge der vorhandene Thatbestand kurz hervorgehoben werden. Das nach Norden schauende Krepidoma der Propylaeen-Süd- halle ist durch gleichmässige Marmorplinthen ge- bildet; der untere Theil, soweit er durch den alten Aufgang gedeckt war, durch Porosquadern (P P). Es endigt westlich in einem vorspringenden Stirn- pfeiler (W), dessen oberste Schichten jetzt fehlen, mitsamt den einst vielleicht darauf befindlichen beiden Pieiterstatuen. Dass dieser Pfeiler in Form einer Ante gebildet ist, d. h. nach Nord und Süd um ein wenig vorspringt, beweist, dass hier ursprünglich ein selbständiger Abschluss geplant war, genau wie an der Nordhalle. Als man ihn errichtete, war das Project einer westlichen Ver- längerung und damit natürlich zusammenhängend einer südlichen Hintermauerung noch nicht gefasst. Wie die Nordseite so sind auch die West- und Südseite nicht als Ansclilussflüchen gearbeitet, sie zeigen noch einen feinen Werkzoll, d. h. gespitzte

Flächen mit schmalem glattem Randbeschlag. An der Westseite sieht man ausserdem noch in den beiden unteren Schichten die stehengebliebenen Ver- setzungsbosseu. Ehe aber noch die Propylaeen vollendet waren, wurde das Project erweitert aus Gründen, die sich wohl muthmassen aber bis jetzt nicht mit Sicherheit bestimmen lassen. Die aller- dings schon früher aber in anderer Form vorhan- dene Bastion, auf der jetzt der Niketempel steht, wurde sowohl bis zu ihrer gegenwärtigen Höhe em- porgeführt, als auch in ihrem nördlichen Abschluss in eine Flucht mit der Propylaeen- Axe gebracht. Ein neuer directer Zugang zu dem so geschaffeneu Plateau wurde hergestellt, und in der geschicktesten Weise natürlich da, wo die Poroswand des Pyrgos mit der Marmorwange zusammentrifft, wie durch die Natur gegeben so auch in künstlerischer Weise den Uebergang zwischen beiden vermittelnd. Treppe, Pyrgoswand mit dem Kranzgesims und Niketempel sind aus einem Guss hergestellt, und zwar später aber im unmittelbaren Anschluss an den Propylaeen- bau').

Von der Treppe ist nur der einschneidende Theil in fünf Marmorstufen erhalten. Ihre Breite beträgt 1,315 Meter; die unterste Stufe tritt ein wenig 0,028 vor die Flucht der Mauer vor, in welche sie einbindet, während sie 0,100 hakenförmig über den Pfeiler übergreift (jetzt abgebrochen). Wie die unterste stossen auch die folgenden Stufen stumpf gegen den Stirnpfeiler, sind dagegen in richtigem Verband mit der Pyrgosmauer, also mit ihr zusammen ausgeführt. Sobald aber die Treppe ihre jetzige Höhe erreicht hat, erbreitert sich die- selbe nach Osten zu, wie die Auftrittspuren der obersten (p) erkennen lassen. Deshalb ist diese verlängert, nicht zufällig, wie Bötticher meint, weil sie wie alle übrigen anderen „antiken Werken ent- nommen" wären. Noch zwei Stufen weiter und die Höhe des Paviments vor dem Niketempel war er- reicht. Gerade dort wird auch der östliche Lauf der Nikebalustrade abgeschnitten haben; wir werden

■) Die Beweise dieser weitergehenden Behauiitung, nament- lich \v:is den Nikctempel anbetrifft, werden später im Zusam- menhange der Propylaeenuntersuchung gegeben werden.

R. Bohn, Nike-Pyrgos.

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niclit fehlgTeifeü, jenes neulich gefundene Endstück, welches in seinen Maassen vortrefflicli dahin passt, auch dorthin zu setzen, so dass zwischen Tempel und Balustrade ein kleiner Durchgang zu jenem vor der Nordfront des Tempels liegenden dreieckigen Plätzchen geschaffen wurde.

Die unterste Stufe (c) ruhte auf einer besonde- ren, zur Aufnahme der Podestplatte ausgefalzten Porosquader (a, b); ihr sorgsamer Fugenschluss bei- derseits schliesst schon den Gedanken an ein nach- trägliches „Einschieben" aus. Dass ein Unterschied in der Farbe vorhanden sei, der auf eine „späte Her- kunft" hinweise, habe ich nicht gesehen; dass die gerade daneben befindliche Plinthe zufällig eine gelblichere Tönung hat, konnte doch den Verfasser nicht zu dieser Bemerkung veranlassen. Ein Blick auf die übrigen zeigt uns, dass sie in allen Nuancen zwischen Graugelb und Eothgelb spielen. Befestigt war die Podestplatte an den Block durch zwei nicht einen symmetrische jetzt durchgebrochene Längsdübel, denen beiden der Bleiumguss nicht fehlt. Die Ante wurde aber zur Aufnahme dieses stumpfen Fugenstosses besonders hergerichtet. An ihrer Südseite wurde, da die Treppe weiter reichte, zwischen sie und die oberste Stufe ein Stück (/«) eingeschoben; von dem vortretenden rauhen Werk- zoll aber zu diesem Zweck ein wenig weggearbeitet. Auf der Westseite wie auch auf der Nordseite, soweit die unterste Stufe und die Podestplatte über- griffen, wurde diese Werkschicht etwas sorgfäl- tiger abgeglättet, so dass sich längs der Stufen theil- weise ein besonderes Richtband bildet, wie wir es an antiken Werken gewohnt sind. Eine solche Exactheit der Arbeit, die dem Verfasser keineswegs entgangen ist, traut derselbe den Franken oder gar den Türken zu! Es sind ja noch genügende Spuren auf der Burg vorhanden, um zu sehen, wie jene zu bauen pflegten. Ein Blick nur auf die Reste der Kanzlei oberhalb der Pinakothek genügt, wie ich glaube, um den gewaltigen Unterschied der Art zu erkennen in welcher das Mittelalter in roher Weise Material auf Material, aus den verschiedensten Bauten entnommen, aufeinander thürmte, mit Mörtel verband und verschmierte. Eben jene Hände, welche

Archäolot'. Ztg., Jahrgang XXXVIII.

den Thurm unmittelbar daneben aufführten und zu diesem Zwecke alles Hindernde niederrissen und liegen Hessen, sie sollen mit solcher Akuratesse gearbeitet, sich solche Schwierigkeiten gemacht haben: ich erinnere auch noch an das vom Ver- fasser angenommene Einschieben und Drehen der Stufen 2, 4), an die Verlegung der oberen Kranz- platte und Wiederherstellung der Balustrade 4, 4).

Gehen wir nun zu einer specielleren Würdigung der verschiedenen Beweise für den späten Ursprung der Treppe über, die der Verfasser in § 2 giebt. Da dieselbe nicht antik sein kann, so wird zunächst ein Motiv gesucht, welches die Herstellung hätte veranlassen können. Dieses wird in der Errichtung des gewaltigen Thurmes über dem Südflügel ge- funden: durch denselben wurde die Communication mit dieser Hochfläche „vollständig" abgeschnitten, und dadurch auch mit der grossen Bastion, welche sich vom Nikepyrgos bis zum Agrippapostament hinzog; folglich, so schliesst Bötticher, musste jener neue Zugang angelegt werden. Hätte sich aber jene Zeit, die ohne Schonung der Antike Alles rücksichtslos zu Bedürfnissbauten umschuf, wenn es überhaupt nothwendig gewesen, nicht an- ders geholfen als durch jene zierliche und compli- cirte Treppenanlage? Nun stammt aber der Thurm aus der Zeit der türkischen Herrschaft und damals führte, wie wir aus den Berichten der späteren Reisenden Spon und Wheler und aus Vernedas Plan ') sehen, der grosse Weg zur Burg durch das Thor in der Batterie nahe dem Agrippapostament nach Süden umbiegend und steigend längs der West- front des Thurmes hin , bog dann nach Osten um und führte über die Brauronische Stützmauer auf das Burgplateau. Die so stark abgenutzten Ober- plinthen des Krepidoma an der Südhalle lassen deutlich erkennen, wie lange der Weg über sie hinging. Wozu bedurfte es daneben noch der An- lage eines besonderen Treppchens?

Der Verfasser berichtet nun aber weiter, in wel- cher Weise die Treppe hergestellt wurde: An der „bequemsten" Stelle unmittelbar neben dem Pfeiler

3) de Laborde II p. 182. Vgl. auch die späteren Skizzen bei Stuart und Revctt.

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R. Bohn, Nike-Pyrgos.

wurde die „stumpf und olme mögliche Einbindung vorstossende" Kordmauer des Nikepyrgos „gewalt- sam zerstört." Ich habe weder von der Entfernung hindernder Plintheu, noch der „schrägen Verschie- bung noch benutzbarer" irgend etwas constatiren können und frage zunächst, wozu jener Einbruch bis auf den Boden hinab überhaupt nothwendig gewesen wäre, da die Treppe ja nur in ihrem oberen Theil einschneidet, also der untere Mauer- theil unbeschadet hätte bestehen bleiben können. Was sich aber jetzt zeigt, entspricht vollständig der- jenigen Technik, die in der Antike überall da auf- tritt, wo zwei Mauern im Winkel zusammenstossen : abwechselnd binden die Schichten ein. So sehen wir auch hier die Quadern (e, e) verlängert, aber so weit sie einst verdeckt waren als Anschluss- flächen behandelt, d. h. mit rauher vertiefter Mittel- fläche und glattem Rande ^). Es beweist dies also den antiken Anschluss einer Mauer und zwar hier des Unterbaues für die Weiterführung der Treppe.

Die weitere Behauptung, dass innerhalb des Hohlraumes Steinabfälle mit Mörtel und Eeste frän- kischer Ziegel gefunden wurden, entzieht sich natür- lich jetzt jeder Controle; wenn jedoch der Ver- fasser behauptet, dass jener Inhalt nicht vollständig entfernt sei, um den Zustand der Höhlung noch kenntlich zu lassen, so bemerke ich, dass ich trotz wiederholter eingehender Prüfung nichts habe finden können; nur die Eeste mergelhaltiger Erde sind vorhanden, wie sie aus dem leicht verwitterbaren porösen Kalkstein und der Feuchtigkeit ganz natür- lich erzeugt wird.

Der Verfasser geht dann zu einer Beschreibung der verschiedeneu Zeichnungen über und giebt darin eine Reihe sehr richtiger Detailbeobachtungen, die aber für die Entscheidung der vorliegenden Frage ohne Belang sind. Nicht beistimmen kann ich dem späten Ursprung der Porosplinthen (P, P) an dem Krepidoma; dieselben sind antik, waren aber einst durch den alten Aufgang verdeckt. Eine weitere Stütze für seine Behauptung sieht der Ver- fasser in dem ungleichen Auftritt der Stufen; er

*) In den Zeichnungen bei Biittichev (Xo. II) ist dieses für die Beurthcilung nicht unwichtige I'aktum gar nicht dargestellt.

lässt dieselben zwischen 11" 6'" und 13" 6'" schwan- ken, d. h. also um 2" = 0,053 M. Die genauen Maasse sind aber auf der Ostseite, von oben begin- nend, 0,330. 0,330. 0,342. 0,309. 0,330; das Maximum der Differenz ist mithin nur 0,033. Es zeigt sich al)er, dass die dritte Stufe ein wenig schräg verschoben ist, und zwar um c. 0,005, wie die Witteruugskante deutlich markirt: ein Umstand, der bei den er- schütternden Zerstörungen die der Stirupfeiler er- litten nicht zu verwundern ist. Bringt man dieses in Rechnung, so bleibt als grösste Differenz nur 0,023 übrig und diese darf bei einer so nebensäch- lichen Anlage wie unsre Treppe nicht in dem Grade befremden dass daraus ein Beweis für modernen Ursprung abgeleitet werden könnte. Zeigen uns doch die Propylaeen selbst häufig Schwankungen, z. B. der unmittelbar daneben befindliche Pfeiler in der uuregelmässig verlaufenden Kantenlinie seiner Eckquadern. Die Rillen auf den drei obersten sowie die Löcher auf der dritten Stufe mögen spä- tere Zusätze sein; sie berühren die Frage nach dem Alter der Treppe selbst nicht.

Um das Uebergreifen der Porosplinthen auf die Marmorstufen zu erklären und doch die spätere Entstehung der Treppe zu retten, greift der Verfasser zu der Annahme eines eigenthümlichen technischen Verfahrens. Er lässt erst in die Poroswand, da wo die Stufeu einbinden sollen, tiefe Löcher einarbeiten, dann die Stufen schräg einschieben und allmälig drehen, bis sie in ihre richtige Lage gekommen sind. Ich habe eine solche tiefe Aushöhlung nir- gends constatiren können und glaube auch, dass sicli ein derartiges technisches Verfahren, zumal in jener Zeit, wohl von selbst verbieten dürfte. Um aber die Sache überhaupt möglich zu macheu, hätte der Verfasser denn doch noch einen Schritt weiter gehen müssen: er musste erst die ganze jetzige Ecke wegbrechen, dann die Stufen einlegen und darauf die neue Ecke im Verl)ande mit jenen wie- der aufführen lassen. Für die obere Krauzplatte nimmt er ja doch später etwas derartiges an. Wäre ein solches Verfahren nicht einfacher und rationeller gewesen?

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Theil des

R. Bohn, Nike-Pyrgos.

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Zugangs, soweit derselbe nämlich ausserhalb der Maueräucht liegt. In Bezug auf seine Form war ich zu denselben Resultaten gelangt wie Büt- ticher: nicht eine Treppe, wie bisher ohne jeden Beweis angenommen wurde, sondern eine Rampe führte längs der Wange empor bis zu jenem Podest. Dies lässt sich deutlich nachweisen an dem schrägen Linterstreifen (f, f), der durch die Witte- rung gebildet ist und den stumpfen Anschluss des vermutblich marmornen Plattenbelages ge'gen die Wand kennzeichnet. Die Steigung ist gering, sie beträgt c. 1:8- Aus dem Abstand der zur Auf- nahme jener Platten schräg abgearbeiteten Funda- mentquadern (P) und dem Linterstreifen lässt sich die Dicke des Belages zu c. 0,15 bestimmen. Auf der andern Seite ruht die Rampe auf einem be- sonders aus Porosblöcken (F, F) construirten Fun- dament.

Eine andere Frage ist es aber, aus welcher Zeit dieser Theil stammen mag. Hier kann es zweifelhaft sein. Nicht dass in der Verwendung älterer Bau- theile als Fundament irgend ein Beweis für eine mittelalterliche Herkunft läge; denn durch die per- sische Zerstörung war eine Fülle von altem Material vorhanden, welches man zu den Neubauten au den Stellen verwendete, wo es bestimmt war nicht ge- sehen zu werden. Die mehrfach jetzt offen liegenden Fundamente der Propylaeen zeigen, wie oft ganz unregelmässig Quadern, Platten, ja Säulentrommeln aus verschiedenem Stoff hierzu verwendet sind. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass jene Treppe ursprünglich in nördlicher Richtung sich direct fortsetzte, bis sie das Niveau des alten Auf- gangs erreichte, der aber bedeutend höher lag als die jetzige Treppe, die in ihrer Lage identisch ist mit jener grossen in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts angelegten Marmor-Prachttreppe. Bei dieser hätte jener Quereinschnitt gestört, man knickte deshalb den Zugang und legte den Unter- theil rampenartig gegen die Wange. Es spricht hierfür die allerdings ziemlich flüchtige Construction der Fundamente, andererseits aber auch der Umstand, dass diese durch Marmorplatten bekleidet waren; sowoiil die Spuren der Klammerbänder, mit denen

sie befestigt waren, haben sich erhalten, als auch die deutlichen Marken (ii) ihres Anschlusses an die P}'r- goswand von jener vorspringenden Stufe abwärts bis auf die Haupttreppe. Daher erklärt sich auch das Zurücktreten dieser Fundirung gegen die Stufen- breite. Die Marmorinkrustirung entspricht viel mehr der römischen Bauweise.

Ebenso wie die einschneidende Treppe ist auch der jetzige Zustand der Nord-Ost-Ecke des Nike- pyrgos antik, und die Nordwand ist niemals ver- längert gewesen bis zu jenem Stirnpfeiler W. Den Beweis hierfür giebt diese selbst. Sie ist in durch- aus regelmässigem Fugenschnitt mit Läufern und Bindern construirt, letztere sind jedoch zuweilen, vielleicht weil eine dahinter befindliche ältere Mauer ein tieferes Einbinden unmöglich machte, auch Läufersteine, jedoch durch eingeschnittene Stein- fugen als Binder charakterisirt. Dies ist bereits früher bemerkt und auch von Bötticher *) hervor- gehoben worden; es giebt uns den Beweis, welch grosses Gewicht man auf einen regelmässigen Fugenschnitt der Fläche legte. Die jetzige Ecke schneidet nun genau mit je einem Binder abwechselnd mit einem y^ Läufer ab. Gäbe man die Verlän- gerung zu, so wäre man genöthigt, da das Licht- maass der Treppe grösser ist als doppelte Binder- breite, eine grössere Quader anzunehmen; dann wäre jene Regelmässigkeit gestört. Ferner müssten die beiden Quadern (e, e) unter der Treppe, die in der Binderschicht liegen, wenn sie ursprünglich sichtbar gewesen, auch jene Pseudofugen zeigen, was aber nicht der Fall ist, wogegen sie, wie oben bemerkt, als Auschlussflächen behandelt sind.

Gekrönt war die Mauer durch eine umlaufende Marmorplatte, an welche sich das Paviment der Hochfläche anschliesst. Sie besteht aus einem grossen Kyma mit hohem Abacus darüber, welcher wieder in einem zarten Kymation endet. Die Vorderfläche dieses Gliedes zeigt durchweg das Spitzeisen, nur die Ränder sind glatt. Auf seiner Oberfläche ist noch die Lehre für die bekannte wohl nachträglich hinzugefügte Nikebalustrade erhalten. Je zwei Re-

') Aber nicht einige Zoll, sondern nur c. 5 Millimeter be- trägt die Tiefe des Einschnitts.

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R. Bohn, Nike-Pyrgos.

liefplatten waren immer auf der Mitte der Kranz- stiieke zusammengestosseu und dort mit einem ge- meinschaftlichen Verticaldübel auf jenen befestigt; bei dem Eckstück (A) fällt der eine Dübel mit der südlichen Stosskante zusammen, wo sich noch eine Kranzplatte mit dem Endstück der Balustrade anschloss. Dasselbe macht aber eine Ausnahme in der Profilirung. Es ist an seiner Ostseite glatt ab- geschnitten und tritt hier mit seiner Fläche nur so weit über die Porosplinthen vor, als in der Nord- front die Unterkante des Kyma darüber vorgreift, d. h. 0,020 Meter '^). Die Witteruugskante an der Unterfläche bestätigt dies. Es hatte einfach seinen Grund darin, wie auch Julius a. a. 0. S. 227 be- reits bemerkt, die an und für sich schon nicht breite Treppe durch ein weit vorspringendes schwe- res Profil nicht einseitig zu verengen. Nur jenes obere kleine Kymation ist mit feinem künstlerischen Gefühl herumgeführt; es wird sich eiust so weit südlich an dem jetzt fehlenden Block fortgesetzt haben bis es sich an der obersten Stufe todtlief. Beweist dieses schon die Lage der Platte A als von jeher an dieser Stelle beabsichtigt, so wird es noch bestätigt durch 2 Lücher an den beiden süd- lichen Stossflächen, welche je in der Platte und Porosunterlage mit einander correspondiren und einst zur Aufnahme der verbindenden jetzt heraus- gebrochenen Dübel dienten.

Ist nach der Ansicht von B()tticher aber die Treppe mittelalterlich, so wird er nothwendig zu der Consequenz gedrängt, dass auch jene Eckplatte nicht mehr an ihrer Stelle liegt, und er lässt die- selbe daher ursprünglich bis unmittelbar an den Stirnpfeiler W reichen, unter der Motivirung, dass die „kranzbildende Eigenschaft" mit dem Fehlen des grossen Kyma aufhöre und dass die lothrechte Schnittfläche „auf einen stumpfen Fugenstoss oder den ehemaligen Verstoss gegen einen anderen kör- perlich von ihr gesondert bleibenden Stein" hin- weise. Hierin sehe ich wohl den Versuch einer tektonischen Erklärung aber keinen Beweis; wir haben vielmehr in Obigem gesehen, wodurch ledig- lich jene Umstände hervorgerufen wurden. Um

'; In den Zeichnungen bei Uütticher nicht dargestellt.

nun aber bei diesem „stumpfen Fugenstoss" auch dem kleinen umlaufenden Kymation gerecht zu werden, nimmt der Verfasser dasselbe zur Deckung der durchgehenden Verticalfuge zwischen Stirnpfeiler und Pyrgos an, und zwar in der Weise, dass „die oberste Marmorpliuthe von W in der ganzen Länge ihrer Stirn nah seinem" d. h. des Kymation „Profil ausgefalzt zu denken ist" und dass „diese Falzung dann mit ihm wieder eingedeckt und ge- schlossen wurde". Eine derartige Verwendung eines Kymation aber widerspricht vollständig der antiken Constructionsweise.

Der von dem Verfasser versuchte „metrische" Beweis für den örtlichen Wechsel der Platte A stützt sich als „ausschlaggebend" unter anderm auf eine einzeln vorhandene Platte 4. 5. 7). Es über- rascht uns aber, wenn er behauptet, dass diese Platte nothwendig zum Nordkranz gehört haben soll. Dieselbe ist allerdings einst benutzt und ge- hörte nicht an die Westseite des Pyrgos, so weit nämlich das Krepidoma des Tempels reicht, wie der Verfasser ganz mit Eecht aus der Verschieden- heit der Form folgert. Aber warum denn nicht an die Westseite südlich des Tempels, wo die Form der Kranzplatte genau dieselbe wie an der Nord- seite, ja ein Stück noch in situ ist; die Südwest- ecke des Pyrgos ist ja noch ca. 3,80 Meter vom Tempelsterobat entfernt. Warum nicht an die Südseite, wo der Verfasser doch selbst 4, i) das Herumlaufen des Kranzes annimmt. Ebensowenig gehört auch die jetzt neben A liegende Platte (C) ursprünglich hierher. Dieselbe ist weniger tief wie sämmtliche übrigen am Nordrand noch in situ lie- genden, welche unter sich und mit A gleiche Tiefe haben, so dass eine durchlaufende Fuge entstand. Auch in der Abnutzung der Oberfläche markirt sich dieser Unterschied. Diese Platte ist erst bei der Restauration des Tempels hierher gelegt worden und stammt von der AVest- oder Südseite.

Der Verfasser denkt sich die jetzige Lage der Platte dadurch hervorgerufen, dass beim „Einbruch" der Treppe dieselbe von ihrer alten Stelle unmittel- bar neben dem Stirupfeilcr entfernt worden sei; c))enso sei die folgende ganz beseitigt und die er-

Fr. Hultsch, Grundmaass der griechischen Tempel.

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stere dann mit aller Präcision wieder auf die neu formirte Ecke gelegt worden. Er stellt e.s dabei als wahrscheinlich hin, dass auch die Nikebalustrade in gleicher Weise mitgeändert worden sei. Wie sehr aber ein so sorgsamer mit Schonung der An- tike durchgeführter Umbau allem widerspricht, was wir sonst von mittelalterlicher Bauthätigkeit auf

der Burg beobachten können, Laben wir bereits oben hervorgeholten.

So viel zur Siclierstelluug des antiken Ursprungs jener kleinen Treppe. Ein näheres Eingehen auf die weiteren sicli daran schliessenden Fragen muss ich mir für später vorbehalten.

Athen im Mai 1880. Richard Bohn.

DAS GRUNDMAASS DER GRIECHISCHEN TEMPELBAUTEN.

Unter allem Schönen und Bewundernswerthen, was die deutschen Ausgrabungen zu Olympia ans Licht gebracht haben, nimmt sicherlich nicht den letzten Platz ein die Entdeckung zweier Maassstäbe griechischer Architekten, deren einer bisher noch völlig unbekannt war, während der andere sich als der Vorgänger des römischen Fusses herausstellte.

Wir werden diese Maasse im Folgenden als den grösseren und den kleineren olympischen Fuss be- zeichnen.

In der Vorrede zum 3. Band der Ausgrabungen (S. 28 f.) wurde von F. Adler auf Grund der Unter- suchungen Dörpfeld's nachgewiesen, dass die Hand- breite des kleineren Fusses 7 mal in der ägyptischen Königselle enthalten ist, ferner, dass der kleinere Fuss zum grösseren sich genau wie 13:14 verhält. Daran knüpfte sich nun sofort die Frage, ob etwa auch der grössere Fuss in einem erkennbaren Zu- sammenhang mit dem ägyptischen Maasse gestanden habe.

Einen bedeutsamen Fingerzeig gab das Oxfor- der metrologische Relief, welches vor kurzem von Ad. Michaelis in dieser Zeitschrift (XXXVII S. 177 ff.) besprochen worden ist. Das Monument stammt wahr- scheinlich aus Kleinasien oder von den Inseln und gehört der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts oder einer nicht viel jüngeren Epoche an. Die Darstel- lung versinnbildlicht das Maass einer Klafter und dazu einen kleineren Maassstab von 0,295 m, welcher genau '/, dieser Klafter beträgt, überdiess aber dem römischen, und mitbin auch dem kleineren olympi- schen Fusse sehr nahe steht.

Es sind also der grössere olympische Fuss ßV^mal, der kleinere olympische und der römische Fuss 7 mal in der Klafter der königlichen Elle ent- halten. Die naheliegende Frage, ob etwa noch andere Fussmaasse des Alterthums in ähnlichem Zusammenhange mit der Klafter stehen, führte zu dem überraschenden Resultate, welches wir durch die umstehende Uebersicht darstellen.

Zur Erläuterung dieser Tabelle ist zunächst zu bemerken, dass der Betrag der ägyptischen Königs- elle mit aller nur möglichen Sicherheit auf 0,525 m bestimmt ist. Ihre Klafter hielt demnach 2,10 m. Dieses uralte Maass ist später bei den griechischen Baumeistern, wie leicht erklärlich, um ein weniges herabgegangen; denn die Bauten von Olympia wei- sen 2,084 m, der Parthenon zu Athen 2,081 m, das Oxforder Relief 2,07 2,06 m als Betrag der Klaf- ter aus.

Nur beiläufig sei die naheliegende Frage berührt, ob das fremdartige Maass, welches so eigenthümlich neben dem griechischen angewendet worden ist, aus dem ägyptischen oder aus dem babylonischen Cultur- kreise stammt. Denn neben der ägyptischen Königs- elle steht als ursprünglich gleiches Maass die baby- lonische Elle, von Uerodot ebenfalls als königliche bezeichnet. Da ferner als Vermittler der Uebertra- gung nach Griechenland jedenfalls die Phöniker zu betrachten sind, so ist die Möglichkeit nicht aus- geschlossen, dass die Elle aus dem babylonischen oder, wenn man will, etwas später aus dem medi- schen Reiche nach Griechenland gewandert sei. Doch sprechen überwiegende Gründe der Wahr-

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Fr. Hultsch, Grundmaass der griechischen Tempel.

Auf die Klafter der

königl. Elle werden

gerechnet

Fuss 6

6'/3

6V4

7'A

s

Palästen 24

25

26

2GV2 27

30 32

Uebersicht der Fussmaasse

Philetärisoher Fuss

(Kleiner asiatisclier Fuss') . . ) \Pes Drusianus in Germanien-) J Grösserer olympischer Fuss . . . Correlat des samischen Fusses Attischer Fuss

{Kleinerer olympischer Fuss . . Fuss des Oxforder metrol. Reliefs Römischer Fuss

(Fuss von Ushak in Kleinasien 3) 1 lOskischer und campanischer Fuss*) J Fuss des Eratosthenischen Stadions')

scheinliclikeit für die Entlelinung aus Aegypten, wie ja auch die Dimensionen des Heraion auf Samos beweisen, dass die samische Elle Herodots die grössere ägyptische, und zwar nach beutigem Maasse im Betrage von 523 mm, war, während dem ßaai- kijiog nfjXvg, d. i. der babylonisch-persischen Elle, im Sinne desselben Schriftstellers ein Betrag von mindestens 530, wahrscheinlich aber 533 mm zu- kommt. Also waren, wenn diese Auffassung richtig ist, die ursprünglich gleichen Maasse der ägyptischen und babylonischen Elle zu Herodots Zeit local diflfe-

') Wird weiter unten am Artemistempel zu Ephesos nach- gewiesen werden und ist ausserdem gesichert durch das Stadion, welches 7'/2 mal in der römischen (nicht etwa in der Philetä- rischen) Meile enthalten ist (Metrologie S. 267). Dasselbe Sta- dion war genau 32 mal in dem ägyptischen Schoinos enthalten (unten Anra. 5).

=) Metrologie S. 294.

3) Böckh Monatsbericht der Berliner Akad. 1854 S. 85 (wie- derholt In den Gesammelten kleinen Schriften VI S. 261f.).

*) H. Nissen Pompejanische Studien S. 70ff. 390 ff. Die de- finitive Festsetzung des oskischen Fusses auf 0,275 m findet sich S. 92.

5) Der Schoinos war unter den Ptolemäern gesetzlich zu 12000 königlichen Ellen oder 30 Stadien desjenigen Fussmaasses normirt, welches später auch in Aegypten das Philetärische ge- nannt wurde. Wenn also Eratosthenes, der unter Ptolemaeos III Euergetes und seinem Nachfolger in Alexandria lehrte, nach Plinius 12, 13, 53 auf den Schoinos 40 Stadien rechnete, so musste er damit andere als die Philetärischen meinen. Der Fuss des Eratosthenischen Stadions verhält sich demnach zum Philetärischen Fuss wie 3:4 ^ 6:8, wie in der obigen Ueber- sicht gesetzt ist. Andere rechneten, wie Plinius hinzufügt, 32 Stadien auf den Schoinos, das sind jene kleinasiatischen, welche seit dem 2. .Jahrb. n. Chr. häufig vorkommen und von den Kömern zu 7'/2 auf die Meile normirt worden sind (Anm. 1).

Ursprüng- licher Betrag

gemäss der

Klafter von

2,10 m

0,350

0,336

(0,323) 0,317 (0,311)

(0,300)

(0,280) 0,2625

Normalbetrag nach der

Klafter von 2,084 m

0,3334

0,3206 0,3146 0,3087

0,298

0,2779

Elfectives Maass in Metern

0,3546 bis 0,350 (0,335 bis 0,3286 l0,3327

0,321 bis 0,3206

0,317 bis 0,314

0,3083 ro,2977

0,295 [o,2957 1 0,2775 10,275

0,2625

renzirt, und zwar hatte die ägyptische, d. i. die ihr gleiche samische Elle eine geringe Abminderung erfahren, welche noch etwas grösser in den Bauten von Olympia und Athen erscheint, die königlich persische Elle aber war etwas über den ursprüng- lichen Betrag gehoben, so dass der Unterschied, welchen Herodot vorfand, nahezu einen Centimeter heutigen Maasses betrug.

Die Fussmaassstäbe, welche 7 mal in der Klafter enthalten sind, erklären sich, wie schon bemerkt, aus der bekannten Thatsache, dass es in Aegypten ausser der grösseren oder königlichen Elle eine kleinere gab, deren Handbreite 7 mal in der grösse- ren Elle enthalten war °). Wenn also die Griechen nach ihrer Weise aus der kleineren Elle heraus ein Zweidrittelmaass als Fuss bildeten, so musste dieses, weil 4 Handbreiten enthaltend, 7 mal in der Klafter der königlichen Elle enthalten sein.

^) Ein mathematisches Handbuch der alten Aegypter {Pa- pyrus Rhind des British Museum), übersetzt und erklärt von Aug. Eisenlohr, Leipzig 1877, I S. 9 vergl. mit S. 139f. 144f. 146, rechnet nach einer Elle von 7 Handbreiten. Der erwähnte Papyrus ist um 1700 v. Chr. geschrieben; das Original aber, welches der Schreiber vor sich hatte, reicht in die Zeit des Königs der zwölften Dynastie Amemhat III, mithin nach Lep- sius in das 23., nach Brugsch in das Ende des 24. Jahrh. zu- rück. Ueber die verschiedenen noch vorhandenen Ellenmaass- stäbe, deren ältester dem 15. Jahrh. angehört, ist Lepsius Die altägyptische Elle und ihre Eintheilung, Abhandl. d. Berliner Akad. 1865 S. 14 ff. 44 ff., über den Nilmesser von Elephantine derselbe S. 53 f. zu vergleichen; ausserdem aber die modificirte Ansicht desselben Gelehrten in der Zeitschr. für ägypt. Sprache 1877 S. 3 und 6 zu berücksichtigen.

Fr. Ilultscb, Grundraaass der griechischen Tempel.

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Suchen wir nun, soweit es sich in obiger Ueber- sicht um die Maassstäbe griechischer Architekten handelt, in den Resten alter Tempel die Nachweise für die Ableitung aus der Klafter.

Am nächsten steht der königlichen Elle als das ent- sprechende Zweidrittelmaass der Philetärische Fuss. Bauwerke dieses Fusses werden also am wenigsten den Zusammenhang mit der königlichen Elle, und voraussichtlich auch nicht mit der Klafter, verläug- nen können. Der Tempel der Athena Polias zu Priene zeigt als Säulenweite von Axe zu Axe im Mittel 10 Fuss zu 0,354G m, und die Entfernung von Mitte zu Mitte der Ecksäulen beträgt 100 Fuss in die Länge und 50 Fuss in die Breite'). Daraus lässt sich vermuthen, dass der Stylobat des Tempels geplant war zu 105 Fuss von 350 Millim. in die Länge und 54 in die Breite, d. h. zu 17 '/^ und 9 Klaftern der königlichen Elle.

Mit grösster Deutlichkeit zeigt das Heraion zu Olympia die Klafter der königlichen Elle, und zwar im genauen Betrage von 2,084 m, als Grundmaass. Die Oberstufe ist angelegt nach der Norm von 24 Klaftern in die Länge und 9 in die Breite, die Säulenhöhe beträgt 2'/j, die lichte Cellabreite 4 Klaf- tern^). Die Länge der Oberstufe verhält sich zur Breite wie 8 : 3. Die übrigen Dimensionen sind vor- wiegend nach dem Maassstabe, welcher 7 mal, einige vielleicht auch nach jenem, welcher ß'/^mal in der Klafter enthalten ist"), bemessen.

Die Dimensioneu des Zeustempels zu Olympia bekunden deutlich das Streben, das nationalgrie- chische Maass, den Fuss, mehr hervortreten zu lassen, ohne dass jedoch die altüberlieferte Klafter beseitigt wird. In sinniger Auffassung wird der Ausgleich zwischen beiden Maassen dahin geregelt, dass die eine Hauptdiraension für einen runden, und zwar decimalen Betrag von Fuss in Anspruch genommen wird, die andere aber der Klafter der köuiglichen Elle verbleibt. Als Fussmaass hat der grössere olym- pische Fuss gedient. Die Oberstufe misst 200 solche

0 n. Wittich Archäol. Zeitung XX S. 276 f. ') So berechnet nach den Angaben F. Adlers und Dörp- feld's, Ausgrabungen von Olympia, Bd. III Vorrede S. 28 f. 5) Dörpfeld a. a. O. S. 29.

Fuss in die Länge, 8G'/', in die Breite '"). Letztere Dimension entspricht sehr nahe 53 königlichen Ellen. Nehmen wir nun an, was der Walirscheinlichkeit durchaus entspricht, dass die Unterstufe je um 3 königliche Ellen = 1,56 m länger und breiter sein sollte, so erhalten wir eine Baufläche von 50 Ellen oder 14 Klaftern in die Breite und 126 Ellen oder 3r/j Klaftern in die Länge, und als Verhältniss von Breite zu Länge 4:9. Die durchschnittliche Axen- weite aller Säulen beträgt 5,21 m d. i. 27; Klaftern. Die übrigen Dimensionen scheinen sämmtlich nach dem grösseren olympischeu Fuss, oder sagen wir lieber nach einem Klaftermaassstab welcher in 26 Handbreiten getheilt war, geplant zu sein. Als kleinster Theil der Handbreite ist am Zeustempel bis jetzt die Hälfte, d. i. '/, des Fusses oder 2 Dak- tylen, nachgewiesen'').

In bewunderungswürdiger Harmonie ist der Aus- gleich zwischen griechischem und orientalischem Maass vollzogen worden am Artemistempel zu Ephe- sos, dessen Breite Plinius (36, 14, 95) zu 225 und die Länge zu 425 Fuss angiebt. Mit Recht erblickt H. Wittich (Bd. XXX S. 29 ff. dieser Ztschr.) hierin römische Fuss; diese sind aber ebensowenig wie bei dem Zeustempel zu Olympia oder dem Parthe- non zu Athen zurückzuführen auf gemeingriechische oder samische von 0,317 m, sondern sie gehören einem besonderen kleinasiatischen System an, wel- ches, wie die obige Uebersicht zeigt, dem Philetä- rischen nahe steht. Wie 7 Philetärische Stadien auf die römische Meile gehen"), so ist auch eine Reduction derselben Meile auf 7'/._, Stadien nachzu- weisen. Der Fuss dieses kleineren Stadions, dessen Ursprung ebenfalls in Kleiuasien zu suchen ist, ver- hielt sich also zum Philetärischen wie 14:15 und betrug demnach etwa 0,33 m"). Wenden wir nun diesen Maassstab auf die von Plinius überlieferten

'") Adler a.a.O. S. 26 und dazu Blatt 31 des III. Bandes. Früher war eine Dimension von 200 imhümlich so genannten olympischen Fuss zu 0,3168 m angenommen worden (vergl. Vor- rede I S. 20), eine Verniuthung, die bereits in der Vorrede zu Bd. II S. 15 zu einigen Bedenken Anlass gab und schliesslich als unhaltbar sich heratisstellte.

") Derselbe a. a. 0.

'■-) Metrologie S. Ö7f., 267.

'^) Vergl. oben Anm. 1 und 5.

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Fr. Hultsch, Gruudmaass der griechiscben Tempel.

Dimensionen des Artemisiou an, so ergiebt sieb sofort, dass der Tempel zu 200 solcbe Fuss in die Breite und 375 Fuss iu die Länge geplant war. Da aber dieser Fuss zugleicb 6'/^ mal in der Klafter der königlichen Elle enthalten ist, so ist die Länge zu deuten als Dimension von 60 Klaftern. Der Tempel mass also, und zwar nach aller Wahr- scheinlichkeit in seiner Oberstufe, 100 Doppelfuss in die Länge und 60 Klaftern in die Breite, d. h. die eine Dimension war decimal und nach griechischem Maasse, die andere sexagesimal und nach orienta- lischem Maasse geplant'*) und beide überdiess auch mit Rücksicht darauf ausgewählt, dass sie sich leicht in das correspondirende Längenmaass übertragen Hessen, nämlich die 200 Fuss der Breite in 32 Klaf- tern, und die 00 Klaftern der Länge, wie schon bemerkt, in 375 Fuss. Wechselseitig verhielten sich Breite zu Länge wie 8:15. Die Säulenweite von Axe zu Axe, welclie zu 7,28 m nachgemessen wor- den ist, betrug 22 Fuss '°), der untere Durchmesser der Peristylsäuleu wahrscheinlich 6 Fuss. Die Norm des Fussmassstabes , welcher beim Tempelbau An- wendung gefunden hat, ist mit Sicherheit zwischen 0,333 und 0,331 m festzusetzen.

Wir wenden uns nun zum Parthenon auf der Akropolis von Athen. Der prächtige Bau ist be- kanntlich von Perikles errichtet worden auf den

Substructionen eines älteren Tempels, der von Pei- sistratos begründet, später nicht völlig vollendet, zuletzt beim Einfalle der Perser zerstört worden war "). Ueberliefert ist, dass der Perikleische Bau, dem der Name ixaTÖvnedog beigelegt wird, um 50 Fuss grösser war als der von den Persern ver- brannte Temi)er'). Dass das Mehr von 50 Fuss nicht etwa auf die Längendimension des Stylobats, geschweige denn auf dessen Breite, bezogen werden darf, zeigt der noch erkennbare Unterbau des Tem- pels nicht minder wie vereinzelte BaustUcke, welche bei der Neubefestigung der Akropolis in die nörd- liche Burgmauer eingefügt, so bis auf heutigen Tag erhalten und sorgfältig nachgemessen worden sind'^). Zunächst geht aus diesen Messungen zweifellos hervor, dass der Maassstab, welchen die Baumeister des älteren Parthenon angewendet haben, genau nach dem attischen Fusse von 0,3083 m normirt war, welcher am Perikleischen Parthenon mit Sicher- heit nachgewiesen worden ist"). Ein und zwanzig noch erhaltene grössere Säulentrommelu halten im Durchmesser 6,233 F. engl. = 1,898 m, d. i. genau 6 attische Fuss 2^/^ Daktylen; fünf andere kleinere im Durchmesser von 5,601 F. engl. = 1,7055 m stellen nicht minder genau 5 attische Fuss 8'/^ Dak- tylen dar"). Aehnlich sind folgende Dimensionen zu beurtheilen'').

Fuss engl.

Metopen des Gebülkes der Fronten

Triglyphen , ,

Metopen des Gebälkes der Flanken

Triglyphen , . .

Siiulenweite von Axe zu Axe in den Fronten . . , , , , . Flanken . .

'*) In ganz analoger Weise hat die Ausgleichung zwischen decimaler und sexagesimaler Rechnung in dem gemeingriechischen System der Längenmaasse stattgefunden, worüber in Fleckeisens Jahrb. 1867 S. 51»f., 533f. das Niihere zu finden ist.

'^) Berechnet unter Voraussetzung eines Fusses von 0,331 m. Wittich, Archäol. Zeitg. XXX S. 30 deutet dieselbe Dimension zu 23'/4 „altgriechischen, d. i. saniischen", Fuss. Nach letzte- rem Maasse würden auf die Breite des Tempels 210, auf die Liinge 393Yi Fuss kommen.

"■) Ad. Michaelis, Der Parthenon S. 5 IT., 119ff.

") Ilesychios u. d. W. Michaelis S. 119.

'") Die Dimensionen des voriiersischen Parthenon behandeln, ausser Michaelis a. a. O., li. Strack Archäol. Zeitg. XX S. 241 ff., Wittich ebenda XXIX S. 105 ff. Die Nachmessungen rühren her

3,795 2,49 3,92 2 72 12,57 13,28

Meter

1,1555 0,7582 1,1936 0,8282 3,8275 4,0438

Attische

Fuss 1 Dakt.

3

12

2

7'/=

2

14

2

11

12

6V4

13

2

Daraus abgeleiteter Werth des attischen Fusses in Metern

0,30813

0,3071

0,30803

0,3082

0,3082

0,3081

von F. C. Penrose An Investigation of the Frinciples of Athe- nian Archilecture , London 1851, ein Werk, welches dem Ver- fasser dieser Zeilen zur Zeit leider nicht zugänglich ist. Der von Penrose benutzte Maassstab des englischen Fusses hat sich nachträglich als um 0,001 zu klein herausgestellt; deshalb sind im Folgenden die Messungen Penrose's reducirt nicht nach der Bestimmung des engl. Fu.sses zu 0,30480 m (Bessel), sondern nach einem Fuss von 0,3045 m.

'3} Metrologie S. 52 f.

20) Michaelis, Parthenon S. 122.

-') Zusannuengestellt nach Wittich a. a. 0. S. 108. Wittich selbst führt die Messungen Penrose's zurück auf samische Fuss von 0,317 m, welche die Eintheilung in 12 (statt Iti) 6(ixivi.ot gehabt haben sollen.

Fr. Hultsch, Grundmaass der griechischeu Tempel.

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Mit diesem zuverlässigen Maassstabe ausgerüstet deuten wir nun leicht die Hauptdimeusioneu des Tempels. Naeli der lichtvollen Darstellung Strack's (Jahrg. XX S. 243 f. dieser Zeitschr.) hat die obere Fläche des Stereobats 103,12 Fuss engl, iu die Breite und 214,56 Fuss in die Länge betragen, und es entwickelt sich daraus, wie der restaurirte Plan nachweist, ein Stylobat von 91,7 F. engl. Breite und 205 F. Länge, d. i. 27,90 zu 62,42 m. Letztere Di- mension aber entspricht genau 202'/^ attischen Fuss zu 0,3083 m, während die Breite 9OV2 Fuss ergiebt. Nun verhält sich beim Perikleischen Parthenon die Breite des Stylobats zur Länge wie 4:9 (Metrolo- gie S. 53); das gleiche Verhältuiss kommt aber auch beim älteren Parthenon heraus, wenn wir die Breite zu 90 statt 90'/j Fuss ansetzen. Iu neuerem Maasse betrug also die Breite des Stylobats 27,75 m und die Länge 62,42 m.

Allein die 90 und 202'^ attischen Fuss der Breite und Länge, welche wir soeben ermittelt haben, sind noch nicht diejenigen Zahlenbeträge, welche ur- sprünglich beim Baue vorgeschwebt haben. Denn da der attische Fuss 6% mal in der Klafter der königlichen Elle enthalten ist (s. die Tabelle oben S. 92), so erkennen wir in deu 2Ü2'/j Fuss der Länge das Grundmaass von 30 Klaftern, woran sich eine Breite von 13 '4 Klaftern schliesst. Wie die alten Baumeister diese Beträge ausgesprochen haben, be- halten wir uns vor noch später zu zeigen.

Die Säulenhöhe, mit Michaelis (S. 122) zu 10 Mo- duli gerechnet, würde 9,49 m betragen. Strack schätzt sie in seinem Plane zu 30 Vj F. engl. = 9,363 m, d. i. genau 30Va attische Fuss, und diese wiederum lösen sich auf zu dem glatten Betrage von 4V2 Klaftern.

Durch die Area des Stylobats sind Länge und Breite der Cella ungefähr bestimmt. Die genauere Dimension der Länge ist mit Recht aus der oben angeführten Stelle des Hesychios ermittelt worden. Beim Perikleischen Parthenon nämlich sind Cella und Opisthodomos nebst den Mauern in einer Länge von 158,56 F. engl. = 48,28 m bemessen ; rechnet man nun hiervon 50 attische Fuss = 15,41 m ab, so bleiben für die Cellalänge des älteren Parthenon

Archüolog. Ztg. Jahrgant' XXXVUI.

32,87 m, ein Betrag, den Strack in seinem Restau- rationsplan nur unmerklich geändert hat, indem er die Cellalänge im Licliten zu 97 '/^ F. engl., je eine Mauerstärke zu 5 F., mithin die ganze Cellalänge zu 32,73 m ansetzt. Es würden nun weiter die ent- sprechenden Beträge in griechischem Maasse anzu- geben sein; doch müssen wir, ehe dies geschehen kann, zunächst den architektonischen Maassstab auf- suchen, welcher dem Perikleischen Parthenon zu Grunde gelegen hat.

Der Ausgang ist zu nehmen von der Benennung exazni^inEdog. ' Hundertfüssig' hat man das Wort von jeher gedeutet und diesen Betrag auch in Wirk- lichkeit am Parthenon aufgefunden. Aber ursprüng- lich bedeutete txaiöfineöog doch wohl 'hundertfiä- chig', d. i. aream numero centenario dimensam coii- tinetis. Wenn es also, wie nicht zu bezweifeln, auch für 'huudertfüssig' gebraucht wurde, so geschah dies nach demselben Sprachgebrauche, wie fivQiä- dsg mit weggelassenem dqay^iiüv, xsvTrjvccQiov für centum pondium, ferner cenletiarius für 'hundert- pfüudig' und 'hundertfüssig', decietis statt einer Million Sesterzeu und viele andere Benennungen der Art gesetzt werden. Uebrigens mag auch die ähnliche Form ixaTÖf-inodog, welche schon bei Ho- mer (II. f 164) handschriftlich sich findet, die nicht seltene Uebertraguug der Bedeutung ' hundert- füssig' auf ixaTÖj-inedog veranlasst haben. Wie aber der Parthenon dazu kam ixaro^nedog genannt zu werden, geht aus einer werthvoUeu Notiz bei Harpokration hervor, laut welcher nicht sowohl die Zahl von 100 Fuss (gar viele Tempel waren ja durch grössere Dimensionen ausgezeichnet), sondern die schöne Harmonie des Baues die Benennung veranlasst hat"). Wir deuten demnach den ixa- zöfinsdog Haqd^Evüv als einen Tempel, dessen Fläche (welche selbstverständlich ein längliches Rechteck bildete) nacli der Zahl 100 bemessen war. In attischem Maasse beträgt die Breite des Stylo- bats 100, die Länge 225 Fuss, und die Breite ver- hält sich zur Länge wie 4 : 9. Sowie wir nun an

--) Harpokr. u. fznidunt Jui'; ö II(iQ9ev(av vnö iiyoif (xa- jouTifJoi (xciktUo diu xulkoi xa'i fvQvi/uiar, Ol) d/ci fj^ytilog, üq J\ltvix).t)i ri KaXliOKHixui h Tw nn>\ l-i&ijfiSf.

13

96

Fr. Hultsch, Grundmaass der griecbischen Tempel.

die Ableitung des attischen Fusses aus der Klafter der küiiigliclien Elle uns erinnern, reduciren sich die 225 Fuss der Länge auf 33 '/a Klaftern, und wir können sagen : der Tempel war bemessen zu 100 Fuss in die Breite und zu einem Drittel von 100 Klaftern in die Länge. Aber warum sollte es nicht ge- stattet sein, das Drittel der Klafter selbst als einen selbständigen Maassstab aufzufassen? Kennen wir diesen Maassstab versuchsweise die attische Bau- elle und denken ihn uns, wie jede Elle, getheilt in 24 Daktylen. Dann war der Hckatompedos, wie zu 100 Fuss in die Breite, so zu 100 Bauellen in die Länge geplant, stellte also im eigentlichsten Sinne die Fläche dar, welche das griechische Wort

bezeichnet. Weiter ergiebt sich unmittelbar, dass Fuss zu Bauelle sich gerade so verhielt wie die Breite des Tempels zur Länge, und wir können nun sofort einen Maassstab uns reconstruiren, wel- cher 2'/^ attische Fuss = 9 attische Palästen = 0,6937 m betrug und in Vierundzwanzigstel getheilt war. Je 1 Vierundzwanzigstel war dann gleich l'/j Daktylen des gewöhnlichen Fusses, und 4 Vier- undzwanzigstel gliclien sich mit 6 attischen Dak- tylen oder l'/j Palästen. Um nun zu verdeutlichen, wie dieser neue Maassstab aufzufassen ist, lassen wir die Einzeldimensionen der Stylobatlänge '^) nebst den Reductionen auf attische Fuss, königliche Ellen und attische Bauellen folgen.

Meter

Attische

Fuss

tylen

Königliche ' Dak-

Ellen

tvlen

Attische

Bau- ellen

Dak- tylen

Daraus abgeleiteter

Werth des Fusses

in Metern

Pteron mit Vorstufe zum Naos

Tiefe des Pronaos

Wanddicke

Cellalänge im Lichten

Zwischenwand

Opisthodoraos

Wanddicke

Tiefe des Posticum

Pteron mit der Vorstufe zum Naos

5,217 5,414 2,077

29,853 0,952

13,326 2,074 5,277 5,25tt

IC. 17

C 96

3 43

6 17 17

14

8'/. 12 12

i'A.

2

12

1

L_

10 10

4 57

1 25

4 10 10

9V:

20 13'/,,

2V,

7 7 3

43 1

19 3 7 7

12 19

14 14

0,30915

0,30882

0,30766

0,3085

0,30805

0,3090

0,3072

0,30925

0,3082

Stylobatlänge 09,45

Welchen von diesen drei Maassstäben sollen wir nun für den wahrscheinlichsten erklären? Die Wahl zwischen königlicher und Bauelle fällt nicht schwer. Zunächst geht aus der früheren Darstellung hervor, dass zwar die Klafter der königlichen Elle, nicht aber dass diese Elle selbst nach dem griechischen Festland übertragen worden ist. Vollends aber zeigen die auslaufenden Brüche von '/j Daktylen, dass dieses Maass den attischen Architekten fern gelegen hat.

Wir haben also noch die Beträge in attischen Fuss und in Bauellen zu vergleichen. Im Fussmaass müssen wir herabsteigen bis zur Hälfte des Dak- tylos = 9,6 mm; dagegen haben wir bei der Bau- elle nur ganze Daktylen und als kleinstes Theilmaass einen Betrag von 28,9 mm. Dies gicbt wohl den entscheidenden Ausschlag zu Gunsten der Bauelle.

Indcss ist immer festzuhalten, dass attischer

225 I

133

100

0,30866

Fuss und Bauelle neben einander gehen, nicht eines das andere ausschliessen. Es wird also das eben gewonnene Eesultat nicht dadurch umgestürzt wer- den, wenn beim weiteren Forschen nach den Maassen des Parthenon irgend eine kleinere Einzeldimension bequemer auf Brüche des Fusses als der Bauelle sich reduciren sollte.

Diese Untersuchung möge für spätere Zeit und Gelegenheit aufbewahrt bleiben. Jetzt ist zunächst noch die Frage zu beantworten, ob die Bauelle be- reits bei dem vorpersischen Parthenon Anwendung gefunden hat. Von vornherein ist dies wahrschein- lich; denn die Dimensionen des jüngeren Parthenon lehnen sich in der Hauptsache eng an den älteren Bau an, nur dass eine Vergrösserung etwa in dem

■'■') Zusammengestellt nach Wittich Archüol. Zeitg. XXIX 8. 109. Der englische Fuss Penrose's ist, wie bereits bemerkt wurde, zu 0,3045 m gerechnet.

Fr. Hultseh, Giundmaass der griechischen Tempel.

97

Verliältniss von 9 : 10 eingetreten ist. Im Einzelnen wird die Anwendung der Bauelle für den älteren Parthenon am kürzesten durch folgende Uebersicht nachgewiesen, in welcher die beigefügten Zahlen allenthalben Bauellen bedeuten: Stylobatbreite 40, Stylobatlänge 90, Säulenweite von Axe zu Axe im Pteron der Fronten 5"/,,, desgleichen im Ptcron der Flanken 57,^, Säulenhühe lo'/j, Cellalänge im Lichten 43"')! Längenmauer der Cella mit Einschluss der Flügel 5G'^), Cellabreite im Lichten 23, äussere Cellabreite 2G"), Area des eigentlichen Naos in der Breite 27"), in der Länge GT'/j. Breite und Länge der Naosarea verhalten sieh wie 2:5, die Quermauern der Cella zu den Längenmauern wie 13:28.

Mehrere Gründe tragen dazu bei, diesen Zahlen einen hohen Grad von Wahrsclieiulichkeit zu ver- leihen. Zunäclist fällt ins Auge die durchgängige Abrundung der Beträge und die Einfachiieit der gegenseitigen Verhältnisse. Ferner kommt in Be- tracht, dass Strack seinen schönen Recoustructions- plau ohne jede vorgefasste Meinung betreffs des zu Grunde liegenden Maasses entworfen hat, also die nachträglich hergestellte Uebereinstimmung mit dem

^*) Wie bereits bemerkt, schätzt Strack diese Dimension zu 97Vj F. engl. = 9GVi6 attisciie Fuss = 39,C5 m. Wenn wir statt dessen 96V4 att. F. = 43 Bauellen = 29,83 m anneh- men, so wird die geringe Abweichung hinlänglich gestützt durch die Tradition bei Hesychios. Denn beim Perikieisehen Parthenon betragen Cella und Opisthodomos nebst den Mauern nach der oben gegebenen Specialiibersicht 156 att. F. 7'/.j Dakt.; davon 50 F. ab, bleiben rund IO6V2 Fuss. Die Mauerstärken schätzt Strack zu 5 F. engl. = 1,522 m, wofür wir mit un- merklicher Abweichung 4 att. F. 14 Dakt. = 1,603 ra anneh- men. Zwei solche Mauerstärken ergeben also 9^/4 att. Fuss = 4'/3 Bauellen :=: 3,005 m. Dazu nach der eben angeführten Annahme die Cellalänge im Lichten von 96^/4 att. F. u. s. w. ergiebt als äussere Cellalänge lOG'/j att. Fuss = 4773 Bauellen = 32,83 m.

'*) Genau nach Strack, der 127'/2 F. engl, setzt, das sind 126 att. Fuss = I8V3 Klaftern = 5G Bauellen = 38,84 m.

-'') Auch diese Dimensionen sind genau aus dem Strack- schen Plane abgeleitet.

-■) Strack nimmt an 62'/s F- engl- = Cl,73 att. F., wofür wir 60-74 att. F. = 9 Klaftern = 27 Bauellen setzen , eine Ab- weichung, welche durch die Gewinnung des glatten Verhält- nisses 2:5 zwischen Breite und Länge gesichert ist. Denn die Länge der Area, welche Strack zu 155 F. engl. = 153,09 att. F. schätzt, braucht nur modificirt zu werden zu 15 1^, att. F. = 22'/3 Klaftern = 67 '/3 Bauellen, um die eben genannte Propor- tion zu erhalten.

attischen Maass Zeugniss ablegt für die Richtigkeit der Hyi)othese. Endlicli glaubt Unterzeichneter noch anfuhren zu dürfen, dass er zunächst alle Di- mensionen nur auf attisches Fussmaass zurUckge- rechnet und dann die Reductionen auf Klaftern der königlichen Elle beigefügt hat. Erst im Laufe der Uutersuclmng wurde die attische Bauelle entdeckt, nach welcher nun in ganz unerwarteter Weise die anderweit festgesetzten Dimensionen sich so ver- einfachten, wie oben gezeigt worden ist.

Zum Schluss ist noch mit wenigen Worten des Heraions zu Samos zu gedenken. Dasselbe ist be- kanntlich nach einem Fussmaass gebaut, welches zur königlichen Elle sehr nahe wie 3:5 sich verhält^"), und mit hinlänglicher Sicherheit auf 0,31G m anzu- setzen ist*"). Aus dem Mittelbetrag der Säuleu- durchmesser geht hervor, dass G samische Fuss gleich 3y, königlichen Ellen gerechnet worden sind. Dieses Yerhältniss liat nun in den Hauptdimen- sionen dabin seinen Ausdruck gefunden, dass die Breite des Tempels zu 160 Fuss, die Länge zu 50 Klaftern der königlichen Elle geplant wurde. Daraus leitet sich ferner mit grosser Wahrschein- lichkeit das Verhältniss 29:60 zwischen Breite und Länge ab, und die IGO Fuss reducireu sich auf 24'/,, Klafter. Weiter folgt daraus, dass auf die Klafter G'7,9 samische Fuss kamen, ein Verhält- niss, das offenbar in dieser Form niemals Aus- druck gefunden hat, sondern in die oben ange- führte Gleichung von G samischen Fuss mit 37, königl. Ellen umgesetzt worden ist. Deshalb haben wir auch in der oben aufgeführten Uebersicht der Fuss- maasse nicht den samischen Fuss selbst, wie er am Heraion sicii zeigt, sondern ein Correlat desselben eingesetzt, welches die Mitte zwischen dem grösse- ren olympischen und dem attischen Fusse hält, aber

-*) H. Wittich wies in Jahrg. XV dieser Zeitschrift diesen Fuss am Heraion nach und bestimmte ihn zu 0,31565 m, wofür er später abgerundet 3173 Centinieter (XXIX S. 37) und zuletzt 0,317 m setzte (XXIX S. 107).

-') Aus dem mittleren Säulendurchmesser von 1,8938 m leitet sich ab ein Fuss von 0,3156 m, aus der nur abgeschätzten Breite des Tempels ein Fuss von 0,3162 m, ans dem Abstand der Säu- lenaxen ein Fuss von 0,3167 m; mithin sind 0,316 m ein wahr- scheinlicher Durchschnittswerth.

13*

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G. Treu, Werke des Skopas.

auch in dieser Gestalt ziemlicb auÖ'iillig zwischen die übrigen Jlaasse sich einschiebt.

Die eigenthüniliche Stellung des samischen Fusses geht ausserdem auch noch aus der anderweit fest- gestellten Gleichung hervor, wonach 10 samische, d. i. gemeingriechische Fuss 6 königlichen Ellen entsprechen "). Die Lüsung aller der Fragen, wel- che hieran sich knüpfen, kann nur aus dem Ge- sichtspunkte der Wegmaasse entwickelt werden, würde also dem Zwecke dieser Zeilen, die es le- diglich mit architektonischen Maassen zu thun haben, fern liegen.

2») Vergl. Fleckeisens Jahrb. 1867 S. SlSfF.

Im allgemeinen darf als Norm angenommen werden, dass alle noch so verschiedenen architek- tonischen Maassstäbe (deren Zahl durch weitere Untersuchungen vermuthlich sich noch vermehren wird) aus der Klafter der königlichen Elle abzu- leiten sind, und ferner dass aus dieser grossen Vielheit von Maassen nur diejenigen zu weiterer Verbreitung gelangt sind, welche zugleich als Wegmaasse verwendet wurden^').

Dresden. Fr. Hultsch.

^') Anlimgend den rümischen Fuss finden sich einige An- deutungen in Jahrg. XXXVII dieser Zeitschr. S. 178 f.

WERKE DES SKOPAS

im Museum zu Piali (Tegea).

Milchhöfer führt in seinem Verzeichniss tegea- tischer Skulpturen unter anderem folgende Marmor- werke auf (Mitth. d. Deutschen Arch. Inst, in Athen IV, S. 13.3 f.) :

'24. Kopf eines Kriegers. Piali, bei Joann Kozaridis. Dem Profildurchschnitt nach in zwei Hälften gespalten, wovon die eine über der Hausthür eingemauert ist. H. 0,25. Unter- kiefer und Nase fehlen. Auf dem Kopf ein runder Helm, mit geschweiftem Visir. Das Auge liegt tief und blickt (schmerz- lich?) nach oben. Der Augenknochen darüber ist stark ent- wickelt. Das Haar ist zurückgestrichen; das Gesicht unbärtig. Arbeit nicht vor alexandrinischer Zeit.'

'25. Jugendlicher Aihle tenkopf. Ebenda. H. 0,20. Ein Stück des Schädels fehlt. Der Kopf ist nach links geneigt; der Hals ist ausserordentlich stark entwickelt (heraklesartig). Nase und Mund bestossen. Augen tiefliegend. Die niedrige Stirn tritt mit dem unteren Theile hervor. Die Ohren sind klein. Xicht bedeutende und etwas übertriebene Replik eines bekannten Typus.'

'26. Stierkopf. Ebenda. Schnauze fehlt. Die Haare sind büschelartig und mit besonderer Sorgfalt gearbeitet. Die sehr lebendig gebildeten Augen liegen tief unter den gewölbten Augenknochen. Arbeit aus guter Zeit.'

Dieser'Stierkopf" ist nichts geringeres als ein Rest vom Haupte des kalydonischen Ebers aus dem Ostgiebel des Athenatcnipels zu Tegea, und die beiden übrigen, von Milchhöfer beschriebenen Köpfe stammen meines Erachtens ebenfalls unzweifelhaft von den Giebelgruppen des Skopas her. Alle drei

Stücke befinden sieh jetzt im Museum der Dimarchie zu Piali, mit Ausnahme des eingemauerten Gesichts- theiles von 24.

Auf den Eberkopf aufmerksam geworden zu sein , verdanke ich einer mündlichen Aeusserung Dörpfelds, der ihn mit Adler zusammen in Piali gesehen hatte. Beide Herren hatten den Kopf so- gleich richtig erkannt, ohne damals übrigens von der abweichenden Deutung Milchliöfers Kunde zu haben und ohne dem Fragmente ihre Aufmerksam- keit näher zuwenden zu können. War doch ihre Zeit vollständig von den architektonischen Eesteu in Anspruch genommen, deren Untersuchung auch sie zu der bestimmten Ueberzeugung führte, dass der Tempel der Athena Alea von Milchhöfer in der That gefunden sei.

Audi von dem Jünglingskopfe No. 25 hatte ich bereits in Olympia gehört und zwar durch Kavadias, der Milchhöfer nach Tegea als Ephoros der grie- chischen Ilegierung begleitet hatte. Auf meine Frage, ob denn in Piali nichts von den Giebeln des Skopas vorhanden sei, hatte er auf jenen Kopf als vielleicht hineingehörig hingewiesen und sich auf den Stil und die Abmeisselung des Schädels

G. Treu, Werke des Skopas.

99

berufen. Den Eberkopf hatte avxeh er für ein Stier- baupt augeseben.

Diese Nacbriebten veranlassten mich, auf meiner Rückreise aus Olympia das Museum von Piali nach Resten der skopasiscben Giebelgruppen zu durch- forschen, mit der Absicht, die Abformung der wich- tigsten Stücke durch den Gypsgiesser Kaludis zu bewirken, der sich in unserer Begleitung befand. Diese letztere Absicht scheiterte leider an dem Widerstand des Dimarchen. Alle Vorstellungen, dass eine Abformung der betreffenden Stücke dem Plane einer Wiederaufnahme der Ausgrabungen und daher auch dem Wohlstande des Dorfes nur förder- lich sein könnte, waren vergeblich und haben uur den Erfolg gehabt, die mir für das Studium des Museums ohnehin schon knapp zugemessene Zeit auf kaum eine Stunde zu reduciren.

Wenn ich es dennoch wage, unter so ungünstigen Umstcänden gemachte und daher so unvollständige Beobachtungen au dieser Stelle mitzutiieilen, so ge- schieht es, weil ich deren Richtigkeit dennoch ver- treten zu können glaube und es bei der Wichtig- keit der Frage für meine Pflicht halte, nach Mög- lichkeit zu einer Prüfung des Thatbestandes an Ort und Stelle aufzufordern, bis es mir gelingt Ab- güsse oder Abbildungen herbeizuschaffen.

No. 26 ist der mittlere Theil eines etwa lebens- grossen Thierkopfes (H. 30, Br. 43 Cm.). Ihm fehlen einerseits die Schnauze, andrerseits Stirn, Ohren und der grösste Theil des Halses. Wenn also auch gerade die bezeichnendsten Theile abge- brochen sind, so ist doch auch in dieser Verstüm- melung noch der Eber an folgenden Merkmalen sicher zu erkennen: erstens an der vollständigen und dichten, borstenartigen Behaarung von Hals, Kinnladen, Wangen, Stirn, Nase, kurz des ganzen Kopfes; ferner an der durch die Hauer veranlassten Emporziehung der Oberlefze, deren Ansatz noch deutlich erkennbar geblieben ist, obgleich die ganze Spitze der Sciinauze mitsamt den Hauern selbst fehlt. Endlich verräth sich der Eberkopf in der wagerechten Linie, welche die Kinnladen mit dem Halsansatz bilden: bei einem Stiere müsste zwischen beiden, bei der gewöhnliehen Kopfhaltung wenig-

stens, ein einspringender Winkel entstehen. Augen und Augenknochen dagegen sind für einen Eber- kopf allerdings etwas zu gross und kräftig; aber dieser in den Eberdarstellungen der griechischen Kunst häufiger vorkommende Verstoss gegen die Natur, welcher die Verwechselung mit einem Stier- kopf veranlasst haben mag, ist zwar in der Ober- ansicht der Stirnpartien sehr merklich, beeinträch- tigt jedoch das Profil des Eberkopfes viel weniger. Dass dieser in der That für die Ansicht von der linken Seite her gearbeitet war, beweisen zwei Dubellöcher mit Bleiverguss an der rechten Seite des Maules. Ich nehme an, dass dieselben zur Be- festigung des Ebers vor einer Wand gedient haben und denke dabei mit Adler und Dörpfeld an den Giebel des Atheuatempels mit der kalydonischen Jagd.

Grösse und Stil stimmen zu dieser Annahme vortrefflich. Die Dimensionen des Thieres werden die des bekannten florentinischen Ebers noch über- troffen haben. Die Arbeit weist, mit diesem ver- glichen, auf eine frühere, weniger naturalistisch ge- stimmte Zeit. Sie trägt deutlich einen freien und geistreichen, aber auch durchaus dekorativen Cha- rakter, wie dies grade bei einer Giebelgruppe sehr begreiflich ist. Wie Milchhöfer die Haare als mit besonderer Sorgfalt gearbeitet bezeichnen konnte, versteht man nur, wenn man sich dessen erinnert, dass er an einen Stierkopf dachte: denn dann aller- dings wäre die Sorgfalt soweit getrieben, selbst dort gesonderte Haarpartieen zu bilden, wo in der Natur lediglich glattes Fell zu sehen ist.

Entschieden wird die Frage der Zugehörigkeit vollends durcli den Umstand, dass der Eberkopf sich noch jetzt mit zwei anderen, von demselben Tempel stammenden Giebelköpfen zusammen in dem Besitz eines Bauern von Piali befindet, dessen Grund- stück vor der Südostecke des Atheuatempels gelegen ist, also ganz nahe von der Tempelfront, die Skopas mit der Darstellung der kalydonischen Jagd schmückte. Dass der Besitzer alle drei Stücke auch auf seinem Grundstücke ausgegraben haben werde, ist allerdings nur eine Annahme, aber, wie man zugeben wird, eine sehr wahrscheinliche. Uud

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G. Treu, Weike des Skopas.

selbst wenn sie sich als irrig erweisen sollte, so bliebe doch immer sicher, dass der Eberkopf in oder bei Piali, also in dem Tempelgebiet der Atheua, und zwar zusammen mit anderen Giebelköpfen zum Vorschein gekommen ist.

Jene beiden lebensgrossen Jünglingskopfe (siehe oben No. 24 und 25) zeigen ungefähr den Typus, den wir bisher der alexandriuischen Epoche zuzu- weisen gewohnt waren. Mit ihrem tief liegenden, schmerzlich aufblickenden Augen, der vorgebauten Uuterstirn , dem markirten Muskelspiele sehen sie etwa aus, wie in Form und Ausdruck gesteigerte, pathetischer gestimmte Niobideuköpfe. Sie gleichen hierin völlig den Köpfen vom Mausoleumsfriese; ja selbst die Helmform von 24 kehrt dort genau so wieder (z. B. Newton Discoveries Taf. 10, oben = Overbeck Plastik IP Fig. 86, m).

Von Seiten des Stiles und der Grösse steht einer Zuweisung dieser Köpfe zu den Skopasgiebeln also wol nichts im Wege. Entschieden wird die Sache aber durch den Umstand, dass sie nur an einer Seite völlig ausgearbeitet sind. Die rechte Kopfseite ist nämlich bei beiden nur aus dem Hohen gehauen, und bei 25 ist sogar noch ein Theil des Schädels in der Scheitelgegend in gerader Fläche abgespitzt, offenbar um ihn leichter unter der ein- engenden Giebelsima unterbringen zu können.

Wie dies alles Milchhöfer hat entgehen können, ist mir völlig räthselbaft. Von der auffallenden Vernachlässigung der einen Seite au jenen Köpfen redet sein Bericht mit keinem Worte. Und auch über jene Abmeisselung des Scheitels hat er sich mindestens undeutlich ausgesprochen. Dass dem 'Athletenkopf' Xo. 25 'ein Stück des Schädels fehle' konnte leicht dahin verstanden werden, dass

dieser Theil bloss abgebrochen sei. Dass er end- lich in dem einen dieser Köpfe die 'nicht bedeu- tende und etwas übertriebene Replik eines be- kannten Typus' sah, mag auf Rechnung des üblen Zustandes kommen, in dem sich der Kopf befindet. Dass uns aber aus den erhaltenen Theilen des behelmten Jünglingskopfes Art und Kunst eines ganz grossen Meisters entgegenleuchten, wird wol auch er zugeben.

Zu alledem gesellt sich ein äusseres Kriterium der Zugehörigkeit aller dieser Stücke zum Tempel der Atheua Alea, das Milchhöfer ebenfalls entgangen ist: sie sind sämmtlich aus demselben Marmor von Dolianä gemeisselt, aus dem nach Milchhöfers und Siegels Beobachtungen der ganze Tempel ge- baut war (s. Mittiieilungen IV S. 135 Anm.). Wenn ersterer daher (ebenda V. S. GS), von einem neuer- dings bei der Paleo-Episkopi gefundenen Arme, 'dem einzigen unter den ihm bekannt gewordenen antiken Resten, welcher sich mit einiger Wahr- scheinlichkeit den Giebelgruppen zutheileu Hesse', behauptet, er sei aus parischem Stein, so wage ich hieran Zweifel zu äussern, obgleich ich es leider versäumt habe i!m auf sein Material hin zu unter- suchen. Auch mir schien der Arm übrigens sicher zum Giebel zu gehören und zwar nicht nur wegen der Uebereinstimmung seiner Arbeit mit jenen Köpfen, sondern auch weil an der einen Seite desselben die ßaspelstriche stehen geblieben sind.

Nach allem diesem scheint es mir unzweifelhaft, dass in Piali Reste der Giebelgruppen des Skopas vorhanden und noch zu finden sind. Möge hier der Spaten bald wieder angesetzt werden, um auch diese kostbaren Schätze zu heben.

Berlin, Juli 1880. Georg Tkeu.

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MISCELLEN.

ÜBER DIE STATUEN AUS AEGION.

In den „Mittheilungen des Deutsehen Archäolo- gischen Instituts in Athen" III S. 95—103 veröifent- licht Körte zwei Statuen aus Aegion: Hermes und eine weibliche Porträtstatue. Während er nun zu der ersteren eine ganze Reihe von Analogien (B—G und a Ä) aufzählt und sogar die schon von Conze (Reise auf den Inseln des thrak. Meeres S. 19) her- beigezogene Dresdener Statue (Augusteum T. 54) erwähnt, die dem vorliegenden Typus doch ziem- lich ferne steht, zieht er für die weibliche Gewand- figur nur drei verwandte Bildwerke herbei, von denen überdies das zweite ein Relief, das dritte, eine Statue „mehr abweichend im Motiv" ist. Sehr auifallend ist es, in dieser Reihe nicht der berühm- ten Dresdener Statue zu begegnen (Augusteum T. 23, 24. Hettner Catal. no. 162), die bekannt ist unter dem Namen des Mädchens aus Herculaneum. Die Aehnlichkeit beider Statuen ist vom Wirbel bis zur Zehe eine geradezu frappante, die Höhe der Dres- denerbeträgt 1,70, die der Statue aus Aegion l,G9m., die Haartracht, das Gewandmotiv, die Haltung der Arme, die Stellung der Beine, alles ist über- raschend ähnlich, nur sind bei der Dresdener Statue die Zehenspitzen des linken Fusses unter dem Ge- wand verborgen, der rechte Fuss ist also weniger •weit zurückgesetzt als bei der anderen, eine Eigen-

thümlichkeit, die sie mit der von K. zuerst genann- ten Statue von Andros gemein hat. K. versetzt beide Statuen in die römische Kaiserzeit. Das Ge- wandmotiv des herculanischen Mädchens stimmt je- doch nach Hettner a. a. 0. „ganz mit einer aus Theben stammenden Terrakotta {Elgin Marlies II p. 122) überein, deren Entstehung entschieden vor die Kaiserzeit gesetzt werden muss, und ebenso mit Terrakotten aus Tanagra." Körte selbst giebt, hin- sichtlich der Verwendung der beiden Statuen aus Aegion als Grab schmuck, zu, dass derartige Grab- anlagen mit Hermes- und Porträtstatuen schon im zweiten, ja vielleicht dritten vorchristlichen Jahr- hundert sich finden konnten. Einzig die von K. behauptete Verwandtschaft des Hermes mit den Werken der Pasitelischen Schule würde demnach zu einer Versetzung in den Anfang der Kaiserzeit nöthigen; jedoch ist diese Verwandtschaft nicht nachgewiesen und aus der Abbildung nicht zu er- kennen. Jedenfalls aber darf in der Reihe der Analogien zu der weiblichen Gewandfigur aus Aegion die Dresdener Statue no. 162 nicht fehlen, und auf diese aufmerksam zu machen, ist der Zweck dieser Zeilen.

Ueidenheim, Ende Mai 1880.

Paul Weizsäcker.

NIKE UND LINOS.

Einige Besonderheiten in dem vielbesprochenen Bilde der angeblich aus Nola stammenden r. f Le- kythos n. 855 des Berliner Museums (Arch. Ztg. 1848 Taf. 21, 1), auf welche mich C. Robert zuerst aufmerksam machte namentlich die eigenthümliche Form der Flügel der Nike, deren Federn sämmtlich

von fast gleicher Länge sind und die von den Vasenbildern dieses Stils abweichende Bildung der Locken des als Linos bezeichneten Jünglings veranlassten mich während meiner Thätigkeit am Antiquarium des kgl. Museums im Sommer vorigen Jahres eine genaue Prüfung des Gefässes vorzu-

102

G. Löschcke, Catagusa.

nehmen. Auf Wunsch der Redaction dieser Zeitung theile ich hier kurz das Resultat derselben mit, •welches die maunigfachen an dieses Vasenbild ge- knüpften Erörterungen ') in unerwarteter Weise er- ledigt. Verdacht erweckend erschien schon die ganze Technik des Gefässes, dessen Firniss auf- fallend stumpf ist, während die Linien der Zeich- nung nicht, wie bei allen ächten Vasen, erhaben hervortreten. Geliudes Waschen mit Spiritus ge- nügte , um diesen Verdacht zur Gewissheit zu bringen. Weder irgend ein Theil der Zeichnung noch die Inschriften widerstanden diesem Ver- fahren, durch welches bekanntlich ächte Vasenzeich- nungen in keiner Weise angegriffen werden. Von dem ganzen Gefäss scheint nur das Schulterstück

') Gerhard Berlin's antike Bildwerke, Vasensammlung no. 855; Arch. Ztg. 1848 S. 321; O. Jahn, Arch. Beiträge S. 97 6".; Friederichs Arch. Ztg. 1865 S. 80; Knapp ebenda 1876 S. 124.

antik zu sein: an diesem ist der Thon viel härter als an den übrigen Theilen und die Linien des Palmettenornamentes zeigen jene charakteristische Erhabenheit.

Aus dem Kreise der Vasen, welche Nike einen Jüngling verfolgend zeigen, ist die unsrige also zu streichen und damit fallen die auf die letztere begründeten Erklärungen jenes Darstellungskreises. Der von Nike verfolgte Jüngling wird vielmehr, wie ich schon Arch. Zeitg. 1878 S. 112 ausgeführt, einfach als siegreich und zwar der Leier wegen, die er in der Hand hält, als siegreich in den mu- sischen Künsten aufzufassen sein. Uebrigens ist unsre Vase nicht die einzige gefälschte unter den aus der von Koller'schen Sammlung stammenden des Antiquariums, und verhältnissmässig viele der- selben sind mehr oder weniger stark interpolirt.

Göttingen. G. Körte.

DIE CATAGUSA DES PRAXITELES.

Auch Overbeck's') Erklärung der vielumdeuteten catagusa als eine Darstellung der Anodos der Kora bietet kaum die endgiltige Lösung. Oder ist es wirklich wahrscheinlich, dass man eine Gruppe wie Overbeck sie voraussetzt: „Hekate die aufsteigende Kora der Demeter zuführend" kurzweg als xarä- yovaa benannt hätte, also nach einer Nebenfigur? Vielmehr führt einzig, so viel ich sehe, ein Weg zum Ziel, auf den Förster ') hingewiesen hat, freilich ohne ihn selbst einzuschlagen. Er erinnert daran, dass in den Worten des Plinius (Praxiteles) fecii Proser- pinae raptum, item catagusam keinerlei Nöthigung liegt, um innere Beziehung der beiden Werke auf

') Kunstmjthologie HI 433 ff. ') Raub der l'ersephone 105.

einander anzunehmen. Damit tritt die xaxäyovaa des Praxiteles aber völlig in eine Reihe mit der ipeXiovj^isvT] und wahrscheinlich auch der axeqxivovaa desselben Künstlers und erklärt sich ungesucht als Votiv- oder Porträtstatue eines spinnenden Mäd- chens. In wie weit die schöne Bronzestatue einer Spinnerin in München^) und die Marmorcopie des- selben Originals, die sich einst bei Depoletti in Rom befand ^), praxitelischen Charakter im Einzelnen be- wahrt haben, vermag ich hier nicht zu entscheiden.

Dorpat. G. Loeschcke.

'J Brunn, Beschreibung der Glyptothek 314. Museo Chiara- monti II tav. A.

■•) Kunstblatt 1838 S. 350.

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BERICHTE.

ERWERBUNGEN DES BRITISCHEN MUSEUMS IM JAHRE 1879. Aiiszue; aus C. T. Newton's Bericht an das Parlament.

Marmor. Fragment vom Friese des Mausso- leums: Obertbeil einer mit ihrer Streitaxt vorwärts stürmenden Amazone (abgeb. Newton Travels and discoveries I pl. 1 p. 44). Geschenk des Sultans; vormals im kaiserl. Museum zu Constautinopel. Unter den 1856 zu Budrum ausgegrabenen Resten ist das Fragment eines linken Schenkels, das zu der neu erworbeneu Figur gehört. Kopf des Eu- ripides von wunderbarer Erhaltung; auch die Nase ist vollständig. Kopf von einer Statue des jugendl. Dionysos, veröflentlicht von Robert Annali d. Inst. 1875 tav. C. Spuren rother Farbe im Haar, das einen Epheukranz trug. Kopf des Apollo, trotz der Verstümmelung der Züge von besonderem In- teresse durch seine Aehnlichkeit mit dem Apollo Pourtales. Abg. Monumenli d. Inst. X t. 19 und Otfr. Müller, Mittheilungen aus Griechenl. T. 4 rf. Mäuul. Kopf, bartlos, mit Flügelhelm also wahr- scheinl. Perseus. Aeusserst verrieben, aber sehr edel. Weibl. Kopf, Exemplar eines in mehreren Repliken bekannten für Sappho erklärten Typus, dessen Original wahrscheinlich aus der besten Zeit attischer Kunst stammt. Die Nase ist ergänzt. Kleiner Kopf des Eros von schöner Arbeit und sehr guter Erhaltung. Vermuthlich zu einer Statue des Bogenspauners wie Grieeh.-röm. Galerie uo. 145 ge- hörig. — Kopf Alexanders des Grossen, der Hals auf die eine Seite gebeugt. Er ist in der Auffassung gänzlich verschieden von dem schon im Museum befindlichen Alexauderkopfe und mit viel grösserem Raffinement gearbeitet, vernmthlich die Copie einer berühmten Bronze aus der Zeit des Lysipp. Schöner Kopf des Augustus in mittleren Jahren, ohne Nase; charakteristischer halber Kopf des Tiberius; Kopf des Trajau; 4 weibl. Porträtköpfe u. A.

Bronzen. Votivhand, einen Tannenzapfen hal- tend; auf der Rückseite eine Schildkröte und eine Eidechse, auf der Handfläche ein Täfelchen, auf dem Gelenk, um welches sich eine Schlange windet, steht die griech. Weihinschrift an den Gott Saba- zios (Archäolog. Ztg. 1854 S. 440, 0. Jahn Be-

Archiiolüij. Zv^., Jahrgang- XXXVlll.

richte der Sachs. Gesellsch. d. W. 1855 S. 102. Vgl. Dilthey Archäolog. epigr. Mittheilungen aus Oesterr. 1878 S. 57). Komischer Schauspieler auf einem Altar sitzend. Gefunden zu Migalo Castro in Kreta. Wie das vorige Stück aus der Sammlung des Lord Londesborough. Kleiner weibl. Kopf, mit Lorber bekränzt. Gef. 1874 zu Apt, Vaucluse. Lebens- grosser r. Arm, welcher die r. Hand einer zweiten Figur fasst. Von einem Taucher in der See bei der Stadt Rhodus gefunden. Statuette des Apollo, von sehr schöner Erhaltung, doch fehlen die Arme. Angebl. aus Thessalien.

Inschriften. Griechisch: Langes Fragment enthaltend eine Liste von Beitragenden, wahrscheinl. zu einem öö'entlichen Darlehen. Aus Rhodus. Inschrift aus Cerigo. Vierzeilige Steinschrift enthaltend einen Theil von der Datirung und dem Praescript des Decretes eines parthischen Königs aus der Dynastie der Arsaciden. Aus Babylon. Lateinisch: Bronzeschale mit flachem zum Auf- hängen durchbohrtem Rand und der Inschrift

QCARMINIVS OPTATVS LARIBVS

Gefunden bei Mailand, früher in der Sammlung Biondelli. Drei Augenarztstempel: Grotefend no. 38. 56. 57.

Terracotten. Statuette einer sitzenden Göttin, wahrscheinlich Artemis, ein Rehkälbchen haltend. Ganymed einen Hahn, Frau eine Gans haltend. Beide aus Kleinasien. Ciste in der Form eines Todtenbettes, auf welchem eine weibl. Figur aus- gestellt ist. In demselben archaischen Stil wie die 1873 von Castellani gekaufte Ciste mit den beiden lagernden Figuren desselben Fundortes Cervetri. Aus Tanagra: Bekleidete Frau in reizender Hal- tung; Frau in Chiton und Mantel; eine stehende und zwei kleine sitzende Figuren, wahrscheinlich alter- thümliche in Böotien verehrte Gottheiten darstellend; Silen eine Scheibe haltend; Silen mit dem Kinde Dionysos auf der Schulter; Amme ein Kind nährend.

14

104

Sitzungsberichte.

Geschnittene Steine und Goldschmuck. Gediegenes Armband 1862 in Pompei gefunden. Ring mit gesehn. Sarder: Krieger einen Helm hal- tend; ein andrer mit Jasper: Hermes mit Geldbeutel; Armband-Fragment von Bracteatengold mit Jasper:

Fortuna; Ohring mit Onyx: Stier. Diese 4 Stücke mit noch 8 andern erworbenen Schmuckgegenstän- den von Gold stammen aus einem Grabe zu Tor- tosa in Phönicien und waren früher in der Samm- lung des Prinzen Napoleon Bonaparte.

M. F.

SITZUNGSBERICHTE.

Festsitzung des archäologischen Instituts in Rom, 23. April 1880.

Den Tag der Palilien feierte das Institut dies- mal in Gegenwart Ihrer Kaiserl. Hoheit der Frau Kronprinzessin Victoria. Die Secretäre und Stipen- diaten desselben empfingen die hohe Frau am Ein- gange des Hauses und geleiteten dieselbe in den mit frischem Grün geschmückten Sitzungssaal. Herr Prof. Henzen hielt dann eine kurze Ansprache, worin er die Bedeutung des Tages hervorhob und die Anwesenheit Ihrer Kaiserl. Hoheit als ein neues Zeugniss der wohlwollenden Theilnahme des Kaiser- lichen Hauses begrüsste.

Derselbe eröffnete darauf die Reihe der Vorträge mit der Erklärung einer Inschrift, welche kürzlich auf dem römischen Forum, nahe dem Bogen des S. Severus, blossgelegt worden. Sie findet sich auf einem Marmorblock, welcher augenscheinlich einst als Basis einer Reiterstatue diente und wurde zu Ehren der Truppen, welche im J. 405 u. Chr. unter Führung des Stilicho das Heer des Radagais bei Fiesole vernichteten, vom römischen Senat und Volk durch Vermittlung des Stadtpräfecteu Pisidius Ro- mulus errichtet. Der Vortragende verbreitete sich in kurzen Worten über die Lage des Römischen Reiches seit dem Tode des grossen Theodosius und besprach namentlich die Inschriften, welche sich auf die politischen und kriegerischen Begebenheiten jener Zeiten beziehen, so die Ehrenbasen des Sti- licho, gesetzt die eine nach der Ueberwindung des Gildo, die andere gleichzeitig mit der neuen In- schrift; die Inschriften, welche die Ausbesserung der Mauern, ThUrme und Thore Roms zur Zeit des ersten Einfalls des Alarich verherrliciien; diejenige des Triumplibogeus der Kaiser Arcadius, Honorius und Theodosius des Jüngeren, und erläuterte die- selben mit Hülfe der Gedichte des Claudian. Der Name des siegreiclien Feldherrn, welcher nach sei- ner Verurtlieilung und Hinrichtung sowohl auf sei- nen Ebrenbasen , wie auf der Mehrzahl der In-

schriften der Stadtthore zerstört wurde, ist auch auf dem neuen Monumente sorgfältig ausgemeisselt.

Hierauf ergriff Herr Prof. Lumbroso das Wort über die Stellung Alexandriens in der alten Welt. Er sprach von seinem Einfluss auf Bildung und Cultur der Kaiserzeit und beleuchtete die Politik Alexandriens gegenüber den Eingeborenen, seine beständige Absonderung von Aegypten, welche noch nach Jahrhunderten die Verschiedenheit der beiden Nationen kenntlich gelassen habe.

Schliesslich handelte Herr Prof. Hei big über den Gebrauch des Pileus in dem alten Italien. Der Pileus wurde vom freien Römer getragen und dem Sclaven bei seiner Freilassung aufgesetzt. Er war also das Symbol der Freiheit, womit stimmt, dass er bei mehreren uralten Priesterschaften, wie den Flamines, Pontifices und Saliern, gebräuchlich war. Besonders bezeichnend dabei ist, dass es dem Flamen Dialis verboten war, denselben abzunehmen. Wenn aber die Argei tutulati, d. h. mit einem tutuliis, einer Art des Pileus versehen waren, so beweist das, dass diese Kopfbedeckung dereinst als ein characteristischer Bestandtheil der römischen Tracht galt. Der Gebrauch den Pileus bei den Saturnalien zu tragen, ist offenbar ein Ueberrest aus jener Epoche. Die gleiche Bedeutung hatte der Pileus im alten Etrurien. Die Wandmalerei eines sehr alten cornetaner Grabes (sog. grotta del morto) stellt einen Todten, der auf dem Pa- radebette liegt, mit dem Pileus dar. Denselben tragen in einem andern gleichzeitigen Grab (sog. grolta delle iscri:,ioni) etruskische Larse, welche an der Leichenfeier theiluehmen. Ebenso sind auf etrurischen Monumenten Personen, welche Beziehung zum Cultus haben, Priester, Festordner, Flötenspie- ler, mit dem Pileus dargestellt. Gilt es, die ur- sprünglichen Typen der Kopfbedeckung der römi- schen Priester zu veranschaulichen, so sind in erster

Sitzungsberichte.

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Linie die etruriscben Denkmäler zu beachten, da sie der Zeit, in welcher die betreffenden Ornate festgestellt wurden, näher stehen, als die bisweilen coufusen Angaben der Schriftsteller und die Abbil- dungen der spätrömischen Monumente. Der Vor- tragende zeigte, dass sich von der ursprlinglichen Tracht der Flamines und der Flamiuica eine deut- liche Vorstellung aus den ältesten cornetaner Wand- malereien gewinnen lässt. Zum Schluss untersuchte derselbe, woher der mit der Binde umwundene steife Pileus und die entsprechende Haube nach Italien gelangte. Er wies nach, dass die Kopftracht des jüdischen Hohenpriesters und die Tiara des Perser- köuigs auf der gleichen Combination beruhen. Die- selbe Tracht kommt auch auf phonicischen Denk- mälern vor, und ihren Uebergang nach Griechenland bezeugt die Schilderung, welche die Hias XXII, 468 fl'. von dem Kopfschmuck der Andromache ent- wirft. Da jedoch diese Kopfbedeckung in Griechen- land nur bei Frauen, nicht auch bei Männern nach- weisbar ist, in Italien dagegen beiden Geschlechtern eignete, so ist es fraglich, ob dieselbe durch helle- nische Vermittlung in den Westen eingeführt wor-

den ist. Vielleicht erfolgte ihre Verbreitung daselbst durch den Handel der Karthager, bei denen wir, wie bei ihren östlichen StammbrUdern, diese Tracht für beide Geschlechter voraussetzen dürfen.

Der Vortragende knüpfte hieran eine Danksagung an Herrn Alexander Castellani, welcher eine inter- essante Serie von Goldarbeiten verschiedener Zeiten aus seiner Sammlung ausgestellt hatte.

Die Frau Kronprinzessin nahm nach der Sitzung auch die Bibliothek Italischer Muuieipalgeschichten, welche dem Institut von Herrn von Platner bei Gele- genheit der Jubiläumsfeier geschenkt war, in Augen- schein.

Der Sitzung wohnten die Herren der Kaiserl. Botschaft mit Ausnahme des durch Unpässlichkeit verhinderten Botschafters, der Königl. dänische Ge- sandte, der Director der französischen Schule Herr Geffroy bei, von Einheimischen die Herren de Rossi und Fiorelli, die als Ehrenmitglieder der Direction am Directionstische Platz genommen hatten, Graf Mamiani und zahlreiche andere Gelehrte, ebenso viele Fremde.

Archäologische Gesellschaft in Berlin.

Sitzung vom 4. Mai 1880. Der stellver- tretende Vorsitzende Herr Schöne legte eine Reihe neuer literarischer Erscheinungen vor: Blümner's zweite sehr erweiterte Bearbeitung von Lessing's Laokoon; R. Förster, Farnesinastudien; P. Leh- feldt. Die Holzbaukunst; Forchhammer, Mykenä und der Ursprung der mykeuischen Funde; Sta- tistisches Handbuch für Kunst und Kunstge- werbe 1880. Herr Dr. Furtwängler legte seine Abhandlung „Die Bronzefunde von Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung" (aus den Abhandl. der Königl. Akad. der Wissenschaften 1879) vor. Herr Dobbert bericlitete über Be- obachtungen, die er an den Abgüssen zweier zum Westgiebel des Parthenon gehörender Pferde- köpfe gemacht. Nachdem Herr Professor Overbeck im Sommer 1879 dem Vortragenden im britischen Museum die schöne Entdeckung mitgetheilt, dass das rechte Pferdehinterbein vom Westgiebel an der Rückseite abgeplattet gewesen, um an die Wand gelehnt zu werden, also zu einem Pferde gehörte, das in der rechten Giebelhälfte zwischen Amphitrite

und Poseidon gestanden habe, untersuchte er die ihm von Herrn Overbeck gezeigten in demselben Museum befindlichen Abgüsse zweier Pferdekopf- fragmente, ebenfalls vom Westgiebel, darauf hin, ob sie nicht auch zur rechten Giebelhälfte gehörten. Lässt sich diese Zugehörigkeit beweisen, so er- giebt sich endgültig das IrrthUmliche der bekannten Annahme Stephani's von nur einem Pferde neben Poseidon. Der Vortragende fand nun, dass der eine Kopf an der rechten Seite eine ganz ähn- liche Abplattung behufs Anlehnung an eine Wand zeige, wie das Bein, woraus er schloss, dass der Kopf nach linkshin gewendet war, also zur rechten Giebelhälfte gehörte; an der linken Seite des andern Pferdekopfes fiel dem Vortragen- den die starke Betonung der kleinen Falten am Kinnbacken auf, wie sich solche an der rechten Seite des äusseren Pferdekopfes vom Gespanne des Helios am Ostgiebel finden: daraus zog er den Schluss, dass jener zweite Kopf eine Wendung nach links mache und also dem äusseren Pferde in der rechten Hälfte des Westgiebels angehörte. Der

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Sitzungsberichte.

Vortragende habe damals seine Beobachtungen Herrn Overbeck mitgetbeilt, der ihm vollkommen Recht gegeben und seither ja auch seine eigene Entdeckung am Beine sowie die Beobachtungen Dobbert's an den beiden Köpfen, freilich ohne diesen zu nennen, in den ^Berichten der Kgl. Sachs. Gesellseh. d. Wissensch." veröffentlicht habe. Eine eingehendere Prüfung der seit Kurzem auch im Berliner Museum befindlichen Abgüsse hat dem Vortragenden noch Folgendes ergeben. Lehnt man den ersten Kopf mit der abgeplatteten Stelle an die Wand, so springt derselbe ein wenig nach links vor, was zu der auf Carrey's Zeichnung augedeu- teten Stellung des entsprechenden Kopfes der linken Giebelhälfte stimmt; auch die Neigung des Kopfes mit den steifen Ohren scheint derjenigen beim ent- sprechenden Athena-Pferde ähnlich gewesen zu sein. Die Zugehörigkeit des zweiten Kopfes zum Am- phitrite- Gespann erweist sich auch noch aus Fol- gendem: die rechte Seite des Kopfes beschreibt eine leicht convexe, die linke eine entsprechend concave Biegung; die Mäbnenlinie wendet sich nach links, wie an dem nach rechts gewendeten Kopfe des Helios-Pferdes vom Ostgiebel die entspre- chende Linie sich nach rechts neigt; das Haar der Mähne sowie des Büschels zwischen den Ohren ist nach linkshin geschwungen; der Kopf mag in ähnlichem Grade emporgehoben gewesen sein, wie (nach Carrey's Zeichnung) beim äusseren Athena- Pferde; die Ohren waren in entsprechender Weise zurückgekehrt. Herr Professor Albert Wolff habe nach eingehender Prüfung sich entschieden für die Zugehörigkeit der drei Fragmente zur rechten Gie- belhälfte ausgesprochen. Herr Wolff erkennt an der technischen Behandlung der Abplattungen des Beines und des ersten Kopfes dieselbe Künstler- hand; der zweite Kopf sei nach links gewendet. Die Maasse der Köpfe stimmen nach den Ergebnissen der Wolff'schen Messungen zu dem schon von Mi- chaelis publicirten und von Overbeck wohl mit Recht der rechten Giebelfläche zugewiesenen Pfer- dekörperfragment, wälirend Herr Wolff bezüglich der Zugehörigkeit des anderen Pferdetorso zum Wcstgiebel wegen der Kleinheit des Maassstabes Zweifel hegt. Herr Conze legte den von ihm gemeinsam mit A. Hauser und 0. Benndorf herausgegebenen zweiten Band archäologischer Untersuchungen auf Saniothrake (Wien, Ge- rold und Sohn, 1880) vor, und sprach sich dank- bar gegen die Kais, österr. Regierung aus, welche es crmögliclit liabe, dass seiner Recognoscirungs-

reise vom Jahre 1857 eine voll durchgeführte Untersuchung in den Jahren 1873 und 1875 habe folgen können. Herr Mommsen ergriff' die Ge- legenheit sich äusserst anerkennend über die Fort- schritte der antiquarischen Forschungen in Oester- reich seit den letzten Jahrzehnten zu äussern. Wenn z. B. bis vor etwa zwanzig Jahren die unmittelbar bei Wien gelegene Römerstätte von Carnuntum in mehr als billiger Vernachlässigung geblieben sei, so könne umgekehrt die jetzt darauf gewandte Thätigkeit als Muster hingestellt werden. Und so mache sich eine einsichtige Fürsorge über das ganze Reichsgebiet, namentlich von Cisleithanien, bemerk- lich, und zwar überall, an den Universitäten wie in Aquileja, Spalato unter organisatorischem Ein- greifen der Regierung, welche, wie die eben vor- gelegte Publikation zeige, der geographischen Lage des Kaiserstaates entsprechend auch Untersuchungen der Stätten hellenischer Kultur im Bereiche der österreichischen Machtsphäre als ihre Ehrenaufgabe ansähe. Herr Mommsen erwähnte den Beschluss der Berliner Akademie, die Oesterreich und den Orient umfassende Abtheilung der Sammlung der lateinischen Inschriften Herrn Otto Hirschfeld in Wien zu übertragen und sprach die Hoffnung aus, dass sowohl die Fortsetzung dieses Theiles der Sammlung dauernd an Wien geknüpft bleiben möge, als auch sonst die von Oesterreich durch eine Reihe wohlgerichteter Untersuchungen geweckten Erwar- tungen der Alterthumswisseuschaft fernerhin erfüllt werden möchten. .— Herr Conze empfahl sodann der Aufmerksamkeit die neue Auflage des kleinen Katalogs der Gipsabgüsse im Königl. Mu- seum (1880) und legte den Vortrag von Perrot, De Varl egyptien et de Varl assyrien (Paris 1880), sowie Detlefsen's dritte Abiiandlung de arte Ro- manorum antiquissima vor. Letztere behandelt die Darstellungen von Thieren, darunter vornehndich auch die der Wölfin. Herr Conze hob hervor, dass Detlefseu mit Recht keinerlei Fundnachricht für das berühmte kapitolinische Bronzeexemj)lar der Wölfin als beglaubigt ansähe und ebenso mit Recht die Möglichkeit der Identificirung dieses Exemplars mit irgend einem der in der antiken Literatur er- wähnten Exemplare in Abrede stelle. Nicht be- achtet sei bei Detlefsen der von Stevenson geführte Nachweis, dass die jetzt kapitolinisclie Wölfin im lateranensischcn Palaste schon im U. Jahrh. n. Chr. erwähnt werde, endlich habe Detlefsen von der neuerlicli erhobenen Controverse, dass die Bronze mittelalterliclie Arbeit sein könne, nicht Notiz ge-

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nommen. Herr Bode erkKärte den Nachweis der Existenz der Wölfin im Lateran scliou im i). Jahrh. als nicht wohl von Stevenson get'ülirt ansehen zu können, so dass er sich berechtigt halte, au der Annahme eines späteren mittelalterlichen Ursprungs festzuhalten, da eine Datirung in die karolingische Zeit nach dem damaligen Zustande der Kunst in Italien nicht möglieh scheine; wäre dagegen jener Beweis von Stevenson wirklich geführt, so müsse die kapitolinische Wölfin antike Arbeit sein. Herr Humann, bei seinem Eintritt durch Erheben von den Sitzen begrüsst, dankte zunächst für den ehren- vollen Empfang und erklärte dann, dass er nur in seiner Eigenschaft als praktischer Ingenieur die pergamenischen Ausgrabungen erläutern wolle. Darauf zeichnete er eine Skizze der Burg von Pergamon an die Tafel, zeigte die Attalische Be- festigung, die höher gelegene und folglich kleinere byzantinische und die noch höhere kleinste tür- kische Veste und erzählte dann, wie er vor [) Jahren die ersten Fragmente in der byzantinisclien Mauer gefunden, wie vor 2 Jahren Herr Director Conze ihn instruirt hätte, dass sie von einer Gigantoma- cliie herrühren mUssten und dass der Zeus-Altar zu suchen sei, den die Gigantomachie umgeben habe; wie darauf Leben in die Sache gekommen sei und am 8. September 1878 die von so vielem Glücke begleiteten Arbeiten begonnen hätten. Der Vortragende zeigte dann, warum der Zeus-Altar fast sicher da liegen musste, wo er gefunden wurde, erläuterte ferner die Lage des früher für die Po- lias-Kuine gehaltenen, nunmehr auch blossgelegteu Augusteums, des abgebrochenen und in eine Mauer verbauten Tempels der Julia, sowie des theil weise ausgegrabenen römischen Gymnasiums. Nachdem er dann kurz darauf hingewiesen , welche Aufga- ben noch zu erledigen, besonders welche Mauern noch nach Bruchstücken der Friese des Altars und nach Inschrift -Platten des Schlachten -Monuments abzusuchen seien, ging er speciell auf den Zeus- Altar über und skizzirte eine perspektivische Ansicht desselben, wie sie sich nach den Fragmenten er- giebt. Ein Würfel von rund 110 Fuss Länge, 100 Fuss Breite und In Fuss Höhe bildete den Unter- bau; in die eine Seite schnitt eine Treppe ein. Den Würfel umgaben unten 3 Stufen, auf welchen sich eine etwa 1 Meter hohe Platte erhob, auf dieser lag ein nur '/., Fuss dickes ablaufendes Glied, welches die Namen der Giganten trug und unmit- telbar iiierüber der 2,30 Meter liohe Fries der Gi- gantomachie, ringsum und in die Treppe hinein

gegen die Stufen sich todt laufend, in einer Ge- sammtlänge von etwa 135 Meter. Auf diesem Fries lag schützend das weit ausladende Hauptge- sims, in dessen Hohlkehle die Namen der Götter standen, und schloss den Unterbau ab. Auf der Plattform habe in der Mitte der kleine Zeus-Altar gestanden , ringsum am Rande sicli eine ionische Säulenhalle von etwa 10 Fuss Höhe hingezogen, in oder auf der wohl die vielen gefundenen Elu-en- statuen ihren Platz gehabt haben möchten. Von der Säulenhalle etwas nach Innen gerückt sei wohl der Telephos- Fries angeordnet gewesen, so dass der am Altar Opfernde von diesem zunächst um- geben war.

Sitzung vom 1. Juni 1880. Der Vorsitzende Herr Cürtius legte vor: Heibig, Capellatiira all' epoca Omerica; Martorell, Apunles Arqueotogicos; Das Kuppelgrab bei Menidi, herausg. vom Athe- nischen Institut, und sprach dann über die Resultate seiner letzten Reise nach Olympia; mit Rom beginnend erwähnte er, dass der Kopf des sog. Aristoteles im Palazzo Spada sich als gar nicht zu der Statue ge- hörig, auch aus anderem Marmor gefertigt, erweisen lasse; er berichtete hierauf über die im botanischen Garten aufgestellten bei der Villa Farnesina neu ausgegrabenen Wanddekorationen, vornehmlich über die Gemälde eines langen Saales, dessen durch Kanephoren in Felder getheilte Wände mit Land- schaften und darüber mit einem Friese geschmückt sind, der in zwölf Streifen eben so viele höchst realistische Darstellungen der vita forensis giebt, in- dem jeweils links eine Störung der öffentlichen Ruhe, rechts die gerichtliche Verhandlung darüber darge- stellt ist. Darauf legte er den die letzten Ausgra- bungen umfassenden Plan von Olympia vor und sprach namentlich über die Gebäude im Westen der Altis, wo er den ursprünglichen Sitz der Manteia von Olympia sowie die Wohnstätten der priesterlichen Be- amten nachzuweisen suchte. Herr Hauck sprach über seine Theorie der horizontalen Curvaturen, indem er mehrere gegen dieselbe erhobenen Ein- wände zu widerlegen suchte und am Poseidon- tempel zu Pästum beobachtete Thatsachen als neue Bestätigungen für dieselbe geltend machte. Seine Theorie bringt die ausschliesslich an dori- schen Tempeln beobachteten Curvaturen in Zu- sammenhang mit der durch den Ecktriglyphen-Con- flict veranlassten Verjüngung der äussersten Säulen- zwischenräume. Die ungewohnte Gesammterschei- nung, welche letztere zur Folge hatte, weckte das Bedürfniss, das gestörte perspectivische Gleicbge-

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Sitzungsberichte.

■svicbt dadurch wieder herzustelleu, dass man entsprechend der dem perspectivischeu Bewusstsein geläufigen subjectiveu Erscheinungsform mit dem verjüngenden Abfallen der Breitendimcnsioneu ein gleichzeitiges Abfallen der Hühendimeusionen nach rechts und links correspondiren Hess. Herr Mommsen legte Tafeln in Farbendruck nach Mosaiken vor, die ein Privatgrab grösster Aus- dehnung in Nordafrika schmückten ; Jagd und Land- leben bilden den Gegenstand der reichen Darstel- lungen, die nach den erklärenden Beischriften von ihm nach 350 n. Chr. datirt wurden. Herr Bor- mann legte ein im vorigen Jahr bei Regensburg gefundenes und im Besitz von Herrn Schwarzenberg in Potsdam befindliches Fragment eines s. g. Mi- litairdiploms und zugleich das besonders gut erhaltene Exemplar dieser Denkmäler vor, das der Königl. Bibliothek zu Berlin gehört. Bei dem neu gefundenen Stück fehlen mit der einen Tafel die Namen der sieben Zeugen; die Fassung der Urkunde selbst lässt sich fast vollständig herstellen. Sie ist im Jahre 153 n. Chr. für einen mit seiner Frau genannten gemeinen Soldaten der ala secutida Fla- via miliaria pia ßdelis ausgestellt, die in dem da- mals von dem Procurator Ulpius Victor verwalteten Raetien stand. Endlich sprach Herr L es sing über ein von ihm aufgefundenes Stück Zeug, das, dreifach bedruckt, den vom Adler geraubten Ganymed dar- stellt und, da es der Sassaniden-Zeit angehört, das älteste erhaltene Beispiel der erwähnten Technik ist.

Sitzung vom 6. Juli. Der Vorsitzende Herr Curtius zeigte an, dass Herr Adler sein Amt im Vorstande der Gesellschaft niedergelegt habe und trug eine schriftliche Erklärung vor, welche der- selbe Herr auf den Wunsch von Mitgliedern über einen die pergamenischen Entdeckungen behandeln- den Artikel im Berliner Tageblatt vom 5. Mai d. J. abgegeben hat. Derselbe sei vom Bauführer Lud- wig aus eigener Initiative verfasst und habe münd- liche Mittheilungen de.s Herrn Adler fahrlässig in von diesem gemissbilligter Weise verarbeitet.

Herr Curtius legte dann vor Newton, Essays 011 arl and archeology, desselben Catalog der Par- thenonsculpturen ; Barclay Head's Münzen von Ephesos; ferner die neueste Publieation des Mu- seums und der evangelischen Schule in Smyrna, wobei er besonders auf die erfolgreichen Arbeiten des Herrn Weber über Heiligtliuiii und Tumulus von Belevi (2 Stunden von Eplicsos) und die von

ihm beschriebenen Alterthümer vom Sipylon auf- merksam machte. Ferner besprach derselbe die Mittheilungen aus Athen Band V, Heft 2, wobei Milchhöfer's Abhandlung über bemalte Grabsteine den Anlass gab über attische Gräbersitte in älterer Zeit zu sprechen. Es wurden Blätter vorgelegt, welche eine sitzende Figur am Grabe zeigen, die den Todten darzustellen scheint. Herr Conze legte darauf das I.Heft des 4. Jahrgangs der ar- chäologisch-epigraphischen Mitth eilungen aus Oesterreich vor, aus dessen Inhalte sich neue Belege der kürzlich von Herrn Mommsen in der Gesellschaft anerkannten Wirksamkeit der K. K. Regierung innerhalb Oesterreichs und in dessen Nachbarländern ergäben. Namentlich verweilte der Vortragende bei dem Aufsatze des Herrn Benndorf über einen weiblichen Marmorkopf aus Tralles, der für die Zeitbestimmung der Venus von Milo und des pergamenischen weiblichen Kopfes, welcher im Abgüsse ausgestellt war, in Betracht kommt. Herr Robert besprach den Jahrgang 1879 der Monume?äi deW Instiluto und legte eine neue Zeich- nung des Achillessarkophages Borghese im Louvre (Clarac, mtis. desculpt.pl. 111) vor, dessen ursprünglich in ganz flachem Relief gehaltene Rück- seite (mit der Auslösung des Hektor) in der Re- uaissancezeit durch eine Menge moderner Zuthaten zu einem vollständigen Hochrelief umgearbeitet wurde, um, losgesägt von der Hauptseite, nunmehr ein passendes Pendant zu der letzteren zu bilden. Herr Seeck entwickelte seine Deutung der an der linken Treppen wange des pergamenischen Altars befindlichen Reliefgruppe: er erkennt hier die Re- präsentanten der vier Elemente gemeinsam gegen die Giganten vorstttrzend; Wasser und Erde seien links durch zwei Localgottheiten , das Feuer durch Hephäst , die Luft durch Iris dargestellt. In der sich hieran knüpfenden Debatte führten die Herren Conze und Schöne Gründe gegen diese Deutung an. Herr Furtwängler legte den neuen Compte rendu von Stephani und die darauf beruhende Abhandlung von Ernst Schulze über die mykenischen Alterthümer vor. Er suchte sowohl die vollkommene Haltlosigkeit der Gründe, welche beide Schriften gegen das hohe Alter der mykenischen Funde vorbringen, als die Unmöglich- keit der positiven Annahme Stephani's nachzuweisen, dass die mykenischen Gräber von Herulern im dritten Jahrh. n. Chr. angelegt worden seien.

DIE AUSGRABUNGEN VON OLYMPIA.

BERICHTE.

43.

Als ich vor zwei Jahren Olympia verliess, ge- schah es mit dem Bewusstsein, dass trotz aller An- strengungeu der grössere Theil der Arbeit uoch ausstehe, und dass es der fortdauernden Gunst und Fürsorge von Kaiser und Reich, sowie vielen Eifers aller dazu Berufenen bedürfen würde, um das Unter- nehmen glücklich zu Ende zu führen. Jetzt wieder zu gemeinsamer Thätigkeit mit meinem Freunde Curtius hierher zurückgekehrt, habe ich die Gewiss- heit gewonnen, dass es noch in dieser Arbeitsperiode möglich werden wird, die eigentlich technischen Aufgaben zu erledigen; zur letzten wissenschaft- lichen Ausbeutung, sowie zur Abwickelung aller Geschäfte wird die nochmalige Aussendung der beiden bisherigen Spezialieiter Dr. Treu und Bau- führer Dörpfeld, wenn auch nur auf kürzere Zeit, im Herbste kaum zu umgehen sein.

Von den namentlich in den letzten Wochen ge- machten Fortschritten, die der ebenso umsichtigen wie thatkräftigen Leitung verdankt worden, hebe ich in aller Kürze Folgendes hervor.

Die Altis ist vollständig freigelegt und zwar bei möglichster Sonderung der Materialien so übersicht- lich und klar, dass von einem höheren Punkte aus fast alle Bauwerke, die Tempel, die Schatzhäuser, die Hallen und Thore, ja selbst eine erhebliche Anzahl der noch am Platze gebliebenen Altäre und Basen für jeden mit der Topographie Olympias Vertrauten deutlich erkennbar sind. Aber über jenen engeren Bezirk ist das Ausgrabungsfeld nach allen Seiten schon weit hinausgewachsen.

Nach Osten hat die Freilegung des Stadion, soweit dieselbe wichtig und ohne zu grossen Kosten- aufwand möglich war, stattgefunden. Es wurden alle ursprünglichen Einrichtungen, die Ablaufs- und Zielschraukeu, die Stände für die 20 Läufer, die Wasserleitungen mit den Schöpfplätzen, der geheime Eingang u. A. wohlerhalten aufgefunden. Selbst

die Steigungswinkel der alten Erdaufschüttungen zeigten sich messbar und die sichere Gewinnung des olympischen Stadion mit ca. 192,15 m war eine besonders werthvolle Frucht dieses Verstosses nach Osten.

Im Süden ist die hoch interessante Gebäude- gruppe des Buleuterion mit dem Temenos des Zeus Horkios und eine stattliche zweischiffige korinthisch- dorische Stoa, an welcher die heilige Feststrasse entlang lief, hervorgetreten.

Noch bedeutender waren die Ergebnisse der Forscliungen vor der durch zwei Thore und eine Pforte sicher constatirten Altis-Westmauer. Hier lagen in langer Reihenfolge von S. nach N. die Unterrichts- und Uebuugsplätze für deu Wett- kanipf, von einigen kleineren theils sacralen, theils profanen Gebäuden unterbrochen. Zunächst im S. das grosse Gymnasion, das schon nach seiner ge- nerellen Planbildung und seinen Hauptdimensiouen bekannt ist; auch ist ein Theil der Nordseite be- reits freigelegt worden, während an der weiteren Blosslegung augenblicklich eifrig gearbeitet wird.

Nördlich davon, jenseits der byzantinischen Kirche, sind althellenische Grundmauern entdeckt worden, die von einer eigenartigen Gebäudegruppe herrühren. Den Kern bildet der merkwürdige tholosartige Rundbau, der einen mit vielen Stuck- lagen überzogenen Erdaltar geliefert hat (Bericht 40) Oestlicli davon, aber getrennt, ist ein kleiner Säulen- hof mit einem alterthümlich construirten Brunnen in der Ecke erkennbar, vielleicht der interessante Rest eines der vielen Beamtenhäuser. Auf einen späteren Umbau deuten die Reste eines grossen römischen Hofes östlich daneben, während andere im W. und S.W. vorhandene Mauerzüge noch der näheren Erforschung harren.

Der nächste, nördlich davon belegene Terrain- abschnitt wird augenblicklich, einerseits zur Bergung weiterer Giebelstücke des Zeustempels, die hierher

HO

Berichte aus Olympia.

versclileppt worden sind, andererseits zur Vervoll- ständigung unserer topographischen und arehitecto- nischen Erkenntnis«, durchsucht.

Noch weiter nördlich folgt die zwar einfach gestaltete, aber durch edle Verhältnisse und feine Architektlirformen ausgezeichnete Palästra. Auch dieser im Ganzen wohlerhaltene Bau gliedert sich mit Hallen und Hörsälen um einen offenen Hof wie das grosse Gymnasion, aber es fehlen ihm die äusseren Säulenhallen, die jenes auszeichnen. Da- für sind seiner Nordseite zwei andere Gebäude unmittelbar angefügt; eine nach Norden geöffnete Stoa und ein auf hohem Stufenbau erhobenes Pro- pyläon sehr monumentaler Structur, welches eine Art von Festthor für diesen Theil der Gymnasion- bauten bildete. Hier lagen parallel neben einander und nach N. in das Kladeos-Thal weit eindringend mehrere Uebungslauf bahnen, sowie die Plätze für den Sprung und den Diskuswurf. Schon ist die grosse zweischiftige Wandelhalle, welche diese Ge- sammtanlage im 0. begleitete, auf mehr als 200 m Länge festgestellt worden und hoffentlich wird es noch gelingen, das entsprechende Gegenstuck im W. jenseits des Kladeos ebenfalls nachzuweisen.

Alle diese mit dem griechischen Leben so innig verwachsenen Bauanlageu treten uns hier in einer Vollständigkeit und Deutlichkeit entgegen, wie bei dem Beginn unserer Arbeiten in keiner Weise er- hofft werden durfte.

An der Nord seile der Altis, da wo den Fuss des Kronosberges eine lange gestufte Futtermauer begrenzt, scheint uns das Schicksal die gleiche Gunst gewähren zu wollen. Schon ist es gelungen, aus den zahllosen Baustückeu, die die byzantini- schen Mauern verschlungen, aber auch gerettet ha- ben, die wichtigsten Bauglieder für zwei Schatz- häuser hervorzuziehen und, wenigstens im Bilde, zu vereinigen. Weitere Reconstructionen stehen in Aussicht, so dass auch diese werth volle Gattung antiker Denkmäler, von der bisher nur der Name bekannt war, in der Geschichte der Baukunst fortan nicht unvertreten sein wird.

Trüber sind die Aussichten für eine sichere Wiederherstellung des auch im N. , aber weiter westl. belegenen Prytaneion. Zwar ist der grössere Theil seiner Grundmauern noch erhalten, aber ein mehrmaliger und theilweis sehr durchgreifender Umbau erschwert die bau-analytische Untersuchung in hohem Maasse, so dass wir auf ungelöste Räthsel und sehwebende Fragen schon jetzt gefasst sein müssen.

Und wie mit steigendem Erfolge die Aussenan- lagen eine nach der anderen blossgelegt sind, so hat die nochmalige sorgfältige Reinigung und Unter- suchung aller erhaltenen Baureste innerhalb der Altis gleichfalls zu wichtigen nachträglichen Ent- deckungen geführt. Sie einzeln aufzuführen ist unmöglich. Es mag genügen, an das Festthor zum heiligen Bezirke des Pelops, an die Proedria, d. h. den Standplatz für die Behörden und Gesandten beim grossen Festopfer, an die beiden ca. 14 m hohen Marmorsäulen für Ptolemäus Philadelphos und Arsinoe IL, an die unscheinbaren und doch so wichtigen Reste des grossen Zeus-Altars zu erinnern.

Von den vielen Baulichkeiten, die erwähnt wer- den, fehlt noch Einzelnes, wie das Theatron und der Hippodrom, sowie die kleinen Tempel der De- meter, der Aphrodite, der Eileithyia alle ausser- halb belegen , vor Allem das ältere Festtbor im Süden, das den Hauptzugang zur Altis eröffnete. Die jetzt ertheilten Ausgrabungs-Directiven sind darauf gerichtet, auch hier mehr Licht zu ver- schaffen und das grosse gewonnene Material so weit als möglich zu vervollständigen. Nach den bisherigen Resultaten hegen wir die Hoffnung, dass auch bei diesen letzten Tastungen ein guter Erfolg nicht ausbleiben und es uns vergönnt sein wird, die Altis innen wie aussen mit ihren Stiftungen und Gebäuden bis zum Herbste d. J. im Wesent- lichen vollständig im Bilde liefern zu können.

Druva, 20. April 1880.

F. Adler.

44.

Dem architektonischen Berichte lasse ich eine Uebersicht der Denkmälerfunde folgen. Während die bauliche Aufräumung auf allen Seiten nach be- stimmten Zielen vorschreitet, um den Grundriss von Olympia bis Anfang Juni möglichst zu vervoll- ständigen, sind wir für bildliche und schriftliche Denkmäler auf eine gelegentliche Nachlese ange- wiesen, welche im Ganzen dürftiger wird, je weiter wir uns vom Ceutrum der Altis entfernen. Gewiss können die Schlusswochen noch reichere Funde bringen, namentlich aus dem Innern des grossen Gymnasiums, wo die Siegerlisten aufgezeichnet waren. Aber wir müssen docli darauf gefasst sein, dass gewisse schmerzlich empfundene Lücken in den grossen Compositionen des Zeustempels unaus- gefüllt und manches schöne Bildwerk trümmerhaft bleiben wird. Neuere Erfahrungen haben gezeigt, wie einzelne Bruchstücke von Giebelwerken hinaus über die Grenzen von Olympia verschleppt worden

Berichte aus Olympia.

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sind, uud ebenso dass am Fusse des Krouoshügels Kalküfen versteckt lagen, welche wahrscheinlich schon in byzantinischer Zeit eine Reihe von Mar- niorwerken vernichtet haben. Wenn diese Stätten des Verderbens uns zu Anfang bekannt gewesen wären, so würden wir schwerlich mit so guter Zuversicht die Aufdeckung der Altis beantragt haben. Jetzt ergänzen sie die Geschichte des Unter- ganges von Olympia, deren Studium ja auch ein Theil unserer wissenschaftlichen Aufgabe ist, und am Ende des 5. Jahrgangs können wir solche Er- fahrungen schon mit grösserer Gemüthsruhe auf- nehmen, nachdem wir einen solchen Deukniäler- schatz geborgen haben, wie er im Felde der Altis sowie in den Magazinen sich angesammelt hat.

Wer nach mehrjähriger Abwesenheit zurückkehrt, bedarf, wenn er auch allen Fortschritten der Aus- grabung gefolgt ist, doch einer Reihe von Tagen, um sich wieder zu orientiren, und er kann, wenn er an Ort und Stelle das grauenhafte Werk der Zerstörung ansieht, sich nur darüber wundern, dass es möglicli war, eine solche Menge plastischer Ge- stalten in den hiesigen Mus-een zu vereinigen. Man bedenke doch, dass vom Ostgiebel sämmtliche 21 Figuren aufgefunden sind und von den 13 menschlichen 7 mit ihren Köpfen. Im Westgiebel sind bis auf den Theseus (von dem nur Fuss, Arm und Hinterkopf vorhanden sind) ebenfalls alle 21 Figuren gefunden mit 13 Köpfen. Von den unscheinbaren Bruchstücken werden viele erst in der Olympia-Ausstellung des Berliner Museums ihre Verwerthung finden, aber schon jetzt können wir den Kopf des knieenden Knaben, das Unterbein des Zeus, den Untertheil des sinnenden Greises, den Schenlvel des Oinomaos als wichtige Fortschritte bezeichnen, welche der Ostgiebel in der ablaufen- den Arbeitsperiode gemacht hat. Der Westgiebel verdankt ihr zwei Köpfe, den des Knabenräubers und den vorzüglichen Kopf der knieenden Frau, welche von einem Kentauren in das Haar gefasst wird. Ausserdem fand ich durch die diesjährigen Ausgrabungen wesentlich ergänzt die eine der Nymphen, ferner die alte Sklavin, welche verzwei- felnd das Haar rauft, und ebenso die verschiedenen Kampfgruppen, welche durch Auffindung von Brust- theileu. Armen und Füssen an Klarheit und Zu- sammenhang gewonnen haben.

Die Metopen des Zeustempels, welche durch die glücklichen Bemühungen von Dr. Treu ein ganz neues Interesse für die Kunstgeschichte gewonnen haben , sind neuerdings durch Vervollständigung

Archliolog. Ztg., Jahrg. XXXVIÜ.

des Löwen, des Stiers und der Hydra, vor Allem aber durch den vorzüglich erhaltenen Kopf des auf den Löwen tretenden Herakles wesentlich gefördert, und es ist jetzt nur eine Metope übrig (die mit der Hirschkuh), von der wir uns keinerlei Anschau- ung maclieu können. Den zuletzt genannten Kopf des jugendlichen Herakles stehe ich aber nicht an, für einen der schönsten und wichtigsten unserer Funde zu erklären. Auf mich wenigstens hat er durch seinen tief empfundenen Gesichtsausdruck den grössten Eindruck gemacht und mir zuerst die Ueberzeugung davon gegeben , dass auch die Me- topen Werke attischer Kunst sind, und zwar in dem Stil der Tempelplastik, wie er sich gegen die Mitte des 5. Jahrb. in Athen entwickelt hatte und wie er einstweilen nur in den Denkmälern von Olympia studirt werden kann.

Was endlich die beiden Einzelwerke klassischer Kunst, Xike und Hermes, betrifft, so ist die eine durch Gewandstück und Hinterkopf, der andere durch Fuss uud Dionysosköpfchen wesentlich ver- vollständigt, so dass man schon daran denken kann, durch eine Restauration des Gipsabgusses den ur- sprünglichen Gesammteindruck beider Standbilder zu veranschaulichen.

Wenn diese Statuen mit den Metopen und Giebel- kolossen zusammen gewissermasseu die Central- gruppe unserer statuarischeu Funde bilden , so schliessen sich daran einerseits die Ueberreste älte- rer Kunstepochen, andererseits die Gruppe jüngerer Werke. Beide Gattungen sind ansehnlich Ijereichert.

Die alte Zeit giebt sich dem Auge schon da- durch zu erkennen, dass ihr der Marmor fremd ist. Einen neuen überraschenden Einblick in diese Zeit giebt Treu's Reconstruction des megarischen The- saurengiebels, von dessen 12 Figuren nur 3 fehlen, eine Frucht der diesjährigen Arbeitsperiode, sowie andere Ueberreste polychromer Kalksteinreliefs. Aus dem Gebiete religiöser Plastik ist zu dem bekannten Herakopfe die schlangenhaltende Eumenide gekom- men, die jetzt durch den unteren Theil ergänzt ist. Dazu hat sich das Fragment einer zweiten ganz gleichen gefunden aus demselben dunkeln lakoni- schen Kalkstein. Endlich gehört hierher der von Treu erkannte Eperastoskopf, welcher mit dem Arme, der den Phrixosschild trug, und dem dazu gefundenen Fuss zu einem kunstgeschichtlich sehr wichtigen Siegerdenkmale gehört. In der feinen Durchführung der Details scheint er der Kunst des 5. Jahrb. nahe zu stehen, und er unterscheidet sich auch dadurch von den früher genannten Werken

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Berichte aus Olympia.

altpeloponnesiscber Kunst, dass er aus paiiscbem Marmor ist.

Die andere grosse Gruppe olj'mpischer Skulp- turen ist die der Nacbblüthe attiseber Kunst, meist römischer Zeit, eine Gattung, welcbe in diesem Jahre auf 43 Statuen angewachsen ist. Dazu kom- men 20 Köpfe und als ein Werk besonderer Art der bekannte Stier mit der Weibinsebrift der Regula, lauter Sculpturen aus pentelischem Marmor, und wahrscheinlich zum grössten Theil in Athen fertig gemacht.

Es sind zum Theil mythologische Figuren, wie der Koloss des Zeus, der in diesem Jahr gefundene arcbaisirende ApoUon, die Statuen der Nemesis- Tycbe (die beiden Gegenstücke aus dem Eingange des Stadiums), des Asklepios und des ruhenden Herakles, ein tlötenblasender Satyr und ein nackter Torso, beide diesjährige Funde. Zweitens Athleten- l)ilder, in deren Reibe ein jüngst gefundener Pau- kratiasteukopf gehört. Drittens Mitglieder des kaiser- lichen Hauses und endlich Privatleute, Männer wie Frauen. Diese Statuen stammen grössteutheils aus der Exedra, aus dem Metroon und von der Ostseite des Heraion. Einzelne derselben gewinnen durch besondere Attribute, wie das Bild einer gefesselten Provinz, die Athena mit der Wölfin auf dem Panzer Hadrians u. s. w. oder durch ihre Künstlerinschriften ein hervorragendes Interesse. Sie lehren uns fünf Meister der attischen Renaissance kennen. Den seltsamsten Ursprung haben die in den letzten Tagen dazu gefuudeuen Römerstatuen. Sie waren nämlich, dem Feuertode geweiht, schon in einen der oben erwähnten Kalköfen geworfen: die Verbrennung ist durch irgend eine Katastrophe unterbrochen worden, und so bat man jetzt die zerschlagenen Blarmor- bilder wieder aus dem Abgrund herausgezogen.

Ueberblicken wir die gesammten Sculpturfunde, welcbe die beiden grossen Magazine nebst dem Mittelhofe füllen, so sind es ohne die Masse der Fragmente jetzt 87 Statuen (darunter 44 über Lebensgrösse) und 42 Köpfe, welcbe die verschie- densten Gattungeu und Zeiten griechischer Kunst- übuug vertreten. Wenn man bedenkt, dass die elf Metopenköpfe, die sich durch ilire Erhaltung aus- zeichnen , die Köpfe der Hermesgruppe und der Nike nicht mitgerechnet sind, so wird man zugeben, dass nicht leicht eine Antikensanuiilung in kurzer Zeit zusammengekommen sein möchte, welche für das Studium der Kopfbildung in der Plastik der Alten ein so reiches Material darbietet wie die olympische.

Wo es sich um Kunstwerke handelt, haben Zalden eine verhältnissmässig geringe Bedeutung; es schien mir aber, nachdem die einzelnen Gegenstände bei verschiedenen Gelegenheiten besprochen sind, jetzt gegen Ende der Ausgrabungen nicht unpassend, auch einen numerischen Ueberblick zu geben.

Terrakotta und Erz ergänzen die Ueberreste der Steinskulptur. Sie sind das Material einer mehr populären Industrie, welche auch den kleineu Leuten Gelegenheit giebt, ihre Anwesenheit und Pietät in roh geformten Gegenständen zu bezeugen, die ihrem Lebenskreise entnommen sind. Als Kunstwerke merkwürdig sind die alterthümlicheu Thonköpfe von Zeus und Hera, die Fragmente weiblicher Ge- wandfigureu von der soi'gfältigsten Ausführung, einer Gruppe von Satyr und Kymphe, eines grin- senden Sileuskopfes u. s. w. Diese Stücke sind von vorzüglicher Wichtigkeit wegen der gut erhaltenen Farben und wegen der Seltenheit grösserer Thon- figuren in Griechenland. Dazu kommen Tiiierbilder mannigfacher Art und ein römischer Porträtkopf über Lebensgrösse. Ein besonderes Kabinet der olympischen Magazine bilden die architektonischen Terrakotten, die in voller Farbenfrische und in der grössten Mannigfaltigkeit des Stils erhaltenen Kranz- gesimse, sowie Stirn- und Firstziegel. Von wasser- speienden Löwenmasken ist hier eine solche Fülle in Thon und Stein erhalten, dass mau allen Wand- lungen des Geschmacks durch Jahrhunderte hindurcli folgen kann.

Die Bronzen bat Herr Dimitriades jetzt in einem besonderen Raum geordnet. Wir finden dort die spärlichen, aber unschätzbaren Ueberreste von Gross- bronzen, tausende von kleinen Votivfiguren, dann die bekannten Reliefs in orientalischem Stil, ferner eine Gruppe von archaischen Statuetten (darunter den blitzscbleudernden Zeus in seinem für Olympia charakteristischen Typus und einen ausfallenden Hopliten), zierliche Reliefs von getriebener Arbeit in altkorinthischem Stil, endlich auch Figuren des freien Stils bis zu den Mercurgestalten der römi- schen Zeit.

Ausserdem sieht man im Bronzemuseum jetzt eine reiche Auswahl von Wafi'en und Geräthstücken, Schilden (einen mit Inschrift), Helme aus verschie- denen Zeiten, Schienen aller Art, Scliwerter (sehr selten), Lanzeuspitzen (zum Theil mit Zuschriften); von Erzgeräthen sind besonders die Schalen massen- weise vorbanden, Dreifüsse, Greifenköpfe in grosser Auswahl, Henkel aller Art. Von Sehnuickgegen- ständen abgesehen, sind es besonders die mit In-

Beliebte aus Olympia.

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sclivift vevsebeneu Gewichte, die mit noch unerklär- ten Inschriften und mancherlei Symbolen versehenen GewichtstUcke verschiedener Form und Grösse (ca. 150 Stück), welche im Prytaneion, aber auch in der ganzen Altis gefunden sind. Man sieht hier in grosser Mannigfaltigkeit Alles vereinigt, was in Erz den Gottheiten dargebracht zu werden pflegte; darunter auch manches noch Räthselhafte, wie die sogenannten „Stimmmarken." Endlich ist ein aus- erwählter Schatz des Bronzenkabinets die Samm- lung von Inschrifttafeln, die sich mit den grössern Fragmenten schon auf 50 Stück beläuft und für die Technik und Geschichte hellenischer Erzschrift das reichste Material darbietet.

Während diese Urkunden jetzt sämmtlich in einem Schrank zusammenliegen, sind die ca. 400 Steinschriften in der ganzen Altis zerstreut. Denn man bat nur einzelne, besonders merkwürdige Steine, wie den des Bybon, und die kleineren Stein- tafeln, wie die Listeu der priesterlichen Beamten, deren Bruchstücke noch fortwährend aus dem Pry- taneion und der nördlichen Umgebung der byzan- tinischen Kirche zum Vorsehein kommen, in das Museum gebracht, die monumentalen Steinurkuuden aber an ihrer Fundstelle gelassen. Im günstigsten Falle, wenn die Fundstellen auch die ursprünglichen Aufstellungsorte waren, sind die Inschriften auch topographische Denkmäler ersteu Ranges, wie die Nikeinschrifteu und die luschriftbasen des Praxi- teles, Telemachos u. a., oder man hat die Inschriften wenigstens in der Nähe ihres ursprünglichen Staud- ortes aufgefunden, wie z. B. die Basis des Philonides. Eine wichtige Inschrift, wenn auch nur aus vier Buchstaben bestehend, brachte uns neulich der hinter der Thesaureuterrasse gezogene Graben ; sie enthält in alten Schriftzügen den Anfang des Namens der Kyrenäa und ist das Bruchstück einer Dedikations- urkunde aus dem Schatzhause derselben.

Wenn ich endlich noch die Münzen erwähne, deren Anzahl auf 5000 angewachsen ist, wobei die Masseufunde byzantinischer Münzen je unter einer Nummer verzeichnet sind, so giebt diese Uebersicht eine annähernde Vorstellung davon, was au Denk- mälern aller Art aus dem Boden von Olympia an das Licht gefördert ist.

Von merkwürdigen Einzelheiten erwähne ich nur noch einen kleinen Erdaltar, der vor längerer Zeit in dem Rundbau nördlich von der byzantini- schen Kirche gefunden ist. Eine nähere Unter- suchung zeigte uns in diesen Tagen, dass er, oben mit einer Ziegelplatte bedeckt, au den Seiten mit

weissem Stuck überzogen war. Dieser Ueberzug mit Schrift und Blattornament wurde von Zeit zu Zeit erneuert. Es gelang uns, zehn solcher Schichten, eine nach der anderen, abzulösen ; es war der Altar eines Heros, dessen Name nicht genannt wird, dessen Dienst aber mit der Mantik von Olympia im Zu- sammenhang stehen muss. Es ist ein religiöses Denkmal einzig iu seiner Art.

Die Hauptsache aber sind nicht diese Einzel- heiten, sondern das Ganze, die wiedergewonnene Anschauung des gesammten Raumes von Olympia, und so kehre ich zu dem Grundriss der Altis zu- rück, von dem ich ausging, der wichtigsten Ur- kunde unserer Arbeiten, welche nooli in aller Hän- den sein wird, wenn die Altis selbst wieder über- wachsen, verschüttet und verwildert sein mag. Das Interesse, das sich an den Grundriss anknüpft, geht über das der Baugeschichte weit hinaus, und wie genau wir uns mit seiner Hülfe in Olympia Orientiren können, zeigen ja am deutlichsten die an Ort und Stelle aufgefundenen Schrankensteine der Rennbahn, an denen die Wettkämpfer ihren Lauf anfingen und vollendeten.

Es fehlte noch ein umfassenderes Bild der Ge- gend. Herr Landesvermessungsrath Kaupert ist be- schäftigt, die topographische Aufnahme in V,oooo auszuführeu, in einer Ausdehnung von 5000 m in die Länge und 4000 m iu die Breite, so dass ein Kartenblatt von20qkm hergestellt wird, wo Olympia in der Mitte liegt.

Die Ausgrabung ist bis heute mit 500 Mann fortgesetzt. Das griechische Osterfest macht eine achttägige Pause.

Olympia, den 29. April 1880. E. Curtius.

45.

Das letzte Ausgrabungsjahr hat mit einem ebenso überraschenden wie wichtigen Funde abgeschlossen, dem lebensgrossen Bronzekopf eines olympischen Siegers, einem Meisterwerke der Diadochenperiode.

Es ist das Bildniss eines reifen Mannes, dessen finster und entschlossen dreinblickendes Antlitz von dichtem, wirrem Haar und Bart tief beschattet und eingerahmt wird. Der Kranz von wildem Oelbaum kennzeichnet ihn als Olympioniken; die dick ver- sch wolleneu Ohren als Pankratiasten. Die Lippen scheinen versilbert gewesen zu sein, die Augäpfel, ursprünglich wahrscheinlich ans farbigeu Steinen gebildet, fehlen jetzt. Im Uebrigen ist die Erhal- tung, von einigen Oxydwucherungen abgesehen, eine gute. Die Höhe ist 31 Cm., genaue Lebensgrösse,

15*

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Berichte aus Ohmpia.

wie wir aunelimen müssen, da es den Hellauodikeu oblag, darüber zu wacheu, dass dieselbe nicht über- schritten wurde. Wenn Plinius berichtet, dass erst ein dreimaliger olympischer Sieg das Kecht 7.ur Aufstellung einer Statue von voller Bildniss- ähnlichkeit verlieh, dass also die übrigen Sieger sich mit typischen Athletenbildern begnügen mussten, so kann darüber gar kein Zweifel sein, dass uuser Kopf der erstereu Klasse angehörte. Denn die charaktervolle Hässlichkeit seiner Züge ist von dem Künstler in aller ihrer brutalen Energie mit einer Uuverhohlenheit, ja virtuosen Geflissentlichkeit wie- dergegeben worden, welche deutlich zeigt, dass es ihm hierauf recht eigentlich ankam. Uebrigens verräth Alles einen Meister ersten Ranges: die Sicherheit, mit der der Knochenbau, das trotzig vorgeschobene Untergesicht, die breite gekrümmte Nase, die energischen Stirnhügel gegeben sind; die vollendete "Wahrheit in der Wiedergabe der Haut, der gespannten sowohl, als der Fältchen und Säckchen um die tiefliegenden, misstrauisch und scharf aus ihren Höhlen hervorblickenden Augen. Haar und Bart endlich sind von voll- endeter Virtuosität: diese sich durch- und überein- ander bäumenden Haarmassen, dieses geistreiche Spiel in sorgfältig durchciselirten Einzelheiten ist mit einer sicheren Bravour durchgeführt, wie sie erst der Epoche der pergameniscben und rhodischen Schulen zur Verfügung stand. In diese Zeit, in das 2. oder .3. vorchristliche Jahrh., weist auch der geniale Realismus der Porträtauffassung. Namen jedoch vermögen wir weder für den Darsteller noch für den Dargestellten zu nennen, da der Fund- ort des Kopfes, dicht vor dem Abstich, an dem wir im N.O. des Prytaneions Halt gemacht, zu deutlich auf weite Verschleppung hinweist, wir mithin eines sicheren topographisclien Anhalts für die Identifi- kation der Statue entbehren.

Dass jene Scheidung zwischen ikonischen und typischen Siegerstatuen für die Zeit der gereiften Kunst wenigstens sicher bestand, dafür hat uns ein anderer glücklicher Fund in derselben Gegend den monumentalen Beleg gebracht.

Es ist dies ein etwas unter Lebensgrösse ge- haltener Jünglingskopf aus pentelischem Marmor, der, wie die venschwolleneu Oiiren zeigen, eben- falls einen siegreichen Pankratiasten darstellen soll. Aber statt der Bildnissähnliciikeit springt hier die directe Anlehnung an einen praxitelisehcn, unserem Hermes nahe stehenden Typus deutlich in die Augen. Von diesem scheiden den neu gefundenen Kopf

wesentlich nur einige stärkere Drucker, eine leichte Vergröberung der Formen. Er ist im Vergleich zum Hermes sehr feinsinnig ins Herakleshafte hin- übergestimmt; das kurz geschnittene Haupthaar ge- drungener gelockt, die Backenknochen schärfer her- vorgehoben, die Augen weiter geöffnet und schärfer geschnitten, die Wendung des Kopfes lebhafter, gleichsam herausfordernd.

Die Richtung auf volle Bildnisswahrheit konnte sich von diesen typischen Athleteubilduugen natür- lich erst scheiden, als die Kunst in den Vollbesitz ihrer Mittel gelangt war. In unserem archaischen Eperastos-Kopfe dagegen geht Typisches und Por- träthaftes noch in voller Naivetät neben- und durch- einander (s. Bericht 41).

Hat sich uns mit der Entdeckung dieser drei Köpfe ein neues Gebiet erschlossen, so vervoll- ständigt und berichtigt der neu aufgefundene Kopf der Hippodameia unsere Kenutniss des Ostgiebels in erfreulichster Weise. Wir haben ihn aus den späten Hüttenmauern über dem Leonidaion hervor- gezogen. Arg Verstössen und entstellt zieht er dennoch durch die Anmuth seines lächelnden Aus- druckes und das echt mädchenhafte Haargelock an; das, vom Wirbel schlicht nach allen Seiten herab- fallend, Stirn, Wangen und Nacken mit doppeltem Geringel umgiebt. Mit dem Kopfe zusammen ge- sehen, mildert sich auch die Starrheit in der Ge- wandanordnung der Gestalt zu einer gewissen her- ben Sprödigkeit, die sich sehr wohl zu dem Aus- druck jungfräulicher Hoheit schickt.

Nicht vorbereitet waren wir auf eine so ent- schiedene Wendung des Hauptes zur 1. Schulter hin, wie sie jetzt der genau aufpassende Halsansatz er- giebt. Diese Thatsache ist so überraschend und so wichtig, dass sie nach der Meinung des Unter- zeichneten eine Umkehrung der in der Berliner Olympia-Ausstellung durchgeführten Anordnung der Mittelgruppe des Ostgiebels nöthig macht. Die bis- herige Aufstellung nämlich liess die fünf Mittel- figuren in nachstehender Ordnung von 1. nacli r. auf einander folgen: Sterope; Oinomaos, von seinem Weibe ab und der Mitte zugewandt, in der Zeus steht; Pelops, ebenfalls Zeus zugewandt; endlich Hippodameia. Die letztere würde bei dieser Auf- stellung, wie wir jetzt sehen, von ihrem Freier Pelops sich völlig abwendend, in die Ecke blicken. Dadurch fallen beide Gestalten gänzlich auseinander, was weder ästhetisch befriedigt noch dem Licbes- einverständniss der Beiden zu entsprechen scheint. Ordnet man dagegen umgekehrt: Hippodameia

Berichte aus Olympia.

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Pelops Zeus Oinomaos Sterope, so wen- den sieb Pelops und Hippodaiiieia nicht nur zu einander bin, wie in stillem Gespräcbe begriffen, sondern man erhält auch zur L. wie zur R. des Zeus je eine geschlossene Gruppe , wo früher fünf Figuren unvermittelt und steif neben einander standen. Erst dann gelangt ferner, wie die Be- schreibung des I'ausanias dies fordert, Oinomaos auf die Seite des Kladeos, Pelops auf die des Al- pheios. Erst dann wendet sich Zeus entschieden dem Pelops zu, der damit auf die rechte, die gltick- verheissende Seite des Gottes zu stehen kommt. Jetzt ist auch das beiderseitige Gefolge in Einklang mit der Stimmung, die in den beiden Hauptgrui)pen herrscht. Jener Greis vor Allem, der in trübem Sinnen dasitzt, das Unheil gleichsam vorausahnend, das über Oinomaos hereinbricht, befindet sich dann hinter des Oinomaos Rossen. Auf der Seite des Pe- lops dagegen herrscht rühriges, rüstiges Treiben.

Der vorige Bericht hat die Lücke beklagen müssen, welche durch das Fehlen des Herakles- kampfes mit der Hirschkuh in der Metopeureihe des Zeustempels zurttckblieb. Jetzt ist auch diese Lücke einigermassen gefüllt. Schon früher hatte der Unterzeichnete aus dem Vorhandensein eines nach 1. niederblickenden Herakleskopfes und eines nach derselben Seite kuieenden Beines, zweier Stücke, die sich in keiner anderen Metope unter- bringen Hessen, auf die Composition dieser Metope zu schliessen versucht. Er hatte aus jenen Frag- menten gefolgert, dass die Ereilung der Hirschkuh durch Herakles auch hier in dem altgewohnten Schema dargestellt gewesen sei, welches Herakles auf dem Rücken der Hindin knieen und ihr Haupt am Geweihe zurückbeugen lässt. Diese Vermu- thung ist durch die Auffindung vom Rumpfe der Hirschkuh lediglich bestätigt. Für die im 41. Be- richt hervorgehobene Verwandtschaft unserer Me- topen mit denen des Theseions ergiebt sich damit ein neuer Beweis.

Die übrigen Marmorfunde waren von geringerer Bedeutung. Ein römischer Porträtkopf, aus au- gusteischer Zeit etwa, verdient nur diese kurze Erwähnung, da er weder von besonders guter Ar- beit ist, noch sich, fürs Erste wenigstens, benennen oder unterbringen lässt.

Desto erfreulicher ist unsere Ernte an Klein- bronzen ausgefallen, an der besonders die tieferen Schichten des antiken Bodens im N. des Prytauei- ons und im W. des Buleuterions betheiligt sind.

Der altehrwürdige Typus des nackten, weit

ausschreitenden blitzschleudernden Zeus mit dem Adler auf der ausgestreckten Linken ist in nicht weniger als drei vortrefflichen Exemplaren vertre- ten, deren Vergleichuug um so lehrreicher ist, als sie aus verschiedenen Kunstepochen stammen.

Zeus dürfen wir vielleicht auch noch in einer vierten, nördlich vom Prytaneion gefundenen Sta- tuette erkennen, unzweifelhaft der bedeutendsten unter allen unseren Kleinbronzen schon der Grösse nach, denn sie misst 29 Cm. Dargestellt ist ein bärtiger, eng in seinen Mantel gehüllter Mann, der, in der bekannten starren Haltung archaischer Statuen, mit durchgedrückten Knien dasteht, den linken Fuss vorgesetzt, beide Unterarme in rechtem Winkel vorgestreckt. Die Attribute in den Händen sind bis auf unkenntliche Ansätze versehwunden, nnd so wären wir für die Deutung dieser Figur völlig ohne Anhalt, wenn nicht die frappante Aehn- licbkeit des Kopfes mit einem in der Nähe des Zeustempels ausgegrabenen Zeushaupte (Ausgr. IIL Taf. 22) uns wenigstens ein gewisses Recht gäbe, auf Zeus zu schliessen.

Endlich ist im Westen des Buleuterions das allerliebste Bronzefigürchen eines zum Symposion gelagerten Jünglings aufgefunden worden. Den 1. Ellenbogen auf ein Polster gestützt, die Trinkschale in der Hand, die Rechte in lebhafter Bewegung erhoben und den Beschauer anblickend, erinnert er sehr an die archaischen Dekelfiguren gewisser etruskischer Sarkophage. Man muss sich dieselben jedoch in den zierlichsten Stil vom Ausgang des 6. Jahrb. zurückübersetzen, um eine adäquate Vor- stellung von diesem anmuthigen Figürchen zu ge- winnen.

Dies sind die beträchtlicheren archäologischen Ergebnisse aus den Schlusswochen der olympischen Ausgrabungen, die am 14. Juni zu Ende gingen. Sie haben mehr und Bedeutenderes gebracht, als wir jetzt noch erwarten durften, wo wir nach allen Seiten hin die Grenzen des heiligen Zeusbezirkes weit übersehritten haben.

Am 24. d. M. werden die Museen für die Dauer der Sommermonate versiegelt, und noch am sel- ben Tage werden sämmtliche Expeditionsmitglieder Olympia verlassen haben. In den Herbstmonaten soll im Wesentlichen nur noch eine Aufarbeitung und nochmalige Revision der Ausgrabungsergebnisse stattfinden.

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Berichte aus Olympia.

Nachträge zu Bericlit 42*).

Zum Kopfe des Dionysosknabeu in der praxiteliscben Hermesgruppe:

Dass das Dionysosknäblein für seiu Alter zu klein gebildet, ja überhaupt als Nebenwerk behan- delt sei , wohl um den Hermes um so mehr als Hauptgestalt der Gruppe wirken zu lassen, erfährt nun eine weitere Bestätigung. Der kleine Schädel, das zwar kindliche, aber doch nichts weniger als puttenhafte pausbäckige Gesicht, das lange Haar, welches in zierlich geordneten Wellen durch eine Schnur zusammengehalten wird und über der Stirn ursprünglich, wie es scheint, zu einem kleineu kuaufartigeu Büschel zusammengefasst war, verräth ebenso sehr ein entwickelteres Kindesalter als die Körperformen und die sichere Haltung. Wenn da- her die Proportionen das moderne Auge auch nicht überall ganz kinderhaft anmuthen und die Einzel- bildung des Gesichtes hinter der des Hermes un- leugbar zurücksteht, so kosten wir dafür die Be- wegung erst jetzt völlig in ihrem vollen Reize echt kindlicher Lebensäusseruug.

Als wir am Nachmittag des 27. März das Köpf- chen über 80 M. weit von dem ursprünglichen Stand- orte der Gruppe ausgegraben hatten es lag ca. 40 M. n.w. von der N. W.-Ecke des Zeustempels unver- baut auf einer Schicht von Thonscherben und Poros- brockeu und das unverkennbare dem Rumpfe so- gleich aufpassten, da war es vor Allem die Lebhaftig- keit der Bewegung in der Kindesgestalt, deren wahr- haft überraschender Wirkung sich keiner von uns entziehen konnte. So lebendig hatte sich Niemand das Kind gedacht. Diese naiv reizende Neigung des vorgestreckten Köpfchens zur 1. Schulter hin, um au dem Hermeskopf vorüber zu dessen r. Hand hinaufblicken zu können, ist von so frappanter Wahrheit, dass man das 1. Aermchen förmlich zu sehen glaubt, welches sich bittend nach dem aus- reckt, was Hermes in seiner Rechten hielt. Denn es unterliegt jetzt gar keinem Zweifel mehr, dass diejenigen Recht behalten werden, welche voraus- setzten, der Gott halte seinem kleinen Gesellen eine Traube oder etwas dergleichen hin.

*) [Bericht i2 ist oben S. öOf. aus eiuer Zeitung abgedruckt, welche wie sich herausgestellt hat, den ursprünglichen Text nur in Verstümmelung wiedergegeben hat. Es werden daher die ausgefallenen Partien hier nachgetragen; des Zusammenhanges wegen werden dabei einige Sätze wiederholt. Herr Treu hat die Gelegenheit benutzt einige Zusätze anzufügen, welche durch eckige Kbimmern gekennzeichnet sind. Hed.)

Und auch noch andere Hermes-Streitfragen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, werden durch diesen neuen Fund ihrer Lösung ent- gegen geführt. [Es sollte hiermit auf die von Benn- dorf in Lützow's Kunstchronik XIII S. 779ff. aufge- worfeneFrage hingedeutet werden, ob der olympische Hermes wegen seiner, der lysippisehen so ver- wandten, Formengebung nicht einem jüngeren, um die Zeit des Theophrast lebenden Praxiteles ange- hören könne. Hier schien mir das Dionysosköpfchen durch seine unleugbar hinter der Hauptfigur zurück- gebliebene Formengebung und durch eine gewisse Aehulichkeit der Haarbehandlung und der Gesichts- züge mit der knidischen Aphrodite diese Frage zu Gunsten des älteren, des grossen Praxiteles zu ent- scheiden.]

Die Hauptfreude bleibt aber nicht die Lösung der wissenschaftlichen Probleme, sondern die Wie- derauferstehuug eines Bewegungsmotivs voll an- muthigsten Lebensgefühles. Und dieser Genuss wird durch die Beschädigungen, welche der Kopf erlitten, wenigstens nicht allzusehr beeinträchtigt, da dieselben sich meist an der rechten, dem Be- schauer abgewandten Kopfseite befinden; die linke Seite ist verhältnissmässig gut erhalten. Wie zu erwarten war, setzt sich auch hier, ganz wie beim Hermes, das Haar rauh gegen die fein geglättete, weisse Gesichtshaut ab. Endlich aber hat es sich so glücklich gefügt, dass die Brüche des Halses dem Rumpfe genau aufpassen, so dass die Zuge- hörigkeit auch äusserlich erwiesen ist, Richtung und Bewegung des Kopfes unverrückbar gegeben sind. [Ich deute auf diesen äusseren Beweis der Zugehörigkeit jetzt um so nachdrücklicher hin, als dieselbe neuerdings von Newton in einem Times- Berichte über seine letzte Reise nach Olympia (April 1880) sehr mit Unrecht in Zweifel gezogen worden ist. Davon dass die Brüche in der That genau aufeinander passen, wird sich bald ein Jeder mit Hilfe der jetzt bereits in Berlin eingetroffenen Gypsform überzeugen können.]

Zum Herakleskoj)f aus der Westmetope mit dem nemeischen Löwen:

Die Gesichtshaut ist weiss und glatt, während das Haar, das wie bei allen Heraklesköpfen der Metopen als ungegliederte Masse behandelt ist, eine rauhere Oberfläche zeigt. Ein Versuch, die ein- zelnen Locken darzustellen, ist auch in der Farbe nicht gemacht ; es wäre aber nicht undenkbar, dass uns blos die Untermalung erhalten geblieben ist.

Der Gestus, in welchem dieser Herakles dar-

A. Kirchhoflf, luschriften aus Olympia.

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gestellt war, kehrt zu ueuem Zcugniss für den verwaudteu Ursprung- vou Metopeu uud Giebel in einer Greisengestalt des Ostgiebels wieder; in un- serem Relief erhält er aber noch einen tieferen Sinn dadurch, dass eine zweite Gestalt, wahrscheinlich Athena als göttliche Helferin und Trösterin, neben Herakles dastand; dies glaube ich wenigstens aus den Raumverhältnissen der Metope und der Vergleichuug verwandter Darstellungen schliessen zu müssen.

Dass die Künstler der RIetopen mit ihrer Sceuen- reihe eine chronologische Abfolge der Herakles- thaten einzuhalten unternommen hatten uud den Löwenkampf wie gewöhnlich als die früheste der- selben aufgefasst wissen wollten, haben sie dadurch deutlich dargethan, dass sie unseren Herakleskopf allein unter allen erhaltenen unbärtig bildeten. Dass endlich diese Reihe an der Nordwestecke begonnen haben müsse, erhält durch den Fundort dieses Kopfes eine neue Bestätigung. [Die Stylobatquader des Zeustem])els, unter der dieser Kopf versteckt ge- funden wurde, ist nämlich die der Nordwestecke.]

Zum Kopfe des knabenraubenden Ken- aureu aus dem Westgiebel :

Es ist eins der charakteristischen Kentauren- gesichter mit wirrem, kurzem Haar, niedriger, ge- furchter Stirn und dem Ausdruck thierischer Wild- heit in den Zügen. Tief eingeschnittene, eigen- thUmlich schematische Falten an Nasenwurzel imd Nüstern zeigen, dass der Kentaur sich durch Beissen seines Gegners erwehrte vom Munde selbst ist uns nur die Oberlippe erhalten. Mit diesem Motiv ist aber auch der Platz des neuen Fundes im Giebel gegeben. Denn nach der symmetrischen Entspre- chung, welche durch die ganze Composition geht, kann das Gesicht nur dem Gegenstück des beissen- den Kentauren der linken Giebelhälfte angehören, also dem Knabenräuber.

Zu der Überlebensgrossen archaisirenden Statue eines leierspielenden ApoUon:

In den Fundamenten einer anseheinend noch aus spätrömischer Zeit stammenden Halle im S. des Philippeions waren Bruchstücke von Inschriften und Sculptureu bemerkt worden. Der in Folge dieser Beobachtung sofort unternommene Abbruch der Fundamente ergab richtig nicht nur einige In- schriften, sondern auch über dreissig Bruchstücke einer nackten männlichen Statue, die offenbar ab- sichtlich zum Zweck der Einmauerung zerkleinert worden ist.

Der etwas mühsame Versuch ihrer Wiederher- stellung gelang endlich, und ich konnte bei dieser Gelegenheit constatiren, dass wir Hinterkopf und Hals der Statue bereits früher in der Nähe der so- genannten byzantinischen Kirche aufgefunden hatten. Bereits damals hatte ich aus dem Flechtzopfe, wel- cher den Hinterkopf umgiebt, gefolgert, es müsse in Olympia eine Marmorwiederholung jenes be- kanntenarchaisirendenAppollontj-pus gegeben haben, der in verschiedenen Exemplaren in den Museen von Athen, Neapel, Mantua, Cassel vertreten ist.

Auch unser Exemplar stammt wohl aus römi- scher Zeit, lieber die feineren StiluUancirungen wird sich erst nach Auffindung des Gesichts und der noch fehlenden Unterarme und Unterbeine ur- theilen lassen. Uebrigens sieht man schon jetzt, dass der von einer Chlamys locker umgebene linke Arm eine Leier hielt, die Rechte daher wahrschein- lich ein Plektron. Das Haupt schmückte ein Me- tallkranz; die sonst üblichen Schulterlocken scheinen zu fehlen.

Also ein leierspielender ApoUon in Olympia, den Pausanias, wie fast alles aus römischer Zeit stam- mende, übergangen. Vielleicht das Weihgescheuk eines Dichters, der siegreich einen olympischen Hym- nus gesungen, wie auf einer der Dichterbasen steht, die wir in letzter Zeit hier gefunden.

Georg Treu.

INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.

363.

Bronzetafel, gefuiuleu 18. Octobev 1S79 innerhalb des Pry- taneion, lang 0,19, hoch 0,06ö, an den vier .abgerundeten Ecken mit Lochern zum Befestigen versehen. Die Schriftseite wenig convex, an der unteren Hiilfte der linken Seite durch einen Stoss oder Schlag eingedrückt. Bei der Auffindung fehlte ein kleines Stück links mit dem Anfang der 2. Zeile; beim Aus- graben ist sie in zwei ungleiche Theile zerbrochen und dadurch

eine Lücke in der 1. Zeile und eine kleinere in der 5. entstan- den; endlich sind bei der Reinigung einige kleinere Stücke von der linken oberen Ecke, welche jedoch keine Buchstaben ent- hielten, .ibgebrochen. Purgold. Mit zwei Abschriften und zwei Abklatschen, von denen die einen vor, die anderen nach der voll- ständigen Reinigung genommen worden sind. Für das nachstehende Facsimile ist ausser den Abklatschen die spätere dieser Abschriften benutzt.

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A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.

^p-ATfATO^ArvA/Td ,.TAriOi.(Z)lAfAA/p^/V1 ^T ^ AK oPOTA^O/M^A^r "Ol O^oAPOI^t^^ O/äA'*

M /y Q I A^_^.0 ^ A ^ r O Pi^

Von den Bemerkungen, mit denen Herr P. seine Abschriften begleitet hat, theile ich als von Be- deutung die folgenden mit:

Z. 1. Vor dem ersten A scheint kein anderer Buchstabe gestanden zu haben. Das F ist jetzt in der angegebenen Weise durch die ganze Dicke der Platte hindurehgestossen; es war vollständig unter dem Oxyd verborgen, aber dass die Bronze gerade in dieser Form dem Drucke nachgab, bezeugt, dass hier diese Linien eingravirt waren.

Z. 2. Vor M können noch 1 2 Buchstaben ge- standen haben.

Z. 4 sind an vorletzter Stelle von den schrägen Strichen des R noch schwache Spuren erkennbar.

Z. 5 ist von dem drittletzten Buchstaben sicher nur I, doch kann er sehr wohl K gewesen sein.

Am schwierigsten ist Z. 6, 3 '); hier ist die tiefste Stelle einer Einbiegung, welche die Platte durch einen Stoss erhalten hat. Es ist kaum zu entschei- den, ob der Horizontalstrich an dieser Stelle (T) nicht etwa bloss durch das Zusammenknicken der Tafel entstanden ist, besonders, da deren zwei vorhanden sind. Ist dies der Fall, so wäre K oder R möglich. Der folgende Buchstabe könnte B sein. Von dem <N in der Glitte der Zeile und dem Schluss der nächsten sind, wie von den übrigen schraffirten Buchstaben, nur in der günstigsten Beleuchtung noch Spuren zu erkennen.

') Die erste Abschrift gibt hier ein schraffirtes ||; die Abklatsche lassen nichts als den unteren Theil einer dem vorher- gehenden A nüher als dem folgenden Zeichen stehenden litista erkennen.

Ich habe dem noch hinzuzufügen, dass Z. 4 der 6. Buchstabe vom Ende auf der zweiten Abschrift als I gegeben ist, auf der ersten dagegen als T, was mir die Abklatsche zu bestätigen scheinen. Z. 3 end- lich geben beide Abschriften übereinstimmend dem 14. Zeichen die Gestalt F ; es ist aber ohne Zweifel ein B gewesen, und auf den Abklatschen glaube ich den Verbinduugsstrich bei guter Beleuchtung noch deutlich erkennen zu können.

Hiernach ist zu lesen :

o(t)s. (filiav Titvxav,ov\xa Fersa. ■xumözagoi i-ifjv- nedeoiav, | and tio ßco/.tcü anoFrjkeoiäv xa toi ngöl^svot xal toI fiävTisg. al td[v] 6[q]xov \ nalg]- ßaivoiav, yvcüfiavTOQ . . ovao. | tiu^vvniai.

Die Namen der beiden contrahirenden Gemeinden sind sonsther nicht bekannt; da aber der Dialekt der Urkunde entschieden der von Elis ist und dazu auch die Schrift stimmt, so muss wenigstens eine von beiden eine eleische gewesen sein. Nach Ana- logie anderer eleischer Rhetreu habe ich angenom- men, dass die Namen der Contrahenten im Dativ standen und dass folglich der Graveur sich wenig- stens zweimal der Auslassung eines Iota schuldig gemacht hat: die scheinbar überlieferten Accusative fügen sich in keine Construction. Auch im folgen- den ersten Satze, der als Gegenstand des Vertrages ein Freundschaftsbündniss auf fünfzig Jahre angiebt, scheint der Graveur geirrt zu haben; es fehlt das Verbum und ich vermuthe, dass hinter (piliav der Infinitiv ^fiev ausgelassen worden ist.

A. Kirchhoff, luschrilten aus Olympia.

119

Der folgende Satz verordnet, dass im Falle eines Vertragsbruches der schuldige Theil von der Opfergemeiuschaft des Altares, natürlich des Zeus von Olympia, ausgeschlossen sein soll, und weist die betreffenden Beamten und Priester, die ngö^evoi und fiävTsig, an, ihn vorkommenden Falls abzu- weisen. Eine Bildung sfinsöeiv gegenüber dem gewöhnlichen e^nedovv kann auffällig erscheinen; indessen ist zu beachten, dass der Sinn des Verbums intransitiv, nicht transitiv zu sein scheint, da ein Object wenigstens nicht ausdrücklich hinzugefügt ist. anoFrjkeio ist gleich dem dnsileco oder aneilw anderer Mundarten; vgl. syFriUuo der Tafeln von Heraklea.

Der letzte Abschnitt scheint eine Busse festzu- setzen für diejenigen, welche ihrer eidlichen Ver- pflichtung nicht nachkommen würden, also sei es die Beamten und Priester, falls sie die Vertrags- brüchigen zulassen sollten, sei es die letzteren selbst, falls sie der Zurückweisung nicht Folge leisten sollten. Wortlaut aljer und specieller Sinn des abschliessenden Hauptsatzes der Periode bleiben mir rätliselhaft; die Schwierigkeit, welche vorliegt, wird dadurch nicht vermindert, sondern eher ge- steigert, dass man zu Anfange der fraglichen Stelle yviö^iav, wie am Schlüsse zwlvvnlai deutlich zu erkennen glaubt.

364.

Gefunden den 14. Apiil 18S0 am Ostende der Thesfinrenstrasse, vor der Futtermaiier des Kronion.

Neues Fragment von dem Rande desselben Bronzekessels wie Nr. 357, ebenfalls 23 Mm. breit, lang 0,17. Von dem Kessel selbst ist an diesem Stück ein dreieckiges, 0,16 langes Fragment erhalten; sein ursprünglicher Durchmesser Hess sieb auf 1,60 be- rechnen. Die Buchstaben sind tief eingegraben, die Schrift grosser und weitläufiger als auf dem Fragment 357. Purgold*).

Demnach scheint die Fassung der Weihinschrift die folgende gewesen

365.

Fragment eines 1 Mm. starken Bronzeblechs, etwa t) Cm. hoch, imten S'/s Cni. breit. Gefunden r2. Juni 1S79 im Norden des Prytaneion. Purgold.

Z. 4 vielleicht t]« xp[?;';i'ö^^«. Die Inschrift war ersichtlich ßovaTQnq<T]ödv geschrieben in einem Alpha- bete, in welchem + den Werth eines Chi hatte; das Sigma ist trotzdem bereits vierstrichig gebildet. In allen diesen Punkten verräth das Fragment nächste Verwandtschaft mit den oben mitgetheilten Stücken 318 und 3G1.

A. Kirchhoff.

*) (Von Nr. 357 theilt Herr Purgold zugleich eine neue Abschrift mit, welche sich von der früheren dadurch unter- scheidet, dass der Querstrich des zweiten Alpha über den linken Schenkel beträchtlich hinausgeht, während der des dritten Alpha vollständig erhalten ist. Red.]

zu sein:

iTO

Archiiolot'. Ztg., Jahrg.mg X.XXVIII.

16

120

Bericht

über die Tlultigkeit des kaiserlich deutschen Archäologischen Instituts vom 1. April

1879 bis dahin 1880.

Das Institut beging am 21. April 1879 das Fest seines fünfzigjährigen Bestehens, worüber in dieser Zeitung bereits berichtet ist (XXXVII, S. 106 ff.).

Die Ceutraldirection hielt ihre Plenarversamm- lung zu Berlin am 24.-27. März 1879. Die Namen der gewählten Blitglieder sind bereits in dem an- geführten Berichte über das Jubiläum aufgeführt. Die Stipendien wurden ertheilt den Herren Keck, Purgold, Schäfer und Schmidt, sowie die zwei fälligen christlichen den Herren Erbes und Hol- zinger.

Von den periodischen Publikationen der Ceutral- direction erschien die archäologische Zeitung in regelmässiger Folge.

Die Serie der Karten von Attika wurde unter Leitung des Herrn Curtius so weit gefördert, dass die Ausgabe des 1. Heftes, die Stadt Athen und den Piräeus umfassend, im Rechnungsjahre 1880/81 sicher erfolgen wird. Herr Milchhöfer hat die Ab- fassung des Textes zum Piräeus übernommen.

Die Fertigstellung des 2. Bandes der etruski- schen Urnen ist Herrn Körte übertragen.

Für die Sammlung der römischen Sarko- phage hat Herr Eichler das Zeichnen in Italien fortgesetzt und ist zuletzt mit Herrn Robert in Paris zusammengetroft'en, um unter dessen Leitung die Ergänzung der früher dort beschafl'ten Zeichnungen vorzunehmen und bei der Revision der Zeichnungen behülflich zu sein.

Von der Serienpublicatiou der Terrakotten hat Herr Kekule den ersten Band, die Terrakotten von Pompeji umfassend, bearbeitet von Herrn von Kobden, erscheinen lassen.

Das Repertorium oder der litterarische Appa- rat der Archäologie ist von Herrn Benndorf gemäss den Beschlüssen der letzten Plenarversammlung in Angriff genommen.

Die etruskischen S'piegel sind von Herrn Klügmann fortgeführt worden.

Die Tafeln für das AVerk des Herrn Wau über pompejanische Wandmalerei wurden der Vol- lendung nahe ge!)racht.

Von dem aus Matz' Nachlasse von Herrn von Duhn bearbeiteten Katalog antiker Bildwerke

in Rom mit Ausschluss der grösseren Samm- lungen lagen der Plenarversammlung die ersten Druckbogen vor,

ebenso von dem Katalog der Antikensamm- lung der Villa Ludovisi von Herrn Schreiber

und von Herrn Dütschkes 4. Bande des Kata- log es ober italienisch er Antikensammlungen. Vor Erscheinen des ebenfalls druckfertigen 5. Bandes soll die Antikeusammlung der Marciana demselben eingefügt werden.

Die Tafeln zum 2. Hefte der Darstellungen aus der heiligen Geschichte von Alexander Iwauoff, welche das Institut testamentarischer Verfügung zufolge herausgiebt, sind vollendet; die Lebensbeschreibung Iwauoff's von M. Botkin, welche mit dem 2. Hefte ausgegeben werden soll, ist im Drucke begriffen.

Die römische Section des Instituts gab die Monumenti, Annali und Bullettiui in ordnnngs- mässiger Weise heraus; die Curse und Sitzungen wurden von den Herren Sekretären abgehalten. Herr Heibig besuchte etrurische und umbrische Fund- stätten, andere Reisen führten die Herren von Duhn, Kieseritzky und Mau aus, letzterer nach Pompeji, wo auch das Zeichnen verschwindender Wand- gemälde fortgesetzt wurde. Herr Dressel war für Sammlung von Ziegelstempeln tliätig. In die Biblio- thek fand eine Sammlung von Werken über Re- naissauce-Architektur Aufnahme.

Die athenische Section hat den 4. Band der Mittbeilungen abgeschlossen. Die Sitzungen sind regelmässig gehalten. Durch Ausgrabung hat das Institut zwei Punkte untersucht, ein dem mykeui- schen verwandtes Kuppelgrab bei Menidi und den Athenatempel zu Tegea, letzteren nur recognos- cirend, das Grab bei Menidi abschliessend mit glücklichstem Erfolge, worüber in einer eigenen Publikation Rechenschaft abgelegt ist. Ausserdem l)etreibt das Sekretariat die Forsetzung der Samm- lung und Herausgabe uralter mykcnischer und ihnen verwandter Vasen, wozu Herr Löschcke im britti- sclieu Museum Studien gemacht und Aufnahmen veranlasst hat. Conze.

AEGINETEN UND CORROSION.

Im Herbst 1878 hatte ich bei einer Untersuchung der Aeginetenfragmente in der Glyptothek zu München gefunden, dass jede der beiden Giebcl- gruppen zwei Figuren mehr enthielt als man bisher glaubte. Durch die gütige Vermittelung von Herrn Prof. Overbeck publicirte ich meine Entdeckung in den Berichten der königl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, 1878 Heft II S. 1—94. Nachdem diese Arbeit von Schwabe in den neuen Jahrbüchern für Philologie 1879 S. 616 ff. sehr wohl- wollend besprochen war, erschien kürzlich in der- selben Zeitschrift 1880 H. 1—22 eine neue Behand- lung des Gegenstandes von L. Julius, die zu dem Kesultat kommt, dass ich mich geirrt habe. Da der Verfasser auch einige sachliche Gründe gegen mich vorbringt, die den Einen oder Anderen an der Richtigkeit meiner Resultate irre gemacht haben mögen, so sehe ich mich veranlasst, die Frage hier noch einmal zu behandeln, zumal da ich seitdem einige Details in München von neuem vergleichen und über einen Hauptpunkt, die Corrosion, auf meinen Reisen Material sammeln konnte, das man- chem willkommen sein dürfte.

Ich hatte auf vier bisher entweder nicht er- wähnte oder falsch bestimmte Fragmente bewaff- neter Krieger hingewiesen (den Schildarm 29 und die Beinfragmente 30, 34 und 35), die nicht bei den 12 Figuren unterzubringen waren , aus denen man nach Prachovs Kachweis eines zweiten Zugreifenden jede Giebelgruppe bestehen Hess, und die mir des- halb den Beweis lieferten, dass jeder Giebel noch zwei stehende Schildträger mehr enthielt. Diesen Schluss zu widerlegen gab es nur ein Mittel, näm- lich die betreffenden Fragmeute oder andere, die zu ihrer Bestimmung dienten, den Aegiueten ein- fach abzusprechen. Dies hat denn auch Julius ge- than, und bei der Neuordnung der Aeginetenfrag- mente in der Glyptothek sind die von mir als be- sonders wichtig erkannten Stücke auf einem Haufen zur Rechten des Eintretenden als nicht zu den Aegi- ueten gehörig zusammengelegt worden.

AichUolog. Ztg., Jahrgang XXXVin.

Von dem Schildarm 29, den Brunn früher dem Ostgiebel zugewiesen hatte, kann Julius nach mei- nen Messungen nicht mehr läugnen, dass er dem Westgiebel angehört hat. Er stimmt in der Hal- tung genau mit den Schildarmen der vorhandenen Lanzenkämpfer übereiu, und da alle Schildträger des Westgiebels ihre Schildarme haben, so hatte ich ihn einem neu hinzuzufügenden, sei es ste- henden, sei es knieenden Krieger zugesclirieben. Das hält nun Julius keineswegs für nöthig, son- dern da Prachov einen zweiten Zugreifenden 1. nachgewiesen hat, so gibt er diesem den Arm und findet den „materiellen" Beweis hierfür darin dass alle übrigen Schildträger ihre Schildarme haben ; wobei er nur, wie mir scheint, voraussetzt was er erst beweisen will, nämlich dass die zwei neuen Schildträger nicht dawaren. Dass der Zugreifende 1. keinen Schild gehabt haben kann, hatte ich nun freilich im voraus gezeigt; denn erstens muss ein in gel)ückter Stellung Zugreifender, der einen Schild zur Vertheidiguug trägt, diesen selbstverständlich zur Deckung seines Kopfes über sich, nicht mit leichtgebogenem Arme neben sieh halten, zweitens aber sind von dem Zugreifenden 1. zwei linke Armfragmente vorhanden, nämlich die 1. Hand 24 mit einem Loch an der Aussenseite zur Befestigung in der Wand und der Unterarm 28 mit zwei dem- selben Zweck dienenden Löchern ebenfalls an der Aussenseite, durch deren eines überdiess auf einer Hallerschen Zeichnung ein Stift geht.

Nach Julius gehören nun beide Fragmeute nicht zu den Aegiueten. Warum ? Weil sie hindern, den Schildarm 29 dem Zugreifenden 1. zu geben. Denn einen stichhaltigen Grund führt er nicht an. Er ist vielmehr ganz wie ich der Meinung, dass bei der verhältnissmässig sehr geringen Anzahl der mit den Aegiueten gefundenen aber sicher nicht zu ihnen gehörigen Fragmente (höchstens '/,) nur eine ausgesprochene Differenz in Material, Maassen uud Stil uns das Recht gibt, ein Fragment den Giebelgruppen abzusprechen. In Material und Stil stimmen nun 24 und 2S durchaus mit den Aegiueten überein. Was die Maasse betrifft, so ist der Ge-

17

122

K. Lange, Aegiueten und Corrosion.

lenkumfang: der Hand 24 allerdings etwas grösser als der der übrigen Hände des Ostg'iebels. Die Differenz beträgt aber an der von Julius gemessenen Stelle nicht wie er behauptet 2, sondern wie er- neute sorgfältige Messungen mich lehrten iy._. Cm. Wenn nun die Maasstabelle auf S. 11 f. meiner ersten Abhandlung- bei entsprechenden Gliedern desselben Giebels oft Differenzen von 3 4 Cm. im Umfang zeigt, und wenn Julius selbst auf derselben Seite, wo er unsere Hand den Aegineten abspricht, einen Unterschied von 1 Cm. für nicht zu gross hält, um zwei Fragmeute sogar derselben Figur zu- zuschreiben, „da ähnliche Differenzen sich häufiger linden", so wird der halbe Centimeter mehr ihn .schwerlich berechtigen, die Hand 24 den Aegineten abzusprechen. Was aber den Arm 28 betrifft, so liedaure ich, dass Julius meiner Beweisführung in IJezug auf ihn nicht ganz gefolgt ist.

Er behauptet nämlich, ich hätte gezeigt, dass schon ,. seine Maasse nicht stimmen wollen" (d. h. doch offenbar mit den übrigen Figuren), und schliesst daraus, dass er nicht zu den Aegineten gehöre. Ich hatte dies aber nur unter der Voraussetzung gezeigt, dass die Hand 24 zu den Aegineten gehört. Denn da alsdann letztere vom Zugreifenden 1. im Ostgiebel stammt, der einzigen Figur, der der Arm 28 gehören könnte, dieser aber zu weit erhalten ist, um derselben Figur zugeschrieben werden zu können, so muss er zum Westgiebel gerechnet werden, ob- gleich sein Umfang an der dicksten Stelle genau mit den Ostgiebelmaassen übereinstimmt und der Umfang zunächst dem Handgelenk nur 72 Cm. we- niger misst. Kun entfernt Julius selbst die Hand 24 aus dem Giebel: dann bietet der Arm 28 gar keine Schwierigkeiten mehr, er gehört dem Ostgiebel und zwar dem Zugreifenden 1. an und bep'eist für diesen, also folglich aucli für den des AVestgiebels , was im andern Falle für beide besonders bewiesen wäre, nämlich dass sie keinen Schild trugen, der Arm 29 ihnen also nicht gehören kann.

Noch zwei andere Gründe findet Julius gegen die Zugehörigkeit des Arms 28 zum Zugreifenden 1. : die Löcher an seiner Aussenseite sollen verlan- gen, ihn mit der Innenseite nach oben zu kehren, was wohl für einen Empfangenden, nicht aber für einen Zugreifenden passe. Ich kann nach erneuter Untersuchung nur versichern, dass der Arm nach Maassgabe der Richtung seiner Lücher nicht selir verschieden von dem des Zugreifenden r. bewegt war, wie ihn Thorvaldsen ergänzt hat. Ferner soll die Befestigung des Arms durch einen so kurzen

Stift, wie den von Haller gezeichneten (vgl. meine Tafel II Fig. 28a) unmöglich sein, weil „wie schon Prachov erwiesen", der Zugreifende vor dem Vor- kämpfer, also der Giebelwand fern stand. Wodurch hat Prachov das erwiesen? Durch die Bemerkung, dass das 1. Bein des Vorkämpfers 1. nicht corrodirt sei, folglich das r. Bein des Zugreifenden vor ihm hergegangen sein müsse. Dass eine derartige Benut- zung der Corrosion nicht zulässig ist, wird im zwei- ten Theile dieses Aufsatzes nachgewiesen werden.

Da Julius auf ästhetische Reflexionen sehr viel Werth legt, so versucht er auch zu zeigen, dass der Zugreifende 1., den mau bisher immer arglos ohne Schild ergänzte, auf diese Weise allen Gesetzen der Schönheit ins Gesicht schlagen würde. Der Schild soll nämlich dazu dienen, im Ostgiebel die Aegis der Athene und den Oberkörper des Gefal- lenen zu compensiren. Doch abgesehen davon, dass diese Compensation ganz gut durch die r, Hand der Göttin geschaffen werden konnte denn diese war ohne Zweifel lanzenschwingend erhoben so war sie doch im besten Falle nur im Ostgiebel nöthig, während der Arm 29 grade dem West- giebel angehört, wo die entgegengesetzte Richtung des Gefallenen in der Mitte eine derartige Vermeh- rung der Masse auf der 1. Seite gar nicht einmal wünschenswerth machte.

Natürlich muss Julius, um die Hand 24 und den Arm 28 zu verdächtigen, auch die zwei weiteren Beispiele von Metallbefestigung, die ich gegenüber dem Urtheil Wagners zuerst nachgewiesen hatte, läugnen. Von dem Helmbusch 7 sagt er: „Im Puutello" (vgl. meine Figur 7 a) „freilich ist ein Loch; in diesem ist ein moderner Ring befestigt, durch den eine Sicherheitskette gezogen werden kann. Soll dieses Loch etwa antik sein? Ich kann das kaum glauben : denn es wäre doch sehr unthun- lich gewesen, zur Entlastung der Hand des Zu- greifenden, welche den Helm frei hielt, nur den Helmbusch und nicht lieber den Helm selber an der Wand zu befestigen." Aber da der Helm ja gar nicht erhalten ist, so kann auch er noch befestigt gewesen sein und dies nimmt Julius selbst später an; zwei Befestigungen, wie sie auch der Arm 28 zeigt, sind bei einer so schweren Last ganz natürlich. Das Loch ist aber sicher antik, denn der Puntello, der das Gewicht des Busches vermehrt, ist vom Künstler eben nur hinzugefügt worden, um ein Loch von genügender Tiefe an- bringen zu können, was in dem dünnen Marmor nicht möglich gewesen wäre.

K. Lange, Aegineteu und Corrosioii.

123

Weiter hatte ich auf das Fragment eines Arms 40 hingewiesen, das in der Schildhandiiabe ein durch- gehendes, innen noch mit Metall gefülltes Loch zeigt. Letzteres kann nicht zur Befestigung- des besonders gearbeiteten Schildes gedient haben, wie Julius will, denn der Schild war, was aus der Hruchtliicbe an der Aussenseite hervorgeht, gleich den meisten anderen aus einem Stück mit dem Arm gearbeitet. xVlso kann das Loch nur von einer Wandbefestigung stammen.

Die zwei neuen Schildträger, die aus dem Schild- arm 29 mit Sicherheit für den Westgiebel abzuleiten sind, erwies ich für den Ostgiebel durch drei Frag- mente bewaffneter Beine, 30, 34 und 35, die eben- falls in Marmor, Maassen und Stil mit dem Ost- giebel übereinstimmen und bei keiner der bisher vorhandenen oder angeuommeueu Figuren unter- zubringen sind. Aus Ansätzen von Bewaffnung und Bekleidung, die sich au ihnen finden, schloss ich, dass das zweite Vorkämpferpaar im Ostgiebel, und folglich auch im Westgiebel, stehend zu den- ken sei und dass es Panzer und Beinschienen ge- tragen habe, welches letztere allerdings für den Westgiebel wenigstens nicht bewiesen werden kann.

Den Einwand, dass nach meinem Entwurf auf jeder Seite ein Vorkämpfer mit und einer ohne Pan- zer und Beinschienen paarweise gruppirt werden wür- den, was „nach der Sprache der griechischen Kunst" unmöglich sei, hat schon Overbeck im Vorwort zur dritten Auflage seiner Geschichte der griechischen Plastik durcli Hinweis auf den Nikefries und zahl- reiche andere Beispiele widerlegt. Auch auf die Frage, wie sich in der sonst nackten Gesellschaft ein völlig gewappnetes Kämpferpaar ausnehmen würde, hat Overbeck durch Hinweis auf den ge- panzerten Bogenschützen 1. im Westgiebel hinreichend geantwortet. Ich möchte hier nur noch hinzufügen, dass grade durch die zwei neuen Vorkämpfer wenig- stens im Ostgiebel der Herakles und sein Gegenstück nicht so vereinzelt unter der nackten Gesellschaft der übrigen Figuren dastehen als bisher, ja dass durch den regelmässigen Wechsel zwischen beklei- deten und unbekleideten Figuren eine vorzügliche Farbenwirkung erzielt wurde, deren Bedeutung der- jenige nicht unterschätzen wird, der gewohnt ist, antike Sculpturen mit einiger Farbenphantasie an- zuschauen. —

Diese Gründe hält Julius für genügend, meine „Hypothese zu zertrümmern". Gewissermassen zum Ueberfluss bringt er noch einen Beweis gegen dieselbe vor, der nach seiner Meinung sogar ein

„mathematischer" ist. Er behauptet nämlich: „Der Raum im Giebel erlaubt nicht zwei stehende Lanzen- kämpfer auf jeder Seite."

Wer sich erinnerte, dass ich durch eine Ober- ansicht der ganzen Compositiou geometrisch die Mög- lichkeit bewiesen hatte, 14 Figuren im Giebel unter- zubringen, musste erwarten, dass Julius sich be- mühen werde, die Correctheit meiner Messungen anzuzweifeln. Weit gefehlt! So mühsame Beweise hält er nicht fürnöthig; bietet ihm doch auch hier die Corrosion eine bequemere Handhabe. Zunächst giebt er durchaus zu, dass wenn überhaupt zwei neue Vorkämpfer im Westgiebel anzunehmen seien, die Figuren nur so georduet werden können wie ich sie ordne : die erhaltenen Vorkämpfer der Giebel- mitte zunächst. Nun macht er die Entdeckung, dass die Corrosion an der r. Seite des Vorkämpfers 1. auf dem Oberschenkel plötzlich aufhöre und zwar „deut- lich fühl- und sichtbar kreisförmig concav". Dies erkläre sich nur dadurch, dass vor dieser glatten Stelle ein runder Gegenstand, d. h. der Schild des knieenden Lanzenkämpfers 1. gewesen sei, und da nun, wie ich selbst nachgewiesen, zwei neue Vor- kämpfer nicht erlauben würden, die erhaltenen Vor- kämpfer und die knieenden Lanzeukämpfer zu grup- piren, so seien die zwei neuen Vorkämpfer zu ver- werfen. Ich brauche kaum zu bemerken, dass dieser „mathematische" Beweis nichts als ein Cirkelschluss ist, da Julius auch hier voraussetzt, was er erst beweisen müsste, nämlich dass glatte Stellen an corrodirteu Figuren sich nur durch davor befindliche Gegenstände erklären lassen. Nun kann man zudem grade hier sicher nachweisen, dass die Corrosion, um die es sich handelt, nicht im Giebel entstanden ist, son- dern unter der Erde. Sie erstreckt sich nämlich kei- neswegs, wie Julius glauben machen will, in dieser Stärke auf deu ganzen Obevkörper der Figur, sondern hört, wie die Schraftirung auf beistehendem Holz-

sclniitte zeigt, nach oben zu plötzlich auf, und zwar mit der Bruchkante des ganzen Beins. Beim

124

K. Lange, Aegineteii und Corrosion.

Einsturz des Giebels brach das Bein vom Körper ab und kam am Boden resp. unter dem Bauschutt so zu liegen, dass die Oberfläche zunächst dem Bruch stark verwitterte, währeud die anstossende Fläche des Oberkörpers in Folge einer geschützteren oder trockneren Lage nur jenes Minimum von Corrosion zeigt, das auch ich im Giebel entstanden denke. Wenn diese Corrosion nach unten zu bogenförmig endigt, so ist das der reine Zufall, währeud der Umstand, dass sie sieh aucli hinten auf dem Glutäus fortsetzt, und zwar in einer Form und Ausdelmung, dass man sie nicht durch vom Helmbusch herab- tropfendes Regenwasser erklären kann, eine weitere Bestätigung dafür bietet, dass sie nicht im Giebel entstanden ist').

Zwei andere Gründe giebt mir Julius selbst an die Hand, und ich will sie wenigstens erwähnen, obwohl ich sie der Sache nach für falsch halte. Er führt nämlich des längeren aus, dass der pa- rische Marmor, wie die Theseion -Metopen zeigen, keineswegs von ganz gleichmässiger Structur sei und deshalb auch ganz unregelmässig verwittere. Da er nun schwerlich die glatten Stellen der The- seion-Metopen durch davor befindliche Schildträger erklären wird, so kann man auch wohl für die Aegineten von ähnlichen Erklärungsversuchen ab- sehen. Ferner dreht er denselben knieenden Lanzen- kämpfer 1., dessen Schild er für die Glätte auf dem Bein des stehenden Lanzenkämpfers verantwortlich macht, um eine Corrosion seiner 1. Wange zu er- klären, mit dem Kopfe nach der von S. W. kommen- den Verwitterung zu, ohne zu bedenken, dass dann natürlich auch dessen Schild mit der scharfen Kante nach dieser selben Seite zu gerichtet sein würde, also das glatte Bein des Vorkämpfers nicht mehr schützen könnte.

So wären denu die beiden Vorkämpfer wieder in ihr Recht eingesetzt. Ihr Nachweis stützte sich einfach auf die Existenz der Fiagmente, die auch Julius nicht läugnet, sondern nur durch verkehrtes Hineinmengen der Corrosion in ihrer Beweiskraft abzuscliwächen sucht^).

') Die an Gipsabgüssen gar nicht erkennbare Bruclikante des Beins konnte man auch am Original allenfalls übersehen, da sie mit Gips verschmiert und staubig geworden ist.

■') Die Wahrscheinlichkeitsberechnung, wonach es undenkbar sein soll, dass sich von 4 Figuren nur 3 (besser i mit dem Schild- arm 29) Fragmente gefunden haben, kann ich wohl angesichts der Thatsache, dass von mehreren Figuren des Ostgiebels nur ein Fragment, von den beiden Zugreifenden im Westgiebel nur ganz wenige Bruchstücke erhalten sind, auf sich lieruhen lassen.

Ein Nebenresultat meiner ersten Abhandlung war, dass Herakles, den Brunn wegen der Corrosion seiner 1. Seite auf die rechte Giebelhälfte versetzt hatte, wieder auf die 1. zu setzen ist, weil diese den Griechen gehört. Denn der Verwundete in der Mitte ist auf jeden Fall ein Grieche, das verlangt die ganze Handlung, besonders die schützende Stellung der Athena. Nun wird er, wie Prachov nachgewiesen, von r. her beraubt, von derselben Seite, gegen die Athena ihre Aegis schüttelt. Rechts müssen also die Troer, links die Griechen stehen. Julius meint freilich, Atliena greife überhaupt nicht unmittelbar in den Kampf ein, schon ganz „materiell" genommen stehe sie ihm fern nun ja, so fern, dass sie im Westgiebel ihren Schild quer vor den Zugreifenden r. schiebt und dass aus dem Schilde des Gefallenen in der Mitte ein beträchtliches Stück herausgeschnitten werden musste, um für ihre Beine Platz zu schaffen! Meine Bemerkung, dass schon die Stellung der Athena zwischen beiden Flügeln, deren Vertheilung ja ganz im Belieben des Künstlers stand, für ihre Parteinahme charakteristisch sei, berücksichtigt Julius gar nicht. Gegen die Beraubung von der r. Seite aber hat er einen Einwand, an den ich freilich nicht gedacht hatte: der Zugreifende r. ist gar nicht ein Feind des Gefallenen, sondern ein Freund, der seine Waffen rettet: „er liest unterwegs den Helm auf, um alsdann auch den Versuch zu machen, den Gefallenen zu seiner Partei hinüber- zuziehen"! Sollte es nicht doch zweckmässiger sein, erst den Körper zu retten, anstatt sich die Hände mit Waffen zu überladen und dem Feinde so Zeit zum Hinüberziehen des Gefallenen zu geben? Ueber- dies lässt die ganze Haltung nicht an ein Auflesen, sondern nur an ein Berauben denken, und gegen dieses vertheidigt sich ja auch der Gefallene mit dem Schwert, wie Prachov weitläufig auseinander- gesetzt bat').

II.

Die zahlreichen Glätten der Vorderseiten und Corrosionen der Rückseiten an den Aegineten hatten mich nach Vergleich anderer Werke und unter Con- sultation eines Mineralogen zu dem Resultat kommen

'■') Eine erfreuliche Bestätigung meiner Ansicht finde ich darin, dass A. Burckhardt (Ueber die äginetischen Giebel- gruppen. Einladungsschrift des Pädagogiums zu Basel 1879) ganz kürzlich unabhängig von mir mit denselben Gründen für dieselbe Sache eingetreten ist. Auch Overbeck (Gesch. der griech. Plast. I ' S. 233 Anm. 77) hat sich mir trotz des nicht näher motivirten Widerspruchs von Schwabe (Neue Jhrb. f. Philol. 1879, S. 619) angeschlossen.

K. Lange, Aegineten und Corrosion.

125

lassen, dass uur das Minimum der Corrosion an den exponirten Seiten oben im Giebel entstanden sei, alle stärkeren Verwitterungen dagegen, sowohl die ganz unregelmüssig vertlieilten im West- als auch die ziemlich ^regelmässigen im Ostgiebel, an oder unter der Erde. Da einerseits auch Julius eine Erdcorrosion bei nicht weniger als drei Figuren und einem Fragment annimmt, andrerseits es mir nicht eingefallen ist, die Verwitterung antiker Werke über der Erde überhaupt zu läugncn, so handelt es sich nur um die Frage, welcher Grad der Cor- rosion der Luft, welcher der Erde zuzuschreiben sei. Die Regelmässigkeit der Corrosion an den Ost- giebelfiguren hatte ich durch die Annahme erklärt, dass sie zumeist auf die Vorderseiten stürzten und durch den Contact mit der Erde grade hier ziemlich stark corrodirteu, indem sich die Feuclitigkeit in der Erde viel länger als in der Luft hielt und folglich viel stärker wirken musste^).

Julius behauptet nun, auch der parische Mar- mor verwittere sehr stark an der Luft; das gehe aus den Theseion-Metopen hervor, die, obwohl sie nie in der Erde gelegen, doch zahlreiche Verwitterungen zeigten. Das ist allerdings richtig. Doch sind ihre Corrosionen so unregelmässig, dass es offenbar un- möglich ist, sie dem direct auffallenden Regen zu- zuschreiben. Ist doch z. B. der Sinis über und über ungefähr so stark zerfressen wie der Gefallene r. im aeginetischen Westgiebel, während auf der Stiermetope z. B. die hintere Hälfte des Stiers und der grösste Theil vom Gewände des Theseus voll- kommen intact sind. Da giebt es nur eine Erklä- rung: Durch den Einfluss der Witterung wurden die Geisonblöcke, welche die Metopen vor dem un- mittelbaren Aufschlagen des Regens schützten, an den Fugen durchgefressen, das Regenwasser sickerte durch und wirkte auf einzelne Stellen zerstörend, auf andre gar nicht ein, eine Erscheinung, die man auf jeder Photograpliie eines antiken Tempels be- obachten kann.

Als zweites Beispiel deutlicher Luftverwitterung nennt Julius die Parthenonsculpturen. Da ich über sie und andere Werke der griechischen Plastik in London, Paris und Berlin genauere Untersuchungen

*) Man konnte auch an die stellen- und schichtenweise auf- tretenden Säuren denken, die natürlich in dem über den Figuren sich häufenden Bauschutt nicht vorhanden waren. Da genaue Nachrichten über die Lage der einzelnen Figuren fehlen, so ist auch die Möglichkeit, dass die Vorderseiten nach dem Fall meistens nach oben gerichtet waren und durch den Jahrhunderte langen directen Regenfall in dieser ungeschützten Lage corrodirten, nicht ausgeschlossen.

in dieser Richtung gemacht habe, so sei es gestattet, diese hier in grösserem Zusammenhange mitzutheilen.

Julius läugnet den Einfluss der Erde schlechthin (was ilin freilich nicht hindert, ihn hie und da selbst zur Erklärung heranzuzielien), schon deshalb weil der grösste Theil der unsere Museen füllenden Werke, obwohl unter der Erde gefunden, keine Spur von Corrosion zeige. Man kann an zahlreichen Beispielen das Gegentheil auch für die in Italien gefundenen Werke nacliweisen. Ein besonders schlagendes ist ein kleiner bogenspannender Eros No. 146 im third Graeco- Roman Saloon des brit. Museums, der in der Nähe von Antium gefunden worden ist: Körper und Flügel waren in eine Am- phora eingeschlossen und sind ganz intact geblieben, Füsse, Köcher und Stütze lagen nahe davon in der Erde und zeigen eine ziemlich starke Verwitterung ^),

Darüber dass an griechischen Werken die Erdcorrosion vorhanden ist, und zwar in viel höherem Grade als die Luftcorrosion, besteht unter Leuten, die griechische Monumente mit Aufmerksamkeit be- trachtet oder an Ausgrabungen Theil genommen haben, kein Zweifel. Interessant ist in dieser Hin- sicht die Erscheinung, dass bei Friesen aneinander stossende Platten und bei gebrochenen Gliedern die Theile zu beiden Seiten des Bruches verschieden stark corrodirt sind.

Die sechs Platten des archaischen Wageufrieses von Xanthos im brit. Museum«) sind in ganz un- gleicher Stärke corrodirt, z. B. ist die Platte mit dem vordersten Wagen sammt dem darauf stehenden Lenker stark verwittert, während die r. anstossende Platte mit den Pferden dieses Wagens sowie Armen und Gesicht desselben Wagenlenkers vollkommen glatt erhalten ist.

Ebenso sind beim Fries von Assos die einzelnen Platten verschieden stark zerstört.

Am Fries von Phigalia, der am ursprünglichen Bau dem Regen gar nicht ausgesetzt war, sind zahlreiche Verwitterungen vorhanden, und zwar wiederum unregelmässige. Nicht nur ist eine ganze Platte (No. 12 im brit. Museum) viel stärker cor- rodirt als die übrigen, sondern es sind auch zahl- reiche Theile einer Platte oder einer Figur, die abgebrochen waren, stärker verwittert als die un-

^) Synopsis of the Contents of the British Museum: a guide to the Graeco - Roman sculptures. Part. I. sec. edition

1879 p. 6ß. Vgl. auch Hancarville, Recherches sur Vorigine etc.

I 345. Letzterer macht ,,les sels de la terre" für die Corro- sion verantwortlich.

') A. Prachov, Antiquissima momimenta Xanthica. Pe- tersburg 1871, Z ab.

126

K. Lange, Aegineteii und Corrosion,

mittelbar daianstossenclen, wofür die Beispiele hier aufzuzählen zu weit führen würde.

Dass die Parthenon-Sculpturen, obwohl sie zum grössten Theil nie unter der Erde gelegen haben, doch starke Spuren von Witterungseinfluss zeigen, ist bei der schiefrigen, wenig compacten Structur des pen- telischen Marmors ganz natürlich. Von einer regel- mässigen Lufteinwirkung auf einer Seite ist aber nicht die Rede. Die ursprüngliche Oberfläclie, durch bräunliche Farbe und politurartige Glätte kenntlich, ist ausser auf einigen Rückseiten z. B. der des Kephisos, an folgenden der Witterung ausgesetzten Stellen erhalten geblieben : r. Seite des Halses und Innenseite des linken Armes des Helios, Stücke der r. Seite seines vorderen Pferdekopfes, grosse Stücke an der Gewandung der beiden sitzenden Frauen, der Iris und der liegenden Frau (und zwar nicht etwa die geschützten Theile der Falten, sondern grade die, wo sich das Wasser am längsten halten musste), ferner Stücke vom Oberkörper und linken Beine des Kephisos und vom Oberkörper des Poseidon, endlich Faltenpartien im Gewände der Leukothea. Wenn diese zahlreichen Stellen bei dem pentelischen Marmor und bei einer über 2000jährigen Einwirkung des Wassers glatt geblieben sind, wie sollte der jedenfalls härtere parische Marmor der Aegineten, der viel kürzere Zeit der Witterung ausgesetzt war, in dem Grade an der Luft corrodirt sein, den die Ostgiebelfiguren zeigen?

Bei den Maussoleum-Sculpturen, deren Mar- mor allerdings härter ist wie der der Parthenon- Figuren, aber doch gewiss nicht wie der der Aegineten, gehören die corrodirten Theile der Oberfläche zu den Seltenheiten. Grade die nach oben gewendeten Flächen derjenigen Figuren, die siclier am Äusseren des Gebäudes augebracht waren, wie der Pferde, des Maussolos, des Reiters in phrygischem Costüm, sind nicht nur nicht corrodirt, sondern sogar so gut erhalten, dass man deutlich die einzelnen Raspelstriche sieht, mit denen der Künstler ilirer Oberfläche ein rauhes Ansehen ge- geben hat. Bei den Löwen ist die Zerstörung sehr unregelmässig, von einer Wetterseite keine Rede. Die einzelnen Köpfe sind theils ganz glatt erhalten uud nur mechanisch zerstört, theils ringsum bis zur Unkenntlichkeit zerfressen natürlich, denn sie wurden überall zerstreut, zum Theil in Gebäuden eingemauert zum Tlicil in der Erde, gefunden.

Besonders instructiv für den Ostgiebel von Aegina ist das Studium des Nereiden-Monumentes von Xantlios. Denn die zu ihm gehörigen Statuen sind

ebenfalls von parischem Marmor, und nach den Fundberichten ist es unzweifelhaft, dass sie in den Säuleniutercolumnien standen'), folglich mit der Vorderseite vollständig dem Wetter ausgesetzt waren. Dennoch finden sich an der Vorderseite aller Figuren zahlreiche mehr oder weniger grosse glatte Stellen, besonders bei 79 und 83 im brit. Museum und bei dem von der linken Hand von 78 herabfallenden Gewände, während die Hinterseite der meisten Figuren mehr oder weniger corrodirte Theile auf- weist, so bei 77 und 78, besonders aber bei 82, wo die ganze Rückenpartie leicht corrodirt ist. Dass die am meisten vortretenden Theile, Oberschenkel, Kniee, Brüste, Faltenliöhen und Füsse am meisten verwittert sind, wird man ähnlich zu erklären haben wie die Corrosion der Ostgiebelfiguren von Aegina, wenn man nicht lieber annehmen will, dass auf diese Stellen das Regenwasser vom Gebälk herab- tropfte. Für Erdcorrosion spricht freilich auch hier der Umstand, dass grade die stärksten uud ausge- dehntesten Corrosionen der Aussenseiten, z. B. an 75 (Michaelis I) und 81 (Michaelis IV) nicht von derselben Richtung herkommen, sondern dass bei einer und derselben Figur die eine Corrosion nach vorn, die andere nach der Seite oder gar nach hinten gewandt ist. Eine schon mehrfach beobachtete Erscheinung findet sich auch auf dem Rücken von 78, wo die Fläche auf der einen Seite eines Bruches etwa 2 Zoll breit verwittert, die anstossende Fläche dagegen glatt geblieben ist.

Einseitig corrodirte Einzelfiguren kommen öfter vor. So ist bei einer archaischen unterlebens- grossen Figur in der Rotunde des Louvre die Vor- derseite ziemlich regelmässig verwittert, die Hinter- seite glatt, während umgekehrt bei einer neuerdings ins britische Museum gelangten archaischen sog. Apollonfigur, die demnächst von Löschcke in dieser Zeitschrift publicirt werden wird, sowie bei einem Dionysos im Louvre (No. 216) grade die Rückseite die corrodirte ist. Man sieht hieraus, dass auch aus einseitigen Corrosionen keineswegs auf die ursprüngliche Stellung geschlossen werden kann.

Am wichtigsten für unsere Untersuchung sind jetzt die pergamenischen Sculpturen geworden. Ihr Material ist ein bläulicher Marmor, etwas fein- körniger als der der Aegineten, etwa so hart wie die zweite Sorte des carrarisclien. Seine Verwitte- rungsfähigkeit sciicint grösser als die der Aegi- neten zu sein, denn an den corrodirten Theilen ist der Marmor an der Oberfläche leicht wie Sand-

') Michaelis Ann. d. Inst. 187.j p. 17'J Anm. 347.

K. Lange, Aegineten und Corrosion.

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stein mit der Hand abzureiben, was bei jenen un- möglicli ist.

In Bezug auf Corrosion theilen sich die per- gameuisclien Reliefe in zwei Grup))en, nüuilich in diejenigen, welclie in der byzautiuisclien Mauer mit der Reliefseite nach innen eingemauert waren, und in solche, die in der Erde gefunden sind. Auf den e rsteren sitzt eine dicke, steinhart gewor- dene Kalkkvuste, die jetzt mühsam entfernt wird, und unter der die ursi)rUngliclie Oberfläche meist so intact erscheint, dass man die einzelnen antiken Raspelstriclie genau erkennen kann "). Diejenigen Stücke dagegen, die in der Erde lagen, sind fast alle mehr oder weniger stark corrodirt, meistens über und über, oft aber auch nur stellenweise. Besonders frappant ist der Gegensatz zwischen cor- rodirten und nicht corrodirteu Stücken da, wo von zwei aneinander stossenden Theilen einer Figur der eine in der Mauer gesessen, der andere in der Erde gelegen hat: diesseits des Bruchs vollkommene Glätte, jenseits starke Corrosion. Conze und Hu- mann erklären die verschiedene Corrosion der unter der Oberfläche gefundenen Theile durch ihre ver- schiedene Lage in der Erde: im ganzen sollen die Platten, die mit dem Relief nach oben gekehrt waren, stärker corrodirt sein als die übrigen. Nach Humauu hätte auch die Art der Erde, ob Sand ob Humus, entscheidend eingewirkt. Auch entnehme ich den Angaben Treus über die olj'mpischen Sculp- turen, dass da wo die Lage in verschiedenen Erd- sorten zu constatiren ist, ihre Spuren auf der Ober- fläche deutlich erkannt werden können. Vorläufig wird mau also nicht sowohl die durchsickernde Feuchtigkeit als die chemische Beschaffenheit der Erde für die Zerstörung verantwortlich zu machen haben.

Was die Giebelfiguren von Olympia betrifft, so ist die Erlialtung ihrer Oberfläche eine auffallend gute. Corrosionen in der Stärke wie bei dem Ost- giebel von Aegina sind nur sehr wenige vorhanden, sehr zahlreich dagegen sind die grossen fast glatten oder nur ganz leicht corrodirten Flächen. Auch

") Wenn auch au dieseu Stücken hie und da eme Corro- sion vorkommt, wie z. B. bei dem r. Oberschenkel und einem Schlangenstück des Giganten der r. Treppenwange, in dessen Schlange ein Adler die Krallen einschlägt, so wird man das, «eil diese Stellen grade die am weitesten vorragenden des gan- zen Reliefs sind , wohl durch die Annahme erklüren dürfen, dass auf sie der Regen vom Gesims herabtropfte. Doch ist diese Corrosion viel unregelmässiger als an den Üstgiebelßgureu von Aegina und erinnert vielmehr an die Figuren des Nereidenmo- numents.

für die Unterschiede der Zerstörung zu beiden Sei- ten eines Bruches gibt es hier melirere Beispiele, worauf mich Treu besonders aufmerksam machte. So ist z. B. der Kopf des Apollon im Westgiebel, der im Sand gefunden wurde, ganz intact, sein Körper, der in Humuserde lag, leicht corrodirt, die Schenkel wiederum glatt und ein unter einer Säulen- trommel gefundener Gewandzipfel hinter dem r. Bein sogar mit der Farbe erhalten; ebenso ist der Körper Hippodameias ganz intact, ihr neu gefun- dener Kopf stark verwittert. Die am meisten vor- tretenden Pferde der Viergespanne und die bei- den Lapitlien vor den der Mitte zunächst stehenden Kentauren im Westgiebel haben die dahinter be- findlichen Theile nicht vor der Verwitterung ge- schützt. Köpfe, die so stark exponirt waren wie der des Peirithoos 1. und der ueugefundene Frauenkopf mit der Hand im Haar sind trotzdem fast ganz intact. Bei den Metopen kann man zufällig nach- weisen, dass sie am Tempel sogar ihre Farbe con- servirt haben: der Herakleskopf von der Löwen- metope war beim Sturz unter eine Eckquader ge- kommen und zeigt noch seine ganze Bemalung, während z. B. dass Fass des Eurystheus, dessen Kopffragment eine vollkommen glatte Oberfläche zeigt, sehr stark, offenbar von auftropfendem Regen, corrodirt ist.

Ich darf hier nicht verschweigen, dass Conze die Verwitterung der kleinen Giebelfiguren von Samothrake im Giebel entstanden denkt, da sie sich grade an den Theilen findet, die dem Regen ausgesetzt waren. Ihre Stärke erklärt er aus der geringen Widerstandskraft des Marmors und aus dem sehr regnerischen Klima. Möglich dass dies zur Erklärung ausreicht, jedenfalls zeigen auch hier einige glatte Stellen an den Vorderseiten und das Vorhandensein starker Corrosionen nach verschie- denen Richtungen hin, dass von einer Regelmässig- keit der Einwirkung nicht die Rede sein kann.

Auf Grund der hier zusammengestellten That- sachen wende ich mich wieder zu den Aegineten. Dass man corrodirte Flächen auf ihren Hinterseiten auch durch Zufälligkeiten im Giebel, z, B. durch umgekantete Geisonblöcke, die das Wasser herab- laufen Hessen, erklären könne, will ich um so we- niger läugnen, als ich selbst die Verwitterung der Theseiou- Metopen ähnlich entstanden denke; dass man es darum müsse, wird niemand behaupten. Zudem giebt es an den Ostgiebelfiguren drei schla- gende Beweise für Erdcorrosion:

Erstens: die Wetterseite ist in Aegina nach

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K. Lange, Aegineten und Conosion.

Milcliböfers Untersuchungen Südwest; trotzdem sind die Ostgiebelfiguren stäriier corrodirt als die des Westgiebels. Julius erklärt dies daraus, dass der Marmor des Westgiebels von compacterer Structur als der des Ostgiebels sei, und in der Tbat ist jener etwas feinkörniger als dieser; doch dass er darum auch leicbter verwittern müsse, ist eine ganz will- kürliche Voraussetzung. Die Verwitterungsfähigkeit hängt mit der Grösse des Korns gar nicht zusam- men, wie zahlreiche Erfahrungen lehren, und wenn sie es thäte, so wurde eher der feinkörnigere Mar- mor bei der grösseren Zahl seiner Angriffspunkte verwitterungsfähiger sein als der grobkörnigere.

Zweitens: die Waffenstücke, die aus Metall oder Marmor angesetzt waren, wie Wehrgehänge, Backenklappen u. s. w. haben die unter ihnen be- findlichen Flächen nicht vor der Verwitterung ge- schützt, was sie doch hätten thun müssen, wenn die Verwitterung im Giebel entstanden wäre, da sie dort ohne Zweifel noch an ihrer Stelle sassen. Ausnahmen hiervon sind die Frisur der Athena des Ostgiebels und die Schamhaare des Vorkämpfers 1. im Ostgiebel, die offenbar beide nicht gleich beim Sturz abbrachen oder wenigstens so lauge an ihrer Stelle blieben, dass sie die darunter befind- lichen Theile vor Verwitterung schützten.

Drittens: abgebrochene Glieder sind verschie- den corrodirt von den austossenden Körpertheilen ''). Julius läugnet dies zwar. Bei genauer Prüfung zeige sich nämlich, „dass an allen nach Maassgabe der Bruchflächen sicher zu einem erhalteneu Kumpfe gehörigen abgebrochenen Gliedern die Corrosion an durcliaus entsprechender Stelle und in der Nähe des Bruches auch in gleicher Stärke wie am Piumpfe sich finde." Wenn dies wirklich der Fall wäre, so würde es keineswegs gegen Erdcorrosion sprechen, sondern einfach beweisen, dass die am Bodeu ab- gebrochenen Glieder in derselben Lage verblieben wie die zugehörigen Torsen, was jedenfalls die Regel war. Nun gibt es aber ausser dem oben besprochenen r. Bein des Vorkämpfers 1. im West- giebel nicht weniger als fünf Beispiele derselben Art: vom Gefallenen r. im Westgiebel, dessen Torso ungemein stark zerfressen ist, hat der r. zum grössten Theil antike Arm eine vollkommen glatte Ober- fläche. Der 1. Fuss des Gefallenen 1. im Ostgiebel ist auf dem nach oben gekehrten inneren Knöciiel ganz glatt erhalten, während das Bein auf dieser

") Dies Argument, das ich schon bei vielen anderen Denk- mälern angewandt habe, verdanke ich einer Bemerkung L.Schwabes in der Anzeige meiner Arbeit.

Seite unmittelbar vom Bruch an ziemlich stark cor- rodirt ist. Vom Gefallenen in der Mitte des West- giebels ist der r. Oberarm an der Aussenseite stark corrodirt, der Unterarm, der abgebrochen war, ganz glatt. Vom Vorkämpfer 1. im Westgiebel ist der 1. Oberschenkel stark corrodirt, der gebrochene Unterschenkel glatt. Während der r. Arm des Zu- greifenden r. im Ostgiebel stark corrodirt ist, hat der Helmbusch 7, der nur durch den Helm von ihm getrennt war, eine ganz glatte Oberfläche. Damit wird wohl die Erdcorrosion auch für die Ostgiebelfiguren von Aegina ein für allemal be- wiesen sein.

Noch ein Wort über den Julius'schen Compo- sitionsentwurf, den er wohl nicht ganz correct den „Brunn-Prachovschen" nennt. Da Julius nicht alle Corrosionen der Rückseiten aus Zufälligkeiten im Giebel oder aus auftropfendem Regen nach dem Fall erklären kann, um nicht endlich doch zugeben zu müssen, dass die Corrosionen ganz unsichere Büttel der Kritik sind, erklärt er einige derselben auf eine neue Weise, nämlich durch die Drehung der betreffenden Figuren im Giebel. Durch diese sollen sich dann auch mehrere Glätten an den Vorderseiten erklären, die man nicht aus davor befindlichen Fi- guren ableiten kann. Sehen wir, was er um dies Priucip durchzuführen den aeginetischen Künstlern zutraut.

Der sog. Paris ist auf der 1. Schulter glatt, auf der r. Rückenhälfte ganz regelmässig corrodirt, folglich dreht ihn Julius, um jene Stelle zu decken, diese der von S.W. kommenden Witterung auszu- setzen so, dass er schräg in die Giebelwand hin- einschiesst! Leider würde dadurch auch die 1. Seite seines Gesichts geschützt, obwohl sie stark cor- rodirt ist. Dagegen wird der knieende Lanzen- kämpfer 1. wegen der Corrosion seiner 1. Gesichts- hälfte mit dem Gesicht nach S.W. gedreht, wobei zugleich sein glatter r. Unterschenkel vor der Witte- rung geschützt werden soll. Freilich bleibt dann die Glätte seiner 1. der Luft ausgesetzten Hand unerklärt, und überdies wird es, wie schon oben bemerkt, unmöglich, dann die Glätte auf dem r. Beine des Vorkämpfers 1. durch den Schild dieses selben Lanzenträgers zu erklären. Jlan sollte fer- ner erwarten, dass Julius den Bogenscliützen 1. der Responsion wegen ebenfalls schräg in die Wand schiessen lässt. Ganz im Gegentheil! Auch hier gilt es ja, eine Glätte am r. Unterschenkel und eine Corrosion am 1. Oberschenkel zu erklären, und so wird die Figur der vorigen parallel, d. li.

K. Lange, Aegineten und Corrosion.

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mit dem Kopf uacli der Geisonkante gedreht, wo- bei freilich wieder eine grössere corrodirte Fläche unter der r. Achsel in gedeckte Stellung käme. Kurz, wo es geht, werden Corrosionen und Glätten aus der Stellung erklärt; wo es nicht geht, aus der verschieden compacten Structur des Marmors; wo auch das nicht räthlich scheint, gar aus dem ver- schieden festen Anhaften der Farbe, wie bei den ungedeckten und doch theilweise glatten oberen Gewandfalten der Athena; oder und das ist jedenfalls das einfachste gar nicht! Bei den Zugreifenden und Vorkämpfern bieten sich nun wieder entweder ganz zufällige oder (wie bei dem 1. Unterschenkel 38) gar nicht vorhandene glatte Streifen, aus denen geschlossen wird, dass der Zugreifende 1. nahe, derjenige r. fern der Giebel- wand gestanden habe und von diesen Unregel- mässigkeiten, die Julius in die Anordnung hinein- bringt, behauptet er dann, dass sie „für das Ein- dringen in die Feinheiten der Composition" von grosser Wichtigkeit sind! '")

'") Was die Deutung der Aegineten betrift't, so hatte ich mich mehr für Patroklos' als für Achills Tod ausgesprochen. Da nun auch A. Burckhardt (a. a. O.) sich unabhängig von mir ebenso entschieden hat, so kann ich mich begnügen, auf seine und meine früheren Argumente zu verweisen. Betreffs der kunsthistorischen Stellung der beiden Giebel zu einander war ich zu dem Resultat gekommen , dass der Ostgiebel etwas später als der Westgiebol von einem selbständig arbeitenden Meister gefertigt sei, wobei ich natürlich an einen , beträchtlichen" Unterschied bei ihrer grossen formalen Verwandtschaft nicht gedacht hatte. Auch in dieser Beziehung muss ich auf früher Gesagtes verweisen und be- merke dazu nur, dass es keineswegs auffallend ist, wenn der West- giebel, der nach der Insel zu lag und beim Aufgang zum Tempel zuerst ins Auge fiel, auch zuerst mit Sculpturen versehen wurde, und dass ferner die von Julius constatirte Verschiedenheit des Marmors durchaus gegen eine völlig gleichzeitige Entstehung beider Giebel spricht.

Im Interesse der Sache muss ich bedauern, dass Julius sich nicht begnügt hat, mir im Einzelnen Fehler in Angaben und Zeichnungen nachzuweisen, wobei er ohne Zweifel noch mehr als die fünf Ver- sehen hätte finden können, die ich um so lieber zugebe, als sie für die Hauptfrage ganz gleich- giltig sind und jeder billig Denkende sie dem Anfänger verzeihen wird, der einer verwickelten Frage und einem reichen Material gegenüber ganz auf seine eigene Kraft angewiesen war ' ').

K. Lange.

") Diese fünf Fehler sind folgende: die Ferse 13 habe ich mit Unrecht dem Bogenschützen 1. im Ostgiebel zugeschrieben, sie gehört vielmehr einer weiblichen Figur an, wie aus leisen Faltenspuren, die ich bei der dunklen Aufstellung übersehen, hervorgeht. Das Säulenkapitell (No. 78 im Katalog) schrieb ich mit Unrecht der äusseren Säulenreihe zu, da ich mich seiner Grösse nicht mehr erinnerte. Bei Fragment 2 hatte ich zu er- wähnen vergessen, dass Prachov es schon benutzt und abgebildet hat. Bei der Zeichnung von Fragment 10 sind oben zwei quer- laufende Striche vergessen, weil sie auch in Prachovs Zeichnung fehlen, nach der die meinige gemacht ist. Ein Versehen war es endlich, wenn ich vermuthete, die Hohenmaasse der Figuren in Brunns Katalog seien durch Umrechnung aus dem Schom- schen Katalog erlangt. Veranlasst wurde ich hierzu dadurch, dass der Gefallene links im Ostgiebel von Fussspitze zu Scbild- rand 1,S45 M. misst, während Brunn 1,68 angiebt, was freilich wie Julius mittheilt (indem er übrigens fälschlich 1,88 als rich- tiges Maass nennt) ein Druckfehler ist. Dann aber sind in Brunns Compositionsentwurf die beiden Vorkämpfer um etwa 10 Cm. zu niedrig gezeichnet, was allerdings, wie ich zu con- statiren versäumte, mit den Angaben des Katalogs nicht stimmt. Wenn Julius bei der Bestimmung zahlreicher anderer Fragmente (z. B. 14. 33. 37. 38. 40. 41. 42. 52. 53. 56. 57; vgl. besonders S. 11) von mir abweicht, so beruht das entweder auf der Vor- aussetzung, dass nur zwei Vorkämpfer da waren, oder auf der ausschliesslichen Annahme von Luftcorrosion, oder auf vollstän- diger Willkür. Willkür ist es auch, wenn er die Beinfragmente 54 und 55 den Aegineten abspricht.

Archäolog. Ztg., Jahrg. XXXVIII.

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IRIS IN DEN GIEBELGRUPPEN DES PARTHENON.

Seit Visconti (1816) ist, wie die Zusammeustel- lung bei Michaelis, Der Parthenon S. 165 lehrt, für die jugendliche, in lebhafter Bewegung begriffene Figur des Ostgiebels, deren stürmische Eile in den mächtig zurückwallenden Falten des geschlitzten Chitons und dem im Rücken bogenartig sich aufbau- schenden Mantel den lebendigsten Ausdruck findet, die Bezeichnung Iris zu so allgemeiner Geltung ge- kommen, dass die dagegen auftauchenden Bedenken immer wieder zurückgedrängt wurden (Petersen, Kunst d. Pheidias 127 gegen Welcker A. D. I 83), und auch die neueren Erklärer der Giebelgruppen, Michaelis, Petersen, Newton {guide to the sculpt. ofiheParth. 1880 S. 11) die herkömmliche Bezeich- nung beibehalten. In der That entspricht ja die jugendlich elastische Gestalt in ihrer fliegeuden Eile sehr wohl unserer Vorstellung von der leichtfüssi- gen Götterbotin, und wer in dem bauschenden Mantel mit Visconti eine Hindeutung auf den Regenbogen zu erkennen vermochte, musste auf Iris als zu- trefl'enden Namen von selbst geführt werden. Grade gegen die Andeutung des Regenbogens aber durch den breiten fast die ganze Rückenhöhe einnehmen- den Mantelbausch wandte sich Welcker a. a. 0. und wies darauf hin, wie unähnlich diese breite Peplosmasse dem schmalen Regenbogen sei, der sich mit Leichtigkeit aus dem Mantel nachahmend hätte bilden lassen. Den entscheidendsten Einwand aber lässt auch er, wie fast alle nach ihm, unbe- rührt, deu nämlich, dass ein griechischer Bildner aus Phidias Zeit an einer so hervorragenden Stelle, wie in den Giebelfeldern eines Tempels, die XQV- aonregog V^tg nicht ungeflügelt hätte darstellen können. Wäre die Beflügelung der Iris nicht durch inschriftlich bezeugte Darstellungen gesichert (z. B. auf der schönen Brygos-Vase mo7i. ined. IX 46), so Hessen sich Stellen wie Porphyr, de abst. III 16 inxiqwaav de zi]v ze Nixtjv xal trjv Iqiv und schol. Arist. av. 1213 Dind. ImiqtDtai (^ ^l^is) ^cii e^tjy-

■Kü)f.iEvov sxsi i^ov xiTÜiva^ xal za meqa öianinza- zai tug xwuai dafür anführen '). Dass Welcker mit seiner Benennung Oreithyia den Kreis von Dämo- nen richtig bezeichnet, welchem diese windschnelle Botin angehört, kann nach dem was Röscher (Her- mes der Windgott S. 16 ff.) zusammengestellt hat, und im Hinblick auf ganz ähnliche Darstellungen, wie das von Matz erklärte Relief Colonna (arch. Zeitg. 1875 Taf. 4) wo selbst das Motiv des aus dem Chiton nackt hervortretenden Beines, nur ver- gröbert, wiederkehrt nicht wohl zweifelhaft sein. Zu sicherer Benennung jedoch fehlt es hier wie dort an Anhaltspunkten.

■) Von zweifellosen Irisdarstellungen ist mir nur eine einzige bekannt, wo die Beflügelung zu fehlen scheint: die inschriftlich beglaubigte Iris der Fran9oisvase {mon. ined. IV 54 57; arch. Zeitg. 1850 Taf. 23. 24). Dass sie in Wahrheit ungeflügelt ist, möchte ich angesichts der grade an dieser Stelle ungenauen und unzuverlässigen Publikation nicht behaupten. Der Oberkörper der Iris ist völlig en face gebildet, so dass schon hierdurch die Flügel griisstentheils verdeckt werden; dann aber scheint in deu unklaren Linien an der Schulter, die das von Chiron getragene Wild fast berührt, in der That der obere Flügelbogen unmittelbar unter dem Stocke noch sichtbar zu sein. Sollte aber eine Nach- prüfung des Originals auch das Fehlen der Flügel ergeben, so wäre dies eine Freiheit des Vasenzeichner.s, dem zur Charakterisi- rung seiner Figuren ausser den stehenden Attributen noch In- schriften zu Gebote standen auch dem Hermes, der bis in die Einzelheiten des Gewandes ein Gegenstück zur Iris ist, fehlt jede Andeutung von Flügeln , eine Freiheit, aus welcher ein Rückschluss auf eine gleiche Freiheit des Marmorarbeiters nicht gezogen werden darf. Ob die flügellose Frau mit Kerjkeion im Parisurtheil einer schwarzfigurigen Amphora zu Berlin (0. Jahn, Telephos und Troilus Taf III) Iris zu nennen ist, muss bei dem Maugel einer Inschrift und der Häufigkeit ähnlicher Figuren auf Vasenbildern, wo auch Nike und Eirene mit Kerjkeion ausge- stattet werden, dahingestellt bleiben. Jahn nennt sie wegen des Kerykeion, und weil sie dem Hermes als Begleiterin beigegeben ist, Iris, ohne jedoch den auflalligen Umstand ihrer Flügellosig- keit zu verschweigen (S. 79 Anm. 96) oder ein zweites Beispiel dafür beibringen zu können. Nicht recht verständlich ist mir, was sich Welcker gedacht hat, als er über diese vermeintliche Iris schrieb (onn. 1845 p. 158): 'Les ailes, avec leaqueltes eile est ailteurs representde, n'auraient point convenu ici.' Gar kein Grund liegt vor, die attribut- und flügellose Frau bei Ger- hard A. V. II 14G. 147, welche mit staunender Geberde Nereus naht, Iris zu nennen.

A. Trendelenburg, Tris im Parthenongiebel.

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Muss so die Reibe der namenlosen Figuren des Ostgiebels um die scbeinbar so treffend benannte Iris vermehrt werden, so gewinnen wir durch Be- seitigung- dieser Benennung für die Erklärung der Mittelgruppe des Westgiebels freie Bahn: hat doch, scheint es, nur das Festhalten an der überkomme- nen Vorstellung von der Iris mit bauschendem Mantel eine Figur dieser Gruppe und damit den Zusammenhang derselben bisher nicht erkennen lassen.

Unter den Fragmenten, welche Michaelis dem Ost- giebel zuweist, betindet sich der Torso einer weib- lichen Figur, welche grosse, regelmässige Vertie- fungen an den Schulterblättern als ursprünglich ge- flügelt erkennen lassen (Taf. VI J). Die Zugehörig- keit dieses Torso zum Ostgiebel unterliegt aber den gegründetsten Bedenken. Denn Visconti's An- gaben über den Auffindungsort desselben wider- sprechen sich (Michaelis im Text S. 175, 14), und auf der Carreyschen Zeichnung (Taf. VI 5) ist von dem 'swr le plan itiferieur du fronton' gefundenen Torso nichts zu sehen. Diese Erwägungen be- stimmten Matz (Gütt. g. A. 1871 S. 1948 ff.), den Torso dem Westgiebel zuzuweisen und in ihm die von Michaelis mit JV bezeichnete Figur der Carrey- schen Zeichnung (Taf. VII 2) zu sehen. Die Ueber- einstimmung ist eine schlagende. Die Haltung der Arme der linke ging, wie ein neuerdings dem Torso angefügtes Schulterstück erkennen lässt, ge- nau wie bei Carrey in massiger Neigung nach unten , die Entblossung derselben, die Gewand- lage am Halse, das rechte vom Knie an aus dem Gewände heraustretende Bein, die starke Erhebung des rechten über den linken Oberschenkel, alles stimmt bis ins Einzelne überein, so dass ein Zwei- fel an der Identität beider Figuren ausgeschlossen ist. Michaelis hat denn auch (arch. Zeitg. 1872 S. 115f.) das Gewicht der Matz'schen Bedenken nicht nur sofort anerkannt, sondern dasselbe auch noch durch eigene Beobachtungen über die Pro- venienzangaben des Torso vermehrt, so dass er zu dem Schlüsse kommt, ein äusseres Zeugniss, wel- ches den Torso dem Ostgiebel zuzuweisen zwänge, sei nicht vorhanden. Ist dies aber der Fall, so

tritt die bisher noch immer als zuverlässig erfun- dene Carreysche Zeichnung in ihre Rechte, und diese weist unserm Torso seinen Platz unwider- sprechlich neben Poseidons Gespann an *).

Schwierigkeit maclite die Benennung. Matz be- hielt die hergebrachte Bezeichnung Nike bei und dachte sich dieselbe "von dem neutralen Hinter- grunde" auf Athene zueilend. Das Missliche die- ser Erklärung leuchtet ein. Um die vom Beschauer nach links schreitende Athene zu erreichen, hätte sie an den Rossen von Poseidons Gespann und dann an diesem selbst vorbeieilen müssen: kein Beschauer der Gruppe konnte so weit von einander entfernte Figuren als zusammengehörig verbinden. Auch scheint es unantik, dass die Siegerin vor der Siegesgöttin scheinbar flieht: Nike fliegt sonst nicht

-) Petersens Gründe gegen die Identificirimg von J und JV sind zahlreicher als stichhaltig. Er führt (K. d. Ph. S. 144 Anm. 1) deren sechs an: 1) 'die verschiedene Haltung des Ober- körpers, dort gehoben, hier geneigt." Dies ist eine durch die Stellung des Torso in der Michaelis'schen Zeichnung (VI 14) hervorgerufene Täuschung. Derselbe steht zu sehr en face ; rückt man ihn ein wenig mehr nach links (vom Beschauer) herum, so tritt der annähernd rechte Winkel, in welchem Oberschenkel- und Brustlinie zu einander stehen, deutlich hervor. 2) 'der Shawl von N, welcher mit den Flügeln von J unvereinbar ist.' Selbst wenn der Shawl auf dem 1. Arm von N sicher zu dieser Figur gehört, was keineswegs ganz zweifellos ist, hindert er doch durchaus nicht die Beflügelung derselben. Er fällt ja über den einen Arm (nicht über beide, wie Petersen S. 174 sagt) herab und kommt mit den Flügeln gar nicht in Berührung. 3) 'das Gewand lang und schwerfällig bei A', kurz und fein bei J.' Ob schwerfällig oder fein, mochte ich bei einer Zeichnung, wie der Carreyschen, nicht entscheiden; gleich lang oder kurz sind aber beide, denn beide lassen den rechten Oberschenkel frei heraustreten. 4) 'die Unmöglichkeit hinter Amphitrites Wagen noch eine Figur mit Flügeln zu stellen.' Für die Wagenlenkerin der Athene, Nike, nimmt Petersen S. 166 die Beflügelung an, obwohl zwischen dieser und der folgenden Figur auf der Zeich- nung gar kein Zwischenraum gelassen ist; hinter N aber ist ein ungewöhnlich grosser freier Raum , der grade bei der Nei- gung des Überkörpers nach vorn wie zur Ausfüllung durch ein i'lügelpaar bestimmt scheint. 5) 'Nike im Westgiebel wäre im- erklärlich.' Nike soll auch unser Torso gar nicht sein. 6) 'end- lich ist von den verschiedenen Angaben Viscontis jedenfalls die positivste die, dass J im Ostgiebel gefunden sei'. Hierauf ant- wortet Michaelis a. a. O. und Petersens eigenes 'jedenfalls'. Newton giebt in dem soeben erschienenen guide to the sculp- iures of the Parthenon 1880 p. 15 die Aehnlichkeit des Torso mit der Figur des Westgiebels zu, erklärt sich aber gegen die Identificirung, weil er einmal Nike auf Poseidons Seite für un- vereinbar mit der Composition hält und zweitens bei einer Nike den Shawl am 1. Arm nicht zu erklären wisse.

18*

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A. Trendelenburg, Iris im Parthenongiebel.

hinterdrein, sondern entgegen. Dazu kommt, dass Nike in der Lenkerin von Atheues Wagen (G) schon vorhanden ist; denn seitdem Petersen a. a. 0. S. 168 für den männlichen Begleiter des Gespanns {ff) aus dem charakteristischen Gewandmotiv die im Rücken herabhängende Chlamys ist über den linken Arm geschlagen die Benennung Her- mes ausser Zweifel gesetzt hat, ist damit auch das dritte Glied des Dreivereins 'Eqi.irjs 6 nit-iniov NIxtj T lA&äva nohäg (Soph. Philokt. 133, Michaelis S. 184) gegeben. Auch Michaelis weist a. a. 0. die Unhaltbarkeit der Matz'schen Deutung durch überzeugende Gründe nach. Aber befangen in der Meinung, unser Torso könne schlechterdings nur einer Nike angehören, die doch in der Wagenleu- kerin der Athene schon vorbanden war, sah er sich unlösbaren Schwierigkeiten gegenüber. Sie lösen sich mit leichter Mühe, sobald wir diese Mei- nung aufgeben.

Dies gethan und in der Figur Iris erkannt zu haben ist das Verdienst Heinrich Brunns (ßer. d. Münch. Akad. 1874 S. 24). Da er aber auf eine nähere Begründung seiner Benennung verzichtet und durch seine, wie mir scheint, unhaltbare Auf- fassung der ganzen Mittelgruppe ') vielleicht selbst gegen seine Deutung misstrauisch gemacht hat wenigstens erwähnt Newton, der sonst die neueren Arbeiten über die Parthenonsculpturen eingehend benutzt, derselben mit keinem Worte , so soll durch wenige Bemerkungen die Berechtigung der-

') Nachdem Brunn die Uebereinstimmung des Torso mit der Begleiterin von Poseidons Gespann gegen Petersens Einwürfe in ähnlicher Weise vertheidigt hat, wie es Anm. 2 geschehen ist, bemerkt er über die Mittelgruppe: "Weit schöner gliedert sich das Ganze, wenn wir annehmen, dass die Gespanne eben ankom- men und nun angehalten werden sollen, und dass Hermes, indem er den Wagen der Athene zur Stelle geleitet, ihr entgegeneilt, um ihr im Auftrage der Gütter den Sieg zu verkünden, während Iris dem Poseidon die Botschaft bringt, dass er sich aus dem Lande zurückzuziehen habe , dessen Besitz ihm soeben abge- sprochen worden ist. Mir scheint die Sache so einfach, dass sie eines weiteren Beweises nicht bedarf." So einfach ist die Sache wohl nicht; wenigstens ist die Auffassung des Hermes und der Iris als Boten, welche dem eben noch streitenden Götterpaare die Nachricht von dem Siege dort, der Niederlage hier bringen sollen, sicherlich erheblichen Zweifeln unterworfen. Auch Brunn kommt über die landläufige Auffassung der Iris als Gütterbotin nicht hinaus, eine Auffassung die das richtige Verständniss der Gruppe unmöglich machen musstc.

selben nachgewiesen und hierdurch für die ein- fachste Erklärung der Mittelgruppe, dass die Götter, wie die Helden Homers, mit ihren Gespannen und ihrem Gefolge in den Kampf ziehen, ein neues und, wie ich glaube, entscheidendes Moment gewonnen werden.

In demselben Verhältniss wie Hermes zu Atheues, steht die geflügelte weibliche Figur zu Poseidons Gespann. Der Parallelismus beider Figuren, wie der der ganzen Mittelgruppe, ist ein vollständiger. Die beiden Kämpfenden in der Mitte, die zwei Paare von Rossen (denn auch für Poseidons Ge- spann sind durch die von Overbeck und Dobbert neuerdings aufgefundenen Fragmente Rosse er- wiesen, Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1879 S. 72 ff. ; Arch. Zeitg. 1880 S. 105f.), die beiden Wagenlenke- rinnen und die beiden Begleiter der Wagen machen ein so fest geschlossenes Ganze aus, dass für die entsprechenden Glieder desselben, die bis in alle Einzelheiten der Stellung und Bewegung symme- trisch componiert sind, auch entsprechende Funk- tionen angenommen werden müssen. Ist nun der nofiTtalog des Athenegespannes Hermes, so wird die Geleiterin des Poseidongespannes mit Sicher- heit benannt werden können, wenn es gelingt eine Göttin ausfindig zu machen, die in ihrem Wesen dem Hermes entspricht. Eine solche aber ist Iris. Sie ist wie Hermes jueTayyeXog &£(öv (0 144) und trägt wie er ein Kerykeion, sie ist wie er noörj- ve^iog und deshalb geflügelt (E 353), sie ist wie er nonnalog *) ^ wie Hermes -Kadmilos (arch. Zeitg. 1880 S. 1 ff.) trägt sie auf bekannten Vasenbildern eine Kanne, ja sie entspricht selbst in ihrer ursprüng- lichen Bedeutung als Regen- und Wolkengöttin dem Windgotte Hermes als solcher überzeugend nach- gewiesen in dem oben erwähnten Buche von Röscher (Leipzig 1878) und gehört recht eigentlich zum Gefolge Poseidons.

•■) E'AiJ'i führt sie die verwundete Aphrodite aus der Schlacht, indem sie selbst deu Wagen mit ihr besteigt und die Rosse ab- schirrt; sie geleitet auf der Francjois-Vase den Hochzeitszug der Götter zu Peleus und Thetis; sie geleitet den Wagen, auf wel- chem Athene den Herakles in den Olymp führt (Millingen peint. d. vas. ffr. pl. 36), sie den Wagen der Aphrodite (Bull. 1868 p. 184) u. a. m.

A. Treadelenburg, Iris im Parthenongiebel.

133

Der Regenbogen ist schon in der Ilias ein Sturni- bringer (P 548 zsQog t) noke/^oio i] xal xeij-Kovog dvai^aXnsog, vgl. scliol. B zu W 198 tj Iqiq (pavelaa noXkaxig ävi/^iiov xivrjaiv örjloi), deshalb wird Iris von Tzetzes in den homerischen Allegorien (bei Matranga anecd. gr. I) als Wolkensamnilerin aus- gelegt und zur Stütze hierfür ein Vers des Empe- dokles ene Tig xüv hzigiov angeführt: ^Iqig d' ix nsXäyovg avsfiov qieQBi iq /^iyav o/j-ßgov. Diese gewiss ursprüngliche Bedeutung der Iris ') als

^) Eine sichere Ableitung des Wortes !(jis ist bisher nicht gefunden. Ich ghuibte, einmal .auf die Regeugöttin geführt, die von Pausanias III 19, 4 überlieferte Form iVp/j mit Jiiocc = Ifiaa zusammenstellen und als Wurzel m = bibere annehmen zu dürfen: 'der Regenbogen trinkt, sammelt Wasser' {concipit bei Ovid), allein Georg Curtius in Leipzig, den ich um Auskunft bat, über- zeugte mich in einem ebenso freundlichen als ausführlichen Schreiben von der Unmöglichkeit dieser Ableitung. Mit gütiger Erlaubniss des ausgezeichneten Etymologen darf ich das auch weiteren Kreisen gewiss willkommene Schreiben hier mittheilen. "Ich bedauere Ihnen über den Namen Vpif nichts Fruchtbringendes mittheilen zu können. Sie haben ganz Recht mit der Annahme, dass ich von den bisherigen mit dem Worte angestellten Ver- suchen (ffpcü =: X^yto, fi'po) = sero, tifii) keinen billige. Laut- lich müssen wir von der bei Homer wahrscheinlichen Form FT(ii - ; ausgehen, begrifflich, meine ich, von dem Naturobject des Regenbogens. Mit den Lauten von Fiftii verträgt sich die Form Bi^Qig bei Pausanias unter der Voraussetzung, dass das ß, wie dies auch bei Grammatikern und Lexikographen häufig vor- kommt (vgl. }'n-/9f()j'o'f Hes}-ch.) Zeichen für F, nicht Umwand- lung des Lautes ist. Pausanias geht ja gar nicht darauf aus, die auf jenem Altar eingemeisselten Schriftzüge genau wiederzu- geben. Die Form IIooikSujv hat dort gewiss nicht gestanden, denn sie ist ionisch. Er fand, denke ich, Ffnig vor, und da ihm das alterthümliche F auffiel, wollte er das nicht unerwähnt lassen und schrieb BiQig. Wäre wirklich einmal in Lakonien die Media ß mit ihrem alten Klang in diesem Worte gesprochen, so müssten wir den Namen vom homerischen Fujis völlig trennen. Denn ein anlautendes ß vor einem Vok.il fällt ebenso wenig ab, als es sich in F verwandelt. Auch mit n ist eine Gemeinschaft für echtes ß schwer, für ß als Zeichen für F gar nicht zu erweisen. Uiait neben Waa steht ganz vereinzelt da und ist nicht lakonisch. Die Entstehung eines n aus F habe ich Grundz. * 588 ablehnen zu müssen geglaubt. Sie sehen also, dass ich zu meinem Be- dauern Ihrer Etymologie nicht zuzustimmen vermag. Leider weiss ich Ihnen nun aber keine andre Deutung vorzulegen. Bei jedem Versuch der Art scheint mir ein wichtiges Moment in dem homerischen Plural iQiaatv A 11 zu liegen. Ich schliesse daraus, dass schon in homerischer Zeit ?pi-f ein Appellativum war, dass die Bedeutung 'bunter Streif am Himmel' feststand und dass nach einer richtigen etymologischen Topik entweder in einer Wurzel des Schimmerns, Schillerns, Glänzens (die Blume Iris, die Iris im Auge, die Iris des Pfauenauges) oder in der Vorstellung des Streifs das Etymon zu suchen ist. Die Göttin Iris seheint mir ebenso secundär zu sein, wie die Göttin Eos oder der Gott Helios u. s. w. Zusammenhang mit lat. vir-i-di-s

Regen-, Wolken- und Windgöttin ist unter dem Ein- flu.ss der Ilias die Odyssee kennt Iris gar nicht und setzt Hermes an deren Stelle früh verdun- kelt, denn sie verwendet Iris ausschliesslich als Götterbotin und wird damit für die spätere Dicht- und bildende Kunst sowie für unsere Vorstellung massgebend. Einzelne Anklänge an den ursprüng- lichen Zusammenhang der Iris mit Meer (ex nskä- yovg avefiov cpsQSi) und Wind scheinen sich zwar auch in der Ilias zu finden, so wenn Iris ß 77 ff., die Thetis dem Zeus zuzuführen, in das Meer liinab- taucht und sie aus den Fluthen heraufiführt, oder ^ 198 dem Boreas und Zephyros aus eigenem An- trieb, ohne Befehl eines höheren Gottes, das Gebet Achills übermittelt und darauf zu den Gestaden des Okeanos, woher sie gekommen, zurückkehrt, allein diese Züge Hessen sich allenfalls auch aus ihrem Botencharakter erklären. Dagegen tritt in ihrer Genealogie bei Hesiod die ursprüngliche Bedeutung klar zu Tage. Sie heisst theog. 265 eine Tochter des Thaumas und der Elektra; dies aber ist eine Tochter des Okeanos; der Iris Schwestern sind die im Sturme raubenden Harpyien, und wie eine von diesen Aello heisst, so heisst sie selbst deUönog (0 409 und sonst). Ganz geschwunden ist auch späterhin nicht das Andenken an die Wind- und Regeugöttin, sagt doch noch Ovid met. I 271 con- cipit Iris aquas alimentaque nubibus affert.

Gäben uns schon diese literarischen Zeugnisse ein unzweifelhaftes Recht, Iris im Gefolge Posei- dons an der Stelle vorauszusetzen, wo im Gefolge Athenes Hermes steht, so ist doch eine Bestätigung durch ein Denkmal bildender Kunst immerhin er- wünscht "). Eine solche bietet in überraschender

ist nicht unmöglich, unter der Voraussetzung und mit Bezug auf die bekannte Thatsache, dass die Bezeichnung der Farben sich erst verhältnissmässig spät fixirte. Aber auch dabei bleiben Schwierigkeiten übrig, die namentlich in den Endsilben des la- teinischen Wortes und dessen mehrfach herangezogenem indischen Seitenstück liari-s 'falb, gelblich, grün' liegen."

«) In den bildlichen Darstellungen ist der Charakter der Wassergöttin durch den der Botin in der Regel so völlig ver- drängt, dass selbst bei Darstellungen von Wasserdämonen nicht zu entscheiden ist, ob Iris Botin oder gleichgeartete Gottheit ist. In einem pompejanischen Gemälde, einem Pendant zu Bildern aus dem Kreise der Wasserwesen, erkannte Panofka

134

A. Furtwängler, Attische Lekythos.

Weise der Hyakintbos-Altar zu Amyklä (Paus. III 19, 3), dessen bedeutungsvoUeu Figurensclimuck ich Bull. d. I. 1871 p. 124 ff. im einzelnen erklärt habe. Die Eingangsseite desselben schmückte eine Darstel- lung von acht Figuren : Dionysos mit seiner Schwe- ster Semele und Ino von Hermes dem Zeus zuge- führt; hinter Zeus die dem Dionysos stets freund- lich gesinnten Gottheiten des Meeres : Poseidon,

Bull. d. J. 18-17 \>. 131 in einer geflügelten Frau mit einem Baumzweige in der Hand Iris „avuto riyuardo alle sue streite relazioni colle divinith del mare." Auf der Hesperidenvase (Ann. 1859 tav. d'agg. GH) ist Iris (geflügelt und mit Kerj- keionj Atlas und der Hesperide beigesellt, weil sie im Westen an den Gestaden des Okeanos weilt (</' 198 0'.), in demselben Sinne, wie neben ihr Poseidon selbst Zuschauer des Vorganges ist. Hier ist ihre enge Beziehung zum Meere unverkennbar: hieraus und nicht, wie Petersen es thut, aus ihrem Charakter als Botin ist ihre Anwesenheit zu erklären.

Amphitrite und Iris genau dieselben wie in un- serm Giebelfelde! In besonderer Weise bedeutungs- voll steht auf dem Altare Iris der Ino, beide die Gruppe abschliessend, gegenüber: jene, die den Sturm bringt und das Meer aufregt, diese, die als Leukothea im aufgeregten Meere dem Schiffer den rettenden Schleier zuwirft ').

A. Trendelenburg,

') Die Frage, ob Nike als Wagenlenkerin der Athene ge- flügelt war oder nicht, erledigt sich jetzt zu Gunsten der erstereu Annahme. Bei dem strengen Parallelismus beider Gruppen scheint ein Gegengewicht gegen das Flügelpaar der Iris mit Nothwendigkeit bei Nike gefordert werden zu müssen. Die Flügel werden wie bei der Iris besonders eingesetzt gewesen und deshalb um so leichter ausgebrochen worden sein. Eine Dfi'xr) liTiTSQog wäre ja auch hier, wo die Hände kein charakte- ristisches Attribut halten konnten, für den Beschauer als Nike nicht verständlich gewesen.

WEISSE ATTISCHE LEKYTHOS.

(Tafel 11).

Die wohl erhaltene Lekythos des Berliner Mu- seums, welche auf der beigegebenen Tafel 11 ab- gebildet ist, stammt aus einem athenischen Grabe beim Dipylon (bei der Kirche Agia Triada).

Der feine, schöne rothe Thon, aus welchem die Vase gefertigt ist, tritt nur an der äusseren verticalen Fläche des Fusses zu Tage, während derselbe im Uebrigen theils von glänzendem schwarzen Firniss, theils, und zwar an den Hauptflächen des Gefässes, von einer dünnen aber festen und glatt glänzenden weissen Thonschicht überzogen ist.

Auf der Vorderseite des Gefässbauches hat der Verfertiger mit der schwarzen Firnissfarbe und mit dem Pinsel (nicht mit der Feder) in einfachen Um- rissen eines jener harmlosen häuslichen Bilder ge- malt, wie wir sie auf so zahlreichen griechischen Vasenbildern in ähnlicher und doch immer neuer Weise dargestellt finden. Eine sitzende Frau hält betrachtend mit beiden Händen einen aus einem einfachen Zweige mit kleinen Blättchen gewundenen Kranz vor sich hin. Eine Wachtel sitzt auf ihrem Knie und schaut ihr zu; ihr gegenüber aber steht

ein bärtiger Mann, zugleich aufmerksam der Sitzen- den zugewandt und doch in möglichst bequemer Stellung, vorgelehnt auf den knotigen Stock und die Rechte in die Seite stemmend. Dass die Unterhal- tung der Beiden eine nicht ganz gleichgültige sei, scheint der fliegende Eros anzudeuten, der über ihnen an der Schulter der Vase abgebildet ist, in jeder Hand das Ende einer nach r. und 1. auslau- fenden ornamentalen Palmetten- und Blüthenranke haltend, wie denn Eros mit ähnlichen Ranken oder mit Blüthen und Zweigen gerade in den Vasen des strengen Stiles nicht selten ist'); auch seine Bildung als Knabe und mit langem Haare (dessen vor den Ohren herabhängende Enden mit verdünnter Farbe gemalt sind) entspricht den Gewohnheiten des ge- nannten Stils.

Die Frau befindet sich offenbar in ihrem eigenen Gemache, indemsie deu Besuch desMannes entgegen- nimmt; an der Wand hängt echt weibliches Gcräth, ein Spiegel und links ein Alabastron ; hinter ihrem Stuhle steht der übliche Korb mit der Wolle für ihre

') Vgl. Furtwängler, Eros S. 14. 15.

A. Furtwängler, Attisclie Lekythos.

135

häusliche Arbeit. Ihr stattlicher Sitz mit Schemel und Polster scheint die Herrin des Hauses anzudeuten: der Stuhl mit den geraden Beinen und der geraden von einer Palmette bekrönten Rücklehne ist mir ge- nau so anderwärts nicht erinnerlicli ; es ist offenbar eine ältere Uebergangsform zu dem vom sogenannten schönen attischen Vasenstile au auf Vasen und anderen Monumenten bis zum Beginne römischer Zeit durch- weg üblichen Stuhle mit geschweiften Beinen und ebensolcher Rücklehne. Die Frau ist unbeschuht und hat nackte Füsse, während die des Mannes mit kurzen Buudscliulien versehen sind; auch dies wohl ein Zeichen, dass der Mann von aussen kam, die Frau sich zu Hause befindet. Einen ähnlichen Unter- schied zwischen dem stehenden Manne und der sitzen- den Frau finden wir übrigens mehrfach in attischen Grabreliefs des vierten Jahrhunderts, welche eben- falls das Zusammensein von Mann und Frau dar- stellen ; letztere pflegt nämlich dann blosse Sandalen zu tragen, während ersterer mit vollen Schuhen be- kleidet ist"), ofi'eubar um den Gegensatz vondrausseu und drinnen zu betonen.

Kleinere Vögel als häusliches Spielzeug nament- lich junger Mädchen kennen wir aus zahlreichen Vasen vom schönen Stile au und aus kaum weni- ger zahlreichen attischen Grabsteinen. Auch der Wachtel, die wir hier auf dem Schoosse der Frau sitzen sehen, begegnen wir zuweilen auf Grabreliefs und sonst, wie denn z. B. eine attische weisse Grab- lekythos (Berlin, Inv. no. 2684) denselben Vogel in derselben Weise auf dem Schoosse eines an der Grabstele trauernd sitzenden Mädchens^) zeigt. Auch das Motiv unserer Frau, indem sie einen Kranz vor sich hinhält, ist kein individuelles, etwa nur für diese besondere Scene geschaffenes; in demselben Motive erblicken wir eine Frau auf einer nur wenig jüngeren attischen Grablekythos (Benndorf, griech.

■) So z. B. das Relief bei Ileydemann, d. ant. Marmorb. zu Athen S. 312 no. 831 (Hej'demanu's Besehreibung ungenau); Kckule, Theseion no. 155 (die Schuhe des Mannes nicht erwähnt) und no. 385 (die „weibliche Figur in doppeltem Gewände und Schuhen" ist vielmehr ein Mann im Mantel, dessen 1. Brust nackt ist).

') Dasselbe müsste nach Milchhöfer (Mittheil. ath. Inst. V, 180) als die Verstorbene angesehen werden, was hier schon wegen der oben flatternden Psyche wenig wahrscheinlich ist.

u. sie. Vasenb. Taf. 19, 5), und zwar bildet die ganz allein dargestellte Frau hier das Relief oder Gemälde einer Grabstele. Es war ein allgemeines Motiv für Frauen, derselben Art wie das Halten von Schmuckgegenständen oder dgl. Eine speciellere Deutung unserer Bilder als die eines Besuches im Frauengemach dürfte aber überhaupt dem zarten Wesen dieser Gattung allgemein gehaltener attischer Vasenzeichnungen widersprechen.

Bevor wir nun die historische Stellung unseres Gefässes innerhalb seiner Gattung des Genaueren fixiren können, müssen wir zunächst die technische Ausführung desselben etwas näher betrachten. Die Zeichnung ist, wie schon bemerkt, durchweg mit dem Pinsel ausgeführt, und zwar ohne Zuhülfenahme von anderen Farben lediglich mit der schwarzen Firnissfarbe. Gleichwohl hat der Künstler eine Abwechslung dadurch erreicht, dass er die Farbe bald dick und schwarz, bald verdünnt und braun- gelb auftrug. Diese Nüancirung sucht die von uns gegebene Reproduction möglichst genau zum Aus- drucke zu bringen. Namentlich sind die vielen feinen Falten des langen Chitons der Frau mit den weiten Oberärmeln durch die ganz dünne gelbliche Firnissfarbe gegeben, während der gröbere Stoff des Mantels, welchen der Mann nach der gewöhn- lichen Sitte so umgeworfen hat, dass seine rechte Brust davon frei bleibt, durch wenige kräftigere Pinselstriche characterisirt ist. In ganz anderer Weise ist der Mantel unserer Frau behandelt, indem derselbe nicht bloss couturirt, sondern, wie auch die Haare, mit der schwarzen Farbe voll ausgefüllt ist. Diese Füllung ist indess kein gleichmässiger schwarzer Ueberzug nach Art der schwarzfigurigen Technik, sondern ungleich aufgepinselt, bald dicker bald dünner, was unsere Tafel wicdergiebt *). Es ist klar, dass diese Füllung mit dem Firnisse hier nur der Ersatz für die Füllung mit einer anderen wirklichen Farbe ist; das Gefäss ist also wieder ein deutlicher Beweis, wie man keinen Anstoss daran nahm, einen Theil der Gegenstände, nament-

*) Fi"eilich ein wenig zu stark, indem nicht alle zarten Uebergiinge sich wiedergeben lassen. Die weisse Stelle in der Mitte ist am Originale durch Abspringen des Firnisses verletzt.

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A. Furtwängler, Attische Lekythos.

lieh der Gewänder, mit Farbe gefüllt, einen anderen bloss mit Linien umrissen zu seilen. Die Blättclien der Palmetten an der Schulter unserer Vase wieder- holen denselben Gegensatz des Gefüllten und nur Conturirten.

Es würde zu weit führen, wollten wir die Ent- wickelung- der attischen weissen Lekythen in allen ihren Stufen verfolgen; nur auf einige für die Er- kenntniss der Stellung unseres Gefässes besonders wichtige Puncte sei hingewiesen.

Die Bildfläche von Vasen aus dem üblichen rothen Thone mit einer dünnen weissen Tlionschicht zu über- ziehen, wurde erst gebräuchlich in der Zeit der letzten Entwickelung des schwarzfigurigen Vasenstils, doch hier in grosser Ausdehnung namentlich fürOinochoen, Schalen, Skyphoi und vor Allem für Lekythen ver- wendet. Die Darstellungen auch auf letzteren sind meistens mythische. Die daneben sich entwickelnde rothfigurige Technik wird nun aber aucli auf die weissen Lekythen übertragen, indem dieselben statt voll angepinselter schwarzer Figuren vielmehr blosse Contur- Zeichnungen strengen Stils erhalten. Die Darstellungen dieser Lekythenklasse weichen ebenso von denen der schwarzfigurigen ab, als sie mit denen der streng rothfigurigen übereinstimmen. Scenen des täglichen Frauenlebens aus möglichst wenig Figuren bestehend wiegen hier weitaus vor, und unter den Göttern sind Nike und Eros, auch Athena bevor- zugt*)-, auf Grabescult Bezügliches findet sich nie- mals. Nicht selten indess werden auch hier schon einzelne Gewänder sei es nur mit Firniss sei es mit rother oder brauner') Farbe gefüllt. Dieselbe Technik ward auch für Innenbilder von Schalen des strengen Stils beliebt; ein bekanntes, durch den Künstlernamen hervorragendes Beispiel hiervon ist die Berliner Schale des Euphronios (Gerhard, Trinksch. u. Gef. 14).

Nur wenig später als die erwähnte Gattung

') Hierher gehören z. B. Ero3, Berlin 713; Nike fliegend vor einem Altar, Berl. 2417; Nike mit Hydria, Benndorf Gr. Vb. Taf. 31, 2; Athena stehend, Berh 1890; im athenischen Kunst- handel ein besonders vorzügliches .Stück mit einem grossen Athenakopfe; ein ähnlicher mit einem grossen weiblichen Kopfe, neben welchem noch die leierspielenden Hände vorkommen, von vier dorischen Säulen überdacht.

'') Violett und Blau kommen in dieser Gattung noch nicht vor.

scheint eine andere Gruppe weisser Lekythen zu sein, welche die Conturzeichnung nicht in der Weise der rothfigurigen Technik mit jenen feineu Linien, die deutliches Relief haben, sondern mit breiteren Pinselstrichen und mit verdünnter, gelblicher Firnissfarbe aufträgt. Farbige Füllung erscheint hier niemals. Der weisse Thougrund hat hier nicht den dunkleren gelblichen Ton der vorigen Gruppe, sondern ist von hellem, lichtem Weiss. Der Stil der Zeichnung ist in der Regel etwas weniger streng als in der vorigen Gattung und die Augen sind bereits meist im Profil ge- zeichnet. Den Hauptunterschied bilden jedoch die Darstellungen, indem zwar hier diejenigen der vo- rigen Gruppe nicht gauz fehlen'), doch bei weitem die auf das Grab bezüglichen (es ist meist die Schmückung der Stelen durch die Frauen oder die blosse Darstellung des Grabes selbst) überwiegen. Die hier dargestellten, meist vor einem Tumulus befindlichen Stelen bieten übrigens für jene bekla- genswerthe Lücke in den erhaltenen, nämlich aus der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts wenig- stens einigen Ersatz*).

Von diesen beiden Gruppen unterscheidet sich unsere Lekythos durch einige Eigeuthümlichkeiten, welche sie vielmehr in Verbindung mit den nun folgenden Gattungen des ganz freien Stiles setzt. Hals und Schulter der Vase zeigen dort nämlich noch immer den vollen Thongruud und die Schulter ist mit den aus Lotosknospen entstandenen schwar- zen verticaleu Strichen bemalt. Hier ist der Hals bereits schwarz gefirnisst und die Schulter zeigt den weissen Grund und darauf freie Palmetten- ranken. Dies ist bereits der für alle weissen Le- kythen des ganz freien Stils festgehaltene Typus. Unser Beispiel dürfte jedoch eines der ersten des- selben sein: denn in seinen übrigen Eigenschaften schliesst es sich vielmehr an die beiden vorigen Gruppen an, zwischen denen es in der Mitte steht, und zwar au die zweite derselben durch die Ver- wendung der breiteren Pinselconturen ohne Relief

') Z. B. Berl. 712 eine sitzende Frau spendend; Benndorf Gr. Vb. Taf. 27, 2 Iris.

") Nicht viele sind publicirt; von denen bei Benndorf Gr. Vb. gehören hierher Taf. 19, 2. ä; 24, 1. 2.

A. Fartwängler, Attische Lekythos.

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und das helle Weiss des Thongrundes, an die erste jedoch durch die Art der theilweise gefüllten, theil- weise nur conturirten Gewänder, ferner durch die dem häuslichen Leben der Frauen entnommene Dar- stellung, endlich durch den strengeren Stil; denn auch hier sehen wir die Augen noch en face, nicht im Profil gezeichnet. Hierzu und zu einer Datirung des Gefässes nicht viel nach der Mitte des fünften Jahrhunderts passt auch die Inschrift, die coustant noch das dreischenklige Signia ge- braucht; dieselbe, die hauptsächlich der Füllung des Kaumes dient, enthält nur die gerade in der genannten Zeit besonders beliebten xaAo'g-Eufe: 1. ö JTßlg xalög, oben xaXog, r. 'Olvvmxog xalog"). Es ist indess gar nicht zu bezweifeln, dass die Vase bereits der Zeit des Schwankens zwischen s und s angehöre, denn die oben genannte Schale des Euphronios, die nach der angewandten Technik (Linien mit Relief) und der noch etwas strengeren Zeichnung eher etwas älter sein müsste als unsere Lekythos, schreibt bereits S; ferner zeigt z.B. eine weisse attische Lekythos, die als die unmittelbar nächstfolgende Stufe nach der unsrigen gelten muss und von ihr im "Wesentlichen nur durch den freieren Stil unterschieden ist, nicht nur bereits s sondern auch das ionische Lambda a '"). Doch ist bekannt und liesse sich leicht an vielen Beispielen zeigen, dass die Vasenmaler noch lange s schreiben, nach- dem s in den officiellen Gebrauch übergegangen und auch ihnen nicht mehr unbekannt war.

Wir sahen, dass in verschiedenen Beziehungen unser Gefäss einer Uebergangszeit angehört, indem es die Eigenschaften mehrerer fest geschlossener, auf- einander folgender Gruppen vereinigt. Ganz ver- einzelt steht das Gefäss indessen nicht, wenn ich auch augenblicklich als in Stil und Technik fast genau tibereinstimmend keine Lekythos, sondern nur ein weisses Alabastron aus Athen (Berl. luv. no, 2632) nennen kann.

') Ein in Athen nicht ungewöhnlicher (vgl. C. I. A. 1, 443; C, /. Cr. 120; 768), doch auf Vasen mir sonst nicht bekannter Name.

'») Berl. Inv. no. 2508 APOMinPOS: KAAOS APOMO- KAEIAO sitzende Frau, der eine Amme das Kind hinhalt.

Nur mit wenig Worten sei der weiteren Ent- wicklung der weissen Lekythen gedacht. Gemein- sam ist den folgenden Gattungen, dass andere Dar- stellungen als solche, die sich auf Grabescult und Tod beziehen, niciit mehr vorkommen. Es folgen zunächst die ohne Zweifel noch ins fünfte Jahr- hundert gehörigen Lekythen, welche die Umrisse der Figuren noch mit verdünnter Firnissfarbe geben (z. B. Benndorf Gr. Vb. Taf. 20, 2), dann diejenigen welche die Firnissfarbe nur selten und für ge- ringeres Detail, für die Conturen der Figuren aber eine matte graue oder gelblichbraune Farbe ver- wenden (z. B. Benndorf Taf. 18, 2), endlich die ohne alle Firnissfarbe und mit rothen oder roth- braunen Conturen der Figuren. Da die Bekrönung der Grabstelen mit Akanthos erst in den beiden letzten Gattungen auftritt, so werden jene vorher- gehenden Gruppen, da der Akanthos auf inschrift- lich zu datirenden erhaltenen Stelen schon zu An- fang des vierten Jalirhunderts erscheint, noch in das Ende des fünften oder wenigstens den Anfang des vierten Jahrhunderts gewiesen. Auch dies eine Bestätigung, dass die früher besprochenen älteren Gi'uppen ungefähr in die Mitte des fünften gehören.

Zum Schlüsse möchte ich noch auf eine gewisse Analogie hinweisen, die mir zwischen der besproche- nen Entwicklung der weissen Lekythen und den attischen Grabreliefs zu bestehen scheint. Es be- darf dieser Punkt noch genauerer Forschung; in- dess eine bestimmte Verwandtschaft der Darstel- lung unserer Lekythos, ebenso wie der ähnlichen oben Anm. 10 erwähnten, mit denjenigen älte- ren 'Grabreliefs, welche nur Scenen aus dem täglichen Leben des Frauengemaches darstellen, ist nicht zu läuguen; und wie nun in den atti- schen Grabreliefs offenbar, freilieh erst im vierten Jahrhundert, eine Beziehung zum Tode und Ab- scheiden immer deutlicher zum Ausdruck zu ge- langen scheint, so sahen wir jene einfachen Lebens- darstellungen von den weissen Lekythen schon in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts ver- schwinden, um den von Grab und Tod entlehnten Stoffen zu weichen. A. Furtwängler.

ArctaUolog. Ztg., Jahrgang XXXVUI.

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PHINEUS AUF VASENBILDERN.

(Tafel 12.)

Die bis jetzt bekannt gewordenen bildlichen Darstellungen der Phineussage entsprechen inhalt- lich den beiden ältesten Phineusbildern, von wel- chen wir Kenntniss haben, jenen am Kasten des Kypselos') und am Throne von Amyklae^), d. h. sie stellen ebenso wie jene die Befreiung des nor- dischen Königs von den Harpyien dar.

Die Anzahl der nachgewiesenen Bildwerke ist freilich noch eine ziemlich geringe, allein eine ver- gleichende Betrachtung derselben, wie wir sie hier anstellen wollen, erscheint uns schon deshalb lohnend, weil abgesehen von den gemeinsamen Grundzügen der Composition, die dadurch allein sich ergeben, nur auf solche Weise namentlich das eine der beiden Vaseugemälde, die auf Taf. 12 zum ersten Male veröffentlicht werden, seine eigenartige Auf- fassung des Mythus hinreichend erkennen lässt.

In Ansehung der Alterthtimlichkeit wenn auch nicht seiner Inschriften, so doch der Compositions- weise und der Stilformen ist an erster Stelle zu erwähnen das innere Flanken-Bild einer grossen schwarzfigurigen Kylix aus der ehemaligen Samm- lung Feoli, jetzt im Museum der Universität Würz- burg: Bull. d. Inst. 18G5. p. 50ff. (Brunn.) Ur- lichs, Verzeichniss der Antikensammlung d. Univers. Würzburg, Heft III p. 89. Mon. d. Insl. X. tav. VIII, Ann. 1874. p. 3ff. (Flasch.)

Phineus ruht auf einem Bette, vor dem ein Tisch aufgestellt ist. Aus der Armbewegung des Blinden entnehmen wir, dass der Tisch mit Speisen besetzt zu denken ist, von denen er zu sich zu nehmen im Begriffe steht. Dass die Harpyien zu- gegen gewesen sind und das Mahl zu stören ver- sucht hätten, dafür fehlt jede Andeutung; es sind weder auf dem Tische Speisen zu unterscheiden, noch hängen solche, wie sonst der Fall ist, von

') Paus. V, 17, 4: 'hivivg xi ö ©oftf laiC, xtü ol natiSi; ot Boq(ov lüg 'AQ7iv(ai ün avioij Sidxovaiy.

^ Paus. III, 18, 8: Kälaig äi xai Zrjirji ii'ti '.Aijnvlai 'l'iv^dig üntXuvvovaiv.

demselben herab oder liegen am Boden. Wir müssen demnach als Idee des Vasenmalers anneh- men, dass die Harpyien zwar gekommen seien, ihren Unfug zu verüben, aber an der Ausführung durch die beiden Boreassöhne gehindert wurden. Auch in den Händen der flüchtigen Unholde ist nichts zu gewahren, was sie geraubt hätten. Mit ausgebreiteten Armen fliegen sie dem Meere zu, das durch eine Wellenlinie und Fische darin ange- deutet ist, verfolgt von Zetes und Kaiais, welche mit der einen Hand die Fliehenden zu erhaschen suchen, mit der anderen drohend das gezückte Schwert schwingen.

Alles in diesem Bilde entspricht der Darstellungs- weise der ältesten griechischen Kunst. Die Boreaden sind bärtig und tragen ihr langes Haupthaar im Nacken zu jener Form aufgebunden, in der man den altattischen Krobylos erkannt hat. Ihre Tracht besteht in dem ebenfalls aus alten Bildwerken be- kannten kurzen Männer-Chiton. Namentlich aber ist die Beflügelung der Verfolgten sowohl als der Ver- folger alterthümlich: sie tragen je vier grosse Flü- gel an den Schultern, das eine Paar nach oben, das andere nach unten aufgeschlagen, dazu an den Stiefeln ein kleineres Flügelpaar, ganz nach Art des Hermes auf älteren Vasenbildern. Abge- sehen von der Beflügelung aber sind die Harpyien einfache Frauengestalten ohne irgend einen Zusatz von nicht-menschlicher Form; ihre Haare fliessen aufgelöst den Nacken hinab, ihre Tracht ist ein gegürteter langer Chiton mit violetten Streifen.

Wollen wir uns von den beiden durch Pausanias beschriebenen Bildwerken eine Vorstellung machen, so halten wir uns am zweckmässigsten an dieses Vasengemälde und zwar nicht blos in der Anlage, sondern, wie wir eben gesehen haben, auch im Detail. Nur giebt es jenen gegenüber den Vor- gang noch durch drei weibliche Gestalten erweitert, die um das Bett des Phineus angeordnet sind.

A. Flasch, I'hineus auf Vasenbildern.

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Zwei davon sie stehen zu Füssen der Klinc bilden eine Gruppe. Obwohl die eine der beiden Frauen durch eine Knospe, die sie am Stengel hält, sinnreich characterisirt ist und sich als eiu der römischen Spes verwandtes Wesen zu erken- nen giebt, so würden wir doch wohl olme die In- schrift über die Deutung in Verlegenheit sein, we- nigstens sie schwerlich erhärten können. Es sind Heren, und wir müssen gestehen, dass durch ihre Einführung die trockene Schilderung des Vorganges anziehender geworden ist, indem sie uns sozusagen eine Perspektive in das langjährige Leiden und das Elend des Phineus eröfl'net. Die Göttinnen der Zeit- abschnitte, der Stunden Tage und Jahre, führen ja nicht bloss die Zeitigung der Feldfrüchte herbei (Hes. Theog. 903 : alv l^y' wqevovoi xarad-vT^Toiai ßgoToJai), sie zeitigen freundlich gesinnt auch der Menschen Hoffnungen und Erwartungen und bringen wiewohl oft zögernden Fusses den Leidenden Er- lösung^). So haben sie auch dem Pliineus des Bildes die erlösende Stunde heraufgefUhrt.

Die dritte weibliche Figur steht zu Häupten des Bettes. Schon wegen dieser Sonderstellung, dann aber auch, weil ihr der Maler einen besonderen Namen er nennt sie Erich tho beigeschrieben hat, kann sie nicht als dritte zu den Hoien ge- rechnet werden. Diese erscheinen eben nach atti- scher (Paus. IX, 35, 1) oder überhaupt älterer (Paus. III, 18, 7) Anschauung in der Zweizahl. Hin- sichtlich des Namens Erichtho aber lässt uns die literarische Ueberlieferung im Stich ; sie meldet von keinen Beziehungen desselben zu dem Mythus des Phineus, und wir müssen uns deshalb begnügen, die Figur im allgemeinen als zugehörig zu dem Blin- den zu bczeiclmen, in ihr eine durch Familienband an ihn geknüpfte Pflegerin zu sehen. Darnach hätte der Maler jene Version des Mythus nicht ge- kannt oder wenigstens nicht befolgt, nach welcher Phineus das göttliche Strafgericht durch Versto- ssung seiner ersten Gattin und Missliandlung ihrer Kinder auf sich zieht. Schwerlich nämlich hätte jene Version dem Künstler Veranlassung geboten, eine familienangehörige Person in der Umgebung

») Cf. Thcükr. XV, 103. 11. XXI, 450.

des Phineus aufzuführen. Die Namen seiner Gat- tinnen aber lauten sonst Kleopatra, eine Tochter des Boreas und der Oreithyia, Idaia, Eidothea, Eurytia, vgl. Soph. Antig. 980 nebst Schol., Schol. Apoll. Khod. II, 178. Schol. Odyss. XII, 69. Welcker, Gr. Trag. 329 ff. Preller- Plew, Gr. Myth. II, p.331 Anm. 1.

Noch ein zweites schwarzfiguriges Bild können wir erwähnen, das zwar nicht den Phineus, aber die Harpyien in Beziehung auf ihn darstellt. Das- selbe gehört zu den Fragmenten einer archaischen Vase aus Aigina, welche vor kurzer Zeit vom Berliner königlichen Antiquarium erworben worden sind und demnächst in der arch. Ztg. veröffentlicht werden sollen. In einem von Ornament eingerahmten Felde sieht man zwei Harpyien, die erste als Are- pyia insehriftlich bezeichnet, in einem förmlichen Wettlauf dahineilen. Es sind geflügelte Frauen mit fliessendem Haar; beachtenswerth ist ihr kurzer Chiton; ferner hat der Maler der ersten die Hände krallenförmig stilisirt. Ein zweites Feld, das ver- loren ist, enthielt wahrscheinlich den Phineus mit einer Nebenfigur. Auf einem anderen erhaltenen Felde sieht man Perseus durch die Luft fliegen, wäh- rend hinter ihm seine Beschützerin Athena steht. Demnach hätten die Gorgonen das Gegenstück zu den Harpyien gebildet, gerade wie sie bei Aischylos in den Eumeniden (V. 48 ff.) einander parallel ge- nannt werden.

Im Stile der entwickelten Kunst und schon realistischer in der Auffassung giebt den Vorgang das leider etwas fragmentirte rothf. Bild einer Amphora aus attischen Ausgrabungen: Millingen, A71C. Utied. Mofi. 15 Stackeiberg, Gräber der Hellenen 38. Ersterer erklärt dasselbe richtig, letzterer will den Tod des Agamemnon und die Erinyen dargestellt sehen.

In dem Feoli'schen Bilde ist Phineus als blin- der Mann dargestellt, hier giebt sich der weiss- häuptige Greis durch ein Scepter als König zu erkennen. Er liegt auch nicht zu Tische, son- dern sitzt hinter demselben, wenn man nach der unklaren Zeichnung urtheilen darf, auf einer Er- höhung. Speisen sind hier deutlich auf dem Tische angegeben. Einzelnes entfällt oder ist entfallen,

19*

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A. Flasch, Phineus auf Vasenbildern.

Dank den Haipyien, gegen die Phineus ein Zeichen der Klage die Rechte erhebt. Sie ent- ■weiehen eben mit ihrer Beute; zwei davon tragen lange Fetzen, wohl Fleischstiicke , in den Händen, eine dritte, wie es scheint, ein Brod. Die vorge- schrittenere Kunst dieses Bildes zeigt sich besonders in der Cliarakteristik, in den Wendungen und Be- wegungen der Räuberinnen, wodurch den Gestalten der Charakter flüchtiger, haschender, gieriger Wesen eingeprägt ist. Ob auch die struppigen Haare so- wie das unschöne Profil vom Maler beabsichtigt sind und mit zur Charakteristik dienen sollen, lässt sich bei der auch sonst zu Tage tretenden Flüchtigkeit desselben leider nicht entscheiden; im übrigen hat die Bildung der geflügelten Frauen nichts Auffallendes.

Von den Boreaden vermag ich nur einen mit Sicherheit zu erkennen, jene stark fragmentirte Ge- stalt rechts neben dem Tische des Phineus, von der nur die Unterbeine mit Stiefeln, die Spitzen der Flügel, der Kopf, ein Stück des mit der Lanze zum Wurf emporgehobenen Armes und ein Rest der vorgestreckten Linken mit umwickelter Chlamys erhalten sind. Millingen hält die sich bückende Figur zur äussersten Rechten in der Publication für den zweiten Boreaden. Das ist naheliegend, um so mehr als die Figur einen kurzen Chiton trägt, während doch die drei sicheren Harpyien mit langem Chiton angethan sind. Allein mir scheint die Hal- tung der Gestalt sie duckt sich im weiten Aus- schritt und bewegt die Hände nach unten, wie wenn sie etwas aufraffen wollte weit eher einer Harpyie zu entsprechen als einem Boreaden, so dass ich geneigt bin einen Irrthum oder eine Nach- lässigkeit des Vasenmalers anzunehmen, der ent- weder den zweiten Boreaden vergessen oder Bo- readen und Harpyie verwechselt hätte.

Beide Bildwerke, das Feoli'sche und das Gra- ham'sche, haben das gemeinsam, dass sie das Abenteuer in keine sichtliche Beziehung zu dem Zuge der Argonauten setzen. In den literarischen Quellen des Mythus kommen die Boreaden als Theilnehmer an der Argofahrt an das Gestade ihres Oheims; in diesen Bildern dagegen findet

sich keinerlei Andeutung, weder dass die Befreier zu Schiffe, noch dass sie überhaupt mit anderen Genossen gekommen sind. Nicht so das nächste Bild, welches die Befreiung des Phineus als ein Abenteuer auf der Fahrt der Argo nach Kolchis darstellt. Es ist unter dem bestimmten Einflüsse der ausgebildeten Argouautensage entstanden, und nicht bloss das, es kann auch seiner zeitlichen Entstehung nach jener Epoche nicht fern stehen, welclie das Gedicht des ApoUonios hervorgebracht hat; denn seiner schon etwas lockeren Stilistik nach gehört es eher dem Schlüsse des 3. Jahr- hunderts v. Chr. als dessen mittleren Decennien an. Es handelt sich um das bekannte Amphora-Bild der Sammlung Jatta in Ruvo: Calalogo del Mnseo Jatla, No. 1095. Bull. Arcli. Nap. IlL p. 28 ff. IV. p. 199ff. Mon. d. Inst. 111,49, Ann. 1843. p. Iff. (Duc de Luynes.) Stephani, Boreas und die Boreaden p. 19, 2.

Die Scene ist hier zu einer breiten, figuren- reichen Composition ausgesponnen, in welcher des Phineus Befreiung von den Harpyien nur den Mittelpunkt bildet. Der blinde, etwas verwildert aussehende Phineus sitzt an dem Felsgestade seines Landes. Seine königliche Würde ist durch ein Scepter gekennzeichnet; dass er aber ein barbari- scher König ist, lehrt seine phrygische Kopfbe- deckung. Er hatte sich die Mahlzeit vorsetzen lassen, der Tisch ist aber aus seiner geraden Stel- lung verschoben und die Speisen sind durcheinander geworfen. Laut klagend über sein Missgeschick, schmerzbewegt aucii im Antlitz, streckt Phineus seine Linke aus. Die Harpyien, zwei an Zalil, tragen wieder den kurzen Cliiton, der ähnlichen Dämonen von der ausgebildeten griechischen Kunst insgemein gegeben worden ist, um dadurch den Eindruck ihrer Raschheit und Bewegungsfähigkeit zu erhöhen. Unmenschliche Bildung haben sie nicht, allein die eine ist entstellt durch einen scheusslichen Mund mit aufgeworfenen Lippen und durch eine grosse, habichtartig gekrümmte Nase. Auch in den verzogenen Augenbrauen und dem wirren Haar hat der Künstler das Unholde dieses Wesens auszudrücken versucht. Beide werden mit iiirem

A. Flascb, Phineus auf Vasenbildern.

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Raube von den Boreadcn, von deui einen mit Speer, von dem anderen mit dem Sciivverte dem Meere entgegen gescheucht, wobei die erste ihrem Ver- folger, der eben den Speer auf sie entsenden will, die Rechte entgegenstreckt. Dieser Gestus, der nur dahin interpretirt werden darf, dass sie um Schonung ihres Lebens bittet, ist ein erfreulicher und frischer Zug, welchen kein anderes Bild bringt. Dem Vor- gange folgen in der nächsten Umgebung des Phineus einige Personen mit gespannter Aufmerksamkeit. Am meisten füllt darunter ein Mann mit Speer in die Augen, der durch seine Tracht, Hosen und pbrygische Mütze, seine Zugehörigkeit zu Piiineus zu erkennen giebt. Er ist ein getreuer Wächter oder Pfleger, das mänjiliche Gegenstück zu jener Frauengestalt zu Häupten der Kline auf der Feoli- Vase. Duc de Luynes hat ihn an der Hand des Apollonios*) Paraibios genannt; ob der Maler ihm denselben Kamen gegeben hätte, ist nicht zu sagen, auch an und für sich gleichgültig; nur auf das Ver- hältniss kommt es hier an.

Auffallend schon dadurch, dass sie sitzt, noch mehr aber durch das Kerykeion in ihrer Hand ist ferner eine Jünglingsgestalt, die zwar gegen Phineus gekehrt ist, aber sich umgewandt hat und mit er- hobener Hand der Verfolgungsscene zuschaut. Duc de Luynes will in ihr den Aithalides sehen, der durch das Kerykeion als Sohn des Hermes charakte- risirt sei '). Am besten ist es jedenfalls, wenn man einmal an einen Argonauten denkt, hier den Herold derselben zu sehen, der mit Phineus in ihrem Na- men unterhandelt, das Mahl absichtlich hergerichtet und die Verfolgungsscene in's Werk gesetzt habe. Allein was soll überhaupt ein eigener Herold, hier wo die ganze Schaar der Argonauten an's Land gestiegen ist, wo unter anderen doch sicher- lich auch lasou , der Führer und naturgemässe

*) Apoll. KhoU. II, -lös ff. : aiiv totatvä ixuvt Ilu^iulßiog,

Ö'j Ol fltV (fCi.XUTOi.

') Noch freier sagt Jatta, Calalogo \>. ülO: Quimlo alla inierpreiazione della figura par7m allresi che nhin duhbio debba aversi a crederla Erito o Echione o Elhalide, lulti Ire ßgliuoli di Mircurio, i quali /ecero parte degli Argonauli. Ueber Aith-ilides s. Apoll. Rhod. I, 59 ft. : itCo^s 0' kit' (x J'i)os ägiax^li 7t(>o(^xav AlOaliärfv xriQvxa 9o6v, ii!)7i(n ji fi0.t- aOtti äyyi).(a; xiti ax^mnov (nttittnov Euutluo x. t. r.

Si)recher derselben, vom Maler gegenwärtig gedacht sein muss ! Es bleibt uns keine andere Annahme als die auch methodisch allein begründbare, dass näm- lich die Figur Hermes sei. Schon das Sitzen unmittel- bar in der Nähe des aufgeregten Vorgangs zeigt ein über die Sache gleichmUthiges, göttliches Wesen an, und auch die Begründung seiner Anwesenheit fällt nicht schwer. Denn welcher Vorgang in der Heroen- welt verträgt nicht die Gegenwart des Götterboten, durcli den ein Ereigniss an den Willen des Zeus ge- knüpft wird, namentlich auf einer sogenannten unter- italischen Vase, wo das Einmischen göttlicher Wesen in menschliche Vorgänge geradezu Regel ist, eine Tendenz, in der sich merkwürdiger Weise die Aus- gänge der griechischen Kunst mit ihren Anfängen be- gegnen? Ausserdem aber ist Hermes als Theilnehmer an dem Harpyienabenteuer keineswegs eine freie, neue Erfindung unseres Vasenmalers oder seines Vorbildes ; nach Hesiod (Schol. Apoll. Rhod. II, 296) und Apollonios (II, 28G) hiess eine Botschaft des Zeus die Boreaden von der Verfolgung abstehen, bei dem letzteren bringt Iris die Botschaft, bei ersterem Hermes *).

Wir müssen aber noch die Frage aufwerfen, ob Hermes nur augenblicklich gegenwärtig gedacht sei oder ob wir ihn nicht vielmehr im Sinne des Malers als Theilnehmer an dem Argonautenzuge zu betrachten haben. Zu dieser Frage nöthigt uns schlechterdings der nllog, den er gleich anderen Argonauten auf dem Haupte trägt. Beantworten lässt sich dieselbe nur im Hinblick auf die An- wesenheit noch einer anderen Gottheit, nämlich der Athena. Obschon ihre sonstigen Kennzeichen, wie Aigis und Helm fehlen, obschon sie gleichfalls eine Schifl'ermütze auf der Hand hält, mit dem Stab in ihrem Arm kann nur eine Lanze gemeint sein, und ein Schild zu ihren Füssen muss wohl als ihr

<■) Auf diese Deutung bin ich namentlich durch Engelraann aufmerksam geworden, der hauptsächlich wegen der Anwesen- heit des Hermes das bekannte Relief einer ephesischen columna caelata auf nnsere Scene beziehen und den geflügelten Dämon mit dem Schwert an der Seite für einen Boreadon erklären will (vgl. Arch. Ztg. 1879. S. 114), worin ich ihm allerdings nicht beistimmen kann. Die Robert'sche Erklärung freilich (Berl. ^yinckelnlannsprogr. 1S79) halte ich für nicht minder bestreitbar.

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A. Flaseh, Phineus auf Vasenbildern.

Eigenthum betraclitet werden '). Wir kennen die Laxheit der 8i)äten Vasenmaler in Bezug auf die Charakteristik ihrer Figuren zu sehr, als dass wir uns durch diese schwächliche Kennzeichnung in unserer Deutung beirren lassen könnten. Allein die gewöhnliche Athena ist hier nicht dargestellt, son- dern wie ausser der Haltung die Schiffermiitze zeigt, die Beschützerin der Argonauten, die Geleiterin oder Theilnehmerin des Zuges"). Und sie ist als solclie keine befremdende Gestalt unter den Argofahreru; auch auf der ficorouischen Ciste sehen wir sie unter denselben als Zuschauerin bei der Bestrafung des Amj'kos. Dieselbe Bedeutung wie für Athena hat die Schiffermiitze auch für Hermes. Während aber Athena müssig ist und um den dargestellten Vor- gang sich weiter nicht bekümmert, war Hermes bei demselben besonders betheiligt, was sein Sitzen im Centrum erheischte. Die Aufgabe, die er da hatte, zeigt jene Version des Mythus, wonach die Harpyien nur für immer vertrieben , nicht getödtet werden sollten, deutlich an: er ordnete nämlich den Vor- gang, überwacht ihn jetzt und wird rechtzeitig den Willen des Zeus verkünden. Unter seinen Auspicien also geht der Befreiungsact vor sich.

Am Ufer sehen wir die Menge der Argonauten zer- streut. Sie sind von der Argo gestiegen, die man hin- ter den Felsen versteckt sieht, um Wasser zu schöpfen, sich zu baden, zu kräftigen, überhaupt auszuru- hen von der Fahrt. Darauf deutet der sprudelnde Quell, deuten die verschiedenen Utensilien am Boden oder in den Händen der Jünglinge, als Amphoren, Geräthkasten , Strigilis mit Salbgefäss u. s. w. Es wäre ein mUssiges Unterfangen, ihnen Namen bei- legen zu wollen. Nur lason, ihr Führer, ist durch seine Stellung zwischen der Argo und Pliineus, also unmittelbar bei der Mittelgruppe, deutlich ge- macht. Er steht auf einen Speer gestützt, hohe

") Duc de Luj-nes cntsclieidet sicli nicht in der Deutung der Figur, Stejiliani nennt sie eine Frau, vielleiclit Kleo]patra, Jatta richtig Minerva.

*) Sie hat den Beinamen 'laaovltt cf. Schol. Apoll. Uhod. I, 955. Sie hilft die Argo bauen. Auf einer Schale des Mus. Greg, aus Cervetri steht sie in der Nähe des Jason wie sonst in der Nähe des Herakles oder des Perscus {Mon. d. Inst. II, 3. Gerhard, lason des Drachen Beute. Flaseh , Angebl. Argonau- tonbilder \k 2-1 ff.)

Stiefel an den Füssen, die Schiffermütze auf dem Haupt, und schaut den Boreaden nach.

Die nächste Analogie zu unserem im Detail so reichen und umständlichen Vasenbilde bietet nicht eine rein griechische, sondern eine nur von helle- nischer Kunst beeinflussteComposition, das Abenteuer der Argonauten mit Amykos auf der berühmten fico- rouischen Ciste. Dort zerfällt das Bild wie hier in ein Centrum und viele Nebenfiguren, Argonauten von ganz ähnlicher Erscheinung und in denselben Beschäftigungen begriffen. Auch dort ist, wie ge- sagt, Athena zugegen. Je öfter man beide Com- positionen mit einander vergleicht, desto mehr muss man die Ueberzeugung gewinnen, dass durchaus ähnliche Argonautenbilder oder ein Cyklus von solchen sowohl den Maler des Gefässes als den Zeichner des Graffito beeinflusst haben.

An diese schon früher bekannt gegebenen Bild- werke reihen wir hier zwei neue, die nicht die Be- freiung des Phineus zum Gegenstand haben, son- dern nur seine Strafe, sein Leiden. Beide gehören zu der Klasse der sog. rothfigurigen Vasenbilder und befinden sich in dem britischen Museum.

Das erste ist einer Amphora entnommen, die aus den Salzmann'schen Ausgrabungen zu Kameiros stammt und auf Tafel 12, 2 abgebildet ist *). Wir sehen Phineus beim Mahle sitzen; um seine könig- liche Würde auszudrücken, hat sich der Maler nicht mit dem Scepter begnügt, er lässt ihn auch auf einem Throne sitzen, und seine Füsse auf hohem Schemel ruhen. Die Speisen auf dem Tische zur Linken sind verstört. Eine Harpyie, gegen die sich der König mit dem Haupte und ausgestreck- ten Arme gewendet hat, entfiieht mit Speisen in der Linken, mit einer Schale in der Rechten. Sie blickt auf Phineus zurück. Bedauernswerth ist,

[*) Dem Verfasser wie dem Redacteur dieser Zeitschrift ist bekannt geworden, dass die Zeichnung dieser Vase, yelche ihnen durch fremde GeliiUigkeit versclialTt wurde, recht ungenügend ist. Da aber die Aus.sicht eine bessere zu gewinnen sehr unge- wiss ist, haben sie sich nach einigem Schw.anken entschlossen, die Abbildung nicht zu unterdrücken, besonders da es für den Zweck dieses Aufsatzes zuerst auf eine Anschauung der Com- ])Osition ankommt. Herrn Percy Gardner in London sind Verfasser und Herausgeber für die sehr nützliche Auskunft dank- bar, die er dem letzteren bereitwilligst über manche l'unktc er- tlicilt hat, welche die Zeichnung unsicher Hess.]

A. Flasch, Phineus auf Vasenbildern

143

dass gerade der Vorderarm desselben fragmcntirt ist. Ich glaube niimlicli, Phiueus hob den Arm nicht, wie wir namentlich auf dem Ruveser Bilde sehen, kla- gend empor, sondern streckte ihn flehentlich ge- gen die erbarmungslose Ilarpyie. So gefasst gewinnt wenigstens die Composition der Vorderseite der Am- phora, die nur aus diesen zwei Figuren besteht, ausserordentlich an Interesse und an Beziehung der gegenseitig sich anblickenden Gestalten. Auf der Etickseite ist eine zweite Ilarpyie abgebildet, die im Flug wie triumphirend einen Knäuel Speisen empor- hält. Die Räuberinnen sind von jugendlich schö- ner Bildung, Mädchengestalten (virginei volucrum vol- ius vgl. Verg. Aen. III, 21G) mit kurzen, ärmellosen Chitonen, kleinen Flügeln und wallenden Haaren.

An zwei Stellen liest man den Ausruf KAUO^-

Das Bild bietet nichts Neues. Man kann sich das- selbe sogar recht wohl in der Phantasie durch die Bo- readen erweitern, ohne dass man mehr als die Kopf- haltung der ersten Harpyie und vielleicht die Arm- bewegung des Phineus zu ändern brauchte, und es so zu einer Befreiungsscene umgestalten. Anders das nächste, auf derselben Tafel publicirte Bild, das von den Elementen, aus denen die angeführten Dar- stellungen sich zusammensetzen, nichts als den Tisch wiederbringt.

Die Vase, gleichfalls eine Amphora, stammt aus Nola und befand sich ehedem in dem Museum Blacas. Es ist das Verdienst Löscheke's, die Redaktion der arch. Ztg. auf dieselbe aufmerksam gemacht zu haben.

Ohne weiteres erklärt sich jetzt aus dem typi- schen Tische, der TQdn£'(^a sösafiäxcov mit den durcheinander geworfenen und herabhängenden Speiseresten, die aufrecht stehende Gestalt des bärtigen Mannes. Phineus ist höheren Alters, sein Vorderhaupt bereits kahl; er ist auch blind, nur den Lidspalt hat der Maler gezeichnet, das Auge nicht geöfinet. Eine Binde im Haar und ein Scepter, das in seinem Rücken lehnt, kennzeichnen den König, wahrscheinlich auch die Tracht, die aus Chiton und Himation besteht. Denn auch auf der eben betrachteten Vase kehrt dieselbe Tracht auffallender Weise wieder, während es doch Brauch

der auf solcher Hübe stehenden griechischen Kunst ist, bei Männern insgemein den Chiton hinwegzu- lassen und sie nur mit dem Himation zu drapiren. Durch diesen Gegensatz zu dem lieblichen wirkt die Gewandung schon bedeutungsvoll. Ziehen wir noch hinzu, dass auch das Ruveser Bild dieselbe Tracht zeigt und auf den sogenannten unteritalischen Vasen Könige fast regelmässig den Chiton tragen, so er- scheint es uns vollends unzweifelhaft, dass auch hier die Würde der dargestellten Person durch die Gewandung gekennzeichnet sein solP).

Am meisten befremdet, im Vergleich zu den an- deren Bildern, dass hier Phineus vor dem Tische steht, während wir ihn einmal liegend, sonst sitzend gefunden haben. Zu dieser Haltung kommt als nicht minder überraschendes neues Motiv die Be- wegung der beiden Hände. Die Vorderarme sind nämlich in ziemlich paralleler Führung leicht erhoben und die Hände zugleich geöffnet.

Eine Erklärung des hier Dargestellten hat selbst- verständlich von der Beschaffenheit des Tisches aus- zugehen und nicht ausser Acht zu lassen, dass die dort angerichtete Verwüstung zeigt, wie die Harpyien bereits zugegen gewesen und nun entwichen sind. Unter diesen Umständen Hesse sich, etwa auf der Rück- seite der Amphora, eine Harpyie erwarten, ich sage eine, weil dem einen Phineus doch nicht wohl zwei Figuren auf der Rückseite hätten entsprechen können. Und allerdings ist hier eine Frau darge- stellt, allein in gewöhnlicher, uugeflUgelter Gestalt und in ruhiger Haltung. Dieselbe ist auch zwei- fellos als zu Phineus gehörig gedacht, allein nur in demselben Sinne wie die Frauengestalt der Feoli- Schale; sie ist Genossin, Pflegerin des Phineus? vielleicht seine Gattin.

Entscheidendes also für das Hauptbild lässt sich aus der Rückseite nicht entnehmen, dasselbe will aus sich allein interpretirt sein. Bei einem Blinden könnte man nun daran denken, dass er die Hände vorstreckte, um sich tastend zu dem Speisetisch zu bewegen. Allein dem widerspricht die ganze Hal-

') Vergl. Jatta, Calalogo p. 504: . . con lungo chitone manicatu (ed ^ iL quarlo eaempio coteslo, dopo quello di Creonte, di Ceteo e di Priamo, del ynwv }(tiinöu)i6g appropriato ai re SU guesli vascularii dipinii).

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A. Flasch, Phineus auf Vasenbildern.

tung des Phineus, der erhobenen Hauptes aufrecht dasteht und nicht den geringsten Anschein giebt, als wolle er vorwärts schreiten. Was sollte er auch an dem Tische? Der Zustand desselben bezeugt, dass ihm die Mahlzeit zum Theil schon entführt, zum Theil ungeniessbar gemaclit worden ist. Ausser- dem müsste er wohl mit den Händen vorwärts nach unten tasten und sich selbst zugleich entsprechend bewegen. Der Augenschein hingegen lehrt, dass er seine Hände erhebt, ohne etwas greifen und ohne sich bewegen zu wollen: er erhebt seine Hände zu den Göttern, er betet. Stehend'") und mit erhobenen Händen (y^elgag avaa%i!)v^ oqsyvvq) wendet er sich zu ihnen um Erlösung von seinen Leiden. Der Deutlichkeit halber unterstützte übri- gens der Vasenmaler Haltung und Gestus noch durch den Ausruf 0EOI, den er, als käme er aus dem Munde des Phineus, beigeschrieben hat.

Das Gebet des hülflosen Alten, in dieser Einfach- heit unter Ausschluss aller Zuthaten vom Maler vor- getragen, macht einen ergreifenden Eindruck. Nie- mand vermag dem Gestraften zu helfen als die Götter; er hat es erkannt, ist in sich gegangen und nimmt seine Zuflucht zu den gestrengen Pächtern. Diese rein psychologische Auffassung des Mythus verleiht dem Bildchen eine unwiderstehliche Wirkung, erweckt in uns das tiefste Mitleid. Wir malen uns, angeregt durch die erbarmungswürdige Erscheinung vor uns, in der Phantasie die Summe ihres Elends weit grösser aus, als wenn uns der Maler zeigte, wie Phineus zu Tische sit/t und von den leibhaftig gegenwärtig gemalten Harpyien gestört wird. Das kleine Bild hat aber dadurch auch einen kunsthistorischen Werth, insofern es sich mehr denn unzählige andere Vasenbilder als ein achtes Kind der auf die Schil- derung des Seelenlebens ausgehenden Kunst des 4. Jahrh. v. Chr. erweist.

Angebracht ist über dem Tische die Aufschrift XAI'AAIAE^, unter demselben das dazu gehörige KAUO^.

Die Schöpfung eines Bildes wie dieses möchte

">) II. XXIV, 30G: tvyjj 'iutna aiüs fj^aio ii>xH. l'hilostr. Vit. Apollon. G, 4: xaOüntQ oi. lo X(itiitov oqOoi tl((>tt- ntunvri;, was viele Bildwerke illustriron.

man gerne dem Einflüsse attischer Kunst zuschrei- ben. Als Fundort der Vase wird Kola angegeben. Allein wir können diesmal in der Frage nach dem Fabrikationsorte weiter vordringen, da ein ausser- ordentlich günstiges Geschick diese Vase und jene aus Kameiros in ein und dasselbe Museum zusam- mengeführt hat. Beide Stücke stimmen nämlich so- wohl an Grösse als an Form vollkommen üb er ein. Ferner ist auch die Kunststufe, auf der sie stehen, die gleiche, und der Charakter der * Zeichnung nicht wesentlich verschieden. Es müssen also beide Amphoren aus einer und derselben Fa- brik und aus ziemlich gleicher Zeit stammen. Der gemeinsame Fabrikationsort zu sein , von wo das eine Exemplar nach Kameiros, das andere nach Nola wanderte, hat kein Platz mehr Anspruch als Athen und es vereinigen sich glücklicher Weiseimeh- rere Umstände, diese Hypothese fast zur Gewiss heit zu erheben: erstens die tiefe, originelle Auf- fassung des Mythus auf der Blacas'schen Vase, zwei- tens die Zugehörigkeit des für beide gewählten Vorwurfs zu der attischenLaudessage überhaupt, drit- tens die Gegenstände anderer auf Kameiros mitgefun- dener, stilistisch ähnlicher Vasen, worunter eine Unterrichtsdarstellung und ein Bild mit der speci- fisch attischen Sage von Erichthonios und den Töchtern des Kekrops, weshalb die attische Prove- nienz dieser schon früher vermuthet worden ist"); vgl. Ann. d. Insl. 1879. tav. d'agg. F. p. G2 66 (R. Engelmann); p. 112 119 (Heydemann). Ann. d. Inst. 1878 tav. d'agg. 0. F. p. 284-295. Die dritte Phineus- Vase, jene bei Millingen und Stackeiberg publicirte, stammt aus attischen Ausgrabungen. Dass das vierte Exemplar endlich, die aiginetischen Frag- mente, attisches Fabrikat ist, erhebt die Namens- form l4&>]vaitt über jeden Zweifel. Unter solchen Umständen dürfte aber der gerade aus altattischen Bildwerken bekannte Krobylos der Boreaden, so- wie die vornehmlich für Attika bezeugte Zweizahl der Hören, von denen eine durch die Blüthe sicher

' ') // Vdso la cui origine atenieee i fuor di duhbio, se si giudica dal miio puramente ateniese .... Esso contribuisce 7wn poco a farci credere die la maggioranza dei vasi trovati in quel silo non siano fabbricati allrove che in Atene Engel- iiiann a. a. U. p. 65.

Th. Schreiber, Lndovisisehe Antiken I.

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als Thallo unterschieden ist, Grund genug sein, auch für die Feoli'sclie Vase attische Provenienz anzunehmen. So stehen wir denn vor der er- freulichen Thatsache, dass uns die Darstellung der Phineussage wenn auch nur in TPenigen Bildwer- ken, so doch in solchen vorliegt, die, eines ausge- nommen, der attischen Kunstiudustrie angehören.

Nur von dem Ruveser Bilde lässt sich attische Provenienz weder beweisen noch wahrscheinlich machen. Es nimmt aber auch seiner ganzen Compo- sition nach eine Sonderstellung ein, ist hellenistisch nnd zwar, wie aus der Verwandtschaft mit der erwähnten Ciste hervorgeht, italisch-hellenistisch. Würzburg. A. Flasch.

LUDOVISISCHE ANTIKEN.

I. Paris und Oinone, ein

(Taf.

Ein vielbesprochenes Relief der Villa Ludovisi schildert ausführlich das Urtheil des Paris. Die Göttinnen sind von Hermes vor ihren Richter ge- führt ; an Paris Seite , den Eros im Begriff ist zu überreden, steht die bisherige Gefährtin seines Hirtenlebens, die Nymphe Oinone. Sie scheint zu ahnen, welches Unheil ihrer Liebe droht, indem sie die Syrinx, auf der sie noch eben gespielt, vom Munde absetzt und das heimliche Einverständniss zwischen Paris und Eros argwöhnisch beobachtet ').

Einen Schritt weiter in der Entwickelung der Sage führt ein anderes Monument derselben Villa, das wie manches Bildwerk der Sammlung bisher wenig Beachtung gefunden hat. Es ist das Relief, welches nach einer photographischeu Aufnahme auf Tafel 13 abgebildet ist '). Mit einem in Grösse und Ausführung übereinstimmenden Gegenstück bildet es gegenwärtig den einzigen Schmuck der geräumigen, in das Erdgeschoss des Hauptpalastes führenden Halle. Die Platte ist, obgleich vielfach gebrochen, von vortrefflicher Erhaltung. Ergänzt sind nur die Nasenspitzen des Jünglings und der Frau, an letzterer noch die Spitze des 1. Daumens. An dem Gewand des ersteren sind einige Falten bestossen. Das Material ist grobkörniger griechi- scher Marmor.

') Schreiber , Die antiken Bildwerke der Villa Ludovisi nr. 106. Abweichende Auflassung bei Braun, Zwölf Basreliefs zu Taf. VII und Overbeck, Bildw. z. troisch. Sagenkr. p. 239.

•) Katalog nr. 149. Die Maasse sind folgende: H. 1,13 m. B. 1,33. Relieferhebung bis 0,10. ArchUolog. Ztg., Jahrgang XXXVIIl.

hellenistisches Reliefbild.

13.)

Das Relief wird in einem Inventar v. J. 1633, welches den Gesammtbestand der ludovisischen Kunstschätze nach dem Tode des Cardinais Ludo- visi verzeichnet, an der jetzigen Stelle angeführt, die Darstellung als il rapimento d'Elena gedeutet ^). Dieselbe Auslegung wiederholen die späteren Be- schreiber der Villa, Pinarolo, Nibby u. A. Sie ist auch von Winckelmann ^) beibehalten worden, der gleich allen folgenden Erklärern das ludovisische Relief nur beiläufig, bei Gelegenheit des verwandten Monumentes in Palazzo Spada, mit kurzen Worten erwähnt. Wie wenig diese Deutung mit der Dar- stellung in Einklang steht, haben schon Otto Jahn und Braun ') erkannt, und beide fast gleichzeitig die richtige Erklärung gefunden. Die ruhige, nicht zur Flucht antreibende, sondern eher abwehrende Haltung des sitzenden Jünglings macht es unmög- lich an eine Entfülirungsscene zu denken. Es ist vielmehr der sich aus dem Schönheitsgerieht auf dem Ida entwickelnde Moment wiedergegeben, die Scene, in welcher Paris von den Versprechungen der Aphrodite bethört sich zur Abfahrt nach Hellas entschlossen hat, während Oinone, die treulos Ver- lassene, noch einmal versucht den Geliebten vor dem unheilvollen Unternehmen zu warnen. Der Vorgang spielt sich am Gestade des Meeres ab.

3) A. a. O. p. 29 lin. 10. *) Mon. ined. II p. 158.

^) Jahn, Arch. Beitr. p. 349. Braun, Bull. delV Inst. 1845 p. 39. 1848 p. 69. Zwölf Basreliefs zu Taf. Vlll.

20

146

Th. Schreiber. Ludovisisehe Antiken I.

Zur Linken sitzt Paris, durch die phvygische Mütze und den Hirtenstab in seiner Linken gekennzeichnet, auf einem Felsensitz unter einer Pinie, nicht mehr im Hirtengewande, das er auf anderen Bildwerken trägt, sondern mit einer leicht um die Glieder ge- legten Chlamys bekleidet. In nachlässiger Haltung, wie in Träumereien über das künftige Glück ver- sunken, lehnt er den Oberkörper zurück und stützt das lockige Haupt mit dem seitwärts auf dem Felsen ruhenden rechten Arm. Seitlich hinter ihm, so dass sie durch einen vorragenden Felsen unterwärts ver- deckt wird, steht Oinone allein, nicht mehr traulich an Paris gelehnt, obgleich die Beugung ihres Kör- pers eine Stütze zu fordern scheint. Sie ist in den Mittelpunkt des Bildes gestellt und darin, wie in ihrer Geste und in der reichen Kleidung, im Schmuck des Schleiers, der von ihrem Haupte über den Rücken herabfällt und dessen einen Zipfel die Rechte an- muthig gefasst hält, giebt sie sich als Hauptfigur der Darstellung zu erkennen. Mit dem Zeigefinger weist sie auf das Schiff zu iiiren Füssen. Sie sieht mit dem Blick der Seherin ^) voraus, welches Un- heil von hier') seinen Ausgang nehmen wird. Dass ihre Warnung vergeblich ist, zeigt nicht blos die lässige Haltung des Paris, der ihr kaum einen flüchtigen Blick zu gönnen scheint, sondern auch die Ausrüstung des Schiffes. Man sieht auf dem Verdeck den in einen breiten Ring auslaufenden Schaft des Ankers und am Schiffshintertheil einen Schild, ein Tympanon und zwei mit flatternden Bändern verzierte Thyrsosstäbe befestigt. Xacli Welcker's sinniger Auslegung '') bezeichnen die bak- chischen Geräthe „den Rausch, worin sich Paris befindet, oder die Lustigkeit, womit er seinem ge- wähnten Glück zueilt". Der Schild aber, wenn er nicht leere Verzierung ist, konnte auf den Kampf anspielen, der als letzte Folge aus dem Abenteuer entspringen sollte. Einen wirksamen Abschluss nach oben erhält die Darstellung durcli einen sclmialen Reliefstreifen, der von dem Hauptbilde durch eine schmale, unverzierte Leiste getrennt ist und in wohl-

^) Die Sehergabe der Oinone bezeugen A|iolloü. III, 12. 6. Parthen. 4. Conon 23. Clem. Alex. Strom. I p. 144 Sylb.

') Von den v^ff ünyjxuxoi des Paris spricht schon II. V, 62 f.

«) A. D. V p. 177.

berechneter Reihenfolge die Zinnen und Gebäude Troias summarisch andeutet. Von links nach rechts folgen ein Stück der Stadtmauer, ein Thor, eine Porticus, ein Tempel und eine einzelne Säule mit undeutlichem Aufsatz aufeinander. Man bekommt den Eindruck, als sei mit der Kleinheit dieses archi- tektonischen Beiwerks und mit seiner Anbringung über den Figuren in gesondertem Felde eine Art perspectivischer Wirkung beabsichtigt. War dies der Fall , so sollten die Gebäude Troias nicht blo.s symbolisch die Oertlichkeit verdeutlichen helfen, sondern sich mit dem Hauptbilde auch zu einer räumlichen (ideal gedachten) Einheit zusammen- schliessen. Damit liesse sich erklären, dass die Gesammtdarstellung nach rechts durch einen Fels- streifen abgeschlossen wird, der mit dem oberen, die Stadt tragenden, zusammenstösst und die Meeres- wellen mit dem Schiff wie in einen Hafen eingrenzt. Es spricht nicht dagegen, dass die Wellen nur im unteren Theil des Reliefs plastisch ausgeführt sind, denn durch Bemalung, die auch an einem analogen Relief vorausgesetzt worden ist (s. unten), konnte die glatte Fläche über dem Schiff sehr leicht als Wasser cliarakterisirt werden. Jedenfalls prägt sich, worauf wir zurückkommen werden, die malerische Haltung des Bildes in der Gesammtauffassung des Stoffes deutlich aus.

Schon Winckelmann hatte das ludovisisehe Relief mit einem anderen in Palazzo Spada zusammenge- stellt, welches von ihm zuerst und seitdem ver- schiedene Slale ') publicirt worden ist und von dem der leichteren Vergleichung halber eine Abbildung auch auf Tafel 13,2 reproducirt wird. Es wiederholt im Allgemeinen die Composition der eben betrach- teten Darstellung, doch mit wesentlichen Abwei- chungen im Einzelnen. Aus den Pinienzapfen der Thyrsosstäbe sind nach Brauns Angabe das Origi- nal lässt die Gegenstände nicht deutlich erkennen

') Braun, Zwölf Basreliefs Taf. VIII. Jahn, Arch. Beitr. Taf. 10. Overbeck, Gall. her. Bildw. Taf. 12, 5, daselbst p. 257 die übrige Literatur. Ergänzt an Paris: Kopf, r. Arm, 1. Hand, an Oinone I. Hand und r. Vorderarm, am Wassergott beide Hände und der Hals der Urne mit dem Wasser. Nicht vollständig sind die Angaben von K. Keil, Arch. Anzeiger 1864 p. 26ö*. Die Maasse sind: H, c. 1, 70, B. 1, 06. Relieferh. bis c. 0,lf).

Tb. Sclireiber, Ludovisische Antiken I.

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Lanzenspitzen geworden, der Anker ist ausgelassen. Oinone, die auf dem ludovisiscben Relief eine iso- lirte Stellung einnimmt und sich auf einen (plastisch nicht angegebenen) Felsen zu stützen scheint, lehnt sich hier vertraulich auf die Schulter des treulosen Gatten, dem sie auch den Kopf zuwendet, was nach Wclckers richtiger Bemerkung verwirrend und widersprechend wirkt. Wichtiger ist ein Unter- schied, den Welcker übersehen hat. Während in der spada'schen Darstellung sich Paris wie in herz- lichem Gespräch aufgerichtet hat, giebt er in dem ludovisischen Relief durch seine nachlässig abge- kehrte Haltung deutlich zu erkennen, dass alle Warnung fruchtlos sein wird, ein feiner, ohne Zwei- fel dem Original gebührender Zug, durch den in dem gegenwärtigen Moment zugleich der künftige angedeutet wird. Auch ist der lange Schleier, den Oinone auf letzterem Bildwerk trägt, der Würde der Seherin angemessener, als die Haube, die ihr in der spada'schen Replik verliehen ist. In dieser ist von dem Schleier nur ein Rest über dem linken Arm übrig geblieben, ein deutliches Zeichen, wie willkührlich und unachtsam der Bildhauer die Mo- tive des Vorbildes benutzt hat.

Besonders auffallend ist in der spada'schen Wie- derholung die Erweiterung der Compositiou durch die Figur einer Wassergottes, der für sich allein die volle Breite des unteren Reliefstückes in An- spruch nimmt. Sucht man nach einem Namen für ihn, so haben Okeanos und die Flussgötter Ska- mandros und Kehren, der Vater Oinonens, fast gleiche Berechtigung, wenn auch Skamandros, als dem Ida angehörig und auch sonst bei Begeben- heiten der troischen Sage gegenwärtig'"), hier am schicklichsten Platz finden könnte. Obgleich sich also die Anwesenheit einer Lokalgottheit erklären Hesse, so ist doch aus verschiedenen Gründen sehr unwahrscheinlich , dass die Figur bereits der Ori- ginaldarstellung angehört hat. Zunächst ist es ihre Geberde, welche Bedenken erre^'t. Mit dem er- hobenen rechten Arm (nur die Hand ist modern) deutet sie, wie der Ergänzer wohl richtig ange- nommen, in die Ferne und erhebt zugleich den

">) I3eisi)iele liei .Tahn a. a. O. p. 334.

Blick zu Paris hinauf. Wenn dem Künstler tiber- haupt ein Gedanke vorschwebte, so kann es nur der schon von Braun ausgesprochene gewesen sein, dass der Flussgott dem zur Abreise entschlossenen Paris eine Mahnung ertheilt „daheim zu bleiben im Vaterlande". Es ist in dem Fall eine Nachahmung der Warnung, welche Oinone mit gleicher Geberde ausdrückt, eine Wiederholung des Motivs, die schon darum nicht günstig wirkt, weil sie die Theil- nahme von Oinone auf eine ganz untergeordnete Figur ablenkt. Ueberdies ist das Eingreifen ir- gend einer Lokalgottheit in den Verlauf der Sage nicht bezeugt. Etwas anderes ist es, wenn bei Horaz ") der greise Nereus, dessen Pro- phetengabe die Sage oft hervorhebt, auf oifener See dem mit Helena heimschiffenden Paris das kommende Unglück voraussagt. Eine so selb- ständige Bedeutung können Ortsgottheiten nicht be- anspruchen, sie sind als reine Personifikationen mit dem Lokal, welches sie repräsentiren, eng ver- wachsen und eben deshalb von der bildenden Kunst mit Vorliebe als sitzend oder am Boden gelagert dargestellt worden. Wesen dieser Art sind, um ein treifendes Wort von Friederichs ") anzuwenden, „passiv nach ihrer Natur und wenn sie auch Theil- nahme zeigen durch Geberden, so bleiben sie doch immer kalt und uninteressant und scheinen ent- behrlich". In der That wird niemand im ludovisi- schen Relief die Gestalt des Wassergottes vermissen. Die Composition ist hier in sich abgeschlossen und klar disponirt, das Hauptbild und der darüber an- gebrachte Hintergrund bestimmt von einander ge- sondert. Nicht so in der spada'schen Wiederholung. Oinone, die dort im Mittelpunkte des Bildes steht, während Paris und Schiff, sich auf einander be- ziehend, die beiden Seiten füllen, ist hier mehr auf die Seite geschoben und mit Paris zu einer engen Gruppe verbunden. Beide ragen über die obere Trennungsleiste hinaus, was wiederum eine wesent- liche Veränderung des architektonischen Hinter- grundes veranlasst hat. Statt der wohl berechne-

") Carm. I, 15, 5.

'■-) Die iihilostratischen Bildei- p. 248, im Excuis „Ueber die Personifikation der Natur'.

20 *

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Tb. Schreiber, Ludovisische Antiken I.

ten Reihenfolge der Bauten auf dem ludovisischen Relief finden sich hier rechterseits drei tempelartige, mit Säulenumgängen versehene Gebäude, zwei vier- seitige, die mit Giebeldächern bekrönt sind, und in- mitten ein Rundbau. Sie sind säuimtlich durch ein zweites Stockwerk überbaut '^), offenbar um den höher gewordenen Reliefstreifen zu füllen, wie ja auch in der Mitte des Schiffes zur Verdeckung des darüber entstandenen leeren Raumes ein arkaden- artig sich öffnender Bau aufgesetzt ist. Nach links folgt ein bedeutungsloser Hügel mit einem strauch- ähnlichen Bäumchen als dürftiger Ersatz für die neben Paris weggelassene Pinie. Am deutlichsten zeigt sich das Ungeschick der Anlage in der räum- liehen Einfügung der Figur des Wassergottes. Sie ist mit dem Mittelbilde nur in sehr lockere Ver- bindung gebracht, welche durch die vom Fuss des Paris an quer laufende Leiste eigentlich wieder aufgehoben wird. Indem ihr eine über die Ver- hältnisse der Hauptfiguren weit hinausgehende Grösse gegeben ist, soll sie augenscheinlich den er- weiterten Rahmen wenigstens in der Breite aus- füllen, ohne doch wie die sehr empfindliche Lücke unterhalb des Paris beweist dazu geeignet zu sein. Es ist nach dem Gesagten leicht zu er- kennen, dass gerade diese Füllfigur die Verände- rung und Verschlechterung der ursprünglichen Com- position hervorgerufen hat. Um ihr Aufwärtsblicken, durch welches allein der Zusammenhang mit dem Mittelbilde hergestellt wird, einigermassen zu moti- viren, musste die Hauptgruppe soviel als möglich zur Seite gerückt werden. So zusammengedrängt erforderte sie mehr Kaum nach oben und veran- lasste wiederum die Verkürzung der Darstellungen im oberen Randstreifen, während darunter links die Pinie aus Raummangel, und aus Unverständniss auch der Felsenrand zur Rechten in Wegfall kamen.

Von beiden Wiederholungen steht mithin die ludovisische der Originaleomposition am nächsten, ja sie darf wohl als getreue Nachbildung derselben

'^) Derartige Bauten sind, wenn auch nicht unerhürt, doch keineswegs häufig gewesen. Pausanias (III, 15. 11) kennt nur einen zweistöckig übersetzten Tempel (in Sparta). Der Tempel des Iladrian in Kyzikos hatte ausser zwei Stockwerken noch eine Krypta (Marquardt, Cyzicus p. 150 ff.).

gelten. Dass sie nicht selbst das Original ist, geht, von anderen Gründen abgesehen, schon aus dem Missverhältniss zwischen Erfindung und Ausführung hervor. Denn trotz aller technischen Routine ist die Arbeit von einer gewissen Trockenheit, wie sie Werken der Kaiserzeit eigen ist, nicht freizuspre- chen. Andererseits zeichnet sich die Composition durch Vorzüge aus, die sie weit über die Durch- schnittsleistungen der römischen Kunst erheben. So bleibt die Frage übrig, welcher Zeit das Vorbild zu- zuweisen ist. Sie wird sich, wenn überhaupt, nur mit Hülfe eines vergleichenden Ueberblickes über die verwandten Monumente lösen lassen.

Dass wir hier nicht eine vereinzelte Schöpfung, sondern Produkte einer eigenthümlichen Geschmacks- richtung vor uns haben, hatte schon Braun erkannt, indem er mit dem erwähnten und den übrigen sieben zu ihm gehörigen Reliefs des Palazzo Spada zugleich vier andere publicirte, die in Auffassung und Ausführung die nächsten Analogien bieten. Es sind dies zwei Reliefs des capitolinischen Museums, den schlafenden Endymion'^) und Andromeda's Be- freiung darstellend '^) und zwei in Villa Albani be- findliche, deren eines Daidalos und Ikaros, das andere Herakles bei den Hesperiden behandelt. Von einigen dieser Darstellungen sind mehr oder weniger genaue Repliken nachweisbar "'). So ist die Daidalosgruppe nochmals ausgeführt auf einem Relief in rothem Marmor, ebenfalls in Villa Albani ''). Die capitolinische Darstellung der Befreiung Andro- meda's ist mit Umkehrung des Motivs und mancher- lei Veränderungen für ein kleines Relief des neapler Museums verwendet "*). Die Liste ist damit nicht abgeschlossen. In demselben Geschmack sind zwei Reliefs des lateranischen Museums behandelt. Das eine schildert, wie Heibig nachgewiesen hat, die

") Foggini, Mus. Cap. IV tv. 53. Braun Taf. IX.

'*) Foggini IV, 52. Braun Taf. X. Fedde, De Perseo et Andromeda p. 63 nr. 1.

'^) Dass von dem Endymionrelief eine Keplik in Villa Ludo- visi existire, wie Wörmann, Landschaft in d. Kunst d. a. V. ]i. 275 Anm. 31 angiebt, ist nicht richtig. Hat vielleicht das stark ergänzte Relief mit einem gestürzten Niobiden (nr. 162) zu dem Irrthum Anlass gegeben?

") Zoega, Bassir. tv. 44.

'») Miix. Borh. VI, 40. Fedde p. 64 nr. 3. Vgl. Mon. Matth. III, 28. 2. Fedde p. 64 nr. 2.

Th. Schreiber, Ijudovisische Antiken I.

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Kindlieitspflege des Pan ") , in dem zweiten hat Kekule wohl mit Reclit die Auffindung des Knaben Asklepios durch Autolaos erkannt "). Den gleichen Charakter trägt ein Relief des Louvre "), gewöhn- lich als „/e faune chasseur" citirt, in welchem ein Satyr einem Panther neckend ein Wildpret vorhält. Ferner ein auf unsrer Tafel abgebildetes Relief der Villa Ludovisi "), welches, vermufhlich der ur- sprünglichen Bestimmung entsprechend, bei der Aufe^tellung als Gegenstück der Oinonedarstellung verwendet worden ist. Es zeigt einen Satyr, der eine schlafende Nymphe beschleicht, beide von einer Grotte umgeben, zur Rechten vor derselben eine Pinie. Hier lassen sich endlieh auch zwei Marmor- reliefs in Palazzo Colonna ") anführen. In dem einen sieht man zwischen einem Pfeiler mit Götterbild und einer Herme einen stehenden Hermaphroditen, der einen Eroten auf dem Arm trägt, hinter ihnen über einer Mauer mehrere ländliche Heiligthümer. Das andere enthält einen ebenfalls stellenden, syrinx- blasenden Satyr, der sich auf einen mit einer Herme bekrönten Pfeiler stützt. Daneben ist ein hoch auf- ragender Baum angebracht. Im weiteren Umkreis reihen sich, wenn auch theilweise nur als Ausläufer derselben Richtung, zahlreiche Reliefs an, welche unter Vermeidung mythologischer Stoffe dem Hinter- grund eine selbständige Bedeutung geben, indem sie landschaftliche Motive im Sinne des Idylls mit einer gewissen behaglichen Breite schildern ^0- Was diesen Darstellungen einen gemeinsamen

") Benndorf-Schüne, Lat. Mus. nr. 24. DaK. 11, 40. 482. Vgl. Heibig, Untersuchungen p. 360 Anm. 6.

-'") Lat. Mus. nr. 11. Braun, Antike Marmorwerke Taf. 5. Kekule, ^?ioiJe 3Icmorie d. I. p. 124 Anm. 4.

-') Fröhner, Notice I nr. 281. Clarac 17», 169. DaK. II, 39. 465.

■■^ Taf 13, 3. Schreiber, Villa Ludovisi nr. 148.

■'i) Gerhard, Ant. Bildw. Taf. 42, 1 u. 2. DaK. II, 56. 717. Ueber das zugehörige dritte Relief s. weiter unten. Die Anzahl der hierher gehörigen Reliefs wird sich vermuthlich vermehren lassen. Vgl. z. B. das Fragment einer analogen Darstellung des Britischen Museums (Theseus und Minotauros? Als Hintergrund sorgfältig ausgeführtes Mauerwerk) Anc. marbl. XI pl. 48 und unten Anm. 30. Auszuscheiden ist das in der Form des Rah- mens an die aufgezählten Monumente erinnernde Relief des Lou- vre DaK. II, 45. 568, welches nach Fröhner, Mus. de France zu pl. 27 modern ist.

'*) Vgl. die Aufzählung bei Heibig, Untersuchungen p. 3G0 Anm. 7 und Wörmann, L.indsch. K. a. V. p. 296 fl'.

Charakter giebt, ist nicht sowohl die Wahl der Ge- genstände, als die durchaus malerische Behandlung des Hintergrundes. Baum, Fels und Meer kommen für sich zur Geltung, sie sind mit einer Sorgfalt und Ausführlichkeit behandelt, welche mit dem Pinsel zu wetteifern seheint. An Stelle des knappen, mehr andeutenden Ausdrucks der älteren Plastik ist eine gewisse Redseligkeit getreten, die aucii vom Nebensächlichen , vom Beiwerk nichts übergehen will, ja gerade in ihm sich oft nicht genug thun kann. Dabei ist docli in den besseren Reliefs ein feines Gefühl für künstlerischen Aufbau der Staf- fage unverkennbar. Wie schön gegliedert, wirksam in den Contrasten und von anmuthigem Linienfluss ist beispielsweise die Zeichnung des Louvrereliefs. Welche Fülle reizvoller, wohlvertheilter Motive ent- hält das lateranische Relief mit der Pflege des jugendlichen Pan. Selbst im Grundschema der Anordnung zeigen einige der besten Leistungen dieser Gattung, welche weiter unten genauer zu be- sprechen sein werden, eine unverkennbare Verwandt- schaft unter einander.

Vor allem charakteristisch ist die Zusammenfas- sung der Composition zu einem nur wenige, meist zwei, nie über vier Figuren enthaltenden Bilde, dem mit Vorliebe ein oblonger, mehr hoher als breiter Rah- men gegeben wird. Durch letzteren und durch die ungewöhnlich grossen Dimensionen fallen diese Jlar- mortafeln unter der Masse römischer Reliefs, die unsere Museen füllen, leicht in die Augen. Die Figuren der Panspflege des Lateran und der Reliefs in Palazzo Colonna erreichen volle Lebensgrösse. Auf den Reliefs in Palazzo Spada ist ihnen durch- schnittlich dreiviertel Lebensgrösse gegeben, ebenso auf dem zweiten Relief des Lateran und dem des Louvre. Die Gesammthöhe schwankt, wenn man von den anders geformten ludovisischen Reliefs ab- sieht, zwischen m. 1, 28 und 2,14, die Breite zwi- schen 0,72 und 1,67 *'). Trotz so grosser Verhält- nisse hält die Figurenerhebung zwischen Flach- und Hochrelief massvoll die Mitte ein.

2*) Von einem der Spadareliefs sind die Maasse unter Anm. 9 angegeben. Lateran nr. 24 hat H. 2,14, B. 1,67; Lateran nr. 11 dagegen H. 1,28, B. 0,72; das Louvrerelief H. 1,786, B. 1,177 (Clarac).

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Th. Schreiber, Ludovisische Antiken I.

Einige dieser Eeliefs, iu denen Fels und Baum besonders geschickt verwendet sind, stehen hinter der vollen Wirkung eines Landschaftsgemäldes nur vrenig zurück und mochten ihr noch näher kommen, wenn sie einst, wie man vernuithet hat, polychrom bemalt waren "^). Auch in der Behandlung des Stoffes tritt mehrmals zwischen Relief und Gemälde eine gewisse Uebereinstimmung hervor, ohne dass sich eine directe Abhängigkeit des einen vom ande- ren, eine unveränderte Uebertragung des Gemäldes in Relief nachweisen Hesse. Denselben Gegenstand, welchen das Louvrerelief schildert, beschreibt Lu- kian ") als Inhalt eines Gemäldes. Auf einem Felsen sitzt Branchos, der Sohn des lächelnd zu- schauenden Apollon, und spielt mit einem Hunde, indem er ihm mit der Rechten einen Hasen vor- hält. Das Hauptmotiv ist hier wie dort dasselbe und doch soweit verändert, dass in beiden Com- positionen die Freiheit der Erfindung gewahrt ist. Auch die Beschleichung einer schlafenden Bak- chantin, welche auf dem Gegenstück des ludo visi- schen Oinouereliefs dargestellt ist, kehrt in ähn- licher Auffassung auf pompejanisehen Wandgemälden wieder, welche das Motiv dem berühmten Bild des Nikomachos entlehnt haben mögen "). Dieselbe Verwandtschaft ist zwischen den oben genannten Reliefs mit Andromeda's Befreiung und einigen Wandgemälden schon mehrfach hervorgehoben wor- den '').

War die Annäherung dieser Reliefs an Wand- gemälde, wie wir voraussetzen dürfen, eine beab- sichtigte, so lässt sich daraus schliessen, dass sie auch gleich jenen zur Wanddecoration bestimmt waren und eben nur an Stelle der Tafelbilder treten sollten. Darauf weisen nicht blos die plastisch aus-

'■">) Heibig (Untersuchungen p. 301 Anm. 4) meint, dass in dem capitolinischen Andromedarelief die glatte Fläche hinter der Figin- des Perseus, die im Vergleich zur linken Seite auffällig leer ist, durch Farbe belebt sein konnte, etwa durch Andeutung des Meeres. Auch in dem ludovisischen Oinonerelief wird die nicht plastisch ausgeführte Stütze, auf welche sich Oinone mit dem r. Arme lehnt, durch Farbe angegeben gewesen sein.

-') de domo 24. Vgl. Blümner, Arch. Stud. zu Lucian p. 62.

»») Ilelbig nr. 542 ff. Untersuchungen p. 238 ff. 371.

■') Heibig nr. 1185 ff. Fedde, de Perseo et Andromeda p. 6-2 f.

geführten Rahmen, welche in einzelnen Reliefs (so iu dem letzterwähnten des Capitols ^'') und in der farnesischen Nachbildung) die Darstellung als in sich abgeschlossenes Einzelbild charakterisiren, son- dern auch der Umstand, dass sich mehrfach unter ihnen inhaltlich mit einander verbundene oder we- nigstens äusserlich in Bezug gesetzte Gegenstücke finden. Wie das dem Louvrerelief verwandte Ge- mälde nach Lukians Beschreibung mit sieben an- deren einen einheitlichen Zimmerschmuck bildete^'), so vermuthlich die acht Reliefs des Palazzo Spada, die zusammen bei S. Agnese vor Porta Pia ^^) ge- funden sind und in Grösse, Idee und Ausführung einander völlig entsprechen. Nach Braun sind hier vier Helden- und Liebesabenteuer an einander ge- reiht. Mehr im Geiste antiker Kunst scheint es ge- dacht, wenn Welcker") zwischen je zwei Darstel- lungen einen Wechselbezug vermuthete, der in der äusseren Symmetrie und im Charakter des Inhalts zum Ausdruck komme. So tritt Bellerophon (Braun, Taf. I), der nach dem Himmel strebt und zur Erde tödtlich verwundet zurücksinkt, Adonis (Taf. II) gegenüber, der aus den Armen einer Göttin iu den Tod gellt. In einem anderen Tafelpaar finden sich je zwei Figuren in einem Gegensatz der Eigen- schaften: ..Amphion (Taf. III), ein Günstling des Apollon, ist mit Zethos, der der Jagd und dem äusser- lichen Leben ergeben ist, und Odysseus (Taf. IV), den der Verstand, mit Diomedes, welchen die Hel- denstärke auszeichnet, im Streit". Keiner Erklä-

2") In den Abbildungen (Braun Taf. X und Foggini IV, 52) ist der Rahmen, auf welchen die Gewandung beider Figuren (Perseus und Andromeda) stellenweise übergreift, niclit ange- geben. Ebenso lässt die Abbildung des neapler Reliefs (Mus. Borb. VI, 40) den Rahmen weg. Auch das in Anm. 23 er- wähnte Fragment des britischen Museums ist mit einem sorg- fältig ausgeführten Ralimen abgeschlossen.

^') Welcker, Philoslr. praef. p. LXV. Eine so strenge Responsion, wie sie Blümner, Arch. Stud. zu Luc. p. 57 und 68 fordert, ist bei derartigen Zusammenstellungen selten beabsichtigt. Eine gewisse äussere .Symmetrie der Anordnung und Aehnlich- keit oder Contrast des Gedankens (nicht vcillige Gleichheit des Mythus oder der Figuren) bilden meist das verbindende Element. Vgl. Brunn, Troische Mise. HI, 185. 188.

^-) Bartoli mem. 100 bei [Venuti] Roma antica. R. 1741. I p. 342 und Fea, Mise. I p. 250. Vgl. auch Vacca mem. 47 = Fea I, 74.

33^ Alte Denkm. II, 31G.

Tb. Schreiber, Ludovisische Antiken I.

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rung: bedarf es, wenn Paris von Eros verführt (Taf. VII) und ebenderselbe von Oinone gewarnt (Taf. VIII) einander gegenüber gestellt sind und auch die letzten zwei Reliefs mit Pasiphae neben dem Stier (Taf. V) und Hypsipyle bei Opbeltes Tod (Taf. VI) konnten unter dem Gesichtspunkt, dass sie die Scliicksale unglücklicher Königinnen schildern, recht wohl in Verbindung gesetzt werden. Einen ge- wissen, wenn auch lockeren Gedankenbezug möchte ich ebenso zwischen den beiden ludovisischen Re- liefs voraussetzen, wenigstens ist an ihrer Zusam- mengehörigkeit, da sie in Grösse, Auffassung und Reliefbehandlung übereinstimmen, nicht zu zweifeln. Von dem Andromedarelief des capitolinischen Mu- seums hat Bartoli ^*) die Notiz hinterlassen, dass es beim Graben der Fundamente für den Palazzo Muti auf Piazza SS. Apostoli zusammen mit „zwei anderen Stücken in demselben Geschmack" aufge- funden wurde. Die letzteren wurden leider auf Be- fehl des Besitzers den Beweggrund giebt Bartoli genauer an zerbrochen und an Ort und Stelle wieder verschüttet. Auch die zwei Reliefs in Palazzo Colonna sind mit einem dritten, oben übergangenen offenbar als Gegenstücke gedacht. Daher die Gleich- heit des Rahmens und der Grössenverhiiltnisse, die übereinstimmende Beschränkung der Darstellung auf eine Hauptfigur und gewisse Analogien der Anord- nung. So wiederholt das dritte Relief im Beiwerk (links ein Pfeiler mit daraufstehendem Götterbild, rechts eine Herme) wie in der Gesammtgruppirung genau das Motiv des Reliefs mit dem Hermaphro- diten und unterscheidet sich nur wenn Gerhards Zeichnung darin zuverlässig ist durch den gänz- lich fehlenden Hintergrund.

In welcher Weise diese Gegenstücke verwendet worden sind, darüber lassen sich bei dem Mangel bestimmter Anlialtspuncte vor der Hand nur Vermu- thungen äussern. Die Grössenverhältnisse und die Goschlossenheit der Darstellung sprechen dafür, dass sie nicht decoratives Beiwerk, sondern selbständig wirkender Haupttheil des Wandschmuckes sein sollten. Am nächsten liegt die Vergleichung pom- pejanischer Wanddecorationen, in welchen das Tafel-

=*) mem. = Venuti I, 308. Fea I, 233.

bild, dem diese Reliefs so nahe kommen, zum Mittelpunkt der in Felder getheilten Wandflächen gemacht wird. Allerdings kann man einwenden, dass die Ausgrabungen in Pompeji noch kein ein- ziges Beispiel einer solchen Verwendung des Reliefs geliefert haben. Dies beweist aber nur, dass die campanische Landstadt, die ohnehin mit dem Luxus Roms nicht wetteifern konnte, von einer Gesclimacks- richtung noch nicht berührt war"), die in der Haupt- stadt bereits allgemeine Geltung erlangt haben musste. Dass letzteres der Fall war, geht aus Ar- beit und Fundort der Mehrzalil der oben ange- führten Reliefs unzweifelhaft hervor. Lassen wir die Frage nach der Entstehungszeit der Vorbilder vorerst bei Seite, so weist wenigstens die Ausfüh- rung der uns erhaltenen Reliefs meist mit Sicherheit auf die römische Epoche. Während einige offenbar noch der ersten Kaiserzeit angehören so die bei- den ludovisischen Reliefs , sind andere, wie das aus rothem Marmor gearbeitete Relief der Villa Albani ") , letzteres schon des Materials wegen, nicht vor der Zeit Hadrians entstanden. In dieser Epoche hatte neben dem Relieffries auch das bild- förmig in sich abgeschlossene Relief im System der Flächendecoration eine wichtige Stelle errungen. Man erkennt dies deutlich, wenn man einen Blick auf verschiedene der uns erhaltenen Triumplibögen wirft. Hier sind es besonders die breiten Flächen der Attika, deren durch Pilaster abgegrenzte Felder gern mit oblongen Relieftafeln ausgefüllt werden. Manche von ihnen, wie die von einem Trajans- bogen übertragenen Tafeln am Constantinsbogen, zeigen selbst in der reichen architektonischen Staffage eine grosse Verwandtschaft mit den uns beschäfti- genden Reliefs, wenn sie auch dem Geist der Er- findung nach von ihnen wesentlich verschieden sind. Aber auch für Innenräume muss derartiger Re- liefschmuck sich Geltung verschafft haben. Es war dies lediglich eine Consequcnz der Veränderungen, welche sich im Decorationsprincip der Kaiserzeit

3^) Das weiter unten (s. Anm. 42) erwähnte Stuckrelief giebt wenigstens ein Zeugniss dafür, dass die Ersetzung des Gemäldes durch Relief auch hier nicht unerhört war.

•■"") Zoega, Boss. I, 44 (Daidalos und Ikaros); vgl. Friede- richs, Baust, p. 466 f.

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Th. Schreiber, Ludovisisebe Antiken I.

allmählicb vollzogen hatten. Als man sich von der einfachen Bemaluug der Wände zur Inkrustirung- derselben mit kostbaren Marmorplatten wandte, war der Uebergang vom Gemälde zum Relief gleichsam von selbst geboten. Der überschwängliche Ge- brauch des Marmors, die Bevorzugung gerade der seltensten, der buntfarbigen Gattungen greift seit dem Ende der Republik unaufhaltsam um sich '"). Der Marmor überzieht nach und nach alle Flächen, die bisher dem Stucco und der Malerei vorbehalten waren. Wir können Anfang und Gipfelpunkt dieser Entwicke- lung, soweit sie in Rom vor sich geht, noch genau be- stimmen. Nach den Angaben des Plinius ") war Ma- murra, der berüchtigte praefectus fabrtim des Caesar, der Erste, der die Wände seines Hauses auf dem Cae- lius mit Marmorplatten belegen liess. Sein Beispiel fand bald so allgemeine Nachahmung, dass das ein- fache Haus der Vorfahren zum Schlagwort der Sittenrichter wurde und Seneca , der im 86. Briefe ein grelles Bild vou dem Luxus seiner Zeit ent- wirft, die verweiclilichten Römer mit bitterem Spott an die schlichten Räume der Villa Scipio's erinnern konnte: 'Heut zu Tage', ruft er aus, 'glaubt sich jeder arm und elend eingerichtet, wenn seine Wände nicht von mächtigen und kostbaren Marmorfülhmgen strah- len, wenn nicht alexaudrinischer Marmor mit nu- midischen Tafeln contrastirt, wenn nicht der kunst- volle und nach Art der Malerei in Farben schillernde Wachsüberzug {circumlitio) überall die Marmorfelder bunt umsäumt ''*''), wenn nicht die Decke hinter Spiegelglas unsichtbar wird'. Auch damit ist nicht Allen Genüge gethan ; es finden sich Fälle erwähnt, wo Platten aus Bronze und Edelmetallen, mitunter durch eingelegte Gemmen und Perlmutterstücke reich verziert, zur Wandbekleidung verwendet wer- den "). In solchen Räumen hatte das Fresco- gemälde keine Stelle mehr. Plinius sagt es am An-

") Semper, Stil P, 462ft'. FriedUinder, Sittengesch. Roms lU p. 61 ff.

39) N. H. XXXVI. 48.

'^) Ich folge der Auffassung Sempeis a. a. 0. p. 463.

") Beispiele bei Semper a. a. O. p. 470 f. Für mit Erz- platten bekleidete Wände mochten die ytti.y.oi nlvaxis yeyQafi- fi(voi bei Philostrat. Vit. Ap. T. II, 2 bestimmt sein. Vgl. E. Curtius, Das archaische Bronzerelief aus Olympia. Abh. d. Berl. Akad. d. W. 1879 p. 7.

fang des 35. Buches mit deutlichen Worten, dass die Malerei, der einst Könige und Völker gehuldigl hätten, zu seiner Zeit völlig von den Marmoren d. h. von der polylithen Wanddecoration aus dem Felde geschlagen sei. Er klagt darüber, dass mau sogar angefangen habe „mit dem Stein zu malen" {coe- pimus et lapide pingere), denn man war, weil man das farbige Bild nicht missen wollte, unter Kaiser Claudius darauf verfallen die Marmorplatten durch eingelegte bunte Marmorstückchen ornamental zu verzieren und verstand in dieser Weise, durch In- tarsia-Arbeit, selbst figürliche Darstellungen auszu- führen "). Aber dieses Verfahren scheint der tech- nischen Schwierigkeiten wegen nicht viel angewendet worden zu sein. Ein einziges Beispiel derartiger Mar- inorinkrustation haben die französischen Ausgrabun- gen auf dem Palatin zuTage gefördert. Angemessener und einfacher war es jedenfalls, die Malerei durch das Relief, die Freskogemälde durch plastische Bil- der zu ersetzen. Ich möchte vermuthen, dass die plastische Decoration in Gyps oder Stucco diesen Uebergang vermittelt hat, da sie ja oft genug mit der Malerei unmittelbar verbunden wurde und manch- mal deren Aufgaben auch selbständig durchführte. Es lässt sich in den öifentlichen Gebäuden Pompejis leicht verfolgen, wie die Stuckarbeit ihre ursprüng- liche Bestimmung, den struktiven Gedanken eines Baugliedes energischer hervorzuheben, die Flächen ornamental zu gliedern, allmählich erweitert und der Malerei sich nicht mehr dienend unterordnet, sondern gleichberechtigt neben sie tritt. Namentlich im Decken- schmuck gewöhnt man sich abgegrenzte Stuckreliefs und Gemälde mit einander wechseln zu lassen *'). Aber man scheut sich auch nicht, dem Stucco das Gemälde ganz zu opfern, wie am besten jene phan- tastische, durchaus nach Art eines Gemäldes aus- geführte Stuckdecoratiou beweist, mit welcher die breite Wandfläche des Hofes der grösseren pom-

*o) Plin. H. N, XXXV, 2 ff. Heibig, N. Rhein. Mus. XXV (1870) p. 397. Offenbar unrichtig erklärt Semper a. a. 0. p. 465 die Worte des Plinius.

■") Vgl. z. B. den Deckenschmuck derGrüber an der ViaLatina Mon. deW Inet. VI tv. 43 ff. 49 ff. Auch die gelegentlich als zum Ilausschmuck gehörig erwiihnten Reliefs (FriedUinder, Sitten- geschiclite Roms III p. 137 Anm. 1) werden meist aus Terrakotta oder Stuck bestanden haben.

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pejaiiischen Thermen überzogen ist *'). Was hier in geringem Material versucht wurde, konnte die llau))tstadt in werthvollerem Stoffe ausführen, und in der Tliat iässt sieh für die Marmorwände der Prachthallen öffentlicher Gebäude, für die Luxus- zimmer, mit deren Ausstattung sich die Reiclien überboten, kein passenderer Schmuck denken, als jene Marmorreliefs, von denen wir ausgegangen sind "). Wenn uns der Boden Roms kein Beispiel dieser Decorationsweise unberührt erhalten hat, so mögen wir die Unachtsamkeit früherer Finder oder das Spiel des Zufalls anklagen, einen gültigen Gegen- beweis wird man daraus nicht ableiten dürfen. Vielleicht Iässt sich aber durch Verknüpfung zweier, getrennt überlieferter Nachrichten ein Zeugniss für mehrere der in Frage stehenden Reliefs zurückge- winnen.

In Vaccas Aufzeichnungen "■*) findet sich die Notiz, dass bei S. Agnese vor Porta Pia neben dem Bacchustempel nicht, wie Fea's umgeformter Text angiebt, mit diesem zusammenhängend ein grosser ovaler Säulenbau gestanden habe, unter welchem man viele Kammern entdeckte, die im Innern „an allen Seiten" mit Marmorplatten aus- gelegt waren. Ueber die ehemalige Bestimmung dieser Räume wagt Vacca kein Urtheil abzugeben, er berichtet nur, dass man sie wegen einiger da- selbst gefundener Gebeine für eine Zufluchtstätte christlicher Märtj-rer gehalten habe, das übliche

*-) Oveibeck, Pompeji Taf. zu p. 198. Die Stuckdecoration .gehört der Zeit nach dem Erdbeben vom Jahre 63 an (Nissen, Pomp. Studien p. 151. 158. Mau, Pomp. Beitr. p. U7).

'') Ausser diesen, eine besondere Klasse bildenden Reliefs Iässt sich leicht eine grosse Anzahl kleinerer Relieftafeln nach- weisen, die ähnlichen Decorationszwecken gedient haben müssen. Sie sind meist mit plastisch hervorgehobenen, mehr oder weniger verzierten Uahmenleisten umgeben. Einige charakteristische Bei- spiele sind an einer Wand des neapler Museums vereinigt. Vgl. auch Visconti, Mon. sc. Borgh. {ed. mil.) tv. 33. Zoega, Basa. r. tv. 30 u. a.

*'") mem. 47: me ricordo, che h Santa Agnesa, fuor di Porta Pia , ui e li canto il tempio di Bucco un grand' inco- lonnato di forma ouata, ui fh trouato sotto molte grotte alle utC huomo, larghe dn cinque palmi, tutte föderale da oyni in- torno con laalre di marmo. lo non so ijiudicare h che ser- uissero anticamente. Vi trouorno delV ossa; si diceua che fussero de martiri, che in quel luogho si stessero jier paurn de tiranni. Ich citire nach der von mir vorbereiteten Text- ausgabe.

Archiiolog. Ztg Jahrgang XXXVIII.

Volksgerede, wie es in jener Zeit überall entstand, wo der Pliantasie freier Spielraum gelassen blieb. Jedenfalls kann die Anlage nicht den Charakter von römischen Grabkammern getragen haben, weil dann die Aeusserungen Vacca's bestimmter ausge- fallen wären. Nun wissen wir aus den oben an- geführten Nachrichten Bartoli's, dass die Spada- schen Reliefs bei der Erneuerung derselben Kirche S. Agnese und zwar beim Ausbessern oder Her- stellen der Treppe zum Vorschein kamen. Winckel- mann giebt in seinen Moniimenli inediti ^^*') diese Notiz mit der ohne Zweifel aus den Worten Bar- toli's abgeleiteten Ausdeutung wieder, dass man die Reliefs in den barbarischen Zeiten umgestürzt und zu Stufen der Treppe, welche in die Kirche führt, gebraucht hatte. Daraus macht Braun in der Ein- leitung seines Werkes, die Marmortafeln seien, in- dem man die glatten Rückseiten aufwärts kehrte, zur Deckung des Fussbodens der Kirche benutzt worden. Ueberliefert ist nur die Verwendung der Platten beim Bau der Treppe von S. Agnese, sie werden also sehr wahrscheinlich einen in der Nähe vorhanden gewesenen Gebäude entnommen sein, und dieses, möchte ich vermuthen, war eben dasjenige, dessen Zimmer nach Vacca's Angaben vollkommen mit Marmorplatten verkleidet waren.

Bei einigen anderen Reliefs ist es sicher, dass sie zur Verzierung von Bäder- oder Brunnenanlagen gedient haben. Ich meine die beiden laterauischen Reliefs, bei denen die Platte an passenden Stellen zur Einfügung von Ausflussröhren durchbohrt ist*'). Schwerlich kann hier an Brunnen der einfachen Art, die uns aus pompejanischen Wohnhäusern be-

*^h) Zur Abbildung des Daidalos-Pasiphaereliefs nr. 94.

**) Ich möchte jedoch wenigstens von dem Asklepiosrelief nicht glauben, dass schon das Vorbild diese Bestimmung hatte. Das Kind schickt sich nicht zum Trinken an, das Vorhalten des Kantharos ist also kein ursprünglicher Zug und erst in der Nach- bildung durch Veränderung des Originals hinzugekommen. Auch war die Mündung des von Autolaos mit der Rechten emporgehal- tenen Horns zur Anbringung einer Ausflussöft'uung nicht geeignet. Die griechische Kunst weiss aber das Auslaufen des Wassers sehr sinnreich zu motiviren, z. B. wenn sie den Satyr im Rausch das Haupt auf den offen gebliebenen Schlauch legen Iässt. Auch in dem Relief mit Pans Pflege dürfte das Vorbeifliessen des Wasserstrahls am Gesicht des Kindes nicht der Intention des erfindenden Künstlers entsprechen.

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kannt ist, gedacht werden. Die Grösse dieser Re- liefs lässt eher verrauthen, dass sie zur Wanddeco- ration in prächtigen, ausgedehnten Badehallen be- stimmt waren, etwa in Räumen, wie sie Seneca in dem schon angeführten Briefe geschildert hat. In Hallen, deren Wände von Marmor strahlten, die mit Säulen, Statuen und allerlei Zierrathen erfüllt waren, in denen das Wasser aus silbernen Hähnen über die Stufen sprudelte, ist auch für solche Re- liefs der geeignetste Platz, während das Frescobild als weniger dauerhaft hier kaum verwendbar war. In einzelnen Fällen scheint man dann den Gebrauch verallgemeinert zu haben. Ich schliesse dies aus einer Angabe Cicero's, wonach das Relief gelegent- lich selbst auf Kalkwänden das Frescobild vertreten hat. In einem Briefe an Atticus (I, 10) erbittet er sich einige Reliefs, um sie in die Stuckwände des Atriums seiner tusculanischen Villa einzulassen. Aber dies wird nur Ausnahmefall gewesen sein. Seine natürliche Stelle hatte das bildförmig in sich abgeschlossene Relief von Anfang an auf Marmor- wänden, welche höchstens das Mosaikbild, nicht aber das Freskogemälde zuliessen.

Diese so nahe liegenden Folgerungen hat Phi- lippi in den Untersuchungen über die römischen Triumphalreliefs") mehrfach gestreift, aber sich gleichwohl zu dem Ausspruch verleiten lassen, dass, abgesehen von den Tempeln, die Architektur in älterer Zeit gemeint ist die Epoche bis in den Anfang der Kaiserherrschaft hinein wenig Gelegenheit geboten habe Reliefschmuck anzubrin- gen, „weil die Stelle, welche der Reliefsculptur als Decoration zukam, längst von der Malerei einge- nommen war". Auch Semper ") hat in seinem umfassenden Ueberblick über die Principien der Wandbekleidung nur darauf hingewiesen, dass die Marmorinkrustation dazu zwang zur Mosaikmalerei überzugehen, um den Farbenschmuck, der mit dem Mauerputz untrennbar verbunden war, nicht einzu- büssen. Er übersieht, dass das buntfarbig bemalte Relief sich hierfür noch besser eignete. Aber er hat doch die Entwickelungsphasen der Wanddeco-

*'■>) Abhandl. d. Sachs. Ges. d. AViss. VI (1872) p. 269 f. ") Stil P § 81 ff', besonders p. 4G3.

ratiou in grossen Zügen so sicher gezeichnet, dass es nicht schwer ist dem Relief die ihm gebührende Stelle anzuweisen.

Es ist ein unbestreitbares Verdienst des Semper'- sehen Werkes den Einfluss des Orients auf die hellenistische Kunst in seiner ganzen Tragweite er- kannt und nacligewiesen zu haben. Als die Er- oberungszüge Alexanders d. Gr. den asiatischen Osten dem Abendlande erschlossen hatten, führte die genauere Kenntniss der orientalischen Kultur allmählich eine tiefgreifende Veränderung im Ge- schmack und in der Kunsttechnik der Griechen herbei. Vor allem war es der uralte, in Asien sich auch auf die Architektur erstreckende Bekleidungs- luxus und das damit eng zusammenhängende In- krustationsverfahren, welches die hellenistischen Architekten sich aneigneten und bei monumentalen Anlagen, wie bei Prunkzelten, Scheiterhaufen und anderen Gelegenheitsbauteu zur Anwendung brach- ten. Erst ven Griechenland her, aus den Diadochen- reichen gelaugte die neue Kunstpraxis, die polylithe Wandbekleidung, nach Rom, und wie sie sich hier entwickelte, ist oben wenigstens in Umrissen ange- deutet worden. Aber gewiss nicht blos das Deco- rationsprincip, sondern mit ihm auch die Vorbilder wurden dem hellenistischen Osten entlehnt. Das dürfen wir schon im Hinblick auf die campanische Wandmalerei vermuthen , die ja in gleicher Weise System und Motive des Wandschmuckes der alex- andrinischen Kunst abgeborgt hat.

In der That ist von keiner Seite verkannt woiv den, dass die Darstellungen der eingangsweise zu- sammengestellten Reliefs dem Wesen der Erfindung nach griechischen Ursprungs sind. Von dem An- dromedarelief des Capitols sagt Friederichs"), die Composition sei gewiss griechisch, wenn auch nicht aus früher Zeit. Man kann von mehreren dieser Dar- stellungen "*) bestimmter behaupten, dass in ihnen eine Stimmung herrscht, die der bukolischen Dichtung, wie sie die Diadochenzeit pflegte, durchaus verwandt ist. Mit Vorliebe sind Mythen und Sagen behandelt, welche in dieser Epoche erst ihre specifische Ausbil-

■■") Bausteine nr. tJ78.

'"■) Vgl. das Loiivi-erelief und oben Anm. 2-1.

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düng erfahren oder iu deu Vordergrund treten. So die Sage von Oinone, von Endymiou, von Pasipbae und Adonis. Ueberhaupt ist charakteristisch und dem Empfinden der hellenistischen Zeit durchaus ange- messen, dass gerade Liebesscenen, meist in senti- mentaler Auifassung, bevorzugt werden""). Auch die Wahl von Gegenständen, wie die Kindheitspflege des Pan, des Asklepios*"), ist in einer Zeit erklär- lich, welche den Geburtslegenden der Götter be- sonderes Interesse zuwendete ''''). Vor allem ent- spricht die Betonung des landschaftlicben Elenjentes den künstlerischen Neigungen der Diadochenperiode, einer Zeit, die nicbt nur das Hirtenleben im Idyll poetisch zu verklären wusste, sondern bereits die Landschaftsmalerei zur selbständigen Kunstgattung ausgestaltet hatte '").

Aber die Frage nach dem Ursprung der uns beschäftigenden Reliefs ist mit diesen Bestimmungen noch nicht gelöst. Die einzelnen Motive und ganze Darstellungen konnten in der hellenistischen Epoche entstanden und doch erst in der Kaiserzeit für das Relief verwertbet worden sein. Hat doch die rö- mische Kunst um der eigenen Armuth willen we- nig Bedenken getragen sich Formen und Bilder aus dem reichen Schatz der griechischen Vorzeit an- zueignen und auch über stilistische Schranken sich leicht hinweggesetzt. Die Schwierigkeit der Ent- scheidung liegt vor allem darin, dass unsere Vor- stellungen von dem Kunstvermügen der hellenistischen Epoche zu einem nicht geringen Theile von Rück- schlüssen aus dem Erbgut der römischen Kunst ab- hängen und grössere Monumenteureihen zur Ver- gleichung nicht zur Hand sind.

In einer Anmerkung der erwähnten Abhandlung kommt Philipp!"^) auf das Problem zu sprechen, ohne ein bestimmtes Urtheil zu wagen. Er hält es für wahrscheinlich, dass schon die hellenistische

*»") Rohde, Griech. Roman p. 100 und sonst.

■") Hierher gehört auch das borghesische Relief mit einer Kindheitspflege Besehr. Roms III, 3 p. 241 nr. 21. Winckel- mann, M. I. nr. 71. Visconti, Mon. sc. Borgh. tv. 33. P'.ine sichere Deutung ist noch nicht gefunden.

'■"■') Ich hoffe auf dieses Thema, dessen Begriindung hier zu weit führen würde, an anderem Orte eingehen zu können.

^') Heibig, Untersuchungen p. 300 und sonst.

") A. a. O. p. 2S5 Anm. 41.

Skulptur wenigstens deu landschaftlichen Hinter- grund aus der Malerei in das Relief eingeführt habe und verweist auf die beiden capitolinischen Reliefs, in welchen sich eine unverfälschte griechische Erfindung und dabei eine Arbeit zeige, die sich durch keinerlei bestimmte Merkmale als römisch zu erkennen gebe. Andrerseits sei jedoch kaum die Möglichkeit zu bestreiten, dass noch in der Kaiser- zeit ausgezeichnete griechische Künstler solche Werke hervorzubringen im Stande waren. Nicht sicherer lautet das Urtheil Wörmann's '"''), der eben- falls an beiden Möglichkeiten festhält. Er übersieht aber gerade das wichtigste Kriterium, indem er ohne Weiteres annimmt, die von Braun publicirten und ähnlichen Reliefs seien „offenbar Gemälden nachgebildet". Diese Vermuthuug mag bei einigen Darstellungen vielleicht das Richtige treffen, bei einer bestimmten Anzahl anderer ist sie sicher falsch.

Beschränkt man sich auf das Studium der nach- stehend angeführten Reliefs, so ist leicht zu erken- nen, dass sie in einem wichtigen Punkte die engste Verwandtschaft zeigen. Baum und Fels werden zwar freigebig zur Ausstattung des Hintergrundes ver- wendet, ja es waltet sichtlich das Bestreben vor, mit ihnen den Raum nach allen Seiten zu erfüllen. Gleichwohl wird für die Figuren stets ein freier Hintergrund ausgespart, auf dem sie sich unge- stört durch kreuzende Linien des Beiwerks zur vollen Geltung bringen können. In dem Paosrelief des lateranischen Museums tritt der bocksfüssige Gesell des jugendlichen Gottes aus einer Grotte her- vor, deren Hintei'grund nicht ausgeführt ist. Auch die Umrisse der Nymphe und des Knaben heben sich scharf von dem glatten Grunde ab und erst über ihren Köpfen breiten sich die Zweige des mit Vögeln reichlich besetzten Baumes aus, dessen Blät- terwerk den Raum nach oben ausfüllt. Auf dem Louvrerelief (le faune chasseur) ist dem Felsen eine Unterhöhlung gegeben, um für den Oberkörper des Satyrs möglichst freies Feld zu schaffen. Die gleiche Felsbildung zeigt das spada'sche Relief mit Belle- rophon und Pegasos, wo auch wie dort, nur mit

'^) Die Lanilscluift in der Kunst der alten Völker p. 272.

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Umkebrung der Anordnung, der Baum dem Felsen gegenüber gestellt wird, und gerade hier verdient Beacbtung, wie die Massen des Gesteins, aus wel- cbem unten die das Flügelross tränkende Quelle entspringt, in der Weise aufgetbürmt sind, dass sie den Konturen der Gruppen entlang laufen und sie gleicbsam einfassen. Ein drittes Mal kehrt dasselbe bequeme Motiv des überhängenden Felsens auf der Andromeda- Darstellung des Capitols wieder. In der ausgeprägtesten Form erscheint es aber auf einem nach dem Charakter der Composition hier- her gehörigen Relief der Glyptothek**), in welchem unterwärts eine Rinderheerde sichtbar ist, während darüber von links her sich in der vollen Breite des Bildes ein Felsenvorsprung ausdehnt, als Ruhe- platz eines Berggottes, dem ein Hund, ein flammen- der Altar und eine Priaposherme beigegeben sind. In dem Asklepiosrelief des Lateran ragt der Felsen von linksher nur soweit in die Bildfläcbe herein, als der von den Figuren freigelassene Raum verstattet. Eine Grotte mit glattem Hintergrund umschliesst die beiden Figuren, Satyr und Nymphe, des einen ludo- visischeu Reliefs (Taf. 13,3), und wie sehr derselbe Vorzug eines freien Hintergrundes auf dem anderen Relief (Taf. 13,1) dazu beiträgt die Klarheit und ru- hige Wirkung der Darstellung zu sichern, lehrt ein vergleichender Blick auf die verdorbene Composition der Replik in Palazzo Spada. Auch das Endymion- relief des Capitols, oder wenn der Restaurator von dem Verdacht, den Hintergrund verändert zu haben, freigesprochen werden kann") sein Vor- liild, ist vermuthlich in demselben Geschmack be- handelt gewesen, während jetzt durch die den Reliefgrund nach allen Seiten ausfüllenden Risse und Furchen der Felswand die Gesammtwirkung wesentlich beeinträchtigt wird*").

Es bedarf keiner Ausführung, dass diese Dar- stellungsweise unabhängig von malerischen Vor-

^*) ISiunu, Glypt. nr. 127. Winckclmann, M. I. CT. Biaun, XII Basreliefs Vignette zu -Taf. 7.

") K. Keil (Areh. Anzeiger 1864 p. "205*) stiegen vor dem Original „Zweifel auf gegen ilus Altenluim der umuhigen Be- handlung des Grundes oben". Auch die unteren felsparticn scheinen überarbeitet zu sein.

'*) Ich urtheile nach einer nhotographischen Aufnahme. Die Braun'scbe Publilcation ist auch hier nicht zuverlässig.

bildern entstanden, dass sie allein auf die Wirkung des Reliefs berechnet ist. Das landschaftliche Beiwerk und die Figuren werden soviel als möglich aus- einander gehalten, damit letztere durch den glatten Hintergrund zu ruhigerer Wirkung kommen. Es ist ein Compromiss zwischen dem malerischen Princip einer jüngeren Zeit und den strengen Forderungen des älteren Reliefstils, ein Versuch landschaftliche Staffage in das Relief einzuführen, ohne den freien Hintergrund für die Figuren aufzugeben. Zugleicli prägt sich in dem übereinstimmenden Schema der Anordnung einzelner Darstellungen, in der Wieder- holung gewisser Motive (so des überhängenden Felsens), auch in der mehrfach beliebten Gegen- setzung von Fels und Baum eine eigenartig ent- wickelte Kunstweise aus, die neben den verwandten Schöpfungen der Malerei eine selbständige Bedeu- tung beanspruchen darf. Ganz anders ist die Relief behandlung in den Darstellungen auf römischen Triumphbögen, wo die consequente Entwickelung des malerischen Princips bereits zur Andeutung perspectiviseher Verkürzungen, zur Vervielfachung der Reliefpläne, die sich hintereinander absetzen, geführt hat und unter Umständen der gesammte Reliefgrund ohne Rücksicht auf die Figuren mit landschaftlichem oder architektonischem Beiwerk überzogen wird. Die grossen Reliefs am Titusbogen und die in den Constantinsbogen übertragenen Trajansschlachten zeigen durchschnittlich drei bis vier, mitunter noch mehr Pläne, die mit grossem Geschick zur illusorischen Vertiefung des Feldes verwendet sind. Die Anfänge zu dieser Flächen- behandlung finden sieh iu der Diadochenzeit. Auf Münzen der Ptolemäer mit den Brustbildern des Herrscherpaares und auf mehreren Prachtcameen derselben Periode wird bereits eine doppelte Relief- fläche angewandt. Dass diese Neuerung, die sich wohl zuerst auf dem Gebiete der Glyptik zur Ver- werthung der verschieden gefärbten Scliichten des Onyx nötiiig machte"), frühzeitig auch auf die Behandlung des Marmorrelicfs ihre Wirkung aus- übte, ist eine naheliegende Vermuthung. In der Darstellung des ludovisischen Paris -Oinonereliefs

") Ilelbig, Untersuchungen p, 48.

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ist sie bereits zur Geltung gekommen. Die den oberen Streifen füllenden Gebäude und das Schift" sind in ziemlich flacher Erhebung gebildet, während die Figuren und das landschaftliche Beiwerk zur Linken kräftiger aus dem Hintergrunde hervor- treten.

Wenn diese Untersuchungen dargethan haben, dass die Keliefbilder um für die verständliche Sache einen kurzen Ausdruck zu gebrauchen eine Mittelstellung einnehmen zwischen den Schöpfungen der älteren, vormakedonischen Kunst und denen der römischen Epoche, so ist damit zugleich ihre Ent- stehungszeit festgestellt. Sie sind Produkte der hellenistischen Kunst, eben jener Epoche, die durch die Aufnahme des Inkrustationsverfahrens auch dazu gedrängt wurde ihre Decorationsmittel zu erweitern und einen Ersatz für das theilweise verdrängte Tafelbild zu schaffen. So erweist sich die Umbil- dung des Reliefs nach der Seite des Malerischen als letzte Frucht der griechischen Kunstentwickelung, nicht wie Philippi ^"J annahm als selbständige Leistung der epigonenhaften römischen Kunst.

Es darf als ein äusserer Beweis für die Kichtig- keit dieser Folgerungen gelten, dass sich auch auf Votivreliefs von sicher griechischer Arbeit etwa aus dem Anfang des vierten Jahrhunderts die oben geschilderte Behandlung des felsigen Hintergrundes vorfindet. Ein in den Archäologisch-epigraphischen Mittheiluugen aus Oesterreich ") mitgetheiltes, be- sonders charakteristisches Beispiel zeigt die von Hermes geleiteten Nymphen in einer plastisch an- gedeuteten Höhle, deren Hintergrund noch nicht realistisch ausgeführt, sondern als ebene Fläche behandelt ist.

Nach diesen Erörterungen ist die Aufgabe nicht schwer, unter den obeu zusammengestellten Reliefbil-

^*) Der 7. Abschnitt seiner Abhandlung trägt die Ueber- schril't ,Die Umbildung des Reliefs nach der Seite des Male- rischeu vollzog sich in Rom". Uebrigens hat bereits Heibig (Untersiichuuyen p. 3üO) daraul hingewiesen , dass schon auf Terrakotten südrussischer Provenienz, deren Arbeit sicher der vorrömischen Epoche angehört, landschaftliche Motive ange- bracht sind.

'") I Taf. 1 p. 4 ft'. Das Relief soll aiis Lampsakos stam- men und belindet sich jetzt in der Sammlung Millosicz. Vgl. auch das athenische >i'ymphenrelief Arch. Zeitg. 1880 p. 10 und dass. Tafel 4, 1. 2 und 4.

dem die älteren hellenistischen Compositionen von den in römischer Zeit hinzugefügten Ergänzungsstücken zu trennen. Schon aus dem Paris-Oinonerelief in Palazzo Spada geht hervor, dass das Bedürfniss die Anzahl der Gegenstücke zu vermehren dazu führen konnte, kleinere Compositionen durch Zusätze auf die erforderliche Grösse zu bringen. In anderen Fällen hat der römische Künstler sich nicht gescheut, aus zusammengelesenen Motiven ein neues Bild zu fertigen. So verdankt das Gegenstück des spada- schen Oinonereliefs Paris von Eros bethört seine Figuren einer grösseren Darstellung des Paris- urtheils, von der uns eine Nachbildung, wenn nicht das Original selber, in dem an der Spitze dieses Aufsatzes genannten ludovisischen Relief erhalten ist ^''). Die Hauptschwächen jeder Compilation tre- ten hier unverhüllt zu Tage. Die obere Hälfte wird den Forderungen der Raumfüllung nur in sehr ge- rigem Maasse gerecht und im unteren Felde ist nicht einmal ein Versuch gemacht, die Rinderheerde dem Raum anzupassen, sondern von einem Thier das nicht unterzubringende Stück einfach abgeschnitten. Auch die Reliefs in Palazzo Colonna verrathen durch die Mängel der Composition ihren späteren Ur- sprung, aber sie dienen, wie die Grössenverhält- nisse, die oblonge Form u. a. beweisen, denselben Zwecken wie jene hellenistischen Reliefs und sind offenbar im Hinblick auf sie geschaffen worden. Bei zweien der Spadareliefs , vielleicht auch bei anderen, ist die Möglichkeit, dass sie lediglich Ge- mälden nachgebildet worden, nicht unbedingt abzu- weisen. Prüft man die Darstellung mit Daidalos und Pasiphae neben dem Stier (Braun Taf. V) auf die Raumverwenduug hin, so fällt die Leerheit der oberen Bildhälfte in die Augen. Rechterseits deckt eine schmale Thür nothdürftig den Hintergrund, die linke Seite dagegen ist plastisch unverziert geblieben, eine Lücke, die im Gemälde leicht als Wand charakterisirt werden konnte, die aber im Relief, auch wenn Polychromie ergänzend aushalf, immer neben den mehr oder weniger stark hervor-

^) Das Münchener Relief (Anm. 54), welches sich ebenfalls, nur mit Umkehrung der Motive, an das ludovisische Vorbild an- lehnt, muss, wie oben erwähnt, der Relief behandlung wegen schon in hellenistischer Zeit entstanden sein.

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springenden Figuren als leere Stelle fühlbar wer- den musste. Dazu kommt, dass auch hier, wie im Paris-Erosbilde, der Rahmen die hintere Hälfte des Stieres abschneidet. Wenn eine solche Verkürzung- wesentlicher Figuren im Gemälde, das durch deu Rahmeu wie durch ein Fenster in die Sceue schauen lässt, noch erträglich ist, so wirkt sie im Relief, welches als körperlich hervortretend der Illusion weniger Spielraum giebt, unstreitig sehr störend, wird hierher also vielleicht erst aus malerischen Vorbildern übertragen sein. In dem Relief mit Odysseus und Diomedes (Braun Taf. IV) ist letz- terer zwar vor freien Hintergrund gestellt, hinter der Figur des Odysseus aber eine reich verzierte Mauerwand angedeutet, die den Vorzug jeuer Figur aufhebt. Hier entsteht die Frage, ob breit ent- wickelte architektonische Hintergründe, die in Ge- mälden keinen Anstoss erregen, schon in helle- nistischen Reliefs vorauszusetzen oder erst seit römischer Zeit, als die Triumphal-Darstellungen den Reliefstil veränderten, zur Aufnahme gekonuueu sind. Letztere Ansicht vertrat Philippi und dar- nach müsste das eben erwähnte Relief, das alba- nische mit Daidalos und Ikaros (Braun Taf. XII)

u. A. ebenfalls den römischen Ergänzuugsstückeu beigezählt werden. Doch wage ich ohne eine weiter ausgreifende Untersuchung, die an dieser Stelle nicht möglich ist, kein bestimmtes Urtheil abzu- geben. Auch andere Darstellungen, z. B. Hypsi- pyle uud Opheltes (Braun Taf. VI), haben den Vor- zug des freien Hintergrundes für die Figuren aufgegeben; einige, wie Braun Taf. II (Adonis) und Taf. III (Amphion uud Zethos) halten ihn we- nigstens nicht mit der Consequenz fest, die wir in den oben charakterisirten Beispielen gefunden haben. Aber es kann nicht auffallen, dass eine Relief be- behandlung, wie diejenige der hellenistischen Re- liefbilder ist, nach und nach ausartete und vergrö- bert wurde, bis sie endlich in die Richtung gerieth, die wir aus den römischen Triumphalreliefs kennen. In der Kaiserzeit mochte dann der Verbrauch sol- cher Reliefs ein so starker sein, dass die helle- nistischen Vorbilder nicht ausreichten und man ge- zwungen war, dem Mangel durch eigene Produkte abzuhelfen, die denn auch die Unselbständigkeit und Gedankenarmuth der römischen Kunst nicht verläugnen können.

Th. Schreiber.

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MISCELLEN.

ROMISCHES BILDNISS AUF EINEM GOLDRINGE.

Ein beim Goldschmuck des Antiquariums unter Nr. 207 aufbewahrter Ring hat den Kopf, dessen Abdruck hier abgebildet ist, vertieft in das Gold des Ringes, nicht in einen Stein, eingegraben; das Ganze bildet nur ein Stück.

Es ist römische Arbeit, so naturwahr und herb, charaktervoll und lebendig als römische Bildnisse der guten Zeit zu sein pflegen; der Geist der Künstler adelt die Hässlichkeit der Dargestellten.

Man möchte dem Styl nach glauben, die Arbeit gehöre in die Zeit der Republik. Die Köpfe des M. Claudius Marcellus, Seipio, Aheuobarbus und einige andere auf Denaren der Republik haben den- selben Charakter.

Wer der Dargestellte ist, das sagen leider nicht die beiden Buchstaben hinter dem Kopf. Gleich- zeitig mit demselben sind sie gewiss eingraviert, nicht etwa ein späterer Zusatz, das zeigen ihre Formen und die Stelle, wo sie, eine Lücke in der Darstellung ausfüllend, stehen.

Man kann sie VP oder JA lesen, je nachdem man sie von oben oder unten betrachtet. VP wäre nach Analogie der Münzen die natürlichste Lesung; auf den Münzen wenden nämlich die Buchstaben die Köpfe fast immer nach aussen. V könnte dann

das Praenomen Volusus sein, T Name oder Zuname, allein r wäre eine ganz ungewöhnliche Form für F (Ritschi Priscae latinitatis monumenla Tafel XVI Nr. 24). Liest man die Buchstaben wie sie auf dem Ringe stehen was man wohl nicht darf, da das Bild doch zum Siegeln bestimmt war so passte das U, aber am A fehlte der Querstricli der es zum A machen würde. Die Epigraphiker mögen entscheiden. Griechisch sind die Buchstaben gewiss nicht, vr etwa YA zu lesen, was diese Zeichen in KAVr mit den grossgriechischen Formen einer weit älteren Epoche allerdings bedeuten, und etwa dies YA zu YA^ov zu ergänzen, zu dem Namen eines berühmten Steinschneiders, davor braucht wohl nicht gewarnt zu werden.

Es ist oben gesagt, dass der Styl auf die Zeit der Republik weist, allein das Stylgefühl, auf wel- ches jetzt manche Kunstforscher so grosses Gewicht legen, ist subjectiv und unsicher, besonders für chronologische Bestimmungen, weil der Styl immer durch den Ort, wo das Kunstwerk entstanden ist, bedingt wird. So vielleicht auch in diesem Falle; und jedenfalls ziemt es sich anzuführen, dass Plinius (bist. nat. XXXIII 1 sect. 6) sagt: contra vero multi nullas admitlunt gemmas, mtroque ipso signanl; id Claudi Caesaris principalii repertum.

Es schien nützlicli, auf dies kleine interessante Denkmal von neuem aufmerksam zu machen.

J. Friedlaender.

INSCHRIFT AUS MAKEDONIEN.

EKKAHSIASATO

ETTAPXOTAAEEAA'APOTTOrAEi^A/IAOT

KAITTOAAflA/ nOAEITft/vrno

TftA'EnAPXlKftA/EEEAATA'0/\/TAI

160 P'^- Sakellarios, Inschrift aus Makedonien.

5 THZTftA/AHMOSIftA/TOnftA/ XPHSEßSOTKAPKOTME/VftA'

A r r 9. A/ ETEIMHSAA/TO

nOAAAKAIEKEIH'ETSAMEA/OI AAAAKAinEPIBAAAOME/VftA'

10 AAAASEATTOItKATOXAr EA/XßPIOISrnEPßA/OIAIAKA TEXOA'TErATTAITPOTEPOA' EAOSAA/XEIPASA*irTAME A^OIATTJ^A/KAinAPAXftPOTA/TES

15 ATTATHITTOAITEIAIA/TA/AEOI ATA/ATflTEPO 1 T5^/VETTAPXI K 9 /V EKBIAZOA/TAlTOrSTTEA'HTASKAI ATTATEEKEIA/AAOTKEHO/VAT TOISBOTAOA/TAIKATEXEIA'

20 KAITTPOSEMnOA'OTSITHA/APXAI AA/rHA/XAPAKlSMOTTEKAI/VO MH£ATTOKAEIOTi:iKAIA*AIPOTA/ TAITOrSnOAEITASKAIAIO AftA'EAOEETi^ITETrOA EITAPXHI

25 KAITOlSTTOAEITAISOMOrA'flMOA'Or SIMOA'AKATATHA/rE/VTIAA/OTAIATA EIA^TOrSEnAPXIKOrSAETIMHSA/V TOKATEXEIA/EISAETAAOITTAMHAE A/lEEEl/VAIEnAPXiKßlHEMTTO/VEIA'

30 HArOPAZEIA/HKATEXEIA/MHAEAOr MATI/VIAIAOA'AITTOAITEIASHXPHSE ;2STflA/AHM02:i5^A/MOA/Ol2AEAA/EI SGAlTHA/rHA/TOISAnOTETIMHME A/OIZOPErTOISEniMEAEISGAIAE

35 TOTTflA^TOA/KATETOSrEIA'OnEA/OA' nOAEITAPXHA/ß5:TEEmA'A....TflA/nOAEITftA/KAI EKBAAAEIA'KAIKßATEI/VTOTS... ...MHATTOTETEIMHMEA/HA'rHA/ BlAZOMEA'OrrEAA/AETHI . . . .

40 . . nOAEITAPXHlKAIAOTMA . . . .

AHMOriATOTTOA/ATTO

AOTA'AIEISAISKOA^AHA'APIAnEA' TAKISXIAIAKAIAAAATHinOAl TEIAITTEA'TAKISXEIAIA . . . .

45 TOTTOTOAOrMAE

AOHETßlAIEnOA/TITHA/EnAP XlAA'IOTA/IftlPOT'l'IA/i^IAIA TftA/TTPESBETTflA/TOT.... ....KAIAIATPOTKAI . . .

50.... KAIAEKEI/VOSATTO

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A. Furtwängler, Nike und Linos.

161

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''PovcpivM did züJv ngeaßevTtüv zov xal

/lidyqov xal xal a exeivog avzoxvqioa . . xal

azrjXoyqaq'

Deu Abdruck der vorliegenden Inschrift habe ich im Distrikte Orestis (lieute enaqxia Kaazoqiag) in Makedonien von einer Marmorplatte genommen. Die Inschrift ist im Allgemeinen gut erhalten, d. h. ihr Inhalt ist deutlich, mir aber ist es nicht ge- lungen einen ganz vollständigen Abdruck zu nehmen. Im Originale selbst sind die letzten vier Zeilen grösstentheils zerstört; die Buchstaben derselben waren kleiner als die der übrigen Inschrift, wie es scheint, wegen Kaummangel. Es standen hier an- scheinend verschiedene einzelne Namen, vermuth- lich Unterschriften. Das Dogma, welches die In- schrift enthält, ist unter dem Kaiser Hadrian ab- gefasst, wie der darin erwähnte damalige Statt- halter von Makedonien 'lovviog 'Povcplvog beweist. Der Stein befindet sich jetzt im Dorfe Idranitzi, welches ungefähr vier Stunden weit von der Stadt Kastoria (in Römischer Zeit Celetrum) und 1 '/^ Stun- den von den Quellen des Flusses Haliakmon liegt; um diese Quellen wohnten die in der Inschrift er- wähnten Oresten, wie auch die Städte Orestikon Argos und Amantia wahrscheinlich in der Nähe der Quellen des Flusses lagen. Eine zweite Lesung der Inschrift oder ein glücklicherer Abdruck wird viel- leicht die Lücken ausfüllen und den Sinn deutlicher machen, wie auch den Namen der Stadt entziffern.

Halle a. S., 10. August 1880.

Philippos Sakellarios aus Epirus.

NOCHMALS NIKE UND LINOS.

Eine von mir bei Gelegenheit der neuen Cata- logisirung der Berliner Vasensammlung vorgenom- mene Untersuchung der in einer Miscelle des vorigen Heftes (S. 101) von G. Körte besprocheneu Lekythos ergab ein von dem dort mitgetheilten verschiedenes Resultat. Das ganze Gefäss, selbst Henkel, Mün- dung und Fuss, ist völlig antik, doch aus Stücken zusammengesetzt. Sicher modern eingefügt ist nur das den vorgesetzten linken Fuss der Nike und den

Ai'chtiolog. Ztg., Jahrgang XXXVIII.

rechten des Jünglings nebst dem Mäander darunter umfassende Stück. Der Firniss des Gefässes ist tadellos. Der Restaurator desselben suchte in üb- licher Weise nicht nur die Fugen der Brüche, son- dern auch diejenigen Beschädigungen durch Ueber- malung zu verdecken, welche die Oberfläche na- mentlich an den mittleren Gewandpartien durch Zersetzung erlitten zu haben scheint. Diese Ueber- malung, die jetzt grösstentheils von mir entfernt

162

H. Blümner, S. g. sterbender Alexander.

ist, hielt sich indess ziemlich genau an die antiken Spuren, wie sich namentlich an einigen Stellen er- kennen Hess, wo dieselbe auf wohl erhaltene antike Zeichnung übergegritfen hatte. Der trügende An- schein eines modernen Ursprungs des Ganzen ward eben durch jene Uebermalung veranlasst. Noch erwähne ich, dass von den Köpfen der des Jüng- lings sehr übermalt war; die Flügel der Nike in- dess sind intact und entsprechen durchaus der im strengen Vasenstile gebräuchlichen Bildung.

Was dagegen die thörichten Inschriften betrifft,

so bestätigte sich Körte's Beobachtung durchaus; sie sind modern und gegenwärtig entfernt. Der Stil des einst schönen und sorgfältigen Gefässes ist der „strenge" im Uebergange zum „schönen". Das theilweise oder vollständige Uebermalen etwas beschädigter Vasenbilder wurde sowohl im[römischen als besonders im neapolitanischen Kunsthandel mit grosser Routine betrieben, und die Berliner Samm- lung bietet zahlreiche dem obigen verwandte Bei- spiele.

A. FURTWÄSGLER.

DIE MASKE DES SOG. STERBENDEN ALEXANDER.

Obgleich die Deutung dieses Idealkopfes, in dessen Zügen sicherlich keine Spur von Portrait- ähnlichkeit zu finden ist, als sterbender Alexander noch in Friederichs (Bausteine No. 682) einen Ver- theidiger gefunden hat, so sucht doch heut die Mehrzahl der Archäologen sicherlich mit Recht die Deutung auf mythologischem Gebiete. Overbecks Deutung auf Kapaneus trifft, trotz des Widerspruchs von Friederichs, insofern das Richtige, als sicher- lich es ein physischer Schmerz ist, der das Gesicht verzerrt und den Kopf nach hinten sich zurück- beugen lässt. Freilich erregt die Bartlosigkeit Be- denken, weniger der Ausdruck des Gesichts, denn „weich" ist derselbe keineswegs, wennschon ebenso wenig „wild".

Ich habe nun schon früher den Gedanken ge- hegt, dass der Kopf einen jugendlichen Titanen oder Giganten vorstelle. Seitdem mir aber die erste vorläufige Publication der schönsten Re- liefs vom pergamenischen Altar zugekommen ist (Conze, Huniann u. A., Die Ergebrrisse der Aus- grabungen zu Pergamon, Berlin 1880), hege ich an der Richtigkeit dieser Deutung keinen Zweifel mehr. Der Kopf des von Athene niedergeworfenen jugendlichen Athleten auf Taf. IV entspricht im Ausdruck, den hoch heraufgezogenen Augenbrauen, dem wirr sich sträubenden Haar, der nach hinten

gebeugten Stellung so genau der florentiner Maske, dass ich keinen Augenblick anstehen möchte, den florentiner Kopf für den eines sterbenden Giganten zu erklären, besonders da, wie ich höre, auch mit einem der noch nicht abgebildeten pergamenischen Gigantenköpfe grosse Aehnlichkeit vorhanden ist. An der edeln, jugendlichen Bildung wird nunmehr, nachdem wir in den pergamenischen Skulpturen Giganten von „edelster sympathischer Bildung, sei es frischer Jugendlichkeit oder würdiger Mannes- gestalt" kennen gelernt haben, niemand mehr An- stoss nehmen. Andererseits aber findet das mähuen- artig gesträubte Haar, das man ja auch an den schon früher bekannten Gigantenbildungen beo- bachten konnte und das ganz besonders zu der Deu- tung auf Alexander verleitet hat, bei dieser An- nahme seine beste Erklärung; nicht minder ist, abgesehen von der schon bemerkten eigenthUmlichen Kopfhaltung, für welche der den Kapaneus treffende Blitzstrahl doch nur ein schwaches Auskunftsmittel war, für den Giganten das Sichtbarwerden der Zähne charakteristisch. Ich weise bloss noch dar- auf hin, dass diese Deutung mit der allgemein angenommenen Datirung, wonach der „sterbende Alexander" in die Üiadochenzeit gehört, sehr wohl übereinstimmt.

Zürich. H. Blümner.

Zu Tafel 14. Berichtigung.

163

Zu Tafel 14.

Der gUtigeu Vermittlung des Herrn Dr. A. Milch- hüter verdankt die Redactiou eine von Herrn Gillieron herrührende Zeichnung des im Museum von Sparta befindlichen Sarkophages, den die auf Tafel 14 wiedergegebene reizende Darstellung sclimückt ; das ins Patissiamuseum zu Athen versprengte Bruch- stück mit Kopf und Schultern des cymbelschla- gendeu Eroten ist in der Zeichnung hinzugefügt. Dass unsere Tafel in der Noth des Kaumes das fort- laufende Bildwerk getheilt geben musste, erschwert die Veranscliaulichuug hoffentlich nicht zu sehr. Eine eingehende Beschreibung des Denkmals findet man in Dressel und Milchhöfer's Verzeichniss der antiken Kunstwerke aus Sparta (Mittheilungen des arch. Inst. II) S. 401, eine lichtvolle, die Composi- tionsprincipien darlegende Auseinandersetzung über den Keliefschmuck der wenig zahlreichen grie- chischen Sarkophage bei Matz in der archäolog. Zeitg. 1872 S. 11 ff. Unter den S. 16 aufgezählten Erotendarstellungen auf dieser Klasse von Denk-

mälern steht die vorliegende an Schönheit gewiss obenan; die streng symmetrische Gliederung, die Matz als den ihm bekannten Exemplaren eigen- thümlich hervorhebt, finden wir auch bei dem uu- srigen wieder.

Es sei die Gelegenheit benutzt auf das Bruch- stück eines stofflich gleichartigen Sarkophages von später und gewöhnlicher Ai-beit hinzuweisen, das mit der übrigen Ausbeute seiner Expedition vor kurzem durch Sejjp in das Berliner Museum ge- kommen ist. Es genügt nämlich ein Blick auf die Abbildung in dieses Verfassers 'Meerfahrt nach Tyrus' S. 202, um zu erkennen, dass kein „ertrun- kener Melikertes", sondern ein stark betrunkener Erot dargestellt ist, den ein zweiter vom Nieder- taumeln zurückhält, während ein dritter, der das Tympanon dazu schlägt, damit gewiss eine weit harmlosere Absicht verfolgt als „die Auferstehung zur Harmonie der Sphären anzudeuten."

M. F.

Berichtigung.

In der Sitzung der archäologischen Gesellschaft in Berlin am 4. Mai d. J., über welche der Bericht in der mir so eben zugegangenen Archäolog. Zei- tung d. J. Heft 2 S. 105 f. abgedruckt ist, hat Herr Prof. Dobbert die Entdeckung der Abplattung des einen Pferdekopfes vom westlichen Parthenougiebel für sich in Anspruch genommen und gesagt, er habe seine Beobachtung mir mitgetheilt, der ich ihm vollkommen Eecht gegeben und seither meine eigene Entdeckung sowie die Beobachtungen D's. an den Pferdekc'lpfen , freilich ohne diesen zu nennen, in den Berichten der K. Sachs. Ges. d. Wiss. veröffentlicht habe. So kleinlich ein Prio- ritätsstreit bei einer derartigen Entdeckung er- scheinen kann, die Jeder macheu konnte, nachdem diejenige der Abplattung des Pferdebeines gemacht worden war, kann ich doch die in den Aeusserun- gen des Herrn D. gegen mich gemachte Insinuation, als hätte ich eine von ihm herrührende Beobachtung als die meinige benutzt, nicht ruhig hinnehmen und erkläre deshalb hiermit, dass Herr Prof. Dobbert sich geirrt hat. Mein londoner Tagebuch weist nach, dass ich, nachdem ich am 20. August die Wahrnehmung an dem Beine gemacht hatte, durch dieselbe ganz natürlicherweise zu weiteren Unter- suchungen der Pferdefragmente vom Parthenon an- geregt, selbigen Tages die verwandte Erschei-

nung an dem einen Pferdekopfe festgestellt habe. Mit Herrn Prof Dobbert traf ich am 1. September zusammen und theilte ihm, wie vorher Mehren (Newton, Murray, Dr. Lange u. A.) meine Ent- deckungen an dem Bein und an dem Kopfe mit, desgleichen, dass ich auch den zweiten, bei Michaelis nicht abgebildeten Pferdekopf zu dem Gespanne des Poseidon rechne. Darauf machte mich Herr Prof. Dobbert seinerseits auf „die Beto- nung der kleineu Falten am Kinnbacken" aufmerk- sam, „wie solche sich an der rechten Seite des äu- ssern Pferdekopfes vom Gespanne des Helios am Ostgiebel tinden" und leitete daraus den Schluss ab, „dass jener Kopf eine Wendung nach links mache und also dem äussern Pferd in der rechten Hälfte des Westgiebels angehörte." Dass ich diese Wahrnelimung dem Herrn D. verdanke, hätte ich bei meiner Publication sagen sollen und hätte das auch getlian, wenn icli hätte ahnen können, dass Herr D. auf diese seine Wahrnehmung, welche meine Entdeckung in so erwünschter Weise bestätigt, ein so grosses Gewicht legt, wie es sich jetzt zeigt. Dass ich aber irgend eine weitere Beobachtung dem Herrn D. entlehnt habe, ohne ihn zu nennen, dies stelle ich hiermit auf das Bestimmteste in Abrede.

Leipzig, 28. August 1880.

OVERBECK.

22*

DIE AUSGKABUNGEN VON OLYMPIA.

INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.

366.

„Niedrige Basis aus pentelischem Marmor, ohne Profilirung. Gefunden am 4. April 1880 vor der Westaltismauer, südlich vom PhilippeioD. o 5 steht auf der Vorderseite und der r. Neben- seite, c auf der Oberfläche am vorderen Rande vor den beiden darauf befindlichen Fussspui-en ; von diesen fehlt die r., da die r. hintere Ecke der Platte abgebrochen ist; die 1. ist 0,17 gross; auch durch sie geht ein Bruch, der die 1. hintere Ecke und die 1. Inschriftseite durchschneidet. An den Seiten hat die Basis in der Mitte des unteren Randes je eine rechteckige Vertiefung, welche vermuthlich zur Befestigung derselben auf der Unterseite diente und nur auf der Rückseite fehlt; die Inschriften nehmen schon auf dieselbe Rücksicht." Ausser einer Abschrift von K. Purgold lag mir ein Abklatsch vor.

E P M A 2 I 2 mTu-O VXnTNI O x\^ YSAnoAÄTNHSNEIKHXAS

O A Y M n I ^

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A I X K A I T H N

A O I n H N n E P I C ps-CTH E N "i K ///////

A K T I O I X K A 11-'

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P A I o I S A H o\/// Y M n I rV/

ANAPASnANKPATION

'EQ/.iäg 'Ialcü\v]og ^vzioxs i vg and Jäifvrjq, VEixrjaag 'OXv[.iTiia ölg xal ttjv | kotnrjv nsQtoöov ev ifj \ne] \ Qi6ö(p avv ö[l\g Ns/xeioig, | M'xTtoi.g xai 'Hqaioig, Jil '0[^] | vi^niq). \ avögag navxQäziov. Die Worte ev t^ nagiödii) können wohl nur so gedeutet werden, dass Hermas oline Unterbrechung immer bei der nächstfolgenden Feier eines der vier grossen Nationalspiele aufgetreten ist und gesiegt hat, während in dem vixt^aag zrjv neqioöov an sich dieses noch nicht liegt. Ueber die Verbindung an- derer Festspiele mit der ursprünglichen neqiödog siehe zu nr. ÜÜ.

367.

Fragment einer Kalksteinbasis, gefunden am '29. Oktober 1879 im Osten der Echohalle. Oben und an den Seiten Bruch, unten der Ansatz des Profils erhalten; hoch 0,16, lang 0,25, tief 0,17. Abschrift von Purgold.

!1 TT CTTTTt K TVn MeCCAAGl^/ THNAPeTHa

'H nölig xa[l fj 'Olv/.in:txri ßovXi] ] |

M.£aaaXsiv\ov, xov eavTtov £veQys]Trjv, oQETrjg [svexev].

Das Cognomen Messalinus ist zu häufig, um eine nähere Bestimmung der Person der die Inschrift gilt zu gestatten.

368.

Fragment aus gelbem Kalkstein, gefunden 16. Mai 1880 im Norden des Prytaneion. Unten ist der Rand erhalten mit einem Theil der rauhen Unterfläche; rechts Anschlussfläche, links imd oben Bruch. Der erhaltene Theil ist 0,29 lang, 0,13 hoch. In den Buchstaben noch deutliche Spuren von Roth. Ausser einer Abschrift von Purgold lag mir ein Abklatsch vor.

p N S fl T H P A K-?rr k^5 TKANTAAPE

[Tdv ösha . . , top eavT]cöv awzfJQU xai [eiieq- yizriv, dLev\eyxavxa aQE[Tfj ].

369. ,, Basisblock von grauem Kalkstein, gefunden am 16. Decem- ber 1870 im ersten grösseren Gemach von S. an der Ostwand der Palästra in situ. Länge der Vorderseite (a) und Hinterseite (b) 0,83, Breite der linken Seite 0,74, der rechten 0,70. Höhe der vorderen Schriftfläche links 0,26, rechts 0,22; der hinteren links 0,24, rechts 0,27. Dieser Kalksteinblock, ringsum glatt, ohne Profil, bearbeitet, bildet gegenwärtig den Unterstein einer Basis, welche ausserdem noch aus einem zweiten, auf ihm ru- henden besteht (0,77 X Oj^'t g''oss, 0,165 dick); derselbe ist oben mit einem zurücktretenden Profil von etwa 0,06 Höhe bekrönt und zeigt auf der Oberfläche vier roh gearbeitete Vertiefungen mit Gussrinnen, innen mit dem Bleivergiiss, durch welchen die Plinthe einer darauf aufgestellten Statue befestigt war. Dieser obere Block, der sich mit dem unteren auf keiner Seite genau in der Grösse deckt, ist so auf denselben gelegt, dass an der Westseite, wo sich das Gemach, in welchem sie stehen, nacli dem grossen Sänlenliof des Gymnasiums öft'net, ihre Kanten auf ein- aniler schlius.sen, offenbar weil die Statue, deren Basis sie in ihrer jetzigen Verbindung bildeten, nach dieser Seite hin die Front

W. Dittenberger, luschriften aus Olympia.

165

hatte. Es ergibt sich ans den angegebenen Umständen, dass die beiden Blöcke von älteren Monumenten genommen sind. Uebcr die ursprüngliche Bestimmung des oberen Blocks ist keiner- lei Vermuthung aufzustellen, für den unteren Block lassen die beiden Inschriften, die er an den beiden jetzigen Nebenseiten trägt, eine doppelte frühere Verwendung erkennen. Die altere von beiden ist offenbar u , welche von einer Basis herrührt , in welcher der Block hochkantig an die linke Ecke der Vorderseite gestellt war. Dies Monument war schon in der auf Ol. 259 (257 260 n. Chr.)') nächstfolgenden Zeit zerstiirt, denn in

dieser wurde derselbe Block zu der Basis eines Siegers verwen- det, in der er liegend, wie jetzt, nur natürlich mit anderer Front, als Unterstein angebracht war. Ein darüber liegender Block hat den Anfang der Siegerinschrift getragen, mit dem der Name des Siegers verloren ist '). Wir haben hier einen Anhalts- jiunkt dafür, dass in der Palästra vermuthlich noch im zweiten Jahrhundert neue Monumente errichtet worden sind, freilich aus den Bestandtheilen von früheren." Ausser einer Abschrift von K. Purgold lag mir ein Abklatsch vor.

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Die Beste von a lassen zwar erkennen, dass diese Inschrift zu der Statue eines Mannes gehörte, die ihm von einer Stadtgemeinde (wahrscheinlich der von Elis) gesetzt war; von einer Herstellung aber kann nicht die Rede sein. Man erkennt: Z. 1 ^ Tcokig, Z. 2 Käklin[nov] oder KakXin[7iiö>]v], Z. 3 . . -xov TtjI . . . ., Tl. A innaQxri[öttvxtt\, Z. 5 [TEt^irj\uisvov 6[£ u. s. w., Z. 6 xiov xal . ., Z. 7 aQtrfjg [evsxa].

Dagegen fehlt von b zwar der Anfang, das Er- haltene aber ist ein zusammenliängendes und bis auf ganz kleine und sicher zu ergänzende Lücken

vollständiges Stück: ßovXevTrjg xat 2^ivq-

vacog ßovlevzrjg xal 0ila\d£l(pevg ßovksvTrjg xal 'l£Qanol{£i]T7]g ßov).£v\zi^g xal TQinoksitTjg ßnvlevT^g xal IleQ/alng ßovlEvzrjg, xfJQv^ TQiansgiodog a^ein- Tog, I veixtjaag legoiig ayüvag zovg v7ioy£yQai.i\^ii- vovg- 'OXv/^mia d' 'Ol(vixniaöi) avg', avtj', avi^' ,

') Vielmehr Ol. 260 s. unten. W. D.

<j[^']''), 1 Kan£zu)lia sv 'Pco/itt] / , läd^rjväg IlQOfiä- \ Xov ev 'Pdif-ij] y', 'P(ö/^rjg alcöv[ia].

Die Person des Dedicanten lässt sich, obwohl der Name mit dem oberen Stein verschwunden ist, sicher bestimmen. Es findet sich nämlich in dem Verzeichniss ein Festspiel, das überhaupt nur ein- mal stattgefunden hat: denn die 'Pcofijjg almvia können in einer Inschrift dieser Zeit nur von der Feier des tausendjährigen Bestehens der Stadt Rom 248 n. Chr. verstanden werden. In dieser aber hat als xriQV^ Valerius Eclectus aus Sinope gesiegt, nach der Inschrift eines von ihm dargebrachten Ana- thems in Athen (C. /. Att. III 129); ihm muss, da

') Doch s. unten. W. D.

^) Dass der olympischen Siege vier waren, ist vorher aus- drücklich angegeben, und da in Purgold's Abschrift wie auf dem Abklatsch zwischen den Spitzen der Palmzweige der Halb- kreis des C und zwei horizontale Linien, die offenbar zum ^ gehörten, erkennbar sind, für ein drittes Zahlzeichen aber kein Raum zu sein scheint, so dürfte das Datum des vierten Sieges (Ol. 260) gesichert sein.

166

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

zwei Sieger in demselben Agon undenkbar sind, auch unsere Inschrift zugeschrieben werden. Und dies findet bei näherer Betrachtung beider Denk- mäler noch anderweitige Bestätigung: Zunächst gebt aus den Olympiadenzahlen hervor, dass die Olympia- siege mit Ausnahme des ersten erst nach seinem Siege in den römischen Säeularspieleu errungen sind; dies berechtigt wohl anzunehmen, dass sein Auftreten in den Agonen zu Rom mehr in den An- fang seiner Laufbahn, und vor die Periode seiner glänzenden Erfolge in den griechischen National- festen fällt; und dazu stimmt wieder vortrefflich, dass in den Zahlen der in Rom errungenen Siege beide Inschriften genau mit einander stimmen {Ka- netiöKia ev 'Pdfitj y , l4d-r]väg nQOf.iäyov iv 'Po^^rj y). Wenn sie dagegen in Betreff der hellenischen Hauptfeste auseinandergehen, indem er in der atti- schen Inschrift wiqvi. dtgneQLOöog mit zwei, in der olympischen Tgigneglodog mit vier Olympia- siegen heisst, so liegt auf der Hand, dass dies durch die verschiedene Entstehungszeit beider Denk- mäler bedingt ist, und die des attischen, welche ich im Corpus nur nach dem Sieg bei der tausend- jährigen Feier Roms nach 248 ansetzen konnte, wird hierdurch genauer auf die Zeit zwischen der 258sten und 259sten Olympienfeier (253—257 n. Chr.) fest- gestellt, während das olympische Denkmal nach (und zwar wahrscheinlich unmittelbar nach) der 2608ten (261 n. Chr.) errichtet ist. Unter den Städten,

deren Rathsmitglied der Dedicant sich nennt, kommt freilich nur eine, Perge, in beiden Inschriften vor. Aber bedenken wir, dass das Verzeichniss des olympischen Denkmals durch Verlust des oberen Steins verstümmelt ist, das des athenischen aber durch den Zusatz xai aAAw»/ nokliöv rtöletov noleiTTjg xai ßovlsvr^g sieh selbst als unvollständig gibt, so erklärt sich das Fehlen von Philadelpheia, Hierapolis und Tripolis in dem athenischen, das von Sinope, Athen, Delphi, Elis, Sardes und Xikaia in der olympischen Inschrift auf die natürlichste Weise. Nur dass Smyrna, welches auf dem olympi- schen Denkmal vorkommt, auf dem attischen fehlt, könnte Bedenken erregen, da bei der Bedeutung dieser Stadt doch die Nennung des Namens schwer- lich unterblieben sein würde. Aber da die olympi- sche Inschrift mehrere Jahre jünger ist als die atti- sche, steht nichts der Annahme im Wege, dass Eklektus erst nach der Errichtung der ersteren die Würde eines Rathsherrn von Smyrna erlangt hat.

370.

Basis aus grauem Kalkstein, gefunden am 25. Mai 1880 im Westen des Buleuterion- Südbaues. Lang 0,59, tief 0,52, hoch 0,36. Der Block ist ohne alle Profile glatt gearbeitet, auf der Oberfläche zwei kleine ovale Löcher zum Einlassen einer Bronze- statue, zwischen ihnen ein drittes, rechteckiges; die 1. Seite des Steines ist als Anschlussfläche behandelt. Da jedoch die In- schrift vollständig ist, kann sich hier nur entweder ein Stein mit selbständiger Inschrift angeschlossen haben, oder der unsrige ist in einer seiner ursprünglichen Bestimmung fremden Weise ver- wendet. Die Buchstaben sind auf der ausgewitterten Vorder- fläche zum Theil nur schwer leserlich, einige in der Mitte nicht mehr erkennbar." Abschrift von K. Purgold.

^afiai9idag M£p\inn]nv 'HXslng, vix7]aag , avv- laqidi na)?.txrj. Die Ergänzung des Namens rührt von Purgold her. Nach der Schriftform dürfte das

Denkmal in die erste Hälfte des dritten oder die zweite des zweiten Jahrhunderts vor Christus zu setzen sein.

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

167

371.

Zwei Fragmente aus feinkürnigem, kalksteinartigem grauem Marmor, a 0,24 lang, 0,28 hoch, 0,24 tief erhalten, gefunden am 10. März 1880, verbaut im Süden des Philippeion in einer spätrömischen Mauer, b im Ganzen 0,32 hoch, erhalten in der Länge von 0,23, tief 0,2G. Unten Rand, 1. ein Stück der Seiten- fläche mit einem Versatzbossen erhalten, oben ein Stück der Oberfläche, welches erkennen lässt, dass die Inschrift hier nicht mehr als vier Zeilen enthalten hat. Gefunden im April 1880 im Westen des Prytaneion vor der Ostfront der Nordhalle der Pa- lästra. Abschrift beider Stücke von K. Purgold.

ION

N EP f

I xav MslyaXonoXiTav avi\ \ d-r]xav

aQetä[g evexa TÜg eig] | avrovg.

JigiOTeag Nixa [ Meyalonolitag [enoirjas],

Dass die letzten Zeilen den Künstlernamen ent- halten, ist sowohl wegen des Nominativs als wegen der Stellung zur oberen Inschrift kaum zu be- zweifeln.

372.

Fragment der Oberplatte einer Basis aus grauem Kalkstein, gefunden am 20. März 1880 südlich vom Philippeion in einer spätrümischen Mauer. Hoch 0,17, breit 0,37, tief 0,57. Der Stein ist rechts und hinten gebrochen, etwa in der Mitte, da man am Bruch noch die Spuren des abgestossenen Versatzbossen bemerkt, der in der Mitte stehen geblieben sein wird; das Inschriftfeld ist auch unten zerstossen. Ausser einer Abschrift von K. Purgold lag mir ein Abklatsch vor.

■t-IAONIKO^ <i>IAr^

NIKH^AC OAYM

(Dilövixog 0iIio[tov {(Dilioxidov , Wiliaxov'?) ] I vix^aag 'OXv/^[nta ].

Dass der letzte Buchstabe in Z. 1 ein 2 (nicht etwa J) gewesen ist, ergiebt der Abklatsch mit Sicherheit.

373.

Fragment, von allen Seiten verstümmelt, nur oben ist der Rand erhalten. Unterhalb der zweiten Zeile ist eine andere aus- radirt. Ucber Ort und Zeit der Auffindung lag mir keine An- gabe vor. Abklatsch und Abschrift von Purgold.

DTTIOtOKAIATTOAl

///////////////////////////////////////////,

ir o N

[TißeQiov Klavd]iov N£Qü)[va \ 6 deiva . . . .Jou v\6g 6 xal ÄnoX[X ].

Die beiden letzten Zeilen können kaum zu der- selben Inschrift gehören; vielleicht ist zu ergänzen [fi ßovX\fi I [Jqov^oov, wenn man auch bei einem gemeinsamen Denkmal der beiden Stiefsöhne des Augustus die Namen eher neben als unter einander stehend erwarten sollte.

374.

„Basisblock aus schwarzem Kalkstein, verbaut in eine spätrömischc Mauer im Süden des Philippeion ; gefunden den 20. Mai 1880, 0,29 hoch, rechts und hinten gebrochen, etwa 0,70 lang und ebenso tief. Die linke Seite hat Anschlussfläche. Die Inschrift steht am vorderen Rande der Oberfläche, links von der Mitte derselben, wo der Stein jetzt 7 Centimeter breit aus- gemeisselt ist, wohl zum Zwecke seiner späteren Verwendung. Auch sonst ist die Oberfläche des Steines sehr beschädigt worden, doch enthielt sie wohl die zwei Fussspuren " Abklatsch und Ab- schrift von K. Purgold.

III P H IM.

In diesen Buchstabenresten ist wohl eher das Ethnikon [^Jjxag als ein Personenname zu er- kennen.

375.

Fragment eines Ziegelstempels, gefunden am 15. December 1879 im Südwestgraben. Abklatsch und Abschrift von Purgold.

Purgold vermuthet, dass [Ij/rt MsXyjlxog] zu lesen sei. Mir ist es wahrscheinlicher, dass hier die in Inschriften von Gebäuden u. dergl. so häufige Formel [i]niiitskrj[d-£VTog (oder sTiifielTjTsvovTog) xov ^eivog^^ gestanden hat.

376. „Ziegel mit Stempel, gefunden im Sommer 1879 im Pry- taneion, 0,24 im Quadrat, 0,04 dick. Der Ziegel ist mit dia-

168

W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.

gonal laufenden, eingedrückten Doppelstreifen versehen ; über die- selben hinweg ist in der Mitte in vertieftem Felde der Stempel mit einer Form eingepresst; die Buchstaben in sorgfültiger, zier- licher Ausführung römischer Zeit." Abklatsch und Abschrift von K. Purgold.

A Y K 1 A Ä

AvKiöa.

377.

„Fragment aus grauem, kalksteinartigem Marmor (arkadi- schem oder lakonischem). Oben und unten Rand, die anstossen- den Flächen rauh bearbeitet, links Bruch. 0,095 hoch, erhalten 0,23 lang und 0,12 tief. Gefunden den 20. April 1880 im Nor- den des grossen Südwest-Baues.'- Abklatsch und Abschrift von Purgold.

/

A I N E M E A 1-

'f A MESSHNIC// M II O A Y M n in ////

xat Nsfieag \ [b öslva . . .]ia Mea(j)]vio[g] \

378.

,, Fragment aus gelbem Kalkstein, gefunden vor der Ostfront des Zeustempels am 29. Februar 1880, 0,16 lang, 0,14 breit und 0,10 dick; nur oben ein kleines Stück des Randes erhalten. Die Inschriftfläche ist so verwittert, dass die Lesung äusserst schwie- rig ist." Abschrift von K. Purgold.

Es ist nicht möglich, einen Zusammenhang her- zustellen; wahrscheinlich gehörte die Basis zu dem Anathem eines olympischen Sieges, worauf Z. 1 'Olv^n[ia] (oder [Jii] '0Ai);W7r[t'f<j]) und Z. 3 vixwv hinzuweisen scheint. Die Reste der übrigen Zeilen sind unverständlich.

379.

Fragment vom Oberblock einer Kalksteinbasis, mit Profil; 0,11 hoch, 0,36 lang, 0,26 tief erhalten. Auf dem oberen Rande des Profils ist die Inschrift in sehr schwachen Zügen noch er- kennbar. Gefunden am 21. Oktober 1879 im Westen des Pry- taneion , verbaut in eine der ,,Slavenmauern." Abschrift von K. Purgold.

STOYHAEIOS \ T I T E A E I ft 1

fO öslva . . . .JffTov 'Hf.slog \ [vixj^aag 'Olvfinia

380. Fragment vom Oberblock einer profilirten Kalksteinbasis, 0,11 hoch; 0,22 lang, 0,10 tief erhalten. Oben Rand mit einem Stück der Oberfläche daran, unten der Ansatz des Profils ; r. und 1. Bruch. Gefunden am 2. Januar 1880 ausserhalb der West- Altismauer, vor dem S.-W. -Graben. Abschrift von Purgold.

IXOSNIKOAPOMC) I KH2 AS/// \ Y N/

n n A I //////

V I 52 I IUI

. . .xog NiKodQ6i.i[ov 'HXeios (?) v]ix>]aag ['0]}.vv-

[nia I nü}li[xüi (oder -xfj) | z/tt 'Olv/j.]nit{).

Ein Eleer Nikodromos kommt nr. 4 vor.

Halle a. S.

W. Dittenberger.

OLYMPISCHE STUDIEN.

I. Die Folgenreibe der Festspiele.

Die Folge der Festspiele ist uns von keinem Schriftsteller ausdrücklich mitgetheilt; Tansanias hat sie zwar überliefern wollen, doch ist seine Nachricht durch handschriftliche Verderbniss ge- trübt. An der Stelle V, 9, 3; 6 de xöa^ng o tieqI zov aycSva ig)' rjfxwv, üg ■d-vsaQ-ai toj ^£fi5 'legElct nevtäd-Xov (.lev xal öqü/hov tiöv "nniov vaxsQa ayio- viGfiätcüv, ovTng xazsaTTj acpiat o xoüfiog OXvfi- ntäSi eßdö/iiT] ngog xalg sßöofi^xovra sind nämlich mehrere Worte ausgefallen. Der mit wg eingeleitete Satz erwähnte wie in Parenthese die Folgenreihe der Festlichkeiten als eine allgemein bekannte Sache, und berichtet dass sie in der 77. Olym- piade eingeführt wurde, ta ttqo tovtcov di snl ■^(.ligag rjynv Trjg avTijg^ so erzählt P. weiter, o^oiiog xal av&qwnoiv xal 'Inniav aycova. tots ds TiQorixd-riaav ig vvxza ol nayxQaTiatovisg , are ov xaza xaigov laxXt]&£vTsg , oItioi, öe iysvovxo o'i TS 'InnoL xal ig nXiov eti tj nSv nsvTa&lcov aj^iXla' .... ij^Tindiov ös nvx sfis'k'Ke nayxQUTio) xov lomov x6 Tievxa&Xnv ovöi ol mnni yevriasa&ai. Eines geht aus dieser Stelle mit ziemlich grosser Klarheit hervor, dass nämlich die Wettkämpfe, die man vor der 77. Olympiade an einem Tage ab- hielt, seitdem auf zwei vertheilt wurden. Bevor wir uns aber weiter mit der Stelle beschäftigen, wollen wir erst zusehen, was anderswoher über die Folgenreihe der Wettkämpfe festgestellt werden kann.

Wir lesen, wieder bei Pausanias (VI, 13, 2), von einem gewissen Polites: avifpr^vE de ccqettjv nodüv ev OXvixnia nSaav and yctg xov lUTjKiaxov xal öiagxEaxaxov di oliyioTOv drj xatgov iiiE9r]Qf.i6aaTO inl x6 ßgaxvxaxov oiiiov xal wxiaiov, xal öollxov iv Tj^eQa xfj avxfj xal nagavtlxa axadiov laßcov vixTjv nQnai3-t]xE diavXov acplai xfjv xQtxrjv. Diese Worte beweisen, dass die Folgenreihe bei den ver- schiedenen Arten der Wettkämpfe war: döXixog, axädiov, ölavXog, und diese Folge hat auch ihren rationellen Grund. Bei dem döXixog kommt es niclit hauptsächlich auf Schnelligkeit an: man muss den

Arcliäolog. Zig. JahrcanfT XXXTIII.

Körper in eine Bewegung setzen, die er lange aus- halten kann; wenn man damit anfängt möglichst schnell zu laufen, so ist man erschöpft, ehe man am Ziele ist. Bei dem axädiov im Gegentheil, wo man nur einmal die Laufbahn zurückzulegen hat, kommt es fast nur auf Schnelligkeit an. Der öiav- log, das einmalige Durchmessen der Bahn hin und zurück, ist etwas wie eine Verbindung der beiden Anforderungen, er erheischt Schnelligkeit und Ausdauer.

Von grosser Wichtigkeit ist weiter Paus. VI, 15, 3: fj de 'Olvfiuiäg rj erps^rjg (die 142.) elxs fiiv xov Klsixofiaxov xovxov Ttayxgaxiov xal nvy~ fifjg äy(oviaTt]v, slyE de xal 'HIe7ov KÜtiqov inl rjfiegag xijg avxfjg nalaiaai xs ofiov xal nayxQß~ xiäaai nQO&vfi.ov^iEvov. yeyovvlag de rjdrj xm Känqcff vixrjg inl xtj nakr] ävedidaaxEv 6 Kkeizöfiaxng xovg 'EXkavodlxag yEvrjaea&ai avv zu dixalco ag)iaiv, «t x6 nayxqaxiov iaxaXeaavxo nglv rj nvxTEvaavxa avzov Xaßelv zqav^iaxa. Hieraus sehen wii-, dass die näXi] der nvy/.n], die nvyi.i7j dem nayxqätiov vorherging. Die Hellanodiken gaben dem Wunsche des Klitomachos damals nach, dass aber öfter als dieses einzige Mal die gewöhnliche Folgenreihe der Wettkämpfe geändert worden sei, zeigt sich nirgends. In späteren Zeiten (Ol. 21G) vernehmen wir aus Inschr. 147 und 148 (Arch. Zeitg. 1878 S. 91) von einem nayxgäxiov, das bis iu die Nacht dauerte; es wird dies wohl der letzte in der Eeihe der Wettkämpfe gewesen sein, so dass auch damals ohne Zweifel die nvyfiT] vorherging.

Bei Xenophon Hell. VII, 4 lesen wir über ein Festspiel zu Olympia: xal xrjv ftiv Innodga/^iav ijdt] inanoi/jxeaav xal xa dQ0/.uxd zov nevxä&Xov. Hieraus geht deutlich hervor, dass das nevxaitXov nach der Innodgoixia folgte.

Wir kennen also drei Gruppen von nachein- ander folgenden Wettkämpfen:

1. döXixog, axädiov, diavXog.

2. näXrj, nvy(.iri, nayxqäziov.

3. Innodgania, nivzad-Xov.

23

170

A. E. J. Holwerda, Olympische Studien.

Wie folgten nun diese Gruppen auf einander? Bei Julius Africanus (Ed. Rutgers S. 67) lesen wir, dass in der 113. Olympiade Argeus der Avgiver im ööXixog siegte und sv "Agyei rtiv avzov vIxtjv avd-t]- ^SQov av^yystXev. Hieraus dürfen wir doch wohl schliessen, dass d6Xixog,aT<xöiov, dlavlog des Morgens abgebalten wurden. Ferner folgt aus der schon angeführten Inschrift 148, dass näXr}, nvyfirj und nayxgäTiov später am Tage stattfanden. Demnach sind zwei Fälle möglich: 1. dass an einem Tage abgehalten sind: ööXixog, aräöiov, dlavlos, nälr], nvyy.ri, nayxQaziov, am andern \nnodQOi.da, nevt- ad^iov. 2. dass an einem Tage abgehalten sind ööXixog, otädiov, diavkog, inTiodQOf.iia, nEv%ad-Xov, am andern nalrj, 7ivy/.i>], nayxQariov. Der zweite Fall ist sehr unwahrscheinlich. Es ist fast undenk- bar, wenn man an einem Tage nur die drei Wett- kämpfe abhielt, dass das nayxqätiov jemals bis in die Nacht gewährt haben sollte. Als man einen Tag für die Wettkämpfe hinzunahm, wird man diesem doch viel eher die zwei längereu InnodQO- fiitt und nivTa&lov, als die viel kürzeren ndXr], nvyftr^, nayxQOTiov zugewiesen haben.

Wir kehren nun zurück zu der ersten Stelle des Pausanias. Früher wurden, so ist ihr Inhalt, an einem Tage die Wettkämpfe von Pferden und die von Menschen abgehalten. Zur Zeit der 77. Olym- piade aber währte das nayxQariov bis in die Nacht, weil die vorhergehende mnodQOi-iia und das nivz- a&lov zu lange aufgehalten hatten. Nachdem die neue Folgenreihe, die Pausanias an unserer durch eine Lücke entstellten Stelle kurz angedeutet hatte, eingeführt worden war, wurde das nayxgäTiov nicht mehr durch das nivxad^Xov und die "nnoi bedrängt.

Lässt sich nun über diese neue Folgenreihe aus dieser Stelle des Pausanias etwas schliessen? Die ausdrückliche Angabe, dass vor ihrer Einführung der Wettkampf von Pferden und von Menschen an einem Tage abgehalten wurde, könnte glauben machen, dass dies nachher nicht mehr der Fall war, dass also der Innoiv äywv seitdem an einem andern Tage statt fand als die übrigen Kampf- spiele. Aber es steht, wie wir gesehen haben, fest, dass das nivtai^Xov am nämlichen Tage auf die Innoögn/ida folgte. Ein der Kürze wegen nicht sehr genauer Ausdruck ist freilich viel weniger auöallend, wenn wir bedenken, dass die genauere Nachricht in den entstellten Worten vermuthlich eben vorhergegangen war. Wenn man mnnÖQo^iia und ntviaO^lov verlegen wollte, um für das nayxgä-

Tiov Zeit zu gewinnen, so ist es am wahrschein- lichsten, dass man ihnen den neu hinzugekommenen Tag zuwies. So gewinnen wir auch hier dieselbe Folgenreihe der Wettkämpfe, die wir bereits aus an- dern Gründen abgeleitet haben.

Danach wage ich anzunehmen, dass den Inhalt der entstellten Worte des Pausanias die Nachricht bildete, dass das nhTa&kov und der ög6/:iog xtSv "nncov später statt fanden als die übrigen Wett- kämpfe. Die Stelle kann also etwa gelautet haben wie folgt, ohne dass wir natürlich behaupten wollen, gerade den Wortlaut getroffen zu haben : log dvea- 9ai Toj 9evj, isgeia, [s'neiza di yiyvea&ai tovg ayiüvag ] nsvTä&kov /.tiv xal ögofiov ziov "nniav voTega [fjf^isga, ngozsga ds zwv Xoincüv] äyiovia- ftäzcüv. Die zwei fehlenden Stücke sind walir- seheinlich fast gleich gross gewesen; es können leicht die über einander stehenden Hälften von zwei Zeilen verloren gegangen sein. Vor vozega und ngoTsga habe ich keinen Artikel gesetzt, da man sonst glauben konnte, dass die Festspiele zu Olympia nur zwei Tage dauerten.

Wir haben bisher alle Männer-Wettkämpfe er- wähnt, ausgenommen den Waifenlauf. Aus Arte- midor I G3 ') (angeführt bei Krause, Seite 99 Anm. 5) folgt, dass dieser eine Zugabe war zu den übrigen Wettkämpfen, also auf das nivTudXov folgte. Es ist daher nicht befremdend, dass Pausanias diese Kampfart nicht nennt, wo er nur mit wenigen Worten an die seinen Lesern wohl bekannte Folgen- reihe der Wettkämpfe erinnern will.

Was die Wettkämpfe der Knaben anbelangt, so dürfen wir aus Plut. Quaest. Conv. II, 5, 1 schliessen, dass sie denen der Männer vorher- gingen.

Für den weiteren Hergang des fünftägigen Festes ist von Wichtigkeit Andocid. IV, 29 (S. 12G), wo von Alcibiades gesagt wird, dass er die nof-insta von den athenischen Theoren entlieh, angeblich für die ini- vixia (den xw^Hog zum Zeus-Altar), in Wahrheit aber, um sie den folgenden Tag vor dem Opfer der Festge- saudten zu benutzen. Hieraus sehen wir deutlich, dass an dem Tage nach der Beendigung der Spiele erst das Opfer der Sieger und nachher das der Festgesandten dargebracht wurde. Der Scliluss wird wohl das den Siegern von den Eleern im Prytaneion veran- staltete Festmahl gewesen sein.

Der xü^tog der Sieger erfolgte am Abend nach ihrem Siege.

') äl onXov ).ey6/i(V0V Inl Tic'tvjwv nciai nctnoXxtt; ar)/iia(vii' jeXevzttTov yÜQ xai Inl niiai lo uOXov.

A. E. J. Ilolwerda, Olympische Studien.

171

Die Folgeureihc der Festlichkeiten während der fünftilgigen Feier war also wahrscheinlich:

1. Bov&vaia (muthmasslich fanden am näm- lichen Tage die sonstigen Vorbereitungen statt, wie der Eid vor Zeus Vorkios und die Prüfung der Knaben und jungen Pferde).

2. Wettkampf der Knaben.

3. Erste Hälfte vom Wettkampf der Männer: döhxoe, OTÜSiov, diavXog, nält], nvyfii], nayxqätiov. xtöfiog der Sieger.

4. Zweite Hälfte vom Wettkampf der Männer: innoÖQOula, nivta&lov, onliTÜv öqÖhos- xwi-iog der Sieger.

5. Opfer der Sieger und der Tbeoren. Fest- mahl im Prytaneion.

II. "Eg>edQog und 'Eifedgela. Die Frage nach dem Wesen der Ephedrie, die den Gelehrten so viele Sorgen gemacht hat (Krause, Olympia S. llSif.), kann, wie mir scheint, aus den zu Olympia neu entdeckten Inschriften No. 146 bis 148 (Archäol. Zeitg. 1878 S. 90) beantwortet

werden.

In No. 147 lesen wir, dass Tiberius Claudius Eufus nävrag /.lev ävecpedqng enayxQaiiaae xovg xX^QOvg Tolg öaxifitüTÜToig Xa^iov ctvdqdaiv. Dies beweist, dass die von Lucianus Hermot. 40 ff. be- schriebene Loosung zur Paarung der Wettkämpfer während eines Wettkampfes mehrmals stattfinden konnte, wobei man dann natürlich jedesmal einen gefährlichen oder einen weniger tüchtigen Gegner bekommen konnte. Die Loosung konnte selbstver- ständlich nicht anders vorgenommen werden als erstens zwischen allen Kämpfern, danach zwischen den Siegern aus den Paaren des ersten Ganges und dem Ephedros, wenn es einen solchen gegeben hatte, dann zum Dritten wieder zwischen den Siegern aus den Paaren des zweiten Ganges, u. s. w. Es konnte natürlich während eines Wettkampfes mehr- mals vorkommen, dass die Zahl der Loose eine ungerade war, und alsdann gab es während dieses Wettkampfes mehrere eq>sdQeiag. Auf diese Art werden, wie ich meine, die Worte unserer Inschrift vollkommen klar. Mit einer gewissen Emphase wird verkündigt, Piufus habe alle durch das Loos bestimmten Reihen, xl?]Qovg, durchgekämpft, auch nicht eine Eeihe sei an ihm vorübergegangen, er habe nie eine scpsdQsla gehabt. Nehmen wir ein- mal, um uns die Sache zu veranschaulichen, an, dass es z. B. 18 Wettkämpfer gab, so wurden daraus das erste Mal 9 Paare gebildet, ohne dass es einen

eqieÖQog gab. Aus den Siegern jener 9 Paare wur- den dann wieder 4 Paare gebildet, wobei ein aqis- ÖQog blieb. Diese 4 Paare gaben 2 Sieger, also mit dem egteögog 3 Personen, aus welchen ein Paar und ein eqtsdgog entstand; der Sieger aus dem Paare kämpfte zuletzt mit dem ecpeÖQog um die Schluss- entscheidung. Eine Anzahl von 10 Kämpfern gab also 3 iq>eöeeiag; 16 Kämpfer gaben keine einzige, 11 und 5 gaben 2 Ephedrien u. s. w.

Die Inschrift 146 ist hiermit vollkommen in Ein- klang. Ariston aus Ephesos erzählt uns darin, er habe ävsq>edQog {b. Z. 7), ^wctS ecpsdQsiag (c. 5) ge- siegt, und weiter (c. 7) eTtid yäg sx naidwv naXä- lAug (.lovog ovx dvenavaa, CEvyvvi.ievog ö'alel nav- xag ctnsaTEcpävovv. Ariston, der keine scpeSgeicc gehabt hat, ist immerfort, ohne Unterlass, gepaart worden. Also wurden mehrmals Paare gebildet und musste es vorkommen können, dass jemand einmal nicht in ein Paar eingeloost wurde. Weiter lesen wir, dass Ariston dreimal an der Reihe war, er wurde ja bekränzt TQiaad xa-i avTinaliov a&Xa xoveiaä^isvog (b. 8). Die erste Loosung aus den 7 Kämpfern ergab 3 Paare und einen ecpeÖQog, die zweite 2 Paare aus den 3 Siegern und dem ecpedgog, die 2 Sieger aus diesen Paaren kämpften das dritte Mal um den Kranz.

Es war immer vortheilhaft sq)eÖQSiav ksloyxsvai, da man dann einen Kampf weniger zu bestehen hatte als die Uebrigen; am vortheilhaftesten war natür- lich eine s(f£ÖQEia beim letzten Gange, wenn negi xov ateqittvov gekämpft wurde'). Eine solche ist eine stpedgEia xat' s^oxi^v, und man hat sie denn wohl auch im Auge, wenn man das Wort Eq>EÖQog sprichwörtlich gebraucht. So ist Crassus (Plut. Pomp. 53) der Ephedros von Pompejus und Caesar: sie wussten, dass, wären sie mit einander in Streit gerathen, der Sieger sich mit Crassus hätte messen müssen. Aeschyl. Choephor. 866 muss statt eqiEÖQog gelesen werden s(fidQoig:

zoi'ai'ÖE nälrjv fxövog mv stpidqoig diaanlg heIXel &E~iog 'OQsazrjg atpEiv. Der Dichter sagt, dass Orestes es gegen zwei

-) Der Rafus der 147. Inschrift hat ttsqI rov ajKfüvov gekämpft ngö; «vcfp« IfloyxÖTU f(ffäQf(av. Ich glaube nicht, dass dies ein i(ff(S{>o<: von dem letzten Gange gewesen zu sein braucht; das Gegentheil ist vielmehr wahrscheinlich. Warum sonst nicht einfach ttoo? fyfJpor? Die Inschrift macht von den Verdiensten des Rufus möglichst viel Aufhebens; hätte er gegen einen fif fÖQog im letzten Gange gesiegt, so hätte sie es deutlich gesagt.

23*

172

Fr. Holtsch, Attischer Fuss.

aufnehmen müsse; fängt er mit Aegistbos an, so ist Klytaemnestra l'q)eÖQog, beginnt er mit letzterer, so ist es Aegistbos. Bei Luciauus (Hermotimos 40) beisst es vom l'^eÖQog, dass ibm sebr vortbeilhaft sei t6 fielXeiv axfifj-ia toig xsxurjxöoi av/iinea£~iad^at, und vorher itpeÖQevei neQifxiyiov eaz' dv ixelvoi dywvlaMfiai. Da der Epbedros nur mit einem jener Ermüdeten zu kämpfen hat, so würde Lucianus sich genauer ausgedrückt haben, wenn er z. B. kvt £x Twv xEx/^ir^xöziov gesagt hätte; da er sich aber in den Zeitpunkt versetzt, wo der scpeÖQog noch abwartete, welche unter den x£xi.irjx6Teg für ihn als Gegner in Beti-acht kommen würden, so ist es erklärlich, dass er die Mehrheit gebraucht.

Boeckh lässt den eqiEÖQog mit allen xex/xrjxöisg, einem nach dem andern, kämpfen; da würde er wohl sehr bald xEx/nTjxoxeg sich gegenübea* gehabt haben, welche viel mehr äxi.ii]Teg waren als er selbst. Hatte aber jemand auch nur im ersten Gange eine Ephedrie gehabt, so war er während des ganzen Kampfes im Vortheil; er war immerhin weniger ermüdet als die übrigen. Man mui^ste selbstver- ständlich bemüht sein, diesen Vortheil möglichst zu verringern, und schon deswegen ist Krause's Er- klärung unrichtig, der den Ephedros warten lässt.

bis alle Wettkämpfer so oft gepaart gewesen sind, dass nur Einer übrig bleibt, mit dem er dann kämpfen müsse. Ein i'tpsÖQog, der mit frischen Kräften kämpft gegen Einen, der z. B. schon mehr als drei Gegner besiegt hat, hätte gar zu leichtes Spiel gehabt : Krauses Erklärung unterliegt dem ent- gegengesetzten Mangel wie die Boeckh'sche ^).

Man könnte mir einwerfen, dass bei meiner Er- klärung einem Kämpfer auch mehrere Ephedrien zufallen konnten. Ich antworte darauf, dass dem, wenn mau es wollte, sehr leicht vorzubeugen war: man reichte z. B., wenn zum zweiten oder dritten Male eine ungerade Anzahl Wettkämpfer das Loos ziehen musste, vor der Loosuug demjenigen, welcher schon einmal l'qieÖQog gewesen war, eine Marke, mit einem Buchstaben bezeichnet, der sich noch- mals in der Urne fand. Der Gegner des nicht loosenden sqieÖQog war alsdann der, welcher den gleichen Buchstaben zog.

Leiden. A. E. J. Holwerda.

') Wenn Krause meint, der Xtinofitvog oder xaTai.iin6fit}'og idöv tiviciyioi'tojMV, von dem Pausanias spricht (VI, 10, 1 und VIII, 40,2), sei ein 'iiftiinog gewesen, so ist et entschieden im Irrthum. Ein Jeder der nach den wiederholten Versuchen zuletzt übrig blieb, um den Kranz zu streiten, war ein xcaii).ti7i6fjevos.

BESTIMMUNG DES ATTISCHEN FUSSES

NACH DEM PARTHENON UND THESEION.

Der attische Fuss ist nach Wurm, Paucker und Böckh bisher ziemlich allgemein zu 136,GG Par. Linien = 308,3 Millim. angesetzt worden ') Jedoch schienen die genaueren Messungen, welche Penrose am Parthenon anstellte '), zu dem etwas höheren Betrage von etwa 309 Millim. zu führen ^). Wenn wir es nun versuchen, innerhalb dieser Grenzen den möglichst genauen Werth festzustellen, so ist zunächst zu untersuchen, inwieweit die gegebenen Voraussetzungen als zuverlässig gelten dürfen.

Die Differenz zwischen den beiden Grenzwerthen beträgt 0,7 Millim. oder 0,0023 des ganzen Fusses; wollen wir also in diesem engen Bereiche, der an sich schon sehr feine Messungen voraussetzt, noch

') S. Metrologie S. 53 f.

-) An Invesligation of Ihe Principles of Athenian Archi- tecture Oy F. C. Penroae. Published by the Society of Di- lettanti. London 1851.

') Ad. Michaelis Der Parthenon S. 123 Anni.

genauer den wahrscheinlichen Normalwerth auf- finden, so haben wir, genau genommen, drei ver- schiedene Voruntersuchungen zu führen, nämlich zunächst über den Grad von Zuverlässigkeit jener Maassstäbe, welche die alten Architekten angewendet haben, ferner über die Abweichungen, welche der Bau des Parthenon, trotz der scheinbaren Unwandel- barkeit des Steines erfaliren haben kann, endlich über die Genauigkeit der neuerdings angewendeten Maassstäbe.

Es ist leicht zu sehen, dass die erste und zweite der erwähnten Untersuchungen, wollte man sie er- schöpfend führen, sehr umfangreich sich gestalten würden; doch sind bereits früher einige hauptsäch- liche Resultate genügend festgestellt worden. Eine haarscharfe Messung bis auf Zehntausendtel unseres Metermaasses war den alten Arcliitektcn kaum mög- lich; sie würde aber auch nicht ängstlich von ihnen erstrebt worden sein, selbst wenn die technischen

Fr. Ilultsch, Attischer Fuss.

173

Ilülfsmittel dies gestattet hätten. Breite und Länge des Stylobatcs des Parthenon sollen sich verhalten wie 4:9; aber in Wirkliehkeit sind beide Flanken ein wenig länger als sie nach diesem Verhältniss sein sollten, und wiederum untereinander weichen sowohl die beiden Fronten als die beiden Flanken, die einander je gleich sein sollten, ein wenig ab ^), und in ähnlicher Weise haben sich kleine Ab- weichungen zwischen den theoretisch berechneten und den effectiven Dimensionen vielfach gezeigt *). Ferner hat man beobachtet, dass der Unterbau des Tempels, wahrscheinlich in Folge von Erdbeben und unter dem Druck der darauf lastenden Massen, theilweise ein wenig sich gelockert hat, sodass eine wenn auch geringe, so doch merkbare Vergrösserung der Dimensionen der Fronten eingetreten ist ^), in Folge dessen auch der hieraus abgeleitete Werth des Fusses etwas zu gross ausfallen wird.

Aber auch hinsichtlich des dritten Punktes müssen wir einen höheren Grad von Unsicherheit consta- tiren, als zunächst zu erwarten war. Wir wünschen den Normalwerth des attischen Fusses möglichst genau im Metermaass festzusetzen. Wäre nun die jüngste Ausmessung des Parthenon mit Metermaass- stäben erfolgt, so hätte zwar immer noch mancher Fehler unterlaufen können, aber es wäre doch wenigstens die Unsicherheit vermieden worden, welche aus der nachträglichen Reduction des ab- weichenden Maassstabes in das Metermaass unaus- bleiblich hervorgeht.

Die beiden Maassstäbe, mit denen Penrose maass, waren von Stahl, röhrenförmig, jeder etwa 4 Fuss lang. Letztere Angabe ist ohne Zweifel so zu ver- stehen, dass auf den Maassstäben drei ganze eng-

*) Penrose S. 7 f. und Tafel 4, Michaelis a. a. O.

*) Vergl. Penrose S. 9 f. 14 fiF.

*) Penrose schätzt in einer Note zu S. 7 den Gesammtbe- trag dieser nachträglichen Ausdehnung auf 0,005 Fuss (^ 1,5 mm). Später, in einer Note zu S. 28, giebt er an, dass von der ge- messenen Ausdehnung der Ostfront 0,006 F. (= 1,8 mm) und von der Westfront 0,009 F. (^2,7 mm) aus diesem Grunde abgezogen werden müssen. Ich gestehe, dass die Genauig- keit und der überaus kleine Betrag dieser Correcturen mir etwas bedenklich erscheint. Ist wirklich ein Auseinandergehen der Fügungen im Unterbau bemerkbar, so muss der Gesammteffect wohl etwas höher angesetzt werden als auf nur j-j^o ö 'i^r Ge- sammtausdehnung. Beiläufig bemerke ich hier noch, dass, je grösser die zu messende Gesammtausdehnung ist und je öfter die angelegten Maassstäbe gewechselt werden müssen, um so un- vermeidlicher ein Fehler, und zwar stets nach dem Mehr hin, entstehen muss. In der That geben im Durchschnitt die Dimen- sionen nach l'enrose, je grösser sie sind, so auch grössere Werthe für den attischen Fuss.

lische Fuss und darüber Zehntel, Hundertel und Tausendtel des Fusses, letztere jedoch im Gesammt- bctrage noch nicht einen ganzen Fuss darstellend, eingetragen waren. Selbsverständlich waren beide Maassstäbe Penrose's möglichst genau justirt; aber doch fehlen uns die Unterlagen um beurtheilen zu können, wie nahe der Fuss derselben überein- stimmte mit dem normalen englischen Fusse, wel- cher zu 0,304801 Meter angesetzt zu werden pflegt, gar nicht zu gedenken des Umstandes, dass auch ein niedrigerer Ansatz des englischen Fusses zu nur 0,30479 Meter vorkommt. Ja noch mehr, als nach Ausführung aller Messungen am Parthenon die Penrose'schen Maas.sstäbe nochmals controlirt wurden, stellte sich heraus, dass sie um 0,001 Fuss kürzer waren, als anfänglich festgestellt worden war. Der englische Fuss also, nach welchem Pen- rose seine Messungen aussprach, war um das Viertel eines Tausendtel kürzer, als er sein sollte '), und die gemessenen Dimensionen sind in diesem Ver- hältnisse zu hoch ausgefallen ").

Da indess dieser Fehler durch eine leichte Cor- rectur sich beseitigen lässt, so wollen wir von nun an annehmen, dass wir, nachdem die eben erwähnte Berichtigung angebracht ist, den Penrose'schen Maassstab genau in das Metermaass übertragen dürfen, und setzen mithin jeden von Penrose durch Messen gefundenen Fuss gleich 0,304725 Meter.

Danach ergeben sich aus den Messungen o. der Stylobatbreite an der Ostfront, b. an der West-

') Penrose S. 7, sechste Anmerkung. Irrthümlich folgert H. Wittich Archäol. Zeitg. XXIX S. 105 aus Penrose's Worten, dass seine Messungen nach einem englischen Fusse ausgeführt worden seien, der um ein volles Tausendtel zu klein gewesen sei; ja er nimmt sogar an, dass Penrose's Fussmaassstab um 2 Tausendtel zu verkürzen sei. Penrose selbst dagegen setzt als Correctur nur den Abzug des Achtels eines Tausendtels auf den Fuss. Ich selbst glaube mit gutem Grund den Maassstab Pen- rose's, so wie er bei der zweiten Controle sich ergab, als die eflfective Norm seiner Messungen anzunehmen.

') Leider habe ich in meinem Aufsatz über ,das Grund- maass der griechischen Tempelbauten', Archäol. Zeitg. XXXVIII S. 94 u. 96, da mir damals (wie ich auch ausdrücklich bemerkte), Penrose's Werk nicht zugänglich war, dessen Messungen nach Wittich's Angabe (s. vor. Anm.), mithin um | Tausendtel zu stark reducirt. Da es hier nur auf diejenigen Werthe des at- tischen Fusses ankommt , welche dort S. 94 u. 90 in der letzten Columne stehen, so sei kurz bemerkt, dass es genügt dort je 0,0002 m (genauer 0,00023 m) hinzuzufügen um den Fehler gut zu machen. Ich unterlasse nicht bei diesem Anlass der Direc- tion der König!. Bibliothek zu Berlin meinen aufrichtigen Dank dafür auszusprechen, dass sie mir das seltene und kostbare Werk Penrose's nebst einigen andern verwandten Inhalts zur Benutzung in meinem Wohnorte anvertraute.

174

Fr. Hultscb. Attischer Fuss.

front, c. der Stylobatläuge an der nördlichen Seite, d. an der südlieben Seite, die Breite zu 100 und die Länge zu 225 attischen Fuss gerechnet, folgende Werthe des attischen Fusses:

a. 308,81 mm c. 308,98 mm

b. 308,87 mm d. 309,00 mm.

Unter diesen Beträgen sind c und d zu hoch infolge eines Fehlers, welchen, wie schon bemerkt, bereits die alten Werkmeister beim Baue selbst begangen haben, aber auch a und b sind etwas zu kürzen, und zwar a um mindestens 0,02 mm, b um min- destens 0,03 mm , wahrscheinlich aber beide noch um eine Wenigkeit mehr ').

Die letztere Unsicherheit wird völlig verschwin- den, wenn wir im inneren Bau eine Dimension aus findig machen, welche als bestimmtes Multiplum des attischen Fusses erkennbar ist. Penrose deutet die Cellalänge im Lichten zusammen mit der Stärke der W^and zwischen Cella und Opisthodomos als Strecke von 100 attischen Fuss '"). Da diese Dimen- sion von ihm zu 101,222 engl. Fuss angegeben wird, so brechen sich daraus 30,844 Meter, mithin e. ein attischer Fuss von 308,44 mm.

Der gemessene untere Durchmesser der Säulen des Peristyls beträgt nach Penrose (S. 710) 6,251 F. 1,9048 Meter und stellt dar ^\ der Breite des Stylobates, mithin W" attische Fuss. Wir gewinnen daraus als Werth des attischen Fusses

f. 308,35 mm.

Endlich beträgt, ebenfalls nach Penrose, die Breite des Abacus der Säulen der Ostfront 6,756 F. = 2,0587 Meter und dieselbe stellt dar ^\ der Stylo- batbreite, mithin V attische Fuss, woraus sich

g. 308,78 mm für den attischen Fuss ergeben.

Die mittlere Säulenhöhe, mit Ausnahme der Eck- säulen, wird von Penrose ") zu 34,218 engl. F. = 10,427 Meter angegeben. Beabsichtigt war ohne Zweifel die Höhe von 15 Bauellen ") = 33 1 Fuss,

') Die Reductionea berechnet nach Penrose S. 28. Im übrigen vergl. oben Anra. 6.

'") A. a. O. S. 9, AbsaU 2, und nach ihm Wittich a. a. O. S. 109. Nach meinem Ansätze in dieser Zeitschrift XXXVIII S. 96 fehlen 2^ Daktylen an den 100 Fuss; es würde also hier- nach der attische Fuss wieder etwas höher, nämlich auf 308,76 mm, herauskommen.

") .S. 14, Michaelis S. 114.

'-) Ueber die ,Bauelle' als besonderes Maass des Parthenon 8. Archäol. Zeitg. XXXVIII S. 9C. Die oben angenommene Zahl von 15 Bauellen wird zunächst gestützt durch das Verhältniss zur Länge des Stylobates: dies ist nämlich 3; 20, gerade wie der Abacus der Säulen der Ostfront (s. oben bei g) ^ des

wonach sich 308,95 Millim. als Werth des attischen Fusses ergeben würden. Allein die besonderen Rücksichten, welche, abgeleitet aus den feinsten Ver- hältnissen zwischen Durchmesser und Höhe, gerade bei dieser Dimension einen grossen Einfluss hatten ''), mögen zu einer kleinen Abweichung von der Norm von 15 Bauellen geführt haben, so dass nun die

attischen Fusses misst. Den sichern Beweis aber bietet die Ver- gleichung mit dem älteren Parthenon. Dieser verhält sich in Breite und Länge des Stylobates zu dem jüngeren Bau genau wie 9 : 10. Wenn nun die Säulenhohe des älteren Tempels zu 13^ Bauellen sich hat bestimmen lassen (a. a. O. S. 97), so kommt dem Jüngern Parthenon nach dem eben bemerkten Verhältniss eine geplante Säulenhöhe von 15 Bauellen zu, unbeschadet der kleinen Abweichungen bei der Ausführung im einzelnen, welche die complicirten Gesetze der architektonischen Harmonie mit sich brachten.

") Wie Penrose S. 13 f. des näheren nachzuweisen sucht, ist die Höhe der Ecksäulen bestimmt a. durch das Verhält- niss zur Stylobatbreite und zu der Gesammthöhe des Tempels, b. durch das Verhältniss zum untern Säulendurchmesser. Die Stylobatbreite verhält sich zur Gesammthöhe des Tempels wie 12:7, und wieder die Gesammthöhe zur Säulenhöhe wie 12:7; also Säulenhöhe zur Stylobatbreite 7- : 12^. Andrerseits soll die- selbe Säulenhöhe, wenn man den unteren Säulendm'chmesser sich getheilt denkt in 60 Minuten, 5 Durchmesser 28^ Minuten be- tragen. Die übrigen Säulen des Peristyls seien dann wieder nach ganz bestimmten Voraussetzungen etwas kürzer bemessen worden. Alle diese Combinationen sind ungemein scharfsinnig imd in der Hauptsache unanfechtbar. Allein die supponirte Eintheilung des Säulendurchmessers in Minuten und der Minute in Hälften, Viertel und Achtel (vergl. z. B. S. 10 u. 15) ist, wenn irgend in dieser Hinsicht die Geschichte der Mathematik zuverlässige Daten bietet, ganz gewiss unhaltbar. Bei weiterer Verfolgung der schwierigen Frage wird man unterscheiden zwischen den durch geometrische Construction gefundenen Einzeldimensionen, welche zum Theil gar nicht nach Fuss und Theilen des Fusses oder irgend einem benannten Maassstab ausgemessen, sondern auf Schablonen in die geforderte Grösse zum Gebrauch für die Werkleute übertragen wurden (nur auf diese Weise z. B. konnten die einzelnen Säulentrommeln so genau sich zusammenschliessen, wie es in der That geschehen ist: vergl. Michaelis S. 181, und zwischen anderen Dimensionen, welche in bestimmten Maassen ausgesprochen und in die Detailpläne eingezeichnet wurden. Dies mag dann in der Regel nach Fuss , Daktylen und Theilen des Daktylos bis zum Achtel, vielleicht selbst bis zum Sechzehntel, geschehen sein es war die Methode der fortgesetzten Hal- birung, denn der Daktylos ist -j'jj des Fusses, und ein Achtel des Daktylos vertritt die Halbirung des Fusses bis zur siebenten Potenz. Dass daneben noch -j- und ^ des Fusses, bezw, des Daktylos (aber nicht etwa Neuntel, Siebenundzwanzigstel u. s. w.) vorkommen konnten, ist wahrscheinlich, aber vor der Hand nicht nachweisbar. Anlangend die Frage der Säulenhöhe, bietet meine Hypothese eine klare und fassliche Norm, ohne die Details der Ausführung, welche auf den feinsten geometrischen Constructio- nen beruhten, zu präjudiciren. Für die Geschichte der ange- wandten Mathematik sind in dem Penrose'schen Werke, wie es mir scheint, Materialien von hoher Bedeutung verborgen.

Fr. Ilultseb, Attischer Fuss.

175

Nachmessung, wenn wir eben diese Norm zu Grunde legen, einen Betrag des Fusses ergiebt, der in glei- cher Linie mit den obigen Werthen c und d steht.

Ueberbliclien wir nun alle bisher berechneten Werthe, so haben wir zuncächst c und d auszu- scheiden, weil sie, wie nachgewiesen, von vorn- herein etwas zu gross ausgefallen sind; ferner wiederholen wir, dass auch a und b einer geringen Abminderung bedürfen, und gelangen so zu dem Resultate, dass der attische Fuss nach den Pen- rose'schen Messungen des Parthenon anzusetzen ist zwischen 308,35 und 308,8 Millim.

Auf einem etwas geringeren Betrag führen da- gegen die Ueberreste des älteren, vorperikleischen Parthenon. In der Abhandlung über das Grund- maass der griechischen Tenipelbauten '^) habe ich es versucht einige Maasse dieses Tempels auf at- tische Fuss und Daktylen zu reduciren und daraus die entsprechenden Werthe des attischen Fusses ab- geleitet. Dieselben bedürfen, wie bereits erwähnt (Anm. 8), noch einer kleinen Correctur. Insbeson- dere ist abzuleiten aus der Säulenweite von Axe zu Axe h. in den Fronten, i. in den Flanken h. ein attischer Fuss von 308,4 mm, i. ein attischer Fuss von 308,32 mm, während die übrigen früher berechneten Dimensio- nen einen Fuss zwischen 308,2 und 308,4 mm zu ergeben scheinen.

Auch der Durchmesser mehrerer noch erhaltenen Säulentrommeln hat sich berechnen lassen, und zwar bei einundzwanzig derselben auf 1,899 M., bei fünf dagegen auf nur 1,707 M. '^). Beide Zahlen stehen so nahe zu einander in dem Verhältniss 10:9 "), dass wir dieses für ein beabsichtigtes halten müssen, um so mehr als auch Breite und Länge des Stylo- bates und die Säuienhöhe bei dem älteren und jün- geren Parthenon zu einander je wie 9 : 10 sich verhalten. Nun kann es nicht Aufgabe der gegen- wärtigen Untersuchung sein auch nur vermuthungs- weise die Stellen zu bestimmen, welche die erwähn- ten Fragmente in dem älteren Baue eingenommen haben "); allein da einerseits das gegenseitige Ver-

») Archilol. Zeitg. XXXVIII S. 94.

'^) Vergl. Penrose S. 73 nebst Tafel 40 Fig. 3 No. 1 u. 2, Michaelis S. 122.

'*) Die Penrose'schen Berechnungen kommen auf 6,233 und 5,601 engl. Fuss aus; das Verhältniss beider Zahlen ist 10,015:9, d.i. kein anderes als 10:9.

") Michaelis S. 122: 'Jene (die 21 Säulentrommeln von 1,90 M. Durchmesser) gehiiren ohne Frage der äusseren Säulen- stellung und zwar SUulenlüssen an'. Nach dieser Vermuthung, welcher ich durchaus beipflichte, würden vielleicht auch die fünf

hältniss der beiden Dimensionen constatirt ist, an- drerseits der grössere Säulendurchmesscr von dem am jüngeren Parthenon gemessenen kaum merklich abweicht, so werden wir sagen können, dass der eben erwähnte, nicht direct gemessene, sondern nur mittelbar auf 1,90 M. geschätzte Durchmesser am alten Parthenon kein anderes Maass darstellen sollte, als der am jüngeren Bau gemessene von 1,9048 M., und folgern dann weiter, dass der grössere Säulen- durchmesser am älteren Parthenon zu setzen ist k = 6^-} attische Fuss '*), der kleinere aber, da er zu jenem sich wie 9 : 10 verhält, l = 5| Fuss. Hier- aus ergeben sich als Werthe des attischen Fusses k. 307,75 mm, l. 307,22 mm. Weiter ist es nun auch möglich einen Fusswerth, dessen monumentale Fixirung etwa 15 Jahre vor den Anfang des Neubaues des Parthenon fällt, aus jenem Heiligthume Athens abzuleiten, welches als Theseiou anzusehen trotz erhobenen Zweifels doch wohl gestattet ist. DieStylobatlängedesselbenbeträgt 31,761, die Breite 13,716 M., die Länge der unteren Stufe 32,516, die Breite 14,462 M. "). Die beiden letzteren Dimensionen verhalten sich wie 9 : 4, die Stylobatbreite steht der Absicht nach zur Stylobat- breite des älteren Parthenon in dem Verhältniss 40:81'°), die Stylobatlänge endlich scheint nach dem stärkeren Säulendurchmesser des älteren Par- thenon geplant zu sein '"). Wir haben aber ausser-

Stücke geringeren Durchmessers als Säulenfüsse gedacht und der zweiten Reihe der Fronten zugewiesen werden können. Ehe man jedoch weiter combinirt, ist wohl das Bedenken zu berück- sichtigen, dass schwerlich die fraglichen Reste bei ihrer geringen Zugänglichkeit (vergl. die Penrose'schen Zeichnungen a.a.O.) so genau haben gemessen werden kijunen, dass die beiden an- gegebenen Beträge der Durchmesser wirklich für alle einzelnen Stücke gelten. Wohl aber bleibt das Resultat gesichert, dass diese beiden Durchmesser sich zu einander verhalten wie 10 : 9.

") Vergl. oben S. 174 Sp. 1. Doch ist der auslaufende Bruch schwerlich von den alten Baumeistern so, wie oben ausgerechnet steht, bezeichnet worden (vergl. Anm. 13), sondern durch den sehr günstigen Näherungswerth von 2i Daktylen. Nach dieser Voraussetzung ist oben der Werth h. berechnet worden. Legt man die Bruchzahl 6^4 ^ti Grunde, so erhält man 307,61 mm für den Fuss.

") Die Originalmessungen bei Penrose S. 67 lauten 104,23 45,011 106,708 47,459 Fuss.

-") Nach Penrose a. a. O. beträgt die Stylobatlänge des Theseion ^ der Stylobatbreite des jüngeren Parthenon = 44J at- tische Fuss. Allein der letztere Tempel stand noch nicht, als das Theseion gebaut wurde. Wir haben also den Vergleich mit dem älteren Parthenon zu ziehen, dessen Stylobat 90 Fuss maass.

2') Penrose setzt die Stylobatlänge des Theseion gleich y des Durchmessers der Säulen des jüngeren Parthenon, mithin gleich 102,88 attischen Fuss (berechnet aus der Proportion 5K 10': 35).

176

Fr. Ilultsch, Attischer Fuss.

dem, aller Analogie gemäss, glatte Werthe in at- tischen Fuss für die Hauptdimeusionen zu suchen. Da das Verhältniss 4 : 9 zwischen Breite und Länge, welches am älteren und jüngeren Parthenon in den Maassen der Oberstufe dargestellt ist, beim Theseion in der Unterstufe seinen Ausdruck findet "), so haben wir zunächst die Beträge nach Fuss aufzu- suchen. Unverkennbar ist die Unterstufe geplant m. in der Länge zu 105| Fuss, n. in der Breite (gemäss dem Verhältniss 9:4) zu 46| Fuss, und wir erhalten hiernach als Werthe des attischen Fusses m. 308,2 mm,

n. 308,43 mm, und erkennen, indem wir diesen Fussmaassstab weiter anlegen, o. in der Länge des Stylobates die Dimension von 103 '^ und p. in der Breite die Dimension von 44^ attischen Fuss, nebst den Fuss- werthen o. 308,36 mm,

p. 308,4 mm. Die Säulenhöhe beträgt 5,709 Meter'*), d. i. 18^ atti- sche Fuss zu 308,6 Millim., ergiebt also, ähnlich wie beim Parthenon (oben S. 174, letzter Absatz), einen verhältnissmässig- reichlichen Betrag des Fusses.

In dieser langen Reihe berechneter Werthe des attischen Fusses scheiden wir zunächst als minder sicher und offenbar zu niedrig ausgefallen die Be-

'-) Es wiederholt sich also hier dasselbe Verhältniss und derselbe Ausdruck dieses Verhältnisses in den Dimensionen der Unterstufe, wie ich es in dieser Zeitschr. XXXVIII S. 93 am Zeustempel zu Olympia nachgewiesen habe. Nicht zufällig ist es wohl, dass die Dimensionen der Unterstufe des Theseion leicht auch auf grössere olympische Fuss sich reduciren lassen, nämlich die Breite auf 45 Fuss zu 321,4 mm und die Länge auf 101^ Fuss zu 321,1 mm. Dagegen scheint eine Beziehung zur Klafter der königlichen Elle beim Theseion nicht statt zu finden. Da andrer- seits die Beziehung zum attischen Fuss unleugbar ist, so mag dieser Tempel als Beispiel dienen, wie auf dem Boden Atticas das olympische Maass in das attische übergeleitet wurde. Zu erwähnen ist noch die abweichende Ansicht H. Wittich's (Philo- logus XXIV S. 599), der einen Fuss von 316 bis 31S Millim. als Grundmaass des Theseion annimmt.

23) Wollte man nach Maassgabe von Anm. 21 die Länge zu 102f attischen Fuss ansetzen, so erhielte man für den Fuss

308.7 nun. Allein der obige Satz wird durch den olympischen Fuss (Anm. 22) eclatant bestätigt. Denn die 44^ attischen Fusss der Stj'lobatbreite sind genau 42J grössere olympische Fuss zu

320.8 mm, und die gemessenen 31,7G1 m der Stylobatlänge genau 99 olymp. Fuss ebenfalls zu 320,8 mm. Wir können also aus der Froportion 42J : 44^ ^ 99 : x. die Zahl der attischen Fuss berechnen, welche nach der Absicht des Erbauers in der Stylo- batlänge enthalten sein sollten. Ausgerechnet ergiebt die Pro- portion als Werth von x 10! .'y Fuss. Die Zahl von 103 ganzen attischen Fuss stellte also die Vermittelung zwischen den ander- weit berechneten Werthen 103^^ und 102J dar.

träge k und / aus, und haben dann in /«, i, vi bis p wenig- dififerirende Werthe innerhalb der engen Grenze von 308,2 bis 308,4, also einen höchst wahr- scheinlichen Mittelwerth von 308,3 Millim.

Somit sind wir zurückgekommen auf die anfangs erwähnte, bisher übliche Schätzung des attischen Fusses und haben dieselbe nachweisen können für eine Epoche, welche vor dem Bau des Perikleischen Parthenon liegt. Dass wir diese Bestimmung aber auch als die allein gültige für alle Untersuchungen und Vergleichungen im Gebiete der griechisch-rö- mischen Metrologie festhalten müssen, beweist, um von anderen Gründen zu schweigen, die Vergleichung mit dem römischen Fusse.

Eine der sichersten Grössen in der alten Metro- logie ist der von Nissen festgestellte oskische Fuss "). Da wir nun das gesetzliche Verhältniss zwischen oskischem und römischem Fuss noch nachweisen können, so kommt auch der Festsetzung des rö- mischen Fusses derselbe Grad von Sicherheit zu Gute. Von diesem, definitiv zu 295,7 Millim. be- stimmten römischen Fusse gelangen wir nach dem ebenfalls bezeugten Verhältnisse 24 : 25 zurück zu einem attischen Fusse von 308,2 Millim.; also hatten auch die Römer, als sie ihren Fuss nach dem at- tischen regulirten, dasjenige attische Fussmaass vor sich, welches wir soeben aus zwei älteren Bau- werken Athens berechnet haben, nicht die besondere und etwas höhere Norm, welche der jüngere Par- thenon ausweist.

Wie kamen aber die Baumeister des jüngeren Parthenon zu dieser, wenn auch unbedeutenden, so doch immerhin merklichen Erhöhung? Ein Blick auf die früher gegebene Uebersicht über die Ab- leitung der griechischen Fussmaasse '") zeigt, dass dem normalen grösseren olympischen Fusse von 320,6 Millim. ein attischer Fuss von 308,7 Millim. genau entspricht. Dies war also die Norm, welche Iktinos und Kallikrates dem neuen Bau zu Grunde legten und, wie die Nachmessungen zeigen, im ganzen mit grosser Genauigkeit festhielten, gewisser- maassen ein modulus restitulus, wie die Münz- kunde von nummi restituH spricht. Im übrigen al)er behielt der attische Fuss den bereits vor Perikles festgesetzten, um etwa 0,4 Millim. niedri- geren Werth bei, welchem später auch die Römer sich anschlössen.

Dresden. Fk. IIultsch.

-*) Keducirt aus 18,735 engl. Fuss nach Tenrose Tafel 35. ■") Vergl. Archäol. Zeitg. XXXVIII S. 92 mit Anm. 4. ■') Ebenda S. 92 oben.

177

DOKIMASIE DER ATTISCHEN REITEREI.

(Tafel 15).

Die auf Taf. 15 nach einer mit gewohnter Genauigkeit und Sorgfalt angefertigten Bause G. van Geldern's abgebildete r. f. Trinkschale stammt aus der Necropole von Orvieto und befindet sich jetzt im kgl. Museum zu Berlin '). Die Aussen- seite ist mit einer fortlaufenden Darstellung ver- ziert, deren Anfang und Ende durch den einen Henkel von einander getrennt sind.

Unter einem flüchtig gezeichneten Baume sitzt auf felsigem Grund nach 1. gewandt ein bärtiger, mit dem Mantel bekleideter Mann. Er hält auf den Knieen mit der L. ein Diptychon (das obere Ende desselben fehlt zugleich mit dem haltenden Daumen), der r. Unterarm ist erhoben, und die jetzt fehlende Hand hielt einen Griffel, dessen Ende noch erhalten ist. Offenbar ist der Dargestellte bereit, irgend welche Aufzeichnungen in seine Schreibtafel zu machen; um beim Schreiben unbehindert zu sein, hat er den Mantel von den Schultern zurückgestreift, so dass beide Arme frei sind. Der mit einer schmalen Binde geschmückte Kopf ist ein wenig gesenkt. Neben ihm steht ein Mann in langem Mantel und Schuhen, in der erhobenen R. ein Scep- ter; leider ist nur die untere Hälfte der Figur er- halten. Auf diese beiden Männer zu kommen nun von 1. her 3 Jünglinge in gleicher Tracht (Chla- mys und Petasos ; der zweite trägt ausserdem noch hohe Reiterstiefel), welche je ein Pferd am Leitriemen führen, während sie in der anderen Hand je 2 Speere halten. Zwischen dem ersten und zweiten schreitet in derselben Richtung ein mit dem Mantel bekleideter Jüngling, der in der vom Mantel entblössten R. einen langen Krückstock trägt und die (jetzt fehlende) L. erhebt, wie es scheint um dem voranschreitenden Jüngling eine Anweisung zu geben. Hinter ihm ist ein Baum gezeichnet.

') Sie ist im Sommer 1877 in einem auf dem Terrain des Cav. Pallucco, südöstlich von der heutigen Stadt, gelegnen Grabe, das wie bei Weitem die meisten orvietaner Gräber eingestürzt war, gefunden worden.

Archiiolog. Ztg., Jahrg. XXXVIIl.

Den Beschluss macht jenseits des dritten Pferdes ein bärtiger Mann im Mantel, mit Schuhen an den Füssen, der die erhobene R. auf ein Seepter gestützt ruiiig dasteht und aufmerksamen Blickes den Vor- gang betrachtet.

Auf den ersten Blick ist klar, dass wir es hier mit einer nicht der Mythologie sondern dem öffent- lichen Leben entnommenen Darstellung zu thun haben. Auch die specielle Bedeutung des darge- stellten Vorganges ist unzweifelhaft: die jugend- lichen Reiter stellen sich und ihre Pferde einer Com- mission von zwei Männern vor; ein Schreiber ist in Bereitschaft, das eventuelle Resultat dieser Musterung zu verzeichnen. Untersuchen wir, um diese Erklärung weiter zu begründen, kurz die Nach- richten über die attische Reiterei. Denn dass die vorliegende Vase attisch ist, wird Niemand be- zweifeln.

Wir wissen zunächst im Allgemeinen, dass die Oberaufsicht über die Reiterei der ßovlri zustand '). Vor versammeltem Rathe fanden öffentliche Para- den der ganzen Truppe (öaxifiaalai, iniöel^sig^') an verschiedenen Orten, nämlich der Akademie, dem Lykeion und dem Hippodrom statt; wie man an- nehmen darf zu bestimmten, gesetzlich vorgeschrie- benen Zeiten. Ausser diesen Paraden gab es aber noch eine Dokimasie jedes einzelnen Reiters, unmittelbar nach dem Eintritt in die Truppe,

-) Boeckh, Staatshanshalt I 2 S. 352.

ä) Xenoph. Hipp. III, 1; {^^ketv äl! iw innKQyiu) hi ä€ y.aX lulXa, oaa iniöiixi'vvai iSsi ii] n6).ii oniog !] ävvn- jöv y.ukliorn (nidti^ti, ji< Tf h' ^xciö rifx(u xtii iv Av- xiCcp xttl TK 'hukrifioi xtt) hl im in 71 0(5 q6 /HO). In der weiter unten (6 ff.), gegebenen Besprechung der Uebungen auf den einzelnen Taradeplätzen, für deren jeden Xenophon beson- dere Anweisungen ertheilt, werden nur 3 genannt: Lykeion (6. 7), Hippodrom (10 13), Akademie (14). Die Worte xctl </>«- ).tjQol enthalten nur eine nähere Bestimmung zu dem folgenden xai iti Iv ifp lTi7T0iiQ6/.iM, indem der Hippodrom ja in Phaleron lag (Curtius u. Kaupert Atlas von Athen Taf. X). Es sind also entweder diese Worte {xtd •4'alriuoi) zu streichen, oder wenigstens das folgende xaC.

24

178

G. Körte, Dokimasie der attischen Reiterei.

wie der Rechtsfall des jtingeren Alkibiades zeigt. Derselbe wurde nämlich äargaTslag und ösMag angeklagt, weil er statt sich zum Dienst als Hoplit zu stellen, zu welchem er von den Strategen aus- gehoben war, als Reiter gedient hatte und zwar ohne sich der vorgeschriebenen Dokimasie unter- zogen zu haben *). Es leuchtet ein , dass das für diesen Fall von Lysias angezogene Gesetz, welches dem Uebertreter Atimie androhte °), nicht etwa auf jene Paraden sondern auf die besprochene öoxi- ixaaia des einzelnen Reiters Bezug hat. Diese entschied zunächst über die definitive Zulassung zum Dienst in der Reiterei, zu welchem der Rekrut vorher durch den Hipparchen angenommen resp. ausgehoben war ^). Sie gewährte also einerseits dem Rekruten die Möglichkeit, Einspruch gegen seine Heranziehung zum Cavalleriedienst (wegen un- zureichender Mittel u. s. w.) zu erh eben; andererseits konnten Untaugliche wieder entfernt und ein allzu starker Zudrang zum Reiterdienst bei augenblicklich etwa höherem Bedarf an Hopliten verhindert wer- den. Freilich wird der letztere Fall, dass nämlich auf Entfernung eines Reiters und Einreihung des- selben in die Infanterie gegen seinen Willen ent- schieden wurde, gewiss selten eingetreten sein: in der Regel war es vielmehr schwierig, die Cavallerie auf die vorgeschriebene Zahl von 1000 zu bringen, wie Xenophon's Vorschlag, 200 fremde Reiter ein- zustellen, sowie die Anweisung für den Hipparchen, wie er die geeigneten Rekruten theils mit Güte theils, wenn es nöthig, auch durch gerichtlichen Zwang heranzuziehen habe, beweist'). Weiter er- streckte sich diese Dokimasie ohne Zweifel auf die Diensttauglichkeit der von den Reitern selbst zu stellenden Pferde. Es liegt in der Natur der Sache, wenn es auch nirgends ausdrücklich überliefert ist, dass diese Einzelmusterung von Mann und Pferd nicht von dem ganzen Rath, sondern durch eine

*) Lysias or. 14, 8.

') (toü vÖuov xt>.(vovjog,) luv rij üioxluaaiog InTievi), cijiuov (irai. Auf diese dtixitiaaut im engeren Sinne gehen dem Zusammenhang nach auch Lycurg bei Harpocration s. v. iSoxi/iaaOfis und Xenojih. Oeconom. IX, 15.

•) Xcnoph. Hipp. I, 7.

') Ilipp. IX, 3. I, 9 ft.

dazu deputirte Commission") von Sachverstän- digen, an denen es wohl niemals ganz gefehlt haben wird, vorgenommen wurde. Es scheint, dass diese Commission dauernd die Angelegenheiten der Ca- vallerie im Plenum des Rathes vertrat und an- dererseits der nach Xenophon's ganzer Schilderung offenbar schwachen Autorität der Hipparchen den Mannschaften gegenüber als Rückhalt diente'), in- dem sie wenigstens befugt war, sich durch wieder- holte Musterungen von der Ausbildung von Mann- schaften und Pferden zu überzeugen und auch nach der ersten Dokimasie die aus irgend einem Grunde untauglichen Pferde auszumustern'"). Diese Annahme dient den Forderungen des Xenophon (Hipp. I, 13 15) zur Voraussetzung. Freilich lässt die Fassung eben dieser Forderungen (ßoi öoxsl, ayad-öv /.loi doxsl sivai) erratheu, dass sie in Wirklichkeit selten oder nie erreicht wurden ") und dass der Rath, resp. seine Commission von dieser Befugniss keinen, oder keinen durchgreifen- den Gebrauch gemacht habe.

Wir unterscheiden also, um diesen Hauptpunkt noch einmal zu wiederholen, allgemeine öffentliche Paraden der Reiterei, die im weiteren Sinne doxi- jiiaatai genannt wurden, und eine im engereu Sinne so genannte öoxijuaaia des einzelnen Reiters, welche vielleicht ebenfalls periodisch wiederkehrte. Eine solche ist auf unserer Vase dargestellt. Die Commission des Rathes wird durch die zwei Män- ner mit Sceptern (und Schuhen) repräsentirt. Dass beide nicht nebeneinander, sondern der eine am Ende, der andere am Anfange der Darstellung stehen, ist offenbar nur dem Rhythmus der Composition und den Erfordernissen des Raumes zu Liebe geschehen. In dem Jüngling mit dem Krückstöcke zwischen

8) So wie der Trierenbau im Auftrag des Rathes durch eine Commission, die jotrjoonoiol, besorgt wurde. Boeckh, Staatshaush. I, S. 351; III, 59; vgl. auch ebda. Gl.

') Vgl. Xenoph. Hipp. I, 8 («j'nSö)' fiOi äoxd (ivai) fr ift T(( /Sovilij l/fij' p^iopn? i7iiir)St(ovi, Sniüg Kyovin ifoßäiat rt Toig Innfag, ßililovtg yaQ av ihr ifoßovfAfvoi, xatanQcivv- wal j( i»;r ßovXt'ii', ijv ii naQn xitiiwv yctltTiahii.

">) Denn dies kann nicht wohl bei den grossen öffentlichen Paraden (s. oben) geschehen sein.

") Vgl. V. Wilamowitz-MoellenJorff, Philologische Unter- suchungen I, S. 24, Anm. 45.

G. Körte, Dokimasie der attischen Reiterei.

179

dem ersten und zweiten Reiter haben wir höchst wahrscheinlich einen Offizier zu erkennen, viel- leicht einen der Hipparchen selbst: denn dass zu diesem Amt auch junge Leute gewählt wurden, be- weist Xenophon Memorab. III, 3. In die an sich gleichartigen Motive der Eeiter und Pferde ist in glücklichster Weise Abwechslung gebracht dadurch, dass uns der Künstler verschiedene Momente der Musterung vorführt. Der erste Reiter ist schon un- mittelbar vor dem prüfenden Senator angekommen und steht in bescheidener Haltung vor ihm. Er ist etwas hinter seinem Pferd zurückgeblieben, auf die gute Dressur des Thieres vertrauend, das nur einer leichten Führung durch den Leitriemen bedarf. Der zweite kommt mit grossen Schritten herbei, sein Pferd, das mit erhobenem Kopfe wiehert, nach sich ziehend. Der dritte endlich ist eben erst im Begriff, sich in Bewegung zu setzen. Er wendet sich vor- anschreitend nach seinem Pferde um und fasst den Leitriemen dicht am Maule mit der Rechten, indem er das Thier zum Folgen aufl'ordert. Die Reiter tragen nicht die schwere Rüstung, welche Xeno- phon negi Inn. XII beschreibt, sondern die bei den Uebungen im Frieden gewiss allgemein gebräuch- liche leichte Kleidung : Chlamys und Petasos und ausserdem die xQcevil'va 6vo nalTÖ, welchen Xeno- phon als Angriifswaffe den Vorzug vor der lang- geschäfteten Lanze giebt und auf deren geschickte Handhabung er erklärlicherweise einen besonderen Nachdruck legt"). Von dem Zaumzeug der Pferde ist wie auch sonst ähnliches Detail auf Vasen- bildern häufig nur andeutungsweise dargestellt ist nur der Leitriemen (^äywysvg, Qvtaywyevg bei Xeno- phon, sonst auch QvzriQ'^) angegeben, welcher von den Alten neben den Zügeln gebraucht wurde, hauptsächlich zur Führung des Pferdes an der Hand").

'*) ntQl 17171. XII, 12. 13; Hipp. I, 6.

■3) Vgl. Dio Chrysost. or. C3, 4.

") Nach Xenoph. tt. ihtt. VI, 9 ist dem Reitknecht als Regel einzuschärfen : fArjnore iiynv jfjs rjvlctg löv 'ititjov. toüto yr.o hfnoyvti^ovs Tioni. Vielmehr soll das Pferd am Leit- riemen, der in den Nasenriemen [U't'O.ioy) oder den Kinnriemen (ÜTro/ftiivid'i'n) eingeschnallt wurde, geführt werden: VI, 4 6; VII, 1. Die richtige Erklärung der letzteren Stelle, namentlich der Worte i^niiov und vTjnyuXivtöin bei Jacobs, Xenophon's

Endlich sind über die Bewegung der Pferde noch einige Worte hinzuzufügen. Alle drei schrei-

Buch über die Reitkunst übersetzt und mit Anmerkungen ver- sehen S. 143 ff. Auf der schönen Vase von Nola mit der Darstellung des v7ioßißu^io!>ai unterscheidet man in der besseren Abbildung Arch. Zeitg. 1878 Taf. 22 deutlich den dickeren äyta- yfiig von dem nur durch einen dünnen Strich bezeichneten Zügel. Er scheint am i/'f''^""' befestigt zu sein. Zügel und Leitriemen (oder Leilseil) finden sich nebeneinander auch an dem (Bronze-?) Kopf eines Pferdes mit vollständiger Zäumung bei Ginzrot, Die Wagen und Fuhrwerke der Griechen und Römer u. s. w. II, Taf. LXXII, 7 (nähere Angaben über den Aufbewahrungsort u. s. w. fehlen) und den beiden von Aiax Ilios gehaltenen Pferden auf der praenestinischen Ciste Mon. delV Inst. IX Taf. 22. 23. Auf den beiden letzteren Monumenten ist der rtymyfvi vielmehr an der vnox<')iviäüi befestigt zu denken. Auf andern Monu- menten erscheint nur der äyuyfi'g, am Nasenriemen, ipäliov, befestigt, so auf der r. f. Schale Gerhard, Auserl. Vasenb. IV Taf. 293/4, 1 ; Münzen des Archelaos I. von Macedonien , des Amyntas II. (?), des Audoleon von Paenonien, der Stadt Ma- ronea in Thracien s. Catalogue of the greek coins in the british museum Macedon etc. S. 164. 168. 4; Thrace etc. S. 126. Die Erklärung des Wortes \l>aXiov betreffend füge ich noch hinzu, dass die Knebel von Metall an den beiden Enden des Ge- bisses , von denen Stephani einige aus südrussischen Gräbern stammende von sehr mannigfaltiger Form abgebildet und be- sprochen hat {Compte-rendu 1865 S. 186—90; 1874, S. 194; 1876 S. 123, 132—138; 1877 S. 8) sicher nicht wie dieser Ge- lehrte, allerdings zweifelnd, vorschlägt, ilx'ciia zu nennen sind. Die angeführte Stelle des Xenophon und Pollux I, 148 xiä ftijv 10 fjttv oXby Kt) OTouciTi Tov YTtTjov tjifri^ofxtvov 1p (i X 1 0 V ver- bieten das. Einige andre Stellen , wo von dem Klirren der ipäXia die Rede ist (Stephani C. r. 1865 S. 158), erklären sich vielmehr durch die wohlbegründete Annahme von Jacobs a. a. O., dass häufig der auf der Nase des Pferdes aufliegende vordere Theil des iptUtov aus Metall und zwar aus einem oder mehreren Stücken bestand. Derartige Nasenriemen, deren vorderer Theil aus Eisen oder mit Eisen gefüttert ist, sind in Italien noch heut- zutage für Zug- und Lastthiere in Gebrauch, um das Maul der- selben zu schonen. Wie es scheint giebt es keine besondre Bezeichnung für den in Rede stehenden Theil des Pferdege- schirres, denn die in dem trefflichen Werke von Schlieben, die Pferde des Alterthums S. 145 f. (auch schon von Montfaucon, vgl. Jacobs a. a. 0. S. 190) gegebne Erklärung als lupi oder Xvxoi „weil sie (die Knebel) eine krumme hakenförmige Gestalt hatten und man unter Xvxo; auch einen Haken oder eine Wolfs- angel verstand", passt durchaus nicht auf alle erhaltenen Knebel der Art, welche häufig vielmehr ganz gerade sind : vgl. C. r. 1865, S. 188; 1876, S. 123. 124. Eher möchten als Xixoi, lupi die bei Stephani Cr. 1876 S. 125. 132—134 abgebildeten Ringe zu deuten sein. Dieselben sind an den beiden Enden der Trense angebracht, so dass sie sich um deren Achse drehen und haben je 4 nach der Innenseite der Trense gerichtete scharfe Zacken. Stephani bezieht sie S. 125 irrig auf die ;;frj'oi des Xenophon TT. iTtTi. X, 6, welche vielmehr zweifellos als ringsum mit Zähnen oder mit Einkehlungen versehene Walzen zu erklären sind: vgl. Jacobs a. a. O. S. 186; Schlieben S. 143. Während diese im Maule des Pferdes liegen als scharfes, im Gegensatz

24*

180

G. Körte. Dokimasie der attischen Reiterei.

ten nämlicli mit den beiden Beinen einer Seite gleichzeitig aus. Dies ist nicht der natürliche Gang des Pferdes, welches vielmehr beim Gehen auf den beiden sich kreuzweise gegenüberstehenden Füssen ruht'*). Allerdings kann jene gleichseitige Be- wegung, der sogenannte Pass, dem Pferde künst- lich beigebracht werden; doch war diese im Mittel- alter allgemein, heute wohl nur noch im Orient beliebte Gangart, welche für den Reiter ausser- ordentlich bequem ist, im Alterthum durchaus nicht so allgemein gebräuchlich als man gewöhnlich an- nimmt'^). Gewiss ist, dass sie in Griechenland

zum weichen, glatten Gebiss, sollen die von Stephani publicirten Ringe vielmehr zu beiden Seiten ausserhalb des Maules bleiben, wie die seitlich und zwar nach innen angebrachten Zähne be- weisen. Ihr Zweck war offenbar der, das Wenden des Pferdes zu erleichtern , indem dabei der eine Stachel gegen die Lefzen gedrückt wurde. Namentlich war diese Unterstützung der Zügel- wirkung erwünscht, wenn der Reiter die Zügel nur mit einer Hand führte (was auch im Alterthum die Regel war, s. Schlieben S. 187); denn die Wendung mit blosser Trense ist dann, wenn auch m(5glich, doch immerhin schwieriger. Die Kandare aber, welcher wir ims dabei bedienen, war den Alten unbekannt.

") Vgl. Aristot. 7rf(j( CoiftJi' nooiCag c. \i: xivMcti Ö€ TK onCaitiu noog iunnoaitiv y.aiu ä ic'tfi tjQOV. ftlTÜ yaQ dffiöj' läiv (fiTiQoaUfv jo tanoTtgöv iwv OTiiaittv xi- vovaiv. iira i6 ccQiaiiooi' idv ifXTigoaStv, /Jtrci ö( jovro t6 Stiiöv %(üv oniaüiv.

") S. Ruhl, Ueber die Auflassung der Natur in der Pferde- bildung antiker Plastik, S. 73; Schlieben a. a. O. S. 182. Die einzige Stelle eines alten Schriftstellers, welche den Pass- gang beschreibt, ist Plinius N. H. VIll, 166, \>. 78, 12 ed. Detlefsen: in eadem Hispania Gallaica gens et Äsiurka equini generis In sunt quoa celdones vocamus, minore forma appel- latos aaturcones gignunt, guibtis non vulgaris in cursu gradus, sed mollis alterno crurum explicatu glome- rativ, unde equis tolutim capere incursum iraditur arte. Hier ist tolutim capere incursum, traben, dem jenen spani- schen Pferden angeblich angeborenen Passgang gegenüber- gestellt: jene Pferde müssen das Traben erst künstlich erlernen. Denn dass tolutim, tolutarius nicht, wie man allgemein an- nimmt, auf den Pass, sondern auf den einfachen Trab zu beziehen sind, lehren die einschlägigen Stellen, welche auf meine Bitte mein Freund G. Lüwe zusammengestellt hat. Ich gebe im Folgenden seine Notizen wieder: „Hauptfundort für die Stellen ist Nonius p. 4, Isqq., wo acht Belege gegeben werden. Er erklärt to- lutim^volubiiiter (dass die Glosse in Juvenalem p.IX tolutim: vo- lubiliter ebendaher stammt, hat schon Keil gesehen). Bei allen Stellen kommen wir mit dem Deutschen ,im Trabe' am besten aus. Plaut. Asin. v. 70G, wo Libanus seinen Herrn als Gaul behandelt, sagt er zu ihm, als es nicht gut gehen will: „ei, was ist denn das? wue ist das für ein Gang? Ich werde Dir den Hafer knapper mes- sen, ,tolutim ni hadizas', wenn Du nicht ordentlich trabst." Aehn- lich spricht Fronto übertragen von den sententiae tolutares, den „nur trabenden" nicht stolz galoppirenden des Seneca. Ferner

bis auf Aristoteles' Zeit unbekannt war. Denn dieser kennt sie nicht nur nicht, sondern geht so- weit zu behaupten, dass ein Pferd, wenn es die beiden Beine einer Seite gleichzeitig heben wollte, umfallen mUsste"). Auch bei Xenophon und Pollux wird der Pass nicht erwähnt'*).

bei Lucilius: Stadium acclive tolutim evadere (wo das acclive ein tolutim erschwert) und velle tolutim hie semper et incepturu videtur (er sieht aus wie einer, der immer im Trabe davon will, es aber immer beim Anfange bewenden lässt). Trefilich stimmt zu der Gleichstellung tolutim = Trab die Stelle aus einer Satire des Varro: sed ut equos, qui ad vehendum est natus, tarnen kic traditur magistro, ut equiso doceat tolutim , : das Pferd muss das (regelmässige, schulgerechte) Traben erst lernen. In Glossen kommen die betr. Worte wenig vor. totularius: iTznotf'OQsiig, tolutiloquentia: rd Inngo/ov, tolutim: fniiQOya sind moderne Onomasticonglossen (Prodr. p. 184 sqq.). Nur tolu- tarius ist zweimal vertreten, tolutarius: ßnäiajrjg (Philoxenus p. 214, 13: ebenso ist p. 218, 50 zu schreiben) und toliiarius (sehr, tolutarius) est ambulatorius equus (iletzer Glossar), wozu nmbulatura bei Vegetius zu vergleichen. Vegetius, Mu- lomed. IV, cap. 6: Persis et statura et positio a caeteris equorum yeneribus non plurimum differt sed solius ambu- laturae quadam gratia discernuntur a caeteris inter colatorios enim et eos guos totonarios vulgus appellat avibu- latura eorum media est. Hier heisst ambulatura einfach Gangart, und die gewöhnliche Gleichstellung des Wortes mit fr. l'amble, it. ambio, ambiadura =^ Pass ist falsch. Vegetius kennt offenbar den Pass nicht, die den persischen Pferden zuge- schriebene Gangart ist vielmehr als ein schwimmender oder trippelnder Gang (Schlieben, S. 183) zu denken. „Auch gradarius hat mit dem Pass nichts zu thun" (wie Ruhl, S. 72, nach Aldrovandi de quadrup. I, p. 19, angiebt). Lucilius bei No- nius a. a. O. : ipse equo' nonformosu' gradarius optimu' vector „es war nicht schön, aber es trug gut und ging seinen sicheren Schritt"; Nonius erklärt gradarius: ,est molli gradu et sine succussatura nitens'. Von Cicero heist es bei Seneca: Cicero quoque noster, a quo Romana eloquentia exsiluit, gradarius fuit: „er ging Schritt für Schritt" (dem eo:silire entgegengesetzt). Bei Diomedes ist puyna gradaria Gegensatz zu p. stataria. In Glossaren findet sich das Wort nirgends; das Onomasticon Vulcanii (p. 60 gradarii: innoifOQttg) ist ein Product des XVI. Jahrhunderts".

Es giebt also weder im Griechischen noch im Lateinischen ein Wort für Pass, Passgänger. Der einzige Schriftsteller, der diese Gangart beschreibt, Plinius, betrachtet sie offenbar nicht nur als eine ungewöhnliche, sondern als eine unreine. Die- selbe kann also im Alterthum nicht allgemeiner üblich gewe- sen sein.

'') ebda, weiter unten: e? Si loig ät^itig äuifoi^goig tiqio- TOig fiiü tiv lyfyi'Oi'TO itüi' Infioui'awv xui uvfniTiiuv. Auch der Passgang des Kameeis war dem Aristoteles unbekannt, denn die llist. an. II, 9 dem Löwen und dem Kameel zugeschriebene Bewegung xaiu axi).og ist nicht Pass, kommt übrigens weder beim Löwen noch beim Kameel vor. Vgl. Aubert und Wimmer zu der Stelle, die Plin. 11, lOü citiren.

") Denn die von Pollux I, 194 citirte Definition des Simon:

G. Körte, Dokiruasie der attischen Reiterei.

181

In der assyrischen und ägyptischen Kunst wer- den schreitende Pferde und andere vierfüssige Thiere, so viel ich sehe, durchgehends so dargestellt, dass sie die beiden Beine derselben Seite heben. Diese Darstellungsweise ist auch auf die phönikische '") und auf die arciiaisch-griecliische Kunst ") über- gegangen. Sie ist in letzterer durchaus die Kegel, obwohl vereinzelte Ausnahmen schon früh vor- kommen"), und ist namentlich auf Münzen ") bis in die Zeit der höchsten KunstblUthe beibehalten, ebenso auch auf vielen rothtigurigen Vasen stren- geren Stils ''^). Offenbar handelt es sich also auch für diese um ein lange Zeit festgehaltenes, der Natur widersprechendes Schema der Bewegung, nicht um die Darstellung einer besonderen Gang- art. Auch die Beispiele ähnlicher Art aus späterer (römischer) Zeit sind meines Erachtens auf ungenaue Naturbeobachtung zurückzuführen^'), und ich kenne kein sicheres Beispiel eines Passgängers; beson- ders gilt dies von den berühmten Pferden über dem Portal von S. Marco in Venedig, welche ur- sprünglich einen Wagen zogen ").

f v^Qo^og (5^ innog 6 öXlyov cti'^üJi' ttno itjg yrjg Iv i^ jqiX^iv axikri hat mit dem Passgang nichts zu thuu , wie Schliebeu a. a. O. S. 18'2, ir29 bemerkt, bezieht sich vielmehr auf einen schnellen und zugleich bequemen Trab.

") Vgl. die Silberschalen Cesnola, Cyprus pl. XI; S. 329; Muaie Napoleon III pl. X; Mon. delC Inst. X, 31. 32. XI, 2, auch die Sarcophage von Amathus pl. XIV und Golgoi pl. X (griechische Arbeit).

-") Reliefs mit Viergespann: Schöne, Grieeh. Reliefs XV, 73; Annali deW Inst. 1861 tav. B. Reiter; Mittheilungen IV, Taf. 4. Viele Beispiele für schwarztig. Vaseumalerei bei Gerhard, A. Vasenb. passim.

'') So die beiden gewiss dem 7. Jahrh. angehörigen Vasen von den griechischen Inseln Mon. deW Inst. IX, ö ; die korin- thische Vase Gerhard A. V. Taf. 220; Overbeck, Ileroengal. XXII, 1 (neben der gewohnlichen Uarstellungsart).

''') S. Cataloyue of the ijreek coins in the brlt. Mus. Sicily bei Catana, Enna, Gela, Ilimera, Leontini, Messana, Nacona, Panormus, Selinus, Syracus; ib. Thrace etc. bei Aenus, Byzantium; ib. Macedon etc. bei Mende, Olynthos, Potidaea, unbek. Stadt S. 136, den Bisalten, Edonern; Alexan- der I. von Macedonien, Perdikkas (?).

") Gerhard A. V. 136, 227, 229/30, 293/4. 1. 2. 5, 291. 1 (beide Arten der Bewegung nebeneinander, ebenso 199). Ziegen- bock, Widder: Mon. deW Inst. VI. VII, 67.

-*) Wie schon Winckelmann Kunstgesch. Theil I Cap. IV annahm.

25) Vgl. zu denselben die feinen Bemerkungen von Ruhl a. a. O. S. 47 f. Das Pferd des Marc-Aurel geht keineswegs Pass, wie Schlieben a. «. 0. S. 182 behauptet. Vgl. Ruhl S. 69. 72.

Meines Wissens ist unser Vasenbild das einzige bis jetzt bekannte, welches einen solchen officiellen Akt aus dem Leben der Athener zur Darstellung bringt, und als solches darf es ein hervorragendes Interesse in Anspruch nehmen. Es ist ein neuer Beweis von jener Vorliebe des athenischen Volkes für seine Cavallerie, welche ihren glänzendsten Aus- druck im Parthenonfriese gefunden hat.

Das Innenbild der Schale zeigt einen der 200 berittenen skythischen Bogenschützen, welche der Staat als leichte Cavallerie zur Verstärkung der aus Bürgern bestehenden unterhielt"). Er steht in buntem Barbaren-Costüm neben (jenseits) seinem ungeduldig mit dem linken Vorderfuss scharrenden Pferde und sieht mit zurückgewandtem Oberkörper visirend an^ einem Pfeil hinab, den er in beiden Händen hält: offenbar um sich zu überzeugen, ob er vollkommen gerade sei. Neben seinem rechten Bein kommt unter dem Bauche des Pferdes ein Stück des Köchers zum Vorschein, den er an der rechten Seite hängen hat. Von dem rechten Hinterfuss des Pferdes ist ein Stück, weil es in das zu decorirende Kund nicht hineinging, einfach weggelassen.

Offenbar steht diese Darstellung in einer inne- ren Beziehung zu der der Aussenseite; gegenüber dem feierlichen Ernst der letzteren ein gemüthliches Genrebild.

Zum Schluss möchte ich noch auf das Relief bei Schöne XVII n, 79 hinweisen. Ich glaube, dass es von einem seiner Amtsführung wegen bekränzten Hipparchen ") geweiht ist, der sich selbst an der Spitze seiner ini (palayyog geordneten Truppe") vor dem Rathe paradirend ") hat darstellen lassen. Der Mangel der vollständigen BewaÖ'nung kann bei einem griechischen Monument gegen diese Deutung nicht geltend gemacht werden. Wir hätten also in diesem schönen Relief ein an die oben erwähnten Cavallerie- Paraden erinnerndes Denkmal zu erkennen.

Göttiugen. G. Körte.

'"') Boeckh, Staatshaushalt I S. 368.

") So nennt ohne nähere Begründung schon Bötticher, Ver- zeichuiss der Gipsabgüsse 1871 n. 333 den voraufreitenden Mann.

^*) Dieselbe ist nur andeutungsweise dargestellt.

=') Ein Schauspiel, das Xenophon Hipp. III, 12 mit sicht- licher Passion beschreibt.

182

BACCHISCHE SIEGESFEIER.

(Tafel 16.)

Die auf Tafel 16 im Maassstabe von Vs wieder- gegebene Darstellung befindet sich auf den Frag- menten eines in der Nähe des Peiraieus gefundenen Kraters, welche ich durch Hrn. Giliieron copiren und in den sicheren Theilen ergänzen Hess. Bei- spiele der in Boeotien so häufigen Kraterform sind mir bisher aus attischen Gräbern nicht bekannt ge- worden; den engen Baum Verhältnissen derselben wird es zuzuschreiben sein, dass hier überhaupt so wenig unverletzte Vasen von grösseren Dimensionen gefunden werden.

Unser Gefäss gehört dem streng rothfigurigen Stile an; alle Tänieu, Blätter und Zweige waren mit weisser Farbe aufgetragen.

Wir erkennen deutlich sämmtliche wesentlichen Züge der Darstellung.

Es handelt sich um die Weihung eines Dreifusses der von Nike bekränzt wird. Dabei steht der Opfer- stier. Eine Frau mit Fackel und Oinochoe wendet sich zu Dionysos, um ihm einzuschenken. Hinter diesem steht ein Satyr. Die 'Anwesenheit der Nike verkündet uns einen Sieg, die des Dionysos einen Sieg errungen bei einem bacchischen Feste. Drei- füsse sind der Preis, welcher den Siegern in den dramatischen Aufführungen ertheilt wurde; mit Stie- ren wurde das Siegesopfer dargebracht.

Es ist wohl zu bemerken, dass wir keine an- dere Gelegenlieit kennen, bei der ein Stieropfer mit Weihung eines Dreifusses verbunden wäre, dass wir somit ohne zwingende Gründe weder diesem Monument noch ähnlichen eine andere Deutung zu geben berechtigt sind.

Folgende Vasen bilder sind dem unsrigen am nächsten verwandt:

1. Hancarville II, 37 = Müller-Wieseler, Denkm. II, 625. (Dreifuss, Stier, 2 Niken, Dionysos sitzend. Ein Satyr und eine baechische Frau.)

2. Stamnos, in München. Jahn 386 = Gerhard, A. Vb. 81; Vases etr. PI. I. (Dreifuss, Opferstier von Nike getränkt. Eine Frau mit Tänie.)

3. Kalpis der Sammlung Catalani. Gerhard, A.

Vb. II p. 9 n. 32. (Dreifuss, Stier von Nike bekränzt.) (gleich n. 1?).

4. Stamnos des Brit. Museums n. 755. Gerhard, A. Vb. 243. (2 Dreifüsse, 2 Stiere, welche von zwei Mädchen geschmückt werden.)

5. Hancarville III, 36 = Laborde I, 78 = Inghirami 363. (Dreifuss, Opferstier mit Nike und sechs Jünglinge mit Fackeln.)

Die Darstellungen auf 1 3 namentlich haben zugleich mit unserem Vasenbilde gemeinsam, dass sie sich völlig auf idealem Boden bewegen. Es entspricht durchaus der Richtung der älteren Kunst, menschliche Vorgänge in den Bereich des Göttlichen zu versetzen. Derselben Auffassung folgt auch die bekannte Serie der auf kitharödische Siege be- züglichen Reliefs, welche Nike vor Apollo, Artemis und Leto darstellen (Welcker, A. Denkm. II, p. 37 ff. Jahn, Griech. Bilderchr. p. 45 ff.). Deshalb führe ich auch sie, trotz der Einwendungen Stephani's {Compte Rendu 1878, S. 218 ff.), auf ältere Vorbil- der zurück.

Einer bald idealen, bald realen Auffassung be- gegenen wir auch in den plastischen Darstel- lungen, welche sich auf geweihte Dreifüsse be- ziehen. Doch sind nur wenige ganz frei von menschlicher Beimischung:

a) Die Basis von der Tripodenstrasse in Athen, Pervanoglu, Annali delV Inst. 1860 Tv. d'agg. G.

Vielleicht auch

b) Das Fragment eines Reliefs, in den Propy- laeen zu Athen befindlich. Höhe 0,28, Breite 0,33. In der Mitte ein kleiner Bau mit Dach, der auf drei Säulen ruht, ein Dreifussmonument. Links Kopf einer Frau (Nike ?), rechts sind nur zwei Arme er- halten, die etwas mit einem Hammer zu befestigen scheinen. Da die Hände sehr breit sind, ist viel- leicht an einen Satyr zu denken. Etwa Arbeit des 3. Jahrhunderts.

Nur wenig entfernt von dieser Gattung sind die- jenigen Reliefs, auf denen statt der Gottheiten ihre priesterlichen Vertreter erscheinen, so in der

A. Milchhöfer, Bacchische Siegesfeier.

183

e) bekannten Dresdener Basis.

Auf einen Dreifuss bezieht sieb gewiss auch

d) Mo7i. deW Inst. IV, 42. (Nike, Kitharode und Priesterin.)

Während in d der Kitharode noch die Gestalt des Gottes hat, tritt in den Uebrigen der Geehrte oder Weihende in völlig menschlicher Darstellung hinzu:

e) Schöne, Gr. Reliefs n. 63.

f) Eine sehr ähnliche Composition ausser dem bei Schöne erwähnten Hesiod in der „Apotheose Homers" in einem Relief der Propyläen zu Athen. Höhe 0,4ö, Breite 0,25.

g) Curtius, Arehäol. Zeitg. 1867, Tafel 226. Relief auf der Burg zu Athen.

Unter den Figuren unseres Vasenbildes ist nur eine, deren Bedeutung vielleicht nicht völlig klar ist der Satyr, welcher auch auf Vase 1 erscheint, gehört zur Begleitung des Dionysos und hat kein Recht, den Namen Dithyrambos zu beanspruchen, den ihm Wieseler ertheilt es ist die Frau mit Oinochoe und Fackel. Schon aus der Composition ist zu entnehmen, dass auch sie den höheren Wesen angehören muss. Ungeflügclte Frauen kommen auch auf den Vasen 2 und 4 vor (vgl. Arehäol. Zeitg. 1853, Tafel 52, 1). Die eine derselben erweist sich durch den Thyrsos als bacchische Figur, als Begleiterin und Dienerin des Dionysos; ihren Namen festzu- stellen, scheint mir bei dem Mangel einer Beischrift unmöglich. Auch müssen wir die Frage ungelöst lassen, ob nicht, wenigstens in Vorbildern, welche etwa unsern Vasen zu Grunde liegen, irgend eine Personification gemeint sein könne, etwa Arete oder die siegreiche Pliyle ').

Besonders wichtig aber wird uns die in Rede stehende Figur durch das Attribut der Fackel. Dieselbe erklärt sich hier hinreichend sowohl aus dem feierlichen Opfer, welches mit dem Sieg ver-

') Man vergleiche das schon citirte Relief Schöne 63 , wo EvTuSfu mit einem vor einem Dreifusse stehenden Manne dar- gestellt ist.

bunden ist, als überhaupt aus der Beziehung auf Dionysos und seine nächtlichen Feste. Mit einer Fackel zündet die Priesterin auf der kitharödi- schenBasis Monum. IV, 42 den Altar an'). Eine Weihung der Fackel erscheint ferner auf der viel besprochenen Dresdener Basis. Hier sind wir ebensowenig berechtigt, an einen Sieg im Fackel- wettlauf') zu denken, wie bei unserem Monumente, welches, wie wir glauben, zur endgültigen Erklä- rung der Dresdener Basis beitragen wird. Die Lampadedromie wurde weder dem Dionysos ge- feiert (vergl. Hermes VII, 437), noch wissen wir dabei, wie schon oben hervorgehoben wurde, von Dreifuss und Stier als Gegenständen der Siegesfeier. Ebenso wird durch unser Vasenbild jede Beziehung auf den delphischen Mythus (Bötticher) zurückge- wiesen.

Sehr häufig ist mit der Siegesfeier auch die Spende, die Libation verbunden, welche auf unserm Vasenbilde dem Dionysos dargebracht wird. So in den auf Siege der Kitharöden bezogenen Reliefs. Die Meinung Stephani's {Compte Rendu 1873, 113 ff.), dass in der anovöi'j ein Wunsch, die Bitte um Erfolg, also Hinweisung auf ein Zukünftiges ausgedrückt sei, ist schon an sich sehr gezwungen und wird auch durch unser Vasenbild widerlegt, welches doch offenbar einen vollendeten Sieg darstellt. Ich er- kenne in der Spende nur den erhöhten Ausdruck einer Ehrenbezeugung, die man Göttern und Heroen darbringt, oder bei besonderer Gelegenheit auch Menschen, welche heroische Handlungen unterneh- men oder vollendet haben.

Arthur Milchhöfer.

2) Auch auf den anderen kithorödischen Siegesmonumenten erscheint die Fackel (Welcker, A. D. II p. 37ft'. Jahn, Gr. Bil- derchr. p. 45 ff.). Es ist wahr, dass dieselbe der Artemis, welche sie trägt, als Attribut zukommt. Aber sie ist auch in den Händen der Frauen bei Clarac, Mus^e de Sc. 122 n. 62, und auf der albanischen Tafel (Jahn, Bilderchr. Taf. V).

3) Müller, Handbuch § 96 n. 20. Pervanoglu Annali 1861, p. 120. Friederichs, Bausteine, p. 92. Auch die Fackeln in den Händen der Jünglinge auf dem Vasenbild n. ö erklären sich hinreichend durch das bevorstehende Opfer.

184

GRUPPE DER ARTEMIS.

(Tafel 17.)

Die auf Tafel 17 Nr. 1 nach einem Licbtbilde gezeichnete kleine Marmorbildsäule sie ist 80 Centimeter, ungefähr 2'/2 Fuss hoch ist in Lar- naea-Scala auf Cypern gefunden und von Herrn M. 0. Richter in der Wiener Neuen lUustrirteu Zei- tung, IX. Jahrgang, I. Band, vom 26. September 1880 abgebildet worden.

Herr Richter hält die Gestalt für die Tochter eines Königs von Kition, welche sich auf das Idol der Aphrodite lehnt, weil sie etwa im Begriff sei sich zu vermählen. Allein die unter Nr. 2 ver- grössert abgebildete Münze von Eukarpia in Phry- gien zeigt, dass es Artemis ist. An dem Bande, das schräg über die Brust der Bildsäule geht, hing der Köcher am Rücken.

Eine verwandte Darstellung der Artemis giebt die hier unter Nr. 3 abgebildete Lampe aus Knidos, auf welche mich Conze aufmerksam gemacht hat: sie ist von Newton Discoveries at Halicarnassus Cnidos and Branchidae, Tafel LXXXIV 5 abgebildet; Newton nahm die Figur als Hekate, es ist Artemis.

Wen das Idol darstellt, auf welches Artemis sich in allen drei Denkmälern stützt, bleibt wohl ungewiss. Denn auch Aphrodite stützt sich auf ein völlig ähnliches Idol in der kleinen farbigen Mar- morfigur, welche vor einigen Jahren in Pompeji gefunden worden ist und demnächst in dieser Zeit- schrift veröffentlicht werden wird. Auch da hält das Idol in der Rechten eine kleine Blume oder eine Frucht, und erhebt mit der Linken das Ge- wand. Es kommt öfter vor, dass eine Gottheit in ihrer späteren Gestaltung sich auf ihr eigenes alter- thümliches Bild lelint.

Danach darf man glauben, dass auch Artemis in dem cyprischen Marmorfigttrchen, der Gruppe der Münze und der Lampe sich auf ihr eigenes Idol lehnt.

Die auf der Münze dargestellte Gruppe war in Eukarpia öffentlich aufgestellt, also gewiss von grossen Verhältnissen, etwa von Lebensgrösse. Die Vorderseite der Münze zeigt nämlich die Umschrift AHMOC eVKAPneilN um den lorbeerbekränz- ten Kopf des Demos, die Umschrift der Kehrseite heisst AITHCAM6NOY H KA MAE MAPK6A- AIANOY; und auf einer zweiten Münze ist der Kopf der BOVAH eVKAPneßN, auf der Kehr- seite die nämliche Gruppe, umher 6niM€AH0EN- TOC r KA <|)AAKKOY. Also wird auf der ersten dieser beiden zusammengehörigen Münzen durch <xhrjaai.ievov ausgedrückt, dass Marcellianus die Er- laubniss zur Errichtung der Gruppe erbeten, auf der zweiten durch Eni^ielrj&evrog, dass Flaccus die Errichtung besorgt hat. Diese Münzen gehören ihrem Styl und der Art der Aufschriften nach sicher der Zeit Hadrian's an, folglich ward damals die Gruppe in Eukarpia aufgestellt (auf Münzen der Antonine ist diese Gruppe weniger zart und schön wiederholt). Man darf demnach glauben, dass die Gruppe und das Marmorfigürchen, wenn sie sich nicht wie Original und Kopie zu einander ver- halten, wohl beide Nachbildungen eines älteren Originals sind. Die Kleinheit der Marmorfigur spricht schon dawider, dass sie ein Original- werk sei.

J. Friedlaender.

185

ZUR ARKESILASSCHALE.

In dem Dorpater Programm von 1879 hat G. Löschcke ') gelegentlich einer Aufziihlung der sämmt- lichen Vasen, welche der Arkesilasschale ') ver- wandt sind, als etwaige Fabrikationsorte derselben Kyrene und Sikyon genannt, während er die Hypo- these W. Klein's, dass sie aus Sparta stammen möchten, zwar für wahrscheinlich, aber vorläufig für unbeweisbar hält. Vielleicht dient die Wieder- aufnahme eines bereits von Heeren') angestellten Vergleiches der Arkesilasschale mit gewissen orien- talischen Darstellungen dazu, ein neues Moment zur Cbarakterisirung des Bodens, auf dem die Schale entstehen konnte, zu gewinnen. Auf den Wandgemälden ägyptischer Gräber nämlich ist be- kanntlich keine Scene aus dem Leben des Ver- storbenen häufiger dargestellt als die, dass dem sitzenden oder auch stehenden Herrn die Tribute und Erträgnisse seiner Besitzungen dargebracht werden oder dass er seinen Untergebenen bei den mannigfachsten Verrichtungen des alltäglichen Lebens zuschaut. Als Theil eines solchen grosseren Bildes findet sich häufig auch die Darstellung des Abwägens von Getreide, Goldringen oder anderen Gegenständen^), eine Darstellung, die in der äu- sserst verbreiteten typischen Hlustration des ägypti- schen Totenbuchs, dem Totengericht vor Osiris, zu einem selbständigen und bedeutungsvollen Gemälde ausgebildet worden ist'), und entsprechend der Wichtigkeit dieses mythologischen Vorgangs fehlt hier niemals eine der zur Bedienung der Wage nothwendigen Personen. Indem so vor dem Thron des Osiris das Herz des Verstorbenen mit der Wahrheit gewogen wird, beobachtet Horus die eine Wagschale und Anubis mit der zweiten zugleich auch die Zunge, nach der er die Hand ausstreckt "), während der ibisköpfige Thot das Resultat der

') De basi guadam prope Spartam reperta, S. 12 ff.

ä) Abgeb. 31. d. I. I, 47. Welcker, Alte Denkmäler, Bd. 3, Taf. 34.

3) Vgl. Welcker a. a. 0. S. 496.

<) Lepsius, Denkmäler, Abth. III, Bl. 10. 39. 122. Wil- kinson Anclent Egyptians 2. Aufl. I, S. 285.

') Ebda. III, 232. IV, 16. Leemans, Aegyptische Monumen- ten T. PI. XXVI. Am bequemsten findet man ein Beispiel der beiden Darstellungen bei Dümichen, Gesch. des allen Aegjp- tens, Berlin 1879, auf den beiden ersten Talein.

') Auf der betr. Tafel bei Dümichen hat der Schreiber die Zunge zu zeichnen unterlassen.

ArchSulug. Ztg., Jahrgang XXXVIII.

Wägung gewissenhaft verzeichnet. Wo es sich um Scenen des gewöhnlichen Lebens handelt, kommen natürlich noch die Lastträger hinzu.

Unscliwer erkennt man dieselben Rollen unter dem Personal der Arkesilasschale, über deren Vor- züge vor den ägyptischen Bildern wir kein Wort zu verlieren brauchen. Da ist um der Bequem- lichkeit wegen eine Lesung zu adoptiren Slipho- machos, welcher neben der einen Wagschale stehend mit dem Finger auf die Zunge derselben weist; ein anderer, Uubenannter, verfolgt mit lebhaftester Aufmerksamkeit das Steigen und Fallen der zwei- ten Schale und entsprechend Thot oder dem Schrei- ber bedeutet Sophortos seinem Gebieter Zahl und Gewicht der gewogenen Massen. Dass die Last- träger hier nicht fehlen dürfen, ist selbstverständ- lich; eine echt ägyptische Figur ist der sie beauf- sichtigende Wvla^^).

Dass diese Analogien des ägyptischen und des griechischen Bildes, trotzdem sie sich aus der Natur des dargestellten Gegenstandes von selbst ergeben, nicht ganz zufällig sind, wird sowohl durch die Wahl des Vorwurfs, der immer als alleinstehend unter den Darstellungen archaischer Vasen bezeich- net worden ist, als auch besonders durch einige auffällige Einzelheiten der Arkesilasschale im höch- sten Grade wahrscheinlich. Zwar will der ägyp- tische Schurz, mit dem Sliphomachos und Sophortos bekleidet sind, sowie die auf dem Totengericht und unserer Schale identische Form des Wagebalkens wenig sagen; aber auffallend für griechische Sitte ist die Verwendung einer so fremdländischen und gefährlichen Bestie wie des Panthers *) als Haus- thier, das friedlich unter dem Stuhl seines Herrn lagert, während die Aegypter ausser den Hunden und Katzen auch Affen und andere Bewohner afrika- nischer Wildniss im Hause hielten '). Am unzweifel-

') Vgl. Dümichen , Resultate, Taf. VIII. Bädeker, Aegyp- ten, S. 411; vgl. S. 414.

') Auf einer Vase , deren Zeichnung sich im archäol. Ap- parat des Berliner Museums (Fol. 230, Nr. 350) befindet, ist der Panther zwischen den Stuhlbeinen tektonisch verwendet.

«) Hund und Affe bei Lepsius II, 134, b. III, 9, f. 12. Dümichen, Resultate, Taf. X. Wilkinson, a. a. 0. I, S.431, Taf.XI; gezähmte Thiere bei Kosellini I, 72. 73. Dümichen, Flotte einer ägyptischen Kiinigin, Taf. VI (vgl. Taf. XII). Bädeker a. a. O. S. 411. Wilkinson I, S. 38 Taf. II .4 ß. Besonders berühmt war

25

186

0- Puchstein, Arkesilasschale.

haftesten eiullicli gebt der über der Wage sitzende Affe auf ägyptiscbe Anscbauung zurück: es ist der Kynoskepbalos als Symbol des Thot, des Gottes für Maass und Zabl, wie er auf der ägyptischen Wage an derselben Stelle fast regelmässig vor- gefunden wird, auf dem Totengericlit a. a. 0. ausser- dem in dem oberen Streifen des Bildes beiderseits als Hüter der Wage neben derselben sitzt.

Diese Anklänge einer griechischen Darstellung au ägyptische Vorbilder Hessen sich leicht aus der Indi- vidualität des betreffenden Künstlers erklären, der von jedem griechischen Orte aus eigene Anschauung Aegyptens erlangt haben könnte. Aber sollte mau nicht von allen Punkten am wahrscheinlichsten da den Künstler suchen dürfen, wo er ohne weite Keisen und abenteuerliche Lebensschicksale durch die gegebenen Verhältnisse seiner Heimat Gelegen- heit hatte, ägyptisches Treiben kennen zu lernen? Aus diesem Gesichtspunkt kann von den vor- geschlagenen Fabrikationsorteu der Arkesilasschale am ehesten Kyrene sowohl wegen seiner geo- graphischen Lage wie wegen der intimen Beziehun- gen zu Aegypten gerade im 6. Jahrhundert in Betracht kommen. Zwar erlitt Apries, der von den den Kyrenäern feindlichen Libj'ern zu Hülfe ge- rufen war, eine vollständige Niederlage^"), aber schon unter seinem Nachfolger Amasis (570—526) bestand zwischen den Nachbarstaaten nicht allein ein Schutz- und Trutzbündniss , das bis zur persi- schen Invasion währte, sondern ausser den erklär- lichen Handelsbeziehungen sogar Connubium. Amasis selbst war mit einer Kyrenäerin verheirathet, und zu den von ihm nach Kyrene geweihten Anathemen gehörte auch sein eigenes gemaltes Porträt ' '). An- dererseits wird in Kyrene der Isiskult bereits von

der zahme Löwe Ramses' 11, erwähnt bei Diodor I, 48, 1, abgeb. Eosellini I, 84 (vgl. I, 65. Lepsius III, 2, b. 100).

'0) Herodot IV, 159.

") Herodot II, 181. 132; vgl. Plutar ch mor. p. 261.

Herodot bezeugt '"). Sehr wohl könnte man also die Arkesilasschale als ein authentisches Zeugniss die- ses lebhaften und freundschaftlichen Verkehrs der beiden Länder grade zur Zeit des Amasis und Arkesilas IL") auffassen, ein Zeitansatz, der unsere Vase nur wenige Jahre jünger machen würde als der von W. Klein vermuthete Zusammenhang mit der Landvertheilung unter Battos II (um 575

V. Chr.'*).

Ausserdem Hesse sich, wie man sonst aus der Darstellung bestimmter Mythen auf korinthischen, chalkidischeu oder attischen Ursprung schliesst, allen- falls mit gleichem Rechte die Figur des Arkesilas für die Entstehung der Schale in Kyrene geltend machen. Die Beischriften endlich, deren bisherige Deutungen vielleicht an den barbarischen Bestandtheilen der- selben gescheitert sind '^), würden ebensowenig gegen wie für Kyrene sprechen: denn ob das dor- tige Alphabet aus Thera, der Heimat der ersten kyreuäischen Colonisteu, stammt oder etwa in Folge des bedeutenden Zuwachses, den Kyrene aus dem Peloponnes und anderen Territorien gelegentlich der Landvertheilung erhielt ''^), modificirt worden ist, bat noch nicht entschieden werden können. Jeden- falls entspricht die Form l4Qxsal?.ag dem in Kyrene üblichen dorischen Dialect.

Wie sich die anderen mit der Arkesilasschale zusammengehörigen Vasen zur Annahme einer kyre- näischen Fabrik verhalten, wird erst bei der Publi- cation einer grösseren Anzahl derselben, welche die Eedaction dieser Zeitschrift vorbereitet, untersucht werden können.

Berlin. 0. Puchstein.

''^) IV, 186.

") Vgl. Brunn, Probleme S. 34.

") Euphronios, S. 36.

'^) So mag in Bezug auf den Namen Sliphoraachos nicht unerwähnt bleiben, dass macha die ägyptische Bezeichnung für ,,Wage", ,, wägen" ist.

'6) Her. IV, 159; vgl. 161.

187

VOTIVRELIEF AN DIE GÖTTERMUTTER.

(Tafel 18.)

Das herrliche Votivrelief an die Göttermutter, •welches aus dem Dorfe Mustaphades, nahe dem alten Tanagra, stammt und zuerst von Körte (Mittli. III S. 390 f.) beschrieben worden ist, hat in neuester Zeit eine gleichzeitige Behandlung durch Milchhöfer (Mitth. V S. 216f. u. 209 Anm. 1), Furtwängler („Der Satyr aus Pergamon" Winckelmannsprogramm 1880 S. 28) und Conze (s. oben S. 3K) erfahren, und ist dadurch dem Interesse des archäologischen Publi- kums so nahe gelegt, dass eine Publication dessel- ben nicht unwillkommen sein dürfte. Ich theile deshalb auf Taf. 18 eine Zeichnung mit, welche ich im vorigen Jalire in Athen nach dem Originale in Vj der natürlichen Grösse machte.

Das Original, über dessen Fund und Maasse es genügt, auf Körte's Beschreibung zu verweisen, besteht aus 4 Fragmenten, die jetzt im Varvakion aufbewahrt werden. Das HauptstUck war selbst mehrfach gesprungen, ist aber jetzt zusammengefügt und in Gips gefasst. Die 3 übrigen Stücke, die sich durch die Gleichheit von Arbeit, Material (pen- teliscbem Marmor) und Fundort als zugehörig er- weisen, lassen sich gleichwohl weder unter sich noch mit der Hauptgruppe zusammenfügen. Das Stück, auf welchem uns der Oberkörper eines jugendlichen Pan erhalten ist, gehörte dem linken seitlichen Abschlüsse an. Milchhöfer hat zuerst diese Deutung gegeben, während vorher die etwas verstossenen aber unzweifelhaften Merkmale der Hörner und spitzen Ohren übersehen worden waren. Körte erkannte richtig, dass die Lehne und einige Gewandfalten zu Häupten des Pan dem Bildnisse einer nach r. thronenden Kybele angehören. Wir haben also hier eine ähnliche Composition wie auf dem Thonrelief der Göttermutter aus der Sammlung Saburofif (E. Curtius, Mitth. II Taf. 3 S. 48 ff.), wo neben dem Throne ein kleiner flötenspielender Si- len sitzt.

Berechnet man die ungefähre Ausdehnung für das Bild der Kybele und die zwischen ihr und dem Manne zur Rechten zu ergänzenden beiden weib- lichen Figuren, von denen uns nur die Köpfe er- halten sind, so ergiebt sich für das Relief eine ziemlich bedeutende seitliche Ausdelinung, zumal da jene beiden weiblichen Gestalten, wie der Relief- grund zeigt, nicht so dicht gruppirt waren wie die erhaltenen. Ob Theile sämmtlicher Figuren auf uns gekommen sind, lässt sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Wir vermissen jedenfalls den sonst treuesten Begleiter der Kybele, ihren von Conze als Herraes-Kadmilos bezeichneten Mundschenk. Von den beiden bedeutendsten Votivreliefs an die Götter- mutter, diesem und dem attischen oben Taf. 1 pu- blicirten, ist beidemal leider nur die Hälfte hier die rechte, dort die linke erhalten, doch glaube ich , dass sich durch Zusammenhaltung dieser bei- den Theile eine ungefähre Anschauung von der Compositionsweise dieser Gattung von Kybele-Reliefs wiedergewinnen lässt '). Dort werden wir also auf der r. Seite die Gruppe der 3 Mädchen und den bärtigen Mann mit mehr Wahrscheinlichkeit als einen Zug von Adoranten voraussetzen, da sieh solche bisher auf Kybelereliefs noch nicht gefunden haben. Andererseits war auf unserem Relief die Kybele offenbar in einer dem attischen Relief durchaus entsprechenden Haltung gebildet, welche uns ihr statuarisches Bild in seitlicher Ansicht zeigt, während es in den vataxot naturgemäss en face erscheint. Einer der weiblichen Köpfe wird einer Figur angehört haben, welche der Fackel- trägerin entspricht, und zu ihr wird sich die zweite gesellt haben. Die Deutung für dieses Paar auf

') Dass die gegenseitige Ergänzung eine nur ungefähr rich- tige sein kann, beweisen schon die vorliegenden Abweichungen in den gemeinsam erhaltenen Partien: der Pan statt des Löwen und zwei weibliche Gestalten vor Kybele statt der einen des at- tischen Reliefs.

25*

188

L. Gurlitt, V'otivrelief an die Götterniutter.

Demeter und Köre liegt um so näher, als auch in den Köpfen ein Altersunterschied zum Ausdruck gebracht ist.

Die 3 übrigen weiblichen Gestalten kehren wie- der auf dem Kybele-ßelief aus der Sammlung Sa- buroff (E. Curtius a. a. 0., A. Conze a. a. 0. S. 4 P). Dort sind, zu beiden Seiten längs der Säulen über- einander, klein je 3 leidenschaftlich tanzende "Wei- ber gebildet, von denen je eine auch ein Tympanou führt, während die andern ohne Attribute sind '). An sich wäre es zweifelhaft, ob mit diesen eine Schaar irdischer Weiber gemeint ist oder göttliche Wesen, doch entscheidet für letztere die Heranzie- hung unseres Reliefs. Denn hier beweist die Grösse der Figuren, dass sie höhere Wesen sind, und so werden auch dort an demselben Platze, wo wir so oft auf den vataxoi der Kybele klein gebildet ihr dienstbare Gottheiten finden, dieselben göttlichen Wesen nur in symmetrischer Verdoppelung gemeint sein. Ihre Deutung haben schon Milchhöfer und gleichzeitig Furtwängler gegeben, indem sie auf Pindar, Pyth. III, 77 = 137 hinwiesen:

di.)^ £nev^aa-&ai (.itv iyiav i&elo}

MatQi, zav KovQai nag' e^iov nqöd^vqov avv

Jlavl i^elnovtai d^a(A.a

aefxvav -^söv iwiixtai. Dieselbe Vereinigung von der Göttermutter, Pan und den KovQOL kehrt wieder Frg. 63 Böckh (72 Bergk) wo die Bezeichnung aeixvwv Xaqixwv an die Stelle der KovQui tritt. Auf die innige Verwandtschaft dieser Figuren in Haltung und stilistischer Behand- lung mit attischen Nymphendarstellungen hat Milch- höfer (a. a. 0. S. 216) ebenfalls schon hingewiesen.

-) Den Gegenstand in der Hand des mittleren Mädchens unseres Reliefs weiss ich nicht zu deuten. Eine Fackel ist es schwerlich.

Die bärtige Figur schliesslich ist identisch mit der von Conze (oben Taf. 3, 1 u. 2 , dazu S. 3 M, N. S. 4 Q) publicirten. Wie dort ist der Mann mit einem langen Himation bekleidet, das die r. Brust frei lässt, hat dichtes, fliessendes Haar und einen vollen Bart. Seinem Gesichte, das wir hier zum ersten Mal in genauer Durchbildung sehen, geben ein lächelnder Zug und die vollen etwas sinnlichen Lippen einen gemüthlichen, freundlichen Ausdruck. Es würde dies für die von Milchhöfer vorgeschla- gene Deutung auf den wohlwollenden Heilgott pas- sen, welche ich durch keine bessere zu ersetzen wüsste.

Auf das Interesse, welches die jugendliche Bil- dung eines Pans in so früher Zeit beansprucht, ist schon von anderer Seite aufmerksam gemacht wor- den (Milchhöfer S. 209, 1 ; Furtwängler S. 28).

Betreffs der Zeit des Reliefs herrscht Ueberein- stimmung: die Gedrungenheit der Figuren, die Strenge der Zeichnung, in der jedoch keine Spur archaischer Gebundenheit zurückgeblieben ist, die einfache, höchst aumuthige Composition, zusammen mit der Sicherheit und Feinheit in der Behandlung des Flachreliefs, verweisen die Arbeit etwa in die Zeit des Phidias, jedenfalls noch in das 5. Jahr- hundert. Es gehört auch vom künstlerischen Stand- punkt zu den bedeutendsten Votivreliefs so früher Zeit und erweckt besonders durch die ausdrucks- volle Durchbildung der Köpfe ') eine gute Meinung von der Kunetübung in Tanagra zu einer Zeit, welche fast | um ein Jahrhundert vor der Blüthe der Terracotten-Technik liegt.

Hamburg. Ludwig Gurlitt.

2) Diese hat in der Lithographie leider einige Einbusse er-

litten.

LAOKOON

EIN VASENBILD.

189

Der Kantbaros des britischen Museums im Stile des Epigenes, dessen Bild diesen Zeilen vorgedruckt ist, wurde bereits zweimal publieirt, von Raoul- Kocbette Mon. ined. pl. 40 und Pauofka Cab. Pour- iales pl. 7.

Die Exegese dieser Herausgeber ist wunderlich genug. Die eine Seite, welche, man sollte meinen unverkennbar, die Bestrafung Ixions vorstellt, wurde von beiden auf Orestes bezogen, und zwar einmal als Orestes vor Iphigenie, das andere Mal als Orestes vor der „Justiz", und es blieb Klügmann vorbe- halten, die richtige Deutung auszusprechen'). Die Erklärung der andern Seite als Ermordung des Neoptolemos durch Orestes wurde von Robert mit Kecht als gleich verfehlt bezeichnet, dessen Versuch jedoch, etwas Positives an die Stelle zu setzen, nicht gerade glücklich genannt werden kann*).

Gehen wir ohne Weiteres an die Betrachtung des Bildes selbst. Was sehen wir? Einen Mann von einer Schlange umringelt, wie hülfesuchend auf einen Altar geflüchtet. Er schwingt in der K. ein Schwert, dessen Scheide seine L. hält, ver- gebens gegen das Unthier, das schon mit Blitzes- schnelle aus dem Bereich seines Armes heraus auf seinen Leib geglitten, ihm eben den tödtlichen Bisa versetzt^). Neben ihm sinkt das erste Opfer der Schlange, ein Jüngling, mit geschlossenen Augen in

') Nuove Memorie delV instiluto p. 388.

2) Thanatos S. 43.

') Auf der Vase selbst sieht man, was die Publicationen anzugeben unterliessen, von der Stelle, wo der Rachen des Thie- res ansetzt, zwei Streifen Blut herunterrieselu.

die Arme des Todes ^). Thanatos, dies ist gewiss der richtige Name der Flügelfigur, beugt sich über ihn und fasst seine Beute. Zu spät eilt von der andern Seite durch den heiligen Hain, den ein Oel- baum bezeichnet, eine fürstliche Gestalt, das Skep- tron in der einen Hand, in der andern einen eben aufgerafften Stein nach dem Unthier schleudernd. Den Lesern dieser Zeitung ist erst vor Kurzem an besonders hervorragender Stelle ins Gedächtniss zurückgerufen worden, dass nach der älteren Fas- sung der Laokoonsage in den Untergang des Vaters nur einer seiner Söhne mitverstrickt wird. Das ist die Lösung auch für unser Bild, und es bleibt nur übrig, einen Namen für den Herbeieilenden zu finden. Ich denke es ist Anchises, Laokoons Bruder. Und wer Tioch an einem allerdings auf- fallenden Nebenumstande, der Schwertscheide in der Hand des Priesters, Anstoss nehmen sollte, den mögen Stellen wie Euripides Iphigenie in Aulis 15G5 und Hekabe 543 überzeugen ^). Und gerade in diesem Umstände liegt die Wahl des Momentes noch schärfer ausgeprägt. Unser Meister stimmt darin zwar nicht mit dem pompejanischen Wand- *) Die Form der Wunde lässt keinen Zweifel, liass sie vom Biss der Schlange herrühre und nicht etwa vom Schwert in der Hand des Mannes. Im letzten Falle würde der frische rothe Strich nicht fehlen dürfen.

*) Kti^xas <r ö fiävTis ii xnvövv XQvarikajov

lUrjxiv dfir ;feipl tfäayavoi' anaoa;

xoXnJiv iatüStv und

fjr ü^ifCxQvaov (fctayavov x(ünr)i laßiav

tittlxt xoltov.

190

A. Michhöfer, Sculpturen von Tegea.

decorateur, doch mit Agesaudros und Athcuodoros überein. Nocli sind die Vorbereitungen zum Opfer für Poseidon nicbt im Gange, priesterlicbe Gewän- der nicht angethan, Opfergeräth und Opfertbier nicbt herbeigeführt, da vollzieht ein anderer gekränkter Gott sich selbst sein eigenes Opfer. Der Grund die- ser Uebereinstimmung kann hier, wo jedes directe Abhängigkeitsverbältniss ausgeschlossen ist und auch kein gemeinsames Kunstgesetz dem Maler verwehrt, was den Bildbauern versagt blieb, nur in der sie alle inspirirenden sophokleischen Tragödie zu suchen sein. Wie sehr ihr Geist unser Gefäss erfüllt, das zeigt am besten die Gegenüberstellung Ixion und

Laokoon. Sie weist uns gebieterisch, die Schuld Laokoous dort zu suchen, wo Sophokles, der ja auch einen Ixion gedichtet, und nicbt die spätere uns geläufigere Sage sie sab '*). Ixion wie Laokoon, beide haben gefrevelt, von brünstiger Begier nach einem Weibe getrieben, gegen beide hat die Liebe der Gottheit sich in strafenden Hass verwandelt. Vom Geiste des Dramas leiht unser herrlicher Kantharos seinen höchsten Werth. Sein Maler war eben, das zeigt der Stil klar genug, des Dichters Zeitgenosse.

London, Nov. 1880. Wilhelm Klein.

6) Welker, gr. Trag., S. 151.

MISCELLEN.

zu DEN SCULPTUREN VON TEGEA.

Da eine rasche Verständigung der Betheiligten über wichtige, bisher nur dem Urtbeile Weniger zu- gängliche Thatsacben stets im allgemeinen Interesse liegt, so halte ich es nicht für überflüssig, mich offen zur Ansicht derer zu bekennen, welche in den von mir im Hause Kotzaridis zu Piali vorgefundenen und Mittb. des deutsch, arch. Inst. IV, S. 133 f. unter Nr. 24 26 beschriebenen Köpfen Eeste der Gie- belfiguren vom Athenatempel des Skopas er- blicken.

Ich gewann diese Ueberzeugung auf einem er- neuten Besuche, den ich Tegea im Sommer 1880 abstattete. Eine in den athenischen Mittheilungen zu veröffentlichende Notiz war druckfertig, als in dieser Zeitung (oben S. 98 ff.) der Bericht von Treu erschien, während Kavvadias in einem Artikel des Bullet, d. Inst. 1880, S. 199 ff. seine Priorität wahren zu müssen glaubte. Ich kann hinzufügen, dass sich im Frühjahr 1880 Prof. W. Gurlitt hinsichtlich der beiden männlichen Köpfe im glei- chen Sinne geäussert hatte und sich dabei von einer früheren Peise her eines dritten, seitdem verscholle- nen Kopfes von gleichem Stilcharakter erinnerte').

Damit könnte die Sache, bis Abbildungen und

') Furtwängler hält es jetzt nach persönlicher Mittheilung für wahrscheinlich, dass der in zwei Theile gespaltene und auf beiden Gesichtsteitcn ungleich behandelte Kolossalkopf, den er und Löschcke 1878 im Privatbesitz zu Tripolis sahen (vgl. meinen Antikenbericht, Mitth. IV, S. 145, n. 4), ebenfalls den Tempelskulpturcn angchürt habe.

Gipsabgüsse vorliegen, als erledigt gelten, wenn nicht doch noch einige sachliche Punkte festzustellen blieben, und wenn nicbt der vorwurfsvolle Ton in Treu's Referat einige Bemerkungen in eigener Sache entschuldigte.

Wer die mysteriösen Vorkehrungen kennt, unter denen der Reisende in griechischem Privatbesitze versteckte Alterthümer zu sehen bekommt, und wer sich erinnert, wie wenig massgebend oft der erste Eindruck selbst unter günstigeren Verhältnissen zu sein pflegt, wird an Pionierarbeiten dieser Art, wie „Antikenberichte aus dem Peloponnes", einen anderen Massstab der Beurtheilung legen, als an ausgeführte Museumskataloge. Als ich im Jahre

1878 jene drei Köpfe mit Schmutz und Schimmel bedeckt in dem dunkeln Keller bei Kotzaridis vor- fand, blieb mir dort weit weniger Zeit zur Betrach- tung übrig, als z. B. Treu, der doch bereits ahnte, was er sehen würde, in dem kleinen Museum von Piali ').

In sachlicher Hinsicht bleibt mir Folgendes nach- zutragen :

1. Nicht nur der Kopf Nr. 25, sondern auch Nr. 24 zeigt jene durch die Aufstellung im Giebel ver- anlasste Abplattung des Schädels, was Treu eben- falls entgangen ist.

2. Die beiden Löcher am Eberkopf unter der

-) Während der Untersuchungsgrabung am Tempel im Jalire

1879 hatte ich triftige Gründe, die in ihrem Versteck gebliebe- nen Köiife nicht wieder aufzusuchen.

A. Furtwängler, Gefälschte Vase.

191

rechten Seite des Maiiles stammeu doch offenbar von den eingesetzten Brouzespitzen der Geschosse her, nicht von EisendUbein zur Befestigung an der Giebelfläche. Der Eber war somit, was für die Composition ebenso wichtig als auffallend ist, nach rechts gewandt (die beiden übrigen Köpfe nach links).

3. Das Material der Skulpturen stammt, wie schon Treu hervorgehoben hat, aus den benach- barten Brüchen von Dolianä, nicht aus Faros, wie Kavvadias behauptet.

4. Dagegen ist der bei Palaeo-Episkopi gefundene Arm wirklich aus parischem Marmor gefertigt. Schon deshalb müssen wir seine Zugehörigkeit jetzt in Abrede stellen.

5. Der Fundort der drei Köpfe ist zwar nicht auf dem Grundstück Kotzaridis zu suchen, aber auch nicht in weiter Entfernung. Sie stammen aus späten Mauerresten, welche K. als Mitglied der Kirchenbehörde, um Material für den neuen Glocken- thurni zu gewinnen, aufgedeckt und aufgelöst hatte.

Berlin. Arthur Milchhöfer.

GEFÄLSCHTE VASE.

Aus der Reihe der Vasen, die völlig überein- stimmende Wiederholungen anderer sind, ist ein Beispiel, das bisher unter die wichtigsten gezählt werden durfte, zu streichen. Die ehemals Witt- genstein'sche, jetzt in Dresden befindliche Replik eines herrlichen Aryballos des Britischen Museums, die von 0. Jahn (Vasen mit Goldschmuck, Taf. II, 3. 4) zuerst bekannt gemacht und ausführlich besprochen wurde , ist gefälscht. Allerdings hat Jahn das Gefäss erst allein und darauf „gemein- sam mit kundigen Freunden genau geprüft" und nach ihm könnte „an der Echtheit gar kein Zwei- fel sein" (S. 8). Gleichwohl erkennt der geschärf- tere Blick der Jetztzeit sofort, dass es ein zwar geschicktes , doch zweifellos modernes Product ist, hervorgegangen aus dem Atelier eines Neapolitaner Händlers. Die völlig unautike Technik giebt hier- für den unzweideutigsten Beweis; das Gelbroth der Figuren ist nicht das des Thones, sondern eine auf- gesetzte Schicht '). Aber schon beim genaueren Be- trachten der Publication bei Jahn wird Niemandem die hässliche Stillosigkeit entgehen, welche die

') Indess ganz verschieden von der nicht seltnen antiken Technik der mit thonrother Farbe auf schwarzem Firnissgrund bemalten Gefiisse.

moderne Copie in der Zeichnung aller Figuren, besonders der Köpfe, im Vergleiche zum Originale zeigt. Der Fälscher war übrigens an unteritalische Vasen gewöhnt. Nicht nur die Form und Orna- mentik seines Productes entbehrt all der attischen Feinheiten des Originals"), sondern auch in die figürliche Composition mischte er Gewohnheiten apulischer Vasen ein. Die auf dem Originale ver- goldeten Theile giebt demnach der Fälscher mit dem gewöhnlichen Weiss, auf welches Gelb gesetzt ist'); ebenso bemalt er einen Theil der Zweige und und Kränze. Statt ferner die Eudaimonia auf einem Felsen ruhen zu lassen, malt er unter ihren Sitz nach apulischem Brauche eine Reihe weisser Punkte. Die Haare endlich vermochte er nicht in der feinen attischen Weise des Originals durch einzelne ge- wellte Pinselstriche zu geben, sondern pinselte es voll aus. Die Inschriften gab er sehr iucorrect wieder. A. Furtwängler.

-) Ob indess antike Theile, etwa Mündung und Fuss, zu dem Gefässe benutzt wurden, konnte ich bei meiner Anwesen- heit in Dresden nicht constatiren.

') Die Vergoldung der Armbänder, die Jahn's Publication angiebt, ist auf dem Gefiisse weder jetzt noch früher vorhanden gewesen.

ZU N. 193 DER INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.

Durch eine von Th. HomoUe auf der Agora von Delos gefundene Statuenbasis mit der Inschrift (Bul- leliti de Corr. Hellen. IV p. 325 f.): n'i tr^aiiüiai tov vavagxov Kal^ixgäiJjv Bdiaxov ^äftiov ävi&Tjuav,

die von dem jetzt erst durch delische Funde als politische Conföderation der Inseln des ägeischen Meeres unter dem Schutz der Lagiden genauer be- kannt gewordenen xoivov züv vrjaionwv herrührt,

192

R. Weil. Inschrift 193 aus Olympia.

hat sich als Dedieant in den beiden Inschriften aus Olympia Archäol. Zeitg. 1878 S. 174, 1879 S. 143 und 211 des Ptolemaeos Philadelphos Admiial Kal- likiates ergeben, so das»; auf der Basis der Arsinoe zu ergänzen ist Ka}.XixQ(iTT][s Boiaxov] Hä^iog, auf der des Philadelphos Kakltx[Q](itTjg [Boiax]ov 2ä- [Utog]. Wenn die delische Inschrift einen etwas jüngeren Schriftcharakter trägt als die elische, kann dies von der Identificirung der betreffenden Persön- lichkeit nicht ablialten, indem auf den Kykladen unter kleinasiatischcm Einfluss die jüngeren Schrift- formen zeitiger auftreten als auf dem Festland. Wie HomoUe bereits gesehen, ist der in der olym- pischen und delischen Inschrift erwähnte Kallikrates nicht verschieden von dem Nauarchen dieses Ka- mens, dessen in zwei Epigrammen des Posidipp gedacht wird, bei Athen. VII p. 318Z> und in dem neuerdings von Heinr. Weil publicirten, Monuments grecs 1879 p. 28£f. (wiederholt von H. Blass, Eliein. Museum 1880 S. 91 f.); beide beziehen sich auf das von Kallikrates erbaute Heiligthum der Aphrodite

Arsinoe (Strabo p. 800) auf dem Zephyrion an der Kanopischen Nilmündung. Leider giebt die delische Inschrift keinen Aufschluss über des Kallikrates weitere Thätigkeit. Doch wird man den Anlass zur Errichtung der beiden Marmorsäulen mit den Statuen des Ptolemaeos Philadelphos und seiner Gemahlin Arsinoe in den Ereignissen bis zum chre- monideischen Krieg' oder gar in der Verbindung von Elis mit der Partei des Arcus suchen müssen. Von letzterem waren zwei Statuen in der Altis, eine welche den König zu Pferd darstellte, im Süd- osten des heiligen Bezirks von den Eleern errichtet (Paus. VI, 12, 5), eine andere im Süden des Zeus- tempels in der Nähe der Statuen des Demetrios und Antigonos erwähnt (Paus. VI, 15, 9). Zu den beiden Inschriften n. 195 und 19G, von Statuen her- rührend, welche ein Ptolemaeos, unter dem hier nur Ptolemaeos (III) Euergetes verstanden werden kann, für spartanische Könige hat errichten lassen, scheint sich bei den Ausgrabungen keine Ergän-

zung gefunden zu haben.

E. Weil.

NACHTRAG zu S. 22 f.

Da ich die Erfahrung gemacht habe, dass meine oben S. 22 vorgetragene Erklärung der Plinianischen Beschreibung des Apollon von Kanachos (h. n. 34, 75) Unklarheit und Zweifel Hess, welche durch eine Zeichnung sofort beseitigt ^vurde, so erlaube ich mir das Versäumniss nachholend eine Zeichnung mitzu- theilen, so gut ich sie zu geben vermag, und zur Erläuterung derselben folgendes zu bemerken:

H stellt im Durchschnitt, wie alles Uebrige, die innere Handfläche dar, die wirkliche Form nur an- deutend. In ihr sind x y die Scheiden, in welche a und b der dens verlebratus des vorderen und hin- teren Fusspaares eingriff und zwar allerno morsu, wie hier gezeichnet ist, wenn man das von Plinius beschriebene Experiment des unter den Füssen durchgezogenen Fadens machte. Mit c habe ich das Centrum der Kreise bezeiciinet, aus welchen die äusseren und inneren Umrisse der Zähne a b Seg- mente sind; mit C das Centrum für die entsprechen-

den Kreise von x y. Man wird sich so leicht über- zeugen können, dass in gleicher Weise wie b auch a ausgreifen kann; dass aber auch beide zugleich eingreifen können, wie es der gewöhnliche Ruhe- stand erforderte; dass endlich nicht a b gleichzeitig herausgezogen werden können, weil der Abstand ihrer Spitzen geringer als der Abstand der Schei- dcn-Oefifnungen, und dass bei dem Versuch, auch den zweiten Zahn nach dem ersten herauszuziehen, letzterer nothwendig wieder in seine Scheide zu- rückkehrt.

Es genügt, die Möglichkeit des Experiments überhaupt dargethan zu haben. Denn natürlich fällt mir niclit ein, zu behaupten, dass die Construction genau die eben beschriebene gewesen sei, da es mehrere Möglichkeiten giebt. Es wäre z. B. mög- lich, dass an jedem der vier Füsse ein Zahn an- gebracht war: dann bedurfte es nicht der Scheide, um die Bewegung der dentes beim Aus- und Ein- greifen in eine bestimmte Richtung zu zwängen, und auch bei einem einfachen Zahn je vorn und hinten war die Scheide entbehrlich bei viereckigem Schnitt des Zahnes wie der Oefifuung, in welciie er einfassen sollte, da so eine seitliche Drehung des halb herausgezogenen Hirsches um die Axe des

E. Petersen, Nachtrag zu S. 22 f.

193

anderen Fusses verhindert war, und bei accurater Arbeit doch auch bei noch so grosser Dlinnheit des Erzes der Ausschnitt die Kichtung des Zahnes bestimmte.

Um einzusehen, dass der in eine Scheide oder auch in einen einfachen Ausschnitt eingreifende Zahn dens vertehratus genannt werden konnte, ver- weise ich auf Haricss' Lehrbuch der plastischen Anatomie V S. 163, Fig. 134, wo der Durchschnitt

zweier Halswirbel, vertebrae, ein analoges Eingreifen derselben in einander zeigt. Viel schlagender noch ist der Vergleich von S. 156, Fig. 127 und S. 157, Fig. 128, wo das eine Mal ineinander, das andere Mal auseinander gezeichnet sind die obersten ver- tebrae des Halses, deren zweiter der episiropheus in den atlas mit einem Zapfen eingreift, welcher sogar den Namen processus odonloideus führt.

Prag.

Eugen Petersen.

BERICHTE.

SITZUNGSBERICHTE.

Archäologische Gesellschaft in Berlin.

Sitzung vom 2. November 1880. Der Vor- sitzende Herr Curtius legte von eingegangenen Schriften vor: W. Klein, über die parisch -atti- sche Bildhauerschule; K. Schneider, die Geburt der Athene; K. Lange, die Composition des Frieses von Phigalia; Kordela, über die Wasser- bauten von Alt-Atlicn ; besonders aufmerksam machte er auf den ersten Jahresbericht des neu gegründe- ten archäologischen Instituts von America und das Programm der englischen Gesellschaft für Förderung der hellenischen Studien. Eingesandt sind ausserdem: Friedr. Wieseler, Festrede zur academischen Preisvertheilung in GGttingen über den Hermes des Praxiteles; 0 verbeck, Aualecten zur Kritik und Erklärung der Parthenonskulpturen; Guido Hauck, die Stellung der Mathematik zur Kunst und Wissenschaft; Ad. Michaelis, ein neues Handbuch der Archäologie (von C. B. Stark); J. J. Bachofen, Antiquarische Briefe, vornehmlich zur Kenntniss der ältesten Verwandtschaftsbegriffe ; ^Iwtti'vriq Ilavzat,idrjg negi Trjg XaQvaxog xnv Kv- xpilov. Darauf besprach Herr Dr. L. Gurlitt eiu neu entdecktes Kriegerrelief aus Karnösi, dem

alten Kleitor in Arcadien, und legte davon eine von ihm nach dem Originale genommene Zeichnung vor. Die Haltung des Kriegers erklärte er für die des Gebetes und wies das Bildwerk in die Blüthe- zeit des achäischen Bundes, jedenfalls nach 207 V. Chr. Derselbe behandelte unter Vorlage von Photographien drei Reliefs aus Patras mit der Darstellung von Amazonenkämpfen, getreuen Copien aus dem Friese von Phigalia. Herr Curtius legte zahlreiche Photographien nach den neuesten Funden in Pomp ei und nach dem merk- würdigen Friese vor, der jetzt im Musco Tibe- riuo ausgestellt ist, wobei Herr Br uns über einige der dargestellten Gerichtsscenen sprach. Daran schloss sich ein Vortrag des Herrn Curtius über die seit einem halben Jahre im hiesigen Antiqua- rium befindliche Bronzetafel mit dem De er et der Anisener, welche im Original und von Herrn Behrens ergänzt in einem Gipsmodelle vorlag, und besonders eine Untersuchung über die Verwendung von stützenden und tragenden Figuren, wie solche an dieser Inschriftplatte angebracht sind, innerhalb der antiken Kunst.

CHRONIK DER WINCKELMANNSFESTE.

Athen. Das Institut in Athen eröffnete seine diesjährigen Sitzungen am 9. December, dem Ge- burtstage Winckelmanns, mit einem Vortrage des

ArchSolog. Ztg., Jahrgang XXXVIU.

Herrn Professor Köhler über die pergameni- schen Funde.

194

Chronik der Wiuckelmannsfeste.

Rom, 10. Deeember. Herr Henzen eröffnete die Sitzung mit der Erinnerung an den jüngst verstor- benen Collegen Adolf Klügmann. Hieraufsprach Herr Dresse 1 über ein vor kurzem in Rom gefun- denes und in seinem Besitz befindliches Gefäss mit altlateiuischer Inschrift von 128 linksläufig ein- geritzten Buchstaben. Neben den spitzv^inkligen Zügen ist von Bedeutung besonders das sonst nicht gemeingebräuchliche fUnfschenklige m und die Form des r, welches hier dem griechischen P gleich er- scheint. Nimmt man das Vorkommen der früh auf- gegebenen Buchstaben k und a hinzu und die noch nicht durchgeführte Differenzierung des c und g, so darf man diese Inschrift als das älteste Denkmal lateinischer Epigraphik bezeichnen. Sie zerfällt in zwei Theile, ist in saturnischem Rhythmus abgefasst (nach Bücheier) und meldet, dass D venös das Ge- fäss für einen Verstorbenen machte, dem es am novendiale sacrum aufgestellt werden sollte. Dvenos ist entweder Name des Töpfers oder auch allgemein als „frommer, guter" aufzufassen; das letztere zieht der Vortragende vor. Der zweite Theil der In- schrift enthält religiöse Satzungen, in denen D. das beim sacrum novendiale und der Weihuug des Ge- fässes selbst zu beobachtende Ritual erkennen möchte. Zu Gunsten des Verstorbenen wird das Gefäss Jupiter und Saturn dargereicht und der Ops Toitesia ein besonderes Opfer gebracht. Seine in schroffer Gesetzessprache abgefassten Satzungen verbieten die Theilnahme einer Jungfrau bei dem Act der Darbringung, während deren Gegenwart am Altar der Ops für nothwendig erklärt wird. Saturn und Ops stehen mit dem Todten in naher Verbindung, nicht so Jupiter, wenigstens nicht in dem italischen Cult. Seine Erwähnung neben Sa- turnus und Ops erkläre sich nur durch griechischen Einfluss, unter dem Ops mit Rhea (der Mutter des Zeus), Saturn mit Kronos identificirt wurde. Diese Combination müsse aber schon früh geschehen sein, da die Inschrift in der jetzigen Gestalt etwa 350 V. Chr. aufgeschrieben offenbar auf ein äl- teres Original zurückgehe. Herr Hei big sprach über die homerischen Waffen. Die AVaffen der klassischen Zeit, besonders Helm und Panzer, sind erst in verhältnis.smässig später Zeit entstanden. Auf den Denkmälern, die vor die griechische Blüthe- zeit fallen, ist das klassische Bildungsprincip noch niclit zur Keife gekommen, vielmehr erscheinen die auf ihnen dargestellten Waffen, verglichen mit den Körpern, von denen sie getragen werden, unorga- nisch und schwerfällig. Aehnlich hat man sich die

homerischen Waffen zu denken, die durch die ältesten Vasenbikler veranschaulicht werden. Es folgte die Besprechung der einzelnen Waffenstücke. Der homerische Helm bedeckte Stirn und Schläfe und lief auf beiden Seiten in Bronzeplatten aus, welche die Wangen bedeckten und in denen sich Löcher für die Augen befanden. Da das Epos vom Aufschlagen der Backenschirme schweigt, so waren wohl Kappe und Backenschirme aus einem Stück gearbeitet, wie es bei den ältesten erhaltenen griechischen Helmen der Fall ist. Die Bedeckung des Gesichts durch den Helm ging so weit, dass sich die Helden in der Schlacht nur an der Be- waffnung erkennen. Nach der verschiedenen Aus- stattung der Helmkappe lassen sich die homerischen Helme in zwei Gattungen theilen. Bei der einen war die Kappe von einem bronzenen Bügel {<pdlog) tiberzogen, der vom Hinterkopfe bis auf die Stirn herabreichte und auf dem der Busch befestigt war. Der a/.Kpifpa'kos hatte zwei parallele Bügel. Bei der andern Gattung ward der Busch von einem hohen dünnen Metallrohr getragen ; darauf beziehen sich die Worte ÖELvdv de l6q>og xad-vnsQd-ev evevev. Die cpä- Xaqa sind die Büschel, die auf den Seiten der Kappe aus der Bronze herausgetrieben oder auf- genietet waren. Der Panzer war unförmlich weit und Hess dem Körper freien Spielraum. Der runde Schild hatte beinahe die Höhe des Kriegers. Weil zur Handhabe dieser kolossalen Scheibe die beiden inneren Bügel nicht genügten, so gab man ihm einen Stützpunkt durch einen Riemen {xEXafnäv)^ der an den beiden Endpunkten des horizontalen Durchmessers befestigt war und sich au der rech- ten Weiche des Kriegers kreuzend über der linken Schulter getragen wurde. Schliesslich entwickelte der Vortragende, wie die schwerfallige Rüstung die Kampfweise der homerischen Epoche beeinflusste. Die Bibliotheksverwaltung ist Herrn Mau provi- sorisch übertragen.

Berlin, 8. Deeember. Der Vorsitzende der archäologischen Gesellschaft, Herr Curtius, er- öffnete die 40. Winckelmannsfeier mit einem Nach- rufe an die der Gesellchaft im Laufe des verflossenen Jahres durch den Tod entrissenen Mitglieder: den Bildhauer Gilly, den Privatdocenten Dr. Heller, den Geh. Leg.-Rath von Jasmuud, den Pro- fessor Dr. Nitzsch und den Oberhofbaurath Strack, der zu dem engsten Kreise derer gehörte, welche die Gesellschaft ins Leben gerufen und lebendig erhalten haben, ein Mann, in dem wissenschaftliche

Chronik der Winckelmannsfeste.

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Forsclmng und künstlerisches Schaffen harmonisch vereint waren. Aus seinem Nachlass waren z. Th. farbig ausgeführte Zeichnungen ausgestellt, auf das Löwenthor, das Dionysostheater, Olympia, das pla- täische Denkmal u. A. bezüglich. Ausserdem waren ein umfassender Plan der Altis und Um- gebung, den Herr Kaupert nach seiner im Frühjahr veranstalteten Aufnahme entworfen hatte, und eine vom Bildhauer Herrn Walcher modellirte Relief- karte von Athen ausgestellt. Als Festprogramm gelangte eine Schrift von A. Furtwäugler „Der Satyr aus Pergamon" zur Vertheilung. Eingesandt war die Schrift Ziuzow's über Eros und Psyche. Die Vorträge begannen mit einem der Gesellschaft gewidmeten Berichte von Karl Humann aus Smyrna, worin derselbe eine von Plänen und An- sichten begleitete Schilderung von Forschungen gab, welche er im Sipylos angestellt hat, eine Be- zeichnung, die auf das Gebirge Manissa-dagh bei Magnesia zu beschränken sei. Humann fand hier in den Fels gemeisselte uralte Bauten; in 350 M. Seehöhe war ein Prisma von 1,65 M. Länge, 1,30 M. Tiefe, 1,20 M. Höhe mit horizontaler Grund- fläche aus dem Stein herausgearbeitet, ein Raum, gerade gross genug, um einen Thronsessel aufzu- stellen, so dass die Oertlichkeit auf die Burg des Tantalos und den Thron des Pelops passt; der letztere liegt, wie Pausanias 5, 13, 7 beschreibt, oberhalb des berühmten Felsbildes am Sipylos. Hierauf besprach Herr Dr. Milch höf er, welcher als Gast anwesend war, die korinthischen Thon- täfelchen des kgl. Museums, über deren Fund- stätte er an Ort und Stelle Ermittelungen vorge- nommen hatte. Danach waren dieselben in einem heiligen Haine des Poseidon , dessen Figur sie in mannigfachen Variationen wiederholen, an Bäumen aufgehängt. Die übrigen Darstellungen geben von dem hoch entwickelten Culturleben Korinths im siebenten und sechsten vorchristlichen Jahrhundert ein reiches Bild. Ausser Jagd, Viehzucht und Land- bau sind Krieg, Scliifffahrt und Gymnastik ver- treten. Besonders lehrreich sind die Scenen in- dustrieller Thätigkeit: des Bergbaues, der Metall- schmelze, der Gefässfabrikation. Auch diese stehen in engster Beziehung zum Lokal; denn eben hier findet sich die weisse Töpfererde, und Bergwerks- schachte sind in unmittelbarer Nähe nachzuweisen. Auch mythologische Scenen sind dargestellt; zahl- reiche Inscliriften im ältesten Alphabet erhöhen den Werth dieser korinthischen Funde. Herr Robert deutete das ^1«». d. Insl. 1878 tav. d'agg. C publi-

cirte ruveser Vasenbild auf den Mythos von Orion, Eos und Artemis (Apollodor I, 4, 3. Hygin astrol. II, 34.) Herr Mommsen behandelte eine in Venedig wieder zum Vorschein gekommene latei- nische Grabinschrift, welche, bisher für unecht gehalten, nun als zweifellos echt sich herausgestellt hat. Sie stammt vermuthlich aus der syrischen Kolonie Berytos (Beirut). Das Hauptinteresse der Inschrift besteht darin, dass der vornehme Bery- tenser, dem sie angehört, als Kriegstribun in die Armee des in dem Lucasevangelium genannten römischen Statthalters von Syrien Quirinius eintrat und als solcher die Schätzung der Stadtgemeinde Apamea am Orontes vornahm. Die Bevölkerungs- ziffer von 117,000 Stadtbürgern ist wohl die ein- zige aus dem Alterthum überlieferte einer der- artigen Mittelstadt. Die Schätzung der Gemeinde Apamea wird derjenigen von Palästina gleichartig gewesen sein. Herr Kaupert sprach im An- schluss an seine Wandkarte von Olympia über die Lage und die natürliche Beschaffenheit des alten Festortes und seiner Umgebung, sowie über die Veränderungen, welche derselbe im Laufe der Zeit durch Abschwemmung der Berge, durch Erd- beben und Wassergewalt erlitten hat. Im An- schluss daran wies Herr Curtius auf eine der letzten Entdeckungen im Westen der Altis hin, auf den alten Rundbau, auf welchem ein Aschenaltar in situ gefunden wurde, der durch aufgemalte In- schriften und Kränze als ein Heroeualtar gekenn- zeichnet wird und auf die in Olj^mpia verehrten Heroen der Mantik bezogen wurde.

Bonn. An der vom Verein von Alterthums- freunden veranstalteten Winckelmannsfeier sprach Herr Prof. Woermann aus Düsseldorf über die Ge- schichte der ehemaligen Düsseldorfer Gemälde- galerie, indem er von der Errichtung des 1710 vollendeten Galeriegebäudes, von der Bedeutung und den Schicksalen der Sammlung bis zu ihrer Ent- fernung aus Düsseldorf handelte und zum Schlüsse darlegte, wohin die Sammlung in Baiern verstreut worden ist, wo sich die Galerien von München, Sclileisshcim, Augsburg, Würzburg u. A. in dieselbe getheilt haben. Der Redner widerlegte die Be- hauptung, als seien Bilder der Sammlung als Geschenk Maximilian Joseph's von Baiern an Na- poleon I. nach Paris gekommen; vielmehr habe wahrscheinlich kein Bild Baiern wieder verlassen. In Düsseldorf aber seien nur zwei Bilder der Ga- lerie geblieben: Rubens herrliche Himmelfahrt

196

Chronik der Winckelmannsfeste.

Maria und Job. van Winglien's Delila: jenes, weil es zu gross war, um transportirt zu werden, dieses wahrscheinlich, weil man es nicht für modern genug- hielt. — Herr Dr. Lamprecht sprach unter Vor- lage von Abbildungen, welche der Verein zu die- sem Zwecke hatte anfertigen lassen, über zwei Meisterwerke Rheinischer Miniatur-Malerei des 10. Jahrhunderts. Der Redner ging von der spä- teren Karolingischeu Miniaturmalerei aus und zeigte, wie die Schicksale derselben sich eng mit dem letzten Aufschwung und dem jähen Verfall des Herrscherhauses verknüpften, bei dessen Ausgang sie Schutz und Fortpflanzung im Rheinlande, in St. Gallen, Reichenau und dem linken Uferland des Mittelrheins, fand. Hier war es besonders Reichenau, in welchem unter dem starken Einfluss antiker Reminiscenzen die Miniaturkuust eine neue Blüthe zeitigte. Zeuge davon ist der Codex Egberti^ ein Lectionar, aus den 70er Jahren des 10. Jahrh. her- rührend, das sich jetzt in der Trierer Stadtbibliothek befindet. Starken byzantinischen Einfluss hat man in der Miniaturmalerei der Moselgegenden dieser Zeit finden wollen, namentlich in den Bildern des Echternacher Evangeliars, welches wahrscheinlich in Trier in den Jahren 983 92 entstanden ist, jetzt in Gotha. Dem gegenüber suchte der Redner darzuthun, dass diese Bilder rein deutschen Cha- rakter zeigen, u. A. wegen der Identität der Com- positionen mit dem Codex Egberti.

Frankfurt a. M. Die diesjährige Winckelmanns- feier fand am 9. December unter sehr starker Be- theiligung statt. Von Seiten des Alterthumsvereins sprach Herr Dr. Hammerau über die aus der Vermischung der römischen und germani- schen Cultur herrührenden Relicte der ersteren.

die besonders in der Sprache noch sehr zahlreich seien. Es lägen Untersuchungen von Dilthey, Moue und Vilmar vor; allein es müssten noch wei- ter namentlicli die althochdeutschen Sprachdenk- mäler nacli dieser Richtung hin durchforscht wer- den. Besonders biete Otfried, aber auch der Heliand und selbst der angelsächsische Beowulf eine reiche Quelle, ebenso die mittelalterlichen Urkunden, so- wie die Eigennamen. Redner gab eine reiche Fülle von Beispielen, die er nach bestimmten Gesichtspunkten zusammengestellt hat. Von beson- derem Interesse waren die mundartlichen Aus- drücke, welche wie in dem schwäbischen Merkt von mercatus neben dem schriftdeutschen Markt den Ursprung noch treuer festgehalten haben. Von Seiten des historischen Vereins sprach Herr Dr. V. Valentin über eine Maler-Akademie im vori- gen Jahrhundert zu Frankfurt a. M. Er zeigte an der Hand der im städtischen Archiv befindlichen Akten, wie eine solche Anstalt von den Kunst- malern im Gegensatz zu den zünftigen Meistern unter der Führung des tüchtigen Malers Christian Schütz versuelit, dann von dem Maler und Kupfer- stecher Coentgen durchgeführt worden sei. Er knüpfte hieran Bemei-kungen über das Akademiei wesen des vorigen Jahrhunderts und die ihr ent- gegengetretene Strömung, aus welcher sich die Neu- gestaltung der deutschen Malerei entwickelte und unter deren Vorkämpfern Winckelmann in erster Reihe steht.

Emden. Wie in früheren Jahren hielt die hie- sige Gesellschaft für bildende Kunst und vater- ländische Alterthümer auch am letzten Winckel- maunstage eine Sitzung ab, in welcher Herr Dr. Kohlmann die pergamenischen Funde erläuterte.

Berichtigungen.

Seite 38 Sp. 1 Z. 5. 6 lies i^cofioloyi^adfiTjv.

- 89 - - - 8u. 14 - Sinterstreifen. -2-17 - Scheinfugen.

Tafel 11 ist durch Versehen des Schriftlithogra- phen als Lithographie bezeichnet. Es ist Lichtdruck nach einer Zeichnung des Herrn Martin Körte.

Register.

197

Erklärung.

Der oben S. 163 veröffentliclitcn „Berichtigung" des Herrn Professor Overbeck gegenüber halte ich meinen S. 105 f. im Auszuge mitgetheilten Bericht in seinem vollen Umfange aufreclit und stelle hier- mit in Abrede, dass mir in London irgend eine die Zugehörigkeit der beiden Pferdeköpfe zum Po-

seidongespann betreffende Entdeckung mitgetheilt worden. Auch konnte bei der Art, wie Herr Over- beck damals meine Beobachtungen entgegennahm, mir der Gedanke nicht kommen, dass eine solche Entdeckung bereits vorangegangen sein könnte.

E. DOBBERT.

Erwiderunj

Auch ich bleibe bei meiner oben S. 163 abge- druckten Erklärung in ihrem ganzen Umfange stehen, und zwar mit um so grösserer Sicherheit, als es sich bei mir nicht lediglich um Erinnerungen, Eindrücke und Schlüsse handelt, sondern um den folgenden Wortlaut meines londoner Tagebuches vom 20. August 1879:

„Ausser den zwei bei Michaelis abgeb. Frag- menten von Pferdeköpfen ist ein grosses drittes mit einer Mähnenbehandlung vorhanden, welche an

die bei den Heliosrossen erinnert. Mass 27 28 Cm. zwischen den inneren Augenwinkeln. Helios hat seine 4 Pferde (2 in London , 2 in situ) , Selene ihre 2 (1 in London, 1 in situ), Athena hat bei Carrey nur 2 Pferde, folglich gehört der 3. Kopf wie der Fuss zu dem Gespauu des Poseidon. Um so sicherer, da der bei Michaelis abgeb. Kopf wie das Bein hinten abgeplattet ist."

Leipzig, 11. Januar 1881. Overbeck.

REGISTEK

VON O. PUCHSTEIN.

Ä. = Relief; T. = Terracotte; F=Vase.

Achelooskopf auf Kybelereliefs 5, V.

Admet, pompej. GemäUie 42.

Aegineten, Fragmente der 121 ff. Corrosion 127 fr.

Aesehylus Choephor. 8GG S. 171.

Affe auf der Arkesilasschale 185.

Akan thuskronung bei Grabstelen 137.

Alexander, sterbender 162. Kopf in London 103.

Alkestis, pompej. Gemälde 42.

Anakies, Schale des Künstlers 40.

Anchises auf V. 189.

Aphrodite Arsinoe, Heiligthtim der 192.

Apollon von Kanachos 22 ff. 192. Statuen aus Thessalien 103, in Olym- pia 51. Kopf in London 103.

Argonautensage 140.

Aristoteles im P. Spada 107.

Arkesilasschale 185.

Arsinoe, Statue der 192.

Artemis mit Rehkälbchen 103; auf ihr Idol gestützt 184, Taf. 17.

Artemision zu Ephesos, Maasse des 93.

Asklepios auf Kybelereliefs 188.

Athena auf weissen Lekytban 136; auf V. aus Aegina 139; auf einer Phineus- vase 141 ; und der Satyr Ton Myron 25. Cameo mit Geburt der 84.

Attis auf Kybelereliefs 6.

Augustnskopf in Olympia 49; in Lon- don 103.

Barbarin, Kopf einer 75, Taf 8.

Bauelle des Parthenon 174 Anm. 12. Berenikekopf 36. Boreaden auf Phineusvasen 138 ff. Braun, Briefe von E. 83.

Camillus vgl. Kadmilos. Cavalieri's Ordnungsprincip der Ab- bildungen 12. Commodus als Hercules 42. Corrosion antiker Sculpturen 124 fl'. Curvatur der griech. Tempel 107.

Dedicationen an Private 34. Dionysos auf V. 180 Taf. IG. Kopf

in London 103. Dipoinos u. Skyllis, Gruppe von 50. Discus aus Bronze 63, No. 356.

198

Register.

Domi tiabüste in Florenz 36. Dreifuss, Weihung eines 182 ö'.

Eber, Kopf des kalydonischen in

Tegea 98, vgl. 190. Eidechse 103. Ixaröfintöog 95. Elemente, die 4 in der pergam.

Gigantomachie 108. Elle, ägyptische, babylonische, samische,

persische 91 fl". Endymion, R. in V. Ludovisi 148

Anm. 16. Eperastos, Porträtkopf des 48. Ephedrie 171. Episcopius' Icones, Abfassungszeit von

16 Anm. 23. Erichtho auf Phineusvase 139. Eros auf weissen Lekythen 136. Kopf

in London 103. Eroten auf einem

Sarkophag 163 Taf. 14. Euripideskopf in London 103. Eumenide in Olympia 48. Euphronios, Berliner Schale des 136.

Fälschung einer V. mit der Hydra 74,

einer V. in Dresden 191, in Berlin 101

vgl. 161. Faustinakopf in Olympia 49. Fussmaass, das attische 94 if. 172 if.;

das olympische 91fl". vgl. 176 Aima.22;

das römische 91 S. vgl. 176.

Gabiniusbüste aus Herculaneum 33. Giganten kämpf am Megareerschatzhaus

in Olympia 49; aus Pergamon 37. 41.

107 f. vgl. 43. 126. köpf 162. Gorgonen 139. Grabescult, Darstellungen von auf

Lekythen 136. Grabfigur, Kopf einer 75ff. Taf. 8. Grabreliefs aus Pergamon u. Smyrna

37, in Lansdownehouse 82 Taf. 9.

Hand als Votiv 103.

liarpyien auf Phineusvasen 138 Ö'.

Ilekate auf Kybelercliefs 6. 9. 184.

Heraklosstatue in Florenz 17 Anm. 28.

Hercules Commodus 42.

Hermes auf Kybelercliefs 1 ff. Taf. 1 4. vgl. 132; 7tvnif6(>os, nXovjoööjrjg 8; auf Nymphenreliefs 8 ; auf Phineus- vasen 141 ; Fuss des praxitelischen 44; Dionysoskiipfchen desselben 50. 116.

Hören auf einer Phineusvase 139.

Hund auf Kybelercliefs 5, V. W.

Institut, Jahresbericht des archäol.

120. Iphigeneiaopfcr, Ära 17 Anm. 28.

Iris im Parthenongiebel 130 ff. ; als Regen- und Windgüttin 132 S. ; Ety- mologie 133 Anm. 5.

Kabir (Kuret, Korybant) auf Kybele-

reliefs 7, vgl. 187. Kadmilos, Hermes- 7 ff. Kanephore aus Pästum 27 ff. Taf. G. Kanephorie 27. Kallimachoskopf 36. Kapaneuskopf 162. Karyatiden 28. Kasmilos s. Kadmilos. zarny Ol/ff« des Praxiteles 102. Kehren auf einem Parisrelief 147. Klafter, Ableitung der griech. Maasse

aus der 91 ff. Kleomenes, der Künstler 15 ff. 17

Anm. 28. Kovgai auf Kybelercliefs 188. Kybelereliefs Iff. Taf. 1—4. 187 Taf. 18.

Landschaftlicher Hintergrund auf Re- liefs 148 ff.

Laokoonvase 189.

Lares, Votiv an die 103.

Lekythos, weisse in Berlin 134 ff. Taf. 11. Geschichte der attischen Le- kythen 136.

Linos und Nike auf V. 101, vgl. 161.

Lotosknospe als Ornament 136.

Maass, der griech. Tempel 9 Iff. Maussoleum-Sculpturen, Corrosion der

126; neues Fragment zu den 103. Metroon in Olympia 44; im Piräeus 1. Mili tär diplom aus Regensburg 108. Münze von Larisa 18.

Nereidenmonument, Corrosion der

Sculpturen vom 126. Nike auf Vn. 101, vgl. 161. 136. 182,

Taf. 16; in den Parthenongiebeln 13 Iff.;

anathem von Samothrake 42 ; ba- lustrade 89; ^pyrgos in Athen 85 ff. Taf 10.

Nikosthenes, Schale des 40. Niobide im P. della Valle 14 Anm. 17.

O inone 145 ff.

Okeanos auf einem Parisrelief 147.

Omphalekopf 75 Taf. 8.

Orcus auf einem pompej. Gemälde 42.

Oreithyia als Botin 130.

Orion, Eos u. Artemis auf V. 195.

Ornament, lineares 63 No. 354; my-

kenisches und asiatisches 40; einer

argivischen V. 74; Lotosknospen 136;

Palmctte an der Stuhllehne 136 Taf. 11.

Krönung von Grabstelen 137.

Pan auf Kybelereliefs 5. 8. 187 Taf. 18.

Panther als Hausthier 185.

Paris und Oinone 145 Taf. 13.

Parthenon, Maasse des 94. 172 ff. Frag- ment aus dem Westgiebel (?) in Ve- nedig 71 Taf. 7; Gespann des Posei- don 105 vgl. 132. 163. 197; Corrosion der Giebelsculpturen 126. Erklärung des Westgiebels 130 ff.

Pausanias V, 9, 3 vgl. 169 ff.

Pelops, Thron des 195.

Penelope- artiger Kopf in Berlin 37.

Perseus auf V. 139. Kopf in London 103.

Pferdegeschirr 179 Anm. 14; -gang- arten 180 Anm. 16.

Philetaskopf 36.

Phineus auf Vn. 138 ff". Taf. 12.

P Ileus, Gebrauch des 104.

Calijurnius Piso, Kopf des 20 Anm. 3. 32 ff.

Plinius n. h. 34. 75, zu 22 ff. vgl. 192.

Praxiteles, Hermes des 44. 50. 116; die xarc'tyovaa des 102.

Propyläen, Südhalle der 85 ff.

Ptolemäos Philadelphos und Euerge- tes, Statuen des vgl. 192.

Pyrrhosbüste in Florenz 36.

Pythagoras von Rhegion 31.

Rabirius, Verfasser herculanischer Rol- len 32 Anm. 3.

Reiterei, Dokimasie der attischen 177 ff. Taf 15.

Reliefs mit malerischem Hintergrund 149 ff.

Ring mit Porträtkopf 159.

Sabazios, Votiv an 103.

Sapphokopf in London 103.

Sarkophag, etrusk. 37; -deckel ebda.

Satyr von Myron 25; die Flöte bla- send, Statue in Olympia 51. und Nymphe, R. 149, Taf. 13,3.

Scenischer Sieg, Monumente auf bezüglich 182 ff'.

Schauspieler, kom. in London 103.

Schleifer in Florenz, Geschichte des 11.

Schildkröte 103.

Schoinos, ägyptischer 92 Anm. 5.

Seneca, Kopf des 20 ff. Taf. 5; 32. 35. 37.

Silensgesicht aus Olympia 45.

Skamandros auf einem Parisrelief 147.

Sklave, Freilassung der röm. -- 43.

Skopas' Werke in Tegea 98 ff. 190.

Sokrateskopf 20 ff. Taf. 5.

Register.

199

Sonnenuhr aus Athen 37. Sosias, Teller des Künstlers 40. Spiele, Reihenfolge der oljnip. lG9ff. Stadion, Eratosthenisches 92 Anm. 5. Stilicho, Inschriften des 104.

Tannenzapfen 103. Tantalos, Burg des 195. Thallo auf l'hineusvasen 1Ö9. 145. Thanatos auf V. 189. Theseion, Maasse des 175 ff.; Co-

rosion der -Metopen 125. Thron von Marmor 37.

Tiberiuskopf in London 103. Titanenkopf 162. Trajanskopf in London 103.

Wachtel 135 vgl. Taf. 11.

Waffen, homerische 194.

Wanddekoration durch Gemälde u. Ss. 150 ff.; durch Marraorincrustation 152 ff. ; antike bei der V. Farne- sina 107.

Wasser daimon, Kopf auf Kybelere- liefs 3 (vgl. Achelooskopf). 6, X 8.

Wassergott auf Parisrelief 147 Taf. 13.

Weihgeschenke, Aufstellung der 30. Widder auf Kybelereliefs 5, V. Wölfin, die kapitolinische 106.

Venus, älteste Abbildungen der medi- ceischen 13 f.; Inschrift derselben 15; Statue im Viridarium Rucellai 14.

inoßi ßuitaS ai. Darstellungen des 18.

Xenoph. Hipp. III, 1, zu 177 Anm. 3.

II. TOPOGRAPHISCHES REGISTER.

Aarau, Iris mit Horus aus 39.

Aegina, Balsamar aus 40. 139.

Aegypten, Bronze aus 39. Ent- lehnung der griech. Maasse aus 92.

Aegion, zu den Statuen aus 101.

Agrai, Rs. aus 6, X

Akrai, Santoni bei 5, Ua.

Andros, R. aus 5, U.

Anisa, Dekret der Stadt 39.

Apamea, Schätzung von 195.

Apt, Kopf aus in London, 103.

Arges, V. aus 74.

Assos, Tn. aus 39.

Atalanti, T. aus 39.

Athen, Alterthümer aus 1. 37. 39. 40. 134 Taf. 11. ijj. im Museum der arch. Ges. 1, ß. 2, G. 3, K; vgl. 187 Taf. 18; im Nationalmuseum 2, F Ga. Taf. 3. 4; 6, X Taf. 2, 2. 4, 3; 7, Y Taf. 2, 4; im Cultusministerium 2, Gb; im Museum der Akropolis 2, C. D. E; in den Propyläen 182, b. 183,/. Nikepyrgos 85 ff. Taf. 10. Theseion 125. 175. Parthenon 94.

Attika, Lekythen aus 40. R. in der Kirche des Agios Dimitrios in 3, /. Taf. 2, 1.

Äugst, Gerätfragment aus 39.

Axati, Carneol aus 22.

Babylon, gr. Inschr. aus 103.

Berlin, Erwerbungen des Museums im Jahre 1879 S. 37 ff. Rs. in 1, A Taf. 1 ; 2, Ba. H Taf 4, 1 ; 3, Jkf Taf. ä,2\N Taf. 3,1; 4, 0. 5, V Taf. 4, 4. Sarkophag mit Eroten 163. Dopijelbüste des Seneca und Sokrates 20 ff. Taf. 5. Goldring 159. Lekythos mit Nike und Linos 101, 161. weisse Lekythen 134ff. Taf. 11. V. mit Har-

pyien 139, mit Darstellung des vnoßi- ßäCia^tai ISS. Schale aus Orvieto 177 Taf. 15. korinth. Thontäfelchen 195. Berytos, Inschr. aus in Venedig, 195.

Cales, Gefässe aus der Fabrik von 43.

Capua, V. aus 40.

Cattajo, R. in 4, Q Taf. 3, 3; R;

5, W Taf. 4, 2. vgl. S. 7 Anm. 5. Cerigo, Inschrift aus 103. Cervetri, r. aus 39. F. 40. Cistel03. Co meto, T. und V. aus 40. Curti, T. aus 40. Cypern, T. aus 39; vgl. Larnaca.

Dardanellen, Schleuderblei xmd T. aus 39.

Dresden, Basis in vgl. 182 ff.; ge- fälschte r. 191.

Ephesos, Maasse des Artemistempels 92 Anm. 1; 93. Rs. aus 3, 31 Taf.3,2. N Taf. 3, 1 ; 4, 0. P.

Eukarpia, Münze von 184 Taf. 17.

Florenz, Geschichte des Schleifers in 11 ff., der Venus Medici 13; Basis in

16 Anm. 23; Ära mit Iphigeneiaopfer

17 Anm. 28; Pyrrhosbüste 36; Domitia- büste ebda.; Ileraklesbüste im P. Pitti 17 Anm. 28.

Galaxidi, Spiegel aus

39.

Halae, Tn. aus 39.

Herculaneum, Büste und Villa des Piso in 32 ff. 20 Anm. 3 ; Gabinrus- büste aus 33 ; lat. Inschrift 34.

Iconia, Adler und Petschaft aus 39. Imbros, Tempelinventar aus 37.

Kameiros, Phineusvase aus 142 Taf. 12.

Karantä, R. aus 3,i.

Karn^si (Kleitor), Kriegerrel. aus 193.

Kleinasien, T. aus 103; Gem- men 39.

Knidos, Lampe aus 184 Taf. 17.

Kolor] (Kula), gr. Inschr. aus 37 ff.

Korinth, T. aus 39; F. 40. Thontäfel- chen 195.

Korseia, T. aus 39.

Kreta, V. aus 40; Fund von Migalo Castro 103.

Kreusis, R. aus 37.

Kyme, T. aus 39.

Kyrene, Fabrikationsort der Arkesilas- schale 185.

Kyzikos, Glasgefäss aus 38.

Lakonien, Gemme aus 39.

Lansdownehouse, Grabrelief in 81 ff. Taf. 9.

Larnaka, Artemis -Gruppe aus 184 Taf. 17.

London, Erwerbungen des brit. Mus. im Jahre 1879 S. 103. Omphale- kopf 75 Taf. 8; Phineusvasen 142 Taf. 12; Laokoonvase 189; Corrosion einzelner Sculpturen 125.

Mailand, Bronzeschale aus 103.

Marathon, V. aus 40.

Monte romano, Wandverzierung aus

39. München, Aegineten in vgl. 121 ff. Mustaphades, Kybelerelief aus 3, K\

vgl. 187 Taf. 18. Mykene, Vn. aus 40. Myrina, Tn. aus 39. Mytilini, R. in \0,Z.

200

Register.

Naupaktos, Bronzegeräth aus 39. Noia, Stil und Herkunft der Vasen aus

19. 1-44. Phineusvase aus 143. Norchia, Sarkophag aus 37.

Olympia, Inschriften aus 52 ff. 117 ff. lG4ff. vgl. 191. Ausgrahungsberichte 44ff. lOOff.; das grosse Gymnasion 46; Baugeschichte des Heraion 48; Epe- rastosstatue 48; Aschenaltar 45; Rund- bau 47; nördl. Palästra 47; Metroon 48 ; Megareerschatzhaus 48 ; Echohalle 48; Hydrametope 49; Herakleskopf 50. 116; Lapithin 51; Bronzekopf eines Siegers 113; Jünglingskopf 114: Hip- podameiakopf 114; Herakles und die Hirschkuh 115; Kleinbronzen 115; Dionysosköpfchen 116; knabenrauben- der Kentaur 116; Apollostatue 116; Corrosion der Sculpturen in 127. Reihenfolge der Festspiele 169 ff. ; Ephe- drie 171 ff.

Orte, T. aus 40.

Orvieto, Alterthümer aus 37. 39. 40. 177 Taf. 15.

Paris, Bronzeabguss der Venus Medici

in 18. Faros, Nymphenrelief in 4, T. Pästum, Kanephore mit Inschrift aus

27 ff. Taf. 6.

Patras, Amazonenreliefs in 193. Pergamon, Kybelerelief in 10, Za.

Grabreliefs aus 37. T. aus 39.

Ausgrabungen in 37. 41. 107 f. vgl.

43. Corrosion der Sculpturen aus

126 f. Phigalia-Fries, Corrosion des 125.

Copien 193. Piali, vgl. Tegea. Firäeus, T. aus dem 39. Bs. 1, B.

2, B". n Taf. 4, 1. V. 182 Taf. 16.

Regensburg, Militärdiplom aus 108.

Rhodos, Untersatz aus 38. Bronze- fragment u. griech. Inschr. 103.

Rom, altl. Inschr. in 194. Antica- glie aus 39. Wanddekorationen bei V. Farnesina 107. Venusstatue im P. Gaetani 12. Rlyronischer Satyr im Lateran 25. Parisrel. in V. Ludo- visi 145 Taf. 13, 1; Endymionrel. 148 Anm. 16; B. mit Satyr u. Nymphe 149 Taf. 13, 3. P. Mignanelli vgl. 11. 12. Rom. Inschr. im P. der Propaganda 42. Venusstatue im Viridarium Rucellai 13. Aristoteles im P. Spada 107 ; Parisrel. 146 ff. Taf. 13, 2; Rs. von S. Agnese 153; Antiken im P. della Valle 14. 16 Anm. 26. vgl. 78 Anm. 16.

Saburoff, R. der Sammlung 4, P.

Samos, Maass des Heraious auf 97.

Samothrake, Corrosion der Giebel- figuren von 127.

Sardes, Cinerar aus 38.

Sipylos, Felsbauten des 195.

Smyrna, Marmorfigürchen aus 83 ff. R. 37. F. 39.

Sparta, Sarkophag in 163 Taf. 14.

S u n i 0 n , Lekythen von 40.

Tanagra, Tn. aus 39. 103. Tegea, Tn. aus 39. Skopasische

Sculpturen in 98 ff. vgl. 190. Theben, Kybelerel. in Z,L. Vn. aus

40. Thessalien, Apollo aus 103. Tortos a (Phönizien), Grabfund von

103.

Venedig, Statuenfragm. in 71 Taf. 7.

Inschr. aus Berytos in 195. Verona, B. in 4, S. Vetralla, Teller aus 40.

Wien, Corrosion der samothrak. Giebel- figuren 127.

Xanthos, Corrosion des Wagenfrieses von 125.

Zephyrion, Heiligthum auf dem vgl. 192.

III. EPIGRAPHISCHES REGISTER.

Griechische luschrifteii

aus Athen S. 39; aus Constantinopel S. 38; aus Imbros S. 38 ; aus Kula(Äo^.ö»;) S. 37. 38; aus Kyreue S. 186; aus Ma- kedonien (Idranitzi) S. 159 ff'. ; aus Olym- pia S. 52 ff. No. 334—336; S. 117 ff. No. 363. 364; S. 164 ff. No. 366 380; vgl. S. 171 ff. 191 ; aus Püstum S. 29 Taf. 6 ; aus Rhodos S. 38 ; aus Sardes S. 38; Metrische Inschr. 0. 339. 340. S. 27 Taf. 6.

O := Olympia. l. Namen. 14 yai) t]/ne()og 0. 347 57. '^ynaaQxos 38. 0. 348 58. 'A»uvu S. 29 Taf. 6. Uaevattt auf V. 40. 'ASr)VÜ IlQÖfxa^og, Spiele der iu

Rom 0. 369,6 165. 'yl»tivaroi 0. 343 56. AluvjCö la 11/j.C 40.

n. A t). 1 0 s ApCaiojv 0. 344 56.

'AxQMQetoi 0. 360 65.

"AxTia 0. 366. 164.

AXuavfjg 0. 360 65.

Fakiioi O. 362 66.

Alesion, vgl. zu 0. 360 65.

'A).^$uvägos 0.34.3 SbG. 0.347 S.57. 0. 350 S. 60. Aiüjviäov 159. ,9«- ail.^cog 'Ali^ävSgov auf einem Schleu- derblei 39.

'Al(pei6s 0. 350 60.

Aft/^aJvios 0. 347 57.

'.^VKtiOf 0. 363 117.

'AvailnoXig Taf. 3,3. vgl. S. 4, Q.

J. "Avüiaxiag Qtoyivrig 0. 349 59.

'lAvTtixog O. 350 60.

AvTio/tvg 0. 366 164.

'Aviio/og 0. 347 57.

'Avt Kfiüvrjg 0. 346 56.

AvjmvCa Avjoivlov 37.

Avj{üJVio;) Zrjaog 0. 351 61.

'Anka 0. 341 55.

'Anull— O. 373 167.

Aii6}.).o)vi StmBoirjVM 37. Tapat 38.

Anok).ojviog 0. 349. 350. S. 59. AtioUmvIov 0. 336. S. 53; der Künst- ler An. S. 17 Anm. 29.

'Linniog 2^aßitvog 0. 345 56.

"AQyog 0. 337 53.

'AQeonayeiirjg O. 343 56.

Afiinvia auf V. 40.

'IAqc aiog 0. 347 57.

AgCataQ/og 0. 347 57.

Aqioi (ag, Künstler 0. 371 167.

AniaröSiifiog 0. 347 57.

Agiatoärifiog 0. 348 58.

AoiaioxQÜiTjg 0. 347 57.

Agxäs 0. 374 167.

"AQXEGog 0. 347 57.

Agfiöäiog 0. 347 57.

AQxtfiCiSiüQogAQii^iöixtQOv 38.

Aqt^/ziovos vloC 38.

AQXiüäug 0. 347 57.

AaiÜQxrig 0. 353 62.

xoivöv 'Aalag 0. 337 53.

IlonX. AaxXr]7iiäi!)'r]g 0, 356 63.

Register.

201

r. 'AaCvtog Kovaigitro; 0. 342 55. Av {Quitos) 'AkfiuväQOi 0. 250 CO. Av. 'AXipitös O. 350 60. M. AvQ^Xi 0 ; 'ElXrjvoxQcnriq 0. 351

61. Av. Klio^v/og 0. 350 60. Av. Mrjjyößioi 0. 350 60. Av. NeiXTiifÖQOs O. 350 CO. Av.''0ivfi7ios 0. 350 CO. Av. OvnaiffÖQOs 0.350 CO. M. A(fiQnhog) 'Yyervoi 0. 350 CO. xoivöv TüJv 'A)raiu>v 0. 344 56.

Valerius Eclectus s. zn 0. 309 S. 1C5. Biytiog 0. 350. 351 CO. BejXrjvri Kttoalct XnvanQ^ta 0. 352

61. yi. Berlijvog .i'iKpfus 0. 351 61. B tß{ovX kl os) 'f'cwmnviavös 0. 351

61. M. Biipüviog 2:avv(iSag O. 350 60.

r Bezeichnung der Phyle 0. 347 351

57. rät og 0. 349 59. rEvi»i.tog 0. 351 61. ViVTittVÖg 160.

/1 Bezeichnung der Phyle 0. 347 S. 57. 349 59.

Aa/^('yriTog 0. 334 52.

Aa/n(ci»id'ag 0. 370 166.

Aafiägiarog 0. 347 57.

Aätfvn 0. 366 164.

AiayoQttg 0. 334 52.

Alayqog 160.

Aioy(vrtg 0. 337 53.

Aiövdxog 0. 350 60.

Atovvaiog 0. 337 S. 53. 349. 350 S. CO. 'A»rivaTog 38.

Ao. 0. 347 57.

AOMNOY auf einem Ringe S. 39.

Anofiinnog xukög AnofiOxkiCöo Vasen- inschrift S. 187 Anm. 5.

AQOvaog 0. 373 167.

EtatSiaqog 0. 351, 5. 8. Gl. "EXXnvig 0. 340 S.54. 344 S. 56. ^EXXrivoxQi'tfqg 0. 351 61. 'EXTtig 38.

'En aifQÖö iiog 0. 349 59. 'EiiCyovog 0. 348 58. 'ETiifiiXrig 0. 247 62. 'Egewittvög 0. 348 58. 'F.QixSg 0. 366 164. Ev<5(tftog O. 341 55. Evnonog 0. 350 60. 'E(f,(niog 0. 337 53.

Ziiig. Aiög UqÜ 0. 348—351 S. 58 Ai 0. 358 S. 65. All 'OXvftnio) 0. 336 Archüolog Ztg. Jahrgang XXXVIII.

S. 53, 356 S 63, 366 S. 164, 377. 378 S. 168. 'OXvvntn) 337 S. 53 vgl. 364 S. 119. Zrivt iOviSlxa) 0. 340 S. 54. ZI 'OXvvTilot 0. 362 S. 66 als Personenname (Gen. Aiog) 350 S.CO.

Zfi»og 0. 351 61.

ZwiXog S. 38. 0. 347 S. 57

llXfTog 0. 336 S. 53. 346 S. 56. 370 S. ICC. 379 S. 168. 7/Affc 346 S. 56. 'HX f Ciov ßovlij 344 S. 56. "HX. ätifiog 341, 342 S. 55. 'HX. noXig 352 S. 61. Phylen von Elis vgl. zu 0. 347 S. 57.

'HQttxXeCärig 0. 247 S. 62. 0. 347 S. 57.

'HQBxXCärig 0. 347 S. 57. 349 S. 59.

'llQÜg O. 349 59.

ßeoy(vrtg O. 349 59. ©toJÖT« 0. 34C 56. ©«dJoTOf 0. 348 58. Sioitvog 0. 335 52. eBoaaXög 0. 343 56. 0p«fftuv 0. 348 58.

'Jttfiiärig 0. 347 S. 57. 348 S. 58. 349

S. 59. 350, 351 S. 60. 'reQci7ioX((rrjg 0. 3ed,b. 165. IM Stempel einer T. 39. 'IovXCa':AnXa 0. 341 55. r. 'lovXiog ZioGTQttTog O. 341 55. r. 'lovXiog 'PCXmnog TgaXXiavög

0. 353 62. 'lovviog 'PovifTvog 160. 'InnCag 0. 347 57. 'laCiSioQog 0. 347 57. 7(t/(U)' 0. 366 164. 7(TÖ<fi)jU0f 0. 339 54.

K Bezeichnung der Phyle 0. 347 57.

KaXXixQu^rig 0.335S 52 vgl S.191ff.

KaXXtn- 0. 369, a 165 ,

KäXXiOTog 0. 349 59.

KriXXoiv O. 347 57.

Kaaaia 0. 352 Gl.

Kaaaiog B^ysiog 0. 350. 351 S, 60.

KXavdla 0. 352 Cl.

Tiß^Qiog KXaväiog Tißfglov vläg Ni-

Qwv 0. 336 S. 53. 0. 373 S. 167. KXav(^äiog) IIoXvxQÜTrjg 0. 351 61. KX."OXvftnog 0.3bO 60. KX. Ttiaufitvog 0. 351 61. TißSQ. KX. 'Ynariavög 0. 350 60. KXannog 0. 347 57. XXtOfAuyog 0. 3.50 60. KXvTiüJrig 0.347 S.Ö7. 348. 349 S. 58.

350 S. 60. 3bl S. 61. r. A'ilwJio? 0. 227 G2. KviiCa Kviäiog 38. KoQiv»iog 0. 356 63 .

KovaÖQÜi og 0. 342 55. KvQog 0. 347 57.

AaxiiSuifAovCiav ol tfvyövi fg 0.335

52. A(ovjäg 0. 350 CO. Afovirjatog 0. 335 52. .Afiovtäag S. 159. 0. 227 C2. Aovxnvn KXaväUi 0. 352 61. K. Aovxrivög ZttixXÜQog 0.352 61. .Avxäiov 0. 349 59. ./^i^x^J«? 0. 376 168. AvxoXdov 0. 349 59. AvaCnnov tqyov S. 17 Anm. 28.

iM Bezeichnung der Phyle 0. 347 S. 67.

350 S. 60. Mivrig Taf. 2, 3 S. 2. MagxfXXtttVÖg auf einer Münze S.184. Mägxog O. 348 58. MeyaXonoXCtag 0. 371a. i. 167. Mn-ng'i 0. 375 167. r. M(ft^iog EvJnfjog 0. 341 55. M. ;i/f^. "Avieixog 0. 350 60. //. JIK/Jfiiog 'f'iXöäafiog 0. 341 55. Mivinnog 0. 370 166. /l/ftTOfafryos 0. 367 164. Mf öa^vtof 0. 344 S. 56. 377 S. 168. MeTÜTiiot 0. 363 118. MriTQl 9idiv Taf. 2,3 S. 2. Mrirgößiog 0. 350 60. MCxa Taf. 2,3 S. 2. Mixxiag 0. 347 57. Mvaai»ia 0. 352 61. MoXoaaog 0. 347 57. Mo D(j HI-Off 0. 349 59.

JV = vtcÜTfeof ? 0. 347 S. 57; zur Be- zeichnung der Phyle 0.347 S. 57. 349 S. 59.

NcünoXig 0. 337 53.

NetxoxXrjg O. 348 58.

Ntfi^ag O. 377 168.

Nigova O. 227 62.

]Viitf,(ov O. 351 61.

Nlxa 0. 371 167.

Nixöägofiog 0. 380 168.

'OXvfiTiCu 0. 342 S. 55. 362 S. 66.

363 S. 117. 'OXvfiniüg S.38. dieKönigin 0.355

63. 'OXv^niyog 0. 347 S. 57. 'OXiivni-

/off xttXög auf V. Taf. US. 137. 'OXvfi7T({<or) 0. 247 62. "OXvfiTiog 0. 348. 349 58.

Ofi^vovg {kvyctirjg 82.

oi'ioff 0. 346 56.

'OuTioog auf einer Büste in Florenz 36. 'Ontaitaaiog zu 0. 91 70. "OQtazoi 160.

27

202

Register.

Tlegyatog 0. 369, 6. 165. HiQiv; (für TltQatvi) auf V. 40. noi.vxagnog 0. 349 59. nolvxgdrri; 0. 351 61. nof.vxägijs 0. 347 57. flolv/agfiog 0. 340 54. UgaSayög«; 0. 346 56. noaittxmv 0. 347 57. Hg^TKüV 0. 247 62. nv»Ca)V 0. 348. 349 S. 58. 351 S. 61. IIvqIqos] 0. 355 63.

'Pijya/a 0. 338 54. 'Pov<plv og 160. ■Pw^?) 0. 369,6. 165.

Zttßtivog 0. 345 56. Zn/Srj-Of 0. 349 59. 2aix).agog 0. 352 61. ZavvCSag 0. 350 60. 2tlnviüVTi.. . 0. 361 66. ^Ixgeißiavittvös 0. 356 63. .^"^«i'pi'nroff 0. 369,2). 165. Zoifiov 0. 349. 350 S. 59. .Z'nßpTiäißt 0. 357 64. Zr«;fys 0. 351 61. SvvxaCQiav 0. 350 60. XtoaCvixog 0. 347 57. 2(aaTQaiog 0. 341 55. .S'ioi^pi;^ OS 0. 350 60. .2'ftji/w»' 0. 347 57.

T Bezeichnung der Phyle 0. 347 57. Tiiaafitvog 0. 351. 61.

T.ji 0. 369, a. 164.

Tellon, Basis des O. 91 S.70. TificcQiTcc 0. 346 56. Tl/xcov 0. 347 57. Tett).i.iav6g 0. 353 62. TginoXiCxrig 0. 369,6. 165.

'Yytla 0. 338 54. 'Yy fXvog 0. 350 60. Vr auf einer Gemme 159. •Y;iaTt«»'os 0. 350 60. juijvoj 'YntQßeQtiatov 38.

«/> Bezeichnung der Phyle 0. 347 S. 57.

0. 350. 351 S. 60. 't'ttCarog 0. 348 58. 't'avaTeivici vog 0. 351 61.

r. if^fi'iog KuUtaiog 0. 349 59.

'Pialijeg 0. 340 54. <I>i).ttdt}.(ftvg 0. 369,6. 165. 't'iXiug auf einer V. 40. 'I'Clinnog 0. 353 62.

«^i/lfa O. 372 167.

'PCXtajog 0. 346 56. 'PtliM Taf. 6. S. 29. 'piXöiSa/^og 0. 341 54. tf-oldv/xoc 0. 372 167. T. <Plüßiog ElaläioQog 0. 351 61. «f>i. ZxQiißb)Viav6g 0. 356 63. *Aß,«(Of '/-iI-IkI 0. 343 56. •/"Anxxof auf einer Münze 184. 'Piilai 0. 343 56.

X Bezeichnung der Phyle 0. 347 57. XÜQrig 0. 247 62. XaQfitäiig auf V. Taf. 12 S. 144. Xagfj.vXii5ag Taf. 6 S. 29. Xfipoi// 0. 347 57. XQvaciQ^j« 0. 352 61.

■i2pß(>(OS Ilaßrvog 0 349 59.

2. Sachregister. itQol xiu aT((fuvitjttl äy luve g 0.337 53. Kili/TK();f ?)f 0. 356 63. KV»vnajog 0. 342 55. Apostroph 0. 340 54. ctQfi « TiioXixov 0. 346 S. 56; 380 S. 168.

latiov 0. 379 168.

r«e()))V O 362 S.66; Etymologie S 69. ßp;^ijUßj'ipof 0. 347 57. ß(>;fii^xnuv 0. 347 57. ßO/l»)i^f 0.347 S.57; vgl. zu 349 S.59. Beamtenkataloge 0. 347— 350 S.57.

vgl. 0. 217 S. 62. ßovXtvj^g 0. 3696. 165.

ßovXri 'OXvfimxri 0. 341 343 S. 55.

345 S. 56. 352, 353 S. 61. 367 S. 164. yQa.fi jj.ai tilg 0. 347 350 S. 57. äixciia Taf 6 S 29. iXXttVoClxag 0. 362 66. tiitynr^g 0. 347 S. 57. 349 S. 59.

0. 247 S. 62. inaQ/Ctt, (naqxixaC, f;Tap;|fOf S. 159ff. EHENIIOr, EflENnETO, ENHOI

0. 362 S. 66; vgl. S. 69. tmanovä OQ/riarrig 0. 347 S.57.

349. 350 S. 59. 247 S. 62. iifrißsvaag 0. 341 55. Zetakismos vgl zu 0. 362. 66. ittoC Ausruf auf einer V. S. 144. »tox6Xoi W.iz/JTiizoi' 0.348-350 S.58. "jlQaiu 0. 366 S. 164. fv "4Qyu

337 S. 53. tazQÖg 0. 347 57. iiQiiig T^s 'Pui/itjg 38. itQO(fic(Virig 0. 344 56.

Innaq/riaag 0. 369, a. 165. "Ia9fita 0. 337 53. xa0^71fi(Q09vTrjg 0.347 57. xaXög, 6 nccig xßAo'f S. 40. Taf 11

S. 136. Taf. 12 S. 143. 144. KanfTüiXcc! 0. 369,6. 165. x^puf 0. 3G96. 165. xXitäovxog 0. 247 8.62. 0.347 S.57. fiäyeiQog 0. 247 62. fiävreig 0. 347—351 S. 57. MA2:TPAAI 0. 362 S. 66, vgl. S. 69. N^/iia 0. 337 S. 53. mfiein 0.366

S. 164. SvXev; 0. 347 57. olvo/oog 0. 347 S. 57. 0. 247 S. 62. 'OXv/iTTiK 0. 336 S. 53. 337 S. 54. 346

S. 56. 366 S.164. 369 S.165. 372 S.167.

378—9 S. 168. navxQaj lov 0. 366 164. 7iivitt»Xog 0. 356 63. neQuiyrjTttl 0. 350, 351 S. 60. TitgCoäog äei Festspiele 0. 366 S. 164. noXeizÖQxrjg 160. nQia ßtVTuC 160. nv»itt O. 337 53. Rhotakismos vgl. 0. 362 S. 66. aaXniaTiU 0. 337 53. aoy/orijf 0. 343 56. anov<SavX7]g 0. 349. 350 S. 69. OTioväoifÖQoi O. 348—351 S.58. avveäQog 0. 343 56. avvxXriJtxög O. 356 63. avv(oQli itXf(a 0. 346 56.

7i(oXix^ 0. 370 S. 166. 0. 380 S. 168. zi&qinnog 0. 336 53.

liXtiog 0. 346 56. 'OXvfiniog vfivos 0. 339 54. vnajixög 0 345 S. 56. 0.356 S. 63. vTiarog dnotStJeiyfiivog 0. 342 55. qUaxog 160.

Lateinische Inschriften.

Aus Rom S. 42.43. 194; ausCales S.43;

aus Herculaneum S. 34 ff. Q. Carminius Optatus 103. duenos 194.

Hercules Silvani nepos 42. Jupiter 194. Latercula militum 43. Ops Toiteria 194. Pis(onis) 34. q(uadratarius) 34. sacrum novendiale 194. Teles 34.

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880

TAFEL 1

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ATTISCHES WEIHRELIEF

AN DIE GROSSE GOTTIN

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880

TAFEL 2.

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WEIHRELIEFS

AN DIE GROSSE GÖTTIN.

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880

TAFEL 3

WE I H R E LI E FS

AN DIE GROSSE GOTTIN

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W El H RE LI EFS

AN DIE GROSSE GÖTTIN.

LiiK V, Carl LeoriLBed..

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SENECA UND SOKRATES

DOPPELB Ü STE.

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG )880

TAFEL 6

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KANEPHORE

BRONZE AUS PAESTUM

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ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880

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TRAGISCHER KOPF

IM BESITZE DES HON ASHLEY PONSONBY

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.

TAFEL 9

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ATTISCHES GRABRELIEF

IN LANSDOWNEHOUSE .

Lith.v.CUonh.Beclff!

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TAFEL 10-

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i: 50.

ZUM NIKE-PYRGOS

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HAOLOGISCHE ZEITUNG 1880

TAFEL 11.

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ATTISCHE LEKYTHOS

IM BERLINER MUSEUM.

C.Leonh.Becker.

Druck V. J Hesse Hafl.Beriui

PHINEUS -VASEN

IM BRITISH MUSEUM

h EecVer.

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880

TAFEL 13.

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PARIS UND OINONE.

IjÖlv Carl Leorih Becker

JJmjücYlEesseJflfiJetlm-

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1380

TAFEL 14

SARKOPHAG AUS SPARTA.

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Druck vJ&sselufl.:

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.

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SCHALE AUS ORVIETO.

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880,

üÜitJ Samuel.

BACCHISCI-

KRATER A

ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.

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5ACCHISCHE SIEGESFEIER

KRATER AUS DEM PIRÄUS

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ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.

TAFEL 18.

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RELIEF AUS TANAGRA.

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